Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des Umgangs mit neuen genetischen Analysen [1 ed.] 9783428548255, 9783428148257

Die Untersuchung widmet sich dem internationalen Umgang mit den normativen Herausforderungen, die durch die Entwicklunge

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Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des Umgangs mit neuen genetischen Analysen [1 ed.]
 9783428548255, 9783428148257

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E THIK UND R ECHT Band 2

Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des Umgangs mit neuen genetischen Analysen Von

Fruzsina Molnár-Gábor

Duncker & Humblot · Berlin

FRUZSINA MOLNÁR-GÁBOR

Die internationale Steuerung der Biotechnologie

Ethik und Recht Herausgegeben von Wilfried Hinsch und Silja Vöneky

Band 2

Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des Umgangs mit neuen genetischen Analysen

Von

Fruzsina Molnár-Gábor

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität hat diese Arbeit im Wintersemester 2014/2015 als Dissertation angenommen.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2363-6807 ISBN 978-3-428-14825-7 (Print) ISBN 978-3-428-54825-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84825-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Anyucinak, Apucinak

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014 / 2015 von der juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Disserta­ tion angenommen. Die Disputation fand im März 2015 statt. Für die Druckfassung habe ich das Manuskript im Mai 2016 an einigen Stellen überarbeitet und aktualisiert. Mein herzlicher Dank gebührt Prof. Dr. Silja Vöneky, die bereits während meines Auslandssemesters in Heidelberg mein Interesse für Fragen am Grenzbereich von Ethik und Recht weckte und es mir ermöglichte, erst als wissenschaftliche Hilfskraft, später als Doktorandin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht tätig zu werden. Sie hat diese Arbeit in ihrer Entstehung begleitet, mir praktische und ideelle Förderung zuteilwerden lassen sowie das Erstgutachten erstellt. Bei Prof. Dr. Dr. h. c. Rüdiger Wolfrum möchte ich mich für weiterführende Anregungen zu der Arbeit und für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens bedanken. Großen Einfluss auf den Fortschritt dieser Arbeit hatte meine Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in zwei Projekten, im Projekt „Ethische und rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms“ 2011–2013, das vom Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg getragen wurde sowie im Projekt „Prädiktive Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms  – Ethische, rechtliche und gesundheitsökonomische Perspektiven“ 2014–2015, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde und am Theologischen Seminar der Universität Heidelberg angesiedelt war (Förderkennzeichen 01GP1203A). Den gesamten Projektgruppen, insbesondere aber dem ehemaligen Leiter beider Projekte, Prof. Dr. Klaus Tanner sowie meinem Projektkollegen Gösta Gantner gilt mein besonderer Dank für die unzähligen Diskussionen, die den interdisziplinären Charakter der Arbeit wesentlich geprägt haben. An dieser Stelle möchte ich auch die spannenden Diskussionen mit Prof. Dr. Dres. h. c. Paul Kirchhof und Prof. Dr. Dr. h. c. Rüdiger Wolfrum in beiden Projekten hervorheben, die meine Arbeit wesentlich gelenkt haben. Ihnen beiden gebührt mein Dank, weil sie mir stets zugehört haben und mit gutem Rat zur Seite standen. Nicht zuletzt gebührt Prof. Dr. Stefan Wiemann Dank für die Unterstützung bei der Erstellung von § 4 der vorliegenden Arbeit.

8

Vorwort

Danken möchte ich auch all meinen Freunden und Kollegen, die die Zeit der Dissertation zu einer wirklich besonderen gemacht haben. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit sollen namentlich Anna Szőnyi, Dr. Balázs Magyar, Dr. Katja Göcke, Adele Kirschner, Carolyn Moser, Barbara Schwaiger und Katrin Tiroch erwähnt werden, die mir durch ihren Zuspruch und Motivation viel Kraft gegeben haben. Meinen Hilfskräften, der Verwaltung, der Bibliothek und der EDV am Max-Planck-Institut danke ich für die Unterstützung besonders. Bei Prof. Dr. Silja Vöneky und Prof. Dr. Wilfried Hinsch sowie dem Verlag Duncker und Humblot bedanke ich mich für die Annahme der Arbeit in die Reihe „Ethik und Recht“. Susanne Werner gebührt Dank für die stets hervorragende redaktionelle Betreuung der Arbeit. Dem Förderungsfond Wissenschaft der VG Wort danke ich für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Am meisten verdankt dieses Buch meinen Eltern, die mir Mut und Unterstützung geben und um der vorliegenden Arbeit willen gelernt haben, mit meiner dauerhaften Abwesenheit umzugehen. Heidelberg, September 2016

Fruzsina Molnár-Gábor

Inhaltsverzeichnis Einleitung

Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des ­Umgangs mit neuen g ­ enetischen Analysen 

19

1. Teil

Die Stellung der Person

22

§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte . . . . . . . . . . 28 I. Grundlagen des Personenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Etymologisch-historische Herkunft des Personenbegriffs . . . . . . . . . 28 2. Normative Eigenschaften des Menschen in der antiken ­Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Der Mensch in der Philosophie von Aristoteles . . . . . . . . . . . . . 29 b) Der Mensch als Rollenträger: Cicero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Individualität des wahrnehmenden Subjekts: Epiktet . . . . . . . . . 32 II. Die Stellung der Person als moralisches Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Christentum: Der Weg zur Person als moralisches Sein . . . . . . . . . 34 2. Die Entwicklung einer Metaphysik der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Moralisches Sein in kultureller Eingebundenheit: von Pufendorf . . 38 4. Personenverständnis in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Moralisch-rechtlicher Personenbegriff: Locke . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Begründung der Menschenrechte im gesellschaftlichen ­Zusammensein: die Vertragstheorie von Rousseau . . . . . . . . . . . 42 5. Der moderne Personenbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Die Metaphysik der Sitten: Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Perspektiven der Stellung der Person nach Kant . . . . . . . . . . . . 46 c) Der Personenbegriff in der angewandten Ethik . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Leiblichkeit und die soziale Stellung der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Phänomenologie und Antisolipsismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Die Rollenexistenz des Menschen in der philosophischen ­Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Die „anständige“ und anerkennende Gesellschaft: die politische Philosophie von Avishai Margalit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IV. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

10 Inhaltsverzeichnis § 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung . . . . . . 64 I. Status der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Die Entwicklung der Stellung der Person in nationalen ­Rechtssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Die Unabhängigkeitserklärung der amerikanischen Revolution . . . . 66 2. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Die deutsche Verfassungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Die Stellung der Person im System der verrechtlichten ­Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Menschenwürde und Rechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Aspekte der Stellung der Person im System der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Exkurs: Die Stellung der Person in den östlichen Philosophien und Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Konfuzianismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Hinduismus und Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Hinduismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 V. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 § 3 Die Stellung der Person als Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Das Verhältnis zwischen Ethik und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Das Verhältnis zwischen Ethik und Recht im Allgemeinen . . . . . . . 100 2. Das Verhältnis zwischen medizinischer Ethik und Patientenrechten in der Biomedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Der Patient in der Medizinethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Prinzipientheorie in der Medizinethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Modelle der Arzt-Patienten-Beziehung in der Medizinethik . . . . . . 111 III. Die Stellung des Patienten im System der verrechtlichten ­Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Überblick über die Begründung und Entwicklung der ­Patientenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Internationale und regionale Kodifikationen der Patientenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Regionale europäische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Inhalt und Tragweite der Patientenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Ergebnisse des Ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Inhaltsverzeichnis11 2. Teil

Herausforderung in Bezug auf die Stellung des ­Patienten durch die medizinische Entwicklung am Beispiel der Gesamtgenomsequenzierung

132

§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse . . . . . . . . . . . . 133 I. Der Weg der naturwissenschaftlich-medizinischen Entwicklung zu den genomweiten Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Genomweite Analysen – die Genomsequenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Was bedeutet die Sequenzierung des menschlichen Genoms? . . . . . 137 a) Meilensteine und Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Technikbeschreibung: Was kann sequenziert werden? . . . . . . . . 138 c) Sinkende Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Wo werden die genomweiten Analysen und die Genomsequenzierung angewendet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 § 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Die besonderen Eigenschaften der Gesamtgenomanalyse . . . . . . . . . . . 150 1. Grenzüberschreitende Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Verschwimmen von Untersuchungskontexten und beteiligten Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. „Zufälligkeit“ und „Zusätzlichkeit“ genetischer Veränderungen und Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Sukzessiver Informationseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Die Herausforderungen einer Gesamtgenomanalyse für die Stellung des Patienten auf drei Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Durch die Gesamtgenomanalyse begründete Herausforderungen für die Stellung des Patienten zu sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Stellung des Patienten im Verhältnis zum Arzt: Die Auflösung der bipolaren Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Betroffene Rechte des Patienten: Auslegung im Kontext einer Gesamtgenomanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 § 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin für ihre Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Zusammenfassende Bewertung der Anwendung der ­Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Die anerkennungswürdige Steuerung der Gesamtgenomanalyse . . . . . . 181 1. Legitimität im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Kriterien der Analyse der Anerkennungswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . 185 3. Institutionelle Einbindung der Steuerung der Gesamtgenomanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

12 Inhaltsverzeichnis 3. Teil

Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich von Ethik und Recht de lege lata und de lege ferenda

191

§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen im internationalen ­Menschenrechtssystem auf universeller Ebene – de lege lata . . . . . . . . 191 I. Ethik als Priorität der UNESCO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Das ethische Mandat der UNESCO im menschenrechtlichen Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Die Institutionalisierung des ethischen Mandats der UNESCO . . . . 201 a) Der Internationale Ausschuss für Bioethik . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Bioethik . . . . . . . . . . . . . 203 c) Weltkommission für Ethik in Wissenschaft und Technologie (COMEST) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) UN Inter-Agency Committee on Bioethics (UNIACB) . . . . . . . 207 II. Vom Auftrag bis zur Verabschiedung der Deklarationen . . . . . . . . . . . 208 1. Aufträge und thematische Ansätze für die Steuerung . . . . . . . . . . . 208 2. Die Beteiligung am Prozess der Ausarbeitung der Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Internationale Erklärung über humangenetische Daten von 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Die inhaltliche Ausarbeitung der Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Die Finalisierung durch die Regierungsexperten . . . . . . . . . 229 cc) Die verabschiedete Erklärung 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Internationale Erklärung über humangenetische Daten von 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Die Finalisierung durch den IGBC und die Regierungsexperten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Die verabschiedete Erklärung 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Die Finalisierung durch den IGBC und die Regierungsexperten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 cc) Die verabschiedete Erklärung 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Inhaltsverzeichnis13 III. Die Entscheidung über die Bindungskraft der Steuerungsinstrumente in der UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV. Förderung und Umsetzung der Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Empfehlungen für die Förderung und Durchsetzung der Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Förderung und Umsetzung im breiten Feld des ethischen Mandats der UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Die Nachbereitung durch den IBC und sein Arbeitsprogramm für die Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 V. Vergleichende und zusammenfassende Analyse der biomedizinischen Steuerung durch die UNESCO-Deklarationen . . . . . 277 § 8 Genetische Analysen im internationalen M ­ enschenrechtssystem auf universeller Ebene – Bewertung de lege lata, auf dem Weg zu de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 I. Verbesserung der deliberativen Prozesse: Repräsentation, ­Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Die Normativität und die Bindungskraft der Instrumente . . . . . . . . . . . 296 1. Bestrebung nach bindender Kraft und der Einfluss deklaratorischer Instrumente auf das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Stärkung der außerrechtlichen Bindungswirkung der Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Einbindung bereits existierender internationaler Maßstäbe . . . . . 299 b) Eine angemessene Einbindung der Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Steigerung der thematischen Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 IV. Bessere Förderung und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4. Teil

Zusammenfassende Schlussbetrachtung

316

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Stellungnahmen (Stand: 31.5.2016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Abkürzungsverzeichnis AA Akademieausgabe ABGB

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Abs. Absatz ACMG

American College of Medical Genetics

AEMR

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

ALESCO

Arab League Educational, Cultural and Scientific Organization

ALR

Allgemeines Landrecht

AP

Additional Protocol

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie

Art. Artikel Aufl. Auflage BÄK Bundesärztekammer Bd. Band BGBl. Bundesgesetzblatt BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMÜ

Biomedizinübereinkommen

BT-Drs. Bundestag-Drucksache BVerfGE

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung

CCRF

Code of Conduct for Responsible Fisheries

CIOMS

Council for International Organizations of Medical Sciences

CoE

Council of Europe

COMEST

World Commission on the Ethics of Scientific Knowledge and Technology

CUP

Cambridge University Press

DKFZ

Deutsches Krebsforschungszentrum

DNA

Desoxyribonukleinsäure

DTC-test Direct-To-Consumer-Test ECtHR

European Court of Human Rights

EK

Europäische Kommission

ECOSOC

Economic and Social Council

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMBL

The European Molecular Biology Laboratory



Abkürzungsverzeichnis

15

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

ENCODE Project

ENCyclopedia Of DNA Elements

ETS

European Treaty Series

FAO

Food and Agriculture Organization

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FS Festschrift GAOR

General Assembly Official Records

GA4GH

Global Alliance for Genomics and Health

GenDG

Gendiagnostikgesetz (Deutschland)

GD

Generaldirektor der Vereinten Nationen

GEObs

Global Ethics Observatory

GfH

Deutsche Gesellschaft für Humangenetik

GK

Generalkonferenz der Vereinten Nationen

GMO

Genetically modified organism

GS

Gesammelte Werke

GTG

Gentechnikgesetz (Österreich)

HGMD

Human Gene Mutation Database

HGP

Human Genome Project

HRC

Human Rights Council

HUGO

Human Genome Organization

IAEE

International Association for Ethics in Education

ICJ

International Court of Justice

IOS

Internal Oversight Service

IBC

International Bioethics Committee

ICGC

International Cancer Genome Consortium

ICGEB

International Centre for Genetic Engineering and Biotechnology

IGBC

Intergovernmental Bioethics Committee

IGE-Meeting

Intergovernmental Meeting of Experts

ILO

International Labour Organization

IO

Internationale Organisation

IPbpR / Pakt I

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IPwskR / Pakt II

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und ­kulturelle Rechte

MC

Committee of Ministers

MPEPIL

Max Planck Encyclopedia of Public International Law

16 MPG

Abkürzungsverzeichnis Max-Planck-Gesellschaft

MRT Magnetresonanztomographie m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NCB

Nuffield Council on Bioethics

NCT

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen

NGO

Non-Governmental Organization

NGS

Next Generation Sequencing

NIH

National Institutes of Health

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten

OMIM

Online Mendelian Inheritance in Man

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

OUP

Oxford University Press

PA

Parliamentary Assembly

PCAWG

Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes

Rec. Recommendation Res. Resolution RNA Ribonukleinsäure SEV

Sammlung der Europäischen Verträge

SIBI

International Society of Bioethics

SW

Sämtliche Werke

TCGA

The Cancer Genome Atlas

UN-Charta

Gründungsvertrag der Vereinten Nationen

UNCHR

United Nations Commission on Human Rights

UNEP

United Nations Environment Programme

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organiza­ tion

UNFPA

United Nations Population Fund 

UNGA

United Nations General Assembly 

UNHCHR

United Nations High Commissioner for Human Rights

UNHRC

United Nations Human Rights Council

UNIACB

United Nations Inter-Agency Committee on Bioethics

UN University

United Nations University

UNTS

United Nations Treaty Series

VN / UN

Vereinte Nationen / United Nations

WGS

Whole Genome Sequencing

WHO

World Health Organization

WIPO

World Intellectual Property Organization

WMA WTO Z.

Abkürzungsverzeichnis17 World Medical Organization World Trade Organization Zeile

Einleitung: Die internationale Steuerung der Biotechnologie am Beispiel des Umgangs mit neuen ­genetischen Analysen Die vorliegende Arbeit widmet sich dem internationalen Umgang mit den normativen Herausforderungen, die durch die modernen Entwicklungen der Biotechnologie hervorgerufen werden. Diese Herausforderungen werden am Beispiel neuer genetischer Analysen, insbesondere der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms untersucht. Ausgangspunkt und Ziel dieser Arbeit ist dabei, die Stellung des Patienten als Person zu beschreiben und aufrechtzuerhalten. Im ersten Teil wird die Stellung als Person auf zwei verschiedenen Ebenen untersucht: in der geistesgeschichtlichen Entwicklung in § 1 und in der überstaatlichen Rechtsordnung in § 2. § 1 untersucht neben den ethymologisch-historischen Herkunft die philosophischen Grundlagen des Personenbegriffs und nutzt die dabei etablierten Grundzüge des Personenseins als Ausgangspunkt für die Erforschung einer Stellung im geltenden internationalen Menschenrechtsregime, welche anhand der historischen Entwicklungs­ linien wichtiger Menschenrechtserklärungen und -verträge erfolgen soll. Auch die Verfassungsentwicklung in einzelnen Staaten wird untersucht, da das Völkerrecht und die nationalen Rechtsordnungen bei der Verrechtlichung der Menschenrechte aufeinander bezogen sind. Im Anschluss wird in § 3 der Frage nachgegangen, welche Aspekte dieser Stellung in der medizinischen Ethik, verknüpft mit den Rechten, die der Person im Kontext der Medizin zugesprochen werden, abgebildet werden müssen, um den Patienten in der besonderen durch die Krankheit verursachte Lebenssituation als Person nachvollzuziehen. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich in § 4 zuerst mit der technischen Darstellung einer der neuesten medizinisch-genetischen Untersu­ chungs­methoden, der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms. Anschließend werden in § 5 sowohl die besonderen Eigenschaften dieser Untersuchungsmethode als auch die mit ihrer spezifischen Anwendung an der Schnittstelle zwischen Forschung und Versorgung einhergehenden Herausforderungen im Rahmen einer normativen Analyse bewertet. Die Spezifizität dieser Anwendung basiert auf der sogenannten translationalen Einsetzung der Technologie. Darunter wird die unmittelbare Verwendung von Ergebnissen, Methoden und Behandlungen aus der (klinischen) For-

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Einleitung: Die internationale Steuerung der Biotechnologie

schung in der klinischen Praxis verstanden. Translationale Anwendungen, die an der Schnittstelle zwischen Forschung und klinische Behandlung zu verorten sind, vermitteln grundsätzlich nicht die diagnostische Gewissheit und die Behandlungssicherheit etablierter und abrechenbarer medizinischer Leistungen. Diese Anwendungen ermöglichen jedoch, dass den Patienten die Ergebnisse der sich rasant entwickelnden medizinischen Technologie möglichst zeitnah zugute kommen. Die Bewertung dieser Technologie erfolgt vom Standpunkt der Maxime der Stellung des Patienten als Person und mündet in der Einschätzung des Umgangs mit der Technologie im größeren Analyserahmen einer anerkennungswürdigen Steuerung auf internationaler Ebene. Die der Analyse zugrunde liegenden Kriterien werden unter Berücksichtigung der Problematik der völkerrechtlichen Legitimation und der Möglichkeiten der institutionellen Einbindung einer Steuerung definiert und in § 6 festgelegt. Im dritten Teil der Arbeit werden in § 7 die gegenwärtig bestehende und in § 8 die künftig zu etablierende internationale Steuerung der Gesamtgenomanalyse unter Berücksichtigung des im zweiten Teil verabschiedeten Analyserahmens dargestellt. Sowohl de lege lata als auch de lege ferenda wird die Untersuchung institutionell an der Arbeit der bedeutendsten Internationalen Organisation, die sich mit der Normierung der Biomedizin beschäftigt, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) angebunden. Bei der Entfaltung der Arbeit und des Mandats der UNESCO wird der Schwerpunkt auf die Entscheidungsfindung, die Normativität, die Bindungskraft, die inhaltliche Effektivität und die Umsetzung der bisher verabschiedeten Instrumente gelegt. Die Tätigkeit der in die Arbeit involvierten internationalen Gremien, vor allem die des Internationalen Ausschusses für Bioethik und die des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Bioethik wird ausführlich analysiert, da diese die relevanten Deklarationen der UNESCO seit 1993 maßgeblich beeinflusst haben und auch zukünftig weiter beeinflussen werden. Die Analyse der Deklarationen selbst geht über die Beschreibung der Entstehungs- und Verhandlunsggeschichte hinaus und berücksichtigt dabei genaustens die inhaltliche Ausarbeitung, um das Verhältnis zwischen bioethischen Prinzipien und Menschenrechten inhaltlich zu belegen. Die ausführliche Analyse der bisherigen Arbeit der UNESCO soll Aufschluss darüber geben, wie die Steuerung der Biomedizin im Allgemeinen und genetischer Analysen im Besonderen zukünftig erfolgen sollte. Hierzu werden im 8. und letzten § detaillierte Vorschläge zu jedem Schwerpunkt des Analyserahmens hervorgebracht und begründet. Ziel bleibt es, die An-



Einleitung: Die internationale Steuerung der Biotechnologie

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erkennungswürdigkeit der internationalen Steuerung neuer biotechnologischer Entwicklungen insbesondere aufgrund der Berücksichtigung ihrer viel­fältigen Eigenschaften und Herausforderungen zu steigern. Letztere wer­den zwar rund um die Stellung der Person hervorgebracht, beeinflussen aber darüber hinaus zahlreiche Faktoren der Steuerung genetischer Analysen.1 Die Stärkung der Patientenstellung und der Patientenrechte soll als das übergeordnete Ziel dabei den Bogen von den philosophischen und menschenrechtlichen Anfangskapiteln über die naturwissenschaftlichen Grundlagen und die Deklarationen der UNESCO auf internationaler Ebene zu den notwendigen praxisrelevanten Vorschlägen für die Änderung der Arbeit dieser Organisation schlagen. Die Frage, in welcher Weise die Biotechnologie und insbesondere genetische Analysen sinnvoll international gesteuert werden können, ist in diesem Bereich moderner Wissenschaft und Technik bisher kaum untersucht worden. Vor allem fehlt die hinreichende Beleuchtung der internationalrechtlichen Perspektive und der Bedeutung der UNESCO. Nur wenn Gesamtgenomanalysen mit den bestehenden normativen Maßstäben in Einklang stehen, können sie heute und in Zukunft gerechtfertigt eingesetzt werden. Die Entwicklung der Biotechnologie ist ein dynamischer und internationaler Forschungs- und Technikbereich und wird dies auch künftig sein. Deshalb ist bei ihrer völkerrechtlichen Betrachtung entscheidend, dass diese in die Zukunft weist und Möglichkeiten de lege ferenda aufzeigt.

1  Der Begriff der Steuerung und nicht der Begriff der Regulierung wird verwendet, da letzterer die Analyse ausschließlich verbindlicher Vorschriften implizieren würde, während unter dem ersteren auch nicht-verbindliche Instrumente erfasst werden können.

1. Teil

Die Stellung der Person Sowohl die philosophischen Darlegungen als auch die juristischen Überlegungen können in Bezug auf die Stellung der Person grundsätzlich nur mit einem ganzheitlichen Verständnis des Personenbegriffs arbeiten; denn ein solches Verständnis ist Voraussetzung, sowohl um – unter anderem – dem Wesen der Person nachzuspüren als auch um staatlich garantierte Sollenssätze für das Zusammenleben von Personen verabschieden zu können.1 Ziel ist es demnach, in einem ersten Schritt in § 1 und § 2 übergreifende Dimensionen der Person in der geistesgeschichtlichen Entwicklung und überstaatlichen Rechtsordnung herauszustellen. Unvermeidbar werden sich dabei Korrelationen und Interdependenzen philosophischer Erklärungen und juristischer Stellungen auftun, die zwar nicht Gegenstand spezifischer Untersuchungen werden können, gleichwohl aber beachtet werden müssen. In § 3 wird die ganzheitliche Stellung der Person für den Kontext der Medizin konkretisiert und dargelegt, welche Aspekte dieser Stellung in der Medizinethik und im System der verrechtlichten Menschenrechte abgebildet werden. Zwar unterscheiden sich ethische und juristische Maßstäbe grundsätzlich in ihrem Wesen, da Ethik als Ordnung der Sittlichkeit nicht in der Weise des Rechts erzwingbar ist.2 Sie baut aber ähnlich wie das Recht auf die notwendige Wahrnehmung der anthropologischen Gegebenheiten, die Natur des Menschen und auf die intersubjektive Anerkennung von Werten in Verbindung mit ihrer empirisch nachweisbaren Bewährung für das Zusammenleben der Menschen.3 Sie kann als komplementäre Ordnung Orientierung leisten, während das Recht elementare Aspekte der Person als Schutzdimensionen im Sinne der freiheitlichen Rechtsordnung nur punktuell begrenzt einfängt.4 Die Schutzdimensionen dürfen nur so bestimmt werden, dass sie der Vielfältigkeit der Person gleichzeitig nicht widersprechen.

1  Horn,

S. 4, Rn. 4. S. 64. 3  Starck, S. 47 ff., S. 51. Zum Wertbegriff als Resultat menschlicher Interaktionen und als materiales Richtmaß sittlichen Handelns siehe Wildfeuer, Wert, S. 2484 ff., S. 2493 ff. (3.4 und 3.5). 4  Ähnlich Häberle, S. 63 f. 2  Häberle,



1. Teil: Die Stellung der Person23

Sowohl Ethik als auch Recht können somit die konkretisierende Aufrechterhaltung der Stellung als Person durch die Bestimmung des anerkennungswürdigen Umgangs mit dem Patienten leisten, wenn sie festsetzen, wie er – nicht nur medizinisch – behandelt werden soll. Eine Positionierung der Person im spezifischen Kontext der Medizin durch ethische und rechtliche Maßstäbe kann dazu beitragen, eine normative Richtschnur als Maßstab für den Umgang mit Patienten zu entwickeln, die einzelwissenschaftliche Zugänge vermeidet und einer disziplinenübergreifenden Stellung gerecht wird. Bereits die notwendige Ausformulierung der Stellung in ethischen Grundsätzen und im rechtlichen Tatbestand durch den Normgeber verlangt eine Bewertung.5 Ziel ist es im ersten Teil, einen Umgang mit der Person als Patient nachzuvollziehen, die – den medizinischen Schwerpunkt der Arbeit berücksichtigend – als Basis für die weiteren Analysen dienen kann. Eine Analyse der Stellung der Person kommt ohne eine Definition des Personenbegriffs nicht aus. Inhalt, Umfang und die theoretisch-argumentative Brauchbarkeit des Personenbegriffs werden bis heute kontrovers diskutiert.6 Verschiedenste Theorien haben auf den Personenbegriff eingewirkt und eine Reihe von unterschiedlichen Vorstellungen herausgebildet, denen zufolge eine Vielfältigkeit moderner Personentheorien besteht. Die Definition des Begriffs ist hoch komplex geworden und hat eine konzeptionelle Ausweitung erlebt.7 In der vorliegenden Arbeit wird auf eine Definition der Person abgestellt, die sich heute nach herrschender Meinung in der okzidentalen Theoriebildung allgemeiner Anerkennung erfreut. Demnach ist das Personensein als von der Möglichkeit vernunft- und regelgeleiteten Verhaltens geprägtes Sein zu verstehen, das an die körperliche Präsenz von Personen im sozialen Raum gebunden, in seiner normativen Dimension aber nicht auf seine physischen und sozialen Bedingungen reduzierbar ist.8 Ziel ist es im ersten Kapitel, „hinter“ diese Definition zu schauen und einige Meilensteine ihrer geistesgeschichtlichen Entwicklung grob zu skizzieren, um ein Verständnis über das Personensein in der Philosophie als Grundlage für die weitere Arbeit zu gewinnen. Im ersten § werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Personenkonzeptionen der okzidentalen Theoriebildung aufgezeigt und aus der Chronologie exemplarisch herausge5  Starck,

S. 47. Überblick über die ethische Diskussion siehe bei Rehbock (1998), S. 61 ff. 7  Sturma, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1728 ff., S. 1735 f. (7); siehe ausführlich Palm, S. 43 ff. 8  Sturma, in: Haardt / Plotnikov, S. 27 ff., S. 28. 6  Einen

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1. Teil: Die Stellung der Person

griffen, deren Wahrnehmung für die vorliegende Abhandlung im Sinne dieser Definition wichtig erscheint. Demnach werden zuerst die Wurzeln des vernunftgeleiteten Handelns und der sozialen Gebundenheit in der griechischen Philosophie dargestellt.9 Darauffolgend wird der Fokus auf eine Auslegung des regelgeleiteten Handelns gerichtet und die Verortung der Person im Bereich des Moralischen in der metaphysischen Tradition der Freiheit skizziert.10 Die so entstandene normative Bedeutung des Personenbegriffs wurde in der Phänomenologie durch die Zuschreibung der Eigenschaft der Leiblichkeit ausgezeichnet und erweitert11 und schließlich unter anderem in der philosophischen Anthropologie und in der modernen politischen Philosophie an die je zeit- und kulturspezifischen Daseinsbedingungen auch sozial angepasst. Diese Entfaltungen des Personenbegriffs werden ebenfalls an ausgewählten Beispielen aufgezeigt. Die engen Definitionen, die jeweils mit dem Begriff „Person“ verbunden werden sowie das individuelle Wesen, auf das sich der Begriff bezieht oder beziehen kann, werden nicht unmittelbar untersucht. Es geht nicht um die Voraussetzungen für die Zusprechung des Personenstatus, sondern um die Stellung des als erkenntnistheoretisch wahrgenommenen und moralisch anerkannten leiblich-körperlichen Subjekts. Der Begriff der Person bleibt zwar während der Analyse im Dekartschen Sinne kein notion primitive12, ein nicht zerlegbarer Begriff; die nicht reduzierbaren epistemischen Bestimmungen werden allerdings nicht definiert und die moralisch-ontologisch konstitutiven Elemente der Existenz der Person werden nur so weit angesprochen, wie dies notwendig ist, um die Stellung der Person in den für die Arbeit relevanten ausgewählten Herangehensweisen festzuhalten. Eine grundsätzliche semantische Herausforderung stellt das Verhältnis zwischen den Begriffen „Mensch“ und „Person“ dar. In der Personendiskussion besteht ein enger Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen. Zunächst sind an dieser Stelle der Menschenbegriff und seine Unterscheidung vom Personenbegriff zu erläutern. Fragen nach den Charakteristika des Menschen richten sich in der Geistesgeschichte einerseits auf die Unterscheidung des Menschen von Tieren und andererseits auf die Unterscheidung des Menschen von Göttern.13

9  Hierbei

sind die Thesen von Maximilian Forschner maßgebend. ausführlichsten wurde diese Entwicklung in den Arbeiten von Theo Kobusch analysiert. 11  Hierbei wird als Ausgangspunkt die Dissertation von Anne Reichold dienen. 12  Clarke, S. 38 ff. 13  Reichold, S. 21. 10  Am



1. Teil: Die Stellung der Person

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Mit dem Ausdruck „Mensch“ wird in der Regel im anthropologischen Sinne auf die Gattung hingewiesen, wobei die Worte „Mann“ und „Mensch“ wortgeschichtlich mit „mahnen“ zusammenhängen könnten, dessen indogermanische Wurzel auch „überlegen“ und „denken“ bedeutet.14 Das Menschenbild wurzelt in der gesamten abendländischen Philosophietradition in der Überzeugung, dass der Mensch als sprach- und vernunftbegabtes Lebewesen zu bestimmen ist, wobei Vernunft als das den Menschen auszeichnende, ihn von anderen Lebewesen differenzierende Vermögen verstanden wird.15 Die Vernunft wird dem Menschen aber seit der Antike nicht nur im Sinne von subjektiver Vernunft als Ordnung des Erkennens und Wollens zugeschrieben. Vernunft kommt auch der Welt als objektive Vernunft, metaphysische Ordnung zu und als absolute Vernunft auch Gott, wie es sich in der Schöpfungsordnung zeigt.16 Der griechische Begriff anthropos sei mit dem Begriff ano athron verwandt und stellt den Menschen als Hinaufblickenden, der sich am Himmel, am Göttlichen orientiert, dar.17 Die Topoi, die in der aristotelischen Formel animal rationale oder in der Artenbezeichnung homo sapiens ruhen, erinnern an die dualistische Eigenschaft des Menschen: Er wurde den Tieren ähnlich aus Erde geschaffen und wird wieder zur Erde zerfallen; ist jedoch durch Vernunft und Geist ausgezeichnet und unterscheidet sich insofern von den Tieren.18 Eine ganzheitliche Interpretation des Menschen wird in der Bibel vermittelt. Materialität und Vergänglichkeit werden im hebräischen Wort für den Menschen, adam, ersichtlich, dessen Verbindung zum hebräischen adama, Erde, nachgewiesen ist. Der Atem Gottes schenkt dem Menschen Leben, ohne diesen zerfällt er zum Staub. Körper und Geist bilden aber keine Trennung von Seinsbereichen, sondern stehen für eine ethische Unterscheidung: der Körper, Fleisch für die Sünde; der Geist, Atem für die Befolgung der Gesetze Gottes.19 Im Gegensatz zum platonischen Denken, das den Leib als „Kerker“ der Seele sieht und sie aus diesem befreien möchte, geht es in der jüdisch-christlichen Tradition um die Umwandlung des ganzen Menschen in eine dem Gesetz Gottes entsprechende Seinsweise.20 Damit wird zum ersten Mal belegt, dass die Körperlichkeit konstitutiv für die normative Bedeutung des Menschenbegriffs sein kann.21 14  Thies, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1515 ff., S. 1515 (1). Stichwort „Mann“ und „Mensch“, Duden, S. 541, S. 556. 15  Rentsch, in: Sandkühler, S. 1526 ff., S. 1526. 16  Wildfeuer, in: Kolmer / ders., Vernunft, S. 2333 ff., S. 2337 (1.3.1). 17  Thies, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1515 (1). 18  Id. sowie Hügli / Grawe / Romberg et al., in: Ritter / Gründer, S. 1059 ff., S. 1072 f. 19  Dargestellt bei Reichold, S. 25. 20  Hügli / Grawe / Romberg et  al., in: Ritter / Gründer, S. 1071. 21  Reichold, S. 26.

26

1. Teil: Die Stellung der Person

Im Gegensatz zum Menschenbegriff ist der Personenbegriff mit den Begriffen der Identität und des Subjekts eng verbunden. Person kann nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch dasjenige am Menschen bezeichnen, das ihn zusätzlich zur Vernunft normativ auszeichnet: seine moralische Qualität.22 Hieran knüpft die Frage an, wodurch Personen, nicht nur als Exemplare der biologischen Gattung Mensch, über die Zeit hinweg identisch bleiben können.23 Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Individuum in allen Phasen seines Lebens ein und dieselbe Person ist.24 Zwar sind uns Personen als Individuen der menschlichen Gattung bekannt, daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Abfolge von psychischen und normativen Einstellungen im Leben einer Person allein über die Spezieszugehörigkeit zu erfassen ist.25 Die Trennung des Personenbegriffs von dem des Menschen in diesem Sinne verbindet die Interpretation des ersteren als Identität mit der Selbstbezüglichkeit und der Aktivität des Bewusstseins. Diese Bestimmungen der Person waren in der neuzeitlichen Philosophie klassische Bestimmungen des Subjekts oder des Ich; der Begriff des Subjekts bezeichnete das erkennende Ich.26 Die gleiche Deutung des Personenbegriffs und des Subjekts kann allerdings im extremen Fall zur Ausgrenzung körperlicher Bestimmungen führen, die aber unerlässliche Elemente des modernen Personenbegriffs bleiben müssen. Nach dem Vergleich der Begriffe lässt sich festhalten, dass beide eine gewisse Normativität besitzen. Vernunft und Rationalität als reflektierende Eigenschaften des Menschen weisen eine normative Funktion auf.27 Die Deutung des Personenbegriffs stellt aber eine zusätzliche Normativität im Vergleich zum Begriff des Menschen als Vernunftwesen dar. In Bezug auf Vernunft und Rationalität ist zudem der Begriff der Möglichkeit bei der Definition des Personenbegriffs wichtig. Personen führen ihr Leben im sozialen Raum unter den Bedingungen möglichen Selbstbewusstseins und möglicher Autonomie. Zwar verfügen sie im Normalfall über diese Fähigkeiten, sie verhalten sich aber nicht durchgängig selbstbewusst 22  Kible,

in: Ritter / Gründer, S. 373 ff., S. 381. in: Zalta, insbes. „2. Understanding the Persistence Question“. 24  Meuter, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1199 ff., S. 1202 ff. (3). 25  Sturma, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1733 (5). 26  Kible, in: Ritter / Gründer, S. 379 ff. Der Begriff Subjekt ist ebenfalls in gewisser Weise ähnlich zu den Begriffen Mensch und Individuum. Mensch deckt sich mit Subjekt nur im Sinne von Realentität, denn auch höher entwickelten Tieren kommt teilweise Subjektivität zu. Individuum eignet sich als Bezeichnung für Subjekt nur in einem eingegrenzten Kontext als Gegenposition zu einer Verortung in der Gesellschaft. Vgl. Wetzel, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 2123 ff., S. 2123 (1.1). 27  Wildfeuer, in: Kolmer / ders., Vernunft, S. 2336 (1.1.3). 23  Olson,



1. Teil: Die Stellung der Person27

und autonom, sodass Menschen auch nicht den Nachweis von Selbstbewusstsein und Rationalität aufzeigen müssen, um den Personenstatus zugeschrieben zu bekommen.28 Nichtdestotrotz wird im Bezugsrahmen der Stellung der Person sowohl in der Philosophie als auch im Recht oft von einem Menschenbild gesprochen. In der vorliegenden Arbeit wird von dieser Wortwahl aus zwei Gründen abgewichen. Erstens spiegelt der Begriff der Person eine besondere Normativität, die die rationale mit der der moralischen ergänzt, wider, die im Begriff des Menschen so nicht vorhanden ist.29 Zweitens ruft der Begriff des Bildes eine Konnotation der Nachahmung, des Porträtierens hervor, der im Sinne einer subjektiven Reproduktion dem vorliegenden Vorhaben nicht entsprechen kann. Dagegen ermöglicht die Analyse der Stellung im Sinne einer kontextbezogenen Position objektive Ausdrucksmöglichkeiten besonderer Verhältnisse. Somit wird im Weiteren der Ausdruck „Stellung der Person“ verwendet. Einschränkungen dieser Wortwahl sind nur aufgrund der dargestellten philosophischen Zusammenhänge vorzunehmen.

28  Über die Rolle der Möglichkeit in Bezug auf das Personensein siehe Sturma, in: Kolmer / Wildfeuer, S. 1728 f. (1). 29  Siehe den Begriff der Person, welcher genau diese besondere Normativität widerspiegelt, Fn. 8.

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1. Teil: Die Stellung der Person

§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte I. Grundlagen des Personenbegriffs 1. Etymologisch-historische Herkunft des Personenbegriffs Der Personenbegriff als semantischer Begriff geht aus dem lateinischen Ausdruck persona hervor, der Maske, Rolle und Charakter bedeutet. Der etymologische Ursprung des Begriffs wird im griechischen prosopon vermutet.30 Homer bezeichnete mit ihm das natürliche Antlitz des Menschen.31 Die weiteren Bedeutungen des Personenbegriffs prägten sich mit der Entwicklung des Theaters aus. Zunächst bedeutete der Personenbegriff das künstliche Gesicht, das der Mensch sich durch Aufsetzen einer Maske selber verleiht.32 Später konnte er als die Rolle im Theater im Sinne eines Verständnisses vom sprechenden und handelnden Charakter ausgelegt werden.33 Das lateinische Verb personare heißt das Durchklingen, Durchtönen der Stimme durch die Maske.34 Interessant ist, dass die Maske zwar die Individualität des Schauspielers verdeckte, er aber nur zum Charakter wurde, wenn es ihm gelang, die ihm zugewiesene Rolle so darzustellen, dass sie gleichsam mit seiner eigenen Individualität verschmolzen war. Der Gedanke, dass „Person“ etwas Einmaliges impliziert, kommt erst in dieser Bedeutung zum Ausdruck.35 Zudem ist der Personenbegriff in der Bedeutung als Maske etwas Materielles und als solches in Bezug auf andere gedacht.36 Die materielle Nachahmung eines Gesichts in charakteristischen Zügen sowie seine Positionierung vor einem Gegenüber und vor dem Publikum auf der Bühne vermitteln die Botschaft des Antlitzes: Die Maske ist Träger des Charakters. Erst die Materialität der Maske ermöglicht die Vermittlung ihres Charakters auf der Bühne und in der Welt. In der antiken Grammatik diente der Begriff der Bezeichnung der drei Personen des Verbums37, in der Rhetorik der Rollen, die dem Redner zugeteilt sind und gemäß denen die Rede zu halten ist.38 Von der Rhetorik und 30  Quante,

in: Gosepath / Hinsch / Rössler, S. 977 ff., S. 978. S. 24 ff. 32  Fuhrmann / Kible / Scherer et  al., in: Ritter / Gründer, S. 269 ff., S. 269. 33  Id., S. 270. 34  Fuhrmann, in: Marquard / Stierle, S. 83 ff., S. 85. 35  Beckmann, in: ders., S. 279 ff., S. 284 f. 36  Theunissen, in: Rombach, S. 461 ff., S. 480, S. 483 ff. 37  Lutz-Bachmann, in: Klein / Menke, S. 109 ff., S. 110. 38  Fuhrmann / Kible / Scherer et  al., in: Ritter / Gründer, S. 272 f. 31  Manoussakis,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 29

Grammatik ging das Wort in die Gerichtssprache über und bezeichnete die Parteien im Gerichtsverfahren. Als System mit festgelegten Rollen agiert das Gericht ähnlich wie das Theater.39 Die genaue Entwicklung des Begriffs zur Bezeichnung des Menschen als Träger von Rechten in der Antike ist aber weitgehend unerforscht.40 Die Ausprägung des Personenbegriffs als Rechtsträgerschaft in der Neuzeit wird in § 2 dargestellt. 2. Normative Eigenschaften des Menschen in der antiken Philosophie a) Der Mensch in der Philosophie von Aristoteles Die Beschreibung des Menschen als Wesen mit normativen Eigenschaften geht bereits auf die antike Philosophie zurück. Aristoteles verstand den Menschen ontologisch und metaphysisch wie ein Naturding.41 Neben der Betonung der Einheit von Leib und Seele vertritt er auch die platonische Vorstellung der Präexistenz und der Unsterblichkeit der Seele, die in den Menschen hineinkommt und nicht mit seinem Leib vergeht.42 Er betrachtete den Menschen und eine ausgewählte Gruppe der Menschen43 auch als vernünftige und freie Wesen und tat damit die ersten Schritte in Richtung Anerkennung einer normativen Bedeutung des Menschenbegriffs. Hierzu trug das von ihm begründete neue Verständnis vom Verhältnis zwischen Wissen und rechtem Handeln, die überlegte Wahl der Handlungsziele und -mittel gemäß bestimmter Normen und die Unterscheidung zwischen dem Ziel des Handelns und der Art und Weise, wie wir uns verhalten, wesentlich bei.44 In der Verfassung und in der Art und Weise, wie der Mensch seine Handlungsziele erreicht, zeigt sich die freie, das heißt unabhängige Erfahrung des Lebens von allem Vorgegebenen.45 Der Mensch ist nach Aristoteles aufgrund seiner Intelligenz den Pflanzen und Tieren überlegen. Er ist das einzige Sinneswesen, das Erinnerungen auch sammeln und nicht nur einfach haben kann. Im Gegensatz zu subhumanen Wesen kann er bewusst und freiwillig handeln, sich vom Guten und Schlechten und von Recht und Unrecht Vorstellungen machen.46 In dieser 39  Fuhrmann,

in: Marquard / Stierle, S. 88. in: Sturma, S. 37 ff., S. 42. 41  Vgl. Kobusch (1993), S. 27 f. 42  Aristoteles, Von der Seele, 430a. 43  Aristoteles, Politik, 1252a. 44  Dihle, S. 66 ff. 45  Ricken, S. 155, Rn. 204. 46  Vgl. Höffe, in: ders., S. 63 ff., S. 74, S. 80, S. 82; Ricken, S. 143 f., Rn. 187. 40  Forschner,

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1. Teil: Die Stellung der Person

Fähigkeit liegt der Grund, warum der Mensch ein staatenbildendes Lebewesen ist. Aristoteles verbindet die Sozialität des Menschen mit der Ethik; der Mensch ist ein von Natur aus vernunft- und sprachbegabtes, zudem politisches Lebewesen (zoon politikon).47 Die politische Natur des Menschen besagt, dass es dem Menschen auf Verständigung mit seinesgleichen ankommt: Kraft seiner Sprach- und Vernunftbegabung ist er dazu befähigt, Interessensgemeinschaften zu bilden. Es liegt in der Intention und Aufgabe des Menschen, durch das Zusammenleben von Freien und Gleichen das Niveau eines Gemeinwesens zu erreichen, in dem man glücklich und gerecht leben kann.48 Ein glückliches Leben kann sich unter anderem in der sittlich-politischen Existenz verwirklichen, deren Betrachtung den Hauptteil der aristotelischen Ethik ausmacht.49 Das höchste Ziel des Menschen ist das Glück (Eudaimonie),50 das nicht im Haben oder Bekommen besteht, sondern im Tätigsein.51 Das Glück ermöglichende Tätigkeiten sind die Tugenden.52 Der sittlich Gute ist nach der Auffassung von Aristoteles auch immer ein nützlicher Mensch.53 Er zeichnet sich dadurch aus, dass er sich weder von Lust noch von Unlust beirren lässt und daher das tatsächlich Gute vom scheinbar Guten zu unterscheiden versteht.54 Der Mensch lebt nur, indem er sein Leben führt.55 Im vernünftigen Verhalten der Menschen untereinander ist die Gerechtigkeit eine der wichtigsten Voraussetzungen: Die Gesetze – als Richtschnur individuellen Handelns – erziehen den Einzelnen zum loyalen Bürger, darüber hinaus aber auch zum tugendhaften Menschen.56 b) Der Mensch als Rollenträger: Cicero Marcus Tullius Ciceros Fragen über den Menschen knüpfen sehr stark an die ursprünglich definierte Aufgabe der Philosophie in der Stoa an, Lebensführungswissen zu vermitteln, und an die Tradition der Theater, in der Menschen als Rollenträger verstanden wurden. 47  Höffe,

in: ders., S. 85. S. 85 f. 49  Id., S. 83 f. Zur anderen Form des glücklichen Lebens siehe Ricken, S. 152, Rn. 201. 50  Graeser, S. 245 f.; Höffe, in: ders., S. 83; Ricken, S. 141, Rn. 183. 51  Ricken, S. 142, Rn. 186. 52  Aristoteles, Nicomachische Ethik, 106b36. 53  Ricken, S. 153, Rn. 201 f. 54  Graeser, S. 247. 55  Baumgartner / Heinemann / Honnefelder et  al., in: Rager, S. 333 ff., S. 344. 56  Höffe, in: ders., S. 84. 48  Id.,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 31

Er geht in seinem Werk De officiis der Frage nach, welches Verhalten in der Welt das dem einzelnen Menschen angemessene ist.57 Im Mittelpunkt steht das System der vier Masken, die jeder Mensch gleichzeitig trägt. Seine Theorie der vier personae beschäftigt sich mit der Frage, was im Verhalten eines Menschen sittlich schön und erfreulich, schicklich (decorum) ist.58 Cicero versteht das decorum im Sinne der altstoischen Telosformel des Glücks als die öffentlich erkennbare Exzellenz eines Menschen.59 Er unterscheidet vier leitende Gesichtspunkte, die ein Mensch beachten muss, um zu entscheiden, was zu tun sich jeweils für ihn schickt (quid deceat). Diese vier Punkte nennt er personae.60 Die erste persona hat die Vernunftfähigkeit zum Inhalt und wird mit allen Menschen geteilt. Die zweite persona bezieht sich auf die physische und mentale Natur des Individuums und ist speziell dem Einzelnen zugewiesen.61 Man erreicht das decorum umso leichter, je mehr man in seiner Lebensführung neben der Rolle als Mensch auch seine naturgegebenen Eigentümlichkeiten respektiert und der Rolle als besonderes Individuum gerecht wird.62 Die dritte persona bedeutet die politische und gesellschaftliche Position in der Welt, in der wir uns vorfinden oder in die wir durch Zufall und Zeitumstände gelangen. Die vierte persona hat die Lebenswahl zum Inhalt. Angesprochen wird hiermit einerseits eine Entscheidung, welche Art von Mensch man sein, welcher Tätigkeit man sich widmen will.63 Diese Entscheidung orientiert sich an den anderen personae. Andererseits ist mit der vierten persona eine weitere sittliche Determinante gemeint, die, nachdem die Entscheidung über die Lebensgestaltung der Persönlichkeit im individuellen Lebensvollzug einmal getroffen wurde, bestimmt, was für den Menschen jeweils zu tun angemessen ist. Das decorum setzt somit eine Einheit von Selbstwahl und Wahl der äußeren Lebenslaufbahn voraus.64 Cicero folgt in seiner Theorie einer an erster Stelle sozialen Auffassung des Menschen; in seiner Perspektive ist der Mensch grundsätzlich als Rollenträger im Kontext der zwischenmenschlichen res publica (als Charakter 57  Cicero,

in: Büchner, Abschnitt I, 100–125. I, 93–151. 59  Id., I, 94–98. Zur stoischen Telosformel des Glücks siehe Forschner, S. 46 f. 60  Als Anregung hierfür konnte die Theorie von vier personae von Panaitios dienen. Long / Sedley, S. 427 f. 61  Cicero, in: Büchner, I, 107. 62  Id., I, 110 f., 114. 63  Id., I, 115. 64  Forschner, S. 73. 58  Id.,

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1. Teil: Die Stellung der Person

im Leben) zu verstehen.65 Obwohl die personale Identität bei ihm noch keine subjektive Kategorie ist, hat seine Rollentheorie auch subjektivitätsund moralphilosophische Komponenten. Zudem vermittelt der Personenbegriff als gesellschaftliche Rolle eine raumzeitliche Gebundenheit und damit auch Eigenschaften der Relationalität, Endlichkeit und Begrenztheit des Personenseins.66 c) Individualität des wahrnehmenden Subjekts: Epiktet In Anlehnung an die naturphilosophische Theorie des Menschen67 wurden Ciceros Thesen mit einer psychologisch-ethischen Theorie des Selbst in der hellenistischen Philosophie, insbesondere durch Epiktet ergänzt. Epiktet deutet die vierte persona (Prohairesis) stärker als eigene (Vor-)Entscheidung darüber, was wir als gut und nützlich für uns anzusehen haben.68 Er interpretiert sie als Antwort auf die Frage, wie das, was wir als Menschen sind und sein können, aus der Perspektive der 1. Person erscheint.69 Epiktets Reflexionsperspektive der 1. Person erklärt demnach, wie der Mensch sich selbst in seinem Sein wahrnimmt und in seinen Möglichkeiten zielorientiert versteht.70 Dieses Verständnis ist kein einmaliger Akt, sondern die feste geistige Einstellung, aus der alle praktischen Handlungen fließen. Das entscheidende Vermögen unter allen Vermögen ist die Vernunft, die dem Menschen erlaubt, den Göttern gleichzukommen.71 Der Mensch als Vernunftwesen erfährt sich als Bewusstsein eines einzigen und einheitlichen Selbst im Fluss der Eindrücke, in dem das eigene Leben und die Welt zum Ausdruck kommt.72 Phantasiai sind die individuellen Eindrücke, die die Welt und die eigene Verfassung in der subjektiven Perspektive der 1. Person zeigen. Sie 65  Fuhrmann, in: Marquard / Stierle, S. 87 ff., S. 101. Diese Auslegung in der römischen Literatur knüpft sprachlich sehr an die ursprüngliche Bedeutung „Charakter auf der Bühne“ – Person wird mit Verben wie „nehmen“, „anlegen“, „tragen“ oder „ablegen“ kombiniert. Id., S. 88. 66  Reichold, S. 35. 67  Nach der naturphilosophischen Theorie der Antike ist in dem Menschen das göttliche Pneuma als belebende und vernunftfähige Seele präsent. Im Logos des Menschen ist das Pneuma in der höchsten Form präsent – es ist mit dem Körper in einer vollständigen Mischung. Der Mensch ist also ein Ganzes aus Leib und Seele. Die Verfassung und die Identität des Menschen sind durch das bestimmte Verhältnis des leitenden Prinzips der Seele zum Leib definiert. (Forschner, in: Sturma, S. 45 f.; Pohlenz, S. 37 ff.) 68  Pohlenz, S. 333. 69  Forschner, in: Sturma, S. 47. 70  Id., S. 48; Taylor, S. 137. 71  Epictetus, I, 1.4, I, 12.26. 72  Forschner, in: Sturma, S. 49.



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 33

sind mentale Affektionen. Die Zustimmung zu einer Phantasia bleibt ein einmaliger und einzigartiger Akt. Das Selbst konzeptualisiert und synthetisiert die Eindrücke, gestaltet seine eigenen Impulse und Reflexionen (Zustimmungen oder Verweigerungen) und verwirklicht dabei, was es in der Selbstwahl und Lebensentscheidung sein will. Die Eindrücke der menschlichen Seele sind individuell und bilden das Bewusstsein73, ihr Träger kann aber ihren Inhalt sprachlich ausdrücken und die Erfahrung zugänglich machen.74 Dies ermöglicht die Intersubjektivierung der Eindrücke. Lebenswahl bedeutet bei Epiktet nicht nur ein Vermögen, sich zu etwas zu entschließen, sondern bezieht sich oft umfassend auf den Logos, auf das ganze geistige Wesen eines Menschen und meint seine intellektuelle und charakterliche Verfassung, seine Persönlichkeit.75 Die Fähigkeit zur freien, vernünftigen Selbstbestimmung ergänzt durch die einzelnen Entschlüsse, steht in kausaler Verbindung mit der eigenen Verfassung.76 Die Verfassung des Logos eines Menschen ist die Prohairesis, die als ein Teil Gottes, den er von sich genommen und uns gegeben hat, beschrieben wird.77 Frei ist, wer im Einklang mit seiner Persönlichkeit ist. Dies ist der Fall, wenn die Prohairesis, das Selbst des Menschen eine göttliche Souveränität erreicht hat. Das Leben des Stoikers ist ein fortschreitender Prozess der Identifikation mit der eigenen, inneren Welt des Geistes, die Loslösung des Geistes von allem Vorgegebenen78 und der Gleichklang mit dem Willen Gottes.79 Der Begriff der Zustimmung (zu den Eindrücken) wird durch Epiktet in den Begriffen des geistigen Charakters und des sittlichen Profils der Person ausgeweitet.80 Dadurch wird der willentliche Aspekt der menschlichen Vernunft hervorgehoben. Das Eigentliche des Menschen nach Epiktet ist nicht nur Vernunft an sich, sondern eine Vernunft, die personell und individuell ist, die ihm eine geistige Form des Lebens vorgibt und somit den Bereich seines Wollens und seiner inneren Freiheit definiert.81 Mit den Thesen Epiktets wurde ein entscheidender Schritt in der Entwicklung des Selbstseins getan und die Konzentration der Stoa auf die Individualität des wahrnehmenden Subjekts gelenkt.82 73  Long,

in: Everson, S. 102 ff., S. 112, S. 120. dieser Beschreibung der Eindrücke Forschner, in: Sturma, S. 50 f. 75  Bonhöffer, S. 118 f., S. 259 ff. 76  Epictetus, I, 2.33; Forschner, in: Sturma, S. 52. 77  Epictetus, I, 17, 27. 78  Merlan, in: Armstrong, S. 14 ff., S. 125. 79  Siehe bei Forschner, S. 67; Forschner, in: Sturma, S. 54. 80  Kahn, in: Dillong / Long, S. 234 ff., S. 252 ff.; Forschner, in: Sturma, S. 53. 81  Forschner, in: Sturma, S. 54. 82  Long, in: Everson, S. 112, S. 120. 74  Zu

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1. Teil: Die Stellung der Person

II. Die Stellung der Person als moralisches Wesen Der Ursprung des modernen Personenbegriffs liegt in der christlichen Theologie, denn in dieser wird der Mensch als Wesen der Freiheit, das als solches Würde besitzt, für die Metaphysik erstmals zum Thema.83 Dies führte zu der Entwicklung der begrifflichen Elemente einer (natürlichen) Person, die neben der Eigenschaft der Vernunftfähigkeit vor allem die Idee der „ursprünglichen Würde und unableitbaren Einmaligkeit“ des menschlichen Individuums umfassen.84 Diese Stellung ist als kritische Reflexion auf die Eingrenzung der aristotelischen Philosophie zu verstehen, in der der Mensch ontologisch wie ein Naturding verstanden wird und in der der Gegenstandsbereich der Metaphysik auf das substanziell und kategorial fassbar Seiende begrenzt wird.85 Die Anerkennung des modernen Personenbegriffs als christliches Erbe ist im Gefolge Hegels weit verbreitet.86 1. Christentum: Der Weg zur Person als moralisches Sein Die frühchristliche Theologie hat die Elemente des Personenbegriffs in den Lehren über Glaubensgeheimnisse verarbeitet.87 Sie hat das Thema des inneren Menschen von der Stoa aufgegriffen und ins Zentrum des Philosophierens gestellt.88 Er wird durch eine Beziehung zum Gott, das heißt zu einer transzendentalen Sphäre, definiert, der gegenüber sich die konkrete Individualität verantwortlich versteht.89 Diese Entwicklung hängt vor allem mit der Ausprägung des Glaubensgeheimnisses der Trinität (Dreieinigkeit) zusammen. Ausgangspunkt für dieses Dogma ist die Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Dreiheit der göttlichen Personen in der einen Natur Gott. Gemäß diesem Glaubensartikel soll die Personalität, die dem einen Gott zugesprochen wird, als in drei Personen verwirklicht gedacht werden. Dabei dient der Personenbegriff bei Augustinus als Instrument des Denkens innertrinitarischer Relationen.90 Er wird zum Begriff für eine Differenz in der Einheit, die sich nur als Beziehung (relation) denken lässt.91 Der Ausdruck „Person“ nimmt dabei 83  Kobusch

(1993), S. 23 ff. in: Sturma, S. 38. 85  Kobusch (1993), S. 27 f. 86  Forschner, in: Sturma, S. 37. 87  Henrich, in: Marquard / Stierle, S. 612 ff. 88  Forschner, in: Sturma, S. 38; Kobusch (2006), S. 152. 89  Für diesen Überblick siehe Kreuzer, in: Sturma, S. 59 ff., S. 59. 90  Augustinus, De trin. V, 14, 15. 91  Augustinus, De trin. V, 13, 14; ders., De civitate dei, 11, 10. 84  Forschner,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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die Bedeutung realer Beziehungen zwischen den göttlichen Instanzen an. Die Person ruht nicht in sich, sondern ist nur in Bezogenheit auf zwei andere Personen und zuletzt aus einem ihnen gemeinsamen Wirklichen zu begreifen: aus der Gottheit.92 Wenn von drei Personen die Rede sei, so müsse den Dreien gemeinsam sein, was Person bedeute: Sie ist der allgemeine Name für die verschiedenen Aspekte einer Wesenheit. Person ist daher der funktionale Begriff einer sich in sich differenzierenden Einheit, das heißt, sie ist eine wesenhafte Beziehung.93 Dieser relationstheoretische Ansatz wurde von Boethius durch eine zweite, eine substanzontologische Auslegung weitergeprägt, die die Merkmale der Vernunftbegabung und der Individualität im Begriff der Person zusammenführt. Die Person sei demnach die unteilbare Substanz einer verständigen Natur.94 Boethius versteht die Person als vernunftbegabte Individualität, ohne sie auf die relationale Natur der Trinität zu beziehen und versucht den Begriff sowohl auf unkörperliches als auch auf körperliches Seiendes anzuwenden.95 Diese Substantialisierung der Person wurde später von Richard v. St. Viktors kritisiert. Nach der Theorie von der Singularität der Existenz der Person verstand er sie als die ungeteilte und unmitteilbare Existenz einer intellektuellen Natur.96 Von „Person“ wird nach diesem dritten Ansatz nur dann gesprochen, wenn sich diese von allen übrigen durch eine einzigartige Eigenschaft unterscheidet. Das Eigentümliche der Person besteht damit in ihrer Unmitteilbarkeit. Existenz ist unmitteilbar überall dort, wo sie nur einer einzigen Person zukommen kann.97 Zu diesem dritten Ansatz kommt ein viertes mittelalterliches Entwicklungsstadium des Personenbegriffs, in dem dieser als das, was sich durch die Geschichte des Bewusstseins und durch die Erinnerung ausbildet verstanden wird.98 Als Person wird demnach die Geschichte eines sich erinnernden Bewusstseins gedacht.99 Dies wird zum ersten Mal in Augustins 92  Henrich,

in: Marquard / Stierle, S. 612 f. De trin. IX, 1, 1. 94  „[…] persona est definitio: ,naturae rationabilis individua substantia‘ [.].“ in: Elsässer, S. 38 f. Auf Deutsch auch in: Boethius, Tractat, V 3. 95  Lutz-Bachmann, S. 48 ff., S. 66 ff., insbes. S. 67. 96  „Das übrige die Existenz betreffende wurde schon hinreichend dargelegt und braucht nicht nochmals entfaltet zu werden, vor allem dies: daß nicht jede Existenz, sondern nur die ungeteilte individuelle oder unveräußerliche als Person bezeichnet wird.“ von Sankt-Victor, IV. Buch, XXIII, S. 140 f., S. 141. 97  Kreuzer, in: Sturma, S. 67. 98  Kreuzer, S. 30 ff. 99  Kreuzer, in: Sturma, S. 62. 93  Augustinus,

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1. Teil: Die Stellung der Person

Confessiones, die die Geschichte einer Person erzählen, aufgegriffen:100 Person-Sein reicht soweit Erinnern reicht. Die personale Identität steht für die gelingende Geschichte eines Individuums.101 Bei Augustin kommt diese Geschichte aber nicht aus eigener Macht des individuellen Daseins hervor, weil alles, was in der Welt zu Wesen und Existenz kommt, dieses der intellektuellen Aktivität Gottes verdankt. Das Menschliche ist auch in den göttlichen Gedanken zugrunde gelegt. Diese vollkommene Autonomie Gottes hat ihr Spiegelbild in der Tätigkeit der menschlichen Seele.102 Der Glaube, das heißt die Antwort auf den Ruf Gottes, gilt bei Augustin als Willensentscheidung und geht allem diskursiven Denken voraus.103 Die Dreiheit Erinnerung, Wille und Vernunft umschreiben die Gesamtheit des geistigen Selbst des Menschen.104 Das Verständnis der Person erfuhr im späten Mittelalter, insbesondere durch Nicolaus v. Kues (Cusanus), einen fünften, individuell-lebensgeschichtlichen, bewusstseinstheoretischen Weg der Entfaltung. Es wurde eine Transformation des Begriffs von den göttlichen Personen in eine Selbstreflexion vollzogen, die sowohl die persönliche Einzigartigkeit als auch das endliche Dasein berücksichtigt. Das Gewissen begreift sich als Bewusstsein endlichen Daseins und als Resultat seiner Geschichte.105 Die Geschichte des individuellen Daseins ist Gegenstand der Selbstauslegung. Die Vielfältigkeit kreatürlichen Daseins und die Unvervielfältigbarkeit jedes Einzelnen bestimmen die Selbstauslegung.106 Personale Identität bildet sich aufgrund der Geschichte des Bewusstseins und der Erinnerung aus.107 100  Kahn,

in: Dillong / Long, S. 256. in: Sturma, S. 72. 102  Dihle, S. 141 f. 103  Id., S. 145; Augustinus, Confessiones, IX, 1 („ganz und gar nicht mehr wollen, was ich wollte, und wollen, was du wolltest“ – „nolle quod volebam, et velle quod volebas“). 104  Altmeyer, S. 176. 105  Kreuzer, in: Sturma, S. 62 f. 106  von Kues, Erstes Buch, II, n. 6, in: Gabriel, S. 191 ff., S. 199. 107  Bereits Thomas v. Aquin versucht eine Synthese der vor ihm erarbeiteten Definitionen herzustellen und begreift die moralische Würde als Teil der Bestimmung von Richard v. St. Viktor (Kreuzer, in: Sturma, S. 69). Personales Sein bezeichnet jene vernünftigen Substanzen, die über ihr Tun Herrschaft haben („Doch in einer noch einzigartigeren und vollkommeneren Weise findet sich das Besonderte und Vereinzelte in den vernunftbegabten Substanzen, die Herrschaft haben über ihr Tun, und nicht bloß zum Tun getrieben werden wie die anderen, sondern durch sich selbst tun.“ „Person bezeichnet das, was das Vollkommenste ist in der ganzen Natur, nämlich das Für-sich-Bestehende vernunftbegabter Natur.“ de Aquino / Stolz, Buch I, Band 3, Frage 29, 1. Artikel (Antwort), S. 43 und 3. Artikel (Antwort), S. 52). Die individuelle Substanz einer vernünftigen Natur wird demnach als ein mit Würde ausgestattetes, durch sich selbst existierendes Wesen verstanden. Diese Rezeption ist 101  Kreuzer,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 37

2. Die Entwicklung einer Metaphysik der Freiheit Zum ersten Mal wird der Freiheitsbegriff in der Metaphysik unter dem Begriff des moralischen Seins in der Lehre von Alexander v. Hales in der christlichen Philosophie thematisiert.108 Die Vorstellung des Menschen als sittliches Subjekt, das heißt die Begründung des moralischen Charakters der Person, erfolgt nicht im Rahmen der Ontologie, der metaphysischen Bestimmung der Natur, sondern aus dem Begriff der Freiheit, der in einer moralischen Metaphysik verortet wird.109 Alexander v. Hales unterscheidet zwischen Subjekt, Individuum und Person. Die Person ist nach ihm ein moralischer Name. Sie gehört zum Bereich der Ethik, die den Menschen als moralisches Handlungswesen untersucht. Das Individuum gehört zur Vernunft, zur Logik im Sinne einer Disziplin, die die Begriffe untersucht. Das Subjekt ist dem Naturhaften zuzuordnen, zu der mit der Physik verbundenen Ontologie.110 Das moralische Sein beruht zwar auf der natur- und vernunfthaften Bestimmung des Menschen und begründet die der Person eigene Würde.111 Würde ist aber weder mit der natur- noch mit der vernunfthaften Bestimmtheit des Menschen identisch; denn das moralische Sein der Person schließt Freiheit und Selbstbestimmung ein.112 Diese Verortung der Person begründet ihren modernen Begriff und wird zum Ausgangspunkt der weiteren geistesgeschichtlichen Entwicklung, die die Person aufgrund der moralischen Identität als Akt der Freiheit in Differenz zu Naturdingen begreift. Damit wird auch eine erste Trennung der ontologischen und ethischen Betrachtung der Person vollzogen, indem die körperlichen Elemente dem Bereich der Natur zugeordnet werden; die Freiheit als bestimmende Eigenschaft der Person aber im Bereich des Ethischen verortet wird.113 Zum Paradigmenwechsel des Personenkonzepts, zu einem moralischen Verständnis der Person, trug auch der Autor der Schule von Salamanca, Francisco Suárez wesentlich bei. Bei ihm ging der normative Anspruch des Moralischen und Rechtlichen aus dem praktischen Verhältnis hervor, das die Menschen als Personen miteinander eingehen. Dies bedeutet, dass er dem eine, die den Würdebegriff mit dem alten griechischen im Sinne der Theatermaske in Zusammenhang bringt, sich aber von der neuplatonischen Seinslehre bereits distanziert. Nach letzterer kommt allem Seienden. zwar in abgestufter Weise, aber eine bestimmte Würde zu (Kobusch (1993), S. 25 f.). 108  Kobusch (1993), S. 23. 109  Id., S. 20. 110  Id., S. 23. 111  Kreuzer, in: Sturma, S. 69. 112  Id. 113  Kobusch (1993), S. 20 ff., S. 23 f.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Moralischen und Rechtlichen eine Realität zuschreibt, die auf eine spezifische Weise in einem interpersonalen Raum verwirklicht ist. Das Moralische ist damit kein bloßes „Gedankending“ wie die Gegenstände der Logik, besitzt aber auch keine solche „Realität“ wie die Einzeldinge physischer Natur.114 Die Wirklichkeit des Moralischen stellt in Bezug auf andere Personen oder physische Gegenstände eine Verbindlichkeit her, die aus dem durch Vernunft, Willensäußerung und Freiheit bestimmten Verhältnis der einen handelnden Person zu anderen Personen hervorgeht.115 Die Selbstursache des Handelns, die Freiheit, begründet Würde und Wertschätzung der handelnden Person. Aus ihr geht ihre Rechtspersönlichkeit hervor – sie ist in der Moralität oder Sittlichkeit des Handelns impliziert. Die moralisch begründete Rechtspersonalität besitzt nach Suárez auch eine im Zivilrecht wie im Völkerrecht grundlegende positive Rechtsgeltung.116 Damit gewinnt der Begriff der Rechtspersonalität die Bedeutung, die der Idee der Menschenrechte als Vorstellung ursprünglicher Rechte zugrunde liegt, die allen Menschen als Menschen zukommen, und die Rechtsgleichheit in der Staatengemeinschaft sichern.117 3. Moralisches Sein in kultureller Eingebundenheit: von Pufendorf Samuel von Pufendorf entwickelte die von Alexander v. Hales und Francisco Suárez begründete These weiter, nach welcher das Individuum als einziger Träger der Würde in der Ethik verortet, von allen Dingen der Welt qualitativ unterschieden werden kann.118 Als Inhaber des ersten Lehrstuhls für Natur- und Völkerrecht in Deutschland schuf er zwei naturrechtliche Hauptwerke.119 Von Pufendorfs Naturrechtslehre basiert auf der Beobachtung der Natur des Menschen, die im Wesentlichen durch seine Würde bestimmt wird. Die universelle Ethik (Ethica universalis) hat die Aufgabe, die Theorie vom Menschen als Menschen auszuarbeiten.120 Gott ist Schöpfer des physisch Seienden, der physischen Entitäten, zu denen alle Substanzen, das heißt alles, was selbstständig ist, gehört.121 Deswegen ist er aber nicht für den Urheber aller moralischen Dinge oder Gedanken114  Id.,

S. 56.

115  Lutz-Bachmann,

in: Klein / Menke, S. 115 f. S. 116. 117  Id., S. 117. 118  Kobusch (1993), S. 20, S. 27 f. 119  von Pufendorf, De iure; von Pufendorf, De officio. 120  Kobusch (1993), S. 71. 121  Lutterbeck, in: Hüning, S. 19 ff., S. 20 f; von Pufendorf, De iure, I, I, 2. 116  Id.,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 39

dinge zu halten.122 Den Akt, durch den die moralische Entität konstituiert wird, nennt von Pufendorf „Setzung des Willens“ (impositio).123 Da die vornehmste Eigenschaft des Willens – im Sinne der Indifferenz124 – die Freiheit ist, müssen „moralische Entitäten als das durch die freie Bestimmung und Selbstbestimmung des Willens konstituierte Seiende aufgefasst werden“.125 Das ens morale wird aber dann in Analogie zum physischen Sein auch als Substanz gedacht, weil ihm selbst qualitative Eigenschaften zukommen. Die moralische Substanz ist die Person.126 Wie aber die physische Substanz den Raum voraussetzt, in dem sie existiert, so findet sich auch die Person immer schon in einem bestimmten Zusammenhang (status) als moralischer Raum vor. Der Begriff des Status umfasst zeitliche und örtliche Zustände, die jegliches Sein und Wirken der Person ermöglichen. Der wichtigste Zustand ist derjenige, der der Person aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gattung Mensch zukommt. Von Pufendorf nennt diesen allgemeinen Status „die Menschheit“.127 Von Pufendorf versteht unter dem Begriff „moralische Person“ das substanzielle Sein im Bereich des Moralischen (der Mensch als Freiheitswesen), wie oben abgeleitet, erfasst.128 Durch die Angabe des natürlichen Standes, des Verhältnisses zu anderen, des gesellschaftlichen Standes und Ansehens und durch den zeitlichen Aspekt der Menschheit ist der moralische Status der Person aber bestimmbar. Im Sinne der antiken Interpretation als Rolle ist dieser Status auch ein sich veränderndes Sein, da der Mensch verschiedene Rollen während seines Lebens einnehmen kann (Amt, Familienstand, Geburt etc.).129 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Spezifische der menschlichen Natur nach von Pufendorf seine Vernunft und sein freier Wille ist; hieraus erwächst ihm seine Fähigkeit zum sittlichen Handeln und seine darauf gegründete, ihm eigentümliche Menschenwürde.130 Dem Menschen 122  Kobusch

(1993), S. 72. Pufendorf, De iure, I, I, 4. 124  Lutterbeck, in: Hüning, S. 22. 125  Kobusch (1993), S. 74. 126  Kobusch, in: Palladini / Hartung, S. 63 ff., S. 68. 127  Kobusch (1993), S. 75. 128  Der Begriff der moralischen Person bezeichnet darüber hinaus auch den Zusammenschluss vieler einzelner Menschen, indem sie sich miteinander zu einer Form der Gemeinschaft verbinden, die durch einen Willen zusammengehalten wird. Welzel, S. 59 ff. 129  Kobusch (1993), S. 73 f. 130  „Maxima inde homini dignatio, quod animam obtinet immortalem, lumine intellectus, facultate res dijudicandi et eligendi praeditam, et in pluriams artes soler123  von

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1. Teil: Die Stellung der Person

kommt somit von sich aus Würde zu: Jeder Mensch hat gegenüber dem anderen den Anspruch, als Mensch behandelt zu werden. Aus der Würde eines Menschen wird seine Gleichheit gegenüber allen anderen abgeleitet.131 Zudem kommen dem Menschen somit auch schon alleine aufgrund seines Menschseins, bestimmte Pflichten132 und Rechte zu133, demnach kann hier bereits von den dem Menschen als Menschen zukommenden unveräußerlichen Rechten und Pflichten gesprochen werden.134 Die Fähigkeiten des Menschen, durch die Vernunft und den Willen frei und zurechenbar zu handeln, ergänzt durch den wichtigsten Status der Person, Teil der Menschheit zu sein, bieten ihm nur in der Gemeinschaft mit anderen Menschen ein Betätigungsfeld. Das Verständnis von Pufendorfs über die Person und über die ihr zukommenden Rechte beruht auf der kulturellen Eingebundenheit und Gleichheit der Menschen als ethische Personen.135 4. Personenverständnis in der Neuzeit a) Moralisch-rechtlicher Personenbegriff: Locke Die Fragen nach Wesen und Identität der Person haben die Philosophie in der Neuzeit weiterbeschäftigt. Die von Descartes vertretene dualistischontologische These, nach der neben dem Bewusstsein die essentielle Einheit von Körper und Geist ausschlaggebend sei136, wird von John Locke durch eine erkenntnistheoretische Analyse personalen Identitätsbewusstseins weiterentwickelt.137 Er geht der Frage nach, was die Konstitutionsbedingungen der Identität einer Person sind und begreift letztere als durch Rationalität und durch die Relativität der Identität charakterisierte Substanz.138 Locke hat demnach die Idee einer kontinuierlichen Seelensubstanz nicht abgelehnt, die Identität der Person sah er allerdings nicht als Identität einer Substanz vorgegeben.139 Die personale Identität wird nach Locke durch tissimam.“ von Pufendorf, De iure, Buch II, Kapitel 1, § 5, in: Böhling, S. 109 f.; Behme (1995), S. 39 f. 131  Müller (2000), S. 38 f. 132  von Pufendorf, De officio, Kapitel I, § 13, in: Luig, S. 30 f. 133  Kobusch (1993), S. 75. 134  Maihofer, in: Geyer / Goerlich, S. 223 ff., S. 253 f. 135  Siehe für diese Herleitung Wolfrum (2013), S. 27 ff., S. 35 f.; Müller, in: Geyer / Goerlich, S. 117 ff., S. 133 f. 136  Mohr, in: Sturma, S. 25 ff., S. 28 f. 137  Locke, An Essay, Bd. I-II; Locke / von Kirchmann / Winkler, Bd. I-II. 138  Mackie, S. 160 ff. 139  Thiel, in: Sturma, S. 79 ff., S. 81.



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 41

das Selbstbewusstsein (consciousness) konstruiert und bestimmt: einerseits als theoretisches Element durch die Reflexion des Subjekts auf sich selbst, andererseits als praktische Elemente140 durch die Sorge um das Glück in der Zukunft und die Verantwortlichkeit für die eigene Vergangenheit.141 Die Verknüpfung gegenwärtiger Erfahrung mit vergangenen Erfahrungen konstituiert die persönliche Identität und führt zu einem bewussten Leben. Demnach ist die personale Identität eine Bewusstseinsleistung; sie wird von dem eigenen Bewusstsein vorgegeben.142 Ergänzt durch die Sorge um das eigene Glück, wird in der Identität das Bewusstsein mit dem Gewissen verbunden. Locke unterscheidet zudem die persönliche Identität unter anderem von der Identität des Menschen.143 Die Identität als Mensch ist eine leibliche Identität und besteht in der Gleichheit desselben organischen Körpers über die Zeit hinweg. Demnach ist der Mensch nur eine Organisation materieller Teile, deren transtemporale Identität in der Erhaltung der organischen Einheit besteht.144 Bewusstsein hat gemäß Locke die Funktion unmittelbarer Selbstzuschreibung von Gedanken und Handlungen. Für diese unmittelbare Selbstzuschreibung verwendet Locke den Begriff der Aneignung. Alle Handlungen, die vom Bewusstsein als eigene perzipiert werden, werden von diesem zu einer Einheit gebracht; diese Einheit ist die Personalität.145 Mit Personalität wird also die Eigenschaft des menschlichen Subjekts beschrieben, mit Bezug auf welche es moralisch und rechtlich verantwortlich ist. Bei dem Begriff der Personalität handelt es sich folglich um eine moralische Qualität.146 Vergangene Handlungen gehören nur dann zur personalen Einheit in der Gegenwart, wenn man sie sich durch gegenwärtiges Bewusstsein zuschreiben kann. Der Unterschied zwischen der Identität der Person und des Menschen führt dazu, dass man für solche Handlungen, die man durch sein 140  Locke, An Essay, Book II, Chapter XXVII, 16 f., 23, in: Fraser, S. 458 f., S.  464 f. 141  Mackie, S. 177; Thiel, S. 133 ff., insbes. S. 134, S. 139. Locke sagt sogar, dass die Sorge um die wirkliche Glückseligkeit die Grundlage für die Freiheit darstelle. Locke, II, XXI, 51, in: Fraser, S. 347 f. Der Mensch hat die Fähigkeit der Selbstbestimmung, indem er seinen Willen durch sein eigenes Urteil über wirkliche Glückseligkeit bestimmt. Id., II, XXI, 48, in: Fraser, S. 344 f. 142  Thiel, in: Sturma, S. 81. 143  Mackie, S. 174 ff.; Thiel, S. 57 ff. 144  Locke, An Essay, II, XXVII, 8 f., in: Fraser, S. 445 f.; Thiel, in: Sturma, S. 84. 145  Thiel, S. 116. 146  Thiel, in: Sturma, S. 82 f.

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1. Teil: Die Stellung der Person

gegenwärtiges Bewusstsein nicht zurechnen kann, keine Verantwortung trägt und dementsprechend nicht bestraft werden kann.147 Darum sagt Locke, dass der Begriff der Person auch ein juristischer ist.148 Das Verständnis der Person bekommt bei ihm durch die Rolle, die er dem Bewusstsein zuspricht, einen subjektivistischen Charakter.149 Zudem wird bei Locke eine Unterscheidung zwischen der leiblichen, der moralischen und der daraus abgeleiteten juristischen Identität der Person erstmals eindeutig. b) Begründung der Menschenrechte im gesellschaftlichen Zusammensein: die Vertragstheorie von Rousseau Ein weiterer Schritt zur Etablierung eines Zusammenhangs zwischen Bewusstsein, Freiheit und Rechten und damit eine Weiterentwicklung der normativen Dimension der Person wurde in der Philosophie von Jean-Jacques Rousseau vollzogen. Das Selbstbewusstsein ist demnach Ausgangspunkt von Handlungen, mit denen die Person frei und aus praktischen Gründen den Verlauf von Ereignissen in der Welt verändert.150 Die individuelle Freiheit ist laut Rousseau in der ungleichen Gesellschaft seiner Zeit wenig ausgeprägt. Ihre Aufgabe ist im Vergleich zum Zugewinn an Freiheit durch Teilhabe an der kollektiven Freiheit daher kein großes Opfer.151 Freiheit meint hier – anders als bei von Pufendorf – den Austritt aus dem Naturzustand, das In-BeziehungTreten zu anderen Menschen, das gesellschaftliche Sein.152 Somit kann die wahre Freiheit weder die in sich selbst genügsame Unabhängigkeit des homme sauvage („glücklicher Wilde“) noch die ungebundene Willkür sein – sie ist die Beziehung zu anderer Freiheit, die Bindung ans Gesetz.153 Der Mensch ist in diesem Leben so eingerichtet, dass man nie zum rechten Genuss seiner selbst ohne Zutun anderer gelangen kann; das moralische Leben des Menschen fängt mit dem sozialen Leben an.154 147  Locke, An Essay, II, XXVII, 22, in: Fraser, S. 462 ff. Zu der Frage Handlung als Eigentum: Ayers, S. 267. 148  Locke, An Essay, II, XXVII, 18, 22, 26, in: Fraser, S. 459 f., S. 462 ff. und S.  466 ff. 149  Thiel, in: Sturma, S. 87. 150  Sturma (2001), S. 88 ff. 151  Llanque, in: Hidalgo, S. 31 ff., S. 44. 152  Kobusch (1993), S. 117. 153  Cassirer, S. 16 f., S. 55, S. 57. 154  Rousseau, in: ders., S. 209 ff., S. 235, V, 6, Fn. 44. Zu einem Vergleich zwischen staatlicher Souveränität und individueller Freiheit siehe Schottky, in: Hammacher / ders. / Schrader, S. 119 ff., S. 120 ff.



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 43

Die gegenseitige Zuerkennung des gleichen Freiheitsrechts hat sittlichen Charakter, in ihr besteht das demokratische Ethos des Staates.155 Die Verhinderung der freien Handlung, der Autonomie gilt als Menschenrechtsverletzung im Sinne eines Verstoßes gegen die Ausdrucksfähigkeit von Humanität,156 denn das Recht auf Freiheit ist ein unveräußerliches Menschenrecht.157 Rousseaus Vertragstheorie übte einen wesentlichen Einfluss auf spätere Vertragstheorien und politische Personenkonzeptionen aus, die zwar nicht von umfassenden Personenverständnissen abgeleitet werden, die sich aber in der Regel Personencharakteristika aus den ethischen Personenkonzeptionen zu eigen machen.158 5. Der moderne Personenbegriff a) Die Metaphysik der Sitten: Kant Immanuel Kant, ähnlich wie Locke, trennt die Person von der immateriellen Seelensubstanz und hält die Letztere für unerkennbar. Er trennt den Begriff aber nicht nur von der Substanz, sondern auch vom Subjekt: Die Leistungen des Selbstbewusstseins sind keine hinreichende Bedingung für die Personalität, es muss eine bestimmte Art von Freiheitsbewusstsein hinzutreten.159 Unter Person versteht Kant nicht nur das menschliche Individuum als empirischer Charakter (Sinnenwesen, homo phaenomenon), sondern den ganzen Menschen, der sowohl Teil der Sinnenwelt als auch Teil der Verstandeswelt ist. Persönlichkeit ist ein bestimmter Aspekt der Person, der intelligible Charakter (Vernunftwesen, homo noumenon). Dieser bestimmte Aspekt ist die Fähigkeit, seinen Willen nach Maßgabe einer Überlegung über Absichten und nach Maßgabe einer Entscheidung, welche Absicht aus welchen Gründen handlungswirksam werden soll, zu bestimmen.160 Wesentliche deskriptive Eigenschaft von Personen ist – neben der Fähigkeit, sich ihrer selbst bewusst zu sein, und der Fähigkeit, sich auf sich selbst erkennend zu beziehen – die Möglichkeit, von der eigenen Identität durch die Zeit zu wissen.161 155  Bielefeldt,

S. 83. in: Haardt / Plotnikov, S. 39. 157  Kobusch (1993), S. 146. 158  Vgl. nur die Personenkonzeption von John Rawls, in: Schaub, S. 124 ff. 159  Siep (1992), S. 90. 160  Mohr, in: Sturma, S. 103 ff., S. 113. 161  Siep (1992), S. 91 f. 156  Sturma,

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1. Teil: Die Stellung der Person

Nach der moralischen Bedeutung der Persönlichkeit besteht diese – mit innerer Freiheit begabt162 – in der Instanz einer bestimmten Art und Weise der Willensbildung, welche sich in der Wahl der Maximen auf ein Kriterium eines gewissen Typs bezieht. „Dieses Kriterium ist das moralische Gesetz. Persönlichkeit besteht demnach darin, dass ein Mensch einem von der Vernunft selbst gegebenen, reinen praktischen Gesetz unterworfen ist.“163 Autonomie ist die Fähigkeit zu dieser Selbstgesetzgebung.164 Die Tatsache, dass ein solches Gesetz durch die Vernunft des Menschen gegeben ist, bedeutet, dass der Mensch selbst Subjekt dieses Gesetzes ist.165 Die moralische Persönlichkeit ist also die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen, wobei Persönlichkeit als Synonym von Autonomie, als die Selbstbestimmung im Handeln verstanden wird.166 Persönlichkeit kann demnach auch als das Vermögen gefasst werden, dem von der eigenen Vernunft gegebenen Gesetz zu folgen und sich dadurch selbst zu bestimmen.167 Der Begriff der Person ist damit eng mit dem der Autonomie verbunden. Sich selbst zu bestimmen, ein „Zweck an sich selbst“ zu sein168, sind Merkmale eines vernünftigen Wesens, welches sich gegenüber anderen Wesen dadurch auszeichnet, dass es seinen Willen selbst bestimmen kann und in seinem Handeln nicht vollständig von subjektiven Neigungen abhängig ist.169 Durch die Autonomie hat der Mensch Würde, sein Dasein hat „an sich selbst einen absoluten Wert“170, das heißt einen unvergleichlichen Wert: „[D]er Mensch ist Selbstwert, weil er sich als Person selbst bestimmt und selbst für sein Tun verantwortlich ist“.171 Kant grenzt den Begriff der Würde gegen den des Preises ab. Alles in der Natur hat einen Preis, der Mensch als einziger hat aber nur Würde, das heißt, „dass es in der ganzen Schöpfung nichts gibt, was als Äquivalent den Menschen aufwiegen könnte“. Die Würde gründet einzig in der Vernunft, sodass einzig dem Menschen als moralisch verpflichtetes Wesen Würde zukommt.172 Menschenwürde und 162  Kobusch

(1993), S. 141. AA V, 087, Z. 5 ff. Vgl. Tretters Definition von transzendentaler Freiheit als Selbstursprünglichkeit (von Handlungen), Tretter, in: Oberer, S. 201 ff., S. 211. 164  Kant, AA IV, 440, Z. 16. 165  Konhardt, in: Prauss, S. 160 ff., S. 179. 166  Kant, AA VI, 223, Z. 25; Kant, in: Weischedel, S. 329 f. 167  Kant, AA V, 087, Z. 6. 168  Kant, AA IV, 428, Z. 8. 169  Kant, AA VI, 418, Z. 14. 170  Kant, AA IV, 428, Z. 3. 171  Zeltner, in: Arnold / ders., S. 345. 172  König, S. 257 f. 163  Kant,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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Persönlichkeit gründen damit in der Vernunftnatur des Menschen und nicht in seiner biologischen Natur oder in der Anthropologie.173 In der Autonomie gründet die Freiheit des menschlichen Willens. Kant übernimmt von Rousseau einen im Contrat social formulierten Gedanken: Die „sittliche Freiheit macht den Menschen zum wirklichen Herrn seiner selbst; […] und der Gehorsam gegen das selbstgegebene Gesetz ist Freiheit“.174 Bei Kant wird zudem die Zurechnung als konstitutiver Faktor hervorgehoben. Person ist demnach aus der Struktur moralischer Verpflichtung dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind.175 Dies setzt aber nicht nur Freiheit, sondern eine interpersonale Struktur, die Anerkennung eines Handelnden als Person voraus. Zwar ist die Welt der Erscheinungen, zu der Personen als raumzeitliche Wesen gehören, erst einmal nicht relevant, da die den moralischen Charakter der Person fundierenden Begriffe der Freiheit und Selbstgesetzgebung erst durch die (praktische) Vernunft begründet werden, dennoch gewinnt das moralische Sein durch die Zurechnung eine interpersonale Struktur.176 Als angeborenes, jedem Menschen Kraft seiner Menschheit zustehendes Recht hat Kant nur ein einziges bezeichnet: die Freiheit, welche er als Unabhängigkeit von einer anderen nötigenden Willkür bezeichnet.177 Hierin ist aber eine Vielfältigkeit von Rechtstiteln enthalten, welche Kant auch als Bestimmungen der Autonomie behandelt: Gleichheit vor dem Gesetz, die Qualität des Menschen, sein eigener Herr zu sein, die rechtliche Unbescholtenheit.178 Diese sind bereits „im Prinzip der angeborenen Freiheit“ liegende fundamentale Befugnisse. Aus den gewonnenen Erkenntnissen leitet Kant seinen allgemeinen Rechtsbegriff ab, nach welchem Recht, nach Maßgabe der Idee der Autonomie der Person, bedeutet, nach dem Grundsatz der Freiheit aller Menschen zu handeln. „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“179 Der kategorische Imperativ sichert Freiheit und Verbindlichkeit gleichermaßen. Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit vereinigt 173  Ob

hierin eine Verkürzung des Menschenrechtsgedankens liegt: id., S. 263 f. von Mohr, in: Klein / Menke, S. 17 ff., S. 20 f. 175  Zeltner, in: Arnold / ders., S. 331 ff., S. 335 f. 176  Reichold, S. 59; Jaeschke, in: Haardt / Plotnikov, S. 61 ff., S. 64; König, S. 229 f. 177  Kant, AA VI, 237, Z. 29. Zum Verhältnis Mensch und Menschheit in Kants Philosophie siehe Braun (2000), S. 71 ff., ebenfalls die Kritik von Adorno, S. 202 ff., aber auch den Hinweis auf Karl Marx bei Braun (2000), S. 74 ff. 178  Kant, AA VI, 237 f.; May, S. 86. 179  Kant, AA IV, 429 f., Z. 10 ff. 174  Zitiert

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1. Teil: Die Stellung der Person

werden kann.180 Dies bedeutet, dass nur erzwungen werden darf, was zur Kompatibilisierung der Freiheitssphären notwendig ist.181 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich nach Kant in der Möglichkeit vernünftiger Selbstbestimmung und der Achtung vor dem Sittengesetz die Selbstzweckhaftigkeit und die Würde des Menschen gründen. Diese nennt Kant die Persönlichkeit und aus dieser folgt unmittelbar die Pflicht der wechselseitigen Achtung.182 Der eine Freiheitsanspruch ist immer schon auf den gleichen Anspruch des anderen bezogen. Das Recht fordert die Freiheit vom Willen anderer Personen und erstreckt sich deshalb auf die intersubjektive Ebene.183 Im Prinzip der Freiheit ist für Kant das Prinzip der Gleichheit analytisch enthalten.184 Die Person, sofern sie der Sinnenwelt angehört und sofern sie moralischen Wert hat, bildet eine Einheit, die den kategorischen Imperativ als Forderung erkennt und wahrnimmt, die aber durch ihre Zugehörigkeit zur Sinnenwelt auch Naturhaftigkeit zeigt. Der Körperlichkeit wird im Gegensatz zu Lockes Theorie ein klarer Platz eingeräumt.185 Allerdings kann eine vollständige Sicht auf die Person als Einheit von Körper und intelligibler Natur auch bei Kant nicht entdeckt werden, da zwar kein ontologischer, aber ein methodischer Dualismus zwischen Erscheinungen und intelligibler Welt bestehen bleibt.186 b) Perspektiven der Stellung der Person nach Kant Nach Kant wurde im deutschen Idealismus die Stellung der Person in der Metaphysik der Freiheit weiter entfaltet. Seine Erkenntnisse wurden um sozialphilosophische Rekonstruktionen der Anerkennungsverhältnisse, vor allem von Johann Gottlieb Fichte, erweitert. Bei ihm fungieren erstmals Leiblichkeit und Interpersonalität als konstitutive Faktoren für die Existenz und das Handeln von Personen. Die Person ist nach Fichte durch ihren Willen ein „in der Sinnenwelt wirksames, leibhaft-vernünftiges Individuum, das sich eine begrenzte Sphäre der Freiheit im Handeln zuschreibt, in reziproken Anerkennungsbeziehungen mit anderen Personen steht und diesen nach einem allgemeinen Rechtsgesetz ebenso jeweils begrenzte Freiheitssphären einräumt.“187 Nach 180  Kant,

AA VI, 230, Z. 24. in: Klein / Menke, S. 30; König, S. 228 ff. 182  Kant, AA VI, 462; Mohr, in: Sturma, S. 115; Zeltner, in: Arnold / ders., S. 346. 183  König, S. 237. 184  Id., 243. 185  Fuhrmann / Kible / Scherer et  al., in: Ritter / Gründer, S. 308. 186  Reichold, S. 69. 187  Mohr, in: Sturma, S. 119; Janke, in: Girndt, S. 95 ff. 181  Mohr,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 47

Fichte erfährt sich eine Person nur in ihren Handlungen als frei. Die Identität der Person ist im Wesentlichen die Identität der Sphäre ihrer möglichen freien Handlungen.188 Handeln ist eine reine Wirksamkeit im Äußeren und muss durch einen materiellen Köper realisiert werden.189 Leiblichkeit gehört daher zur konstitutiven Verfassung von Personen,190 der Leib ist die Realität des reinen Wollens191, er ist ein Schema des Ich in Raum und Zeit.192 Der Personenbegriff impliziert die wechselseitige Anerkennung begrenzter personaler Freiheitssphären. Intersubjektivität ist Bedingung für die Erfahrung der eigenen Freiheit. Das Selbstbewusstsein vernünftiger Wesen ist nur soweit denkbar, wie sie es in der Wirksamkeit in der Sinnenwelt beschränken, um sich so die Erfahrung ihres Willens wechselseitig zu ermöglichen.193 Aus der Vernunftnatur des Menschen ist das wechselseitige Einräumen von Handlungsfreiheit zu deduzieren. Diese Definition ermöglicht Fichte, das Recht unabhängig vom Sittengesetz oder vom Selbsterhaltungsstreben zu begründen.194 Gemeinsam ist der Lehre von Fichte und Kant, dass ein nicht-empirischer Gehalt des Begriffs der Persönlichkeit nur im Begründungskontext des Praktischen, in Moral und in Recht zu konstituieren ist.195 Dies wird im Bereich des Handelns (Person ist keine statische Substanz, sondern „Selbststand im Tun“196) und dessen moralischen Grundsätzen situiert. Personen sind Subjekte moralischer Selbstbestimmung.197 Die Erweiterung des Personenverständnisses um Anerkennungsverhältnisse resultierte in Georg Wilhelm Friedrich Hegels Lehre in einer Loslösung des Personenbegriffs von dem des menschlichen Individuums. Hegel baut auch auf der Anerkennungsperspektive auf und erweitert den Personenbegriff zum systematischen Grundbegriff der Rechtsphilosophie und der Logik.198 Die Person bestimmt sich für Hegel zuerst von der Freiheit her.199 Sie ist als Distanz des Willens zu allen Zwecken von allen äußeren Bestimmungen 188  Fichte,

§ 5, SW III, in: Zahn, S. 58. § 5, SW IV-VI, § 6, in: Zahn, S. 58 ff., S. 61 ff. 190  Frischmann / Mohr, in: Schürmann, S. 158 ff., S. 175 f. 191  Düsing, S. 280. 192  Siep, in: Held / Hennigfeld, S. 107 ff., S. 113. 193  Baumanns, S. 119; Mohr, in: Ameriks / Sturma, S. 31 ff., S. 39 ff. 194  Siep (1992), S. 73. 195  Zeltner, in: Arnold / ders., S. 341, S. 343 f. 196  Heimsoeth, in: Arnold / Zeltner, S. 123 ff., S. 134. 197  Mohr, in: Sturma, S. 118. 198  Id., S. 132. 199  Kobusch (1993), S. 158 f. 189  Fichte,

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1. Teil: Die Stellung der Person

des Individuums zu abstrahieren, um ihr Für-sich-sein als solches hervortreten zu lassen.200 Somit wird die Person in ihrer Selbstständigkeit zur Aufforderung an die andere Person, von ihr anerkannt zu werden.201 Der Begriff der Person bezeichnet demnach im ersten Teil der Rechtsphilosophie Hegels einen Erkenntnis- und Verpflichtungsgrund für Rechte und Pflichten.202 Zum Wesen der Person gehört die Rechtsfähigkeit, das heißt die abstrakte Möglichkeit einer Willensäußerung, die sich im Rechtsgebot wechselseitiger Respektierung der Personen niederschlägt („die Freiheit die Freiheit wolle“203).204 Die Wechselseitigkeit der Anerkennung hat Hegel erst in Bezug auf die familiären Beziehungen und die bürgerliche Gesellschaft erörtert und schließlich auch auf die Sphäre des Staates bezogen.205 Erst in der „Sittlichkeit“, in den Institutionen der Familie und der Gesellschaft erhält der Einzelne die Garantie des Anerkanntseins als Person. Im letzten Element der bürgerlichen Gesellschaft, in der Rechtspflege, gilt dann der Mensch unabhängig von seinen sozialen Einbindungen ausdrücklich als Mensch. All dies betrifft jenes Allgemeine, das als Kompetenz zum Innehaben von Rechten, als „Rechtsfähigkeit“ bei allen gleich ist: die Person.206 In der Rechtsphilosophie erhält der Begriff der Person im Rahmen von Hegels Argumentation seinen endgültigen systematischen Ort. Das Ganze wird dann im Begriff einer einzelnen letztentscheidenden Person manifestiert, was nicht nur die Vollendung des Personenbegriffs selbst, sondern auch die Vollendung des Staatsbegriffs als praktischer Vernunftschluß bedeutet. Die Persönlichkeit des Staates fällt mit seiner Souveränität zusammen, wobei seine Wirklichkeit in der Person, in dem Ausgangspunkt des Handelns durch Entscheidungen und durch Inkraftsetzung von dieser besteht.207 Hegel bezeichnet mit dem Personenbegriff zusammenfassend zwei Fähigkeiten des Willens: erstens, die Abstraktion von allen Gegebenheiten und zweitens, eine Gesamtordnung von Gesetzen und Begriffen in einer Entscheidung manifestieren zu können. „Person ist man nur durch die Fähigkeit zur Selbstdistanz und durch die Repräsentation einer Ordnung in einem Entschluss bzw. in einer Folge von Entschlüssen, die einen Charakter ausmachen“. Demnach sind Personen solche Wesen, die Gesetze durch ihr 200  Hegel, 201  Hegel,

Grundlinien, § 35, in: Lasson, S. 48 f.; Düsing, S. 311; Quante, S. 43 f. Grundlinien, § 36, in: Lasson, S. 49; Siep (1992), S. 103; Düsing,

S. 313. 202  Siep (1992), S. 102 f. 203  Hegel, Vorlesungen, § 21 / 4, in: Ilting, S. 147 ff. 204  Hegel, Grundlinien, § 36, in: Lasson, S. 49. 205  Hegel, Grundlinien, § 158 ff, in: Lasson, S. 140 ff. 206  Seelmann, in: Dreier, S. 125 ff., S. 132 f. 207  Siep (1992), S. 99, S. 107.



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 49

Handeln fortbilden und ergänzen. Mit dieser Bestimmung löst Hegel den Begriff der Person von dem des menschlichen Individuums.208 Die Loslösung des Personenbegriffs von dem des menschlichen Individuums bereitete die Entsubstanzialisierung des moralischen Seins, vor allem in der Rechtsphilosophie des spekulativen Theismus Ende des 19. Jahrhunderts, vor.209 In der ethischen Personendiskussion des 20.  Jahrhunderts wurde der Begriff der Person aus der Tradition Lockes und Kants aufgenommen und erweitert. Die normative Bedeutung des Begriffs ergibt sich demnach weiterhin aus der der Person zugeschriebenen Freiheit, welche ihr durch die moralische und rechtliche Verantwortung verliehen wird. Die in der Lock’schen Tradition stehenden Theorien beschäftigen sich mit der personalen Identität in der Zeit und mit der Frage nach der konstituierenden Rolle der Erinnerung und Einheit des Bewusstseins für die Identität. Die auf die Kant’sche Tradition bauenden Theorien werden überwiegend von handlungstheoretischen Fragen nach der Person als Ursache einer Handlung bewegt.210 Daniel Dennett definiert nichtreduzierbare normative Bestimmungselemente der Person und schließt die Möglichkeit ihrer empirischen Konkretisierung aus. Diese normativen Bestimmungen, wie Freiheit, Vernunft und Selbstbewusstsein sind damit eher als ideale Charakteristika einer Person zu betrachten, deren Begriff dadurch als Ideal für empirische Handlungssubjekte entwickelt wird und zusätzlich an Normativität gewinnt.211 Nach Harry Frankfurt gehört zum Begriff der Person auch die Fähigkeit, absichtlich und willentlich zu handeln.212 In diesem Zusammenhang hat er geltend gemacht, dass zum Wesen einer Person nicht nur die Fähigkeit zu absichtlichen Handlungen gehört, sondern darüber hinaus auch die Fähigkeit zur reflektierenden Selbstbewertung. Personen haben nicht nur einfach Wünsche, vielmehr können sie sich mit manchen Wünschen auf andere ihrer Wünsche beziehen.213 Nur jemandem, dem es gelingt, seine unmittelbaren Wünsche (erste Stufe) zu Wünschen (zweite Stufe) zu machen, die sich als seine allgemeinen Willensbestimmungen ausdrücken lassen, handelt frei und kann als eine Person bezeichnet werden.214 Diese Art von Selbstreflexion gehört im Wesentlichen zur Willensfreiheit. Der damit gewonnene Personenbegriff 208  Siep

(1992), S. 111. (1993), S. 207 ff. 210  Für diese Aufteilung siehe Reichold, S. 75 ff. 211  Id., S. 86 ff. 212  Frankfurt, S. 5 ff., S. 6. 213  Id., S. 7, S. 10; Herrmann, in: Sturma, S. 167 ff., S. 175 f. 214  Frankfurt, S. 15, S. 17. 209  Kobusch

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1. Teil: Die Stellung der Person

ist nicht mehr weit entfernt von dem moralischen Begriff einer Person nach Locke, welcher der Begriff eines Wesens ist, das für die ihm zurechenbaren Handlungen in moralischem oder rechtlichem Sinne verantwortlich ist.215 c) Der Personenbegriff in der angewandten Ethik Der Personenbegriff ist in der angewandten Ethik, insbesondere in der medizinethischen Diskussion der letzten dreißig Jahre, ein Schlüsselbegriff geworden. In den bioethischen Schulen wird der Begriff allerdings in Bezug auf seinen Umfang und dessen normative Konsequenzen sehr unterschiedlich verstanden. Zentrales Thema des bioethischen Utilitarismus ist die Dissoziation von Mensch und Person, die sich in den Nicht-Äquivalenz-Theorien widerspiegelt. Die Anwendung dieser Unterscheidung auf den Bereich der Medizin vollzieht Michael Tooley.216 Die notwendige Bedingung für die Zuschreibung von Rechten ist nach ihm das Bestehen von entsprechenden Wünschen und der Fähigkeit, solche Wünsche zu haben. Auf dieser Grundlage spricht er Föten und Säuglingen das Lebensrecht mangels Selbstbewusstseins ab und schlägt vor, durch den Schwangerschaftsabbruch bei nicht gesunden Kindern „das Gesamtglück“ in der Gesellschaft („the happiness of society“) zu vermehren.217 Tooley verwendet den Personenbegriff als rein moralischen Begriff frei von deskriptivem Inhalt und verneint damit – ebenso wie alle maßgeblichen Dissoziationsansätze – die moralische Bedeutung der Zugehörigkeit zu der Kategorie Menschheit.218 Der Ausgangspunkt der Bioethik von Peter Singer ist die These von der Nicht-Relevanz der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung.219 Nach Singer sind Angehörige der menschlichen Gattung nur dann Personen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Die entscheidende Eigenschaft hierbei ist die Empfindungsfähigkeit, die allerdings alleine noch nicht ausreicht. Nur Wesen, die sich als in der Zeit existierend begreifen und sich auf zukunftsbezogene Wünsche beziehen können, bezeichnet er als Personen. Unrecht besteht demnach nur in der Vereitelung von Wünschen und Präferenzen. Wer keine Wünsche hat, hat auch keine Rechte, demnach sei jemand, der die Vorstellung seiner selbst als einer fortdauernden, distinkten Entität nie gehabt habe, zu einem „Recht auf Leben“ auch nicht fähig.220 Die Konsequenzen dieser 215  Fuhrmann / Kible / Scherer

et  al., in: Ritter / Gründer, S. 320. in: Leist, S. 157 ff.; Braun (2000), S. 109. 217  Tooley, in: Kuhse / Schüklenk / Singer, S. 23 ff., S. 26. 218  Braun (2000), S. 109, S. 110 f. 219  Singer; Braun (2000), S. 111. 220  Braun (2000), S. 112 ff. 216  Tooley,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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Abstufung sind bekannt.221 Singer gilt allerdings nicht als Außenseiter, viele Bioethiker sprechen sich für ein begrenztes Recht auf Leben aus.222 Zentral ist auch für Tristam Engelhardt jr. und John Harris, ähnlich wie für Singer, die Unterscheidung zwischen Personen und Nicht-Personen. Während ersterer einen eher deontologischen Ansatz verfolgt und diese Unterscheidung mit der Unterscheidung der zugesprochenen Rechte verbindet223, arbeitet letzterer mit der Kategorie „Wert des Lebens“.224 Beide unterscheiden sich von Singer insoweit, dass sie mit dem Gebot der Personenachtung ein Prinzip in die Argumentation bringen, „das Personen von der schrankenlosen Anwendung des Nutzenprinzips ausnimmt“.225 Robert Veatch nutzt den vertragstheoretischen Ansatz und die Figur des rawlsschen Urzustandes, um ethische Prinzipien für die Medizin zu finden.226 Die Regeln, auf die sich vernünftige Menschen unter den Bedingungen des Urzustandes einigen würden, definiert er als moralisch akzeptable Regeln. Er betrachtet die grundlegenden Moralprinzipien als solche, die die Parteien vorfinden. Somit können auch diejenigen, die nicht kommunikations- und damit verhandlungsfähig sind einen originären moralischen Status haben. Veatch geht aber bei der Bestimmung, wem das Lebensrecht zukommt genauso vor wie Singer, Tooley, Engelhardt und Harris und macht empirisch messbare Merkmale des Individuums zu dessen Kriterium. Diese sind die Fähigkeit zu Bewusstsein und zu sozialer Interaktion. Damit führt er trotz der Anerkennung vorhandener moralischer Prinzipien doch ein Abstufungssystem ein, das auch eine Kategorie von Rechtlosen beinhaltet.227 Herausstechende Eigenschaft der Nicht-Äquivalenz-Doktrinen ist ihre Interessenorientiertheit. Das Verständnis der Person wird naturalisiert228, in221  Daraus folgert er, dass Föten nicht nur vor der 18. Schwangerschaftswoche, also vor der Erreichung der Schmerzempfindlichkeit getötet werden können, sondern auch wegen Organentnahmen ausgetragen oder anderswie produziert werden können, um die Belastung des Gesundheitswesens zu minimieren. Auf der Grundlage des Grundgesetzes wäre diese Folgerung nicht vertretbar (Singer, S. 215 ff.). Mehr dazu, auch zur Debatte zwischen Peter Singer und Herbert Lionel Adolphus Hart bei Denkhaus, in: Dabrock / Denkhaus / Schaede, S. 171 ff., S. 180 ff., S. 201 f.; Härle, in: Dabrock / Denkhaus / Schaede, S. 207 ff., S. 219 ff. 222  An dieser Stelle seien exemplarisch genannt: Kuhse, in: Leist, S. 75 ff.; Hare, in: Leist, S. 374 ff.; Hoerster. 223  jr. Engelhardt; Baumgartner / Heinemann / Honnefelder et al., in: Rager, 333 ff., S.  378. ff. 224  Harris. 225  Braun (2000), S. 129. 226  Veatch. 227  Braun (2000), S. 131 ff. 228  Rehbock (2005), S. 180 ff.

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1. Teil: Die Stellung der Person

dem die normative Personendefinition auf rein deskriptiv-biologische Merkmale abgestellt wird.229 Demnach hat die Person nicht deshalb Freiheitsrechte, weil sie als moralisches Wesen zur Freiheit fähig ist, „sondern weil nur wer zur Freiheit fähig ist, ein Interesse an Freiheit hat“.230 Die aufgezeigten Wege der Unterscheidung von Mensch und Person führen dazu, dass Ethik zur Machtfrage wird. Wie schwer welches Interesse wiegt, wer die Standards für das wertvolle Leben setzt und wie die Fähigkeiten zu bestimmen sind, die als Voraussetzung des Personenseins in bestimmten Fällen gelten, wird willkürlich entschieden.231 Die zwischen Menschen und Personen differenzierende These von Singer wurde erstmals von Robert Spaemann umfassend kritisiert.232 Er entwickelt einen christlich-aristotelischen „Gegenentwurf“ zu Lockes Konzeption der Person. Die Grundlage der Dissoziation sieht er in der Ablösung von Bewusstsein und Subjektivität vom Begriff des Lebens und in dieser Ablösung sieht er den entscheidenden Grund für die Trennung von Mensch und Person.233 Die Äquivalenz-Doktrin und Spaemann, als ein Hauptvertreter dieser, dürfen allerdings nicht so verstanden werden, als ob ihnen zufolge zwischen den Ausdrücken „lebendes menschliches Wesen“ und „Person“ kein inhaltlicher Unterschied bestünde.234 Spaemann kritisiert bei Locke die Identifizierung von personaler Identität mit dem Bewusstsein personaler Identität. Die Kontinuität der Erinnerung besteht selber nur aus einer Folge unmittelbarer Erinnerungsmomente; aus dem Bewusstsein der Identität lässt sich keine Identität der Person ableiten. Für die Ableitung einer personalen Identität ist es vielmehr notwendig, die Außenperspektive miteinzubeziehen. Hierfür ist der Körper das entscheidende Kriterium; aus Sicht der anderen verbürgt die Identität des Körpers die Identität der Person.235 Leben ist die Existenzweise von Lebewesen. Als Lebewesen sind auch die Menschen nach der aristotelischen Dialektik Mitglieder einer natürlichen Art. Allerdings können sich Menschen zu ihrer Natur noch einmal verhalten; sie können sich deren Wesensgesetze in Freiheit zu eigen machen oder gegen sie verstoßen.236 Diese Betonung der Freiheit als Vermögen entspricht der christlichen Vorstellung der Sünde. Menschen haben also die Freiheit, das, was „eigentlich“ richtig wäre, auf229  Reichold,

S. 116 ff. S. 9 ff., S. 10. 231  Braun (2000), S. 162. 232  Spaemann (1996). 233  Braun (2000), S. 135. 234  Birnbacher, in: Schweidler, S. 31 ff., S. 32. 235  Braun (2000), S. 136 f. 236  Spaemann (1996), S. 42; Spaemann, in: Schweidler, S. 45 ff., S. 48. 230  Birnbacher,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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grund einer Entscheidung zu verfehlen. „Eigentlich“ richtig ist die Entfaltung der eigenen Tendenz.237 Freiheit bedeutet demnach in Anknüpfung an Frankfurt „zu wollen, was wir wollen“ und somit das gute Leben zu verwirklichen.238 Die Frage, wieso alle Menschen Personenstatus haben und diesen nicht erst durch die Ausprägung des Freiheitsvermögens bekommen, beantwortet Spaemann mit der These, dass die genealogische Beziehung zwischen Menschen nicht nur eine biologische sei. Das biologische Kriterium der Personalität ist nicht gleich ein Definitionsmerkmal; Personensein fasst er als „transzendentale Bedingung von Möglichkeiten“ des Menschen auf und nicht als eine empirische Eigenschaft.239 Die wichtigsten Elemente der personalen Existenzweise sind die Selbstdifferenz, die eine Positionierung zu sich selbst bedeutet, und die Interpersonalität.240 Die Interpersonalität zeigt sich in dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Menschen, welche sich in der Ehe am weitesten ausprägt. Der Personenbegriff deutet bei Spaemann in der Ehe aber ein besonderes Wesen an, das im Rückgriff auf die mittelalterliche Theologie mit dem christlichen Verständnis der Ehe zu füllen ist. Häufig wird Spaemann dafür kritisiert, dass seine Auffassung auf institutionellem Zwang und auf Ausgrenzung basiert, da er das Verständnis vom guten Leben sehr verengt und dadurch andere Formen als abweichend bezeichnen muss.241 Zudem ist es ihm nicht gelungen, praktische Konsequenzen für konkrete bioethische Fragestellungen zu entwickeln – obwohl seine Thesen die Schaffung einer tragfähigen Grundlage für die angewandte Ethik beabsichtigen, werden die normativen Erkenntnisse aus dieser nicht abgeleitet.242 Auf Gemeinsamkeiten der Äquivalenz- und Nichtäquivalenz-Theorien wird häufig hingewiesen. Eine ist die Anerkennung eines präskriptiven Personenbegriffs, der normative Bedeutungsanteile des Begriffs voraussetzt oder in bestimmten Fällen bei der Definition der Person ausschließlich auf solche abstellt, und somit die Zuschreibung eines bestimmten moralischen Status und gewisser Rechte impliziert. In den Nichtäquivalenz-Theorien wird dieser normative Begriff auf rein biologische, empirisch verifizierbare Eigenschaften eingeschränkt und verliert die Bedeutung einer Normativität im Sinne der moralischen Freiheit: Lediglich die Interessen der Person und 237  Braun

(2000), S. 137 f. (1996), S. 232 f. 239  Id., S. 261 f.; Braun (2000), S. 142. 240  Rehbock (2005), S. 195. 241  Braun (2000), S. 142. Eine ausführliche Kritik an der Äquivalenz-Theorie bei Birnbacher, S. 13 ff. 242  Rehbock (2005), S. 198. 238  Spaemann

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1. Teil: Die Stellung der Person

nicht sie selbst als Subjekt werden Gegenstand moralischer Rücksicht.243 Eine andere Gemeinsamkeit der Theorien ist die Verbindung des Personenstatus mit der Vernunftfähigkeit, auch wenn diese unterschiedlich anspruchsvoll verstanden und in ihrer Eigenschaft – kognitiv oder moralisch – unterschieden wird.244 Konsens besteht im Weiteren darüber, dass der Personenbegriff für die Beschreibung eines Objekts medizinischer Eingriffe verwendet wird und nicht, wie gewöhnlich, um ein Subjekt der Verantwortung zu definieren. Die Kriterien der Personalität werden dabei zunehmend empirisch, da sie eben immer aus der Perspektive der dritten Person, des Arztes, zugeschrieben werden können.245 Allerdings sind die expliziten Prädikate von Personen in der Personentheorien der angewandten Ethik in der Regel ausschließlich mentaler Art und nicht zusammenhängend mit der raumzeitlichen Lokalisierbarkeit, Verletzbarkeit oder sozialen Eingebundenheit.246 Diese werden nur implizit vorausgesetzt. Die Äquivalenz-Theorie von Spaemann verbindet den Personenbegriff durchaus mit konstitutiv-normativen und leiblichen Eigenschaften. Jedoch bleibt die Stellung der Person durch diese Theorie teilweise unklar, weshalb seine Theorie nicht als eigenständiger Ansatz der angewandten Ethik anerkannt werden kann. Auch wird der Personenbegriff mit theologisch-dogmatischem Inhalt gefüllt, was wiederum aufgrund der Eingrenzung der Normativität kritisiert werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass diese modernen ethischen Personentheorien zwar die körperliche Verfasstheit der Person implizieren, sie bestätigen diese aber nicht unmittelbar.247 Die Kriterien für einen ethischen Personenbegriff stützen sich insbesondere in der angewandten Ethik wenig auf die physikalischen Aspekten des Begriffs: Auf eine integrierte Theorie der Person wurde in der angewandten Ethik bisher wenig Wert gelegt.248

243  Birnbacher,

S. 20, S. 23. Streit um den Personenbegriff und zu diesem Vergleich siehe Birnbacher, S. 11. Zur grundlegenden Kritik der Anwendung des Personenbegriffs in der Bioethik siehe etwas allgemeiner gefasst Wils, S. 26 ff. Dagegen kritisch Kipke, S.  46 f. 245  Reichold, S. 115 ff. 246  Id., S. 116. 247  Reichold, S. 77 f., S. 123 f. 248  Herrmann, in: Sturma, S. 183; Reichold, S. 144 ff.; Rehbock (2005), S. 177 ff. 244  Zum



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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III. Leiblichkeit und die soziale Stellung der Person 1. Phänomenologie und Antisolipsismus Der Begriff der Person wird in der Phänomenologie mit einer über die physikalistische Deutung hinausgehenden Körperlichkeit erweitert, die als lebensweltlicher Erfahrungsmodus fungiert.249 Diese Deutung der Materialität der Person, die als personale Leiblichkeit begriffen wird, bezeichnet die Einheit von Körper und Geist. Diese Einheit der verkörperten Subjektivität dient als Grundlage der ethischen Beziehung zu anderen Personen.250 Der Körper, als Teil des Leibes wird konstitutives Element des ethischen Personenbegriffs. In der Phänomenologie gewinnt daher der Antisolipsismus eine herausragende Rolle. Eine gewisse antisolipsistische Einstellung steckt in jedem ethischen Personenbegriff. Die Phänomenologie setzt sich aber zum Ziel, die Grundvoraussetzungen für die Selbstverortung in einem moralischen Raum zu identifizieren und somit die moralische Bezogenheit des Ich auf andere Personen zu erforschen mit der Begründung, dass die Selbstbildung als moralische Personalität in gegenseitiger Abhängigkeit das Fremdbild von dieser voraussetzt.251 Damit wird eine explizite Verbindung zwischen der Subjektivität und der Öffentlichkeit in der Ethik hergestellt. Die Anerkennung anderer als ethische Subjekte trägt zur Überschreitung der eigenen subjektiven Sphäre bei.252 Bei Edmund Husserl deutet der Körper ein Subjekt an. Durch diese Andeutung fungiert er als Vermittler für die intersubjektive Fremdwahrnehmung und -erfahrung: Der Körper des Anderen ist dem eigenen ähnlich – so wird die an sich selbst gemachte unmittelbare Erfahrung des Beseeltseins des Körpers als Leib auf die andere Person übertragen.253 Der Andere als Einheit von Fremd-Körper und Fremd-Ich wird Mensch genannt. Die Erkenntnis des Anderen als raumzeitliches Objekt in der Welt vermittelt nach Husserl auch die Selbstauffassung des Menschen.254 Das Selbstbild als Mensch ist daher von der Fremdwahrnehmung des Anderen als Mensch abhängig.255 Der Leib fun249  Habermas

(2001), S. 89 ff. S. 193 f.; Horn, Leib, in: Höffe, S. 178 f. Jean-Paul Sartre hat den philosophischen Begriff der Leiblichkeit ausgearbeitet, siehe Hammer, S. 130 ff., S. 137. 251  Reichold, S. 175 ff. 252  Id., S. 222. f. 253  Alloa / Depraz, in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 7 ff., S. 11, S. 14 ff. 254  Reichold, S. 201. 255  Husserl, § 46, Z. 16 ff., in: Biemel, S. 167, § 56, Z. 8 ff. und 21 ff., in: Biemel, S. 242. 250  Reichold,

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1. Teil: Die Stellung der Person

giert im Rahmen dieser Erfahrungskonstitution als eine zeitliche, historische, psychophysische aber auch habituelle Einheit,256 er ist die lebendige Erfahrung.257 Husserls erkenntnistheoretische Analyse der Intersubjektivität auf der Grundlage der Leiblichkeit wird von Emmanuel Lévinas erweitert und über die Analyse der Existenzbedingungen des Menschen zu einer phänomenologischen Fundamentalethik entwickelt, in der der Leib primär ethisch bestimmt wird.258 Das leibliche Sein ist bei Lévinas zunächst zweidimensional. Es beinhaltet einmal die Erschließung der Welt über das Genießen und somit eine Gewinnung eines Verständnisses des Selbst. Der leibliche Weltbezug geht immer über das Genießen von etwas oder von sich selbst aus und aufgrund dieses Weltbezugs kann sich das Selbst von der Welt unterscheiden und verstehen. Diese Dimension setzt die Abhängigkeit des Anderen vom Selbst voraus.259 In der zweiten Dimension fasst Lévinas die durch die Leiblichkeit bestehende Ausgesetztheit und Bezogenheit des Menschen auf den Anderen als von ethischer Art auf. Das leibliche Ich geht nämlich nicht im Genuss oder im Bei-sich-sein auf, sondern wird von anderem heimgesucht, wie Schmerz, Unruhe oder Schlaflosigkeit, das das Selbst alleine nicht in der Hand hat. Die Erfahrungen werden mit der Erfahrung des Anderen kurzgeschlossen, die eine Erfahrung des Anderen im Selbst bedeuten und die Verwundbarkeit im Sinne der Ausgesetztheit an die Andersheit beinhalten. Diese Verwundbarkeit wird danach normativ gedeutet, denn Lévinas lässt die Andersheit im leiblichen Selbst beginnen und zwingt damit das Selbst sich zum Anderen zu verhalten.260 Seine Philosophie ruht damit unter anderem auf einer Kritik traditioneller ethischer Auffassungen, deren Charakteristika die Zentralstellung des Ichs als ein Subjekt ist, das ethische Urteile fällen, moralische Überzeugungen fassen und bestimmen, aber vor allem sich selbst frei setzen kann, bevor er aus dieser Freiheit die Welt konstituiert.261 Diese Sicherheit kennt das Selbst, wie von Lévinas beschrieben, eben nicht. Der Ausgangspunkt ist die Dualität des Subjekts und des Anderen, demnach ist die Einheit und die Totalität des Bewusstseins bereits Resultat ihrer Verknüpfung. Die Zentralstellung des Subjekts löst Lévinas durch die Konstruktion einer vorausliegenden Verpflichtung auf, welche bedeutet, auf die Andersheit im Leib, 256  Rölli,

in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 149 ff., S. 159. in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 11 f. 258  Bedorf, in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 68 ff. 259  Id., S. 75. 260  Lévinas (1992), S. 148 f. (p. 81), zitiert bei Bedorf, in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 76 f. 261  Reichold, S. 208 f. 257  Alloa / Depraz,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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das heißt auf den unbedingten Anspruch eines Anderen selbst antworten zu müssen.262 Diese Verpflichtung ist eine unendliche Forderung in dem Sinne, dass ihr ein konkretes Ich als endliches Subjekt nicht gerecht werden kann. Die praktische Notwendigkeit des Unterworfenseins dieser Verpflichtung ergibt sich aus der grundsätzlichen Unmöglichkeit einer Einlösung des Anspruchs. Der Unterworfene ist in dieser unbedingten Inanspruchnahme unvertretbar. Erst daraus resultiert ein Subjekt („sub-iactum“), das sich zu sich selbst (und zu seinem Verpflichtetsein) verhalten kann. Der Andere ist absolut anders. Er ist weder bloß ein anderer Fall noch kein bloß relativ anderes Ich („alter ego“) und er ist nicht auf seine Erscheinung als ein bestimmter Anderer zu reduzieren. Das Subjekt in seiner Beziehung zum Anderen ist in dem erläuterten Sinne metaontologisch, vorsprachlich und vorzeitlich (diachron).263 Für den Moment der Begegnung mit dem Anderen verwendet Lévinas den Begriff des Antlitzes („visage“) und greift damit auf Bezeichnungen zurück, die in der Begriffstradition der Person stehen.264 Das Antlitz ist Aufruf und Forderung265, demnach weist der primäre Zugang zum Anderen nach ihm nicht die ethische Struktur des Erkennens auf, sondern die der Verantwortung.266 2. Die Rollenexistenz des Menschen in der philosophischen Anthropologie Die philosophische Anthropologie untersucht das Verhältnis zwischen Person, Leib und Körper267 als Wesen des Menschen, das in seiner Lebensführung vollzogen wird.268 Die Antike hat den Personenbegriff im Sinne der Maske oder Rolle immer als etwas dem Menschen Zukommendes und das Wesen des Menschen Verbergendes verstanden.269 Hinter der Maske verbirgt sich nach diesem Verständnis aber der eigentliche Mensch, demnach stellt bereits die Maske eine Verbindung zwischen Körperlichkeit und den geistigen und intersubjektiven Aspekten der Person dar. In der modernen Soziologie ändert sich diese Auffassung, indem der Mensch als nichts anderes be262  Liebsch,

263  Krewani. 264  Lévinas,

in: Gosepath / Hinsch / Rössler, S. 714 f.

in: Krewani, S. 103 ff., S. 115 (p. 96). S. 207, S. 215. 266  Id., S. 208, S. 224. 267  Schürmann, in: Alloa / Bedorf / Grüny et  al., S. 207 ff., S. 208. 268  Krüger, in: Gosepath / Hinsch / Rössler, S. 36 ff., S. 36. 269  Fuhrmann / Kible / Scherer et  al., in: Ritter / Gründer, S. 269 f. 265  Reichold,

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1. Teil: Die Stellung der Person

griffen wird als seine verschiedenen Rollen.270 Insbesondere Helmuth Plessner hat sich gegen die These der Selbstentfremdung des Menschen durch eine oktroyierte soziale Rolle gewandt271 und führte mit seiner Interpretation der menschlichen Rollenexistenz Richtung antiker Tradition zurück. Im Gegensatz zum zentrisch in seinem Leib lebenden Tier ist der Mensch fähig, eine Distanz zur eigenen Mitte zu erleben.272 Der Mensch zeichnet sich im Unterschied zu anderen Wesen durch die Fähigkeit aus, exzentrisch positioniert einen ursprünglichen Abstand in Bezug auf seinen Körper einzunehmen und dadurch die Verhaltensbildung weltoffen, das heißt außerhalb des organischen Zentrums und seiner Vorangepasstheit an eine bestimmte Umwelt, vorzunehmen.273 In der exzentrischen Position drückt der Körper mittelbar Gedanken, Pläne oder Phantasien aus und ist daher durch Freiheit gezeichnet.274 In Situationen, in denen der Einzelne seine aktuelle Daseinssituation als Schranke erlebt, findet er einen Ausweg, indem er seine exzentrische Position verlässt und sich in die zentrische Position stürzt. Diese Situationen werden von besonderen körperlichen Reaktionen wie zum Beispiel lachen oder weinen begleitet.275 Das menschliche Leben ist durch den ununterbrochenen Wechsel zwischen zentrischen und exzentrischen Positionen zu charakterisieren. In der ersten ist der Mensch eher als Leib präsent, in der zweiten eher durch seinen Körper. Als Personen bezeichnet Plessner diejenigen, denen das Wechselspiel zwischen Körperhaben und Leibsein gelingt und die eine Innen-, Außen- und Mitwelt konstellieren.276 Um den Bruch zwischen Körper und Leib zu verschränken, bedürfen Personen einer Mitwelt, von der her erst Außen- und Innenwelt unterschieden werden können.277 Konsequenzen, die sich aus der exzentrischen Positionalität des Menschen für dessen Daseinsgestaltung ergeben, sind vor allem Formen der Lebensführung und des Lebensstils, Regeln der Sitte oder der Moral, aber auch soziale Regeln. Das Gesetz der „vermittelten Unmittelbarkeit“ regelt bei Plessner die eigentümlichen Beziehungsformen, die Menschen zu ihrer Außen-, Innen- und Mitwelt exzentrisch positioniert leben.278 270  Kobusch

(1993), S. 246 f. S. 248. 272  „Ist das Leben des Tieres zentrisch, so ist das Leben des Menschen, ohne die Zentrierung durchbrechen zu können, zugleich aus ihr heraus exzentrisch. Exzentrizität ist die für den Menschen charakteristische Form seiner frontalen Gestelltheit gegen das Umfeld.“ Plessner, GS IV, S. 364. 273  Krüger, in: Gosepath / Hinsch / Rössler, S. 39. 274  Plessner, in: ders., GS VIII, S. 52 ff., S. 64. 275  Plessner (1961), S. 87. Danzer, S. 125. 276  Danzer, S. 122. 277  Plessner, GS IV, S. 365 ff. 278  Danzer, S. 122. 271  Id.,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 

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Plessner fügt dem Begriff der Rolle zwei Bedeutungen hinzu.279 Einerseits bedeutet sie das Sein der Person als Person, die individuell und identifizierbar ist, wobei der Leib als Maske dient. Andererseits bedeutet sie die von der Einzelperson bekleidete öffentliche soziale Rolle. Hierbei ist nicht nur die Abständigkeit des Menschen zu sich ein wichtiger Aspekt, sondern auch die Abständigkeit zu anderen Wesen, in der Plessner die Wurzel der Würde des Menschen erkennt.280 Eine individuelle Identität, die die Rolle äußerlich sei, hat Plessner aber verneint. Die Selbstidentität des Menschen ist durch die Erfahrung des anderen bedingt, welche selbst durch die Rolle vermittelt wird.281 Die soziale Rolle ist damit die Verwirklichung der Freiheit. Die Würde des Menschen liegt in der Abständigkeit zu sich selbst (exzentrische Positionalität) und zu seiner Umwelt, somit in seiner Freiheit.282 3. Die „anständige“ und anerkennende Gesellschaft: die politische Philosophie von Avishai Margalit Die Voraussetzungen der gerechten Gesellschaft und die Rolle der Gesetze bilden seit Platon und Aristoteles einen Schwerpunkt der politischen Philosophie. Eine Weiterentwicklung dieser Tradition ist die politische Philosophie von Avishai Margalit, in der der Begriff der „anständigen Gesellschaft“ eingeführt wurde. Seine politische Philosophie führt die traditionellen Würde- und Anerkennungsbegriffe zusammen und legt sie in einer Weise aus, die in einem neuen Freiheitsbegriff und letztlich in einem intersubjektiven Würdebegriff resultiert. Nach Margalit ist die menschliche Intelligenz beschränkt. Die Erkenntnis dieser Beschränktheit sollte die Personen lehren, die Tradition zu schätzen.283 Die Identität des Individuums wird durch die Tradition geprägt, die „Erinnerung ist der Zement der Identität“.284 Margalit unterscheidet zwischen persönlicher Identität und der Identität der Persönlichkeit und grenzt sich damit von Lockes Thesen ab. Die Hauptrolle bei der Identität der Persönlichkeit spielt das Gedächtnis. Zudem unterscheidet er zwischen Individuum und Individualität. Während ein Individuum zu sein für jeden Menschen eine gegebene Sache ist, ist dagegen Individualität eine Leistung derjenigen, die eine unabhängige und erkennbare Persönlichkeit erlangen. Das Gedächtnis spielt in der Formung der Persönlichkeit und damit auch im 279  Plessner,

in: Gebauer, S. 185 ff. S. 410 ff. 281  Plessner, GS X, S. 212 ff., S. 223 f. 282  Id., S. 224 f. 283  Margalit, in: Smith / ders., S. 192 ff., S. 194 f. 284  Id., S. 201. 280  Id.,

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1. Teil: Die Stellung der Person

Erreichen der Individualität eine große Rolle. Die persönliche Identität wird aus erinnerten Episoden aus der Vergangenheit eines Menschen konstruiert. Sie besteht unter anderem aus solchen Erinnerungen, die ein Mensch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Kollektiv hat, mit dem er sich identifiziert. Sich neu zu identifizieren führt zur Ersetzung alter Identitäten und ist oft ein schmerzhafter Prozess. Die Bedeutung der Identifikation mit einem Kollektiv kann an seinem Beitrag zur Bereicherung des Individuums festgehalten werden. Es ist eine Verpflichtung, dem Erbe dieses Kollektivs zu gedenken und dadurch eine Verpflichtung, „sich von einem bloßen Individuum in jemanden mit Individualität zu verwandeln“.285 Schlüsselwörter bei Margalit sind die Achtung, die radikale Freiheit, die Selbstachtung, Würde und Demütigung. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass institutionalisierte Gerechtigkeit für eine Gesellschaft nicht genügt, weil auch auf der Gerechtigkeit basierende politisch-soziale Institutionen den Bürgern Verletzungen im Sinne von Demütigung zufügen können. Über eine politisch gerechte Institutionenordnung hinaus ist eine anständige („decent“) Gesellschaft notwendig, die sich durch Maßstäbe verwirklicht, die institutionelles politisch-soziales Handeln gegenüber Bürgern bestimmen, es geht also nicht um Maßstäbe für das Handeln zwischen den Bürgern.286 Der Mensch ist radikal frei, weil er gegenüber anderen Lebewesen keine festgelegte Natur und kein festgelegtes Wesen besitzt. Folglich ist er jederzeit zur Lebensänderung fähig. Achtung ist eine Haltung, die die Anerkennung der radikalen Freiheit des Menschen ausdrückt. Die Achtung der radikalen Freiheit wird reflexiv in der Selbstachtung: Jeder Mensch weiß um seine eigene Freiheit und um die „Zugehörigkeit“ zur Menschheit insgesamt.287 Von der (Selbst-)Achtung ist die Würde des Menschen spezifisch abgesetzt. Nach Margalit verkörpert „Würde“ das „Abbild“ oder der „nach außen sichtbaren Gestalt“ der Selbstachtung. Sie schlägt sich im Verhalten nieder; jeder Einzelne bringt sich in ihr „als Mensch zum Ausdruck“.288 Die negative Begründung von Menschenwürde ist Demütigung.289 Würde ist somit bei Margalit als eine personal-einmalige, sich selbst bewusste Ausfaltung zu verstehen. Sie ist die Ausfaltung und Darstellung der universalen radikalen Freiheit. Die Würde des Menschen ist in situativem und historischem Sinne kontextuell, weil sie immer in relativ konkreten gesell285  Für

diese Unterscheidungen siehe id., S. 201 f. S. 434 ff., S. 451. Zur Kritik zugleich Verteidigung des Begriffs: Neuhäuser, in: Hilgendorf, S. 109 ff., S. 115 ff., S. 120 ff. 287  Margalit (1997), S. 93; Thumfart, S. 451. 288  Margalit (1997), S. 73 f., S. 174; Thumfart, S. 451. 289  Margalit (1997), S. 108 ff. 286  Thumfart,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 61

schaftlichen Bezügen stattfindet und in Traditionen eingelassen ist. Zudem ist sie mit Sitten und Gebräuchen spezieller Gruppen verknüpft, denen die Person angehört.290 Zwar handelt es sich bei der Würde um ein integrales Moment der Freiheit, sie ist aber mit der Autonomie und den Menschrechten nicht gleichzusetzen. Dies ermöglicht eine Unterscheidung zwischen einer Verletzung von Rechten und einer Demütigung der Würde, wobei eine Verletzung der Menschenrechte auch eine Verletzung der Würde impliziert. Allerdings muss ein staatlich-institutionelles Handeln, welches sich nicht an den Grundsätzen der Gerechtigkeit orientiert, nicht automatisch auch ein würdeverletzendes oder würdedemütigendes Handeln sein und vice versa.291 Die Würde als Darstellung, als „intersubjektiv erkennbare und vollzogene Expression“292, kann in einer Politik der Würde dadurch umgesetzt werden, dass diese Politik vor allem auf die Freiheit des Menschen achtet und erkennt, dass Würde als eine solche Expression nur in sozialen Darstellungen Geltung und Anerkennung erlangen kann.293

IV. Zusammenfassende Bewertung Im vorliegenden Paragraphen wurden die wesentlichen Züge des Personenseins aufgrund philosophisch-geistesgeschichtlicher Entwicklungslinien erläutert. Bereits im antiken Theaterwesen wurde eine gegenseitige Bedingtheit zwischen der Materialität und dem individuellen Charakter des Menschen im Begriff der Maske geschaffen. In der antiken Philosophie sind zudem einige der ersten Merkmale eines normativen Menschenbegriffs zu erkennen, die vor allem auf der Vernunftfähigkeit des Menschen gründen und sein regelgeleitetes Handeln erklären. Während die willentlichen Aspekte der Lebenswahl bei Epiktet eher als Verwirklichung der personellen Form des Lebens und der inneren Freiheit zu verstehen sind, liegt der Schwerpunkt der Lebenswahl bei Cicero auf der Verwirklichung des Personenseins als Rollenträger in der Gesellschaft. Sehr früh wird der Mensch in den raumzeitlichen Kontext des gesellschaftlichen Zusammenlebens gesetzt. Dies passiert nicht nur aufgrund der Zuschreibung einer Rollenexistenz, sondern auch aufgrund der Sprachlichkeit. 290  Thumfart,

S. 451 f. (1997), S. 17; Thumfart, S. 452. 292  Thumfart, S. 453. 293  Id., S. 454. 291  Margalit

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1. Teil: Die Stellung der Person

In der christlichen Philosophie hatte sich das Verständnis der Metaphysik grundlegend verändert. Sie war nicht mehr eine theoretische, allgemeine Seinslehre oder eine abstrakte Gotteslehre, sondern eine Metaphysik des inneren Menschen.294 Die Verortung der Person im Bereich des Moralischen erfolgte zu dieser Zeit. Bestimmender Wesenszug der Person wurde die Freiheit, die der Person eigene Würde und ihren unendlichen Wert begründete. Vernunft und freier Wille als Spezifika menschlicher Natur begründen auch bei von Pufendorf das sittliche Handeln und die daraus ableitbare Würde des Menschen. Aufgrund dieses Status kommen dem Menschen unveräußerliche Rechte und Pflichten zu. Die Fähigkeiten der Vernunft und des freien Willens bieten dem Menschen aber nur in der Gemeinschaft ein Betätigungsfeld. Der Gedanke von Pufendorfs über unveräußerliche Rechte, aber auch Pflichten der „Menschheit“ wird in den Vertragstheorien der Neuzeit weiterentwickelt. Es gilt die Fragilität der menschlichen Existenz zu schützen, die als Leitnorm menschlichen Handelns fungiert. Die normative Theorie der Person dient als systematische Grundlage der Menschenrechte. In der Neuzeit entstand ein Verständnis von dem metaphysischen Charakter, welcher der Freiheit eigen ist: Der Mensch wird als Wesen der Freiheit aufgefasst, in der seine Personalität begründet liegt. Kant betont, dass Personalität sich im Handeln zeigt und so für die Ethik relevant ist.295 Er versteht Personalität als Freiheit und Unabhängigkeit von bloßer Naturkausalität.296 Der in der Freiheit bedingte absolute Wert ist unmittelbar gegeben. Autonomie, die Personen erlaubt, Zwecke zu setzen und sich durch Gründe bestimmen zu lassen, ergibt, dass Menschen als Selbstzweck existieren und nicht instrumentalisiert werden dürfen, aber auch als Wesen begriffen werden müssen, die schuld- und verantwortungsfähig sind. Eine „sozialphilosophische Korrektur“ von Kants Theorie haben Fichte und Hegel vollzogen.297 In der neuzeitlichen ethischen Diskussion über den Personenbegriff wurde die Materialität zugunsten der Bestimmungen der Vernunft, der Freiheit und des Selbstbewusstseins einer Person in den Hintergrund gestellt. Die Begründung des sittlichen Charakters der Person und die Zuschreibung von Würde und Verantwortung werden insbesondere bei Kant und Locke durch Bestimmungen dieser Eigenschaften vorgenommen. Ethische Personentheo294  Kobusch

(1993), S. 139. S. 9. 296  Sturma, in: Sandkühler, S. 1922 ff., S. 1922 f. 297  Id., S. 1923. 295  Kather,



§ 1 Aspekte der Stellung der Person in der Geistesgeschichte 63

rien des 20. Jahrhunderts, insbesondere die Theorien der angewandten Ethik, wurden durch ihre Thesen stark beeinflusst. Vor allem erst in der Phänomenologie ergänzt die Leiblichkeit den auf Vernunft, Selbstbewusstsein und Autonomie basierenden moralischen Personenbegriff ausdrücklich. Der Leib als personaler Körper verbindet die geistigen Elemente mit der Raumzeitlichkeit und Intersubjektivität, wobei die normativen Personenbestimmungen, Vernunft und Autonomie, aufrechterhalten bleiben. Die Phänomenologie erachtet diese Verbindung für geeignet, die normativen Funktionen, die der Person zugesprochen werden, zu erfüllen.298 Lévinas verbindet Antisolipsismus und Leiblichkeit systematisch und fundiert Freiheit und Selbstbewusstsein der Person in einer ethischen Beziehung zu anderen. Die Begründung der Anerkennung und Eingebundenheit der Person in den Kontext von Mitmenschen und Gesellschaft wird im 21.  Jahrhundert vor allem von der modernen Soziologie und der politischen Philosophie geleistet. Plessner greift auf den antiken Begriff der Maske zurück und nutzt ihn, um eine Soziologie gegen die Entfremdung des Menschen zu entwickeln. Margalit positioniert den Menschen in der ihn aufgrund seiner Würde anerkennenden und schützenden Gesellschaft. Der weiteren Analyse liegt die Stellung der Person in der Geistesgeschichte unter Berücksichtigung der in diesem Paragraphen hervorgehobenen Dimensionen zugrunde. Diese muss als eine mehrdimensionale Stellung wahrgenommen werden, die sowohl die Leiblichkeit und Verletzlichkeit der Person als auch eine dynamische Normativität umfasst. Diese Normativität ist in der Vernunfthaftigkeit angelegt, beachtet die sich in der moralischen Freiheit zeigende Individualität und Einmaligkeit und lässt die Bezüglichkeit zur Mitwelt im Sinne von sozialen Strukturen, kulturellen Kontexten und Anerkennungsverhältnissen zu.

298  Reichold,

S. 224 f., S. 228 f.

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1. Teil: Die Stellung der Person

§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung Im vorliegenden Paragraphen wird die Stellung der Person in der überstaatlichen Rechtsordnung skizziert. Es soll untersucht werden, welche Aspekte einer Stellung der Person als normatives und raumzeitliches Wesen, wie in § 1 skizziert, in der geltenden internationalen Rechtsordnung auf­ gefangen werden. Die Aufschlüsselung der Stellung der Person im Recht kann im Wesentlichen aufgrund der ihr zugesprochenen Würde und Rechte erfolgen.

I. Status der Menschenrechte Vorerst soll auf die unterschiedlichen Verständnisse der Menschenrechte als moralische und als juridische Rechte hingewiesen werden.299 Als moralische Rechte beruhen Menschenrechte auf moralischen Überzeugungen. Dabei wird angenommen, dass diese Rechte jedem Menschen, unabhängig davon, ob sie durch das positive Recht garantiert werden, zukommen.300 Menschenrechte als moralische Rechte sind Rechte von Allgemeinheit und Gegenseitigkeit, denen die universalistische und egalitäre Moral der gleichen Achtung zugrunde liegt.301 Sie verkörpern bestimmte moralisch gerechtfertigte Ansprüche auf etwas, was niemandem als Mensch vorenthalten werden kann, ohne dessen „Recht auf Rechtfertigung“ – als moralisches Prinzip – zu verletzen.302 Folgt man dieser Argumentation und der Anerkennung der Menschenrechte als moralische Rechte, wird klar, dass erst ihre faktische Anerkennung und Befolgung in rechtlich verfassten politischen Ordnungen ihre Verwirklichung und ihren Schutz ermöglichen.303 Soweit Menschenrechte jedoch durch das positive Recht gewährleistet werden, sind sie legale Rechte.304 Ihre juristische Positivierung bewirkt erstens bessere Durchsetzungschancen. Zweitens 299  Hinsch / Stepanians, in: Martin / Reidy, S. 117 ff., S. 119 ff.; Nickel, S. 28 ff.; Habermas (1992), S. 111 ff., S. 137 f.; Pogge, in: Gosepath / Lohmann, S. 378 ff., S. 380 ff.; Shue; Tugendhat, in: Gosepath / Lohmann, S. 48 ff.; Steiner / Alston. 300  Siehe die Beispiele hierfür in § 1 insbes. bei Samuel von Pufendorf, JeanJacques Rousseau und Immanuel Kant. 301  Gosepath, in: ders. / Lohmann, S. 146 ff., S. 149, S. 151. 302  Id., S. 150. Das Recht auf Rechtfertigung kann als „the right to request justification“ übersetzt werden, siehe Forst, S. 291 ff. 303  Art. 28 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (AEMR, 1. Teil, Fn. 404). So andeutend auch Nickel, S. 10. Gegen eine Annahme der Grundrechte als moralisch-juridische Hybridwesen argumentierend Stepa­ nians, in: Girardet / Nortmann, S. 270 ff., S. 286 ff. 304  Koller, in: Gosepath / Lohmann, S. 96 ff., S. 96.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 

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wird ihre Interpretation geregelt und organisiert, wobei das Rechtssystem den Rechtspersonen die Definitionsmacht für die Kriterien entzieht, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Demzufolge fungieren die Menschenrechte als eine Entlastung von den kognitiven Bürden der eigenen moralischen Urteilsbildung für das Handeln der Individuen.305 Ihre außerstaatliche Normativität306 kann zudem als Kontrollmöglichkeit und Maßstab für die Stellung von Personen in staatlichen Ordnungen dienen, damit das Recht diese nicht selbst erfinden muss.307 Eine dritte Konsequenz der Positivierung ist die Konkretisierung in kontrollierbaren Entscheidungsfindungen. Nicht zuletzt viertens erfordert die Verwirklichung der positiven Pflichten, die mit den Menschenrechten einhergehen, die Bildung staatlicher Organisationen, da die Erfüllung dieser Pflichten die Einzelnen überlasten würde.308 In diesem Abschnitt wird die Stellung der Person im System der Menschenrechte als System von juridischen Rechten betrachtet. Wie die Menschenrechte aus der Philosophie in die Welt des Rechts gelangten und politisch begründet wurden, zeigt die Verabschiedung der wichtigen menschenrechtlichen Erklärungen im 18. Jahrhundert. Bei der Darstellung dieser Erklärungen soll stets das normative Verständnis der Person, wie in der Geistesgeschichte entwickelt, vor Augen gehalten werden. Dieses Verständnis wurde im modernen Rechtsstaat vor allem dadurch vervollständigt, dass die Freiheit durch die Respektierung unveräußerlicher Menschenrechte verwirklicht und die Gewaltenteilung als Bedingung für die faktische Freiheit angesehen wurde.

II. Die Entwicklung der Stellung der Person in nationalen Rechtssystemen Die Freiheit des Einzelnen und die politische Selbstbestimmung, die private und politische Freiheit haben sich seit Ende des 18. Jahrhunderts als Legitimationsquellen politischer Herrschaft verfassungsrechtlich etabliert.309 Die Respektierung der Freiheit wird an erster Stelle durch Selbstbegrenzung 305  Habermas

(1992), S. 110, S. 147. gültiges, allerdings nicht schon deshalb geltendes Recht.“ Höffe, in: Schwartländer, S. 241 ff., S. 250. 307  König, S. 31 f. 308  Für diese Begründungen der juristischen Positivierung siehe Alexy, in: Gosepath / Lohmann, S. 244 ff., S. 254 ff. Die politisch-rechtliche Objektivierung der Rechte beansprucht zudem moralische Autorität. Diese zu prüfen und zu begründen ist Aufgabe der Ethik. Die Ethik stellt somit einen konzeptuellen Zusammenhang zwischen den moralischen und juridischen Begriff der Rechte dar, ohne dass diese zusammenfallen würden. Andorno / Düwell, in: Joerden / Hilgendorf / Thiele, S. 465 ff., S. 474 f. 309  Kube, in: ders. / Mellinghoff / Morgenthaler et  al., S. 181 ff., S. 181, Rn. 2. 306  „Vorstaatlich

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1. Teil: Die Stellung der Person

der staatlichen Freiheit, durch die Gewaltenteilung, gewährleistet.310 Ihre Durchsetzung ist damit eine der bedeutendsten politischen Errungenschaften der Revolutionen in der Neuzeit. Im geschriebenen Recht finden sich erste Vorläufer der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen in den ständischen und städtischen Rechts- und Freiheitsgarantien des europäischen Mittelalters.311 Frühe Formen der Verrechtlichung stellen die englische Magna Charta Libertatum (1215), die Petition of Rights (1628) die Habeas-Corpus-Akte (1679) und die Bill of Rights (1689) dar. Den Durchbruch zur geschichtlichen Neupositionierung der Person haben die Erklärungen der Menschenrechte in der Neuzeit geschaffen. 1. Die Unabhängigkeitserklärung der amerikanischen Revolution Die frühen amerikanischen Menschenrechtserklärungen wurden vom Naturrecht und hierbei vor allem von John Locke und Samuel von Pufendorf inspiriert312 und durch die Werke von James Otis, Emer de Vattel und Thomas Pain beeinflusst.313 Otis stellte in den Mittelpunkt seiner Schriften und Reden die Gedanken von bestimmten, dem Menschen als Menschen zukommenden Rechten, die in der Freiheit und Gleichheit begründet sind.314 De Vattel gründete seine Staatstheorie auf die Freiheit und Gleichheit der Einzelpersonen, woraus er die Freiheit und Gleichheit der Nationen ableitete. Zudem unterschied er die Gesetze im politischen Sinne von Gesetzen, die ihnen zugrunde liegen. Fundamentale Gesetze sind demnach solche, auf denen die vernunft- und willensgeprägten (moralischen) Wesen beruhen; diese sind im Staat zugleich die Grenze der souveränen Macht.315 Pain zeigte auf, dass die Gesellschaft als der freie Zusammenschluss aller vernünftigen Wesen der Ausdruck des guten, vernünftigen Kerns der Menschen sei.316 Durch die Betonung des individuellen Charakters der Naturrechte war aber dieser Zusammenschluss nicht als eine Manifestation der kollektiven Bindung zu verstehen317, sondern als ein Zusammenschluss der 310  Murswiek,

Rn. 1.

in: Kube / Mellinghoff / Morgenthaler et  al., S. 205 ff., S. 205 f.,

311  Sutter, in: Birtsch, S. 17 ff., insbes. S. 25 ff.; Schulze, in: Birtsch, S. 161 ff., S. 179; Oestreich, S. 25, S. 30. 312  Zimmermann, S. 305 ff., S. 308. Strzelewicz, S. 60 ff., S. 77. Zur Entwicklung des Rechtsgedankes siehe auch Rodgers, in: Shain, S. 258 ff. 313  Kobusch (1993), S. 103 ff.; Friedrich / McCloskey, xvii. 314  Kobusch (1993), S. 103. 315  Id., S. 104 f. 316  Strzelewicz, S. 75. 317  Id., S. 80.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 67

individuellen, vernunftfähigen, moralischen Entitäten, das heißt der freien Personen.318 Neben der naturrechtlichen Begründung wurden die Menschenrechte auch theologisch begründet. In der Rechtfertigungslehre war die mittelbare Botschaft der Reformation und insbesondere des Calvinismus enthalten, dass Gott den Menschen unveräußerliche Rechte, die sie nicht aufgeben können, verliehen hat.319 Entscheidender Beitrag zur Genese der Unveräußerlichkeit der Menschenrechte war auch die These, dass der Mensch das Heil nicht den eigenen guten Werken verdankt, sondern der Gerechtigkeit Christi.320 Politische Wirklichkeit erlangte die dem Menschen in der philosophischen Tradition zugeschriebene Freiheit zuerst in der Bill of Rights of Virginia 1776.321 Im ersten Abschnitt des Dokuments wird dem Naturrecht gemäß zwischen status naturalis und status civilis unterschieden, um hervorzuheben, dass dem Menschen bestimmte Rechte, gerade gegenüber dem Staat, zukommen („when they enter into a state of society“). Alle Menschen sind gleich, frei, unabhängig und besitzen inhärente Rechte (Section 1).322 Die Ausformulierung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung323 wurde ebenfalls im Sinne der naturrechtlich-philosophischen Tradition, insbesondere auch im Sinne der Locke’schen Theorie vorgenommen.324 Sie begreift die Menschenrechte nicht nur als oberste selbstevidente Prinzipien, von denen alles weitere Wissen abhängt, sondern fasst sie auch als Gottesrecht auf und begründet diese theologisch aus dem biblischen Schöpfungsglauben.325 Diese religiöse Position wird auch im dritten Teil der Erklärung deutlich, in dem die Unterzeichner „den höchsten Richter“ anrufen, um die Redlichkeit ihrer Gesinnung zu bekräftigen („appealing to the Supreme Judge of the world“). 318  Kobusch

(1993), S. 104. Vgl. auch von der Gablentz, S. 58 ff. die Wurzeln des Menschenrechtsgedankens im Calvinismus siehe überblickend Hofmann (1995), S. 7 f. 320  Zimmermann, S. 323. Dass die Menschenrechte sowohl theologisch als auch naturrechtlich begründet werden konnten, ist kein Widerspruch. Auch John Locke leitete die Gleichheit der Menschen aus der biblischen Schöpfungsgeschichte, aus der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit ab. Aus dem so gewonnenen Gleichheitsprinzip folgten für ihn einerseits die Freiheits- und Teilhaberechte des Einzelnen und andererseits der Grundsatz, dass eine Regierung nur mit Zustimmung der Regierten Macht ausüben darf. Id., S. 308 ff. 321  The Virginia Bill of Rights, 12. Juni 1776, in: Hochuli / Keller, S. 39 ff. 322  Howard, S. 185 ff., S. 232. 323  The Declaration of Independence, 4. Juli 1776, in: Hochuli / Keller, S. 49 ff. 324  Rossiter, S. 83 ff. 325  Wertenbruch / Nolde, in: Galling, S. 869 ff., S. 869 f. 319  Über

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1. Teil: Die Stellung der Person

Die Präambel der Unabhängigkeitserklärung verdeutlicht, welche unveräußerlichen Menschenrechte das Individuum besitzt und wann ein Volk das Recht hat, eine alte Regierungsform durch eine neue zu ersetzen. Die Begründung der Präambel, die auf eine kurze Einleitung folgt, deklariert die Gleichheit aller Menschen durch die Ausstattung mit gewissen unveräußerlichen, gottgegebenen Rechten. Hierzu gehören unter anderem Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.326 Dieser Ansatz war wegweisend für die weitere verfassungsrechtliche Bestätigung subjektiver Rechte, wie dies die später in die Verfassung integrierte Bill of Rights manifestiert.327 Seit 1791 – seit der Ergänzung der Verfassung durch die Bill of Rights – gewährleisten die ersten zehn Zusatzartikel somit unveräußerliche Grundrechte auf höchster Gesetzesebene in den Vereinigten Staaten von Amerika. 2. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Revolution Die Menschenrechtserklärung der französischen Revolution vom 26. August 1789328 gleicht in vielen Teilen den amerikanischen Unabhängigkeitserklärungen.329 Die enge Verbindung zwischen den Entwicklungen in beiden Ländern ist nicht zuletzt mit den engen persönlichen Verbindungen zwischen amerikanischen und französischen Intellektuellen zu erklären.330 Auch die Französische Revolution beruht auf der Idee des Prinzips der dem Menschen verliehenen Freiheit, demnach das ursprüngliche Wesen des Menschen in der Freiheit begründet ist. Dies hat zur Folge, dass das Individuum gewisse Rechte inne hat. Für diesen Gedanken sind unter anderem die Thesen des protestantischen Pastors Jean-Paul Rabaut Saint-Étienne beispielhaft, wonach das Recht der Freiheit eine unveräußerliche „Sache“ ist, die der Natur des Menschen inhäriert. Es hat den Charakter einer unzerstörbaren, ewigen Subsistenz, weshalb der Mensch als von Natur aus frei angesehen werden muss.331 Diese ursprüngliche Freiheit des Menschen stellte auch Charles de Montesquieu in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Nach seinen Thesen löste die Gleichheit vor dem Gesetz die natürliche Gleichheit mit der Vergesell326  „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“ 327  Gerber, S. 68 ff. 328  Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, in: Jellinek, S. 46 ff. Zur Entstehungsgeschichte siehe Ruszoly, S. 261 ff. 329  Jellinek, S. 35 ff.; Sandweg, S. 24 ff.; ein direkter Vergleich der Texte ist bei Samwer, S. 349 ff. zu finden. 330  Sandweg, S. 27 ff. 331  Kobusch (1993), S. 109; Hellmuth, in: Birtsch, S. 205 ff., S. 224.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 69

schaftung ab. Von der Gleichheit vor dem Gesetz und von der Würde des Menschen leitete Montesquieu Verpflichtungen des Staates ab, die später in der Anerkennung sozialer Grundrechte ihre Verwirklichung gefunden haben. Die Gewaltenteilung erörterte er unter dem Blickwinkel der Bewahrung der Freiheit.332 Die politische Freiheit als das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben, wird nur in Staaten verwirklicht, in denen sich die ausführende und die gesetzgebende Gewalt gegenseitig ins Gleichgewicht setzen.333 Das revolutionäre Moment der Französischen Erklärung von 1789 bestand darin, dass zum ersten Mal in Europa die Verbindlichkeit der Naturrechtstheorie für soziales Handeln und politische Herrschaft anerkannt wurde.334 Gemäß dem ersten Artikel der Erklärung werden die Menschen frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es auch (im status civilis). Die im gesellschaftlichen Zustand erhaltene Freiheit setzt natürliche und unabdingbare Rechte voraus, die im zweiten Artikel der Erklärung angesprochen werden: Das Recht auf Freiheit, das Recht auf Gleichheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf die Sicherheit der Person und das Recht auf Widerstand. Die Freiheit wurde als das höchste persönliche Gut des Menschen verstanden, das sich zudem durch Eigentum an Sachen erweitert. Mit dem Recht auf Freiheit wurde das Recht auf Gleichheit verbunden, das auch ein Menschenrecht vorstaatlichen Ursprungs ist und auf der unantastbaren Würde basiert, die jeder Mensch gleich besitzt. Die Grenzen der Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen können nur durch das Gesetz bestimmt werden, das Ausdruck der volonté générale ist.335 Die Vielfalt der sozialen Grundrechte, wie heute verbreitet anerkannt, war in den Broschüren von 1789 bereits vorgezeichnet.336 Auffällig ist, dass im Titel der Erklärung zwischen Menschen- und Bürgerrechten begrifflich unterschieden wird, wobei die menschenrechtlichen Freiheiten nur als durch die staatliche Macht garantierte Freiheiten aufgefasst werden können; die Menschenrechte sind zugleich immer Rechte des Bürgers.337 Hieran anknüpfend lässt sich festhalten, dass im Vergleich zur 332  Samwer, S. 282 ff.; für die genaue Beschreibung der Gewaltenteilung vor und nach der Revolution siehe Ruszoly, S. 261 ff. 333  Oestreich, S. 64. 334  Habermas (1963), S. 61, S. 75; Hofmann (1995), S. 16 f. 335  Samwer, S. 290, S. 293; Oestreich, S. 70. Das Verständnis des Begriffs „volonté générale“ als „demokratisches Souverän“ erlaubte es, Staatsrecht als das Recht der Gesellschaft zu verstehen und damit das Verhältnis Mensch-Gesellschaft in den Mittelpunkt der Debatten zu rücken. Sandweg, S. 287. 336  Samwer, S. 32 f. 337  Oestreich, S. 69; Hesse, S. 323 ff., S. 340.

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1. Teil: Die Stellung der Person

amerikanischen Deklaration in der Französischen Erklärung die nationalen Forderungen zu allgemeinen Menschenrechtsansprüchen und die Kollektivrechte zu individuellen Rechten umgewertet worden sind.338 Zudem lässt sich unterscheiden, dass die Schärfe der amerikanischen Deklaration im gezielten Angriff gegen die Tyrannei des englischen Königs lag, wohingegen sich die Stärke der französischen Erklärung durch die Abstrahierung eines solchen Angriffs im Allgemeinen gegen den Staat auf der Grundlage der Deklaration der unveräußerlichen Menschenrechte auszeichnete.339 Die Erklärung spricht von dem Menschen und von dem Bürger und verallgemeinert ihre politischen Maximen, indem die Rechte „nicht alleine für Frankreich […] sondern für den Menschen überhaupt“ gelten sollten.340 3. Die deutsche Verfassungsentwicklung In Deutschland bildete die Gewährleistung von Menschen- und Bürgerrechten nicht den Ausgangspunkt der konstitutionellen Entwicklung. Vor 1789 hatte sich kein Ansatz für die Übernahme des Gedankens menschlicher Freiheitsrechte gebildet. Erst Ende des 18.  Jahrhunderts, auf Einfluss der französischen Revolution hin, wurde zunehmend stärker betont, dass der Endzweck des Staates die Bewahrung der bürgerlichen Freiheit sei.341 Das Allgemeine Landrecht Preußens von 1794 (ALR) ist der erste große deutschsprachige Rechtstext, der an die Ergebnisse der amerikanischen und französischen Revolutionen anknüpft.342 Es ist der Aufklärung des 18. Jahrhunderts verpflichtet und folgt einem naturrechtlichen Aufbau. Eine Art Grundrechtskatalog, eine systematische Konzeption der Einzelfreiheiten, die mit der Bill of Rights oder der Französischen Erklärung vergleichbar wäre, fehlt allerdings.343 Nach dem ersten Paragraph wird der Mensch „in so fern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt.“. Damit wird zwar die Person als Rechtsträger definiert, eine allgemeine Rechtsfähigkeit wird allerdings erst einmal nicht erkannt, da Personensein nach dieser Auffassung durch die gesellschaftliche Rolle bestimmt wird.344 Trotz der eingeschränkten Personendefinition geht das ALR von Rechten aus, die dem Menschen als solchem zukommen. Diese „allgemei338  Sandweg,

S. 299 f. S. 69 f. 340  Sandweg, S. 299 f. 341  Dilcher, in: ders. / Hoke / Vidari et  al., S. 17 ff., S. 19. 342  Allgemeines Landrecht Preußens, in: Conrad, S. 44 ff. 343  Kobusch (1993), S. 114. 344  Auch zu den Ursprüngen der „Status-Lehre“ siehe Hattenhauer, in: Klein / Menke, S. 39 ff., S. 40 ff., S. 53; Conrad, S. 28. 339  Oestreich,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 71

nen Rechte des Menschen“ gründen sich nach § 83 der Einleitung zum ALR auf die „natürliche Freyheit, sein eignes Wohl, ohne Kränkung der Rechte eines Andern, suchen und befördern zu können.“345 Carl Gottlieb Svarez, der Verfasser des Preußischen Allgemeinen Landrechts346 erkannte die sogenannten unveräußerlichen Rechte der Menschheit an. Diese bleiben nach seiner These dem Menschen auch in der bürgerlichen Gesellschaft erhalten und sind die Schranken der gesetzgebenden Macht, demzufolge der Staat in diese nur in Ausnahmefällen eingreifen darf. Zu ihnen zählte er das Leben als die Grundbedingung der menschlichen Existenz, die moralische Freiheit, das heißt seine Handlungen nach dem Gesetz der Vernunft bestimmen zu können, und das Vermögen, durch Vervollkommnung der Fähigkeiten und Kräfte seine Glückseligkeit zu befördern. Seine Vorstellungen verdichteten sich aber noch nicht zu einer Konzeption von im Staat fortbestehenden natürlichen Rechten.347 Ebenfalls ist eine Auslegung der Gesetzesdefinition im Kontext der Arbeit am ALR durch Ernst Ferdinand Klein bekannt, welche der kantischen Definition eines einheitlichen Begriffs allgemeiner Freiheit folgt.348 In der Hauptströmung der deutschen Verfassungsentwicklung im 19. Jahrhundert wurden die Freiheitsrechte nicht als einklagbare Rechtsansprüche vielmehr als normative Grundsätze aufgefasst und wurden meistenteils durch die Gesetzgebung realisiert. Als gesetzliche Bestimmungen ergänzten oder veränderten sie bestehendes Recht, wiesen aber keine Eigenschaften von Normen höheren Ranges auf. Gerade die positivistische Staatslehre verhielt sich reserviert und wollte die grundlegenden Freiheitsrechte nicht als subjektive Rechte anerkennen.349 Gemäß den Grundlagen des älteren deutschen Staatsrechts trat die natürliche Freiheit vor der positiven Anordnung des bürgerlichen Zustandes zurück. Freiheitsrechte wurden als staatsbürgerliche Rechte und nicht als Menschenrechte aufgefasst.350 Zudem war die Auffassung von der Stellung des Menschen im Staat im Sinne einer ethischen Pflichtenlehre in der deutschen Verfassungsentwicklung seit dem 18.  Jahrhundert bestimmend. Demnach sind für die Stellung vielmehr die Position in der Gesellschaft, die Einbindung in die Gemein345  Hattenhauer,

in: Klein / Menke, S. 55. S. 91. 347  Conrad, S. 23 ff. Siehe auch Svarez, in: Conrad / Kleinheyer, insbes. S. 3 ff., S. 195 ff. 348  Kobusch (1993), S. 116; Conrad, S. 43. 349  Kühne, S. 162 ff.; Oestreich, S. 102. 350  Schulze, in: Dilcher / Hoke / Vidari et  al., S. 85 ff., S. 87 ff., S. 105 ff.; Kühne, S. 183. 346  Wolgast,

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1. Teil: Die Stellung der Person

schaft und der Anerkennungsbegriff entscheidend als die einem Menschen zukommenden natürlichen und unveräußerlichen Rechte.351 Einzelne Ausnahmen aus der Verfassungsgebung der Länder bestätigen erste Schritte zu einer Vorrangstellung durch bestimmte Rechte des Menschen, die ihm von Natur aus zustehen und die ihm auch in der Gesellschaft erhalten bleiben. Diesen entscheidenden Schritt vollzog erst das Bürgerliche Gesetzbuch für West-Galizien von 1794, indem es in § 26 anordnete: „Die Menschen werden in Rücksicht auf ihre Rechte Personen genannt: Rechte gebühren auch eigentlich nur den Personen und nicht den Sachen.“. § 29 spricht von den angeborenen Rechten der Menschen.352 Bereits in der Diskussion um die Verfassung des Königreichs Württemberg, die 1819 verabschiedet wurde, begründete Friedrich List in seiner Kritik des Verfassungsentwurfes der württembergischen Ständeversammlung ebenfalls „angeborene Rechte der im Staate lebenden Individuen“. Die Verfassung selbst sprach aber nur „[V]on den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Staatsbürger“.353 Auch in Österreich waren durch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB) einige Grundrechte anerkannt worden. Die Formulierung seines Verfassers, Franz von Zeiller, zeigt einen eindeutigen kantischen Einfluss. § 16 dieses Gesetzbuchs lautet: „Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten.“354 Der Anerkennung eines jeden Menschen als Rechtsperson im österreichischen ABGB folgte allerdings nicht die Gleichheit vor dem Gesetz, diese Anerkennung ließ nach dem Wiener Kongress fast ein halbes Jahrhundert auf sich warten.355 Das Revolutionsjahr 1848 stellte einen Einschnitt in der Entwicklung der Freiheitsrechte dar.356 Die Frankfurter Nationalversammlung wollte mit den Grundrechten eine rechtlich verbindliche Grundlage der Deutschen Einheit errichten und eine auch für die Einzelstaaten maßgebende Rechtsbasis schaffen. Der Begriff der Grundrechte selbst blieb allerdings ohne substantielle Erläuterung: Mit den Grundrechten soll dasjenige hervorgehoben werden, „was … als das Nothwendige erschien“.357 Wie Kühne darstellt, 351  Frhr.

v. Campenhausen, S. 389. in: Kretzmer / Klein, S. 45 ff., S. 49. 353  Oestreich, S. 87. 354  Hattenhauer, in: Klein / Menke, S. 56 ff. 355  Oestreich, S. 85. 356  Kühne, S. 75 ff.; Wolgast, S. 134 ff. Parallel zu dieser Entwicklung siehe auch den Rückkehr zur Status-Lehre in der pandektistischen Rechtstheorie und die Trennung von Rechts- und Handlungsfähigkeit, insbes. bei Friedrich Carl von Savigny, Duve, in: Rückert / Schmoeckel / Zimmermann, S. 168 ff., Rn. 8 ff. 357  Zitiert in Kühne, S. 160 f. 352  Eckert,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 73

lässt sich eine individualistische Grundrechtssicht nicht bestätigen: Der Grundrechtskatalog der Paulskirche entsprach vor allem den verfassungspolitischen Märzforderungen, wodurch er weniger als Resultat rechtsinhaltlicher Entscheidungen, vielmehr politisch-pragmatisch zu erfassen ist.358 Demnach waren die Grundrechte auch solche, „die dem ganzen Volke und dem Einzelnen im Volke zukommen“.359 Das hängt mit ihrer Deutung zusammen: Die einschlägigen Frankfurter Grundrechte in der Zeit der Paulskirche bezeichnete man gegenüber den Individualrechtsverbürgungen eher als „verfassungsartig“ oder „politisch“, wodurch ihr Wesen von organisatorischer Natur hervorgehoben wurde.360 Eine mögliche Abstufung nach individuellen und sonstigen Rechten muss aufgrund des Verständnisses dieser Rechte „als geringstes Maaß deutscher Volksfreiheit“ und der damit begründeten staatsorganisatorischen Natur abgelehnt werden.361 Gleichzeitig wird eine über den Individualismus hinausweisende gesamtgesellschaftliche und soziale Ausrichtung des Grundrechtskatalogs der Paulskirche bestätigt.362 Diese Ausrichtung hat auch dazu beigetragen, Licht auf die öffentliche Bedeutung von individuellen Grundrechten zu werfen.363 Dem Grundrechtskatalog liegt das Ziel zugrunde, „die Persönlichkeit durch den Staat zur Freiheit zu erheben“.364 Die theoretische Grundlage der Freiheitsrechte blieb allerdings ohne eine Interpretation von überpositiver Geltung; auch dort, wo von Unveräußerlichkeit die Rede war.365 Auch gelang es den Mitgliedern der Nationalversammlung, die eine Menschenrechtsqualität dieser Rechte befürwortet haben, nicht, eine übereinstimmend konturierte Begründung der Grundrechte für den gesamten Grundrechtskatalog als verfassungsverbürgte subjektive Rechte der Einzelperson zu entwickeln.366 Ihre Versuche, eine umfassende Grundrechtsdefinition durch eine Einengung auf einen menschenrechtlichen Kern zu entwerfen, orientierten sich an den Freiheitsrechten im Ausland. Ein Vorteil dieser Mängel ist einerseits, dass die Paulskirche nicht als Nachahmung ausländischer Begriffsbildung herabgestuft werden kann. Andererseits konnte ein gemeinsamer Mindeststandard gegenüber bereits bestehenden Freiheitsverbürgungen in den einzelnen Staatsverfassungen durchgesetzt und somit eine äußere Ein358  Id.,

S. 161. bei id., S. 162. 360  Id., S. 162. 361  Zitiert bei id., S. 164 f. 362  Id., S. 172. 363  Id., S. 175. 364  Oestreich, S. 95. 365  Kühne, S. 163. 366  Id., S. 164. 359  Zitiert

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1. Teil: Die Stellung der Person

heit sowie eine innere Einheitlichkeit erzielt werden.367 So konnte die Verfassung neben ihrer Funktion, die Rechtsstaatlichkeit für Deutschland zu begründen, auch die Funktion der Vereinheitlichung im Lande wirksam erfüllen.368 Ungeachtet dieser erweiterten Auswirkungen der Paulskirchenverfassung kann in ihr schließlich eine durchgängige Anerkennung des Individualschutzes erkannt werden. Ihre Grundrechte können auch als objektive Rechte, im Sinne von negativen Rechten „auf Anerkennung der freien, d. h. nichtstaatlichen Seite der Persönlichkeit“ ausgelegt werden.369 Die Tradition, statt Aussagen über subjektive Freiheitsrechte die wesentlichen Bereiche des sozialen Lebens in die Grundrechtsverbürgungen einzubeziehen, blieb in der späteren preußischen Verfassungsurkunde von 1850 erhalten.370 An die Individualschutztradition der Paulskirchenverfassung wurde erst wieder 1919 angeknüpft.371 Der letzte Schritt auf dem Weg zum Verständnis der modernen Rechtsperson erfolgte im Laufe der Gesetzgebung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 / 1900. In diesem wurden die Worte „Person“, „Rechtssubjekt“ und „Rechtsfähigkeit“ als gleichbedeutende Begriffe verwendet.372 Ob die allgemeine Rechtsfähigkeit als der Rechtsordnung vorgelagert oder als von gesetzlicher Abmachung abhängig verstanden wurde, lässt sich aus den Vorlagen nicht eindeutig feststellen. Die Rechtsfähigkeit besteht einerseits „kraft des Spruches der Rechtsordnung“. Andererseits wird „der Mensch als solcher rechtsfähig“.373 Die Rechtsordnung erfüllt „ein Gebot der Ethik“, indem sie „die Rechtsfähigkeit des Menschen ohne Rücksicht auf seine Individualität und seinen Willen anerkennt“.374 Auf diese Anerkennung, die im Zivilrecht so früh vollzogen war, ließ sich auf der Verfassungsebene noch länger warten.375 Auch für die Ausformulie367  Id., 368  Id.,

S. 166. S. 173 f. Als dritte Funktion idetifiziert Kühne die Modernisierung: id.,

S.  181 ff. 369  Id., S. 177. 370  Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850, in: Preußen / Deutscher Bund, S. 1 ff. 371  Kühne, S. 201. 372  Hattenhauer, in: Klein / Menke, S. 62 f. 373  Id., S. 64. 374  Id., S. 63. Die Entwicklungsgeschichte in den Rechtstexten auch bei Eckert, in: Kretzmer / Klein, S. 47 ff. 375  Zum Fehlen der Grundrechte in der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 siehe Remmele, in: Dilcher / Hoke / Vidari et  al., S. 189 ff., S. 192 ff. Zur Stellung der Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung siehe Gusy, S. 272 ff.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 

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rung der Weimarer Verfassung von 1919 waren lediglich die sozialen Aspekte des menschlichen Zusammenlebens wegweisend; diese wurden als Grundrechtsverbürgungen bezeichnet.376 Es wurden die sozialen Grundrechte, die zweite Generation von Menschen- und Bürgerrechten, als Anspruchsrechte berücksichtigt,377 aber sie waren nicht unabänderlich und blieben vielfach unverbindlich.378 In diesem Zusammenhang rückte die Sozialpflicht der Freiheitsausübung auch stärker in Sicht. Die Präambel der Weimarer Verfassung nahm Bezug auf die Trias „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ der Französischen Revolution, ersetzte allerdings Gleichheit durch Gerechtigkeit.379 Damit lässt sich teilweise erklären, warum die Gewährleistung der Handlungsfreiheit und der Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit kein Vorbild in der deutschen Verfassungsgeschichte haben. Zur heutigen Auffassung der Grundrechte, nach welcher sie das Fundament personaler Autonomie bilden380, indem sie die Selbstbestimmung sowohl im individuellen als auch im kollektiven Sinne garantieren und dadurch den Kern der freiheitlich-demokratischen Ordnung381 bilden, kam es erst bei der Vorbereitung des Grundgesetzes von 1949. Hierbei waren die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg prägend für die neue juristisch-normative Stellung der Person in der Verfassungsordnung.

III. Die Stellung der Person im System der verrechtlichten Menschenrechte Zunächst lässt sich festhalten, dass den klassischen Menschenrechtssätzen über Würde, Freiheit, Gleichheit und Eigentum die Merkmale subjektiver Rechte fehlen. Dies ist bereits bei den historischen Vorbildern zu beobachten. Die Französische Erklärung ist eine Deklaration von Grundsätzen für eine künftige Gesetzgebung und keine Setzung von verbindlichen Rechtsvorschriften. In der amerikanischen Revolution wurden die Rechte auf Wahrheiten gestützt und nicht auf Wille oder Tradition. Die Auffassung der Menschenrechte als universelle Schranken der Herrschaft und daraufhin als Postulat der individualrechtlich verankerten Autonomie waren erst das Ergebnis ihrer Umsetzung.382 Im Zuge ihrer Internationalisierung und Universalisierung im 20.  Jahrhundert erlangten die Menschenrechte eine Verbind376  Pietzcker,

S. 57 ff. S. 178. 378  Id., S. 190. 379  Marauhn, in: Klein / Menke, S. 89 ff., S. 97. 380  Dreier, S. 11 ff., S. 19 ff. 381  BVerfGE 31, 58 (73). 382  Hofmann (1995), S. 53 f. 377  Wolgast,

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1. Teil: Die Stellung der Person

lichkeit, die mit einer personalen Dimension der Geltung einherging, indem der Einzelne materieller Rechtsinhaber wurde.383 Die innerstaatliche Verfassungsdogmatik abbildend wurden im Recht des internationalen Menschenrechtsschutzes zunehmend Schutzpflichten des Staates gegenüber dem Einzelnen anerkannt.384 Bei der Entwicklung eines internationalen Strafrechts wurde aus den Menschenrechten neben Schutzpflichten der Staaten gegen Übergriffe Einzelner und Pflichten zur Generalprävention erstmalig die völkerrechtliche Inpflichtnahme des Einzelnen abgeleitet.385 Nicht nur das staatliche Verhalten wurde durch die Menschenrechte beeinflusst; auch in den Rechtsbeziehungen unter Privaten erlangten Menschenrechte eine Ausstrahlungswirkung (Drittwirkung).386 Der Geltungsgrund der Menschenrechte lässt sich überwiegend auf den vertraglich ausgedrückten Willen der Staaten zurückführen. Grundlegende Menschenrechte sind aber auch im Völkergewohnheitsrecht anerkannt (wie zum Beispiel das Verbot der Sklaverei); der Geltungsgrund lässt sich hier in der opinio iuris und der Staatenpraxis finden. Im Völkergewohnheitsrecht tritt der Rückgriff auf die „vor-politischen Grundlagen eines freiheitlichen Staates“ klarer als im positiven Recht hervor.387 Die Anerkennung der Menschenrechte in diesem wird nahe an die Annahme ihrer moralischen Natur gestellt.388 Auch das Institut de Droit International hat in der Resolution der 8. Kommission 1989 diese originäre Position der Menschenrechte betont, gleichzeitig aber auch auf deren Anerkennung und Gestaltung durch die Staaten hingewiesen.389 Das System der Menschenrechte bildet auf jeden Fall immer mehr eine objektive Werteordnung, zu deren Konkretisierung im weiten Sinne die 383  Kau, in: Graf Vitzthum, S. 131 ff., S. 142, Rn. 17; Buergenthal / Shelton / Stewart, S. 2; siehe die umfassenden Beiträge zur Entwicklung in Weissbrodt / Ní Aoláin / Rumsey. 384  Kau, in: Graf Vitzthum, Rn. 14. 385  Id., Rn. 22. 386  Herdegen, in: Maunz / Dürig, Rn. 60. Rudolf, in: Kokott / ders., S. 91 ff., S.  109 ff. 387  Ress, S. 622. 388  Siehe nur Ress, in: Kube / Mellinghoff / Morgenthaler et al., S. 1085 ff., S. 1087, Rn. 2. 389  Institut de Droit International, The protection of human rights and the principle of non-intervention in internal affairs of states (Resolution adopted by the Institute, 8th Commission, 13. September 1989), Präambel Nr. 6 und Art. 1, in: Annuaire de l’Institut de Droit International, Tableau des Résolutions adoptées (1957–1991), Paris 1992, S. 206 ff. Wie Georg Ress anmerkt schließt das eine die andere nicht aus. Karl Doehring hat diese vorstaatliche und – analog – vorvölkerrechtliche Begründung der Menschenrechte, ihr Beruhen auf einem Glaubenssatz, d. i. ihren überpositiven Charakter als weder logisch noch empirisch nachweisbar bezeichnet. Ress, S. 622.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 77

Menschenrechte sowohl als ius cogens als auch als erga omnes-Verpflichtungen herangezogen werden können.390 Seit der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts erfährt diese objektive Werteordnung durch die immer detaillierter gestalteten Rechte, insbesondere in Form von Diskriminierungsverboten391, zunehmend genauere Konturen.392 1. Menschenwürde und Rechtsträgerschaft Grundlage der objektiven Werteordnung der Menschenrechte ist die Menschenwürde. In der rechtsphilosophischen Literatur wird ihre Verbundenheit mit den Menschenrechten als „rechteverbürgende Kraft“ verstanden. Diese drückt den Übergang zum Recht aus, indem sie auf die Konstitution eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist, aber nicht selbst schon Recht ist. Sie ist auf jeden Fall mehr als eine moralische Pflicht, denn sie begründet die Anerkennung aller Menschen als gleiche Träger von Menschenrechten. Gleichzeitig ist Sie aber weniger als ein subjektiv einklagbares Recht.393 Sie wird immer separat von den Menschenrechten erwähnt und fungiert hierbei nicht als unabhängige rechtliche Gewähr, sondern als Prinzip oder Argument, das die Etablierung spezifischer Regelungen und der Menschenrechte selbst rechtfertigt.394 Die völkerrechtliche Positivierung der Menschenwürde geschah spät; bis zu den 1940er Jahren gab es keine systematische Referenz auf die Menschenwürde.395 In internationalen Übereinkommen und Erklärungen lässt sich der Begriff erst seit jüngerer Zeit finden.396 In der Präambel des Gründungsvertrages der Vereinten Nationen (UNCharta) wurde der Glaube „an die Grundrechte des Menschen“ und an die „Würde und [den] Wert der menschlichen Persönlichkeit“ zum ersten Mal zum Ausdruck gebracht.397 Es ist nachweisbar, dass im Zuge der abschlie390  Kokott,

in: Coester-Waltjen / Kronke / dies., S. 71 ff., S. 85 ff.; Ress, S. 625. on the Rights of Disabled Persons, A / Res / 347 (XXX), 9. Dezember 1975, Declaration on the Elimination of All Forms of Intolerance of Discrimination Based on Religion or Belief, A / Res / 36 / 55, 25. November 1981; Convention on the Rights of Persons with Disabilities, A / Res / 61 / 106, 13. Dezember 2006. Siehe auch Gorski, in: Wolfrum. Allgemein: Odello / Cavandoli. 392  Wolgast, S. 214. Buergenthal, S. 703 ff., S. 722 f. Koller spricht sogar über eine inhaltliche und räumliche Ausweitung der Menschenrechtsidee, Koller, in: Gosepath / Lohmann, S. 97. 393  Lohmann, in: Joerden / Hilgendorf / Thiele, S. 179 ff., S. 184. 394  Petersen, in: Wolfrum, Rn. 23 ff. 395  Dicke, in: Kretzmer / Klein, S. 111 ff., S. 112. 396  Frowein, in: Kretzmer / Klein, S. 121 ff., S. 122 ff.; Vöneky / Chang / Wilms, in: Anderheiden / Eckart, S. 1479 ff., S. 1481. 391  Declaration

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1. Teil: Die Stellung der Person

ßenden Arbeiten an der Präambel Wortlautänderungen fast ausschließlich aus stilistischen Gründen vorgenommen wurden. So wurde der Begriff Unantastbarkeit („sanctity“) durch Würde („dignity“) ersetzt. Die Setzung des Wortes value an der Stelle von worth wurde vorgenommen, um die Bedeutung des unbedingten und absoluten Wertes besser auszudrücken. Bei beiden Begriffen, dignity und worth handelt es sich um Wertebegriffe, denenzufolge der Zweck einer sprachlichen Verdoppelung solcher Begriffe ist, den Sinngehalt besonders zu betonen und hervorzuheben.398 In der Endfassung der Charta wurde auch der ursprünglich vorgesehene Begriff „Persönlichkeit“ („personality“) durch das Wort Person („person“) ersetzt, was aber nicht als stilistische Aufbesserung, sondern als inhaltlicher Kompromiss im Vergleich zu der Forderung einer Ersetzung durch human being akzeptiert wurde. Paul Tiedemann belegt, dass der ursprüngliche Vorschlag einer Anwendung des Begriffs „Persönlichkeit“ durch den südafrikanischen Ministerpräsidenten rassistische Hintergründe hatte.399 Die nachfolgende internationale Kodifikationsgeschichte unterscheidet auch deutlich zwischen den Begriffen Person und Persönlichkeit. Letzterer Begriff wird etwa in Artikel 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) in Bezug auf das Recht auf Bildung verwendet.400 Dieses Recht soll auf die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und das Bewusstsein über die eigene Würde gerichtet sein, wobei die Inhaberschaft der Würde nicht vom Bewusstsein selbst abhängen darf.401 397  Charter of the United Nations, 24 October 1945, 1 UNTS XVI. Wolfrum / Vöneky, in: Vöneky / Wolfrum, S. 133 ff., S. 136. Der erste internationale Text, welcher die Menschenwürde explizit nennt, ist die Erklärung über die Ziele und Zwecke der Internationalen Arbeitsorganisation vom 10. Mai 1944, welche Bestandteil der Verfassung der ILO geworden ist (Art. II Bst.a, ILO, Constitution of the International Labour Organization, 15 UNTS 35). Die Verfassung der UNESCO vom 16. November 1945 nennt sie im 3. Absatz der Präambel (UNESCO, Constitution of the UNESCO, 4 UNTS 275, UN Reg No I-52). Die Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 30. April 1948 ist das erste Menschenrechtsdokument, welches den Begriff enthält (Einleitung, Präambel, Art. XXIII, Organization of American States (OAS), Charter of the Organization of American States 119 UNTS 3, 2 UST 2394, TIAS No 2361, OASTS Nos 1-C, 61, UN Reg No I-1609). Zur historischen Entstehungsgeschichte der UN-Charta vgl. Wolfrum, in: Simma, S. 1 ff. 398  Tiedemann, S. 14 f. 399  Id., S. 15 ff. 400  International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (United Nations [UN]) 993 UNTS 3, CTS 1976 / 46, S Exec Doc D, 95-2 (1978), GAOR 21st Session Supp 16, 49, UN Doc A / 6316, UN Doc A / RES / 21 / 2200, UN Reg No I-14531). 401  Tiedemann, S. 17.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 79

Aufmerksamkeit soll auch der religiösen Wortwahl der Präambel gewidmet werden; denn in dieser ist die Rede von einer Bestätigung des Glaubens an die Grundrechte. Die Erinnerung an die Glaubensüberzeugung soll als Grundlage einer Ideologie fungieren, die den Erfolg der zu gründenden Organisation durch die emotionale Mobilisierung der Öffentlichkeit zu unterstützen vermag.402 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) bildet das historische Bindeglied zwischen der Entwicklung der Menschenrechtsidee im nationalen Recht seit der Amerikanischen sowie der Französischen Revolution und der Kodifizierung der Menschenrechte in völkerrechtlichen Verträgen und Deklarationen seit 1945.403 Die Erklärung wurde nicht in Form eines völkerrechtlichen Vertrages verabschiedet, sondern als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN-Generalversammlung).404 Die Verpflichtung der UN-Mitgliedstaaten, die Menschenrechte zu achten und zu schützen, ergibt sich bereits aus der UN-Charta, demnach die Konkretisierung dieser Verpflichtung durch die AEMR als verbindliche Interpretation der UN-Charta verstanden werden kann.405 Die Auslegung der Erklärung als verbindliche Interpretation der Charta wurde mehrfach bekräftigt; zuletzt unter anderem durch den Beschluss, die Erklärung – zusammen mit der Charta und den menschenrechtlichen Verträgen – als Maßstab einer regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage in einem Staat anzuwenden.406 Dem Begriff der Menschenwürde kommt in der Erklärung eine zentrale Bedeutung zu; einerseits durch das ausdrückliche Bekenntnis, „[A]lle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren[.]“, andererseits durch das Bekenntnis, dass die „[a]ngeborene Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte allen Mitgliedern der Gemeinschaft der Menschen[]“ zustehen (Art. 1 und 1. Teilsatz der Präambel). Die Präambel wurde erst am Ende der Entwurfsarbeiten ausformuliert und enthält damit die Essenz der Überlegungen407, das heißt die Deklarie402  Hinweis

bei id., S. 18 f. in: ders., S. 1 ff., S. 1, S. 5. Zu Parallelen zu der Menschenrechtserklärung aus der Antike siehe Siewert, in: Girardet / Nortmann, S. 135 ff. Über die Entstehungsgeschichte mit Fokus auf eine Wertgeneralisierung siehe Joas, S. 265 ff. 404  Universal Declaration of Human Rights (UN Doc A / 810, 71, UN Doc A / RES / 217(III) A, GAOR 3rd Session Part I, 71). 405  Fassbender, in: ders., S. 51 ff., S. 67 f. 406  UN Human Rights Council (HRC), Institution-building of the United Nations Human Rights Council, Resolution 5 / 1 vom 18. Juni 2007, A / HRC / RES / 5 / 1, Annex I. A. 1, zitiert in Fassbender, in: ders., S. 19; siehe auch Sen. Diese Resolution ist nicht unumstritten, siehe Tomuschat, in: Fastenrath / Geiger / Kahn et al., S. 609 ff.; Boyle (2009), S. 75 ff.; Osthoff, S. 123; Karrenstein, S. 130 ff., S. 239 f. 407  Martenson, in: Eide / Alfredsson / Melander et  al., S. 17 ff., S. 19. 403  Faßbender,

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1. Teil: Die Stellung der Person

rung eines präexistierenden Charakters der Menschenwürde.408 Sie wird anerkannt („recognition“); der Glaube an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person erneut bekräftigt („reaffirmed their faith“). Das religiöse Vokabular der UN-Charta bleibt auch der AEMR erhalten.409 Der Text verbindet die Würde weiterhin mit dem Wert der menschlichen Person.410 In Artikel 1 AEMR gibt es aber keine Referenz auf die Person; Würde und Rechte werden aus der Gleichheit abgeleitet.411 Der Mensch ist zudem, wie in der kantischen Philosophie, als ein mit Vernunft und Gewissen begabtes Wesen gefasst („reason and conscience“), demnach sich das Dokument zu Recht als ein regulatives Ideal, auch im kantischen Sinne verstanden, definiert.412 Dabei war es eher Absicht des Entwurfskomitees, philosophische Einflüsse von der Ausformulierung des Artikels fernzuhalten.413 In der Diskussion vor der Verabschiedung der AEMR wurden Versuche, Wesen und Begründung der Menschenrechte zu bestimmen durch die UN ausdrücklich ausgeklammert.414 Diese grundsätzliche Ablehnung basierte auf eine Befragung der UNESCO, die zu philosophischen und weltanschaulichen Voraussetzungen der Menschenrechte 1947 durchgeführt wurde. In der Offenlegung der widersprüchlichen Konzepte sah die UNESCO eher ein Hindernis auf dem Weg zu einer gemeinsamen Erklärung.415 Aus den Änderungen während der Formulierung verschiedener Entwürfe werden die Einflüsse philosophischer Überzeugungen trotz dieser Zurückhaltung ersichtlich. Im Laufe der Arbeit wurde erst auf Vorschlag des chinesischen Botschafters ergänzt, dass der Mensch nicht nur mit Vernunft, sondern auch mit Gewissen ausgestattet ist. Die Herkunft menschlichen Gewissens und der Vernunft wurden aber nicht festgelegt. Eine Zurückführung der Legitimation 408  Lohmann,

in: Joerden / Hilgendorf / Thiele, S. 181. S. 173 ff., S. 177 f. 410  Achte auf die unterschiedliche Bedeutung von „worth“ und „value“ in der angelsächsischen Rechtssprache und ihre Analyse in der Präambel der AEMR als Kompromiss bei Dicke, in: Kretzmer / Klein, S. 116. 411  Dicke, in: Bielefeldt / Brugger, S. 161 ff., S. 171. 412  Siehe auch die Deklaration der Generalversammlung der UN zum 60. Jahrestag der Menschenrechteerklärung: UN General Assembly, Sixtieth anniversary of the Universal Declaration of Human Rights, Resolution 63 / 116 vom 10. Dezember 2008, UN-Doc. A / RES / 63 / 116, 1. Satz: „common standard of achievment“ – „zu erreichendes gemeinsames Ideal“. Die Idee maßgeblich widerspiegelnd auch United Nations, S. 2 f. 413  Lindholm, in: Eide / Alfredsson / Melander et  al., S. 31 ff., S. 32. Morsink, S.  26 ff. 414  König, S. 20. 415  Tiedemann, S. 24. 409  Isensee,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 81

der Menschenrechte auf Gott wurde explizit abgelehnt. Die Verwendung des Ausdrucks „durch die Natur“ hierfür wurde ebenfalls verworfen. Der Zusatz, dass alle Menschen Brüder seien, wurde wegen seiner philosophischen und theologischen Konnotation stark kritisiert. In diesem Teil wurde „men“ als Mensch aus Emanzipationsgründen durch „human being“ ersetzt, die Bindung an Pflichten abgeschwächt („in the spirit of“ durch „like“ ersetzt).416 Die Formulierung „allen Mitgliedern der menschlichen Familie“ ist dahingehend eindeutig, dass die Würde allen Menschen zugesprochen wird. Die Bestätigung ihres „innewohnenden Charakters“ stellt zudem klar, dass Würde deklariert und nicht konstituiert werden soll; sie wird als vorgegebener Gegenstand positivrechtlicher Anerkennung erfasst.417 Eine Referenz auf die Menschenwürde ist auch in weiteren Artikeln der Erklärung zu finden (Artikel 22 und 23 AEMR).418 Die rechtsverbürgende Kraft der Menschenwürde zeigt sich in der Anerkennung der Rechtsträgerschaft eines jeden Menschen auf ihrer Grundlage. Artikel 6 AEMR proklamiert die Anerkennung jedes Menschen als Rechtsperson (person before the law). Die Garantie der Rechtspersönlichkeit ist im englischen Wortlaut und in französischer Sprache im Gegensatz zu der deutschen offiziellen Übersetzung an den Personenbegriff gebunden.419 Die Entstehungsgeschichte zeigt aber, dass der Begriff „person before the law“ die Rechtspersönlichkeit tatsächlich als Eigenschaft meint, da er als sprachlich schönere Variante für juridical personality gewählt wurde.420 416  Id., S. 24 ff.; Lindholm, in: Eide / Alfredsson / Melander et  al., S. 41 f. Der InterAction Council, ein weltweiter, loser Zusammenschluss ehemaliger Staatsmänner hat eine „Deklaration der Menschenpflichten“ in Analogie zur AEMR vorgeschlagen. Diese geht davon aus, dass Freiheit ohne Übernahme von Verantwortung die Freiheit selbst zerstören kann und ein Gleichgewicht von Rechten und Pflichten – auch durch eine explizite Ausformulierung – Voraussetzung für eine bessere Welt ist. www.weltethos.org. Küng, S. 97 ff. 417  Tiedemann, S. 26 f. 418  Diller, S. 24 ff., S. 65 ff., S. 126 ff., S. 199 f. Über die Beziehung von politischen und sozialen Menschenrechte siehe UNGA, Alternative approaches and ways and means within the United Nations system for improving the effective enjoyment of human rights and fundamental freedoms, Resolution A / RES / 32 / 130 vom 16. Dezember 1977 („Alternative approaches and ways and means within the United Nations system for improving the effective enjoyment of human rights and fundamental freedoms“, Präambel). Alle Menschenrechte und Grundfreiheiten der menschlichen Persönlichkeit und der Völker sind unveräußerlich. 419  „Everyone has the right to recognition everywhere as a person before the law.“ – „Chacun a le droit à la reconnaissance en tous lieux de sa personnalité juridique.“ –„Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden.“ Für die deutsche Übersetzung siehe Auswärtiges Amt, S. 19 ff., S. 20 (Art. 6). 420  Faßbender, in: Klein / Menke, S. 121 ff., S. 123.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Die Formulierung, nach welcher die Rechtspersönlichkeit anerkannt und nicht deklariert oder erst konstituiert wird, weist erneut auf die Überzeugung hin, dass bestimmte Rechte dem Menschen angeboren sind und kraft seines Menschseins zustehen. Die Rechtspersönlichkeit selbst ist auch unveräußerlich; das Recht, welches durch die Erklärung geschaffen wird, ist ein Recht auf ihre Anerkennung durch jeden Staat in den nationalen Rechtsordnungen. Auf diese nationalen Rechtsordnungen beziehen sich die Ausdrücke „before the law“ und „everywhere“.421 Eine Unterscheidung oder Abstufung in der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit wird untersagt.422 Die systematische Stellung und der Inhalt dieses Rechts haben allerdings vor allem mit der Menschenwürde und dem Diskriminierungsverbot erhebliche Überschneidungen.423 Zur verbindlichen Umsetzung der in der AEMR proklamierten Menschenrechte dienen 1966 die Internationalen Pakte über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR, Pakt I) und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR, Pakt II).424 Beide Pakte stellen bereits zu Beginn ihrer Präambel fast wortlautgleich zu der Formulierung in der AEMR auf die Würde des Menschen ab. Der einzige Unterschied ist, dass statt von den Mitgliedern der menschlichen Familie von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft die Rede ist. Das Bekenntnis zum Glauben an „Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit“ wird erneut bekräftigt. Um das Verhältnis zwischen Menschenwürde und Menschenrechten abzubilden wurde zuerst eine Formulierung in den Pakten vorgeschlagen, nach welcher die Rechte und Freiheiten aus der dem Menschen innewohnenden Würde fließen („flowing from“). Später wurde hierfür der Begriff „ableiten“ angenommen („flow from“).425 Übereinkommen, Fakultativprotokolle und Resolutionen der UN-Generalversammlung bestätigen, dass diese Herleitung einen Rechtfertigungszusammenhang darstellt.426 421  Id.,

S. 125 f. Art. 2 Abs. 2 AEMR, Art. 2 Abs. 1 IPbpR. 423  Faßbender, in: Klein / Menke, S. 138. 424  International Covenant on Civil and Political Rights (United Nations [UN]) 999 UNTS 171, UN Doc A / 6316, UN Doc A / RES / 21 / 2200, UN Reg No I-14668); IPwskR (1. Teil, Fn. 400). 425  Bossuyt, S. 6 f. 426  „Aware … that social development must be based on respect for the dignity of man from which all human rights derive their justification.“ UNGA, Further Protection and Promotion of Human Rights and Fundamental Freedoms, Resolution A / RES / 37 / 200 vom 18. Dezember 1982, Präambel. Ebenso die Präambel des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984, 85 UNTS 1465: „Recognizing that those rights [equal and inaliable rights] derive from the inherent dignity of the human person,“ Auch das Zweite Fakultativprotokoll zu dem IPbpR zur Abschaffung 422  Vgl.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 83

Die Pakte nennen die Menschenwürde ebenfalls explizit außerhalb ihrer Präambel (Artikel 13 Pakt I und Artikel 10 Pakt II). Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit und das Verbot seiner Abstufung wurden fast wortwörtlich in beiden Pakten aus der AEMR übernommen. Bekenntnisse zur Menschenwürde enthalten auch regionale Völkerrechtsdokumente. In der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)427, die 1950 vom Europarat verabschiedet wurde und im europäischen Rechtsraum gilt, ist der Begriff der Menschenwürde im Konventionstext einschließlich der Präambel zwar nicht zu finden, er liegt aber der gesamten Konvention zu Grunde.428 In den ersten beiden Absätzen der Präambel wird auf die AEMR und damit implizit auch auf die Menschenwürde Bezug genommen. Dem Verfasser der EMRK lagen die Entwürfe für den IPbpR vor.429 Einen weiteren Hinweis enthält das 13. Zusatzprotokoll zur EMRK zur Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen aus dem Jahr 2002, das einleitend ausführt, dass „die Abschaffung der Todesstrafe […] für die volle Anerkennung der allen Menschen innewohnenden Würde von wesentlicher Bedeutung ist“.430 Bezeichnenderweise spricht zudem Artikel 1 EMRK davon, dass die Menschenrechte von den Vertragsstaaten „anerkannt“ („les Parties contractantes reconaissent“) und nicht möglicherweise geschaffen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der über die Einhaltung der Konvention und ihrer Zusatzprotokolle durch die Mitgliedsstaaten des Europarats wacht, betont wiederholt, dass die Achtung der Würde und der Freiheit des Menschen das Wesen der Konvention ausmachen würden.431 Die Rechtsprechung des EGMR zeichnet sich durch ein der Todesstrafe, UNGA, Elaboration of a 2nd Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights Aiming at the Abolition of the Death Penalty, Resolution A / RES / 44 / 128 vom 15. Dezember 1989, Anhang: „The States Parties to the present Protocol, Believing that abolition of the death penalty contributes to enhancement of human dignity and progressive development of human rights“. 427  Council of Europe, Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, as amended by Protocols No. 11 and 14, 213 UNTS 222, ETS No 5, UN Reg No I-2889. 428  Schweizer / Sprecher, in: Seelmann, S. 127 ff., S. 143, Frowein, in: Kretzmer / Klein, S. 123. 429  Partsch, S. 11 f. 430  Council of Europe, Protocol No. 13 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, concerning the abolition of the death penalty in all circumstances, SEV No. 187: „Convinced […] that the abolition of the death penalty is essential for the protection of this right and for the full recognition of the inherent dignity of all human beings“. 431  EGMR NJW-RR 2004, 289, 293 – Goodwin / Vereinigtes Königreich; EGMR NJW 2002, 2851, 2854 – Pretty / Vereinigtes Königreich.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Verständnis und eine Entwicklung der Konvention als „lebendiges Instrument“ aus.432 Demnach sind die Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK dynamisch im Lichte der jeweiligen Verhältnisse und Entwicklungen auszulegen. Dadurch lässt sich der Inhalt der EMRK an neue gesellschaftliche oder technische Gegebenheiten sowie ethische Auffassungen anpassen und die Konvention kann die Verteidigung der Menschenrechte und die Fortentwicklung ihres Schutzes auch in neuen Kontexten gewährleisten.433 Dabei hält sich der EGMR allerdings bewusst zurück, um aufgrund der kulturellen Verschiedenheiten abweichenden mitgliedstaatlichen Beurteilungen Raum zu lassen.434 Bei der Auslegung der Konvention als „lebendiges Instrument“ wird auch die Verstärkung des ordre public-Charakters der Menschenrechte erzielt.435 Dies bedeutet auch die Herausstellung ihres objektiven Charakters, wobei das Ziel stets die Sicherung des gemeinsamen Erbes politischer Traditionen und Ideen sowie der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit bleibt.436 2. Aspekte der Stellung der Person im System der Menschenrechte Eckpunkte des Menschenrechtssystems sind neben der Würde und der Rechtsfähigkeit die Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Die Menschenrechte fokussieren an erster Stelle die Vernunftfähigkeit, Individualität und die hierin gründende Würde und Freiheit des Menschen. Diesen Eigenschaften wird die Begründungslast für die Formulierung der Menschenrechte zugeschrieben. Dies entspricht der normativen Stellung des Menschen als rationales und moralisches Wesen, welche aus dem Begriff der Person in der Tradition seiner geistesgeschichtlichen Entwicklung herrührt.437 Gleichzeitig stehen aber die Menschenrechte terminologisch nicht der Person, sondern dem Menschen zu. Dadurch werden nicht nur die personenhaften Eigenschaften hervorgehoben, die eine Unterscheidung im Vergleich zu anderen Wesen darstellen, sondern auch solche, die die Naturhaftigkeit und damit die Ähnlichkeit mit weiteren Wesen repräsentie432  EGMR NJW 1990, 2183, 2186 – Soering / Vereinigtes Königreich; EGMR NJW 2001, 56, 60 – Selmouni / Frankreich; EGMR NJW 2005, 727, 730 – Vo / Frankreich. 433  Meyer-Ladewig, Einleitung, Rn. 37. Siehe auch Grabenwarter, S. 257 ff. 434  EGMR NJW 2005, 727, 730 f.; EGMR NJW 2002, 2851, 2854; EGMR NJW 2003, 2145, 2148 – Odièvre / Frankreich; EGMR NJW, 2008, 2013, 2015 – Evans / Vereinigtes Königreich. 435  Kokott, in: Coester-Waltjen / Kronke / dies., S. 79 ff. 436  Id., S. 79, Fn. 23. 437  Siehe § 1.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 

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ren. Somit wird eine Ausrichtung der Rechte auch auf die Körperlichkeit angedeutet.438 Im Schutz des Lebens, des Körpers und der physikalischen Freiheit werden die grundlegenden Voraussetzungen für die Entfaltung der sittlichen Würde gewährleistet. Ihr Schutz stellt die biologisch-natürlichen Voraussetzungen für die im Menschenrechtskatalog genannten geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Verwirklichungsmöglichkeiten dar.439 Im Begriff der Menschenrechte werden ethische und körperlich-leibliche Elemente in einer gegenseitigen und konstitutiven Bedingtheit vereint.440 Mit der Vervielfachung der für schutzwürdig gehaltenen Rechtsgüter und der Erweiterung der Menschenrechte durch soziale Rechte, hat sich die normative Stellung des Menschen im System der Menschenrechte auch in eine soziale Richtung verändert.441 Winfried Brugger illustriert die wesentlichen Aspekte der Eckpunkte für die Stellung der Person mit der Formel der „eigenständigen, sinnhaften, verantwortlichen Lebensführung“.442 Die Eigenständigkeit umfasst nicht nur die Wahlfreiheit, die sich auf viele Lebensbereiche erstreckt, sondern auch die Selbstverantwortlichkeit. Das Sinnhafte steht für Kultur und Tradition, die einerseits die Wahlfreiheit ermöglichen und diese andererseits beschränken. Die Verantwortlichkeit ist als Selbstbezogenheit bereits in der Wahlfreiheit verankert. Im relationalen Sinn umfasst sie aber auch die Gegenseitigkeit von 438  So argumentierend Reichold, S. 41, S. 42 f. Bezeichnenderweise konzentrieren sich Art. 3 bis 11 AEMR auf die Auslegung persönlicher Freiheit als traditionelle Habeas-Corpus-Bestimmung. (Farrell, S. 81 ff., S. 97 ff.) Art. 10 Pakt II schafft eine wichtige Verbindung im internationalen Menschenrechtsschutz zwischen der persönlichen Freiheit und der persönlichen Integrität in Form des Folterverbots. (Nowak, Art. 10, Rn. 1) Die Genfer Konventionen vom 12. August 1949 sind die ersten völkerrechtlichen Regelungen, die festhalten, dass erniedrigende und entwürdigende Behandlungen, insbesondere Folter, die Menschenwürde verletzten (Art. 3 Abs. 1 c, Geneva Convention for the Amelioration of the Condition of the Wounded and Sick in Armed Forces in the Field 75 UNTS 31, 6 UST 3114, UN Reg No I-970; Geneva Convention for the Amelioration of the Condition of Wounded, Sick and Ship­ wrecked Members of Armed Forces at Sea 75 UNTS 85, 6 UST 3217, UN Reg No I-971; Geneva Convention Relative to the Treatment of Prisoners of War 75 UNTS 135, 6 UST 3316, UN Reg No I-972; Geneva Convention Relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War 75 UNTS 287, 6 UST 3516, UN Reg No I-973). 439  Parallel für das Recht auf Leben im deutschen Grundgesetz Hesselberger, Art. 2 Abs. 2 GG, S. 77, Rn. 7. 440  Müller-Terpitz, in: Isensee / Kirchhof, Rn. 5 f. Zu Recht wird hier die erste moderne Menschenrechtskodifikation, die Grundrechte-Charta der EU hervorgehoben, in der Müller-Terpitz einen deutlichen Ausdruck gefunden hat, dass die Würdegarantie nach der Gewährleistung eines Lebens- und Leibesschutzes verlangt. 441  Sandkühler, in: ders., S. 1530 ff., S. 1531. 442  Für die nachfolgenden Ausführungen über dieses Formel: Brugger, S. 47 ff.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Rechten und Pflichten, die Haftung für Rechtsverletzungen und auch eine gewisse soziale Verantwortlichkeit.443 Die Lebensführung setzt zuerst den Schutz des Lebens voraus, der an erster Stelle durch die klassischen HabeasCorpus-Rechte verwirklicht wird. In den neueren Diskussionen wird oft auch der erweiterte Lebensbereich des Menschen in den Lebensschutz integriert, demzufolge man in die Definition von Leben die natürlichen Grundlagen des Lebens und die Umwelt miteinbeziehen kann. Die Lebensführung selbst umfasst analytisch die anderen Aspekte; in der verantwortlichen Selbstbestimmung kommt die Würde des Menschen zum Ausdruck.444 Diese Formel ist für die Stellung auch deshalb wegweisend, weil der Großteil der Menschenrechte in ihr Platz findet: die Erstgenerationsrechte in der Eigenständigkeit des Menschen, die Zweitgenerationsrechte in der sozialen Verantwortlichkeit füreinander und die Drittgenerationsrechte in beidem.445 Die Stellung der Person durch die Formel von Brugger ist selbstverständlich abstrakt, denn ihre wesentlichen Aspekte sollten auch als leitende regulative Ideen eine bestimmte Vorbildfunktion haben. Die Umsetzung dieses Vorbilds kann aber in der jeweils konkreten Stellung der Person in bestimmten Situationen verwirklicht werden.

IV. Exkurs: Die Stellung der Person in den östlichen Philosophien und Religionen Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung ist eine Stellung mit universellem Anspruch. Demzufolge ist es zunächst wichtig, sie über die Entwicklung der Menschenwürde und der Menschenrechte nach westlichem Verständnis und über ihre Grundlagen in den abendländischen Philosophien hinaus auch in den östlichen Philosophien und Religionen zu betrachten. Diese Wahrnehmung ist deshalb bedeutend, weil sie Aufschluss über die Möglichkeit und Grenzen einer universellen Stellung der Person geben kann. Die Übertragbarkeit der universellen Stellung, welche im Westen auf Grundlage der Menschenwürde und der Menschenrechte entwickelt wurde, kann in erster Linie auf der Grundlage der östlichen Religionen Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus und Islam nachvollzogen wer443  Vgl. die Formulierung in Art. 28 und Art. 29 AEMR: „Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.“ „Jeder hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die freie und volle Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist.“ 444  Das Konzept der Person wird in der menschenrechtlichen Argumentation u. a. von Jens David Ohlin analysiert: Ohlin, S. 209 ff., S. 212 ff. 445  Zur Kritik dieser Auffassung siehe Auer, S. 219.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 87

den, welche in ihren Geltungsbereichen selbst Auffassungen zur Stellung der Person mit allgemeinem Anspruch formulieren. 1. Konfuzianismus Die klassische Periode des Konfuzianismus liegt zwischen 500–221 vor Beginn unserer Zeitrechnung.446 Bereits in diesem Zeitabschnitt haben verschiedene konkurrierende Strömungen Einfluss auf seine Entwicklung genommen. Während die eine Hauptströmung die Menschen durch pädagogische Prägung ihrer Moral erreichen wollte, setzte die andere auf ihre durch den Staat und durch Gesetze gelenkte Entwicklung. Letztere geistige Bewegung wurde unter der Bezeichnung Legalismus bekannt.447 Der Konfuzianismus an sich war und ist von metaphysischen Interessen weitgehend frei.448 Vor allem aufgrund der Weiterentwicklung der Thesen von Konfuzius durch den zweiten Weisen Menzius gelang es der ersten Hauptströmung dennoch, einen klassischen Begriff der Menschenwürde zu entfalten. Dieser Begriff war die Würde vom „himmlischen Rang“, welche von der Würde von menschlichem Rang zu unterscheiden ist. Erstere kommt dem Menschen als Menschen zu, während letztere mit Ämtern oder gesellschaftlichem Ansehen verbunden ist.449 Die Würde vom himmlischen Rang besteht in der unermüdlichen Liebe zum Guten, welche dem Menschen von Natur aus inhärent ist. Das Gute ist das Gesetz, das dem Menschen von Natur aus gegeben ist und das er sich demzufolge nicht aneignen muss. Indem sich der Mensch vor schädlichen Einflüssen schützt, kann das Gute von selbst wirken.450 Das Ergebnis der Befolgung des himmlischen Wegs ist die subjektive Erfahrung der Freude451 und resultiert in der moralischen Vollkommenheit, welche als Verkörperung des Wohlwollens, das heißt der Sittlichkeit begriffen wird.452 Die Ausübung von Sittlichkeit besteht in der ausgewogenen Rücksichtnahme auf andere und sich selbst, wobei das Maß für die Rücksicht auf andere durch die Art der Behandlung bestimmt wird, die man sich für sich selbst wünscht.453 446  Tiedemann, 447  Id.

448  Weber,

S. 142, Fn. 125.

in: Schmidt-Glintzer, S. 75 ff., S. 144. S. 144 f. 450  Id. Siehe auch: Lee, in: Akademie der Politischen Bildung der FriedrichEbert-Stiftung, S. 55 ff., S. 56 f. Gegen diese Interpretation der Würde von himmlischen Rang siehe Möller, in: Schubert, S. 109 ff., S. 120 f. 451  Habermann, Konfuzianismus, in: Stevenson / ders., S. 22 ff., S. 23 f. 452  Id., S. 31. 453  Id. 449  Tiedemann,

88

1. Teil: Die Stellung der Person

Wissen und Kenntnis über Riten sind die Schlüssel zum ethischen Handeln. Riten sind die Regeln, die die Handlungen der Menschen in allen Lebenslagen regulieren, bezeichnen aber auch zeremonielle Korrektheit.454 Sie wurden von früheren moralischen Einsichten zusammengetragen und sollen das Handeln zur Vollkommenheit hinleiten. Beachtet der Mensch diese Regeln, so überwindet er seine Eigeninteressen.455 Die Riten eignet man sich durch das Studium der klassischen konfuzianistischen Philosophen an, denn ihre Sittlichkeit ist der äußere Ausdruck eines vollkommenen inneren Zustandes, an dessen Vorbild sich ein disziplinierter Mensch orientieren kann.456 Die Stellung des Menschen definierte Konfuzius nicht umfassend, vertrat aber die These der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen, die sich lediglich aufgrund verschiedener Lebenswege und Lebensweisen voneinander unterscheiden.457 Nach Konfuzius zeichnet sich demnach ein jeder Mensch durch vier Eigenschaften aus: erstens durch das Gefühl von Mitleid, zweitens durch das Gefühl von Scham und Abscheu, drittens durch eine bestimmte Zurückhaltung und Bescheidenheit und viertens durch das Vermögen zur Unterscheidung von richtig und falsch.458 Demzufolge hat der Mensch in gewisser Weise eine individuelle moralische Autonomie und daher einen freien Willen zu entscheiden, Moral und gerechtes Verhalten zu akzeptieren oder abzulehnen. Aufgrund dieser vierten Eigenschaft kann dem Menschen Freiheit und Verantwortung zugesprochen werden.459 Der Inhalt der sittlichen Kultivierung ist die Entwicklung der vier Eigenschaften, woraus die Kardinaltugenden erwachsen: die Humanität (ren), die Gerechtigkeit (yi), der rituelle Anstand (li), die Weisheit (zhi) und die Aufrichtigkeit (xin).460 Ren, die fundamentale Tugend der Menschlichkeit wird als Synthese von innerlicher, subjektiver Selbstkultivierung und äußerlicher, objektiver Selbstbezogenheit bestimmt.461 Durch die innerliche Selbstkultivierung kann man das Mandat des Himmels erkennen und sich gleichzeitig damit identifizie454  Id.

S. 31 f. Holz, in: ders. / Wegman, S. 1 ff., S. 17 ff. Konfuzianismus, in: Stevenson / ders., S. 33. 457  Weber, in: Schmidt-Glintzer, S. 139. Habermann, Konfuzianismus, in: Stevenson / ders., S. 25. An dieser Stelle soll hervorgehoben werden, dass Konfuzius seine Ausführungen über den Menschen auf Männer bezogen hat. Auch für den „Edle“, der Begriff der idealen moralischen Gestalt, nutzte er die männliche Form des Begriffs. Über Frauen sprach er wenig schmeichelhaft, mithin hat sich seine Gleichheitsthese relativiert. Habermann, Konfuzianismus, in: Stevenson / ders., S. 25 f. 458  Hübner, S. 190. 459  Id., Bloom, in: de Bary / Weiming, S. 94 ff., S. 102 ff. 460  Chang, in: de Bary / Weiming, S. 117 ff., S. 119. Mittag, in: Meinert, S. 69 ff., S. 77. 461  Lin, S. 33. 455  Id.,

456  Habermann,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 89

ren.462 Diese ist aber auch als sozialethische Grundlage zu verstehen. Etymologisch bedeutet Ren „zwei“ und „Mensch“, demzufolge der Begriff auch mit Mitmenschlichkeit übersetzt werden kann. Folglich wird ein Mensch als Mitmensch und nicht lediglich als Individuum betrachtet.463 Die Verortung des Menschen als Teil der Gesellschaft bedeutet, dass er das eigene Verhalten den Normen einer Rolle zu unterwerfen hat, die vom Ziel gesamtgesellschaftlicher Harmonie bestimmt sind.464 Aus den fünf Tugenden werden drei soziale Pflichten abgeleitet: Loyalität, kindliche Pietät und die Wahrung von Anstand und Sitte. Das richtige Verhalten der sozialen Rollen kann im Rahmen des Netzwerks von fünf wesentlichen Beziehungen verwirklicht werden: zwischen Vater und Sohn, Herrscher und Untertan, Ehemann und Ehefrau, älterer Bruder und jüngerer Bruder und zwischen Freund und Freund.465 Die grundlegende Stellung des Menschen im Konfuzianismus ist eine, die entgegen westlichen Philosophien prinzipiell positiv ist, obwohl Konfuzius und seine Nachfolger über der Zustand der Gesellschaft selbst kein positives Bild hatten.466 Ähnlich zu den westlichen Philosophien kommt aber die Auffassung zur Geltung, nach welcher das Gesetz des Guten im Menschen nicht mit seiner moralischen Natur identisch, sondern ihm aufgegeben ist. Folglich ist die Menschenwürde im Konfuzianismus genau wie in der christlichen Philosophie heteronom: Die unverleihbare Würde ist in der Natur des Menschen verankert, im Gegensatz zu der erworbenen Würde von menschlichem Rang, die er verlieren kann, wenn er dem ihm gegenüber erhobenen Anspruch nicht gerecht wird.467 Auch wenn der Mensch sich auf den Status eines Tieres herabbegibt, berührt dies nicht sein Wesen, das demnach nicht durch seine moralischen Leistungen, sondern durch seine moralischen Möglichkeiten definiert ist.468 Diese Würde verdankt der Mensch einer autonomen Befähigung zur Moral. Danach liegt der Ursprung der Moral in der autonomen Subjektivität, das heißt in der Selbstgesetzgebung des menschlichen Herzens. Insoweit stellt diese Philosophie auch eine Ethik der Autonomie dar.469 462  Id.,

S. 37. S. 41. 464  Id., S. 40 ff. 465  Kwok, in: de Bary / Weiming, S. 83 ff., S. 85. 466  Weiterführend hierzu Habermann, Konfuzianismus, in: Stevenson / ders., S. 26 ff. Während der späteren Entwicklung des Konfuzianismus etablierte sich eine realistische Strömung um Hsün-tzu, die die ursprüngliche Boshaftigkeit des Menschen vertrat. Id., S. 34 ff. 467  Tiedemann, S. 146. 468  Roetz, in: Paul / Robertson-Wensauer, S. 37 ff., S. 48 f. 469  Lin, S. 103. 463  Id.,

90

1. Teil: Die Stellung der Person

Der soeben beschriebene Würdebegriff impliziert zudem das Selbstbewusstsein des Menschen über das eigene moralische Potenzial, dass er fähig und wert ist, Respekt zu erhalten. Es entsteht ein Anspruch auf Respekt von anderen und gleichzeitig die Verpflichtung, sie tatsächlich zu respektieren.470 Die Beziehungen in der konfuzianistischen Gesellschaft sind sehr komplex. Zwischen den Individuen gibt es nie vollständig gleiche Positionen, weder in Beziehung zum Recht noch zum Vater oder Herrscher.471 Der Staat soll dem Menschen die bestmöglichen Bedingungen für die Entfaltung seiner moralischen Natur verschaffen. Auch die Legitimität der Machtausübung wird an die Achtung der Würde der Menschen und an das Gerechtigkeitsprinzip gebunden.472 Der Einfluss des Legalismus als zweite wichtige Strömung im klassischen Konfuzianismus wurde jedoch nie endgültig zurückgedrängt und beeinflusste somit auch die Stellung des Einzelnen. Mithin standen nicht die Rechte des Einzelnen im Mittelpunkt des politischen Denkens, sondern seine soziale Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und dem Staat. Das Individuum war kein Zweck an sich, sondern erlangte eine Stellung durch seine Nutzbarmachung und Erfüllung der ihm auferlegten Pflichten.473 Folglich lässt sich festhalten, dass die Substanz der Menschenrechtsidee im Konfuzianismus zwar enthalten ist, sie wird jedoch vor allem als Gegenstand einer Verpflichtung den Mächtigen gegenüber verstanden. Auch generell werden zunehmend die Pflichten in den Beziehungen zwischen den Menschen hervorgehoben.474 In Bezug auf die politische Verwirklichung der Freiheit lässt sich festhalten, dass der Konfuzianismus für demokratische Gedanken nicht generativ war, die Monarchen wurden nie in Frage gestellt. Er war aber mit demokratischen Gedanken konsistent475 und ließ sich später durch westliches Gedankengut und durch die Entwicklung der Menschenrechte in der internationalen Rechtsordnung beeinflussen.476

Reziprozität wird mit dem Begriff „shu“ bezeichnet. Bloom, S. 109. in: de Bary / Weiming, S. 89. Siehe auch Menzius, der nicht den Begriff der Gleichheit nutzt, um Menschen zu beschreiben, sondern den Begriff „nah aneinander“ / „close together“. Bloom, S. 98. 472  Roetz, in: Paul / Robertson-Wensauer, S. 50. 473  Tiedemann, S. 142 f., S. 146. Für die Interpretation der praktischen Philosophie Kants im Neukonfuzianismus siehe Pioletti. 474  Kwok, in: de Bary / Weiming, S. 88 ff. 475  Bloom, S. 111. 476  Cheng, in: Holz / Wegmann, S. 291 ff.; Wegmann, in: Holz / ders., S. 334 ff. 470  Die

471  Kwok,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 91

2. Hinduismus und Buddhismus a) Hinduismus Der Hinduismus ist die älteste praktizierte Weltreligion. Seine textlichen Quellen entstanden im 2. Jahrtausend vor Christus.477 Für ihn ist an erster Stelle eine hierarchische Kastengesellschaft kennzeichnend: Der Mensch wird in eine Kaste geboren. Diese stellt eine Gruppe von Personen dar, die ihre Zugehörigkeit durch Geburt erlangen. Die Kastenzugehörigkeit bestimmt die gesellschaftliche Rolle. Im Hinduismus bekommt jede Kaste die Aufgabe der Wahrung und Verwirklichung bestimmter Aspekte der kosmischen Ordnung, aufgrund derer sie kastenspezifischen Pflichten und Regeln unterworfen ist.478 Diese hierarchische Gesellschaftsordnung wird zunächst durch kein Konzept der Menschenwürde unterstützt. Zwar ermöglicht das Karman-Gesetz die Wiedergeburt, demzufolge Menschen in einem nächsten Leben in eine höhere Kaste geboren werden können, was ihre egalitäre Stellung im Hier und Jetzt allerdings nicht fördert. Auch traditionelle religiöse Vorschriften, wie die Goldene Regel, die unter anderem vorschreibt, dass man andere Menschen so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte, können nicht als fundierte Grundlage für universelle egalitaristische Ansätze dienen.479 Nach der hinduistischen Vorstellung ist das Individuum zudem alles andere als frei, denn Faktoren („karma“), die vor allem auf seinen Handlungen beruhen, bestimmen seine Entwicklung.480 Um aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszubrechen, sind drei Wege bekannt: Der Weg der spirituellen Erkenntnis, der des uneigennützigen Handelns gemäß der Pflichten sowie der Weg der gläubigen Hingabe und liebenden Vereinigung mit dem Erhabenen. Die Befreiung, wenn sie erreicht wird, findet sich sowohl in der Erreichung einer inneren Freiheit des an Gott gebundenen Menschen als auch in einer äußeren Freiheit seiner dienenden Hingabe an die Welt.481 Dieses besondere Freiheitsverständnis des Hinduismus und die Stärkung seiner doppelten Freiheitsbotschaft hat die Empfänglichkeit dieser Religon und Philosophie für die Menschenrechtsidee trotz der Ablehnung einer grundsätzlichen Freiheit des Menschen erheblich unterstützt.482 Auch die 477  Mahlmann

(2012), § 2, Rn. 4. S. 149 f.; Ceming, S. 261 ff. 479  Mahlmann (2012), § 2, Rn. 4. 480  Habermann, Der Hinduismus, in: Stevenson / ders., S. 40 ff., S. 48 f. Ausführlich zur Karma-Theorie siehe Sontheimer, in: Ratschow, S. 349 ff., S. 355 ff. 481  Hübner, S. 182 ff. 482  Id., S. 187 f. 478  Tiedemann,

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1. Teil: Die Stellung der Person

hinduistische Körperauffassung bietet wichtige Anknüpfungspunkte für die Menschenrechtsidee. Die einzigartige Stellung, nach welcher der Körper sowohl zur Innen- als auch zur Außenwelt gehört und demzufolge in zwei verschiedenen Empfindungen wahrgenommen wird,483 kann zu den westlichen Philosophien der Phänomenologie, welche die leibhafte Wahrnehmung des Körpers unterstützen, parallel gesetzt werden. Wie bei dem Konfuzianismus treiben westliche Ideen hinsichtlich der Stellung der Person und der Menschenrechte das Verständnis des Hinduismus voran. Hierzu trug das Werk von Gandhi, einem indischen Revolutionär, wesentlich bei. Er engagierte sich für den gleichen Wert jedes Menschen und gegen die Diskriminierung der Unberührbaren, die zur indischen Urbevölkerung gehören und aufgrund rassistischer Kriterien unterschieden werden.484 Die indische Verfassung verbietet mittlerweile die Diskriminierung aufgrund einer Kastenzugehörigkeit, erkennt aber dadurch die Existenz der Kasten an und schafft somit keine wahre Gleichheit zwischen den Menschen. Obwohl die Abschaffung der Gruppe von Kastenlosen, die fast ohne Rechte auskommen müssen, zu begrüßen ist, wird das Problem ihrer Zugehörigkeit aufgrund fehlender Wiedereingliederung dieser Menschen nicht gelöst.485 Neue Vertreter des Hinduismus, wie Arvind Sharma, tragen im 21.  Jahrhundert zur weiteren Auflockerung des Kastensystems und zur Entwicklung des individuellen Freiheitsverständnisses bei. Sharma vertritt die These, dass Wiedergeburten wegen der erhöhten Lebenszeit der Menschen bereits während des Lebens möglich geworden sind. Demnach können Menschen innerhalb ihres Lebens verschiedene Kasten durchlaufen. Auch vertritt er, dass jeder gleichzeitig allen vier Kasten zugehört und folglich alle Pflichten der verschiedenen Kasten zu erfüllen hat.486 b) Buddhismus Der Buddhismus ist eine egalitäre Antwort auf den Hinduismus, dessen Kastenwesen er mit der zentralen Gebot der Achtung anderer überwindet.487 Der Buddhismus erachtet alle Menschen, deren Leben durch Sehnsüchte, Ängste, unerfüllte Begehren und Schmerz geprägt ist, als gleich. Freude und Vergnügen wecken Sehnsucht nach weiterer Freude und Vergnügen und verursachen somit nur Leiden. Um diesem Leiden zu entkommen muss der 483  Than,

in: Klöcker / Tworuschka, S. 160 ff., S. 160. S. 280 ff. 485  Künhardt, S. 164 f. 486  Sharma (2001). Sharma (2004). 487  Mahlmann (2012), § 2, Rn. 5. 484  Ceming,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 93

Mensch alle Interessen, Begierden und Leidenschaften erlöschen und sich aus den leidvollen Zuständen der Anhaftung an den Dingen der Welt befreien. Wem dies gelingt, kann sich Erleuchteter, das heißt Buddha nennen.488 Im Buddhismus erlangt die Körperlichkeit eine besondere Rolle. Die individuelle Existenz ist eine Mischung aus fünf Daseins- und Aneignungsgruppen. Vier Aneignungsgruppen sind als geistige Prozesse zu denkende Faktoren. Diese sind Empfindung, Wahrnehmung, Geistesregungen und Bewusstsein. Von diesen ist die Materie, der Körper aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft als fünfte abgehoben. Bei ihren Elementen handelt es sich um Komponenten, die miteinander auf das Engste verschränkt sind.489 Jede geistige Entwicklungsstufe hat eine Entsprechung auf der physiologischen Ebene und ab einem fortgeschrittenen Stadium wird der Körper vollkommen von reinem Bewusstsein durchflutet.490 Die Bedeutung der Körper-Geist-Korrelation wird auch daraus ersichtlich, dass den Reliquien Buddhas besondere Ehre zuteilwird.491 Die Daseinsgruppen teilen mit allen anderen Phänomenen die Merkmale der Vergänglichkeit, der Leidhaftigkeit und des Nicht-Selbst,492 wobei sich letzterer Begriff auf das Fehlen einer überdauernden Substanz bezieht.493 Das individuelle Dasein bestimmende physische und geistige Phänomene sind von anderen Vorgängen abhängig.494 Jede Persönlichkeit, Selbstheit oder jeder Ich-Kern erweist sich folglich als eine Illusion.495 Die Nicht-Entität des Egos stützt die Würdevorstellung des Menschen zunächst nur wenig. Auch impliziert sie das Fehlen eines freien Willens.496 Immer mehr Philosophen vertreten jedoch die These, dass der Buddhismus dem Menschen eine besondere Würde zuerkennt, weil nur der Mensch fähig ist, die Erleuchtung zu erlangen. Wie im Folgenden aufgezeigt, ist insbesondere der Mahayana-Buddhismus für die Würdebestimmung wichtig. Im Gegensatz zu der Gleichheit aller Menschen aufgrund der Lösung von allem und somit aufgrund eines fehlenden Persönlichkeitskerns ist in diesem die Vorstellung einer jedem Wesen innewohnenden Buddha-Natur zentral.497 488  Hübner,

S. 178. S. 325. 490  Hübner, S. 179 f. 491  Schumann, S. 123 ff. 492  Barash, S. 29 ff. 493  Usarski, in: Klöcker / Tworuschka, S. 158 ff., S. 158. 494  Gerlitz, in: Ratschow, S. 236 ff., S. 243 ff. 495  Id., S. 245. 496  Id., S. 253. Gowans, S. 219 ff. 497  Gerlitz, in: Ratschow, S. 255 ff. 489  Ceming,

94

1. Teil: Die Stellung der Person

Der Buddhismus fordert, wunsch- und interessenlos zu sein.498 Nach den Vorstellungen des frühen Hinayana-Buddhismus ist das Erreichen des Bewusstseins der Negation aller Abhängigkeiten, das Erreichen des Nirwana der Inbegriff der Freiheit.499 Dies schließt zunächst eine Orientierung an Werten – wie dies für den Westen typische Anerkennung der Menschenwürde voraussetzen würde – grundsätzlich aus.500 Im sogenannten Mahayana-Buddhismus wurde diese Auffassung über das Nirwana jedoch weiterentwickelt. Diese Strömung kennt ein aktives Nirwana, in dessen Rahmen die Freiheit positiv, als ein Bewusstseinszustand verstanden wird, der die wechselseitige Abhängigkeit aller Lebewesen voneinander als Prinzip erkennt und die heilende Hinwendung zu allen Lebewesen in Liebe bestätigt.501 Der Auftrag der Überwindung des Leidens durch Überschreitung der Grenzen des Ichs erlaubt nämlich den universellen Respekt vor anderen Lebewesen und impliziert die besondere Stellung des Menschen: Dadurch, dass der Mensch Einsicht in die Verbundenheit alles Existierenden hat, übersteigt er ein lediglich naturhaftes Wesen und seine Transnaturalität wird zum Begründungselement für die unantastbare Würde.502 Erst mit dieser Vorstellung einer Buddhaschaft aller Menschen beginnt sich das Verständnis zu etablieren, bei welchem es auf dem Weg zum Nirwana neben dem Akt der Befreiung auch um die gegenseitig anzuerkennenden persönlichen Freiheitsrechte der Menschen geht.503 Im Unterschied zur westlichen Auffassung legt der Buddhismus mehr Wert auf die Reziprozität von Grundpflichten und auf die Konsequenzen, die im Falle der Nichterfüllung denjenigen treffen, der seiner Verantwortung nicht nachkommt.504 Menschenrechte sind im Buddhismus an erster Stelle wegen der Schaffung von „rechten“ Verhältnissen wichtig, welche für das Individuum wiederum die Pflicht begründen, sich diesen Rechten zu unterstellen und sich in den Verhältnissen angemessen zu verhalten.505 Gerechte gesellschaftliche Verhältnisse herrschen aber nur dann, wenn jeder sein eigenes Leben nach ethischen Gesichtspunkten ausrichtet. Daraus kann man auch das fundamentale Rechtsgut der modernen Idee der Menschenrechte ableiten.506 Moralisches Handeln und ethisches Verhalten sind Voraussetzungen für die Erreichung des Nirwana, 498  Ceming,

S. 335. Schmidt-Leukel, in: Meinert / Zöllner, S. 41 ff., S. 51. S. 178 f. 500  Tiedemann, S. 152. Dagegen auch: Paul, in: Holz / Wegmann, S. 246 ff., S. 249. 501  Hübner, S. 179 f. 502  Siehe ausführlich abgeleitet bei Gowans, S. 214 ff. 503  Hübner, S. 181. 504  Usarski, in: Klöcker / Tworuschka, S. 204. 505  Ceming, S. 322. 506  Gowans, S. 249 ff. 499  Hübner,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 

95

demnach der Buddhismus nicht lediglich als eine Selbsterlösungsreligion zu bezeichnen ist.507 Moderne Stellungnahmen räumen der Menschenwürde und den Menschenrechten einen besonderen Stellenwert ein.508 Die das menschliche Verhalten normierende kosmische Moralordnung, Dharma, baut auf der menschlichen Wesensgleichheit auf, auf der Würde sowie auf den Altruismus509, die als Anknüpfungspunkte für die Begründung unveräußerlicher und universell geltender Rechte gesehen werden können.510 Auch die soziale Verortung des Menschen in unterschiedlichen Beziehungen unterstützt diese Begründung. Jede Beziehung, die Menschen miteinander pflegen, ist durch eine besondere Tugend ausgezeichnet. Relevant sind die Beziehungen zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern, Lehrer und Schüler, Herr und Knecht, Freund und Freund, Mönch und Laie. Die Tugenden, die sie auszeichnen, sind die gegenseitige Achtung, die Dankbarkeit, das Wissen, die Partnerschaft und die Gerechtigkeit. Diese Tugenden sind Ausdruck und Beweis für die Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit der Beziehungen.511 Im Buddhismus hängen Individuen und Kosmos zusammen und bedingen einander in der Moralordnung.512 Die Verortung und Einfügung des Menschen in die Gesellschaft und Gemeinschaft sind daher wichtige Elemente auf dem Weg zur vollständigen Freiheit des Menschen,513 welche nur in einer umfassenden Theorie seiner Stellung realisierbar ist.514 3. Islam Die islamische Geistesgeschichte kennt den Begriff der Würde nicht; er findet sich weder im Koran noch in den Schriften der islamischen Philosophie. Weil der Mensch Geschöpf Gottes ist, ist er von ihm abhängig. In der islamischen Orthodoxie kann der Mensch den Weg zu Gott demzufolge nicht autonom finden. Die Orthodoxen hoben zwar die spezielle Position des Menschen als ein von Gott geschaffenes und vernunftbegabtes Wesen 507  Gerlitz,

in: Ratschow, S. 344. Lama, in: Keown / Perbish / Husted, xvii, xviii ff. Siehe auch Perera, insbes. S. 21. Dagegen Junger, in: Keown / Perbish / Husted, S. 53 ff., S. 56. 509  Gerlitz, in: Ratschow, S. 235. 510  Ceming, S. 331. 511  Gerlitz, in: Ratschow, S. 303 ff. 512  Dharma als gegenseitige Bedingtheit: Chitkara, S. 39 ff. 513  Pradhan, in: Singh / McLean, S. 139 ff., S. 143. 514  Bhatt, in: Singh / McLean, S. 111 ff., S. 119. 508  Dalai

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1. Teil: Die Stellung der Person

hervor,515 es gab jedoch bereits in der Frühzeit der islamischen Geschichte Widerstand gegen diese Anthropologie. Die heutige Kritik basiert darauf, dass im orthodoxen Islam Individuen keine gleiche Rechtsträgerschaft zugeschrieben wird, weil das Maß der zugesprochenen Rechte vom Grad der Rechtsgläubigkeit des Einzelnen abhängt. Diese These führt zu der Höherwertigkeit gläubiger Muslime.516 Erst seit 60 Jahren gibt es im Arabischen ein Wort für die Menschenwürde (karâmat al-insân). Dieser Begriff wurde als Neologismus entwickelt, um die internationalen Menschenrechte ins Arabische übersetzen zu können.517 Im Rahmen einer neuen theologischen Begründung wird im Koran die Würde – aufgrund des Schöpfungsvorgangs – aus der sogenannten Stellvertreterrolle des Menschen abgeleitet.518 Darauf aufbauend wird eine heteronome Vorstellung der Würde entwickelt, nach welcher es zwischen der Würde, die dem Menschen inhärent ist und der Würde, die im Gehorsam gegen das Gebot Gottes erworben werden und durch Ungehorsam verloren gehen kann, zu unterscheiden gilt.519 Der Begriff der Freiheit war in der muslimischen Welt dagegen schon immer bekannt.520 Die Freiheitsbotschaft im Islam begründet traditionell aber keine Ethik, sondern ist als Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes zu verstehen.521 Ein Teil der göttlichen Ordnung ist dem Menschen aufgetragen und über die Einhaltung dieser Ordnung muss der Mensch Rechenschaft ablegen. Dies setzt eine gewisse Handlungsfreiheit voraus.522 Gott gab dem Menschen Verstand und Entschlusskraft, damit er sich für gute oder schlechte Taten entscheiden kann.523 Der Wille ist allerdings nur begrenzt frei, weil er von Naturgesetzen bestimmt ist, die bei Gott zusammenlaufen. Die Taten des Menschen werden daher letztendlich deshalb gut oder schlecht, weil Gott sie so angeordnet hat. Der Islam kennt demnach keinen ethischen Bereich, im Rahmen dessen der Muslim Autonomie beanspruchen könnte. Dem Willen Gottes gemäß zu handeln, heißt folglich nicht unbedingt das 515  Ceming,

S. 205. 213. Belhaj, in: Maróti, S. 53 ff., S. 57. 517  Tiedemann, S. 147. 518  Quran, Sure 17, 70, siehe auch Sure 2, 30. Dazu Krämer (2005), S. 258 ff., S. 267. Wielandt, in: Schwartländer, S. 179 ff., S. 188. 519  Tiedemann, S. 148 f. 520  Wielandt, in: Schwartländer, S. 181. 521  Hübner, S. 169. Zur theologische Spekulation um die Handlungsfreiheit des Menschen im Islam siehe Schulze, in: Laube, S. 131 ff., S. 150 ff. 522  Antes, in: Ratschow, S. 177 ff., S. 186. 523  Id., S. 188. 516  Id.,



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 97

philosophisch einsehbar Gute zu tun. Daher gibt es im Islam keine Ethik.524 Eine Kompromissformel, um zumindest eine eingeschränkte Willensfreiheit zu begründen, lautet, dass Taten selbst zwar von Gott hervorgebracht werden, aber der Mensch sich diese durch seine Willensentscheidung aneignet. Vor allem aufgrund der Thesen des Reformislams wird die Freiheit des Menschen im letzten Jahrhundert in der islamischen Philosophie zunehmend auch als die Freiheit im Sinne der sittlichen Verantwortlichkeit und der dem Menschen zukommenden Kreativität verstanden.525 Dieses Verständnis beeinflusst mittlerweile auch die Auslegung der Menschenrechte, wobei nach herrschender Meinung ihre Bedeutung immer noch unter Verweis auf das islamische Recht relativiert und der islamischen Scharia unterstellt wird.526 Die Idee eines, vom göttlichen Gesetz losgelösten, sittlich autonomen Individuums, das sich frei entfalten kann, ist dem Islam weiterhin fremd.527 Auch fehlt ferner eine Rechtsgleichheit zwischen den Geschlechtern und zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, was die Übertragung der Menschenrechtsidee in den Islam maßgeblich verhindert.528 Der Einzelne integriert sich nach islamischer Sicht harmonisch in der Gemeinschaft der Gläubigen, in welcher die Interessen der Gemeinschaft denen des Individuums vorgehen. Die Gruppe und ihr Repräsentant, der Staat, bestimmen wieweit die Rechte des Einzelnen reichen. Die Idee, die Position des Staates einschränken zu müssen, um die Freiheitssphären des Individuums zu gewährleisten und ihm vor Eingriffen zu schützen, ist dem Islam ebenfalls fremd.529 Für die raumzeitliche Verortung des Menschen ist es wichtig, dass im Islam der Köper nicht lediglich eine biologisch vorgegebene Größe ist, sondern eine soziale Entität. Er ist ein dem Menschen von Gott anvertrautes Gut. Gleichzeitig greift die Scharia vielseitig in die körperliche Integrität von Muslimen ein. Der Einfluss des internationalen Menschenrechtsschutzes und seine Auswirkung auf die Stellung der Person haben die islamische Auffassung des Menschen seit der Gründung der UN geprägt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1981 und die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990 verleihen den Menschenrechten nur 524  Id.,

S. 221 f. in: Schwartländer, S. 189; Hübner, S. 171. 526  Siehe die Erklärung der Menschenrechte im Islam, angenommen von der Organisation der Islamischen Konferenz in Kairo im August 1990. Hübner, S. 174. 527  Krämer (2003), S. 268. 528  Wittinger, S. 53 f. 529  Krämer (2003), S. 27. 525  Wielandt,

98

1. Teil: Die Stellung der Person

eine eingeschränkte Geltung.530 Fortschritte sind in der Arabischen Menschenrechtscharta von 1994 und ihrer revidierten Fassung von 2004 zu erkennen, welche einen völkerrechtlich bindenden regionalen Menschenrechtsvertrag darstellt.531 Trotz einer grundsätzlichen Orientierung des Islams an den Menschenrechtsstandards völkerrechtlicher Instrumente bleiben Bedenken angesichts einer umfassenden Integrierung des universellen Menschenrechtsgedankens vor allem aufgrund einer Berücksichtigung der Scharia, der mangelnden Gleichheit der Geschlechter und der fehlenden Religionsfreiheit.532 4. Abschließende Betrachtung Alle großen östlichen Religionslehren besitzen das Potenzial der Vertiefung und Entfaltung einer philosophisch-religiös begründeten Würde- und Freiheitsbotschaft. Diese Botschaft wurzelt im Wesentlichen in der Idee der Befreiung des Menschen von seinen Bindungen und in seiner Verortung als Ausgangspunkt für eine harmonische Entwicklung der Gesellschaft, deren wichtigste Grundlage der Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung ist, die einander in wechselseitiger Bedingtheit prägen. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass diese Grundlagen mit einer Entwicklung der Stellung der Person als ethisches und raumzeitliches Wesen wie sie in der okzidentalen geistesgeschichtlichen und daraufhin rechtlichen Theoriebildung vonstattengegangen ist, nicht vergleichbar sind. Die Etablierung solcher Ansätze in der östlichen Religionslehre wurde und wird gerade durch die Stellung der Person in der abendländischen Welt maßgebend beeinflusst, aber noch keineswegs vollzogen.

530  Das erste Dokument wurde auf Antrag des Islamrates für Europa von islamischer Rechtswissenschaftler und Theologen ausgearbeitet: 19. September 1981 / 21 Dhul Qaidah 1401. Das zweite wurde von der Organisation der Islamischen Konferenz (heute: Organisation für Islamische Zusammenarbeit), einem Zusammenschluss von 57 islamischen Staaten erarbeitet und von deren Außenministern unterzeichnet. Es gilt als völkerrechtlich relevantes aber nicht verbindliches Dokument. Cairo Declaration on Human Rights in Islam, 5. August 1990, U.N. GAOR, World Conf. on Hum. Rts., 4th Sess., Agenda Item 5, U.N. Doc. A / CONF.157 / PC / 62 / Add.18 (1993). Wittinger, S. 57, S. 60, S. 63. 531  Die erste Version der von der Arabischen Liga angenommenen Charta (15. September 1994) wurde in 18 Human Rights Law Journal 151 (1997), die revidierte Fassung (22. Mai 2004) in 12 International Human Rights Report 893 (2005) abgedruckt. Seit dem 15. März 2008 ist die Arabische Menschenrechtscharta in Kraft. 532  Wittinger, S. 69 ff. Abiad, S. 21 ff., S. 59 ff., S. 82 ff.



§ 2 Die Stellung der Person in der internationalen Rechtsordnung 99

V. Zusammenfassende Bewertung Als moralisches, leibliches und soziales Wesen ist der Mensch Subjekt der Menschenwürde und der Menschenrechte. Als selbstbestimmte Person, als zur Sittlichkeit fähige Persönlichkeit wird ihm Würde und Freiheit zugesprochen, Gleichheit vor dem Gesetz und ein soziales Willkommen in der Rechtsgemeinschaft zugesichert.533 Trotz der Begründung der Würde in sittlichgeistigen Eigenschaften von Gewissen und Vernunft wird die Person als Einheit von Geist und Körper interpretiert. Der Ausgangspunkt der Stellung, die Menschenwürde, kann von einer konkreten Anerkennungsgemeinschaft, in der die Person auch als leibliches Wesen präsent ist, nicht losgelöst gedacht werden. In den reziproken Anerkennungsbeziehungen kommunikativ handelnder Personen wird der Mensch lernen, sich selbst als einzigartiges, zugleich als moralisch unvertretbares Individuum zu identifizieren – ihm kommen als Teil der Gemeinschaft Rechte zu.534 Diese Auslegung der Personenstellung wird Grund und Grenze der internationalen Rechtsordnung.535 Die Stellung der Person im internationalen Menschenrechtsregime entspricht demnach einem metaphysischen und relationalen Charakter und einem praktisch-politischen, dessen Aufgabe mit dem Anspruch der Begrenzung staatlicher Macht verbunden ist.536 Diese Stellung erlaubt die Anwendung des Personenbegriffs in der überstaatlichen Rechtsordnung im Einklang mit den in § 1 dargelegten geistesgeschichtlichen Bestimmungen. Sie erlaubt zudem die der Person durch den Personenbegriff zugeschriebenen Eigenschaften lediglich als Möglichkeiten zu verstehen, denn Vernunft und Gewissen sind keine Zuschreibungskriterien für die Menschenrechte, vielmehr dienen sie als Erklärung für den durch sie verliehenen besonderen Status.537 Die Konkretisierung der Stellung der Person in jeweils verschiedenen Kontexten und Verhältnissen kann aus diesem Grund nur unter Beibehaltung einer engen Verbindung zwischen Körperlichkeit und Freiheit als prägende Elemente der Stellung eines normativ-raumzeitlichen Wesens geschehen. Zunächst wird die Konkretisierung der Stellung als Patient untersucht. 533  Kirchhof,

in: Grote / Härtel / Hain et  al., S. 275 ff., S. 276. (2001), S. 66. Diese Auslegung spricht auch gegen eine Definition des Menschen durch „das Gesetz“. Vgl. Höfling, in: Schweidler, S. 165 ff., S. 166 ff. 535  Wie Matthias Mahlmann zutreffend feststellt, verkörpert dies den Inbegriff einer aufgeklärten, humanistischen Ethik der gleichberechtigten Selbstzweckhaftigkeit aller Menschen. Eine weltanschauliche, philosophische Neutralität der Würdekonzeption ist demnach insoweit nicht zu haben. Mahlmann (2008), S. 351 f. 536  In Anlehnung an Christopher McCrudden, S. 655 ff., S. 679 f. 537  Reichold, S. 42 f. 534  Habermas

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1. Teil: Die Stellung der Person

§ 3 Die Stellung der Person als Patient Die Stellung der Person als normativ-raumzeitliches Wesen kann für bestimmte Kontexte und Verhältnisse konkretisiert werden, indem die ausgewählten Aspekte dieser Stellung einem besonderen Schutz unterzogen werden. Eine solche Konkretisierung kann einerseits die medizinische Ethik herbeiführen, indem sie als Disziplin der angewandten Ethik den Umgang mit dem Patienten auf Basis einer reflektierten Überprüfung moralischen Handelns in der Medizin leistet. Andererseits wird die Konkretisierung der Stellung durch die Patientenrechte gewährleistet, welche in Form von Rechtsnormen die Stellung sowie den Schutz dynamisch und, im Gegensatz zu den ethischen Maßstäben, auch in der Form erzwingbarer Sollensnormen sichern. Demnach wird im vorliegenden Paragraphen untersucht, welche Aspekte in der medizinischen Ethik und in Anbetracht der Patientenrechte wichtig sind, um einen Umgang mit Patienten als Personen nachzuvollziehen.538 Betrachtet man den Umgang mit Patienten im Spiegel ethischer und rechtlicher Maßstäbe, so ist zuerst das Verhältnis zwischen Ethik und Recht im Allgemeinen und zwischen medizinischer Ethik, Bioethik und den Patientenrechten im Besonderen zu klären.

I. Das Verhältnis zwischen Ethik und Recht 1. Das Verhältnis zwischen Ethik und Recht im Allgemeinen Der Moralbegriff bezieht sich in seiner deskriptiven Bedeutung auf ein empirisch erfassbares normatives Überzeugungssystem, welches die in einer bestimmten Gesellschaft oder sozialen Gruppe zu einer bestimmten Zeit tatsächlich geltenden nicht-rechtlichen und nicht-konventionalen Verhaltensnormen umfasst.539 Als solches dient Moral der Stabilisierung einer Gruppe oder Gemeinschaft durch die Sicherung gegenseitigen Vertrauens und trägt zur Verwirklichung von Frieden nach innen aber auch zu einer gewissen Abgrenzung nach außen bei; wobei moralische Normen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene selbstverständlich einem durch die Zeit bestimmten Wandel ausgesetzt sind.540

538  Dem Umgang mit Patienten als Personen liegt die im Teil I belegte philosophische Definition der Person zugrunde. 539  Vöneky (2010), S. 32. 540  Id., S. 59, S. 60 f.



§ 3 Die Stellung der Person als Patient101

Es wird von Moralen im Plural gesprochen, wenn damit zum Beispiel die Ausdifferenzierung der allgemeinen moralischen Regeln der Gesellschaft für eine besondere Gruppe oder einen Berufsstand gemeint ist.541 Ethik leistet die reflektierte Überprüfung praktizierter Normen und Werte, indem ihr Gegenstand die Moral und die Moralität des Handelnden als tatsächlich gelebte Wertvorstellungen sind.542 Ihr kommt die Aufgabe zu, Gründe zur Rechtfertigung und Gültigkeit oder Gründe für die Beurteilung moralischen Handelns zu liefern. Sie fungiert damit im Sinne eines Verfahrens zur Normbegründung als Rechtfertigungsdisziplin.543 In diesem normativen Sinne ist Ethik als angewandte Ethik zu verstehen, da sie sich durch die Spezialisierung auf einzelne Themenbereiche von einer allgemeinen philosophischen Ethik unterscheidet und für bestimmte Zusammenhänge menschlichen Handelns normative Vorgaben formuliert.544 Sie versucht zu klären, was moralisch richtig und falsch ist und versucht diese Urteile zu begründen, indem sie allgemeine Kriterien für gut und richtig entwickelt, die im Einklang mit unaufgebbaren moralischen Überzeugungen stehen, aber auch Orientierung in den Fällen bieten können, in denen moralische Auffassungen unsicher oder widersprüchlich sind.545 Ergänzend wird Ethik als derjenige Teil der Normen und Maximen der Lebensführung umschrieben, die sich aus der Verantwortung gegenüber anderen herleiten.546 Umstritten ist, welche Aufgabe der angewandten Ethik dabei zukommen soll. Trotz höchstem Bedarf nach Orientierungs- und Entscheidungskriterien bei der Vielzahl ethisch-moralischer Probleme der Gegenwart ist es nicht Aufgabe der angewandten Ethik, jeweils eine richtige Lösung für diese Probleme zu finden. Vielmehr kann sie herausfinden, ob moralische Differenzen auflösbar sind und eine Analyse, Kritik und Konkretisierung allgemeiner ethischer Theorien für konkrete Fragen der Praxis leisten.547 Vom Moralsystem muss das Rechtssystem als System von Handlungsnormen, unabhängig von Beeinflussungen und Übergängen zwischen den beiden, erst einmal strikt abgegrenzt werden. Recht bezeichnet im Sinne eines 541  Id.,

S. 32 f. S. 57. Diese Verwendung des Moralbegriffs unterscheidet sich von anderen Verwendungen wie im Sinne von Individualmoral oder von Sollensmaßstäben, die die gesellschaftliche Moral kritisieren. Vöneky (2010), S. 24 f. Marckmann / Bormuth / Wiesing, in: Wiesing, S. 23 ff., S. 23. 543  Vöneky (2010), S. 25 f., S. 27; von der Pfordten (2011), S. 54; Spranger, S. 32. 544  Vöneky (2010), S. 34; Nida-Rümelin, in: ders., S. 3 ff., S. 57 ff. 545  Vöneky (2010), S. 37 f.; Nida-Rümelin, in: ders., S. 3. 546  Kirchhof, in: Kern / Wadle / Schröder / Katzenmeier, S. 931 ff., S. 931 f. 547  Vöneky (2010), S. 38. 542  Auer,

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1. Teil: Die Stellung der Person

ausdifferenzierten Rechtssystems in einer ersten Stufe die Vielzahl von Normen mit gewisser Beständigkeit, die den Unterworfenen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen und Pflichten auferlegen. In einer zweiten Stufe bezeichnet es auch die Normen, die die Gültigkeits- und Entstehungsbedingungen für andere Normen festlegen.548 Ein Rechtssystem ist wirksam, wenn ein Teil der Betroffenen diese Normen akzeptiert und befolgt.549 Vor allem durch die so erworbene Wirksamkeit erfüllt das positive Recht seine für die modernen Gesellschaften notwendige Aufgabe, indem es Erwartungshaltungen stabilisiert, zur Grundlage des Vertrauens wird und sich den Änderungen der Lebenswelt anpasst, denn die Änderbarkeit und Herstellbarkeit des Rechts ermöglicht höhere Anpassungsfähigkeiten.550 Die Grenze zwischen Ethik und Recht kann nicht fließend sein; ethische Grundsätze werden nur dann zu Rechtsätzen, wenn sie unter Beachtung der formellen und materiellen Anforderungen in deren konkrete Form gegossen werden.551 Wie gleich weiter ausgeführt wird, kann allerdings Recht seine Legitimität verlieren, wenn es ethische Grundsätze verletzt. Neben der Verleihung unmittelbarer normativer Wirkkraft für ethische Prinzipien552 können Moral, Ethik und Recht auf verschiedenste Weisen aufeinander einwirken. Ethische und moralische Elemente werden ins Recht inkorporiert und haben Einfluss auf dieses, wie auch das Recht Einfluss auf Ethik und Moral hat. Recht kann aus Moral oder aus ethisch begründeten Sollensnormen als „Rechtserkenntnisquelle“553 generiert werden554 oder sich für die Moral und Ethik öffnen555, indem zum Beispiel ein ethisches Prinzip zur Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffes (oft als überpositives Gerechtigkeitskriterium) herangezogen wird.556 Aber auch umgekehrt gibt es die Möglichkeit, Moral oder Moralen und Ethik durch das Recht zu beeinflussen. Während die faktische Wirksamkeit des Rechts anerkanntermaßen auch davon abhängt, inwieweit es der Moral entspricht557, ist der Zusammenhang zwischen der Gültigkeit des Rechts und seiner ethischen 548  Hart,

S. 57; Vöneky (2010), S. 41, S. 43 f. der Pfordten, in: Brugger / Neumann / Kirste, S. 261 ff., S. 274. 550  Luhmann, S. 135, S. 143, S. 215; Vöneky (2010), S. 45. 551  Spranger, S. 32. Ethik als „stetige Kontrollinstanz für die Entwicklung des Rechts“, Kirchhof, in: Kern / Wadle / Schröder / Katzenmeier, S. 933. 552  Spranger, S. 42. 553  Isensee, S. 176. 554  Spranger, S. 40. 555  Vöneky (2010), S. 101 f. 556  Spranger, S. 41 f. 557  von der Pfordten, in: Nida-Rümelin, S. 202 ff., S. 211. 549  von



§ 3 Die Stellung der Person als Patient103

Grundlage umstritten. Manche Ansätze gehen von einer strikten Trennung aus, weshalb die Rechtsgeltung ethisch neutral sei. Nach anderen Ansätzen besteht zwischen ethischer und rechtlicher Normativität eine notwendige Identität. Zwischen diesen beiden Extremen ist ein gemäßigter Ansatz zu verorten, nach welchem sich das Recht zumindest teilweise auf ethische Prinzipien stützen muss oder diesen nicht widersprechen darf, um eingehalten zu werden.558 Zunächst kann festgehalten werden, dass sowohl das Recht als auch die Ethik danach fragen, wie gehandelt werden soll. Das Recht bezieht sich bei der Beantwortung dieser Frage auf das positive Recht, die faktisch geltende Rechtsordnung, während die Ethik Hilfe für sittliche Entscheidungen liefert.559 Dies spricht grundsätzlich gegen eine Verrechtlichung der Moral durch die Integration ethisch begründbarer Sollensnormen in das Recht und für eine Existenz beider Bezugsrahmen nebeneinander. Hierfür spricht auch, dass eine Rationalisierung moralischer Fragen wegen der vielen verschiedenen ethisch-moralischen Positionen oft nicht möglich ist.560 An dieser Stelle kann außerdem festgehalten werden, dass durch die Möglichkeit, Recht ändern und setzen zu können, auch ändernde ethischmoralische Bewertungen herangezogen und berücksichtigt werden können oder ethisch umstrittene Rechtsetzung korrigiert werden kann.561 2. Das Verhältnis zwischen medizinischer Ethik und Patientenrechten in der Biomedizin „Medizinethik, als ein Teilbereich der Ethik, befasst sich mit Fragen nach dem moralisch Gesollten, Erlaubten und Zulässigen im Umgang mit menschlicher Gesundheit und Krankheit.“562 Als Disziplin reflektiert sie die moralischen Fragen und Konflikte im gesamten medizinischen Bereich. Sie umfasst die sittlichen Verbindlichkeiten, die für das gesamte, teils autonome gesellschaftliche System der Medizin, die Patienten inbegriffen, gelten. Ihre Aufgabe ist, die Pluralität ethischer Theorien und moralischer Überzeugungen berücksichtigend, einen ethisch möglichst gut begründeten, die individuellen moralischen Überzeugungen der Betroffenen respektierenden Lösungsweg aufzuzeigen.563 Dabei ist die Medizinethik eine im engeren Sinne 558  Vöneky

(2010), S. 104 ff. in: Kern / Wadle / Schröder / Katzenmeier, S. 931 f. 560  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 344 ff., S. 347. 561  In Anlehnung an van den Daele, in: Bogner, S. 29 ff., S. 45. 562  Schöne-Seifert (2007), S. 10. 563  Marckmann / Bormuth / Wiesing, in: Wiesing, S. 32. 559  Kirchhof,

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1. Teil: Die Stellung der Person

verstandene Bioethik.564 Dieser Begriff der Bioethik unterscheidet sich von ihrem Verständnis als kulturelle Praxis, die den Anwendungsbezug zu der konkreten sozialen Situation herstellt, in der ethische Prinzipien ihre orientierende Kraft entfalten sollen.565 Als Berufsethik stellt sie einerseits die ärztliche Moral im Sinne einer Konkretisierung allgemeiner moralischer Verhaltensnormen dar, die von allen Mitgliedern der Gesellschaft als richtige Verhaltensnormen für Ärzte anerkannt werden.566 Andererseits ist sie auch als Binnenmoral der Ärzteschaft anzusehen, die sich innerhalb dieser Berufsgruppe herausgebildet hat aber nicht als Sonderethik identifiziert werden kann, da sie dem Gesundheitswesen keine außergewöhnlichen Pflichten oder Rechte auferlegt.567 Der Medizinethik ist die Orientierung am Patienten eigen. Sie erklärt das somatische und seelische Wohl des Menschen zur obersten Richtschnur. Dazu kommen als sittliche Minima das Verbot zu schaden und das Recht auf Selbstbestimmung des Patienten.568 Angesichts bestehender neuer medizinischer Handlungsmöglichkeiten kann sich die medizinische Ethik allerdings nicht mehr alleine der Frage widmen, wie die Patientenautonomie geschützt werden kann, sondern muss die neuen Handlungsmöglichkeiten moralisch bewerten.569 Die Verflechtung zwischen der medizinischen Ethik und der rechtlichen Regelung des Umgangs mit Patienten, insbesondere den Patientenrechten, ist zweifelsfrei zu beobachten. Eine Verknüpfung ist bereits in der historischen Entwicklung der Patientenrechte festzustellen. Hierbei kann auf das internationale und nationale ärztliche Standesrecht hingewiesen werden, in welchem die berufsständischen Pflichten des Arztes gründen, die als Ausdruck der Ethik des Arztberufs einzustufen sind und in Berufsordnungen rechtlich kodifiziert werden.570 Speziell auf das internationale Recht bezogen stellt die UNESCO fest: „Human rights law contains provisions that are analogous to the principles that flow from analysis of moral obligations implicit in doctor-patient rela564  Birnbacher,

in: Gosepath / Hinsch / Rössler, S. 141 ff., S. 141. (2012), S. 213. 566  Birnbacher (2006), S. 34; Pieper, S. 36. 567  Höffe, „Medizinische Ethik“, in: ders., S. 192 ff., S. 193. 568  Id. 569  Düwell, S. 13. 570  Siehe auch die frühe Patients’ Bill of Rights der Amerikanischen Kranken­ hausvereinigung, die ausdrücklich als Anerkennung moralischer Rechte formuliert wurde und die vollständige Aufklärung und uneingeschränkte Entscheidungshoheit einsichtsfähiger Patienten verlangte. Abrufbar unter: http: /  / www.aapsonline.org / patients / billrts.htm (Stand: 31.12.2016). 565  Tanner



§ 3 Die Stellung der Person als Patient

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tionships, which is the starting point, for example, of much of the AngloAmerican bioethics literature, as well as the bioethics traditions in other communities.“571 Historisch können bei der Entwicklung der Medizinethik und der Menschenrechte viele Parallelen aufgezeigt werden. Entscheidender Faktor bei der Förderung beider Gebiete war die Linderung menschlichen Leidens. Insbesondere im humanitären Völkerrecht kann die Überlappung gewohnheits- und vertragsrechtlicher Normen mit der medizinischen Ethik aufgezeigt werden, die sich mit der Behandlung der Verletzten, der Zivilbevölkerung und der Gefangenen im Krieg befassen. Prominente Persönlichkeiten, die zur Ausprägung des menschenrechtlichen Normengefüges wesentlich beigetragen haben, waren, wie John Locke, Mediziner oder an der Förderung humanitärer Menschenrechtsnormen aufgrund von Kriegserlebnissen beteiligt, wie Henry Durant.572 Wie auch diese Entwicklung zeigt, gewinnt die Ethik an praktischer Bedeutung in Zeiten der moralischen Unsicherheit oder Uneinigkeit, wie beispielsweise zu Kriegszeiten.573 Eine Verrechtlichung ethischen Sollens ist bei umstrittenen Lebenssachverhalten im Interesse der Rechtssicherheit zu befürworten.574 Ethische Sollensnormen können durch ihre Setzung als allgemeinverbindliche positivierte rechtliche Standards zu einem Gewinn an Objektivität und praktischer Wirkung beitragen.575 Bei den biomedizinischen Fragen moderner Lebenswissenschaften scheint es daher besonders begründet, dass sich das Recht für moralisch-ethische Urteile zusätzlich öffnen oder auf solche stützen soll, wobei der Grad, die Art und Weise und die Reichweite solcher Prozesse weiterer Evaluierung bedarf. Für das Verhältnis zwischen Moral als Gegenstand medizinischer Ethik und dem Recht wird dabei – neben ihrem teils gemeinsamen Ursprung – die generierende und die inkorporierende Beziehung zwischen den beiden besonders relevant.576 Die hohe Bedeutung der ethischen Güter für die Medizin spricht für ihre rechtliche Inkorporierung, wobei eine Berechtigung des Rechts, die Einhaltung bestehender Moralnormen zu gebieten, in Frage gestellt werden kann.577 Sind ethische Grundsätze einmal ins Recht inkorporiert, so kann der Frage nachgegangen werden, inwieweit sie als Teil des 571  UNESCO IBC, Report on Human Gene Therapy, SHS-94 / CONF.011 / 8, Paris, 24.12.1994, IV.1. 572  Faunce, S. 173 ff., S. 174. 573  Schöne-Seifert (2007), S. 10. 574  Spranger, S. 44; von der Pfordten (2011), S. 87, S. 90. 575  Spranger, S. 59. 576  Id., S. 40, S. 42. 577  von der Pfordten (2011), S. 92.

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1. Teil: Die Stellung der Person

positiven Rechts anzusehen sind: Ist ihre Heranziehung als rechtsimmanente und damit als rechtliche Wertung oder als das Recht übersteigende ethische und somit doch als außerrechtliche Wertung anzusehen?578 Werden ethische Grundsätze soweit in das positive Recht inkorporiert, dass sie als rechtsimmanente Bestandteile dieses anzusehen sind, resultiert daraus eine moralische Entlastung der beteiligten Akteure.579 Es bleibt allerdings kritisch zu sehen, inwieweit eine solche Entlastung von Arzt und Patient angesichts der Tatsache gelingen kann, dass viele medizinethische Normen nicht leicht zu kodifizieren sind und ihre Einhaltung schwer zu überprüfen ist. Vor allem das Verhältnis zwischen Arzt und Patient, welches von Respekt, Geduld und Einfühlsamkeit geprägt sein soll, ist nicht leicht in allgemeingültigen rechtlichen Vorschriften abzubilden.580 Medizin ist zwar von besonderer öffentlicher Wichtigkeit581, muss aber im Wesentlichen doch durch moralische Vorgaben gesteuert werden, um dem individuellen Verhältnis zwischen Arzt und Patient gebührend Rechnung zu tragen. Problematisch kann auch die Art und Weise sein, in welcher das Recht mit durch ethische Erwägungen dominierten Prinzipien arbeitet. Ethik und Recht nehmen auf gleiche Konzepte und Begriffe Bezug, welches das Vorliegen eines einheitlichen Begriffsverständnisses oder eines identischen Konzeptes dieser noch nicht sicherstellt.582 Aufgrund des oben beschriebenen Inkorporierungsprozesses wurde die Entstehung – zwar unter verschiedenen Namen und Inhalten – einer eigenständigen Teildisziplin innerhalb der Rechtswissenschaften deklariert, die des Biorechts oder des Rechts der Bioethik. Auszeichnende Eigenschaft dieser Disziplin ist die zunehmende Berücksichtigung der Ethik, die auf verschiedenen Wegen stattfindet.583 Dabei kommt der Ethik eine über die gewohnte norminitiierende und interpretierende Rolle hinausgehende Bedeutung zu. Weiterhin soll es aber Aufgabe der Medizinethik bleiben, „die Überprüfung bestehender oder erwogener Rechtsvorschriften unter moralischen Aspekten und Argumenten zu leisten und somit zu ihrer Beibehaltung oder ihrer Reform beizutragen“.584

578  Id.,

S. 103 f. der Pfordten, in: Nida-Rümelin, S. 220. 580  Schöne-Seifert, in: Nida-Rümelin, S. 690 ff., S. 705. 581  Nielsen, in: Mazzoni, S. 39 ff., S. 42 f. 582  Spranger, S. 11. 583  Id., S. 53 ff. 584  Schöne-Seifert, in: Nida-Rümelin, S. 705. 579  von



§ 3 Die Stellung der Person als Patient107

Die Leistungskraft eines ethisch und rechtlich begründeten Umgangs mit dem Patienten hat trotz Korrelationen und Interdependenzen beider Disziplinen einen Mehrwert, demzufolge sowohl die verflechtende als auch die trennende Beobachtung ethischer und juristischer Fragestellungen auf diesem Gebiet wichtig bleibt. Angesichts dieser Überlegungen ist zudem hervorzuheben, dass der Rechtsethik bei der Analyse medizinethischer und rechtlicher Normen zum Umgang mit Patienten als ein Gebiet, das den ethischen Maßstab des Rechts erforscht585, eine besondere Rolle zukommt, denn die normative Rechtfertigung und Kritik bestehenden und künftigen Rechts unerlässlich bleibt. Eine rechtsethische Analyse der Fragestellungen würde aber den Rahmen der vorliegenden Arbeit erheblich sprengen.

II. Der Patient in der Medizinethik Als Patienten werden Personen in der medizinischen Versorgung bezeichnet.586 Personen, die aufgrund ihres Zustands Versorgung beanspruchen, fehlt in der Regel vor allem eins, die Gesundheit, demnach die Definition des Patienten auch negativ, von der Definition der Gesundheit her, begriffen werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Gesundheit seit 1948 unverändert als „ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“587 Hiermit wendet sich die WHO von dem rein biomedizinischen Aspekt einer Krankheit ab und erweitert den Gesundheitsbegriff auf eine gesunde körperliche und psychische „Balance“. In der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung bildet dieser komplexe Begriff das Grundprinzip der zukünftigen Gesundheitsförderung.588 Dies wurde auch durch die 1997 585  von

der Pfordten (2013), S. 15. hierzu den Standpunkt der WHO unter http: /  / www.who.int / genomics /  public / patientrights / en / # (Stand: 31.12.2016). 587  „Health is a state of complete physical, mental and social wellbeing and not merely the absence of disease or infirmity.“ Präambel der WHO-Verfassung: Constitution of the World Health Organization (WHO) wie angenommen auf der International Health Conference, New York, 19.–22. Juni 1946; unterzeichnet am 22. Juli 1946 durch die Vertreter von 61 Staaten (Official Records of the World Health Organization, no. 2, S. 100), in Kraft getreten am 7. April 1948. Änderungen angenommen von der 26., 29., 39. und 51. Weltgesundheitsversammlung (Resolutionen WHA26.37, WHA29.38, WHA39.6 und WHA51.23), jeweils in Kraft getreten am 3. Februar 1977, 20. Januar 1984, 11. Juli 1994 und 15. September 2005. 588  WHO, Ottawa Charter for Health Promotion, 1986: http: /  / www.who.int / heal thpromotion / conferences / previous / ottawa / en /  (Stand: 31.12.2016). 586  Siehe

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1. Teil: Die Stellung der Person

verabschiedete Jakarta-Erklärung, die sich mit der Gesundheitsförderung im 21.  Jahrhundert auseinandersetzt, bestätigt.589 An dieser sehr weitgehenden Bestimmung wurde begrüßt, dass sie „Krankheit nicht einfach auf naturwissenschaftlich beschreibbare Dysfunktionen reduziert, sondern auch psychische und soziale Ursachen berücksichtigt“.590 Obwohl die Formulierung sehr vage ist, bringt sie den Einfluss einer Krankheit auf das gesamte Leben und Wohlbefinden einer Person gut zum Ausdruck.591 In der Literatur wurde dieser Gesundheitsbegriff aber auch weitläufig kritisiert, weil er „Gesundheit“ als Zustand definiert. Die Einstufung eines menschlichen Zustands als entweder „gesund“ oder „krank“ entspricht jedoch nicht den Erfahrungen eines menschlichen Lebens.592 Weiterhin wird argumentiert, dass der Zustand dauerhaften, vollständigen Wohlbefindens eine unerreichbare „Utopie“ sei, da mit den meisten menschlichen Tätigkeiten ein gewisses Maß an Belastung einhergeht.593 Nach der Definition der WHO ergäbe sich das untragbare Ergebnis, dass alle Menschen, die diesen dauerhaften Zustand nicht erreichen, als krank einzustufen wären.594 Wenn zudem die Bekämpfung von Krankheiten Aufgabe der Medizin ist, gäbe es kaum noch einen Lebensbereich, für den sie nicht für zuständig erklärt werden könnte: Sie müsste grundsätzlich alle ökologischen und sozialen Ursachen des Fehlens von Wohlergehen bekämpfen. Dies hätte eine unerwünscht umfassende Medikalisierung zur Folge.595 Der Krankheitsbegriff verbindet deskriptive und normative Funktionen. Er ist keine objektive Größe, ihm liegen vielmehr Werturteile zugrunde, die an den jeweiligen soziokulturellen Kontext gebunden sind. Nach der herkömmlichen Auffassung soll der Begriff nicht nur physische, psychische, soziale und kulturelle Elemente vereinen, sondern auch operationalisierbar sein. Die Selbsteinschätzung des durch Krankheit betroffenen Menschen als hilfsbedürftig – aktuell oder zukünftig – aufgrund subjektiven schlechten Befindens ist ein wichtiges, aber nicht alleinstellendes Element der Definition. 589  WHO, Jakarta Declaration on Leading Health Promotion into the 21st Century, 1997: http: /  / www.who.int / healthpromotion / conferences / previous / jakarta / decla ration / en /  (Stand: 31.12.2016). 590  Düwell, S. 222. 591  Riedel, in: Wolfrum, Rn. 29. 592  Dibelius / Uzarewicz, S. 92. 593  Fichten, in: ders. / Rieforth, S. 11 ff., S. 16 ff. 594  Stichwort „Gesundheit“ und „Krankheit“: Verschiedene Definitionen, in: Academic Universal-Lexikon, http: /  / universal_lexikon.deacademic.com / 243157 / Gesund heit_und_Krankheit%3A_Verschiedene_Definitionen (Stand: 31.12.2016). 595  Düwell, S. 222.



§ 3 Die Stellung der Person als Patient109

Neben der Definition der WHO legen weitere Bestimmungen eine Verbindung zwischen Gesundheit und einer gesunden Lebensführung nahe oder interpretieren die Gesundheit als einen Zustand, der dem höchsten erreichbaren physischen und mentalen Wohlbefinden entspricht.596 Damit kann zwar eine Beschreibung aufgrund von Merkmalskomplexen vermieden werden, die Orientierung des auf solchen Komplexen bezogenen Handelns wird aber impliziert. Demzufolge bleibt der Begriff unumgänglich von einer gewissen Normativität geprägt.597 Die Bestimmungen, die versuchen, den Gesundheitsbegriff möglichst von einer normativen Vorstellung zu trennen, können letztendlich nicht ganz erfolgreich sein.598 Da der Gesundheitsbegriff nicht die notwendige Operationalisierbarkeit besitzt, um bei der Bestimmung der Patientenstellung behilflich zu sein, wird nachfolgend nicht auf ihn abgestellt. Zunächst gilt es zu beachten, was Personen als Patienten angesichts ihrer fehlenden Gesundheit auszeichnet. Das Leben und die körperliche Unversehrtheit, das heißt die leiblichen Aspekte des Personenseins kommen in der Medizin herkömmlich als bestimmende Elemente zum Tragen. Der Patient leidet unter physischen oder psychischen, das heißt leiblichen Beschwerden und der überwiegende Teil des Selbstbezugs wird somit gewöhnlich auf den eigenen Körper fokussiert. Demnach soll untersucht werden, auf welche Aspekte einer Person und des Umgangs mit ihr in der Medizinethik angemessen abgestellt werden kann, um ihre Stellung als normativ-raumzeitliches Wesen und als Patient konkretisieren zu können. Hierfür sollen zwei Zugänge dargestellt werden: einerseits die bisher erfolgreichste medizinethische Theorie, die Prinzipientheorie und andererseits die Modellierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. 1. Prinzipientheorie in der Medizinethik Die Vielfalt der biomedizinisch-ethischen Theorien hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Einer dieser Theorien, der vier-PrinzipienTheorie von Tom L. Beauchamp und James F. Childress, wird eine oft umstrittene599, aber besondere Rolle eingeräumt. Sie genießt die größte Akzeptanz unter den gegenwärtigen medizinischen Ethiken. An dieser Stel596  Committee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment No.14 – The Right to the Highest Attainable Standard of Health (Article 12) [UN Doc E / C.12 / 2000 / 4, [2001] ESCOR Supp 2, 128], para 3–4; in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 IPwskR, welcher das Recht auf Gesundheit formuliert. 597  Lanzerath / Honnefelder, in: Düwell / Mieth, S. 51 ff., S. 51. 598  Eckart, S. 300. 599  Düwell, S. 95.

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1. Teil: Die Stellung der Person

le soll sie deshalb Gegenstand der Analyse sein, weil sie sich im Vergleich zu den anderen medizinethischen Theorien zunehmend als Orientierungshilfe für den Umgang mit Patienten herausstellt.600 Ziel der Vier-Prinzipien-Theorie ist, die Unterscheidungen der Äquivalenz- und Nicht-Äquivalenz-Theorien zu überwinden und eine übergreifende Vorstellung für den Umgang mit Patienten zu entwickeln. Beauchamp und Childress schlagen angesichts ungelöster moralphilosophischer Grundlagenkontroversen vor, sich an solchen Prinzipien zu orientieren, die mit verschiedenen Moraltheorien vereinbar sind und somit durch die Aufgabe eines einzigen obersten Moralprinzips weitgehend konsensfähig sind.601 Sie rekonstruieren vier nicht-hierarchische Prinzipien mittlerer Reichweite, die an moralische Alltagsüberzeugungen anknüpfen und somit partielle Konsense verkörpern und das ärztliche Handeln leiten sollen602: das Prinzip des Respekts vor der Autonomie, das Prinzip des Nichtschadens, das Prinzip des Wohltuns und das Prinzip der Gerechtigkeit.603 Stärke und zugleich Schwäche dieser Theorie ist, dass eine Gewichtung der Prinzipien im Sinne eines systematischen Verhältnisses nicht vorgegeben wird.604 Dies erlaubt einerseits eine fallbezogene Interpretation und Zugänglichkeit für verschiedene moralische Überzeugungen. Andererseits geht diese Flexibilität mit einer eingeschränkten Lösungskapazität einher; die fehlende Gewichtung der Prinzipien lässt bei der Lösung konkreter Fälle viel Raum für subjektive Abwägungen, demzufolge in schwierigen moralischen Konfliktsituationen genau die Unterstützung durch ethische Orientierung ausbleibt.605 Auf diese Kritik hin haben Beauchamp und Childress ihre Theorie weiterentwickelt und sie als zunehmend kohärentistische Theorie darzustellen versucht, deren normativer Rahmen die Kohärenz der Prinzipien mit anderen Aspekten des moralischen Lebens bildet.606 Zudem haben sie die kohärente Spezifizierung als Brückenschlag zwischen abstraktem Prinzip und konkreter Problematik erläutert sowie eine Vorstellung der allgemein geteilten Moral („common morality“) ausgearbeitet.607 Ihr Ansatz soll keine vereinheitlichende Theorie werden, vielmehr soll sie lediglich Entschei600  Vgl. eine Übersicht über die bioethischen Strömungen bei Spranger, S. 18 ff. und bei Düwell, S. 61 ff. 601  Marckmann / Bormuth / Wiesing, in: Wiesing, S. 32 f. 602  Id., S. 33. 603  Beauchamp / Childress, S. 57 ff. 604  Schöne-Seifert (2007), S. 32. 605  Marckmann / Bormuth / Wiesing, in: Wiesing, S. 35 f. 606  Beauchamp / Childress, S. 405. 607  Id., S. 403 ff.; Schöne-Seifert, in: Nida-Rümelin, S. 34 ff.



§ 3 Die Stellung der Person als Patient111

dungshilfe in Form von Bestandteilen eines moralischen Kodexes bieten und somit den Umgang und die Lösungsfindung moralischer Probleme vorantreiben.608 Zu Recht wird eine Eliminierung der Streitigkeiten zwischen verschiedenen Theorien in diesem Ansatz kritisiert.609 Dies kann unter anderem dazu führen, dass eine kritische Beleuchtung gesellschaftlich-kultureller Tendenzen aufgegeben wird, was elementarer Teil jeder ethischen Reflexion sein sollte.610 Gleichermaßen wird der Spezifizierungs- und Gewichtungsbedarf dieser Theorie kritisiert. Die Prinzipien bedürfen trotz Alltagsplausibilität einer inhaltlichen Anreicherung und interpretierenden Umsetzung, um zu einer konkreten Entscheidung führen zu können, wobei die Prinzipien selbst den Vorgang der Spezifizierung, eine innertheoretische Ableitungsbeziehung bei konfligierenden Prinzipien inbegriffen, nicht leisten können.611 Weniger also eine fehlende Letztbegründung, vielmehr die Tatsache, dass die Prinzipien nicht ausreichen, um die Charakteristika des Patientenseins aufgrund einer Personenstellung als normatives und raumzeitliches Wesen überzeugend zu klären und konkrete Handlungen für den Umgang mit Patienten unmittelbar einzuleiten, ist für die medizinische Praxis relevant.612 Der Komplexität der moralischen Überzeugungssysteme am meisten gerecht613 und gleichzeitig operationalisierbar wird die Stellung des Patienten in der Medizinethik in der Beziehung zum Arzt. 2. Modelle der Arzt-Patienten-Beziehung in der Medizinethik Die fehlende Gesundheit macht eine Person noch nicht zum Patienten. Hierfür ist es notwendig, dass der Betroffene erst einmal überhaupt in die medizinische Versorgung gerät.614 Beansprucht der kranke Mensch Gesundheitsversorgung, tritt er in der Regel in ein Verhältnis mit dem Arzt. In diesem Verhältnis werden körperliche Aspekte traditionell nicht nur als Voraussetzung, sondern als bestimmende Elemente der Persönlichkeit artikuliert. Um die Stellung des Patienten in diesem Verhältnis über seine körperlichen Gegebenheiten hinaus zu 608  Clouser / Gert,

S. 219 ff., S. 222 ff. S. 31. 610  Reitz, in: Rauprich / Steger, S. 416 ff., S. 437. 611  Wiesing, in: Rauprich / Steger, S. 74 ff., S. 77 f. 612  Ähnlich, aber allgemein in Bezug auf neue Herausforderungen der modernen Medizin feststellend Wiesing, in: Rauprich / Steger, S. 82. 613  Nida-Rümelin, in: ders., S. 2 ff. 614  Taupitz, in: Brugger / Haverkate, S. 83 ff., S. 83. 609  Düwell,

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1. Teil: Die Stellung der Person

skizzieren, sind zuerst die Sondermerkmale und Interpretationen des ArztPatienten-Verhältnisses aufzuzeigen. Arzt und Patient befinden sich in einem asymmetrischen Verhältnis.615 Dies liegt daran, dass sich ihr Kenntnisstand und ihre Urteilsfähigkeit grundlegend unterscheiden.616 Der Arzt verfügt aufgrund seiner Ausbildung und Berufspraxis über Wissen, welches der Patient nicht hat. Er setzt sich außerdem professionell, von der ärztlichen Berufsethik geprägt, mit der Krankheit auseinander. Die Auseinandersetzung mit der Krankheit ist für den Patienten dagegen eine lebensbestimmende Konfrontation. Sein besonderes Vertrauen, das er seinem behandelnden Arzt entgegenbringt, prägt das Verhältnis in einer Art, die weit über die normalerweise in (Rechts)Verhältnissen bestehende Interessenlage zwischen Personen hinausgeht.617 Es entsteht trotz der zunehmenden Informationsmöglichkeiten der Patienten beispielsweise über das Internet ein Machtungleichgewicht. Es ist Aufgabe der Ethik und des Rechts, das Gleichgewicht zwischen den Akteuren wiederherzustellen.618 Normative Implikationen der Beziehung zwischen Arzt und Patient führen zu unterschiedlichen Interpretationsmodellen.619 Es wird zwischen dem paternalistischen Modell, dem informativen Modell, dem interpretativen oder dem Vertragsmodell und dem Partnerschaftsmodell unterschieden. Das paternalistische Modell620 ist das ursprüngliche hippokratische Modell621, in dem eine weitgehende Fürsorgepflicht des Arztes bestimmend ist.622 Die Aufgabe des Arztes, das Patientenwohl zu fördern, hat Vorrang 615  Eckart,

S. 324. als auf Not basierende, bilaterale Verpflichtungen schaffende Beziehung bei Maclean, S. 77. 617  Janda, S. 123; Kluth, in: Wienke / Dierks / Deutsche Gesellschaft für Medizin und Recht, S. 29 ff., S. 39. Maclean, S. 93; das Vertrauen auch als Pflicht, den Arzt als betreuenden und fürsorglichen Experten zu respektieren: id., S. 97. 618  Jones, S. 103 ff., S. 129. 619  Wolff, in: Sass, S. 184 ff., S. 205 ff.; Schöne-Seifert (2007), S. 88 ff., Krones / Richter, in: Schulz / Steigleder / Fangerau et al., S. 94 ff., S. 95; Emanuel / Emanuel, in: Wiesing, S. 107 ff. 620  Zur Unterscheidung verschiedener Stufen von Paternalismus siehe Feinberg, S. 105 ff.; Für weitere Kritik, den Patienten in dem treuhänderischen Verhältnis als „Opfer“ bezeichnend: Kennedy, in: Birks, S. 111 ff., S. 139 f. 621  Boyd, in: McLean, S. 29 ff., S. 31 ff. 622  „Perform all this calmly and adroitly, concealing most things from the patient while you are attending to him. Give necessary orders with cheerfulness and serenity, turning his attention away from what is being done to him; sometimes reprove sharply and emphatically, and sometimes comfort with solicitude and attention, revealing nothing of the patient’s future or present condition.“ Hippocrates, Decorum xvi, zitiert in: Gracia, in: ten Have / Gordijn, S. 26. 616  Verhältnis



§ 3 Die Stellung der Person als Patient113

vor dem Patientenwillen und erstreckt sich auch auf künftige Befindlichkeiten.623 Das informative Arzt-Patienten-Modell besagt, dass der Patient selbst über medizinische Maßnahmen entscheidet. Der Arzt hat die medizinischen Fakten dem Patienten in angemessener Form zu vermitteln, um ihm eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Hierbei dürfen die persönlichen Wertvorstellungen des Arztes keine Rolle spielen.624 Das Vertragsmodell stellt die Interaktion zwischen Arzt und Patient dagegen als Dienstleistung dar, in deren Rahmen für das ärztliche Handeln der aktuelle Wille des Patienten leitend fungiert.625 Der Wille genießt vor dem Patientenwohl auch dann Vorrang, wenn der Wille offensichtlich und nach ärztlichen Standards nicht wohlfördernd ist.626 Der Unterschied zwischen dem informativen Modell und dem Vertragsmodell ist, dass im ersten dem Arzt die persönlichen Wertvollstellungen des Patienten bekannt sind, während im zweiten diese gemeinsam eruiert werden. Die Wahrung der Patientenautonomie bedeutet dem Vertragsmodell zufolge somit auch die Ermöglichung einer Selbsterkenntnis des Patienten.627 Der Patient wird erst in dem partnerschaftlichen Modell (partizipative Entscheidungsfindung, shared decision-making628), das eine Weiterentwicklung des Vertragsmodells ist, explizit als normativ-raumzeitliches Wesen verstanden. Dieses Modell basiert auf der Kritik der beiden ersten Modelle, in denen das Arzt-Patienten-Verhältnis hauptsächlich auf den Akt der Zustimmung in eine Behandlung, auf die Einwilligung, reduziert wird.629 Im partnerschaftlichen Modell ist es nicht nur Aufgabe des Arztes, dem Patienten Informationen zur Verfügung zu stellen, sondern ihm auch dabei zu helfen, sich über seine Ziele und Wünsche klar zu werden, diese zu artikulieren, zu bewerten und in einen Handlungsplan umzusetzen. Somit wird der Patient nicht nur als informations-, sondern auch als beratungsdürftige Person angesehen.630 Die Beratung und die Informationsgabe sollen allerdings ohne „steuernde Einflussnahme“ erfolgen.631 Wichtiges Ergebnis dieses Modells ist, dass der Patient auf Grund seiner menschlich-personellen 623  Emanuel / Emanuel,

in: Wiesing, S. 107 f.; Maclean, S. 52. in: Wiesing, S. 108. 625  „Voluntas aegroti suprema lex.“ 626  Hierbei ist anzumerken, dass bereits das Gefühl der Selbstbestimmung zum relativen Wohlbefinden des Patienten beitragen kann. Schöne-Seifert (2007), S. 56. 627  Emanuel / Emanuel, in: Wiesing, S. 109 f. 628  Maclean, S. 122 ff., S. 129 ff. Elwyn / Frosch / Thomson et  al., S. 1361 ff. 629  Brownsword, S. 223 ff. Manson / O’Neill, S. 10, S. 80. Siehe auch zur „relationalen Autonomie“ Donchin, S. 365 ff. Zur personalen Autonomie als Resultat interpersonaler Beziehung Christman, insbes. S. 164 ff. 630  Thiele, in: Joerden / Hilgendorf / ders., S. 557 ff., S. 560 f. 631  Schöne-Seifert (2007), S. 44. 624  Emanuel / Emanuel,

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1. Teil: Die Stellung der Person

Qualifikation zwar Partner wird, diese Statusaufwertung aber im Bereich des medizinisch-diagnostischen Fachwissens nicht gilt. Hier besteht weiterhin ein Übergewicht des Arztes, der in diesem Bereich seine besondere Verantwortung im Prinzipiengefüge des Nichtschadens, der Fürsorge und der Gerechtigkeit wahrnehmen muss.632 Somit wird aber die Autonomie des Patienten nicht als Gegensatz zum ärztlichen Behandlungsauftrag, sondern als Apell an den Arzt zum rechtzeitigen Diskurs mit dem Patienten verstanden.633 Dieser Diskurs wird als Prozess interpretiert, der immer nur zwischen konkreten, in ihrer Individualität anzuerkennenden Personen verläuft, der dem Ziel der Befähigung und Stärkung des Patienten dient und in dem es angesichts der Vulnerabilität des Patienten auch akzeptabel ist, wenn dieser von Ratschlägen der medizinischen Experten abhängig ist.634 Arzt und Patient begegnen aber einander als gleichberechtigte Partner, die jeweils für sich relevantes Expertenwissen (medizinisches Wissen versus biographisches Wissen und persönliche Wertvorstellungen) mitbringen.

III. Die Stellung des Patienten im System der verrechtlichten Menschenrechte 1. Überblick über die Begründung und Entwicklung der Patientenrechte Patienten sind – wie alle Individuen – Träger von Rechten und Pflichten im System der Menschenrechte.635 Die besondere rechtliche Position von Patienten basiert auf ihrem – in der Regel temporären – Zustand, in welchen sie wegen ihrer Krankheit geraten. Erstens kann diese neue Situation Umstände von Schutzbedürftigkeit hervorbringen, die die Ausübung von Rechten und Freiheiten, zu denen Patienten unabhängig von ihrer Krankheit berechtigt sind, einschränken oder verhindern. Zweitens kann die Situation des Krankseins die Anerkennung von speziellen, mit diesem Zustand unmittelbar verbundenen Rechten und Freiheiten notwendig machen.636 Forderun632  Bobbert,

S. 137 ff., S. 148 ff. in: Brugger / Haverkate, S. 132. 634  Rössler, Vom Sinn der Krankheit, in: Voigt, S. 211 ff., S. 226; die Unterschrift des Patienten als Ausdruck des Vertrauens, Vertrauen als „akzeptierte Abhängigkeit“: Rössler, Zwischen Krankheit und Gesundheit, in: Voigt, S. 119 ff., S. 130, S. 135. 635  In diesem Abschnitt wird auf eine Unterscheidung zwischen Menschenrechten und völkerrechtlichen Individualrechten nicht eingegangen. Vgl. thematisch § 8 IV. Siehe ausführlich dafür plädierend Peters, S. 387 ff. Siehe zudem die Analyse von Bernd Grzeszick am Beispiel des LaGrand-Urteils, Grzeszick, S. 312 ff., insbes. S.  329 ff. 633  Taupitz,



§ 3 Die Stellung der Person als Patient

115

gen, patientenspezifische Rechte anzuerkennen, um an erster Stelle Diskriminierung zu verhindern und die Implementierung solcher Rechte voranzutreiben sind vergleichbar mit früheren Forderungen bezüglich schutzbedürftiger Gruppen auf internationaler Ebene.637 Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Verhinderung des Missbrauchs von Probanden in der medizinischen Forschung zentrales Thema. Bereits im Nürnberger Kodex wurde 1947 niedergelegt, dass die freiwillige, persönliche Zustimmung ein unbedingtes Erfordernis für alle medizinischen Versuche am Menschen zu sein habe.638 Obwohl der Kodex nicht den Charakter eines internationalen Rechtsinstrumentes hat, verfügt er über einen maßgeblichen Orientierungswert für die nachfolgenden internationalen Dokumente zur Medizinethik. Aufgedeckte Forschungsskandale in den sechziger Jahren führten dazu, die Forderungen des Nürnberger Kodexes nach der informierten Einwilligung in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten zu rücken.639 Das Konzept des Informed Consent als Instrument des Schutzes der Person vor Fremdbestimmung und körperlichen Schädigungen geht aus einem langen Diskussionsprozess hervor.640 Der bedeutendste Meilenstein der Implementierung in die medizinische Praxis war die Verabschiedung der Deklaration von Helsinki durch den Weltärztebund 1964.641 Sie schafft hohe Maßstäbe für die explizite und spezifische Einwilligung in die medizinische Forschung (Art. 20 und 22 Helsinki-Deklaration). Diese Maßstäbe wurden später in die klinische Versorgungspraxis übernommen.642 Während der 1980er und 1990er Jahre forderten verschiedene neue medizinische Technologien und ihre Auswirkungen einen erweiterten Schutz des Patienten am Beginn und am Ende des menschlichen Lebens. Dabei blieb 636  Romeo-Casabona,

in: den Exter, S. 159 ff, S. 159. nur die UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, (angenommen am 18. Dezember 1979, in Kraft getreten am 3. September 1981) 1249 UNTS 13 und die UN Convention on the Rights of the Persons with Disabilities, 13. Dezember 2006, A / Res / 61 / 106. 638  Agreement for the Prosecution and Punishment of Major War Criminals of the European Axis, and establishing the Charter of the International Military Tribunal, 82 UNTS 279, UN Reg No II-251, EAS No 472, 59 Stat 1544, 3 Bevans 1238, Annex, The Nuremberg Charter, Nr. 1. 639  Maio, S. 31 ff. 640  Faden / Beauchamp, S. 53 ff. Grundlegend zur Entwicklung des Informed Consent: Veatch (1997). Eine grundlegende Einführung gibt Pozgar, S. 313 ff.; über neue Herausforderungen ebenfalls Beauchamp, S. 515 ff. 641  World Medical Association (WMA), Declaration of Helsinki. Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects (angenommen Juni 1964, letzte Revision Oktober 2013), 54 The World Medical Journal 122. 642  Zum Status der Deklaration siehe Mehring, S. 360 ff. 637  Vgl.

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1. Teil: Die Stellung der Person

stets das Ziel, den klassischen Menschenrechtsschutz für das Gebiet der Medizin und der Biologie zu bekräftigen und klarzustellen, auch hier kann es keinen abgestuften moralischen Status von Menschen geben.643 Es galt, Würde und Identität des menschlichen Individuums gegen die neuen biomedizinischen Herausforderungen zu verteidigen. Die Idee der Menschenwürde, bisher lediglich ein geschriebenes Prinzip, erfuhr eine Aufwertung. Sie wurde durch die Vorrangklausel konkretisiert, der zufolge dem Interesse des Individuums Vorrang gegenüber den Interessen der Gesellschaft oder der Wissenschaft einzuräumen ist. Weitere Klauseln verpflichteten den Staat, einen öffentlichen Dialog über biomedizinische Fragen zu fördern, da die dynamische biomedizinische Entwicklung Verständigung über diese Fragestellungen auf gesellschaftlicher Ebene verlangte.644 Auf nationalen Ebenen wurden neue Tabuzonen entwickelt wie zum Beispiel das reproduktive Klonen; nicht selten wurden neue Grundrechtstypen geschaffen.645 Die Erweiterung der medizinisch-technischen Möglichkeiten des Eingriffs in den menschlichen Körper wie Schwangerschaftsabbruch, Embryonenforschung, Präimplantationsdiagnostik, Euthanasie und die Kommerzialisierung des Körpers brachte eine weitere Spezifizierung der Stellung der Patienten in den 1990er Jahren. Seit Ende der 1990er Jahre hat zudem aufgrund der Entwicklung neuer Technologien wie die des Klonens, der genetischen Eingriffe und der wunscherfüllenden Medizin nicht mehr nur der Schutz des Individuums die Debatten dominiert, sondern auch der Schutz der Identität der menschlichen Gattung.646 2. Internationale und regionale Kodifikationen der Patientenrechte a) Internationale Ebene Für die Stellung der Person als Patient auf internationaler Ebene sind sowohl Konventionen und Verträge als auch nicht verbindliche Erklärungen und Deklarationen relevant. Die Instrumente umfassen einerseits solche, die mit dem Patientenzustand mittelbar verbunden sind, aber aufgrund der Schutzbedürftigkeit besonders bedeutende Rechte beinhalten. Sie leisten zunächst vor allem die Sicherung von Menschenrechten, deren Genuss für den Patient eines zusätzlichen Schutzes bedarf. Die Instrumente umfassen andererseits auch solche, die spezifische Rechte, Freiheiten oder Prinzipien 643  Braun

(2000), 196 f. (2006), S. 5 f. 645  Id., S. 6. 646  Gesamtüberblick über die thematische Entwicklung der Bioethik in Bezug auf die Menschenwürde: Andorno / Düwell, in: Joerden / Hilgendorf / Thiele, S. 466 ff. 644  Müller-Terpitz



§ 3 Die Stellung der Person als Patient117

beinhalten. Hierbei ist anzumerken, dass die Voraussetzung für die Durchsetzung von spezifischen Patientenrechten zuerst oft die Sicherung des Rechts auf Gesundheit ist. Dieses Recht erlaubt es, erst ins System der Gesundheitsversorgung aufgenommen und ein Patient zu werden. Auf internationaler Ebene ist für Patienten einerseits der Schutz durch politische Verfahren („Charta-based“) relevant. Die UN-Charta selbst stellt in verschiedenen Artikeln die Gesundheit in den Mittelpunkt. Artikel 13 verortet auch die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesundheit durch Empfehlungen und Untersuchungen im Aufgabenbereich der Generalversammlung. Artikel 55 fordert Lösungen für internationale, gesundheitsrelevante Probleme, Artikel 62 identifiziert die internationalen Angelegenheiten der Gesundheit als Verantwortungsbereich des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC). Die AEMR deklariert in Artikel 25 Abs. 1 jedermanns Recht auf einen Lebensstandard, der ihm und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet. Relevant für die Stellung von Patienten sind auch Artikel 2, der Diskriminierung verbietet, Artikel 3, der das Recht auf Leben sichert, Artikel 5, der jegliche erniedrigende Behandlung untersagt und Artikel 12, der die Privatsphäre schützt. Seit der Annahme der AEMR haben verschiedene Organisationen der UN gesundheitsrelevante Themen und somit Themen, die für die Stellung der Person in der Medizin von Bedeutung sind, aufgegriffen. Hierbei sind nicht zuletzt die Resolutionen der UN-Generalversammlung zu erwähnen, die sich unterschiedlichen, auch für die Medizin wichtigen Aspekten der Stellung der Person im System der Menschenrechte widmen.647 Sonderagenturen der Vereinten Nationen wie die UNESCO und die WHO haben sich in den letzten Jahren auch dem Patientenstatus in völkerrechtlich nicht bindenden Rechtsakten gewidmet. An erster Stelle bei der Entwicklung von spezifischen Standards für den Schutz der Patienten im Allgemeinen ist die UNESCO zu erwähnen. Die Deklaration der UNESCO über die Bioethik und Menschenrechte 2005 stellt zwar kein verbindliches Völkerrecht dar, sondern gehört zum Soft Law648, sie ist aber das erste völkerrechtliche Dokument, das globale Standards für Medizin und Lebenswissenschaften zu implementieren versucht.649 Bewusst wird in der Deklaration 647  Riedel,

in: Wolfrum, Rn. 10. ausführlichen Darstellung von Soft Law siehe § 7 III. 649  „Resolving that it is necessary and timely for the international community to state universal principles that will provide a foundation for humanity’s response to the ever-increasing dilemmas and controversies that science and technology present for humankind and for the environment,“ Präambel Nr. 4, UNESCO, Universal Declaration on Bioethics and Human Rights vom 19. Oktober 2005, Records of the UNESCO General Conference, 33rd Session, Paris, 3.–21. Oktober 2005, S. 74 ff. (33 C / Resolution 36). 648  Zur

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1. Teil: Die Stellung der Person

kein spezifisches Thema festgelegt, da nicht eine besondere Technik oder eine neue biomedizinische Praxis Grund für die Verabschiedung der Deklaration war, sondern Besorgnisse über die Entwicklung der Biomedizin im Allgemeinen.650 Der größte Erfolg der Deklaration ist es, Fragen der Medizin und Biotechnologie international zu Gehör zu bringen, denn die Bioethik und die Debatten rund um sie nun als Forum für Sorgen über Risiken und als Katalysator für politische Ziele wirken können.651 Durch die Einbindung in den menschenrechtlichen Referenzrahmen werden die biomedizinischen Prinzipien in einen größeren juristischen Textkorpus integriert. Das Schutzobjekt, das menschliche Lebewesen, wird in der Erklärung zwar nicht näher definiert, eine Stellung des Menschen als ethisch-leibliches Wesen wird aber ersichtlich. Bereits in der Präambel wird auf die für diese Stellung entscheidenden Charakterzüge des Menschen abgestellt. Er wird als vernünftiges, ethisches und daher auch als verantwortliches Wesen durch vielseitige Dimensionen seiner Identität und im Verhältnis zu anderen und der Welt beschrieben.652 Die ausführliche Analyse der Deklaration, zusammen mit der Analyse weiterer Deklarationen, wird in § 7 geleistet. Die Arbeit der WHO zeichnet sich vor allem durch die Entwicklung von politischen Programmen und Strategien aus. Die politikorientierten und technischen Ansätze stellen die Mehrzahl der Maßnahmen dar.653 An der operativen Arbeit ist im Wesentlichen die Weltgesundheitsversammlung beteiligt. Frühe patientenrelevante Kodifikationen sind im Allgemeinen die 650  Byk,

in: Hocking, S. 175 ff., S. 175. S. 177. 652  „… im Bewusstsein der einzigartigen Fähigkeit der Menschen, über ihr eigenes Dasein und über ihre Umwelt nachzudenken, Ungerechtigkeit zu empfinden, Gefahren zu vermeiden, Verantwortung zu übernehmen, Zusammenarbeit anzustreben und moralisches Empfinden zu zeigen, das ethischen Grundsätzen Ausdruck verleiht,“ – „Conscious of the unique capacity of human beings to reflect upon their own existence and on their environment, to perceive injustice, to avoid danger, to assume responsibility, to seek cooperation and to exhibit the moral sense that gives expression to ethical principles,“ (Nr. 1 Präambel). „… in dem Bewusstsein, dass die Menschen ein integraler Bestandteil der Biosphäre sind und ihnen eine wichtige Rolle beim gegenseitigen Schutz und bei dem Schutz anderer Lebensformen, insbesondere der Tiere, zukommt;“ – „Aware that human beings are an integral part of the biosphere, with an important role in protecting one another and other forms of life, in particular animals,“ (Nr. 11 Präambel). „… ferner in dem Bewusstsein, dass die Identität einer Person biologische, psychologische, soziale, kulturelle und spirituelle Dimensionen beinhaltet;“ – „Also bearing in mind that a person’s identity includes biological, psychological, social, cultural and spiritual dimensions,“ (Nr. 16 Präambel). 653  Andorno, Global Bioethics (2007), S. 150 ff., S. 152. 651  Id.,



§ 3 Die Stellung der Person als Patient119

Deklaration Alma-Ata 1978 und die WHO-Verfassung 1946.654 Die WHO beschäftigt sich gegenwärtig sowohl mit umfassenden gesundheitsrelevanten Themen unter Stichworten wie Menschenrechte, Patientensicherheit oder Biotechnologie als auch mit spezifischen, technikbezogenen Themen wie Klonen oder Genetik. Innerhalb dieser Themenbereiche befasst sich die WHO oft zusätzlich mit der spezifischen Stellung der Patienten.655 Die Ergänzung und Überlappung der Arbeiten beider Sonderorganisationen wird ebenfalls in § 7 thematisiert. Rechte, welche für die Stellung von Patienten relevant sind, werden auf internationaler Ebene auch in juristischen Verfahren gewährleistet und geschützt. Diese bauen auf völkerrechtlichen Verträgen auf, demnach besitzen sie eine größere Verbindlichkeit. Der IPwskR 1966 schützt durch Artikel 12 das Recht auf Gesundheit, welches auch die Schaffung der Voraussetzungen beinhaltet, für jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und ärztlicher Betreuung sicherzustellen. Für die Stellung der Person während der ärztlichen Betreuung sind neben der Anerkennung der Menschenwürde und Freiheit das Diskriminierungsverbot (Art. 2 Abs. 2 IPwskR) und das Teilhaberecht an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendungen (Art. 15 Abs. 1 b IPwskR) besonders relevant. Die Auslegung dieser Artikel wird vom UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte geleistet. Neben einem Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Gesundheit hat der Ausschuss bisher auch Kommentare zur Stellung von behinderten und von älteren Menschen sowie zur Diskriminierung verabschiedet.656 Der IPbpR 1966 nimmt auf die Stellung der Patienten mittelbar Bezug durch den Schutz des Lebens in Artikel 6 und durch das Verbot von Folter und erniedrigender Behandlung in Artikel 7, welches insbesondere das Verbot der Unterwerfung medizinischer oder wissenschaftlicher Versuche ohne freiwillige Zustimmung beinhaltet. Zahlreiche Artikel zählen die Gesundheit der Bevölkerung als Einschränkungsgrund anderer Rechte auf. Artikel 17 schützt die Privatsphäre. 654  WHO, Declaration of Alma-Ata: http: /  / www.euro.who.int / __data / assets / pdf_ file / 0009 / 113877 / E93944.pdf (Stand: 31.12.2016). Constitution of the World Health Organization (1. Teil, Fn. 587). 655  Vgl. die Webseite der WHO: http: /  / www.who.org (Stand: 31.12.2016). 656  Committee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment No. 5 – Persons with Disabilities (25. November 1994), ESCOR [1995] Supp 3, 110; General Comment No. 14 – The Right to the Highest Attainable Standard of Health (Article 12) [UN Doc E / C.12 / 2000 / 4, [2001] ESCOR Supp 2, 128]; General ­Comment No. 6 – The Economic, Social and Cultural Rights of Older Persons (24.  November 1994), ESCOR [1996] Supp 2, 107; General Comment No. 20 – Non-Discrimination in Economic, Social and Cultural Rights (Art. 2 para. 2) (2. Juli 2009) UN Doc E / C.12 / GC / 20.

120

1. Teil: Die Stellung der Person

Das Kontrollorgan des Paktes, das Menschenrechtskomitee hat in seinen 20. und 21. Kommentaren bereits patientenrelevante Themen angerissen.657 Unter den internationalen Menschenrechtsinstrumenten sind noch weitere, hier ausführlich nicht zu erleuternde Instrumente für die Stärkung der Menschenrechte auch im Rahmen der Stellung des Patienten als Person relevant.658 b) Regionale europäische Ebene Grunddokument der Stellung des Patienten als Person auf europäischer Ebene ist die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarates.659 Menschenrechte, die im medizinischen Kontext einer spezifischen Gewährleistung und eines besonderen Schutzes bedürfen sind das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), das Folterverbot (Art. 3 EMRK), der Schutz der Privatsphäre (Art. 8 EMRK) und das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK). Weitere Konventionen des Europarates stärken einzelne Rechte oder regeln Aspekte, die die Stärkung des Patienten im System der Menschenrechte hervorbringen können.660 657  Human Rights Committee, General Comment No. 20: Replaces General Comment No. 7 Concerning Prohibition of Torture and Cruel Treatment or Punishment (Article 7) (3. April 1992), GAOR 47th Session Supp 40, 193. Human Rights Committee, General Comment No. 21: Replaces General Comment No. 9 Concerning Humane Treatment of Persons Deprived of Liberty (Article 10) (6. April 1992), GAOR 47th Session Supp 40, 195. 658  UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, UN Convention on the Rights of the Persons with Disabilities (1. Teil, Fn. 637). International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 660 UNTS 195, UN Doc A / RES / 2106(XX)A, Annex, UN Reg No I-9464. Convention on the Rights of the Child, 1577 UNTS 3, CTS 1992 / 3, UN Doc A / RES / 44 / 25, UN Reg No I-27531. Convention Against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment 1465 UNTS 85, UN Doc A / RES /  39 / 46, UN Reg No I-24841. Im Rahmen des Humanitären Völkerrechts: Art. 3 Genfer Konventionen I-IV (1. Teil, Fn. 438), Zusatzprotokoll I-II: United Nations, Additional Protocol I (AP I) to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and Relating to the Protection of Victims of International Armed Conflicts (angenommen am 8. Juni 1977, in Kraft getreten am 7. Dezember 1978) 1125 UNTS 3; United Nations Additional Protocol II (AP II) to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and Relating to the Protection of Victims of Non-International Armed Conflicts (angenommen am 8. Juni 1977, in Kraft getreten am 7. December 1978) 1125 UNTS 609. 659  Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, as amended by Protocols No. 11 and 14, 213 UNTS 222, ETS No 5, UN Reg No I-2889. 660  Siehe bspw. European Convention on Social and Medical Assistance, CETS No. 014, European Agreement on the Exchange of Therapeutic Substances of Human Origin CETS No. 026, Agreement on the Temporary Importation, free of duty, of Medical, Surgical and Laboratory Equipment for use on free loan in Hospitals



§ 3 Die Stellung der Person als Patient121

Dem Ziel, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auch auf dem Feld der Biologie und Medizin auf europäischer Ebene grundlegend zu wahren und durch spezifische Rechte der Patienten fortzuentwickeln, widmet sich die Biomedizinübereinkommen von 1997 (BMÜ).661 Es verlängert den durch die EMRK verkörperten internationalen Menschenrechtsschutz in dem Bereich der Biomedizin.662 Auf die EMRK nimmt das Dokument ausdrücklich Bezug. Bereits im Titel wird der Begriff der Menschenrechte erwähnt und die Präambel schafft eine Verbindung zu anderen Menschenrechtsdokumenten und ihren Prinzipien.663 Das Übereinkommen ist ein Rahmenübereinkommen, demzufolge spezifische Fragen der Biomedizin in Zusatzprotokollen konkretisiert werden müssen. Diese stellen eigenständige völkerrechtliche Vertragstexte dar, können aber nur zusammen mit dem BMÜ ratifiziert werden.664 Die Konvention verweist in ihrer Präambel mehrmals auf die Menschenwürde. Stellvertretend bestimmt Artikel 1 als das Anliegen der Konvention, die Würde und die Identität aller menschlichen Lebewesen zu schützen und jedermann ohne Diskriminierung die Wahrung seiner Integrität sowie seiner sonstigen Grundrechte und Grundfreiheiten im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin zu gewährleisten. Artikel 1 beinhaltet zwei teil­ identische Adressatenkreise, jedermann und alle menschlichen Individuen. and other Medical Institutions for purposes of Diagnosis or Treatment CETS No. 033, European Social Charter CETS No. 035, European Agreement on the Exchanges of Blood-Grouping Reagents CETS No.039, European Agreement on the Instruction and Education of Nurses CETS No. 059, European Agreement on the Exchange of Tissue-Typing Reagents CETS No. 084, Convention for the Protection of Individuals with regard to Automatic Processing of Personal Data CETS No. 108. 661  Convention for the protection of Human Rights and Dignity of the Human Being with regard to the Application of Biology and Medicine: Convention on Human Rights and Biomedicine, CETS No. 164 (Oviedo Convention, BMÜ). Zur Entstehungsgeschichte Doppelfeld, in: Taupitz, S. 15 ff.; mit besonderem Blick auf die Diskussionen in Deutschland: Braun (2000), S. 201 ff.; S. 246 ff. Statt 47 Mitgliedstaaten haben nur 29 das BMÜ ratifiziert (Stand: 31.12.2016), darunter fehlen aber Deutschland, Italien, Russland und das Vereinigte Königsreich. Das BMÜ ist von Deutschland bislang weder unterzeichnet noch ratifiziert worden, sodass es auch nicht als innerstaatliches Recht gem. Art. 59 Abs. 2 GG gilt. Als problematisch wurde die Regelung des Schutzes nichteinwilligungsfähiger Personen und die Regelung der Mitteilung genetischer Testergebnisse angesehen. Albers (2002), S. 801 ff., S. 825, Fn. 95. 662  Abbing, S. 377 ff., S. 378, S. 382. Dies ist beispielhaft insbes. bei Art. 10 BMÜ zu merken, ihre Auslegung entspricht der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK. 663  Erläuternder Bericht, Explanatory Report, DIR / JUR (97) 5, Abs. 8 ff. Ablehnung einer Einstufung des Übereinkommens selbst als Menschenrechtspakt: Riedel, in: Taupitz, S. 29 ff., S. 31 f. 664  Albers (2002), S. 803.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Letztere sollten in ihrer Würde und Integrität geschützt werden, ersterem kommt die Gewährleistung seiner Integrität und seiner sonstigen Grundrechte sowie Grundfreiheiten zu. Gemäß Artikel 1 und 2 der Konvention hat der Schutz der Würde, Identität und Integrität des Menschen gegenüber gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen Vorrang. Es wird eingefordert, einen gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und die ärztlichen Berufs- und Verhaltenspflichten einzuhalten (Art. 3 und 4).665 Neben diesen allgemeinen Bedingungen werden in weiteren Teilen der Konvention spezifische Rechte und Prinzipien für die Stellung von Patienten im Allgemeinen verabschiedet. Sie enthalten eine Reihe von Grundsätzen und Verboten, die die Genetik, die medizinische Forschung, die Einwilligung der betreffenden Person, das Recht auf Achtung der Privatsphäre und das Recht auf Auskunft sowie die Organtransplantation und die öffentliche Debatte zu diesen Themen betreffen. Die Mischung der Begrifflichkeiten in der Konvention ist verwirrend. Der 9. Punkt der Präambel spricht sowohl vom Menschen als auch vom Individuum und vom Mitglied der Spezies. Artikel 2 enthält ebenfalls den Begriff Mensch. Artikel 5 und die darauffolgenden Artikel beziehen sich auf die Person. Somit bleibt fraglich, wem genau die Rechte ab Artikel 5 zukommen.666 Gegen die Anerkennung der Stellung aller Menschen als Personen spricht der Erläuternde Bericht zur Konvention, in dem der Dissens zwischen den Mitgliedstaaten über die Definition dieser Begriffe festgehalten und die konkrete Auslegung dem einzelnen Mitgliedstaat überlassen wurde.667 Die Verwendung des Begriffs Interesse in Artikel 2 lässt weitere Unsicherheiten aufkommen; in diesem Artikel werden Interessen und nicht individuelle Rechte abgewogen. Gemäß den Kritikern ermöglicht es diese Wortwahl, den Menschenrechtsschutz von bestimmten qualitativen Voraussetzungen des Schutzobjekts abhängig zu machen.668 Der Begriff human 665  Allerdings handelt es sich bei den Bestimmungen nur um verbindliche Mindeststandards. Die Mitgliedstaaten können gemäß Art. 27 BMÜ strengere Schutzmaßnahmen ergreifen. Art. 32 Abs. 2 BMÜ räumt zudem den Unterzeichnern ein Vorschlagsrecht zur Änderung der Konvention oder eines Zusatzprotokolls ein. 666  Sprachliche Doppelung durch „human being“ und „everyone“ als fehlende Einigung über den Status des menschlichen Embryos: Andorno / Düwell, S. 469. 667  Explanatory Report (1. Teil, Fn. 663), Art. 1 Abs. 18. Steering Committee on Bioethics (CDBI), Convention on the Protection of Human Rights and Dignity of the Human Being with regard to the Application of Biology and Medicine: Convention on Human Rights and Biomedicine (ETS No. 164), Preparatory Work on the Convention, CDBI / INF (2000), S. 1, S. 13 (CORED 27–29 / 09 / 93). Sich über die fehlende Einbindung von Völkerrechtlern in die Ausformulierung des Übereinkommens klagend und die sprachliche Ungewissheiten hiermit erklärend Doppelfeld, S. 26. 668  Mieth / Düwell (1996), S. 843 ff., S. 844. Sehr kritisch zu den unbestimmten Begriffen siehe Braun (2000), S. 217 ff., insbes. die Aussage als Konsequenz der



§ 3 Die Stellung der Person als Patient123

being wird sowohl im Titel als auch im Text im Singular verwendet und lässt eine kollektivistische Interpretation zu, demnach wären nicht die einzelnen Individuen, sondern das Kollektiv der Gattung mit dem Begriff gemeint. Dem entspräche die Forderung, dem Wohle künftiger Generationen zu dienen; auch hier wird das Kollektiv der Gattung angesprochen. Fraglich ist, ob solche Formulierungen das Individuum ausreichend schützen und seine Unantastbarkeit vermitteln können oder vielmehr eine Instrumentalisierung – wenn auch unbeabsichtigt – ermöglichen.669 Im Gegensatz zur EMRK kennt das Übereinkommen keinen Individualrechtsschutz. Einer Verletzung des BMÜ kann daher nicht im Wege einer Staaten- oder Individualbeschwerde gerügt werden.670 Artikel 29 BMÜ weist dem EGMR aber die Befugnis zu, auf Antrag einer Vertragspartei Gutachten über die Auslegung des Übereinkommens zu erstatten.671 Das Übereinkommen gerät daher zunehmend in den Fokus des EGMR.672 Als Hauptakteur des Patientenschutzes auf europäischer Ebene kann der Europarat auch auf seine verschiedenen organisatorischen Einheiten bei der Entwicklung der Stellung des Patienten zurückgreifen. Das Europäische Gesundheitskomitee (European Health Committee) wurde bereits 1954 gegründet und ist ein intergouvernementales Organ. Strategisch setzt es auf ein integriertes Konzept der medizinischen Entwicklung, welches in Anbetracht des juristischen, ethischen und sozialen Werts der Individuen evaluiert werden soll. Ziel soll es dabei sein, die Demokratisierung und Humanisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben, wobei als dritter Punkt seiner allgemeinen Zielsetzung die Förderung der Patientenrechte genannt wird. In der operativen Arbeit prüft das Komitee Empfehlungen aufgrund der Arbeit der Expertenkommissionen, die das Ministerkomitee beraten.673 Das MinisAnalyse: „Zugespitzt formuliert ist daraus zu schließen, dass unterm Strich der einzige Zweck, der nicht unter Gesetzesvorbehalt steht, die Willkürlichkeit der Bestimmung des Kreises der Menschenrechtssubjekte ist.“ Id., S. 222 f. 669  Braun (2000), S. 223 f.; Spranger, S. 72. Höfling, in: Dörr / Fink / Hillgruber et  al., S. 363 ff., S. 366 f. 670  Kopetzki / Mayer, S. 57 f. 671  Müller-Terpitz (2006), S. 7, Fn. 11. Sollte ein Sachverhalt nicht nur Vorschriften des BMÜ, sondern gleichzeitig Vorschriften der EMRK verletzen, wäre ein Individualbeschwerdeverfahren auf der Grundlage der EMRK mit Heranziehung der Zielsetzungen des BMÜ als Auslegungsmaßstab für die Regelungen der EMRK vorstellbar. Siehe bereits ECtHR, 7. Oktober 2008, Bogumil v. Portugal (Appl. No. 35228 / 03). Explanatory Report (1. Teil, Fn. 663), Nr. 165. Genau zu diesen Überlappungen siehe Lawson, in: den Exter, S. 23 ff., S. 25 ff. 672  ECtHR, 12. November 2008, Demir and Baykara v. Turkey (Appl. No. 34503 / 97). Eine Sammlung aller Fälle: Council of Europe / European Court of Human Rights, Bioethics and the Case-law of the Court. Research Report, 2012, S. 52. 673  http: /  / www.coe.int / t / dg3 / health / cdsp_EN.asp (Stand: 31.12.2016).

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1. Teil: Die Stellung der Person

terkomitee ist das Entscheidungsorgan des Europarates. Gemäß Artikel 15 b der Satzung des Europarates kann es Empfehlungen für die Mitgliedstaaten verabschieden, die zwar nicht verbindlich sind, deren Umsetzung aber überprüft werden kann.674 Die Parlamentarische Versammlung des Europarates ist ebenfalls befugt, Empfehlungen, Resolutionen oder Meinungen zu verabschieden,675 während der Menschenrechtskommissar Empfehlungen, Meinungen oder Berichte verfassen kann.676 Alle drei Organe haben Dokumente mit Themenschwerpunkten Bioethik, Gesundheit, Datenschutz und Medizin mit Relevanz für die Stellung der Patienten beschlossen, welche allerdings – wie bereits angedeutet – unverbindlich sind.677 Das Bioethikkomitee ist das Organ des Europarates, das die spezifischen ethischen und juristischen Herausforderungen der Biomedizin adressieren soll. Seine Aufgaben sind unter anderem die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung des BMÜ und seiner Zusatzprotokolle. Das Minister­ komitee kann ihm intergouvernementale Aufgaben für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten im biomedizinischen Bereich zuteilen. Die durch die Mitgliedstaaten delegierten Mitglieder können nichtverbindliche Empfehlungen, Berichte, White Papers und Begleitdokumente verabschieden und zudem öffentliche Konsultationen oder Seminare organi­ sieren.678 3. Inhalt und Tragweite der Patientenrechte Zunächst werden der Inhalt und die Tragweite der den Patienten zukommenden Rechte erläutert, ohne den Fokus auf eine bestimmte medizinische Handlung zu legen. Wenn Menschenrechte für Patienten als eine schutzbedürftige Gruppe konkretisiert werden, dienen die Menschenwürde und die daran rückgebundene Freiheit und Gleichheit als Ausgangspunkt. Die Menschenwürde ist als den Menschenrechten zugrunde liegendes Prinzip konzipiert, dessen Respektierung auch als ethischer Maßstab in der Medizinethik hochgehalten 674  Art. 15

b Statute of the Council of Europe, ETS No. 001. Statute of the Council of Europe, siehe auch: Council of Europe, ­Rules of Procedure of the Parliamentary Assembly: Resolution 1202 (1999), angenommen am 4. November 1999. 676  Commissioner for Human Rights, http: /  / www.coe.int / en / web / commissioner /  home (Stand: 31.12.2016). 677  http: /  / www.coe.int / t / dg3 / healthbioethic / Texts_and_documents / default_en. asp (Stand: 31.12.2016), insbes. Res PA 613 (1976) und Rec PA 779 (1976) on the rights of the sick and dying; Rec MC R (81) 1 on regulations for automated medical data banks, Rec MC 7 (1995) on the protection of medical data. 678  http: /  / www.coe.int / en / web / bioethics / dh-bio (Stand: 31.12.2016). 675  Art. 29



§ 3 Die Stellung der Person als Patient

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wird.679 Ihre interpretative, integrierende und bewertende Rolle für Patientenrechte ist unabdingbar.680 Um ihre Inflation oder ihren Missbrauch zu verhindern, wird ihr Schutz im medizinischen Kontext erst dann relevant, wenn schwerwiegende Eingriffe vorgenommen oder schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden. Ein normatives Schlüsselprinzip auf dem Feld der Medizin- und Bioethik, wie der entsprechenden rechtlichen Regelungen, ist die Achtung der Patientenautonomie.681 Wesentlicher Grundsatz der Patientenautonomie ist der Wunsch jedes Menschen auf weitestgehend eigenverantwortliche Selbstgestaltung „der eigenen Lebenssituation im gesamten Verlauf seiner Biographie“.682 Auch der Kranke hat Anspruch auf Selbstverwirklichung und Nichttäuschung.683 Wesentliches Element der konkreten Umsetzung dieses Postulates ist die „informierte Einwilligung“ (Informed Consent684), die freiwillige und ausdrückliche Zustimmung des Patienten nach einer Aufklärung, die eine eigenständige Entscheidung ermöglichen soll.685 Die Zustimmung soll die Abwehr zweier Risiken gewährleisten: Mit der Achtung der Autonomie des Patienten geht der Schutz vor ungerechtfertigter Bevormundung und vor Schaden durch den Arzt einher. Das Einwilligungserfordernis drückt die grundlegende Rechtsvorstellung aus, dass die rechtliche Beziehung zu anderen nicht auf Zwang oder Macht, sondern auf Konsens und Entscheidungsfreiheit basieren soll.686 Es ist die medizinische Aufklärung, die die Wahrnehmung der Entscheidungsfreiheit und die Verwirklichung der Selbstbestimmung ermöglicht. Sie überbrückt den Gegensatz, dass dem Arzt im Verhältnis zu dem Patienten aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung ein erhebliches Ermessen eingeräumt wird, aber dass der Patient 679  Petersen,

in: Wolfrum, Rn. 1, 6. bspw. Art. 11 und 24 UNESCO, Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights vom 11. Nov. 1997, Records of the General Conference, 29th Session, Paris, 21.10.–12.11.1997, Vol. 1, S. 41 (29 C / Res 16) (UNESCO 1997); Art. 1 BMÜ. Für die Unterschiede zwischen den Rollen: McCrudden, S. 655 ff., S. 710 ff. 681  Maclean, S. 41 ff. 682  Schauer, in: Albert / Resch / Wallner, S. 1033 ff., S. 1052, Rn. 67. 683  Illhardt, S. 129 ff., S. 131 f. 684  Der Begriff entstammt der Entscheidung „Salgo v. Leland Stanford Jr. University Board of Trustees“ aus dem Jahre 1957. 154 California Appellate Reports, Second Series 560, 317, Pacific Reporter, Second Series 170, 181. 685  Jeder Betroffener, also auch gesunde Personen, werden durch dieses Prinzip geschützt. Die menschliche Person wird als Ganzes auch mit ihren Krankheiten und Leiden gesehen: EGMR NJW 2002, 2851 (2854) – Pretty / Vereinigtes Königreich; NJW-RR 2006, 308 (315) – Storck / Deutschland. 686  Laufs / Katzenmeier / Lipp, V. A. II, Rn. 5. 680  Vgl.

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1. Teil: Die Stellung der Person

gleichzeitig „Herr über sich selbst und seine Gesundheit“ bleiben soll.687 Um eine autonome Patientenentscheidung zu ermöglichen, müssen die Art und Weise der Aufklärung auch so gestaltet werden, dass der Patient Risiken, Chancen und Alternativen, das heißt Entscheidungsprämissen vermittelt bekommt. Nur auf der Grundlage einer Aufklärung, welche Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs im Wesentlichen verständlich macht, kann der Patient frei über sein Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit verfügen. Eine partnerschaftliche Begegnung verbessert auch den Entscheidungsprozess des Arztes. In der Praxis wird deutlich, wovor der Patient durch eine informierte Einwilligung geschützt werden soll.688 Der Schutz betrifft zweifelhafte Strategien der Fremdbestimmung, ungerechtfertigte Arten der Körperverletzung, des Missbrauchs und der Diskriminierung. Aber nicht nur der Schutz vor einer Verletzung der persönlichen Integrität, sondern auch die Gewährleistung der freien Willensbildung und Willensbetätigung in Bezug auf die Bewilligung oder Ablehnung einer Integritätsverletzung sind die wichtigsten Funktionen des Informed Consent.689 Durch die Respektierung der Patientenautonomie kann eine Instrumentalisierung vermieden werden. Sollte eine Einwilligung in eine bestimmte Behandlung fehlen, so ist auch ein Verstoß gegen die Menschenwürde wegen seines verletzten Autonomiegehalts nicht auszuschließen. Bei nichteinwilligungsfähigen Personen gilt die besondere Regelung, dass eine Intervention nur zu ihrem „unmittelbaren“ Nutzen und bei Vorliegen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters möglich ist. Soweit möglich müssen die Betroffenen in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden.690 Rechte in Verbindung mit Integrität und Identität werden auch im medizinischen Kontext dem Gedanken gerecht, dass das menschliche Individuum einzigartig und anders als andere Wesen ist und auch in Folge dieser Charakterzüge das Recht auf freie Selbstbestimmung besitzt. Diese Rechte nehmen im medizinischen Kontext vor allem auf die Tatsache Bezug, dass alle medizinischen Eingriffe ein gewisses Risiko oder eine Gefahr für die physische und psychische Integrität der betroffenen Patienten mit sich brin687  Deutsch / Spickhoff, 688  Manson / O’Neill, 689  van

S. 163, Rn. 243. S. 72 ff., S. 82.

Spyk, S. 205. Abs. 2 BMÜ. Umstritten ist, ob unter gewissen Umständen der Eingriff in die körperliche Integrität von Personen zu Zwecken der Forschung erlaubt ist, die nicht einwilligungsfähig sind, auch wenn diese keinen unmittelbaren Nutzen für den Betroffenen hat, oder ob solche Eingriffe als Instrumentalisierung einzustufen sind. Klinnert, S. 248 ff., S. 253 ff. Siehe hierzu auch ECtHR, 9 March 2004, Glass v. the United Kingdom (Appl. No. 61827 / 00), Rn. 83; ECtHR, 23 March 2010, M.A.K and R.K. v. the United Kingdom (Appl. Nos. 45901 / 05 and 40146 / 06). 690  Art. 17



§ 3 Die Stellung der Person als Patient127

gen. Auch aufgrund des Integritäts- und Identitätsschutzes müssen alle Eingriffe durch das Einverständnis des Betroffenen gerechtfertigt werden.691 Vorschriften der Gleichbehandlung in der medizinischen Praxis können bis auf die Genfer Konventionen zurückgeführt werden.692 Die Gleichbehandlung wird als fundamentale Garantie in den Zusatzprotokollen I und II anerkannt.693 Inzwischen adressiert das Recht auf Nichtdiskriminierung auch neue medizinische Behandlungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Merkmale.694 Der Anspruch auf Achtung des Privatlebens sichert dem Individuum einen Bereich, innerhalb dessen es seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.695 Die Verfügungsmöglichkeit über den eigenen Körper fällt als Teil des Selbstbestimmungsrechts in den Schutzbereich von Artikel 8 ­EMRK.696 Weitere Konkretisierungen dieser Verfügungsmöglichkeit wurden durch den EGMR vorgenommen. Nach seiner Rechtsprechung beinhaltet Artikel 8 EMRK auch das Recht, Einzelheiten über die persönliche Identität wie etwa die Identität der leiblichen Eltern zu erfahren.697 Der Staat hat bei der Beurteilung solcher Fragen einen gewissen Ermessensspielraum, welcher allerdings begrenzt sei, wenn die Entscheidung einen wesentlichen Aspekt der Existenz oder Identität der Person betreffe.698 Er sei wiederum breiter, wenn unter den Mitgliedstaaten kein Konsens herrsche, wie die betroffenen Interessen zu gewichten oder zu schützen seien, insbesondere bei schwierigen Fragen der Moral und Ethik.699 Demnach ist dem Staat ein weiter Ermessensspielraum bei dem Umgang mit Auskunftsverlangen adoptierter Kinder in Bezug auf ihre leibliche Abstammung einzuräumen.700 Das 691  Art. 6 UNESCO 2005; Art. 8, UNESCO, International Declaration on Human Genetic Data vom 16. Okt. 2003, Records of the General Conference, 32nd Session, S. 39 ff. (32 C / Res 22) (UNESCO 2003); Art. 5 b UNESCO 1997; Art. 5 BMÜ; Art. 3 EMRK (Fall Tyrer, 25. April 1978. TZ 33.); Art. 7 Satz 2 IPbpR. 692  Common Art. 3, Geneva Conventions, Art. 16 Third Geneva Convention; Art. 13 Fourth Geneva Convention (1. Teil, Fn. 438). 693  Art. 9 und 69, 70, 73, 75 AP I; Art. 2, 4, 18 AP II (1. Teil, Fn. 658). 694  Art. 2a UNESCO 1997, Art. 11 BMÜ zusammen mit Art. 14 EMRK. EGMR, EuGRZ 2005, 693 (694) – Nachova u. a. / Bulgarien. 695  EGMR, EuGRZ 1978, 199 ff., 199. Zum Vergleich mit dem Verständnis des BVerfG siehe Albers (2005), S. 292 f., S. 297. Die individuelle Rechtsposition wird nicht als Entscheidungsrecht, sondern als Anspruch auf Achtung formuliert. 696  Frowein, in: ders. / Peukert, Rn. 8. 697  EGMR, NJW 2003, 2145 (2146) – Odievre / Frankreich. 698  EGMR, NJW 2002, 2851 (2854) – Pretty / Vereinigtes Königreich; NJW-RR 2004, 289 (293) – Goodwin / Vereinigtes Königreich. 699  EGMR, NJW 2003, 2145 (2148) – Odievre / Frankreich; NJW 2005, 727 (730) – Vo / Frankreich; NJW 2008, 2013 (2015) – Evans / Vereinigtes Königsreich. 700  EGMR, NJW 2003, 2145 (2148) – Odievre / Frankreich.

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1. Teil: Die Stellung der Person

Recht auf Privatheit schließt einen Schutz hinsichtlich des Umgangs mit personenbezogenen Informationen und Daten ein.701 Informationsrechte beinhalten das Recht auf Auskunft702, das in der Regel mit der Einwilligung mittelbar verbunden ist und beispielsweise therapeutische Informationen betrifft, aber auch das Recht auf Zugang zu Informationen umfasst. Unmittelbar mit der Einwilligung sind die Rechte auf Wissen und Nichtwissen verbunden, vor allem in Bezug auf Informationen wie Untersuchungsergebnisse oder Befunde.703 Das Leistungsrecht auf Wissen gilt auch bezüglich bereits gesammelter Informationen im Gesundheitsbereich. Dieses Recht stellt jedoch keinen Zwang zum Wissen dar, da Wünsche, Informationen nicht erfahren zu wollen, zu respektieren sind.704 Als Freiheitsrecht ist die Nichtkenntnis des eigenen Gesundheitsstandes als konstitutiver Faktor der Persönlichkeit anzusehen. Das Wissen um eine Krankheit kann den ganzen Lebensentwurf ruinieren und das Verständnis der Persönlichkeit erschüttern. Betrachtet man die persönlichen Auswirkungen, so steht die Geringschätzung der autonomen Lebensplanung durch das Aufdrängen unerwünschter persönlichkeitsrelevanter Informationen klar im Vordergrund, die vermieden werden soll. Das medizinische Wissen wirkt beim Betroffenen über den bloßen Datenschutz hinaus auch auf die Persönlichkeit und das Selbstverständnis ein. Das Recht auf Nichtwissen ist das Recht, „ein subjektives Selbstbild aufrechtzuerhalten und nicht verpflichtet zu sein, Informationen zu erhalten, die das Selbstbild in einer vom Betroffenen unerwünschten Weise modifizieren“. Sein Zweck ist auch, den Betroffenen „vor gesellschaftlichem Druck zu gesundheitskonformem Verhalten“ zu schützen.705 In Ausnahmefällen können aber das Recht auf Wissen und Nichtwissen des Patienten eingeschränkt werden.706 Das Recht auf Gesundheit(sversorgung) kann im engen Sinne als das Recht auf medizinische Behandlung zu gleichen Bedingungen verstanden werden und ist den meisten Patientenrechten, wie bereits erwähnt, vorgela701  Albers (2005), S. 293 ff. Der Europarat widmete sich bereits 1981 dieser Frage in einem Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nr. 108). Ihre Bedeutung ging aber durch die nachfolgenden nationalen und EU-rechtlichen Regelungen verloren, id., S. 300. „The protection of private life and its main consequence, the duty to confidentiality features also privacy in medical context.“ Privatheit gesundheitsrelevanter Daten: „Everyone has the right to respect for private life in relation to information about his or her health.“ (Art. 10 Abs. 1 BMÜ). 702  Art. 10 Abs. 2 BMÜ. 703  Art. 5 lit. c UNESCO 1997, Art. 10 Abs. 1 UNESCO 2003. 704  Gemäß Art. 10 Abs. 2 S. 2 BMÜ. 705  Retzko, S. 150 ff. 706  Art. 10 Abs. 3 BMÜ.



§ 3 Die Stellung der Person als Patient129

gert. Im weiten Sinne gehören auch andere Rechte dazu, wie das Recht auf Teilnahme an Gesundheitsaktivitäten oder die Möglichkeit, medizinische Behandlung zu bekommen.707

IV. Zusammenfassende Bewertung Sowohl die Ethik, insbesondere die medizinische Ethik, als auch das Recht, vor allem in seiner Manifestierung im Menschenrechtssystem, können wesentlich zur Konkretisierung der Stellung der Person als Patient beitragen. Eine gewisse Überlappung, den gemeinsamen Ursprüngen und Zielen geschuldet, ist dennoch nicht zu verhindern. Eine Inkorporierung ethischer Prinzipien in die rechtlichen Regelungen kann den Umgang mit Patienten zudem positiv beeinflussen. Vor allem im Arzt-Patienten-Verhältnis, wenn es als eine partnerschaftliche Beziehung aufgefasst wird, wird die Stellung des Patienten als raumzeitliches aber auch normatives Wesen in der konkreten Situation einer Krankheit gewährleistet, was es erlaubt, ihn mit Rücksicht auf seine Lebensgeschichte, seine Überzeugungen, Ängste und Wünsche zu behandeln. Menschenrechte schützen den Menschen auch im Bereich der Medizin: Der Person als Patient kommen die Menschenrechte auch in medizinischen Kontexten zu. Die dynamische Interpretation und Konkretisierung der Menschenrechte vor allem in der internationalen Gerichtsbarkeit führen dazu, dass sie der technischen Entwicklung in der Medizin und den sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Änderungen Rechnung tragen können.708 Festzustellen bleibt aber, dass terminologisch oft nicht die Rede von Patientenrechten als solchen ist, sondern von Rechten, die Personen in bestimmten konkreten medizinischen Kontexten und Verhältnissen zukommen. Der Patient wird in der Medizin im Rahmen der Menschenrechte und des internationalen Rechtsschutzes als Person dargestellt. Die Voraussetzung hierfür wird dadurch gewährleistet, dass dem Individuum die Kontingenz, die natürliche Unfestgestelltheit seiner Körperlichkeit als Moment seiner ethischen Individualität auch in der besonderen Lebenssituation der Krankheit nicht genommen wird.709

707  Riedel, 708  Für

S. 9.

in: Wolfrum, Rn. 29 und Rn. 31. eine spezielle Konvention plädierend aber Jacque, in: Furkel / Jung, S. 1 ff.,

709  Hofmann (1986), S. 253 ff., S. 260. Zum Grundsatz Patient als Person siehe Ramsey.

130

1. Teil: Die Stellung der Person

Ergebnisse des Ersten Teils In der geistesgeschichtlichen Entwicklung und im System der Menschenrechte wird die Person als normatives, leibliches und soziales Wesen dar­ gestellt, wobei diese Eigenschaften als Teil eines kulturellen Gesamtbildes einander bedingen und ineinander verzahnt sind. In der Philosophie diente die Vernunft von Anfang an als herausstellendes Merkmal des Menschen. Die hierdurch entstandene rationale Normativität des Menschenbegriffs wurde im ethischen Personenbegriff durch die Zuschreibung der sittlichen Freiheit vervollständigt. Während dieser Entwicklung wurden die körperliche und soziale Bestimmtheit des Menschen zwar in den Hintergrund gerückt, niemals aber ganz vergessen. Die Phänomenologie vervollständigte den ethischen Personenbegriff mit der These der Leiblichkeit und verschob somit das Personensein, seine Materialität inbegriffen, als Ganzes in den Bereich des Normativen. Dieses ganzheitliche Personensein wurde sozial und politisch mithilfe weiterer Theorien insbesondere durch raumzeitliche Aspekte erweitert. Aus dieser Entwicklung resultiert eine Stellung der Person als eine „anthropologische Reflexion“, die die nicht-objektivierbare leibliche, interpersonale, zeitliche und kulturell konstituierte Reichweite des Lebens ausdrückt und die wechselseitige Anerkennung der Personen im Umgang miteinander und in der Gesellschaft erlaubt.710 Die auf dem Prinzipiengerüst Würde, Freiheit und Gleichheit aufgebauten und im System der Menschenrechte abgebildeten Aspekte der Personenstellung lassen ebenfalls eine Rekonstruktion der Person als ethisch-leibliches Wesen in der Gesellschaft zu. Bei der Konkretisierung der Stellung der Person in spezifischen Kontexten und Verhältnissen, wie dem Kontext der Medizin und dem Verhältnis zum Arzt, in denen die Person als Patient präsent ist, kann ihre Auffassung als normativ-raumzeitliches Wesen den Einheitsbezug für Ethik und Recht bilden. Die Verdeutlichung der Stellung für diese besondere Lebenssituation fungiert als Orientierungs- und Anknüpfungspunkt ethischer und rechtlicher Maßstäbe, die den Umgang mit dem Patienten bestimmen. In der Medizin ist die Person in erster Linie als verletzbares und end­ liches Wesen präsent. Ihre körperliche Verfasstheit qualifiziert sie überhaupt als Gestalt, die krank werden kann und ärztliche Hilfe braucht. Sie darf aber nicht als nur bloßes Objekt medizinischer Eingriffe behandelt werden, sondern muss die Funktion eines Subjekts der Verantwortung immer in einem 710  Rehbock

(2005), S. 285 ff., S. 335.



§ 3 Die Stellung der Person als Patient131

Verhältnis zu sich und zu anderen Personen durch ihre Stellung erfüllen können. Die Bestimmung der Person im System der Menschenrechte kann keine umfassende sein. Denn um einen juristischen Schutz der Person zu erreichen, können nur einzelne, punktuelle Aspekte seiner Stellung expliziert711 und als Schutzgegenstand abgebildet werden. Die Abbildung erfolgt nur typisierend durch das Treffen von Teilaussagen und insgesamt durch die Konstruktion einer begrenzten normativen Ordnung des Umgangs. Die Rolle der Begrenztheit dieser Ordnung und damit der juristischen Stellung des Patienten ist eine zweifache. Erstens ist die faktische Respektierung der Freiheit notwendig, um die Verwirklichung der Freiheit überhaupt zu erreichen. Um das Wesen des Freiheitsprinzips aber zu bewahren, müssen in der Abbildung der Freiheit für die Interpretation der Freiheit selbst Freiheitsräume vorhanden sein. Zweitens kann die Begrenztheit und Punktualität der juristischen Stellung eine gewisse Dynamik712 bewahren, die die angemessene Begleitung der kulturell bedingten und auch interdisziplinär geprägten Stellung ermöglicht. Menschenrechte sind als dynamische Selbstauslegung des Menschentums zu einer bestimmten Zeit anzusehen, demzufolge die Einordnung der Stellung des Patienten im System der Menschenrechte angesichts neuer Herausforderungen nicht abgeschlossen ist; sie kann und soll Gegenstand weiterer Entwicklungen werden. Im nächsten Teil der Arbeit wird am Beispiel neuer genetischer Analysen aufzuzeigen sein, wie die biotechnologische Entwicklung die bisher etablierte Stellung des Patienten herausfordert und tatsächlich nach ihrer Entwicklung verlangt.

711  Gegen ein Menschenbild Dreier, in: Seelmann, S. 33 ff., S. 43 ff. Schlaich, S. 263. 712  BVerfGE 96, 375 (400).

2. Teil

Herausforderung in Bezug auf die Stellung des ­Patienten durch die medizinische Entwicklung am Beispiel der Gesamtgenomsequenzierung Im zweiten Teil der Arbeit werden die Herausforderungen für eine Stellung des Patienten, wie in Teil 1 bestimmt, unter dem Einfluss der naturwissenschaftlich-medizinischen Entwicklung mit Blick auf die neuen Untersuchungsmöglichkeiten des menschlichen Genoms analysiert. Um diese Herausforderungen zu identifizieren, bedarf es zunächst einer Darstellung der humangenetischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Danach wird eine technologische Beschreibung des aktuellen Potenzials genomweiter Analysen, insbesondere der Genomsequenzierung folgen. Dieser ist vorauszuschicken, dass sich die Technologie stark im Fluss befindet, demnach eine Darstellung ihres Standes lediglich bis zum Zeitpunkt des Abschlusses vorliegender Arbeit möglich ist. Die Einführung der Genomsequenzierung in die translationale Medizin beeinflusst die Stellung des Patienten. Dieser Einfluss wird den wesentlichen Eigenschaften der Technologie nach auf drei Ebenen beschrieben. Zuerst wird der Einfluss auf die Stellung der Person im Verhältnis zu sich selbst festgehalten. Hierbei wird der Frage nachgegangen, ob die leibhafte Identität der Person als physische Möglichkeit ethischen Wollens1 durch das genetische Wissen über die Person betroffen wird. Danach wird der Einfluss auf die Beziehung zwischen Arzt und Patient analysiert. Zuletzt wird dargestellt, inwieweit die Genomsequenzierung als medizinischer Eingriff die herkömmlichen Rechte eines Patienten beeinflusst. Nach der Zusammenfassung der Konsequenzen einer Anwendung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin auf die Stellung des Patienten wird der internationale Analyserahmen für die bereits bestehende und die künftig zu verabschiedende Steuerung genetischer Analysen festgelegt.

1  Frühwald,

in: Rager, S. 537 ff., S. 563 f.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 133

§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse I. Der Weg der naturwissenschaftlich-medizinischen Entwicklung zu den genomweiten Analysen In den letzten Jahrzehnten sind zwei Tendenzen in der medizinischen Entwicklung zu beobachten gewesen. Die Fortschritte in der operativen Technologie, insbesondere die der Transplantationsmedizin, ermöglichten den Eingriff in den menschlichen Körper auf der Ebene der Organe und Gewebe, die mit der Stammzellenforschung und der Gentherapie einhergehenden Heilungschancen eröffneten sogar die Möglichkeit des Eingriffs auf Zellebene. Das Potenzial, auf immer kleineren Ebenen in den menschlichen Körper einzugreifen, ist gewachsen. Mit der Verlagerung des Verständnisses menschlichen Lebens auf Zell­ ebene ist eine weitere Tendenz, der Versuch, den menschlichen Körper genau abzubilden, ersichtlich geworden. Insbesondere in den Neurowissenschaften haben die bildgebenden Verfahren in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung erfahren.2 Die Abbildung der Lebensprozesse und des Aufbaus in immer feineren Strukturen haben zum besseren Verständnis der Funktion und Aktivitäten des menschlichen Organismus geführt und im Anschluss auch die Eingriffsmöglichkeiten in den Körper erweitert. Die Abbildung der Körperstrukturen und der Eingriff in diese auf kleinsten Ebenen spitzen sich in der Entwicklung der Humangenetik zu. Ein wichtiger Meilenstein für die Molekularbiologie war die Entdeckung der Doppelhelixstruktur des menschlichen Genoms durch Francis Crick und James Watson im Jahre 1953. Hierbei handelt es sich um eine Struktur eines verdrehten Moleküls, in dem Einzelinformationen über die Nukleotide gespeichert sind. Das Genom ist die Gesamtheit der genetischen Information eines Organismus. Das menschliche Genom umfasst 3,2 Milliarden Nukleotide und beinhaltet ca. 22. 000 Gene, das heißt Desoxyribonukleinsäure (DNA)Abschnitte, die Voraussetzung für die Synthese von spezifischen Funktionsträgern wie Proteinen sind.3 Die Basenabfolgen, die den Genen zugeordnet 2  Toga / Mazziotta / Frackowiak.

3  Bartram, in: ders. / Bobbert / Dölling et al., S. 153 ff., S. 154. Die Anzahl der Gene im menschlichen Erbgut wird auf ca. 22.500 geschätzt: Rédei, S. 744 f., S. 751 f. The International Human Genome Sequencing Consortium, S. 931 ff., S. 943. Willard, in: Ginsburg / ders., S. 4 ff., S. 6 (m. w. N.). Die genau Zahl hängt von dem verwendeten Begriff des Gens ab, Pertea / Salzberg, S. 206 ff. Festzuhalten ist, dass mit der höheren Komplexität des Organismus die Zahl der Gene nicht steigen muss; das Genom des Wasserflohs umfasst ca. 31.000 Gene, vgl. Zibat / Shoukier / Schwaibold, in: Duttge /  Engel / Zoll, S. 99 ff., S. 101.

134

2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

sind und die in ein Protein umgeschrieben werden (kodierende Regionen, Exons), sind meist in kurzen Bereichen festgelegt und durch teils mehrere tausend Basen nicht kodierender Bereiche (Introns) voneinander getrennt. Die nicht-kodierenden Bereiche machen den ganz überwiegenden Teil des menschlichen Gesamtgenoms aus, sie sind aber nicht funktionslos, sondern haben wichtige Aufgaben in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Integrität des Erbguts.4 Die genetische Information, die Erbsubstanz, liegt strukturell in 23 Chromosomen vor, in denen die Gene mit vielen Proteinen verpackt sind.5 Monogenetische Erkrankungen werden durch Veränderungen einzelner Erbanlagen ausgelöst (Mutationen).6 Doch die meisten Krankheiten haben verschiedene genetische Komponenten, sie sind multifaktoriell. Ein erheblicher Teil des Erkrankungsrisikos wird für diese Krankheiten durch vererbbare Faktoren, also durch die genetische Prädisposition bedingt – je nach Erkrankung zwischen 20% und 60%.7 Diese Krankheiten können aber alleine nicht auf die Veränderung von Genen reduziert werden, ihre Entstehung und ihr Verlauf werden durch ein komplexes Zusammenwirken von genetischen Faktoren und äußeren Einflüssen bestimmt, wobei die Interdependenzen und Korrelationen noch weitgehend unerforscht sind. Zudem wird nach und nach erwiesen, dass neben Krankheiten viele Eigenschaften und Verhaltensweisen auch genetische Grundlagen (Varianten) besitzen.8 4  Zibat / Shoukier / Schwaibold,

in: Duttge / Engel / Zoll, S. 102. spricht auch über einen zu einem Chromosom kondensierten DNAStrang. Die Chromosomen sind während der Zellteilung dicht gepackt, während sie in der übrigen Zeit eine aufgelockertere Gestalt annehmen. Die räumliche Anordnung der Chromosome spiegelt auch den Funktionsstand des Erbguts wider, demzufolge sogar während einer Erkrankung die Position bestimmter Gene sich ändern kann. Misteli, S. 28 ff., S. 28. 6  Mit Krankheitsbeispielen Stamatiadis-Smidt / zur Hausen, S. 138 f. 7  Cremer, in: Doerfler / Ulrich / Böhm, S. 87 ff., S. 113 ff. 8  Genetische Varianten (auch Polymorphismen bezeichnet, den Dunnen / Antonarakis) sind Variationen in der Basensequenz. Die verschiedenen Varianten eines Gens am gleichen Genort werden „Allele“ genannt. Wenn sich die Sequenzvariation innerhalb des kodierenden Genbereichs befindet, hat sie über den Genotyp hinaus einen Einfluss auf den Phänotyp. Wenn infolge varianter Gene mehrere deutlich unterscheidbare Phänotypen auftreten, wird von einem Polymorphismus gesprochen. Sollte aber die seltenere Genvariante innerhalb einer Population eine Auftretenshäufigkeit (Allelfrequenz) von weniger als ein Prozent haben, wird sie in der Regel „Mutation“ genannt. Futuyma, S. 105. Zur Bedeutung seltener genetischer Varianten siehe Mac­ Arthur / Manolio / Dimmock et  al., S. 469 ff. Die Unterscheidung zwischen Varianten und Mutationen verliert durch die Entwicklung der Sequenziertechnologie zunehmend an Bedeutung. Bei den Variationen einzelner Basenpaare wird von erfolgreichen Punktmutationen gesprochen, demnach bezeichnet der Begriff solche genetischen Veränderungen, die sich in einer Population bis zu einem gewissen Grad durchsetzen konnten. Siehe die Sammlung sogenannter „Single-Nucleotid-Polymorphism“-en unter http: /  / www.ncbi.nlm.nih.gov / projects / SNP /  (Stand: 31.12.2016). 5  Man



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 

135

Der Umgang mit Erbkrankheiten wurde durch Fortschritte in der Humangenetik verbessert. Pathomechanismen konnten aufgeklärt, Diagnostik und Subklassifikation von Krankheiten durchgeführt werden; Prognose und Prävention wurden verbessert. Das Erbgut und die verschiedenen Ausdrucksformen oder Aktivitäten von Genen und deren Veränderungen werden zur Neu- und Weiterentwicklung von medizinisch-therapeutischen Ansätzen und Medikamenten erforscht. Ziel der Pharmakogenetik ist es, Unterschiede zu identifizieren, die den menschlichen Stoffwechsel und die Wirkung von Arzneimitteln bestimmen. Mit Hilfe von Biomarkern werden genetische Profile erstellt und prädiktive Aussagen zur Medikamentenwirksamkeit getroffen.9 Um Korrelationen zu erkennen und eine hohe statistische Validität zu erzielen, werden große Sammlungen genetischer Daten erstellt. Die Molekulargenetik hat neben dem Verständnis vieler Krankheiten auch das Verständnis evolutionärer Prozesse hervorgebracht. Die Epigenetik erforscht die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Genen. Epigenetische Veränderungen sind chemische Modifikationen der DNA, welche die Aktivität von Genen regulieren und beeinflussen, inwieweit Gene in Proteine umgesetzt werden. Diese Effekte werden durch Umwelteinflüsse oder sogar durch Sozialverhalten hervorgerufen und sind vererbbar während die DNABasenfolge im Erbgut selbst unverändert bleibt.10 Die Voraussetzung für genetische Individualität ist die Variabilität in der Basenabfolge des Genoms. Es stellte sich heraus, dass zwischen den Genomen einzelner Menschen eine erhebliche Variabilität besteht, die für die Prädisposition11, die Entstehung und den Schweregrad von Krankheiten von enormer Bedeutung ist.12 Zwar teilt jeder Mensch mit einem anderen etwa 99,8% seiner DNA-Basenabfolge, der Unterschied liegt bei dem Epigenom, bei dem die Gemeinsamkeiten tausendfach geringer sind.13 9  Weiterführend über die medizinethischen Implikationen siehe Meyer / Vinke­ meier / Meyer, S. 3 ff. Siehe das Internationale HapMap-Projekt unter https:/ / ghr.nlm. nih.gov / primer / genomicresearch / hapmap (Stand: 31.12.2016). Im Projekt werden Krankheitsgene und solche Gene identifiziert, die auf Arzneimittel reagieren. 10  Bartram, in: ders. / Bobbert / Dölling et  al., S. 156 f.; Könneker, S. 60 ff., S. 62; Jirtle / Skinner, S. 253 ff. 11  Unter der genetischen Prädisposition versteht man die erblich bedingte Anlage und Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen. Rédei, S. 775, S. 1547 und Graw / Hennig, S. 667, S. 658. 12  Menschen unterscheiden sich jeweils durch die unterschiedliche Kopienzahl von 70 bis 80 Genen, verbunden mit den daraus resultierenden Funktionsunterschieden. Alkan / Kidd / Marques-Bonet et  al., S. 1061 ff. Die individuellen Charakteristika von DNA-Sequenzen erlauben sogar die Lokalisation ihrer geographischen Herkunft in einem Umkreis von 100 Km. Novembre / Johnson / Bryc et  al., S. 98 ff. 13  Bartram, in: ders. / Bobbert / Dölling et  al., S. 156 f.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Infolge der humangenetischen Forschung, insbesondere der Ergebnisse der Epigenetik, wurde klar, dass Krankheiten nicht als feststehende Größen bestimmt werden können, demzufolge jeder Patient an seiner und nicht bloß an einer Krankheit leidet. Die Entwicklung von Therapien, die auf die genetischen Dispositionen der Patienten zugeschnitten sind, ist in sichtbare Nähe gerückt: Es wird von individualisierter oder personalisierter sowie von stratifizierter Medizin gesprochen. Parallel zu den Fortschritten in der Molekulargenetik hat sich im 20. Jahrhundert die These entwickelt, dass die DNA eine ontologisch fundierende Substanz ist, die im Gegensatz zu den anderen Organen des Körpers die Entwicklung des Organismus wie ein Entwicklungsprogramm steuert, selbst aber nicht gesteuert wird. Allerdings war die Theorie vom Genom als einziges übergeordnetes genetisches Programm nach den Entdeckungen in der Epigenetik und den systematischen Interaktionen auf Zell- und Molekularebene, welche die Funktion des Genoms leiten, nicht mehr haltbar.14 Eine lineare Kausalität zwischen Genen und Funktionen, Strukturen und Verhaltensweisen konnte nicht bestätigt werden. Der Einfluss der Wechselwirkung zwischen Genen, Körper und Umwelt deutet auf ihre dynamische und kontextabhängige Beziehung hin, die den Charakter eines Vorhersagevermögens verneinen lässt.15 Obwohl durch diese Entwicklung auch ein genetischer Determinismus im engen Sinne unhaltbar wurde, blieb die ontologische Semantik im Sprachgebrauch zur Bedeutung des Genoms bis heute erhalten.16 Es ist immer noch die Rede vom genetischen „Code“, von einem „Wörterbuch“, dessen „Wörter“ vervollständigt werden müssen, um das „Buch des Lebens“, das Gen-„Lexikon“ zu entschlüsseln.17 Zwar verstärkt der steigende Rollengewinn der Bioinformatik die Deutung genetischer Informationen mithilfe des Sprachbegriffs und ihre Auffassung als Schrifttum, das geschrieben, gelesen, transkribiert und schließlich zumindest als chemisch kodierte binare Kodes editiert werden kann; diese Metaphern vermitteln aber lediglich eine Analogie und keine Ontologie.18 Die Kluft zwischen der bloßen genetischen Information und ihrer biologisch-medizinischeren Bedeutung ist sehr tief19, demzufolge die DNA-Sequenz nicht als „ver14  Lily E. Kay, Dorothy Nelkin und M. Susan Lindee, zitiert bei Rehmann-Sutter, in: ders. / Bobbert / Dölling et  al., S. 255 ff., S. 257 f. 15  Kay, S. 421 f. Keller, S. 187. 16  Carolyn Y. Johnson, Scientists hoping to ease interpretation of the DNA ‚book of life‘, The Boston Globe, Globe Staff, 19. Mai 2014, http: /  / www.bostonglobe. com / lifestyle / health-wellness / 2014 / 05 / 18 / scientists-hoping-ease-interpretation-dnabook-life / 1WyyMPSh2kVp8RuYXYUmcJ / story.html (Stand: 31.12.2016). 17  Mehr zu den Ursprüngen dieses Sprachgebrauchs siehe Kay, S. 34 ff., S. 56 ff., S.  383 ff. 18  Id., S. 427.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 137

schlüsseltes Vorbild des Lebewesens“ gedeutet werden kann20 und die metaphysische Determiniertheit durch das Genom abgelehnt werden muss. Eine gewisse Objektivierung und Naturalisierung findet allerdings statt, mit der viele körperlich-leibliche Ereignisse oder zumindest ein Teil ihrer Ursachen auf die Ebene des Genoms zurückgeführt werden und durch genetische Eigenschaften erklärt werden können. Zwar wird auch die genetische Ausstattung des Menschen zum Ansatzpunkt für das Erkennen und Behandeln von Krankheitsursachen, diese sogenannte „Genetisierung“ ist mit einem genetischen Determinismus aber nicht gleichzusetzen.

II. Genomweite Analysen – die Genomsequenzierung 1. Was bedeutet die Sequenzierung des menschlichen Genoms?21 a) Meilensteine und Erwartungen Das Human Genome Project (Humangenomprojekt) leitete 1990 eine neue Ära der Erforschung des menschlichen Erbguts ein.22 Die Ergebnisse des Projekts ermöglichten, dass 13 Jahre später erstmals ein vollständig entschlüsseltes, menschliches Genom vorlag.23 In kürzester Zeit gelang ein nächster erfolgversprechender Schritt: Die Entschlüsselung von individuellen Genomen im Jahr 2007.24 Die hochauflösenden Genomanalysen enthüllten erstmalig individuelle Aspekte zum Aufbau und zur Funktion der Erbinformationen.25 Die wissenschaftlichen Erfolge wurden kontinuierlich 19  Keller,

S. 176.

20  Rehmann-Sutter

(2005), S. 43. Problemstellungen unter II.1 und II.2 wurden in Anlehnung an die folgenden Veröffentlichungen ausformuliert: Molnár-Gábor (2012), S. 695 ff., S. 696 ff.; MolnárGábor (2014), S. 115 ff. Vgl. zu dem Abschnitt § 4 II.1, Molnár-Gábor, in: Langanke/ Erdmann/Robienski et al., S. 23 ff., S. 24 ff. Die hier durchgeführte Analyse ist eine erweiterte Fassung dieser Publikation. 22  International Human Genome Sequencing Consortium, S. 860 ff. 23  Collins / Morgan / Patrinos, S. 286 ff. Collins / Green / Guttmacher et al., S. 835 ff. Dem Humangenomprojekt ist die Arbeit der Internationalen Human Genome Organiza­tion (HUGO) vorangegangen, http: /  / www.hugo-international.org (Stand: 31.12.2016). Nähere Informationen zum Humangenomprojekt unter http: /  / www. genome.gov /  (Stand: 31.12.2016). Eine überschaubare und verständliche Darstellung aus dieser Zeit bietet Zang, in: Furkel / Jung, S. 69 ff. 24  Venter, e254. 25  Die Genomanalyse umfasst alle Verfahren, die der Untersuchung der Funktion und Struktur der Erbanlagen dienen. Solche Untersuchungen können auf vier Ebenen durchgeführt werden: Auf Phänotyp-Ebene, Chromosom-Ebene, Genprodukt-Ebene sowie auf DNA-Ebene, vgl. Paslack, S. 24 ff. 21  Die

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

fortgesetzt und 2011 waren bereits mehrere tausend Genome im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte sequenziert. Als Konsequenz des Humangenomprojekts und der darauf aufbauenden Forschung wurde erwartet, genetische Veränderungen im Entstehungskomplex von insgesamt etwa 10 000 Krankheiten zu finden.26 Durch die komplette Entschlüsselung der DNA-Basenabfolge menschlicher Genome und durch vergleichende Untersuchungen (sogenannte genetische Assoziationsstudien27) wurden bislang mehr als 3100 Gene identifiziert, deren Mutationen zu monogen bedingten Krankheiten führen können28, wobei die Zahl der unbekannten monogen bedingten Krankheiten mit Sicherheit höher liegt.29 Zusammenhänge zwischen mehr als 3.500 Genen und phänotypischen Mutationen wurden entdeckt, von denen viele zu Krankheiten führen.30 b) Technikbeschreibung: Was kann sequenziert werden? Die Grundlage einer Genanalyse ist die DNA-Sequenzierung.31 Aus einer Blut- oder Speichelprobe lässt sich die DNA, das Biomolekül, das Träger der Erbinformation ist, isolieren. Verschiedene Sequenzierungsverfahren 26  Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), S. 8; abrufbar unter http: /  / www.gesundheitsforschung-bmbf.de / _media / die_humangenomforschung_in_ deutschland.pdf (Stand: 31.12.2016). 27  Nöthen, in: Duttge / Engel / Zoll, S. 19 ff., S. 21. 28  Siehe OMIM, http: /  / www.ncbi.nlm.nih.gov / omim /  (Stand: 31.12.2016). Mutationen können an verschiedenen Stellen innerhalb der Gene auftreten – nicht alle Mutationen wirken sich auf die Funktion dieser Gene aus. Zum Glück ist die Mehrzahl der Mendelschen Erkrankungen rezessiv. Das bedeutet, dass beide Allele von Mutationen betroffen sein müssen, damit sich der kranke Phänotyp ausbildet. Je nach ausgelöster Erkrankung kann die Schwere der Erkrankung auch bei gleichen Mutationen unterschiedlich sein. Dies kann verschiedene Ursachen haben, z. B. dass das betroffene Gen nicht allein für die Erkrankung verantwortlich ist. 29  Ropers, S. 199 ff. 30  Vgl. OMIM (2. Teil, Fn. 28). Green, S. 204 ff., S. 205; Lander, S. 187 ff., S. 187. Natio­ nale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Leopoldina) (2010), S. 9, http: / / www.leopoldina.org / uploads / tx_leopublication / 201011_natEmpf_prae dikative-DE.pdf (Stand: 31.12.2016); Müller-Röber/Boysen / Fehse et al., S. 113; http: /  / edoc.bbaw.de / volltexte / 2010 / 1730 / pdf / zweiter_Gentechnologiebericht_FI NAL.pdf (Stand: 31.12.2016). 31  „Durch die DNA-Sequenzierung kann die Abfolge der DNA-Basenfolge bestimmt und somit eine Sequenzvariation nachgewiesen werden.“, Murken / Grimm / HolinskiFeder, S. 98, Rn. 1. Die drei Millionen Basenpaare der DNA werden als Teil eines line­aren Musters identifiziert. Vgl. Wilkie, S. 81, S. 83. Bei diesen 3 Millionen Basen handelt es sich aber nicht um das ganze Genom, sondern wohl lediglich um einen kurzen Abschnitt. Das (haploide) Gesamtgenom umfasst drei Milliarden Basen, jede Zelle hat also ca. 6 Milliarden Basen im diploiden Chromosomensatz. Bei der normalen Gesamtgenomsequenzierung werden immer Sequenzen von beiden Allelen erhalten.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 139

ermöglichen nach Fragmentierung und künstlicher Vervielfältigung des Erbguts, die dabei entstehenden Abschnitte zunächst auf die Abfolge der Bausteine (Basen) zu untersuchen und dann hinsichtlich Länge und Muster einem gesunden Erbstrang gegenüberzustellen.32 Der Vergleich erlaubt, die genotypische Ausgestaltung von Krankheitsanlagen zu entschlüsseln.33 Seit der Entwicklung der ersten Sequenzierungsmethode34 fanden vielfältige technologische Veränderungen und Neuentwicklungen statt, die auch mit einer erheblichen Reduktion der Kosten einhergingen. Mit der Einführung von „Next-Generation Sequencingˮ-Technologien35, wurde der Grundstein für die heute verwendete Hochdurchsatzsequenzierung gelegt. Ihre wesentlichen technischen Vorteile sind die umfassendere Automatisierung von Analyseprozessen sowie die hochparallele Auswertung von DNA-­ Proben („Ultra-Hightroughput“-Technologien). Ihr besonderes Merkmal besteht zudem im Vergleich zu den traditionellen molekulargenetischen ­Sequenzierungstechniken darin, dass die komplette Auslesung der DNASequenzen, die der Sequenzierreaktion angeboten werden, ermöglicht wird.36 Allerdings unterscheiden sich verschiedene, sogenannte DNA-Sequenzierungsplattformen in ihrer technischen Ausführung und Spezifikation sowie in ihren Leistungseigenschaften und ihrer Ergebnisvalidität. Da diese Eigenschaften die gewonnene Information beeinflussen, hängt die Wahl der Plattform von der jeweiligen spezifischen analytischen Fragestellung ab. Zu die­ sen Plattformen zählen Roche 454 Life Sciences, Pacific Biosciences, Illumina (HiSeq 2500, MiSeq, HiSeq X Ten) oder Life Technologies (SOLiD System, IonTorrent, Proton).37 Abhängig vom angestrebten Umfang und der Zielsetzung der Genomanalyse können verschiedene Anwendungen der Genomsequenzierung differenziert werden.38 32  PHG Foundation, S. 19 ff., http: /  / www.phgfoundation.org / file / 10363 /  (Stand: 31.12.2016). 33  Scherrer, S. 7. 34  Sanger / Nicklen / Coulson, S. 5463 ff. Genau genommen war Sanger der Zweite. Die erste Sequenziermethode beinhaltete einen chemischen Abbau der DNA und diese Technologie wurde von Maxam und Gilbert entwickelt: Maxam / Gilbert, S. 560 ff. 35  Erläuterung der Technologien: Müller-Röber / Boysen / Fehse et al., S. 348; Stangier, S. 267 ff. Morozova / Marra, S. 255 ff. 36  Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit / Streubel, S. 11. 37  Liu / Li / Li et  al. Buermans / den Dunen, S.  1932 ff. Tanner / Kirchhof / Wolfrum et al., S. 24 ff. 38  Die folgende Darstellung orientiert sich an der Stellungnahme der Leopoldina (2010). Die naturwissenschaftlichen Grundlagen einer Genomanalyse und die neuen Entwicklungen von Methoden der genetischen Diagnostik werden in der Stellungnahme des Deutschen Ethikrats verständlich und umfassend dargestellt: Deutscher Ethik-

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Grundsätzlich kann eine Sequenzierung von DNA je nach Fragestellung für die Analyse des gesamten Genoms, des Epigenoms, des gesamten Exoms oder einzelner Gene angewendet werden.39 Der notwendige Aufwand für die Datengenerierung und der Umfang der gewonnenen Informationen unterscheiden sich deutlich. Bei einer Ganzgenomsequenzierung wird eine umfassende Darstellung des menschlichen Genoms durch die Erhebung von Informationen über das gesamte Erbgut ermöglicht. Sie hat zum unmittelbaren Ziel, das vollständige Genom eines Menschen zu entschlüsseln und genetische Veränderungen im gesamten Genom zu identi­ fizieren.40 Das Exom umfasst alle DNA-Segmente, die die genetische ­Information für Proteine in sich tragen, es macht aber nur weniger als 2% des gesamten Genoms aus.41 Die Exomsequenzierung untersucht somit lediglich die proteinkodierenden Abschnitte; Veränderungen in den übrigen ca.  98% des Genoms vorkommenden regulierenden DNA-Sequenzen werden durch diese Untersuchung nicht erfasst. Mithilfe der Exomsequenzierung kann allerdings eine große Anzahl von funktionellen Varianten untersucht werden, die zur genetischen Disposition für monogene oder multifaktorielle Krankheiten beitragen, darunter beispielsweise Krebserkrankungen sowie die Alzheimersche Krankheit.42 Sie kann bei der Suche nach Mutationen in Genen angewendet werden, die noch nicht im Zusammenhang mit einem Krankheitsbild beschrieben worden sind (Kanditatengene). rat (2013), S. 29 ff., abrufbar unter http: /  / www.ethikrat.org / dateien / pdf / stellungnahmezukunft-der-genetischen-diagnostik.pdf (Stand: 31.12.2016). 39  Auch RNA kann sequenziert werden, wobei es dort auch wieder verschiedene Anwendungen für die sich insbes. in der Länge sehr unterscheidenden Molekülen gibt (mRNA, miRNA, lncRNA). Der kodierende Teil des Genoms wird über die Zwischenstufe RNA in Proteine übersetzt. Zudem kann die RNA eines Gens abhängig von Gewebetyp und Entwicklungsstadium unterschiedlich verarbeitet werden, sodass aus einem Gen bis zu tausende unterschiedliche Proteine mit unterschied­ lichen Funktionen entstehen können. Störungen dieses Prozesses sind für etwa 15% der Erbkrankheiten verantwortlich: Bartram, in: ders. / Bobbert / Dölling et al., S. 155. RNA wird aber nicht nur in Proteine übersetzt, sondern wirkt auch per se regulatorisch und beeinflusst die Gene in ihrer Aktivität. Eine wachsende Zahl von Erkrankungen wird auf die Störungen solcher RN-Moleküle zurückgeführt: id., mit Hinweis auf Krol / Loedige / Filipowicz, S. 597 ff. Der „Gestaltungsspielraum“ des genetischen Informationsflusses ist extrem variabel, was auch erklärt, warum dies alleine in der Zahl der Gene nicht abgebildet wird. Bartram, id. 40  Vgl. hierzu Heinig / v. Kalle, S. 1 ff. Eine verständliche Erläuterung der sog. whole genome sequencing und der Next-Generation-Sequenzierungstechniken ist auf der Webseite von Ilumina zu finden, abrufbar unter http: // www.ilumina.com (Stand: 31.12.2016). 41  Majewski / Schwartzentruber / Lalonde et  al., S. 580 ff. 42  Leopoldina (2010), S. 33; Zibat / Shoukier / Schwaibold, in: Duttge / Engel / Zoll, S.  104 f.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 141

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einzelne Gene oder Genpanels zu analysieren.43 Mit der Genomsequenzierung könnten monogene Krankheiten in der näheren Zukunft einfacher und günstiger diagnostiziert werden als durch Anwendung spezifischer, auf ausgewählte Gene fokussierter Tests. Zentrale Register für Genvarianten, deren kausale Verbindung mit medizinisch relevanten Effekten nachgewiesen ist, existieren bereits.44 Zum Thema „Genes and Disease“ werden Informationen zu allen kartierten humanen krankheitsrelevanten Genen gesammelt und in diesem Rahmen Auskunft über die Krankheit, Gensequenz, Genetik, Literatur sowie Patienteninformationsseiten angeboten.45 Die Datenbank „Orphanet“ ist die zentrale europäische Plattform seltener Erkrankungen und wendet sich primär an Betroffene und die betreuenden Ärzte.46 Ein alphabetischer Katalog für seltene, genetisch bedingte Krankheiten bei Kindern ist der „Rare Disease Catalogue“.47 Die sogenannte „Human Gene Mutation Database“ (HGMDDatenbank) wurde ursprünglich etabliert, um die Mechanismen der Mutationsentstehung in menschlichen Genen zu erfassen. Mittlerweile bietet sie nicht nur eine umfassende und aktuelle Zusammenstellung des Spektrums vererbter Keimbahn-Mutationen in menschlichen Genen48, sondern hat eine wesentlich breitere Anwendung gefunden. Es werden in der Datenbank über 120.000 Mutationen geführt, deren beträchtlicher Teil solche Genvarianten sind, die unmittelbar eine genetische Erkrankung verursachen. Eine qualitativ hochwertige Genomsequenzierung ist geeignet, solche Varianten im Genom aufzuspüren und auch heterozygote Träger zu identifizieren.49 43  Wenn von der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms oder von Ganzgenomsequenzierung gesprochen wird, impliziert dies sowohl Verfahren, die das gesamte Genom, als auch solche, die nur die kodierenden Bereiche (Exom) auslesen. Bei der Analyse der protein-kodierenden Sequenzen können entweder alle solche Sequenzen oder alle solche Sequenzen von ausgewählten Genen ausgelesen werden. Zur weiteren Unterscheidung auf dem Feld der Ganzgenomsequenzierung, auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Sequenziertechniken, siehe: PHG Foundation. Die Ganzgenomsequenzierung wird oft auch Totalsequenzierung genannt. Diese Wortwahl wird im Anschluss an Rehmann-Sutter abgelehnt, da sie genommetaphysische Vorurteile suggeriert, siehe Rehmann-Sutter, in: ders. / Bobbert / Dölling et al., S. 260. 44  Müller-Röber / Boysen / Fehse et  al., S. 113. 45  http: /  /www.ncbi.nlm.nih.gov / books / NBK22183 /  (Stand: 31.12.2016). 46  http:/  /www.orpha.net /consor / cgi-bin / Disease_Genes.php?lng=EN (Stand: 31.12.2016). 47  http: /  / www.eespof.gr / en / rare-diseases-catalogue (Stand: 31.12.2016). Eine wei­tere Datenbank für genetische Erkrankungen ist OMIM, siehe oben 2. Teil, Fn. 28. 48  http: /  /www.hgmd.cf.ac.uk / ac / index.php (Stand: 31.12.2016). Stenson / Mort /  Ball et al., S. 1 ff., S. 13. 49  Homozygote Träger werden häufig schon anhand der Erkrankung diagnostiziert. „Mutation“ und „Variante“ sind zu unterscheiden, auch wenn es auf DNA-

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Genotyp-Punkteschemata erfassen die quantitativen Effekte mehrerer Genvarianten, besitzen aber aktuell nur eine geringe diagnostische Sensitivität und Spezifität. Um die Zusammenhänge zwischen genotypischen und phänotypischen Veränderungen zu entschlüsseln, müssen neben der Verortung der Mutationen im Genom auch ihre funktionellen Auswirkungen erforscht werden. Diese kausalen Zusammenhänge zwischen Genvarianten und Krankheitsprozessen können aufgrund eines Verständnisses über die fehlerhaften Prozesse, die durch Genvarianten im Stoffwechsel hervorgerufen werden, aufgedeckt werden.50 Die Entstehung der häufig auftretenden Erkrankungen, die auch unter dem Begriff „Volkskrankheit“ erfasst werden51, kann durch genetische Faktoren nur zum Teil erklärt werden.52 Auf dieser Grundlage sind zusätzlich die Möglichkeiten einer molekularen Diagnostik auf der Ebene des Stoffwechsels sowie die Erfassung der Umweltfaktoren von hoher Relevanz. Großen Kohorten klinisch gut charakterisierter Patienten und Kontrollpersonen kommt bei der Genomsequenzierung eine enorme Bedeutung zu. Die Sequenzierung des Genoms von gut definierten Patientengruppen mit genetisch komplexen Krankheiten und ihr Vergleich mit Genomsequenzen geEbene keinen Unterschied gibt. Eine Mutation verändert im Normalfall den Phänotyp, während eine Variante keine solche Veränderung hervorruft. Zwei Menschen unterscheiden sich in ca. 3 000 000 Sequenzunterschiede voneinander. Cichon et al., A3091 ff., A3091. 50  http: / / www.assmann-stiftung.de / personalisierte-medizin / 1000-euro-genom /  (Stand: 31.12.2016). 51  Hierzu zählen unter anderem Tumorerkrankungen, Hypertonie, Arteriosklerose oder Diabetes mellitus. Krebs ist immer noch die zweithäufigste Todesursache. „It is estimated that in 2007 over 12 million new cases were diagnosed across the planet and approximately 7.6 million cancer deaths occurred; these numbers will rise to an expected 27 million new cases and 17.5 million cancer deaths in 2050 if our ability to prevent, diagnose and treat cancer does not improve.“ „There are many etiological factors in cancer including infection, exposure to chemicals (e. g., in tobacco smoke), diet, radiation (e. g., in sunlight), and heredity. While several of these factors are preventable, many are not. All cancers arise due to alterations in DNA. Some cancer-causing mutations may be present in the germline, are therefore heritable and confer an elevated risk of developing cancer. Many, however, occur over the course of a person’s lifetime in individual cells of the body and are known as somatic mutations.“ ICGC, Goals, Structure, Policies and Guidelines, https: / / icgc. org / files / ICGC_April_29_2008.pdf (Stand: 31.12.2016). 52  Bisher ging es ausschließlich um vererbbare Varianten. Insbes. bei Tumorerkrankungen sind sogenannte „somatische Veränderungen“ ausschlaggebend. Das sind Veränderungen, die eben nicht in der Keimbahn vorliegen, und deshalb auch nicht vererbt werden, sondern in Körperzellen im Verlauf von Jahren und Jahrzehnten entstehen (und akkumulieren). Meist führen bestimmte Kombinationen von solchen Veränderungen zu einer Erkrankung, selten reicht eine einzige Mutation in einem bestimmten Gen aus, einen Tumor herbeizuführen.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 143

sunder Personen eröffnet die Möglichkeit, krankheitsrelevante Unterschiede in der DNA-Sequenz umfassend zu identifizieren.53 Jede Person trägt eine größere Anzahl krankheitsrelevanter Mutationen („deleterious mutations“), meist in heterozygoter Form. Bei der Ganzgenomsequenzierung ist eine Interpretation der phänotypischen Auswirkungen durch die hohe Variabilität des menschlichen Genoms allerdings bei den vielen generierten Informationen erschwert. Die Schwierigkeit bei der Interpretation solcher außerordentlich umfangreicher Datensätze besteht darin, krankheitsrelevante, pathogenetische Mutationen von irrelevanten, funktionell unbedeutenden, natürlichen Varianten abzugrenzen.54 Der Vergleich innerhalb großer Kohorten kann daher bei dieser Unterscheidung behilflich sein. Im Bereich der Sequenzierung ist zudem ein starker Bedeutungszuwachs der Bioinformatik festzustellen, da bioinformatische Instrumente bei der Aufdeckung konkreter Beziehungen zwischen genetischen Varianten, Krankheiten und Krankheitsdispositionen (zwischen Genotyp und Phänotyp) eine entscheidende Rolle spielen. Diese bioinformatorischen Filter, die die Dateninterpretation bedingen, sind als lernende Systeme zu verstehen, da eine fortlaufend wachsende Kenntnis über Genotyp-Phänotyp-Beziehungen das Wissen um ursächliche Zusammenhänge und somit auch die analytischen Fragestellungen und Methoden ständig erweitert.55 Was die praktische Anwendung der Genomsequenzierung betrifft, ist es aufgrund der derzeitigen Kosten noch häufig üblich, dass bestimmte Regionen aus dem Gesamtgenom angereichert werden und diese bevorzugt ausgelesen werden. Zurzeit wird vornehmlich eine Exomanreicherung durchgeführt. Dies schließt die Auslesung des restlichen Genoms zwar in geringerer Lesedichte, aber nicht grundsätzlich aus. Aufgrund des starken Preisverfalls und des Ausbaus der Sequenzierplattformkapazitäten ist eine starke Tendenz zur bevorzugten Anwendung der Gesamtgenomsequenzierung zu beobachten.56 c) Sinkende Kosten Die Weiterentwicklung und Verbesserung der Sequenzierungsmethoden zielt nicht nur darauf ab, den erreichbaren Durchsatz zu erhöhen, sondern auch die Kosten des Sequenzierungsprozesses zu verringern.57 Im Rahmen des Humangenomprojekts dauerte die Sequenzierung des ersten mensch­ 53  Leopoldina

(2010), X., Nr. 17. S. 10. 55  Tanner / Kirchhof / Wolfrum et  al., S. 26. 56  Bundesministerium für Gesundheit Österreich / Streubel, S. 10 f., S. 19. 57  Mardis, S. 198 ff., S. 198; PHG Foundation. 54  Id.,

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

lichen Genoms mehr als 10 Jahre und es mussten ca. 3 Milliarden US-Dollar dafür investiert werden.58 2006 dauerte die vollständige Sequenzierung eines einzelnen menschlichen Genoms weiterhin mehrere Monate mit einem Kostenbetrag von ca. 10 Millionen Euro.59 Die Dauer der Sequenzierung und der Preis konnten bis 2009 durch die Einführung der Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien erheblich reduziert werden auf etwa eine Woche und ca. 50.000 Euro.60 Durch die Einführung des ersten preiswerten Tischgeräts für die Hochdurchsatzsequenzierung 2010 wurde diese Technologie für immer mehr Labore einsetzbar.61 Im Januar 2012 haben zwei amerikanische Unternehmen neue Sequenzierungssysteme vorgestellt, die die Sequenzierung eines menschlichen Genoms in wenigen Stunden für ca. 1.000 Euro erlauben.62 Die Prognose lautete, dass wenn die Kosten für eine Ganzgenomsequenzierung unter die Schwelle von 1.000 Euro fällt, wird diese Technik für den medizinischen Alltag verfügbar. Allerdings gilt es zu beachten, dass auch heute noch die Sequenzierung eines Genoms mit hoher Qualität, das heißt mit zuverlässiger Technologie sequenziert, mehrere Tausend Euro kostet (reine Sequenzierungskosten). Zudem ist die Anwendung der Technologie mit Folgekosten verbunden, die insbesondere für die Datenauswertung und Datenspeicherung aufgewendet werden müssen.63 Nichtdestotrotz, die neueste Generation von Sequenzierungsanlagen erlaubt die Analyse des menschlichen Genoms für niedrige Kosten in wenigen Tagen. Weiter sinkende Kosten werden durch die Verbindung des technisch und ökonomisch Möglichen den Einzug dieser Technologie in den Alltag der Medizin ermöglichen und beschleunigen.64 Auch der Zugang zu diesem Verfahren wird somit einem sich ständig erweiternden Nutzerkreis ermöglicht; inzwischen wird die Erstellung 58  Roberts / Davenport / Pennisi

et  al., S. 1195; Roberts, S. 1182 ff. et  al., S. 56 ff. 60  Nicholas Wade, Cost of Decoding a Genome Is Lowered. The New York Times, 10. August 2009, http: /  / www.nytimes.com / 2009 / 08 / 11 / science / 11gene. html?_r=0 (Stand: 31.12.2016). 61  Mardis, S. 84. 62  DeFrancesco, S. 126; Sebastian Balzter, Das 1000-Dollar-Genom, FAZ, 10. Januar 2012; „Whole-genome sequencing, coming into its own as the cost per genome falls below $ 1, 000 in the next three to five years.“ Collins (2010), S. 674 ff.; http: /  / www.assmann-stiftung.de / information / personalisierte-medizin / 1000-eurogenom /  (Stand: 31.12.2016). 63  Für eine detaillierte Kostenanalyse siehe Tanner / Kirchhof / Wolfrum et  al., S.  113 ff. 64  Metzker, S. 31 ff. Die Erstellung der Rohfassung des menschlichen Genoms hat 2,5 Milliarden US-Dollar gekostet, die erste Sequenzierung eines individuellen menschlichen Genoms in zwei Monaten etwa eine Million US-Dollar. Wheeler / Srinivasan / Egholm et  al., S. 872 ff. Heute liegen die Kosten bei etwa 3.900 Euro: Tanner / Kirchhof / Wolfrum et  al., S. 113 ff. Das 1.000 Dollar-Genom ist noch nicht realisiert. Bonetta, S. 917 ff. 59  Kidd / Cooper / Donahue



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 

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genomischer Profile bereits von privaten Firmen angeboten.65 Private Genlabore bieten personalisierte Gentests, häufig unabhängig davon, ob man die identifizierte Krankheiten oder Veranlagungen behandeln kann oder nicht.66 Auf der genetischen Forschung wird ein neuer Markt aufgebaut. 2. Wo werden die genomweiten Analysen und die Genomsequenzierung angewendet? Heute wird mit großem Forschungsaufwand versucht, das dem Verfahren immanente Potential hinsichtlich neuer medizinischer Anwendungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Groß angelegte Forschungsprojekte setzen dabei die Meilensteine. Um den gewünschten Erfolg schnell zu erreichen, wird vor 65  Z. B. 23andMe Inc., https: / / www.23andme.com /  (Stand: 31.12.2016); bio.logis GmbH, https: /  / www.biologis.com /  (Stand: 31.12.2016) oder AITbiotech, http: /  / www. aitbiotech.com / (Stand: 31.12.2016). Ende 2013 hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) dem Unternehmen 23andMe die Werbung für seine Gentests und ihr weltweites Vertreiben untersagt. Siehe http: /  / www.fda.gov / ICECI / EnforcementActi ons / WarningLetters / 2013 / ucm376296.htm (Stand: 31.12.2016). Die Behörde hatte die kalifornische Firma damals aufgefordert, detaillierte Informationen über ihre Direct-to-Consumer-Gentests (DTC) zwecks Zulassung zu liefern. Daraufhin wurde Anfang 2015 der Test zur Untersuchung auf den Genträgerstatus für das seltene Bloom-Syndrom bei Erwachsenen im reproduktionsfähigen Alter doch freigegeben. Siehe http: /  / www.fda.gov / NewsEvents / Newsroom / PressAnnouncements / ucm4350 03.htm (Stand: 31.12.2016). Zwar verlangt die FDA, dass beim Verkauf des zugelassenen Produkts sichergestellt werden muss, dass die Kunden mit Informationen darüber versorgt werden, wo sie sich mit einem Experten für klinische Molekulargenetik über das Testergebnis austauschen können, doch stößt die Zulassung ohne zwingende Beratung und Erläuterung der Testergebnisse durch Humangenetiker insbesondere in Deutschland auf Bedenken. Hierzulande fordert das Gendiagnostikgesetz den Arztvorbehalt: Nur Ärzte dürfen eine diagnostische genetische Untersuchung und eine genetische Beratung vornehmen. Weil die Konsequenzen von Risikoergebnissen gravierend sein können, reicht es nicht aus, Interessenten nur schriftlich auf mögliche medizinische Ansprechpartner zu verweisen. (§7 GenDG, siehe unten 2. Teil, Fn. 115). Die Angebote des Unternehmens bio.logis Zentrum für Humangenetik in Frankfurt am Main, ein genetisch-diagnostisches Unternehmen, das von Medizinern geleitet wird, sind beispielhaft dafür, wie der Arztvorbehalt bei kommerziellen Firmen umgesetzt werden kann. Mithilfe einer Speichelprobe und dem entsprechenden Testpaket können Interessenten erfahren, wie groß ihr persönliches Risiko für bestimmte Intoleranzen ist, welche Wirkung bestimmte Medikamente bei ihnen haben oder wie sie verstoffwechselt werden. Beim Komplettpaket werden derzeit über 100 genetische Varianten mit klinischer Relevanz – außer im Zusammenhang mit Krebs – analysiert. Man kann sich von Ärzten im Unternehmen selbst beraten lassen oder über das Internet passwortgeschützt gemeinsam mit seinem Hausarzt die Ergebnisse einzeln durchgehen. Siehe: https: /  / www.bio.logis.de / diagnostische_genetik / genetische_beratung (Stand 31.12.2016). 66  Vashlishan Murray / Carson / Morris et  al., S. 459 ff.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

enormen Investitionen in dieses Forschungsfeld nicht zurückgeschreckt: In den USA wurde ab 2011 von der Regierung ein Forschungsvorhaben im Umfang von 416 Millionen US-Dollar unterstützt.67 Als Folgeprojekt des Humangenomprojekt ist das ENCyclopedia Of DNA Elements (ENCODE) Projekt zu nennen, in dem die funktionellen Elemente des menschlichen Genoms und Transkriptoms identifiziert und charakterisiert wurden.68 Ein weiteres wegweisendes Projekt ist das derzeit größte DNA-Sequenzierungsprojekt, das 100 000 Genomes Projekt, welches von der britischen Regierung finanziert wird.69 Gegenwärtiger Schwerpunkt des Anwendungsbereichs der genomweiten Sequenzierungstechnologien in Deutschland ist ebenfalls die medizinische Forschung, wo sie inzwischen einen unverzichtbaren Bestandteil, insbesondere bei der Untersuchung einiger Tumorarten, ausmacht.70 So verwenden etwa das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg im Rahmen unterschiedlicher Forschungsprojekte diese Technik.71 67  Zunächst für vier Jahre: National Institutes of Health (NIH), NHGRI broadens sequencing program focus on inherited diseases, medical applications. 6. Dezember 2011, https: /  / www.nih.gov / news-events / news-releases / nhgri-broadens-sequencingprogram-focus-inherited-diseases-medical-applications (Stand: 31.12.2016) und Mark Johnson, NIH to put $416 million into gene sequencing. 6. Dezember 2011, http: /  / www. jsonline.com / blogs / news / 135124763.html (Stand: 31.12.2016). In Deutschland war zu dieser Zeit der Beitrag im ICGC 15 Millionen EURO, der von BMBF und Krebshilfe aufgebracht wurde: https: /  / www.dkfz.de / de / presse / pressemitteilungen / 2010 / dkfz_ pm_10_15.php (Stand: 31.12.2016). „The Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and the German Cancer Aid will provide funds of 15 Million Euros for Germany’s participation in ICGC over the next five years.“ DKFZ, Pressemitteilung No. 60, 10. Dezember 2009, https: /  / www.dkfz.de / en / presse / pressemitteilungen / 2009  / dkfz_pm_09_60.php (Stand: 31.12.2016). 68  ENCODE Projekt Consortium (2004), S. 636 ff.; ENCODE Projekt Consortium (2007), S. 799 ff. http: /  / genome.ucsc.edu / ENCODE /  (Stand: 31.12.2016). 69  http: /  / www.genomicsengland.co.uk /  (Stand: 31.12.2016). Siehe auch das „Mis­ sing-Project“ in den USA und Kanada (http: /  / www.mss.ng, Stand: 31.12.2016) ­sowie zahlreiche Studien im Rahmen des Internationalen Krebsgenomkonsortiums, insbesondere das „Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes Project“ (PCAWG, https: /  / dcc.icgc.org / pcawg#, Stand: 31.12.2016). 70  So wurde bspw. mit Hilfe der Ganzgenomsequenzierung die genetischen Grundlagen eines neuen Mechanismus der Tumorentstehung, die Chromothripsis, nachgewiesen, siehe: Rausch / Jones / Zapatka et al., S. 59 ff. Siehe auch Seiffert / Dietrich / Jethwa et  al., S. 1023 ff. 71  Siehe bspw. die Projekte am DKFZ, Prostatakrebs: http: /  / www.icgc.org / icgc /  cgp / 70 / 345 / 53039 (Stand 31.12.2016), Malignant Lymphoma – Germinal center ­B-cell derived lymphomas: http: /  / www.icgc.org / icgc / cgp / 64 / 345 / 53049 (Stand: 31.12.2016); EMBL 1000-Genomes-Projekt, http: /  / www.1000genomes.org (Stand: 31.12.2014). Siehe auch § 5 I.1.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 147

Genetische Untersuchungen werden stets von dem medizinisch-diagnostischen Motiv geleitet, Zusammenhänge zwischen genetischen Dispositionen und Krankheiten herzustellen („clinical sequencing“). Die Hochdurchsatzsequenzierung kann noch nicht als eine Standarddiagnostik eingesetzt werden, denn im Gegensatz zu der Forschung, wo die genomweiten Analysen seit Jahren bevorzugt eingesetzt werden, beschränken sich diagnostische Labore bisher auf die gezielte Sequenzierung einzelner oder mehrerer genomischer Regionen. Diese Regionen werden als molekulare Krankheitsmarker identifiziert und validiert. Ihre gezielte Sequenzierung erlaubt häufig eine sichere und schnelle Aussage über den genetischen Befund.72 Aller Voraussicht nach wird aber der Einsatz der neuen Technologie als diagnostisches Verfahren bei gewissen Erkrankungen nicht mehr lange auf sich warten lassen: Die Fälle – insbesondere in den USA – mehren sich seit Jahren, bei denen die Ganzgenomsequenzierung vor dem Hintergrund des Fortschritts Richtung schnellere und kostengünstigere Technologie in einem medizinisch-diagnostischen Kontext angewendet wird.73 Die Sequenzierungsverfahren erlauben die umfassende Ermittlung von Veränderungen im Genom und können dadurch einen unmittelbaren Einfluss auf die genetische Diagnostik in der Humangenetik (Diagnostik bei Syndromen mit unbekannter genetischer Ursache, Pränatal­ diagnostik), in der Pädiatrie (Neugeborenenscreening) sowie in der Onkologie (Diagnostik für besser angepasste Therapien) ausüben.74 Die Einbettung der Sequenzierung des menschlichen Genoms in die Diagnostik bei bestimm72  In Deutschland sind zurzeit 50 Wirkstoffe zugelassen, vor deren Anwendung ein Gentest oder ein Test, der den Genstatus indirekt ermittelt, vorgeschrieben oder empfohlen wird. Dazu gehören 37 Krebsmittel. Vgl. http: /  / www.vfa.de (Stand: 31.12.2016). Wenn die ursächlichen Mutationen in anderen Bereichen als der untersuchten liegen, bleiben sie aber unentdeckt. 73  Siehe hierzu das Programm am National Human Genome Research Institute der USA namens „Clinical Sequencing Exploratory Research“: https: /  / cser-consor tium.org / (Stand: 31.12.2016). Ku / Cooper / Iacopetta et  al., S. 2 ff. Brendan Borrell, US clinics quietly embrace whole-genome sequencing, Nature News (2010), http: /  / www.nature.com / news / 2010 / 100914 / full / news.2010.465.html (Stand: 31.12. 2016); Kohlmann, S. 26 ff. 74  Lichter, in: Bartram / Bobbert / Dölling et  al., S. 173 ff., S. 173. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg definierte in 2014 als kurzfristiges Ziel, das Tumorgewebe aller Krebspatienten sequenzieren und durch Stratifizierung Patientengruppen für eine bessere, gezielte Therapie zu bilden. (Gemeinsame Pressekonferenz der Dietmar Hopp Stiftung und des Deutschen Krebsforschungszentrums, Modernste Technologie und großzügige finanzielle Unterstützung für die ­individualisierte Krebsmedizin, 20. Mai 2014, http: /  / www.dkfz.de / de / presse / presse konferenzen / download / Pressemappe-st-leon-rot.pdf (Stand: 31.12.2016). Siehe auch: Otmar D. Wiestler, Gesamtgenomanalyse von Tumoren auf dem Weg in die klinische Routine, als Video abrufbar unter http: /  / www.dkfz.de / de / presse / pressekonferenzen / pk-krebskongress-2012.html, Stand: 31.5.2015). Das NCT betreibt aktuell zahlreiche Vorhaben, die auf die zügige Umsetzung der hochauflösenden Gendiagnostik in die

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

ten Krebs- und Erbkrankheiten zielt auf die Identifizierung krankheitsrelevanter Mutationen ab. Diese Identifizierung kann durch die Verknüpfung mit den patientenbezogenen Daten ein wesentlich erweitertes Verständnis der konventionell gewonnenen Befunde eines Patienten ermöglichen und damit zur Optimierung der Therapie beitragen.75 Obwohl dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist, vor allem weil die Wirksamkeit der Verfahren empirisch validiert sein muss und auch die Kosten weiterhin in den Blick zu nehmen sind, lassen sich erste Erfolge verzeichnen. Ein zurzeit gewichtiges Einsatzgebiet der Ganzgenomsequenzierung ist die translationale Medizin (oft auch translationale Forschung genannt), bei der die klinische Versorgung und die naturwissenschaftliche Forschung eng verzahnt sind. Die Grundlagenforschung wird für die klinische Behandlung immer wichtiger und die klinischen Erkenntnisse sind für die Grundlagenforschung von eminentem Interesse, demzufolge die translationale Medizin als Bindeglied zwischen Versorgung und Forschung entwickelt wurde.76 Im weiten Sinne bedeutet die Translationalität die Übertragung in Laboratorien gewonnener Erkenntnisse über Krankheitsmechanismen in neue diagnostische, therapeutische und präventive Methoden, die zugleich im klinischen Setting überprüft werden. Im engen Sinne zielt die translationale Medizin auf die Umsetzung von Ergebnissen aus klinischen Studien in der alltäglichen medizinischen Praxis und in der gesundheitsrelevanten Entscheidungsfindung ab.77 Aus ihrem sechs Milliarden Euro Etat für gesundheitsrelevante Forschung finanzierte die Europäische Union dieses Gebiet bereits im Rahmen klinische Praxis zielen: https: /  / www.nct-heidelberg.de / forschung.html (Stand: 31.12. 2016). 75  Einen Überblick über mögliche klinische Anwendungsfelder der Genomsequenzierung bietet PHG Foundation, S. 45 ff. Bei Tumorerkrankungen bezieht sich die Individualisierung der Therapie auf Veränderungen in den Krebszellen, die sich aus der Keimbahn entwickelt haben (also eine genetische Veranlagung tragen), aber im Verlauf von Jahren und Jahrzehnten neue Mutationen erhalten haben, die für die Entstehung und Therapie der Krebserkrankung wichtig sind. „Ziel der personalisierten Medizin heute ist es, Genvarianten zu identifizieren, die den Patienten unempfindlich gegenüber der Behandlung mit einem eingesetzten Wirkstoff machen oder individuelle Nebenwirkungen der eingesetzten Wirkstoffe erkennen und verhindern lassen. Mit NGS können nicht nur einzelne Genvarianten, sondern ganze Mutationsspektren erfasst werden um dadurch die Effizienz der eingesetzten Wirkstoffe zu optimieren.“ Zibat / Shoukier / Schwaibold, in: Duttge / Engel / Zoll, S. 109. 76  Siehe http: /  / cecad.uni-koeln.de / UEber-Translationale-Forschung.264.0.html? &L=1 (Stand: 31.12.2016). Zudem: http: /  / www.cc.nih.gov / ccc / btb /  (Stand: 31.12. 2016) sowie Joffe / Miller, S. 30 ff. Für die Onkologie siehe auch das Deutsche Zen­ trum für translationale Krebsforschung: http: /  / www.dktk-dkfz.de / en / home (Stand: 31.12.2016). Rosenberg, S. 1305 f.; Sung / Crowley / Genel et al., S.  1278 ff. 77  Sung / Crowley / Genel et  al., S.  1278 ff.



§ 4 Die Genomsequenzierung. Eine technologische Analyse 149

des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms mit einer beachtlichen Summe.78 Auch die einzelnen Mitgliedstaaten erachten die Umsetzung der Forschungsergebnisse in der Versorgung als wichtig; so finanzierte Großbritannien beispielsweise fünf Jahre lang mit 450 Millionen Pfund die Errichtung entsprechender Forschungsinstitute und fördert diese weiterhin mit beträchtlichen Summen.79 Auch private Firmen tragen zur Entwicklung translationaler Technologien bei; auf dem Biomedizincampus der Universität Cambridge investierte die Pharma-Firma Astra-Zeneca zwei Milliarden Pfund für ihr neues Hauptquartier. In Deutschland sind das Deutsche Krebsforschungszentrum und das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Pioniere in der translationalen Forschung im onkologischen Bereich.80 In den USA förderte die National Institutes of Health (NIH) in 2012 60  translationale Forschungszentren mit einem jährlichen Budget um die 500  Millionen Dollar.81 Nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Ausbildung wird die translationale Medizin sowohl in Europa als auch in den USA als wichtig erachtet.82 Im Folgenden fokussiert sich diese Arbeit auf die Anwendung der Hochdurchsatzsequenzierung des Gesamtgenoms in der translationalen Forschung und Medizin auf internationaler Ebene.

78  BMBF, Das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm, 2007, S. 13, https: /  / www. bmbf.de / pub / siebte_forschungsrahmenprogramm.pdf (Stand: 31. Mai 2016). European Commission (EC 2014) Health, demographic change and wellbeing, Work Programme 2014–2015. Decision C (2014) 4995 vom 22. Juli 2014: http: /  / ec. europa.eu / research / participants / data / ref / h2020 / wp / 2014_2015 / main / h2020wp1415-health_en.pdf (Stand: 31.12.2016). 79  Kate Travis, Special feature: Translational research careers. Science, 17. August 2007, http: /  / www.sciencemag.org / careers / 2007 / 08 / special-feature-translatio nal-research-careers (Stand: 31.5.2016), Science Careers Staff, Content Collection, Careers in Clinical and Translational Research, Science, 15. April 2011, http: /  / www. sciencemag.org / careers / 2011 / 04 / content-collection-careers-clinical-and-trans lational-research (Stand: 31.12.2016). 80  Joachim Müller-Jung, Wie das wuchert, FAZ, Nr. 94 S. N1, 23. April 2014. Heidelberger Zentrum für Personalisierte Onkologie (DKFZ-HIPO): http: /  / www. bio-pro.de / magazin / index.html?lang=en&artikelid= / artikel / 09012 / index.html (Stand 31.12.2016). Vgl. oben 2. Teil, Fn. 74. 81  Reis / Berglund / Bernard et  al. 82  In Frankfurt kann man seit 2007 an der Internationalen Forschungsgraduiertenschule für Translationale Biomedizin studieren, an der Berkeley Universität in Kalifornien seit 2010 einen Masterstudiengang mit Doppelabschluss in diesem Gebiet anstreben. http: /  / www.first-gradschool.de / index.php und http: /  / bioeng.berkeley. edu / mtm (Stand: 31.12.2016).

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse83 I. Die besonderen Eigenschaften der Gesamtgenomanalyse Zunächst soll dargestellt werden, welche besonderen Eigenschaften die Anwendung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin charakterisieren. Obwohl die Eigenschaften genetischer Untersuchungen schon immer parallel zur Etablierung der Technologie thematisiert wurden, fehlt bisher eine umfassende Betrachtung der von den herkömmlichen genetischen Untersuchungen abweichenden Merkmale der Gesamtgenomsequenzierung.84 Diese Eigenschaften sind erstens die Internationalität der Anwendung in der translationalen Medizin, zweitens die von den herkömmlichen medizinischen Untersuchungen abweichenden Kontexte und Akteure der Anwendung, drittens die Besonderheiten der aus dem Gesamtgenom auslesbaren Informationen und Befunde und schließlich viertens der informationelle Charakter der Anwendung als medizinischer Eingriff. 1. Grenzüberschreitende Anwendung Bei der Einführung der Gesamtgenomanalyse in die medizinische Diagnostik setzen international aufgestellte Forschungsprojekte und Forschungsorganisationen die Maßstäbe. Zwar handelt es sich zunächst bei den Projekten um Forschungsprojekte, ihr Beitrag zur Implementierung der Genomsequenzierung in der medizinischen Diagnostik geht aber über die der einfachen Forschung hinaus. Dies ist damit zu begründen, dass die meisten Forschungsvorhaben einen translationalen Charakter haben. Demnach fließen die Forschungsergebnisse möglichst unmittelbar in die medizinische Behandlung und Therapie der Patienten ein, die an bestimmten klinischen Studien oder Projekten teilnehmen. Die Zusammenarbeit zwischen Institutionen solcher translationalen Forschung erfolgt zunehmend multizentral und grenzüberschreitend.

83  Eine ähnliche normative Analyse wurde das erste Mal in Molnár-Gábor (2012) veröffentlicht, siehe auch dies. (2014), S. 115 ff. Vgl. zu dem Abschnitt § 5, Molnár-Gábor, in: Langanke/Erdmann/Robienski et al., S. 23 ff., S. 26 ff. Die hier durchgeführte Analyse ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung dieser Publikationen. 84  WMA, Declaration on the Human Genome Project, angenommen im Jahre 1992, aufgehoben 2005; Suter, S. 1854 ff., S. 1884; Hubbard / Wald, S. 93 ff.; Iles, S. 27 ff., S. 32 ff.



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 

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Das 1000-Genome-Projekt unter der Führung des englischen Sanger-Wellcome-Zentrums ist das erste umfangreiche internationale Sequenzierungsprojekt. Es setzte sich zum Ziel, einen detaillierten Katalog menschlicher genetischer Variationen aufgrund der Sequenzierung von etwa 2.500 humanen Genomen aus 26 verschiedenen ethnischen Gruppen der Welt zu erstellen.85 Um die notwendige Probandenzahl zu sichern, arbeiteten Institute vieler Länder unter anderem in den USA, England, China und Deutschland zusammen. Bereits in der Anfangsphase 2008 traten drei Unternehmen, die an der Entwicklung neuer Sequenzierungstechnologien beteiligt waren, dem Projekt bei.86 Im Dezember 2008 wurden die ersten vorläufigen Daten von vier Personen als Teil eines Pilotprojekts veröffentlicht.87 Im Oktober 2010 folgte die Publikation von Sequenzdaten ganzer Genome von 185 Personen.88 Zwei Jahre später, im Oktober 2012, wurde die bis dahin umfangreichste Erfassung menschlicher Genome geschaffen in dessen Rahmen die Genomdaten von mehr als 1.000 Menschen gelesen, drei weitere Jahre später, in 2015, die Genome von mehr als 2500 Menschen.89 Die Datenbank wurde Wissenschaftlern weltweit vollständig und kostenlos zur Verfügung gestellt.90 2007 hat in Toronto eine Gruppe von Tumor- und Genomforschern das International Cancer Genome Consortium (ICGC) gegründet, um die Verbesserung der Krebstherapie nicht aufgrund genetischer Varianten, sondern aufgrund umfassender Analysen von Krebsgenomen anzustoßen und zu koordinieren.91 Ziel der Initiative ist seitdem, die genomischen Veränderun85  Nähere Informationen hierzu unter http: /  / www.1000genomes.org /  (Stand: 31.12.2016). Dieses Projekt hat nicht zum Ziel, direkte Auswirkungen auf die medizinische Diagnostik zu haben. Es handelt sich um ein Projekt der Grundlagenforschung, auf dessen Erkenntnissen wiederum nun auch translationale Projekte ganz wesentliche Erkenntnisse in der Unterscheidung der Varianten von Mutationen erzielen können. McArthur / Manolio / Dimmock et  al., S. 469 ff. 86  Geoff Spencer, Three Sequencing Companies Join 1000 Genomes Project, National Human Genome Research Institute (NHGRI), 24. Februar 2012, https: /  / www.genome.gov / 27526680 / 2008-release-three-sequencing-companies-join1000-genomes-project /  (Stand: 31.12.2016). 87  Barreiro et al, (2010) S. 1061 ff. 88  1000 Genomes Project Consortium (2010), S. 1061 ff. 89  Id. (2012), S. 56 ff. Id. (2015), S. 75 ff. Id. (2015), S. 68 ff. 90  Geoff Spencer, International Consortium Announces the 1000 Genomes Project, National Human Genome Research Institute (NHGRI), 22. Januar 2008. The International Genome Sample Ressource Data Portal – Beta release: http: /  / www.1000genomes. org / announcements / beta_release_data_portal /  (Stand: 31.12.2016). 91  Hudson / Anderson / Aretz, S. 993 ff. Für weitere Informationen siehe auch http: /  / www.icgc.org (Stand 31.12.2016). „Currently, the ICGC has received commitments from funding organizations in Asia, Australia, Europe and North America for 39 project teams in 13 jurisdictions to study over 18,000 tumor genomes.“ ICGC, ICGC launches new project and releases more genomic data on cancer,

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

gen für alle wichtigen Tumortypen zu erfassen und deren Bedeutung für Prognose, Prädiktion und Therapie zu ermitteln. Hierfür werden 500 Tumor­ entitäten und Nicht-Tumorzellen sequenziert; letztere werden sequenziert, um die tumorspezifischen Änderungen ermitteln zu können. Bei 50 Tumortypen entspricht das der Analyse von 50.000 Genomen, das voraussichtlich bis 2018 vollzogen wird. Die Aufteilung der Projekte erfolgt aufgrund regionaler Unterschiede, optimalem Ressourceneinsatz und der Optimierung der Analysemethoden.92 Neben den USA, Kanada und zahlreichen europäischen Ländern sind unter anderem auch China, Südkorea, Indien und Mexiko am Konsortium beteiligt.93 Für die Koordination wurden Leitlinien und Regeln vom ICGC selbst verabschiedet, im April 2008 veröffentlicht und 2010 revidiert.94 Stand und Ziele des Konsortiums wurden zwischenzeitlich 2010 publiziert.95 In den vergangenen Jahren wurden bisher in einer Reihe von Projekten vor allem unter der Aufsicht des ICGC weltweit über 2.000 Genome von Krebspatienten vollständig sequenziert. Obwohl die Analyse dieser Krebsgenome zu Fortschritten beim Verständnis von Mutationsprozessen bei vielen verschiedenen Krebsarten geführt hat, konnten bisher wesentliche wissenschaftliche und medizinische Fragestellungen noch nicht beantwortet werden. Zum Ersten haben die meisten bisherigen Studien Analysen von doch relativ kleinen Patientenfallzahlen durchgeführt, was Einschränkungen in der statistischen Analyse mit sich brachte. Aus diesem Grund ist derzeit unklar, inwiefern sich seltene Mutationen, welche nur bei bestimmten Krebspatienten auftreten, auf die Behandelbarkeit von Tumoren auswirken. Zum Zweiten haben bisher die meisten Projekte aufgrund der geringen Fallzahl von Patienten ihre Analysen auf die protein-kodierenden Regionen (Exomanalysen) fokussiert. Inwieweit Mutationen in nichtkodierenden Regionen Krebs hervorrufen oder intensivieren können, ist deshalb bis heute unklar. Zum Dritten gibt es derzeit nur wenige Einblicke in molekulare Gemeinsamkeiten von Tumoren, da sich die bisherigen Studien vor allem auf die Erforschung einzelner Krebsarten konzentriert haben. Eine Aufschlüsselung derartiger Gemeinsamkeiten könnte die Entwicklung neuartiger Diagnoseverfahren, Therapien oder vorbeugender Maßnahmen für Turmoerkrankungen ermöglichen. Diese Fragestellungen werden neuerdings vom sogenannten Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes (PCAWG) Projekt übernommen, einer interna­ https: /  / icgc.org / files / icgc / ICGC%20News%20Release%2015March2012.pdf (Stand: 31.12.2016). 92  Lichter, in: Bartram / Bobbert / Dölling et  al., S. 178. 93  Vgl. die laufenden Projekte des ICGC unter http: /  / icgc.org /  (Stand 31.12.2016). 94  http: / / www.icgc.org / icgc / goals-structure-policies-guidelines (Stand 31.12.2016). 95  Hudson / Anderson / Aretz et al., S. 993 ff. Siehe auch: Jennings / Hudson, S. 18 ff.



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 

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tionalen Initiative, welche gemeinsam von Wissenschaftlern des ICGC und dessen amerikanischem Pendant, The Cancer Genome Atlas durchgeführt wird.96 Das Projekt ist Wegbereiter des breiten Einsatzes von Analysenmethoden mittels Hochleistungsrechensystemen und Cloud Computing. Neu entwickelte analytische Werkzeuge ermöglichen die standardisierte Untersuchung von Krebsgenomen und assoziierten Datensätzen (z. B. Transkriptom, DNAMethylierung und klinischen Daten) im Petabyte-Bereich, um Proben miteinander vergleichen zu können. Prozessierte Daten werden allen Projektpartnern unmittelbar zur Verfügung gestellt, sodass alle an dem vereinheitlichten Datensatz rechnen können. Die Initiative ermöglicht es, integrative Studien, sogenannte „Pan-Krebsgenom Analysen“, also vergleichende Analysen komplett sequenzierter Patientengenome zwischen verschiedenen (oder innerhalb unterschiedlicher) Tumortypen durchzuführen. Die große Anzahl von insgesamt 2.800 Krebsgenomen und assoziierten Informationen lassen die Beantwortung einer Reihe neuer Fragestellungen zu. Diese Fragestellungen betreffen die Heterogenität bei der krebsspezifische Mutationen im Genom auftauchen97; regulatorische krebsspezifische Mutationen, welche jenseits der 1–2% des protein-kodierenden Genoms in nichtkodierenden DNA-Regionen auftreten98; krebsauslösende Viren oder Bakterien sowie den Einfluss von erblichen Faktoren bei der Krebsentstehung. Einzelne akademische Zentren wären mit einer derart großen Datenmenge überfordert, daher haben sich weltweit (in Deutschland, in den USA, in Spanien, in England sowie in Japan) sechs Computer-Zentren dazu bereit erklärt, Rechnerkapazitäten für die geplanten bioinformatischen Analysen zur Verfügung zu stellen. Auch Rechenkapazitäten kommerzieller Firmen werden in die Analysen eingebunden. Im Rahmen internationaler Sequenzierungsvorhaben und in Erwartung auf die neue Ära der Präzisionsmedizin wird das internationale Vorhaben ICGCmed die bereits gesammelten und neu erhobenen genomischen Daten mit klinischen und Gesundheitsinformationen, einschließlich Information über Lebensstil, Patientengeschichte, Krebsdiagnosedaten und die Reaktion auf und das Überleben nach Therapien, über verschiedenen Tumorerkrankungen hinweg verknüpfen. Mit Hilfe dieser großen Sammlung integrierter Datensätze werden Forscher, Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und Kliniker in der Lage sein, mit den Patienten sowie in der Gesundheitswesen tätigen Personen zusammen präventive Strategien, Biomarker zur Früherkennung von Krankheiten, spezifische Kriterien und Methoden für Diagnosen und Prognosen zu entwickeln. Außerdem können Eingriffe auf der Grundlage des molekularen Subtyps der Tumorerkrankung des Patienten 96  https: /  / dcc.icgc.org / pcawg

(Stand: 31.12.2016). et  al., S. 495 ff. 98  Horn / Figl / Rachakonda et  al., S. 959 ff.; Northcott / Lee / Zichner et  al., S. 428. 97  Lawrence / Stojanov / Mermel

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

mit den wirksamsten Therapien kombiniert werden. Dies wird zur Entdeckung neuer therapeutischer Ziele, präziseren Krankheitsdefinitionen und verbesserten Strategien zur Vermeidung von Arzneimittelresistenz führen.99 Zwar handelt es sich zunächst bei den dargestellten Projekten um Forschungsprojekte, ihr Beitrag zur Implementierung der Genomsequenzierung in der medizinischen Diagnostik geht aber über die der einfachen Forschung hinaus. Dies ist damit zu begründen, dass die meisten Forschungsvorhaben einen translationalen Charakter haben. 2. Verschwimmen von Untersuchungskontexten und beteiligten Akteuren In der translationalen Medizin wird versucht, die in der Regel aus klinischen Studien stammenden Forschungsergebnisse unmittelbar in die Versorgung umzusetzen. Die Grenzen zwischen dem Status der beteiligten Akteure – zwischen Proband und Patient, zwischen Forscher und Arzt – verschwimmen dabei zunehmend. Die meisten Beteiligten an klinischen Studien, in denen im Rahmen der translationalen Medizin Gesamtgenomsequenzierung angewendet wird, sind Patienten, die auf eine erfolgreiche Heilung oder neue Therapie hoffen. Betrachtet man alleine die Tatsache ihrer Teilnahme an einer Studie, ist ihnen ein Probandenstatus zuzuordnen. Dieser wird allerdings durch die Ausgangssituation, häufig gleichzeitig als Patienten in Behandlung zu sein, die zur Teilnahme an der Studie geführt hat, überlagert. Bei Probanden ist das Willenselement, die gewollte Teilnahme an der Forschung, gewichtiger als bei Patienten, die durch Erkrankung oder aufgrund von vorhandenem Gesundheitsrisiko eine Therapie, Heilung oder die Linderung ihres Leidens suchen. Sie sind in den meisten Fällen bereit, Forschungsvorhaben zu unterstützten, weil sie sich aus diesen Nutzen versprechen können. Direkte Fürsorge- oder Solidaritätsmotive können zwar neben der Mithilfe zur Voranbringung der Wissenschaft Grund für Ihre Teilnahme liefern; die persönliche Verbindung durch eine Krankheit oder durch Risikofaktoren sowie familiäre Betroffenheit lassen meistens aber keine tatsächlich freie Wahl über die Teilnahme zu. Die Stellung der Patienten ist auch aus diesem Grund eine viel stärkere, der mehr Rechte zuzuordnen sind und die auch eines umfangreicheren Schutzes bedarf. Für die Durchführung der oben geschilderten Forschungsvorhaben ist es zusätzlich notwendig, mit großen Kohorten zu arbeiten. Die in die Versorgung bereits aufgenommenen Patienten können leicht stratifiziert werden, 99  http: /  / icgcmed.org / 

(Stand: 31.12.2016).



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 

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ihre klinischen Daten stehen bereits zur Verfügung. Dies begründet einen Zugriff durch Forschunsprojekte und klinische Studien auf spezifische, klinisch gut charakterisierte Patientengruppen. Von der Sequenzierung des Genoms im Labor bis hin zur diagnostischen oder therapeutischen Verwendung der gewonnenen Informationen zum Wohl der Patienten ist eine Vielzahl von Akteuren an den Arbeitsprozessen beteiligt. Im Kontext der Genomsequenzierung ist auffällig, wie stark der Anteil an naturwissenschaftlich gut qualifizierten Forschern sein muss, um die Gewebeproben in DNA-Sequenzen umwandeln und auswerten zu können. Deswegen stellt sich die Frage, welchen Pflichten nicht-medizinische Wissenschaftler bei einer Gesamtgenomanalyse im Rahmen der translationalen Medizin unterliegen.100 Die Freiheit der Ärzte unterscheidet sich von der Freiheit der Forscher. Der Arzt beansprucht Berufsfreiheit, der Forscher Wissenschaftsfreiheit. Die Berufsfreiheit ist ein Recht im Dienste des Patienten und seiner Gesundheit, das vorwiegend in der aus dem Hippokratischen Eid fortentwickelten Tradition des Standes gründet.101 Eine bedeutsame Weiterentwicklung dieses Eides stellt das Genfer Arztgelöbnis von 1948 dar, das als eine moderne Fassung des Eides die ethischen Anforderungen an das Verhältnis zwischen Arzt und Patient festhält.102 Bei der weiteren Fortentwicklung sind vor allem die Deklarationen des Weltärztebundes maßgebend. Die Deklaration von Helsinki 1964, zuletzt 2013 revidiert, beinhaltet die ärztliche Standesauffassung zur medizinischen Forschung am Menschen.103 Zwar hat sie 100  Projektgruppe EURAT (Juni 2013), S. 24, http: /  / www.uni-heidelberg.de /  md / totalsequenzierung  / informationen / mk_eurat_stellungnahme_2013.pdf (Stand: 31.12.2016). Unveränderter Abdruck des Kodexes und seine Erläuterungen mit Geltungsbereich für „Forscher, die an der Ganzgenomsequenzierung, insbesondere von Patienten-Genomen, beteiligt sind“ in der 2.  Aufl. 2015, S. 18–36. 101  Bundesärztekammer, Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte und Ärztinnen, in der Fassung der Beschlüsse der 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main, § 1, http: /  / www.bundesaerztekammer.de / fileadmin / user_up load / downloads / pdf-Ordner / MBO / MBO_02.07.2015.pdf (Stand: 31.12.2016). 102  WMA, Deklaration von Genf. Verabschiedet von der 2. Generalversammlung des Weltärztebundes in Genf, September 1948; zuletzt revidiert von der 46. Generalversammlung des Weltärztebundes in Stockholm, September 1994; zuletzt redaktionell überarbeitet auf der 173. Sitzung des Weltärztebundrats, Divonne-les-Bains, Frankreich, Mai 2006. 103  Deklaration of Helsinki (1. Teil, Fn. 641). Zu den wichtigsten Prinzipien der Deklaration gehört das Erfordernis der informierten Einwilligung der Versuchsperson, die Unterscheidung zwischen therapeutischen und nichttherapeutischen Versuchen, der besondere Schutz der Nichteinwilligungsfähigen und die Verpflichtung des Forschers, medizinische Versuche am Menschen vor deren Durchführung von einer unabhängigen und interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission prüfen zu lassen. Taupitz (2001), S. 277 ff., S. 277.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

keinen verbindlichen Charakter und begründet keine Rechte und Pflichten, ihr apellativer Charakter übt aber einen großen Einfluss auf die nationalen Entwicklungen des ärztlichen Standesrechts aus.104 „Forscher handeln nicht im Auftrag eines konkreten Patienten und treten nicht in eine vertragsrechtliche Beziehung mit ihm ein. Die Forschung kann allerdings nicht auf eine sich stetig entwickelnde und etablierte Festlegung berufsethischer Kompetenzen zurückblicken; Forscher unterliegen keinen standesrechtlich verfassten Pflichten und Richtlinien, die dem Berufsstand des Arztes vergleichbar wären. Das methodische Bemühen des Forschers um einen verallgemeinerbaren Erkenntnisgewinn im Dienste der Wissenschaft, die Bestätigung oder Widerlegung mutmaßlicher Kausalabläufe ist eine Form der Freiheitsrealisierung.“105 Auf universeller völkerrechtlicher Ebene wird die Wissenschaftsfreiheit in Artikel 27 AEMR verbürgt sowie in Artikel 15 IPwskR expliziert und wurde durch die UNESCO mehrfach begründet.106 Auf regionaler völkerrechtlicher Ebene kann sie aus Artikel 10 EMRK i. V. m. Artikel 9 EMRK hergeleitet werden. Zudem hat sie ihren Niederschlag in Artikel 15 BMÜ gefunden. Die Wissenschaftsfreiheit wird allerdings auf internationaler Ebene nicht als eigenständiges Recht verstanden, sondern als Mittel, das dem Zweck der Förderung einer Teilhabe an den Errungenschaften der Wissenschaft untergeordnet ist. Auf regionaler europäischer Ebene ist ihre Ausformulierung zudem bisher nur relativ erfolgt. Die Fokussierung ihrer dienenden Funktion stärkt die Rolle ethischer Maßstäbe sowohl bei ihrer Auslegung als Freiheitsverbürgung als auch bei der Bestimmung ihrer Grenzen.107 Während Wissenschaftler, die in der Routine-Diagnostik mit der Auswertung von Patientengenomen betraut sind, ihr Handeln stärker am ärztlichen Rechte- und Pflichtenkanon zu orientieren haben, trifft dies auf Wissenschaftler in Forschungsprojekten und in der „Vordiagnostik“ nicht zu. Ein Wissenschaftler, der in Forschungsprojekten die Analyse menschlicher Genome betreibt, verfügt oftmals über breite humangenetische Kenntnisse und ist damit als Experte in dieser Frage der großen Mehrheit der Mediziner weit überlegen. 104  Janda,

S. 96.

105  Molnár-Gábor,

in: Langanke / Erdmann / Robienski et  al., S. 27 f. Recommendation on the Status of Scientific Researchers, Records of the UNESCO General Conference, 18th Session, Paris, 17.–23.11.1974, S. 169 ff.; UNGA, Declaration on the Use of Scientific and Technological Progress in the Interests of Peace and for the Benefit of Mankind, Resolution 3384 (XXX) vom 10. November 1975; zudem die drei UNESCO-Erklärungen im Bereich der Bioethik aus den Jahren 1997, 2003, 2005. 107  Zu diesem Ergebnis kommt Wilms, S. 352 f. Siehe auch Ruffert / Steinecke, S.  30 ff. 106  UNESCO,



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 

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Der Wissenschaftler, der gegenwärtig daran mitarbeitet, die Sequenzierung zu einem etablierten diagnostischen Werkzeug in der Klinik durch die translationale Medizin zu machen, befindet sich in einer vergleichbaren Lage. Auch hier ist häufig die Situation gegeben, dass der humangenetisch oder onkologisch gebildete Naturwissenschaftler genetische Informationen besser einschätzen kann als die große Mehrheit der behandelnden Ärzte. Die Rolle der Forscher beschränkt sich keineswegs auf unterstützende Maßnahmen der ärztlichen Fürsorge. Sie sind aktiver Teil einer Genomsequenzierung. Zusätzlich zu der Beteiligung von Wissenschaftlern an der Genomsequenzierung ist es oftmals der Fall, dass sich der Arzt- und der ForscherTypus in ein und derselben Person wiederfinden; es ist der behandelnde Arzt, der die Patientengenome im Rahmen klinischer Studien analysiert und die Ergebnisse der Analyse selbst im Rahmen translationaler Behandlungen in die Behandlung umsetzt.108 Ein Mediziner wird die sich aus der Arzt-Patienten-Beziehung ergebenden Pflichten nicht ablegen können, wenn er an Patientenproben und -daten im Rahmen der translationalen Medizin forscht, weil diese Pflichten im Persönlichkeitsrecht des Patienten verankert sind. Dem Wissenschaftler, der sich an der Genomsequenzierung und an der Auswertung ihrer Ergebnisse beteiligt, kommen zwar keine unmittelbaren Pflichten aus einer Beziehung zum Patienten zu. Es wird aber vermehrt auf die Verantwortung des Wissenschaftlers gegenüber den in der Forschung involvierten Personen, der Gesellschaft und künftigen Generationen hingewiesen.109 Um die Analyse des Genoms im Auftrag des behandelnden Arztes durchführen zu können, erhalten Wissenschaftler Zugang zu der vollen Sequenz des Patientengenoms, entschlüsseln die genetische Information und erfahren somit nicht nur vertrauliche Informationen kodiert in einzelnen Genomen, sondern könnten diese in der Regel dem Patienten auch leicht zuordnen.110

108  So Peter Lichter in einem internen Arbeitspapier der EURAT-Gruppe; siehe auch EURAT (2015), S. 75 f. 109  Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Hinweise und Regeln der Max-Planck-Gesellschaft zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungs risiken, 2010, https: /  / www.mpg.de / 200127 / Regeln_Forschungsfreiheit.pdf (Stand: 31.12.2016); Deutsche Forschungsgemeinschaft /  Leopoldina, Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung. Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung, 2014, http: /  / www.leopoldina.org / uploads / tx_leopublication /2014 _06_DFG_Leopoldina_Wissenschaftsfreiheit_-verantwortung_D.pdf (Stand: 31.12. 2016); UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649). 110  Siehe den Punkt über den Informationseingriff, § 5 I.4.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

3. „Zufälligkeit“ und „Zusätzlichkeit“ genetischer Veränderungen und Befunde111 Im Normalfall stellen Zufallsbefunde die Befunde einer medizinischen Untersuchung dar, nach denen unter der diagnostischen oder wissenschaftlichen Fragestellung nicht gesucht worden ist und mit denen man im Allgemeinen nicht rechnen kann.112 Sie sind nicht intendiert und gelten zugleich auch als nicht erwartet, demnach lassen sie sich auch als Überraschungsbefunde bezeichnen. Dieser „Überraschungseffekt“ bleibt bei bestimmten Untersuchungsarten aus. Bei bildgebenden Verfahren wie einem Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT) oder einer Röntgenaufnahme hat der Untersuchende davon auszugehen, dass weitere Befunde außerhalb der konkreten Fragestellung vorliegen können.113 Auch die Genomsequenzierung ist eine medizinische Untersuchung, bei der nicht intendierte Befunde zur Normalität werden können. Denn jedes Individuum ist Träger von Prädispositionsgenen und heterozygoter Merkmalsträger für monogene Erkrankungen.114 Es muss also aufgrund objektiver, naturwissenschaftlicher Erkenntnisse bei Einsatz dieser Technologie damit gerechnet werden, dass neben der spezifischen wissenschaftlichen oder diagnostischen Fragestellung nicht-intendierte Befunde 111  Vgl. zu dem Abschnitt § 5 I.3, Molnár-Gábor / Gantner / Lichter, S. 81 ff. Die hier durchgeführte Analyse ist eine überarbeitete Fassung dieser Publikation. 112  „Der Begriff ‚Zufallsbefund‘ (‚incidental finding‘) bezeichnet einen unerwartet erhobenen Befund, für den zuvor keine erkennbaren Hinweise bestanden und der nicht im Rahmen einer gezielten Suche festgestellt wurde.“ Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung, BT-Drs. 16 / 12000, S. 99. In der englischsprachigen Literatur werden Zufallsbefunde mit verschiedenen Worten belegt. Diese uneinheitliche Wortwahl ist nicht nur in der Fachliteratur verbreitet, sondern setzt sich auch in Rechtstexten fort. „Most strikingly, there is a clear lack of uniformity in […] the terminology employed […]. Depending on the document analyzed, incidental findings are referred to as “unexpected findings”, “unanticipated results” and are sometimes qualified as “material in nature”. Zawati / van Ness / Knoppers, S. 2 ff., S. 6. Die dabei verwendeten Ausdrücke tangieren zumindest die zweite Bestimmung des Zufallsbefundes, die Nicht-Erwartbarkeit. 113  Schmücker, in: Joerden / Hilgendorf / Thiele, S. 949 ff. 114  Das Gen an sich ist nicht ein Prädispositionsgen. Die Prädisposition ergibt sich aus den spezifischen Veränderungen, die die normale Funktion dieses Gens und seines Produkts krankhaft machen. Z. B. ist das Gen, das für Chorea Huntington verantwortlich ist (Huntington), in jedem Individuum vorhanden. Bestimmte Veränderungen in diesem Gen (in diesem Fall die Einfügung von einer größeren Zahl von Basen, die zu einer Veränderung des Proteins führt) machen das Gen zu einem Krankheitsgen, das das Individuum für den Ausbruch der Krankheit prädisponiert.



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vorliegen. Solche Befunde zeichnen sich, im Gegensatz zu Zufallsbefunden, durch die Eigenschaft der Erwartbarkeit aus. Da derartige Befunde, die zwar nicht intendiert, aber zu erwarten sind, nicht mehr als „zufällig“ eingestuft werden können, ist es sinnvoll, zunächst von Zusatzbefunden zu sprechen. Zusatzbefunde können bei der Genomsequenzierung als diejenige Befunde definiert werden, die außerhalb der spezifischen Fragestellung der Untersuchung liegen, mit denen aber zu rechnen war.115 Dabei gilt es zu beachten, dass der je spezifische Fund weiterhin zufällig bleibt, er selbst nicht erwartet werden kann, wohingegen man mit dem Umstand, weitere Befunde zu erhalten, rechnen muss. War es bei den früheren Sequenzierungen keineswegs das Ziel, auf alle möglichen Befunde zu achten, so ändert sich dies bei der Ganzgenomsequenzierung: Es gehört nun zum analytischen Ansatz, auf alle möglichen genetischen Mutationen und Varianten zu blicken.116 Der Untersuchende ist nicht nur technisch in der Lage, eine Vielzahl an gesundheitsrelevanten Informationen zu entdecken, sondern er fahndet auch nach allen möglichen Resultaten. Die Eigenschaft der Nicht-Intendiertheit, die Zusatzbefunde charakterisiert, fällt damit weg. So funktioniert es in der Praxis der translationalen Medizin. Wird eine Gesamtgenomanalyse angewendet, um bestimmte, eine Krankheit verursachende Veränderungen im Genom zu identifizieren, so müssen verschiedene Mutationen und die Rolle verschiedener Varianten in Betracht gezogen werden, um die tatsächlich verantwortliche Mutation oder die den Einfluss ausübende Variante (Varianten) zu finden. Je umfassender die Analyse, desto höher sind die Chancen, die Ursachen zu identifizieren. Wenn der analy115  Siehe hierzu auch die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik: Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH), S. 284 ff. Dort wird zwar der Begriff „Zusatzbefund“ verwendet, eine Auseinandersetzung mit ihm bleibt aber aus. Der Deutsche Ethikrat folgt in seiner Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik dem Terminus aus dem Gendiagnostikgesetz (GenDG). (Gendiagnostikgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I 2529, 3672), das durch Artikel 4 Absatz 18 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I 3154) geändert worden ist). Es ist von „Überschussinformationen“ die Rede. In der Stellungnahme werden sie definiert als diejenigen Informationen, „die über die von der konkreten medizinischen Fragestellung umfasste genetische Untersuchung hinausgehen“ und zu „Nebenbefunden“ führen können.“ (Deutscher Ethikrat (2013), S. 32 und S. 81. In der englischsprachigen Literatur sind neben ‚incidental findings‘ die Ausdrücke ‚unintended‘ und ‚unanticipated‘ häufig: PHG Foundation; Zawati / van Ness / Knoppers; Tabor / Berkmann / Hull et al., S. 2916 ff., Wolf / Lawrenz / Nelson et al., S. 219 ff. Zur Hinfälligkeit des Begriffs „Zufallsbefund“ siehe Gantner, S. 107 ff. 116  „Studies using genomic microarrays or gene chips can analyze large segments of the genome or even the entire genome, thus theoretically making ‚all‘ findings foreseeable and no longer incidental.“ Knoppers / Dam, S. 577 ff., S. 578.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

tische Ansatz es also verlangt, so viele Mutationen und Varianten wie möglich in den Blick zu nehmen, wird auch der Begriff des Zusatzbefundes selbst zunehmend unbrauchbar. Viele Veränderungen, die im Genom mit einem breiten Filter zu finden sind, können als Grundlage für einen Befund eingestuft werden. Zu dieser Situation kommt hinzu, dass der Arzt, der im Rahmen einer translationalen Studie Patienten untersucht und behandelt, auch als Forscher an der umfangreichen Analyse der Genome interessiert ist und im Rahmen seiner Forschunsgvorhaben den analytischen Ansatz und Anspruch kaum einschränken möchte. In der beschriebenen Konstellation ist allerdings auch die Situation vorstellbar, in der der Begriff des Zusatzbefundes seine Bedeutung aus den soeben geschilderten Gründen für den behandelnden Arzt verliert, für den betroffenen Patienten aber nicht. Dieser wird nämlich in der Regel als bereits erkrankte Person oder zumindest als wegen familiärer Veranlagung Ratsuchender in translationale medizinische Forschungsvorhaben aufgenommen und ist vor allem daran interessiert, die Ursachen für seine oft bereits manifestierte Krankheit herauszufinden oder eine konkrete Anlageträgerschaft zu klären. Genetische Veränderungen oder Befunde, die über diese Fragestellungen hinausgehen, bleiben für ihn daher erst einmal – im Gegensatz zum Arzt – nur eingeschränkt indiziert und daher von zusätzlicher Bedeutung. Die systematische Auswertung der Mutationen und Varianten bei einer Ganzgenomsequenzierung, die ohne den Einsatz bioinformatischer Verfahren undenkbar wäre, zeigt allerdings, dass es eine Menge an Befunden gibt, deren Validität und gesundheitliche Relevanz noch entschlüsselt werden muss. Die festgestellten Veränderungen im Genom können für Aussagen über Gefährdungen oder über das Eintreten künftiger Erkrankungen von entscheidender Bedeutung sein.117 Die Zahl der interpretierten Veränderungen und ihre Interpretation selbst ist durch das Voranschreiten der Wissenschaft einer ständigen Änderung ausgesetzt.118 Bei einer Sequenzierung wird eine Vielzahl von Mutationen und natürlichen Varianten ersichtlich, deren Bedeutung durch die Forschung gegenwärtig noch nicht geklärt ist.119 Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden viele auch nur solche sein, die bestimmte Risikoprofile übermitteln. Die Genauigkeit und Aussagekraft hängt dabei von Interpretationsmustern und von unbekannten Faktoren wie Umwelteinflüssen und Lebensführung ab. Unbekannt werden dabei in den meisten Fällen die Bedeutungszuschreibung und die Korrela­ tion solcher Informationen mit medizinisch relevanten Daten sein. Es ist davon auszugehen, dass die Sequenzierung ganzer Genome zu einer wesent117  Tabor / Berkmann / Hull

et  al., S. 2917, S. 2920. S. 24 ff., S. 25. 119  Gadzicki, in: Moos / Niewöhner / Tanner, S. 47 ff., S. 49 ff. 118  Sandroff,



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lichen Ausweitung noch nicht interpretierbarer genetischer Überschussinformationen führt, vor allem weil das Wissen um die komplexen Bedingungen der Genregulation, die die zelltypspezifischen Muster der Genexpression bewirken, noch eingeschränkt ist.120 Vor der Validierung können diese Funde lediglich als eine Information über eine Veränderung im Genom eingestuft und medizinisch noch nicht als Befund angewendet werden. Gemäß dem jeweiligen Stand der molekularbiologischen Forschung und Humangenetik und gemäß den eingesetzten Filtern kann die Anzahl solcher Informationen und Funde stark variieren. Auch nach einer erfolgreich durchgeführten Genomanalyse verfügen deshalb Arzt und Patient – durch den Anspruch ausgezeichnet, das Recht auf Wissen geltend zu machen – noch nicht über die Gewissheit, dass alle potenziellen, den Patienten betreffenden schwerwiegenden Krankheiten identifiziert oder ausgeschlossen werden können, weil identifizierte Mutationen oder Varianten je nach dem Stand der Wissenschaft oft kein eindeutiges Wissen zum Zeitpunkt der Untersuchung vermitteln können. 4. Sukzessiver Informationseingriff Die vierte Eigenschaft kann mit dem Begriff des informationellen Eingriffs charakterisiert werden. Auf zwei Ebenen wird ein Informationseingriff durch eine Gesamtgenomsequenzierung erlaubt. Der erste Eingriff geschieht auf der Ebene des Erbguts, der zweite auf der Ebene der Befunde. Die erste Stufe des Informationseingriffs hängt unmittelbar mit dem Charakter genetischer Daten zusammen und betrifft die Reidentifizierbarkeit.121 Genetische Daten stellen eine besondere Art personenbezogener Daten dar, weil das Genom das „individuellste“ ist, was sich (derzeit) molekular-biologisch erfassen lässt. Es betrifft das genetische, unverwechselbare Muster einer Person: Jedes Genom ist einzigartig und erlaubt die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils.122 Durch die Genomsequenzierung können sowohl krankheitsrelevante Mutationen als auch möglicherweise unschädliche Varianten identifiziert werden. Trotz Kodierung oder Anonymisierung der Daten lassen sie sich auf eine Person zurückführen, wenn weiteres identifizierbares Referenzmaterial 120  Stellungnahme

der Leopoldina (2010), S. 33. et  al., e1000167; Malin / Sweeny, S. 423 ff.; Greely,

121  Homer / Szelinger / Redman

S.  343 ff. 122  McGuire / Caulfield / Cho, S. 152 ff.; von Bose, in: Moos / Niewöhner / Tanner, S. 193–216.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

vorliegt.123 Auch wenn die Kodierung von genetischen Daten höchsten Anforderungen entspricht, muss somit berücksichtigt werden, dass bereits die Sequenzierung weniger und sehr kurzer DNA-Abschnitte die eindeutige Zuordnung von genetischem Material zu einer Person ermöglicht.124 Wenn eine Re-Identifizierung mittels der Analyse weniger DNA-Abschnitte möglich ist, verschärft sich das Problem bei einer genomweiten Analyse umso mehr. Durch die Sequenzierung wächst daher die Wahrscheinlichkeit, eine Person auch nicht intendiert oder unerwünscht re-identifizieren zu können. Es stellt sich die Frage, wie effektiv der Datenschutz wirklich ist, der bislang über eine Anonymisierung oder Verschlüsselung von Daten geleistet wurde.125 Das Genom ist gleichzeitig auch der „universellste“ Teil der Person. Sie teilt es mit ihren Mitmenschen und vor allem mit ihren genetisch Verwandten. Die Analyse eines Genoms kann daher Aussagen über genetisch Verwandte des Betroffenen zulassen und gegebenenfalls auch ihre Identifizierung ermöglichen. Die Re-Identifizierung wird durch die Zugänglichkeit genetischer Daten vereinfacht, weil sie leicht verfügbar und leicht zu gewinnen sind, denn eine einfache Blut- oder Speichelprobe ermöglicht bereits die Isolation des Erbguts. Die zweite Ebene des informationellen Eingriffs hängt mit der Anwendung der Gesamtgenomanalyse als medizinischem Eingriff zusammen.126 In die physische Integrität des Menschen wird im Rahmen einer Genomsequenzierung nur geringfügig eingegriffen. Anders als etwa bei einer herkömmlichen Operation erfordert dieses Verfahren keine wesentlichen physischen Eingriffe beim Patienten. Bei der Genomsequenzierung ist daher nicht der Eingriff in die körperliche Integrität, sondern die Beschaffung von genetischen Daten Gegenstand der medizinischen Untersuchung. Anders als bei den herkömmlichen – in den meisten Fällen physischen – medizinischen Eingriffen, stellt die Genomsequenzierung damit keinen punktuellen, sondern einen andauernden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Die aus der genetischen Probe gewonnen Datensätze werden gespeichert und an ein molekulargenetisches Labor zwecks Analyse weitergeleitet. Bei dieser Analyse erschließt sich ein erstes Problem aus den durch eine Genomsequenzierung gewinnbaren Sachverhalten. Zum einen sind sie bei der 123  Deutscher

Ethikrat (2010), S. 11 f. werden z. B. mindestens 15 Marker (das sind ganz kurze Abschnitte des Genoms) untersucht, um Vaterschaftstests durchzuführen. Richtlinie der Gen­ diagnostik-Kommission (GEKO), S. 169 ff., S. 171. 125  Europäische Kommission, S. 91; Fullerton / Lee, S. 16. 126  Vgl. zur Darstellung der zweiten Ebene, Molnár-Gábor / Weiland, S. 135 ff. 124  Derzeit



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 163

Anwendung eines breiten bioinformatischen Filters im Voraus noch nicht genau bekannt. Zum anderen ist die Interpretation der Genomsequenz stark an medizinisch-genetische Fachexpertise gebunden. Die Ergebnisse aus dieser Interpretation werden das Vorstellungsvermögen und den Verständnishorizont eines Patienten oft erheblich übersteigen.127 Die Besonderheit liegt somit darin, dass der Arzt Informationen erlangt, die für den Patienten entscheidungserhebliche Tatsachen darstellen können, welche Letzterer jedoch zugleich nicht reflektieren oder aus der aktuellen Lebenssituation heraus mit der Einwilligung nicht begleiten kann. Es wird eine Metaebene der Informationen hervorgebracht, auf die der Patient nicht zugreifen kann. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass die wissenschaftliche Beurteilung der Befunde nicht abschließend sein kann, weil sich durch die Entwicklung der Forschung Interpretationsmuster verändern und zu weiteren Informationen führen können.128 Aufgrund der ständig neuen Informationsgewinnung stellt sich die Analyse des Genoms vielmehr als ein andauernder, dynamischer Prozess dar. Wurde die Probe einmal entnommen, besteht während des Untersuchungs- und Aufbewahrungszeitraums die Möglichkeit, aus der genetischen Analyse nach und nach immer mehr Informationen zu gewinnen. Das Erbgut des Einzelnen lässt sich in einem zuvor nicht bekannten Ausmaß und Zeitraum abbilden. Das Ausmaß und der Zeitraum haben deshalb erhebliche Relevanz, weil Daten nicht nur durch das unterschiedliche Wissen von Nutzerinnen und Nutzern (Arzt, Patient oder Wissenschaftler) zu personenbezogenen Daten von erheblicher medizinischer Relevanz werden, sondern auch durch neue Kombinationen von Daten und durch Veränderungen in Forschungs- und Analysemustern mit der Zeit.129 Durch die Möglichkeit, auf die gesamte DNA-Sequenz des Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg zuzugreifen, können genetische Tests „in silicio“ weitergeführt werden: Die Sequenz ist bereits erfasst, demzufolge können Daten fortdauernd ausgelesen werden. Im Erbgut steckt ein mögliches Wissen, das zum Zeitpunkt seiner Erfassung noch unbekannt ist und nicht abgerufen werden kann.130 Statt Befunde wird somit tatsächlich künftiges Wissen gespeichert, dessen Last, Weite und Wert noch erforscht werden müssen.

127  Bereits ähnlich über weitere Verwendung biologischer Proben: Nationaler Ethikrat (2004), S. 36 ff., Europäische Kommission. 128  Ormond / Wheeler / Hudgins et  al., S. 1749 ff., S. 1750; Sandroff, S. 25. 129  Roßnagel / Jandt / Müller et  al., S. 31. 130  Rehmann-Sutter, in: ders. / Bobbert / Dölling et  al., S. 264 f.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

II. Die Herausforderungen einer Gesamtgenomanalyse für die Stellung des Patienten auf drei Ebenen 1. Durch die Gesamtgenomanalyse begründete Herausforderungen für die Stellung des Patienten zu sich selbst Die Gesamtgenomsequenzierung führt zu einer veränderten Stellung der Person zu sich selbst. Zunächst ändert sich die individuelle Wahrnehmung einer bestehenden Krankheit: Vom erlebten Krank- und Gesundsein verlagert sich die Wahrnehmung auf die Ebene von organischen, zellulären und molekularen Funktionen. Da aber molekulare Fehlprozesse, die phänotypisch manifestierte Krankheiten verursachen können, im herkömmlichen Sinne nicht „erlebbar“ sind, werden Krankheit und Gesundheit von „der Sphäre des lebendigen Erlebnisses“ abgelöst. Der Abstand zwischen Kranksein und Krankheit wächst.131 Es könnte die Gefahr bestehen, dass der Betroffene auf seine genetisch kodierten Möglichkeiten – auch für sich selbst – reduziert würde. Er kann durch diese Verlagerung so weit von sich selbst Abstand nehmen, dass eine Selbstverobjektivierung eintreten könnte. Auch wenn ein genetischer Determinismus in engem Sinne so nicht entsteht, kann die Selbstverobjektivierung des Patienten seine personale Freiheit beeinträchtigen.132 Das Auftreten zusätzlicher Befunde – insbesondere Befunde mit prädiktiver Qualität – führt zudem zu einer Veränderung des Krankheits- und Gesundheitsbegriffs und damit des Patientenbegriffs selbst. Der Betroffene ist nicht als symptombelasteter Kranker, sondern als Risikoträger zu verstehen.133 Anhand der Zuschreibung eines bezifferbaren Risikos, von bestimmten Krankheiten in der Zukunft betroffen zu sein, verwandelt sich eine phänotypisch gesunde Person in einen genotypisch potentiell Kranken. Der über seine genetischen Dispositionen informierte Patient wird so zu einem „gesunden Kranken“.134 Der gesunde Kranke ist in genetischer Hinsicht 131  Id.,

in: Düwell / Mieth, S. 415 ff., S. 439. Möglichkeit der Freiheit als Eigenschaft der Person siehe ihre philosophische Begründung in § 1.I.2. van El / Cornel / Borry et al., S. 580 ff., S. 581. Siehe das Fallbeispiel Winkler / Lyrer, in: Rehmann-Sutter / Müller, S. 39 ff., S. 42. Siehe auch den Kommentar zu dem Fall von Christoph Rehmann-Sutter, in: ders. / H. Müller, S. 45 ff., S. 48 f. Auch die Entscheidungsgeschichten zweier Patienten schildern die Selbstobjektivierungsgefahr: Porz, in: Rehmann-Sutter / Müller, S. 53 ff., S. 55 ff. Für die normative Analyse dieser Fragen siehe nur Tymstra, in: Rehmann-Sutter / Müller, S. 85 ff. 133  Zum Begriff „kranker Gesunde“ siehe Brownlee / Silberner, S. 57. Für die Unbestimmtheit des Begriffs „Gesundheit“ siehe Kirchhof (2005), S. 229 ff., S. 235. 134  Hubbard, S. 1209 ff., S. 1221. 132  Zur



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kein eingebildeter Kranker, sondern ein möglicherweise Kranker. Eine genetische Diagnose in Gestalt eines mit Wahrscheinlichkeiten operierenden Risikobefundes führt in den meisten Fällen nicht notwendigerweise zum Ausbruch der entsprechenden Krankheit. Wichtig ist dabei das Problem der zeitlichen Entgrenzung zwischen Befunderhebung und möglicher Manifestation: Wenn es zur Erkrankung kommen sollte, so liegt sie in der Zukunft; die Krankheit schwebt als Damoklesschwert über dem aktuell von ihr noch nicht Betroffenen.135 Der Betroffene fühlt sich gesund und ist auf eine Konfrontation mit seinen Anlageträgerschaften in der Regel nicht vorbereitet. Das stetig wachsende Wissen zur Interpretation genetischer Daten erschwert die Deutung von Risikoinformation. Sie hängt im Wesentlichen davon ab, welche Relevanz der Patient diesen selbst einräumt. Die subjektive Interpretation der Risikoinformation lässt auch die subjektive Deutung der Anlageträgerschaft als Krankheit zu. Somit findet im Rahmen der Genomsequenzierung nicht nur eine Objektivierung im Sinne der „Genetisierung“ statt136, sondern auch eine Subjektivierung des Krankheits- und Patientenbegriffs. Dabei können Wahrscheinlichkeitsaussagen über den Ausbruch von Krankheiten durch den Patienten als psychische Last wahrgenommen werden und sozialen Druck verursachen. Indem sie die genetischen Dispositionen eines Menschen epistemisch zugänglich macht, ermöglicht die Ganzgenomsequenzierung nicht nur frühere und stratifizierte therapeutische Eingriffe, sondern erhöht auch den Druck, gegebenenfalls umfangreiche präventive Maßnahmen tatsächlich anzustoßen. Es droht ein Übergang zu einer Gesundheitspflicht, die die Selbstbestimmung als Freiheit zur Krankheit erübrigt.137 Die Gegenwart und die Zukunft des Betroffenen werden medikalisiert. Sobald die Risikoträgerschaft bekannt ist, wird die Kontrolle der genetischen Risiken vor allem durch den Betroffenen selbst gefragt sein. Es liegt in seiner Hand, ob er durch sein künftiges Verhalten den Ausbruch einer Krankheit, zu der ein erhöhtes genetisches Risiko diagnostiziert wurde, verhindert oder nicht.138 Das Leben als „gesunder Kranke“139 muss verantwortungsvoll gestaltet werden. Die Entscheidung über die weitere Lebensführung ist daher folgenreich für den Patienten, obwohl sie in ihren Konsequenzen aufgrund einer, sich stark im Fluss befindenden (molekular-)biologischen Forschung nur schwer abschätzbar ist. Eine umfangreiche Beratung 135  Zu dieser Auslegung des Begriffs „gesunder Kranke“ siehe Tanner / Kirchhof / Wolfrum et  al., S. 58. 136  Lippmann, S. 15 ff., S. 19. 137  Duttge, in: ders., S. 3 ff., S. 5 f. Kenen, S. 1545 ff. 138  Kollek / Lemke, S. 223 ff. 139  Brownlee / Silberner.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

wird zudem sowohl bei der Kommunikation genetischer Risiken gegenüber potenziell betroffenen Familienmitgliedern als auch bei der Familienplanung zwingend erforderlich.140 2. Die Stellung des Patienten im Verhältnis zum Arzt: Die Auflösung der bipolaren Beziehung Die Stellung des Patienten im Verhältnis zum Arzt wird maßgeblich dadurch beeinträchtigt, dass ihr herkömmlich bipolares Verhältnis auf zwei Weisen aufgelöst wird. Nachdem ein Patient einer Genomsequenzierung zugestimmt hat, werden die Ergebnisse von Ärzten – oftmals unter Zuhilfenahme molekularbiologischer Expertise von Wissenschaftlern – ausgewertet. Die Einbindung in der Regel nicht-ärztlicher Wissenschaftler in den Untersuchungs- und Behandlungsprozess löst das herkömmlich exklusive Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf. Dies hat für alle drei Beteiligten erhebliche Konsequenzen. Nicht zuletzt aufgrund des Wissensvorsprungs, über den der Arzt verfügt, stehen sich Arzt und Patient traditionell nicht als gleichberechtigte Partner gegenüber. Die Basis ihrer besonderen Beziehung, die Expertise des Arztes, die Ursachen einer Krankheit zu finden und sie zu behandeln, verschwindet bei einer Gesamtgenomanalyse. Den früher exklusiven Auftrag, aus der medizinischen Information einen Befund oder Befunde abzuleiten, kann der Arzt bei genetischen Informationen allein oft nicht mehr wahrnehmen. Bei der Forschung mit Patientengenomen kommt der Qualität der Daten zudem eine besondere Stellung zu, weil sie nicht nur eine gute wissenschaftliche Praxis garantiert, sondern möglicherweise auch medizinisch relevantes Wissen über den betroffenen Patienten erschließt, das seinem Wohl direkt zuträglich sein kann. Der Arzt ist demnach auf die Leistung von Sequenzierungsgeräten und auf das Interpretationsvermögen der Wissenschaftler angewiesen. Der Status des Arztes in Beziehung zum Patienten erfährt eine Abwertung. Dies ließ bereits Kritik an einem Arztvorbehalt bei genetischen Untersuchungen aufkommen.141 Die Tatsache, dass Forscher in die Interpretation genetischer Daten eingebunden werden, kann auch eine Gefahr oder ein Risiko für den Patienten bedeuten. Wissenschaftler, die den Patienten selbst nicht kennenlernen und in keinem, dem vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis vergleichbaren 140  Zur Unterscheidung von Eigen-, Informations- und Reproduktionsverantwortung vgl. Kollek / Lemke, S. 243 ff., S. 231 ff. Zum Informed Consent im familiären Kontext siehe Hallowell, in: Corrigan / McMillan / Liddell et  al., S. 185 ff., S. 194 f. 141  Deutscher Ethikrat (2013), S. 142; Schmiedtke, S. 26 f. Tanner / Kirchhof / Wolfrum et al., S. 208 ff.



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Verhältnis zu ihm stehen, bekommen Zugang zu seinen genetischen und oft auch zu seinen klinischen Daten, stehen aber nicht unter der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht und sind nicht an die ärztlichen Pflichten gebunden. Dies stellt auch für die beteiligten Forscher ein Gefahrenpotenzial dar, denn sie sind vor Haftung oder Anfragen Dritter nicht geschützt. Die bisher bipolare Beziehung zwischen Arzt und Patient wird auch dadurch aufgelöst, dass die genetische Auskunft über den Patienten Rückschlüsse auf seine genetisch Verwandten zulässt. Angehörige werden durch den Untersuchungs- und Behandlungsprozess betroffen, weshalb die Ergebnisse der Genomuntersuchung auch für die genetisch Verwandten des Patienten von Bedeutung sind. Ergebnisse, die der Arzt früher in dem vertraulichen Zweierverhältnis dem einzelnen Patienten beratend mitzuteilen hatte, gewinnen an Relevanz für herkömmlich Außenstehende. Dies legt sowohl auf den Betroffenen als auch auf den Arzt eine besondere Verantwortung beim Umgang mit genetischer Information. Eine weitere Konsequenz der Anwendung der Gesamtgenomanalysen in der medizinischen Diagnostik lässt sich aus dem informationellen Eingriffscharakter der Analyse ableiten. Erstens können Befunde Auskunft über genetische Ursachen bereits manifestierter Erkrankungen geben. Zweitens ist bei einer Ganzgenomanalyse mit Befunden oder Risikoinformationen zu rechnen, die Hinweise auf erst in der Zukunft möglicherweise ausbrechende Erkrankungen zulassen. Angesichts prädiktiver Informationen aus einer Genomanalyse ist zu klären, ob der herkömmliche Patientenbegriff auch Personen umfasst, die von künftigen, aber noch nicht manifestierten Krankheiten betroffen sein könnten. Ob der Patient auch aufgrund prädiktiver Risikoinformationen immer noch im herkömmlichen Sinne als Akteur in Beziehung zum Arzt einzustufen ist, ist keineswegs eindeutig. Die Art der mit einem genetischen Befund womöglich verbundenen künftigen Erkrankung und die jeweils ausschlaggebende Penetranz bereiten hier Schwierigkeiten.142 In Anbetracht zusätzlicher prädiktiver Befunde löst sich der Patientenbegriff zunehmend auf. Der Informationseingriff erfolgt sukzessiv und dynamisch. Die Möglichkeit der sukzessiven Informationsbeschaffung macht es schwer, Umfang und Reichweite des Eingriffs abschließend einschätzen zu können. Es bleibt unklar, wie lang das Arzt-Patienten-Verhältnis aufgrund der einmaligen Untersuchung und Speicherung des Genoms aufrechterhalten werden soll. 142  Die Penetranz beschreibt den Anteil von Merkmalsträgern in Prozent, bei denen sich ein genotypisches Merkmal phänotypisch auswirkt. Sie drückt die prozentuale Wahrscheinlichkeit aus, mit der ein bestimmtes Erbbild zur Ausbildung des zugehörigen Erscheinungsbilds führt. Rédei, S. 1463.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Soll das Arzt-Patienten-Verhältnis auch für die Erfassung prädiktiver Risikoinformationen fortgesetzt werden, so muss an erster Stelle überlegt werden, dass der Arzt den Patienten im herkömmlichen Sinne als leiblich präsentes Wesen zunächst nicht braucht, um Informationen über seine Gesundheit aus dem Genom auszulesen und eventuell Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung bereits manifestierter oder noch nicht durch Symptomen ausgezeichneten Krankheiten mit genetischen Ursachen zu ziehen. Der Patient verschwindet zunächst als leidendes leibliches Wesen aus der Beziehung und wird durch sein Genom ersetzt.143 Die Sequenzierung als sukzessiver Informationseingriff erfordert nicht die durchgängige Anwesenheit eines Patienten beim Arzt. Um wesentliche Aspekte des Gesundheitszustands in der Gegenwart und in der Zukunft zu entschlüsseln, könnten (wenn auch regelmäßig) die Sequenzierung und die Aufbewahrung des Genoms ausreichen. Das Genom wird, wenn es einmal verfügbar ist, in großen Teilen unabhängig von dem betroffenen Patienten, weil es ohne die Anwesenheit des zugehörigen leiblichen Wesens ausgelesen und interpretiert werden kann. Das subjektive Interpretationsvermögen des betroffenen Patienten wird allerdings im Hinblick auf die Deutung prädiktiver Risikoinformationen weiterhin relevant bleiben. 3. Betroffene Rechte des Patienten: Auslegung im Kontext einer Gesamtgenomanalyse Die besonderen Eigenschaften einer Gesamtgenomsequenzierung, vor allem die zu erwartenden genetischen Veränderungen mit häufig unklarem prädiktivem Potential, sowie Befunde und der Vorgang ihrer Interpretation bergen neue Risiken für die Gewährleistung der Patientenrechte. Die Gesamtgenomsequenzierung im Rahmen der translationalen Medizin bedeutet wie jeder medizinische Eingriff einen Eingriff in die Rechte des Patienten. Die geringe körperliche Belastungswirkung einer Genomsequenzierung steht in keinem Verhältnis zum eigentlichen Schwerpunkt des Eingriffs: die Informationsgewinnung.144 Die nach der Probenentnahme fortdauernde Möglichkeit, immer mehr Information aus dem Erbgut lesen zu können, greift daher in erster Linie in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ein. Ob für den Schutz des Patienten die Verwirklichung der Selbstbestimmung durch die gängige Praxis der Patientenaufklärung, -einwilligung und -beratung bei dieser Untersuchung ausreicht, ist zunächst in Zweifel zu ziehen. 143  Zur Leiblichkeit als die Person auszeichnende Eigenschaft siehe ihre philosophische Begründung in § 1.III. 144  Dieter Birnbacher spricht von einer informationellen Intervention: Heyen, S. 350.



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 169

Vorauszuschicken ist, dass die Menschenwürde als oberstes Prinzip, das bei der Auslegung aller Rechte zu beachten ist, durch die Achtung der Patientenautonomie bei medizinischen Eingriffen gewahrt wird. Die Patientenautonomie verhindert die Verobjektivierung der Person des Patienten und ist somit Teil seiner unantastbaren Würde. Gelingt eine Gewährleistung der Patientenautonomie nicht, kann dies die Menschenwürde verletzen. Wesentliches Element der konkreten Umsetzung der Patientenautonomie ist der „Informed Consent“, die freie Zustimmung des Patienten nach einer Aufklärung, die eine eigenständige Entscheidung ermöglicht.145 Zur Wahrung der Selbstbestimmung und zur Stärkung der Selbstverantwortung ist eine adäquate Aufklärung des Patienten vor der Ganzgenomsequenzierung daher unentbehrlich. Frei kann die Zustimmung des Betroffenen zu einer Genomsequenzierung nur sein, wenn ihm die voraussichtliche gesundheitliche Tragweite des informationellen Eingriffs und die damit einhergehenden möglichen entscheidungsrelevanten Ergebnisse in der Aufklärung verdeutlicht werden.146 Bei einer Ganzgenomsequenzierung umfasst die gesundheitliche Tragweite die für die Lebensführung entscheidungsrelevanten Ergebnisse, die auch aus zusätzlichen Befunden resultieren können. Frei kann die Entscheidung des Betroffenen bei einer Genomsequenzierung daher nur sein, wenn er die besondere Dynamik des informationellen Eingriffs sachlich angemessen einordnen und verarbeiten kann.147 145  Beauchamp,

S. 515 ff. UNESCO Chair in Bioethics / Carmi, S. 6; UNESCO IBC, Report of IBC on Consent, SHS / EST / CIB08–09 / 2008 / 1, 2008, S. 15 f. 147  Dieser Herausforderung ist die Frage vorgelagert, ob der Einsatz enger bioinformatischer Filter vertretbar ist, um die Entdeckung genetischer Informationen und die Erhebung von Befunden einzugrenzen. Einerseits scheint die Anwendung von Filtern nicht mit letzter Sicherheit dafür zu sorgen, dass keine Zusatzbefunde auftreten werden: „An alternative option is to use gene panels, which can restrict screening to selected genes or genetic regions. Although using targeted panels for screening may simplify the scale of the analysis and interpretation, incidental findings occur using either approach.“ (Knoppers / Zawati / Sénécal, S. 553 ff., S. 555) „Before any filtering, each exome typically has around 80,000 variants; each genome, 3 to 4 million … Thus, the first step in identifying significant mutations is filtering the results to leave only those variants most likely to cause disease … This reduces the number of relevant exome variants to around 10,000–15,000.“ (Pike / Rothenberg / Berkman, S. 795 ff., Fn. 20) Andererseits, obwohl die translationale Medizin noch keineswegs als evidenzbasiert bezeichnet werden kann, ist die Meinung in der Literatur einstimmig, dass die Rückmeldung zumindest bestimmter Zusatzbefunde eine ethische Pflicht ist: „By and large, scholars, practitioners, and advisory bodies agree that researchers have an ethical obligation to offer to return some IFs.“ (Pike / Rothenberg / Berkman, S. 811, aber Fn. 49, Fn. 82, Kleiderman / Knoppers / Fernandez, S. 691 ff.). Infolge der Etablierung einer ethischen Pflicht kann auch mit der Herausbildung eines rechtlichen Bezugs zu diesen Standards bei der Entscheidung über Fahrlässigkeit gerechnet werden. McGuire / Knoppers / Zawati 146  The

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Die Aufklärung des Patienten kann sich somit kaum nur auf die bereits manifestierte Krankheit, die potenzielle Anlageträgerschaft und die mit der Behandlung verbundenen geringen körperlichen Risiken beschränken. Das Ziel der translationalen Medizin, je nach angewendeten Filtern eine Vielzahl von genetischen Informationen zu erheben und nach Möglichkeit zu validieren, muss angesprochen werden. Diese stellen aber die Aufklärung vor Herausforderungen: Neben dem zeitlichen Aufwand148 wird die Vermittlung von Informationen über verschiedene Risikofaktoren, aber auch die Therapierbarkeit zu bewältigen sein.149 Einerseits ist im Voraus nicht immer genau bekannt, welche Informationen durch die Untersuchung aufgedeckt werden, andererseits ist die Beschreibung von gesichert auftretenden, prädiktiven Befunden im Voraus schwierig.150 Je nach Penetranz, Therapierbarkeit und klinischer Validität sind die Konsequenzen aus solchen prädiktiven Funden sehr unterschiedlich.151 Trotz entsprechender Weiterbildung der Ärzte können diese in der Regel nicht garantieren, den Überblick über die neuesten molekularbiologischen Entwicklungen zu behalten oder diese überhaupt zu verstehen. Sollte allerdings ein weitreichendes Wissen des Arztes hierüber vorhanden sein, bleibt es immer noch eine Herausforderung, dem Patienten dieses Wissen entsprechend zu vermitteln.152 Angemessen ist die Information nur dann, wenn durch sie keine überflüssigen Ängste oder Unsicherheiten verbreitet werden. Die Aufklärung wird vielfach durch die Information über zusätzliche Befunde und ihre Folgen beim Betroffenen Unsicherheit oder auch Erleichterung hervorrufen – und macht so die Belastungswirkung des Informationseingriffs in besonderer Weise bewusst. Die Vollständigkeit einer Aufklärung im Vorfeld umfassender Genomanalysen wird somit mehrfach eingeschränkt: Subjektiv durch den Wissensstand des Arztes und durch das Wissensvermögen des Patienten, objektiv vor allem durch die begrenzten zeitlichen Möglichkeiten zur Durchführung der Aufklärung. Es wird durchaus fraglich sein, ob eine Einwilligung auf dieser et al., S. 719 ff.; Pike / Rothenberg / Berkman, S. 816 ff.; S. 840 f. Famenka / Gibbson / Molnár-Gábor, in: Dreyer / Erdmann / Rehmann-Sutter, S. 193 ff., S. 216 ff. 148  Bartram, Vortrag. 149  Wolf / Lawrenz / Nelson et  al., S. 228; Zawati / van Ness / Knoppers, S. 2 ff.; für die potenzielle Anzahl an Polymorphismen, die aus GWAS-Studien hervorgehen können siehe Jordan / Fu Chang Tsai, S. 440 ff., S. 440. Ca. 6 000 mendelsche Erkrankungen werden vermutet oder sind bereits bekannt. Jeder Mensch ist heterozygot für 50–100 davon. 150  Tabor / Berkmann / Hull et  al., S. 5. 151  Zu solchen unterschiedlichen Befundkategorien siehe: Stellungnahme der Leo­ poldina (2010), S. 15 ff. und die GfH, S. 2 f. Siehe auch Ashley / Butte / Wheeler et al., S. 1525 ff. 152  GfH, S. 2.



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 171

Grundlage immer noch als „frei“ bezeichnet werden kann. Vor einer Genomsequenzierung ist eine umfassende, einmalige Aufklärung daher kaum zu leisten. Schwierig umzusetzen sind die Prämissen, nach welchen der Arzt den Entschluss des Patienten nicht dadurch beeinflussen darf, dass er ihm wesentliche Dinge verschweigt. Auch soll er den Patienten nicht unverhältnismäßig in seiner Entscheidungsfindung lenken. Die Bewertung der genetischen Informationen als Entscheidungsgrundlage setzt nicht nur eine umfangreiche Aufklärung voraus, sondern eine hiernach gestaltete, dynamische Einwilligung und Beratung, vor allem weil die Entscheidungsrelevanz der Informationen, insbesondere der Risikoinformationen, der subjektiven Beurteilung des Betroffenen unterliegt. Ob und unter welchen Bedingungen ein Ausblenden von Teilergebnissen bei der Beratung überhaupt zulässig ist, muss darüber hinaus geklärt werden. Auch bei der genetischen Beratung nach der Untersuchung ist es unerlässlich, das Recht auf Wissen zu gewährleisten. Der Anspruch des Patienten auf Unterrichtung über Befunde und Prognosen ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts und der personalen Würde des Patienten, die es verbieten, ihm im Rahmen der Behandlung die Rolle eines bloßen Objekts zuzuweisen. Der genetischen Beratung kommt die Aufgabe zu, fundierte humangenetische Kenntnisse dem Ratsuchenden nutzbar zu machen, indem wahrheitsgetreu und verständlich die biologisch-medizinischen Fakten mit großem Respekt vor der Belastung für den fragenden Mitmenschen vermittelt werden. Genetische Beratung soll in diesem Sinne Lebenshilfe sein.153 Die Bewertung der genetischen Informationen als Entscheidungsgrundlage setzt zunächst eine vollständige Beratung voraus, da die Entscheidungsrelevanz der Informationen, insbesondere der Risikoinformationen, der subjektiven Beurteilung des Betroffenen unterliegt. Eine Unterscheidung der gesundheitlich relevanten genetischen Veränderungen gemäß dem Schweregrad der möglichen Erkrankung, der Expressivität sowie der Penetranz ist notwendig.154 Wo soll aber die Grenze gezogen werden? Wenn weder die genaue Zahl noch die konkrete Aussagekraft der Befunde im Vorfeld der Untersuchung einschätzbar sind, kann dies die genetische Beratung vor eine praktisch unerfüllbare Aufgabe stellen. Bei steigendem Erkenntnisgewinn erhöht sich der Beratungsbedarf. Die Handlungsdimension des Wissens überwiegt dabei oft seine Inhaltsdimension: Genetische Ergebnisse, die einen geringen Entscheidungsbedarf nach sich ziehen, weil sie eine geringe Penetranz aufweisen, müssen von eindeutigen Ergebnissen, die Grundlage schwerwiegender Entscheidungen sind, unter153  Schröder-Kurth, 154  Henn,

in: Eser / von Lutterotti / Sporken, S. 367 ff., S. 367. in: Hildt / Kovács, S. 19 ff.

172

2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

schieden werden. Die Frage aber, wie die genetische Beratung gestaltet werden soll, beantwortet sich vor allem nach dem Maßstab, welche Entscheidungsgrundlage der einzelne Patient gemäß seiner in der Einwilligungserklärung bekundeten Präferenzen braucht. Zumindest in der Humangenetik wird die „familienzentrierte“ genetische Beratung erwogen.155 Die Herausforderung für die Beratung im Rahmen einer Genomsequenzierung zeigt sich neben den sehr oder gar zu umfangreichen Inhalten auch daran, dass die Informationen, die als Konsequenzen einer Genomsequenzierung entdeckt und erhoben werden können, teilweise nicht absehbar sind. Aufgrund des informationellen Charakters des Eingriffs wird die Identifizierung medizinisch bedeutender Befunde nicht nur unmittelbar nach der Untersuchung aber auch nach der Beratung möglich sein. Obwohl das prädiktive genetische Wissen der individuellen Früherkennung einer Krankheit dient, ist die Indikation vielfach nicht so verlässlich, dass sie konkrete präventive Maßnahmen oder Behandlungen in der Sicherheit naturwissenschaftlicher Kausalitäten zur Folge hätte. In dem Maße, in dem die Orientierungskraft der Indikation als objektiver fachwissenschaftlicher Steuerungsmaßstab medizinischer Handlung relativiert wird, kommt es zu einer Aufwertung der subjektiven Patientenorientierung im Prozess der Entscheidungsfindung aufgrund der Identifizierung von Risikoinformationen oder von Informationen über genetische Veränderungen. Ein Bedeutungszuwachs der informationellen Dimension der Ergebnisse ist zu beobachten, der die Wechselbezüglichkeit von Indikation und Information in den Mittelpunkt stellt.156 Der Bedeutungszuwachs der subjektiven informationellen Dimension der Ergebnisse wird einen wesentlichen Einfluss auf weitere medizinische Maßnahmen haben.157 Voraussetzung solcher Maßnahmen ist die Interpretation der Beratungsinformation durch den Patienten, die somit eine Indikation im herkömmlichen Sinne ersetzt.158 Somit wird ein Inform­ ed Consent zu präventiven Maßnahmen aufgrund einer Gesamtgenomanalyse nicht Folge einer Indikation, sondern gewissermaßen die Indikation selbst.159 155  „Da sich aus Zusatzbefunden nicht nur für die untersuchte Person, sondern auch für Angehörige medizinische Konsequenzen ergeben können, ist eine familienzentrierte Aufklärung und Befundmitteilung anzustreben.“ GfH, S. 4. 156  Damm, in: Viehöfer / Wehling, S. 272 ff., S. 274. 157  Id. 158  Id., S. 289. 159  Vgl. die Bundesärztekammer (BÄK), die als alleinige Voraussetzung für eine prädiktive genetische Diagnostik die Entscheidung des Patienten nennt, eine solche Diagnostik nach angemessener Aufklärung und Beratung für sich selbst als angemessen zu erachten. BÄK, S. 281. Vgl. hierzu Damm: „Es wird, wenn man den Richtlinientext beim Wort nimmt, die Entscheidung des Patienten nicht nur als eine



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 173

Das Recht auf Nichtwissen des Patienten, das ein Ausblenden von Ergebnissen oder Teilergebnissen rechtfertigen würde, kann nicht immer volle Wirkung entfalten.160 Lehnt der Betroffene die Mitteilung von Ergebnissen gänzlich ab, ist diese Entscheidung nur dann wirksam, wenn sie eine informierte Entscheidung ist. Davon kann allerdings nur ausgegangen werden, wenn es dem Betroffenen aufgrund der Aufklärung möglich war, die Tragweite seines Entschlusses einschätzen zu können. Wie eben dargelegt, kann dies im Fall einer Gesamtgenomanalyse zum Zeitpunkt der Untersuchung kaum gewährleistet werden. Verlangt der Betroffene, nur teilweise über die Ergebnisse informiert zu werden, kann diese Entscheidung nur dann hingenommen werden, wenn der Betroffene weiß, auf welche Informationen er verzichtet. Abgesehen davon, dass eine vollständige Information hierüber gar nicht möglich ist, wäre eine Konstellation denkbar, die dem Betroffenen lediglich eine grobe Beschreibung des Befundes gibt. Wäre dann das Recht auf Nichtwissen nicht bereits berührt?161 Genauso liegt der Fall bei einer Änderung der Untersuchungsziele. In dieser Situation wird in der Regel eine weitere, ausdrückliche Einwilligung (mittels Rekontaktierung) verlangt. Dabei ist zu beachten, dass bei einer Rekontaktierung wegen spezifischen weiteren Erforschungen dem Wunsch des Betroffenen, keine Untersuchungsergebnisse mitgeteilt zu bekommen, konsequent entsprochen werden müsste, um sein Recht auf Nichtwissen zu respektieren. Der Betroffene könnte aus der spezifischen Einwilligung in geänderte Untersuchungszwecke auf eine bestimmte, bei ihm vorhandene genetische Veranlagung Rückschlüsse ziehen.162 Der Betroffene soll die Einwilligung nicht nur freiwillig erteilen sondern auch jederzeit widerrufen können. Da eine vollständige Anonymisierung genetischer Daten in der translationalen Medizin nicht gewollt, aber auch nicht zu verwirklichen ist163, relativiert sich ihr Wert für den Datenschutz und für die weitere Benutzung der Daten. Es stellt sich die Frage, ob die Widerrufbarkeit einer Einwilligung tatsächlich von der vollständigen und unumkehrbaren Anonymisierung abhängig zu machen ist. Ein zweites Problem der Widerrufbarkeit hängt damit zusammen, dass die genetischen Daten in verschiedensten Datenbanken gespeichert werden. Wie und von wem wird die Verbreitung der Daten überwacht? Im Falle eines Widerrufs bleibt zu klären, wie praktisch Voraussetzung der Diagnostik begriffen, sondern mit der Indikation gleichgesetzt.“ Damm, in: Viehöfer / Wehling, S. 289. 160  Chadwick, in: Rehmann-Sutter / Müller, S. 9 ff.; Tymstra, in: Rehman-Sutter / Müller, S. 85 ff.; Andorno (2004), S. 435 ff.; Taupitz, in: Hanau / Lorenz / Matthes, S. 538 ff.; Ost, S. 301 ff. 161  Herring / Foster, S. 20 ff., S. 26; Clayton, S. 286 ff., S. 290. 162  Diese Problembeschreibung siehe in: Molnár-Gábor (2012), S. 726 f. 163  Vgl. oben § 5 I.4.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

umgesetzt werden soll, dass die Daten an keiner Stelle, an denen sie gespeichert oder an die sie weitergegeben wurden, weiterbenutzt werden. Diese Frage wird durch das erste Problem, der praktischen Nichtumsetzbarkeit einer vollständigen Anonymisierung, wesentlich verschärft. Die herkömmliche Einwilligung des betroffenen Patienten in eine solche Verarbeitung der Daten erscheint bei einer Gesamtgenomanalyse aufgrund des sukzessiven Informationseingriffs ein fast untaugliches Rechtfertigungsprinzip zu sein. Die Durchführung einer Gesamtgenomanalyse veranlasst auch zu der Frage, welche Informationen für Dritte zur Verfügung gestellt werden sollten. Im Aufklärungsgespräch sollte deutlich werden, dass einige der möglichen Zusatzbefunde nicht nur für den Patienten selbst, sondern auch für den Kreis seiner genetisch Verwandten von gesundheitlicher Bedeutung sein können. Hat der Betroffene bei der Erhebung genetischer Daten von seinem Recht auf Nichtwissen Gebrauch gemacht, hat dies in der Regel auch die Nichtinformierung der Angehörigen zur Folge. Fraglich ist, ob und in welchen Ausnahmefällen der Arzt den Informationsanspruch gefährdeter Familienangehöriger über seine Schweigepflicht stellen darf.164 Ist der Betroffene informiert worden, ist ihm in der Regel im Beratungsgespräch durch den Arzt dazu zu raten, seinen genetisch Verwandten eine Beratung zu empfehlen (§ 10 GenDG; § 70 Nr. 2 GTG).165 Vor allem aber ist die einfache Einwilligung des Einzelnen nicht dazu geeignet, eine Belastung anderer Familienmitglieder durch die Bekanntgabe von „wanderndem“ Wissen zu rechtfertigen. Dieses Wissen kann die Lebenssicht und Lebenserfahrung der Familienmitglieder grundlegend verändern.166 Darüber hinaus bergen weitere Befunde ein gewisses Missbrauchspotential hinsichtlich der Interessen von Arbeitgebern und Versicherungsgesellschaften. Zwischen Versicherten und Versicherern, Arbeitnehmern und Arbeitgebern besteht keine Vertragsparität, die den Versicherten und den Arbeitnehmern die freie Entscheidung über die Preisgabe ihrer genetischen Daten gewährleisten würde.167 Die Regelung, welche Informationen der Patient gegenüber seiner Versicherungsgesellschaft oder seinem Arbeitgeber offenzulegen hat, lässt Fragen in Bezug auf die Anwendung der Ganzgenomsequenzierung unbeant164  Wollenschläger,

S. 161 ff., S. 175 ff. mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz Österreich – GTG). StF: BGBl. Nr. 510 / 1994 (CELEX-Nr.: 390L0219, 390L0220). 166  Kirchhof (2011), S. 13 ff., S. 16 f. 167  Hahn, in: Kern, S. 217 ff., S. 221, Rn. 5. 165  Bundesgesetz,



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 

175

wortet. Geht es um die Preisgabe bereits vorhandener Testergebnisse, so ist das Selbstbestimmungsrecht zu wahren; geht es um die erstmalige Erhebung genetischer Daten, kann das Recht auf Wissen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Hätten Arbeitgeber oder Versicherungsgesellschaften umfassende Informationen über die Wahrscheinlichkeit möglicher zukünftig auftretender Krankheiten, wäre die Gefahr der Diskriminierung nicht auszuschließen.168 Im Arbeitsleben und Versicherungswesen bedarf die Erhebung prädiktiver genetischer Befunde und eine Offenbarungspflicht für bereits erhobene prädiktive genetische Daten daher einer besonderen Rechtfertigung. Gerade im Rahmen der translationalen Gesamtgenomanalyse gewinnen Zusatzbefunde einen anderen Stellenwert, da Art und Häufigkeit nicht mit den in anderen Verfahren entstehenden nicht-intendierten Befunden vergleichbar sind. Möglicherweise tritt eine Krankheit trotz genetischer Veranlagung erst spät oder nie ein oder ist zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt heilbar. Die eindeutige Bestimmung, ab welcher Ausbruchswahrscheinlichkeit eine Offenbarungspflicht des Betroffenen besteht, würde sich als sehr schwierig erweisen. Schwer fällt hier die Abgrenzung, ob es sich bei einer genetischen Veranlagung um einen Prädiktor oder ein Symptom handelt.169 Wenn die aus einer Genomsequenzierung erkennbare Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem versicherungserheblichen Zeitraum zu Krankheiten führen wird, ist eine Offenbarungspflicht gegeben. Ein berechtigtes Interesse des Versicherers ist bei solchen Informationen aber nur dann gegeben, wenn ein Auftreten der Krankheit in absehbarer Zeit nach Vertragsschluss zu erwarten ist. Die Wahrscheinlichkeit des Krankheitsausbruchs muss nach objektiven Maßstäben hoch sein, denn andernfalls bestünde zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht eine neue Therapiemöglichkeit.170 Im Arbeitsverhältnis müsste auch in Bezug auf meldepflichtige genetische Ergebnisse nachweisbar sein, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Zeitraum des Arbeitsverhältnisses eintreten und gesundheitlich schwere Folgen mit sich bringen würden.171 Der medizinische Umgang, insbesondere die medizinische Forschung mit Nichteinwilligungsfähigen, ist mit besonderen ethischen und juristischen Problemen verbunden. Ihre ausführliche Analyse ist zwar für die ethisch168  „Blick in die Zukunft“, Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), 16. Wahlperiode, Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16 / 10532 (13.10.2008), Zu Abschnitt 4, § 18 Abs. 2, S. 36. 169  Hahn, in: Kern, S. 237 f., Rn. 44 ff. 170  Id., S. 229 f., Rn. 24; S. 237 ff., Rn. 44 ff. 171  Schwarz, in: Kern, S. 253 ff., § 19, Rn. 40 ff., § 20, Rn. 15 ff. Tanner /Kirchof / Wolfrum et al., S. 159.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

juristische Einschätzung genomweiter Analysen unentbehrlich, würde aber den Rahmen dieser Arbeit erheblich sprengen. Daher soll an dieser Stelle der Verweis auf weiterführende Literatur genügen.172 Im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses begründen die Rechte des Patienten auch Pflichten seitens des behandelnden Arztes. Der Schwerpunkt des Informed-Consent-Prozesses verlagert sich durch die quantitativen und qualitativen Herausforderungen einer Gesamtgenomanalyse zunehmend auf die Kommunikation zwischen Arzt und Patient.173 Dies verlangt eine zunehmende Prozessualisierung des Informed-ConsentAblaufs.174 Die Erwartbarkeit zusätzlicher Befunde definiert die Fürsorgepflicht des Arztes auf neue Weise. Vor allem kann die Wahrnehmung des Rechts auf Nichtwissen mit der Fürsorgepflicht des Arztes in Spannung geraten. Handelt der Arzt entgegen seiner Fürsorgepflicht, wenn er dem Patientenwillen regelmäßig Folge leistet und auch therapierbare Befunde aus einer Genomsequenzierung dem Patienten nicht mitteilt? Diese Spannung wird auch daran ersichtlich, wie kontrovers die Fürsorgepflicht gegenüber dem aus der Patientenautonomie abgeleiteten Recht auf Nichtwissen diskutiert wird und wie unterscheidlich sie letztendlich in den verschiedenen Rechtssystemen geregelt wird.175 Der Arzt kann nur in begründeten Ausnahmefällen berechtigt, aber nicht verpflichtet werden, den Informationsanspruch gefährdeter Familienangehöriger über seine Schweigepflicht zu stellen. Wenn der behandelnde Arzt in Form von Zusatzbefunden über Wissen verfügt, welches dem Patienten möglicherweise nicht zuteil wird, da er generell nicht über Zusatzbefunde informiert werden will, dieses Wissen aber für genetisch Verwandte medizinisch erheblich sein könnte, kann das zu einer Herausforderung führen. 172  Magnus / Merkel, in: Boos / Merkel / Raspe et al., S. 109 ff.; Maio, S. 120 ff. Wie wichtig diese Problemstellung für Deutschland ist, zeigt nicht nur, dass die Bundesrepublik das Biomedizinübereinkommen des Europarates nicht unterzeichnet hat, sondern auch die Stimmerklärung Deutschlands zu umstrittenen Regelungen der UNESCO-Bioethik Deklaration von 2005 zur Forschung an Nichteinwilligungsfähigen in Art. 4, 7 und 9. Die Stimmerklärung ist abrufbar unter http: /  / www.unesco. de / wissenschaft / bioethik / bioethik-erklaerungen / stimmerklaerung-2005.html (Stand: 31.12.2016). Vöneky, in: Isensee / Kirchhof, S. 413 ff., S. 423, Fn. 66. 173  Manson / O’Neill, S. 184 f. 174  Helgesson / Eriksson, S. 85 ff. 175  American College of Medical Genetics and Genomics (ACMG) (Juli 2013), S. 565 ff., Wolf / Annas / Elias, S. 1049 ff. Burker / Antommaria / Benett et  al., S. 854 ff. McGuire / Robinson / Ramoni et  al., S. 27 ff. McGuire / Knoppers / Zawati et  al., S.  719 ff. Knoppers / Zawati / Sénécal, S. 553 ff. Pike / Rothenburg / Berkman, S. 795 ff. Dal-Ré / Katsanis / Katsanis et  al., e1001584. Weaver, S. 181 ff.



§ 5 Die Genomsequenzierung. Eine normative Analyse 177

Die hierfür erforderliche Abwägung muss sich restriktiv am Nichtschadens­ prinzip orientieren.176 Denkbar sind Fälle, in denen der Arzt aufgrund von Zusatzbefunden über Informationen verfügt, die dem Angehörigen therapeutisch zugute kommen könnten.177 Diese Konstellation verdeutlicht, dass Zusatzbefunde im Rahmen der Gesamtgenomanalyse ein Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung des Patienten, dem Recht auf Wissen und dem Recht auf Nichtwissen der Angehörigen sowie der Fürsorgepflicht des Arztes erzeugen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Beziehung zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt nicht auf einen punktuellen Austauschvertrag reduziert werden kann; das Verhältnis gestaltet sich vielmehr als ein dynamischer Prozess. Damit entsteht ein Dauerrechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Der zeitliche Wirkungsbereich der die Integrität des Patienten schützenden ärztlichen Pflichten erstreckt sich somit auf die Dauer der Erkenntnisgewinnung aus der Probe und auf die Miteinbeziehung von Anverwandten. Folglich wird ein einziges Aufklärungsgespräch zu Beginn der Untersuchung nicht ausreichen. Bei steigendem Erkenntnisgewinn erhöht sich auch der Beratungsbedarf gleichermaßen. Um dem gerecht zu werden, ist über ein anfängliches Aufklärungsgespräch hinaus eine begleitende Beratung notwendig.178 Der internationale Proben- und Datentransfer bereitet Probleme bei der Umsetzung einer solchen begleitenden Beratungspflicht.179 Eine Verständigung der grenzüberschreitend und multizentral aufgestellten translationalen Forschungseinrichtungen untereinander, um die Übermittlung eines für den einzelnen Patienten oder stratifizierte Patientengruppe möglicherweise relevanten Befundes zu gewährleisten, wäre aktuell nicht zu erreichen. Ferner kann dem behandelnden Arzt nicht die unzumutbare Pflicht auferlegt werden, den Patienten über neue, an anderen Forschungseinrichtungen gewonnene Informationen ständig zu unterrichten.180 Von dieser müsste in den Fällen, in denen der Arzt über vorhandenes, rettendes Wissen verfügt, eine Ausnahme gemacht werden. Es wird eine große Herausforderung, ein Konzept zu formulieren, das einen angemessenen Ausgleich der Interessenlage 176  Ausführlich bei Henn, S. 343 ff. Siehe auch ders., in: Bormann / Wetzstein, S. 359 ff. Für die gegenwärtige gesetzliche Lösung und seine Bewertung siehe Wollenschläger, S. 175 ff. Tanner / Kirchhof / Wolfrum et  al., S. 85 f. (m. w. N.). 177  Liao, S. 306 ff. 178  Molnár-Gábor / Weiland, S. 143. 179  Vgl. hierzu Fullerton / Lee, S. 16. 180  Die rechtliche Verantwortung des Arztes muss an dieser Stelle auf den von ihm freiheitlich beherrschten Lebensbereich begrenzt sein, wenn sie Initiative und Gestaltungswille des Arztes nicht übermäßig hemmen soll. Kirchhof, in: Schumpelick / Vogel, S. 33 ff., S. 34 f.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

zwischen den Beteiligten bietet und vor allem die translationale Forschung überhaupt noch ermöglicht.181 Dieses soll auch die Eigenschaften der Ganzgenomanalyse dahingehend berücksichtigen, dass sie einerseits einen medizinischen Informationseingriff darstellt und andererseits keine tatsächliche Anonymisierung der Daten erlaubt.182

§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin für ihre Steuerung I. Zusammenfassende Bewertung der Anwendung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin Die Sequenzierung großer genomischer Bereiche oder ganzer Genome mit hoher diagnostischer Genauigkeit erlaubt es, komplexe Mutationsspektren zu einem überschaubaren Kostenaufwand zu analysieren. Die Aufklärung kausaler Zusammenhänge zwischen Genveränderungen und komplexen Stoffwechselwegen wird in absehbarer Zeit im Hinblick auf genetisch bedingte Krankheiten mit zunehmender Wahrscheinlichkeit möglich werden. Das technische Potenzial, die Informationen auszuwerten, wird ständig erweitert. Bei einer Untersuchung, der die Isolierung der gesamten genomischen DNA vorausgegangen ist, kann daher das ganze Erbgut ausgelesen und bereits heute viele Veränderungen identifiziert und validiert werden. Die Anwendung einer Gesamtgenomanalyse im Rahmen der translationalen Medizin ist als medizinischer Eingriff einzustufen. Als solcher bedeutet ihre Anwendung eine besondere Herausforderung für die Stellung des Patienten als Person auf drei Ebenen: bei der Stellung des Patienten zu sich selbst, bei seinem Verhältnis zum Arzt und in Bezug auf seine Rechte. Die umfassende Analyse des menschlichen Genoms durch eine Sequenzierung stellt in medizinischen Kontexten zunächst einen Informationseingriff 181  Herdegen, S. 633 ff. Für dieses Ergebnis siehe ausführlich Molnár-Gábor / Weiland, S. 143 f. 182  Siehe oben § 5.I.4. Siehe zudem die Berichterstattung in der internationalen Presse: Gina Kolata, Web Hunt for DNA Sequences Leaves Privacy Compromised, 17. Januar 2013, New York Times, http: /  / www.nytimes.com / 2013 / 01 / 18 / health /searchof-dna-sequences-reveals-full-identities.html?_r=0 (Stand: 31.12.2016); dies., Poking Holes in Genetic Privacy, 16. Juni 2013, New York Times, http: /  / www.nytimes. com / 2013 / 06 / 18 / science / poking-holes-in-the-privacy-of-dna.html?pagewanted=all (Stand: 31.12.2016).



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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dar.183 Bei dieser neuartigen Vorgehensweise der genetischen Untersuchung ist nicht der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, sondern die Beschaffung von Daten Gegenstand der Einwilligung. Das qualitativ Neue der vollständigen Genomsequenzierung besteht darin, dass durch die vollständige Entschlüsselung des Genoms abhängig von der Einstellung des eingesetzten bioinformatischen Filters eine äußerst hohe Anzahl an genetischen Veränderungen und Befunden entdeckt werden kann. Dies bedeutet, dass eine nicht leicht zu überblickende Menge an genetischen Informationen generiert wird oder zumindest generiert werden kann, die Aufschluss über verschiedenste Anlageträgerschaften geben, aber gleichzeitig im diagnostischen Kontext regelmäßig keine Aussage über die medizinische Ausgangsfrage des Patienten zulassen. Einerseits öffnet die enorme Vielzahl an zu erwartenden Veränderungen und Befunden die Tür für prädiktive Diagnostikmöglichkeiten. Andererseits ist der größte Teil der durch eine Gesamtgenomsequenzierung erkennbaren Sachverhalte im Voraus nicht zu spezifizieren (die künftigen Krankheiten sind noch nicht manifest, die möglichen Befunde teilweise zufällig) und gleichzeitig so zahlreich sowie ihre Interpretation an medizinischgenetische Fachexpertise so stark gebunden, dass das Wissen des behandelnden Arztes und der Verständnishorizont eines Patienten weit überschritten werden. Selbst der verantwortungsvollste und sorgfältigste Arzt, der stets mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft vertraut ist, kann diese Informationsflut ohne die Unterstützung von molekularbiologischer Expertise nicht bewältigen. Manche Veränderungen und Befunde können aber auch nach der Einholung molekularbiologischer Expertise nur mit einer gewissen Durchschlagskraft, das heißt als Risikoinformation beziffert werden. Die Einordnung ihrer gesundheitlichen Relevanz bleibt letztlich damit dem subjektiven Beurteilungsspielraum des Patienten überlassen. Eine weitere Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass die wissenschaftliche Beurteilung der Befunde teilweise noch nicht abschließend sein kann.184 Darüber hinaus können sich durch die Entwicklung der Forschung Untersuchungsmaßstäbe verändern und zur Erlangung weiterer Informationen führen.185 Insbesondere aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts können aus dem sequenzierten und gespeicherten Genom mit der Zeit weitere Informationen gewonnen werden. Aufgrund der ständig neuen Informationsgewinnung stellt sich die Analyse des Genoms nicht als ein punktueller Eingriff, sondern als ein dynamischer Prozess dar, durch den auch in die Rechte des Betroffenen sukzessiv und andauernd eingegriffen wird. Der 183  Zum Begriff des Informationseingriffs siehe: Molnár-Gábor / Weiland, S. 136 ff., S. 136, S. 141 ff. 184  Gadzicki, in: Moos / Niewöhner / Tanner, S. 49 ff. 185  Liao, S. 306 ff.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Betroffene kann noch unbekanntes Wissen nicht unbedingt nachvollziehen und mit einer einmaligen Einwilligung nur schwer begleiten. Vor allem aber kann er mit seiner Einwilligung nicht die Bekanntgabe von Wissen rechtfertigen, das „wandert“ und möglicherweise auch seine Familienmitglieder betrifft;186 der informationelle Eingriff im Rahmen einer Gesamtgenomanalyse ist so umfassend, dass er auch die genetisch Verwandten betrifft.187 Die Gesamtgenomanalyse führt zu einer Technisierung und zunehmender Objektivierung von Gesundheits- und Krankheitschancen, die schließlich in einer Selbstverobjektivierung des Betroffenen resultieren kann. Das Kranksein entscheidet sich auf der Ebene des Genoms und wird mit Hilfe von Sequenzierungsgeräten festgestellt. Die Speicherung der Sequenz des Betroffenen ermöglicht die Weiterführung der Analysen über eine erste und einmalige Untersuchung hinaus. Der Patient verschwindet als leiblich präsentes Wesen aus der Beziehung zum Arzt, denn er muss als solches für die fortdauernde Auslesung des Genoms nicht anwesend sein. Der Leib als Interaktionsgegenstand medizinischer Untersuchungen verschwindet. Dieses Verschwinden ist widersprüchlich, weil die Abstellung auf das Genom eigentlich die Materialität des Körpers betont, der bei der Analyse aber überhaupt nicht mehr gebraucht wird, da die Medizin durch die genetische Entwicklung zunehmend, aber teilweise auch ausschließlich datenbasiert ist. Es besteht die Gefahr, dass der Patient auf die Menge und Qualität der Daten, die aus seinem Genom ausgelesen werden können, reduziert wird. Nicht nur der Patient verschwindet aus der Arzt-Patienten-Beziehung, der Arzt wird in seinen ursprünglichen Funktionen auch kaum mehr gebraucht. Die Interpretation und Auslesung der genetischen Informationen bedarf molekularbiologischer Expertise, über die er nicht verfügt. Ist die Information einmal entschlüsselt, kann der Arzt sie dem Patienten meistens nur als Risikoinformation weitergeben und somit keine herkömmlichen, therapeutisch indizierten Maßnahmen dazu anordnen oder durchführen. Die weitere Interpretation und der Umgang mit Risikoinformationen wird Aufgabe des Patienten. Er wird auch zunehmend in die Verantwortung genommen; nicht nur die Interpretation und der Umgang mit den Risikoinformationen werden seinem subjektiven Ermessen überlassen, sondern ihm wird eine gesteigerte Verantwortung, den Ausbruch potenzieller Krankheiten zu verhindern, auferlegt. Durch den Druck zur präventiven Lebensführung wird die tatsächlich unmögliche Kontrolle unbekannter Faktoren, die zur Entwicklung einer Krankheit führen, vom Betroffenen verlangt. Es droht ein Übergang zu einer Gesundheitspflicht, die die Selbstbestimmung als Freiheit zur Krankheit erübrigt.188 186  Kirchhof

(2011), S. 16 f.

187  Molnár-Gábor / Weiland,

S. 136 ff., S. 141 ff.



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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Die Steuerung der Gesamtgenomanalyse wird dann Anerkennung finden, wenn sie kontextsensitiv vonstattengeht, das heißt die Eigenschaften der Gesamtgenomanalyse berücksichtigt und die mit ihrer Anwendung einhergehenden Herausforderungen beantwortet. Aufgrund ihrer Besonderheiten fordert die Anwendung dieser Technologie spezielle Steuerungslösungen für die Aufrechterhaltung und Konkretisierung einer „personenhaften“ Stellung des Patienten als normativ-raumzeitlicher Akteur in der Medizin. Dabei soll daher insbesondere auf das etablierte Personenverständnis zurückgegriffen werden; eine Steuerung, die sich an einem solchen Verständnis der Person orientiert, ist notwendig.189 Die Berücksichtigung der Eigenschaften der Gesamtgenomanalyse und die Lösung der mit ihrer Anwendung einhergehenden Herausforderungen sollen daher im größeren analytischen Rahmen der Anerkennungswürdigkeit ihrer Steuerung auf internationaler Ebene de lege lata und de lege ferenda im dritten Teil der Arbeit betrachtet werden. Bei der Analyse der Gestaltung der Steuerung wird auch der Frage nachzugehen sein, welche Rolle der Ethik zukommt und welche Aspekte des Personenseins für die Gewährleistung einer punktuell-dynamischen juristischen Stellung abge­bildet werden sollen. Die Erfassung von Aspekten des Personenseins und damit die Stabilisierung der Stellung können nicht zuletzt zu der Aufrechterhaltung der Orientierungsfunktion medizinischer Ethik und des Rechts im Umgang mit biotechnologischen Innovationen bei­tragen. Vor der Betrachtung dieser Fragen soll der Rahmen für die Analyse festgelegt werden.

II. Die anerkennungswürdige Steuerung der Gesamtgenomanalyse Aufgrund der Internationalität der translationalen medizinischen Forschung werden bei ihrer Steuerung insbesondere internationale Lösungen beansprucht.190 Bei internationalen Projekten muss der Patientenschutz auch jenseits der nationalen Rechtsordnungen im grenzüberschreitenden Austausch gewährleistet sein. Dabei kann gerade die internationale Rechtslage eine Einschränkung des staatlichen Handlungs- und Unterlassungsspielraums ergeben.191 Aus diesem Grund wird bei der folgenden Bestimmung des Analyserahmens die internationale Rechtsordnung, das Völkerrecht, berücksichtigt. 188  Duttge,

in: ders., S. 5 f. die philosophische Definition der Person auf die in der Arbeit abgestellt wird siehe Sturma, in: Haardt / Plotnikov, S. 28. 190  Siehe oben § 5 I.1. 191  Klein, S. 81 ff., S. 81. 189  Für

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Bei der Festlegung des Analyserahmens soll zuerst die völkerrechtliche Legitimität als Voraussetzung und Grenze für die Anerkennungswürdigkeit einer internationalen Steuerung der Gesamtgenomanalyse betrachtet werden. 1. Legitimität im Völkerrecht Legitimität bedeutet im Allgemeinen die Rechtfertigung der Ausübung öffentlicher Gewalt, wobei unter letzterer die Macht, verbindliche Entscheidungen zu treffen, verstanden wird.192 Legitimität ist von Legalität zu unterscheiden. Letztere bedeutet die Rechtmäßigkeit, die formale Konformität mit dem Recht.193 Während also der Begriff der Legitimität das „Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit politischer Herrschaft“ widerspiegelt, reflektiert der Legalitätsbegriff die formelle Rechtsmäßigkeit, das heißt die Ausübung und Überprüfbarkeit der Macht auf rechtlichen und gesetzlichen Grundlagen.194 Im modernen politischen Gemeinwesen wird die Legitimität eines Handelns oft an seiner Legalität gemessen. Legalität ist daher auch eng mit der Rechenschaftspflicht (accountability) im Sinne der Einhaltung der rechtlichen Vorschriften verkoppelt.195 Die Legitimationstheorien der Gegenwart unterscheiden drei maßgebliche Aspekte des Legitimationsbegriffs. Der erste Aspekt lässt sich in eine normative und in eine soziologische Dimension aufteilen. Die normative Dimension ist mit einem Anspruch auf Legitimität und somit mit der bindenden Kraft einer Norm verbunden, während die soziologische Dimension mit der faktischen Legitimation im Sinne sowohl der vom Regierenden behaupteten als auch von den Regierten geleisteten tatsächlichen Anerkennung verbunden ist.196 Im Rahmen des zweiten Aspektes wird zwischen einer prozeduralen und einer materiellen Dimension unterschieden. Die prozedurale Dimension bezieht sich auf die Einhaltung bestimmter Anforderungen an das Verfahren der Normenerstellung, die materielle hingegen auf die Verwirklichung bestimmter Ziele innerhalb eines politischen Systems. Der dritte Aspekt vereint in sich in gewissem Maße die ersten beiden Aspekte und differenziert zwischen Input- und Output-Legiti192  Wolfrum, Legitimacy, in: ders., MPEPIL, Rn. 1; siehe auch allgemein Wolfrum / Röben (2008); zu der Frage der völkerrechtlichen Legitimität: Kumm, S. 907 ff; Buchanan, S. 145 ff.; Franck (1990); zu der Frage der legitimierenden Kraft der Menschenrechte: Føllesdal / Schaffer / Ulfstein; zur Problematik der Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht: Vöneky / Hagedorn / Clados et  al. 193  Siehe historisch klärend: Hofmann (2002); Lübbe, S. 170 ff. 194  Stichworte „Legitimität“ und „Legalität“ Lexikon Bundeszentrale für Politische Bildung, abrufbar unter http: /  / www.bpb.de / nachschlagen / lexika /  (Stand: 31.12.2016). 195  Muñoz Hernandez, S. 71; Bovens / Goodin / Schillemans, S. 6 ff. 196  Buchanan / Keohane, in: Wolfrum / Röben, S. 25 ff., S. 25.



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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mation.197 Hier ist bei ersterer der gesamte Prozess der Entscheidungsfindung, bei zweiterer die faktische Verwirklichung der gesetzten (politischen) Ziele maßgebend.198 Zunächst gilt es den Umstand zu beachten, dass das Völkerrecht als Rechtsordnung Ergebnis eines Konsenses ist, der ihr Legitimität stiftet.199 In den letzten Jahren wurde die Legitimität im Völkerrecht zunehmend in den Fokus gerückt und intensiv diskutiert. Entscheidend für die Strukturierung der Debatte ist, ob für die Legitimation im Völkerrecht die demokratische Legitimation nationaler Regierungsgewalt als Grundlage und Orientierungspunkt dienen kann. Die Legitimation des Völkerrechts aufgrund von Maßstäben der demokratischen Legitimation wird nach herrschender Meinung anerkannt oder zumindest als Ausgangspunkt für diese angesehen, wobei diese Legitimation in der Literatur aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausgelegt wird.200 Die Meinungen sind vor allem darüber verschieden, welche Faktoren die Legitimität im Völkerrecht überhaupt herbeiführen können. Thomas M. Franck versteht die Legitimation formell und weist ihr die Rolle zu, für Normativität zu sorgen. Er lehnt die Verortung eines auf zentralisierter Zwangbefugnis ruhenden Legalitätsbegriffs im Völkerrecht ab.201 Er grenzt den Begriff der Legitimität zunächst von dem Gerechtigkeitsbegriff eindeutig ab und bezieht letzteren auf eine normative Vorstellung des Guten und auf Verteilungsfragen202, um in seiner Theorie später beide Begriffe in einem „fairness“-orientierten Legitimationsbegriff zusammenzuführen.203 Er unterscheidet aber grundsätzlich vier Kriterien der Legitimation; die Bestimmtheit und die symbolische Anerkennung der Regeln, ihre Kohärenz mit anderen Regeln und ihre Einfügung in das Normsystem.204 Allen Buchanan und Robert O. Keohan nutzen den Legitimitätsbegriff einerseits im Sinne der Normativität, welche aufgrund der Herbeiführung von Verbindlichkeit entsteht, andererseits als normativen Beurteilungsmaßstab zur Anerkennungswürdigkeit internationaler Institutionen.205 Als alternatives 197  Vöneky

(2010), S. 158 ff.; Krajewski, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 2. diese Auffächerung bei Petersen (2009), S. 7 ff.; Muñoz Hernandez, S. 41 f. 199  Wolfrum, in: Reinisch / Kriebaum, S. 471 ff., S. 473 ff. 200  Wolfrum, in: ders., MPEPIL, Rn. 2, 4; Krajewski, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 7 ff. (m. w. N. zur kosmopolitischen und deliberativen Demokratie). 201  Franck (1990), S. 210. Siehe aber die Weiterentwicklung des Legalitätsbegriffs gestützt auf die „Empfindung“ (perception) in: ders. (2006), S. 88 ff., S. 91 ff. 202  Franck (1990), S. 208 ff. 203  Id., S. 190, S. 210 ff.; Paulus, S. 91 f., S. 198 ff. 204  Franck (1990), S. 52, S. 111 f., S. 136, S. 184; Paulus, S. 92. 205  Buchanan / Keohane, in: Wolfrum / Röben, S. 30; Muñoz Hernandez, S. 203 f. 198  Siehe

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

Modell zum Prinzip des Staatenkonsenses verabschieden sie ein demokratisches Modell, um die Quelle der Legitimation zu erklären.206 Mattias Kumm leitet seine Theorie aus dem demokratischen Legitimationsbegriff ab und entwickelt sie zu einer Idee des Konstitutionalismus, in dem die Autorität der völkerrechtlichen Normen von der Legalität, Subsidiarität, Zurechenbarkeit und von angemessenen Resultaten abhängt.207 Allerdings sind auch kritische Standpunkte nicht selten, die beispielsweise die Übertragung demokratischer Legitimation auf das Völkerrecht in Frage stellen, wobei der Fokus und die Begründung der Kritik unterschiedlich ausfallen.208 Die Kritiker vertreten oft, dass die demokratische Legitimation des Völkerrechts aufgrund der fehlenden Legitimationskette zum Volk grundsätzlich nicht möglich ist.209 Dabei wird vorwiegend die Output-Legitimation internationaler Institutionen in den Vordergrund gerückt und so argumentiert, dass diese vor allem durch die wirksame Regelung internationaler öffentlicher Güter wie Frieden, Sicherheit, Entwicklung oder Menschenrechte legitimiert werden können.210 Ein Vertreter dieses Standpunktes, Joseph H. H. Weiler, sieht beispielsweise keine unmittelbare Übertragbarkeit des demokratischen Legitimitätsprinzips auf das Völkerrecht und plädiert für eine Neubewertung seiner Bausteine, um die legi­ timitätsbeeinflussenden Faktoren im internationalen Recht zu identifi­ zieren.211 Bereits diese grobe Darstellung unterschiedlicher Legitimationsmuster im Völkerrecht macht deutlich, dass die Legitimation unterschiedlich hergeleitet und bestimmt wird. Obwohl keine einheitliche Theorie für ihre Definition und für die Bestimmung ihrer Voraussetzungen existiert, gibt es bei den verschiedenen Interpretationen gemeinsame Ansätze. Diese können als Faktoren identifiziert werden, die zwar auf unterschiedliche Art und Weise, aber über viele Theorien hinweg einen Einfluss auf die Legitimität des Völkerrechts haben. Demnach sind es solche Faktoren, die die Legitimität internationaler Regelungen herbeiführen oder beeinflussen, die mit der Quelle ihrer Entstehung, mit dem Verfahren und der Transparenz der Ent206  Buchanan / Keohane,

in: Wolfrum / Röben, S. 39, S. 40 ff., S. 60. insbes. S. 910 ff. 208  Kritisch: Weiler, S. 547 ff., S. 548; Reisman, in: Wolfrum / Röben, S. 15 ff., S. 15; Young, S. 527 ff., S. 544; Glennon, S. 84. 209  Dahl, in: Shapiro / Hacker-Cordón, S. 19 ff., S. 30 ff. Die Verlinkung Internationaler Organisationen an nationalen demokratischen Entscheidungen von Bogdandy, S. 885 ff., S. 886. Über eine Legitimationskette zwischen nationalen und internationalen Ebenen Wolfrum, in: ders. / Röben, S. 1 ff., S. 7. 210  Krajewski, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 3. 211  Weiler, S. 561. 207  Kumm,



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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scheidungsfindung und nicht zuletzt mit den erzielten Ergebnissen sowie mit der Umsetzung der Regelungen verbunden sind.212 2. Kriterien der Analyse der Anerkennungswürdigkeit Die Bemühung um eine Stellung des Patienten als Person trägt wesentlich zu der normativen und faktischen Anerkennungswürdigkeit der internationalen Steuerung genetischer Analysen bei. Die so entstehende Anerkennungswürdigkeit der Steuerung, die vom thematischen Gegenstand der Regulierung abhängt, steht im engen Zusammenhang mit rechtstheoretischen Faktoren, die die Legitimität der Steuerung beeinflussen oder herbeiführen können. Demnach ist der an der Person orientierte Umgang mit der Ganzgenomanalyse nicht von Faktoren einer rechtstheoretischen Legitimation der internationalen Steuerung zu trennen wie von der Quelle ihrer Entstehung, dem Verfahren der Entscheidungsfindung, den erzielten Ergebnissen und ihrer Umsetzung. Die Stellung des Patienten als Person muss im Rahmen all dieser Faktoren berücksichtigt werden, um die Anerkennungswürdigkeit der Regelungen zu gewährleisten. An dieser Stelle wird nicht die Aufgabe gestellt, verschiedene Theorien der völkerrechtlichen Legitimität im Kontext der Biomedizin auf ihre Anwendbarkeit hin zu prüfen oder zu bewerten. Vielmehr liegt es im Sinne des Vorhabens, die Eigenschaften und Herausforderungen der internationalen Anwendung der Ganzgenomanalyse in den Fokus zu stellen und zu analysieren, wie sie einerseits de lege lata berücksichtigt werden und andererseits de lege ferenda berücksichtigt werden könnten, um die rechtstheoretischen Faktoren einer legitimen Steuerung dieser Technologie an der Person orientiert beeinflussen und gestalten zu können. Die Kriterien der folgenden Analyse richten sich damit nach den rechtstheoretisch anerkannten Faktoren, die aufgrund der Unterscheidung zwischen Input- und Output-Perspektive einen Einfluss auf die Legitimität internationaler Steuerung ausüben können. Es werden die Fragen gestellt, welches Mandat für die Steuerung im Bereich der Ethik und des Rechts vorhanden ist, was die Quelle der Entstehung der Regelungen zur Genanalyse angesichts eines Auftrags und der thematischen Ansätze ist und wie das Mandat in Bezug auf die Normativität und die Verbindlichkeit der Steuerung umgesetzt wird. Der Frage nach der Normativität der Steuerung ist die Frage vorgelagert, in welchen Verhandlungsprozessen die Regelungen zustande kommen: Wer nimmt an diesen Prozessen teil und wie werden die Regelungen inhaltlich ausgearbeitet? Das Ergebnis der Steuerung soll so212  Vgl.

Wolfrum, in: ders, MPEPIL, Rn. 5 ff.; Muñoz Hernandez, S. 48 ff.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

wohl angesichts der Effektivität ihrer Inhalte als auch der Förderung und Umsetzung der Regelungen analysiert werden. Bevor diese Analyse angegangen werden kann, ist zuerst klarzustellen, welcher institutionellen Einbindung die internationale Steuerung der Genanalyse unterliegt. 3. Institutionelle Einbindung der Steuerung der Gesamtgenomanalyse Dargelegt wurde in § 5, welche elementaren Herausforderungen die Gesamtgenomanalyse für die Stellung des Patienten als Person mit sich bringt, sowie in § 4, welche außerordentliche Vernetzung zwischen internationalen Forschergruppen und Forschungsorganisationen das Gebiet der translationalen Medizin und somit die Anwendung dieser Technologie prägen. Damit wurde auch unmittelbar belegt, dass ein dringendes Bedürfnis nach Schaffung internationaler Mindeststandards für die Anwendung der Gesamtgenomanalyse besteht. Vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Herausforderungen an die Patientenstellung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der translationalen Medizin soll geklärt werden, welcher institutionelle Rahmen für die Steuerung geeignet ist. Er muss eine Wirkung der Maßnahmen auf universeller Ebene erlauben. Private Verbände können spezifische Themen gut fokussieren und sind daher am ehesten in der Lage, sich thematisch auch mit den Herausforderungen biomedizinischer Fragestellungen zu befassen.213 Die Deklaration von Helsinki und sonstige Deklarationen des Weltärztebundes214 haben als Beschlüsse eines zwar international organisierten, aber privatrechtlich statuierten Zusammenschlusses nationaler Verbände allerdings keinen rechtsverbindlichen Charakter und können nur als Kodifikation des Berufsrechts angesehen werden. Auch die Human Genome Organization (HUGO) gilt lediglich als Akteur des Privatrechts.215 Sie ist ein Zusammenschluss, der 213  Diese werden international als Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bezeichnet. Für eine Definition vgl. Riedel, in: Wolfrum / Röben, S. 300 ff., S. 301 f. Für die Darstellung der NGOs in Verbindung mit der UNESCO: id., S. 307 ff. Aus der umfangreichen Literatur zu ihrer Rolle bei der Entwicklung des Völkerrechts, vor allem in Bezug auf eine Demokratisierung der internationalen Rechtsetzung siehe Brunnengräber / Klein / Walk; Freidmann / Hochstetler / Clark; Macdonald. 214  Declaration of Helsinki (1. Teil, Fn. 641); WMA, Resolution on Patient Safety and Standardization in Medical Practice 2013: http: /  / www.wma.net / en / 30publicati ons / 10policies / 30council / cr_18 /  (Stand 31.12.2016); Declaration on Ethical Considerations Regarding Health Databases 2002: http: /  / www.wma.net / en / 30publications / 10policies / d1 /  (Stand 31.12.2016). 215  Liu, S. 3 f. Die Organisation ist in Südkorea eingetragen: http: /  / www.hugointernational.org / Contact (Stand: 31.12.2016).



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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sich den spezifischen Fragen der Humangenetik widmet und 1989 primär zu dem Zweck gegründet wurde, die Zusammenarbeit zwischen Genomforschern auf der ganzen Welt zu fördern. Die Organisation war am Humangenomprojekt beteiligt. Ihre Ethikkommission verabschiedet sogenannte Statements, die aber lediglich Empfehlungen unter anderem zur Genomforschung enthalten.216 Die sogenannte Global Alliance for Genomics and Health (GA4GH) ist ebenfalls eine Organisation, die im Bereich des Privatrechts auf grenzüberschreitender Ebene tätig ist und es sich zu ihrem Ziel gesetzt hat, die Anwendung der Humangenetik zur Gesundheitsförderung zu beschleunigen.217 Sie vereint mehr als 400 führende Institutionen, die auf dem Feld des Gesundheitswesens, der Forschung, der Lebenswissenschaften und der Informationstechnologie tätig sind und durch ihre Zusammenarbeit einen vereinheitlichten Rahmen für die Ermöglichung der verantwortungsvollen, freiwilligen und sicheren gemeinsamen Nutzung von genetischen und Gesundheitsdaten etablieren wollen. Obwohl die GA4GH vor allem durch eine feinere organisatorische und Governance-Struktur sowie durch eine höhere Anzahl von spezifischen Stellungnahmen und damit einen größeren faktischen Einfluss ausgezeichnet ist als die HUGO, kann ihre Arbeit über einen faktischen Einfluss hinaus keine Verbindlichkeit erlangen. Diese Empfehlungen privater Standardsetzung werden nicht von einem Völkerrechtssubjekt erzeugt und können daher ohne ihre Integration in das Völkerrecht durch Völkerrechtsnormen keine normative Bindungswirkung entfalten.218 Auch der Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS) ist als Nichtregierungsorganisation auf dem Feld der Medizin tätig.219 Er widmet sich unter der Schirmherrschaft der WHO und der UNESCO der Förderung internationaler Aktivitäten im medizinischen und bioethischen Bereich. Zwar agiert er unabhängig und verabschiedet regel216  Statement on Human Genomic Databases 2002: http: /  / www.hugo-international. org / Resources / Documents / CELS_Statement-HumanGenomicDatabase_2002.pdf; Statement on Gene Therapy Research 2001: http: /  / www.hugo-international.org / Res ources / Documents / CELS_Statement-GeneTherapyResearch_2001.pdf; Statement on DNA Sampling 1998: http: /  / www.hugo-international.org / Resources / Documents / CE LS_Statement-DNASampling_1998.pdf; Statement on the Principled Conduct of Genetic Research 1995: http: /  / www.hugo-international.org / Resources / Documents /  CELS_Statement-PrincipledConductofGeneticsResearch_1995.pdf (Stand für alle Statements: 31.12.2016). 217  http: /  / genomicsandhealth.org / about-global-alliance. Vgl. die „Regulatory and Ethics Working Group“ der Global Alliance unter http: /  / genomicsandhealth. org / working-groups / regulatory-and-ethics-working-group (Stand: 31.12.2016). 218  Vöneky, in: dies, FIP, Fn. 16. 219  Vgl. http: / / cioms.ch / index.php / 2012-06-07-19-16-08 / about-us (Stand: 31.12. 2016).

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

mäßig Richtlinien, seine Tätigkeiten sind an erster Stelle aber administrativer und logistischer Art. Dies lässt die Organisation wenig geeignet erscheinen, um den internationalen Rahmen für eine universelle Bioethik als privater Akteur zu beeinflussen.220 Im Gegensatz zu internationalen privaten Verbänden stellen Internationale Organisationen eine Rechtsfigur des Völkerrechts dar.221 Sie werden als auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhender, mitgliedschaftlich strukturierter Zusammenschluss von zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten – in der Regel Staaten – definiert, dessen eigene Organe mit Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse befasst sind.222 Im Rahmen dieser Tätigkeit können sie Entscheidungen mit normativer Bindungswirkung treffen. Neben der vertraglichen Rechtsetzung, die der im Gründungsvertrag eingeräumten Vertragsabschlussbefugnis entspricht und auf ihrer eigenen Völkerrechtssubjektivität ruht, können sie je nach ihren ebenfalls durch den Gründungsvertrag eingeräumten Kompetenzen, meist in Form von Verträgen, auch solche Rechtsakte vorbereiten, die den Mitgliedstaaten selbst zur Beschlussfassung unterbreitet werden. Sollen diese Verträge verbindlich werden, müssen sie von den Mitgliedstaaten angenommen werden.223 Supranationale Organisationen unterscheiden sich von Internationalen Organisationen dadurch, dass sie nicht nur zwischen ihren Mitgliedern unmittelbare rechtliche Wirkungen entfalten können, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten, sodass ihre Rechtsakte unmittelbar im Rechtsraum der Mitglieder angewendet werden können.224 Für beide gilt allerdings, dass ihnen nur die von dem sie tragenden Gründungsstatut eingeräumten Aufgaben übertragen sind. Sie haben keine Aufgabenerfindungszuständigkeit; ihnen fehlt daher das wesentliche Merkmal der Staatlichkeit.225 Ihre Kompetenzen und Handlungsbefugnisse sind ihrem bestimmten Organisationszweck gewidmet. Für die vorliegende Arbeit kommen solche Internationalen Organisationen in Betracht, die völkerrechtliche Entscheidungen auf universeller Ebene treffen können. Daher wird der Europarat, der sich zwar traditionell auch mit biomedizinischen Fragestellungen befasst, aber durch seine Rechtsakte eine Wirkung nur auf regionaler völkerrechtlicher Ebene entfalten kann, 220  Siehe aber die Richtlinien des CIOMS, International Ethical Guidelines for Epidemiological Studies 2009, ISBN-10(13): 929036081X; International Ethical Guidelines for Biomedical Research Involving Human Subjects 2002, http: /  / www. cioms.ch / publications / layout_guide2002.pdf (Stand: 31.12.2016). 221  Alvarez (2005), S. 4 ff., S. 6. 222  Klein / Schmal, in: Vitzthum, S. 237 ff., S. 248, Rn. 12. 223  Id., S. 322 ff., Rn. 200 ff. 224  Id., S. 248 f., Rn. 14. 225  BVerfGE 75, 223 (242). Dicke (1994), S. 44 ff., S. 317 ff.



§ 6 Die Konsequenzen der Anwendung der Gesamtgenomanalyse

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nicht in die Analyse miteinbezogen. Die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen sind für die vorliegende Analyse hingegen durchaus geeigneter Gegenstand. Die UN handelt regelmäßig durch die Verabschiedung von Resolutionen und Deklarationen (Entschließungen), die meist als unverbindliche Empfehlungen mit faktischer Wirkung, zum Teil aber auch als verbindliche Entscheidungen gegenüber den Mitgliedstaaten ergehen.226 Ihre Sonderorganisationen, die in der Regel eine eigene Völkerrechtssubjektivität besitzen, können ebenso normative oder faktische Bindungswirkung durch ihre Instrumente erzeugen. Bestimmte UN-Sonderorganisationen verfügen über weitreichende Rechtssetzungskompetenzen dadurch, dass die von ihnen erarbeiteten Konventionen nicht der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten bedürfen, sondern für diese verbindlich werden, wenn die Staaten die Bindung nicht durch Widerspruch verhindern.227 Die UN und ihre Sonderorganisationen können zur Entwicklung des Völkerrechts auch durch die Setzung sogenannter SoftLaw-Regelungen beitragen, die eine faktische Bindungswirkung besitzen und einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung auch normativ verbindlicher Entscheidungen haben können.228 Der Einfluss beinhaltet nicht nur die Möglichkeit, auf Basis solcher Instrumente weitere Instrumente mit normativer Verbindlichkeit zu entwickeln, sondern unter anderem ihre Inkorporierung durch Referenzen oder ihre Anwendung als Auslegungshilfe.229 Die WHO ist die Sonderorganisation der UN, die traditionell für die Steuerung des Gesundheitswesens zuständig ist. Bereits 1976 hat die UN-Generalversammlung die WHO eingeladen, einen Entwurf für einen Kodex der medizinischen Ethik gegen die Einbindung von Ärzten bei Folter sowie grausamen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen vorzubereiten.230 Die Einladung an die WHO wich von der damaligen Praxis ab, nach welcher der Welteärztebund (WMA) für die Ausarbeitung bedeutender medizinethischer Dokumente, wie der Genfer Konventionen, zuständig war. Die UN-Generalversammlung hat in einer Resolution 1982 zudem medizinethi226  Siehe bspw. Art. 25 oder Art. 48 Abs. 2 der UN-Charta. Klein / Schmal, in: Vitzthum, S. 322, Rn. 200. 227  Id., Rn. 201. 228  Röben, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 39; Alvarez (2005), S. 217 ff.; ders. (2002), S. 213 ff., S. 218 ff. 229  Siehe hierzu ausführlich § 7.III. Da Soft-Law-Regelungen von Völkerrechtssubjekten gesetzt werden, ist es für die begriffliche Klarheit überzeugend, diese Regeln dem Völkerrecht im weiteren Sinne zuzurechnen. Vöneky, in: dies. / BeylageHaarmann / Höfelmeir et  al., S. 129 ff., S. 135. Für die Problematik der Legitimation in Bezug auf nicht verbindliche Instrumente siehe Friedrich (2013), S. 373 ff. 230  UNGA, Torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, Resolution A / RES / 31 / 85 vom 13. Dezember 1976, Nr. 5.

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2. Teil: Herausforderung in Bezug auf die Stellung des Patienten

sche Prinzipien bestätigt, die von dem CIOMS auf Anregung der WHO entwickelt wurden.231 Diese Maßnahmen können als eine Entwicklung interpretiert werden, biomedizinische Themenbereiche zunehmend in den Tätigkeitsbereich Internationaler Organisationen einzugliedern. Aus verschiedenen Gründen wurde die WHO aber auf dem Feld der Biomedizin bisher eher eingeschränkt tätig. Die biomedizinische Entwicklung bringt immer komplexere, interdisziplinäre Herausforderungen mit sich, die vor allem nach internationaler Standardsetzung verlangen. Die WHO selbst hat nur wenig Erfahrung in diesem Bereich, und wäre bei einem solchen Auftrag wahrscheinlich erst einmal überfordert. Ihre Arbeit, die sie in Bezug auf internationale Gesundheitsfunktionen wahrnimmt und die sehr anspruchsvoll ist, wäre zudem beeinträchtigt. Zu bedenken ist auch, dass die Mitgliedstaaten kaum bereit wären, der WHO so ein umfangreiches Mandat wie das der internationalen Gesundheitsrechtsetzung einzuräumen; eine Dezentralisierung auf diesem Gebiet hätte grundsätzlich große Vorteile.232 An erster Stelle bei der Entwicklung internationaler biomedizinischer Standards steht somit die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Die UNESCO wurde 1945 gegründet und ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, in der 195 Staaten vertreten sind.233 Die Zuständigkeit für die Befassung mit biomedizinischen Fragen leitet die UNESCO aus der Präambel ihrer Satzung ab und lässt spätestens mit der Bioethik-Erklärung 2005 erkennen, dass sie die Rolle eines internationalen Koordinators bei der Steuerung biomedizinischer Fragen übernehmen will. Aus diesem Grund wird bei der Analyse der Steuerung genetischer Analysen de lege lata und de lege ferenda die Arbeit der UNESCO untersucht. Auf Überschneidungen zwischen ihrer Arbeit und der Arbeit anderer UNSonderorganisationen wird einzugehen sein.

231  UNGA, Principles of medical ethics, Resolution vom 18. Dezember 1982, A / RES / 37 / 194, Nr. 1. 232  Taylor (2004), S. 500 ff., S. 504 f. 233  Bank / Foltz, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 3; siehe auch http: /  / www.unesco.org (Stand: 31.12.2016).

3. Teil

Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich von Ethik und Recht de lege lata und de lege ferenda Es wurde dargelegt, inwiefern die Stellung der Person als normativraumzeitliches Wesen durch die besonderen Eigenschaften der Gesamtgenom­ analyse und ihrer Anwendung herausgefordert wird: als normatives Wesen durch die Herausforderung in Bezug auf ihre Freiheit, als leibliches Wesen vor allem in Bezug auf ihr Verhältnis zum Arzt und als soziales Wesen an erster Stelle in der Beziehung zu den genetisch Verwandten und zu Dritten. Daraus kann gefolgert werden, dass die Steuerung der Gesamtgenomanalyse die Eigenschaften und Herausforderungen dieser Technologie, die die Stellung des Patienten als Person beeinflussen, berücksichtigen muss, um durch eine angemessene Regelung überzeugen zu können und Anerkennung zu bekommen. Übergeordnetes Ziel des dritten Teils dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, welchen Einfluss die Berücksichtigung der Eigenschaften der Gesamtgenomanalyse und ihrer Herausforderungen, die durch ihre medizinische Anwendung verursacht werden, bei der Steuerung genetischer Analysen auf die Faktoren ihrer Anerkennungswürdigkeit de lege lata ausgeübt hat und de lege ferenda ausüben kann.

§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen im internationalen Menschenrechtssystem auf universeller Ebene – de lege lata Zunächst gilt es zu untersuchen, ob die auf internationaler Ebene bestehenden spezifischen Regelungen anerkennungswürdige Antworten auf die Anwendung der Gesamtgenomanalyse als medizinischer Eingriff bereithalten. Hierbei wird die Arbeit der auf dem Feld der Bioethik tätigen größten Internationalen Organisation, der UNESCO, analysiert. Auf internationaler Ebene wurde früh erkannt, dass die rasante Entwicklung der Genetik große Gefahren aber auch ein großes Therapiepotenzial birgt. Bereits zwischen 1989 und 1993 wurden weltweit mehr als 30 Stel-

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

lungnahmen verschiedenster Ethikräte und Kommissionen zur Gendiagnostik verabschiedet.1 Zu Beginn der neunziger Jahre setzte sich auch die UNESCO zunehmend mit Fragestellungen genetischer Untersuchungen auseinander. Der Beitrag der UNESCO zur Förderung der Ethik, insbesondere der biomedizinischen Ethik, wird durch Standardsetzung bisher vor allem in Form von unverbindlichen Erklärungen geleistet.2 Bisher wurden drei Erklärungen verabschiedet. Die ersten beiden, die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte 19973 und die Internationale Erklärung über humangenetische Daten 20034, behandeln den engeren Themenbereich der Humangenetik. Die dritte, die Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte 2005, beschäftigt sich mit übergreifenden ethischen Fragestellungen der Medizin, der Lebenswissenschaften und den damit verbundenen Technologien.5 Im Bereich der Bioethik gibt es keine vergleichbare globale Standardsetzung, die internationale bioethische Prinzipien in einem solchen Maß widerspiegelt. Somit nehmen die Erklärungen eine besondere Rolle ein.

I. Ethik als Priorität der UNESCO 1. Das ethische Mandat der UNESCO im menschenrechtlichen Referenzrahmen Kennzeichnend für die Arbeit der UNESCO ist, dass sie bei der Einschätzung neuer medizinisch-technologischer Analysemethoden ethischen Prinzipien und Maßstäben eine bedeutende Rolle einräumt. Aus diesem Grund soll im vorliegenden Paragraphen zuerst dargestellt werden, wie Ethik als Priorität der Organisation in ihre Arbeit eingebunden wird. Gemäß Artikel 1 ihrer Satzung ist es Aufgabe der UNESCO, „durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissen1  Nuffield

Council on Bioethics, S. 100 ff. die Resolution der UN-Generalversammlung über das Klonen von Menschen 2005 stellt internationales Soft Law dar. Erklärung der Vereinten Nationen über das Klonen von Menschen v. 08.03.2005, A / RES / 59 / 280. Die Generalkonferenz der UNESCO ist zudem nach Art. IV. Abs. 4 ihrer Verfassung befugt, neben Empfehlungen auch verbindliche Konventionen abzugeben. UNESCO-Constitution (1.  Teil, Fn. 398). 3  Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights (UNESCO 1997) (1. Teil, Fn. 680). 4  International Declaration on Human Genetic Data (UNESCO 2003) (1. Teil, Fn. 691). 5  Universal Declaration on Bioethics and Human Rights (UNESCO 2005) (1.  Teil, Fn. 649). 2  Auch



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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schaft und Kultur zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beizutragen, um in der ganzen Welt die Achtung vor Recht und Gerechtigkeit, vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu stärken […]“.6 Die Idee, den satzungsgemäßen Auftrag, die Zusammenarbeit in der Wissenschaft auch durch die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen zu fördern, beruht auf zwei Grundlagen. Erstens geschehe das rasante Tempo der wissenschaftlichen Entwicklung nicht notwendigerweise zu Gunsten der gesamten internationalen Gemeinschaft. Zweitens sei die schrankenlose wissenschaftliche Entwicklung ethisch nicht immer vertretbar.7 Diese Bedenken gaben der UNESCO Anlass dazu, die Verbindung zwischen wissenschaftlicher Entwicklung und den kulturellen, rechtlichen, philosophischen und religiösen Kontexten, in denen diese Entwicklung vonstattengeht, zu bekräftigen.8 Die Beteiligung der sozial- und geisteswissenschaftlichen Abteilung der UNESCO an der Förderung der Ethik begann in den siebziger Jahren und wurde durch die Verabschiedung des Ethics of Science and Technology Programme in den neunziger Jahren deklariert.9 Ebenfalls zu dieser Zeit fing die Arbeit am Bioethikprogramm an, demzufolge gegenwärtig zwei große Arbeitsgebiete bei der Einbindung der Ethik zu identifizieren sind. Übergeordnetes Ziel des ethischen Mandats, das im Auftrag, die Zusammenarbeit in der Wissenschaft zu fördern verortet ist, ist gemäß der UNESCO-Verfassung die Stärkung der Menschenrechte. Nach Auffassung der UNESCO soll Ethik in der philosophischen Reflexion begründet werden, auf dem menschenrechtlich normativen Referenzrahmen basieren und innerhalb der Wissenschaft agieren, ohne ihre Abhängigkeit und kritische Distanz zu dieser zu verlieren.10 Schon früh äußerten die Mitgliedstaaten 6  UNESCO-Verfassung (1. Teil, Fn. 397). Die UNESCO ist die einzige Organisation mit einem solchen eindeutigen Mandat im Bereich der Wissenschaft und Ethik im System der UN, ten Have / Jean, in: dies., S. 17 ff., S. 19. 7  UNESCO, Ethics of Science and Technology at UNESCO, SHS / EST / GEOBS /  2008 / PI / 1, S. 1. Bereits der erste Generaldirektor der UNESCO, Julian Huxley hat deutlich gemacht, dass sich die Anwendung der Ergebnisse der Wissenschaft an bestimmten Wertmaßstäben zu orientieren hat, um den Beitrag der Wissenschaft zur Förderung von Frieden und Sicherheit zu gewährleisten. Huxley. Auch das Leitbild der sozial- und geisteswissenschaftlichen Abteilung der UNESCO bestätigt diese Herangehensweise: „Ensuring the world remains secure for everyone means that scientific and technological progress must be placed in a context of ethical reflection rooted in the cultural, legal, philosophical and religious heritage of all our communities.“ Abrufbar unter http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / about-us / how-we-work / mission (Stand: 31.12.2014). 8  UNESCO, id., S. 2. 9  ten Have / Ang (2007), S. 15 ff., S. 15. 10  UNESCO (3. Teil, Fn. 7), S. 1.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

ihre Besorgnis über das Verhältnis zwischen der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung und den Menschenrechten.11 In Bezug auf die Biomedizin wird dieser Zusammenhang auch durch die Feststellung untermauert, dernach aus den Menschenrechtsnormen ähnliche Vorschriften abzuleiten sind wie die moralischen Verpflichtungen, die aus der Arzt-Patient-Beziehung herrühren.12 Auch die fünf verabschiedeten Resolutionen der ehemaligen UN-Menschenrechtskommission (UNCHR) über Bioethik bestätigen diese enge Verbindung.13 Vornehmliche Aufgabe der Kommission war die Förderung und der Schutz der Menschenrechte. In ihren nicht verbindlichen Resolutionen über die Menschenrechte und Bioethik zwischen 1993 und 2003 hat sie die Regierungen und die Sonderorganisationen der UN eingeladen, dem Generalsekretariat über ihre Bemühungen in Bezug auf Menschenrechte in der Bioethik Bericht zu erstatten. Die Kommission war stets besorgt über die Aufrechterhaltung der Menschenwürde und der Integrität des Menschen. Gleichzeitig nahm sie auf die verabschiedeten Menschenrechtsdokumente, die Deklarationen und Konventionen der UNESCO zu Menschenrechten und zur Bioethik, aber auch auf die Prinzipien der Medizinethik Bezug und war von der Notwendigkeit der Entwicklung einer Ethik der Lebenswissenschaften auf nationaler und internationaler Ebene überzeugt.14 Die Staaten 11  UNESCO, 24th Session of the General Conference of the UNESCO, Paris, 20.10.–20.11.1987, Bd. 1, S. 105 ff., 24 C / Resolution 13.1, para. 2 (b). 12  UNESCO IBC (1. Teil, Fn. 571), IV.1. „Human rights law contains provisions that are analogous to the principles that flow from analysis of moral obligations implicit in doctor-patient relationships, which is the starting point, for example, of much of the Anglo-American bioethics literature, as well as the bioethics traditions in other communities.“ 13  UN Commission on Human Rights, Human rights and bioethics, E / CN.4 / RES / 2003 / 69, 25.04.2003; E / CN.4 / RES / 1999 / 63, 28.04.1999; E / CN.4 / RES / 1997 / 71, 16.04.1997; E / CN.4 / RES / 1995 / 82, 08.03.1995; E / CN.4 / RES / 1993 / 91, 10.03.1993. Ein Unterschied ist bei der Resolution aus dem Jahr 1999 zu beobachten, die den Menschenrechtsaspekt überwiegend ausgeblendet hat. Bei der Erläuterung der aufgrund der biomedizinischen Forschung aufgeworfenen Fragen hat sie lediglich zwischen ethischen, sozialen und „humanen“ Fragen unterschieden. Der Nachfolger der Kommission, der UN-Menschenrechtsrat, hat sich dem Thema noch nicht gewidmet. Er berichtet aber unmittelbar der UN-Generalversammlung im Gegensatz zu der Praxis seiner Vorgänger: Die Kommission war ein Nebenorgan des ECOSOC, UNGA, Human Rights Council, Resolution A / RES / 60 / 251 vom 3. April 2006. Zur Reform allgemein siehe Hampson, S. 7 ff. Eine Bindung der medizinethischen Fragen an die Menschenrechte ist auch bei Deklarationen und Stellungnahmen internationaler privater Verbände zu beobachten, so bei der Deklarationen der WMA und bei verschiedenen Statements der HUGO. Vgl. § 6 II.3. 14  UN Commission on Human Rights, Human rights and bioethics, E / CN.4 / RES / 2003 / 69, Präambel Nr. 14.



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wurden durch die Resolutionen eingeladen, über ihre legislativen oder weiteren Maßnahmen zu berichten und nationale Beratungs- und Ethikkommissionen zu gründen.15 Eine Verbindung der Arbeiten zur Ethik und zum Recht auf der Ebene der UN wurde explizit auch dadurch geschaffen, dass der UNHRC die SubCommission on the Promotion and Protection of Human Rights, ihre „Denkfabrik“, aufgerufen hat, Überlegungen zur Implementierung der Deklarationen der UNESCO beizusteuern.16 Daraufhin verabschiedete die Sub-Kommission eine Serie von Berichten, die auch das Verhältnis von Bioethik und Menschenrechten aufgegriffen haben.17 Sie verdienen weniger Aufmerksamkeit wegen Aussagen zu den das menschliche Genom betreffenden spezifischen Fragen, sondern vielmehr wegen des in Ihnen nahegelegten Verständnisses über das Verhältnis zwischen Bioethik und Menschenrechten. Die Bioethik wird zwar explizit nur als die Bündelung der vorwiegend als medizinisch angesehenen Probleme dargestellt und nicht als der akademische oder disziplinäre Zugang zu diesen. Dennoch werden Möglichkeiten für die Einbindung bioethischer Analysen in die Regelung des Umgangs mit dem menschlichen Genom und für die Interpretation und Ergänzung menschenrechtlicher Ansätze durch die Bioethik geschaffen. Die Bioethik wird, weil sie an die Menschenrechte gebunden ist, auf die Tagesordnung internationaler Akteure gesetzt.18 Die Mitgliedstaaten der UNESCO haben erstmals in der programmatischen Grundorientierung 2002 beschlossen, dass Ethik eine der fünf Prioritäten der Organisation werden soll.19 Die sechsjährige Mittelfristige Strategie 2008–2013 erkannte die Förderung ethischer Prinzipien weiterhin als eine der fünf Prioritäten der UNESCO an.20 Wie gleich näher ausgeführt wird, bleibt Ethik in der zurzeit geltenden Mittelfristigen Strategie 2014– 2021 im Fokus.21 Gemäß den Millennium Development Goals hat sich der 15  Bspw.

id., Nr. 10. Nr. 11. Die „Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights“ wurde von der ECOSOC Resolution 9 (II), Commission on Human Rights, am 21. Juni 1946 ins Leben gerufen. 17  Siehe den letzten Bericht der Sub-Commission, Human rights and bioethics, E / CN.4 / Sub.2 / 2003 / 36, 10. Juli 2003. 18  Zu dieser Relevanz der Berichte und Interpretation der Bioethik in den Berichten der Sub-Commission siehe Ashcroft, in: Freeman, S. 31 ff., S. 47. 19  UNESCO, Medium-Term Strategy 2002–2007, 31 C / 4, S. 28 ff.; abrufbar unter http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0012 / 001254 / 125434e.pdf (Stand: 31.12.2016). 20  UNESCO, Medium-Term Strategy 2008–2013, 34 C / 4, S. 22 ff.; abrufbar unter http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0014 / 001499 / 149999e.pdf (Stand: 31.12.2016). 21  UNESCO, Medium-Term Strategy 2014–2021, 37 C / 4; abrufbar unter http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0022 / 002278 / 227860e.pdf (Stand: 31.12.2016). 16  Id.,

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ethische Auftrag erweitert und beinhaltet nun auch die Förderung des interkulturellen Dialogs auf diesem Gebiet. Die UNESCO hat demnach auch ein Mandat inne, die Mitgliedstaaten über die nationale Kapazitätenbildung im ethischen Bereich zu beraten.22 Bereits in der Einführung zur Mittelfristigen Strategie 2014–2021 wird der Blick auf die Bioethik als Teil der Wissenschafts- und Technologieethik im Kontext der nachhaltigen Entwicklung gerichtet.23 Das strategische Ziel Nummer sechs beinhaltet neben der Unterstützung einer auf Inklusion gerichteten sozialen Entwicklung und der Förderung eines interkulturellen Dialogs zwecks Annäherung verschiedener Kulturen einen expliziten Hinweis in Form der Stärkung ethischer Grundsätze. Hierbei werden die ethischen Implikationen der wissenschaftlichen Entwicklung und der Technologie hervorgehoben.24 Die UNESCO setzt sich zum Ziel, ihre globale Führung als Botschafter und Förderer internationaler Standards für eine Wissenschafts- und Technologieethik aufrechtzuerhalten. In Bezug auf die Bioethik wird sie vor allem ethische Herausforderungen identifizieren und adressieren, die aufgrund der wissenschaftlichen Entwicklung und der Anwendung ihrer Ergebnisse eine Gefahr für die Integrität der Rechte und des Wohls von Individuen bedeuten. Zudem wird sie die Durchsetzung der Prinzipien Integrität und Verantwortung in den Forschungsagenden dahingehend unterstützen, die Entstehung wissenschaftlich informierter und gerechter Gesellschaften zu fördern.25 Wie die UNESCO ihr Mandat für die Förderung der Ethik in der Wissenschaft und Technologie umsetzt, war im Entwurf der Strategie noch beschrieben, ist allerdings in der Endversion nicht mehr vorhanden. Gemäß dem Entwurf hätten die Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Wegen bei der Adressierung ethischer Implikationen der Wissenschaft durch die UNESCO unterstützt werden können, um mit ethischen Herausforderungen für die Integrität und für die Gewährleistung der Rechte von Individuen umzugehen. Normative Instrumente adressieren ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit Life Sciences und mit damit verbundenen Technologien. Mit ihrem bioethischen Programm unterstützt die UNESCO 22  UN-Generalversammlung, United Nations Millennium Declaration, A / 55 / L.2, Resolution 55 / 2 vom 8. September 2000, I.6, V.25. Siehe auch: http: /  / www.un.org  / millennium / declaration / ares552e.htm und http: /  / www.un.org / millenniumgoals /  (Stand: 31.12.2016). 23  UNESCO (3. Teil, Fn. 21), S. 8, I.1.d. 24  Id., Nr. 58. 25  „UNESCO will also continue to provide global leadership in promoting international standards for ethics pertaining to science and technology.“ „In the field of bioethics, UNESCO will further identify and address the ethical issues that scientific advances and their applications may pose to the integrity of individuals and their rights or wellbeing.“ (Id., S. 23, Nr. 63).



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in diesem Kontext die Entwicklung nationaler Politiken und fördert die Kapazitätenbildung in den Mitgliedstaaten. Letzteres kann durch die Unterstützung nationaler Bioethikkommissionen und durch Bildung im Allgemeinen, berufliche Ausbildung sowie Maßnahmen zur Sensibilisierung durch die Medien geschehen. Zudem nimmt sich die UNESCO als Ziel vor, in ihren wichtigsten Wissenschaftsprogrammen die neu entstehenden ethischen Herausforderungen im Bereich der Lebenswissenschaften zu bewältigen.26 Viele weitere unter den insgesamt neun strategischen Zielen befassen sich mit Ethik. So definiert das vierte strategische Ziel die Förderung der Wissenschafts-, Technologie- und Innovationssysteme und Politiken auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. Das fünfte Ziel legt die Förderung der internationalen wissenschaftlichen Kooperation fest, um auf kritische Fragen für die nachhaltige Entwicklung angemessene Antworten zu finden.27 Das Ergebnis der Verflechtung von Systemen und Politiken im Rahmen von Kooperationen soll eine nachhaltige Wissenschaft sein, die – neben anderen Prioritäten – auf Basis einer transdisziplinären Methodik auch ethische Herausforderungen identifizieren, verstehen und adressieren können soll.28 Im Entwurf wurde es noch so gesehen, dass die UNESCO im Rahmen dieses Ziels hauptsächlich damit beschäftigt sein wird, die vielfachen Lücken zwischen Wissenschaft, Politiken und Gesellschaft zu überbrücken, indem sie multidisziplinäres Wissen mobilisiert, um Entscheidungsträger durch eine auf Recht und Ethik basierende Wissenschaftspolitikberatung zu informieren und gleichzeitig eine vor allem ethisch und sozial nachhaltige Entwicklung zu 26  „The ethical dimensions of science and technology are central to UNESCO’s mandate, striving to reach out to the most vulnerable segments of society, supporting Member States in addressing the ethical implications of science and its applications. Bioethics identifies and addresses the ethical dilemmas that scientific advances and their application may pose to the integrity and rights of human beings, and communities in both the present and future generations. Normative instruments, such as the 2005 Universal Declaration on Bioethics and Human Rights, address ethical issues related to life sciences and associated technologies as applied to human beings, taking into account their social, legal and environmental dimensions. In this context, through its bioethics programme, UNESCO will continue to support the development of national policies in this domain and promote capacity-building in Member States, such as through the promotion of National Bioethics Committees, and through education, professional training and awareness-raising using the media. Beyond, UNESCO will also address in both major science programs newly emerging ethical challenges, such as those related to the exponential rise of nanotechnologies.“ UNESCO, Draft Medium-term Strategy 2014–2021, 34 C / 4, Nr. 62, abrufbar unter http: /  / unesdoc.unesco. org / images / 0022 / 002200 / 220031e.pdf (Stand: 31.12.2016). 27  „Strengthening science, technology and innovation systems and policies – nationally, regionally and globally“ und „Promoting international scientific cooperation on critical challenges to sustanaible development“, UNESCO (3. Teil, Fn. 21), S. 20 ff. 28  Id., S. 22, Nr. 52.

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unterstützen.29 Erwartete Ergebnisse dieser Arbeit waren dem Entwurf nach universelle Prinzipien für die Wissenschafts- und Technologieethik, insbesondere für die Bioethik, die in den nationalen Politikformulierungen aller Regionen entwickelt werden und ihren festen Platz in diesen finden sollen.30 Weitere strategische Ziele gehen auch auf ethische Fragestellungen ein, deren Beantwortung für eine Begleitung der medizinisch-biologischen Entwicklung wesentliche Bedeutung hat. Ein Beispiel ist das zweite strategische Ziel, das die Aufgabe der Mitgliedstaaten definiert, unter anderem ein Verständnis für die ethischen Dimensionen menschlicher Entwicklung zu fördern.31 Weiterhin stellt die UNESCO in Bezug auf das neunte strategische Ziel fest, dass eine Informationsgesellschaft bisher ungelöste ethische Herausforderungen zu bewältigen hat. Hierbei will die UNESCO Unterstützung leisten, um gemeinsame Grundlagen für die Erarbeitung von Lösungswegen zu finden. Grundlage dieser Unterstützung ist an erster Stelle die Ermöglichung der Diskussion über die ethischen Herausforderungen der Verwirklichung einer nachhaltigen und inklusiven Wissensgesellschaft.32 Die effektive Verwirklichung der strategischen Ziele, das heißt auch die Umsetzung der geschilderten Einbindung der Ethik in die Arbeit der UNESCO, soll gemäß der letzten Mittelfristigen Strategie folgendermaßen vonstatten gehen: Relevanz, Kohärenz und Fokus der Programme sollen gesteigert werden.33 Eine Ergebniskultur soll entwickelt werden, um die Glaubwürdigkeit und Verantwortlichkeit der Organisation zu steigern. Dies bedeutet nicht nur ergebnisorientiertes Management, Bewertung, Monitoring und Ergebnismeldung, sondern eine fachgebietsnahe Arbeit und eine Vernetzung mit öffentlich-rechtlichen und privaten Akteuren und Experten.34 29  UNESCO (3. Teil, Fn. 26), Nr. 50. „Introducing 4: The Organization will be centrally involved in bridging the multiple gaps between science, policy and society by mobilising and supporting multidisciplinary scientific knowledge to inform decision-making, while at the same time recognizing and promoting the ethical, social, environmental and economic aspects of sustainable development.“ Id., Nr. 53: „Policy-making will be coupled with concrete action through UNESCO programmes on the ground at the national or regional levels leveraging the capacities of UNESCO’s field offices, through mechanisms to provide science policy advice and capacitybuilding that is robust, socially inclusive, rights- and ethically-based.“ 30  „Expected outcomes: Universal principles for the ethics of science and technology, in particular bioethics, developed and effectively embedded in national policies in all regions.“ UNESCO (3. Teil, Fn. 26), S. 29. 31  UNESCO (3. Teil, Fn. 21), „Empowering learners to be creative and responsible global citizens“, S. 19, Nr. 34. 32  Id., „Promoting freedom of expression, media development and access to information and knowledge“, S. 26, Nr. 88 f. 33  Id., S. 29, Nr. 101. 34  Id., S. 29 f., Nr. 102.



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Die Arbeit im bioethischen Programm konzentriert sich auf vier Gebiete. Erstens fungiert die UNESCO als internationales intellektuelles Forum für Debatten über bioethisch relevante Themen, auch und vor allem um die Ausarbeitung ethischer Leitlinien für die internationale Gemeinschaft vorzubereiten. Zweitens agiert sie als Standardsetzer bei der Entwicklung eines ethischen Regelungsrahmens in den Lebenswissenschaften. Drittens nimmt sie eine beratende Rolle im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten ein, um die Reflexion bioethischer Fragestellungen zu fördern, insbesondere aber bei der Kapazitätenbildung zu helfen. Viertens beteiligt sie sich an der Ausbildung, Sensibilisierung und Bewusstseinsschaffung im Bereich der Lebenswissenschaften.35 Das Leitbild der sozial- und geisteswissenschaftlichen Abteilung der UNESCO spiegelt diese Zielsetzungen wider. Hier wird festgestellt, dass es notwendig ist, sich mit den ethischen Dimensionen der aktuellen wissenschaftlichen und technologischen Evolution allseitig zu befassen, um die universelle Verständigung über neue ethische Herausforderungen voranzutreiben.36 Die UNESCO versteht sich dabei als „Labor der Ideen“ und soll als Standardsetzer agieren.37 Der Beitrag zur Förderung der Zusammenarbeit in der Wissenschaft soll daher zukunftsgerichtet verwirklicht werden, wobei die UNESCO die Rolle eines internationalen Koordinators übernimmt.38 Als Katalysator für die internationale Kooperation soll sie als Kapazitätenbilder und „clearing house“ in der Ethik fungieren.39 Die Schlüsselaktivität der UNESCO konzentriert sich auf diesem Gebiet auf die Standardsetzung. Die Entwicklung und Ausbreitung von Wissenschaft und Technologie sind zunehmend global geworden. Um die Fort35  Vgl. http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bio ethics /about-bioethics /  (Stand: 31.12.2016). 36  „The ethical dimensions of the current scientific and technological evolution must be fully addressed.“ Das Leitbild ist abrufbar unter http: /  / www.unesco. org (Stand: 31.12.2016). Siehe zudem UNESCO, UNESCO past and present, 04.01.2011, http: /  / www.unesco.org / archives / new2010 / en / history_of_unesco.html (Stand: 31.12.2016). 37  Bank / Foltz, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 8. 38  „[…], the need for UNESCO to play a role in the international debate on the ethics of genetics continues. Indeed, given the rapid developments in human genetics with increasing numbers of genetic data banks being established, controversial uses of genetic data, and increasing non-medical use, it could be argued that this role is now more important than ever and one which UNESCO is uniquely placed to fulfill.“ UNESCO IBC, Human Genetic Data: Preliminary Studie by the IBC on its Collection, Processing, Storage and Use, SHS-503 / 01 / CIB-8 / 3 (Rev.2), Paris, 15.05.2002, S. 1, I.6. 39  UNESCO (3. Teil, Fn. 21), S. 7, A. I. 4.

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schritte zu begleiten, den notwendigen Überblick zu gewährleisten und den Menschen den gleichen Zugang zu den Vorteilen der wissenschaftlichen Entwicklung zu sichern, bedarf es globaler Prinzipien, welche die Mitgliedstaaten als Bezugsrahmen für die Etablierung regulatorischer Maßnahmen anwenden können.40 Diese zu bestimmen, ist die UNESCO aufgrund ihrer einzigartigen multikulturellen und multidisziplinären Ausrichtung besonders geeignet.41 Sie ist zudem die einzige UN-Organisation mit Kompetenzen sowohl in den Human- als auch in den Sozialwissenschaften.42 Während Wissenschaft und Technologie sich kontinuierlich entwickeln, kommt auch dem ethischen Beobachtungsmandat der UNESCO („ethical watch man­ date“) wachsende Bedeutung zu.43 Bevor der Fokus auf die internationale Standardsetzung der UNESCO gelegt werden kann, wird die Institutionalisierung ihrer Arbeit in der Ethik betrachtet. Diese Institutionalisierung begann mit der Gründung des Internationalen Ausschusses für Bioethik (IBC) 199344 und wurde mit der Gründung des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Bioethik (IGBC)45 und der Weltkommission für Ethik in Wissenschaft und Technologie (COMEST) 199846 fortgesetzt.

40  Koïchiro Matsuura, Generaldirektor der UNESCO 1999–2009: „Present-day scientific practices cross national borders. Hence the imperatives need to take action together at the international level – not to erect barriers against these practices, but to provide the necessary oversight so that the benefits of science may be enjoyed by all humanity…“. UNESCO, Social and Human Sciences: strategies and actions, Paris, 2004, SHS-2004 / WS / 19, S. 10. 41  Id., aber siehe auch den IBC (3. Teil, Fn. 38). Kritisch hierzu: Lenoir (2007), S. 31 ff., S. 33. Für die Infragestellung der Zuständigkeit der UNESCO für bioethische Fragen siehe Spranger, S. 141 ff. 42  UNESCO, Universal Declaration on Bioethics and Human Rights, http: /  / www. unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bioethics / bioethics-andhuman-rights /  (Stand: 31.12.2016). 43  UNESCO, About the Bioethics Programme, http: /  / www.unesco.org / new /en /  social-and-human-sciences / themes / bioethics / about-bioethics /  (Stand: 31.12.2016). 44  UNESCO, Records of the General Conference, 27th Session, Paris, 25.10.– 16.11.1993, Bd. 1, S. 69, 27 C / Resolution 5.15. 45  Art. 11 Statutes of the International Bioethics Commitee (IBC): http: /  / unesdoc. unesco.org / images / 0013 / 001382 / 138292E.pdf (Stand: 31.12.2016). Der Exekutivrat der UNESCO überprüfte das IBC-Statut auf seiner 154. Sitzung im Jahre 1998, 154 EX / Dec.8.4. 46  Die COMEST wurde vom Exekutivrat gegründet: 154th Session 1998, 154 EX / 10.



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2. Die Institutionalisierung des ethischen Mandats der UNESCO a) Der Internationale Ausschuss für Bioethik Der 1993 gegründete Ausschuss ist ein multidisziplinäres und unabhängiges Expertengremium, das als ein völkerrechtlich verankerter, ständiger globaler Ethikrat agiert.47 Seine Mitglieder werden auf Vorschlag der Mitgliedstaaten vom Generaldirektor der UNESCO, eine ausgewogene geographische Repräsentation berücksichtigend, ernannt. Die bis zu 36 persönlich ernannten Mitglieder sollen möglichst viele Fachdisziplinen und eine kulturelle Diversität repräsentieren und zudem über die notwendige Kompetenz und Autorität verfügen (Art. 3 (1) und (2) IBC-Statut). Es besteht die Möglichkeit, Experten und andere bedeutende Personen oder Gruppen zu konsultieren (Art. 4 (5) IBC-Statut). Die Zusammensetzung im Jahr 2014 kann grundsätzlich als ausgewogen bezeichnet werden; die Hälfte der Mitglieder haben einen medizinischen oder biologischen Hintergrund, die andere Hälfte einen philosophisch-ethischen oder juristischen, wobei die Juristen die Hälfte dieser zweiten Hälfte ausmachen. Die geographische Zusammensetzung ist etwas weniger ausgewogen. Die meisten Mitglieder kommen aus dem engeren europäischen Raum (ca. 30%), weniger Mitglieder kommen aus Zentral- und Südamerika, Afrika und Asien (jeweils ca. 20%) und noch weniger aus dem arabischen Raum (ca. 10%). Hierbei ist anzumerken, dass die geographische Verteilung der repräsentierten Fachdisziplinen ausgewogen bleibt.48 In 2016–2017 ist beruflich eine ähnlich ausgewogene Zusammensetzung zu erkennen, wobei die medizinethisch-bioethischen Experten die Mehrheit in der philosophisch-juristischen Mitgliedergruppe ausmachen (ca. doppelt so viele Experten wie Juristen).49 Die geographische Zusammensetzung ist auch so geblieben, dass mehr als ein Drittel der Teilnehmer aus Europa und Nordamerika kommen und jeweils nur 10% der Mitglieder aus Lateinamerika, Asien, Afrika und dem arabischen Raum. Der Ausschuss tagt mindestens einmal im Jahr, kann aber auch für eine außerordentliche Tagung vom Generaldirektor oder auf Wunsch von mindestens zwei Dritteln seiner Mitglieder zusammenberufen werden.50 Er soll die Reflexion über ethisch-juristische Themen durch Stellungnahmen und Emp47  Vöneky (2010), S. 360. Für eine ausführliche Analyse des IBC siehe ebenfalls Id., S. 361 ff. Zur Legitimation von Ethikräten ebenfalls Id., S. 535 ff. 48  UNESCO, Composition of the International Bioethics Committee of UNESCO (IBC) (2014–2015), Paris, 08.04.2014, SHS / EGC / BIO / IBC14–15 / INF.1. 49  UNESCO, Composition of the International Bioethics Committee of UNESCO (IBC) (2016–2017), Paris, 28.04.2016, SHS / YES / BIO / IBC16–17 / INF.1. 50  UNESCO IBC, Rules of procedure of the International Bioethics Committee (IBC), Paris, 23.11.2001, SHS-503 / 01 / CIB-8 / 4, Rule 2 ff.

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fehlungen vorantreiben, die durch die Forschung und die Anwendung ihrer Ergebnisse in den Lebenswissenschaften aufgeworfen werden. Ferner soll er dem Austausch von Ideen und Informationen dienen (Art. 5; Art. 2 (1) (a) IBC-Statut). Von besonderer Bedeutung für die Genetik ist dabei Artikel 2 (1) Buchst. d, der Aufgaben des Ausschusses in Übereinstimmung mit Artikel 24 der UNESCO-Erklärung über das menschliche Genom benennt.51 Nach Artikel 24 der UNESCO-Erklärung über das menschliche Genom gehört es zu dem Aufgabenbereich, dass der Ausschuss über das menschliche Genom Empfehlungen für die Generalkonferenz der UNESCO erarbeitet und beratend hinsichtlich der Folgemaßnahmen zu dieser Erklärung tätig wird (Art. 2 d) (i) IBC-Statut). Im Rahmen dieser Arbeit soll er im Kontext der Beratung und künftiger Deklarationen Praktiken identifizieren, die der Menschenwürde widersprechen.52 Die nachstehenden Klärungsprozesse für die oben genannten Fragen lassen sich unter anderem in Arbeitsgruppen innerhalb des Ausschusses53 und anhand von Konsultationen mit betroffenen Parteien, wie Gruppen von schutzbedürftigen Betroffenen, organisieren (Art. 2 d) (ii) IBC-Statut).54 Weitere Aufgabenbereiche umfassen die Unterstützung von Maßnahmen, die zur Bewusstseinsbildung innerhalb der Öffentlichkeit beitragen (Art. 2 (1) (b) IBC-Statut) und die Zusammenarbeit mit Internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Ethikräten im Rahmen der Bioethik fördern (Art. 2 (1) c). Im IBC-Statut lässt sich keine explizite Vorgabe zum materiellen normativen Rahmen finden, in dem der Ausschuss agieren und seine Berichte abfassen soll. Der Rahmen kann allerdings aus dem Auftrag des Ausschusses abgeleitet werden, zur Verbreitung der Prinzipien beizutragen, die in den 51  Art. 2 (1) d IBC-Statut: „in accordance with Article 24 of the Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights, hereafter referred to as ‚the Declaration‘: (i)  it shall contribute to the dissemination of the principles set out in the Declaration and to the further examination of issues raised by their applications and by the evolution of the technologies in question; (ii) it shall organize appropriate consultations with parties concerned, such as vulnerable groups; (iii) it shall make recommendations, in accordance with UNESCO’s statutory procedures, addressed to the General Conference and give advice concerning the follow-up of the Declaration, and it shall identify practices that could be contrary to human dignity.“ 52  Art. 2 (1) (d) (i) – (iii) IBC-Statut in Verbindung mit Art. 24 UNESCO 1997. 53  Siehe bspw. UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 38), I.5. 54  Dieser Aufgabe ist der IBC u. a. in der Vorbereitungsphase der Erklärung 2003 nachgegangen, indem er eine öffentliche Anhörung im Themenbereich humangenetischer Daten organisiert hat. UNESCO IBC, Public Hearings Day on Human Genetic Data, Final Report, Paris, 05.05.2003, SHS / EST / CIB-Gred / 5 / 03 / 1.



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UNESCO-Erklärungen zur Bioethik niedergelegt sind (Art. 2 (1) (d) (i) IBCStatut). Aus der Bindung des Ausschusses an die Erklärungen der UNESCO und daraus, dass er als Gremium der UNESCO agiert, folgt, dass er nur im Rahmen der völkerrechtlich anerkannten Menschenrechte argumentieren kann und zwar im Bezugsrahmen der UNESCO-Erklärungen zur Bioethik.55 Die Verabschiedung von Stellungnahmen und Empfehlungen soll konsensual erfolgen, es besteht aber keine Pflicht zum Konsens, denn jedes Mitglied hat das Recht, eine abweichende Meinung abzugeben (Art. 7 IBCStatut). Wenn die Empfehlungen wegen möglicher Änderungen an einer Deklaration an den Generaldirektor der UNESCO gerichtet sind, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig (Nr. 21.2 Rules of Procedure). Die Unabhängigkeit des IBC wird durch seine Satzung gesichert (Art. 3 (1) 2 IBC-Statut). Demnach gibt sich der IBC selbst eine Geschäftsordnung und wählt seinen Vorsitzenden. Eine thematische Unabhängigkeit gewährleistet, dass der IBC auch sein Arbeitsprogramm – die Vorschläge des Generaldirektors und des Exekutivrates sowie des IGBCs berücksichtigend – in der Regel immer in der vorherigen Sitzung selbst bestimmen und beschließen kann (Nr. 9 Rules of Procedure). Während der Sitzung können neue Tagesordnungspunkte auf Wunsch von mindestens zwei Drittel der Mitglieder ad hoc aufgenommen werden (Nr. 10 Rules of Procedure). Zwar sind die Sitzungen des IBC nicht öffentlich, seine Arbeit soll aber die Öffentlichkeit erreichen, indem seine Stellungnahmen ohne Verzögerung veröffentlicht und weit verbreitet werden sollten (Art. 7 IBC-Statut). Dies geschieht durch eine Veröffentlichung im Internet. Diese umfasst in der Regel auch relevante Dokumente der Sitzungen. Beobachter und auf Anfrage als Beobachter Eingeladene dürfen an den Sitzungen teilnehmen (Art. 4 IBC-Statut). b) Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Bioethik In den Prozess der Aufarbeitung der Berichte des Internationalen Ausschusses für Bioethik wurde gemäß Artikel 11 des IBC-Statuts ein weiterer Ausschuss, der Zwischenstaatliche Ausschuss für Bioethik, eingebunden (IGBC). Dieser Ausschuss wurde 1998 gegründet, um zu gewährleisten, 55  Vöneky (2010), S. 364 f.; Bank / Foltz, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 48; Clados, in: Vöneky / Hagedorn / dies. et  al., S. 297 ff., S. 309 f.; Bodendiek / Nowrot, S. 177 ff., S. 180. Vgl. auch UNESCO IBC (1. Teil, Fn. 571), I.2. und IV.1.: „Human rights law contains provisions that are analogous to the principles that flow from analysis of moral obligations implicit in doctor-patient relationships, which is the starting point, for example, of much of the Anglo-American bioethics literature, as well as the bioethics traditions in other communities.“ UNESCO IBC, Report on Genetic Counselling, Paris, 15.12.1995, CIP / BIO / 95 / CONF.002 / 4, VI; UNESCO IBC, Bioethics and Human Population Genetics Research, Paris, 15.11.1995, IP / BIO / 95 / CONF.002 / 5, II.1.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

dass die Aktivitäten und Empfehlungen der wissenschaftlichen Experten des IBC mit den Aktivitäten der Regierungsexperten verbunden werden. Ein institutionelles, durch Staatsvertreter bestimmtes Gegengewicht zum IBC sollte etabliert werden.56 Die 36 Mitglieder des IGBC werden auf der Basis einer ausgeglichenen geographischen Repräsentativität von der Generalkonferenz der UNESCO für jeweils vier Jahre gewählt (Art. 11 (3) IBCStatut), wobei die Hälfte der Mitglieder alle zwei Jahre gewählt wird.57 Mit dieser Mitgliederzahl werden weniger als ein Fünftel aller UNESCO-Mitgliedstaaten in dem Komitee repräsentiert. Die Zusammensetzung des Komitees in 2014–2015 war wie folgt: Aus Europa und aus den nordamerikanischen Staaten kamen insgesamt zehn Mitglieder, aus Lateinamerika und den Karibikstaaten sechs, aus Asien und den Pazifikstaaten sieben, aus Afrika neun, aus dem arabischen Raum vier.58 In 2016–2017 hat sich die Zusammensetzung geändert: Aus Europa und Afrika kommen jeweils elf Mitglieder, aus Lateinamerika und Asien jeweils sechs sowie aus dem arabischen Raum zwei.59 Seine Sitzungen werden öffentlich abgehalten, wenn die Kommission sich nicht anders entscheidet.60 Bei der Sitzung des IGBC kann jedes Mitglied die Aufnahme eines ad hoc Tagesordnungspunkts vorschlagen, worüber der Vorsitzende bei einem Einwand der Mehrheit der Teilnehmer entscheidet. Vorschläge und Änderungsanträge müssen vorzeitig eingereicht und den Mitgliedern rechtzeitig mitgeteilt werden (Nr. 9 Rules of Procedure). Der IGBC hat das Recht und die Aufgabe, die Stellungnahmen und Empfehlungen des IBC und seine Vorarbeiten zu weiteren UNESCO-Erklä56  Vöneky

(2010), S. 367. Sitzverteilung und die Wahl sollen eigentlich entsprechend der Entscheidung des Exekutivrates erfolgen: 155 EX / Decision 9.2, Paris, 03.12.1998. Demnach hat die Gruppe I (Westeuropa und die Nordamerikanischen Staaten) sieben, die Gruppe II (Osteuropa) vier, die Gruppe III (Lateinamerika und Karibikstaaten) sechs, die Gruppe IV (Asien und die Pazifikstaaten) sieben und die Gruppe V (Afrika (acht) und die arabischen Staaten (vier)) insgesamt zwölf Sitzplätze. Für die regionale Gruppierung der UNESCO siehe http: /  / www.unesco.org / new / en / unesco /  worldwide /  (Stand: 31.12.2016). 58  Vgl. Die Zusammensetzung ist immer aktuell verfügbar unter http: /  / www. unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bioethics / intergovern mental-bioethics-committee /  (Stand: 31.12.2016). UNESCO, Records of the 36th Session of the General Conference, Paris, 25.10.–10.10.2011, Bd. I, S. 12, 36 C /  Resolution 17. UNESCO, Records of the 37th Session of the General Conference, Paris, 05.–20.11.2013, Bd. I, S. 12 f., 37C /  Resolution 17. 59  http: / / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes /bioethics / intergovernmental-bioethics-committee /  (Stand: 31.5.2016). 60  UNESCO, Rules of Procedure of the Intergovernmental Bioethics Committee (IGBC), Paris, 05.09.2011, SHS / EST / IGBC-5 / 07 / CONF.204 / 7 Rev, Rule 6. 57  Die



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rungen im Bereich der Bioethik zu untersuchen. Daher verfasst der IGBC zu den Arbeiten des IBC selbst Stellungnahmen und übergibt diese nach Information an den IBC sowie den Generaldirektor der UNESCO. Der Generaldirektor leitet die Stellungnahmen des IGBC zusammen mit den Berichten und Empfehlungen des IBC an die Mitgliedstaaten, den Exekutivrat und die Generalkonferenz weiter (Art. 11 (2) IBC-Statut). Ein enger Austausch zwischen den beiden Ausschüssen wird durch gemeinsame Sitzungen ermöglicht, welche durch den IGBC selbst oder den Generaldirektor der UNESCO einberufen werden können. Gemeinsame Sitzungen können insbesondere im Vorfeld der Abfassung einer UNESCO-Erklärung im Bereich der Bioethik durchgeführt werden (Art. 11 (7) IBC-Statut). Die Aufgabenzuschreibung des IGBC bedeutet, dass seit seiner Errichtung die Stellungnahmen des IBC nicht mehr ohne Bewertung der Staatenvertreter an die Mitgliedstaaten verteilt werden können.61 Neben der Einbindung der Regierungen gehört es vor allem zu seinen Aufgaben, die Bindung und Vermittlung zwischen dem IBC und allen Mitgliedstaaten sowie dem IBC und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu gewährleisten und nach dieser Rolle zu agieren.62 Auch wenn die Mitglieder des IGBC Experten sind, repräsentieren sie ihre Regierungen. c) Weltkommission für Ethik in Wissenschaft und Technologie (COMEST) Die Gründung von COMEST 1998, ebenfalls ein beratendes Organ der UNESCO, das der ethischen Reflexion dient, ist der dritte Meilenstein bei der Institutionalisierung der Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellung in Wissenschaft und Technologie bei der UNESCO.63 Zwar übt diese Kommission keine die Humangenetik unmittelbar betreffende beratende Tätigkeit aus, sie beschäftigt sich aber mit der ethischen Bewertung der Stellung von Wissenschaftlern, der im Kontext der Ganzgenomanalyse eine besondere Bedeutung zukommt.64 Ihre Aufgabe ist es unter anderem auf dem Gebiet der Wissenschaftsethik ethische Prinzipien auszuformulieren, die über ökonomische Überlegungen hinaus als Entscheidungskriterien dienen können und die Entscheidungen leiten können und einen Einfluss auf die Bewertung 61  Vöneky

(2010), S. 400. Report of the Second Session of the Intergovernmental Bioethics Committee (IGBC), UNESCO House, Paris, 14.–16.05.2001, http: /  / www.unesco.org  / shs / ibc / en / igbc / Rep_2Ses_IGBC-010720E.pdf, I.4 (Stand: 31.12.2016). 63  Statutes of the COMEST, 154 EX / Decision 3.4.2, Paris, 03.06.1998. 64  Vgl. oben § 5 I.2. 62  UNESCO,

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neuer wissenschaftlicher Entdeckungen nehmen können. Sie soll nicht nur Risiken frühzeitig erkennen und auf diese bezogen Beratungstätigkeit ausüben, sondern, ähnlich zu den beiden anderen Ethikkommissionen der UNESCO, auch als intellektuelles Forum für den Austausch in diesem Bereich fungieren.65 Ihr gehören 18 Experten der Natur- und Ingenieurwissenschaften, der  Rechtswissenschaften, der Philosophie, der Kultur, Religion und Politik an. Sie  werden vom UNESCO-Generaldirektor – auch verschiedene Lehrmeinungen berücksichtigend – ernannt (Art. 3 COMEST-Statut).66 Weitere elf ex officio Mitglieder, die die internationalen Wissenschaftsprogramme der UNESCO und globale wissenschaftliche Kreise repräsentieren, also auch Repräsentanten des IBC und des IGBC, sind in die Arbeit der Kommission eingebunden (Art. 4 COMEST-Statut). Die Kommission trifft sich alle zwei Jahre, außerordentliche Tagungen sind möglich. Sie organisiert jedes zweite Jahr eine öffentliche Sitzung, zu der Wissenschaftler, Ethikexperten, aber auch Politiker eingeladen werden, um wissenschaftliche und technologische Schlüsselfragen zu diskutieren (Art. 5 COMEST-Statut). Die Kommission gelangte 2006 zu der Empfehlung, dass die UNESCO einen generellen ethischen Rahmen erarbeiten solle, anhand dessen die Mitgliedsstaaten und die Wissenschaftsgemeinde spezifische Kodizes für Wissenschaftler erarbeiten und implementieren sollten.67 An diesem Rahmen arbeitet COMEST selbst seitdem fortlaufend. Dabei verfolgt sie zwei Leitlinien. Erstens muss von der Idee eines einzigen generellen ethischen Kodexes für alle Wissenschaftler zugunsten der Entwicklung angemessener ethischer Standards und Mechanismen für die Regulierung wissenschaftlichen Vorgehens Abstand genommen werden. Diese Standards und Mechanismen sollen verschiedene Situationen und Ebenen der Wissenschaft (Interdisziplinarität und Internationalität) berücksichtigen.68 Zweitens soll die 65  Art. 2 COMEST-Statut. Ten Have, in: Honnefelder / Lanzerath, S. 123 ff., S. 125 f. 66  Für die aktuelle Zusammensetzung siehe http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / comest / comest-members /  (Stand: 31.12.2016). 67  Vgl. Report by the Director-General to the Executive Board at its 175th Session, 175 / EX 14, Paris, 11.08.2006, S. 7, III. 25. 4 und III. 25. 5: „[…] 4. Further international reflections and consultations should be carried out and fostered in order to identify a general ethical framework to guide scientific activity that will cover other stakeholders beyond the focus on scientists; 5. UNESCO, with the advice of COMEST, should work out such a general ethical framework; 6. The subsequent elaboration and / or implementation of specific codes of conduct for scientists should rely on Member States and the scientific community“. 68  Vgl. UNESCO COMEST, Draft Report on Science Ethics, Paris, 28.06.2010, SHS / EST / COMEST2010 / EN / pub-16, S. 27, 4.1.



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Implementierung bereits existierender Dokumente der COMEST, wie die Empfehlung über den Status des Wissenschaftlers von 197469 und die Erklärung über Wissenschaft und den Gebrauch wissenschaftlicher Erkenntnis von 199970, gefördert und überwacht werden.71 d) UN Inter-Agency Committee on Bioethics (UNIACB) Das Komitee wurde 2003 auf Vorschlag des Generaldirektors gegründet.72 Es besteht aus UN-Organisationen und aus relevanten regionalen und internationalen zwischenstaatlichen Organisationen, die nach Vorschlag der UNESCO in das Komitee aufgenommen werden. Sein ständiges Sekretariat ist die UNESCO. Ziel ist es, durch seine Gründung die Redundanzen bei der Bearbeitung bioethischer Fragen zu mindern und die Koordination in der Arbeit der beteiligten Organisationen zu verbessern, die im Bereich der Bioethik tätig sind. Die UN-Mitglieder sind neben der UNESCO und der WHO der Hohe Kommissar der VN für Menschenrechte (UNHCHR), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Universität der Vereinten Nationen und die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO). Die Organisation für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Arabischen Liga (ALESCO), die Afrikanische Union, der Europarat (CoE), die Europäische Union (EU), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Welthandelsorganisation (WTO), und das Internationale Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (ICGEB) sind assoziierte Mitglieder. Erste Aufgabe des Komitees war es, zur Entwurfserarbeitung der dritten UNESCODeklaration beizutragen. Bis April 2015 hat das UNIACB vierzehnmal getagt.73

69  UNESCO, Recommendation on the Status of Scientific Researchers (2. Teil, Fn. 106). 70  Declaration on Science and the Use of Scientific Knowledge, adopted by the World Conference on Science, Budapest, 01.07.1999, http: /  / www.unesco.org / scienc e / wcs / eng / declaration_e.htm (Stand: 31.12.2016). 71  UNESCO, COMEST-Statut (3. Teil, Fn. 63), S. 27. 72  http: /  / www.who.int / ethics / about / unintercomm / en /  (Stand: 31.5.2016). Vgl. Commission on Human Rights, Human Rights and Bioethics, Resolution E / CN.4 / RES / 2001 / 71 vom 25. April 2001, Nr. 7. 73  Für diese Darstellung vgl. UNESCO, Report of the Third Session of the Intergovernmental Bioethics Committee (IGBC), Paris, 30.10.2003, SHS / EST / 03 / CIGB3 / 2, S. 9 f., VIII.45 ff. Siehe auch Kuppuswamy, S. 23 f.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

II. Vom Auftrag bis zur Verabschiedung der Deklarationen 1. Aufträge und thematische Ansätze für die Steuerung Zunächst sollen die Aufträge für die Verabschiedung der bioethischen Deklarationen und die darin vermittelten thematischen Ansätze kurz erläutert werden. Hierbei soll einerseits auf die Hauptorgane der UNESCO (Generalkonferenz, Generaldirektor oder Generaldirektorin, Exekutivrat) und andererseits auf die Rolle des Runden Tisches der Wissenschaftsminister bei der Entwicklung der letzten Deklaration fokussiert werden, der für die Förderung des internationalen Austausches über bioethische Themen während der 31. Sitzung der Generalkonferenz einberufen wurde und an dem 101 Minister (oder ihre Repräsentanten) der Mitgliedstaaten teilgenommen haben.74 Die Entscheidung, welche Art von Instrument entwickelt werden soll, trifft die Generalkonferenz. Sie erteilt dem Generaldirektor ein Mandat, welcher innerhalb einer bestimmten Zeit einen Entwurf einreichen soll. Die Generalkonferenz verabschiedet dann die Deklaration in der Regel per Akklamation; dies bedeutet, dass der Entwurfstext nur dann zur Annahme eingereicht wird, wenn die vorausgegangenen Verhandlungen erfolgreich waren. Der Exekutivrat ist ein Lenkungsorgan der UNESCO, dessen 58 Mitglieder von der Generalkonferenz gewählt werden. Er tagt zweimal im Jahr, bereitet die Arbeit der Generalkonferenz vor und kontrolliert, ob die getroffenen Entscheidungen adäquat umgesetzt werden. Seine Funktionen und Zuständigkeiten sind grundsätzlich aus der UNESCO-Verfassung abzuleiten und werden von der Generalkonferenz festgelegt. Wenn ein Mandat für die Ausarbeitung einer Deklaration erteilt wird, muss der Generaldirektor dem Rat regelmäßig Bericht über den Arbeitsprozess erstatten (in diesem Fall über die Aktivitäten des IBC).75 Andererseits soll die Wahrnehmung des Auftrags des IBC geschildert werden und die ethisch-juristischen Themen in der lebenswissenschaftlichen Forschung und deren Anwendung reflektiert werden. Er hat diese Aufgabe bisher vor allem durch die Verabschiedung von Berichten erfüllt.76 Als Ausgangspunkt der ersten Deklaration gilt der November 1993, als die Generalkonferenz, das Hauptentscheidungsorgan der UNESCO, in einer Resolution die Gründung des IBC, die bereits im September erfolgt war, begrüßte und die Entwicklung eines internationalen Instruments zum 74  Proceedings of the Round Table of Ministers of Science, Bioethics: International Implications, Paris, 22.–23.10.2001, SHS / BIO-MINSC / 03 / 1. 75  UNESCO-Verfassung (1. Teil, Fn. 397), Art. IV–VI.; ten Have / Jean, in: dies, S.  19 ff. 76  Siehe auch UNESCO IBC (1. Teil, Fn. 571), IV.1.



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Schutz des menschlichen Genoms forderte.77 In dem Bericht, den der Generaldirektor der Generalkonferenz im November 1996 vorlegte, wird auf die Entschlüsselung des menschlichen Genoms durch das Humangenomprojekt explizit Bezug genommen. Es werden hauptsächlich ethische Fragen als Anlass der Deklaration genannt. Demnach soll die künftige Erklärung – trotz kultureller Vielfältigkeit – ein allgemeingültiges Dokument sein, das die grundlegenden ethischen Prinzipien im Kontext der Humangenetik identifiziert und ihre einheitliche Anwendung durch Kodifikation sichert.78 Solche Prinzipien sind die Verhinderung der Diskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften, die Unterbindung eugenischer Maßnahmen und die Gewährleistung der Vertraulichkeit genetischer Daten. Auch wurde das Problem angesprochen, dass genetische Tests den Betroffenen Wissen vermitteln können, das belastend wirkt, wenn keine Therapie­ möglichkeiten existieren. Neben ethischen Fragestellungen werden auch weitere Fragenkomplexe angesprochen. Hierzu gehören die Akzeptanz gentechnologischer Forschung in der Öffentlichkeit, die Patentierung genetischer Informationen und der Zugang zu den Ergebnissen der Humangenomforschung, insbesondere in Entwicklungsländern.79 Im Beschluss des Exekutivrates zu Programm und Budget der UNESCO für die Jahre 1994– 1995 heißt es, dass es notwendig sei, die Fragen zu identifizieren, die mit der Kontrolle des menschlichen Genoms verbunden sind.80 Diese Formulierung legt nahe, dass der Anlass der folgenden Erklärung nicht nur die Notwendigkeit war, gemeinsame ethische Lösungswege für die Herausforderungen der Humangenetik zu finden, sondern auch das Bedürfnis, die Verfügbarkeit über genetisches Wissen zu regulieren. Dies deutet eine Zusammenführung ethischer und ökonomischer Probleme an. In einem weiteren Bericht des Generaldirektors wird die Notwendigkeit eines internationalen Instruments damit begründet, dass noch kein Instrument mit rechtlichem Charakter existiere, das den Schutz des menschlichen Genoms gewährleisten könne.81 77  UNESCO, Records of the General Conference, 27th Session, „Preparation of an international instrument for the protection of the human genome“, S. 69, 27 C /  Resolution 5.15. 78  Study submitted by the Director-General concerning the possibility of drawing up an International Instrument for the Protection of the Human Genome: UNESCO, General Conference, 27th Session, 30.09.1993, Dok. 27 C / 45, S. 9, V.43. 79  Id., S. 32 ff., IV ff. 80  UNESCO, Committee of the Governmental Experts for the Finalization of a Declaration on the Human Genome, Preparation of a Declaration on the Human Genome: Report by the Director-General, 31.12.1996, BIO-97 / CONF.201 / 3, Abs. 6. 81  UNESCO, Report by the Director-General on the Possibility of Drawing up an International Instrument on the Protection of the Human Genome, 07.09.1995, Dok. BIO / CIB-COMJUR / 95, Abs. 65.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Der Auftrag für die Ausarbeitung der Deklaration wurde später im Laufe des Erarbeitungsprozesses durch eine weitere Resolution der Generalkonferenz bestätigt. Es wurde ein enger Zeitplan für die Erarbeitung der Deklara­ tion vorgestellt, die zur 29. Generalkonferenz beschlussfertig sein sollte.82 Von Seiten des IBC wurde als Ziel einer Deklaration über das menschliche Genom „ein Minimum an weltweit einheitlichen Grundsätzen“ als Orientierungshilfe für die nationalen Gesetzgebungen in allen Ländern formuliert.83 Der IBC bereitete mit vier spezifischen Berichten im Themenbereich der Genetik84 und drei weiteren Empfehlungen im breiteren Themenbereich der Biomedizin und -ethik den Weg zur ersten Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom.85 Bereits 1994 verabschiedete er zwei Berichte zur Identifizierung und Analyse der mit genetischen Untersuchungstechniken verbundenen ethischen Probleme. Im Vorfeld der Empfehlungen werden die Rechte und Prinzipien genannt, die auch im Kontext genetischer Untersuchungen anzuwenden sind. Neben dem Menschenwürdeschutz und dem Prinzip der informierten Einwilligung wird der Schutz der Daten vor Dritten (Arbeitgeber, Versicherungen) erwähnt. Im Weiteren wird eine besondere Achtung schutzbedürftiger Gruppen verlangt. Diese Prinzipien werden durch den Ausschuss ausgelegt und im Kontext der Genetik angewendet.86 Es werden dementsprechend fünf Problembereiche thematisiert; darunter sind insbesondere die ethischen Grenzen der Gentests, die genetischen Informationen und der Schutz der Privatsphäre, zudem die Qualitätsüberprüfung hervorzuheben.87 Zum Schluss wird der mögliche Beitrag zur Etablierung einer künftigen Deklaration oder einer Konvention eruiert.88 82  UNESCO, Records of the General Conference, 28th Session, Paris, 25.10.– 16.11.1995, Bd. 1, S. 31, 28 C / Resolution 2.2. 83  Deutsche UNESCO-Kommission, 2. Dossier zum Vorläufigen Entwurf einer Allgemeinen Erklärung zum menschlichen Genom und den Menschenrechten, Bonn 1996, Stand 01.08.1996, Arbeitspapier. 84  UNESCO IBC, Report on Genetic Screening and Testing, Paris, 20.12.1994, SHS-94 / CONF.011 / 7; Report on Human Gene Therapy (1, Teil, Fn. 571); Report on Genetic Counselling, Paris, 15.12.1995, CIP / BIO / 95 / CONF.002 / 4; Report on Bioethics and Human Population Genetic Research, Paris, 15.11.1995, CIP / BIO /95 / CONF.002 / 5. 85  UNESCO IBC, Ethics and Neurosciences, 15.10.1995, CIP / BIO / 95 / CONF.002 / 3; Food, Plant Biotechnology and Ethics, 20.12.1996, CIP / BIO / 95 / CONF.002 / 3; Ethical Considerations Regarding Access to Experimental Treatment and Experimentation on Human Subjects, 22.12.1996, CIP / BIO.501 / 96 / 4. 86  UNESCO IBC, Report on Genetic Screening and Testing (3. Teil, Fn. 84), S. 4 ff., III.; Report on Human Gene Therapy (1. Teil, Fn. 571), 10. IV; Report on Genetic Counselling (3. Teil, Fn. 84), S. 18 ff., IV. 87  UNESCO IBC, Report on Genetic Screening and Testing (3. Teil, Fn. 84), S. 7 ff., IV. 88  Id., S. 8 ff., V.



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Die vom IBC geleistete Analyse der ethischen Grenzen dokumentiert eine hohe Sensibilität, demzufolge die identifizierten Probleme ihre Aktualität trotz Voranschreitens der Genetik nicht verloren haben. Das prädiktive Potenzial genetischer Tests für Volkskrankheiten und multifaktorielle oder spät manifestierende Krankheiten wird erkannt. Die Schwierigkeit, individuelle Risiken für das Ausbrechen bestimmter Krankheiten zu prognostizieren, die Betroffenheit der genetisch Verwandten und die durch die Ergebnismitteilung verursachten psychologischen Auswirkungen zu bestimmen, mögliche soziale oder ökonomische Nachteile sowie fehlende Therapiemöglichkeiten sind Erschwernisse, die den Umgang mit einer genetischen Untersuchung auch im Zeitalter der Gesamtgenomanalyse herausfordern.89 Als Elemente einer künftigen Deklaration thematisiert das Komitee die ethischen Grenzen genetischer Screenings. Demnach ist es unangemessen, Veranlagungen zu testen, die keine erhebliche Gesundheitsrelevanz haben. Ferner ist es nach Einschätzung des Komitees in der Regel unangemessen, nach nicht-therapierbaren spätmanifestierenden Krankheiten im Rahmen eines Screenings zu suchen. Die Angemessenheit von Tests, die an Minderjährigen durchgeführt werden, ist ebenso fraglich. Adäquate Informationen vor der Untersuchung, passende Beratung danach, die vertrauliche Behandlung der Daten, die Verhinderung des Missbrauchs und der gleiche Zugang zur medizinischen Versorgung sind Voraussetzungen einer genetischen Untersuchung, die die Mitgliedstaaten umsetzen müssen. Die Information über die Betroffenheit der Familienmitglieder und die Erwägung, inwieweit relevante Informationen mit ihnen geteilt werden sollen, müssen Bestandteil der Aufklärung sein.90 Der zweite Bericht befasst sich mit der genetischen Therapie und den genetischen Manipulationen an Menschen und ist daher für den Kontext der Anwendung der Genomsequenzierung von geringer Relevanz. Der Ausschuss zeigt aber auf, dass er sich der Risiken der kommerziellen Nutzung wissenschaftlicher Errungenschaften bewusst ist.91 Als drittes vorbereitendes Dokument verabschiedete der Ausschuss 1995 einen ausführlichen Bericht über die genetische Beratung.92 Der Bericht leistet einen umfangreichen Vergleich der Beratungspraxis in verschiedens89  Id., S. 6, III., Nr. 18. Besonders treffend ist die Empfehlung, das Personal, welches die Tests durchführt, dahingehend auszubilden, wie die Weiterleitung interpretierter Ergebnisse an Ärzte erfolgen soll, id., S. 8, IV, Nr. 30. 90  Id., S. 7, IV, Nr. 20 ff. 91  UNESCO IBC, Report on Human Gene Therapy (1. Teil, Fn. 571), S. 1, I.3; Report on Genetic Counselling (3. Teil, Fn. 84), S. 22 ff., V.1.; Report on Bioethics and Human Population Genetic Research (3. Teil, Fn. 84), S. 9 ff., II.3.2. 92  UNESCO IBC, Report on Genetic Counselling (3. Teil, Fn. 84).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

ten Mitgliedstaaten der UNESCO und weist auf die gesellschaftliche Auswirkung genetischer Untersuchungen und Beratungen hin. Die Erkenntnis, dass genetische Beratung nicht vollständig sein kann, gleichzeitig aber dem Betroffenen als Entscheidungsgrundlage dienen soll, ist auch für die Gesamtgenomanalyse wegweisend.93 Wie allerdings eine informierte und eigenständige Entscheidung anhand einer Beratung getroffen werden kann, die die genannten Unwägbarkeiten aufweist, wird nicht behandelt.94 Die genetische Zusatzausbildung der Ärzte stellt eine Empfehlung dar, der im Kontext der vollständigen Genomuntersuchung eine besondere Relevanz zukommt.95 Der vierte und letzte Bericht des Ausschusses aus dem Jahr 1995 setzt sich anlässlich der voranschreitenden internationalen Untersuchungen über die Diversität und Einheit des menschlichen Genoms mit den Herausforderungen epidemiologischer genetischer Untersuchungen auseinander. Hervorzuheben sind die Ausführungen über den Informed Consent, wobei der Grad einer vollständigen Informiertheit relativiert wird.96 Anlass der zweiten Deklaration, der Internationalen Erklärung über humangenetische Daten von 2003, war die rasante wissenschaftliche Entwicklung. Eine Fortsetzung der Kodifizierung im Bereich der Humangenetik anhand einer Konkretisierung der bereits aufgestellten Prinzipien wurde als unerlässlich angesehen.97 Ziel der UNESCO war es, den Ansatz des IBC fortzusetzen und das Prinzip der Vertraulichkeit und die Möglichkeiten seiner Einschränkung beim Umgang mit humangenetischen Daten zu explizieren.98 Die Ausarbeitung der Deklaration über humangenetische Daten vorbereitend hat der Generaldirektor in der zweiten Sitzung des IGBC im Mai 2001 die Initiative ergriffen und den IBC mit der Ausarbeitung eines internationalen Instruments über humangenetische Daten beauftragt.99 Er begründete seine Initiative damit, dass die Gewährleistung der Vertraulichkeit genetischer Daten ein herausragendes ethisches Problem darstellt, das mit dem Umgang mit genetischen Ressourcen eng verbunden ist. Der Umfang und die Verzahnung der Herausforderungen in diesem Bereich und die Zahl 93  Id.,

S. 1, I, S. 21 f., IV.3. id., S. 18 ff., IV. 95  Id., S. 22 f., V.1. 96  UNESCO IBC, Report on Bioethics and Human Population Genetic Research (3. Teil, Fn. 84), S. 4 f., II.2.1. 97  Vgl. hierzu die UNESCO selbst unter http: /  / www.unesco.org / new / en / socialand-human-sciences / themes / bioethics / human-genetic-data /  (Stand: 31.12.2016). 98  UNESCO IBC, Report on Confidentiality and Genetic Data, Paris, 30.06.2000, BIO-503 / 99 / CIB-6 / GT-2 / 3. 99  Opening address by the Director-General, in: UNESCO, Proceedings of the IGBC, Second Session, Paris, 14.–16.05.2001, Annexes, S. 15 ff., S. 16. 94  Vgl.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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der involvierten Akteure untermauern die Notwendigkeit, dass sich die UNESCO mit dem Schutz genetischer Daten ausführlich befasst. Der IGBC begrüßte diese Initiative.100 Auf ihrer 31. Sitzung im August 2001 billigte die Generalkonferenz der UNESCO den Vorschlag und bat den Generaldirektor, sie darüber zu informieren, welche Maßnahmen aufgrund der Empfehlungen des IBC und des IGBC in Bezug auf die Erarbeitung eines internationalen Instruments über humangenetische Daten ergriffen werden.101 Der Exekutivrat der UNESCO bestätigte auf seiner 165. Sitzung im Oktober 2002 die dringende Notwendigkeit, internationale Maßstäbe für den Umgang mit humangenetischen Daten zu erarbeiten.102 Dabei berief er sich unter anderem auf das Kommuniqué des Runden Tisches der Wissenschaftsminister aus dem Jahr 2001, in dem der UNESCO empfohlen wurde, ihre erste Deklaration zu erweitern und die Standardsetzung verstärkt zu praktizieren.103 Die Internationale Erklärung über humangenetische Daten wurde ebenfalls vom IBC vorbereitet. Zwischen 1997 und 2003 wurden sieben Berichte verabschiedet. Zwei beschäftigen sich explizit mit humangenetischen Daten104 und drei weitere mit Fragen aus dem erweiterten Bereich der Genetik und Gendiagnostik.105 Die Berichte über den Schutz der Privatsphäre und über die genetischen Daten, die der Ausarbeitung der Erklärung vorausgegangen sind, weisen eine ähnlich hohe Sensibilität wie die der ersten Deklaration vorangegangenen Arbeiten des Ausschusses auf. Die Bezugnahme auf bereits verabschiedete, völkerrechtliche Verträge und Deklarationen bleibt erhalten.106 In Artikel 7 der Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte 100  Adoption

of the Recommendations of the IGBC, in: id., S. 11 ff., IX., 38.17, 39. Records of the General Conference, 31st Session, Paris, 15.10.– 03.11.2001, Bd. 1, S. 47 f., 31 C / Resolution 22, para. 5. 102  „Aware at once of the complexity and the scope of the issue of genetic data and also of the urgent need to define in this regard principles and standards that are recognized and adopted at the international level.“ „… the Organization should prepare, as a matter of urgency, an international declaration on human genetic data with due regard for human dignity and human rights and freedoms.“ Exekutivrat, 165 Ex / Dec. 3.4.2, Paris, 08.11.2002, para. 5 und 8. 103  Round Table of Ministers of Science (3. Teil, Fn. 74), para. 7, v-vii. 104  UNESCO IBC, Report on Confidentiality and Genetic Data (3. Teil, Fn. 98); Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38). 105  UNESCO IBC, Report of the IBC on Ethics, Intellectual Property and Genomics, Paris, 10.01.2002, SHS-503 / 01 / CIB-8 / 2 Rev.; Report of the IBC on Solidarity and International Co-operation between Developed and Developing Countries concerning the Human Genome, 06.04.2001, BIO-7 / 00 / GT-2 / 3 (Rev. 1). 106  UNESCO IBC, Report on Confidentiality and Genetic Data (3. Teil, Fn. 98), S. 1 f., I. 101  UNESCO,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

1997 wurde das Prinzip der Vertraulichkeit anerkannt. Da sein umfassender Schutz nicht reguliert wurde, bestand der Bedarf einer ausführlichen Normierung.107 Hierzu erarbeitet der Ausschuss gemäß Artikel 7 der ersten Erklärung Vorschläge. Die Transgenerationseigenschaft humangenetischer Daten nimmt eine wichtige Rolle in den Erörterungen ein.108 Bei der Auskunft über genetische Daten schlägt der Ausschuss eine fallabhängige, schadensminimierende und vorteilsmaximierende Vorgehensweise vor.109 Wer aber über Nachteile und Vorteile entscheidet, bleibt unklar. Im Kontext der Ganzgenomsequenzierung scheint die Forderung nicht ganz praktikabel zu sein, im Fall einer Speicherung über den Ort der Aufbewahrung Auskunft geben zu müssen.110 Bei einer Ganzgenomanalyse ist die genetische Probe selbst auf Dauer von geringer Relevanz – vor allem die daraus abgeleiteten genetischen Daten müssen Gegenstand des Privatsphärenschutzes und der vertraulichen Behandlung sein. Durch die Veröffentlichung von medizinischen Ergebnissen, ihre Speicherung in Datenbanken und grenzüberschreitende Weitergabe wird eine Auskunft über den jeweiligen Standort der persönlichen Daten und die getroffenen Schutzmaßnahmen erheblich erschwert.111 Das Recht des Betroffenen, über die Ergebnisse einer genetischen Untersuchung nicht informiert zu werden, wird grundsätzlich bekräftigt.112 In Anlehnung an das Biomedizinübereinkommen des Europarates wird allerdings bezweifelt, ob das Recht auf Nichtwissen des Betroffenen auch im Fall von Krankheiten gelten soll, bei denen für den Betroffenen oder für dessen Verwandte eine (validierte) Therapiemöglichkeit besteht.113 Das Recht auf Nichtwissen soll nach herrschender Meinung auch dann gelten, wenn es sich um unheilbare, zu einem späteren Zeitpunkt ausbrechende Krankheiten handelt.114 Eine Bewertung der genetischen Informationen als Entscheidungsgrundlage wird dadurch abgelehnt. Die Möglichkeit einer Einschränkung des Vertraulichkeitsprinzips, die bereits in Artikel 9 der Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte anerkannt wurde, wird ebenfalls erläutert. Eine Einschränkung gemäß Nummer 73 des 107  Id.,

S. 2, I., Nr. 16, 17. S. 4 f., III, Nr. 33., S. 6 f., III.B., Nr. 47 ff. 109  Id., S. 5, III, Nr. 39. 110  UNESCO IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), S. 17, IX. Nr. 54. 111  Einer der ersten Ansätze, hierbei Klarheit zu schaffen: Knoppers / Harris / Tassé et al., S. 46 ff. 112  UNESCO IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), S. 6, IV.27; Report on Confidentiality of Genetic Data (3. Teil, Fn. 98), S. 6, III. Nr. 44 ff. 113  Vgl. Art. 10.3 BMÜ; UNESCO IBC, Report on Confidentiality and Genetic Data, id., S. 6, III. Nr. 44. 114  UNESCO IBC, id., S. 6, III. Nr. 46. 108  Id.,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

215

Berichts ist nur bei dringendem öffentlichen Interesse und zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter möglich.115 Im Bericht aus dem Jahr 2002 über die Sammlung, Weiterleitung, Speicherung und Anwendung humangenetischer Daten bleibt der starke Bezug zu den Menschenrechten und der Menschenwürde weiterhin erhalten.116 Es wird überzeugend begründet, warum ein neues Instrument notwendig ist, um die Herausforderungen des Umgangs mit genetischen Daten zu bewältigen.117 Für die Zwecke des Berichts wird eine weite Auslegung des Begriffs „genetische Information“ bevorzugt. Dies bedeutet, dass genetische Informationen unabhängig davon, ob sie durch Sequenzierung erlangt wurden oder nicht, gleichrangig zu behandeln sind.118 Neben den vorrangig anzuwendenden Prinzipien und Rechten im Kontext des Umgangs mit humangenetischen Daten (Menschenwürde, Autonomie, Vertraulichkeit, Gleichheit, Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Solidarität119) werden für den Umgang mit Daten spezifische Prinzipien identifiziert. Hierzu zählen auch das Transparenzprinzip und die Qualitätskontrolle.120 Ersteres verlangt eine Klarstellung, zu welchem Zweck die Datensammlung verfolgt wird.121 Hiermit hängt auch die Einschränkung einer Analyse bereits gesammelter Daten zusammen.122 Im Rahmen des Informed Consent wird festgestellt, dass eine spezifische Einwilligung in einen genetischen Test als Teil einer umfangreichen Untersuchung nur dann zu verlangen ist, wenn mit der Durchführung dieser schwerwiegende Konsequenzen verbunden sind.123 Im Fall einer Gesamtgenomsequenzierung des Genoms kann davon ausgegangen werden, dass diese Bedingung erfüllt ist. Bei schwerwiegenden Konsequenzen für den Betroffenen oder für Dritte muss ebenfalls eine genetische Beratung vor und nach der Untersuchung angeboten werden.124 Ferner ist eine Aufklärung über alle weiteren Auswirkungen anzubieten, die die Sammlung und Verwendung genetischer Proben für den Betroffenen voraussichtlich haben 115  Id.,

S. 10, IV. Nr. 73. topic is therefore one of considerable human rights significance while at the same time being one of major concern to the public.“. UNESCO IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), I.9. 117  Id., S. 3, II. Nr. 15. 118  Id., S. 5 f., III. Nr. 24.a, 25. 119  Id., S. 9 f., Nr. 39. 120  Id., S. 10, VIII. Nr. 40. 121  Id., S. 12, IX. Nr. 42. 122  Id., S. 14, IX. Nr. 48. 123  Id., S. 15, IX. Nr. 49. 124  Id., S. 14, IX. Nr. 46. 116  „The

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

kann.125 Diese Forderung erscheint im Kontext der vollständigen Genomuntersuchung bereits jetzt unerfüllbar. Die Anmerkung, dass es ethisch unzulässig wäre, nicht-medizinische Forschung an Proben durchzuführen, die ausschließlich für medizinische Zwecke gespendet wurden, relativiert sich ebenfalls im Kontext der Ganzgenomsequenzierung.126 Noch weniger umsetzbar erscheinen die Forderungen nach der Ermöglichung eines Einwilligungswiderrufs nach einer Anonymisierung und nach einer Weitergabe genetischer Proben in andere Länder.127 Auf diese Empfehlungen wird in der Erklärung über humangenetische Daten auch eingegangen. Daher wird ihre Analyse in den folgenden Abschnitten vorgenommen. Im Vorfeld der Ausarbeitung der dritten Deklaration aus dem Jahr 2005 lud die Generalkonferenz den Direktor auf ihrer 31. Session 2001 ein, die technischen und juristischen Studien, die in Bezug auf die Ausarbeitung universeller bioethischer Normen ausgeführt wurden, zur nachfolgenden 32. Sitzung einzureichen.128 Der Runde Tisch der Wissenschaftsminister lud die UNESCO ebenfalls ein, die Möglichkeit eines universellen Instruments über Bioethik zu untersuchen. Er unterstrich, dass die heutige Bioethik so international ausgerichtet ist, dass sie alle Grenzen überschreitet. Beide Ansätze verdeutlichen die wesentliche Erweiterung des ethischen Mandats.129 Auf Wunsch des Generaldirektors rief daraufhin der IBC eine ad-hoc Arbeitsgruppe ins Leben und arbeitete einen Bericht über die Möglichkeit eines universellen Instruments aus. Die Darstellung floss in den Bericht des Direktors für die 32. Generalkonferenz ein, in dem er die Notwendigkeit und Nachvollziehbarkeit eines universellen bioethischen Instruments untermauerte. Er betonte die Herausforderungen, die die Bioethik von der medizinischen Ethik unterscheiden und identifizierte das Verhältnis zwischen Ethik, Wissenschaft und Freiheit als eine Frage, die geklärt werden soll. Es existierte kein einheitliches Instrument, das durch die Verabschiedung allgemeiner bioethischer Prinzipien diese Frage beantwortete, vor allem weil vielen Staaten die Mittel und die Infrastruktur fehlten, auf der nationalen Ebene in diesem Bereich tätig zu werden. Der zu verabschiedende Text sollte von deklaratorischem Charakter sein, um die kontinuierlichen Änderungen im Kontext der Bioethik begleiten zu können und den weitgehendsten Konsens zwischen den Mitgliedstaaten widerzuspiegeln. Die deklaratorische Form ist nicht unüblich in der Geschichte der Menschenrechtsdokumente, viele Verträge wurden so 125  Id., 126  Id.

127  Id.,

S. 15, IX, Nr. 50.a.

S. 16 ff., IX. Nr. 52, 53, 54, 59. Records of the General Conference of the UNESCO, 31st Session, S. 47 f., 31 C / Resolution 22, para. 9. 129  Round Table of Ministers of Science (3. Teil, Fn. 74), para. 7, viii. 128  UNESCO,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

217

in die Wege geleitet. Trotz solcher Aussichten sollte die jetzige Deklaration nicht allzu weit formuliert sein, um auch bei spezifischen Fragestellungen Anwendung zu finden; auch müsste sie regelmäßig überprüft und überarbeitet werden.130 Auf der 32. Sitzung der Generalkonferenz im Oktober 2003 wurde die Verabschiedung universeller Standards in der Bioethik unter Berücksichtigung der Menschenwürde, Menschenrechte und Grundfreiheiten und in dem Geiste von kulturellem Pluralismus als wünschenswert artikuliert. Die Konferenz lud den Generaldirektor erneut ein, seine vorbereitenden Arbeiten in Bezug auf eine Deklaration universeller bioethischer Normen durch Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen fortzusetzen und einen Entwurf auf der 33. Sitzung zu präsentieren.131 Im Rahmen seiner Arbeit prüfte der Exekutivrat den Zeitplan der Erarbeitung der Deklaration und den Zwischenbericht des Direktors.132 Er lobte den Erarbeitungsprozess als transparent133 und reichte schließlich den Entwurf der Regierungsexperten auf der 33. Generalkonferenz der UNESCO ein.134 In seinem vorbereitenden Bericht, den er auf Wunsch des Direktors im Juni 2003 fertiggestellt hatte, analysiert der IBC bioethische Themen und Fragestellungen, die durch ein internationales Dokument gesteuert werden könnten. Er nennt unter anderem die Problematik der genetischen Therapie und die des Schutzes humangenetischer sowie sonstiger persönlicher Daten. Er illustriert, wie die Ausarbeitung solcher Normen die internationalen Bemühungen unterstützen kann, ethische Richtlinien für die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen bereitzustellen. Diese Richtlinien haben nicht den Anspruch, Lösungen aufzuzeigen. Sie sollen vielmehr aufzeigen, welche Probleme behandelt werden müssen und wie eine gemeinsame Grundlage zu ihrer Bewältigung gefunden werden kann. Als wichtigste Rollen eines sol130  UNESCO, General Conference, 32nd Session, Paris, 22.09.2003: Report by the Director-General on the Possibility of Elaborating Universal Norms on Bioethics, 32 C / 59, S. 5, III. Nr. 30 ff. 131  UNESCO, General Conference, 32nd Session, Paris, 29.09.–17.10.2003, S. 46, 32 C / Resolution 24, paras. 2 und 3. 132  169. Sitzung des Exekutivrates, Paris, 25.05.2004: 169 EX / Decision 3.6.2: Report by the Director-General on the drawing up of a declaration on universal norms on bioethics. Siehe auch den vorausgegangenen Bericht des Direktors: 169 EX / 16, Paris, 19.03.2004. 133  170. Sitzung des Exekutivrats, Paris, 10.11.2004: 170 EX / Decisions 3.5.1: Report by the Director-General on the drawing up of a declaration on universal norms on bioethics. 134  171. Sitzung des Exekutivrates, Paris, 25.05.2005: 171 EX / Decision 16: Report by the Director-General on the drawing up of a declaration on universal norms for bioethics.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

chen Instruments werden die Bildung, die Informationsvermittlung und die Sensibilisierung identifiziert. 2. Die Beteiligung am Prozess der Ausarbeitung der Deklarationen Zunächst soll die Beteiligung an der Erstellung der Deklarationen prozessual analysiert werden. Dabei gilt es einerseits zu berücksichtigen, dass der IBC und der IGBC seit ihrer Gründung kontinuierlich an der Erarbeitung der Deklarationen in wesentlichem Maße mitgewirkt haben. Die Zusammensetzung der Entwurfsarbeitsgruppen und des IBC soll verglichen werden. Andererseits soll beachtet werden, dass nicht nur den beiden Komitees, sondern externen Experten, Nichtregierungsorganisationen und Internationale Organisationen die Möglichkeit eingeräumt wurde, einen Input bei der Erarbeitung zu geben. Im Fall der Verabschiedung einer Deklaration haben die Repräsentanten der Mitgliedstaaten in der Regel in zwei vom Generaldirektor einberufenen Sitzungen die Möglichkeit, die Dokumente abschließend zu diskutieren, überprüfen und zu überarbeiten (Intergovernmental Meeting of Experts: IGE-Treffen). Diese Sitzungen dienen als Plattform, letzte Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten zu führen. Die Beteiligung an diesen und die die Deklarationen finalisierenden Expertengruppen sollen ebenfalls aufgezeigt werden. Auch soll die Transparenz der Erarbeitung bewertet werden. a) Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte von 1997 Zu beachten ist zunächst, dass die Zusammensetzung des IBC zu der Zeit der Vorbereitung und Verabschiedung der ersten Erklärung von der heutigen abweichend war. Zudem – von der Präsidentin Noëlle Lenoir abgesehen – änderte sich die Zusammensetzung während des Prozesses der Verabschiedung. Die 46 Mitglieder des Komitees wurden 1993 aus 35 Mitgliedsstaaten der UNESCO vom Generalsekretär berufen. In der ersten Besetzung waren zwölf, in der zweiten waren 18 Mitglieder solche, die vor oder während ihrer Mitgliedschaft staatlich-politische oder diplomatische Stellen oder Funktionen in der obersten Rechtsprechung innehatten. Ein Drittel der Mitglieder war in beiden Besetzungen auch Mitglied in nationalen oder internationalen Fachverbänden. Zudem waren in beiden Besetzungen jeweils vier Mitglieder des IBC auch im Humangenomprojekt eingebunden. In den ersten beiden Jahren der Erarbeitung der Deklaration ist eine Mehrheit von Naturwissenschaftlern, insbesondere von Medizinern gegenüber Geistes- und Sozialwissenschaftlern, zu beobachten. Unter Letzteren stellten die Juristen die deutliche Mehrheit dar; ihre Anzahl nahm in der zweiten Besetzung zudem noch-



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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mals zu. Die Anzahl der Frauen betrug lediglich acht, später zehn, das heißt grob ein Sechstel oder ein Fünftel der Gesamtmitgliederzahl.135 Die Arbeitsgruppe, die die Vorlagen der ersten Deklaration ausgearbeitet hat, war der Rechtsausschuss des IBC. Ihre Zusammensetzung hat sich zwischen 1994 / 1995 und 1996 / 1997 soweit verändert, dass die Mitgliederzahl von neun auf 21 erhöht und die Zahl der Berater von drei auf eins heruntergesetzt wurde, wobei alle Mitglieder der ersten Zusammensetzung Mitglieder der zweiten blieben. Abgesehen von einem Berater waren alle Teilnehmer Mitglieder des IBC. Umgekehrt waren alle juristischen Mitglieder des IBC Teil des Rechtsausschusses. Die erste Gruppe hat sechsmal getagt und hatte die Entwürfe vor der ersten großen internationalen Konsultation ausgearbeitet. Die zweite Gruppe tagte nur zweimal. Ihre beiden Treffen waren aber sehr bedeutend, da während dieser über den größten Teil der von außen herangetragenen Änderungsvorschläge entschieden wurde. Abgesehen von wenigen Ausnahmen bekleideten die Mitglieder in beiden Zusammensetzungen politisch bedeutende Ämter oder waren in der höchsten Rechtsprechung tätig. Während noch in der ersten Gruppe kein Mitglied Teil einer Ethikkommission war, waren es in der zweiten Be­ setzung drei. Eine Juristin war sogar Mitglied der Ethikkommission der HUGO.136 Nach zwei Jahren Vorbereitung hatte der IBC seinen ersten Entwurf „Revised Outline of a Declaration on the Protection of the Human Genome“ am 7. März 1995 fertiggestellt und holte im Rahmen einer internationalen Umfrage zwischen Mai 1995 und Januar 1996 öffentliche Debattenbeiträge zu dieser Fassung ein. Er verschickte den Entwurf zusammen mit einem Fragebogen an über 300 Experten und Institutionen. Wie die Liste der Adressaten der Umfrage belegt, waren unter diesen nicht nur akademische Institutionen sowie Forschungsinstitutionen, sondern auch Sonderorganisationen der UN wie die WHO, die CIOMS, die WIPO, das Umweltprogramm und der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNEP und UNFPA). Als Nichtregierungsorganisation wurde zum Beispiel die HUGO um Stellungnahme gebeten.137 Damit wurden Laien, wissenschaftskritische Organisationen, aber 135  UNESCO IBC, Proceedings, First Session, Paris, 15.–16.09.1993, S. 21 ff., http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0012 / 001203 / 120377mo.pdf; UNESCO IBC, Pro ceedings, Fourth Session, Paris, 03.–04.10.1996, S. 119 ff., http: /  / unesdoc.unesco. org / images / 0011 / 001117 / 111733mb.pdf (Stand: 31.12.2016). 136  IBC, id., 1993, S. 45 ff.; IBC, id., 1996, S. 125 ff. 137  UNESCO, Revised Outline of a Declaration on the Protection of the Human Genome, in: Divison of the Ethics of Science and Technology of UNESCO, Annex IV, S. 125; International Consultation on the Outline of a UNESCO Declaration on the Human Genome – Personalities and Organizations Having Provided Comments on the Future Declaration of UNESCO, in: id., Annex VII, S. 139 ff.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

auch die meisten Organisationen, die schutzbedürftige Gruppen vertreten, in die Gestaltung des Entwurfs nicht miteinbezogen.138 Die dritte und vierte Tagung des IBC in den Jahren 1995 und 1996 zur Erarbeitung der Deklaration waren öffentlich, wurden aber trotz Bemühungen, die Öffentlichkeit tatsächlich einzubinden und die Debatten transparent zu gestalten, genau wegen der mangelnden Einbeziehung der Öffentlichkeit kritisiert. Obwohl im Jahr 1995 neben den Mitgliedern des Komitees mehr als 600 Vertreter von Mitgliedstaaten, internationalen Organisationen, Fachverbänden und Beobachtern anwesend waren, wurde die geringe Teilnahme der Nichtregierungsorganisationen stark bemängelt.139 Die öffentliche Sitzung im Jahr 1996 ließ in Bezug auf die eingeräumte Zeit für die Diskussion von Schwerpunktthemen und die Einbindung neuer Komitee-Mitglieder Wünsche offen.140 Auf der Basis einer Synopse, die aus den Antworten der Konsultation und den Ergebnissen der Beratung erstellt wurde, entwickelte das Komitee einen weiteren Entwurf: Den „Preliminary Draft of a Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights“ vom 4. März 1996.141 Nach weiteren Diskussionen in Form von Tagungen verabschiedete der IBC am 20. Dezember 1996 den „Revised Preliminary Draft“, in dem nur noch wenige wesentliche Änderungen zur Milderung der Forschungszentriertheit vorgenommen wurden und der im nächsten Jahr dem IGBC sowie den Regierungsvertretern vorgelegt wurde.142 Damit übergab er die Arbeit der institutionellen Politik und der Mitgliedstaaten. Die mangelnde Einbindung bestimmter repräsentativer Teile der Öffentlichkeit während der Entscheidungsfindung erntete Kritik. Als Grund hierfür wurde angeführt, dass die Grundlagen der Deklaration bereits vor der tatsächlichen Etablierung des IBC von den Mitgliedern des späteren Rechtsausschusses erarbeitet wurden.143 Die Mitglieder dieses Ausschusses hätten auch nach der Etablierung des Komitees einen wesentlichen Einfluss behalten und nur wenige Änderungen zugelassen.144 Die Umstellungen, die zwischen dem 138  Stellmach,

in: Emmrich, S. 275 ff., S. 288 ff. S. 318 ff., S. 319. 140  Reuther, S. 292 ff., S. 292. 141  UNESCO, Preliminary Draft of a Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), Annex VIII, S. 143 ff. 142  UNESCO, Revised Preliminary Draft of a Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), Annex IX, S. 147 ff. 143  First Meeting of the Legal Commission of the IBC, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), S. 27 ff. 144  Stellmach, in: Emmrich, S. 293. Siehe die Ablehnung der Ergebnisse der ­internationalen Konsultation durch den Rechtsausschuss in seinem 5. Treffen am 139  Reuther / Canisius,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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ersten Entwurf und der Version festzustellen sind, die den Repräsentanten der Mitgliedstaaten vorgelegt wurde, sind daher weniger umfangreich als die Änderungen, die die Repräsentanten der Mitgliedstaaten selbst während der Arbeit bei der Finalisierung veranlassten.145 Im Januar 1997 wurde der letzte Entwurf des IBC an die UNESCO-Mitgliedstaaten verschickt und im gleichen Jahr durch die Generalkonferenz einstimmig angenommen.146 b) Internationale Erklärung über humangenetische Daten von 2003 Während der Vorbereitung und der Ausarbeitung der Erklärung in den Jahren 2002 und 2003 hat sich die Zusammensetzung des Komitees nicht verändert. Von den bei der Verabschiedung der ersten Deklaration involvierten Personen blieben aber nur noch sechs Mitglieder. Fast ein Drittel der 34 Mitglieder kam aus Europa (elf), die restlichen ausgeglichen verteilt aus Asien, aus dem arabischen Raum, Lateinamerika, Afrika und aus den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Mehr als ein Drittel hatten vor oder während ihrer Mitgliedschaft politische, diplomatische oder wichtige juristische Funktionen inne. Der Frauenanteil war nahe ein Fünftel. Fast die Hälfte der Mitglieder war in einer Ethikkommission oder einem Fachverband engagiert. Zwei Mitglieder waren Mitglieder der HUGO. Die berufliche Aufteilung betreffend waren grob ein Drittel der Mitglieder Juristen und ein Drittel der Mitglieder Mediziner oder Biologen, die sich in Molekularbiologie oder Genetik spezialisiert hatten. Zwei Personen befassten sich hauptberuflich mit Fragen angewandter Ethik.147 Der IBC gründete 2002 eine ad-hoc-Arbeitsgruppe, deren Auftrag es war, Vorschläge hinsichtlich der Ausformulierung eines Instruments für den Umgang mit humangenetischen Daten vorzubereiten. Die Gruppe bestand aus 14 Mitgliedern, wobei drei Mitglieder zu der Zeit nicht Mitglied des IBC waren. Nur weniger als die Hälfte waren Juristen; die Medizin, insbesondere die Genetik, aber auch die Philosophie waren gut vertreten.148 Der erste Entwurf der Gruppe wurde vom IBC auf seiner neunten Sitzung im November 2002 analysiert. Aufgrund des Entwurfes wurde der „Revised 25.  September 1995: Fifth Meeting of the Legal Commission of the IBC, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), S. 57 ff. 145  UNESCO, Committee of Governmental Experts for the Finalization of a Declaration on the Human Genome, Paris, 22.–25.07.1997, BIO-97 / CONF.201 / 4. 146  UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). 147  UNESCO IBC, Proceedings, Ninth Session, Montreal, 26.–28.11.2002, SHS / EST / 02 / CIB-9 / 3, S. 95 ff. 148  http: /  / www.unesco.org / new / fileadmin / MULTIMEDIA / HQ / SHS / pdf /Mem bers-of-the-Drafting-Group.pdf (Stand: 31.12.2016).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Outline of the International Declaration on Human Genetic Data“ am 22. Januar 2003 verabschiedet.149 Diese Version floss in internationale Beratungen und Konsultationen ein.150 Sie wurde unter anderem den Mitgliedstaaten, Nichtregierungsorganisationen, nahe 150 Experten – darunter früheren Mitgliedern des IBC –, dem UNHCHR, nationalen Ethikkommissionen, nationalen Datenschutzbüros und Forschungsorganisationen zugeschickt. Insgesamt haben 42 Mitgliedstaaten geantwortet, wobei die Entwicklungsstaaten die Minderheit darstellten.151 Im Rahmen der Konsultationen wurde auch eine öffentliche Anhörung am 28. Februar 2003 mit 50 Teilnehmern organisiert. An dieser nahmen eingeladene Expertenredner teil, zudem Mitglieder der Arbeitsgruppe des IBC, Vertreter einer kleinen Zahl schutzbedürftiger Gruppen (Frauen, Kinder, Behinderte), Vertreter der internationalen Bioethik (wie die Internationale Gesellschaft für Bioethik, SIBI), Ärzte (WMA), Sonderorganisationen der UN wie die ILO und die WHO, und Akteure des privaten Sektors wie die der Bioindustrie und der Versicherungsgesellschaften.152 Nachdem die Ergebnisse von der Arbeitsgruppe analysiert und dem IBC vorgelegt wurden, wurde der Entwurf „Preliminary Draft“ auf der 10. Sitzung des IBC am 26. Mai 2003 verabschiedet.153 Die hier entstandene Version wurde daraufhin im Juni 2003 aufgrund des Vorschlags des IGBC dem „Meeting of Government Experts“ vorgelegt, das vom Generaldirektor in Paris einberufen worden war. Bei dem Treffen wurden wesentliche Teile des Textes finalisiert.154 Interessant ist die Teilnehmerliste des Treffens, denn lediglich 57 Staaten entsandten Delegierte. Die westeuropäischen und 149  Revised Outline of the International Delaration on Human Genetic Data, in: UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 147), S. 55 ff. 150  Siehe die Einladung des Exekutivrats an den Generaldirektor: „to continue the preparation of an international declaration on human genetic data, in consultation with the member states and other relevant international organizations (…)“. Exekutivrat, 165 Ex / Dec. 3.4.2, para. 9. 151  UNESCO, Meeting of Government Experts Responsible for Finalizing the Draft International Declaration on Human Genetic Data: summary of the international consultation on the revised outline of the International Declaration on Human Genetic Data, Paris, 22.01.2003, SHS / EST / 03 / CONF.203 / 5, S. 1, S. 12 ff. Neben den 42 Mitgliedstaaten haben insgesamt zwölf NGOs, darunter die HUGO und der CIOMS, 21 frühere Mitglieder des IBC, 22 nationale Ethikkommissionen und sechs nationale Datenschutzbüros geantwortet. 152  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 54). 153  UNESCO IBC, Proceedings, Tenth Session, Paris, 12.–14.05.2003, SHS / EST / 02 /  / CIB-10 / 3, S. 41 ff. 154  UNESCO IGBC, Third Session, Paris, 23.–24.06.2003, SHS / EST / 03 / CIGB- / 3, 6, Nr. 17. Siehe auch Exekutivrat, 165 EX / Dec. 3.4.2, 166 EX / Dec. 3.3.2 und 166 EX / Dec. 6.2.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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nordamerikanischen Staaten beteiligten sich mit größeren Delegiertengruppen als die Staaten aus anderen geographischen Gebieten. Von den fast 100 Teilnehmern war nur ca. jeder siebte Delegierte gleichzeitig in eine Ethikkommission eingebunden. Ungefähr die gleiche Zahl der Mitglieder hatte eindeutig einen medizinischen oder genetischen beruflichen Hintergrund. Die Teilnehmer mit politischem Hintergrund waren in der Mehrzahl und waren hauptsächlich in Gesundheitsministerien beschäftigt.155 Auf der 167. Sitzung des Exekutivrates wurde der Entwurf diskutiert und eine Resolution für die Annahme durch die Generalkonferenz vorbereitet. Da einige Delegierte der Staaten Änderungen vorschlugen, wurde beschlossen, dass sich während der 32. Sitzung der Generalkonferenz eine weitere Arbeitsgruppe mit den noch offenen Fragen befassen sollte. Diese bearbeitete die ungeklärten Fragen der forensischen Medizin und des zivilen und strafrechtlichen Gerichtsverfahrens.156 Die Erklärung wurde schließlich von der Generalkonferenz am 16. Oktober 2003 einstimmig verabschiedet.157 c) Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte von 2005 Die Zusammensetzung des IBC 2004 / 2005 aus 36 Mitgliedern enthielt 18 Mitglieder, die bereits Mitglied der vorherigen Zusammensetzung waren und vier, die bereits bei der Verabschiedung der ersten Deklaration Mitglieder waren. Die geographische Verteilung war mit der letzten Zusammensetzung vergleichbar. Fast ein Drittel der Mitglieder kam aus Europa, die restlichen repräsentierten die anderen Kontinente ausgeglichen. Der Anteil der Frauen, lediglich ein Fünftel, blieb gleich. Dagegen änderte sich die berufliche Zusammensetzung des Komitees. Nur noch ein Viertel der Mitglieder waren Juristen. Der Anteil der Philosophen wuchs auf einen Fünftel. Der größte Teil der Mitglieder, etwa die Hälfte, waren Mediziner und Biologen. Davon hatte die Hälfte einen genetischen Hintergrund. Annähernd ein Drittel der Mitglieder war politisch oder diplomatisch engagiert, hatten wichtige juristische Funktionen inne oder gehörten zu einem Fachverband. Zwei Drittel der Mitglieder waren in Ethikkommissionen eingebunden. Zudem blieben die beiden Mitglieder der HUGO dem Komitee erhalten.158 155  UNESCO, Meeting of Government Experts Responsible for Finalizing the Draft International Declaration on Human Genetic Data: list of Participants, Paris, 25.–27.06.2003, SHS / EST / 03 / CONF. 203 / INF.2. 156  Exekutivrat, 167 EX / Dec. 5.3., para 4. 157  UNESCO 2003 (1. Teil, Fn. 691). 158  UNESCO IBC, Proceedings, Eleventh Session, Paris, 23.–24.08.2004, SHS / EST / 04 / CIB-11 / 3, S. 93 ff.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Die Arbeitsgruppe („Drafting Group“), die mit der Entwurfsausarbeitung betraut wurde, bestand aus 13 Mitgliedern des IBC. Die Gruppe bestand zu ausgeglichener Zahl aus Juristen, Philosophen und Genetikern. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder brachte zudem Erfahrungen aus Ethikkommissionen mit.159 Die den vorbereitenden Bericht ausformulierende ad-hocGruppe aus 13 Personen war noch aus den Mitgliedern des IBC in seiner Zusammensetzung von 2002 / 2003 gewählt worden.160 Die Entwicklung der Deklaration geschah in drei Phasen. In der ersten Phase zwischen Januar und April 2004 wurden grundlegende Diskussionen über die Ziele, Struktur, den Geltungsbereich und den Inhalt der künftigen Deklaration geführt.161 Im Rahmen dieser ersten Phase wurden die damaligen 190 Mitgliedstaaten der UNESCO schriftlich konsultiert. Lediglich 67 Fragebogen wurden zurückgesendet, davon kamen 21 aus Westeuropa oder Nord-Amerika, 21 aus Afrika und den arabischen Ländern zurück, die restlichen Gruppen haben höchstens sechs bis zehn zurückgesendet.162 Auch wurde eine außerordentliche Sitzung des IBC organisiert, zu der 200 Teilnehmer aus 70 Staaten, Internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und nationale Ethikräte eingeladen wurden. Von den Internationalen Organisationen nahmen das UNHCHR, die FAO, die WIPO, die OECD und die EU an den Anhörungen teil. Unter den eingeladenen Nichtregierungsorganisationen waren auch der WMA und die HUGO. 15 nationale Bioethikkommissionen waren repräsentiert.163 Die zweite Phase zwischen April 2004 und Januar 2005 umfasste die eigentliche Ausarbeitung der Deklaration. Die Arbeitsgruppe, die mit der Ausarbeitung des Entwurfs betraut wurde, tagte sechsmal. Erst die vierte Entwurfsversion des Textes vom Dezember 2004 wurde maßgeblich durch externe Stellungnahmen geprägt. So widmete das Inter-Agency Bioethik-Komitee der Ausarbeitung der Deklaration zwei Sitzungen.164 Es wurden weitere nati159  Exekutivrat, 170 EX / 9, 5, Nr. 26. Ursprünglich bestand die Gruppe aus zehn Personen, sie war jedoch für jedes andere interessierte IBC-Mitglied geöffnet. Kollek, in: Deutsche UNESCO-Kommission, S. 37 ff., S. 40. 160  UNESCO IBC, Report of the IBC on the Possibility of Elaborating a Universal Instrument on Bioethics, Paris, 13.06.2003, SHS / EST / 02 / CIB-9 / 5 (Rev.3), Annex. 161  Für die Festlegung des Zeitplans der Erarbeitung: Exekutivrat, 169EX / Dec. 3.6.2, para 6. 162  UNESCO, ‚Towards a declaration on universal norms on bioethics: progress report January 2005‘ [PowerPoint presentation, online]. Abrufbar unter: http: /  / portal. unesco.org / shs / en / file_download.php / 50523d754289e00aad6d16990d576e22Bioeth ics+Declaration(jan.2005).ppt (aufgerufen am 31.12.2014). 163  UNESCO IBC, Extraordinary Session of the International Bioethics Committee (IBC) of the UNESCO ‚Towards a Declaration on Universal Norms on Bioethics‘ Paris, 27.–29.04.2004, SHS / EST / 04 / CIB-EXTR / 1, S. 3 f., III, S. 4 f., IV., S. 6, V.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

225

onale und regionale Konsultationen164 durchgeführt, die vor allem die Meinungen über das Verhältnis allgemeiner Prinzipien und spezifischer Themen in der Deklaration vermitteln sollten. Es wurde eine zweite schriftliche Konsultation im Oktober 2004 mit Internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, nationalen Bioethikkommissionen, unabhängigen Experten, aber auch mit Mitgliedstaaten durchgeführt. Die Antwortbereitschaft letzterer war gering, lediglich 31 Mitgliedstaaten haben geantwortet.165 Die 11. ordentliche Sitzung des IBC im August 2004 widmete sich der Erarbeitung der Deklaration und führte Anhörungen der Repräsentanten der wichtigsten religiösen und spirituellen Gruppen durch.166 Im Rahmen dieser Sitzung fand auch eine öffentliche Debatte statt, an der mehr als 250 Teilnehmer aus 80 verschiedenen Ländern teilnahmen.167 Im Januar 2005 fand die vierte Sitzung des IGBC statt, in der die vierte vom IBC ausformulierte Version des Textes weiterentwickelt wurde.168 Nach erneuten gemeinsamen Beratungen mit dem IBC wurde die „Preliminary Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics“ verabschiedet.169 Bei der Finalisierung der Deklaration wurden zwei Treffen der Regierungsexperten abgehalten.170 Bei dem ersten waren Repräsentanten aus 75, bei dem zweiten aus 90 Mitgliedstaaten anwesend, wobei die Mehrheit wieder die westeuropäischen Staaten, die USA und Kanada formierten. Die Mehrheit der 164  UNESCO 165  Id.

(3. Teil, Fn. 162).

166  UNESCO IBC, Eleventh Session: International Bioethics Committee of UNESCO (IBC), Report, Paris, 23.–24.08.2004, SHS / EST / 04 / CIB-11 / CONF.504 / 2, S. 2 f., III. 167  Id., S. 1, I.1; UNESCO (3. Teil, Fn. 162), S. 119 ff. 168  UNESCO IGBC, Proceedings, Fourth Session, Paris, 24.–25.01.2005, SHS / EST / CIGB-4 / 05 / CONF.202 / 4, S. 3 ff., S. 43 ff. Beachtet werden soll allerdings, dass dem IGBC bereits der erste Entwurf 2004 zugeschickt wurde und dass er im Juli 2004 hierüber konsultiert wurde: UNESCO, Information Meeting with IGBC on the Progress of the Elaboration of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Final Report, Paris, 07.07.2004, SHS / EST / 04 / CIGB-Inf. / 1. 169  UNESCO IBC und IGBC, Joint Session, Paris, 26.–27.01.2005: http: /  / www. unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bioethics / internationalbioethics-committee / ibc-sessions / joint-session-paris-2005 / ; IBC, Extraordinary Session, Paris, 28. Januar 2005: http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-humansciences / themes / bioethics / international-bioethics-committee / ibc-sessions / extra ordinary-session-paris-2005 /  (Stand: 31.12.2016); UNESCO IBC, Preliminary Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 09.02.2005, SHS / EST / CIBEXTR / 05 / CONF.202 / 2. 170  UNESCO, First Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 04.–06.04.2005, SHS / EST / 05 / CONF.203 / 4; Second Session of the Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 20.–24.06.2005, SHS / EST / 05 / CONF.204 / 1.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Staaten entsandte lediglich einen oder zwei Delegierte, wobei Kanada, Frankreich und die USA jeweils von mindestens fünf Personen, die USA im zweiten Treffen sogar von neun Personen repräsentiert wurden. Internationale Organisationen und nicht-staatliche Akteure waren in dieser Phase ausgesprochen unterrepräsentiert, lediglich elf Nichtregierungsorganisationen nahmen an den beiden finalisierenden Treffen teil 171, obwohl die Sitzungen grundsätzlich öffentlich abzuhalten waren.172 Andere teilnehmende UN-Sonderorganisationen waren nur die WTO und die WHO, wobei Internationale Organisationen im Rahmen des UNIACB auf jeden Fall die Möglichkeit hatten, Einfluss auf die Deklaration zu nehmen. Die Bezeichnung des Erarbeitungsprozesses als „transparent“ durch den Generaldirektor basierte vor allem auf der Tatsache, dass die relevanten Dokumente auf der UNESCO-Webseite zur Verfügung gestellt wurden, was den Ausarbeitungsprozess für eine größtmögliche Personenanzahl zugänglich gemacht hatte.173 Dahingegen wurde Kritik geäußert, dass die Erarbeitung der Deklaration in dieser letzten Phase nicht in der Breite, wie dies in den früheren Phasen geschah, konsultiert wurde.174 Es wurde der UNESCO sogar unterstellt, dass die Konsultationen auf ihre Verbündeten eingegrenzt wurden und somit die größere Öffentlichkeit, schutzbedürftige Gruppen und die etablierten Bioethiker vernachlässigt wurden, was der Glaubwürdigkeit und dem Einfluss der Deklaration wesentlich geschädigt hatte.175 Zudem wurde die Kritik erhoben, die Substanz der Verhandlungen sei ein „wohlgehütetes Geheimnis“ geblieben.176 In der abschließenden Phase wurde die finale Fassung der Deklaration auf der Sitzung des Exekutivrates weitgehend bestätigt.177 Auf der 33. Generalkonferenz wurde die Deklaration einstimmig angenommen.178 171  UNESCO, First Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft of a Declaration on Universal Norms on Bioethics: list of participants, 06.04.2005, Paris, SHS / EST / 05 / CONF.203. / INF.1; Second Session of the Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft of a Declaration on Universal Norms on Bioethics: list of participants, Paris, 25.06.2005, SHS / EST / 05  / CONF.204. / INF.1. 172  UNESCO, First Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics: provisional rules of procedure, Paris, 04.02.2005, SHS / EST / 05 / CONF.203 / 2 (Prov.), S. 3. 173  Exekutivrat, 171 EX / Dec. 16. Siehe auch: 171 EX / 13: Report by the Director-General on the Drawing Up of a Declaration on Universal Norms for Bioethics, Paris, 09.03.2005, S. 8, Nr. 41.6. 174  Williams, S. 211 ff., S. 211. 175  Macpherson, S. 588 ff., S. 588 f. 176  Snead, S. 204 ff., S. 209. 177  Exekutivrat, 171EX / Dec. 16. 178  UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649).



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

227

3. Die inhaltliche Ausarbeitung der Deklarationen Bei der Darlegung der inhaltlichen Entscheidungsfindung während der Erarbeitung der Deklarationen sollen die Beiträge beider UNESCO-Bioethikkomitees und der die Deklarationen jeweils finalisierenden Treffen der Regierungsexperten im Vordergrund stehen. Zudem soll aufgezeigt werden, welche Organisationen welche Änderungsvorschläge eingebracht haben und inwieweit diese berücksichtigt wurden. Neben diesen deliberativen Aspekten sollen konkrete Aussagen oder Positionen zu der Stellung der Person hervorgehoben werden, falls solche während der Erarbeitung der Deklarationen vertreten wurden. Insgesamt soll beurteilt werden, ob die UNESCO-Deklarationen für die Steuerung der Gesamtgenomanalyse zutreffende spezifische Regelungs- und Handlungsempfehlungen oder Hilfe für die Auslegung allgemein ausformulierte Prinzipien und Empfehlungen bereithalten. Dies soll vor allem aufgrund der Einstellung zur Forschung und der Berücksichtigung ihrer medizinischen Zwecke, der konkreten Stellung der Person vor allem durch die den Patienten zugesprochenen Rechte sowie aufgrund der Internationalität und der Umsetzung der Deklarationen aufgezeigt werden. Bereits vor der Verabschiedung der ersten Deklaration wurde in Bezug auf die humangenetische Entwicklung festgestellt: „Die rapiden Entwicklungen vor allem in der Gentechnik erzeugen Situationen, die bislang ohne Beispiel waren. Als Folge müssen die bisher gültigen Normen und Standards aus rechtlicher, ethischer und sozialer Perspektive revidiert oder neu eingerichtet werden… Die Ausarbeitung eines normgebenden Rahmenwerks bedeutet eine Revision der Konzepte von Leben, von individuellem Wohlergehen, von Erbschaft und Besitz und von Verantwortlichkeit.“179 a) Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte von 1997 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC Grundlegende Kritik wurde bereits gegenüber sehr frühen Versionen des Erklärungsentwurfs während der vorbereitenden Arbeit des Rechtsausschusses geäußert. Auf der vierten Sitzung des Ausschusses am 27. April 1994 wurden die Kommentare des Internationalen Verbandes Philosophischer Ge179  Prospekt der Juristischen Fakultät der Universität Montreal 1995, zitiert bei Fuchs, in: Emmrich, S. 261 ff., S. 262.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

sellschaften (International Federation of Philosophical Societies) eingebracht. Kritisch wurde festgestellt, dass der Deklarationsentwurf zwischen dem Schutz der Individualrechte und dem Schutz des Genoms keine eindeutige Priorisierung leistet. Um den Schutz der Individualrechte stärker zu gewichten, wurde der Titel „Deklaration über den Schutz des Individuums in Bezug auf Genetik“ vorgeschlagen. Nicht nachvollziehen konnte der philosophische Verband die Betrachtung des Genoms als Essenz des menschlichen Wesens, da der größte Teil des menschlichen Genoms doch mit dem von anderen Lebewesen identisch ist. Weiterhin wurde kritisiert, dass die Formulierung, das Genom sei gemeinsames Erbe der Menschheit, unverständlich und die Formulierung, dass jedes menschliche Individuum eine spezifische genetische Identität besitzt, reduktionistisch sei.180 Die Kritik veranlasste den Rechtsausschuss nicht zu einer Änderung des Erklärungsentwurfs.181 Während die Entwürfe aus dem Jahr 1995 überwiegend positiv gegenüber der Genomforschung eingestellt waren und nur eingeschränkt ethische Bedenken zum Ausdruck brachten182, waren die Vorlagen des IBC, die unmittelbar in die Verhandlungen mit dem IGBC eingeflossen waren, etwas kritischer gestimmt. Diese Kritik ging mit dem Vorschlag einher, den Menschen zunehmend als Betroffenen der Genomforschung zu verstehen. Die anfänglichen Deklarationsentwürfe stellten lediglich einen Bezug zur Genomforschung her und nicht zu den Menschen selbst, um deren Erbgut es sich handelt. Dies ist unter anderem am Titel zu bemerken, der 1995 noch „Erklärung zum Schutz des menschlichen Genoms“ lautete.183 In der Version, die dem IGBC vorlag wurde der Titel in „Überarbeiteter und vorläufiger Entwurf einer Deklaration über das menschliche Genom und die Menschenrechte“ abgeändert.184 Die Ergänzung des Titels vermittelte die Ansicht, dass nicht das Genom, sondern die Würde und die Rechte des Menschen zu schützen seien. Dies war notwendig, um den Eindruck eines genetischen Determinismus und einer „heiligenden“ Darstellung des Genoms zu vermeiden.185 Substanzielle inhaltliche Vorschläge aus den Beratungsrunden und den schriftlichen Konsultationen, die während der Ausarbeitung durch den IBC 180  UNESCO

(3. Teil, Fn. 137), S. 53 ff., S. 54 f. S. 55 f. 182  „[Recognizing that] research on the human genome and the resulting applications open up vast prospects for progress in improving the well-being of individuals and peoples and reducing inequalities throughout the world,“ UNESCO IBC, Revised Outline of a Declaration on the Protection of the Human Genome, Paris, 07.03.1995, Präambel Nr. 5.a, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), Annex IV, S. 124 ff. 183  Id. 184  UNESCO, Revised Preliminary Draft of a Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), Annex X, S. 153 ff. 185  Braun (Juli 1997), S. 16 ff., S. 18 f. 181  Id.,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

229

stattgefunden haben, wurden nicht in den Entwurf aufgenommen. Die Vorschläge, das Dokument mit Hinweisen auf die Unverfügbarkeit der menschlichen Erbinformation, das Recht, die eigene Erbinformation an die Nachkommen weiterzugeben, den Schutz genetischer Diversität, ein eindeutiges Patentierungsverbot sowie auf ein Verbot der Keimbahnmanipulation und die Ächtung gentechnologischer Eingriffe zu nicht-therapeutischen Zwecken, zu ergänzen, wurden abgelehnt. Gleiches galt für die Hinweise auf eine Kontrolle der Genforschung auf internationaler Ebene und auf die Vermeidung einer expliziten Pflicht der Staaten, die Genomforschung zu unterstützen. Die heftige Kritik gegen die Einstufung des Genoms als Erbe der Menschheit, die in der Zwischenzeit sogar innerhalb des Rechtsausschusses auf Ablehnung gestoßen war186, wurde nicht berücksichtigt. Auch eine Definition des menschlichen Genoms wurde nicht verabschiedet. Lediglich prozedurale Änderungsvorschläge, wie die Einrichtung von Ethikkommissionen, eine Risikoabschätzung vor gentechnischen Eingriffen sowie eine feingliedrige Regelung über Schadenersatz für gentechnische Eingriffe wurden angenommen. Eine Abstufung danach, wie der Schaden verursacht wurde (vorsätzlich oder fahrlässig), wurde nicht vorgenommen. Die Präambel wurde noch im letzten Moment ergänzt: Die Genomforschung solle die Menschenwürde, die Freiheit und die Menschenrechte uneingeschränkt respektieren.187 bb) Die Finalisierung durch die Regierungsexperten Wesentliche inhaltliche Änderungen am Deklarationsentwurf wurden dagegen im Jahr 1997 durch die Regierungsexperten vorgenommen. Im Entwurf des IBC wurden als erste Abschnitte die Passagen über das Genom und über die „Zielsetzungen der Erforschung des menschlichen Genoms“ ausformuliert. In diesen Abschnitten wurde aufgrund der Forschungsentwicklungen in der Biologie und in der Humangenetik ein Recht jedes Menschen abgeleitet, aus diesen Entwicklungen Nutzen zu ziehen. Kritik wurde dahingehend geäußert, dass die Menschenwürde und die Freiheit erst diesem Nutzen unterstellt erwähnt und berücksichtigt wurden.188 Zudem wurde stark kritisiert, dass die Bestimmung über die wesentlichen Funktionen der Genomforschung, Leiden zu lindern und das Wohlbefinden der Menschheit zu verbessern, eine Deutung der Rolle der Humangenetik als eugenische Praxis nahelegt.189 186  UNESCO, Seventh Meeting of the Legal Commission of the IBC, 03.– 04.10.1996, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), S. 97 ff., S. 99 f. 187  Vgl. UNESCO, id., S. 67 ff. und S. 147 ff., S. 153 ff. 188  Stellmach, in: Emmrich, S. 302. 189  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 355 f.

230

3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Daraufhin wurden diese Kritikpunkte vor allem durch Änderungen in der Gliederung berücksichtigt. Die Abschnitte über die Würde und Rechte der betroffenen Personen wurden vor dem Abschnitt über die Genomforschung eingefügt. Letzterer Abschnitt wurde ebenfalls umstrukturiert, indem eine Ablehnung des Vorrangs der Forschung vor der Achtung der Menschenrechte und Menschenwürde festgeschrieben wurde. In die Bestimmungen zur informierten Einwilligung wurde ein Artikel über das Recht auf Nichtwissen eingefügt.190 Die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Genforschung gebührend zu fördern, wurde mit einer weiteren Pflicht ergänzt. Die Staaten sollten demnach nicht nur für Unterricht und Information über ethische, soziale und medizinische Auswirkungen der Forschung in diesem Bereich sorgen, sondern auch eine Förderung der Bioethik auf allen Ebenen einleiten. Der Hinweis auf die Förderung eines interkulturellen Dialogs über die normativen Herausforderungen der Genforschung wurde insbesondere mit einer Passage über eine Unterstützung für Verantwortungsträger in der Wissenschaftspolitik bei der Umsetzung der Delaration ergänzt (Art. 20 UNESCO 1997). Im letzten Entwurf des IBC wurde das menschliche Genom zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt. Dies wurde wegen seiner Doppeldeutigkeit kritisiert (Ist das Genom die Summe der Gene eines Individuums oder die Summe der Gene der menschlichen Gattung?) und von vielen Staaten zur Streichung vorgeschlagen, um den Eindruck zu vermeiden, dass das Genom eine ökonomische Ressource ist, deren Nutzung auf internationaler Ebene kontrolliert werden muss.191 Daraufhin wurde die Formulierung zwar nicht gelöscht, aber deutlich abgeschwächt: Das völkerrechtliche Konzept des gemeinsamen Erbes wurde in eine Metapher transformiert, nach welcher das Genom nur noch im symbolischen Sinne – und nicht mehr tatsächlich „gemeinsames“ – Erbe der Menschheit ist.192 Neben diesen positiven, die Person, ihre Würde sowie ihre Rechte stärkenden Änderungen sind aber auch gegenläufige Entwicklungen durch die Überarbeitung der Mitgliedstaatenrepräsentanten festzustellen. Vor allem ist ein schwacher oder abgeschwächter Wortlaut die Ausformulierung von Individualrechten betreffend zu beobachten. Während es im letzten Entwurf des IBC 1996 noch hieß „Every individual has the right to a fair compensation for any injuries sustained as a […] result of an intervention affecting his or her genome […]“ (Art. 9 v. 1996), wurde dieser Rechtsanspruch in der verabschiedeten Fassung weicher formuliert: „Every individual shall UNESCO (3. Teil, Fn. 137), S. 153 ff. und UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). Stellmach, in: Emmrich, S. 308 ff. 192  Diesem Vergleich lagen die Dokumente wie in 3. Teil, Fn. 97 genannt zugrunde. 190  Vgl.

191  Ausführlich



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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have the right …“ (Art. 8 UNESCO 1997). Die Berücksichtigung eines Rechts auf Nichtwissen wurde nach Überarbeitung der Mitgliedstaaten in der Endfassung nur mit „should“ formuliert (Art. 4c UNESCO 1997). Eine Abschwächung erfuhr ebenso die Formulierung über die Verantwortung von Forschern: Aus „shall“ wurde „should“ (Art. 10 v. 1996, Art. 13 v. 1997). Bindend formuliert blieb die Vertraulichkeit genetischer Daten („must be held confidential“ [Art.7 UNESCO 1997]). Einen eindeutigen Schutz genießt die Forschungsfreiheit: „Freedom of research […] is part of freedom of thought.“ („Die Freiheit der Forschung […] ist Teil der Meinungsfreiheit.“ Art. 12 b v. 1996).193 cc) Die verabschiedete Erklärung 1997 Im Ergebnis wurde eine Erklärung verabschiedet, deren sieben Kapitel, die auf einer Präambel folgen, sich in zwei Abschnitte gliedern lassen. Die ersten drei Kapitel (Art. 1-Art. 12) legen die universellen Prinzipien des Umgangs mit dem menschlichen Genom fest, die letzten vier (Art. 13Art. 25) definieren die Pflichten der Staaten in Bezug auf die Umsetzung dieser Prinzipien. Die grundlegenden Prinzipien betreffen die Menschenwürde und die Autonomie des Individuums (Art. 1–4). Die Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen wird im Bereich der Forschung und der Medizin durch das Prinzip des Informed Consent verwirklicht (insbesondere Art. 5 b und c). Darüber hinaus werden die Prinzipien der Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften (Art. 6) und der Vertraulichkeit genetischer Daten (Art. 7) festgelegt. Als letztes, jedoch nicht vorrangiges Prinzip wird die Forschungsfreiheit statuiert (Art. 12). Der allgemeine Anwendungsbereich der Erklärung erstreckt sich auf die Forschung, Behandlung und Diagnose (Art. 5 a), wobei die Forschung in besonderer Ausführlichkeit thematisiert wird (Abschnitte C und D). Die Deklaration nimmt mehrfach unmittelbar Bezug auf die internationale Genomforschung. In der Präambel der Erklärung wird auf die Menschenwürde und die Menschenrechte ausdrücklich hingewiesen.194 Das Prinzip der Menschenwürde wird als eine besondere Anwendung des Gleichheitsprinzips ausformuliert und impliziert somit nicht nur das Verbot diskriminierender Maßnahmen (Art. 6), sondern legt die Vorstellung einer Gesellschaft nahe, die 193  Id.

194  „… but emphasizing that such research should fully respect human dignity, freedom and human rights, as well as the prohibition of all forms of discrimination based on genetic characteristics,“ UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680), Präambel Nr. 6.

232

3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

auf der Menschenwürde aufbaut.195 Insgesamt wird auf die Menschenwürde in sieben Artikeln Bezug genommen; sie wird sowohl als Quelle bestimmter Rechte als auch als Quelle bestimmter Einschränkungen für diese betrachtet.196 Das Bekenntnis zu den allgemeinen Grundsätzen der Menschenrechte wird durch Verweise auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die beiden Internationalen Menschenrechtspakte und eine Vielzahl weiterer internationaler Abkommen und Menschenrechtsverträge bekräftigt.197 Artikel 25 stellt klar, dass die Menschenrechte das Fundament der Erklärung sind.198 Durch die Verabschiedung des Dokuments im 50. Jubiläumsjahr der AEMR wird auch die symbolische Kontinuität der Menschenrechte im Bereich der Lebenswissenschaften, vor allem aber in der Humangenetik und der Genforschung deutlich gemacht.199 Augenfällig blieb die Formulierung von Artikel 1 der Erklärung. Demnach sei das menschliche Genom symbolisches Erbe der Menschheit, weil diesem nicht nur die grundlegende Einheit aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zugrunde liegt, sondern auch die Anerkennung der diesen Mitgliedern innewohnenden Würde und Vielfalt.200 Das Bekenntnis zur Menschenwürde wird auch im operativen Teil, in Artikel 2 der Erklärung, manifestiert. Demnach sind die Rechte unabhängig von den genetischen Eigenschaften zu respektieren; Individuen können nicht auf diese Eigenschaften reduziert werden – ihre Einzigartigkeit und Diversität sollen respektiert werden. Das Genom entwickelt sich und unterliegt Mutationen. Es birgt Möglichkeiten, die je nach der natürlichen und sozialen Umgebung des einzelnen, einschließlich seines Gesundheitszustands, seiner Lebensbedingungen, Ernährung und Erziehung auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kommen. 195  Andorno,

in: Sándor, S. 105 ff., S. 110. S. 41. 197  Vgl. die Präambel der UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). 198  „Nothing in this Declaration may be interpreted as implying for any state, group or person any claim to engage in any activity or to perform any act contrary to human rights and fundamental freedoms, including the principles set out in this Declaration.“ Art. 25 UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). 199  Lenoir (1998–1999), S. 537 ff., S. 548. 200  „The human genome underlies the fundamental unity of all members of the human family, as well as the recognition of their inherent dignity and diversity. In a symbolic sense, it is the heritage of humanity.“ Art. 1 UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). Zu einer kritischen Analyse der Interpretation des menschlichen Genoms „als gemeinsames Erbe der Menschheit“ vgl. Bodendiek / Nowrot, S. 211 ff.; Spranger, S. 149 ff. und Ossorio, S. 425 ff. Zum Menschenwürdeprinzip der Erklärung vgl. Wilms, S. 309 ff. Weiterführend mit vielen Hinweisen vgl. ebenfalls Ashcroft, in: Freeman, S. 31 ff. 196  Beyleveld / Brownsword,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

233

Trotz Umstellungen lässt sich festhalten, dass die verabschiedete Deklaration über das menschliche Genom und die Menschenrechte insgesamt sehr forschungsfreundlich blieb. Sie stellt das Genom in den Mittelpunkt, berücksichtigt die Individualrechte der Betroffenen nicht ausreichend und schafft es nicht, international geltende Regelungen für die zentralen Fragen zu verabschieden. Der Schwerpunkt der Deklaration liegt auf der Genforschung. Bereits am Anfang des Dokuments wird die Forschung beschrieben, ihr Fortschrittscharakter wird ohne Einschränkungen bestätigt und die mit der Genforschung einhergehenden Risiken werden nicht wahrgenommen. Die Ergebnisse dieser Forschung sollen allen zugänglich gemacht werden, da sie weitreichende Aussichten für die Verbesserung der Gesundheit eröffnen (Präambel, Art. 12). Das Wissen, das die Forschung vermittelt, wird als etwas wertvolles, etwas positives betrachtet, höchstens die Anwendungen dieses Wissens können negative Auswirkungen haben.201 Die Forschungsfreiheit wird als Ausdruck der Menschenwürde wahrgenommen. Somit wird sie mit den Menschenrechten gleichgestellt, die selbst als Ausfluss der Menschenwürde verstanden werden.202 Die Würde, die Forschungsfreiheit und die Solidarität werden als wechselseitige und miteinander abzuwägende Werte wahrgenommen.203 Artikel 5 der Deklaration schreibt nur vor, dass Anwendungen der Genforschung nicht gegen die Menschenwürde verstoßen dürfen, legt aber nicht fest, dass die Forschung selbst dies nicht tun darf. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Forschung zu fördern. Sie sollen Rahmenbedingungen schaffen, die die Forschung begünstigen und unter Berücksichtigung der Deklarationsgrundsätze Schritte zur Schaffung von solchen Rahmenbedingungen unternehmen, die die freie Ausübung der Forschungsfreiheit ermöglichen. Gemäß Artikel 18 und 19 sollen die Mitgliedstaaten auch die internationale Kooperation und Solidarität fördern. Als wichtigster Aspekt der Solidarität wird allerdings die internationale Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse über das Genom hervorgehoben und stellt daher eine Art der Forschungsförderung dar. Artikel 20 und 21 fordern zwar eine normative Auseinandersetzung mit der Genomforschung vor allem durch die Ermöglichung öffentlicher Debatten, ein grundsätzlicher kritisierend: McLean, S. 299 ff., S. 300. of Governmental Experts (3. Teil, Fn. 145), S. 17, Nr. 74 f. Dies wegen der unterschiedlichen Ausdrücke „Ausdruck“ und „Ausfluss“ als Abstufung wahrnehmend Braun (2000), S. 261. Zur Forshungsfreiheit im Völkerrecht siehe oben § 5 I.2. 203  Braun, id., 262. 201  Dies

202  Committee

234

3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Zweifel an der Beurteilung dieser Forschung als uneingeschränkt vorteilhaft fehlt aber.204 In Bezug auf die zentrale Bedeutung des Genoms lässt sich Folgendes festhalten. Das Genom wurde von Anfang an als Erbe der Menschheit bezeichnet, was Dauerkritik während des Ausarbeitungsprozesses erntete.205 Die ursprüngliche Idee dabei war, die friedenserhaltende und schützende Funktion dieser Bezeichnung in Bezug auf das Genom zu aktivieren.206 Das völkerrechtliche Konzept des Erbes der Menschheit ist primär etwa aus fünf Elementen zusammengesetzt. Neben der Anwendung für friedliche Zwecke und dem Schutz künftiger Generationen beinhaltet das Konzept demnach drei weitere Elemente. Erstens kann das gemeinsame Erbe nicht enteignet werden, zweitens setzt es ein Verwaltungssystem voraus, an dem sich alle beteiligen können, und drittens impliziert es, einen aktiven Vorteilsausgleich anzustreben.207 Von früh an wurde die Gleichstellung des Genoms mit der Biosphäre, mit Teilen des Weltalls und mit den Schöpfungen menschlicher Kultur durch diese Bezeichnung kritisiert. Grund hierfür war einerseits, dass die Anwendung des Konzepts die einfache Nutzung des Genoms nicht verhindert und es somit sowohl der Gefahr der Manipulation aussetzt als auch seiner Verwendung als Ressource – vor allem durch die Teilhabe von nur wenigen industrialisierten Ländern an der Forschung – nicht ausschließt. Andererseits geht eine Nutzung des Genoms durch die Gemeinschaft, die das Konzept eindeutig erlaubt, der Nutzung durch einzelne Individuen vor.208 Der IBC hatte diese Interpretation bei einer Umfrage sogar bekräftigt, indem er die Notwendigkeit der Anerkennung eines Rechts des Einzelnen auf die Achtung seines genetischen Erbes oder die Anerkennung des Genoms als Bestandteil der menschlichen Gattung nicht anerkannt hatte. Vielmehr betrachtete er das Konzept des Genoms als Teil des gemeinsamen Erbes im Sinne eines dynamischen Gleichgewichts zwischen dem Schutz von Individualrechten und dem allgemeinen Interesse der Menschheit.209 Die Gefahr durch die Einordnung des Genoms als gemeinsames Erbe auf die Privatsphäre des 204  Braun,

id., 261 f.; Stellmach, in: Emmrich, S. 307. in einer frühen Resolution der Generalkonferenz wurde das Genom als Erbe der Menschheit bezeichnet: UNESCO, Medium-term Strategy for 1996– 2001, in: UNESCO, Records of the General Conference, 28th Session, (3. Teil, Fn. 82), S. 13 ff., 28 C / Resolution 0.12, para. 6. Für die Kritik siehe die Darstellung des Ausarbeitungsprozesses § 7 II.3.a). 206  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 352. 207  Baslar, S. 81. Wolfrum, Common Heritage, in: ders., MPEPIL, Rn. 11 ff. 208  Braun (Juli 1997), S. 18 f. 209  UNESCO IBC, International Consultation on the Outline of a UNESCO Declaration on the Human Genome, CIP / BIO / 96 / COMJUR.6.4, Paris, 05.04.1996; 205  Bereits



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Einzelnen wurde nicht explizit anerkannt, sie wurde lediglich in Artikel 2 mittelbar nahegelegt. Zudem ist es problematisch, Individualrechte mit Gemeininteressen soweit gleichzusetzen, dass sie gegeneinander abgewogen werden können, da sich der Schutz von Gemeininteressen in der Regel am Individualwohl orientieren soll.210 Eine weitere Kritik erntet die Übertragung des Erbe-Konzepts, weil das eine weitere Unterstützung für die Genomforschung impliziert. Die Bezeichnung des Genoms als „Symbol“ repräsentiert nach dieser Auffassung das genetische Wissen und hierdurch eigentlich das Ergebnis der Genforschung.211 Zwar wird die Erzielung finanzieller Gewinne aus dem Genom in seinem natürlichen Zustand untersagt, die mittelbare Anerkennung der Patentfähigkeit des Genoms im isolierten Zustand fördert aber seine weitere Verarbeitung.212 Die Orientierung am Genom, die die Deklaration also insgesamt auszeichnet, verhindert die hinreichend zentrale Stellung der Person, um deren Genom es tatsächlich geht. Dies ist auch bei der Abhandlung der Individualrechte zu bemerken. Die Individualrechte der Betroffenen kommen insgesamt nicht genügend zur Geltung. Die informierte Einwilligung, das Recht auf Nichtwissen, das Verbot der Diskriminierung aufgrund genetischer Daten, die Vertraulichkeit genetischer Daten und das Gebot der Gewährleistung von Schadenersatz in bestimmten Fällen werden zwar vorgeschrieben, diese Vorgaben sind aber wenig detailliert geregelt und erwirken keineswegs eine umfassende Abwändung der Gefahren für die Rechte der Betroffenen. Nicht die einzelnen Verbote sind entscheidend, sondern die gesamte Struktur der Erklärung, demzufolge die Erforschung des Genoms einer Untersuchung des Betroffenen im Rahmen medizinischer Gendiagnostik vorgeht. Dies ergibt aber, dass bei prädiktiven Analysen der „Noch-Nicht-Patient“, dessen Genom untersucht wird, aufgrund der Erhebung von genetischem Wissen zum Risikoträger und damit zu einem potenziellen Kranken werden kann.213 Gemäß Artikel 5 lit. c steht der Testperson das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob sie Kenntnis über den Befund und über die sich daraus ergebenden Folgen erlangen will. Es wird zwar damit ein Recht auf Nichtwissen der betroffenen Person verabschiedet, die Problematik, wie Stellmach, in: Emmrich, S. 311. Zum normativen Individualismus siehe von der Pfordten (2005), S. 1069 ff. 210  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 355. 211  Stellmach, in: Emmrich, S. 312 f. 212  Id., S. 327, ausführliche Kritik zum Thema Genom als Eigentum bereits ab S.  324 ff. 213  Lösch, S. 197. Vgl. § 5 II.1.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

dieses Recht mit der Schweigepflicht des Arztes und seiner Infomationspflicht gegenüber Familienmitgliedern abzuwägen ist, wird aber nicht geklärt.214 Zudem beinhalten die Informed-Consent-Regelungen keine Angaben darüber, genau welche Maßnahmen durch eine Einwilligung gerechtfertigt werden können.215 Die Einschränkungsmöglichkeiten der Einwilligungsund Vertraulichkeitsvorgaben aus zwingenden Gründen im Rahmen des Völkerrechts und der Menschenrechte sind sehr weit gefasst und leisten keine Abwägungshilfe (Art. 9). Ohne das Recht auf Gesundheit explizit zu erwähnen, werden die Vorteile der Genforschung für die Gesundheit Einzelner und für Gruppen angesprochen. Viele Herausforderungen, die mit Genanalysen einhergehen, werden nicht erkannt und nicht angesprochen. Die Herausforderungen, die behandelt werden, werden oft zu ungenau reflektiert. Ein Beispiel hierfür ist das Diskriminierungsverbot in Artikel 6, das nicht definiert, welche Praktiken genau diskriminierend sein können. Insgesamt wird die Internationalität der Genomforschung nicht genügend berücksichtigt. Zu häufig wird bei Herausforderungen auf nationale Regelungen hingewiesen, bei deren Bewältigung vielmehr internationale Standards notwendig wären. Vor allem ist in Bezug auf die transnationalen Aspekte der Genomforschung die Empfehlung verfehlt, dass Forschungsprotokolle nach nationalen Standards beurteilt werden können (Art. 5 d). Artikel 9 erlaubt es, die Einwilligung der Betroffenen und die Vertraulichkeit der Daten durch nationale Gesetze einzuschränken. Zwar wird dies nur zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und nur aus zwingenden Gründen im Rahmen des Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen erlaubt, der Artikel stellt aber eine Öffnungsklausel dar, die den Mitgliedstaaten weite Entscheidungs- und Handlungsspielräume einräumt, denn die zwingenden Gründe für diese Einschränkungen werden nicht erläutert.216 Welche Maßnahmen die Staaten ergreifen sollten, um die Forschungsergebnisse auch Entwicklungsländern zugänglich zu machen, wird zudem nicht konkretisiert (Art. 19 a iv). Beim Datenschutz (Art. 7), bei der Wiedergutmachung für Schäden (Art. 8) und beim Diskriminierungsverbot (Art. 6) sind zudem gar keine Hinweise auf konkrete Regelungen zu finden.

214  Harris / Keywood,

S. 415 ff., S. 426 ff. in: Mieth, S. 361. 216  Stellmach, in: Emmrich, S. 323. 215  Mieth / Düwell,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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b) Internationale Erklärung über humangenetische Daten von 2003 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC Vor allem aufgrund der durchgeführten Konsultation während der Erarbeitung der zweiten Deklaration über humangenetische Daten durch den IBC sind Umstrukturierungen, Erweiterungen und Umformulierungen im Text zu erkennen. Zuerst wurde ein erster Abschnitt, in dem genetisch-medizinische Begriffe definiert werden, aufgenommen. Eine Unterscheidung zwischen genetischen Daten, genetischen Informationen und Gewebe wurde vorgenommen. Bei der Bestimmung der Zielsetzung und des Geltungsbereichs nutzte der IBC die Möglichkeit, den Fokus der Deklaration auf den Schutz der Menschenwürde, Menschenrechte und Grundfreiheiten zu richten. Zudem erhob er den Anspruch, die nationalen Gesetzgebungen durch die Verabschiedung von Prinzipien zu lenken und beteiligten Institutionen und Einzelpersonen Richtlinien für die Gestaltung einer guten Praxis im Anwendungsbereich der Deklaration zu bieten. Des Weiteren wurde der Hinweis auf eine gemeinsame Verarbeitung humangenetischer Daten, welche im Rahmen der Implementierung der Deklaration festgelegt wurde, um die Förderung der ethischen Bildung ergänzt und der UNESCO wurde eine zusätzliche Nachverfolgungspflicht der Deklaration auf Basis der Respektierung der Menschenwürde, Menschenrechte und Grundfreiheiten auferlegt (Art. 26). Ein genetischer Determinismus wurde dadurch entkräftet, dass bei der Bestimmung der personalen Identität in Artikel 2 der Begriff „determiniert“ vermieden wurde und die Formulierung „zusammengesetzt von“ verwendet wurde. Die Begründung für den speziellen Status genetischer Daten wurde nun auch um die Aussage ergänzt, dass genetische Daten das Potenzial haben, Informationen zu enthalten, deren Bedeutung zum Zeitpunkt der Probenentnahme nicht bekannt ist. Die Individualrechte wurden an verschiedenen Stellen gestärkt. Artikel 6 über die Datenerhebung wurde durch Vorschriften ergänzt, die klare Vorgaben für die Gestaltung der Aufklärung im Rahmen einer informierten Einwilligung und für den Widerruf des Einverständnisses festlegen. Eine ähnliche Ergänzung erfuhr Artikel 10 über die Gestaltung der genetischen Beratung nach der Untersuchung. Die Vorschriften über die informierte Einwilligung selbst wurden durch Vorschläge für ihre Gestaltung bei Minderjährigen ergänzt. Im Fall eines Widerrufs der Einwilligung – der nun ohne zeitliche Eingrenzung erfolgen kann – sollten die Daten und Proben an den Betroffenen herausgegeben oder gelöscht werden. Die Vertraulichkeit genetischer Daten wurde nun auch in solchen Fällen verstärkt geschützt, in denen die Daten nicht mehr einer Person zugeordnet werden können. Im

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Abschnitt über die Speicherung der Daten wurde bei der Regelung zur Vernichtung der Daten zusätzlich die Option aufgenommen, dass eine Vernichtung auch auf Wunsch des Betroffenen durchgeführt werden kann.217 Insgesamt forschungsfreundlicher wurde allerdings der Teil über die Nutzung genetischer Daten. Der Verkehr genetischer Daten und die internationale Kooperation in Bezug auf ihren Austausch wurden zwar nicht mehr unter dem Titel „Free-Circulation“ geführt, was nahelegt, dass nicht der Datenverkehr an sich frei gestaltet werden soll, sondern die Wissenschaftler den freien Verkehr unter Berücksichtigung des Vertraulichkeitsprinzips fördern sollten.218 Die Vorschriften zu den vom ursprünglichen Ziel abweichenden Anwendungen und Speicherungen wurden allerdings durch Hinweise auf nationale Regelungen gelockert. Eine die Genforschung unterstützende zusätzlich aufgenommene Maßnahme ist auch der Hinweis an die Mitgliedstaaten, sich im Rahmen von bi- und multilateralen Kooperationen darum zu bemühen, das Wissen über humangenetische Daten an Entwicklungsländer weiterzugeben.219 An dieser Stelle soll festgehalten werden, dass während der Entwurfsausarbeitung im IBC zwar die meisten, aber nicht alle grundlegenden Vorschläge aus den Beratungen angenommen wurden. Eine Klarstellung über das Eigentum am Genom wurde; ebenso wenig wie die Klärung der Frage über die Kommerzialisierung des Genoms nicht geleistet. Die Annahme einer ausführlichen Empfehlung zu den Rechten von Bevölkerungsgruppen, von der an ihnen durchgeführten Forschung zu profitieren, wurde abgelehnt. Ebenso wurde in der Präambel kein Hinweis auf relevante Dokumente des WMA – trotz solcher Vorschläge – eingefügt. Eine Erweiterung der Empfehlung auf Drittpersonen, die keinen Zugang zu den genetischen Daten eines Betroffenen bekommen können, wurde nicht vorgenommen. Den Massenmedien wurde entgegen den Vorschlägen keine Pflicht auferlegt, ethisches Wissen in Bezug auf das menschliche Genom zu verbreiten.220 bb) Die Finalisierung durch den IGBC und die Regierungsexperten Auf dem Treffen der Regierungsexperten im Juni 2003 wurde die zweite Deklaration finalisiert. Grundsätzlich wurde erneut eine Abschwächung des 217  Vgl. die Dokumente UNESCO IBC, „Revised Outline“ (3. Teil, Fn. 149) und UNESCO IBC, „Preliminary Draft“ (3. Teil, Fn. 153). 218  Id. 219  Id. 220  Siehe die Vorschläge in den Dokumenten der UNESCO (3. Teil, Fn. 154 und 156).



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Wortlauts vereinbart. „Shall“ sollte an geeigneten Stellen durch „should“ oder „may“ ersetzt werden, wobei „should“ an den Stellen beibehalten werden sollte, bei denen es um die Rolle und Aufgaben des IBC und des IGBC geht. Hinsichtlich der Formulierungen, die eine Datenerhebung und genetische Beratung betreffen wurde vorgeschlagen, weder „shall“ noch „should“ zu verwenden, sondern eher die Formulierungen „it is ethically imperative“ („es ist ethisch imperativ“) oder „every effort should be made“ („alle denkbare Anstrengungen sollten unternommen werden“) aufzunehmen.221 Viele Regierungsexperten beschwerten sich über die Nichtvereinbarkeit der Empfehlungen mit nationalen Regelungen. Diese Beschwerden bezogen sich vor allem auf die Rolle nationaler Ethikkommissionen, die Vernichtung genetischer Daten, den Vorteilsausgleich und die Sammlung von Daten im Rahmen von Gerichtsverfahren. Daraufhin wurden Lockerungen und Verweise auf nationale Regelungen in den Text eingebaut. Den Vorteilsausgleich betreffend wurde erneut betont, dass seine Regelung vor allem mit den jeweiligen nationalen Vorschriften zum Patentwesen vereinbar sein soll, um unter anderem zu ermöglichen, dass Forscher weiterhin populationsbasierte genetische Studien insbesondere mit Teilnahme von indigenen oder ländlichen Bevölkerungsgruppen durchführen. Demnach müssen die Empfehlungen über den Vorteilsausgleich, der einem Spender aufgrund der Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse zukommt, die aufgrund seiner Proben gewonnenen wurden, mit nationalen Regelungen vereinbar sein (Art. 19).222 Weitere Änderungen, die durch die Regierungsexperten eingefügt wurden, betreffen den speziellen Status genetischer Daten, der nun bereits in der Präambel angesprochen wird. Ebenso wurde die Präambel um eine Betonung der Schwierigkeit ergänzt, die Widerrufbarkeit der Einwilligung bei der wachsenden Zahl persönlicher Daten, die über einen Patienten oder Probanden gesammelt werden, zu gewährleisten. Neben einer Erweiterung der Definitionen, die nun hinter den Bestimmungen über Zielsetzung und Geltungsbereich eingefügt wurden, ist noch auf die Änderung hinzuweisen, dass bei der Bestimmung der personellen Identität eine feinere Formulierung gewählt wurde. Diese „beinhaltet“ nur noch die aufgezählten, sie beeinflussenden Faktoren. Zudem wurde das Recht auf Nichtwissen auf die betroffenen Verwandten ausgeweitet.223 221  UNESCO, Meeting of Government Experts Responsible for Finalizing the Draft International Declaration on Human Genetic Data. Final Report, Paris, 25.– 27. / 28.–29.06.2003, SHS / EST / 03 / CONF.203 / 6, S. 5, III.19. 222  Id., S. 5 ff., III.20.; S. 8, III.32. 223  Vgl. Die Dokumente UNESCO IBC „Preliminary Draft“ (3. Teil, Fn. 147) und UNESCO „Draft Final Report and Draft Declaration, Meeting of Government Experts Responsible for Finalizing the Draft International Declaration on Human Genetic Data“, SHS / EST / 03 / CONF.203 / 6 (Prov.).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

cc) Die verabschiedete Erklärung 2003 Die sehr zügig erarbeitete und verabschiedete Erklärung über humangenetische Daten stellt eine Ergänzung zu der ersten Deklaration aus dem Jahr 1997 dar. Wie in der ersten Deklaration bleibt auch in der zweiten der menschenrechtliche Referenzrahmen und der Bezug auf die Menschenwürde erhalten; bereits die Präambel enthält einen Verweis auf die AEMR und die beiden Menschenrechtspakte. Dieses Bekenntnis manifestiert sich auch in Artikel 1. Die Konkretisierung des Referenzrahmens gliedert sich in sechs Kapitel. Nach den allgemeinen Definitionen und Vorschriften widmet die Erklärung der Aufarbeitung genetischer Daten jeweils ein Kapitel (Sammlung, Verarbeitung, Nutzung, Speicherung). Ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit der Umsetzung der Deklaration. Die Hinweise in der Präambel darauf, dass der Informationsgehalt humangenetischer Daten kontextabhängig ist, sowie auf das zum Zeitpunkt der Datengewinnung nicht vermutete prädiktive Potenzial humangenetischer Daten in Artikel 4 der Erklärung stellen in Bezug auf eine vollständige Genomsequenzierung wichtige Erkenntnisse dar.224 Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf umfassende Bezüge des Umgangs mit Daten und umfasst sowohl die Forschung als auch die klinischen Kontexte. Die Anwendung prädiktiver genetischer Tests wird allerdings auf die Diagnostik und das Gesundheitswesen sowie auf Forschungszwecke beschränkt (Art. 5). Die Begriffe „Diagnostik“ und „Gesundheitswesen“ implizieren klinisch-medizinische Kontexte, demnach sogenannte Direct-toConsumer Tests (DTC-Tests) nicht vom Anwendungsbereich umfasst sind. Angesichts des sich rasant entwickelnden Marktes privater Gentestangebote ist dies sicherlich ein Defizit. Die Vorschriften beziehen sich sowohl auf die biologischen Proben als auch auf die daraus gewonnenen genetischen Daten (Art. 1 c). Im Dokument sind allerdings einige Divergenzen zu entdecken. Obwohl den Gewebeproben (biological samples) ein entscheidender Wert als Träger genetischer Informationen zukommt, nehmen manche einschlägigen Empfehlungen keinen Bezug auf diese (wie Art. 5 „Zwecke der Sammlung“). Die Forschungsfreiheit wird in der Präambel und in Artikel 1 unter „Ziele und Geltungsbereich“ jeweils als Teil der Meinungsfreiheit hervorgehoben. Die Stellung der Person und ihre Identität betreffend erteilt Artikel 3 eine eindeutige Absage an den genetischen Determinismus und hebt die Aspekte der persönlichen Freiheit hervor, die die menschliche Individualität neben anderen Faktoren beeinflussen. Von den Aspekten der persönlichen 224  Nr. 5

Präambel und Art. 4 a (iii) UNESCO 2003 (1. Teil, Fn. 691).



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Freiheit werden insbesondere die erzieherischen, umwelt- und umgebungsbedingten sowie personellen Faktoren zusammen mit emotionalen, sozialen, spirituellen und kulturellen Bindungen hervorgehoben. Die unmittelbar auf diese Absage folgende Erläuterung über den speziellen Status humangenetischer Daten berücksichtigt nur mittelbar ihre Bedeutung für die personale Identität expliziert dies allerdings nicht ausführlich. Deutlicher kann die Auffassung über diese Herausforderungen durch Erläuterung der Patientenrechte werden, welche die Deklaration besonders schützt. Jede das menschliche Genom betreffende Forschungs-, Behandlungs- und diagnostische Maßnahme hat nur mit vorheriger, freier, ausdrücklicher und nach fachgerechter Aufklärung erteilter Einwilligung der betroffenen Person zu erfolgen. Die Aufklärung soll angemessen sein und hat in verständlicher Form zu erfolgen. Sie soll die Risiken und Konsequenzen der Untersuchung beinhalten (Art. 6 d und Art. 8 a UNESCO 2003). Wie bereits thematisiert, ist eine fachgerechte Aufklärung im Fall einer vollständigen Sequenzierung des Genoms äußerst problematisch.225 Die zentrale Stellung des erklärten Willens der Betroffenen in der Deklaration (Art. 8) wird auch für den Fall einer neuen oder von dem ursprünglichen Ziel abweichenden Anwendung der Proben oder Daten festgehalten (Art. 16 u. 17). Die hierdurch eröffneten Interpretationsräume rücken die inhaltliche Ausgestaltung des Informed Consent in den Mittelpunkt der Betrachtung226; Hinweise auf eine feingliedrige Ausgestaltung der Einwilligung werden allerdings nicht geleistet. Die Empfehlungen spiegeln lediglich den internationalen Grundkonsens über die informierte Zustimmung wider, beinhalten aber keine zusätzlichen Hinweise, welche die Besonderheiten der Humangenetik berücksichtigen würden. Demnach sind sie von minderer Bedeutung. Auch ist zu bedenken, dass Artikel 17 die Tür zu sehr allgemein formulierten Einwilligungserklärungen öffnen kann (sogenannten „open consent“). In Bezug auf den Widerruf der Einwilligung stellt Artikel 9 eine wenig sinnvolle Lösung im Kontext der Genomsequenzierung dar, bei der eine unwiederkehrbare Anonymisierung nicht nur angesichts der oft translationalen Forschungsziele nicht gewollt, sondern auch unmöglich ist.227 Das Verbot der weiteren Nutzung der genetischen Daten bei einem Widerruf gilt nur, wenn die Daten nicht unumgänglich anonymisiert worden sind. Zwar ist dies bei einer Sequenzierung immer der Fall, das Verbot schließt aber die Fortsetzung der Speicherung nicht mit ein (Art. 9 a). Es bleibt dann fraglich, warum eine Speicherung zugelassen wird, wenn die Nutzung ausgeschlossen ist, und es bleibt ungeklärt, wie die 225  Siehe

§ 5 II.3. Spranger, S. 180. 227  Siehe § 5 I.4. 226  So

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Speicherung ermöglicht und gleichzeitig verhindert werden kann, dass die Daten weiterhin erforscht werden. Die Optionen, die als Konsequenz eines erfolgreichen Einwilligungswiderrufes erläutert werden, beinhalten nicht die Herausgabe und Löschung der Daten. Diese stellen aber in der akademischen Literatur befürwortete Lösungen dar. Die aufgelisteten Lösungsmodelle können nur in dem Fall eine wahre Option der weiteren Datenbehandlung darstellen, wenn im Falle ihrer Nicht-Anonymisierbarkeit die Daten gemäß dem Wunsch des Betroffenen behandelt werden sollen. Der Wunsch kann allerdings nicht berücksichtigt werden, wenn er nicht eindeutig ­bestimmbar, nicht ausführbar oder als unsicher gilt. Es wird nicht näher bestimmt, was genau unter diesen Voraussetzungen zu verstehen ist. Der Wunsch des Betroffenen könnte als unsicher gelten, wenn die Herausgabe die Rechte der Forscher verletzt, aber auch dann, wenn Missbrauchsmöglichkeiten durch die Herausgabe nicht auszuschließen wären. Ein Anspruch auf Herausgabe kann demnach letztendlich sehr einfach abgelehnt werden (Art. 9 b und c).228 Der IBC hat das Prinzip der Widerrufbarkeit der Einwilligung in seinem vorbereitenden Bericht bereits erläutert.229 Hier wird für den Fall eines Widerrufs auch die Möglichkeit der Herausgabe aller identifizierbar gespeicherten Daten erwogen. Wie dies bei umfassenden Genomanalysen zu handhaben wäre, wenn Ergebnisse bereits veröffentlicht, weitergeleitet oder in Datenbanken gespeichert worden sind, ist allerdings nach jetzigem Stand der Technik nicht nachvollziehbar und stellt somit eine kaum umsetzbare Lösung dar. An dieser Stelle ist auch auf die Empfehlung einzugehen, dernach die betroffene Person vor eventuellen Nachteilen als Konsequenz eines Einwilligungswiderrufs bewahrt werden soll (Art. 6 d). Da viele gesundheitsrelevante Mutationen zum Zeitpunkt einer ersten vollständigen Sequenzierung unbekannt sind, in naher Zukunft jedoch entschlüsselt werden können, ist zu überlegen, ob diese Empfehlung in sich nicht widersprüchlich ist. Durch weitere Forschung an den Daten können sich schließlich therapie- oder präventionsrelevante Erkenntnisse für den Patienten oder seine genetisch Verwandten ergeben. Wäre es in diesem Fall nicht eher ein Nachteil, wenn die Daten nicht länger genutzt werden würden? Eine nicht vollständig anonymisierte langzeitige Aufbewahrung der Sequenzdaten, die eine Identifizierung der betroffenen Person ermöglicht, ließe sich im neuen Kontext der Ganzgenomsequenzierung medizinisch leicht rechtfertigen. Wegen der Entwicklung in der wissenschaftlichen Interpretation der Daten ist ihre kontinuierliche Auslegung notwendig, um die Anwendung der neuen Technologie mit einer tatsächlichen Steigerung des 228  Spranger, 229  UNESCO

S. 187. IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), Nr. 52.



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Patientenwohls zu rechtfertigen.230 Für welche Dauer die verlinkte Speicherung praktisch notwendig ist, um die Ziele der ursprünglichen Datenerhebung oder der darauffolgenden Weiterleitung zu erreichen, ist in diesem Bezugsrahmen schwer zu definieren (vgl. Art. 14 e). Nicht nur das Recht auf Nichtwissen der untersuchten Person, sondern auch das Recht auf Nichtwissen seiner Angehörigen wird anerkannt, wobei der hier potenziell entstehende Konflikt zugunsten des Rechts auf Kenntnisnahme der eigenen genetischen Disposition des Betroffenen entschieden wird.231 Informationen können jedoch niemandem aufgezwungen werden. Über ein Recht auf Wissen der genetisch Verwandten fehlt in diesem Artikel jegliche Angabe. Es wird sogar in Artikel 14, welcher Empfehlungen über die Vertraulichkeit und Privatheit genetischer Daten enthält, die Familie explizit als ein „Dritter“ eingestuft: Ihnen sollten Daten und Proben nicht offenbart oder zugänglich gemacht werden. Dies entspricht nicht dem Großteil nationalstaatlicher Regelungen, nach welchen der Arzt zumindest im Rahmen der genetischen Beratung dem Patienten empfehlen soll, seinen Angehörigen ebenfalls die Inanspruchnahme einer genetischen Beratung nahezulegen.232 Die Erklärung bezeichnet die genetische Beratung zunächst zwar als ethisch zwingend erforderlich. Die „Soll“-Formulierung einer genetischen Beratung des Betroffenen bei bedeutenden Konsequenzen der Untersuchung stellt aber eine zu vage Verpflichtung dar, weil nicht definiert wird, welche Art von Konsequenzen darunter zu verstehen sind. Sie soll darüber hinaus im Einklang mit dem bestmöglichen Interesse der betroffenen Person stehen (Art. 11). Die Unmöglichkeit einer erschöpfenden Beratung wurde bereits aufgezeigt.233 Demnach können dem Patienten die vollständigen Informationen, die er für eine autonome Lebensführung nach der Sequenzierung bräuchte, oft nicht zur Verfügung gestellt werden. Sollte daher der Arzt über das bestmögliche Interesse des Patienten entscheiden?234 Gleichermaßen vage ist die Formulierung „notwendige Vorkehrungen“, die zum Schutz der Privatheit getroffen werden sollten (Art. 14 lit. c). Es wird empfohlen, die Aufbewahrung genetischer Daten in einer Form fortzusetzen, die die (Re-)Identifizierung des Betroffenen erlaubt, solange dies für die Erreichung der Forschungsziele erforderlich ist. Trotz der Nicht-Anonymisierbarkeit genetischer Sequenzen sowie unter Beachtung der diagnostisch-therapeutischen Ziele translationaler Forschung erscheint diese EmpArt. 19 a (ii) UNESCO 2003 (1. Teil, Fn. 691). die Einschränkung des Rechts auf Nichtwissen im Kontext der Schadenszufügung Anderer siehe die Analyse von Wilson, S. 492 ff., S. 495 ff. 232  § 10 GenDG, § 70 Nr. 1 GTG (Österreich). 233  Vgl. § 5 II.3. 234  Zum Paternalismus im medizinischen Kontext: Schöne-Seifert (2007), S. 50 ff. 230  Vgl. 231  Für

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

fehlung ohne weitere Spezifizierung der Voraussetzungen und Modalitäten dieser Aufbewahrung Risiken zu bergen. Vor allem ist daran zu erinnern, dass die Genomsequenzierung und die Auslesung der genetischen Informationen ein dynamischer, sukzessiver Prozess ist, deren Ziele fortdauernd neu definiert werden. Darüber hinaus werden außer dem Recht auf Nichtwissen (Art. 10) keine Rechte der betroffenen Patienten ausformuliert.235 Fraglich ist daher zunächst, ob die wesentliche Dimension des Datenschutzes – der Patientenschutz – überhaupt genügend wahrgenommen wird. Vor allem erlauben genetische Daten eine einzigartig genaue Abbildung des Persönlichkeitsprofils, in welchem der gegenwärtige Gesundheitszustand und seine künftige Entwicklung erfasst werden können. Da die einzelnen Rechte der Betroffenen weitgehend unerwähnt bleiben, ist fraglich, inwieweit die Hinweise auf den menschenrechtlichen Referenzrahmen einen ausreichenden Schutz der Betroffenen leisten können. Auch ist die Vorrangstellung des menschlichen Wesens innerhalb der Deklaration nicht gelungen und eine Instrumentalisierung des Menschen nicht explizit untersagt worden. Ein transparenter Umgang mit humangenetischen Daten ist ethisch geboten (Art. 6 a). Allerdings bedarf es zur Erfüllung dieses Gebots im Kontext umfassender Genomanalysen – vor allem wegen der Beteiligung internationaler Forschungsorganisationen – besonderer Maßnahmen und die Berücksichtigung der federführenden Rolle ebenfalls international auf­ gelegter großer medizinischer Projekte, die eine Standardsetzung voran­ treiben. Mit Blick auf die zunehmend internationalisierten Forschungskooperationen wird vorgeschlagen, bei grenzüberschreitenden Forschungsvorhaben die zuständigen Ethikkommissionen aller betroffenen Staaten zu konsultieren (Art. 6 c). Die vorgeschlagene Lösung wird allerdings durch die Formulierung „wenn angemessen“ („where appropriate“) sowie die Bindung solcher Vorgänge an die Prinzipien der Deklaration durch den Hinweis auf die ethischen und juristischen Standards der Mitgliedstaaten abgeschwächt. Die Standards der Mitgliedstaaten werden durch die Empfehlungen der Deklaration nicht vereinheitlicht, denn sie haben die gleiche Stellung wie die Prinzipien der Deklaration selbst (Art. 6 c). Im Ergebnis ist bei fast allen Empfehlungen ein Hinweis auf die nationalen Regelungen zu finden. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten sind die Empfehlungen insgesamt wenig geeignet, universelle Lösungen für die Herausforderungen der medizinischtechnischen Entwicklung im Bereich der Genetik zu vermitteln.

235  „[…],

this is regrettable.“ Abbing, S. 93 ff., S. 93.



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Artikel 18 der Deklaration ruft die Staaten auf, den grenzübergreifenden Austausch humangenetischer Daten und den internationalen Kooperationsrahmen zu regulieren. Als Ziel der Regulierung wird lediglich die Gewährleistung des fairen Zugangs zu den Daten genannt, der Integritätsschutz der Person wird hingegen nicht erwähnt. Der Artikel entfaltet eine Wirkung ähnlich zu selbstregulierenden Standardsetzungen durch die Wissenschaftlergruppen (Art. 18 lit. c.), weil er vorsieht, kooperative Beziehungen zwecks Daten- und Wissensaustauch zu unterstützen, aber die genaue Berücksichtigung ethischer Herausforderungen stets den Adressaten überlässt. c) Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte von 2005 aa) Die Ausarbeitung durch den IBC Im Vorfeld der Ausarbeitung der Deklaration durch den IBC wurde zuerst die grundsätzliche Vorstellung der Mitgliedstaaten zum Vorhaben eruiert. In einem Fragebogen wurde unter anderem der Frage nachgegangen, ob der Geltungsbereich der Deklaration auf das menschliche Wesen eingeschränkt werden soll. Lediglich 34% der Antwortenden bejahte dies (der Rest plädierte dafür, auch die Biodiversität und die Biosphäre (80%), die gentechnisch veränderten Organismen (GMOs, 83%) oder die Nutzung von Tieren bei Transplantationen (92%) im Geltungsbereich zu berücksichtigen).236 Die große Mehrheit schlug vor, in der Deklaration – soweit möglich – auch spezifische Themen anzusprechen. Das Ziel sollte aber bleiben, allgemeinen Prinzipien zu verabschieden, die auf einen großen Konsens stoßen.237 Aus dem Kreis der Vertreter der nationalen Ethikräte wurde der Vorschlag entwickelt, eine Hierarchie der zu verabschiedenden Prinzipien zu entwickeln und zu unterscheiden, welche Prinzipien keine Ausnahmen erlauben und welche kulturell bedingte Interpretationsräume zulassen würden.238 Generell wurde vorgeschlagen, dass ein Konsens über spezifische Themen in spätere, weiterentwickelte Versionen der Deklaration aufgenommen werden sollten. Keine eindeutige Zustimmung fand die Verabschiedung von Prinzipien, die Einzelpersonen unmittelbare Pflichten auferlegen würden. 236  Exekutivrat, 170 EX / 9 / Dec. 3.5.1: Report by the Director-General on the Drawing up of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 20.08.2004, S. 1, Nr. 6. 237  Vgl. UNESCO, Results of the Written Consultation on the Third Outline of the Text of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 27.08.2004, SHS2005 / WS / 15, S. 1 ff. 238  Id., S. 74 ff.; UNESCO IBC, Extraordinary Session (3. Teil, Fn. 163), S. 5, Nr. 25.

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Eine allgemeine Formulierung oder eine Formulierung, in der die Mitgliedstaaten die Adressaten sind, sollte stets bevorzugt werden.239 Die Forderung von Norwegen, von der WHO und von bestimmten religiösen Repräsentanten, eine Definition des Menschen und weiterer grundlegender Begriffe zu verabschieden, wurde nicht umgesetzt.240 Der Nuffield Council on Bioethics (NCB) verlangte in dieser Phase vergeblich eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen den Begriffen „human being“ und „human person“.241 Erhebliche Kritik kam von der WHO, die einen stärkeren Fokus auf die neuen Herausforderungen der Wissenschaft verlangte. Zudem fand sie, dass die vielfache Heranziehung von Menschenrechten zwar den Eindruck erhebt, dass die Deklaration ein Menschenrechtsdokument sei, das fehlende Berichts- und Kontrollsystem diesen Anspruch aber unterliefe.242 Auf diese Kritik wird in dem Teil vorliegender Arbeit, der die Umsetzung behandelt noch ausführlich eingegangen, denn sie wurde durch die weitere Überarbeitung der Deklaration nicht entkräftet. Bereits in dieser Phase wies die OECD auf Schwierigkeiten einer informierten Einwilligung im Kontext der Genetik hin.243 Die Repräsentanten medizinischer Fachverbände wiesen in ihrer gemeinsamen Erklärung auf Praktiken in Bezug auf die informierte Einwilligung hin, die keinen herkömmlichen medizinischen Eingriff voraussetzen.244 Der Nuffield Council on Bioethics ging in ihrer Stellungnahme ebenfalls auf die Schwierigkeiten eines „fully informed consent“ und die Wichtigkeit des Informed-Consent-Prozesses ein.245 Zudem soll festgehalten werden, dass ungewöhnlicher Weise eher europäische Nichtregierungsorganisationen die westliche oder anthropozentrische Schwerpunktsetzung der Deklaration kritisierten und nicht die Nichtregierungsorganisationen aus Entwicklungsländern.246 Zumindest war sich die Arbeitsgruppe darüber einig, dass die universellen Menschenrechte aufgrund kultureller Unterschiede nicht in Frage gestellt werden dürfen und dass kein Prinzip der Deklaration benutzt werden dürfe, um andere Prinzipien einzuschränken.247 Sinnvoll 239  UNESCO

IBC, id., S. 4, Nr. 19. Results of the Written Consultation (3. Teil, Fn. 237), S. 7, S. 37; UNESCO IBC, Proceedings, Eleventh Session (3. Teil, Fn. 158), S. 153. 241  UNESCO, id., S. 78. 242  Id., S. 37. 243  Id., S. 45. 244  Human Genetics Commission, Medical Research Council, Royal College of General Practitioners, Wellcome Trust, UNESCO, id., S. 62. 245  UNESCO, id., S. 82. 246  UNESCO, id., S. 54, S. 56. Abgesehen von den Repräsentanten der Religionen, speziell die des Konfuzianismus. UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 166), S. 120. 247  UNESCO (3. Teil, Fn. 170), S. 7. In der Sonderausgabe der renommierten Zeitschrift „Developing World Bioethics“, die sich der Bewertung der Deklaration 240  UNESCO,



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scheint die Forderung nach Priorisierung und Balancierung gegensätzlicher Prinzipien, um eine bessere Orientierung zu gewährleisten; diese Forderung wurde aber nicht umgesetzt.248 Trotz der Nichtberücksichtigung vieler guter Vorschläge kann festgehalten werden, dass auf dem Weg zur vierten Version des Textes, die der IBC erarbeitet hat, wesentliche Änderungen vorgenommen wurden. Zuerst wurde der Titel verändert, nach welchem die universelle Deklaration nicht die Bioethik und Humanität, Menschheit oder Menschen, sondern die Bioethik und Menschenrechte behandeln soll. Die Präambel wurde wesentlich erweitert. Sie erhielt verschiedene Hinweise, unter anderem auf die Herausforderungen für das Verständnis des Lebens und für das Leben selbst, die mit den Entwicklungen in den Lebenswissenschaften einhergehen. Auch wurde eine Passage über die Fähigkeit des Menschen aufgenommen, seine eigene Existenz zu reflektieren, Verantwortung zu übernehmen und ein moralisches Bewusstsein aufzuzeigen, das ethischen Prinzipien einen Sinn verleiht. Auf die Notwendigkeit, allgemeine universelle Prinzipien als Antworten auf die Herausforderungen der Wissenschaft zu entwickeln, wurde ebenfalls hingewiesen. Die auftretenden ethischen Herausforderungen sollten unter Beachtung der Menschenwürde und Menschenrechte analysiert werden, aber auch unter dem Hinweis, dass die UNESCO die demokratischen Prinzipien, vor allem die Gleichheit, gemäß ihrer Verfassung fördern soll. Außerdem erhielt der operative Teil Definitionen der wichtigsten wissenschaftlichen Begriffe, darunter auch eine Definition der Bioethik. Der Geltungsbereich und die Ziele wurden erweitert, indem die Menschenwürde, Menschenrechte, insbesondere aber das Gleichheitsprinzip mehrfach überhaupt oder expliziter zur Geltung gebracht wurden. Unter den allgemeinen Prinzipien wurde hervorgehoben, dass das Wohl und die Interessen der Person jederzeit Vorrang vor den Interessen der Wissenschaft oder der Gesellschaft genießen. Der ursprünglich hierzu gehörende Titel „Primacy of the Human Person“ wurde aber gelöscht, um gemäß der Kritik der WHO utilitaristische Konnotationen zu vermeiden.249 Die Aufteilung der dritten Version zwischen fundamentalen, abgeleiteten und prozeduralen Prinzipien wurde nicht beibehalten. Stattdessen wurde zwischen allgemeinen Prinzipien und Prinzipien für die Umsetzung unterschieden. Viele von den früher als „abgeleitet“ bezeichneten Prinzipien widmete, waren es die beiden nicht-westlichen Autoren, die den Menschenrechts­ ansatz der UNESCO in Schutz genommen haben; einer von ihnen hat sogar die Deklaration dahingehend kritisiert, dass die Universalität der Menschenwürde und der Menschenrechte besser herausgestellt werden sollte. Asai / Oe, S. 216 ff.; JingBao, S. 251 ff. 248  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 158), S. 153. 249  UNESCO (3. Teil, Fn. 237), S. 44.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

wurden nun bei den allgemeinen Prinzipien eingeordnet und nach vorne gestellt, es wurden aber auch neue Prinzipien aufgenommen. Insgesamt wurde in dem die Prinzipien behandelnden Teil mehr die Person und ihre Autonomie in den Fokus gerückt. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Bioethik und Menschenrechten sind die ursprünglich als „fundamental“ bezeichneten Prinzipien als zum ius cogens (sic!) gehörenden Grundprinzipien definiert worden, die durch andere Prinzipien nicht gerechtfertigt werden und daher nicht abgeleitet werden können.250 Der Teil über spezifische Fragestellungen, der in der dritten Version noch als ergänzungsbedürftig markiert war, wurde gelöscht. Dies entsprach der Ansicht der meisten Mitgliedstaaten, räumt aber die Kritik der WHO an vielen Stellen des allgemeinen Teils nicht aus, nach welcher dieser zu undeutlich und oft ohne konkreten Bezug ist.251 Bereits in dieser Phase erhielt die wörtliche Ausformulierung des Textes aufgrund des Vorschlages von Kanada und den Niederlanden eine Abschwächung. Überall wurde „should“ verwendet, außer wenn es um die Bekräftigung bereits bestehender Pflichten ging oder um die Aufgabenerteilung an die UNESCO selbst, da blieb die Anwendung von „shall“ bestehen.252 bb) Die Finalisierung durch den IGBC und die Regierungsexperten Die Kritik des IGBC zielte darauf ab, im Titel den Begriff „Norm“ zu vermeiden, um die Unverbindlichkeit der Deklaration zu betonen. Der Bezug auf die Menschenrechte im Titel wurde im Hinblick auf die Unverbindlichkeit ebenfalls unterschiedlich beurteilt, aber beibehalten. Die Repräsentanten der Mitgliedstaaten kritisierten, dass die Adressaten der Regelungen nicht immer klar seien.253 Da diese vorzugsweise die Staaten sein sollten, wurde der Adressatenkreis von Individuen und Gruppen als ein zweitrangiger Kreis dargestellt. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf die Menschen und eine spätere Verabschiedung von Regelungen für spezifische Themengebiete wurde als angemessen empfunden, wobei selbst in dieser Phase noch spezifische Themen aufgeworfen wurden, die in der Erklärung behandelt werden könnten. Zu diesen gehörten die Biopiraterie, der Schutz traditionellen Wissens und der Zugang zur Gesundheitsver250  ten

Have / Jean, in: dies, S. 32. (3. Teil, Fn. 237), S. 41 ff. 252  Vgl. die Texte des dritten und vierten Entwurfs: UNESCO (3. Teil, Fn. 158), S. 17 ff.; UNESCO IBC, Elaboration of the Declaration on Universal Norms on Bioethics: Fourth Outline of a Text, Paris, 15.12.2004, SHS / EST / 04 / CIB-Gred-2 / 4 Rev. 3. 253  UNESCO IGBC, Fourth Session (3. Teil, Fn. 168), S. 5, Nr. 13, S. 6, Nr. 18. 251  UNESCO



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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sorgung. Unterschiedlich wurde die Pflicht der Mitgliedstaaten, alle fünf Jahre Bericht zu erstatten, beurteilt. Vorbehalte wurden in Bezug auf die Rolle des IBC und des IGBC, die Berichte zu analysieren, geäußert. Diese Befugnisse der beiden Komitees wurden wieder aus dem Text herausgenommen. Eine Überprüfung der Deklaration wurde zudem weniger verpflichtend formuliert. Statt „will be adressed every five years“ wurde „should be adressed“ vorgeschlagen. Nicht zuletzt vermissten die Repräsentanten einen angemessenen Bezug zur Forschungsfreiheit.254 In der gemeinsamen Sitzung mit dem IBC wurde der Begriff der Bioethik weniger akademisch, sondern vielmehr mit strengerem Fokus auf die Politik ausformuliert, mit dem Ziel besser zur Geltung zu bringen, dass sie als Mittel dienen kann, Lösungen für ethische Fragen auf dem Gebiet der Lebens- und Sozialwissenschaften zu finden.255 Die Verbindlichkeit der Regelungen wurde weiter reduziert, indem erneut in die Wortwahl „shall“ – „should“ eingegriffen wurde. Es wurde klargestellt, dass „shall“ eine moralische Verpflichtung unterstreicht, die aber keine normative Verbindlichkeit der Deklaration impliziert. Die Möglichkeit, später weitere spezifische Deklarationen zu verabschieden wurde abgeschwächt. Statt „could be further developed“ wurde nun die Fomulierung „may be further developed“ gewählt. Die Gliederung wurde noch einmal umgestellt und es wurde nur noch zwischen Prinzipien und ihrer Umsetzung unterschieden. Die Regelungen zum Letzteren beinhalteten sowohl die ehemaligen Prinzipien der Implementierung als auch die prozessualen Vorschriften. Unter „Zielsetzungen“ wurde das Gebot eines gleichen Zugangs zur Gesundheitsversorgung nun mit dem Streben nach einem größtmöglichen Wissensaustausch gekoppelt. Die Begriffe „Person“ und „menschliches Wesen“ wurden nicht weiter geklärt und es wurde keine Aussage getroffen, dernach die Begriffe ähnlich verwendet werden sollten.256 Während der beiden Treffen des Komitees der Regierungsexperten wurde dem Text der letzte Feinschliff gegeben. Die Staaten und die restlichen Adressaten wurden klarer voneinander getrennt. Abgelehnt wurde die Rege254  UNESCO IGBC, Fourth Session (3. Teil, Fn. 168), S. 4 f., III.14 und 16; S. 5, III.13; S. 6, III.17 und 18; S. 8, V.27.7.iii.; UNESCO, Report of the Joint Session of the International Bioethics Committee of UNESCO and the Intergovernmental Bioethics Committee, Paris, 26.–27.01.2005, in: UNESCO IGBC, id., Annex VII, SHS / EST /CIB-CIGB / 05 / CONF.202 / 4, S. 63 ff., II.5. 255  UNESCO IGBC, Fourth Session (3. Teil, Fn. 168), S. 5, Nr. 15. 256  UNESCO, Report of the Joint Session (3. Teil, Fn. 254), S. 63 ff., S. 64, II.5; S. 66, II.13. Vgl. die Texte UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 252) und UNESCO IBC, Preliminary Draft (3. Teil, Fn. 169).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

lung des geistigen Eigentums. Zwei neue Prinzipien, der Schutz künftiger Generationen und der Respekt schutzbedürftiger Gruppen, wurden aufgenommen. Die spezifisch vorgeschlagenen Themen wie Organhandel, Handel mit genetischem Material und Bioterrorismus wurden aber nicht angenommen. Die Berichterstattungspflicht der Mitgliedstaaten, die regelmäßige Überprüfung der Deklaration und die Möglichkeit der Verabschiedung weiterer spezifizierender Deklarationen wurden aus dem Text entfernt. Die Kategorisierung der Geltungsbereiche der Prinzipien aufgrund von Begriffen wie Entscheidung („decision“) und Praxis („practice“), welche der IBC in der Hoffnung verwendet hatte, die Prinzipien konkretisieren zu können, wurden gelöscht. Ebenso wurden die Kontroll- und Berichterstattungspflichten des IBC und des IGBC aus dem Text herausgenommen. Mit einer expliziten Formulierung wurde bedacht, dass die Deklaration in Übereinstimmung mit den nationalen Regelungen ausgelegt werden soll. Bei der Einschränkung der Prinzipien wurde den Staaten ein größerer Einfluss eingeräumt, denn in den Entwürfen des IBC mussten die einschränkenden nationalen Gesetze alle Anforderungen noch kumulativ erfüllen und als zusätzliches Kriterium in einer demokratischen Gesellschaft auch erforderlich sein (Art. 5). Diese Voraussetzungen wurden gelöscht. Die Prinzipien, welche die praktische Entscheidungsfindung leiten sollten, wurden eingegrenzt; die Unabhängigkeit, die Vermeidung von Interessenkonflikten, die Verfügbarkeit der Entscheidungen für die Zivilgesellschaft und ihre Empfänglichkeit für eine pluralistische Debatte wurden nicht mehr erwähnt. Die inhaltliche Bindung der nationalen Ethikräte an die Prinzipien und Regeln der Erklärung durch den IBC wurde ebenfalls nicht angenommen.257 In der Präambel wurden Aspekte, die die Identität der Person betreffen, dahingehend konkretisiert, dass diese biologische, psychologische, soziale, kulturelle und spirituelle Dimensionen beinhalten. Eine Einigung über den Begriff der Bioethik konnte auch nach ausführlichen Debatten nicht erreicht werden. Demnach wurde die Definition aus der Endfassung herausgenommen.258 Einigkeit herrschte über die Rolle der Deklaration. Diese ist nicht als akademisches oder wissenschaftliches Vertragswerk anzusehen, sondern vielmehr als ein umfassendes Dokument zu verstehen, welches universelle Anliegen zum Ausdruck bringt und bestätigt, dass diese aus dem Miteinander von Wissenschaft, Medizin und Technologie entspringen.259 257  Vgl. die Texte: UNESCO IBC, Preliminary Draft (3. Teil, Fn. 169) mit der verabschiedeten Erklärung UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649). Siehe auch: UNESCO, First Intergovernmental Meeting (3. Teil, Fn. 170) und UNESCO, Second session (3.  Teil, Fn. 170). 258  ten Have / Jean, in: dies, S. 35. 259  Snead, S. 210 ff.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Thematisch mussten die Entwicklungsländer während des Erarbeitungsprozesses insgesamt Rückschläge einstecken: Die Aufnahme von Artikeln über soziale und ökonomische Entwicklungen wurden von Deutschland und den USA abgelehnt.260 Die von Repräsentanten lateinamerikanischer Staaten geforderten Regelungen zum reproduktiven Klonen, zur vorgeburtlichen Geschlechtsauswahl, Pharmakogenetik und zur Eingriffen in die Keimbahn, zum geistigen Eigentum sowie die Regelung zur Bestimmung wann Leben beginnt und endet wurden aufgrund ihrer kontroversen Beurteilungen nicht angenommen.261 Allerdings wurde das Recht, den höchstmöglichen Gesundheitsstandard zu genießen, als ein Menschenrecht benannt.262 cc) Die verabschiedete Erklärung 2005 In der Deklaration werden universell geltende Normen, Grundsätze und Verfahren auf dem Feld der Bioethik festgeschrieben. Der Vorschlag, spezifische bioethische Fragen durch die Deklaration zu regeln, hat sich im Gegensatz zu der Forderung, durch die Deklaration konkrete wissenschaftliche Entscheidungen anhand genereller Prinzipien zu fördern, nicht durchgesetzt. Angesichts der Uneinigkeit über eine Definition der Bioethik wurden als Geltungsbereich der Deklaration die ethischen Fragestellungen der Medizin, der Lebenswissenschaften und assoziierter Technologien in ihrer Anwendung auf den Menschen festgelegt, wobei ihre gesellschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Dimensionen berücksichtigt werden sollten (Art. 1 Abs. 1). Folglich wurden neben traditionellen, medizinethischen Prinzipien, die vor allem individuelle und interpersonelle Perspektiven berücksichtigen, auch solche Prinzipien verabschiedet, die die gesellschaftliche Entwicklung im Allgemeinen reflektieren.263 Obwohl der Begriff Bioethik im Titel beibehalten wurde, wurden weder die Bioethik selbst noch die als Geltungsbereich festgelegten „ethischen Fragestellungen“ definiert. Die Bezugnahme auf die Medizin, Lebenswissenschaften und mit diesen verbundene Technologien grenzt aber ein, welche ethischen Fragestellungen genau berücksichtigt werden können, und führt letztendlich zu einer Eingrenzung 260  UNESCO, Second Session (3. Teil, Fn. 170), compilation of proposed amendments submitted by member states, Paris, 06.06.2005, SHS / EST / 05 / CONG.204 / 5, S. 3 f., S. 38. 261  UNESCO IBC, Elaboration of the Declaration on Universal Norms on Bioethics: second outline of a text, Paris, 27.07.2004, SHS / EST / 04 / CIB-Gred-2 / 4 Rev. 1, S. 4; UNESCO IBC, Fifth Meeting of the IBC Drafting Group for the Elaboration of a Declaration on Universal Norms on Bioethics, Paris, 15.11.2004, SHS / EST / 04 / CIB-Gred-5 / 2, S. 2. 262  Art. 14. Abs. 2 UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649). 263  ten Have, in: Honnefelder / Lanzerath, S. 128.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

des Bioethikbegriffs selbst. Somit können ethische Fragestellungen in Bezug auf die Philosophie, das Recht und die Sozialwissenschaften im Allgemeinen nicht, sondern nur in Verbindung mit den im Geltungsbereich der Deklaration genannten Disziplinen eingebunden werden.264 Durch die Formulierung „in ihrer Anwendung auf den Menschen“ kommt zudem die Notwendigkeit ihrer auf den Menschen bezogenen Interpretation zum Ausdruck.265 Die Berücksichtigung der rechtlichen Dimension ethischer Fragestellungen inkorporiert das Völkerrecht, insbesondere die Menschenrechte, welche durch Artikel 3 verstärkt in die Entscheidungsfindungen eingebunden werden, in dem die Beachtung der Menschenwürde sowie der Menschenrechte und Grundfreiheiten in vollem Umfang vorgeschrieben wird. Die Anerkennung der Bioethik als Politik über eine akademische Disziplin hinaus begründet, warum die Staaten die Hauptadressaten der Deklaration blieben. Indem jedoch die bioethischen Prinzipien in den menschenrechtlichen Referenzrahmen eingegliedert werden, ist jedes Individuum Adressat, demzufolge die Deklaration auch das Handeln von Individuen, Gruppen, Gesellschaften, Institutionen und Unternehmen leiten soll. Wer der genaue Adressat ist, wird jeweils durch die Bestimmung der Anwendung eines konkreten Prinzips und seines jeweiligen Kontexts klar. Allerdings haben Individuen, soziale Gruppen oder Gesellschaften in der Regel keine homogenen Interessen, weshalb aus ihren Verhältnissen zueinander bereits normative Probleme entstehen können.266 Dies wird durch die Deklaration nicht berücksichtigt. Kern der Deklaration sind 15 Prinzipien (Art. 3–17), die verschiedene Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von unterschiedlicher Spezifizität zum Ausdruck bringen. Sie sind im Einklang mit den Zielen der Deklaration, die in Artikel 2 ausformuliert wurden, wobei die Ziele bei der genauen Auslegung der Prinzipien herangezogen werden können.267 Die Prinzipien erweitern schrittweise den Bezug auf das zu schützende moralische Objekt; von dem einzelnen menschlichen Wesen ausgehend über andere menschliche Wesen, Gesellschaften, die Menschheit als Ganzes bis zu allen Lebewesen und ihrer Umwelt. Manche Prinzipien können auf eine längere Tradition zurückblicken (Autonomie) oder wurden in vorausgegangenen Deklarationen bereits anerkannt (Teilhabe an wissenschaftlichen Errungenschaften). Innovativ ist die Deklaration durch die Balancierung individualistischer und 264  Kirby, Article 1: Scope, in: ten Have / Jean, S. 67 ff., S. 75. Dies wurde allerdings oft als Verletzung der Kompetenzen der WHO bewertet. Siehe nur: Williams, S. 212. 265  Kirby, Article 1: Scope, in: ten Have / Jean, S. 76. 266  Asai / Oe, S. 216 f. 267  Kirby, Art. 2: Aims, in: ten Have / Jean, S. 81 ff., S. 87.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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kommunitaristischer moralischer Prinzipien und durch die Festlegung zusätzlicher Prinzipien, die bei der Umsetzung der anderen beachtet werden sollten und die dadurch eine Ausstrahlwirkung auf die anderen Prinzipien der Deklaration haben.268 Diese sind Professionalismus, Ehrlichkeit und Transparenz bei der Entscheidungsfindung, die Einrichtung von Ethikkommissionen, die adäquate Risikoeinschätzung und -steuerung und die Forderung nach einer ethischen transnationalen Praxis, um die „Ausnutzung“ von Mitgliedstaaten zu verhindern, die noch keine Infrastruktur ethischer Entscheidungsfindung besitzen.269 Die abschließenden Empfehlungen setzten sich mit der Anwendung der Prinzipien (Art. 18–21) und der Förderung der Umsetzung der Deklaration (Art. 22–25) auseinander. Die finalen Passagen beschäftigen sich mit dem Verhältnis der Prinzipien zueinander und mit den Einschränkungsmöglichkeiten ihrer Geltung (Art. 26–28). In Bezug auf die Einstellung der Deklaration zur medizinischen und lebenswissenschaftlichen Forschung lässt sich Folgendes festhalten. Eine grundsätzlich positive Einstellung wird gegenüber der Forschung kundgetan. Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung wird anerkannt (Art. 2 para. iv); es wird vom Nutzen gesprochen, der aus der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung resultiert (Art. 2 para. iv) und aufgrund dessen die Lebenserwartung und die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen erreicht werden kann (Nr. 12 Präambel). Die Interessen und das Wohl des Einzelnen sollen Vorrang vor dem Interesse der Wissenschaft oder der Gesellschaft genießen (Art. 3). Zudem wird die Maximierung von Nutzen und die Minimierung von Schaden für die Patienten und Probanden vorgeschrieben (Art. 4). Der Vorrang des Einzelnen wurde bereits in der ersten Fassung der Helsinki-Deklaration 1964 und in der ersten UNESCO-Deklaration 1997 (Art. 10 UNESCO 1997) ausformuliert. Zwei Grundideen sollten durch diesen Vorrang zur Geltung kommen. Erstens soll die Wissenschaft kein Ziel an sich verkörpern, sondern immer im Dienste des individuellen und gesellschaftlichen Wohls stehen. Zweitens sollen die Menschen nicht zum Nutzen der Wissenschaft instrumentalisiert werden können.270 Allerdings gelang es nicht, diesen Schutz durch die adäquate Stellung der Person in der Deklaration und durch die Stärkung ihrer Rechte weiter auszubauen. Kritiker bemängeln, dass der erste Satz in der Präambel, welcher sich auf die einzigartigen Fähigkeiten des Menschen bezieht, ihn in einer unrealisti268  Hamdan,

in: ten Have / Jean, S. 255 ff., S. 255 f., S. 260. zu der Erweiterung des Bezugs: ten Have / Jean, in: dies: S. 39 f. 270  Andorno, in: ten Have / Jean, S. 91 ff., S. 93. 269  Auch

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

schen und idealisierten Weise darstellt.271 Zwar kann man an dieser Formulierung tatsächlich aussetzen, dass sie die angesprochenen Fähigkeiten des Menschen nicht als Möglichkeiten der Personenhaftigkeit erwähnt und damit den Menschen sehr eng bestimmt. Einerseits sind allerdings die aufgelisteten Eigenschaften keineswegs als abschließend formuliert. Andererseits können sie auf die geistesgeschichtlich geprägten wesentlichen Charakterzüge der Personen zurückgeführt werden. Ihre Ableitung aus einem Personenverständnis als moralisch-leibliches Wesen ist offenbar und rechtfertigt sie. Die Stellung des Patienten als Person wird vor allem durch seine Autonomie, die informierte Einwilligung und den Respekt vor menschlicher Schutzbedürftigkeit sowie vor personeller Integrität festgeschrieben (Art. 5–8). Der letzte Artikel wurde erst durch die finalisierende Sitzung der Regierungsexperten in das Dokument aufgenommen. Der Integritätsschutz bezieht sich allerdings nur auf schutzbedürftige Personen, demzufolge ein grundsätzlicher Integritätsschutz für alle Personen nicht gewährleistet wird. Der Patientenstatus verlangt allerdings nach einem allgemeinen Integritätsschutz, denn auch bei generell nicht schutzbedürftigen Gruppen muss die Krankheit als Teil der Lebensgeschichte, als Teil der raumzeitlichen Existenz der Person betrachtet werden. Die Rechte, die einer Person zukommen, sind für ihre Stellung wesentlich. Diese Rechte sind in der Deklaration minimalistisch und vage ausformuliert, ihre Anwendung wird daher nur in unbestrittenen Situationen eindeutig, nicht aber in solchen, in denen gerade Leitlinien für ihre Auslegung und Abwägung notwendig wären.272 Nach Richard Ashcrofts Analyse ist der Inhalt dieser Rechte eine Mischung aus moralischen Prinzipien und Statements, die ein Menschenrechtsformat haben und aus vorausgegangenen Menschenrechtsdeklarationen und -verträgen bekannt sind.273 Unter diesen Statements unterscheidet er wiederum zwischen drei verschiedenen Typen. Erstens gibt es Statements über Prinzipien, wie Artikel 13, nach welchem die Solidarität unter den Menschen und die der Solidarität dienende internationale Zusammenarbeit zu fördern sind. Solche Aussagen in der Deklaration haben moralische Prinzipien zum Inhalt, die den Rechten vorausgehen (Art. 5 UNESCO 2005 über 271  So Asai / Oe, S. 217 f. Vgl. die Präambel der Deklaration: „Conscious of the unique capacity of human beings to reflect upon their own existence and on their environment, to perceive injustice, to avoid danger, to assume responsibility, to seek cooperation and to exhibit the moral sense that gives expression to ethical principles“. 272  Benatar (2005), S. 220 ff., S. 221. 273  Für diese Dreigliederung siehe Ashcroft, in: Freeman, S. 33 ff.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Autonomie), während andere die Auslegung und Anwendung von Menschenrechtsnormen klären oder spezifizieren (Art. 6 UNESCO 2005 über die informierte Einwilligung). Zweitens sind Statements präskriptiver, das heißt vorschreibender Art zu finden, welche Ähnlichkeit mit den klassischen Menschenrechtsproklamationen aufweisen. Ein Beispiel hierfür ist Artikel 11, nach welchem Einzelpersonen oder Gruppen aus keinem Grund unter Verletzung der Menschenwürde, der Menschenrechte oder der Grundfreiheiten diskriminiert oder stigmatisiert werden sollten. Diese Statements werden aber nicht als Individualrechte, sondern als Prinzipien deklariert, deren Geltung und Umsetzung sehr vage beschrieben wird: „are to be respected“, „should be taken into account“, „should be given due regard“, „to the greatest extent possible“. Zudem sind Ausnahmen von ihrer Einhaltung und ihre Einschränkungsmöglichkeiten nicht konkretisiert. Beispielsweise sollen die Privatsphäre und die Vertraulichkeit geachtet werden (Art. 9 UNESCO 2005). Unklar ist allerdings, wie weit diese Achtung eingeschränkt werden kann. Die Formulierung, demnach – soweit möglich – vertrauliche Informationen nicht aufgrund von den ursprünglichen Zielen abweichend veröffentlicht werden sollten, ist ebenfalls sehr vage. Zudem sind auch Formulierungen zu finden, die an sich als unstimmig vorkommen, wie beispielsweise Artikel 11, der jegliche Besserstellung, nicht nur ungerechte Diskriminierung verbietet, aber auch Artikel 3, der den Vorrang des individuellen Wohls vor die Interessen der Gesellschaft setzt, was als allgemeines Prinzip nicht für jeden Kontext Geltung beanspruchen kann.274 Drittens können Statements identifiziert werden, die eine normative Verbindung zwischen Statements über Prinzipien und Menschenrechtsvorschriften schaffen. Artikel 3 Abs. 1 lautet wie folgt: „Die Menschenwürde, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten sind in vollem Umfang zu achten“. Diese dritte Form von normativen Statements unterscheidet die Deklaration maßgeblich von anderen Menschenrechtsdokumenten, die solche Aussagen nicht beinhalten. Die Empfehlungen zur Abwägung der Prinzipien, die individual- und menschenrechtsähnliche Vorschriften beinhalten, sind allerdings sehr grob gefasst und können bei konkreten Herausforderungen somit wenig Hilfe leisten.275 Verschiedene Artikel reflektieren die Internationalität der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Kulturelle Diversität und Vielfältigkeit sollen beachtet werden. Allerdings dürfen Erwägungen, welche die Menschenwürde, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten oder die in der Erklärung 274  Landman / Schücklenk, 275  Asai / Oe,

iii ff., v. S. 217; Selgelid, S. 267 ff., S. 267.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

niedergelegten Grundsätze verletzen oder ihren Geltungsbereich einschränken, aus diesem Grund nicht herangezogen werden (Art. 12 UNESCO 2005). Internationale Kooperation soll im Rahmen einer Förderung der Solidarität unterstützt werden (Art. 13 UNESCO 2005). Die gemeinsame Teilhabe am Nutzen wissenschaftlicher Forschung soll durch die Gewährleistung des Zugangs zu wissenschaftlichem und technologischem Wissen und durch die Bereitstellung von neuen diagnostischen und therapeutischen Methoden oder Produkten geschaffen werden (Art. 15 UNESCO 2005). Bei der Anwendung der Deklaration sollen die grenzüberschreitenden Tätigkeiten berücksichtigt werden (Art. 21 UNESCO 2005) und die Förderung der Deklarationsumsetzung soll auch in Form der internationalen Kooperation gewährleistet werden (Art. 24 UNESCO 2005). Trotz dieser Wahrnehmung der Internationalität wird nicht klar, ob das Dokument in Bezug auf die internationale translationale Forschung ein „Best-Practice-Konzept“ und eine neue Agenda für die aktuelle Politik und für die Staatenpraxis aufstellt oder lediglich als ein Dokument zu verstehen ist, das den bestehenden Konsens zur Auslegung der Menschenrechte für den spezifischen Kontext der Bioethik festhält. Es ist nicht eindeutig, ob der Ausgangspunkt der Deklaration die Annahme ist, dernach die Bioethik den Menschenrechten vorausgeht oder ob durch die Deklaration lediglich Möglichkeiten geschaffen werden, die eine Anwendung der Menschenrechte zur Lösung konkreter ethischer Herausforderungen erlauben, welche die Menschenrechte an sich unmittelbar nicht adressieren können.276 Die Art und Weise, wie Bioethik in der Deklaration, auch sprachlich, dargestellt wird – als eine Reihe von Prinzipien – wurde vor diesem Hintergrund ebenfalls kritisiert.277 Eine Bindung der verabschiedeten Prinzipien an das Recht der Mitgliedstaaten durch die Formulierung „in Übereinstimmung mit dem einzelstaatlichen Recht“ kommt lediglich bei den Prinzipien zur informierten Einwilligung vor. In der internationalen translationalen Medizin, bei der die genetischen Daten grenzüberschreitend erforscht werden, wäre es allerdings eine der wichtigsten Errungenschaften gewesen, einheitliche Einwilligungsprozesse für die Betroffenen auf internationaler Ebene zu definieren.

beiden Fragen siehe bei Ashcroft, in: Freeman, S. 35. (2005). Diese Kritik ist nicht ganz nachvollziehbar, denn gerade die Prinzipienethik hat sich als die am meisten operationalisierbare Theorie in der Medizinethik bei dem Umgang mit den Patienten herauskristallisiert, siehe oben § 3 II.1. 276  Diese

277  Benatar



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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III. Die Entscheidung über die Bindungskraft der Steuerungsinstrumente in der UNESCO Der IBC, der jeweils mit der Vorbereitung der Deklarationen betraut wurde, hatte die Wahl, welche Art von internationalem Instrument er für die Ausarbeitung und Annahme vorschlägt. Die Resolutionen der Generalkonferenz, die die Ausarbeitung der Instrumente in Auftrag gegeben haben, haben diesbezüglich keine Anleitungen gegeben.278 Der IBC hatte bei der Ausarbeitung der ersten Deklaration verschiedene Möglichkeiten in Bezug auf die Bindungskraft identifiziert. Der erste Ansatz, unmittelbar eine Konvention, das heißt einen völkerrechtlichen Vertrag zu verabschieden, wurde nach kurzer Diskussion abgelehnt. Die Chancen, dass die Mitgliedstaaten sich sofort auf ein Instrument mit bindender Rechtskraft einigen könnten, wurden als gering sowie der Prozess der Verabschiedung als sehr zeitaufwendig eingeschätzt. Eine Deklaration, das heißt ein nichtverbindliches Instrument zu verabschieden, schien dagegen angemessen, zumal diese Lösung die Option offenhalten würde, später auch eine Konvention in die Wege zu leiten. Die Vorgehensweise, einen Konventionsentwurf gleich parallel mit der Ausarbeitung der Deklaration vorzubereiten, wurde wiederum als zu umständlich eingestuft, wobei dies zweifelsfrei den Vorteil gehabt hätte, dass die Deklaration bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Konvention bereits gewisse Wirkung entfaltet und somit die Annahme der Konvention vorbereitet und erleichtert hätte. Eine gewisse Zeitspanne zwischen der Verabschiedung beider Instrumente wurde als förderlich erachtet. So könnte die Konvention auch solche wissenschaftlichen Entwicklungen berücksichtigen, die sich nach der Verabschiedung der Deklaration ereignen.279 Im Rahmen dieser Überlegungen wurde als Lösung auch erwogen, das sogenannte „Uniform law“-Modell, wie aus dem Internationalen Privatrecht und aus dem US-amerikanischen Recht bekannt, zu übernehmen. Demnach könnte eine Konvention, die lediglich aus einem einzigen, auf die bereits angenommene Deklaration hinweisenden Artikel besteht, verabschiedet werden. Gemäß diesem Artikel wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Vorschriften der Deklaration in ihre nationalen Rechtssysteme zu implementieren, während ein von den Mitgliedstaaten zu gründender Kontrollausschuss für die Überwachung der Implementierung zuständig wäre.280 278  Siehe

§ 7.II.1. IBC, First Meeting of the Legal Commission of the IBC, in: UNESCO (3. Teil, Fn. 137), S. 27 ff., S. 28. 280  Id., S. 29. 279  UNESCO

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Bei der Bestrebung nach Verbindlichkeit wurde auch auf die Möglichkeit eingegangen, ein Instrument in die Wege zu leiten, das nicht als völkerrechtlicher Vertrag verabschiedet wird, später aber verbindlich wird.281 Als Bespiel in den Diskussionen hierfür diente die AEMR, die selbst nicht als völkerrechtlicher Vertrag, sondern als Resolution der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde, nach ihrer Verabschiedung aber von völkerrechtlichen Verträgen weiter ausgelegt und spezifiziert wurde und mittlerweile als Teil des Völkergewohnheitsrechts gesehen wird. Im Bericht des IBC über die Möglichkeit eines universellen Instruments zur Bioethik wurde festgestellt, dass die moderne Bioethik unumstritten auf den Werten der AEMR gründet.282 Zahlreiche Teilnehmer haben in den Vorbereitungssitzungen ihre Hoffnung kundgetan, dass die dritte Deklaration über die allgemeinen Zusammenhänge zwischen Bioethik und Menschenrechten mit der Zeit genauso „autoritativ“ sein wird, wie dies die AEMR geworden ist.283 Sowohl der IBC als auch der IGBC haben abschließend jeweils Dokumente von deklaratorischer Natur befürwortet, weil diese zu dem sich ständig ändernden Kontext der Medizin gut passen und die Festhaltung eines weitestgehenden Konsenses zwischen den Staaten erlauben. Die Möglichkeit, Deklarationen als eine Vorstufe zu einem völkerrechtlichen Vertrag wahrnehmen zu können, wurde immer wieder hervorgehoben.284 Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die Instrumente trotz ihrer deklaratorischen Form nicht zu allgemein ausformuliert werden dürfen und regelmäßig überprüft werden müssen, um ihre Aktualität aufrechterhalten zu können.285 Zudem wurde klargestellt, dass der Ausdruck „internationales Instrument“ keine präzise juristische Bedeutung hat, demzufolge seine Anwendung in Bezug auf die Deklarationen der UNESCO über ihre normative Natur keine Aussage trifft.286 Die internationale Herangehensweise an bioethische Fragestellungen lässt seit Ende der neunziger Jahre deutliche Konturen erkennen. Neben der gewöhnlichen Prägung durch Einzelstaaten und Nichtregierungsorganisationen gewinnt die Etablierung internationaler Standards immer mehr an Bedeutung.287 An Letzterem sind seitdem vor allem internationale Organisationen beteiligt. 281  Id.,

S. 28.

282  UNESCO

IBC (3. Teil, Fn. 160), S. 1, Nr. 5. 170 EX 9 / 3.5.1: Report by the Director-General on the Drawing up of a Declarations on Universal Norms on Bioethics, 170 EX / 9, S. 3, Nr. 14. 284  UNESCO, Report by the Director-General (3. Teil, Fn. 130), 32 C / 59, 5.14, 8, Nr. 46. 285  UNESCO (3. Teil, Fn. 130), S. 10, Nr. 41. 286  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 160), S. 10, Nr. 42. 287  Für eine ausführliche Unterscheidung von „bottom-up-approaches“ (beteiligungsorientierte, von „unten nach oben“ laufende Ansätze, d. h. Ansätze aus der 283  Exekutivrat,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

259

Die Etablierung von Standards geschieht durch Instrumente, die in ihrer rechtlichen und faktischen Wirkung stark variieren. Konventionen spiegeln den weitestgehenden Konsens der Staaten wider und begleiten die internationale Standardisierung in der Regel mit verbindlichen Leitlinien.288 Deklarationen und Resolutionen, die das Ziel haben, die Staaten dazu zu bringen, ihre legislatorischen Maßnahmen bestimmten Prinzipien entsprechend zu gestalten, gehören dagegen zum Soft Law.289 Über das internationale Soft Law wird von seiner Daseinsberechtigung bis hin zu seiner Anwendung kontinuierlich diskutiert.290 Unter den Begriff fallen nach herrschender Meinung Verhaltensregeln abstrakt genereller Art, die zwar von Völkerrechtssubjekten erlassen wurden, allerdings keiner formellen Rechtsquelle zuzuordnen und nicht unmittelbar verbindlich sind. Mit Soft Law werden Akte bezeichnet, die Aussagen über das geltende Recht, über Rechtsüberzeugungen oder über Tendenzen zur Weiterentwicklung des Völkerrechts treffen.291 Soft Law kann auch als Indikator für Rechtsüberzeugungen zur Auslegung von überkommenen Rechtsquellen herangezogen werden.292 Relevanz kann trotz fehlender unmittelbarer Rechtsverbindlichkeit durch faktische, „außerrechtliche Bindungskraft“ bestehen.293 Diese ist zwar geringer als die des positiven Völkerrechts, darf aber dennoch nicht unbeachtet bleiben, da das Soft Law für die Staaten, die ihm zugestimmt haben, eine große praktische Bindungswirkung entfaltet.294 Diese praktische Bindungswirkung wird vor allem durch die Form des Instruments oder durch die nationalen, regionalen oder nichtstaatlichen Ebene) und „top-down-approaches“ (von „oben nach unten“ laufende Ansätze, d. h. Ansätze aus der länderübergreifenden, staatenübergreifenden Ebene) vgl. Le Bris / Knoppers / Luther, S. 1363 ff., S. 1395. 288  An dieser Stelle ist das Biomedizinübereinkommen des Europarates mit seinen Zusatzprotokollen zu erwähnen, das allerdings von Deutschland nicht ratifiziert wurde. Siehe 1. Teil, Fn. 661. 289  „[A] declaration is a formal and solemn instrument that is justified on infrequent occasions when principles of major importance and lasting validity are being stated.“ Iles, S. 29. Für einen Vergleich zwischen verbindlichen und nicht-verbindlichen Instrumenten unter verschiedenen Aspekten Friedrich (2013), S. 127 ff. 290  Heintschel von Heinegg, in: Ipsen / Menzel, S. 499 ff., S. 505 f., Rn. 20 ff.; D’Aspremont, S. 1075 ff.; Weil, S. 413 ff. Dagegen Neuhold, in: Wolfrum / Röben, S. 39 ff., S. 47. Aus der weiteren zahlreichen Literatur siehe insbes. Shelton; Thürer, in: Wolfrum, MPEPIL; Klabbers (1996), S. 167 ff.; Reisman, in: Bello, S. 135 ff.; Heusel. 291  Bothe (1980), S. 65 ff., S. 67 ff. 292  Hilgenberg, S. 81 ff., S. 100 f. 293  Lor McNair zitiert von Thürer, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 5; Neuhold, in: Wolfrum, MPEPIL, S. 50 f.; Graf Vitzthum, in: ders., Rn. 12 und 68. 294  Reisman, in: Bello, S. 139 f.; Vöneky (2010), S. 283 f.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Formulierung seines Inhalts ersichtlich.295 Solche Instrumente können zudem eine Wirkung auf nationale Rechtssysteme ausüben, wenn sie beispielsweise durch Referenzen in Gerichtsentscheidungen in die nationalen Rechtskontexte eingeführt werden.296 Die rechtlich nicht verbindliche Form reduziert solche Instrumente also nicht auf rein ethische oder politische Empfehlungen ohne jegliche rechtliche Wirkung.297 Die Vorherrschaft von Verträgen im Rechtsquellenkanon des Völkerrechts ist unbestritten. Die Etablierung und Weiterentwicklung bioethischer Prinzipien ist auf völkerrechtlicher Ebene jedoch auf unverbindliche Handlungsformen angewiesen, da die Gestaltung völkerrechtlicher Verträge in der Regel ein zeitaufwendiger Prozess ist.298 Wegen der rasanten naturwissenschaftlichen Entwicklung ist fragwürdig, ob solche geeignet sind, biomedizinische Fragestellungen zu normieren.299 Die Geltung völkerrechtlicher Verträge verfügt zudem nicht immer über die notwendige Allgemeinheit300, die aber für die normative Steuerung ethischer Fragestellung unentbehrlich ist. Dagegen verspricht das Soft Law eine flexible, adäquate und zeitgemäße Normierung.301 Aufgrund der regelmäßigen Einbindung von fachspezifischem medizinischem oder ethischem Sachverstand während des Gestaltungsprozesses zeichnen sich Soft-Law-Instrumente302 nicht nur durch eine höhere Expertise und Qualität, sondern auch durch eine höhere Akzeptanz aus.303 Die transparente Erarbeitung von Soft-Law-Dokumenten aufgrund der aktiven Miteinbeziehung verschiedener Akteure in die Erarbeitung kann stark zum Ansehen und dadurch letztendlich auch zur Akzeptanz und Legitimität des betroffenen Instruments beitragen. Die bioethischen Instrumente der UNESCO weisen somit keine normative Bindungskraft auf und sind lediglich deklaratorischer Natur. Die Art und 295  Thürer, in: Wolfrum, MEPIL, Rn. 12. ICJ, Aegan Sea Continental Shelf Case (Greece v. Turkey), ICJ Rep. 3 (1978), para 96. Auf die Gefahr einer Aufweichung der anerkannten Rechtsquellen des Völkerrechts durch „lediglich ideologisch oder politisch motivierte Forderungen“ weist Heintschel von Heinegg hin, ders., in: Ipsen / Menzel, Rn. 22. 296  Faunce, S. 176. 297  Thürer, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 2. 298  Neuhold, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 57. Zum Begriff des Soft Law im internationalen Kontext der Bioethik siehe Clados, in: Vöneky / Hagedorn / dies., S. 306 ff. 299  Zur zunehmenden Flexibilität bei der völkerrechtlichen Rechtsetzung durch Verträge siehe aber Thürer, in: Wolfrum / Röben, S. 53 ff. 300  Neuhold, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 43 ff. 301  Boyle (1999), S. 901 ff., S. 902 f., S. 912; Andorno (Auswärtiges Amt, 15.02.2007); Andorno (2013), S. 39 ff. 302  Klabbers (2009), S. 183: „[…] they may not be law but they cannot be deemed to be devoid of legal effects.“. 303  Höfling, in: Trute / Groß / Röhl et  al., S. 45 ff., S. 52.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Weise ihrer Annahme durch die Generalkonferenz der UNESCO und ihre bisher teils erfolgte Bestätigung durch die UN-Generalversammlung geben darüber Aufschluss, mit welcher Überzeugung die Instrumente von den Mitgliedstaaten verabschiedet wurden und kann möglicherweise auch andeuten, wie sie die verabschiedeten Maßstäbe in ihren nationalen Rechtssystemen faktisch umsetzen wollen.304 Die erste Deklaration über das menschliche Genom und Menschenrechte wurde auf der 29. Sitzung der Generalkonferenz am 11. November 1997 einstimmig und per Akklamation verkündet und angenommen.305 Die Generalversammlung der UN hat zudem auf ihrer 53. Sitzung am 9. Dezember 1998 die Deklaration bestätigt.306 Diese Bestätigung folgt der bisherigen Argumentationslinie der UNESCO bei der Verortung biomedizinischer, speziell genetischer Herausforderungen, indem sie zunächst den menschenrechtlichen Referenzrahmen für diese verfestigt und auf die Anerkennung der dem Menschen innewohnenden Würde und seine unveräußerlichen Rechte hinweist. Sie zeigt Bewusstsein für die ethischen Bedenken, die mit der zügigen Entwicklung der Lebenswissenschaften einhergehen. Gleichzeitig wird die Förderung dieser Entwicklung angestrebt und die Wichtigkeit der internationalen Kooperation betont. Nicht zuletzt wird die Überzeugung wiedergegeben, dass es notwendig sei, eine Ethik der Lebenswissenschaften auf nationaler und internationaler Ebene zu entwickeln. Die zweite Deklaration über humangenetische Daten wurde auf der 32. Generalkonferenz der UNESCO am 16. Oktober 2003 ebenfalls einstimmig und per Akklamation angenommen.307 Aus dem Sitzungsprotokoll wird ersichtlich, wie wichtig die Erreichung eines Konsenses innerhalb der Arbeitsgruppe war, die mit der finalen Vorbereitung des Textes betraut worden war. Hervorgehoben wurden zudem die Vorteile der normativen Arbeit durch die UNESCO auf diesem Gebiet.308 Die dritte Deklaration über Bioethik und Menschenrechte wurde auf der 33. Generalkonferenz der UNESCO am 19. Oktober 2005 angenommen309, wobei insgesamt sieben Staaten im Vorfeld der Verabschiedung abweichen304  Zur Rolle der Zustimmung der Völkerrechtssubjekte bei der Verabschiedung internationalen Rechts, also bindender Völkerrechtsnormen, und zur Unterscheidung zwischen Selbstbindung und Übereinstimmung der Staaten siehe Dahm / Delbrück / Wolfrum, S. 34 ff. 305  UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680). 306  UN-Generalversammlung, Resolution 53 / 152 on the human genome and human rights, UN Doc. A / RES / 53 / 152, 09.12.1998. 307  UNESCO 2003 (1. Teil, Fn. 691). 308  UNESCO IBC, Proceedings, Tenth Session (3. Teil, Fn. 153), S. 83. 309  UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

de Stimmerklärungen abgegeben haben.310 Während der Verhandlungen plädierten viele Mitgliedstaaten dafür, diese dritte Deklaration und die vorausgegangenen Deklarationen als ein Ganzes zu betrachten. Gelobt wurde die Verortung der Bioethik in einem politischen und sozialen Reflexionskontext insbesondere durch die Artikel über den Vorteilsausgleich und die soziale Verantwortung. Ebenso wurden die Bedeutung der Komplementarität, das heißt die einander ergänzenden Eigenschaften der Prinzipien und die Wichtigkeit der Festlegung ihrer Einschränkungsmöglichkeiten betont.311 In Bezug auf die Betrachtung der drei UNESCO-Deklarationen als eine Einheit ist darauf hinzuweisen, dass die USA und Großbritannien nach ihren Austritten in den Jahren 1984 und 1985 erst wieder seit Oktober 2003 und seit Juli 1997 Mitglieder der UNESCO sind.312 Dies ist deshalb relevant, weil die erste Deklaration im Jahre 1997 verabschiedet wurde, also in der Zeit, in der die USA ihre Mitgliedschaft in der UNESCO pausierten. Demnach sind sie zwar genau betrachtet nicht an die Vorschriften dieser ersten Deklaration gebunden, dadurch allerdings, dass sie den letzten beiden Deklarationen zugestimmt haben und in ihrer abweichenden Stimmerklärung zu der dritten Deklaration die Bindung zwischen den drei Deklarationen nicht abgelehnt haben, worauf auch in den Präambeln der letzten beiden Deklarationen hingewiesen wird, ist eine Anerkennung der Bindung auch an die ersten Deklaration anzunehmen. Die UN-Generalversammlung hat die letzten beiden Deklarationen durch eine Resolution bisher nicht bestätigt.

IV. Förderung und Umsetzung der Deklarationen 1. Empfehlungen für die Förderung und Durchsetzung der Deklarationen Mechanismen sind notwendig, um den eventuell mangelnden Willen und die fehlenden Interessen von Staaten bei der Förderung und Durchsetzung der gemeinsamen Standards der Deklarationen zu überwinden. Hierfür sehen bereits die Deklarationen selbst verschiedene Maßnahmen vor. In den 310  UNESCO, 33rd Session of the General Conerence, Draft Report of Commission III, Paris, 18.10.2005, 33C / 83, Annex II: Statements on the Interpretation of Specific Provisons of the Declaration on Bioethics and Human Rights. 311  UNESCO (3. Teil, Fn. 170). 312  Hocking, S. 75 ff.; http: /  / www.unesco.org / new / en / unesco / about-us / who-weare / history /  (Stand: 31.12.2016). Siehe die Mitgliederliste unter http: /  / www.unesco. org / new / en / member-states / countries /  (Stand: 31.12.2016).



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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ersten beiden Deklarationen wird für die Umsetzung in der englischsprachigen Originalversion der Begriff „Implementierung“ verwendet, welcher in der Regel die Umsetzung verbindlicher Verträge bezeichnet („Promotion and Implementation“). In der dritten Deklaration ist nur noch von einer „Förderung“ die Rede („Promotion of the Declaration“). Parallel zur Annahme der ersten beiden Deklarationen wurden auch Resolutionen durch die Generalkonferenz verabschiedet, welche die Umsetzung der Instrumente unterstützen sollen.313 Gemäß der ersten Deklaration sollen die Staaten geeignete Maßnahmen für die Förderung der in der Erklärung niedergelegten Grundsätze treffen; darunter werden die Bildung, die Leitung der Forschung, die Ausbildung in interdisziplinären Bereichen und die bioethische Ausbildung vor allem für die Verantwortungsträger der Wissenschaftspolitik genannt. Zudem sollten die Staaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um weitere Formen der Forschung, Ausbildung und Informationsverbreitung zu fördern, die dazu beitragen, das Bewusstsein der Gesellschaft für die Verantwortung hinsichtlich Auseinanderstezung mit Grundfragen zum Schutz der Menschenwürde zu stärken, die durch die lebenswissenschaftliche Forschung und ihre Anwendung aufgeworfen werden können. Sie sollen es sich ferner zur Aufgabe machen, einen offenen, Meinungsverschiedenheiten zulassenden, internationalen und interdisziplinären Diskurs über dieses Thema zu ermöglichen. Bindender ist die Formulierung über die Durchsetzung gestaltet, denn um diese zu erreichen sollen die Staaten nicht nur geeignete Maßnahmen ergreifen, sondern alle möglichen Anstrengungen unternehmen. Dabei kann eine Methode in der Förderung des Austausches und der Vernetzung von Ethikkommissionen bestehen (Art. 22–25 UNESCO 1997). Die Erklärung über humangenetische Daten nennt als Mittel der Förderung der Prinzipien zusätzlich zu der ersten Deklaration explizit unter anderem legislative Maßnahmen der Staaten. Bildungsmaßnahmen und die Verbreitung der Information sollen bei der Förderung aber auch helfen, wobei den ethischen Bildungs- und Informationsmaßnahmen für spezifische Gruppen wie Forscher und Mitglieder von Ethikkommissionen sowie für die breite Öffentlichkeit zusätzliche Wichtigkeit eingeräumt wird. In diesem Bereich sollen die Staaten die Teilnahme internationaler Organisationen und NGOs unterstützen. Sie sollten zudem durch bi- und multilaterale Vereinbarungen den Entwicklungsländern dabei helfen, ihre Kapazitäten für die wissenschaftliche Forschung auszubauen und dadurch am internationalen Austausch in den Wissenschaften teilzunehmen (Art. 23–27 UNESCO 2003). 313  UNESCO, General Conference, 29th Session, Paris, 11.11.1997, 46, 29 C /  Resolution 17; UNESCO, General Conference, 32nd Session, S. 46 f., 32 C / Resolution 23; S. 47, 32 C / Resolution 25.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Die letzte Erklärung über Menschenrechte und Bioethik setzt den Schwerpunkt bei der Förderung der Deklaration im Vergleich zu den vorherigen Deklarationen insbesondere auf die Bildung unabhängiger und multidisziplinärer Ethikkommissionen, welche die Staaten unterstützen sollen. Die Unterstützung ethischer Bildung wird nun mit dem Anspruch verbunden, die ethischen Implikationen der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendungen insbesondere jungen Menschen zu verdeutlichen. Die Empfehlungen über die internationale Kooperation wurden mit Hinweisen auf die Gewährleistung des freien Flusses wissenschaftlicher Erkenntnisse und auf die Solidarität weiter ausgebaut (Art. 22–25 UNESCO 2005). Die Verpflichtung der Staaten, Prozesse für Risikoeinschätzung, -management und -vorbeugung zu etablieren, wurde in der finalen Version allerdings nicht angenommen. Eine Berichterstattungspflicht der Staaten, die alle fünf Jahre an den Generaldirektor zu richten wäre, haben die die Deklaration finalisierenden Expertentreffen aus dem Text ebenfalls herausgenommen.314 Die Auslegung und die Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages können die Staaten in einer einseitigen Interpretationserklärung spezifizieren oder klarstellen.315 Die Mitgliedstaaten sind bei der Verabschiedung einer Deklaration an ihre Empfehlungen normativ nicht gebunden. Die Absicht der Staaten, wie sie den Maßstäben eines internationalen Instruments deklaratorischer Natur tatsächlich folgen wollen, wird auch daran erkennbar, ob und wie sie bei der Erarbeitung oder bei der Verabschiedung des Instruments die Auslegung bestimmter Artikel mit Berufung auf ihre nationalen Vorschriften konkretisieren oder einschränken. Sieben Mitgliedstaaten haben die Auslegung bestimmter Artikel der dritten Deklaration aufgrund ihrer nationalen Vorschriften konkretisiert. Betroffen waren Artikel 2 (iii), 4, 6 und 7.316 Diese Erklärungen haben die sieben Staaten insgesamt dafür genutzt, die Auslegung umstrittener Begriffe im Einklang mit ihren nationalen Regelungen vorzunehmen (Recht auf Leben, Informed Consent bei Nichteinwilligungsfähigen) und in die Deklaration nicht aufgenommene spezfische Themenbereiche bei der Auslegung allgemein ausformulierter Empfehlungen 314  Siehe

§ 7 II.3.c)ii). unilateral declaration, however phrased or named, made by a State or by an international organization whereby that State or that organization purpots to clarify the meaning or scope attributed by the declarant to the treaty or to certain of its provisions.“ Third Report on Reservations to Treaties by Mr. Alain Pellet, Special Rapporteur, UN Doc. A / CN.4 / 491 / Add.4, 1998, Rn. 361. Für die Unterscheidung von Vorbehalten siehe Giegerich, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 1; Heymann, S. 88 ff. 316  UNESCO (3. Teil, Fn. 310). 315  „[A]



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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zu berücksichtigen (reproduktive Medizin, Umwelt, Recht auf geistiges Eigentum).317 Der IBC soll gemäß der ersten Erklärung zur Verbreitung der Prinzipien und zur weiteren Untersuchung von Themen beitragen, die durch die Anwendung der Deklaration und durch die Weiterentwicklung der entsprechenden Techniken aufgeworfen werden. Er soll Konsultationen mit betroffenen Parteien organisieren. Zudem soll er Empfehlungen an die Generalkonferenz abgeben und beratend hinsichtlich der Folgemaßnahmen zu dieser Erklärung tätig sein, insbesondere bei der Identifizierung von Verfahren, die der Menschenwürde widersprechen könnten (Art. 24 UNESCO 1997). Die Beauftragung des IBC mit der Identifizierung von Menschenwürdeverletzungen wurde als die totale Ausschaltung von Gesellschaft und Politik aus der Diskussion darüber bewertet, was als solche Verletzung eingestuft werden kann.318 Zwar ist es die Pflicht des IBC, Beratungen mit betroffenen, insbesondere mit schutzbedürftigen Gruppen zu organisieren grundsätzlich positiv zu bewerten. Der Passus eröffnet zwar die Möglichkeit der Partizipation, aber wie die Erfahrungen aus der Erarbeitung der Deklarationen zeigen bedeutet das Einholen von Kritik noch keine Garantie für ihre Umsetzung. Im Zusammenhang mit der ersten Deklaration hat der IBC Richtlinien für die Implementierung verabschiedet, die auch vom IGBC geprüft und am 16. November 1999 von der Generalkonferenz bekräftigt wurden.319 Ziel war es, nicht nur Aufgaben für die verschiedenen Akteure zu bestimmen, sondern auch Modalitäten für die Umsetzung zu finden. Demnach soll die Verbreitung der Prinzipien durch die Übersetzung der Deklaration und durch die Veranstaltung von Konferenzen und Symposien vorangetrieben werden. Das Bewusstsein für die ethischen Herausforderungen soll durch Bildung weiter geweckt werden; dies kann durch Kommentare zu der Deklaration, thematische Bücher und Ausbildungsprogramme erreicht werden. Die Förderung der Gründung von Ethikkommissionen machte sich der IBC eben317  Die sieben Staaten waren Belgien, Kanada, Deutschland, Japan, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Nordirland, und die USA. Die Bundesrepublik wies in ihrer abweichenden Stimmerklärung darauf hin, dass die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen und solche Forschung, die keine direkten Vorteile für die Teilnehmer bereithält, sehr sensibel zu handhaben ist. Sie wies auch auf die deutsche Regelung hin, nach welcher die Forschung, die für die Gruppe Vorteile bereitet, zu der der nichteinwilligungsfähige Betroffene gehört, nur unter engen Voraussetzungen erlaubt ist. Solche engen Voraussetzungen seien auch auf internationaler Ebene notwendig. Demnach legt die Bundesrepublik die betroffenen Empfehlungen der Deklaration in Übereinstimmung mit ihren strengeren Vorschriften aus. Siehe oben 3. Teil, Fn. 310. 318  Stellmach, in: Emmrich, S. 324. 319  UNESCO, Records of the General Conference, 30th Session, Paris, 26.10.– 17.11.1999, Vol 1, S. 60, 30 C / Resolution 23.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

falls zu eigen. Eine Förderung des Dialogs und der Forschungsfreiheit sowie der internationalen Kooperation in der Forschung wurde ebenso priorisiert. Die Möglichkeit einer Veröffentlichung von nationalen legislativen Beispielen, in denen die Prinzipien der Deklarationen bereits umgesetzt wurden, wurde als hilfreich erachtet. Zu unterstützen galt außerdem die effektive Kooperation zwischen internationalen Organisationen, die sich mit Fragestellungen der Deklaration thematisch auseinandersetzen. In diesem Dokument wurde die Gründung eines Inter-Agency Komitees innerhalb der UN erstmals vorgeschlagen, an welches sich weitere Internationale Organisationen als Mitglieder anschließen könnten und das die Aktivitäten in der Bioethik koordinieren könnte. In der zweiten Sitzung des IGBC 2001 wurden die Initiativen der Mitgliedstaaten zur Implementierung der ersten Deklaration zusammengefasst. Hierbei fällt auf, dass manche Staaten Schwierigkeiten mit der Definition der Grundbegriffe der Deklaration (wie beispielsweise dem Begriff der Menschenwürde) hatten.320 Erst in der zweiten Deklaration wurden die Aufträge, welche die IBCEntwürfe bereits für die erste Deklaration vorgesehen haben, den beiden Komitees zugeteilt. Dem IBC und dem IGBC kommen neben der Aufgabe, zur Implementierung der Deklaration und zur Verbreitung ihrer Prinzipien beizutragen, auch der Auftrag zu, das Monitoring und die Bewertung der Implementation der Deklaration zu leisten unter anderem auf Basis von Staatenberichten. Eine Berichterstattungspflicht der Staaten wurde allerdings nicht verabschiedet. Die Komitees sollten zudem Vorschläge zur Steigerung der effektiven Umsetzung der Prinzipien entwickeln und der Generalkonferenz vorlegen. Der Unterschied zum ursprünglichen Vorschlag ist allerdings, dass der IBC damals für diese Aufgabe lediglich sich selbst alleine, ohne den IGBC, vorgesehen hatte.321 Des Weiteren soll die UNESCO selbst die Deklaration verfolgen, um die Lebenswissenschaften und ihre Anwendungen zu fördern (Art. 25–26 UNESCO 2003). In der dritten Deklaration wurden die ursprünglich ähnlich gedachten Pflichten der UNESCO-Komitees von den finalisierenden Regierungsexperten nicht angenommen. Die Verpflichtung, zur Verbreitung der Prinzipien der Deklaration beizutragen, wird im Dokument unmittelbar der UNESCO auferlegt, wobei sie die Hilfe beider Ethikkomitees suchen soll. Eine explizite Verpflichtung beider Ethikkomitees auch zur Implementierung beizutragen, fehlt in der letzten Erklärung. Die UNESCO soll zudem ihr Engagement für die Behandlung bioethischer Themen und die Förderung der Zusammenarbeit 320  UNESCO 321  Letzter

IGBC, Proceedings, Second Session (3. Teil, Fn. 99), S. 3, II.9. Entwurf UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 149).



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zwischen den beiden Ethikkomitees bekräftigen (Art. 25 UNESCO 2005). Die explizite Referenz auf das ethische Mandat der UNESCO, neue wissenschaftliche und technologische Entwicklungen und ihre Anwendungen zu evaluieren, war in den Entwürfen noch enthalten, fehlte aber in der verabschiedeten Deklaration. Eine regelmäßige Evaluierung und Revision der Deklaration alle fünf Jahre und den Hinweis auf ihre Entwicklung durch weitere internationale Instrumente hielten die Experten ebenfalls nicht für notwendig.322 Im letzten Artikel wird jeweils bestätigt, dass kein Anspruch aus den Deklarationen abgeleitet werden kann, Tätigkeiten auszuüben oder Handlungen vorzunehmen, die den Menschenrechten und Grundfreiheiten widersprechen. Die ersten beiden Erklärungen schließen die Deklarationsprinzipien in die Menschenrechte ausdrücklich ein (Art. 25 UNESCO 1997, Art. 27 UNESCO 2003, Art. 28 UNESCO 2005). Die Förderung und Umsetzung der Deklarationen war stets mit der Möglichkeit verbunden, durch die effektive Kontrolle der Umsetzung zur Entwicklung eines verbindlichen Instruments beizutragen.323 Allerdings wurden in keiner der Deklarationen Überwachungsmechanismen oder Berichterstattungspflichten verabschiedet und es gibt in Bezug auf keine der Deklarationen Anzeichen dafür, dass eine Weiterentwicklung zu einem verbindlichen Instrument unmittelbar bevorstünde. An dieser Stelle ist abschließend der bedeutenden Beitrag der UNESCO zur Verbreitung der Deklarationen zu erwähnen.324 Die Verbreitung wurde durch Übersetzung der Deklarationen in mehrere, über die sechs offiziellen Sprachen der UNESCO hinausgehende Sprachen maßgeblich unterstützt.325 2. Förderung und Umsetzung im breiten Feld des ethischen Mandats der UNESCO In den letzten Jahren, insbesondere seit der Verabschiedung der Deklaration über Bioethik und Menschenrechte arbeitet die UNESCO an einem globalen ethischen Rahmenprogramm. Dieses soll die Umsetzung sowohl des ethischen Mandats im Allgemeinen als auch die Erfüllung der Aufgaben 322  Siehe

UNESCO (3. Teil, Fn. 170). in: Benett, S. 285 ff., S. 287. 324  UNESCO IBC, Proceedings, Fifth Session, Noordwijk, The Netherlands, 2.– 4.12.1998, Vol. 1, S. 29, S. 53 f., http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0012 / 001229 / 1 22999e.pdf (Stand: 31.12.2016); Implementation of the Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights: Report by the Director-General, Paris, 22.09.1999, 30 C / 26, S. 2 f., III.11 ff. 325  UNESCO, ‚The Ethics Programme of UNESCO: what can UNESCO do for you?‘, Paris, SHS / EST / ABC / 02. 323  Taylor,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

der IBC- und IGBC-Statuten und der aktuellen mittelfristigen Strategie im Konkreten durch den Aufbau und die Stärkung der bioethischen Infrastruktur in den Mitgliedstaaten unterstützen. Dieses Rahmenprogramm besteht aus der Globalen Ethikwarte, dem Ethik-Bildungsprogramm und dem Beistand für Ethikräte, der sogenannte ABC. Die Globale Ethische Beobachtungswarte (GEObs) verfolgt das Ziel, den Staaten Informationen und Daten rund um Ethik bereitzustellen.326 Im Dezember 2005 wurde GEObs, ein Datenbanksystem mit weltweiter Reichweite ins Leben gerufen, welches auf sechs Datenbanken basiert.327 Die erste steht in Bezug zu Experten, welche in verschiedenen Themenbereichen arbeiten, und erlaubt die Vermittlung verschiedener Gruppen von Experten anhand unterschiedlicher Kriterien. Zurzeit sind 1688 Experten im System gespeichert. Die zweite Datenbank ist eine Sammlung von Institutionen der angewandten Ethik mit gegenwärtig 555 Institutionen, Zentren oder Kommissionen, die dritte enthält verschiedene ethische Lehrprogramme mit einer derzeitigen Anzahl von 235. Die vierte sammelt Informationen über Gesetzgebungen und Richtlinien. Struktur, Sachlage und Inhalte einer Anzahl von 797 Gesetzen oder Instrumenten aus 35 Ländern werden erfasst, um Mitgliedstaaten bei der Entwicklung legislativer Initiativen behilflich zu sein.328 Außerdem wird ersichtlich, inwieweit bestimmte Prinzipien der Deklarationen in den nationalen Rechtssystemen bereits umgesetzt wurden.329 Die fünfte Datenbank sammelt Kodizes in der Wissenschafts- und Technologieethik, bisher 152.330 Die sechste und zuletzt entwickelte Datenbank enthält 417 Quellen der Ethik: Zeitschriften, Webseiten, Ereignisse und relevante Videos.331 GEObs hat das Potenzial, zu einem Hauptunterstützungsmittel ethischer Bildung zu werden. Die meisten Informationen sind in allen sechs offiziellen Sprachen der UNESCO verfügbar, sogar ein interaktives geographisches Recherchesystem steht auf der Webseite zur Verfügung. Da die Datenbanken für jedermann elektronisch zugänglich sind, können sie als Referenz und als konsultative und komparative Quelle („hub“) für Ethik fungieren. Bereits 2004 wurde das ethische Bildungsprogramm ins Leben gerufen.332 Dieses basiert auf Vorschlägen von COMEST zur Verankerung von 326  ten

Have / Ang (2007), S. 15 f. http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / glo bal-ethics-observatory /  (Stand: 31.12.2016). 328  Ang / ten Have / Solbakk et  al., S. 738 ff., S. 739. 329  ten Have, in: den Exter, S. 37 ff., S. 40. 330  http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / globalethics-observatory / access-geobs /  (Stand: 31.12.2016). 331  Id. 332  ten Have (2008), S. 57 ff. 327  Siehe



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Ethik im Verantwortungsbewusstsein der Wissenschaften und insbesondere zu ihrer Integration in die wissenschaftliche Ausbildung.333 Während der 32. Vollversammlung der UNESCO 2003 betonten viele Mitgliedstaaten die Notwendigkeit, Bildungsprogramme im Bereich der Ethik über die Biowissenschaften hinaus zu fördern.334 Nach dem ersten Schritt, dem Aufbau einer standardisierten Datenbank zu bereits existierenden ethischen Bildungsprogrammen, werden auch regionale Treffen ethischer Experten einer Ländergruppe organisiert, bei denen diese Unterrichtskonzepte austauschen und diskutieren können. Ziel ist es, ihre Kooperationen zu fördern und systematische Bemühungen zu stärken, eine institutionelle Basis für die ethische Lehre auszubauen und aufrechtzuerhalten. Die Gründung eines Ad-hoc Komitees aus Mitgliedern des IBC, der COMEST, sowie Vertretern der UNESCO-Lehrstühle in Bioethik, der Third World Academy of Sciences und des WMA soll zur Unterstützung der UNESCO auf dem Gebiet der Ethikausbildung beitragen. Das Advisory Expert Committee on the Teaching of Ethics erstellt unter anderem ein Kern-Curriculum in Bioethik auf der Grundlage der dritten Deklaration und Unterrichtsmaterialien, welches als Grundlehrstoff in Bioethikkursen eingeführt werden kann. Dies wird in verschiedenen Sprachen und im Internet verbreitet, während zusätzliches Ausbildungsmaterial entwickelt wird, um den Inhalt zu ergänzen.335 Zusätzlich zu ihrem ethischen Bildungsprogramm unterstützt die UNESCO die Internationale Gesellschaft für Ethik in der Bildung (IAEE), die 2011 gegründet wurde und als globale Plattform für den Austausch von Information und Erfahrung der ethischen Lehre fungieren soll.336 Für die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Debatten mit Politikern und Experten rund um die Fragen der Wissenschaft und der Technologie hatte die UNESCO zwischen 2004 und 2007 15 sogenannte „Ethics Around the World“-Konferenzen organisiert. Eine Vernetzung mit der Europäischen Kommission fand im Rahmen der „Joint Action for Capacity Building in Bioethics“ statt, die 333  UNESCO COMEST, Minutes from the second meeting of the COMEST Working Group on The Teaching of Ethics, Oslo, 10.–12.05.2003, SHS-2003 / EEP / 2. 334  UNESCO, 32nd Session of the General Conference, S. 36, 32 C /  Resolution 21, para 1. viii: „Major Programme III – Social and Human Sciences“. 335  UNESCO, Ethics Education Programme, http: /  / www.unesco.org / new / fileadm in / MULTIMEDIA /  HQ / SHS / pdf / EEP-program_July-2007.pdf (Stand 31.12.2014); siehe auch ten Have (2006), S. 333 ff., S. 344 ff. 336  Inaugural conference of the International Association for Ethics in Education (IAEE), abrufbar unter: www.unesco.org / new / en / unesco / events / social-andhu man-sciences-events / ?tx_browser_pi1 [showUid]=6445&cHash=1ba43f5eae (Stand: 31.12.2014); Duquesne University, International Association for Education in Ethics, 2012, abrufbar unter: www.duq.edu / healthcare-ethics / iaee /  (Stand 31.12.2016).

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

im Anschluss an der 16. IBC-Sitzung 2009 stattfand und aus dem 7. EURahmenprogramm finanziert wurde.337 Das Programm des Beistands für Ethikräte soll im Einklang mit der letzten Deklaration die Einrichtung und Handlung von Komitees zur Bioethik fördern, um die Rolle der UNESCO im Bereich der Ethik zu stärken und zu bestätigen (Art. 19 UNESCO 2005). Das Programm soll als Vermittler für die Umsetzung der mitgliedstaatlichen Maßnahmen fungieren.338 Die UNESCO verabschiedete keine einheitliche Definition für nationale Bioethikkommissionen, versteht aber unter diesen Kommissionen solche, die systematisch und kontinuierlich ethische Probleme der Gesundheits-, der Lebenswissenschaften und innovativer Gesundheitspolitiken adressieren. Die Mitglieder treffen sich persönlich, um Themen zu behandeln, die nicht nur von faktischer, sondern von normativer Art sind. Die Kommissionen können sowohl von Regierungs- als auch von unabhängigen Nicht-Regierungsorganisationen sowie von den für die UNESCO zuständigen nationalen Kommissionen gegründet werden. Nicht nur Beratungskomitees, sondern auch Experten-, klinische und Forschungskomitees zählen dazu.339 Nach der Untersuchung bereits bestehender Kommissionen und ethischer Netzwerke und nach der Aufdeckung der optimalen lokalen Modalitäten der Aufstellung neu zu gründender Kommissionen soll vor der Berufung einer Kommission eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) von der UNESCO unterschrieben werden, welche die dreijährige technische Unterstützung zusichert. In den darauffolgenden Jahren sollen in Form von praktischen Anweisungen und technischer Unterstützung Informationen zur Bildung und Arbeitsweise dieser Kommissionen bereitgestellt, die Weiterbildung, Evaluierung und Vernetzung von den Mitgliedern ermöglicht und über die Einflussmöglichkeiten der Kommissionen auf öffentliche Debatten aufgeklärt werden.340 Hilfe zur Einrichtung und Schulung neuer Komitees soll von 337  UNESCO, National Bioethics Committees in Action, Paris, 2010, S. 9; abrufbar unter http: /  / unesdoc.unesco.org / images / 0018 / 001895 / 189548e.pdf (Stand: 31.12.2016). 338  UNESCO, Assisting Bioethics Committees (ABC) Project, Juli 2010, SHS / EST / ABC / 03 / REV.2. 339  Vgl. http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bio ethics / assisting-bioethics-committees / objective / national-bioethics-committees /  (Stand: 31.12.2016). 340  UNESCO, http://www.unesco.org/new/en/social-and-human-sciences/themes/ bioethics/assisting-bioethics-committees/steps-in-capacity-building / provision-ofpractical-information/ (Stand: 31.12.2016): Guide 1: Establishing Bioethics Committees, 2005; Guide 2: Bioethics Committees at Work: Procedures and Policies, 2005; Guide 3: Educating Bioethics Committees, 2007. Zwei zusätzliche Dokumente sind in der Vorbereitung: Guide 4: Bioethics Committees and Policymaking und Guide 5: Bioethics Committees and Public Debate. Siehe zudem: UNESCO (3. Teil, Fn. 337),



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

271

erfahrenen Mitgliedern geleistet werden. Die technische Unterstützung zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit der Kommissionen zu sichern, wobei eine permanente Begleitung und ein Rückhalt durch die jeweiligen Regierungen unerlässlich bleiben.341 Zwölf Kommissionen wurden in Entwicklungsländern bereits neu eingerichtet, weitere zwölf werden eingerichtet.342 Im Ergebnis sollen die unabhängigen, interdisziplinären und pluralistischen nationalen Ethikkommissionen den Austausch und die Entscheidungsfindung fördern, Werkzeuge zur Definition gewisser Standards entwickeln, die Koordination und Kontakte zwischen Experten und Institutionen verstärken und nicht zuletzt als Plattform für die Umsetzung der UNESCO-Deklarationen dienen (Art. 19 UNESCO 2005). Als weiterer Ausgang werden intensive öffentliche Debatten und eine informierte Öffentlichkeit, moralisch sensibilisierte Experten und Wissenschaftler und eine Begleitung der Politik erwartet.343 Diese Maßnahmen dienen auch der Kapazitätenbildung durch die UNESCO, die in der aktuellen Mittelfristigen Strategie als Auftrag festgelegt wurde. 3. Die Nachbereitung durch den IBC und sein Arbeitsprogramm für die Genetik Der IBC startete 2008 eine neue Reihe von Berichten. Die Berichterstattungspflicht ist aus Artikel 24 Deklaration 1997 und aus Artikel 25 Deklaration 2005, sowie aus dem IBC-Statut abzuleiten. Im Besonderen legt die Berichtreihe ab 2008 die Prinzipien der letzten Deklaration aus und erwähnt Beispiele, wie sie in bestimmten Kontexten anzuwenden sind. Der IBC hat seit der Verabschiedung der Deklaration 2005 acht Berichte verabschiedet. Diese ordnen sich thematisch zum Informed Consent (2008)344, zum Klonen von Menschen und zur internationalen Governance (2009)345, zur sozialen Verantwortung und Gesundheit (2010)346, zum Respekt vor S. 3 und http://www.unesco.org/new/en/social-and-human-sciences/themes / bioethics/ assisting-bioethics-committees/steps-in-capacity-building / (Stand: 31.12.2016). 341  Zur ausführlichen Beschreibung der Methodologie und des Aktionsplans der helfenden Arbeitsgruppen siehe: http: /  / www.unesco.org / new / fileadmin / MULTIME DIA / HQ / SHS / pdf /  Methodology.pdf (Stand: 31.12.2014) und http: /  / www.unesco. org / new / fileadmin / MULTIMEDIA / HQ / SHS / pdf / Proposed-plan-of-action.pdf (Stand: 31.12.2016). 342  UNESCO (3. Teil, Fn. 337). 343  UNESCO (3. Teil, Fn. 325). 344  UNESCO IBC, Report of the IBC on Informed Consent, Paris, 2008, SHS / EST / CIB08–09 / 2008 / 1. 345  UNESCO IBC, Report of the IBC on Human Cloning and International Governance, Paris, 9.06.2009, SHS / EST / CIB-16 / 09 / CONF.503 / 2 Rev.2.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

menschlicher Schutzbedürftigkeit und personaler Integrität (2013)347, zu den traditionellen medizinischen Systemen und ihren ethischen Implikationen (2013)348 zum Prinzip der Nichtdiskriminierung und Nichtstigmatisierung (2014)349, zur Erneuerung der Reflexion über das menschliche Genom und Menschenrechte (2015)350 und zuletzt über das Prinzip des Vorteilsausgleichs (2015)351. Der Bericht über die informierte Einwilligung zielt darauf ab, Artikel 6 und 7 der Deklaration aus dem Jahr 2005 auszulegen, um ihre Anwendung in der Praxis in verschiedenen Situationen und Kontexten und für verschiedene Betroffene zu erleichtern und ihre Umsetzung zu fördern. Autonomie setzt Verantwortung voraus, auch für Entscheidungen die eigene Gesundheit betreffend. Um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, müssen ihre Konsequenzen berücksichtigt werden, demzufolge dem Umfang der Informiertheit vor der Entscheidung eine unersetzliche Bedeutung zukommt.352 Der Inhalt der Information und die Art und Weise, wie die Einwilligung erteilt und widerrufen werden kann, unterliegen bei genetischen Analysen besonderen Herausforderungen, die im Bericht nicht berücksichtigt werden. Der Vorschlag, einen Mediator für die Vermittlung der Information vor der Einwilligung einzusetzen, wäre im Sequenzierungskontext durchaus anwendbar, würde allerdings gleichzeitig für die Verletzung des Arztvorbehalts bereits in einem frühen Stadium des Arzt-Patienten-Verhältnisses sorgen.353 Die Beschreibung der Einwilligung als fortdauernder Dialog und als Prozess ist positiv hervorzuheben.354 Die Empfehlungen zu der weiteren Nutzung von Daten für vom ursprünglichen Zweck abweichende Studien ist ebenso relevant.355 Die Entscheidungsfindung als innerhalb der Familie ablaufender Prozess, insbesondere im Fall der Betroffenheit genetischer Daten, ist wich346  UNESCO IBC, Report of the IBC on Social Responsability and Health, Paris, 2010, SHS / EST / CIB10–11 / 1. 347  UNESCO IBC, The Principle of Respect for Human Vulnerability and Personal Integrity. Report of the IBC, Paris, 2013, ISBN 978-92-3-001111-6. 348  UNESCO IBC, Report of the IBC on Traditional Medical Systems and their Ethical Implications, Paris, 08.02.2013, SHS / EGC / IBC-19 / 12 / 3 Rev. 349  UNESCO IBC, Report of the IBC on the Principle of Non-Discrimination and Non-Stigmatization, Paris, 06.03.2014, SHS / EGC / IBC-20 / 13 / 2 REV.3. 350  UNESCO IBC, Report of the IBC on Updating ist Reflection on Human Genome and Human Rights, Paris, 02.10.2015, SHS / YES / IBC-22 / 15 / 2 REV.2. 351  UNESCO IBC, Report of the IBC on the Principle of the Sharing of Benefits, Paris, 02.10.2015, SHS / YES / IBC-22 / 15 / 3REV.2. 352  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 344), S. 15, Nr. 7. 353  Id., S. 16, Nr. 20. 354  Id., S. 21, Nr. 33. 355  Id., S. 24, Nr. 53.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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tig, wobei die Erteilung der Einwilligung durch Familienmitglieder selbst für nicht notwendig erklärt wird.356 Im Bericht über soziale Verantwortung und Gesundheit wird betont, dass solche Konzepte von Gesundheit und Krankheit definiert werden sollten, die auch die Einschränkungsmöglichkeiten der Patientenrechte in Bezug auf die Anwendung neuer Technologien klären.357 Dabei sollen auch die transnationalen Aspekte der Gesundheit berücksichtigt werden, wobei Gesundheitsdaten nicht als globales Risiko identifiziert werden.358 Im Bericht über den Respekt vor der Verletzlichkeit des Menschen und der personalen Integrität wird Artikel 8 der Deklaration 2005 ausgelegt.359 Ausgangspunkt ist die Rückbesinnung auf die etymologische Bedeutung der Integrität (lat., touched), wobei das Personsein als ein verletzlicher Status bewertet wird.360 Die Begrenzung der Freiheit gilt als Verletzung der Integrität, unter anderem wird der ungleiche Wissensstand und die ungleichen Entscheidungsbefugnisse der Akteure im Gesundheitswesen als Grundlage einer Verletzung identifiziert. In medizinischem Kontext kann sich die Verletzung der Integrität in Form der Nichtrespektierung des Patientenwillens und des Vorrangs von professionellem Selbstinteresse des Arztes darstellen.361 Verletzlichkeit kann allerdings ebenfalls aus unangemessener oder sogar fehlender Forschung resultieren.362 Die Art und Weise der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien in den biomedizinischen Wissenschaften kann ebenso Verletzlichkeit hervorrufen.363 Dies kann vor allem durch Stigmatisierung entstehen, insbesondere in Fällen, wo Forschungsergebnisse unabhängig von den ursprünglichen Zielen der Forschung erlangt werden, in die die Teilnehmer eingewilligt haben, oder in Fällen verfrühter Anwendung neuer Technologien. Fehlende Informationen, Risikoinformationen und unberechtigte Ausübung von Druck können zudem die autonome Einwilligung verhindern. Der Eingriff in die Privatsphäre aufgrund der Veröffentlichung oder Weitergabe genetischer Gesundheitsinformationen kann die Integrität ebenso verletzen, was auch die Integrität genetisch Verwandter betreffen kann.364 Die Bereitstellung vorhandener Information über die angewendete genetische Untersuchungstechnologie und eine angemesse356  Id.,

S. 36, Nr. 118 ff. IBC (3. Teil, Fn. 346), S. 30, Nr. 55. 358  Id., S. 38, Nr. 79. 359  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 347), S. 13, 7. 360  Id., S. 13 f., Nr. 8 und 11. 361  Id., S. 21 f., Nr. 27 f. 362  Id., S. 26 f., Nr. 31 und 33. 363  Id., S. 16, Nr. 20, S. 31 ff., Nr. 34 ff. 364  Id., S. 32 f., S. 37. 357  UNESCO

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

ne Risikoeinschätzung können zur Verhinderung einer Integritätsverletzung beitragen.365 Als Gefahr für die Integrität wird auch die Sammlung genetischer Informationen ohne Einwilligung eingeschätzt, auch die von Minderjährigen unabhängig von einer Einwilligung der Eltern.366 Trotz umfangreicher Beispiele ist es dem IBC nicht gelungen, eine Definition der menschlichen Schutzbedürftigkeit oder der personalen Integrität zu verabschieden.367 Der IBC beschäftigte sich unter dem konzeptionellen Begriff des Nichtdiskriminierungsprinzips im Bericht über die Auslegung von Artikel 11 der Deklaration 2005 weiterhin mit neuen Risiken und Verantwortungen, die aufgrund der voranschreitenden Entwicklung in der Biomedizin entstanden sind.368 Hierzu zählen die Fragestellungen über Diskriminierung und Stigmatisierung in Bezug auf Biobanken, die auf drei Eigenschaften zurückgeführt werden: auf die technologische Entwicklung, die Teilnahmebedingungen an der Biobankenforschung und den prädiktiven Charakter genetischer Informationen.369 In seinen ersten Überlegungen zu diesem Thema vertrat der Ausschuss eine vielfältige und die bisherigen Berichte ergänzende Auffassung der Problemlage. Ausgangspunkt der Analyse ist die Identifikation der Person aufgrund genetischer Proben und Daten.370 Die Möglichkeit zusätzlicher Befunde wird ausdrücklich wahrgenommen, auf die Probleme des Informed Consent in Bezug auf Rekontaktierung und sich ändernde Untersuchungszwecke wird hingewiesen. Die zunehmende Ermöglichung eines Angebots an genetischen Tests durch private Firmen aufgrund sinkender Kosten bei der 365  Id.,

S. 33, Nr. 38. S. 33 f., 39. 367  „Attempts to define vulnerability in general risk drawing the concept too widely or too narrowly, thereby triggering disputes rather than resolving them. In most cases, however, it is relatively easy to recognize vulnerability when it arises: something fundamental is indeed at stake.“ Id., S. 13, Nr. 7. 368  UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 349). 369  Id., S. 20 ff., Nr. 5.1. 370  „However, the DNA sequence itself is a truly unique identifier of every human being. The progress in genetic techniques has led to the great facilitation of identifying individuals even on the basis of very little information. A sample can be detected and identified in a mixture of many hundreds of DNA samples. Any release of information or its access by unauthorized individuals may generate information which could lead to an undue burden on some biobank donors, and possibly to their stigmatization or discrimination. Moreover, it has recently been shown that some of the anonymous samples in publicly available databases can be identified through additional data linked to the samples, which makes access to biobank data and the content of public databases a matter of concern. With the increased sensitivity of sequencing technologies, the issue of identification of individuals through genetic analysis must undergo a thorough revision.“ Id. 366  Id.,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

275

Sequenzierung und die hierdurch verursachten Gefahren durch die Kommerzialisierung werden erkannt.371 Der Einfluss genetischer Testergebnisse auf Versicherte und Arbeitnehmer werden hervorgehoben, die Stigmatisierungsgefahr aufgrund der Anlageträgerschaft wird problematisiert.372 Der Gesamtgenomsequenzierung, den Zufallsbefunden und ihrer Mitteilung wird ein eigener Absatz gewidmet.373 Der Vorschlag der US-amerikanischen Humangenetiker, bei einer Gesamtgenomsequenzierung über die Ergebnisse in Bezug auf 57 Gene bei der genetischen Beratung unabhängig vom Wunsch des Patienten aufzuklären, wird von der UNESCO selbst erst einmal nicht kritisiert: „time will show what the future will bring“.374 Als Lösungsmodell werden IT-Vorschläge für die Verwirklichung einer dynamischen Einwilligung verlangt. Laien sollten über die Interpretation genetischer Ergebnisse (auch die von Zufallsbefunden) aufgeklärt werden, genetische Beratung soll der Stigmatisierung vorbeugen und gleichzeitig eine Stratifizierung sowie gezielte Therapien erlauben. Mit gesetzlichen Maßnahmen soll gegen Stigmatisierung im Arbeits- und Versicherungswesen vorgegangen werden, während die Medien bei der Bewusstseinsbildung auf diesen Feldern zunehmende Wichtigkeit erlangen.375 Im Arbeitsprogramm des IBC für 2014–2015 wurde, neben dem Prinzip des Vorteilsausgleichs, ein Schwerpunkt auf das menschliche Genom und die Menschenrechte gesetzt.376 Im Mai 2014 hat der IBC veröffentlicht, diesen Zusammenhang aufgrund der technologischen und wissenschaftlichen Entwicklung neu reflektieren zu wollen und rief die breitere bioethische Öffentlichkeit auf, seine thematischen Anstöße bis zur folgenden, 21. Sitzung im September 2014 zu kommentieren.377 Im Konzeptdokument wurden vier Themen genannt: das menschliche Genom, die Direct-to-ConsumerTests, das Klonen sowie die personalisierte Medizin im Zusammenhang mit Datenschutzregelungen. Besonders hervorgehoben wurden die nun gängige Exomsequenzierung, die Zufallsbefunde, die fehlende genetische Beratung bei privaten Gentests und ihr Konflikt mit dem Recht auf Wissen des Betroffenen sowie die Schwierigkeiten der Gestaltung einer informierten Ein371  Id., 372  Id. 373  Id.

S. 21, 5.1.2.

S. 22, Nr. 5.1.3. ACMG (Juli 2013), S. 565 ff. S. 22 f., 5.1.3. 376  Das Arbeitsprogramm ist abrufbar unter http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bioethics / international-bioethics-committee / work-programme-for-2014–2015 /  (Stand: 31.12.2016). 377  UNESCO IBC, Concept Note on Updating the IBC’s Reflection on the Human Genome and Human Rights, Paris, 15.05.2014, SHS / YES / IBC-21 / 14 / 3. 374  Id., 375  Id.,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

willigung und das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Forschungsfreiheit.378 Mitglieder des IBC, des IGBC, der COMEST und als externe Experten Repräsentanten des Nuffield Council on Bioethics haben zum Konzeptdokument Anmerkungen eingereicht.379 Anlass des auf die Beratung folgenden Berichts zur Erneuerung der Reflexion über das menschliche Genom und die Menschenrechte war die schnelle Entwicklung in der Humangenetik und der Biomedizin, deren Grundlage vor allem die technologische Ermöglichung einer Sequenzierung des menschlichen Genoms darstellt.380 Der IBC beschreibt im Bericht die Senkung der Kosten einer Sequenzierung aufgrund des technologischen Fortschritts und beschreibt den Einzug der Technologie in den klinischen Alltag. Er hebt die Problematik von möglichen Befunden hervor, die bei einer Sequenzierung entdeckt werden können, die aber unterschiedliche Riskiofaktoren vermitteln.381 Diese Entwicklung bereitet in erster Linie ethische und gesellschaftliche Herausforderungen für die Autonomie und Privatheit, für die Gerechtigkeit und Solidarität, für das Verständnis von Gesundheit und Krankheit, für den kulturellen, sozialen und ökonomischen Rahmen der Wissenschaft sowie für die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen.382 In Anknüpfung an Artikel 26 der Erklärung von 2003 und an Artikel 24 der Deklaration von 1997, welche der UNESCO sowie dem IBC die Aufgabe zuschreiben, die Anwendung der verabschiedeten Prinzipien nachzubereiten sowie ihre Umsetzung auf neuen Feldern zu verfolgen, identifiziert der IBC im Bericht neue Elemente des institutionellen und transnationalen Rahmens der genetischen Forschung und analysiert diese ausführlich: Einwilligung, Forschungsergebnisse, Privatheit und Vertraulichkeit, Nichtdiskriminierung und Nichtstigmatisierung, Nutzen und Lasten sowie Vorteilsausgleich, geistiges Eigentum und Patente, Keimbahnveränderung und genetische Beratung.383 Auch identifiziert er fünf Anwendungsfelder, auf denen er die ethischen Herausforderungen spezifisch ausarbeitet und praktische Empfehlungen verabschiedet. Zu diesen Feldern gehören die individuellen Gentests, die personalisierte Medizin, Biobanken, nicht-invasive Prenataltests und Technologien zur Keimzellen- und Genomeditierung.384 Im Rahmen der abschließenden Empfehlungen adressiert das Ko378  Id.,

S. 3 ff., IV. IBC, Compilation of Written Submissions on the Concept Note on Updating the IBC’s Reflection on the Human Genome and Human Rights, Paris, 21.08.2014, SHS / YES / IBC-21 / 14 / INF.2 380  UNESCO IBC, Report on Updating (3. Teil, Fn. 350). 381  Id., S. 6, II.5–7. 382  Id., S. 3. 383  Id., S. 12 ff. 384  Id., S. 14 ff. 379  UNESCO



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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mitee Pädagogen und Medien, Forscher, Akteure der Ökonomie sowie Staaten und Regierung und plädiert bei der letzteren Gruppe für die Verabschiedung eines verbindlichen internationalen Instruments zum Verbot menschlichen reproduktiven Klonen, für ein Moratorium für Genomeditierung sowie für die Verabschiedung legislativer Maßnahmen in den Mitgliedstaaten für die Regelung der personalisierten Medizin, Biobanken und genetischer Screenings.385 Als letzte Empfehlung regt der IBC die Erneuerung der UNESCO-Deklarationen an: Zwar sollten die darin festgeschriebenen Prinzipien nicht verändert werden, aber manche Anwendungen müssten überarbeitet werden.386 Auch eine Erklärung, was menschliche Wesen ausmacht, bleibt der IBC nicht schuldig und erklärt das Humane mit einer Wechselwirkung zwischen biologischen, historischen und kulturellen Determinanten.387 Im letzten Bericht setzte sich der IBC mit dem Prinzip des Vorteilsausgleichs auseinander, das durch Artikel 15 der Deklaration von 2005 kodifiziert wurde und verlinkte es zu Artikel 27 AEMR und Artikel 15 IPwskR, welche das Recht, am wissenschaftlichen Fortschritt und seinen Errungenschaften teilzuhaben festschreiben.388 Auf seiner 22. Sitzung 2015 hat der IBC das Arbeitsprogramm für die Jahre 2016 und 2017 festgelegt. Demnach konzentriert er sich auf „big data“ im Gesundheitswesen und in der Gesundheitsforschung vor allem unter den Aspekten der Autonomie, der Einwilligung, des Datenschutzes und ihrer Regelung.389

V. Vergleichende und zusammenfassende Analyse der biomedizinischen Steuerung durch die UNESCO-Deklarationen Nach der ausführlichen Darstellung der Tätigkeit der UNESCO im Bereich der Biomedizin lässt sich vergleichend Folgendes festhalten: Alle drei Deklarationen wurden im Rahmen des ethischen Mandats und entsprechend der Schlüsselaktivität der UNESCO aufgrund des Mandats erarbeitet und gelten als unverbindliche Instrumente für die Steuerung bio385  Id.,

S. 3 f. S. 4 (f). 387  Id., S. 4 388  UNESCO IBC, Report on Sharing of Benefits (3. Teil, Fn. 351). 389  Das Arbeitsprogramm ist abrufbar unter: http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-human-sciences / themes / bioethics / international-bioethics-committee / work-programme-for-2016–2017 / (Stand: 31.12.2016). 386  Id.,

278

3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

medizinischer Fragestellungen. Weiterhin ergänzen die Deklarationen einander, wie mehrmals erwähnt wurde, und bilden somit in gewissem Sinne eine Einheit, welche auch ihre gemeinsame Anwendung ermöglicht. Sie wurden alle mit Bezug auf die Menschenwürde verabschiedet und in den verrechtlichten menschenrechtlichen Referenzrahmen eingegliedert. Die Aufträge für die Erarbeitung dieser Instrumente wurden von der Generalkonferenz an den Generaldirektor erteilt. Thematische Ansätze wurden im Vorfeld der Erarbeitung neben diesen Aufträgen vor allem in den Berichten des IBC angerissen, die jeweils von hoher Sensibilität bei der Betrachtung biomedizinischer und technologischer Herausforderungen zeugen. Zwar setzte sich der IBC erst im Jahre 2010 unmittelbar mit dem Integritätsschutz der Person in einem Bericht auseinander, allerdings liegt den Berichten, die zur Vorbereitung der verabschiedeten Deklarationen dienten, mittelbar auch das Ziel zugrunde, den Menschen in seiner Personenhaftigkeit als ethisch-leibliches Wesen, vor allem in der Manifestation dieser Personenhaftigkeit in der Menschenwürde und den Menschenrechten aufrechtzuerhalten. In Bezug auf den Ausarbeitungsprozess können folgende Merkmale unterstrichen werden. Über die Beteiligung am Ausarbeitungsprozess lässt sich zuerst generell festhalten, dass die Einbindung der Entwicklungsländer in die Erarbeitung der Deklarationen auf allen Ebenen gewährleistet wurde. Dies zeichnet die Entscheidungsfindung der UNESCO insbesondere im Vergleich zu der Revision der Helsinki-Deklaration des WMA und der Richtlinien der CIOMS über internationale biomedizinische Forschung aus, da letztere fast ausschließlich von westlichen Wissenschaftlern erarbeitet wurden und die Positionen der Entwicklungsländer erst rückwirkend oder sehr eingeschränkt eingebunden wurden.390 Obwohl die Entwicklungsländer mit ihren Repräsentationsmöglichkeiten und mit der Wahrnehmung ihrer Vorschläge generell eher unzufrieden waren, zeigten sie sich mit den Ergebnissen der Verhandlungen grundsätzlich zufrieden.391 Im Gegensatz zur ersten Deklaration war bei den letzten beiden nicht der Rechtsausschuss des IBC, sondern eine fachübergreifend zusammengestellte Arbeitsgruppe aus Komiteemitgliedern für die Entwurfserarbeitung verantwortlich ergänzt durch die Möglichkeit der Beteiligung weiterer Komiteemitglieder auf freiwilliger Basis. Obwohl die Zusammensetzung des IBC selbst während der Ausarbeitung der ersten Deklaration verändert wurde, fehlte bereits bei der Erarbeitung der Grundrisse der Deklaration die er390  Schücklenk / Ashcroft, 391  Langlois,

S. 144 ff.

S. 158 ff., S. 170.



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wünschte disziplinäre Vielfältigkeit der Ideen und Ansichten, was auf den Einfluss des Rechtsausschusses zurückgeführt wurde. Die Zusammensetzung des IBC selbst hat sich in den darauffolgenden Jahren zunehmend interdisziplinarisiert; während die Besetzung bei der Erarbeitung der ersten Deklaration noch von Juristen dominiert wurde, stieg bei den letzten beiden Deklarationen die Anzahl der beteiligten Mediziner und der Naturwissenschaftler und bei der letzten Deklaration auch die Anzahl der Philosophen insgesamt. Zudem ist die Tendenz der Einbindung einer zunehmenden Zahl von Mitgliedern mit Erfahrung in nationalen Ethikkommissionen sowohl beim IBC als auch bei den Arbeitsgruppen zu beobachten. Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft von Personen, die auch in der HUGO engagiert waren, machte erst richtig die Berücksichtigung spezifischer genetischer Fragestellungen in die Arbeit möglich. Zwar gibt es keinen internationalen Verhandlungsprozess, der ausschließlich technischen Experten der Regierungen überlassen werden kann,392 die Einbindung der Politik in die Erarbeitung der Deklarationen geschah aber auffällig früh bereits auf der Ebene des IBC, denn in allen Zusammensetzungen war ein bedeutender Teil seiner Mitglieder in den Mitgliedstaaten auch staatlich-politisch oder diplomatisch engagiert. Die Finalisierung der Deklarationen wurde jeweils von den Repräsentanten der Mitgliedstaaten im IGBC vorgenommen und die zu verabschiedende Fassung in den sogenannten intergouvernementalen Expertentreffen erstellt. Dies bedeutet, dass die Staatenrepräsentanten und nicht das Ethikkomitee die finale Fassung der Deklarationen zur Annahme durch die Generalkonferenz verabschiedet hat. Sowohl der IGBC als auch die jeweils zwei finalisierenden Treffen der Staatenrepräsentanten haben mehr als nur den letzten Feinschliff oder rein formelle und strukturelle Änderungen eingefügt. Vielmehr haben sie wesentliche inhaltliche Modifikationen vorgenommen, zumal Entscheidungen über Fragen, über die im Laufe des Erarbeitungsprozesses keine Einigung erzielt werden konnte, oft in diesen letzten Sitzungen getroffen wurden. Dies gab bei allen drei Deklarationen Anlass zu der Kritik, dass die ethische und wissenschaftliche Arbeit der nicht-staatlichen Experten darauffolgend in politischen Prozessen von Repräsentanten der Staaten, die keine ethischen Experten sind, nichtig gemacht wurde.393 Im Gegensatz zu dieser relativ einheitlichen externen Kritik beurteilten die Mitglieder des IBC, des IGBC und der Expertentreffen den Beitrag beider Komitees in Bezug auf die dritte Deklaration unterschiedlich. Der Vorsitzende des IBC, Justice Kirby warf dem IGBC und den Regierungsexperten „Vernebelung“ vor und 392  Benatar 393  Für

(2006), S. 17 ff., S. 19 f. beide Meinungen siehe Langlois, S. 56.

280

3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

bezeichnete ihre Arbeit als ein „Spiel“ mit dem Text des IBC.394 Dagegen war O. Carter Snead, der Vorsitzende der US-Delegation bei beiden abschließenden Expertentreffen und Repräsentant bei der gemeinsamen Sitzung der Komitees, der Meinung, dass viele Schwachstellen des IBC-Entwurfs nur durch konsequente Verhandlungen während der Treffen der Staatenrepräsentanten korrigiert werden konnten.395 Diese Aussagen deuten das schwierige Verhältnis zwischen Ethik und politischer Entscheidungsfindung an, worauf bei der Bewertung in Kapitel 8 einzugehen sein wird. Grundsätzlich wurden bei der Erarbeitung der Deklarationen immer Konsultationen geführt. Hierbei ist eine Entwicklung sowohl in der Anzahl dieser als auch in der Verschiedenheit eingebundener Individuen, Gruppen und Institutionen zu beobachten. Bei den letzten beiden Deklarationen wurden nicht nur Experten unterschiedlicher Disziplinen, sondern auch Vertreter verschiedener Religionen und zunehmend nationale Ethikkommissionen eingebunden. Bei allen drei Erklärungen hatten bestimmte Internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit, aufgrund von Einladungen teilzunehmen. Bei der Gruppe der eingebundenen Internationalen Organisationen sollen dies hauptsächlich Sonderorganisationen der UN gewesen sein, wie weitgehend kritisiert wurde. Bei den teilnehmenden Nichtregierungsorganisationen wurde jeweils die Vielfältigkeit bemängelt. Hinsichtlich ersterem zielte die UNESCO mit der Einladung der UN-Sonderorganisationen darauf ab, die Kritik über ihr angebliches Monopolmandat für die Steuerung bioethischer Fragestellungen zum Verstummen zu bringen. Als Erklärung für die fehlende Vielfältigkeit der eingebundenen Nichtregierungsorganisationen wurde ihre mittlerweile fast nicht mehr zu überblickende Diversität als Erklärung genannt. Trotz dieser Kritik gelang es der UNESCO, die wichtigsten Nichtregierungsorganisationen einzuladen und tatsächlich einzubinden, wobei vor allem bei der Einladung von Nichtregierungsorganisationen schutzbedürftiger Gruppen eine Verbesserung bei der Erarbeitung der dritten Deklaration zu beobachten ist. Obwohl die Regierungsexperten in der Form des IGBC und der abschließenden Expertentreffen wesentliche Änderungen vorgenommen haben, wurden in diesen Phasen keine Konsultationen mehr geführt. Im Rahmen der zusammenfassenden Analyse der Ausarbeitungsprozesse sollen an dieser Stelle noch die zeitlichen Rahmen der Erarbeitungen verglichen werden. Die Erstellung der ersten Deklaration dauerte von der ersten revidierten Entwurfsfassung bis zur Annahme durch die Generalkonferenz 394  Kirby

(2010), S. 785 ff., S. 796. S. 220.

395  Snead,



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zwei Jahre und acht Monate. Der gleiche Prozess hat bei der zweiten Deklaration lediglich neun Monate in Anspruch genommen. Bei der dritten Deklaration sind zwischen der Verabschiedung des vierten Entwurfs und der Annahme zehn Monate vergangen. Wenn die Zeit der Vorentwurfsphase dazugerechnet wird, nahm die Erarbeitung der letzten Deklaration ein Jahr und zehn Monate in Anspruch. Die Ausarbeitung der Deklarationen innerhalb zwei bis drei Jahren ist an sich nicht langsam, zumal die Deklarationen aufwändig vorbereitet, mehrfach konsultiert und durch verschiedene Ausschüsse und Sitzungen überarbeitet wurden. Sie kann aber angesichts der rapiden wissenschaftlichen Fortschritte als langsam empfunden werden, vor allem wenn die inhaltliche Zuschneidung der Deklarationen auf neue Herausforderungen die Dauer der Ausarbeitung nicht bestätigt. Die inhaltliche Entscheidungsfindung bei der Ausarbeitung der Deklarationen und ihren Inhalt selbst betreffend lässt sich Folgendes festhalten. Die vorbereitenden Berichte des IBC weisen insgesamt eine vielfältige und differenzierte Betrachtung der (genetischen) Zukunftsprobleme auf, die sich allerdings in den Erklärungen nicht vollständig durchsetzen konnte.396 Der Einfluss der Regierungsexperten und -repräsentanten trug einerseits dazu bei, die verpflichtende Form der Deklarationen abzuschwächen. Vor allem hat das letztere Komitee stets zur Abschwächung des Wortlauts und zur Eingrenzung der staatlichen Pflichten zur Förderung und Umsetzung der Deklarationen beigetragen. Im Rahmen dieser Bemühungen können aber auch solche Änderungen aufgezeigt werden, die letztendlich zu einer besseren Stellung der Person im Kontext der Humangenetik und der Biomedizin geführt haben. Die Deklarationen selbst sagen wenig über Grundfragen des Rechts und der Ethik aus. Aus diesem Grund wurde die Kritik geäußert, dass teilweise problematische theoretische Konzepte in die Deklarationen integriert wurden, über welche keine Einigkeit besteht. Oft wurde demnach ein Konsens dort behauptet, wo es keinen gab.397 Die Unbestimmtheit und mangelnde Konkretheit der Empfehlungen in den Deklarationen wurden zudem oft mit denselben Eigenschaften ethischer Prinzipien erklärt.398 Allerdings sind es nicht die 396  Parallel zur Arbeit im IBC wurde 1994 der Entwurf des Biomedizinübereinkommens des Europarats verabschiedet (1. Teil, Fn. 667). Das Übereinkommen wird vom IBC analysiert; die Überwachung des Vorbereitungs- und Verabschiedungsprozesses wird erwünscht. UNESCO IBC (3. Teil, Fn. 84), S. 8 ff., Nr. 31 ff. Unterschiede zwischen dem Übereinkommen und den Erklärungen der UNESCO lassen sich in der Interpretation bestimmter Rechte aufzeigen. Vgl. in Bezug auf das „Recht auf Nichtwissen“: Spranger, S. 164. Nähere Informationen zum Biomedizinübereinkommen bei Radau, S. 41 ff. 397  Benatar (2005), S. 220. 398  Ashcroft, in: Freeman, S. 35, S. 37.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

ethischen Prinzipien, die in den Deklarationen zu vage wiedergegeben wurden, sondern die sie umgebenden Vorschriften, welche keine eindeutigen Verbote oder Erlaubnisse und vor allem keine Abwägungshilfe gewährleisten. Es gibt eine sehr große Überlappung zwischen den Prinzipien der dritten Deklaration, die allgemein in der Bioethik zur Geltung kommen und für jegliche biomedizinische Tätigkeit Anwendung finden sollen, und den Prinzipien der ersten beiden Deklarationen, die spezifisch für den Kontext der Humangenetik verabschiedet wurden. Die Menschenwürde als überwölbendes Prinzip wird anerkannt, aber auch der Vorrang des Menschen vor den Interessen der Wissenschaft und der Gesellschaft. Biomedizinische Maßnahmen sollten den Patienten zunächst nicht schaden und – wenn möglich – auch zur Diagnose, Prävention und Therapie ihrer Krankheiten beitragen. Die Autonomie der Betroffenen soll respektiert werden; dies wird durch die informierte Einwilligung ermöglicht. Der gleiche Zugang zu medizinischen Leistungen soll gewährleistet werden. Die Forschungsfreiheit soll mit Respekt vor der Menschenwürde und den Menschenrechten anerkannt werden. Die Vertraulichkeit medizinischer Daten soll in Verbindung mit durch sie identifizierbaren Personen geschützt werden. Das Recht auf Wissen und Nichtwissen und der Schutz verletzbarer Personengruppen sollen gewährleistet sowie Diskriminierung und Stigmatisierung verhindert werden. Die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers wird untersagt; angesichts des Schutzes der Integrität und Identität der Menschheit gilt dies auch für das reproduktive Klonen und für Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Ethische, juristische und soziale Bewertungen biomedizinischer Tätigkeiten sollten von unabhängigen, multidisziplinären und pluralistischen Ethikkommissionen begleitet werden. In der transnationalen Forschung wird zudem insbesondere zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern Gerechtigkeit gefordert.399 In Bezug auf die Forschung, die Stellung der Person und ihre Rechte sowie auf die Internationalität und die Umsetzung der Deklarationen lässt sich zusammenfassend Folgendes aufzeigen: Die Deklarationen sind grundsätzlich forschungsfreundlich. Der Fortschrittscharakter der Forschung wird in keiner Weise bezweifelt, wobei sowohl die erste als auch die dritte Deklaration das Erkennen von Risiken und Risikomanagement vorschreiben. Die Forschungsfreiheit wird tendenziell von der Menschenwürde losgelöst und bekommt eine weniger zentrale Stellung. Da die Staaten aber die Forschung stets fördern sollten und das Prinzip der Solidarität als Beitrag zum Austausch wissenschaftlichen Wissens verstanden wird, bergen die Verpflichtungen der Staaten, die Umsetzung der Deklarationen zu fördern, in gewisser Weise auch Forschungsförderung. 399  Andorno

(2013), S. 19 ff.



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Die Forschung an sich wird nicht spezifiziert, die Charakteristika neuer genetischer Analysen wie die Gesamtgenomanalyse werden nicht explizit erkannt. Dem Informationseingriff wird nicht Rechnung getragen, das Problem der Zusatzbefunde wird nicht direkt angesprochen. Die Dokumente beziehen sich lediglich auf die Bekanntmachung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen im Allgemeinen, welche immer wieder von einer freien und informierten Einwilligung abhängig gemacht wird.400 Obwohl der Anwendungsbereich der Deklarationen nicht auf die Grundlagenforschung und der Adressatenkreis nicht auf die Staaten begrenzt werden, spielen eher die nicht-klinische Forschung und die Mitgliedstaaten eine zentrale Rolle.401 Therapie und Diagnose, das heißt medizinische Eingriffe werden zwar jeweils von den Anwendungsbereichen erfasst, werden aber in weiteren Teilen der Deklarationen grundsätzlich nicht mehr thematisch. Gruppen und Individuen werden ebenso in den Adressatenkreis der Deklarationen integriert, werden aber jeweils an zweiter Stelle erwähnt und spielen keine weitere Rolle vor allem bei der Definierung von Pflichten – diese werden lediglich an die Staaten und die UNESCO selbst gerichtet. In Bezug auf die Stellung der Person sind wenige konkrete Aussagen in den Deklarationen festgehalten worden, die genaueren Konturen der Stellung werden durch die den Betroffenen zugesprochenen Rechte erkennbar. Die ersten beiden Deklarationen behandeln das Genom als eine Ressource, die vor allem für die Forscher wertvoll ist. Die Möglichkeiten, das Genom zu verändern und seinen Informationsgehalt auf unterschiedliche Weisen zum Ausdruck zu bringen, werden bereits in der ersten Deklaration erkannt. Daraufhin folgte in der zweiten Deklaration die eindeutige Absage an den genetischen Determinismus. Während in der ersten Deklaration die natürliche und soziale Umgebung des einzelnen, einschließlich seines Gesundheitszustands, seiner Lebensbedingungen, Ernährung und Erziehung, als Einflussfaktoren auf das Genom wahrgenommen werden, werden diese Faktoren in der zweiten Deklaration der menschlichen Individualität, die der personalen Freiheit unterliegt, untergeordnet. Damit wird die Stellung der Person in der ersten Deklaration mehr nach ihrer Leiblichkeit gewichtet und in der zweiten Deklaration mehr durch ihre Normativität geprägt, die in Vernunft und moralischer Freiheit wurzelt.402 In der dritten Deklaration wird die Stellung auch hauptsächlich an der Freiheit der Person orientiert beschrieben, wobei eine 400  Für die Wortwahl weiterer internationaler Normen siehe Zawati / van Ness / Knoppers. 401  Nicht-staatliche Akteure als Adressaten sind typisch für Soft-Law-Instrumente, Friedrich (2013), S. 138. 402  Siehe zur Leiblichkeit insbes. § 1 III und zur vernunft- und moralgeleiteten Freiheit § 1 II.

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Ausformulierung des Integritätsschutzes auf universeller Ebene nicht gelungen ist – er blieb auf schutzbedürftige Gruppen beschränkt. In den Deklarationen werden allgemeine Aussagen über die Rechte getroffen, welche unabhängig von den genetischen Eigenschaften respektiert werden sollen. Konkrete Rechte werden aber an sehr wenigen Stellen genannt, sie werden eher als ethische Prinzipien oder als Verbote an den Adressaten ausformuliert. Dies schwächt die Stellung der Person erheblich ab. Zudem fehlt vollständig die Kontextualisierung genetischer Anlageträgerschaften und Eigenschaften; die Reflexion des Arzt-Patienten-Verhältnisses, des familiären Kontextes und des breiteren Umfelds der Betroffenen (Arbeitgeber, Versicherungen) wird nicht geleistet. Neue biomedizinische Herausforderungen werden spezifisch nicht wahrgenommen, weil dies abgelehnt wurde, und es werden keine Hinweise für die Abwägung der Prinzipien im Kontext solcher Herausforderungen gegeben. Die während des Erarbeitungsprozesses geforderte Klärung bestimmter Grundbegriffe (wie der Begriff der Person) wurde mangels Einigkeit über diese nicht vorgenommen. Die Bestimmung der Grundbegriffe und die Abwägung der Prinzipien werden zu oft im Arbeitsbereich nationaler Ethikkommissionen eingegliedert oder sollen aufgrund nationaler Regelungen und Vorschriften erfolgen. Somit werden die notwendige Internationalität (Universalität) und damit eine umfassende und auf universeller Ebene adäquat konturierte Stellung der Person nicht geleistet. Die Bindungskraft der Instrumente lässt sich wie folgt bewerten: Vor der Verabschiedung der ersten Deklaration wurde noch intensiv darüber diskutiert, ob dem künftigen Instrument völkerrechtliche Verbindlichkeit verliehen werden soll. Die Lösung eines sogenannten Uniform-law-Modells wurde erwogen.403 Sie würde neben der Verbindlichkeit eine flexible Umsetzung erlauben, weil die Mitgliedstaaten die Form der Implementierung im Einklang mit den Vorgaben ihrer nationalen Rechtssysteme selbst auswählen könnten. Ihre nationalen Kontexte und ihre verschiedenen kulturellen, ökonomischen und sozialen Umstände, vor allem aber der der Bioethik eigene Pluralismus, könnten berücksichtigt werden. Zugleich wäre durch die Einrichtung eines Kontrollausschusses für die Konformität der Umsetzungen gesorgt. Nicht zuletzt könnte dieser auch juristische Auslegungshilfe leisten, indem die durch die Deklarationen aufgeworfenen ungeklärten oder nicht eindeutig geregelten Fragen von ihm ausgeräumt werden würden. Allerdings ist es nicht eindeutig, inwieweit die Mitgliedstaaten für diese Lösung zu gewinnen wären. Fraglich bleibt auch, wie genau der Kontrollausschuss funktionieren könnte: Wäre ein 403  Siehe

oben § 7 III.



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bereits bestehender Ausschuss mit den Aufgaben beauftragt oder sollte ein neues Organ ins Leben gerufen werden? Da es auch unsicher ist, ob eine einheitliche Steuerung biomedizinischer Fragen auf diesem Weg gewährleistet werden könnte, soll von diesem Modell Abstand genommen werden. Die deklaratorische Form wurde letztendlich aufgrund der Möglichkeit einer Weiterentwicklung des Dokuments in ein verbindliches Instrument und aufgrund der Möglichkeit einer Einflussnahme durch dieses auf das Völkerrecht gewählt. Bei den letzten beiden Deklarationen wurde die Frage der Verbindlichkeit nicht angesprochen; die Möglichkeit, spezifizierende Folgeinstrumente zu verabschieden wurde allerdings thematisiert. Die drei Instrumente der UNESCO sind als Soft Law einzustufen. Sie stellen internationale und konsensuale Mindeststandards in der Biomedizin und der Bioethik dar und verkörpern einen Aufruf an die internationale Gemeinschaft, die ethischen Dilemmas in Bezug auf das menschliche Genom, genetische Daten und die Bioethik im Allgemeinen im Rahmen der verrechtlichten Menschenrechte zu berücksichtigen.404 Das Ziel, auf nationalstaatliche Rechtsvorschriften durch Soft Law Einfluss zu nehmen, ist auch bei den UNESCO-Deklarationen zu beobachten. Diese befürworten nämlich zunehmend legislative Maßnahmen der Mitgliedstaaten bei der Förderung und Umsetzung der Deklarationen. Im Hinblick auf den Einfluss der Eingliederung ethischer Prinzipien in den verrechtlichten menschenrechtlichen Referenzrahmen durch die Deklarationen, welcher auf die Ethik und auf das Recht ausgeübt wird, kann Folgendes festgehalten werden: In der Literatur wird auch von zahlreichen Autoren in der Philosophie vertreten, dass die Sprache der Menschenrechte auch für die Diskussion bioethischer Fragestellungen geeignet ist. Sie hat einen großen rhetorischen, moralischen und nicht zuletzt populären Einfluss und verwendet einen weiten Begriff der Rechte. Zudem erfasst sie vor allem durch die Annahme der Gleichheit aller Menschen auch ihre Verantwortungen und ihre gegenseitigen Pflichten.405 Diese Meinung vertreten auch solche Autoren, die die Menschenrechte an sich nicht als hilfreiche theoretische Mittel für die Analyse und Lösung ethischer Probleme betrachten.406 Die Ablehnung der oft als „ethnozentrisch“ kritisierten bioethischen Sprache und die Annahme einer menschenrechtlichen Sprache führt zu einer 404  E.

Benda, Interview in Frankfurter Rundschau, 1. November 1997, 1. S. 253 ff.; Baker (2001), S. 241 ff., S. 252; Boussard, in: Francioni, S. 97 ff., S. 114. 406  Thomasma (1997), S. 295 ff.; ders. (2001), S. 299 ff., Schroeder (2005), S. 221 ff., S. 222. Callahan, S. 34 f.; Sperling, in: Freeman, S. 66. 405  Knowles,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Verortung des Menschen in der Gemeinschaft in einem sozialen und raumzeitlichen Kontext seiner Mitmenschen und der Umwelt. Eine grundsätzliche Kritik gegen die Annahme der Menschenrechtssprache, die auch durch die genannten Vorteile nicht entkräftet werden kann, ist, dass aufgrund der Ausformulierung ethischer Probleme in einer rechtlichen Sprache der Umgang mit denjenigen Betroffenen in medizinischen Kontexten unbestimmt wird, die im Rechtssystem nicht als rechtsfähig anerkannt werden.407 Die Annahme der Menschenrechtssprache führt zweifelsfrei auch zu einer – wenn nur vorsichtigen – Erweiterung der Palette bioethisch analysierter Themen. Weg von dem eng verstandenen Arzt-Patienten-Verhältnis und hin zu globalen Fragen des Gesundheitswesens, des Zugangs zu Medikamenten oder des Umwelteinflusses auf die Gesundheit werden zunehmend Fragen der universellen Gerechtigkeit diskutiert.408 Nicht allein das autonome Subjekt wird mit seinen Werten und Präferenzen betrachtet; es wird in einen kulturellen und ökonomischen Kontext hineingesetzt.409 Dies führt zur Integration eines strukturellen Aspekts, der es erlaubt, dass ethische Probleme unter Berücksichtigung ihrer sozialen und ökonomischen Implikationen analysiert werden. Gegen diese grundsätzlich positive Bewertung wird die Kritik geäußert, dass durch die Integration eines strukturellen Aspekts auch ein, für die Menschenrechtsgerichtsbarkeit typischer, vertikaler Aspekt integriert wird, der den für die ethische Argumentation kennzeichnenden, horizontalen Aspekt auflöst. Der vertikale Aspekt fokussiert die soziale Gerechtigkeit in einer für die ethische Diskussion nicht förderlichen Weise, weil nicht die grundsätzlichen sozialen Implikationen bestimmter Entscheidungen berücksichtigt werden, sondern nur die Rechte und Pflichten der Betroffenen, die sie zu bestimmten sozialen Leistungen berechtigen oder umgekehrt sie zur Erbringung dieser Leistungen verpflichten. Somit steht beispielsweise nicht mehr allgemein das Recht auf Gesundheit im Fokus der Diskussion, sondern der Zugang zur Gesundheitsversorgung.410 Diese Entwicklung kann letztendlich eine negative Rückwirkung auf die ursprünglichen ethischen Initiativen haben, da die Gefahr besteht, dass der Patient als Einzelperson aufgrund der Ausformulierung der Fragen auf einer globalen Ebene vollständig aus dem Fokus verschwindet.411 Die Kritik bezieht sich auch auf die unterschiedliche Methodologie bei der Lösung ethischer und rechtlicher Fragestellungen. Ethische Entscheidungen können auch zwischen zwei juristisch tragbaren Lösungen fallen. 407  Sperling,

in: Freeman, S. 61 f. in: Freeman, S. 41, S. 43. 409  Thomasma (1997), S. 303. 410  Sperling, in: Freeman, S. 63 f. 411  Id., S. 74 f. 408  Ashcroft,



§ 7 Die Steuerung genetischer Analysen

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Zudem ist es, um ethische Entscheidungen zu treffen, nicht immer ausreichend, minimale juristische Anforderungen zu erfüllen.412 In diesem Sinne ist Recht nicht einmal eine Minimalethik. Die rechtliche Sprache impliziert immer eine Verletzung von Rechten, wobei die ethische Vorgehensweise eher auf die Entwicklung eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Dialogs zwischen Arzt und Patient gerichtet ist, ohne davon auszugehen, dass Rechte bereits verletzt oder Pflichten nicht erfüllt wurden. Dies kann in einer gewissen Entfremdung in der Arzt-Patienten-Beziehung resultieren. Zudem kann es zu einer Abwertung der ärztlichen Tätigkeit führen, da der Arzt zu einem passiven Akteur wird, dessen Verantwortung und Expertise nur dann relevant werden, wenn sie mit dem Patientenwillen übereinstimmen.413 Die Frage, ob die Menschenrechte durch die Eingliederung ethischer Prinzipien in ihren Referenzrahmen ein ethisches Minimum darstellen, wurde von der UNESCO oder von ihren Komitees unmittelbar nicht angesprochen. Die abschließenden Artikel in den jeweiligen Deklarationen untersagen eine Auslegung der Prinzipien, die den Menschenrechten und Grundfreiheiten zuwiderläuft, demnach die Prinzipien nur im universellen menschenrechtlichen Rahmen interpretiert werden können. Somit kann ein ethischer Pluralismus nur insoweit durchgesetzt werden, als dieser mit den Menschenrechten im Einklang steht. Dies untersagt den ethischen Pluralismus zwar nicht, setzt diesbezüglich aber klare Grenzen. Das Ziel, eine Ethik der Lebenswissenschaften zu konstruieren, dürfte allerdings nicht als Eingrenzung der Vielfältigkeit moralischer Urteile und ihrer Rechtfertigung auf nur eine Ethik ausgelegt werden. Dies spricht zunächst für eine Betrachtung des menschenrechtlichen Referenzrahmens als ein bioethisches Minimum.414 Bei der Förderung und Umsetzung der Deklarationen gewinnen die Staaten eine immer größer werdende Rolle, nicht nur bei der Organisation ethischer Bildung, sondern durch die Verpflichtung, internationale Kooperationen insbesondere mit Entwicklungsländern einzugehen. Die Aufgaben und der Einfluss des IBC werden weniger; zuerst wird im Vergleich zur ersten Deklaration der IGBC als gleicher Partner bei der Förderung und Umsetzung genannt, danach werden in der dritten Deklaration beide Komitees lediglich als Hilfsorganisationen der UNESCO ohne konkrete Aufgaben erwähnt. Die nationalen Ethikkommissionen bekommen dagegen eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung der Deklarationen, vor allem aber im Rahmen der staatlichen Förderung der Umsetzung. Diese Tendenzen, die 412  Id.,

S. 65, S. 71. S. 72. 414  Weitere Argumente für und gegen eine Befassung mit Bioethik in einem rechtlichen Sprachreferenzrahmen siehe Clados, in: Vöneky / Hagedorn / dies., S.  312 ff. 413  Id.,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Verlagerung der Zuständigkeiten der UNESCO-Komitees auf die nationalen Ethikkommissionen einerseits und die zunehmende Verpflichtung der Staaten andererseits, scheinen aber gegen das deklarierte Ziel der UNESCO zu laufen, überwölbende ethische Prinzipien unter den Konzepten der Menschenwürde und Menschenrechte auf globaler Ebene zu verabschieden und die Rolle eines internationalen Koordinators bei ihrer Förderung und Umsetzung zu übernehmen. Die zunehmende Inpflichtnahme der Staaten bleibt aufgrund der schwachen Formulierung („should“) und durch den an vielen Stellen eingeräumten Vorrang nationaler Vorschriften, zudem ohne die Verabschiedung jeglicher Berichterstattungspflicht oder eines Kontrollmechanismus, relativ wirkungslos. Bei der Bewertung der Förderung der Deklarationen durch die UNESCO verlangte bereits die Interne Überwachungsbehörde (Internal Oversight Service, IOS) in ihrem Bericht 2008–2009 eine Stärkung der Monitoring-Maßnahmen.415 Im Bereich der Humangenetik kommen dem IBC gemäß seinem Statut besondere Aufgaben zu. Er soll die UNESCO in diesem Bereich unterstützen, indem er die Reflexion auf der Ebene der wissenschaftlichen Entwicklung vorantreibt und beratend hinsichtlich der Folgemaßnahmen zu den humangenetischen Erklärungen der UNESCO tätig wird.416 Aufgabe des Ausschusses ist somit nicht nur, zur Verbreitung der in der Erklärung niedergelegten Grundsätze beizutragen. Er soll auch die Fragen weiter untersuchen, die durch die Anwendung und Weiterentwicklung der Erklärung über das menschliche Genom und die dort genannten Techniken aufgeworfen werden. Diese Aufgabenzuteilung entspricht dem Selbstverständnis des IBC im Bereich der Humangenetik, wonach er auch die besondere Verantwortung, nicht nur die Umsetzung der Erklärungen zu fördern, sondern ihre Implikationen zu erklären, innehat.417 Zudem sind gemäß Artikel 25 der ersten Deklaration beide Ausschüsse für Bioethik insbesondere für die Formulierung von Stellungnahmen oder Vorschlägen verantwortlich, die die Effektivität der Erklärung fördern können. Dies hat der IBC bisher durch die Verabschiedung von spezifizierenden Berichten zur Auslegung der Deklarationen gelöst, und fokussierte sein Arbeitsprogramm 2014–2015 auf die Humangenetik sowie 2016–2017 auf die Datenschutzaspekte dieser. Im Bericht zur Aktualisierung der Reflexion über das menschliche Genom und die Menschenrechte schlug der IBC vor, 415  UNESCO, Evaluation of UNESCO Strategic Programme Objective 6: ‚pro­ moting principles, practices and ethical norms relevant to scientific and technological development‘, Februar 2010, IOS / EVS / PI / 102, S. 2 f. 416  Art. 2 (1) (d) (iii) IBC-Statut. 417  UNESCO IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), I.5.



§ 8 Genetische Analysen im internationalen Menschenrechtssystem

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eine Revision der Deklaration über das menschliche Genom und die Menschenrechte in die Wege zu leiten. Im Ergebnis bedeutet die Anwendung der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms im medizinisch-diagnostischen Kontext eine große Herausforderung für die Auslegung der UNESCO-Deklarationen. Umfassende Genomanalysen fordern die herkömmliche Stellung des Patienten als Person heraus. Da die bisherigen Handlungs- und Regelungsempfehlungen der UNESCO diese Stellung aber spezifisch nicht weiterentwickeln, sind sie nicht geeignet, die Stellung des Patienten in diesem neuen Kontext angemessen zu reflektieren. Um dies bei einem potenziell neuen Instrument doch zu erreichen, sollen im kommenden Teil der Arbeit Änderungsvorschläge zur Gestaltung eines neuen Instruments vorgetragen werden. Vor allem wird der Frage nachgegangen, wie man die Faktoren, die einen Einfluss auf die Legitimität der Steuerung haben, so gestaltet, dass diese die Herausforderungen und Eigenschaften der Ganzgenomanalyse angemessen berücksichtigen und somit insgesamt eine Anerkennungswürdigkeit der Steuerung herbeiführen.

§ 8 Genetische Analysen im internationalen ­Menschenrechtssystem auf universeller Ebene – Bewertung de lege lata, auf dem Weg zu de lege ferenda I. Verbesserung der deliberativen Prozesse: Repräsentation, Entscheidungsfindung Die Anerkennungswürdigkeit einer Deklaration kann durch die Beteiligung an der Entscheidungsfindung sowie mittels eines effizienten Entscheidungsfindungsverfahrens gesteigert werden. Zu der Beteiligung an den Arbeitsgruppen im Rahmen des IBC-, IGBCund der IGE-Treffen lässt sich Folgendes angesichts einer künftigen Deklaration festhalten: Die Notwendigkeit der Beauftragung einer multidisziplinären ad-hoc Arbeitsgruppe, zusammengestellt aus den Reihen des IBC selbst, ist gut nachvollziehbar. Oft gehen Berichte des IBC einer Deklaration voraus, die ihrer Vorbereitung dienen und die im kleinen Kreis des Komitees herausgearbeitet werden. Folglich ist dieser Kreis der Mitglieder bereits thematisch gut vorbereitet. Der Auftrag des IBC, die ethische Auseinandersetzung mit den lebenswissenschaftlichen Entwicklungen zu gewährleisten, soll weiterhin im Fokus bleiben. So wäre künftig darauf Acht zu geben, bei der Zusammenstellung

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

des Komitees Wissenschaftler so einzuberufen, dass sie eine noch breitere Fülle von Disziplinen repräsentieren können. Ein Vorteil wäre die Fortsetzung einer Einberufung von Mitgliedern mit politisch-diplomatischem Hintergrund in diese Ethikkommission. Da die Mitglieder in ihren persönlichen Funktionen arbeiten sollten, wäre es überlegenswert, ihre Nominierung nicht den Mitgliedstaaten zu überlassen. Gemäß Artikel 3 Nr. 2 des IBC-Statuts, der den Mitgliedstaaten die Nominierung von eminenten Experten vorschreibt, sind immer wieder auch solche Mitglieder ernannt worden, die sich im Vorfeld vor allem durch politische Arbeit ausgezeichnet haben. Um die Arbeit zu intensivieren und eine zeitnahe Reflexion der Lebenswissenschaften zu ermöglichen, könnten Tagungen des Komitees mehrmals im Jahr vorgeschrieben werden. Die Vorschrift einer Neubesetzung der Hälfte der Mitglieder alle vier Jahre scheint angemessen zu sein, wurde aber nicht durchgehend eingehalten.418 Für die Gewährleistung des ethischen Pluralismus ist die Beibehaltung der Möglichkeit wichtig, abweichende Meinungen in den sonst durch Konsens zu verabschiedenden Berichten und Empfehlungen veröffentlichen zu können. Die Hauptrolle des IGBC, eine zeitnahe politische Kontrolle der Arbeit des IBC zu gewährleisten kann angesichts seiner Zusammensetzung nicht ganz nachvollzogen werden. Unabhängig von der Bewertung seiner Arbeit selbst kann die Einbindung des IGBC als Repräsentant der Mitgliedstaaten an erster Stelle auch aus diesem Grund oft nur eine willkürliche politische Urteilsfindung über die Arbeit des IBC hervorbringen. In dem Komitee sind jeweils nur 36 Mitgliedstaaten repräsentiert, was gerade ein Fünftel aller UNESCO-Mitgliedstaaten darstellt. Zudem entsprechen die vorhandenen Sitze nicht der Zahl der Mitgliedstaaten in der jeweiligen geographischen Region. Während aus Westeuropa und den nordamerikanischen Staa­ ten grob jeder vierte Mitgliedstaat repräsentiert wird, wird bei den restlichen Regionen nur ca. jeder fünfte repräsentiert.419 Folglich können die Entscheidungen keine geographisch ausgeglichenen Mehrheitsentscheidungen darstellen. Bei den beiden abschließenden IGE-Treffen wird die geographische Ausgeglichenheit theoretisch gewährleistet, denn alle Staaten können zu diesen Treffen Repräsentanten schicken. Die Teilnahme war in den letzten Jahren allerdings nicht ausgeglichen, da im Jahr 1997 81 Staaten Delegierte geschickt haben420, im Jahr 2003 lediglich 57 Staaten, wovon nur 34 an den Debatten praktisch teilgenommen haben.421 Die größeren Gruppen stammten 418  Dieses Ergbenis resultiert aus dem Vergleich der Besetzungen in den aufeinanderfolgenden Sitzungen, siehe § 7 II.2. 419  Siehe 3. Teil, Fn. 57. 420  Andorno, in: Sándor, S. 106.



§ 8 Genetische Analysen im internationalen Menschenrechtssystem

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immer aus den Industrieländern. Auch 2005 waren 75 und später 90 Länder an den Treffen beteiligt, wobei die Industrieländer aus der Gruppe I überrepräsentiert waren. Die Mehrzahl der Länder haben nur ein bis zwei Delegierte geschickt, nicht so aber Kanada, die USA und Frankreich, die sich jeweils von mehreren Delegierten repräsentieren ließen.422 Während dieser Treffen wird jeweils eine gerechte Verteilung der Stimmen angestrebt, die Anwendung der Verfahrensordnungen des IBC und des IGBC wird festgeschrieben, wonach der Vorsitzende die Teilnehmer in der Reihenfolge der Kundgebung ihres Wunsches zum Sprechen aufruft.423 Bei der vorhandenen Beteiligung der Ländergruppen an den Treffen und bei der unterschiedlichen Mitgliederzahl der Delegiertengruppen relativiert sich aber die Bedeutung der Verfahrensordnung. Zu der Organisation und zu dem Verfahren der Konsultationen mit Akteuren außerhalb und innerhalb der UN lässt sich Folgendes feststellen: Entsteht der Anspruch auf die internationale Steuerung genetischer Analysen, so sollen zuerst Bemühungen angestellt werden, das hierfür notwendige (technische) Verfügungswissen einzuholen. Regelungsgegenstände müs­ sen genau erfasst werden, bei einer Sequenzierung ist es beispielsweise notwendig, ein genaues Bild von Handlungsketten der Arbeitsprozesse anzustreben.424 Wenn eine genaue Analyse vorliegt und die Eigenschaften einer neuen Technologie in Bezug auf ihre Herausforderungen ausführlich erfasst wurden, kann diese Grundlage den Diskursprozessen Glaubwürdigkeit verleihen. Der IBC kann als Erstes die Erfassung des Verfügungswissens übernehmen, weil dies seiner Aufgabenzuteilung entspricht. Durch verschiedenste Ansätze im Prozess der Arbeit der UNESCO und insbesondere des IBC treten die Bemühungen der Organisation hervor, mit ihren Erklärungen möglichst den neuesten Stand der humangenetischen Forschung einzufangen, um deren effektive Steuerung zu erreichen.425 Dem421  UNESCO, Meeting of Government Experts Responsible for Finalizing the Draft International Declaration on Human Genetic Data: final report, Paris, 28.05.2003, SHS / EST / 03 / CONF.203 / 6, S. 1; Langlois, S. 48. 422  UNESCO (3. Teil, Fn. 171). 423  UNESCO, First Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics: provisional rules of procedure, Paris, 04.02.2005, SHS / EST / 05 / CONF.203 / 2 (Prov.), S. 3; Second Session of the Intergovernmental Meeting of Experts Aimed at Finalizing a Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics: rules of procedure, Paris, 04.05.2005, SHS / EST / 05 / CONF.204 / 2, S. 3. 424  EURAT (2015), S. 85. Mittelstraß, S. 19; zum Orientierungswissen siehe Stegmeier, S. 307. 425  Leonardo de Castro, in: Proceedings of the Round Table of Ministers of Science (3. Teil, Fn. 74), S. 25 ff.; Takashi Aoyama, Current Approach to the Major

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zufolge möchte die UNESCO die faktische Effektivität ihrer Erklärungen auch durch ihre Aktualität gewährleisten.426 Der Beitrag zur Förderung der Zusammenarbeit in der Wissenschaft soll zukunftsgerichtet verwirklicht werden, wobei die UNESCO die Rolle eines internationalen Koordinators übernimmt.427 Das Leitbild der sozial- und geisteswissenschaftlichen Abteilung der UNESCO spiegelt diese Zielsetzung wider. Hier wird die Notwendigkeit festgestellt, sich mit den ethischen Dimensionen der aktuellen wissenschaftlichen und technologischen Evolution allseitig zu befassen.428 Bereits unmittelbar nach Beginn des Humangenomprojekts waren Einschätzungen in der naturwissenschaftlich-medizinischen Welt über die künftige Entwicklung und die vorhersehbaren Konsequenzen der Sequenzierungstechnik bekannt. Während der letzten zehn bis zwölf Jahre wurden diese Herausforderungen in der Fachliteratur verstärkt angesprochen.429 Folglich wurden auch die UNESCO und der IBC selbst mit dieser Entwicklung und den daraus folgenden Fragestellungen konfrontiert.430 Zwar weisen Challenges in Bioethics and Their Future View, in: Proceedings of the Round Table of Ministers of Science, id., S. 39 ff., S. 41. 426  Die faktische Wirkung kann mit dem Begriff „Effektivität“ ebenfalls beschrieben werden. Hierunter wäre in diesem Fall nicht nur die Effektivität des organisatorischen Arbeitsprozesses zu verstehen, sondern die faktische Effektivität ihrer Instrumente, vgl. Bank / Foltz, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 69; zur Effektivität internationaler Organisationen im Allgemeinen siehe Dicke (1994), S. 305 ff., S. 315 ff. Interessant ist zudem die weitere Unterscheidung zwischen der potenziellen Effektivität und der tatsächlichen Effektivität. Potenzielle Effektivität würde die Möglichkeit der UNESCO umfassen, anhand von Erklärungen Einfluss ausüben zu können; tatsächliche Effektivität würde die praktische Wirkung dieser Erklärungen umschreiben, vgl. Andresen, S. 317 ff., S. 320. 427  „[…], the need for UNESCO to play a role in the international debate on the ethics of genetics continues. Indeed, given the rapid developments in human genetics with increasing numbers of genetic data banks being established, controversial uses of genetic data, and increasing non-medical use, it could be argued that this role is now more important than ever and one which UNESCO is uniquely placed to fulfill.“ UNESCO IBC, Human Genetic Data (3. Teil, Fn. 38), I.6; UNESCO 2005, Kapitel 3, B.V. 428  „The ethical dimensions of the current scientific and technological evolution must be fully addressed.“ Das Leitbild ist verfügbar unter http: /  / www.unesco.org (Stand: 31.12.2016). 429  Vgl. nur Skene, S. 233 ff.; Gevers, S. 126 ff.; Bhattacharjee, S. 140 ff.; Caulfield / Upshur / Daar, S. 1 ff.; MacGuire / Gibbs, S. 809 ff.; Gilbert, S. 18 ff.; Fullerton / Lee. 430  Vgl auf der Webseite der UNESCO: „Genetic research, in particular the sequencing of the human genome, has opened the way for far-reaching medical research and biomedical applications.“, http: /  / www.unesco.org / new / en / social-and-humansciences /themes / bioethics / human-genetic-data /  (Stand: 31.12.2016). „In thinking about the pace of development of gene technology, however, we do well to recall that Watson and Crick’s elucidation of the DNA model is barely 40 years old. The scienti-



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die Berichte des IBC im Bereich der Genetik eine besondere Empfindlichkeit gegenüber normativen Herausforderungen genetischer Analysen auf, diese könnte jedoch noch gesteigert werden durch die Einbindung externer Experten in die Erarbeitungsprozesse. Diese Möglichkeit wird durch das Statut erlaubt, wurde aber von der IBC bisher nicht in großem Maße genutzt. Um dem Anspruch der Aktualität bei den gegenwärtigen Arbeiten und Fokussierungen auf die Genetik gerecht zu werden, wäre eine effektivere Einbindung der internationalen Akteure in den Entscheidungsfindungsprozess angebracht, die auf dem Feld der translationalen Medizin tätig sind. Obwohl dem IBC ständig zwei Mitglieder angehörten, die auch in der Human Genome Organization engagiert waren, sollten künftig auch die weiteren Interessengruppen der translationalen Genomforschung verstärkt repräsentiert werden (NGOs, Kirchen, Patientenvertreter …). Dies ist angesichts der Legitimation der Entscheidungen vor allem deshalb wichtig, weil diese Akteure später Adressaten eines verabschiedeten Instruments werden können.431 Die Rolle der UNESCO und insbesondere des IBC könnte dabei auf die Zurverfügungstellung des Orientierungswissens fokussiert werden und darauf, dieses Wissen sowie die deliberativen Prozesse in den menschenrechtlichen Referenzrahmen einzubinden, um diesen Rahmen für den Diskurs aufrechtzuerhalten und die Debatten dementsprechend zu lenken. Die Abwicklung der Konsultation mit Organisationen innerhalb des UNSystems kann ebenfalls verbessert werden. Obwohl die verstärkte Einbindung weiterer UN-Sonderorganisationen oft die Kritik erntete, Entscheidungsfindungen über biomedizinische Fragen stünden ausschließlich der UNESCO zu, ist dies nicht berechtigt.432 Die Expertise der UN-Sonderorganisationen ist nicht zu unterschätzen. Eine flächendeckende Beschäftigung mit biomedizinischen Fragen innerhalb des UN-Systems kann die Einbindung der Lebenswissenschaften in den menschenrechtlichen Referenzrahmen unterstreichen. Sie steigert auch die Glaubwürdigkeit, wenn innerhalb des UN-Systems eine breite Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet. Das UN Inter-Agency Committee for Bioethics (UNIACB) wurde explizit mit dem Ziel gegründet, die Vervielfachung der Aktivitäten im Bereich der Biomedizin zu vermeiden und die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch über diese Fragen innerhalb der UN zu fördern. Seine Gründung fic advances since then have come at a breathtaking rate. The pace of advance will accelerate not slacken.“ (UNESCO IBC, Report on Human Gene Therapy (1. Teil, Fn. 571), I.4) 431  Friedrich (2013), S. 389. 432  Ashcroft, in: Freeman, S. 37.

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soll die Rolle der UNESCO als Katalysator der internationalen Kooperation auf dem Feld der Bioethik bestätigen.433 Seine zunehmende Wahrnehmung innerhalb des UN-Systems als für die Bioethik zuständige Organisation ist festzustellen, was unter anderem an folgendem Beispiel aufgezeigt werden kann. Der ECOSOC beauftragte die UNESCO im Jahre 2008, die Möglichkeiten eines interinstitutionellen Koordinationsmechanismus im Themenbereich der genetischen Privatheit und Nichtdiskriminierung zu eruieren.434 Entsprechend der Instruktionen des ECOSOC konsultierte die UNESCO neben UN-Organisationen, Mitgliedstaaten und Internationalen Organisationen auch das UNIACB. 2010 bat der Rat die UNESCO darum, seinen Bericht um ein Jahr zu verschieben, um weitere Konsultationen mit dem UNIACB zu ermöglichen.435 Auf seiner zehnten Sitzung setzte sich das Komitee selbst mit den Fragen auseinander. Sowohl die UNESCO als auch das Komitee selbst sind zu dem Schluss gekommen, dass das Komitee geeignet ist, den Auftrag des ECOSOC zu erfüllen und dass kein zusätzlicher Koordinationsmechanismus notwendig sei.436 Im Jahre 2012 lud der Rat daraufhin das Komitee ein, das Thema weiterzuverfolgen und die internationale Kooperation auf dem Feld zu fördern.437 Innerhalb des UNIACB wäre vorstellbar, dass einzelne Organisationen im Vergleich zu den anderen Mitgliedern eine größere Rolle spielen; sowohl die Arbeit der COMEST als auch die der WHO sollten für die Steuerung der genetischen Analysen auch künftig maßgebend bleiben. Ihre bisherige Einbindung führte allerdings noch nicht zu einer umfassenden Berücksichtigung ihrer Arbeit. Um wiederum die Doppelung der Arbeit und einen Wettbewerb zwischen den Organisationen für die Steuerung der Biomedizin zu unterbinden, sollten ihre einzelnen Zuständigkeiten klar festgelegt und voneinander abgegrenzt werden. Die meisten Überlappungen sind zwischen der Arbeit der UNESCO und der WHO zu erkennen. Die WHO hat sich 2002 in ihrem Bericht „Genomics and World Health“ in der Position gesehen, eine entscheidende Führungsrolle bei der Steuerung der Biomedizin zu übernehmen. Eine solche Position würde ihr erlauben, eine steuernde Funktion bei der 433  Report by the Director-General on the Execution of the Programme Adopted by the General Conference, Paris, 19.08.2005, Part I, 172 EX / 4, S. 39, Nr. 139. 434  ECOSOC Decision 2008 / 233: Genetic privacy and Non-Discrimination. 435  ECOSOC Decision 2010 / 259: Genetic privacy and Non-Discrimination. 436  ECOSOC, Report by the Director-General of the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization on genetic privacy and non-discrimination, E / 2011 / 108, S. 9 ff. 437  ECOSOC, Resolution adopted by the Economic and Social Council 2012 / 20: genetic privacy and non-discrimination, E / RES / 2012 / 20, 26. August 2012.



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Bestimmung von Standards und Richtlinien und bei den Harmonisierungsprozessen auszuüben, welche sich als Hilfe an die Mitgliedstaaten bei der nationalen Regulierung der translationalen Genetik niederschlagen könnte.438 Neben ihrer seit Oktober 2002 laufende Initiative „Ethik und Gesundheit“, in deren Rahmen sie in den Jahren 2009 und 2011 zwei Handbücher herausgegeben hat,439 betreibt sie – ähnlich der UNESCO – auch eine Online-Datenbank über Ethikkommissionen und ihre Stellungnahmen und hat zuletzt ein globales Netzwerk der mit ihr kollaborierenden Bioethikzentren aufgebaut.440 Spezifisch auf dem Feld der Humangenetik betreibt die WHO das sogenannte ELSI Genetics Resource Directory, welches als Quelle für die Suche nach Gesetzen, Richtlinien, Berichten und Stellungnahmen in diesem Themenbereich fungieren soll.441 Die bisherige Feldarbeit der WHO als Hilfe für Forschungsethikkommissionen könnte wiederum von neueren Initiativen der UNESCO gestört werden, denn nun gewährleistet auch letztere technische Unterstützung für solche Kommissionen im Rahmen ihres Ethikprogramms. Die WHO führte in der IGBC-Sitzung im September 2011 aus, dass viele Themen, die für künftige IBC-Berichte vorgeschlagen wurden, bereits von ihrer Arbeit abgedeckt wurden.442 Die zeitnahe Klärung der Zuständigkeiten, um auch eine reibungslose Arbeit innerhalb des UNIACB zu gewährleisten, wäre somit notwendig. Die IOS stellte 2010 fest, dass die UNESCO von einem großen Teil der internationalen Gemeinschaft von Bioethikexperten als „ehrlicher Vermittler“ („honest broker“) in der Bioethik anerkannt wird.443 2011 forderte sie bei der Evaluierung der Tätigkeiten aber eine bessere Zusammenarbeit ihrerseits 438  WHO, Genomics and World Health: report of the advisory committee on health research, Genf, 2002, S. 8, S. 10 f., Nr. 24: „WHO is in a position to adopt a crucial leadership role in bioethics, particularly as it relates to genomics and world health.“ Abrufbar unter http: /  / www.who.int / rpc / genomics_report.pdf (Stand: 31.12.2016). 439  http: /  / www.who.int / ethics / about / en /  (Stand: 31.12.2016). Research Ethics Commitees: basic concepts for capacity-building, 2009, http: /  / www.who.int / ethics / Ethics_basic_concepts_ENG.pdf (Stand: 31.12.2016); Standards and Opera­ tional Guidance for Ethics Review of Health-Related Research with Human Participants, 2011, http: /  / apps.who.int / iris / bitstream / 10665 / 44783 / 1 / 9789241502948_ eng.pdf (Stand: 31.12.2016). Siehe auch Global Health Ethics Key Issues, 2015, http: /  / apps.who.int / iris / bitstream / 10665 / 164576 / 1 / 9789240694033_eng.pdf?ua=1 (Stand: 31.12.2016). 440  WHO, The Global Summit of National Bioethics Advisory Bodies, abrufbar ­unter: http: /  / www.who.int / ethics / globalsummit / en / index.html (Stand: 31.12.2016); Global network of WHO collaborating centres for bioethics, abrufbar unter: http: /  / www. who.int / ethics / partnerships / global_network / en / index.html (Stand: 31.12.2016). 441  http: /  / www.who.int / genomics / elsi / regulatory_data / en / (Stand: 31.12.2016). 442  Langlois, S. 87. 443  UNESCO (3. Teil, Fn. 415), S. 2.

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mit anderen Internationalen Organisationen.444 Inwieweit die Überlappung zwischen den Mandaten von Internationalen Organisationen ihre Arbeiten gegenseitig unterstützen kann, wurde im Fall der UNESCO und der WHO bisher nicht ersichtlich.445

II. Die Normativität und die Bindungskraft der Instrumente 1. Bestrebung nach bindender Kraft und der Einfluss deklaratorischer Instrumente auf das Völkerrecht Wie bereits im Rahmen der vergleichenden Analyse der UNESCO-Deklarationen festgestellt wurde, ist das internationale Soft Law in erster Linie dazu geeignet, die Normierung der Biomedizin und der Lebenswissenschaften auf globaler Ebene zu begleiten. Als Vorteil eines Instruments von deklaratorischer Natur wurde hervorgehoben, dass die Staaten bei der Verabschiedung solcher Dokumente eine moralisch-faktische Verpflichtung eingehen, die Prinzipien des Instruments zu respektieren. Sie besitzen aber keine völkerrechtliche Bindungskraft und müssen nach herrschender Meinung auch nicht ratifiziert werden.446 Obwohl die Schwierigkeiten der Verabschiedung eines verbindlichen Instruments während der Erarbeitungsprozesse erkannt wurden, wurde die Verbindlichkeit an sich als wünschenswert empfunden. Die Bestrebung nach völkerrechtlicher Verbindlichkeit zeigt auch die Hervorhebung der Möglichkeit während der Erarbeitungsprozesse, die Deklarationen als Vorstufe zu einem verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag wahrzunehmen oder zumindest den Weg zu ihrer Etablierung als Völkergewohnheitsrecht am Beispiel der AEMR offen zu halten.447 Diese Möglichkeiten 444  Internal Oversight Service, Annual Report 2011, Paris, 01.02.2012, 89 EX / 16, S. 5, Nr. 15. 445  Langlois, S. 153. 446  Eine Ratifikation ist auch nicht nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG notwendig. Die Zustimmung des Bundestages in Form eines einfachen Parlamentsbeschlusses zu solchen Soft-Law-Deklarationen, die die politischen Beziehungen des Bundes faktische regeln oder faktische Grundrechtsrelevanz besitzen, wäre aber wünschenswert: Vöneky, in: Isensee / Kirchhof, S. 423, Rn. 25. 447  Dies würde den Dokumenten rückwirkende Legitimität („retroactive legitimacy“) als Teile der internationalen normativen Ordnung verleihen: Wolfrum, in: Wolfrum / Röben, S. 1 ff., S. 6. Die Bestätigung der ersten Deklaration durch eine Resolution der UN-Generalversammlung könnte unter Umständen zur Konturierung einer opinio iuris in Bezug auf die Anwendung der Menschenrechte auf dem Feld der Humangenetik beitragen, wobei die fehlende gleiche Bestätigung im Fall der zweiten und dritten Deklaration dann einen Bruch mit dieser Entwicklung nahelegen



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wurden fast ausschließlich im Vorfeld der Verabschiedung der ersten Deklaration thematisiert, während sich die angesprochenen Vorteile der deklaratorischen Form bei den letzten beiden Instrumenten lediglich auf die einfachere Erreichung eines Konsenses aufgrund der Unverbindlichkeit der Erklärungen fokussierten. Unabhängig davon wäre sowohl die Aushandlung eines neuen völkerrechtlichen Vertrages im Bereich der Humangenetik als auch die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Deklarationen zum Völkergewohnheitsrecht ein zeitaufwendiger Prozess. Obwohl die Herbeiführung der Bindungskraft angesichts der rasanten Entwicklungen in der Biomedizin jetzig erfolgen sollte, wäre die so angestrebte rechtliche Normativität zeitnah nicht zu erreichen. Ein Ansatz zur Weiterentwicklung der bereits bestehenden Deklarationen zu Konventionen ist zudem bisher nicht erkennbar. Bereits Anfang der neunziger Jahre wurde im Laufe des Humangenomprojekts der Bedarf nach einem internationalen Ethikkodex im Bereich der medizinischen Genetik signalisiert.448 Begründet wurde dies nicht mit neuen Problemen, sondern mit der zunehmenden Komplexität und Quantität bekannter normativer Herausforderungen genetischer Analysen.449 Zwar wurde inzwischen die Deklaration über das menschliche Genom und die Menschenrechte verabschiedet, der Bedarf nach spezifischen und kontextabhängigen Instrumenten ist seitdem nicht minder notwendig. Die Verwirklichung des Gedankens einer Spezifizierung der bereits verabschiedeten UNESCO-Deklarationen für den humangenetischen Bereich durch verbindliche Verträge ist bisher nicht erfolgt. Somit ist die Erfolgschance dieses Weges schwer einzuschätzen, zumal das Erreichen eines spezifischeren Konsenses in Fragen der Biomedizin auch bei den bereits bestehenden Deklarationen nicht gelungen ist und dies in nächster Zeit wahrscheinlich auch nicht zu erreichen wäre. Bei der Bestrebung nach völkerrechtlicher Verbindlichkeit soll vielmehr auf die Eigenschaften des Soft Law abgestellt werden, Einfluss auf das Völkerrecht auszuüben und dadurch mittelbar zur Erzeugung verbindlicher Vorschriften beitragen zu können. Diese Eigenschaften unterscheiden sie in ihrem Wesen von internationaler privater Rechtsetzung, die keine oder keine vergleichbare Relevanz für das Völkerrecht hat und daher auch nicht als Soft Law bezeichnet werden kann. würde. Bei der Einschätzung der Resolutionen der Generalversammlung in Bezug auf ihren Beitrag zum Völkergewohnheitsrecht ist allerdings Vorsicht geboten, sie hängt von dem Inhalt und den Umständen der Annahme ab, siehe hierzu und zur Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs: Treves, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 44 ff., Alvarez (2005), S. 159 f. 448  Fletcher / Wertz, in: Bankowski / Capron, S. 97 ff. 449  Id., S. 104.

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Als Beispiel hierfür ist der Kodex der FAO, der Code of Conduct for Responsible Fisheries (CCRF) zu nennen, welcher – vergleichbar mit den Empfehlungen der UNESCO auf dem Feld der Biomedizin – nicht die Rolle eines lediglich suplementären Dokuments hat, sondern über einen reinen koordinatorischen Einfluss hinaus den einzigen globalen Rahmen für die Steuerung der Fischerei darstellt und allgemeine Prinzipien des Völkerrechts für diesen besonderen Bereich spezifiziert.450 Der Anlass seiner Verabschiedung, der Bedarf nach spezifischen Regelungen und nach einer angemessenen Reflektierung der Herausforderungen in einem besonderen Handlungsfeld, ist demnach vergleichbar mit dem der UNESCODeklarationen.451 Der Kodex wurde ohne unmittelbare Ermächtigung im Rahmen des betroffenen Vertragsregimes entwickelt452 und besitzt wie die UNESCO-Deklarationen keine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Er wird aber sowohl durch Hinweise auf seine Vorschriften in völkerrechtlichen Verträgen als auch durch seine Verwendung durch die FAO als ein Instrument für die Generierung neuer Völkerrechtsnormen normativ „verhärtet“.453 Seine Legitimität und sein Einfluss auf die internationale Rechtsordnung hängen einerseits mit der Ausarbeitung durch Experten zusammen, worauf allerdings im Vergleich zu den UNESCO-Deklarationen weniger politischer Einfluss genommen wurde.454 Andererseits hängt sie von seiner anschließenden Aufnahme in die Praxis der Mitgliedstaaten ab, worauf gleich einzugehen sein wird.455 450  Food and Agriculture Organization (FAO), Code of Conduct for Responsible Fisheries (CCRF), Rom, 1995. Siehe den Text des Kodexes in: Report of the Conference of FAO, Twenty-Eighth Session, 20.–31. Oktober 1995, Annex 1 oder unter http: /  / www.fao.org / docrep / 005 / v9878e / v9878e00.htm (Stand: 31.12.2016). Solche Kodizes, geprägt von technischen Gremien, bezeichnet Yoram Dinstein als „restatements“, als Neuformulierungen des geltenden Völkerrechts, siehe Dinstein, in: Wolfrum / Röben, S. 93 ff. 451  Friedrich (2013), S. 64. 452  Die Verfassung der FAO gibt ihrer Konferenz keine spezielle Ermächtigung für die Verabschiedung eines Kodexes. Friedrich (2013), S. 72. Eine allgemeine Ermächtigung für die Verabschiedung von Empfehlungen dagegen gibt es gemäß Art. 4 (39) und (4) FAO-Verfassung. Constitution of the Food and Agriculture Organization of the United Nations, 145 BSP 910, 16. Oktober 1945. 453  Wolfrum, in: Wolfrum / Röben, S. 6; Friedrich, in: von Bogdandy / Wolfrum / von Bernstorff et  al., S. 511 ff., S. 529 f.; Edeson, in: Wolfrum / Röben, S. 63 ff., S.  82 f. 454  Friedrich (2013), S. 67 ff., S. 73. William Edeson zeigt allerdings auf, dass auch bei dem CCRF die Politik die technische Expertise überlagert hat, Edeson, in: Wolfrum / Röben, S. 90. 455  Friedrich (2013), S. 76.



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2. Stärkung der außerrechtlichen Bindungswirkung der Instrumente Trotz fehlender oder geringerer normativer Bindungskraft können SoftLaw-Dokumente im Vergleich zu völkerrechtlichen Verträgen bei der Regelung biomedizinischer Fragestellungen von Vorteil sein. Will man an den Vorteilen von Soft law – an der schnellen Verabschiedung, an der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, sich über nicht verbindliche Normen zu einigen, an der Flexibilität des Instruments, aber vor allem an der zeitnahen faktischen Bindungswirkung der Deklarationen – festhalten, so gibt es verschiedene Wege, die bereits verabschiedeten Deklarationen selbst in ihrer außerrechtlichen Bindungswirkung weiterzuentwickeln oder eine neue Deklaration mit stärkerer außerrechtlicher Bindungswirkung aufzurüsten. Die faktische und außerrechtliche Bindungswirkung der Instrumente, das heißt inwieweit sie die Praxis der Staaten und der weiteren Adressaten tatsächlich beeinflussen, kann im Gegensatz zu der normativen Bindungskraft, welche entweder gegeben ist oder nicht, unterschiedlich ausfallen. Einerseits kann die faktische Bindungswirkung durch die angemessene Einbindung der Ethik, die an erster Stelle das Handeln außerhalb des Bereichs des Rechts, also überpositiv leitet und rechtfertigt, erhöht werden. Andererseits kann sie möglicherweise durch die Einbindung von bereits existierenden internationalen Maßstäben für die Biomedizin gesteigert werden. a) Einbindung bereits existierender internationaler Maßstäbe Kodizes im biomedizinischen Bereich, die für die translationale Medizin thematisch ausschlaggebend sind, wurden vor allem von Akteuren des Privatrechts, von internationalen Forschungsorganisationen wie der ICGC, aber auch im Rahmen spezifischer Projekte, wie das 1000-Genomes-Projekt, entwickelt.456 In den sich jetzt etablierenden internationalen Projekten (Pan-Cancer-Projekt) und Initiativen (Global Alliance) wird nicht zuletzt aufgrund der Sensibilisierung der letzten Jahre, die auch von der UNESCO geleistet wurde, darauf Acht gegeben, die die translationale Medizin begleitenden ethisch-juristischen Maßstäbe zu entwickeln. Es wäre daher unglücklich, wenn die UNESCO selbst die Früchte ihrer Arbeit in Bezug auf die Verbreitung der bisherigen Deklarationen, der Kapazitätenbildung und der Sensibilisierung nicht berücksichtigen und keinen Austausch mit weiteren Vorhaben anregen würde. Die rekurrierende Einbindung der Ergebnisse dieser Arbeit könnte nach sorgfältiger inhaltlicher Prüfung geschehen und somit die faktische Bindungskraft der Deklarationen durch eine explizite 456  Siehe

oben § 5 I.1.

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Adressierung der Arbeit internationaler Akteure in der translationalen Medizin stärken. Sollte es sich um nationale berufsständische Kodizes handeln, so hätte die Einbindung dieser den weiteren Vorteil, dass sie mit dem betroffenen mitgliedstaatlichen Rechtssystem bereits harmonisiert sind. Zwei Wege scheinen für die Einbindung der die Praxis leitenden Instrumente sinnvoll. Öffnungsklauseln stellen die erste Möglichkeit für die Einbindung existierender Kodizes und Richtlinien dar. Der Einsatz von Öffnungsklauseln ist nur unter der Erfüllung von zwei Kriterien angemessen. Erstens müssen die Prinzipien der Kodizes und Richtlinien ethisch gerechtfertigt werden und von Standards der Berufsmoral klar abgegrenzt werden. Zweitens dürfen die so einbezogenen Standards das Völkerrecht nicht verletzen.457 Diese Klauseln werden in der Regel aber allgemein ausformuliert und räumen grundsätzlich keine Möglichkeit ein, zwischen den einzubindenden Instrumenten zu unterscheiden. Eine pauschale Annahme verschiedenster Leitlinien und Richtlinien ohne vorherige sorgfältige Prüfung kann nicht wünschenswert sein. Der zweite Weg könnte über die jeweilige Präambel führen, indem diese auf wichtige und von der UNESCO geprüfte Kodizes verweisen würde. Präambeln sind Teile des jeweiligen internationalen Instruments, unabhängig davon, ob dieses vertraglicher oder nicht-verbindlicher Natur ist, denn der deklaratorische und der beschließende Teil des Instruments ergeben beide den „Zusammenhang“ des Textes, wie in Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge bestimmt wird.458 Dies impliziert zwar auch bei völkerrechtlichen Verträgen keine inhärente Normativität der Präambel, denn Staaten können kein Mandat oder keine Verpflichtung unmittelbar aus dieser ableiten. Sie trägt aber zur Bestimmung des Zwecks des Instruments bei, weil sie dabei hilft, die Interpretation des Textes zu gewährleisten und seine Bedeutung zu erfassen, was sowohl für Verträge oder Konventionen als auch für Deklarationen oder Erklärungen gilt.459 Die Erfassung der Bedeutung des Instruments und die Bestimmung seines Zwecks könnten auch die Einbindung der existierenden Kodizes und Richtlinien, die auf internationaler Ebene die translationale medizinische Praxis bestimmen, umfassen. Durch die Einbindung einschlägiger internationaler Kodizes und Leitlinien würden die Soft-Law-Dokumente selbst an Bestimmtheit gewinnen und 457  Zu diesen Kriterien, aber auch zur Analyse von Öffnungsklauseln im deutschen Recht siehe Vöneky, in: Löwer / Gärditz, S. 68 ff. 458  Zur Anwendung völkerrechtlicher Prinzipien auf dem Feld der Soft Law am Bespiel des Wiener Übereinkommens siehe: Thürer, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 33. 459  Gros Espiell, in: ten Have / Jean, S. 57 ff., S. 58 f.



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könnten ihre Rolle als Interpretationshilfe für das Völkerrecht und für die nationalen Rechtsvorschriften besser erfüllen.460 Eine konsensuale Verabschiedung einer künftigen Deklaration wäre weiterhin wünschenswert, denn diese würde dem Dokument eine über die symbolische Bedeutung hinausgehende Autorität verleihen und eine außerrechtliche Verpflichtung begründen.461 Um gleichzeitig die Annahme eines Dokuments zu vermeiden, das aufgrund der konsensuellen Verabschiedung lediglich eine Bestandsaufnahme von Verfügungswissen darstellt, könnten bereits erwähnte Maßnahmen im Rahmen der Entscheidungsfindung und Maßnahmen zur Steigerung der inhaltlichen Effektivität ergriffen werden. Auf letztere wird im Folgenden unter Gliederungspunkt IV eingegangen. b) Eine angemessene Einbindung der Ethik Wie bereits aufgezeigt, können sowohl die Medizinethik als auch das Recht in besonderem Maße zur Gestaltung des Umgangs mit Patienten beitragen und an der Ausrichtung der Patientenstellung als Person mitwirken. Insofern ist die Ethisierung der Steuerung der internationalen Bio­ medizin im Sinne einer zunehmenden und verstärkten Ergänzung der ­Soft-Law-­Instrumente durch ethische Standards gerechtfertigt.462 In den UNESCO-Deklarationen gelingt die Einbindung ethischer Normen vorwiegend durch die unmittelbare Annahme von ethischen Prinzipien in die Dokumente, worauf im Folgenden ausführlich auch unter Gliederungspunkt III eingegangen wird. Die Festlegung einer Zuständigkeit für die Einbindung ethischer Prinzipien in dieser Form kann, wie bei der UNESCO, durch ein Mandat an die betroffene Internationale Organisation geschehen, das sie durch die Einrichtung einer Expertenkommission in der Regel in Form eines ständigen Ethikkomitees umsetzen kann. Zudem muss die unmittelbare Einbindung ethischer Prinzipien angesichts der Vielzahl ethischer Perspektiven auch inhaltlich überzeugen. Die Zusammenführung verschiedener Ethiken und die angemessene Berücksichtigung der Pluralität ethischer Praktiken stellen eine zusätzliche Herausforderung für die Arbeit des Komitees dar. Das für die Umsetzung des ethischen Mandats zuständige Organ der UNESCO ist der IBC. Die IBC-Mitglieder werden von den Mitgliedsstaaten zur Wahl empfohlen, sie repräsentieren aber ihre Regierungen nicht und 460  Thürer,

in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 29 f. Have (2008), S. 341 f. 462  Für diese Definition der Ethisierung vgl. Vöneky, in: Löwer / Gärditz, S. 68. 461  ten

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binden Aspekte ihrer Regierungen in ihre Positionen nicht ein. Obwohl sie demnach unabhängig sind und in ihrer persönlichen Funktion arbeiten, wird die Repräsentation der soziokulturellen Werte ihrer Länder und Regionen erwartet und daher angenommen. Demnach soll der Generaldirektor bei ihrer Nominierung die kulturelle Diversität und eine ausgeglichene geographische Repräsentation anstreben (Art. 3 IBC-Statut).463 Durch Konsultationen mit Akteuren außerhalb und innerhalb der UN wie unter Gliederungspunkt I geschildert kann für die weitere Einbindung interkultureller und transnationaler bioethischer Aspekte gesorgt werden. Durch die Zusammenführung der Arbeit des IBC mit der des IGBC und durch die Finalisierung der Deklarationen durch die IGE-Treffen demonstriert die UNESCO die Entwicklung der Bioethik aus einem Feld interdisziplinärer und interkultureller Suchbewegung nach ethischem Orientierungswissen auf transnationaler Ebene heraus hin zu einem Feld, das vorwiegend durch die Umsetzung mitgliedstaatlicher Regulierungsziele geprägt wird.464 Ethisches Orientierungswissen auf der interkulturellen Ebene kann so ohne die Überarbeitung durch Regierungsrepräsentanten nicht manifestiert werden, deren Aufgabe die Abbildung mitgliedstaatlicher Standpunkte in den Berichten der IBC und in den Deklarationen ist. Die Notwendigkeit dieser Überarbeitung und Finalisierung wird damit begründet, dass Adressaten und primäre Akteure der Förderung und Umsetzung der Deklarationen die Mitgliedstaaten sind. Die Deklarationen – auch bereits die finalisierten Stellungnahmen des IBC – bewegen sich durch diese Erarbeitungskonstellation in einer Grauzone von bestehenden oder fehlenden Regulierungsinteressen einzelner Mitgliedstaaten; sie sind an erster Stelle Ergebnisse ihrer Abwägung.465 Kritisch kann aus diesem Grund der Reduktion die Einstufung der Deklarationen als eine universelle ethische Reflexion hinterfragt werden, denn die Dokumente werden dem Anspruch so nicht gerecht, interkulturelles und transnationales ethisches Orientierungswissen zu manifestieren. Zwar ist es keineswegs die Aufgabe der internationalen Steuerung genetischer Analysen, das moralisch Richtige festzulegen oder gar universell zu verallgemeinern.466 Wenn aber die Deklarationen auf gemeinsame ethische 463  Andorno,

in: Sándor, S. 120. Have, in: Honnefelder / Lanzerath, S. 125. 465  Der Rechtsausschuss, der für die Erarbeitung der ersten Deklaration zuständig war, ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die UNESCO auf sukzessive Weise einen globalen politischen Konsens über internationale Normen des Umgangs mit dem menschlichen Genom entwickeln soll. Siehe Andorno, in: Sándor, S. 106. 466  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 347. 464  ten



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Prinzipien und eine Verständigung über diese verweisen, ist dies noch keine Manifestation einer tatsächlich vorangegangenen ethischen Diskussion, in der sich die Orientierungskraft der festgehaltenen ethischen Grundprinzipien für den konkreten Kontext humangenetischer Analysen auf interkultureller und transnationaler Ebene herauskristallisiert hätte.467 In den UNESCO-Deklarationen erfolgt die Entwicklung ethischer Prinzipien durch Hinweise auf die Menschenwürde und die Menschenrechte.468 Dies ist kein Alleinstellungsmerkmal der Deklarationen, denn in anderen bioethischen Dokumenten wird ähnlich vorgegangen.469 Dies mag zwar kein Zufall sein, ist aber an sich noch nicht als Beweis für die Richtigkeit des Vorgehens zu bewerten. Die Menschenwürde und die Menschenrechte, wie auch in Menschenrechtsdokumenten artikuliert, sind  – nicht zuletzt angesichts ihrer historischen Entwicklung – auch moralische Rechte und stellen eine ausgehandelte moralische Ordnung dar.470 Diese Ordnung verkörpert somit einen moralischen Konsens über den Inhalt und das Verhältnis der Rechte und verlangt von allen Akteuren sowohl die Anerkennung dieses Konsenses als auch einen Beitrag zu seiner Aufrechterhaltung.471 Bei der Intention, die Stellung des Patienten als Person aufrechtzuerhalten und zu konkretisieren, soll aber auf das System der Menschenrechte vor allem als juridische Ordnung zurückgegriffen werden. Die Prinzipien der Deklarationen schreiben ethische Standards auch unter den Rahmenbedingungen der verrechtlichten Menschenwürde und der Menschenrechte fest und sollen durch den so widergespiegelten Minimalkonsens auf die Rechtssetzungsvorgänge der Mitgliedstaaten einwirken.472 Die ethischen Fragestellungen zur translationalen Genetik beziehen sich auf die grundlegendsten Vorrechte des Menschen, wie das Recht auf Leben und auf körperliche Integrität. Demnach scheint ihre Rückbindung an die Menschenrechte als juridische Rechte gerechtfertigt zu sein.473 An diesem Vorgehen glauben aber Düwell und Mieth ein Verständnis zu erkennen, nach 467  Tanner (2007), S. 713 f. Siehe den Verweis auf Dissense über ethische Prinzipien in einer pluralistischen Weltgesellschaft als politische Aufgabe bei Vöneky, in: dies. / Beylage-Haarmann / Höfelmeir et  al., S. 142. 468  Vgl. § 6 I. 469  Vgl. nur die Deklarationen des Weltärztebundes oder das Biomedizinübereinkommen des Europarates. 470  Baker (1998), S. 233 ff., S. 235 ff. 471  Id. 472  Mieth / Düwell, in: Mieth, S. 345. 473  Andorno (2013), S. 54.

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welchem das Recht die Aufgabe hat, „eine minimale Schnittfläche verschiedener Moralvorstellungen zu kodifizieren“.474 Wie sie allerdings feststellen, eignet sich nicht jede Moralvorstellung, als Recht abgebildet zu werden. Die einfache Feststellung von Schnittmengen verschiedener Moralvorstellungen ist zudem an sich noch kein Kodifikationsgrund.475 Das Menschenrechtssystem ist das einzige bewährte System, das zur Verfügung steht, um den Menschen auf globaler Ebene verbindlich zu schützen. Der juristische Referenzrahmen der Menschenrechte erlaubt die grundsätzliche Strukturierung spezifischer normativer Fragen.476 Dies rechtfertigt, bestimmte ethische Prinzipien in ihren Referenzrahmen zu integrieren.477 Dem von der UNESCO verfolgten Ansatz, bioethische Prinzipien im rechtlichen Referenzrahmen der Menschenwürde und Menschenrechte zu handhaben, ist daher grundsätzlich zuzustimmen. Eine Einbindung in den menschenrechtlichen Referenzrahmen könnte neben Hinweisen auf Völkerrechtsverträge, wie dies bei den bestehenden UNESCO-Deklarationen der Fall ist, auch durch zusätzliche Hinweise auf ihre Vertragsorgane geschehen. Diese Organe können selbstverständlich auch dann aktiv werden, wenn die durch den bestimmten Vertrag geschützten Menschenrechte in Verbindung mit der Biomedizin oder einer biotechnologischen Anwendung verletzt werden.478 Bei der Einbindung in den menschenrechtlichen Referenzrahmen soll das Biorecht die Bioethik allerdings nicht subsumieren. Die Bioethik als interkulturelle Übersetzungspraxis479 zwischen Labor und Rechtsordnungen, die zum Umgang mit den molekularbiologischen Herausforderungen als erste Anlaufstelle ein Orientierungswissen gewährleisten kann, soll in ihrer Rolle aufrechterhalten werden. Dies kann tatsächlich nur dann erfolgen, wenn die Räume der Diskurse zur Herausbildung interkulturellen und transnationalen ethischen Orientierungswissens zunächst von mitgliedstaatlichen Regulierungsaktivitäten und -zielen abgegrenzt werden. Wenn der Anspruch lautet, universelle ethische Prinzipien zu formulieren, kann die Etablierung von Ethikkommissionen auf mitgliedstaatlicher Ebene diese Trennung nicht ersetzen. Das durch den IBC herauskristallisierte ethische Orientierungswissen und seine Eingliederung in den menschenrechtlichen Referenzrahmen gehen sonst verloren. 474  Mieth / Düwell, 475  Id.

in: Mieth, S. 346.

476  Farmer / Campos,

S. 243 ff., S. 248. (2002), S.  959 ff., S. 960. 478  Eine „Konturierung“ im Bereich der Menschenrechte aufgrund der Arbeit der Vertragsorgane bestätigt Klein, in: Wolfrum / Röben, S. 571 ff., S. 578. 479  Tanner (2012), S. 213 ff. 477  Andorno



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Die Analyse der Änderungen, die der IGBC zu den Deklarationen beigetragen hat, zeigt, dass er zwar den menschenrechtlichen Referenzrahmen oft stärkt, aber grundsätzlich im Interesse der Mitgliedstaaten agiert, möglichst wenig Bindung einzugehen. Das gleiche gilt für die IGE-Treffen. Die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den Deklarationen ist sehr wichtig; ein zwingender Grund, diese auf dreifacher Ebene vor der Verabschiedung der Deklarationen anzustreben, besteht aber nicht. Zwar fungiert der moralischjuristische Rahmen der Menschenwürde und Menschenrechte für die Inte­ ressensverwirklichung nationaler Regierungen als Grenze, er muss aber rechtlich konkretisiert werden, um angesichts der Herausforderungen der Biomedizin die spezifische Auslegung der dem Patienten zukommenden Rechte zu gewährleisten. Wenn das Ziel einerseits ist, lediglich am juristischen Referenzrahmen der Menschenwürde und Menschenrechte im Bereich der Biomedizin festzuhalten, aber keine Auslegung dieser zu leisten, wäre die Wahl einer bindenden Form für die Instrumente auf jeden Fall gerechtfertigt. Die deklaratorische und somit nicht bindende Form bietet allerdings größere Räume für konkrete Abwägungen und explizite Empfehlungen. Die vage Konkretisierung der Menschenrechte in Form nicht-bindender Instrumente für die Biomedizin überrascht letztendlich angesichts ihrer Verabschiedung in Prozessen nicht, in denen die bioethische Reflexion als interkulturelle und transnationale Praxis durch mitgliedstaatliche Regelungsinteressen reduziert wird. Vorschriften in Instrumenten für die Steuerung der Biomedizin, die von solchen Organisationen verabschiedet wurden, bei denen ein vergleichbarer mitgliedstaatlicher Einigungsprozess fehlt, weisen eine größere Bestimmtheit auf.480 Überlegenswert wäre es, die etablierten Organe des UN-Menschenrechtsschutzsystems in die rechtliche Konkretisierung der Menschenrechte vor Verabschiedung einer künftigen Deklaration einzubinden. Die ehemalige Menschenrechtskommission hatte sich in Form von Resolutionen mit bioethischen Fragestellungen regelmäßig auseinandergesetzt; die Beteiligung an der Erarbeitung von grundlegenden menschenrechtlichen Standards war von ihrem Aufgabenbereich umschlossen.481 Auch ihr Nachfolger, der Menschenrechtsrat (HRC), besitzt ähnliche Funktionen, demnach soll er nicht nur der UN-Generalversammlung Empfehlungen für die Fortentwicklung der Menschenrechte unterbreiten, sondern auch zu der Standardsetzung in der UN beitragen.482 Angesichts dieses Auftrags des HRC und angesichts 480  Vgl. nur CIOMS 2002 (2. Teil, Fn. 217), wo die Empfehlungen für die informierte Einwilligung sehr ausführlich sind. 481  Karrenstein, S. 41 f. 482  UN-Doc. A / RES / 60 / 251 v. 15.03.2006, Abs. 6. Siehe auch E / CN.4 / 2006 / 1 v. 27.03.2006.

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der nicht minderen Kritik am UN-Menschenrechtsschutzsystem, nach welcher zu viele Organe mit überlappenden Aufgabenbereichen in diesem tätig sind483, wäre ein besonderer Auftrag für den Rat in Bezug auf die Konkretisierung der Patientenrechte im Erarbeitungsprozess biomedizi­ nischer Instrumente der UNESCO vorstellbar. Inwieweit die Einbindung weiterer UN-Vertragsorgane in diese Arbeit möglich oder sogar vorteilhafter als eine Einbindung des HRC und inwieweit dann die Arbeit des IGBC noch als notwendig anzusehen wäre, sollte zusätzlicher Prüfung unterzogen werden. Nur unter bestimmten Vorbehalten kann die Einbindung ethischer Prinzipien in die Deklarationen fruchtbar für die Stellung der betroffenen Patienten genutzt werden. Bei einem künftigen Instrument soll die Arbeit des IBC zur interkulturellen und transnationalen Reflexion dieser Prinzipien im Kontext des spezifischen Feldes der translationalen Genetik zunächst nicht durch die mitgliedstaatlichen Regulierungsinteressen reduziert werden. Um die Deklarationen in den menschenrechtlichen Referenzrahmen als überwölbenden juristischen Rahmen einzubinden, soll auch die Konkretisierung der Menschenrechte in diesen gewährleistet sein. Für diese Arbeit sind die Repräsentanten der Mitgliedstaaten im IGBC wenig geeignet, vielmehr sollten die etablierten Organe des UN-Menschenrechtsschutzes eingebunden werden. Die Zustimmung in zwei finalisierenden Treffen der Regierungsexperten würde ausreichen, um die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten in den Instrumenten abzubilden.

483  Schmidt,

in: Volger / Weiß, S. 81 ff., S. 82 f.



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III. Steigerung der thematischen Effektivität Bei der folgenden Eruierung über die Möglichkeiten der Steigerung der thematischen Effektivität eines künftigen Instruments zur genetischen Analyse wird die Person in den Mittelpunkt gestellt. Es ist nicht Ziel, an dieser Stelle konkrete Lösungen für die internationale Steuerung der Genomsequenzierung zu entwickeln. Vielmehr ist der Frage nachzugehen, welchen Einfluss die thematisch adäquate Steuerung auf die Patientenstellung im Rahmen der Menschenrechte ausüben kann. Zentrale Aufgabe wird es sein, die Stellung angesichts der dem Patienten zuzusprechenden Rechte aufzuzeigen. Die Beschreibung der Person aufgrund von sie kennzeichnenden Merkmalen als Möglichkeiten, welche im Laufe der Entwicklung der drei Deklarationen immer weiter ausformuliert wurde, kann ein erfolgreicher Ansatz werden, um trotz abweichender moralischer Auffassungen und verschiedener legislativer Lösungen in den Mitgliedstaaten eine gemeinsame Vorstellung über die Stellung des Patienten zu entwickeln. Während in der ersten Deklaration noch das Genom als Erbe der Menschheit im Mittelpunkt steht, werden in der zweiten Deklaration die die menschliche Individualität beeinflussenden inneren und äußeren Faktoren, insbesondere die persönliche Freiheit, hervorgehoben. Ein Zusammenhang zwischen den speziellen Eigenschaften genetischer Informationen und der Stellung der Person wird nicht hergestellt. In der Präambel der dritten Deklaration befindet sich eine Passage über die Fähigkeiten des Menschen, seine eigene Existenz und seine Umwelt zu reflektieren, Ungerechtigkeit zu erkennen, Gefahren zu verhindern, Verantwortung zu übernehmen, Kooperation zu suchen und ein moralisches Bewusstsein aufzuzeigen, das ethischen Prinzipien einen Sinn verleiht. Es ist leicht zu erkennen, dass diese Beschreibung mit dem in der Geistesgeschichte entwickelten Verständnis der Person korreliert und auf ihre Stellung auch als moralisch-leibliches Wesen fußt. Die Kritik, nach der eine Definition der Person fehlt, ist nicht berechtigt. Um moralische und juristische Stellungen auf universeller Ebene zu begründen, ist die Identifizierung von Aspekten des Personenseins, die Bestandteile verschiedener Konzepte sein können, erforderlich, nicht aber ein vollständiges und abgeschlossenes Konzept des Personenseins selbst.484 Die Frage, welche Stellung dem Patienten zukommen soll, kann auf überstaatlicher Ebene geklärt werden. Wie diese Stellung zu verwirklichen ist, bleibt eine Aufgabe der Mitgliedstaaten, die dabei ihre rechtssystematischen und kulturspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen wissen werden.485 484  Ohlin,

S. 209 ff. eine Betrachtung der internationalen Rechtsangleichung auf moralisch problematischen Gebieten siehe Friele, in: Vöneky / Hagedorn / Clados, S. 331 ff. 485  Für

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

Vor allem soll in einer künftigen Deklaration, welche Antworten auf die Herausforderungen neuer genetischer Analysemethoden anbietet, ein Zusammenhang zwischen den besonderen Eigenschaften genetischer Informationen und der persönlichen Identität und Integrität hergestellt werden. Die Genetisierungs- und Medikalisierungsgefahr aufgrund prädiktiver genetischer Informationen betrifft jeden. Demnach ist die Eingrenzung des Integritätsschutzes auf besondere schutzbedürftige Gruppen nicht zu rechtfertigen. Die Beibehaltung und – im Vergleich zu der zweiten Deklaration – die Erweiterung eines „Vokabulars“ biologischer Begriffe (unter anderem mit der Definition des Epigenoms) kann ebenfalls förderlich für die Klärung des Zusammenhanges zwischen dem Genom und der personalen Integrität und Identität sein, da aufgrund der Erläuterung genetischer Funktionen ein genetischer Determinismus glaubwürdiger abgelehnt werden kann. Neben der Identität und Integrität sind weitere Aspekte für die Stellung des Patienten als Person im genetischen Kontext tragend, die im Vergleich zu den bisher verabschiedeten Aspekten zusätzlich erwähnt, besser hervorgehoben oder ausführlicher konkretisiert werden sollten. Zu diesen Aspekten gehören solche, die während der Entscheidungsprozesse bereits eingebracht aber nicht berücksichtigt wurden, wie die genetische Identifizierbarkeit, die Unverfügbarkeit der menschlichen Erbinformation, das Recht, die eigene Erbinformation an die Nachkommen weitergeben zu dürfen, ein eindeutiges Patentierungsverbot und Kommerzialisierungsverbot und die umfangreiche Einschätzung gentechnologischer Eingriffe zu nicht-therapeutischen Zwecken. Um die spezifischen Eigenschaften der Genomanalyse zu berücksichtigen, sollte eine künftige Deklaration Lösungen für ihre besonderen Herausforderungen finden. Vor dem Hintergrund der Eigenschaften und Herausforderungen der Ganzgenomsequenzierung, wie in den Kapiteln 4 und 5 dargestellt, soll zunächst der Anwendungsbereich translationale Vorhaben an der Schnittstelle zwischen Forschung und Medizin erläutert werden. Es gibt bereits zahlreiche Initiativen, die die Eigenschaften der Ganzgenomsequenzierung als diagnostische Maßnahme in der translationalen Medizin wahrnehmen und vor allem im Rahmen einer Selbstregulierung entsprechende normative Vorschläge für den Umgang mit der Technologie bereitstellen.486 Diese Initiativen wurden in der Regel bisher einerseits aus den jeweiligen nationalen medizinischen und juristischen Berufskontexten heraus entwickelt und können daher nicht gleich als grenzüberschreitende Anstöße für eine internationale Steuerung fungieren. Andererseits existieren selbstregulierende Maßnahmen internationaler Forschungsorganisationen für die Gestaltung der Patientenstellung auf internationaler Ebene. Ihre Miteinbezie486  EURAT

(2015), ACMG (Juli 2013), S. 565 ff.



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hung kann nicht nur die faktische Bindungskraft aufgrund der Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Akteurenkreises erhöhen, sondern solche praxisrelevanten Lösungsmodelle aufzeigen, die sich in den Rechtssystemen betroffener Mitgliedstaaten bereits gut einfügen. Wie sich die Ausformulierung von Aspekten als Rechte, die mit der personenhaften Stellung eines Patienten verbunden sind zu den Menschenrechten und dem Status der Person im internationalen Recht allgemein verhält, kann wie folgt betrachtet werden: Menschenrechte haben einen grundlegenden Charakter und sind aus der innewohnenden Würde und dem Wert der menschlichen Person abzuleiten.487 Die Patientenrechte spielen eine unersetzliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der persönlichen Freiheit und bei dem Schutz der Leiblichkeit als Vermittler von Anerkennungsverhältnissen. Demnach werden diese Rechte aus der Würde, der Integrität und Identität des Patienten abgeleitet und dienen der Abwendung von Gefahren für diese in einer besonderen schutzbedürftigen Situation, in der sich die Person aufgrund einer Krankheit befindet. Die Patientenrechte, die im Kontext genetischer Untersuchungen relevant sind, schützen Aspekte des Personenseins, die auch unter den integralen Schutzbereich von Menschenrechten fallen. Für die Deklarationen der UNESCO ist es typisch, grundsätzlich keine Rechte der Betroffenen als solche zu nennen, sondern Prinzipien auszuformulieren, die im allgemeinen Referenzrahmen der Menschenwürde und der Menschenrechte verortet werden. Eine der wenigen Ausnahmen, die in den ersten beiden Deklarationen als Recht ausformuliert wird, ist das Recht des Untersuchten darüber entscheiden zu können, ob er über die Ergebnisse genetischer Untersuchungen informiert werden will.488 Obwohl der zweite Abschnitt der ersten Deklaration „Rechte der Betroffenen Personen“ heißt, wurde zusätzlich zum Recht auf Wissen und Nichtwissen nur der Anspruch auf Schadenersatz als Recht ausformuliert.489 Die dritte Erklärung nimmt einen expliziten Bezug auf das Recht auf Gesundheit.490 Im Weiteren ist nur der allgemeine Hinweis auf die Menschenrechte in den Deklarationen bei bestimmten Prinzipien zu finden. Diese Prinzipien sind die Einwilligung, das Diskriminierungsverbot, die Vertraulichkeit genetischer Daten, die For487  „Invites Member States and United Nations bodies to bear in mind the following guidelines in developing international instruments in the field of human rights; such instruments should, inter alia:“ „be of fundamental character and derive from the inherent dignity and worth of the human person.“ Ziff. 4 b, UN-Generalversammlung, A / RES / 41 / 120, 04.12.1986. 488  Art. 5 c UNESCO 1997 (1. Teil, Fn. 680); Art. 10 UNESCO 2003 (1. Teil, Fn. 691). 489  Art. 8 UNESCO 1997, id. 490  Art. 14 Nr. 2 UNESCO 2005 (1. Teil, Fn. 649).

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schungsfreiheit, der Vorteilsausgleich, die Zweckänderung bei der Nutzung genetischer Daten und die Förderung der Deklarationen durch die Mitgliedstaaten. In der letzten Deklaration werden die Menschenrechte auch in Bezug auf die Gleichheit aller Menschen und der kulturellen Diversität, sowie in Bezug auf die Einschränkung der Prinzipien erwähnt.491 Alle drei Dokumente lehnen Handlungen ab, die im Widerspruch zu den Menschenrechten und der Menschenwürde stehen. Die niedrige Zahl der Hinweise auf Rechte spiegelt sich in der Formulierung von Pflichten wider. Die Deklarationen verabschieden neben konkreten Pflichten, das heißt direkten Geboten und Verboten in Bezug auf die Prinzipien, auch die Mitgliedstaaten verpflichtende Artikel zur Förderung der Prinzipien und zum Erlass von staatlichem Recht im Einklang mit der Deklaration. Pflichten zur Berücksichtigung konkret ausformulierter Rechte werden allerdings nicht bestimmt. Um die Stellung der Patienten im Kontext genetischer Analysen zu konkretisieren und sie in einem künftigen Dokument durch eine klare rechtliche Stellung zu schützen, sollten die Aspekte der Personenstellung, die Schutzbereiche der verrechtlichten Menschenwürde und der Menschenrechte betreffen, nicht als Prinzipien ausformuliert, sondern eindeutig als Rechte identifiziert und ausformuliert werden (beispielsweise als „has a right to“). Die Aufgabe, eine Konkretisierung der Menschenrechtsnormen für den Kontext der Genetik zu vollziehen kann durch präskriptive, den Menschenrechtsnormen nur ähnelnde, vage Gebote nicht erfüllt werden. Es bedarf einer Änderung der Formulierung und der Wortwahl. Demnach soll eindeutig werden, welche Menschenrechte wie konkretisiert werden – hierbei sind vage Formulierungen schwer zu rechtfertigen. Dies schließt eine Aufnahme ethischer Prinzipien oder die Ausformulierung von Prinzipien, die moralische Gebote mit den Menschenrechtsnormen verbinden, nicht aus. Ihre letzte Bestimmung findet zwar im Verhandlungsprozess der IGE-Treffen statt, es darf dennoch nicht vernachlässigt werden, dass das zu verabschiedende Instrument den Adressaten Vorschläge für die Auslegung der Menschenrechte in einem spezifischen Kontext und auf Ergebnisse interkultureller und transnationaler bioethischer Reflexion gestützt zu vermitteln hat und sich weder mit der Wiedergabe ethisch-moralischer Überzeugungen begnügen darf noch auf mitgliedstaatliche Regulierungsinteressen reduziert werden kann. Eine über solche Überzeugungen und Interessen hinausgehende Konkretisierung bei der Steuerung der Genomsequenzierung ist notwendig, insofern die Stellung des Patienten als raumzeitliches und normatives Wesen aufrechterhalten werden soll. 491  Art. 10,

Nr. 15 Präambel, Art. 27 UNESCO 2005, id.



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Die Frage, ob durch diese Konkretisierung eine neue Generation der Menschenrechte492, gar internationale subjektive Rechte493 entstehen oder sich die Konkretisierung die Fortentwicklung der Menschenrechte für einen spezifischen Kontext ergibt494, wird in Zukunft aus zweifachem Grund gestellt werden können. Einerseits sollten neben den Staaten die entscheidenden Akteure im Sequenzierungsprozess, vor allem Ärzte und Forscher, aber auch die Betroffenen selbst als Adressaten von Rechten und Pflichten genannt werden. Die Konkretisierung der Menschenrechte in Bezug auf das Kollektiv der Patienten als schutzbedürftige Gruppe und die zunehmende Inpflichtnahme einzelner Akteure, sowie Institutionen in ihrem Rahmen, legt ein Verständnis dieser als zunehmend interindividuelle Rechte nahe, das andererseits durch die Einbindung ethisch-moralischer Prinzipien der herkömmlichen Medizinethik verstärkt wird, da sich letztere ebenfalls an den Verhältnissen zwischen einzelnen Individuen oder Gruppen orientiert. Die Aufgabe der Konkretisierung ist allerdings vorerst einerseits, die Staaten möglichst genau darauf hinzuweisen, wie sie die nationalen Individualrechte im Rahmen der in der Deklaration vorgeschriebenen Prinzipien und Rechte gestalten sollten. Andererseits sollten die einzelnen Akteure, die an der internationalen translationalen Medizin beteiligt sind, Auslegungs- und Abwägungshilfe für ein die Menschenwürde berücksichtigendes und menschenrechtskonformes Verhalten erhalten. Diese Aufgaben liegen in der Tendenz, Individualrechte im Völkerrecht im Bereich der Menschenrechtsverträge, deren Hauptzweck der Schutz des Einzelnen ist, anzuerkennen.495 Ob in der internationalen Biomedizin durch die konkretisierende Stellung des Patienten die Notwendigkeit entsteht, die Anerkennung der Völkerrechtspersönlichkeit des Einzelnen, das heißt die Fähigkeit, ein subjektives internationales Recht oder eine völkerrechtliche Pflicht innezuhaben, weiter zu etablieren, wird künftig zu beobachten sein. Inwieweit die Biotechnologie verlangen wird, die Rechtspersönlichkeit des einzelnen mit einem dynamischen Bestand an Rechten auch im Völkerrecht zu identifizieren496 und somit den Schutz der Patienten angesichts der schnellen technologischen Entwicklung tendenziell unabhängig von einzelnen nationalstaatlichen Entwicklungen zu konzipieren497, wird auch eine Frage der technologischen Entwicklung selbst werden. 492  UNESCO

IBC, Proceedings, First Session (3. Teil, Fn. 135), S. 59. S. 469. 494  Der Schutz der Menschenrechte im neuen Kontext der Biomedizin wird in dem Biomedizinübereinkommen in der Präambel als Ziel festgeschrieben: Nr. 17 Präambel BMÜ (1. Teil, Fn. 661). 495  Ress, S. 634. 496  Peters, S. 34 f. 497  Grzeszick, S. 315. 493  Peters,

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

IV. Bessere Förderung und Umsetzung Bei der Förderung und Umsetzung eines künftigen Instruments ist zunächst zu unterscheiden, ob diese Maßnahmen leichter anhand von durch Adressaten durchgeführten Tätigkeiten oder besser anhand von Durchsetzungsmechanismen der UNESCO selbst ausgeführt werden sollen. Um die Durchsetzung zu fördern, können zunächst im Dokument selbst Verpflichtungen für die Adressaten verabschiedet werden. Die Berichterstattungspflicht der Mitgliedstaaten ist eine sowohl für Menschenrechtsverträge als auch für unverbindliche Instrumente gewöhnliche Maßnahme, um die Staaten zur Förderung und Umsetzung zu motivieren. Bei einer unverbindlichen Deklaration hängt die Erfüllung der Berichterstattungspflicht vom Willen der Staaten ab. Da nicht-verbindliche Instrumente einen großen Spielraum für die Auslegung ihrer Vorschriften einräumen, darf die Berichterstattung über die tatsächliche Umsetzung theoretisch keine großen Mühen für die Staaten bedeuten.498 Nach der Verabschiedung der bisherigen Deklarationen der UNESCO wurden die Mitgliedstaaten in einer Resolution über die Implementierung jeweils aufgefordert, dem Generaldirektor über die Maßnahmen, die sie für die Implementierung der Deklarationsprinzipien ergriffen haben, regelmäßig zu berichten.499 Dies hat allerdings wenig erfolgreich funktioniert, denn die Bereitschaft, einer solchen Aufgabe nachzukommen, hielt sich bisher in engen Grenzen.500 Wenn die Bereitschaft fehlt, über die Förderung und Umsetzung der Vorschriften zu berichten, könnten Überwachungsmechanismen erfolgreiche Unterstützung anbieten. Die Frage allerdings, wer die Aufsichtsrolle erfüllen könnte, ist nicht einfach zu beantworten, weil im Rahmen der bisherigen UNESCO-Deklarationen oder in nachfolgenden Resolutionen solche Mechanismen nicht verabschiedet wurden. Zurzeit verfügt die UNESCO selbst über eine der schwächsten Überwachungsmechanismen unter den Internationalen Organisationen.501 Sie wird zudem als die am meisten „politisierte“ Sonderorganisation der UN kritisiert.502 Je länger jedoch Staaten Teil einer Organisation oder eines Regimes 498  Stokke,

in: Young, S. 27 ff., S. 50. Records of the General Conference, 27th Session, 27 C / Resolution 17, para. 1.b; UNESCO, Records of the General Conference, 30th Session, 30 C / Resolution 23, para. 1 b; UNESCO, Records of the General Conference, 31st Session, Res. 31 C / Resolution / 36, para 2, b. 500  Siehe nur: UNESCO IGBC, Report of the Third Session (3. Teil, Fn. 73), S. 8 f. 501  Bank / Foltz, in. Wolfrum, MPEPIL, Rn. 70 f. 502  Dies hat auch dazu geführt, dass die USA, das Vereinigte Königreich und Singapur in den achtziger Jahren aus der Organisation ausgetreten sind. Siehe oben 3. Teil, Fn. 312 und 317. 499  UNESCO,



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sind, desto größer wird der Druck, mit den Instrumenten des Regimes konform zu handeln.503 Die Interne Aufsichtsbehörde hat in ihrem Bericht 2008–2009 die Evidenz dargelegt, dass die nationalen Regelungen in vielen Staaten die Prinzipien der dritten UNESCO-Deklaration reflektieren. Ausdrückliche Indizien, dass dies der Arbeit der UNESCO zuzuschreiben ist, wurden jedoch nicht gefunden.504 Bei der Einführung eines Überwachungsmechanismus könnten sowohl die Maßnahmen für die Überwachung der Umsetzung des Code of Conduct for Responsible Fisheries (CCRF) als auch Überwachungsmechanismen im internationalen Wirtschaftsrecht, wie Teile der Leitlinien der OECD für Multinationale Unternehmen als Beispiel, fungieren.505 Demnach könnte die Berichterstattung der Adressaten zumindest mit einem Auditierungsprozess kombiniert werden, aufgrund dessen die Berichte durch ein unabhängiges Organ überprüft werden.506 Im Rahmen der Auditierung könnte das Aufsichtsorgan zudem eine Veröffentlichung seiner Ergebnisse anstreben. Im internationalen Wirtschaftsrecht versucht die OECD die Wirtschaftspolitik der Staaten und Unternehmen durch Kodizes zu beeinflussen, welche zwar keine Verbindlichkeit besitzen, in Bezug auf welche dennoch Überwachungsmechanismen entwickelt wurden, um ihre Umsetzung zu sichern. Konkret bedeutet dies im Fall der Leitlinien für multinationale Unternehmen die Verabschiedung von rechtlich bindenden Implementierungsmaßnahmen507, welche unter anderem die Etablierung eines Spezialkomitees enthalten, um die Beachtung des Kodexes zu kontrollieren und um den Kodex, falls notwendig, an die aktuellen Entwicklungen anzupassen.508 Um die Umsetzung zu erleichtern wurden zu der CCRF zusätzlich ein gut funktionierender Berichterstattungsmechanismus, aber auch Maßnahmen zur Begleitung der Einhaltung und Umsetzung verabschiedet, welche neben Kapazitätenbildung sowohl Hilfe bei der Ausformulierung nationaler Rechtsvorschriften als auch finanzielle Unterstützung im Zusammenhang mit diesen anbietet.509 Die Leitlinien zur Umsetzung des Kodexes werden vom Sekre503  Goodin,

in: Held / Koenig-Archibugi, S. 68 ff., S. 82. (3. Teil, Fn. 415), S. 1. 505  CCRF (3. Teil, Fn. 450); OECD, Guidelines for Multinational Enterprises, (1976) 15 ILM 969, die letzte aktualisierte Fassung ist abrufbar unter http: /  / www. oecd.org / daf / inv / mne / 48004323.pdf (Stand: 31.12.2016). 506  Taylor (1999), S. 479 ff., S. 480, S. 513, S. 527, S. 535 f. 507  Art. 5 a Convention on the Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) 888 UNTS 181. 508  Bonucci / Kothari, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 45 ff., 48; Friedrich (2013), S.  120 ff. 509  Wolfrum, Means of (1999), S. 13 ff., S. 110. 504  UNESCO

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3. Teil: Steuerung der Gesamtgenomanalyse im Grenzbereich

tariat der FAO ausformuliert und können, genauso wie der Kodex selbst510, jederzeit neuen Entwicklungen entsprechend revidiert werden.511 Dies ändert selbstverständlich nichts daran, dass die Umsetzung dezentralisiert durchgeführt wird und damit letztendlich in den Aufgabenbereich der Staaten fällt. Daher scheitern sie nicht selten doch an der Widerwilligkeit von den Staaten.512 Auf jeden Fall sind diese Beispiele aber geeignet, um aufzuzeigen, dass die Umsetzung von Soft Law mit „harten“ Mechanismen unterstützt werden kann.513 Auch GEObs könnte zu einem Kontrollmechanismus weiterentwickelt werden, wenn die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, ihre legislativen Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschriften eines künftigen Instruments in dieser Datenbank zu speichern und mit den Vorschriften des Instruments zu verbinden. Indem diese Verbindung nicht wie gegenwärtig vom Sekretariat der UNESCO hergestellt werden wäre, könnte sie als eine Art Berichterstattung funktionieren und den Prozess, technische und wissenschaftliche Fortschritte mit Regelungen auf nationalen Ebenen zu begleiten, beschleunigen.514 Entscheidend ist zudem, wer bei der Umsetzung international vereinbarter Prinzipien und Empfehlungen auf nationalen Ebenen zuständig ist. Die Kette der Delegation darf nicht zu lang und komplex sein,515 eine Zuständigkeitsdiffusion ist zu vermeiden. Soweit vor diesem Hintergrund Aufgaben bei der Förderung und Umsetzung delegiert werden können, ist das Engagement nationaler Ethikräte angebracht. Individuen als Adressaten, wie zum Beispiel Forscher und Ärzte, könnten motiviert werden, in ihren jeweiligen Berufsgruppen für die Umsetzung der UNESCO-Empfehlungen zu sorgen, wobei die grundlegende Stärkung der Wissenschaftsethik und damit die Sensibilisierung dieser Akteure Aufgabe der UNESCO und der Mitgliedstaaten bleiben soll. Angesichts der Zunahme neuer Adressatenkreise wird die Einbindung von COMEST bei der Erarbeitung neuer Steuerungsinstrumente besonders wichtig. In Bezug auf den befürworteten Grad der Bestimmtheit nicht-verbindlicher Deklarationen sind zwei unterschiedliche Meinungen zu berücksichtigen, deren Abwägung auch die Erfolgschancen einer Einführung von Über510  CCRF

(3. Teil, Fn. 450), Art. 4.3. in: Wolfrum / Röben, S. 85. 512  Friedrich (2013), S. 79. 513  Thürer, in: Wolfrum, MPEPIL, Rn. 13; Edeson, in: Wolfrum / Röben, S. 87; Peters / Pagotto, S. 27, abrufbar unter https: /  / ius.unibas.ch / uploads / publics / 3940 / 2 0100219145119_4b7e9757829c2.pdf (Stand: 31.12.2016). 514  Langlois, S. 77, S. 90. 515  Held, S. 141 f. Held analysiert dies für die Deliberation, kann aber genauso gut für die Implementierung gelten. 511  Edeson,



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wachungsmechanismen beeinflussen kann. Die eine besagt, dass je höher die auszulegenden Standards sind, desto ernsthafter muss ihnen begegnet werden, denn es ist schwieriger ernsthafte und detaillierte, als niedrige Standards zu ignorieren.516 Die andere Meinung vertritt die These, nach welcher die Unbestimmtheit der Standards sogar zu ihrer besseren Implementierung führen kann. Zwar geben vage Maßstäbe für spezifische Kontexte keine exakte Orientierung, weil sie keine Abwägung oder Konkretisierung leisten. Genau dies kann aber helfen, Diskursprozesse zwischen verschiedenen Individuen, Gruppen oder Institutionen über ihre Auslegung in Gang zu setzen.517 Um diese Diskursprozesse doch zu strukturieren, gleichzeitig aber der ethischen Pluralität auch auf der einzelstaatlichen Ebene Geltung zu verleihen, wäre es vorstellbar, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, vor der Verabschiedung von Regelungen eine Stellungnahme der nationalen Ethikkommissionen einzuholen. Grundsätzlich bleibt in Bezug auf die Einführung eines Überwachungsmechanismus allerdings festzuhalten, dass dieser für die Steigerung der Transparenz und der Verantwortung bei der Umsetzung sorgt und die Umgehung von Vorschriften nicht-bindender Instrumente eingrenzen kann.518 Sollten die Adressaten unwillentlich nicht in der Lage sein, den Vorschriften folgen zu können, dann wäre ein strukturiert geleitetes Management der Umsetzung angemessen. In diesem Bereich leistet die UNESCO im Rahmen ihrer globalen Ethikprogramme bereits sehr viel. GEObs ist eine große Hoffnung auch bei dem Management der Umsetzung, denn sie bietet auch eine Verlinkung der rechtlichen Dokumente mit den Artikeln der Deklarationen 2003 und 2005 an, um als Beispiel oder Muster für Staaten zu dienen, die noch vor einer Umsetzung der Deklarationen in ihren nationalen Rechtssystemen stehen.519 Um dabei wirklich hilfreich zu sein, sollten in der Datenbank auch die erste und eine womöglich künftige Deklaration sowie Referenzen zwischen den beiden ergänzt werden.

516  Victor / Raustiala / Skolnikoff,

in: dies., S. 1 ff., S. 7. S. 261 ff., S. 262 ff. 518  Victor / Raustiala / Skolnikoff, in: dies., S. 18. 519  Ang / ten Have / Solbakk et  al., S. 740. 517  Kopelman,

4. Teil

Zusammenfassende Schlussbetrachtung In der vorliegenden Arbeit wurden die Eigenschaften und die mit diesen einhergehenden normativen Herausforderungen für die Steuerung der Gesamtgenomanalyse in der translationalen Medizin dargestellt. Als Grundlage und Vorsatz hat sich die Maxime der Stellung des Patienten als Person bestätigt und es konnte aufgezeigt werden, dass ihre Aufrechterhaltung und Konkretisierung im Kontext neuer genetischer Analysen zahlreiche Faktoren der Anerkennungswürdigkeit einer internationalen Steuerung beeinflusst. Demnach sind die Entscheidungsfindung, die Verbindlichkeit, die inhaltliche Effektivität sowie die Umsetzung der Empfehlungen und Vorschriften betroffen. Da sowohl die Medizintechnik als auch das Recht wesentlich zur Stellung des Patienten als Person beitragen können, wäre die faktische Bindungswirkung eines künftigen internationalen Instruments für den Umgang mit biotechnologischen Entwicklungen auch im Allgemeinen in der Medizin zu befürworten. Hierbei kann die Geltung ethischer Prinzipien und des ethischen Pluralismus durch die Wahrnehmung und Einbindung unabhängiger ethischer Reflexion bereits im Vorfeld der Steuerung stets innerhalb des verrechtlichten Referenzrahmens der Menschenwürde und der Menschenrechte bewahrt und entfaltet werden. Um auf die Menschenrechte beim Schutz des Patienten im Kontext der modernen Medizin zurückgreifen und seine Stellung als Person aufrechterhalten zu können, reicht es nicht aus, lediglich die Biomedizin und die begleitende Medizinethik in dem menschenrechtlichen Referenzrahmen zu verorten, vielmehr muss dieser Referenzrahmen auch konkretisiert werden. Im UN-System wird die Steuerung biomedizinischer Fragen, insbesondere die Stellung des Patienten, die sowohl den juristischen als auch den politischen Schutz in der Architektur des Menschenrechtsschutzes herausfordert, der UNESCO anvertraut. Diese kann die Stellung des Patienten als Person vor allem durch nicht bindende Deklarationen, also im Rahmen des politischen Menschenrechtsschutzes bewahren. Zwar weisen nicht verbindliche Deklarationen aufgrund ihres faktischen Einflusses erhebliche Vorteile auf, alleine die Art und Weise ihrer bisherigen Ausformulierung und die Wahrnehmung ihrer Bedeutung zeugen von der Erkennung der Notwendig-



4. Teil: Zusammenfassende Schlussbetrachtung317

keit, die Stellung des Patienten ins Schutzsystem völkerrechtlicher Menschenrechtsverträge zu stellen. Wie dann die konkretisierten Patientenrechte selbst einzustufen sind – als eine Spezifizierung der Menschenrechte, eine neue Generation dieser oder sogar als internationale subjektive Rechte – wird von der Entwicklung der Biomedizin selbst bestimmt werden. Der zunehmend interindividuelle Charakter biomedizinischer Patientenrechte und die Einbindung medizinethischer Prinzipien in ihre Bestimmung sprechen zwar auf den ersten Blick für die Entwicklung eines dynamischen Bestands an Rechten; die Rolle dieser Rechte beim Schutz der Würde und der personellen Identität und Freiheit des Patienten unterstreicht aber vorwiegend ihren Menschenrechtscharakter. Die arbeitsteiligen Prozesse, in denen die Biotechnologie praktiziert wird, verlangen sehr spezifisches und spezialisiertes Expertenwissen. Aus diesem Grund verlangt bereits die Aufstellung des Verfügungswissens, das als Grundlage für die Steuerung dienen soll, die Einbindung zahlreicher Experten, insbesondere aus dem Bereich der Bioinformatik. Ebenso verlangt aber die darauffolgende Aufstellung des ethischen Orientierungswissens in deliberativen Prozessen die Beteiligung der Akteure der translationalen Medizin.1 Auch die zu befürwortende außerrechtliche Bindungskraft künftiger Instrumente, in deren Rahmen die konkretisierten Patientenrechte weiterhin die bioethische Reflexion adäquat wiederzugeben haben, spricht für eine möglichst umfassende und übergreifende Verhandlung der Entscheidungen. Bei der Förderung und Umsetzung der Vorschriften könnte die Einführung eines Kontrollmechanismus gerechtfertigt sein, vor allem aufgrund der nachgewiesen eingeschränkten Bereitschaft der Mitgliedstaaten, über die Umsetzung der Empfehlungen zu berichten. Da ein genereller, ausgereifter Überwachungsmechanismus der UNESCO nicht etabliert ist, gleichzeitig aber die Verabschiedung von Kontrollmechanismen auch für nicht bindende internationale Instrumente typisch ist, könnte bei der künftigen Verabschiedung deklaratorischer Steuerungsinstrumente alternativ auf das mittlerweile solide Bioethikprogramm der UNESCO abgestellt werden. In dessen Rahmen könnte künftig insbesondere GEObs eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage, welche Auswirkungen die Verfolgung hier dargestellter Wege auf die Anerkennungswürdigkeit internationaler biomedizinischer Steuerungsinstrumente und somit auf das Völkerrecht selbst im Allgemeinen hat, kann an dieser Stelle nur angerissen werden. 1  Zur Unterscheidung zwischen Verfügungs- und Orientierungswissen siehe Mittelstrass, in: Gloy, S. 5 ff., S. 19. Vgl. auch Fassbender, in: Kirchhof / Isensee, S. 243 ff., S. 251 f., Rn. 14.

318

4. Teil: Zusammenfassende Schlussbetrachtung

Die Tendenz zunehmender Spezialisierung der internationalen Gemeinschaften wird auch durch die vermehrte Beschäftigung der Internationalen Organisationen mit partikulären biomedizinischen Fragen aufgrund der grenzüberschreitenden Anwendung von Technologien, deren Regelung früher in nationale Zuständigkeitsbereiche fiel, bestätigt. Die Spezialisierung kann zur Expansion des Geltungsbereichs der internationalen Rechtsordnung führen, die sowohl hinsichtlich der Regulierungsgegenstände als auch womöglich der Rechtssubjekte geschehen wird. Gleichzeitig wird auch eine Verselbstständigung der Steuerung biomedizinischer Bereiche zu beobachten sein. Reflektiert wird durch die Steuerung nämlich weniger der Wille der Mitgliedstaaten, sondern vielmehr der Wille der Teilnehmer konsultativer Verhandlungen. Durch den zunehmenden Einfluss von Komitees, in denen die Repräsentation und die Zuständigkeit nicht nach geographischer Ausgeglichenheit, sondern nach ethischer und juristischer Expertise festgelegt werden, zeigt sich letztendlich der Wille der Internationalen Organisation selbst. Eine Verabschiedung der Instrumente durch höchste parlamentarische Organe der Internationalen Organisation, wie die Generalkonferenz der UNESCO, gewährleistet keine wahre Möglichkeit mehr für die Veränderung oder Ergänzung der zur Verabschiedung vorgelegten Instrumente. Auch für die Auslegung und Weiterentwicklung verabschiedeter Instrumente, das heißt für die weitere Steuerung, werden an erster Stelle nicht die Mitgliedstaaten vorgesehen, sondern die Internationale Organisation selbst in der oben geschilderten Rollenverteilung. Die im Rahmen dieser Arbeit erteilten möglichen neuen Mandate sollten vorsichtig behandelt werden. Die herkömmliche Quelle der Legitimität internationaler Vorschriften, der Konsens der Staaten, wird somit aufgeweicht; stattdessen kommt der prozessualen Legitimität in Form von angemessenen und gerechten Entscheidungsfindungsprozessen eine größere Rolle zu. Auch die Output-Legitimität, das heißt die Legitimität aufgrund der Effektivität der Steuerungsergebnisse, wird verstärkt wahrgenommen. Bei der Beurteilung der Effektivität der Instrumente wird der Einfluss neuer Adressatenkreise zunehmen. Hierbei wird vor allem die Rolle der auf dem Feld des jeweiligen Anwendungsbereichs tätigen Individuen und Berufsgruppen bedeutend, die Rolle der Berufsgruppen vorwiegend durch die Gründung internationaler Forschungsorganisationen. Mit der zunehmenden Detailliertheit internationaler Vorgaben wird die Bedeutung nationaler Legislativen aber nicht geringer: In deklaratorischer Form verabschiedete Instrumente müssen weiterhin in die nationalen Rechtssysteme implementiert werden, auch wenn eine stärkere Inanspruchnahme des politischen und des vertragsrechtlichen Menschenrechtsschutzes sowie des dazugehörigen Kontrollmechanismus zu befürworten ist.



4. Teil: Zusammenfassende Schlussbetrachtung319

Zu guter Letzt soll darauf hingewiesen werden, dass es Grundlage und Zweck einer gesteigerten Anerkennungswürdigkeit internationaler Regelungen der Biomedizin ist, die Maxime einer Stellung des Patienten als Person aufrechtzuerhalten. Ob dies künftig bei der Steuerung biomedizinischer Fragen gelingt, wird auch Maß und Grenze neuer Wege des Umgangs mit den Herausforderungen auf internationaler Ebene sein.

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366 Stellungnahmen Nuffield Council on Bioethics, Genetic Screening: Ethical Issues, Full report, Dezember 1993, abrufbar unter: http: /  / nuffieldbioethics.org / wp-content / uploads / 2014 / 07 / Genetic_screening_report.pdf. Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit / Streubel B., Hochdurchsatzsequenzierung und weitere genomweite Untersuchungstechniken im Zusammenhang mit prädiktiven genetischen Analysen, Jänner 2012, ISBN 978-3-90261157-4. PHG Foundations, Next Steps in the Sequence: the implications of Whole Genome Sequencing, 2011, abrufbar unter: http: /  / www.phgfoundation.org / file / 10363 / .

Sachwortregister American College of Medical Genetics (ACMG)  176 Anerkennungswürdigkeit  21, 181 f., 185 ff., 191, 289, 316 ff. anständige Gesellschaft  5 Arzt-Patienten-Verhältnis (auch Arzt-Patienten-Beziehung)  106, 109, 111 ff., 129, 130, 132, 157, 167 f., 176, 180, 194, 272, 284, 286, 303 –– Fürsorge(pflicht)  112, 114, 154, 157, 176, 177, 112, 114, 154, 157, 176 –– Genfer Arztgelöbnis  155 –– Hippokratischer Eid  155 –– Verschwiegenheitspflicht (auch Schweigepflicht)  167, 174, 176, 236 Bindungskraft (auch Bindungswirkung)  187 ff., 257 ff., 284 ff., 296 ff., 309, 317 Bundesärztekammer (BÄK)  155, 172 Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS)  187 f., 190, 219, 278, 306 Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)  146, 147, 148, 149 –– deklaratorische Instrumente  296 ff. Diskriminierungsverbot  77, 82, 92, 115, 117, 119, 120, 121, 127, 209, 215, 231, 235, 236, 272, 274, 294, 310 Effektivität, thematische  307 ff. Eingebundenheit, kulturelle  38 ff. einseitige Interpretationserklärung  264 Entwicklungsländer  209, 236, 246, 251, 263, 271, 278, 282, 287

Erbe –– gemeinsames  228 f., 230, 234 f. –– symbolisches  232, 307 erga omnes  77 Ethik –– angewandte  50, 53 f., 63, 100 ff., 221, 268 –– medizinische (auch Medizinethik)  19, 22, 100, 103 ff., 107 ff., 124, 129, 131, 181, 189, 192, 194, 216, 303, 311, 316 f. Europäische Union (EU)  148, 207 Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL)  146 Europarat (CoE)  83, 120 ff., 188, 207, 214 –– Bioethikkomitee  124 –– Europäischer Gerichtshof für ­Menschenrechte (EGMR)  83 f., 123, 127 –– Individualbeschwerde  123 –– Europäisches Gesundheitskomitee  123 –– Ministerkomitee (MC)  123 f. –– Parlamentarische Versammlung (PA)  124 Gendiagnostikgesetz (GenDG)  145, 159 Genfer Konventionen  120, 127, 189 gesunder Kranker  164 f. Gleichbehandlung  127 Gleichheit (auch Rechtsgleichheit)  38, 40, 45, 46, 66, 68, 69, 72, 75, 80, 84, 88, 92, 93, 97, 98, 99, 124, 130, 215, 231, 247, 285, 310 Global Alliance for Genomics and Health (GA4GH)  187, 299

368 Sachwortregister Human Genome Organization (HUGO)  137, 186 f., 223, 224 Indikation  172 Individual(rechts)schutz  123 Informed Consent  115, 125 f., 169, 171, 172, 176, 210, 212, 215, 230, 231, 235, 236, 237, 241, 246, 254, 256, 264, 271, 272, 274, 282 –– Aufklärung (auch Aufklärungs­ gespräch)  104, 125 f., 168 ff., 211, 215, 237, 241 –– Beratung  165 f., 171 ff., 195, 211 f., 215, 237, 243, 275 f. –– Eingriff, informationeller (auch Informationseingriff)  150, 161 ff., 167 ff., 178 ff., 283 –– Einwilligung (auch Zustimmung)  113, 115, 119, 125 ff., 163, 168 ff., 210, 215, 230, 235 ff., 239, 241 f., 246, 254 ff., 272 f., 274 f., 276, 277, 282, 283, 309 –– Widerruf der Einwilligung  173, 216, 237, 239, 241, 242, 272 –– Nichteinwilligungsfähige  126, 175, 264 Institut de Droit International  76 Integrität, körperliche (auch körperliche Unversehrtheit)  97, 109, 126, 162, 179, 304 Integritätsschutz  127, 245, 254, 278, 284, 308 International Cancer Genome Consor­ tium (ICGC)  151 ff., 299 ius cogens  77, 248 Kapazitätenbildung  196, 197, 199, 271, 299, 313 Kodex  111, 115, 189, 206, 268, 297 ff., 313 f. künftige Generationen  123, 157, 234, 250, 276 Legalität  182 ff. Legitimation  20, 65, 90, 80, 102, 182 ff., 260, 289, 293, 298, 318

Mandat, ethisches  20, 188, 185, 190, 192 ff., 201 ff., 267 ff., 277, 301 Medizin –– personalisierte (individualisierte)  136, 275 ff. –– stratifizierte  136 –– translationale  148 f., 150 ff., 168 ff., 178 ff., 241, 256, 293, 300, 308, 311, 316 f. Menschenrechtserklärungen und -verträge –– Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)  79 ff., 117, 156, 232, 240, 258, 277, 296 –– Arabische Menschenrechtscharta  98 –– Bill of Rights of Virginia  67 –– Biomedizinübereinkommen (BMÜ)  121 ff., 156 –– Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte  68 ff., 70, 75 –– Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)  83 f., 120 f., 123, 127, 156 –– Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)  82, 83, 119 –– Internationaler Pakt über wirtschaft­ liche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)  78, 82, 119, 156, 277 –– Unabhängigkeitserklärung  66 ff. Menschenwürde  39, 44, 60, 75 ff., 86 ff., 99, 116, 119, 121 f., 124, 126, 130, 169, 171, 194, 202, 215, 217, 228 f., 230, 231 ff., 237, 240, 247, 252, 255, 263, 266, 278, 282, 303, 304, 305, 309, 310, 311, 316 Metaphysik der Freiheit  37 ff. Metaphysik der Sitten  43 ff. National Institutes of Health (NIH)  149 Naturrecht(slehre)  38, 66 ff. Nichtregierungsorganisation (NGO)  187, 202, 218 ff., 246, 258, 263, 280

Sachwortregister369 Nichtschaden  110, 114, 177 Nuffield Council on Bioethics  246, 276 Öffnungsklausel  236, 300 opinio iuris  76 ordre public  84 Organisation für wirtschatliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)  207, 224, 246, 313 Philosophie –– antike Philosophie  28 f., 29 ff., 57, 61 –– Antisolipsismus  55 ff., 63 –– christliche Philosophie  37 ff., 62, 89 –– neuzeitliche Philosophie  26, 40 ff. –– okzidentale Philosophie  23, 98 –– östliche Philosophie  86 ff. –– Phänomenologie  55 ff., 63, 92, 130 –– philosophische Anthropologie  57 ff. –– politische Phislosophie  59 ff., 63, 303 Prinzipientheorie  109 ff. Recht –– Forschungsfreiheit  231, 233, 240, 249, 266, 276, 282, 310 –– Freiheitsrechte  43, 52, 70 ff., 94, 128 –– Lebensrecht (auch Recht auf Leben)  50 f., 117, 120, 264, 304 –– Recht auf Achtung der Privatsphäre (auch Schutz der Privatsphäre)  117, 119, 120, 122, 210, 213, 214, 255 –– Recht auf Auskunft  122, 128 –– Recht auf Freiheit  43, 69 –– Recht auf Gesundheit(sversorgung)  117, 119, 122, 128, 236, 286, 309 –– Recht auf Nichtdiskriminierung  127 (siehe auch Diskriminierungsverbot) –– Recht auf Nichtwissen  128, 173, 174, 176, 177, 214, 230, 231, 235, 239, 243, 244 –– Recht auf Selbstbestimmung  104, 126, 127, 168, 171, 175 (auch Patientenautonomie  44 ff., 62, 104,

113, 114, 125, 126, 169, 176, 215, 231, 254, 272, 277, 282, siehe auch Selbstbestimmung) –– Recht auf Wissen  128, 161, 171, 175, 177 –– Teilhaberecht an Errungenschaften der Wissenschaft  119, 156, 252, 256 –– Wissenschaftsfreiheit  155, 156 Rechtsfähigkeit  48, 70, 74, 83, 84 Rechtsperson (Rechtspersönlichkeit)  38, 65, 72, 74, 81, 82, 311 –– Völkerrechtspersönlichkeit  311 Rechtsstaatlichkeit  74, 84 Rechtssubjekt  74, 318 –– Völkerrechtssubjekt  187, 188, 189, 259 Rechtsträger(schaft)  29, 70, 77 ff., 81, 96 Referenzrahmen, menschenrechtlicher  118, 192 ff., 240, 244, 252, 261, 278, 285, 287, 293, 304, 305, 306, 309, 316 Religion  206, 280 –– Buddhismus  92 ff. –– Christentum  34 ff., 62, 89 –– Hinduismus  91 ff. –– Islam  95 ff. –– Konfuzianismus  87 ff. Repräsentation  218 ff., 289 ff. Revolution  66, 68, 70, 72, 75, 79, 92 Schutzbedürftigkeit  114, 115, 116, 124, 202, 210, 220, 222, 226, 250, 254, 265, 272, 274, 280, 284, 308, 311 Selbstbestimmung  33, 37, 39, 44, 46, 47, 65, 75, 86, 113, 125, 165, 169, 177, 180, 231 Sequenzierung –– 1000-Genome-Projekt  150 f. –– Clinical Sequencing  147 –– Direct-to-Consumer-Test  145, 240, 275 –– Encyclopedia of DNA Elements (ENCODE)  146

370 Sachwortregister –– Hochdurchsatzsequenzierung (auch Next Generation Sequencing)  139, 144, 147, 149 –– Human Gene Mutation Database (HGMD)  141 –– Humangenomprojekt  137 f., 143, 146, 187, 209, 218, 292, 297 –– Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM)  138 –– Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes (PCAWG)  152 f. –– Überschussinformation  159, 161 –– The Cancer Genome Atlas (TCGA)  153 –– Whole Genome Sequencing  137 ff. –– Zufallsbefund  158 ff., 275 –– Zusatzbefund  159 ff., 164, 167, 169, 170, 174, 175, 176, 177, 274, 283 Soft Law  117, 189, 259 ff., 285, 296, 297, 299, 300, 301, 314 Umsetzung  262 ff., 312 ff. Uniform-Law-Modell  257, 284 f. Vereinte Nationen (VN) –– Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen  119 –– Bevölkerungsfonds der VN (UNFPA)  219 –– Charta der Vereinten Nationen  77 ff., 117 –– Code of Conduct for Responsible Fisheries (CCRF)  298, 313 –– Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO)  207, 224, 298, 314 –– Hoher Kommissar der VN für Menschenrechte (UNHCHR)  207, 222, 224 –– Internationale Arbeitsorganisation (ILO)  207, 222 –– Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen  120 –– Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNCHR)  194

–– Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC)  306 –– Millennium Development Goals  195 f. –– Sub-Commission on the Promo­tion and Protection of Human Rights  195 –– Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)  219 –– UN Inter-Agency Committee on Bio­ethics (UNIACB)  207, 226, 293 ff. –– UNESCO  186 ff., 191 ff., 289 ff. –– Bildungsprogramm, ethisches  268 f. –– Bioethikprogramm  193, 317 –– Deklarationen –– Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte  192, 223 ff., 245 ff., 261 f., 262 f., 266 f. –– Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte  192, 218 ff., 227 ff., 261, 263, 265 f. –– Internationale Erklärung über humangenetische Daten  192, 213, 221 ff., 237 ff., 241, 263, 266, 267, 269 –– Ethics around the World  269 –– GEObs  268, 314, 315, 317 –– Intergovernmental Bioethics Committee (IGBC)  200, 203 ff., 220 f., 222 f., 225, 229 ff., 238 f., 248 ff., 258, 265, 266, 268, 276, 279, 280, 287, 289, 290, 291, 295, 302, 303, 305, 306 –– Intergovernmental Meeting of Experts (IGE-Treffen)  218, 229 ff., 238 ff., 248 ff., 289, 290, 302, 303, 305, 310 –– International Bioethics Committee (IBC)  200, 201 ff., 210 ff., 216 f., 218 ff. , 221 ff., 223 ff., 227 ff., 237 ff., 245 ff., 257 f., 265 f. 268 f., 271 ff., 278 ff., 289 ff., 296 ff., 306

Sachwortregister371 –– Interne Überwachungsbehörde (IOS)  288, 295 –– Mittelfristige Strategie  195 ff., 268, 271 –– Programm des Beistands für Ethikräte  270 f. –– Runder Tisch der Wissenschafts­ minister  208, 213, 216 –– Weltgesundheitsorganisation (WHO)  107 ff., 117, 118 f., 187, 189 f., 207, 219, 222, 226, 246, 247, 248, 294 ff. –– Genomics and World Health  294 –– Welthandelsorganisation (WTO)  207, 226 –– Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)  207, 219, 224 –– Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC)  117, 294 –– Weltkommission für Ethik in Wissenschaft und Technologie (COMEST)  200, 205 ff., 268, 269, 276, 294, 314 Verfassungsentwicklung  70 ff.

–– Allgemeines Landrecht Preußens (ALR)  70, 71 –– Deutsche Einheit  74 –– Frankfurter Nationalversammlung  72, 73 –– Grundgesetz  75 –– Paulskirchenverfassung  74 –– Verfassung des Königreichs Württemberg  72 –– Weimarer Verfassung  75 Vertragstheorie  42 ff. Völkergewohnheitsrecht  76, 258, 296, 297 Völkerrecht, humanitäres  105 Weltärztebund (WMA)  189, 222, 224, 238, 269, 278 –– Helsinki-Deklaration  115, 155, 186, 253, 278 Wiener Kongress  72 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge  300