Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen von Verbandsorganen im Spannungsfeld zwischen Ermessensfreiheit und Gesetzesbindung: Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrechts [1 ed.] 9783428519941, 9783428119943

Die Problematik der Leitungsverantwortung zeichnet sich im Spiegelbild der Corporate Governance-Debatte durch eine beson

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Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen von Verbandsorganen im Spannungsfeld zwischen Ermessensfreiheit und Gesetzesbindung: Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrechts [1 ed.]
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Schriften zum Internationalen Recht Band 158

Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen von Verbandsorganen im Spannungsfeld zwischen Ermessensfreiheit und Gesetzesbindung

Von Theodor Katsas

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

THEODOR KATSAS

Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen von Verbandsorganen im Spannungsfeld zwischen Ermessensfreiheit und Gesetzesbindung

Schriften zum Internationalen Recht Band 158

Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen von Verbandsorganen im Spannungsfeld zwischen Ermessensfreiheit und Gesetzesbindung Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrechts

Von

Theodor Katsas

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11994-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Innenhaftung der leitenden Organe von Kapitalgesellschaften beim Treffen unternehmerischer Entscheidungen, und zwar in rechtsvergleichender Hinsicht; in Betracht kommt nicht nur das deutsche, sondern auch das französische Kapitalgesellschaftsrecht. Die Arbeit wurde im Februar 2005 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Promotionsarbeit angenommen. Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebung wurden bis zum 16.9.2005 eingearbeitet, soweit möglich auch darüber hinaus. Was das französische Recht anbelangt, soll darauf hingewiesen werden, dass sowohl der L. 66-537/24.7.1966 über die Handelsgesellschaften als auch die Nebengesetze nunmehr im neuen code de commerce kodifiziert sind. Die vorliegende Untersuchung basiert allerdings auf der alten Nummerierung der Vorschriften (s. Anhang). Ohne freundliche Förderung von vielen Seiten wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Mein erster und tief empfundener Dank gilt meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Thomas Raiser, von dem das Thema angeregt wurde und der die Entstehung der Arbeit stets mit Weitsicht, Geduld und Verständnis gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Eberhard Schwark danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Prof. Dr. Axel Flessner, LL.M., möchte ich dafür danken, dass er mir die Gelegenheit verschaffte, durch meine Beteiligung an das Train and Mobility for young Researchers (TMR)-Forschungsnetzwerk mich mit der rechtsvergleichenden Arbeitsweise vertraut zu machen. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Thomas Kadner-Graziano, LL.M., für seine Empfehlungen in Bezug auf Fragen der Rechtsvergleichung und des Umgehens mit dem Forschungsmaterial. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Familie – Stella, George und Panos – für ihre Unterstützung während der Erstellung der Arbeit. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Athen, Januar 2006

Theodor Katsas

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen § 1 Materieller Gehalt des Leitungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Leitungsbegriff aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Leitungsbegriff aus juristischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Verortung der Leitungskompetenz in der Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Leitungsstrukturen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . I. Die Leitungsstruktur in der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vorstand als Hauptträger der Leitungskompetenz in der AG . . 2. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats im Spiegelbild der Gewaltentrennung und -verzahnung in der Aktiengesellschaft . . . a) Umfang und Tragweite der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang und Tragweite der leitungsbezogenen Entscheidungstätigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der GmbH . . . . . . 1. Leitungskompetenz auf Geschäftsführerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leitungsbezogene Gewaltverzahnung in der Organisationsverfassung der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Leitungsstrukturen im französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . I. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der Société Anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der monistischen Société Anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verhältnisse der Verbandsorgane zueinander im Wechselspiel zwischen Hierarchie und Funktionsspezialisierung . . . . . . . . . . . . . 2. Pouvoirs propres des Verwaltungsrats und des président directeur général . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Leitungshilfspersonen und ihre Stellung in der Organisationsstruktur der monistischen SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leitungskompetenzen auf Gesellschafterebene . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leitungsstrukturen in der Société Anonyme modernen Typus . . . . . . . 1. Leitungsaufgaben des Direktoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Überwachungsaufgabe des conseil de surveillance . . . . . . . . . IV. Leitungsbegriff und Leitungsstrukturen im Recht der Société à responsabilité limitée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leitungskompetenzen auf Geschäftsführerebene . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leitungsbezogene Gewaltverzahnung im Recht der Société à responsabilité limitée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Teil Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht

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§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 A. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung in der prosperierenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Morphologie der Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Persönlicher Anwendungsbereich der Leitungsverantwortung . . . . . . . 70 III. Tatbestandsmerkmale der Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Kategorisierung von leitungsbezogenen Verhaltensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Die Bindung der Unternehmensleitung an das Gesellschaftsbzw. Verbandsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Shareholder Value-Ansatz und Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime für die Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Subjektive Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Verschuldensbezogene Haftungsmilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung in der Zeit der Unternehmenskrise (insolvenzbezogene Leitungsverantwortung) . . . . . . . . . . . 102 I. Gesetzliche Grundlagen der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Inhaltsverzeichnis

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II. Morphologie der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung . . . . . . . 106 III. Persönlicher Anwendungsbereich der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Tatbestandselemente der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung 111 § 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . A. Konzeptionelle Grundlagen der Interdependenz zwischen unternehmerischem Ermessen und Pflichtenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliche Grundlagen des haftungsfreien Ermessensspielraums im deutschen und französischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konkretisierung des unternehmerischen Ermessensspielraums durch Verwendung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre . . . . . . . . . . . 1. Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für das deutsche Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die verwaltungsrechtliche Lehre zum Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Lehre für die Konturierung des unternehmerischen Ermessensspielraums im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Lehre über den „pouvoir discrétionnaire“ für das französische Gesellschaftsrecht . . . . a) „Pouvoir discrétionnaire“ und Ermessensfreiheit . . . . . . . . . . . . b) Verwertbarkeit der Ermessensmissbrauchslehre für die Konturierung des unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konturierung des unternehmerischen Ermessensspielraums mit Hilfe zivilrechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Business Judgement Rule und seine Rezeption im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen des Business Judgement Rule . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich des Business Judgement Rule . . . . . . . . . . b) Unbefangenheit des directors beim Treffen eines business judgement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . d) Ausrichtung des business judgement auf das Gesellschaftsbzw. Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rezeption des Business Judgement Rule im deutschen und französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Übertragungsfähigkeit des Business Judgement Rule im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätze unternehmerischer Ermessensfreiheit nach dem ARAG-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (1) Sachlicher Anwendungsbereich der Grundsätze unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers . . . . . . . . . . (3) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen . . (4) Ausrichtung der Entscheidung ausschließlich am Unternehmenswohl und Vermeidung einer unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Keine Pflichtwidrigkeit aus anderen Gründen . . . . . . . (6) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unternehmerisches Ermessen und Aufsichtsratstätigkeit . . (1) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers . . . . . . . . . . (2) Sorgfältige Vorbereitung der Entscheidungsgrundlage (3) Sonstige Komponenten des ARAG-Urteils . . . . . . . . . . b) Die Übertragungsfähigkeit des Business Judgement Rule im französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtsfigur des „droit à l’erreur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit des Business Judgement Rule mit den Grundwertungen des französischen Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers . . . . . . . . . . (2) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen . . (3) Ausrichtung der Entscheidung ausschließlich am Unternehmenswohl und Vermeidung einer unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Keine Pflichtwidrigkeit aus anderen Gründen . . . . . . . (5) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Grundlagen der unternehmerischen Ermessensfreiheit im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . 2. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums . . . . . . . . . . 3. Gemeinsame Grundsätze unternehmerischen Ermessens . . . . . . . .

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3. Teil Unternehmerisches Ermessen und gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

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§ 5 Sorgfaltsanforderungen an Leitungshandeln in der prosperierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 A. Risikogeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Sorgfaltsanforderungen beim Abschluss von Risikogeschäften . . . . . . 197

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1. Keine Hingabe von Gesellschaftsvermögen ohne Möglichkeit der Annahme eines Vorteils der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Abschluss risikoreicher Geschäfte ohne eine tatkräftig weit gehende Sicherung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsabschluss unter marktüblichen Konditionen und Vermeidung unverhältnismäßig riskanter Geschäftspraktiken . . . . . . . II. Risikogeschäfte und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . Sozialbezogene Vermögensverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Zulässigkeit sozialbezogener Vermögensverlagerungen . . II. Sozialbezogene Leistungen und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sorgfaltsanforderungen in Bezug auf die Aufbauorganisation . . . . . . . 1. Bildung und Besetzung von Führungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ressortbildung und Delegation von Kompetenzen auf nachgeordnete Führungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sorgfaltsanforderungen in Bezug auf die Ablauforganisation . . . . . . . 1. Erlass der Geschäftsordnung der Unternehmensleitung . . . . . . . . . 2. Pflicht der Mitglieder des Leitungsorgans zu kollegialer Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht der Unternehmensleitung zur loyaler Zusammenarbeit mit den sonstigen Verbandsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewährleistung eines für die Zusammenarbeit der Verbandsorgane zufrieden stellenden Informationsflusses . . . . . . . . . . . . b) Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . III. Implementierung einer Risikomanagemenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflicht zu ordnungsmäßiger Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltensanforderungen bei der Unternehmensorganisation . . . . . 2. Unternehmensorganisation und Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang und Tragweite der Selbstkontrolle der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Unternehmensleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abberufung von Leitungsorganmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft anlässlich eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzeptionelle Grundlagen des Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen vom Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbot . . . . aa) Laufende Geschäfte (Art. 4 III RCOB) und Maßnahme eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 33 II 2 Var. 1 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung (Art. 4 III RCOB; §§ 16 IV, 33 II WpÜG) cc) Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 33 I 2 Var. 3 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Suche nach konkurrierendem Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 6 Sorgfaltsanforderungen an das Leitungshandeln im Rahmen der Unternehmenskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sorgfaltsanforderungen an die Unternehmensleitung vor der Insolvenzannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur sorgfältigen Überprüfung der Krisensymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur Reaktion auf die Unternehmenskrise bzw. zum Treffen von Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . III. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur Vermeidung von unvertretbaren bestandsgefährdenden Geschäftsabschlüssen und -praktiken . . IV. Pflicht der Unternehmensleitung zur Vermeidung der unverantwortlichen Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs . . . . . . . . . . . . . V. Verlustanzeigepflicht der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlustzanzeigepflicht und Diskretionsspielraum der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung nach der Insolvenzannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur unverzüglichen Insolvenzanmeldung (Insolvenzverschleppungshaftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenzeröffnungsgründe und Ermessensspielraum der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermessensspielräume bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessensspielräume bei der Ermittlung der Überschuldung . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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3. Insolvenzantragstellung und unternehmerisches Ermessen der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 III. Haftung wegen unvertretbarer Zahlungen nach der Insolvenzreife . . . 289 Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Leitungsbegriff und Leitungsstrukturen im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen der unternehmerischen Ermessensfreiheit im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . II. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinsame Grundsätze unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . D. Unternehmerisches Ermessen und gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Risikogeschäfte und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . II. Sozialbezogene Vermögensverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Insolvenzbezogene Leitungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang: Code du Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Einführung A. Problemstellung Die Leitungsverantwortung stellt kein Novum unseres Zeitgeistes dar, sondern zieht schon seit Ende des 19. Jahrhunderts das Interesse der Rechtswissenschaft auf sich1. Der Übergang vom Konzessions- zum Normativsystem bei der Gründung von Kapitalgesellschaften und die Trennung vom Eigentum und Leitung durch ein professionalisiertes Management hat das Bedürfnis nach Ausbildung besonderer Sorgfalts- und Loyalitätsanforderungen an Unternehmensleiter verstärkt. Mit der zunehmenden Professionalisierung des Managements als Resultat der Erweiterung von Unternehmungsaktivitäten und der damit verbundenen Komplexität von Führungsaufgaben verstärkt sich auch die Macht der Manager innerhalb des Unternehmens. Obwohl letztere von den Kapitalgebern eingesetzt sind, um deren Interessen wahrzunehmen, sind sie ihrerseits als rational egoistische Erwartungsmaximierer an der Sicherung ihrer eigenen Position und an der Ausübung und Erweiterung der ihnen zuwachsenden wirtschaftlichen Macht interessiert2. Das moralische Risiko der eigennützigen Interessenverfolgung von fachlich überlegenen Unternehmensleitern (agents) zum Lasten des Kapitalanteileigners (principal) wurde bereits Anfang des Jahrhunderts von Berle/Means festgestellt und wird in der modernen Institutionenökonomik unter dem Stichwort „Principal-Agent Theory“ abgehandelt3. Das Risiko akzentuiert sich sogar im Fall, dass die Kapitalgeber so zahlreich und verstreut sind, dass sie kaum Interesse haben, eine enge Überwachung der Manager zu unternehmen. Das US-amerikanische Recht hat relativ früh ein detailliertes Regelwerk zur Beseitigung der angesprochenen Risiken entwickelt, was zuletzt mit der dortigen Entwicklung des Aktien- und Kapitalmarkts als Finanzierungsinstrument und der akzentuierten Überwachung von börsennotierten Unternehmen mit 1 Vgl. Allen, in: Hopt/Wymeersch et al. (eds.), Comparative Corporate Governance, The State of the Art and Emerging Research, Oxford 1998, p. 320. 2 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik2, S. 3; Homan/Suchanek, Ökonomik, S. 414 ff. 3 Vgl. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932; Richter/ Furubotn, Neue Institutionenökonomik2, S. 163 ff.; Arrow, The Economics of Agency, in: Pratt/Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents: The Structure of Business, 1985; Fama/Jensen, Separation of Ownership and control in: Journal of Law and Economics, p. 301 ff.

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Einführung

Streubesitz durch fachlich kompetente institutionelle Anleger zusammenhängt4. Das war seit langem nicht der Fall im kontinentaleuropäischen Wirtschaftsraum, in welchem die relevante Problematik erst in den letzten Jahren an Konturen zu gewinnen begann. Das Thema zeichnet sich unter dem angelsächsischen Terminus „Corporate Governance“ (im Folgenden: CG)5 durch eine besondere Aktualität aus. Treiber dieser Entwicklung sind nicht nur die zunehmenden Fälle eklatanten Missmanagements, sondern auch die Globalisierung der Wirtschaft und die Liberalisierung der Kapitalmärkte. Letztere verleihen der Diskussion um zweckmäßige und transparente Formen der Unternehmensführung zusätzliche Schubkraft, da die global operierenden Kapitalmarktakteure, wie namentlich die großen institutionellen Investoren (z. B. Pensionsfonds) und die Analysten, den Governancemodalitäten von Unternehmen als Kapitalkostenfaktor zunehmend Beachtung schenken6. Diese Impulse gewinnen für die kontinentaleuropäischen Großunternehmen aufgrund ihrer geänderten Finanzierungsstrategien immer größere Bedeutung. Bis noch vor rund 10 Jahren haben sich letztere primär nur aus zwei Quellen finanziert, aus einbehaltenen Gewinnen und aus Krediten. Erst ab etwa 1990 haben sie in nennenswertem Maße auch die internationalen Finanzierungsmärkte als Finanzierungsquelle genutzt mit der Folge, dass sie sich im Wettbewerb um Kapital (sei es Eigen- oder Fremdkapital) nun an internationalen Maßstäben messen lassen müssen. Der Begriff CG bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens7. Dabei kann zwischen einer internen und einer externen Governanceperspektive differenziert werden8. Bei der Innensicht der CG geht es um die jeweiligen Rollen, Kompetenzen und Funktionsweisen sowie das Zusammenwirken der Unternehmensorgane. Die 4 Vgl. Clark, Agency cost versus fiduciary duties, in: Pratt/Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents: The Structure of Business, 1985; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, 1994; Stapledon, Institutional Investors and Corporate Governance, 1996. 5 Der angelsächsische Terminus lässt sich nicht ohne weiteres wörtlich übersetzen, kommt allerdings im Kern dem deutschen Begriff „Unternehmensverfassung“ recht nahe; vgl. Kübler, in: Gebauer/Rudolph (Hrsg.), Aktienmärkte, 1994, S. 115; Bleicher/ Wagner, FS Witte, S. 3 ff. 6 Vgl. von Werder, DB 2002, S. 801; Pothoff, in: Glaser/Schroeder/von Werder, Organisation, 1998, S. 318 ff. 7 Eine anschauliche Definition des CG findet sich bei Prigge, in: Hopt/Wymeersch et al. (eds.), Comparative Corporate Governance, The State of the Art and Emerging Research, Oxford 1998, p. 946, die hier im Original wiedergegeben sei: „Corporate Governance is the totality of the institutional amd organizational mechanisms, and the corresponding decision-making, intervention and control rights, which serve to resolve conflicts of interest between the various groups which have stake in a firm and which, either in isolation or in their interaction, determine how important decisions are taken in a firm, and ultimately also determine which decisions are taken“. 8 Kole/Lehn, Journal of Financial Economics 1999, p. 109; Hopt, ZGR 2000, S. 782; Teichmann, ZHR 2001, S. 464.

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Außensicht der CG hingegen bezieht sich auf das Verhältnis der Träger der Unternehmensführung zu den wesentlichen Bezugsgruppen des Unternehmens, wobei den Anteilseignern besondere Bedeutung zukommt. Die Problematik der Leitungsverantwortung ist im Spiegelbild der CG-Debatte aus zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen enthalten Haftungsregeln normative Verhaltenserwartungen, welche von ihrem Präskriptions- bzw. Aufforderungscharakter und ihrer Enttäuschungsfestigkeit (contrafaktische Stabilität) gekennzeichnet sind. Ihnen kommt konsequenterweise eine verhaltenssteuernde Funktion zu, indem sie die Normadressaten dazu veranlassen, die ihnen vorgeschriebenen Verhaltensanforderungen genauestens einzuhalten9. Insofern funktioniert die Leitungsverantwortung als Mittel zur Gestaltung der Unternehmenskultur und ihre Verhalten steuernde Wirkung bildet eine gesetzgeberische Antwort auf den mit dem Auseinanderfallen von Anteilseigentum und Unternehmensleitung zusammenhängenden Problemkreis. Damit soll allerdings nicht aus dem Blick geraten, dass allzu strenge Verhaltenserwartungen auch unerwünschte Reaktionen hervorrufen können. Manager, die bei der geringsten Fehlentscheidung Haftungsfolgen befürchten müssen, werden tendenziell Investitionsprojekte mit einem zu geringen Risiko auswählen10. Das ist regelmäßig zu erwarten, denn, während die Anteilseigner als Kapitalanleger ihr Risiko durch das entsprechende Portfolio-Management diversifizieren können, sind die Unternehmensleiter nicht in der Lage ihr Humankapital einfach zu diversifizieren. Letztere werden unvermeidlich über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die eng mit den Bedürfnissen des von ihnen geleiteten Unternehmens zusammenhängen11. Eine solche Risikoaversion führt nicht nur zu negativen Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft12 , sondern liegt auch kaum im Interesse der Aktionäre. Letztere nehmen im Hinblick auf allfällige Gewinnchancen auch die Eingehung vernünftiger Risiken durch die Geschäftsleitung im Kauf oder erwarten sie sogar, da die Entdeckung neuer Märkte und die damit verbundene Steigerung des Unternehmenswerts des notwendigen risikobehafteten Vorstoßes innovativer Unternehmer bedürfen. Insofern gilt es im Interesse der Anteilseigner, einer risikoorientierten und – zum

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Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, p. 90 ff. Vgl. Resolution Trust Corp. v. Blasdell, 930 F. Supp. 417, 423 (D. Ariz. 1994): „With large sums of money at stake – and the threat of litigation in the event of failure correspondingly high – few directors would recommend ventures involving more than minimal risk.“; Davis, Wisconsin. L. Rev. 2000, p. 574 ff.; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, p. 99; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 26; Mertens, K-Komm. AktG2, Vorb. § 76 Rdnr. 25; Hopt, FS Mestmäcker, S. 917; Anschauungsmaterial für übervorsichtiges Verhalten als Reaktion auf das drohende Haftungsrisiko liefern vor allem die USA bei der Arzthaftung (defensive medicine). 11 Vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, p. 96 ff. 12 Vgl. Ruffner, ZSR NF 119 (2000), II. Halbband, S. 213. 10

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Einführung

grano salis – risikobereiten Entscheidungsfindung innerhalb der Unternehmensleitung den Weg zu bereiten13. Ein effizientes Haftungsrecht soll die richtige Mitte zwischen der für unternehmerische Höchstleistungen unverzichtbaren Ermessensfreiheit und den für den Schutz des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses notwendigen Sorgfaltsanforderungen (er)finden. Leitungsermessen und Leitungsverantwortung sollen demnach nicht getrennt voneinander, sondern in ihrem dialektischen Zusammenhang betrachtet werden, damit die Geschäftsleiter unter ihrer Verantwortung atmen können und die erforderliche Innovationsfreude und Risikobereitschaft nicht verlieren. Die Grundelemente dieses Zusammenspiels und ihre gesetzliche Ausprägung stellen den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit dar.

B. Vorgehensweise Unter dem Begriff „Leitungsverantwortung“ verstehen sich einerseits die Innenhaftung des leitenden Organs gegenüber der Gesellschaft, wenn letzterer durch Pflichtwidrigkeiten des Managements Schäden entstehen und andererseits die Außenhaftung gegenüber Gesellschaftern und Dritten, die aufgrund der Leitungsmaßnahmen Schäden erlitten haben. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Innenhaftung der Unternehmensleitung und zwar aus rechtsvergleichender Sicht. In Betracht kommt nicht nur das deutsche, sondern auch das französische Kapitalgesellschaftsrecht. Sonstige Rechtsordnungen werden vergleichshalber tatkräftig mitberücksichtigt. Die methodische Bearbeitung des Materials folgt dem Postulat einer funktionellen Rechtsvergleichung, die von den Gemeinsamkeiten der materiellrechtlichen Regelungen ausgeht und die Unterschiede der Rechtsordnungen als nationale Differenzen im Rahmen eines regulatorischen Wettbewerbs ansieht14. Insofern knüpft die vorliegende Untersuchung an einen Ansatz an, der als Mittel zur Ausbildung eines „Europäischen Privatrechts“ zunehmend an Bedeutung nicht nur im deutschen Rechtskreis, sondern auch international gewinnt15. Seine Verbreitung im Bereich des Gesell13 So der Delaware Court of Chancery in Cagliardi v. TriFoods Int’l Inc., 683 A. 2d 1049, 1052 (Del. Ch. 1996): „Shareholders don’t want (or shouldn’t rationally want) directors to be risk averse“; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, p. 99 ff. 14 Vgl. die Einführung von Kötz, in: Kötz, Europäisches Vertragsrecht, Bd. I; Scholastique, Le devoir de diligence, Introduction, p. 1 ff. 15 Vgl. u. a. Kadner-Graziano, Gemeineuropäisches Internationales Privatrecht, 2002; Kötz, Europäisches Vertragsrecht Bd. I; Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa Bd. I (2000), Bd. II (2001); von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht Bd. I (1996), Bd. II (1999); Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, 1999; van Gerven (Hrsg.), Tort Law. Scope of Protection, 1998; Lando/Beale, Principles of European Contract Law, Parts I and II, 2000; Schulze/Engel/Jones, Casebook Euro-

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schafts- und Kapitalmarktrechts war seit langem gering, in den letzten Jahren jedoch wird das europäische Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in der Literatur zunehmend sicht- und fassbar16. Zusammen damit wächst auch die Bedeutung der rechtsvergleichenden Auslegung als Mittel zur Ermittlung und Bewertung einer Rechtslage in gemeineuropäischer Perspektive17. Letztere knüpft im Gegensatz zur gängigen Methodenlehre nicht an die Einheit und Geschlossenheit des Rechtsystems, sondern an die Pluralität der Rechtsquellen, die Relativität der Teilrechtssysteme und die Diversität der Rechtsinhalte an18. Die Methode ist in der kontinentaleuropäischen Gerichtspraxis gelegentlich verwendet worden19 und die besseren Argumente sprechen für ihre zunehmende Verbreitung20. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird sie an mehreren Stellen angewandt, um die vorgeschlagene Lösungsskizze zu erhellen und zu bewerten. Die vorliegende Untersuchung wird folgendermaßen gegliedert: Im ersten Teil soll der Leitungsbegriff inhaltlich präzisiert werden. Dabei soll versucht werden, unter Rückgriff auf den materiellen Gehalt des Leitungstatbestands (§ 1) die Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der deutschen und französischen Kapitalgesellschaften zu beschreiben (§ 2). Davon ausgehend befasst sich der zweite Teil der Untersuchung mit den dogmatischen Grundlagen der Leitungsverantwortung in beiden Rechtsordnungen (§ 3). In Anlehnung daran wird ferner untersucht, ob und wenn ja, in welcher Tragweite ein haftungsfreier Ermessensspielraum der Unternehmensleitung in beiden Rechtsordnungen anzuerkennen ist (§ 4). Daran knüpft der dritte Teil der Untersuchung an, in dem versucht wird, die zuvor erarbeiteten Verhaltensanforderungen an die päisches Privatrecht, 2000; Schulze/Anjani (Hrsg.), Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 2003. 16 So etwa Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht3, 2003; Nagel, Deutsches und Europäisches Gesellschaftsrecht. Eine Einführung, 2000; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2000; Grünwald, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999; Pfister, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1993; Lutter (Hrsg.), Europäisches Unternehmensrecht3 (nebst Texten und Materialien), 1991; Grundmann (Hrsg.), Europäisches Schuldvertragsrecht: Das europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien), 1998; Katsas, Conduct of Business Rules für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Europa, 2002. 17 Vgl. Flessner, JZ 2002, S. 14 ff.; Odersky, ZeuP 1994, S. 1 ff.; von Bar, ZfRV 1994, S. 231; Luttermann, JZ 1988, S. 883; Möllers, Die Rolle des Rechts im Rahmen der europäischen Integration, S. 74 ff.; Schulze, ZfRV 1997, S. 185 ff. 18 In diesem Sinne Flessner, JZ 2002, S. 16; Schulze, Einführung, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Rechts und angeglichenen Rechts, S. 23; Schmid, ZfRV 1999, S. 214 ff. 19 Der BGH praktiziert die rechtsvergleichende Auslegung gelegentlich, vgl. die Angaben bei Möllers, Die Rolle des Rechts im Rahmen der europäischen Integration, S. 74 ff.; Drobnig, RabelsZ 1986, S. 610–630; von Bar, ZfRV 1994, S. 230 ff.; Schulze, ZfRV 1997, S. 185 ff. 20 Vgl. Flessner, JZ 2002, S. 18, m. w. N.

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Unternehmensleitung anhand von Fällen aus der Gerichtspraxis beider Rechtsordnungen zu konkretisieren (§§ 5, 6). Der vierte Teil der Arbeit dient schließlich der Ergebniszusammenfassung. In Bezug auf die Bearbeitung des französichen Rechtsmaterials soll hiezu beachtet werden, dass der Verweis auf die relevanten gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beruht auf den L. 1996 über die Handelsgesellschaften. Letzteres ist zuletzt durch den neuen Code de commerce kodifiziert, jedoch wird inhaltlich nicht geändert. Alle relevanten Entsprechungen befinden sich im Anhang der vorliegenden Arbeit.

1. Teil

Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen § 1 Materieller Gehalt des Leitungsbegriffs Eine Untersuchung der Leitungsverantwortlichkeit kommt nicht umhin, den zugrunde zu legenden Leitungsbegriff inhaltlich näher zu untersuchen. Da die materielle Behandlung des Leitungsbegriffs anerkanntermaßen einen Untersuchungsgegenstand der Betriebswirtschaftslehre bildet, erweist sich die Erörterung der ökonomischen Grundlagen des Begriffs für das instrumentelle Verständnis des Leitungstatbestands als unvermeidlich. Das Hauptziel solch eines interdisziplinären Forschungsansatzes besteht einerseits darin, die Erfahrungen aus der ökonomischen bzw. betriebswirtschaftlichen Forschung zur Konturierung des Leitungstatbestands zu operationalisieren. Andererseits wird bezweckt, anhand der dadurch gewonnenen Erfahrungen gemeinsame konzeptionelle Grundlagen für die Leitungsstrukturen der in Betracht kommenden Rechtsordnungen in Richtung eines gemeineuropäischen, materiellen Gesellschaftsrechts aufzuzeigen1.

A. Der Leitungsbegriff aus ökonomischer Sicht Die Untersuchung der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Literatur ergibt zunächst eine eher verwirrende Vielfalt unterschiedlicher Definitionen und Termini (auf Deutsch: Führung, Leitung, Verwaltung, Management; auf Französisch: gestion, administration, direction, management), welche teils synonym2, 1 Solch ein interdisziplinärer Forschungsansatz zur Untersuchung von Leitungsaufgaben ist in der deutschen Fachliteratur bereits etabliert, vgl. u. a. Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, 1976; Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1983; ders., Leitung und Überwachung2, 1996; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1996. Aus rechtsvergleichender Sicht vgl. beispielsweise im griechischen Recht, Triantafyllakis, Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime der Organe der AG, 1998 (auf griechisch); im US-amerikanischen Recht vgl. exemplarisch Easterbrook/Fischer, The Economic Structure of Corporate Law, 1991. In Frankreich ist die Anwendung zwar nicht unbekannt (vgl. dazu die Monographie von Paillusseau, La société anonyme, technique d’organisation de l’entreprise, 1967), allerdings ist seine Verbreitung ziemlich gering (vgl. dazu u. a. Gibirila, Le dirigeant de société, 1995; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux: Bilan et perspectives, Thèse 1998 – unveröffentlicht).

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

teils in einem gewissen Über-, Unterordnungsverhältnis3 nebeneinander zur Beschreibung des Leitungstatbestands verwendet werden. Die angesprochene Mannigfaltigkeit sollte allerdings nicht überraschen, denn bei Definitionen handelt es sich grundsätzlich um gedankliche Interpretationen, welche mit Ausnahme von Extremfällen bekanntlich nicht falsch oder richtig, sondern nur mehr oder weniger zweckmäßig sein können. Ihre Zweckmäßigkeit wird aber in einer Theorie von dem bestimmt, was die Theorie erklären möchte4. Die Definition erweist sich dann als zweckmäßig, wenn nach der Erstellung der Theorie „über“ diese Definition der Eindruck entsteht, die wesentlichen Sachverhalte seien theoretisch erfasst worden5. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erweist es sich als sinnvoll, von der prinzipiellen Gleichbedeutung der angesprochenen Fachtermini auszugehen und sich zur Konkretisierung des materiellen Gehalts des Leitungsbegriffs sich auf die Funktionen bzw. die damit zusammenhängenden Aufgaben und Befugnisse des leitenden Faktors zu konzentrieren. Diesbezüglich lässt sich aus der relevanten Fachliteratur erkennen, dass trotz der oft unüberschaubaren Vielfältigkeit der relevanten Aufgaben die Managementlehre aus dem Kern wiederkehrender Steuerungsprobleme Basisfunktionen herausgearbeitet hat, die jeder Leitungsposition inhärent sind. Als solche kommen mit marginalen Unterschieden die Unternehmensplanung, -organisation (i. S. von Bestimmung und Koordinierung von Strukturträgern) und -überwachung bzw. -kontrolle in Betracht6. Diese Funktionen werden einem Personenkreis mit (obersten) Anweisungs- und Entscheidungsbefugnissen anvertraut, welcher das Management in institutioneller Hinsicht darstellt. Als Leitungsaufgaben sollten die angesprochenen Funktionen von den rein exekutiven Aufgaben des leitenden Faktors ausdifferenziert werden, deren Zwecksetzung in der Ausführung und praktischen Umsetzung der im Rahmen der angesprochenen Leitungsfunktionen erstellten Leitlinien besteht7. 2 So Mellerowicz, Unternehmenspolitik, Bd. I, S. 47; Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 9; Thiétart, Le Management, S. 7; charakteristisch dazu ist der bewusste Verzicht des französischen Gesetzgebers im Gesetzestext des Loi von 24.7.1966 auf die materielle Bestimmung der verwendeten Termini von „administration“, „direction“, und „gestion“. 3 So betrachtet beispielsweise Korndörfer (Unternehmensführungslehre9, S. 21 ff.) die Leitung als ein Unterfall der Führung, während Gutenberg (Grundlagen der BWL, S. 132 ff.) umgekehrt die Führung als Unterfall der Leitung ansieht. 4 So Opp, Die Entstehung sozialer Normen, S. 2; Zippelius, Rechtsphilosophie3, S. 2 ff. 5 Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 12 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie3, S. 4 ff. 6 Vgl. Staehle, Management 5, S. 74 ff.; Steinmann/Schreyögg, Management5, S. 8 ff.; Gutenberg, Unternehmensführung, S. 61 ff.; Korndörfer, Unternehmensführungslehre9, S. 20; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 10, 13 ff. 7 Vgl. Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 106 ff.; Fürstenberg, Grundfragen der Betriebssoziologie, S. 89.

§ 1 Materieller Gehalt des Leitungsbegriffs

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Die Leitungsfunktionen lassen sich aus prozessualer Hinsicht als Phasen eines kybernetischen Regelkreismodells (Planung ! Organisation ! Kontrolle ! Planung ! Organisation usw.) ansehen. Den logischen Ausgangspunkt des (sequenziellen) Regelkreismodells stellt die Planungsfunktion dar, m. a. W. die gedankliche Vorwegnahme des zukünftigen Handelns der Organisation. Sie umfasst vor allem die Bestimmung der Unternehmensbestrebungen, die Entfaltung abgewogener Handlungsalternativen, die Stellung von Prognosen und die Setzung von entsprechenden Erwartungen8. Ferner ermöglicht sie die Vorbereitung der Unternehmensaktivitäten und damit die rechtzeitige Identifizierung von Geschäftschancen und -risiken, wie auch das Treffen tatkräftig rationaler Entscheidungen innerhalb eines antagonistischen und komplexen Unternehmungsumfelds. Je nach Gesichtspunkt sind verschiedene Kategorisierungen der Planungsfunktion möglich9. In der Praxis wird oft zwischen strategischer und operativer Planung unterschieden10. Die logische Fortsetzung der Planung stellt im sequenziellen Managementprozess die Gestaltung der zur praktischen Umsetzung der unternehmerischen Zielsetzungen unerlässlichen Aufbau- und Ablaufstrukturen innerhalb des Unternehmens dar. Unter dem Begriff der Organisation ist zweierlei zu verstehen: einerseits die Bestimmung von Strukturträgern und die Verteilung der zentralen Organisationselemente von Macht, Aufgaben und Information gemäß eines Organisationsplans unter ihnen (Strukturierung, Aufbauorganisation). Andererseits bezieht sich die Organisation auf die zielorientierte Synchronisierung der Zusammenarbeit innerhalb der organisatorischen Aufgabeneinheiten (Koordinierung, Ablauforganisation)11. In der Praxis ist eine funktions-12 oder objekt8 Vgl. Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 133 ff.; Thiétart, Le Management, S. 25 ff.; Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 13 ff.; Steinmann/Schreyögg, Management5, S. 9; Korndörfer, Unternehmensführungslehre9, S. 35 ff. 9 Vgl. Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 133 ff., 147 ff., m. w. N. 10 Erstere beruht auf den Unternehmensgrundsätzen (corporate philosophy), welche über die Satzung hinaus das Selbstverständnis des Unternehmens umfassen, und befasst sich primär mit der langfristigen Bestimmung der Grundzüge der Produkt-, Finanz-, Investitions- und Personalpolitik des Unternehmens (vgl. Staehle, Management5, S. 426, 573 ff.; Albach, ZGR 1997, S. 36 ff.; Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 135 ff.; Thiétart, Le Management, S. 33 ff.; Neubauer, Strategische Unternehmensführung, in: Management Enzyklopädie2, Bd. VIII, S. 842; Hinterhuber, Strategische Unternehmensführung5, Bd. II, S. 121 ff.; Neus, Einführung in die BWL, S. 242 ff.; Lutter, AG 1991, S. 249, 251; Kallmeyer, ZGR 1993, S. 108 ff.; Henze, BB 2000, S. 209 ff.). Von diesen Oberzielsetzungen geht die operative Planung aus, die kurzund mittelfristige Programme zur praktischen Umsetzung der strategischen Ziele bearbeitet und fungiert demgemäß als erforderlicher Bindeglied zwischen dem leitenden und dem exekutiven Faktor (Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 147 ff.; Gutenberg, Grundlagen, Bd.I, S. 163 ff.; Thiétart, Le Management, S. 34 ff.). 11 Vgl. Staehle, Management 5, S. 627; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 10. 12 Dabei handelt es sich um die Zusammenfassung von Mitarbeitern, die auf gleichartige Tätigkeiten spezialisiert sind; vgl. Thiétart, Le Management, S. 52 ff.; Wöhe,

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

bezogene13 Aufbauorganisation (sog. Divisions- oder Spartenorganisation) im Unternehmen seit langem verbreitet. Was die Ablauforganisation anbelangt, ist in der Praxis eine horizontale14 oder vertikale15 Koordination der Ablauftatbestände im Unternehmen üblich. Allenfalls stellt die konkrete Unternehmensorganisation das Resultat komplexer Abwägungen unter mehreren Faktoren (Kostenfaktoren, Kapazitätsauslastung, Professionalisierungs- bzw. Spezialisierungsbedürfnisse, Koordinationsaspekte, Erfolgsorientierungen, Transparenz, Kontrollmöglichkeiten usw.) dar, so dass die in der Theorie ausgearbeiteten Organisationsansätze16 letztendlich idealtypische Konstruktionen darstellen, die je nach den Einzelfallumständen unterschiedlich gestaltet werden können. Den Schlüsselpunkt im Managementprozess stellt die Unternehmensüberwachung bzw. -kontrolle dar. Letztere kann nachträglicher oder vorbeugender bzw. laufender Natur sein17. Sie kann weiterhin die Form einer Verhaltenskontrolle18, wie auch einer Ergebniskontrolle i. S. eines Vergleichs der erreichten Werte von Zielgrößen (Umsätze, Kosten, Gewinne usw.) mit den geplanten Werten oder anderen Bezugsgrößen (z. B. aus vergleichbaren Betrieben oder aus der eigenen Vergangenheit) annehmen. Hierbei ist zu beachten, dass die Kontrollfunktion in einem Interdependenzverhältnis zu den planenden und organisatorischen Aufgaben des leitenden Faktors steht19: Die Ausarbeitung von lang-, Einführung in die BWL20, S. 183 ff.; Staehle, Management20, S. 693; Neus, Einführung in die BWL, S. 140 ff. 13 Dabei handelt es sich um die Gestaltung von Divisionen nach Produkt-, Kunden-, Marktsegmenten, welche ihre Strategien für die jeweiligen Märkte selbst entwickeln und über genügend Autonomie und Ressourcen für ihr laufendes Geschäft verfügen, so dass es sich im Endeffekt um Unternehmen im Unternehmen handelt, vgl. Thiètart, Le Management, S. 52 ff.; Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 186, 187; Staehle, Management5, S. 694 ff.; Grochla, Unternehmungsorganisation, S. 188; Neus, Einführung in die BWL, S. 141. 14 Bei der horizontalen Koordinierung handelt es sich um die Abstimmung zwischen Personen ohne Einschaltung von Vorgesetzten, vgl. von Werder, DB 1987, S. 2266; Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 71. 15 Die vertikale Koordinierung basiert auf der Machtasymmetrie unter den Mitgliedern der jeweiligen Aufgabeneinheit. Demgemäß werden die Entscheidungen durch den gemeinsamen Vorgesetzten der zu koordinierenden Personen oder Einheiten getroffen. Ein Ausdruck dieses Ansatzes besteht in der Regelung der Kompetenzverhältnisse innerhalb einer Aufgabeneinheit nach dem sog. Direktorialprinzip, wonach einem Mitglied, oder einigen wenigen Mitgliedern Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse gegenüber den restlichen Mitgliedern eingeräumt werden, vgl. Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 71; Staehle, Management5, S. 656 ff.; von Werder, DB 1987, S. 2266. 16 Vgl. u. a. Kosiol, Organisation der Unternehmung2, S. 186 ff.; Wöhe, Einführung in die BWL20, S. 183 ff.; Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 71 ff. 17 Thiétart, Le Management, S. 100 ff. 18 Eisenführ, Einführung in die BWL2, S. 29. 19 Mellerowicz, Unternehmenspolitik, Bd. I, S. 321 ff.; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 15.

§ 1 Materieller Gehalt des Leitungsbegriffs

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mittel- oder sogar kurzfristigen Plänen und ihre organisatorische Durchführung reicht zur Förderung der Unternehmensaktivität ohne den Kontrollvergleich, ob die Ergebnisse des unternehmerischen Handelns mit den Planungsvorgaben übereinstimmen, oder ob die organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung der unternehmerischen Zielvorgaben effizient sind, nicht aus. Dieser Vergleich dient sowohl der unverzüglichen Reaktion auf Abweichungen von den Unternehmenszielsetzungen wie auch der rechtzeitigen Erkennung und Verfolgung neuer Geschäftstendenzen. Er stellt demnach ein unentbehrliches Korrelat zu den planenden und organisatorischen Aufgaben des leitenden Faktors dar20. Die Wahrnehmung der angesprochenen Leitungsfunktionen setzt freilich Entschließungen unternehmerischen Charakters voraus. Im Fachschrifttum liegen bereits mehrere sachbezogene Definitionen des Begriffs „unternehmerische Entscheidung“ vor, welche mit marginalen Unterschieden an das Merkmal der Maßgeblichkeit der Auswirkung solcher Entscheidungen auf das Unternehmen anknüpfen21. Unter Entscheidungen unternehmerischen Charakters sind konsequenterweise richtungweisende Festlegungen zu verstehen, welche Ausfluss 20 Die Tragweite der Überwachungsfunktion lässt sich im Einzelfall variieren. Von besonderer Maßgeblichkeit ist angesichts der Rationalisierung der Überwachungsfunktion die Gestaltung von Controlling-Stelle(n) zur Sammlung der für die Kontrolle erforderlichen Informationen. Es liegt keine einheitliche Definition des Controlling-Konzepts vor: Die IGC (International Group of Controlling) hat ein Leitbild des Controllers entworfen, welches in der Praxis oft konsultiert wird. Demgemäß bezieht sich das Controlling-Konzept auf die Gestaltung und Aufrechterhaltung eines Informationssystems für die Unternehmensleitung, so dass dem Management die für die Kontrolle der jeweiligen Aufgabeneinheiten erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Die Rolle des Controllers in der Organisation besteht in der Koordination der Teilpläne und der Organisation des gesamten Planungsprozesses, aber der Controller selbst plant und kontrolliert im Normalfall nicht. Er besitzt lediglich die Verantwortung für die von ihm zusammengestellten und aufbereiteten Informationen, während der leitende Faktor für die in der Folge getroffenen Entscheidungen verantwortlich bleibt, vgl. Horvath & Partner, Das Controlling-Konzept4, S. 6 ff. 21 Darunter könnte man aus institutioneller Sicht jede Entscheidung des Managements bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben verstehen (so Kähle, Betriebliche Entscheidungen, S. 9; Korndörfer, Allgemeine BWL, S. 444). Solch eine Betrachtungsweise wäre jedoch wegen ihrer Zirkularität für das materielle Verständnis derartiger Entscheidungen wenig zweckmäßig. Denn sie setzt alle Entscheidungen des leitenden Faktors untereinander gleich und zwar unabhängig davon, ob es sich um schwierige und komplexe Initiativ-, oder relativ einfache Anpassungsentscheidungen handelt. Methodisch empfiehlt es sich demnach, sich auf die sachlichen Qualitäten solcher Entscheidungen zu konzentrieren. Hierzu ist jedenfalls zu beachten, dass die angesprochenen Unterscheidungsmerkmale lediglich heuristische Differenzierungskriterien darstellen, deren Gültigkeit keinesfalls verabsolutiert werden sollte. Schließlich handelt es sich um idealtypische Ausdifferenzierungsversuche, deren Anwendung in der Praxis oft schwer fallen kann. Die Differenzierung zwischen dem Treffen einer unternehmerischen Entscheidung und ihrer Ausführung durch Vornahme bestimmter Geschäfte kann ebenso schwer fallen, wie die Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften beim täglichen Geschäftsablauf, vgl. Lutter, GmbHR 2000, S. 307; Kort, ZIP 1991, S. 1276.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

selbständiger unternehmerischer Initiative darstellen22, und deren wirtschaftliche Auswirkung auf das Unternehmen von beträchtlicher Maßgeblichkeit ist23. Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn: (1) die getroffene Entscheidung entweder nach ihrem Umfang oder Risiko von hoher Bedeutung für die Vermögens- oder Ertragslage des Unternehmens ist, oder (2) die Entscheidung aufgrund ihrer andauernden Gestaltungswirkung das Unternehmen oder einen Teil desselben so prägt, dass durch diese Ausrichtung die künftige Entwicklung des Unternehmens in seiner Gesamtheit vorgezeichnet wird.

B. Der Leitungsbegriff aus juristischer Sicht Zum juristischen Verständnis des Leitungstatbestands wird ähnlich wie bei der betriebwirtschaftlichen Theorie eine Reihe unterschiedlicher Ordnungsbegriffe24 (auf Deutsch: Leitung, Geschäftsführung, Verwaltung; auf Französisch: gestion, administration, direction générale) verwendet, deren Verhältnis zueinander weder im Gesetzestext, noch in der Rechtspraxis eindeutig geklärt ist25, und deren materielle Inexaktheit nicht nur abstrakt-theoretische Schwierigkeiten, sondern auch praktische Probleme bereitet26.

Semler, Leitung und Überwachung2, S. 45. Vgl. Gutenberg, Grundlagen, S. 140; ders., Unternehmensführung, S. 60, 61; Kähle, Betriebliche Entscheidungen, S. 9; Korndörfer, Allgemeine BWL, S. 444; Ulrich, FS Käfer, S. 297, 306. 24 Vgl. Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 37. 25 So schreibt § 76 I AktG vor, dass der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich zu „leiten“ hat; § 93 I AktG legt fest, dass jedes Vorstandsmitglied bei der „Geschäftsführung“ die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat; § 120 II 1 AktG sieht schließlich vor, dass die Aktiengesellschaft durch die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder „verwaltet“ wird. Der französische Gesetzgeber schreibt in Art. 113 des Loi von 24.7.1966 über die Kapitalgesellschaften (im Folgenden: L. 1966) vor, dass der Präsident des Verwaltungsrats (conseil d’administration) eigenverantwortlich die „direction générale“ der monistischen Société Anonyme übernimmt; die Haftungsvorschrift des Art. 244 I L. 1966 schreibt vor, dass die Verwaltungsratsmitglieder jeder Société Anonyme je nach den Einzelfallumständen individuell oder solidarisch für ihre Fehler im Rahmen des „gestion“ der Gesellschaft verantwortlich sind. 26 Das ist beispielsweise der Fall im deutschen Recht bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Haftungsvorschrift des § 93 I 1 AktG oder der Kompetenzvorschrift des § 111 I 1 AktG (vgl. Henze, BB 2000, S. 210; Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 7 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 28; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 37). Ähnliches gilt auch im französischen Recht in Bezug auf die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Haftungsvorschrift des Art. 244 I L. 1966 oder in Bezug auf die Präzisierung der Kompetenzen des Verwaltungsrats und seines Präsident im Hinblick auf das Spezialitätsprinzip (Scholastique, Le devoir de diligence, S. 196; Bulle/Germain, S. 180; Mercadal/Janin, Rdnr. 1349 ff.; Piédelièvre, Rdnr. 35). 22 23

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Zur Erläuterung des materiellen Gehalts des Leitungstatbestands kommen im relevanten Schrifttum mehrere Ansatzpunkte in Betracht, deren Aussagekraft allerdings unterschiedlich zu beurteilen ist. Als wenig fruchtbar erweist sich etwa im deutschen Recht der Versuch, den Leitungstatbestand unter Verweis auf ähnliche Gesetzesvorschriften auf dem Weg der Analogie materiell auszufüllen. Die dort verwendeten Begriffe sind meist ebenso wenig geklärt oder sie betreffen eigenständige Sachkonstellationen, die auf dem Weg der Analogie nicht verallgemeinerungsfähig sind27. Ebenso wenig weiterführend scheint sowohl im deutschen als auch im französischen Recht der Weg der historisch teleologischen Auslegung: Was das deutsche Recht anbelangt, soll diesbezüglich erwähnt werden, dass bis zum AktG 1937 der Terminus „Leitung“ zur Bezeichnung der Vorstandskompetenz nicht verwendet wurde28. Der Begriff „Leitung“ taucht zum ersten Mal in § 70 I AktG 1937 auf und wird dort explizit mit dem Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und dem „gemeinsamen Nutzen von Volk und Reich“ verbunden. Der Sinngehalt des Begriffs wurde jedoch weder im AktG von 1937, noch in der heutigen Auffassung des § 76 I AktG 1965 erläutert. Zwar könnte man im Rahmen des AktG 1937 diese materielle Unbestimmtheit mit dem politisch herrschenden Zeitgeist erklären und konsequenterweise den Begriff als inhaltsloses, politisches Schlagwort bezeichnen. Trotzdem lässt sich nicht verkennen, dass der Gesetzgeber des AktG von 1965 vor einem ganz anderen politischen Hintergrund den gleichen Ausdruck verwendet hat29. Ähnliches gilt auch für das französische Recht: Die Reformgesetze vom 16.11.1940 und 6.3.1943 enthalten keinen Hinweis auf den Sinngehalt des Begriffs der „gestion“ bzw. „administration“. Die Pleven-Kommission hatte im Rahmen der Bearbeitung des Gesetzesentwurfs für den Loi no 278 (1966–1967) vorgeschlagen, die Bestimmung des Art. 98 I L. 1966 zur Kompetenz des Verwaltungsrats folgendermaßen zu formulieren: „Le conseil est investi des pouvoirs de gestion les plus étendus pour agir en toute circonstance dans l’intérêt 27 So wird beispielsweise der Begriff der Leitung i. S. von einheitlicher Leitung in §§ 18 I 1, 2 und 308 I AktG bereits erwähnt, allerdings weisen die angesprochenen Vorschriften auf eine streng konzernrechtliche Fallkonstellation und können demnach nicht als Bezugspunkte zur inhaltlichen Präzisierung des Leitungsbegriffs von § 76 I AktG verwendet werden. Ebenso wenig aussagekräftig sind ferner die Vorschriften des AktG, welche spezielle Handlungspflichten des Vorstands normieren (§§ 83, 90, 91, 92, 110 I, 118 II, 170 und 245 Nr. 4 AktG). Diese betreffen überwiegend formelle Aspekte der Vorstandstätigkeit und des Zusammenwirkens der Organe, wie etwa die Buchführung, die Vorlage des Jahresabschlusses, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Vorbereitung von Beschlüssen der Hauptversammlung und bieten demnach wenige Ansatzpunkte zur Präzisierung der juristischen Rezeption des Leitungstatbestands. 28 § 19 AktG von 1843 schrieb lediglich vor, dass die Geschäfte der Gesellschaft durch einen nach Vorschrift des Statuts bestellten Vorstand verwaltet wurden, während § 227 ADHGB und später § 231 HGB lediglich vorsahen, dass die Gesellschaft durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten sei. 29 So Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

et au nom de la société“. Der Vorschlag beruhte auf dem Grundgedanken, dass durch den Begriff der „gestion“ die Rolle des Verwaltungsrats deutlicher definiert würde30. Der Terminus wurde jedoch von der Endfassung des Artikels ausgeklammert, was teilweise als Verzicht des Gesetzgebers darauf, dermaßen polyvalente Begriffe, wie diejenigen der „gestion“, „administration“ und „direction“ inhaltlich zu definieren und voneinander abzugrenzen, interpretiert wird31. In Anlehnung an die fehlenden gesetzgeberischen Angaben geht ein Teil des Schrifttums in beiden Rechtsordnungen von der prinzipiellen Gleichsinnigkeit der angesprochenen Ordnungsbegriffe aus32. Diese Betrachtungsweise vermag zwar die Probleme bei der Konkretisierung des sachlichen Anwendungsbereichs bestimmter Vorschriften einigermaßen zu beseitigen33, sie verkennt jedoch die Tatsache, dass es in einem solchen Fall für den Gesetzgeber ausgereicht hätte, die gleichen Begriffe wieder zu verwenden34. Die gesetzgeberische Wortwahl indiziert, dass die verwendeten Termini ein aliud im Verhältnis zueinander darstellen35. Ferner bietet die angesprochene Betrachtungsweise keinen effizienten Ansatz für eine funktionsbezogene Kompetenzabgrenzung unter den Verbandsorganen, was insbesondere im französischen Recht wegen des Spezialitätsprinzips von instrumenteller Bedeutung für die Organisationsverfassung ist. Unter diesen Umständen sind komplexere Ansätze erforderlich. Zwecks einer materiellen Ausfüllung der angesprochenen Ordnungsbegriffe greift ein wichtiger Teil der deutschen Rechtslehre auf das betriebswirtschaftliche Verständnis des Leitungstatbestands zurück und versucht interdisziplinär die relevanten juristischen Ordnungsbegriffe zu präzisieren und voneinander abzu30 Vgl. Cherchouly-Sicard, La responsabilité, S. 90; Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 402 ff.; Grossi, Les devoirs, S. 11, Fn. 5; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. I, Rdnr. 939 ff.; Paillusseau, La société anonyme, S. 214 ff. 31 So Grossi, Les devoirs, S. 11, Fn. 5; Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 403. 32 Vgl. zum deutschen Recht Semler, Leitung und Überwachung2, S. 6 ff.; Würdinger, AktienR, S. 108; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Anm. 1; Geßler/Hefermehl, § 76 AktG, Rdnr. 10; Schaefer/Missling, NZG 1998, S. 442; zum französischen Recht Grossi, Les devoirs, S. 11 ff.; Gourlay, Le Conseil d’Administration de la société anonyme, Rdnr. 127; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, S. 90; zum Regime der Reformgesetze von 1940, 1943 vgl. vor allem Bosvieux, S. 21; Moreaux, La société anonyme, t. I, Rdnr. 203. 33 Vgl. beispielsweise zum deutschen Recht §§ 76 I und 93 I AktG; zum französischen Recht Art. 98 I und Art. 244 I L. 1966. 34 So könnte beispielsweise der deutsche Gesetzgeber den § 76 I AktG dahingehend formulieren, dass dem Vorstand die eigenverantwortliche Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft obliege; vgl. Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 28. 35 Vgl. K. Schmidt, GesR3, S. 812 ff.; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 4; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 28.

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grenzen36. Hierbei handelt es sich nicht um eine schrankenlose Transmission betriebswirtschaftlicher Begriffe, sondern um die Verwertung betriebswirtschaftlicher Eckpunkte zur Interpretation einiger aus sich heraus auslegungsfähiger juristischer Termini37. So will ein Teil des Schrifttums38 unter dem Begriff der Leitung die Gesamtheit der originären Aufgaben des leitenden Faktors, d.h. die Aufgaben der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle subsumieren. Unter dem Begriff der Geschäftsführung sind nach der gleichen Ansicht die Aufgaben des exekutiven Faktors, u. a. die Ausführung von Plänen, die Erledigung der laufenden täglichen Aufgaben und die Repräsentation der Gesellschaft gegenüber Dritten (Vertretung) zu verstehen. Diese Betrachtungsweise vermag in erster Linie eine inhaltliche Abgrenzung der angesprochenen Begriffe anbieten, sie reduziert jedoch unverhältnismäßig den Anwendungsbereich bestimmter aktienrechtlicher Vorschriften und führt konsequenterweise zu problematischen Konstellationen39. Dieses Problem wird in der Rechtslehre dadurch beseitigt, dass unter dem Begriff der Geschäftsführung die Gesamtheit der Funktionen des leitenden und exekutiven Faktors subsumiert wird, während unter dem Begriff der Leitung ein herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung zu verstehen ist, welcher aus den Leitungsaufgaben der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle besteht. Diese inzwischen zur herrschenden avancierte Ansicht bietet eine deutliche und mit dem aktienrechtlichen Regelungsgefüge vereinbare Präzisierung des Sinngehalts der angesprochenen Begriffe und ist ferner auf das Recht der GmbH übertragungsfähig40. Immerhin sollte mitberücksichtigt werden, dass es sich bei den angesprochenen Ausdifferenzierungen im Endeffekt um idealtypische Denkfiguren handelt, deren Vermischung in der Praxis nicht selten ist. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Trennlinie zwi36 So vor allem Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 4 ff.; Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 8 und § 77 AktG, Rdnr. 1; Schiessl, ZGR 1992, S. 68; Thielbeer, S. 109; Schwark, ZHR 1978, S. 215; Henze, BB 2000, S. 210; a. A. Kallmeyer, ZGR 1993, S. 104 ff., der die Frage stellt, ob betriebswirtschaftsrechtliche Ergebnisse ohne weitere rechtliche Begründung in Rechtsregeln transformiert werden dürfen. Dieser These folgt Kallmeyer allerdings nicht konsequent, wenn er sich zwar gegen eine rechtliche Determinierung der Ausgestaltung der Unternehmensplanung wendet, letztlich aber grundlegende planerische Pflichten des Vorstands dennoch konstatiert, in dem er etwa die Festlegung der Unternehmenspolitik sowie eine kurz- und mittelfristige Absatzplanung ausdrücklich und ohne weitere Begründung als Rechtspflichten des Vorstands bezeichnet. 37 Vgl. Feddersen, ZGR 1993, S. 115. 38 So Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36. 39 Demzufolge würde beispielsweise die Vorschrift des § 111 I AktG über die Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands ihren Zweck insoweit verfehlen, dass sie nur interne oder Dritten gegenüber vollzogene Einzelmaßnahmen, nicht aber der Leitung zuzurechnende oder ihr kraft Gesetztes gleichgestellte Maßnahmen umfassen würde. Ähnliches gilt für die Regelung des § 93 I AktG hinsichtlich der Leitungshaftung von Vorstandsmitgliedern, vgl. Henze, BB 2000, S. 210. 40 Zum Recht der GmbH vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 35 GmbHG, Rdnr. 3.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

schen der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben und ihrer Ausführung bei Vornahme bestimmter Geschäfte auch unscharf sein kann41. Auf ähnliche Argumentationsbasis lässt sich die materielle Präzisierung des Leitungstatbestands im französischen Recht vollziehen. Einen Paradefall stellt dazu die materielle Ausfüllung der Begriffe von „administration“, „direction générale“ und „gestion“ am Beispiel der Kompetenzabgrenzung zwischen dem Verwaltungsrat und seinem président in der monistischen Société Anonyme (im Folgenden: SA) dar. Aus einer kursorischen Betrachtung des Art. 98 I L. 196642 könnte man entnehmen, dass dem Verwaltungsrat die Gesamtheit der Aufgaben sowohl des leitenden als auch des exekutiven Faktors zugewiesen ist. Solch ein Ergebnis wäre allerdings insoweit verfehlt, als der Gesetzgeber die hochwertige exekutive Aufgabe der Repräsentation der SA dem Präsident des Verwaltungsrats zugewiesen hat (Art. 113 I L. 1966). Zudem ist praxisbezogen zu bedenken, dass die Wahrnehmung eines so weitgehenden Aufgabengefüges durch ein nicht permanentes Organ, wie den Verwaltungsrat, unrealistisch erscheint43. Unter diesen Umständen vermehren sich in der Fachliteratur die Stimmen, die für eine Ausfüllung des Sinngehalts der juristischen Ordnungsbegriffe zwar in Anknüpfung an die Vorgaben des L. 1966, jedoch auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Betriebswirtschaftslehre plädieren. Nach dieser Ansicht44 ist unter dem Begriff der „administration“ die Leitungsaufgabe der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle45 zu verstehen, unter dem Begriff der „direction générale“ hingegen die Gesamtheit der Aufgaben des exekutiven Faktors46. Der Begriff der „gestion“ in Art. 244 I L. 1966 bezeichnet schließlich 41

So Kort, ZIP 1991, S. 1276. Vgl. die Originalfassung des Art. 98 I L. 1966: „Le conseil d’administration est investi des pouvoirs les plus étendus pour agir en toute circonstance au nom de la societé“. 43 Vgl. Scholastique, Le devoir de diligence, S. 196 ff.; Baillod, RTD com. 1990, S. 1 ff. 44 Vgl. Piédelièvre, S. 18 ff., Paillusseau, La société anonyme, S. 216 ff.; Juglard/ d’Ippolito, Rdnr. 708; Guyon, DdA I10, Rdnr. 339 („C’est lui qui définit les objectifs et prend les décisions stratégiques en matière économique, financière et technologique“); Merle, Sociétés Commerciales5, Rdnr. 395; Gibirila, Le dirigeant, S. 325; Monsallier, S. 244; Scholastique, Le devoir de diligence, S. 191 ff.; Berr, Rdnr. 125 („Le rôle du conseil, c’est de fixer la politique générale de la société . . .“); in empirischer Hinsicht Charreaux/Pitol-Belin, Enquête nationale sur le conseil d’administration des entreprises françaises, Étude Peat-Marwick, février 1987. 45 Die Kontrollpflicht des Verwaltungsrats knüpft sich bereits an die in der Rechtsprechung anerkannte Pflicht jedes Verwaltungsmitglieds, das Verhalten der sonstigen Mitglieder des Verwaltungsrats oder derjenigen Personen, an die Aufgaben des Verwaltungsrats delegiert sind, zu überwachen, vgl. Cass. Req., 1.12.1931, D. 1933 I, S. 89; Cass Req. 22.6.1936, GP 1936, 2, 411; Cass Req. 11.7.1870, DP 1871, 1, 137; CA Paris 4.2.1994, Bull. Jolly, 1994, S. 402 (Anm. Parriente); CA Paris 18.6.1991, GP 1992, I, 148; CA Versailles 21.10.1993, Bull Joly 1994, S. 99. 46 So Paillusseau, La société anonyme, S. 215 ff.; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés commerciales, t. I, Rdnr. 981 ff.; in diese Richtung auch Cozian/Viandier, Droit des 42

§ 1 Materieller Gehalt des Leitungsbegriffs

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die Gesamtheit von Aufgaben des exekutiven und des leitenden Faktors47. Insofern stellt der Begriff der „administration“ einen herausgehobenen Teil der \;gestion“ dar, genauso wie die „Leitung“ im deutschen Recht einen herausgehobenen Teil der „Geschäftsführung“ darstellt. Solch eine Heraushebung findet zwar keinen ausdrücklichen Bezugspunkt in L. 1966, wird allerdings in der französischen Judikatur seit langem anerkannt48. Ein Paradebeispiel bildet diesbezüglich die Gerichtspraxis zum faktischen Geschäftsleiter (dirigeant de fait). Der Begriff wird nicht gesetzlich definiert, sondern richterlich in dem Maße fortgebildet, dass er zweifellos zu den acquis juridiques des französischen Gesellschaftsrechts gehört. Zu den standardisierten Kriterien der Judikatur zur Bezeichnung einer Drittperson als dirigeant de fait gehört u. a. die dauerhafte Wahrnehmung von Geschäftsleitungsfunktionen in positiver und unabhängiger Weise49. Dabei handelt es sich nicht bloß um jede Geschäftsführungsmaßnahme, sondern um Leitungsakte von besonderer Erheblichkeit für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens50, welche im Gegensatz zu den bloß exekutiven Aufgaben als Maßnahmen der haute gestion51 zu bezeichnen sind. Aus den angegebenen Überlegungen wird ersichtlich, dass das juristische Verständnis des Leitungstatbestands in beiden Rechtsordnungen mehr Gemeinsociétés10, Rdnr. 670; Piédelièvre, Rdnr. 42; zu den Reformgesetzen von 1940, 1943, vgl. Escarra/Rault, Rdnr. 1492; Noirel, nos 258, 373; Bosvieux, Rdnr. 9; vgl. noch CA Paris 4.7.1957, D. 1958, 374 (Anm. Gore); Paris 20.6.1957, JCP 1958. II. 10346 (Anm. Derrida); Cass. com. 25.5.1959, D. 1959, 557. 47 So (implizit) Guyon, DdA I10, Rdnr. 339; Paillusseau, La société anonyme, S. 214 ff. 48 Die Rechtsprechung hatte nur selten die Gelegenheit das Problem näher zu erfassen (Noirel, Rdnr. 371), vgl. dazu die Entscheidung der Cour de Lyon vom 10.12. 1948 (JCP 1950. II. 5457 mit Anm. Bastian), die sich zwar mit dem Thema der Rechtmäßigkeit der Delegation von Verwaltungsratskompetenzen beschäftigt, jedoch gleichzeitig annimmt, dass die Orientierung der Geschäftspolitik zu den unverzichtbaren Kompetenzen des Verwaltungsrats gehört (und demnach nicht delegierbar ist); vgl. noch CA Angers 14.1.1974, Rev. Synd. 1974, S. 160, wobei ebenfalls die Kompetenz des Verwaltungsrats als organe de réflexion zur Bestimmung der großen Leitlinien der Unternehmenspolitik angenommen wird. 49 Vgl. Cass. com. 18.5.1981, Bull. civ. IV, no 240; Cass. com. 15.11.1978, Bull.civ. no 265; Cass. civ. 25.1.1963, GP 1963.I.383; CA Paris 11.6.1987, Bull. Joly 1987, S. 719; Cass. com. 20.7.1973, Bull. civ. IV, no 260; Cass. crim. 13.12.1988, Rev. Soc. 1989, S. 257 (Anm. Bouloc); Rives-Lange, D. 1975, chr. 41, S. 42 ff.; Notte, Les dirigeants de fait des personnes morales en droit privé, Rdnr. 132; Tricot, Droit et Patrimoine, 01/1996, S. 24 ff. 50 So CA Paris 3.3.1978, D. 1978 I.R. 420 mit Anm. Vasseur (massive Verlustübernahme und die Fortsetzung eines ruinösen Betriebs, wodurch der Bestand des Unternehmens und sein finanzieller Zustand erheblich verschlechterten); CA Paris 11.5. 1978, RJC 1979, S. 102 ff. mit Anm. Le Guidec; Cass. crim. 19.9.1994, no 93 – 85. 529 (unveröffentlicht – Übernahme der Bestimmung der Geschäftspolitik der SA, Durchführung von Verhandlungen mit den wesentlichen Kunden der Gesellschaft, Treffen wichtiger grundlegender Investitionsentscheidungen). 51 So Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 132, no 22 ff.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

samkeiten als Unterschiede aufweist: Zwar greifen beide Rechtsordnungen auf eine Reihe unterschiedlicher Ordnungsbegriffe zurück, deren Sinngehalt im Gesetzestext nicht definiert ist, jedoch lassen sich diese Begriffe mithilfe betriebswirtschaftlicher Kriterien weitgehend präzisieren. Demzufolge umfasst der Begriff der „Geschäftsführung“ im deutschen Recht die Aufgaben sowohl des leitenden als auch des exekutiven Faktors, genauso wie der Begriff der „gestion“ im französischen Recht. Unter dem Begriff „Leitung“ ist nach deutschem Rechtsverständnis ein herausgehobener Teil der Geschäftsführung zu verstehen, welcher die Hauptfunktionen des leitenden Faktors aus betriebswirtschaftlicher Sicht umfasst, genauso wie der Begriff der „administration“ im französischen Recht. In Anlehnung an diese Kategorisierungen ist weiterhin zu prüfen, wo die unternehmerische Entscheidungskompetenz gemäß des gesetzlichen Leitbilds im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht verortet ist.

§ 2 Verortung der Leitungskompetenz in der Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften A. Leitungsstrukturen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht I. Die Leitungsstruktur in der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft Das AktG schreibt eine zwingende dreigliedrige Führungsorganisation vor, welche gleichzeitig das hervorstechendste Merkmal der deutschen AG im internationalen Rechtsvergleich darstellt52. Als notwendige Verbandsorgane in der Organisationsverfassung der AG kommen der Vorstand, der Aufsichtsrat und die mitgliedschaftliche Hauptversammlung in Betracht. Die besprochenen Organe stehen nicht in einem hierarchischen Rangverhältnis zueinander, sondern in einer vom Gesetzgeber beabsichtigten und deshalb zwingend vorgeschriebenen Gewaltenteilung. Das aktienrechtliche Organisationsrecht weist den einzelnen Organen ihren je eigenen Tätigkeitskreis zu. So wird der Vorstand nach den gesetzgeberischen Vorstellungen als Leitungsorgan, der Aufsichtsrat als Aufsichtsorgan und die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan konzipiert. Ihre Zuständigkeiten sind in erster Linie getrennt. Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden (§ 111 IV 1 AktG); ähnlicherweise schreibt § 119 II AktG vor, dass die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur dann entscheiden kann, wenn der Vorstand dies verlangt (§ 119 II AktG). Demzufolge handelt es sich 52 So Böckli, Konvergenz: Annäherung des monistischen und des dualistischen Führungs- und Aufsichtssystems, S. 202 ff.; Windbichler, ZGR 1985, S. 50 ff.; Conard, ZGR 1987, S. 180 ff.

§ 2 Leitungskompetenz in Kapitalgesellschaften

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um eine Zuständigkeit, die erst auf Verlangen des Vorstands aktiviert wird: Die Hauptversammlung darf sich nicht durch entsprechenden Beschluss dafür zuständig machen, m. a. W. sie verfügt über kein eigenständiges Initiativrecht. Letzteres verbleibt dem Vorstand, welcher über die Vorlage der Geschäftsführungsangelegenheiten an die Hauptversammlung nach eigenem Ermessen entscheiden darf. Die geschilderte Gewaltenteilung impliziert jedenfalls nicht ein blindes Nebeneinanderagieren der notwendigen Organe – Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung –, sondern sie stellt ein System von Gewaltverzahnung und Gewaltkontrolle dar. Im Rahmen dessen ist es nicht auszuschließen, dass die Geschäftsführungsorgane bei Grundlagenentscheidungen verpflichtet sein können, im Vorhinein die Zustimmung anderer Verbandsorgane einzuholen oder sogar, dass einzelne Leitungsentscheidungen zwecks eines effizienten Systems von checks and balances dem Aufsichts- oder Willensbildungsorgan gesetzlich zugewiesen sind. Letzteres ändert im Prinzip nichts an die Grundpositionierung der notwendigen Verbandsorgane zueinander. Beispielhaft lässt sich dieses System von Gewaltverzahnung und Gewaltkontrolle am Verhältnis des Vorstands zum Aufsichtsrat verdeutlichen: Obwohl der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan konzipiert wurde, ist in der Entwicklung des deutschen Aktienrechts seine unternehmerische Komponente immer stark betont. Dieser Fund ist ferner betriebswirtschaftlich bestätigt, denn die Kontrolle stellt Teil der Kernfunktionen des leitenden Faktors. Es ist aber vor allem juristisch in § 120 II 1 AktG anerkannt, wo ausdrücklich betont wird, dass die AG durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats „verwaltet“ wird. Was den Umfang und die Tragweite der Gewaltverzahnung anbelangt, lassen sie sich am deutlichsten in Anlehnung an das gesetzliche Kompetenzgefüge beider Organe erläutern. 1. Der Vorstand als Hauptträger der Leitungskompetenz in der AG Der Vorstand der AG stellt ein notwendiges53, ein- oder mehrgliedriges54 Organ dar, zu welchem nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person als Mitglied ernannt werden kann, welche über die Qualifikationsmerkmale des § 76 III AktG verfügt. Weitere persönliche Qualifikationen schreibt das AktG nicht vor, sondern überlässt dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner Führungspostenbesetzungsfunktion, die geeigneten Persönlichkeiten zu finden. Vor allem verlangt das AktG nicht, dass die Vorstandsmitglieder Aktionäre der geleiteten AG sind. Das darin zum Ausdruck gelangte Prinzip der Dritt- bzw. Fremd53

Vgl. dazu § 39 I AktG i. V. m. § 41 I 1 AktG. Vgl. § 23 III 6 AktG, § 76 II 2 AktG); einen mindestens zweiköpfigen Vorstand müssen ebenfalls alle Unternehmen haben, in denen nach §§ 13 MontanmitbestG, 33 MitbestG ein Arbeitsdirektor zu bestellen ist. 54

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

organschaft kennzeichnet die AG als Rechtsform für Großunternehmen, die von einem auch insoweit eigenständigen Management geleitet werden. Die Kompetenznorm des § 76 I AktG weist dem Vorstand der AG die eigenverantwortliche Leitung des Unternehmens zu55. Seine Leitungspflicht umfasst die bereits geschilderten Aufgaben der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle. Die erwähnten Leitungsaufgaben sind originärer Natur i. S., dass sie mit der Entstehung der Gesellschaft und der Beststellung des ersten Vorstands von selbst entstehen und notwendig in seiner Zuständigkeit verbleiben. Ihre Wahrnehmung wird dem Vorstand als Gesamtorgan zugewiesen56 und gehört zu seinen organschaftlichen Mindestzuständigkeiten57unabhängig davon, ob die Arbeitsorganisation des Vorstands in betriebswirtschaftlicher Hinsicht funktional oder divisional konzipiert ist. Dem Vorstand obliegt ferner die Vertretung (§ 78 AktG) und Geschäftsführung (§ 77 AktG) der AG. Unter Vertretung ist das nach außen wirkende Recht des Vorstands zu verstehen, rechtsgeschäftlich und vor Gericht im Namen der Gesellschaft zu handeln und diese zu verpflichten58. Sie stellt einen Teil der Geschäftsführung dar, welche, wie bereits erörtert, die Gesamtheit der Aufgaben des exekutiven und leitenden Faktors umfasst59. Ob und – wenn ja – inwieweit der Vorstand einer herrschenden Konzerngesellschaft verpflichtet ist, auf die Geschäftsführung abhängiger Gesellschaften mittels eigener Leitungsmaßnahmen Einfluss zu nehmen, ist umstritten60. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist uneingeschränkt zur Leitung gemäß § 76 I AktG berechtigt und verpflichtet. Eine Folgepflicht gegenüber Weisungen der herrschenden Gesellschaft besteht von Gesetzes wegen nur beim Vertragskonzern (§ 308 AktG), jedoch nicht beim faktischen Konzern. 55 Gegenstand seiner Leitungsaufgabe kann freilich nicht die Gesellschaft als Verband zusammengeschlossener Gesellschafter, sondern nur das von ihr betreute Unternehmen sein, vgl. dazu DCG-Kodex, Ziff. 3.1., 4.1.1. („Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung“); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 9; Henze, BB 2000, S. 209; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff. 56 Argument aus § 76 I AktG i.V. mit § 78 I AktG; vgl. Raiser, KapGesR3, § 14, Rdnr. 23; Mertens, K-Komm. AktG3, § 77 Rdnr. 8 ff.; Martens, FS Fleck, S. 191; Schwark, ZHR 1978, S. 203; Semler, FS Dölerer, S. 571; Hüffer4, § 77 AktG, Rdnr. 18; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 514 ff. 57 So Semler, Leitung und Überwachung2, S. 17 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 508; Martens, FS Fleck, S. 195; Schwark, ZHR 1978, S. 203; Lutter, AG 1991, S. 251; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 4; a. A. Kallmeyer, S. 107 ff. 58 So Hüffer4, § 78 AktG, Rdnr. 3; Semler, Leitung und Überwachung2, Rdnr. 4. 59 So Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 7. 60 Für eine Konzernleitung i. S. einer umfassenden Einflussnahme als Rechtspflicht gegenüber der abhängigen Gesellschaft vgl. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff., 165 ff., 184 ff. und Kropff, ZGR 1984, S. 116. Für ein weitgehendes Ermessen des Vorstands hinsichtlich des Ob und Wie der Einflussnahme vgl. Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 17; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 54 ff.; vermittelnd Semler, Leitung und Überwachung2, Rdnr. 274 ff., der nur hinsichtlich des Ob, nicht aber hinsichtlich der Intensität der Einflussnahme eine Konzernleitungspflicht annimmt.

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2. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats im Spiegelbild der Gewaltentrennung und -verzahnung in der Aktiengesellschaft a) Umfang und Tragweite der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats Der Schwerpunkt der organschaftlichen Kompetenz des Aufsichtsrats besteht laut § 111 I AktG in der Überwachung der Geschäftsführung. Was unter „Überwachung“ zu verstehen ist, wird weder in den früheren noch in den heutigen Gesetzesfassungen definiert und lässt sich nur induktiv anhand der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Einzelaufgaben ermitteln. Die im Schrifttum h. M. versteht darunter eine sowohl nachträgliche bzw. vergangenheitsbezogene als auch präventive bzw. zukunftsbezogene Kontrolle der Geschäftsführung61. Strittig wurde früher erörtert, ob die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats die Gesamtheit der Geschäftsführung umfassen sollte, oder sich lediglich auf den als Leitung bezeichneten herausgehobenen Teil der Geschäftsführung beschränke62. Aus dem Wortlaut des § 111 I AktG lässt sich freilich kein Bezugspunkt zugunsten einer derartigen Beschränkung des Überwachungsfeldes des Aufsichtsrats entnehmen. Andererseits erscheint es aber auch wenig realistisch, eine umfassende Überwachungsaufgabe einem Nebenamt wie demjenigen des Aufsichtsrats anzuvertrauen, welches in wenigen Sitzungen im Jahr zu erfüllen ist und keinen laufenden Einsatz für das Unternehmen umfasst63. Vielmehr bestehen ernsthafte Zweifel daran, ob eine so weitgehende Überwachungsaufgabe in Einklang mit der Pflicht des Vorstands zu eigenverantwortlicher Leitung stünde. Für eine Beschränkung der Überwachungstätigkeit auf die Leitungstätigkeit des Vorstands i. S. von § 76 I AktG spricht schließlich die historisch-teleologische Auslegung des § 111 I AktG, und insbesondere der Wegfall jedes Hinweises auf den Umfang der Überwachungsaufgabe im AktG von 196564. Insofern kommt die h. M. zum Ergebnis, dass die Überwachungsaufgabe des 61 Vgl. Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 7; Lutter, AG 1991, S. 251; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111 Rdnr. 11; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 4 ff.; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied2, S. 90 ff.; zur präventiven Kontrolle BGHZ 114, 127, 130; Lutter, ZHR 1995, S. 290 ff.; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87; MünchHdb. AG/HoffmannBecking, § 29, Rdnr. 31; Scheffler, ZGR 1993, S. 69; Hanau/Ulmer, MitbestG § 25, Rdnr. 49; Raiser, MitbestG3 § 25, Rdnr. 69; Götz, AG 1995, S. 350; a. A. Bea/Scheuer, DB 1994, S. 2145. 62 So Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 17; Raiser, MitbestG3 § 25, Rdnr. 69; Götz, AG 1995, S. 337; Geßler/Hefermehl, § 111 AktG, Rdnr. 12 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 11 ff. 63 Vgl. das gesetzliche Leitbild in §§ 100, 102, 110 AktG; dazu Raiser, MitbestG3 § 25, Rdnr. 69; Hüffer, ZGR 1980, S. 339 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, S. 29; Semler, ZGR 1983, S. 16 ff.). Die Unternehmenskrisen der letzten Jahren (Metallgesellschaft, Balsam Procedo, Daimler-Benz AG) haben eine breite Diskussion über die Effizienz des Aufsichtsrat ausgelöst, welche auch im Gesetz Ausdruck gefunden haben: Die Zahl der Vorsitzungen (§ 100 II Nr. 1 AktG) ist doppelt angerechnet und die Zahl der jährlichen Pflichtsitzungen in börsennotierten Gesellschaften ist von zwei auf vier erhöht.

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Aufsichtsrats die Unternehmensleitung i. S. von § 76 I AktG durch den Vorstand betrifft65. Daraus wird die Ausdifferenzierung der Kontrollaufgaben von Aufsichtsrat und Vorstand ersichtlich: Die Kontrollaufgabe des Vorstands stellt eine funktionsbezogene Selbstkontrolle der Gesamtgeschäftsführung dar, während die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats sich auf die Leitungstätigkeit des Vorstands konzentriert und demgemäß als Organ- und nicht als Funktionsüberwachung konzipiert ist. Dies bedeutet praktisch, dass nicht die Leitung in abstracto, sondern die vom Vorstand und seinen Mitgliedern getroffenen Leitungsmaßnahmen zum Gegenstand der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehören66. Letzterer ist konsequenterweise nicht verpflichtet, die Tätigkeit von nachgeordneten Mitarbeitern zu überwachen, selbst wenn Letztere als „leitende Angestellte“ zu qualifizieren sind. In der herrschenden Konzerngesellschaft erweitert sich das Überwachungsfeld des Aufsichtsrats auf die vom Vorstand zu verantwortende Konzernplanung67. In abhängigen Gesellschaften – insbesondere im faktischen Konzern – hat der Aufsichtsrat darüber zu wachen, dass die konzernrechtlichen Grenzen der Einflussnahme eingehalten werden. Die Prüfungsmaßstäbe des Aufsichtsrats zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion umfassen sowohl die Rechts-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit der Leitungsmaßnahmen des Vorstands68. Daraus wird deutlich, dass seine Kontrolltätigkeit sich keinesfalls in einer bloßen Pflichtmäßigkeitskontrolle erschöpft. Der Aufsichtsrat soll sich ein eigenes Urteil darüber bilden, ob die Leitungsmaßnahmen des Vorstands plausibel und folgerichtig sind. Anderenfalls verfügt der Aufsichtsrat über das Recht und die 64 Vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81 ff.; Geßler/Hefermehl, § 111 AktG, Rdnr. 12; Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 17; Mertens, K-Komm.AktG2, § 111 Rdnr. 12; Biener, BfuP 1977, S. 490 ff. 65 So Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 17; Raiser, MitbestG3 § 25 Rdnr. 69; Götz, AG 1995, S. 337; Geßler/Hefermehl, § 111 AktG, Rdnr. 12 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 11 ff. 66 Semler, Leitung und Überwachung2, S. 60; MünchHdb. AG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdnr. 24; Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 20; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 40 ff.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 34; Meyer-Landrut, GKomm. AktG3, § 111, Rdnr. 11; vgl. noch BGHZ 75, 120, 133. 67 Inwieweit ferner der Aufsichtsrat einer herrschenden Konzerngesellschaft verpflichtet ist, neben der Geschäftsleitung der eigenen Gesellschaft auch die Geschäftsleitungen abhängiger Gesellschaften zu überwachen, ist noch nicht abschließend geklärt, dazu Hommelhoff, AG 1995, S. 226; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111 Rdnr. 23. 68 BGHZ 75, 120 (133); BGHZ 114, 127 (129 ff.); Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 22 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 27; Scholz/Schneider8, § 52 GmbHG, Rdnr. 63; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 85 (Ablehnung des Maßstabs der Ordnungsmäßigkeit); Hachenburg/Raiser8, § 52 GmbHG, Rdnr. 87–89, der weiterhin die Kontrolle der angemessenen Wahrnehmung der sozialen Verpflichtungen des Vorstands darin einbezieht; MünchHdb. AG/Hoffmann-Becking, § 24, Rdnr. 25; Götz, AG 1995, S. 350.

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Pflicht notfalls und nach eigenem Ermessen69 durch Ausübung seiner gesetzlich vorbehaltenen Ein- und Mitwirkungsrechte (vgl. §§ 111 II, IV AktG) darauf zu reagieren. Insofern arbeitet er parallel zum Vorstand und kontrolliert dessen unternehmerischen Leitentscheidungen mehrfach. Was die Tragweite der unternehmerischen Komponente des Aufsichtsrats anbelangt, lässt sie sich am deutlichsten in Anlehnung an sein gesetzliches Kompetenzgefüge bestimmen. b) Umfang und Tragweite der leitungsbezogenen Entscheidungstätigkeit des Aufsichtsrats Aus diesem Kompetenzgefüge sind vor allem das Recht des Aufsichtsrats zum Erlass der Geschäftsordnung des Vorstands (§ 77 II AktG), seine Personalhoheitskompetenz (§ 84 I AktG), die Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats bei Geschäftsangelegenheiten (§ 111 IV 2 AktG) wie auch seine Kompetenz zu den Prüfungsberichten Stellung zu nehmen, für die vorliegende Untersuchung relevant. Umstritten bleibt noch sowohl in Bezug auf ihre dogmatische Begründbarkeit als auch betreffs ihrer praktischen Durchsetzbarkeit die Ansicht über eine je nach der Gesellschaftslage abgestufte Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats70: Demnach wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Aufsichtsrat beim normalen Geschäftsgang sich auf eine begleitende Überwachung beschränkt71, während im Fall einer drohenden Verschlechterung der Unternehmenslage seine Überwachungsaufgabe den Gestalt einer unterstützenden Überwachung annimmt, i. S. einer intensivierten Anforderung zusätzlicher Berichte, oder einer Erhöhung der Anzahl von Aufsichtsratssitzungen72. Im Fall einer drohenden oder vorliegenden Unternehmenskrise steht sogar eine gestaltende Überwachung des Aufsichtsrats im Vordergrund73. Zur Frage, ob und wenn ja in wieweit eine gestaltende Überwachung als Übernahme von Leitungstätigkeiten anzusehen ist, wird am Ende des vorliegenden Abschnittes Stellung genommen. Was die angesprochenen Zuständigkeiten anbelangt, ist Folgendes zu beachten: Als leitungsbezogene Entscheidungskompetenz lässt sich die im § 77 II AktG vorgeschriebene Kompetenz des Aufsichtsrats zum Erlass der Geschäftsordnung 69 Vgl. Semler, Leitung und Überwachung2, S. 59; Dreher, ZHR 1994, S. 618; Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 16 ff. 70 So Semler, AG 1983, S. 141 ff.; Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 26 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 92 ff.; Hüffer, § 111 AktG, Rdnr. 7; Thielbeer, S. 161; a. A. Mertens, K-Komm. AktG3, § 111 Rdnr. 20 ff.; Clausssen, AG 1984, 20 ff.; Theisen, AG 1989, S. 164. 71 Semler, AG 1983, S. 141, 142; Trescher, DB 1989, S. 1981 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 93. 72 Semler, AG 1983, S. 141 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 93; Hommelhoff, FS Stimpel, S. 612 ff. 73 Semler, AG 1983, S. 142; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 93 ff.

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des Vorstands einstufen. Letztere stellt nicht nur ein Mittel prophylaktischer Kontrolle dar, sondern ermöglicht weiterhin dem Aufsichtsrat aus eigener Initiative Ressortzuweisungen vorzunehmen, über Geschäftsverteilungsfragen zu entscheiden, die Abläufe gremiumsinterner Willensbildungsprozesse zu regeln und generell eine entscheidende Rolle bei der Führungsorganisation des Verbands zu spielen74. Ähnliches soll auch für die Personalhoheitskompetenz des Aufsichtsrats (§ 84 I AktG) gelten, nach der der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zuständig ist. Diese Kompetenz stellt nicht nur ein Mittel vorbeugender Überwachung, sondern auch die ursprünglichste und nachhaltigste Möglichkeit des Aufsichtsrats dar, auf die Unternehmensorganisation nach eigenem Ermessen einzuwirken75. Als leitungsbezogene Kompetenz lässt sich ferner die Beteiligung des Aufsichtsrats zusammen mit dem Vorstand der AG am Beschluss über die Rücklagenbildung und Gewinnausschüttung bezeichnen (vgl. § 58 I, II AktG). Das Gesetz ermöglicht der Verwaltung, höchstens die Hälfte des festgestellten Jahresüberschusses nach eigenem Ermessen in andere Gewinnrücklagen einzustellen. Hierbei handelt es sich freilich um eine Entscheidung von besonderer Erheblichkeit für die Unternehmensfinanzierung, welche dem Aufsichtsrat nicht nur als Zustimmungsinstanz, sondern auch als echtem Entscheidungsträger ex aequo mit dem Vorstand zugewiesen wird76. Schwieriger einzuordnen ist die in § 111 IV 2 AktG vorgeschriebene Zustimmungskompetenz des Aufsichtsrats. Solche Zustimmungsvorbehalte können sowohl in der Satzung als auch durch Aufsichtsratsbeschluss angeordnet werden, und zwar nicht nur in Bezug auf bestimmte Rechtsgeschäftsarten, sondern auch im Hinblick auf unternehmensinterne Leitungsmaßnahmen77. Soweit die Satzung keine Vorgaben trifft, obliegt die Anordnung von Zustimmungsvorbehalten dem pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats, welches sich allerdings im Einzelfall auf null reduzieren kann78. Zustimmungsvorbehalte stellen zweifellos ein wesentliches Mittel vorbeugender Überwachung und weithin eine Beschrän74 So Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 153 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 143 ff.; Raiser, KapGesR3, §15 Rdnr. 12; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 56. 75 Vgl. BGHZ 135, 244, 254 ff. („ARAG“); BGHZ 114, 127, 129 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1190; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 13; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 137, 143 ff.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 154 ff.; Dreher, ZHR 1994, S. 620; Henze, NJW 1998, S. 3009 ff.; ders., BB 2001, S. 57. 76 Vgl. Hüffer4, § 58 AktG, Rdnr. 20; Lutter, K-Komm. AktG2, § 58, Rdnr. 25; Mertens, ZGR 1977, S. 279 ff.; noch Dreher, ZHR 1994, S. 618 ff. 77 Dazu gehören z. B. Maßnahmen der Unternehmensplanung, wie etwa Großinvestitionen oder die Bestimmung des jährlichen Investitionsbudgets, vgl. Lutter/Krieger, §2 Rdnr. 37; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 18; Raiser, KapGesR3, § 15 Rdnr 10; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111 Rdnr. 58; einschränkend von Rechenberg, BB 1990, S. 1356 ff.

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kung der Entscheidungsautonomie des Vorstands dar und werden dementsprechend von einem Teil des Schrifttums den leitungsbezogenen Kompetenzen des Aufsichtsrats zugeordnet79. Die Gegenansicht lehnt diese Zuordnung mit dem Argument ab, dass in solchen Fällen immer noch der Vorstand derjenige bleibt, der die in Frage stehenden Maßnahmen und relevanten Entscheidungen initiiert und steuert, während der Aufsichtsrat sich auf eine binäre Entscheidungsalternative (ja/nein) beschränkt, ohne dazu berechtigt zu sein, den Vorstand auf die Vornahme einer bestimmten positiven Vorgehensweise verbindlich hinzuweisen80. Beide Ansichten betrachten allerdings die Problematik unverhältnismäßig pauschal. Das kritisierte Fehlen an Initiative des Aufsichtsrats wird m. E. dadurch relativiert, dass der Aufsichtsrat in eigener Initiative Zustimmungsvorbehalte anordnen kann. Es wäre ferner praxisgerechter, den leitungsbezogenen Charakter der Zustimmungskompetenz nicht in abstracto, sondern im Zusammenhang mit dem Charakter der dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegten Entscheidung zu beurteilen. Soweit es sich um leitungsbezogene Entscheidungen handelt, sollte die Zustimmung des Aufsichtsrats entsprechend qualifiziert werden. Insofern ist der Charakter des Zustimmungsbeschlusses in Abhängigkeit von der jeweils zur Zustimmung vorgelegten Entscheidungen bzw. Maßnahmen des Vorstands zu beurteilen. Diese Betrachtungsweise könnte ferner analog auf andere Fälle entsprechender Mitwirkungskompetenz des Aufsichtsrats angewendet werden. Was die Betätigung des Aufsichtsrats als beratendes Organ (sounding board) wie etwa bei der Stellungnahme auf die Prüfungsberichten des Vorstands anbelangt, so stellt sie keine eigenständige Funktion81, sondern ein Instrument zur präventiven Geschäftsführungskontrolle dar82. Als solche beschränkt sie sich le78 Dies ist jetzt vom BGH für den Fall anerkannt worden, dass eine eindeutig gesetzeswidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verhindert werden kann (vgl. BGHZ 124, 111, 127). 79 Vgl. etwa Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 116 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 145. 80 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 35; Lutter/Krieger, § 2 Rdnr. 43; Hachenburg/Raiser8, § 52 GmbHG, Rdnr. 109; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111 Rdnr. 67; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 16; Thielbeer, S. 252; Boujong, AG 1995, S. 206; vgl. noch MünchHdb. AG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdnr. 35, der in den Zustimmungsvorbehalten eine Mitwirkungsbefugnis des Aufsichtsrats an der Geschäftsführung sieht, gleichzeitig aber den Mangel an Initiative ebenfalls betont. 81 Anders Steinmann/Klaus, AG 1987, S. 3 ff.; Theisen, AG 1995, S. 220. 82 Vgl. BGHZ 114, 127, 130; BGHZ 126, S. 340 = ZIP 1994, S. 1216; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 159 ff.; Dreher, ZHR 1994, S. 618; Lutter/Krieger, § 2, Rdnr. 30; Hoffmann, Aufsichtsrat, Rdnr. 246; Lutter/Kremer, ZGR 1992, S. 88 ff.; Boujong, AG 1995, S. 203 ff.; DCG-Kodex, Ziff. 5.1.1; zur Abgrenzung zwischen vertraglichen und organschaftlichen Beratungspflichten des Aufsichtsrats vgl. Deckert, AG 1997, S. 109 ff.; Beater, ZHR 1993, S. 420 ff.; Vollmer/Maurer, BB 1993, S. 591; Hoffmann, FS Havermann, S. 201.

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diglich auf die Leitungsaufgaben des Vorstands und erstreckt sie sich nicht auf die operative Geschäftsführung83. Etwas anderes wäre auch mit dem Verbot der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat (§ 111 IV 1 AktG) und dem Zuschnitt des Aufsichtsrat als Nebenamt unvereinbar84. Unter „Beratung“ ist demnach keinesfalls ein Recht des Aufsichtsrats zur Einmischung in die Geschäftsführung gegen den Willen des Vorstands zu verstehen85. Die von ihm anlässlich seiner Beratungsaufgabe vorgenommenen Vorschläge sind für den Vorstand unverbindlich86. Konsequenterweise sollte die entsprechende Tätigkeit des Aufsichtsrats nicht als unternehmerische Entscheidungskompetenz interpretiert werden. Das Gleiche sollte auch im Fall einer Intensivierung der Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats im Rahmen einer Unternehmenskrise gelten: Teil des Schrifttums betrachtet die gestaltende Überwachung als eine Art Führungspartizipation des Aufsichtsrats, die bis zur Übernahme der Unternehmensleitung vom Aufsichtsrat führen könnte, soweit der Vorstand seine Aufgabe nicht mehr ordnungsmäßig erfüllen könnte87. Solch eine Übernahme wäre allerdings nicht nur praktisch schwer durchführbar, sondern würde auch dem Verbot des § 111 IV AktG widersprechen, und wäre insofern mit den Grundwertungen des AktG unvereinbar. Es ist insofern angemessener die Steigerung der Verantwortung des Aufsichtsrats als Intensivierung seiner bereits zugeschriebenen Kontrollaufgaben anzusehen, und nicht als Übernahme von Vorstandsfunktionen zu interpretieren88. Insgesamt ist aus der angesprochenen Überlegungen festzuhalten, dass trotz der der grundsätzlichen Zuweisung der unternehmerischen Entscheidungstätigkeit an den Vorstand eine Reihe von leitungsbezogenen Kompetenzen dem Aufsichtsrat zugewiesen ist. Dazu zählen insbesondere seine Beteiligung an der 83 Vgl. Boujong, AG 1995, S. 205; Deckert, AG 1997, S. 111 ff.; Lutter/Krieger, § 2, Rdnr. 30 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 34; Scheffler, AG 1995, S. 209; kritisch Hoffmann, FS Havermann, S. 227. 84 Lutter, NJW 1995, S. 1133; ders., ZHR 1995, S. 307 ff.; Lutter/Krieger, § 2, Rdnr. 31; Deckert, AG 1997, S. 111. 85 Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 34; Hanau/Ulmer, MitbestG, § 25, Rdnr. 49; Lutter/Krieger, § 2, Rdnr. 30; Vollmer/Maurer, BB 1993, S. 592 ff.; Deckert, AG 1997, S. 111 ff. 86 Vgl. Begr.Reg.E. bei Kropff, AktG, S. 96; Geßler/Hefermehl, § 111 AktG, Rdnr. 30; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 159; Götz, ZGR 1990, S. 645; Lutter/Krieger, § 2, Rdnr. 30. 87 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 36; Raiser, KapGesR3, § 15, Rdnr. 93; Claussen, AG 1984, S. 20 ff.; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 7; Schaefer/Missling, NZG 1998, S. 446. Diese Ansicht beruhte teilweise auf den damals von Semler selbst verwendeten Terminus „führende Überwachung“ (AG 1983, S. 142), welcher im Schrifttum auf Kritik gestoßen (Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 93) und von Semler selbst später (Leitung und Überwachung2, S. 132) als „gestaltende Überwachung“ umformuliert wurde. 88 Mertens, K-Komm. AktG2, § 111, Rdnr. 20 ff.; Clausssen, AG 1984, 20 ff.; Theisen, AG 1989, S. 164.

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Rücklagenbildung und Gewinnausschüttung, seine Personalhoheitskompetenz, wie auch seine Kompetenz zum Erlass der Geschäftsordnung des Vorstands. II. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der GmbH Das GmbHG schreibt zwei notwendige Organe vor, nämlich die Geschäftsführer (§§ 6, 35 ff. GmbHG) und die Gesellschafterversammlung (§§ 45, 48 GmbHG). Einen Aufsichtsrat sieht das GmbHG nur fakultativ vor (§ 52 I GmbHG), es sei denn, es sich um eine GmbH handelt, welche unter dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts fällt89. Im Gegensatz zur Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft stehen die notwendigen Organe der GmbH – Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung – in einem hierarchisch konzipierten Rangverhältnis zueinander, demgemäß die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ (vgl. §§ 37 II, 45, 49 II, III GmbHG) anzusehen ist i. S., dass sie über das Recht zu der Satzungsänderung und Ausweitung ihrer Befugnisse (sog. Kompetenz-Kompetenz) verfügt, und demnach die Innenverhältnisse im Verband, soweit nichts anderes zwingend vorgeschrieben ist, nach eigenen Vorstellungen gestalten kann90. Demzufolge erweist sich die Leitungsstruktur der GmbH wegen der hier geltenden Freiheit zur Gestaltung der Innenverhältnisse (§ 45 I GmbHG) als äußerst vielgestaltig. 1. Leitungskompetenz auf Geschäftsführerebene Die Geschäftsführer stellen im gesetzlichen Führungsmodell das notwendige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der GmbH dar, über das die Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt (§ 35 I 1 GmbHG). Als gesetzlicher Ausgangspunkt zur Untersuchung ihrer Kompetenz bieten sich in erster Linie die §§ 35, 37 GmbHG an. Eine kursorische Betrachtung des § 35 I i.V. mit § 37 I GmbHG vermag zunächst den Eindruck zu vermitteln, dass die Geschäftsführer lediglich als Vertretungsorgan der Gesellschaft konzipiert sind. Richtigerweise geht allerdings das Schrifttum über den Wortsinn des Begriffs „Vertretung“ hinaus, wonach nur ein nach außen gerichtetes Handeln erfasst wäre, und betrachtet §§ 35 I, 37 I GmbHG als allgemeinen gesetzlichen Ausdruck der Zuweisung 89 Vgl. §§ 77 I BetrVG 1952, 1 I 6 MitbestG, 1, 3 I MontanmitbestG, 1 MitbestErgG. 90 Vgl. RGZ 137, 305, 308 ff.; RGZ 169, 65, 80; Roth/Altmeppen3, § 45 GmbHG, Rdnr. 2; Raiser, KapGesR3, § 31, Rdnr. 2; Roth/Altmeppen3, § 35 GmbHG, Rdnr. 1; Schmidt K., GesR3, S. 1090; Lutter/Hommelhoff 15, § 37 GmbHG, Rdnr. 1; Hachenburg/Hüffer8, § 45 GmbHG, Rdnr. 15. Das eine Extrem stellt die Einmanngesellschaft dar, in der sich der Gesellschafter zugleich zum einzigen Geschäftsführer bestellt hat. Das andere Extrem stellt die Gestaltung einer Innenstruktur nach den Vorgaben des Aktienrechts, oder sogar mit einer über § 76 I AktG hinausgehende autonomen Stellung für die Geschäftsführer dar.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

aller Entschließungen zur fortwährenden Erfüllung des statutarischen Gesellschaftszwecks an das Geschäftsführungsorgan91. Aus der Tatsache, dass das GmbHG den Gesellschaftern – mit Ausnahme der gesetzlich zugeschriebenen Maßnahmen des § 46 GmbHG – keine weitere Kompetenz im Bereich der Geschäftsführung zuweist, könnte man ableiten, dass nach dem gesetzlichen Führungsmodell nicht die Gesellschafterversammlung sondern die Geschäftsführer zur Unternehmensleitung hauptsächlich berufen sind. Insofern sollten sie die Gesamtheit der Aufgaben sowohl des exekutiven92 als auch des leitenden Faktors zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks wahrnehmen93, soweit die Gesellschafter die Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht selbst an sich gezogen, oder sie durch die Satzung einem anderen Organ übertragen haben94. 2. Leitungsbezogene Gewaltverzahnung in der Organisationsverfassung der GmbH Das hierarchische Rangverhältnis der notwendigen Organe der GmbH zu einander spiegelt sich sehr deutlich nicht nur auf die Kompetenz-Kompetenz der Gesellschafterversammlung, sondern auch auf das Recht jedes Gesellschafters, den Geschäftsführern Weisungen über Geschäftsführungsangelegenheiten zu erteilen (§ 37 GmbHG). Eine dem § 76 I AktG entsprechende Regelung fehlt dem GmbHG, das schließlich darauf hinweist, dass die Geschäftsführer ihre Kompetenzen nicht in eigener, sondern in von der Gesellschafterversammlung abgeleiteter Verantwortung wahrnehmen95, es sei denn dass es sich um einen gesetzlich vorgeschriebenen, autonomen Entscheidungsbereich für sie handelt96. Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 35 GmbHG, Rdnr. 3; Lutter/Hommelhoff 15, § 37 GmbHG, Rdnr. 3 ff.; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 1; Ziemons, S. 7 ff.; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 121. 92 Vgl. Lutter/Hommelhoff 15, § 37 GmbHG, Rdnr. 4; Rowedder/Koppensteiner, § 37 GmbHG, Rdnr. 6; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 3; Scholz/Schneider9, § 37 GmbHG, Rdnr. 11; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 37 GmbHG, Rdnr. 6. 93 So Ziemons, S. 12; Rowedder/Koppensteiner, § 20 GmbHG, Rdnr. 1; Baumbach/ Hueck/Zöllner17, § 37 GmbHG, Rdnr. 6; noch Kort, ZIP 1991, S. 1276 ff. 94 Rechtstatsächlich sind solche Beschränkungen der Geschäftsführungskompetenz zugunsten der Gesellschafter besonders verbreitet. Häufig sind die GmbH, in denen ein oder mehrere Gesellschafter, die zugleich zu Geschäftsführern bestellt wurden, maßgeblichen Einfluss ausüben, während die übrigen weitgehend auf die unentziehbaren Minderheitsrechte angewiesen sind. Für eine empirische Untersuchung der Problematik vgl. die Angaben bei Hucke, AG 1994, S. 403 ff. 95 So Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 37 GmbHG, Rdnr. 6e; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 10. 96 Dazu gehören vor allem die Aufgaben des exekutiven Faktors, d.h. die laufende Geschäftsführung und insbesondere die Vertretung der GmbH (vgl. § 37 II GmbHG), wie auch die gesetzlich zugewiesenen Pflichten zum Schutz der Gläubiger und der Öffentlichkeit, welche die Geschäftsführer in eigener Verantwortung zu erfüllen haben (§§ 30 I, 33, 41, 42, 49 III, 64, 84 I GmbHG). Ob darüber hinaus ein unentziehbarer 91

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Das Weisungsrecht der Gesellschafter (§ 37 I, II GmbHG) ermöglicht ihnen, den Geschäftsführern aus eigener Initiative Weisungen betreffs der Geschäftsführungsangelegenheiten durch Beschlüsse oder sogar im Anstellungsverhältnis zu erteilen. Das Weisungsrecht stellt insofern ein wesentliches Mittel zur Beteiligung der Gesellschafter an der Geschäftsführung und damit eine Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungskompetenz der Geschäftsführer dar97. Seine Wahrnehmung vollzieht sich allerdings nicht schrankenlos. Nach Schrifttum und Rechtsprechung ergeben sich Grenzen aus (1) Vorschriften, die das Gesetz selbst als zwingend bezeichnet, (2) aus Vorschriften, die Ausdruck unverzichtbarer körperschaftsrechtlicher Prinzipien sind, (3) aus Vorschriften, die erkennbar auf den Schutz der Gläubiger und der Öffentlichkeit ausgerichtet sind, (4) aus ungeschriebenen und unabdingbaren Prinzipien des GmbH-Rechts und Generalklauseln (z. B. Treupflichten, Missbrauchsverbot usw.), die allerdings in zahlreichen Fällen konkretisiert werden müssen98. Dazu kommen Satzungsbestimmungen als weitere Einschränkungen des Weisungsrechts in Betracht. Im Anwendungsbereich des § 37 I GmbHG sind ferner Zustimmungsvorbehalte über Geschäftsführungsangelegenheiten als minus gedeckt. Hierbei ist allerdings die Einschränkung der Entscheidungsautonomie der Geschäftsführung geringer als bei direkten Weisungen, da bei Ersteren die Entscheidungsinitiative nicht den Gesellschaftern, sondern den Geschäftsführern obliegt. Neben dem angesprochenen Weisungsrecht kommen einige einzelnen leitungsbezogenen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung, wie etwa die Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1 GmbHG) und zur Verwendung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Geschäftsergebnisses (§ 29 GmbHG), zur Kapitalerhöhung (§ 55 ff. GmbH)99 und Kapitalherabsetzung (§ 58 ff. GmbHG), wie auch zur Führungspostenbesetzung (§§ 38 I i.V. Mindestbereich autonomen Geschäftsführungsermessens der Geschäftsführer anzuerkennen ist, bleibt umstritten. Die h. M. lehnt diese These unter Berufung auf die Stellung der Gesellschafterversammlung als hierarchisch oberstes Organ der GmbH ab (vgl. Rowedder/Koppensteiner, § 37 GmbHG, Rdnr. 22 ff.; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 16; Raiser, KapGesR3, § 32 Rdnr. 2; Lutter/Hommelhoff 15, § 37 GmbHG, Rdnr. 12; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 845; Konzen, NJW 1989, S. 2979; a. A. Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 37 GmbHG, Rdnr. 9; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 93). Was schließlich die Verlagerung von Kompetenzen der Gesellschafterversammlung auf die Geschäftsführer betrifft, sind lediglich die Zuständigkeit zur Satzungsänderung, sowie die gesetzlichen Minderheitsrechte satzungsfest. In solchen Fällen bleibt der Gesellschafterversammlung eine Restbefugnis zur Kontrolle, die namentlich dann auflebt, wenn Störungen im Organisationsgefüge des Unternehmens auftreten (vgl. BGHZ 12, 337). 97 Vgl. Ziemons, S. 7 ff.; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 121. 98 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 45 GmbH, Rdnr. 5; Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, S. 100 ff.; Hommelhoff, Gestaltungsfreiheit im GmbH-Recht, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht; Raiser, KapGesR3, § 33, Rdnr. 9; Hachenburg/Hüffer8, § 45 GmbHG, Rdnr. 14 ff.; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 15 ff. (17).

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

mit § 46 Nr. 5 GmbHG), in Betracht. Strittig diskutiert wird im Spiegelbild der Gewaltverzahnung im Recht der GmbH die Problematik der ungeschriebenen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung: Nach einer im Schrifttum und Rechtssprechung verbreiteten Ansicht sollte jedoch die Bestimmung der Unternehmenspolitik und damit die Unternehmensplanung, wie auch die Vornahme von außergewöhnlichen und risikoreichen Geschäften im Zweifelsfall vom Kompetenzgefüge der Geschäftsführer ausgenommen und dem Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung zugewiesen wird. Demzufolge sollten die Geschäftsführer ohne vorherige Konsultation der Gesellschafterversammlung derartige Maßnahmen nicht vornehmen. Den angesprochenen ungeschriebenen Schranken der Kompetenz der Geschäftsführer stehen jedoch gewichtige dogmatische und praktische Bedenken entgegen. Erhärtet wird die Gegenargumentation insbesondere durch einen Blick auf die Haftungsvorschrift des § 43 I GmbHG: Die darin vorgeschriebene, strenge Haftung des Geschäftsführers korrespondiert mit einem weiten Ermessenspielraum für unternehmerische Entscheidungen. Solch ein Spielraum setzt jedoch voraus, dass der Geschäftsführer auch unternehmerische Entscheidungen treffen darf und die Zuweisung der Erstkompetenz der Gesellschafterversammlung zur Bestimmung der Unternehmenspolitik entzieht dem Geschäftsführer einen wichtigen Bereich seines Kompetenzgefüges. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Argumenten für bzw. gegen die angesprochenen Ansichten zu den ungeschriebenen Leitungskompetenzen der Gesellschafterversammlung vermag im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dahingestellt bleiben100. Wichtig ist hierzu festzuhalten, dass je nach Ansicht die leitungsbezogene Betätigung der notwendigen Organe der GmbH unterschiedlich zu beurteilen ist: Soweit man den Geschäftsführern den überwiegenden Teil der Aufgaben sowohl des exekutiven als auch des leitenden Faktors zuerkennt, geht die Organisationsverfassung der GmbH von einem starken, zentralen Leitungsorgan aus. Die Gegenansicht schwächt die leitungsbezogene Entscheidungskompetenz der Geschäftsführer ab, indem sie die Bestimmung der Unternehmenspolitik, die Unternehmensplanung, wie auch die Vornahme von außergewöhnlichen und risikoreichen Geschäften im Zweifelsfall dem Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung zuweist. Dementsprechend wird die unternehmerische Entscheidungstätigkeit der Hauptversammlung bzw. der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit gestärkt.

99 Im Gegensatz zum AktG sind Institutionen, wie diejenige des genehmigten Kapitals für die GmbH von vornherein auszuschließen, was letztendlich die primäre Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ impliziert, so auch Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 53 GmbHG, Rdnr. 26. 100 Ausführlicher dazu Ziemons, S. 18 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 37 GmbHG, Rdnr. 6a ff.; Rowedder/Koppensteiner, § 37 GmbHG, Rdnr. 8.

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B. Leitungsstrukturen im französischen Kapitalgesellschaftsrecht I. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der Société Anonyme Der Vergleich der Organisationsverfassung der AG mit derjenigen des SA zeigt in erster Linie eine Reihe von bemerkenswerten Unterschieden. Der L. 1966 über Handelsgesellschaften101 bietet in Bezug auf die SA die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Organisationsformen102. Erstere betrifft die monistische SA (Art. 89–117 L. 1966) und knüpft an das angloamerikanische Board System an. Sie besteht aus zwei notwendigen Organen, dem Verwaltungsrat (conseil d’administration) und der Hauptversammlung (assemblée des actionnaires). Die zweite Organisationsform betrifft die SA modernen Typus (vgl. Art. 118–152 L. 1966) und beruht auf die Organisationsverfassung des deutschen Aktienrechts. Sie besteht aus einer dreigliedrigen Struktur mit Direktorium (directoire), Aufsichtsrat (conseil de surveillance) und Hauptversammlung. Was die Resonanz beider Organisationsformen in der Praxis anbelangt, stellt die monistische SA zweifellos die klassische Organisationsform für Aktiengesellschaften dar, deren Verbreitung selbst fünfundzwanzig Jahren nach der gesetzlichen Einführung des fakultativen dreigliedrigen Organisationsschemas unübertroffen geblieben ist103. 101 Im Gegensatz zum deutschen Gesellschaftsrecht, wo je nach der Form der Handelsgesellschaft Sondergesetze vorliegen, wurde das französische Recht der Handelsgesellschaften herkömmlich anhand eines generellen Gesetzes über Handelsgesellschaften reguliert. Der Loi no 66-537 von 24.7.1966 über Handelsgesellschaften stellte diesbezüglich die Hauptregelung zu den Kapitalgesellschaften dar. Er hat den entsprechenden Loi vom 24.7.1867 wie auch die Reformgesetze vom 16.11.1940 und 6.3.1943 zu den Handelsgesellschaften ersetzt. Sein Inhalt wurde wesentlicherweise durch das Décret no 67-236 vom 23.3.1967 über Handelsgesellschaften (modifiziert durch das Décret no 82-460 vom 2.6.1982) ergänzt, während im Laufe der Zeit sein Inhalt durch zahlreiche Sonderregelungen (vgl. Ordonnance no 69-1176 vom 20.12. 1969 zur Umsetzung der Publizitätsrichtlinie 68/151/EWG, Loi no 84-148 vom 1.3.1984, Décret no 85-295 vom 1.3.1985, Loi no 89-460 vom 6.7.1989 etc.) modifiziert wurde. Sowohl der L. 1966 über die Handelsgesellschaften als auch die Nebengesetze sind nunmehr im neuen Code de Commerce kodifiziert. Die vorliegende Untersuchung basiert sich auf die alte Nummerierung der Vorschriften (s. Anhang). 102 Insofern stellt das französische Kapitalgesellschaftsrecht in rechtsvergleichender Sicht ein Unikum dar. Dem Wahlsystem des französischen Gesellschaftsrechts kommt lediglich das Mischsystem des ebenso auf dem französischen Code de Commerce basierenden belgischen und luxemburgischen Gesellschaftsrechts nah. Zwar weisen beide die Leitung der Aktiengesellschaft einem Verwaltungsrat zu, gleichzeitig bieten sie aber die Möglichkeit einer Übertragung der gewöhnlichen Geschäfte auf einen abgeordneten Verwalter an. Ausführlicher zum belgischen Recht Del Marmol/Dabin, in: Jura Europae, Bd. I 20.10, Nr. 2, 39; Heenen, FS Coing, Bd. II, S. 128 ff.; Dabin, FS Bärmann, S. 246 ff.; ausführlicher zum luxemburgischen Recht Delvaux, Jura Europae, Bd. II 50.10, no 2, 23.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

II. Leitungsstrukturen in der Organisationsverfassung der monistischen Société Anonyme 1. Die Verhältnisse der Verbandsorgane zueinander im Wechselspiel zwischen Hierarchie und Funktionsspezialisierung Die Verbandsorgane der monistischen SA stehen nach weit verbreiteter Ansicht in einem hierarchischen Rangverhältnis zueinander, im Rahmen dessen die Hauptversammlung als oberstes Organ der SA anzusehen ist. Diese Ansicht stellt allerdings mehr eine juristische Tradition als lebendes Recht dar104. Ihre Grundlagen sind auf das Regime des Code de Commerce zurückzuführen, wonach die Hauptversammlung als das Kompetenzzentrum in der SA angesehen wurde, welches einen Teil seiner Zuständigkeiten auf die von den Kapitalanteileignern ausgewählten Verwaltungsratsmitglieder delegierte. Letztere stellten demnach keine eigenständigen Verbandsorgane, sondern Mandatare bzw. Beauftragte („mandataires“)105 der Aktionäre dar, auf deren Tätigkeit die Artt. 1984 ff. des Code Civile (im Folgenden: Cc) anwendbar sind106. Diese Sichtweise wurde auch im Loi von 24.7.1867 über Handelsgesellschaften107 und später im Loi von 7.3.1925 über die Société à responsabilité limitée108 (im Folgen-

103 Die Gründe für das Beharrungsvermögen der Geschäftswelt und die geringen Verbreitung der SA modernen Typus liegen z. T. in den lückenhaften Regelungen bezüglich der Organisation und der Konturen der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, welche die Kooperation zwischen dem Aufsichtsrat und dem Direktorium erschweren. Zudem impliziert die Einschaltung einer dreigliedrigen Struktur verglichen mit der monistischen SA einen zusätzlichen Aufwand und Arbeitseinsatz und eignet sich demnach weniger für Gesellschaften kleineren und mittleren Umfangs, die anders als in Deutschland, immer noch den Hauptteil französischer Aktiengesellschaften ausmachen; vgl. Chartier, Mélanges Roblot, S. 335; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. I, Rdnr. 1044 ff.; Le Cannu, La societé anonyme à directoire, Rdnr. 2 ff.; So Guyon, DdA I10, Rdnr. 151; Lécompte, Etudes de divers problémes concernant le fonctionnement des sociétés avec directoire, in: Études Bastian, t. I, S. 145). 104 Guyon, DdA I10, Rdnr. 289; Tunc, D. 1952, S. 73; noch Grossi, Les devoirs, S. 438; David, PA 27.9.1995, no 116, S. 14. 105 Der Begriff des Mandatars findet im deutschen Recht keine Entsprechung, obwohl Ähnlichkeiten mit dem Auftragsverhältnis des deutschen BGB bestehen (vgl. Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht3, S. 178). Das französische Mandatsverhältnis (Art. 1984 ff. Cc) betrifft die Vornahme von Rechtsgeschäften für den Mandanten, wobei mit dem Auftrag zugleich die Erteilung der Vollmacht (procuration) verbunden ist. 106 Vgl. Art. 31 Code de Commerce („Elle est administré par des mandataires à temps, revocables, associés ou non associés, salariés ou gratuits, pris parmis les associés“); Michoud, La theorie de la personnalité morale, t. II, S. 46 ff.; Aubry/Rau/Ponsard, Droit Civil francais, t. I, S. 396. 107 Vgl. Art. 22 I („Les sociétés anonymes sont administrés par un ou plusieurs mandataires à temps, revocables, salariés ou gratuits, pris parmis les associés“). 108 Vgl. Art. 24 I („Les societés à responsabilité limitée sont gerées par un ou plusieurs mandataires associés ou non associés, salariés ou gratuits“).

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den: SARL) übernommen109. Mit der zunehmenden Verbreitung der institutionellen Betrachtungsweise und der damit zusammenhängenden Rezeption der SA als eigenständige Institution in der Gesetzgebung passt die Qualifizierung der Verwaltungsratsmitglieder als Mandatare nicht mehr zum Inhalt der gesetzlichen Regelungen110. Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden überwiegend als eigenständige Gesellschaftsorgane angesehen, selbst wenn das Gesetz teilweise den Terminus „mandat“ noch immer verwendet111. Ihr Kompetenzgefüge wird hauptsächlich gesetzlich reguliert. Teile des Schrifttums sehen die Zuständigkeit der Hauptversammlung zur jederzeitigen Abberufung (revocation ad nutum) der Verwaltungsratsmitglieder als Indiz eines Subordinationsverhältnisses des Verwaltungsrats gegenüber der Hauptversammlung an112. Allerdings vermehren sich die Stimmen sowohl in der Rechtspraxis als auch in der Rechtslehre, welche für eine Beschränkung der Allmächtigkeit der Hauptversammlung zwecks einer vernünftigen Machtbalance unter den Verbandsorganen der SA plädieren113. Am deutlichsten kommt diese Entwicklung am Beispiel des richterlich fortgebildeten Spezialitätsprinzips (principe de specialité) zum Ausdruck114. 109 Die Verwendung des Vertragsforms des Mandats erwies sich damals zur Bezeichnung der Rechtsstellung von Verwaltungsratsmitgliedern vernünftig. Denn vor der Einführung des Subordinationsverhältnisses als Abgrenzungsmerkmal des Arbeitsvertrags, verlief die Trennlinie zwischen der Dienstmiete (louage de services) und dem Mandat dort, wo die Abgrenzung zwischen dem Erbringen von Diensten niederer Art (bezeichnet als louage de services) und dem Erbringen von Diensten höherer Art (bezeichnet als Mandat) begann (vgl. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, S. 463). 110 Vgl. Bastian (JCP 1967 I 2121, no 181) am Beispiel des Umfangs der Vertretungsmacht von Geschäftsleitern. 111 Vgl. beispielsweise Art. 97 – 4 L. 1966. 112 Vgl. Art. 90 II 2 L. 1966; noch Paillusseau, La société anonyme, S. 245; vgl. noch Merle, Sociétés Commerciales5, Rdnr. 419; Vgl. Berr, S. 147 ff.; Noirel, S. 236 ff.; Mercadal/Janin, Rdnr. 1710; Cozian/Viandier, Droit des Sociétés10, Rdnr. 702; Guyon, DdA I10, Rdnr. 289 ff.; Vatinet, Dr. Soc. 1997, S. 611; aus der Rechtsprechung vgl. Cass. Civ, 4.6.1946, JCP 1947. II. 3518 („. . . la societé anonyme est une societé dont les organes sont hiérarchisés . . .“) mit Anm. Bastian; Cass. 14.3.1950, JCP 1950. II. 5694 (Anm. Bastian); Lyon 12.5.1952, JCP 1953. II. 7344 (Anm. Bastian); Trib.civ. Lille 14.12.1955, D. 1956, J. 67 (Anm. Gore); Paris 24.11.1954, JCP 1955. II. 8448 (Anm. Bastian); Rouen, 18.11.1958, JCP 1959. II. 10971. Es ist dabei zu beachten, dass die Institution der revocation ad nutum nur im Rahmen der monistischen SA gültig ist. Art. 55 I 3 L. 1966 (Abberufung des gérants) und Art. 121 I 2 L. 1966 (Abberufung der Direktoriumsmitglieder) schreiben ausdrücklich eine Schadensersatzpflicht für den Fall einer Abberufung ohne wichtigem Grund vor. 113 Bastian in seine Anmerkung zu Cass. Civ, 4.6.1946, JCP 1947. II. 3518; Noirel, Rdnr. 369 ff.; Merle, Sociétés Commerciales5, Rdnr. 94; Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 702; Paillusseau, La société anonyme, S. 201 ff. 114 Im Gegensatz zum stare decisis Regel des anglo-amerikanischen Rechts sind die französischen Gerichte ebenso wie die deutschen von Rechts wegen an ihre Urteile nicht gebunden. De facto folgen aber die unteren Instanzen wie die Obergerichte und der Kassationshof selbst den höchstrichterlichen Präjudizien, obwohl dies im Einzel-

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

Das Spezialitätsprinzip wurde erst in der Leitentscheidung des Kassationshofs vom 4.7.1946 („Motte“)115 deutlich konturiert, obgleich die Ursprünge dieser Judikatur weit zurück in der Vergangenheit liegen116. Im Fall „Motte“ handelte es sich um eine Satzungsänderung, durch die wesentliche Kompetenzen des Verwaltungsrats – einschließlich der Einberufung des président directeur général – der Hauptversammlung zugewiesen werden sollten. Die modifizierte Satzung sollte die Klausel enthalten, dass der président directeur général nicht mehr vom Verwaltungsrat, sondern direkt von der Hauptversammlung zu ernennen wäre. Der Kassationshof hat sich nach einer Nichtigkeitsklage zum Thema der Kompetenzverteilung geäußert und das Postulat einer Gewaltentrennung auf der Basis von Eigenkompetenzen (pouvoirs propres) der Verbandsorgane der SA statuiert. Demgemäß wird jedem Organ trotz der hierarchischen Strukturierung der SA ein fester Zuständigkeitsbereich zugewiesen, in welchen die übergeordneten Organe nicht eingreifen dürfen117. Diese Spezialisierung führt konsequenterweise zu einer Gewaltentrennung (séparation des pouvoirs) innerhalb der SA, welche gleichzeitig als Bestandsgarantie gegen unberechtigte Eingriffe von übergeordneten Organen auf die Befugnisse und Aufgaben der untergeordneten Organe wirkt. Der Leitlinie des Kassationshofs im Fall „Motte“ folgten eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen118. Sie wurde ferner vom L. 1966 selbst bestätigt119. Das Spezialitätsprinzip ist daher zu den acquis juridiques des französischen Kapitalgesellschaftsrechts zu rechnen. Die Leitungsstrukturen und die Kompetenzverteilung unter den Organen lassen sich konsequenterweise nur anhand der pouvoirs propres erklären.

nen Änderungen der Judikatur nicht ausschließt. Die Leitsätze von Grundsatzentscheidungen werden dabei in den Urteilen oft wie Gesetzestexte übernommen. Dazu vgl. Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht3, S. 11. 115 Cass. Civ. 4.6.1946, JCP 1947. II. 3518 (Anm. Bastian). 116 Vgl. hierzu die Entscheidung des Cour de Paris vom 26.11.1896, Journ. Soc. 1897, S. 434. Bereits fünfzig Jahre vor der „Motte“-Entscheidung des Kassationshofs wurde anerkannt, dass manche Angelegenheiten naturgemäß bestimmten Organen zugewiesen sind („. . . une competence spéciale qui appartient au conseil d’administration par la nature meme des ses fonctions“). 117 Vgl. den Originalwortlaut der Entscheidung: „Attendu, en effet, que la societé anonyme est une societé dont les organes sont hierarchisés et dans la quelle l’administration est exercée par un conseil élu par l’assemblée générale, qu’il n’appartient donc pas à l’assemblée générale d’empiéter sur les prérogatives du conseil en matière d’administration“. 118 Vgl. u. a. Cass. com. 11.6.1965, Bull. civ. III, no 361 = RTD com. 1965, S. 861, no 3 (Anm. Houin); Cass. com. 18.5.1982, D. 1982, IR. 374 = Rev. Soc. 1983, S. 71, (Anm. J.-L. Sidon); Cass. com. 26.4.1984, Rev. Soc. 1985, S. 411 (Anm. Mestre); Cass. com. 7.11.1989, Rev. Soc. 1990, S. 36 (Anm. Guyon); Cass. com. 1.2.1994, Bull. Jolly 1994, S. 390 (Anm. Laude). 119 Vgl. Art. 98 I L. 1966 betreffs der Zuständigkeiten des Verwaltungsrats („. . . sous réserve de ceux expressèment attribués par la Lois aux assemblées d’actionnaires“).

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2. Pouvoirs propres des Verwaltungsrats und des président directeur général Der Verwaltungsrat der SA stellt ein notwendiges120, nicht permanentes121 Kollegialorgan dar, dessen Mitglieder von der Hauptversammlung ernannt und von ihr jederzeit abberufen werden können (révocation ad nutum)122. Zum Verwaltungsratsmitglied kann sich eine natürliche, geschäftsfähige Person, inländischer oder ausländischer Herkunft ernannt werden123, welche über eine bestimmte Anzahl von Gesellschaftsaktien verfügt (Selbstorganschaft)124, die satzungsmäßige Altersgrenze125 nicht überschritten hat und weder für bestimmte kriminelle Straftaten verurteilt ist126, noch Tätigkeiten ausübt, die nach den gesetzlichen Bestimmungen mit der Funktion des Verwaltungsratsmitglieds inkompatibel sind127. Die Satzungsautonomie ermöglicht die Einführung weiterer 120

Art. 6 i.V. mit Art. 89 I L. 1966. Er wird höchstens 5 oder 6-mal pro Jahr von seinem Präsident einberufen (vgl. Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, nos 638, 707). Die Satzung kann jedenfalls die Zahl der erforderlichen Sitzungen festlegen. Die Zahl der Aufträge zur Beteiligung am Verwaltungsrat einer SA, welche eine natürliche Person annehmen darf, ist begrenzt (vgl. Art. 92 L. 1966). 122 Vgl. Art. 90 L. 1966; zur Ernennung der Verwaltungsmitglieder für den Fall einer Fusion vgl. Art. 90 I L. 1966 in fine; vgl. noch Rennes, 25.2.1972, JCP 1972 II, 17220 = RTD com. 1972, S. 921 no 8 mit Anm. Houin. 123 Vgl. Art. 3 des Décret no 98-58 von 28.1.1998; dazu noch Lebouche, Carte de commerçant étranger: les nouvelles règles, PA 8.6.1998, no 68, S. 4. 124 Gemäß Art. 95 I L. 1966 ist es erforderlich, dass jedes Verwaltungsratsmitglied (Voll-)Eigentümer einer in der Satzung festgelegten Anzahl von Aktien der Gesellschaft sein muss. Miteigentum, Nießbrauch und einfacher Besitz reichen nicht aus (Bull CNCC 1989, S. 366; Gibirila, Le dirigeant, S. 45). Diese Aktien sollten ursprünglich als Haftungskaution für Fehler bei der Unternehmensverwaltung funktionieren (actions de garantie) und ihr Eigentum diente im Grundsatz der Identifizierung der Interessen der Verwaltungsratsmitglieder mit denjenigen der Gesellschaft. Die Regelung wurde jedoch in die Richtung kritisiert, dass sie die Betätigung Dritter als Managern (Fremdorganschaft) behindern würde. Zur Beseitigung dieser Benachteiligung legen die meisten Satzungen eine besonders geringe Anzahl von zu erlangenden Aktien fest, was letztendlich die Vorschrift auf einem symbolischen Gehalt reduziert. Es ist demnach keine Überraschung, dass die Commission d’allegement du droit des sociétés die Abschaffung der Verpflichtung vorgeschlagen hat (Proposition no 34). Der Rapport Marini zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts hatte ebenfalls vorgeschlagen (S. 36), dass die Entscheidung über das Eigentum von Aktien seitens der Verwaltungsratsmitglieder der Satzungsautonomie exklusiv überlassen werden sollte; dazu noch Bastian, JCP éd. G 1968. I. 2183; Gibirila, Le dirigeant, S. 43 ff.; Guyon, DdA I10, Rdnr. 318. 125 Vgl. Art. 90-1 L. 1966; vgl. noch Burgard, L’age des dirigeants, Rev. Soc. 1971, S. 137. 126 Vgl. den Décret-Loi vom 8.8.1935 (Art. 6), oder den Loi von 30.8.1947; vgl. noch Artt. 186, 192 des InsolvenG vom 25.1.1990. 127 Vgl. etwa Art. 25 des Loi no 83-634 vom 13.7.1983 und den Ordonnace von 24.10.1958; vgl. noch Loi vom 17.11.1958, Art. 6 II des Loi vom 31.12.1971, Art. 57– 60 des Décret vom 9.9.1972, wie auch Art. 2 des Décret vom 29.4.1986. 121

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

Qualifikationen für die Verwaltungsratsmitglieder, soweit ihnen zwingende gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen128. Eine juristische Person kann zum Verwaltungsratmitglied ernannt werden unter der Bedingung, dass sie durch einen ständigen Repräsentanten (représentant permanent) vertreten wird129. Dem Verwaltungsrat steht eine natürliche Person vor, der président du conseil d’ad-ministration oder, wie sie im Schrifttum überwiegend zitiert wird, der président directeur générale (im Folgenden: PDG)130. Letzterer wird vom Verwaltungsrat aus seinem Mitgliederkreis ernannt und kann jederzeit von ihm abberufen werden131. Die pouvoirs propres des Verwaltungsrats umfassen laut Art. 98 I L. 1966 die weitgehendsten Zuständigkeiten zum Zweck der „administration“ der SA. Der Sinngehalt des Begriffs „administration“ wurde an anderer Stelle bereits erörtert132. Es handelt sich um einen herausgehobenen Bereich der „gestion“, welche die Hauptfunktionen der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle umfasst. Die angesprochenen Aufgaben werden vom Verwaltungsrat als Kollegialorgan wahrgenommen und bilden seine pouvoirs propres, in welche die Hauptversammlung trotz ihrer hierarchischen Bevorzugung nicht eingreifen darf. Was die pouvoir propres des PDG anbelangt, umfassen Letztere die eigenverantwortliche „direction générale“ und die Repräsentation der SA (vgl. Art. 98 I i.V. mit Art. 113 L. 1966)133. Der materielle Gehalt des Begriffs „direction générale“ wird weder im L. 1966 noch in den Reformgesetzen von 1940 und 1943 geklärt. Die wohl herrschende Ansicht subsumiert darunter die Gesamtheit der Aufgaben des exekutiven Faktors134. Insofern wird dem PDG die Gesamt128 Vgl. Cass. com. 19.12.1983, Rev. Soc. 1985, S. 105 (Anm. Schmidt); Trib. Com. Paris, 1.8.1974, Rev. Soc. 1974, S. 685 (Anm. Oppetit). 129 Vgl. Art. 91 L. 1966; in den meisten Fällen dienen als ständige Vertreter Verwaltungsratsmitglieder, leitende Angestellte, oder für den Fall eines gérant der vertretenen juristischen Person. Der ständige Vertreter obliegt den gleichen Verpflichtungen und ist in gleicher Weise zivilrechtlich und strafrechtlich haftbar, als wenn er Verwaltungsratsmitglied im eigenen Namen wäre, und zwar unbeschadet einer gesamtschuldnerischen Haftung der juristischen Person, die er vertritt. Er bekommt Anweisungen von der juristischen Person, die er vertritt, was angesichts der Doppelbeteiligung des Repräsentanten an der Verwaltung zweier Gesellschaften zu beträchtlichen Interessenkonflikten führen kann, dazu Oppetit, JCP éd. G 1969. I. 2227; Gibirila, Le dirigeant, S. 49. 130 Ab Inkrafttreten des Reformgesetzes von 1940 wurde der Präsident des Verwaltungsrats als président directeur général (PDG) bezeichnet. Der Begriff hat im Frankreich einen so guten Ruf, dass er sich auch nach Inkrafttreten des Reformgesetztes von 1966 gehalten hat, obwohl er dort nicht mehr vorkommt. In diesem Geist wird der Terminus PDG auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verwendet. 131 Vgl. Art. 110 L. 1966. 132 Vgl. oben § 1, B. 133 Vgl. den Originalwortlaut des Art. 113 L. 1966: „Le président du conseil d’administration assume, sous sa responsabilité, la direction générale de la société. Il représente la société dans ses rapports avec les tiers“.

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heit der exekutiven Aufgaben zugewiesen, so dass er über die weitgehendsten Vollmachten verfügt, um im Rahmen des Gesellschaftsgegenstands (objet social) im Namen der Gesellschaft handeln zu können135. Daraus wird deutlich, dass dem PDG eine besondere Stelle in der Organisationsverfassung der monistischen SA gewährt wird: Als Verwaltungsratsmitglied ist er zusammen mit den anderen Verwaltungsratsmitglieder für die „administration“ der SA zuständig. Als Vorsitzender des Verwaltungsrats ist er weiterhin nicht nur für die Einberufung, und Durchführung der Verwaltungsratssitzungen, sondern auch für die eigenverantwortliche „direction générale“ und die Vertretung der SA zuständig. Im Gegensatz zum Verwaltungsrat stellt der PDG ein permanentes Organ der SA dar, so dass er über einen besseren Überblick über den Geschäftsablauf als der Verwaltungsrat verfügt136. Zusätzlich dazu kann er als Einzelperson flexibler agieren als das Kollegialorgan des Verwaltungsrats. Insofern wird die Leitungsstruktur der monistischen SA in der Tat von einer gewissen Omnipotenz des PDG gekennzeichnet. Zwar verfügt der Verwaltungsrat jederzeit über die Möglichkeit, einen Teil der Vollmachten des PDG durch entsprechenden Beschluss zu beschränken (Art. 113 IV L. 1966), von dieser Möglichkeit wird jedoch in der Praxis aus praktischen Gründen wenig Gebrauch gemacht137. Ferner ist es nicht zu verkennen, dass derartige Beschränkungen nicht so weit ausgedehnt werden dürfen, dass dem PDG seine pouvoirs propres und damit seine Quintessenz als Organ der SA entzogen werden138. Die Bevorzugung des PDG führt dazu, dass sich die Rolle des Verwaltungsrats in der Praxis auf diejenige eines kontrollierenden und beratenden Gremiums reduziert139, welches zu diesem Zweck vom PDG über die Geschäftsabläufe infor134 So Paillusseau, La société anonyme, S. 215 ff.; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. I, Rdnr. 981 ff.; noch Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 670; Piédelièvre, Rdnr. 42; unter dem Anwendungsbereich der Reformgesetzen von 1940 und 1943 vgl. Escarra/Rault, Rdnr. 1492; Noirel, nos 258, 373; Bosvieux, Rdnr. 9. Aus der Rechtsprechung vor der Einführung des L. 1966 vgl. Cass. Cour de Paris 4.7.1957, D. 1958, S. 374 (Anm. Gore); Paris 20.6.1957, JCP 1958. II. 10346 (Anm. Derrida); Cass. com. 25 Mai 1959, D. 1959, S. 557. 135 Vgl. Art. 113 II L. 1966; Badinter, D. 1979, S. 185; Guyon, DdA I10, Rdnr. 343; Bosvieux, S. 21. 136 Vgl. Berr, Rdnr. 123; Piédelièvre, Rdnr. 36; Guyon, DdA I10, Rdnr. 343; Gibirila, Le dirigeant, S. 314 ff. 137 Vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 343; insofern entspricht die im Schrifttum vertretene Ansicht einer Subordination des PDG gegenüber dem Verwaltungsrat wegen seiner Personalhoheit (so Paillusseau, La société anonyme, S. 245; Noirel, Rdnr. 362; Michel, GP 1943 I, S. 58; kritisch dazu Berr, nos 114, 119) nicht dem lebenden Recht. 138 So Gibirila, Le dirigeant, S. 354 ff.; Monsallier, S. 242; Berr, Rdnr. 137 ff.; Cass. com. 11.6.1965, D. 1965, S. 782; Trib. com Paris 1.8.1974, Rev. Soc. 1974, S. 685 (Anm. Oppetit). In der Praxis handelt es sich um Beschränkungen in der Form von Zustimmungsvorbehalten zugunsten des Verwaltungsrats, welche zu keiner unmittelbaren Entmachtung des PDG führen.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

miert werden soll140. Insofern nährt sich der Verwaltungsrat der Funktion des deutschen Aufsichtsrats an, wenngleich hierzu festzustellen ist, dass der PDG aufgrund seiner Doppeleigenschaft zugleich Vorsitzender des Organs ist, das ihn kontrollieren soll. Letzteres wird im Schrifttum häufig als eine beträchtliche Schwachstelle im Strukturgefüge der monistischen SA kritisiert141. 3. Leitungshilfspersonen und ihre Stellung in der Organisationsstruktur der monistischen SA Nicht zu ignorieren sind die Leitungshilfspersonen in der Organisationsstruktur der monistischen SA. Dazu gehören vor allem der directeur générale, der censeur und die jeweiligen Ausschüsse aus non executive directors (comités). Der in der Praxis häufig auftretende directeur général (Art. 115–117 L. 1966) assistiert dem PDG bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Es handelt sich nicht um ein eigenständiges Leitungsorgan, sondern um eine Hilfsperson, die auf Vorschlag des PDG vom Verwaltungsrat bestellt wird (Art. 115 L. 1966). Er ist dem PDG untergeordnet142 und verfügt über keine eigenen Befugnisse. Die censeurs übernehmen hauptsächlich Kontrollaufgaben, wie etwa die Überwachung des Vermögensstands oder die Überwachung der Einhaltung der Satzungsbestimmungen143. Insofern handelt es sich um Kontrollhilfspersonen. Ihnen wird keine Organfunktion zugeschrieben, was allerdings die Anwendung der Vorschriften des Gesellschaftsrechts problematisch macht144. Das Gleiche gilt schließlich für die Ausschüsse aus non executive directors (comités), deren Gründung in Bezug auf die monistische SA lebhaft diskutiert wird145. Der 139 Vgl. Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 708; Guyon, DdA I10, Rdnr. 343; Tunc, D. 1952, S. 73 ff.; Scholastique, Le devoir de diligence, S. 195 ff.; Berdah, S. 110; Paillusseau, JCP éd. G. 1984. I. 3148, no 5; Mercadal/Janin, Rdnr. 1349; vgl. noch die grundlegende Entscheidung des CA Paris 9.1.1952. 383 („Bon Marché“), wie auch Cass. civ. 3.5.1953, D. 1954, S. 437. 140 Vgl. die Grundlageentscheidung des Cass. com. 2.7.1985, D. 1986, S. 351 (Anm. Loussouarn) = JCP éd. G 1985. II. 20518 (Anm. Viandier) = Rev. Soc. 1986, S. 231 (Anm. Le Cannu). Insofern kann der PDG den Kenntnisstand der sonstigen Mitglieder des Verwaltungsrats erheblich beeinflussen. 141 Vgl. Rapport Sudreau, La Reforme de l’enterprise, S. 107 ff.; Merle, Sociétés Commerciales5, Rdnr. 437; Scholastique, Le devoir de diligence, S. 196; Piédelièvre, S. 14. 142 So Piédelièvre, S. 48; vgl. auch CA Paris 5.11.1959, D. 1960, S. 16 = Rev. Soc. 1961, S. 58. 143 Die Ernennung von censeurs erfüllt in der Tat eine diplomatische Funktion i. S., dass auf diese Weise Verwaltungsratsmitgliedern Posten angeboten werden, die sie sonst wegen dieser Eigenschaft nicht annehmen könnten. 144 Aix, 6.2.1975, RTD com. 1975, S. 554, Rdnr. 25; Jacomet/Cuisance, Bull. Jolly 1993, S. 723; Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 651. 145 Vgl. u. a. Caussain, RDAI/IBLJ 1995, S. 910 ff.; Azières/Lambert, RDAI/IBLJ 1995, S. 923 ff.; Rapport Viennot, S. 933 ff.

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Grund für ihre Verbreitung liegt grundsätzlich in der mangelnden externen Kontrolle des Verwaltungsrats von der übergeordneten Hauptversammlung, besonders bei Publikumsaktiengesellschaften, wobei die Kapitalstreuung an Mittelund Kleinaktionären die intensive Kontrolle des Verwaltungsrats erschwert. Die in der Praxis146 am häufigsten auftretenden comités sind der mit der Überwachung des Verwaltungsrats betraute comité d’audit und der für die Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder zuständige comité de rémunération. Was die Rangstellung solcher comités in der Struktur der monistischen SA und ihre organschaftliche Natur anbelangt, so besteht zu diesem Zeitpunkt noch keine h. M. Eine sichere Argumentationslinie bietet sich nur über eine analoge Anwendung von Art. 90 II des Décret vom 23.3.1967 (im Folgenden: D. 1967)147. Demnach darf der Verwaltungsrat durch einschlägigen Beschluss Ausschüssen schaffen, die zur Aufgaben haben, Fragen zu prüfen, die ihnen der Verwaltungsrat oder der Präsident zur Begutachtung unterbreitet. Der Verwaltungsrat legt die Zusammensetzung und Befugnisse dieser Ausschüsse fest, und trägt die Verantwortung für ihre Tätigkeit. Daraus folgt, dass die Tätigkeit solcher comités ad hoc präzisiert werden muss, und sich auf jeden Fall den institutionellen Kompetenzen des Verwaltungsrats nicht entziehen darf148. 4. Leitungskompetenzen auf Gesellschafterebene Im Rahmen des Spezialitätsgrundsatzes werden der Verwaltungsrat und der PDG, wie bereits geschildert, als die Leitungsorgane der SA angesehen. Die Hauptversammlung stellt demzufolge das Willensbildungsorgan der Gesellschaft dar, zu dem ausnahmsweise einzelne leitungsbezogenen Tätigkeiten, wie etwa die Führungspostenbesetzung (Art. 90 I, II L. 1966), die Dividendenverteilung (Art. 347 I L. 1966), die Entscheidung über Kapitalerhöhungen (Art. 180 I L. 1966 und Art. 195 ff.; 208 – 1 ff., L. 1966) oder Kapitalherabsetzungen (Art. 215 I L. 1966), wie auch die Entscheidung über Strukturmaßnahmen, wie die Fusionierung (Art. 376 ff. L. 1966) und die Umwandlung (Art. 236 ff. L. 1966) zugewiesen worden sind.

146 Die Gestaltung von comités gewinnt in der Praxis zunehmend an Verbreitung, vgl. dazu die empirischen Angaben in: L’information financière – 100 groupes – Doctrine et pratique, 1998, CPC. Demgemäß verwenden mindesten 15% der angefragten Gesellschaften solche comités. 147 Vgl. Cass. com. 4.7.1995, Bull. civ. no 206 = RJDA, 8/1995, no 994. 148 So Rapport Viennot, S. 933; aus der Rechtsprechung Cass. com. 4.7.1995, Bull. civ. IV no 206 = RJDA, 8/1995, no 994; Cass. com. 13.2.1996, Bull. civ. IV no 51 = RJDA, 6/1996, no 801.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

III. Leitungsstrukturen in der Société Anonyme modernen Typus Das fakultative Organisationsmodell der SA modernen Typus (Artt. 118 bis 153 L. 1966) wurde ursprünglich als institutioneller Lösungsansatz zur Beseitigung der strukturbezogenen Probleme der monistischen SA (Schwierigkeiten bei der Kompetenzabgrenzung, mangelnde externe Kontrolle der Leitungsorgane, usw.) konzipiert149. Ihr gesetzliches Organisationsleitbild schreibt eine dreigliedrige Organstruktur vor, deren Grundzüge auf dem deutschen Modell der Trennung zwischen Leitung und Kontrolle basieren, obwohl ihre Wurzeln noch tiefer in der Vergangenheit der französischen Gesetzgebung liegen150. Die Organisationsstruktur der SA modernen Typus besteht aus drei notwendigen Organen, dem Direktorium (directoire), dem Aufsichtsrat (conseil de surveillance) und der Hauptversammlung. Alle drei Organe stehen im Gegensatz zur monistischen SA nicht in einem unmittelbaren Rangverhältnis, sondern in einem dem deutschen Aktienrecht ähnelnden System der Gewaltenteilung und der Gewaltverzahnung zueinander151. Im Rahmen dieses Systems übernimmt das Direktorium die Rolle des Leitungsorgans, während dem conseil de surveillance die Aufgabe des Überwachungsorgans zugewiesen ist. Die Hauptversammlung stellt schließlich, ebenso wie beim deutschen Aktienrecht, das Willensbildungsorgan des Verbands dar, dem ausnahmsweise einzelne leitungsbezogene Entscheidungstätigkeiten zugewiesen sind152.

149 Vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 351; Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 455; Le Cannu, La société à directoire vingt ans aprés, Rev. Soc. 1986, S. 565; Mercadal/Janin, Rdnr. 1510 und 1700 ff. 150 Vgl. dazu Levi-Bruhl, Histoire des sociétés de commerce en France au XVIIe et XVIIIe siécles, 1938, S. 209. Die Wurzeln einer ähnlichen Separation liegen bereits im Loi vom 24.9.1807, wobei neben den Verwaltungsorganen die externen syndics zur Überwachung der Verwaltungsorgane von der Regierung einberufen wurden. 151 Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. I, nos 1071, 1123; Fahim, Rev. Soc. 1969, S. 65; Le Cannu, Rev. Soc. 1985, S. 572; einleuchtend ist diesbezüglich die Vorschrift des Art. 121 I L. 1966 zur Abberufung der Direktoriumsmitglieder durch die Hauptversammlung: Im Gegensatz zur monistischen SA, wo die entsprechende Regelung eine revocation ad nutum vorschreibt, sieht Art. 121 I einen Schadensersatz für den Fall einer Abberufung der Vorstandsmitglieder ohne wichtigen Grund vor. 152 Dazu gehören: die Entscheidungskompetenz zur Abberufung der Direktoriumsmitglieder (Art. 121 L. 1966), die Kompetenz zur Verteilung von Dividenden (Art. 347 I L. 1966) und zur Entscheidung über Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen (Art. 215 I L. 1966) wie auch die Kompetenz zur Entscheidung über Strukturmaßnahmen, wie die Fusionierung (Art. 376 ff. L. 1966) und Umwandlung (Art. 236 ff. L. 1966) von Bedeutung. Die einschlägigen Kompetenzen weisen mit marginalen Unterschieden die gleichen Merkmale wie beim Recht der monistischen SA auf. Insofern kann auf die Analyse der einschlägigen Kompetenzen verwiesen werden.

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1. Leitungsaufgaben des Direktoriums Das Direktorium wird als ein- oder mehrgliedriges Organ konzipiert, dessen Mitglieder vom Aufsichtsrat ausgewählt und ernannt werden sollen153. Zum Direktoriumsmitglied darf jede natürliche Person (Art. 120 III L. 1966) inländischer oder ausländischer Herkunft ernannt werden, welche die Satzungsbezogene Altersgrenze nicht überschritten hat154 und weder für bestimmte Straftaten verurteilt ist155, noch Tätigkeiten ausübt, die nach den gesetzlichen Bestimmungen mit der Funktion des Direktoriumsmitglieds inkompatibel sind156. Es ist gleichgültig ob sie Aktionär ist oder nicht (Fremdorganschaft). Die Satzungsautonomie ermöglicht die Einführung weiterer Qualifikationen für die Verwaltungsratsmitglieder, soweit ihnen zwingende gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Dem Président des Direktoriums obliegt grundsätzlich die Ausführung von Direktoriumsbeschlüssen157. Dieser Posten hat nicht die Omnipotenz des PDG der monistischen SA. Das Direktorium nimmt seine Aufgaben innerhalb der Grenzen des Gesellschaftsgegenstandes und vorbehaltlich der Zuständigkeiten des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung als Gesamtorgan wahr (Art. 99 II D. 1967)158. Den gesetzlichen Ausgangspunkt seiner Kompetenzen stellt Art. 124 I i.V. mit Art. 119 I L. 1966 dar. Demgemäß verfügt das Direktorium über die weitgehendsten Zuständigkeiten, um die Gesellschaft zu führen (diriger/direction) und in jeder Lage in ihrem Namen zu handeln. Es ist ferner für die Repräsentation der Gesellschaft nach außen zuständig (Art. 124 II und Art. 126 I L. 1966). Was unter dem Tatbestand der „direction“ materiell zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht definiert, während die Rechtssprechung und das Schrifttum sich zum Thema angesichts der geringen Verbreitung dieser Organisationsform nicht geäußert haben. Es ist allenfalls anzunehmen, dass angesichts der Trennung zwischen Leitung und Kontrolle in der Organisationsverfassung der SA modernen Typus der Begriff der „direction“ nicht i. S. des Art. 113 I L. 1966 zu interpretieren ist159. Auf dem Weg der rechtsvergleichenden Auslegung und in Anlehnung an die Erfahrungen des deutschen Aktienrechts erscheint es angemes153 Vgl. Art. 119 I, II und Art. 120 I L. 1966. Im Fall eines eingliedrigen Direktoriums trägt die Person, welche die Gesamtheit von Direktoriumsaufgaben übernimmt, den Titel des alleinigen Generaldirektors (sog. directeur général unique, Art. 120 II L. 1966). Die Abberufung des alleinigen Generaldirektors kann gemäß Art. 121 I L. 1966 nur aus wichtigem Grund und auf Vorschlag des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung erfolgen. 154 Vgl. dazu Art. 120 – 1 L. 1966. 155 Gibirila, Le dirigeant, S. 75. 156 Gibirila, Le dirigeant, S. 75. 157 Gibirila, Le dirigeant, S. 328. 158 Memento Lefevre, no 600 ff. 159 Vgl. oben § 1, B.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

sen, unter dem Begriff der „direction“ sowohl die originären Leitungsfunktionen der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle160 als auch die Gesamtheit der Aufgaben des exekutiven Faktors zu subsumieren. Bei Zugrundelegung der Gegenansicht würde die Rolle des Direktoriums auf diejenige eines rein exekutiven Organs reduziert, was mit den Wertungen des Gesetzgebers unvereinbar wäre. Richtigerweise sind dem Direktorium also alle zur erfolgreichen Verfolgung von unternehmerischen Zielvorstellungen erforderlichen Kompetenzen zugewiesen. 2. Die Überwachungsaufgabe des conseil de surveillance Der Aufsichtsrat (conseil de surveillance) stellt ein Kollegialorgan161 der SA modernen Typus dar, dessen Mitglieder von der Hauptversammlung einberufen und jederzeit abberufen werden können162. Zum Aufsichtsratsmitglied, wenn auch nicht zum Aufsichtsratsvorsitzenden, kann wiederum auch eine juristische Person ernannt werden unter der Bedingung, dass sie einen ständigen Repräsentanten zu diesem Zweck bestellt hat163. Jedes Aufsichtsratsmitglied soll Eigentümer einer in der Satzung festgelegten Anzahl von Aktien sein. Die Hauptfunktion des Aufsichtsrats besteht laut Art. 128 I L. 1966 in der permanenten Kontrolle (controle permanent) der gestion durch das Direktorium. Ähnlich wie beim deutschen Aktienrecht umfasst die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats sowohl die nachträgliche als auch die präventive Kontrolle der geschäftsführenden Tätigkeit des Direktoriums164. Zur angemessenen Erfüllung seiner Überwachungsaufgaben wird dem Aufsichtsrat eine Reihe von Informationsbefugnissen zugeschrieben165. Der Inhalt solcher Befugnisse und damit die Schwerpunkte der Überwachungsaufgabe werden im Gegensatz zum § 90 AktG nicht präzisiert. Letzteres erschwert beträchtlich die Konturierung der Überwachungsaufgabe, was angesichts der z. T. unüberschaubaren Geschäftsführungs160 Die Kontrollaufgabe der Direktoriumsmitglieder resultiert allenfalls aus dem kollegialen Charakter des Organs und der Gesamverantwortung seiner Mitglieder (Art. 244 i.V. mit Art. 118 I L. 1966) und soll als Selbstkontrolle i. S. von Funktionskontrolle im Gegensatz zur Organkontrolle vom Aufsichtsrat verstanden werden. 161 Vgl. Art. 129 I L. 1966. 162 Vgl. Art. 134 L. 1966. 163 Art. 135 und 138 II L. 1966. 164 Letzteres ergibt sich aus dem Kontrollinstrumentarium des Aufsichtsrats, das präventiv wirkende Überwachungsinstrumente, wie etwa die Berufung von Direktoriumsmitgliedern (Art. 120 I L. 1966) vorschreibt; a. A. jedoch ohne Begründung Guyon, DdA I10, Rdnr. 356 („C’est donc essentiellement un contrôle à posteriori“). 165 So schreibt beispielsweise Art. 128 III L. 1966 vor, dass der Aufsichtsrat jederzeit Prüfungen vornehmen darf, die er für richtig hält. Er kann sich weiterhin Unterlagen vorlegen lassen, die er für seine Aufgabe für notwendig hält. Abgesehen davon, hat das Direktorium dem Aufsichtsrat mindestens einmal innerhalb eines Vierteljahres einen Bericht vorzulegen (Art. 128 IV L. 1966).

§ 2 Leitungskompetenz in Kapitalgesellschaften

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tätigkeit des Direktoriums das Haftungsrisiko der Aufsichtsratsmitglieder unverhältnismäßig erhöht. Ebenso wenig geklärt ist, ob die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats die Gesamtheit der geschäftsführenden Tätigkeit des Direktoriums oder lediglich die originären Aufgaben der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle umfasst. In Anlehnung an den bereits erörterten Sinngehalt des Begriffs „gestion“ lässt sich argumentieren, dass dem Aufsichtsrat die Überwachung der Gesamtheit der geschäftsführenden Tätigkeit des Direktoriums zuzuschreiben ist. Eine rechtsvergleichende Auslegung macht allerdings deutlich, dass hierzu die anlässlich des Aufsichtsrats der AG angesprochenen Erwägungen zur Realitätsferne einer dermaßen weitgehenden Überwachungsaufgabe ebenso relevant sind. Insofern empfiehlt sich eine Reduzierung der Tragweite der Überwachungsaufgabe auf die Fälle der Leitungsaufgaben der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle. Fraglich bleibt noch, ob die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats als Organoder Funktionskontrolle konzipiert ist. Rechtssprechung und Schrifttum haben sich zu diesem Thema bisher nicht deutlich geäußert. Angesichts des Wortlauts des Art. 128 I L. 1966166 scheint es angemessener, die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats i. S. einer Organkontrolle zu interpretieren. Nicht abschließend geklärt bleibt noch die Frage nach der Intensivierung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats je nach der Unternehmenslage. Eine Akzentuierung der Kontrollintensität im Rahmen von Unternehmenskrisen wie beim deutschen Aktienrecht scheint m. E. insofern fragwürdig, als wesentliche Kontrollmittel, die dem deutschen Aufsichtsrat anvertraut sind (z. B. Zustimmungsvorbehalte; Abberufung der Vorstandsmitgliedern), dem französischen conseil de surveillance teilweise entzogen und der Hauptversammlung zugewiesen sind. Unter diesen Umständen erweist sich das Kontrollinstrumentarium des Aufsichtsrats für solch eine Akzentuierung der Überwachungsaufgabe als unzureichend. Die Prüfungsmaßstäbe des Aufsichtsrats zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion umfassen, ebenso wie beim deutschen Recht, sowohl die Recht-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit der gestion durch das Direktorium167. Die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats erschöpft sich demnach nicht in einer bloßen Pflichtmäßigkeitskontrolle. Er soll sich ein eigenes Urteil darüber bilden, ob die Geschäftsführungsmaßnahmen des Direktoriums plausibel und folgerichtig sind. Insofern arbeitet der Aufsichtsrat parallel zum Direktorium und kontrolliert dessen Leitungsentscheidungen. Als leitungsbezogene Komponente verfügt der Aufsichtsrat über die Kompetenz zur Führungspostenbesetzung (Art. 120 L. 1966), zur Zustimmung bei Geschäftsführungsangelegenheiten (Art. 128 L. 1966), wie auch zur Einwirkung auf die Arbeitsorgani166 Vgl. den Originalwortlaut: „Le conseil de surveillance exerce le contrôle permanent de la gestion de la société par le directoire“. 167 Guyon, DdA I10, Rdnr. 356.

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sation des Direktoriums (Art. 126 II L. 1966 i.V. mit Art. 99 D. 1967). Nicht abschließend geklärt ist in diesem Kontext die beratende Kompetenz des Aufsichtsrats. Zum Teil wird eine beratende Aufgabe dem Aufsichtsrat i. S. eines sounding board insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung der Grundzüge der Unternehmenspolitik zugesprochen168. Die dogmatischen Grundlagen und die Tragweite solch einer Aufgabe bleiben m. E. aber diffus: Als gesetzlicher Ausgangspunkt solch einer Tätigkeit käme lediglich Art. 128 II L. 1966 und die dabei vorgeschriebene Kompetenz des Aufsichtsrats zur Kommentierung der in Art. 157 L. 1966 vorgesehenen Berichte des Direktoriums in Betracht. Diese Regelung erscheint aber besonders unzulänglich, um präzisere Anhaltspunkte bezüglich der Tragweite solch einer Aufgabe zu gewinnen. Was die Führungspostenbesetzungskompetenz (Art. 120 L. 1966) des conseil de surveillance anbelangt, gelten im Prinzip die gleichen Bemerkungen wie beim deutschen Aktienrecht: Die Bestellung der Direktoriumsmitglieder stellt nicht nur ein Mittel vorbeugender Überwachung, sondern auch die ursprünglichste und nachhaltigste Möglichkeit des Aufsichtsrats dar, auf die Unternehmensorganisation nach eigenem Ermessen einzuwirken. Diese Besetzungskompetenz wird allerdings in der SA modernen Typus im Vergleich zur AG dadurch abgeschwächt, dass die Befugnis zur Abberufung der Direktoriumsmitglieder der Hauptversammlung zugewiesen wird. Dem Aufsichtsrat wird diesbezüglich lediglich eine Vorschlagsbefugnis eingeräumt (Art. 121 II L. 1966). Ebenso abgeschwächt ist die Einwirkung des Aufsichtsrats auf die Arbeitsorganisation des Direktoriums (Art. 126 II L. 1966 i.V. mit Art. 99 D. 1967). Die einschlägigen Befugnisse des französischen Aufsichtsrats beschränken sich lediglich auf die Erteilung von Vertretungsbefugnissen an die Direktoriumsmitglieder. Dies bietet dem Aufsichtsrat zwar ein Einflusspotenzial auf die Unternehmensorganisation, jedoch bleibt letzteres insofern beschränkt, als die Zuteilung der sonstigen Kompetenzen an die Direktoriumsmitglieder dem Direktorium anvertraut ist. Dem Aufsichtsrat wird diesbezüglich lediglich ein Zustimmungsvorbehalt gewährt (Art. 99 D. 1967). Was schließlich das Zustimmungsrecht des Aufsichtsrats bei Geschäftsführungsangelegenheiten anbelangt gelten die gleichen Bemerkungen wie beim deutschen Recht: Es wäre praxisgerechter den leitungsbezogenen Charakter der Zustimmungskompetenz nicht in abstracto, sondern im Zusammenhang mit dem leitungsbezogenen Charakter der dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegten Entscheidung zu beurteilen. Soweit es sich um Leitungsentscheidungen handelt, sollte die Zustimmung des Aufsichtsrats entsprechend qualifiziert werden. Insofern ist der leitungsbezogene Charakter des Zustimmungsbeschlusses reflexartig nach den jeweils zur Zustimmung vorgelegten Entscheidungen bzw. Maßnahmen des Direktoriums zu beurteilen. Es soll aber Vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 356 („. . . il semble également que le conseil de surveillance puisse fixer les grands objectifs de la société . . .“). 168

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beachtet werden, dass im Gegensatz zum deutschen Recht das Zustimmungsrecht des Aufsichtsrats der SA modernen Typus insofern abgeschwächt ist, als die Erstellung solcher Zustimmungsvorbehalte nicht dem Aufsichtsrat selbst, sondern der Hauptversammlung zugewiesen ist. IV. Leitungsbegriff und Leitungsstrukturen im Recht der Société à responsabilité limitée Die Société à responsabilité limitée (im Folgenden: SARL) ist eine in der Praxis besonders verbreitete Kapitalgesellschaftsform169, was sowohl auf die günstigen Gründungsbedingungen (Zahl der Gründer, Startkapital usw.) als auch auf die Flexibilität ihrer gesetzlichen Organisationsstruktur zurückzuführen ist. Das Gesetz über Handelsgesellschaften schreibt diesbezüglich zwei notwendige Organe vor, nämlich die Gesellschafterversammlung (assemblée des associés) und die Geschäftsführer (gérants). Beide Organe stehen in einem hierarchischen Rangverhältnis zueinander; die Gesellschafterversammlung ist angesichts ihrer Kompetenz-Kompetenz und ihrer Personalhoheit (Art. 49 IV, V und Art. 55 L. 1966) als oberstes Organ der SARL anzusehen. 1. Leitungskompetenzen auf Geschäftsführerebene Der Geschäftsführer stellt das notwendige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der SARL dar, durch das die Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt (vgl. Art. 49 III L. 1966)170. Den gesetzlichen Ausgangspunkt seiner Kompetenz bildet Art. 49 L. 1966, wonach die Geschäftsführer für die gestion der SARL und ihre Repräsentation nach außen zuständig sind (Art. 49 III L. 1966). Unter dem Begriff der gestion sind ebenso wie bei der monistischen SA oder wie beim Begriff der Geschäftsführung im GmbHG sowohl die Leitungsfunktionen der Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle als auch die Aufgaben des exekutiven Faktors zu verstehen171. Soweit die Geschäftsführung

169 Vgl. die statistischen Angaben der I. N. S. E. E. von 1997 nennen ca. 700.000 SARL gegenüber 170.000 SA. Die Zahl könnte noch höher sein, wenn die steuer- und sozialrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die SARL nicht ungünstig wären; vgl. Merle, Sociétés Commerciales5, Rdnr. 173; Guyon, DdA I10, Rdnr. 472. 170 Vgl. Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 190; Guyon, DdA I10, Rdnr. 482. Loi von 1925 bezeichnete den gérant als mandantaire, jedoch im L. 1966 unter dem Einfluss der institutionellen Theorie ist der Terminus in Art. 49 ausgeklammert. Sowohl im L. 1966 (Art. 52 V) als auch in der Rechtsprechung (Cass. crim. 8.2.1982, Rev. Soc. 1982, S. 554 mit Anm. Bouloc) findet man jedoch noch Relikte dieser Terminologie. 171 Vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 494; Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 195; Gibirila, Le dirigeant, S. 329 ff.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

der SARL einer einzelnen Person zugewiesen ist (unicité de gérant), nimmt diese alle Leitungsaufgaben selbst wahr. 2. Leitungsbezogene Gewaltverzahnung im Recht der Société à responsabilité limitée Über das gesetzliche Organisationsschema hinaus eröffnet Art. 49 III L. 1966 den Gesellschaftern weitestgehende Freiheit, die Organisationsstrukturen ihrer Interessenlage entsprechend anzupassen. Die Gesellschafterversammlung verfügt über das Recht anhand von Satzungsbestimmungen Geschäftsführungskompetenzen an sich zu ziehen. Die Tragweite der Satzungsautonomie ist weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung ausreichend geklärt. Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass die Autorität der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der SARL nicht soweit gehen darf, dass die Geschäftsführer völlig entmachtet werden172. Satzungsfest sind vor allem die Vertretungsbefugnis und die speziellen, gesetzlich zugeschriebenen Kompetenzen der gérants. Ob darüber hinaus ein unentziehbarer Mindestbereich autonomen Geschäftsführungsermessens der gérants anzuerkennen ist, bleibt offen. In der Praxis ist eine weitgehende Übernahme der Geschäftsführungsfunktion seitens der Gesellschafterversammlung eher selten. In den meisten Fällen handelt es sich um die Bestimmung von Zustimmungsvorbehalten zugunsten der Gesellschafterversammlung als Mittel zur präventiven Kontrolle173. Soweit gesetzliche oder satzungsbezogene Begrenzungen der Geschäftsführungsaufgaben fehlen, obliegt die gesamte gestion den Geschäftsführern174 mit der Ausnahme einiger einzelnen Leitungstätigkeiten, wie etwa die Genehmigung des Jahresabschlusses (Art. 56 L. 1966), die Gewinnverteilung, die Führungspostenbesetzung (Art. 49 II, 56 L. 1966) und die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung (Art. 60 III, 61 i.V. mit Art. 41, 42 und 53 D. 1967) und Kapitalherabsetzung (Art. 63 L. 1966), wie auch über Strukturmaßnahmen wie die Umwandlung (Art. 69 L. 1966). Ein Recht zu Weisungen in Geschäftsangelegenheiten wird den Gesellschaftern im Gegensatz zum deutschen Recht aber nicht eingeräumt. Die aus dem deutschen GmbH-Recht bereits bekannte Problematik der ungeschriebenen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung zu Lasten der Entscheidungsautonomie der Geschäftsführer wird im französischen Recht der SARL nicht diskutiert.

172

Storck, Jur. Class. Soc. Fasc. 74-1, no 94. Storck, Jur. Class. Soc. Fasc. 74-1, no 88. 174 Gibirila, Le dirigeant, S. 329; Guyon, DdA I10, Rdnr. 494; Martin, RTD com 1975, S. 185. 173

§ 2 Leitungskompetenz in Kapitalgesellschaften

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C. Zusammenfassung und Ergebnisse Aus der methodischen Analyse der Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften in beiden Rechtsordnungen ergeben sich einige interessante Gesichtspunkte in Bezug auf ihre Leitungsstrukturen. Was das deutsche Aktienrecht anbelangt, wird zunächst ersichtlich, dass die Leitungsfunktion vor allem dem Vorstand zugewiesen ist, während der Aufsichtsrat als unternehmerische Komponente sich auf eine kontrollierende und beratende Funktion beschränkt. Ähnliches gilt auch für die französische SA modernen Typus: Obwohl ihre Organisationsstruktur sowohl im Schrifttum als auch in der Praxis nur unzureichend erläutert ist, wird jedoch aus der Gesetzeslage eindeutig, dass die Leitungskompetenz im Grundsatz an das Direktorium zugewiesen ist, während der conseil de surveillance eine kontrollierende Tätigkeit übernimmt. Seine Rolle als beratendes Gremium sollte wegen seiner im Vergleich zum deutschen Recht begrenzten Befugnisse mit höchster Vorsicht angesehen werden. Die Gemeinsamkeiten zwischen der AG und der SA modernen Typus in Bezug auf ihre Leitungsstrukturen stellen keine Überraschung dar, da die SA modernen Typus in Anlehnung an die Form der AG konzipiert wurde. Interessanterweise ist aber eine Konvergenz der Leitungsstrukturen auch in Bezug auf die monistische SA anzumerken, deren Aufbauorganisation dem angloamerikanischen Board-System zugerechnet wird. Obwohl das Gesetz die Aufgaben des leitenden Faktors primär dem Verwaltungsrat zuweist, führt die normative Kraft des lebenden Rechts zu einer Bevorzugung des PDG, während die Rolle des Verwaltungsrats sich auf diese eines kontrollierenden und beratenden Gremiums beschränkt. Insofern ähnelt die Aufbauorganisation der monistischen SA dem dreigliedrigen Organisationsschema der deutschen AG. Weiterhin beschränken sich die Schwerpunkte der Konvergenz nicht auf die faktische Trennung zwischen Leitung und Kontrolle, sondern erstrecken sich auf die Verhältnisse der Verbandsorgane untereinander. Selbst wenn die Organisationsverfassung der monistischen SA herkömmlich von einem hierarchischen Rangverhältnis der Verbandsorgane untereinander ausgeht175, erweist sich diese Ansicht mehr als juristische Tradition und weniger als geltendes Recht. Am deutlichsten kommt diese Entwicklung am Beispiel des richterlich fortgebildeten Spezialisierungsgrundsatzes zum Ausdruck, demgemäß jedem Organ trotz der hierarchischen Strukturierung ein fester Zuständigkeitsbereich zugewiesen wird, in welchen die übergeordneten Organe nicht eingreifen dürfen. Letzteres führt faktisch zu einem System von checks and balances nach dem Vorbild der deutschen AG oder der SA modernen Typus. 175 Die hierarchische Bevorzugung der Hauptversammlung im Recht der SA beruht mehr auf ihre Führungspostenkompetenz und weniger auf dem Kompetenzgefüge. Letztere ähnelt ja sowohl demjenigen der Hauptversammlung im deutschen Aktienrecht als auch demjenigen der Hauptversammlung der SA modernen Typus.

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1. Teil: Leitungsbegriff und Vergleichsgrundlagen

Differenziert ist die Lage in Bezug auf die Leitungsstrukturen im Recht der GmbH und der SARL. Obwohl beide Rechtsordnungen von einer zweigliedrigen und hierarchisch konzipierten Führungsorganisation ausgehen176 – Geschäftsführer bzw. gérants und Gesellschafterversammlung – bestehen gewisse Unterschiede in Bezug auf den Umfang und die Tragweite der leitungsbezogenen Gewaltverzahnung unter den Organen. Beide Rechtsordnungen sind darüber einig, dass die Gesellschafterversammlung imstande ist, anhand ihrer Befugnis zu satzungsautonomer Gestaltung der Innenverhältnisse im Verband Leitungskompetenzen an sich zu ziehen oder sie sogar anderen Organen zuzuweisen, soweit diese gesetzlich nicht satzungsfest den Geschäftsführern zugewiesen sind. Soweit die Gesellschafterversammlung leitungsbezogene Kompetenzen nicht an sich gezogen hat, sind diese von den Geschäftsführern zu übernehmen. Darüber hinaus dürfen die Gesellschafter der GmbH durch Wahrnehmung ihren Weisungsrechts den Geschäftsführern Anleitungen in Bezug auf Geschäftsführungsangelegenheiten erteilen und sich damit an der Unternehmensführung beteiligen. Ob darüber hinaus die Bestimmung der Unternehmenspolitik und damit die Unternehmensplanung, wie auch die Vornahme von außergewöhnlichen und risikoreichen Geschäften im Zweifelsfall vom Kompetenzgefüge der Geschäftsführer ausgenommen und dem Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung zugewiesen wird, ist im deutschen Recht strittig erörtert. Eine Weisungsbefugnis der Gesellschafter einer SARL ist dem Recht der SARL fremd, ebenso wie die Problematik der ungeschriebenen Gesellschafterversammlungskompetenzen Im Folgenden sind die gesetzlichen Grundlagen der Leitungsverantwortung in beiden Rechtsordnungen analytisch darzustellen und zu vergleichen. Angesichts der Tatsache, dass beide Rechtsordnungen die Leitungshaftung an die Unternehmenslage anknüpfen und dementsprechend zwischen einer Leitungshaftung in der Zeit der Unternehmenskrise und einer Leitungshaftung in der Zeit der Prosperität unterscheiden, empfiehlt sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung methodisch daran anzuknüpfen und dementsprechend die Darstellung zu gliedern. Weiter hin wird es untersucht, ob und wenn ja, in welcher Tragweite beide Rechtsordnungen der Unternehmensleitung einen haftungsfreien Ermessensspielraum anerkennen. Das Ziel bleibt jedenfalls darin, durch die damit gewonnenen Erkenntnisse gemeinsame konzeptionelle Grundlagen für die Leitungshaftung in Richtung eines gemeineuropäischen, materiellen Gesellschaftsrechts aufzuzeigen.

176 In Bezug auf die SARL ist nicht zu verkennen, dass Loi vom 7.3.1925, der die SARL ins französische Recht eingeführt hat, die Rechtsform der deutschen GmbH als Muster verwendet hat (Hommelhoff, Etudes Sayag, S. 297). Solche Gesellschaften waren bereits zwischen 1892–1918 im Bereich der Alsace-Lorrain tätig und wurden eher nach der Etablierung der französischen Herrschaft in diesem Bereich behalten.

2. Teil

Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht § 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung Die Entwicklung der Leitungsverantwortung ist seit langem in beiden Rechtsordnungen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, dem wissenschaftlichen Diskurs in Bezug auf die begrifflichen Merkmale der juristischen Person gefolgt1. Dies wird ersichtlich, wenn man die rechtgeschichtliche Entwicklung der einschlägigen Haftungsvorschriften näher betrachtet: Obwohl beide Rechtsordnungen von den gesetzlichen Grundlagen des vom Zeitgeist des contrat sociale inspirierten Code de Commerce von 1807 ausgegangen sind, hat sich das deutsche Recht unter dem Einfluss der Theorie über die reale Verbandspersönlichkeit und der verwandten Realitätstheorie relativ früh auf eine institutionelle Betrachtung der Kapitalgesellschaft fokussiert2. Ein derartiger Entwicklungsstand lässt sich im französischen Gesellschaftsrecht erst relativ spät feststellen. Trotz der frühen Anerkennung der französischen Kapitalgesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt3 wurde sie bis zum Erlass des L. 1966 nach dem Leitbild der sog. Fiktionstheorie4 als Netzwerk von Verträgen mit unterschiedlichen Akteuren (Arbeitnehmer, Unternehmensleiter, Anteilseigner, Gläubiger usw.) angesehen (vgl. Art. 1832 Cc a.F.5). Ihre Gründung war seit dem Übergang von einem Konzessionen- zu einem Registrierungssystem der Privatautonomie zugewiesen und ihre Leitung den Beauftragten der Gesellschafter anvertraut6. Die Kompe1 Zum französischen Recht vgl. Rapport Marini, S. 9; Grossi, Les devoirs, S. 438; David, PA 27.9.1995, No spec. 116, S. 14; Trib.com. Seine 4.3.1933, D. 1935, S. 2, 15 (Anm. Rousseau); zum deutschen Recht Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 140 ff. 2 Demgemäß stellt die Gesellschaft als Körperschaft eine auf Dauer angelegte Personenvereinigung dar, welche überindividuelle Zwecke verfolgt. 3 Vgl. Michoud, La théorie de la personnalité morale, t. I, S. 497. 4 Vgl. Gaillard, La société anonyme de la demain, la théorie institutionnelle et le fonctionnement der la société anonyme2, 1933. 5 Vgl. den Originalwortlaut bis zur Änderung durch das Loi No 78-9 vom 4.1.1978: „La société est un contrat par lequel deux ou plusieurs personnes conviennent de mettre en commun des biens ou leur industrie, en vue de partager les benefices . . .“.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

tenzen der Leitungsbeauftragten waren dementsprechend derivativer Natur und stammten aus der Gesellschafterversammlung7. Diese Qualifizierung war nicht nur abstrakt-theoretischer Natur, sondern hatte beträchtliche Konsequenzen in Bezug auf eine Fülle von praktischen Angelegenheiten, wie etwa an die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses (intérêt social), wie auch auf die Regulierung der Haftungsentlastung von Unternehmensleitern8. Vom Kurs dieses vertragstheoretischen Standpunktes wurde im französischen Recht erst nach dem Décret vom 31.8.19379 und den ihm folgenden Reformgesetzen von 1940 und 1943 zugunsten eines institutionellen Ansatzes abgewichen10. Den Wendepunkt markierte L. 1966 und die ihm folgenden Décrets und Ordonnances11, deren Regelungen über den Weg der europäischen Union vom deutschen Recht beeinflusst waren und die den institutionellen Blickwinkel im französischen Gesellschaftsrecht verfestigt haben12, selbst wenn die Trennung 6 Vgl. beispielsweise zum SA Art. 31 Code de Commerce oder Art. 22 L. 24.7.1867; zum SARL vgl. Art. 24 I L. 7.5.1925; Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit Commercial2, t. I (sociétés, groupements d’intérêt économique, entreprise publiques), Rdnr. 383; Daigré, Rev. Soc. 1981, S. 497; Hilaire, Introduction historique au droit commercial, S. 215; Berdah, Rdnr. 7; Didier, Droit commercial2, t. 2, S. 153; Mestre, Mélanges Mouly, S. 131; Couret, Rev. Soc. 1984, S. 243. 7 So Jeantin, Droit des Societés3, Rdnr. 255; Berdah, Rdnr. 7. 8 Jede fehlerhafte Leitungsmaßnahme sollte als Verletzung des Mandatsverhältnisses bzw. als Vertragsverletzung angesehen werden (Art. 44 L. 24.7.1867; Houpin/Bosviex, Rdnr. 1073 ff., 1519, 1523; Copper Royer, Rdnr. 618 ff.; Noirel, Rdnr. 158, m. w. N. Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. II, Rdnr. 1168 m. w. N.), während die Haftungsentlastung als Verzicht auf die Vertragsansprüche dem Willen der Gesellschaftergesamtheit zugewiesen wurde (Berdah, Rdnr. 26; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. II, Rdnr. 1212). 9 Vgl. beispielsweise die Modifizierung des Art. 17 L. 1867 zur Haftungsentlastung der Verwaltungsmitglieder, nach dem statutarische Klauseln, welche die Geltendmachung von Schadensersatzklagen von der vorherigen Benachrichtigung oder Ermächtigung der Generalversammlung abhängig machen als nichtig bzw. als nicht geschrieben anzusehen sind; dazu Berdah, Rdnr. 126; Hemard/Terre/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. II, Rdnr. 1212. 10 Vgl. Noirel, Rdnr. 369 ff.; Merle, Sociétés Commerciales 5, Rdnr. 94; Cozian/Viandier, Droit des Societes13, Rdnr. 702; Paillusseau, La société anonyme, S. 201 ff. 11 Vgl. beispielsweise die Ordonnance vom 20.12.1969 in Erfüllung der EG-Richtlinie vom 9.3.1968; zur Problematik der Rezeption deutscher Vorschriften im französischen Recht auf dem Weg der Rechtsharmonisierung in der europäischen Union vgl. noch Daigre, Rev. Soc. 1981, S. 497; Champaud, Droit des Affaires, S. 99. 12 Vgl. Hauriou, Les principes de droit public, S. 123 ff.; Monsailler, Rdnr. 720 ff.; Rapport Marini, S. 9; Bertrel, Modernisation du Droit des sociétés: le rapport Marini, Droit et Patrimoine 10-1996, S. 10; Bissara, Rev. Soc. 1990, S. 553; Paillusseau, RTD civ. 1993, Rdnr. 4, S. 705; ders., JCP éd. G 1984. I. 3148; Champaud, Le contrat de société existe t-il encore?, in: Le Droit contemporain des Contrats, S. 132; Saintourens, RTD cov. 1997, S. 929; Contin, D. 1968, chron. 45 (unter Verweis auf den Fall Fruehauf); aus der Rechtsprechung vgl. exemplarisch Paris 26.5.1966, RTD com. 1966, S. 349 (Anm. Houin); Reims 24.5.1989, JCP E 1990 II 15667, No 2 (Anm. Viandier/Caussain); CA Paris, 22.5.1965, D. 1968, S. 147 (Anm. Contin);

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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zwischen Gesellschaft und Körperschaft immer noch nicht so stark wie im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht ausgeprägt ist13. Die zuletzt im Schrifttum vertretene Ansicht14, wonach die Gesellschaft als hybrider Zweckverband (de nature mixte) anzusehen ist, versucht vertragliche und institutionelle Aspekte der Gesellschaft in Einklang mit einander zu bringen. Auch wenn diese Meinung zunehmend an Verbreitung gewinnt, ist sie allerdings in der Rechtspraxis bisher wenig beachtet worden.

A. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung in der prosperierenden Kapitalgesellschaft15 I. Morphologie der Leitungsverantwortung Die gesetzlichen Grundlagen der Leitungsverantwortung in der prosperierenden Gesellschaft stellen im deutschen Recht §§ 93 AktG (für die AG) und 43 GmbHG (für die GmbH) dar. Im (Aktien-)Konzernrecht ist die Leitungsverantwortung des herrschenden Unternehmens in §§ 310 (zum Vertragskonzern) und 318 I AktG (zum faktischen Konzern) geregelt16. Der § 93 AktG hat weitgehend die Regelung des § 84 AktG 1937 übernommen, dessen Grundlagen auf den allgemeinen Haftungsgrundsatz des Art. 241 II HGB 1884 zurückzuführen sind und schreibt vor, dass Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung „die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ anzuwenden Cass. com. 18.4.1961, D. 1961, S. 661; bestätigt durch Cass. com. 16.10.1963 („Cambier“), JCP 1964, II, 72982 = D. 1964, S. 431 = Rev. Soc. 1964, S. 37, Cass. com. 21.1.1997, Bull. civ. IV, no 26, S. 24 = D. 1998, S. 64 (Anm. Krimmer). 13 Zur Wiederbelebung des vertragstheoretischen Ansatzes angesichts der Corporate Governance-Debatte vgl. Rapport Marini, S. 9; Bertrel, Liberté contractuelle et sociétés, RTD com. 1996, S. 593; Guyon, Rev. Soc. 1989, S. 311; Saintourens, La flexibilité du droit des sociétés, RTD com. 1987, S. 457; Couret, D. 1995, chron. 163; Le Cannu, Bull. Joly 1995, S. 637; Daigre, Droit et Patrimoine, 7. 1996, S. 23; Alfamdari, DdA, Rdnr. 326; Tunc, Revue int. Dr. comp. 1994, S. 49; Le Févre, RJ com. 1992, S. 89; Honorat, PA 16.8.1996, S. 4; Couret, Rev. Soc. 1984, S. 243; Gomez, Le gouvernement de entreprise, S. 23 ff. 14 So Grossi, Les devoirs, Rdnr. 28 ff.; Bertrel, RTD com. 1996, S. 595. 15 Da keine europarechtlichen Vorgaben vorliegen, welche die Haftung des Leitungsorgans wegen Verletzung seiner Leitungspflichten gegenüber der Gesellschaft unmittelbar beeinflussen, konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf die nationalen Regelungen. Solche Vorgaben soll zwar die Strukturrichtlinie (fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie) enthalten (Abl. EG Nr. 3C 321/9 von 12.12.1991, abgedruckt in: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht3, S. 176 ff.) doch liegen bisher nur Entwürfe vor, vgl. Lutter, FS Mestmäcker, S. 912; ders., ZIP 1998, S. 96; Wiesner, EuZW 1998, S. 619. 16 Die Regelungen zum aktienrechtlichen Vertragskonzern sind beim GmbH-Vertragskonzern analog anzuwenden (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner17, Anh. KonzernR, Rdnr. 36 ff.). Anders verhält sich die Rechtslage zum faktischen GmbH-Konzern (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner17, Anh. KonzernR, Rdnr. 53).

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

haben. Den gleichen Haftungsmaßstab regeln §§ 310 II, 317 II AktG für den Konzern; demnach sollen die Leitungsorgane des herrschenden Unternehmens ihre Einflusswirkung auf das abhängige Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ausüben. Ähnlich, wenn auch nicht deckungsgleich, ist der Haftungsmaßstab des Geschäftsführers der GmbH. Die seit dem GmbHG von 1892 unverändert gebliebene17 Haftungsvorschrift des § 43 GmbHG schreibt vor, dass der Geschäftsführer für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einstehen soll. Zwischen den Parallelvorschriften der § 93 AktG und § 43 GmbHG dürften sich kaum grundsätzliche Unterschiede ergeben. Dafür sprechen nicht nur ihre gemeinsamen konzeptionellen Grundlagen, sondern auch ihre integrierte monographische Behandlung im Fachschrifttum18. Im französischen Recht umfassen Artt. 52 (SARL) und 244 L. 1966 (SA) die Grundlagen der Leitungsverantwortung in der prosperierenden Gesellschaft. Eine Sonderreglung zum Konzernrecht gibt es nicht. Die Artt. 244 und 52 L. 1966 schreiben vor, dass die Verwaltungsratsmitglieder 19 bzw. gérants je nach Sachlage einzeln oder als Gesamtschuldner gegenüber der Gesellschaft wegen Gesetzesverletzungen, Satzungsverstöße oder Fehler bei der Geschäftsführung (fautes de gestion) einzustehen haben. Auch hier dürfen sich bei beide Vorschriften grundlegend nicht unterscheiden. Dafür sprechen die bereits anlässlich des deutschen Rechts erwähnten Gründe20. In beiden Rechtsordnungen besteht Einigkeit darüber, dass die Leitungshaftung keine Erfolgs-, sondern eine Verhaltenshaftung darstellt21. Was die Gel17 Beim gescheiterten Versuch einer GmbH-Reform im Jahre 1971 sollte mit § 75 RegE 1971 eine Vorschrift an die Stelle von § 43 treten, die die Haftung der Geschäftsführer in enger textlicher Anlehnung an § 93 AktG regelte. Durch die GmbHNovelle von 1980 wurde § 43 nur insofern geändert, als in Abs. 3 an die Stelle von § 9 Abs. 2 die sachlich entsprechende Vorschrift des § 9b Abs. 1 trat; vgl. Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 1; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 1. 18 Vgl. Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 2; Hopt, FS Mestmäcker, S. 913; Kust, WM 1980, S. 758; Kossen, DB 1988, S. 1785. Die Ähnlichkeiten sind in den Kommentierungen der entsprechenden Vorschriften in dem Maß sichtbar (Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 und Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG), dass sich eine integrierte Betrachtung beider Vorschriften und der darauf bezogenen Managerhaftung als zweckmäßig empfiehlt. Ähnliches gilt auch für § 34 GenG. 19 In der SA modernen Typs unterliegen die Direktoriumsmitglieder laut Art. 249 I L. 1966 derselben Haftung wie die Verwaltungsmitglieder. Das Gesetz schreibt keine besondere Haftungsgrundlage für den PDG. Letzterer unterliegt als Mitglied des Verwaltungsrats dem Anwendungsbereich des Art. 244 L. 1966 (Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 539; Piédélièvre, Rdnr. 173). 20 Hamel, Rev. Soc. 1923, S. 140; Fangain, GP 1969, 2, doctr. 208; Hadji-Artinian, S. 276 ff. 21 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 81; Wiedemann, Organverantwortung, S. 13; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 29; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 27; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 45 ff.; zum französischen Recht

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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tungsintensität der angesprochenen Haftungsvorschriften anbelangt, wird in beiden Rechtsordnungen anerkannt, dass sie zwingendes Recht darstellen. Die Artt. 52 Satz 4 (SARL) und 246 Satz 1 L. 1966 (SA) schreiben diesbezüglich vor, dass Satzungsklauseln, welche die Haftungsmodalitäten von einer Zustimmung der Hauptversammlung oder einem vorherigen Gutachten abhängig machen oder grundsätzlich ausschließen, ungültig sind. Auch der nachträgliche Hauptversammlungsbeschluss kann den Geschäftsleiter nicht freistellen. Das Änderungsverbot gilt nicht nur für die Abmilderung, sondern auch für die Verschärfung (aggravation) der Haftungsanforderungen22. Im deutschen Recht wird § 93 I 1 i.V. mit §§ 93 II 1, 93 IV 3 AktG ebenfalls als zwingendes Recht qualifiziert. Dementsprechend kann die Vorschrift weder durch den Anstellungsvertrag, noch durch die Satzung abgedungen werden23. Das Verbot der Änderung des Haftungsmaßstabs gilt nicht nur in Bezug auf die Milderung, sondern auch in Bezug auf die Verschärfung der haftungsbezogenen Anforderungen24. Ähnliches gilt auch für die konzernrechtlichen Vorschriften der §§ 310 I, 318 I AktG25. Etwas differenziert ist allerdings die Rechtslage im Recht der GmbH, wo es noch fraglich ist, ob § 43 GmbHG insofern als zwingend anzusehen ist, als er nur eine Haftungsverschärfung, jedoch keine Haftungserleichterung zulässt. Teile des Schrifttums gehen von der Unzulässigkeit einer Haftungserleichterung aus26. Diese Ansicht erhält zusätzliches Gewicht unter dem Aspekt des vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 459; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, S. 107 („Le débiteur n’est donc tenu qu’à une diligence raisonnable“, c’est à dire à une obligation de moyens“) mit weitere Argumentation aus dem Bereich des Zivil- und Arzthaftungsrechts; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 123; Bezard, S. 529; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 265 ff.; Hadji-Artinian, Rdnr. 642 ff. 22 Vgl. Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 529; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 237. 23 Vgl. u. a. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 23; Kust, WM 1980, S. 762; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 4; Merkt, ZHR 1995, S. 431; Grunewald, ZHR 1993, S. 461; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 1; Schneider, FS Werner, S. 803 ff.; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 8; Mestmäcker, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 210. 24 Vgl. BGHZ 64, 325, 326 ff. (Unzulässigkeit einer Verschärfung der Schweigepflicht durch die Satzung); Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 1; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 4; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 26; a. A. Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 8; Mestmäcker, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 210; noch RG, HRR 1936, S. 1229 = JW 1938, S. 2019 (zur Genossenschaft). 25 Billigung des Aufsichtsrats kann die Haftung der Vorstandsmitglieder, die nach § 310 I begründet ist gemäß § 310 II AktG nicht ausschließen. Dasselbe gilt nach h. M. auch bei Billigung durch Beschluss der Hauptversammlung (vgl. Hüffer4, § 310 AktG, Rdnr. 5; Koppensteiner, K-Komm. AktG2, § 310 Rdnr. 8; a. A. Würdinger, Gkomm. AktG3, § 310 Rdnr. 3). 26 Vgl. Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 2; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 76; Raiser, KapGesR3, § 32 Rdnr. 92; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 90 ff.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 213. In der amtlichen Begründung zum § 44 des Entwurfs eines Gesetzes betr. die GmbH – die Vorschrift entspricht dem heutigen § 43 GmbHG – heißt es, dass ein geringerer Maßstab an die Verantwortlichkeit nicht gelegt werden darf, zumal es sich dabei nicht bloß um die

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Minderheitsschutzes (vgl. § 47 IV GmbHG). Demgegenüber wird vertreten, dass Haftungsmilderungen als zulässig anzusehen sind27. In diesem Fall besteht keine Einigkeit darüber, ob in diesem Fall der Haftungsmaßstab von § 43 I GmbHG nur durch die Satzung28 oder darüber hinaus auch durch den Anstellungsvertrag modifiziert werden kann29 und ob für die vertragliche Haftungsmilderung ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss erforderlich ist30. Problematisch ist die rechtsdogmatische Zuordnung der Leitungsverantwortung und insbesondere ihre Qualifizierung als Organ- oder Vertragshaftung. Die Frage ist nicht nur theoretischer Natur, sondern auch von praktischer Bedeutung vor allem in Bezug auf den Beginn und das Ende der Leitungshaftung und der Bestimmung des anwendbaren Rechts. Denn eine Anknüpfung der Leitungshaftung an die Organstellung indiziert, dass der Bestellungsakt als maßgeblicher Zeitpunkt für Haftungsbeginn und -ende anzusehen ist. Im deutschen Recht geht die h. M. diesbezüglich davon aus, dass die Leitungsverantwortung sich an die Organstellung des Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers und nicht an seinen Anstellungsvertrag anknüpft. Insofern stellen §§ 93 AktG, 43 GmbHG eine eigene gesetzliche Anspruchsgrundlage, und nicht eine Haftung aus positiver Vertragsverletzung (oder sogar aus culpa in contrahendo für den Fall eines unwirksamen Vertrags) dar31. Die Anknüpfung der Haftung an die Organstellung spricht dafür, den Bestellungsakt als maßgeblichen Zeitpunkt für den Haftungsbeginn anzusehen. Auf den Abschluss des Anstellungsvertrags kommt es ebenso wenig an wie auf die Eintragung ins Handelsregister32. Für den Fall, Interessen der Gesellschafter, sondern auch um diejenigen der Gesellschaftsgläubiger handelt. 27 So Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 5; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 185 ff.; Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 3; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 5; Fleck, GmbHR 1974, S. 229; Konzen, NJW 1989, S. 2984. Darunter wird teilweise danach unterschieden, welchen Inhalt die verletzten Pflicht hat, also ob es sich im den Gläubigerschutz betreffenden Pflichten handelt oder nicht (so Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 5; Schneider, FS Werner, S. 809 ff.; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 185a). 28 So Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 5. 29 So Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 186; ders., FS Werner, S. 814; Konzen, NJW 1989, S. 2984; Fleck, GmbHR 1974, S. 229. 30 Für einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss plädiert Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 4; a. A. Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 186. 31 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 20 und Rdnr. 226, Mertens, K-Komm. AktG2, § 93, Rdnr. 6 (der allerdings in Rdnr. 3 die Frage, ob es sich bei § 93 AktG um eine vertragliche oder gesetzliche Haftung handelt, als „im Ergebnis“ belanglos bezeichnet); Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 3; MünchHdb. AG/Wiesner, § 26, Rdnr. 3; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 4; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 8; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 3 ff.; Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 3; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 12b („organisationsrechtlicher Haftungstatbestand“); a. A. Baums, S. 211 ff.; differenzierend auch Baumbach/ Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 4. Aus der Rechtsprechung vgl. u. a. BGH ZIP 1989, S. 1390, 1392 (zur GmbH); BGH WM 1992, S. 691, 692 (zur GmbH).

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dass der Bestellungsakt zwar erfolgt, aber nicht wirksam ist (fehlerhaftes Organ), ist man darüber einig, dass die betreffende Person wie ein wirksam bestelltes Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer haften muss, solange sie das Amt angenommen oder jedenfalls tatsächlich ausgeübt hat33. Die Leitungshaftung endet nicht schon mit der formellen Beendigung seiner Stellung als Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem das Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer (oder der als solches Handelnde) seine Funktionen tatsächlich nicht mehr ausübt34. Das Bestehen der Gesellschaft als Haftungsvoraussetzung spielt keine ergebnisrelevante Rolle35. Komplizierter im Vergleich zum deutschen Recht ist die Beantwortung der Frage nach der Qualifizierung der Leitungshaftung als Organ- oder Vertragshaftung im französischen Recht. Unter dem Regime des L. 1867 bestand kein Zweifel daran, dass der Verwalter als Mandatar bzw. Beauftragter der Gesamtheit der Gesellschafter zu qualifizieren war, dessen Haftung für fehlerhafte Leitungsmaßnahmen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften beurteilt werden musste36. Dieser Ansatz wurde im Rahmen der zunehmenden Verrechtlichung der Leitungsstrukturen im Kapitalgesellschaftsrecht von einer institutionellen Betrachtung der Gesellschaft abgelöst37. Der L. 1966 distanziert sich 32 Aus der Rechtsprechung vgl. RGZ 144, S. 348, 356; BGW WM 1986, S. 789; BGH GmbHR 1995, S. 128 (für den GmbH-Geschäftsführer); vgl. noch RG JW 1937, S. 683 und RGZ 152, 273, 277 über die sehr zweifelhafte Konstruktion des konkludent abgeschlossenen Anstellungsvertrags; noch Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 34, 44 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 9; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 7, 9; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 15; Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 46. 33 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 11; Geßler/ Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 8; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 4; Baums, Der Geschaftsleitervertrag, S. 168 ff., 174 ff.; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 15; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr.7; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 2; aus der Rechtsprechung vgl. BGH WM 1995, S. 799, 800; BGHZ 41, 282, 287 (nur implizit; ausdrücklich nur über die Aussage, dass ein fehlerhafter Anstellungsvertrag nicht schadet), RGZ 144, 384, 387, RGZ 152, 273, 277 (zur Genossenschaft); RG JW 1911, S. 330; OLG München, AG 1997, S. 575, 576. 34 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 38; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 10; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 8; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 10; aus der Rechtsprechung vgl. u. a. BGHZ 47, 341, 343 (nach Ende des Anstellungsverhältnisses aufgrund Zeitablauf weitergeführte Tätigkeit). 35 Dass die Bestellung von einer nichtigen oder vernichtbarem AG bzw. GmbH vorgenommen wurde, steht der Haftung nichts entgegen; so Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 11; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 41; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 7. 36 Vgl. Artt. 22 und 44 L. 1867; noch Houpin/Bosvieux, Rdnr. 1073 ff.; Copper Royer, Rdnr. 618 ff.; Noirel, Rdnr. 158, m. w. N.; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, t. II, Rdnr. 1168 m. w. N. 37 Vgl. CA Paris 22.5.1965, D. 1968, S. 147 (Anm. Contin) = Rev. Soc. 1965, S. 288; Cass. com. 18.4.1961, GP 1961, II, S. 15; CA Paris, 26.5.1966, RTD com. 1966, S. 349 (Anm. Houin); CA Reims, 24.4.1989, JCP E 1990, II 15 667, no 2

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

selbst vom vertragstheoretischen Ansatz38, selbst wenn er keine eindeutige Stellung zu jenem konstruktiven Streit nimmt39. Als Ergebnis dieser Entwicklung fällt es schwer unter dem Regime des L. 1966 die Rechtlage der Gesellschaftsverwalter nur mit Hilfe des vertragstheoretischen Ansatzes zu erläutern. Insofern betrachtet der überwiegende Teil der Rechtslehre die Verwalter als Organe der Gesellschaft und knüpft die Leitungshaftung an ihre Organstellung an40. Die Leitungsverantwortung wird überwiegend von spezialgesetzlichen Vorschriften geregelt (spezialgesetzliche Haftung), während die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, vor allem diejenigen des Auftragsrechts, nur subsidiär anzuwenden sind41. Demzufolge ist der Bestellungsakt als maßgeblichen Zeitpunkt für den Haftungsbeginn anzusehen. Die Leitungshaftung endet nicht mit der formellen Beendigung der Stellung als Verwaltungsratsmitglied bzw. gérant, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Funktion tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird. II. Persönlicher Anwendungsbereich der Leitungsverantwortung Der Leitungsverantwortung unterliegen in erster Linie die rechtmäßig zur Geschäftsführung der Gesellschaft bestellten Personen. Dazu kommen im französischen Recht die Verwaltungsratsmitglieder, der PDG, der directeur général42, der stellvertretende PDG (Art. 112 L. 1966), das Direktorium, die gérants der SARL43, wie auch der gerichtlich bestellte Notgeschäftsführer44 – für die (Anm. Viandier/Caussain); Cass. com. 21.1.1997, Bull.civ. IV, no 26, S. 24 = Bull. Jolly 1997, S. 312 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 29.5.1972, Rev. Soc. 1973, S. 487 (Anm. Hémard); Cass. com. 16.12.1981, JCP G 1983 II, 20048; Cass. com. 21.5.1992, Rev. Soc. 1992, S. 458; abweichend Cass. com. 12.3.1996, D. 1996, som, S. 345 (Anm. Hallouin) = JCP 1996 ed. E, pan. 426, (Anm. Bonneau) = Rev. Soc. 1996, S. 554 (Anm. Bureau); Cass. com. 20.2.1979, Bull. civ. IV. no 70, S. 54 (Qualifizierung des dirigeant als Mandatar); Cass. crim. 1.2.1972, JCP 1973 II, 17304 (Anm. Burst); Cass. com. 23.6.1975, Bull. Jolly 1976, S. 21; Cass. civ. 5.2.1991, Bull. civ. I, no 45. 38 So werden beispielsweise im L. 1966 die Mitglieder desVerwaltungsrats, der PDG und der Vorstand der SA modernen Typs nicht mehr als Mandatar angesprochen (vgl. Artt. 89, 113, 118 L. 1966); vgl. noch Sonnenberger, GmbHR 1973, S. 26 ff. 39 Es ist insofern charakteristisch, dass L. 1966 den Begriff des Mandatars nicht völlig fallen gelassen hat (vgl. Artt. 52, 92-2, 92-4, 95 Satz 3, 115, 246, 250 Satz 1, 2). 40 So Berdah, S. 12; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 11; Martin, La représentation, Rdnr. 83; Flores/Mestre, PA 1986, Rdnr. 58, S. 25; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 2; Bulle, Le statut du dirigeant, Rdnr. 21, S. 31; Badinter, D. 1969, chron. 185, spéc. Rdnr. 3 ff.; Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés Commerciales, Rdnr. 569; vgl. noch die sog. „Ecole de Rennes“, vor allem Paillusseau, RTD civ. 1993, Rdnr. 4, S. 705; ders., JCP G 1984, I 3148; a. A. Storck, Jur. Class. Soc. Fasc. 74-1, no 6; Coudy, Le gérant de SARL, S. 29; Didier, Droit Commercial, t. 22, Rdnr. 219, 241; Freyria, Mélanges Boyer, S. 179 ff.; Vuillermet, Droit des sociétés, S. 160. 41 So Grossi, Les devoirs, Rdnr. 28. 42 Vgl. Art. 117 II L. 1966; Gibirila, Le dirigeant Rdnr. 97, 397.

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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Mitglieder des conseil de surveillance gelten Sonderhaftungsregeln45. Im deutschen Recht gelten die Bestimmungen von §§ 93 AktG bzw. 43 GmbHG für die rechtmäßig bestellten Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer und über §§ 94 AktG bzw. 44 GmbHG für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer46. Die Haftung betrifft ebenfalls die gerichtlich bestellten Vorstandsmitglieder47 und Geschäftsführer48, wie auch die nach § 105 II AktG zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern bestellten Aufsichtsratsmitglieder49. Was das Recht der verbundenen Unternehmen anbelangt, gilt § 93 AktG im Grundsatz auch für die Vorstandsmitglieder von konzernzugehörigen Gesellschaften. Allerdings sind insoweit verschiedentlich Sonderregeln, z. B. §§ 309, 310, 317 III, 318, 323 I AktG zu beachten. Diese betreffen vor allem die Haftung der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft, sie lassen jedoch diejenige der herrschenden Gesellschaft grundsätzlich unberührt50. Auch für die Haftung der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft verbleibt es bei der Verantwortlichkeit nach § 93 AktG jedenfalls insoweit, als die konzernrechtlichen Regelungen nicht greifen51. Fraglich bleibt in beiden Rechtsordnungen, ob die angesprochenen Haftungsvorschriften über ihren gesetzlich definierten Adressatenkreis hinaus auf die Drittorgane oder Drittpersonen anwendbar sind, welche faktisch und trotz des fehlenden oder fehlerhaften Bestellungsaktes Leitungsfunktionen übernehmen, infolge deren Wahrnehmung der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Beiden Rechtsordnungen ist dieser Tatbestand seit langem bekannt und wurde mittels verschiedener Ansätze geregelt. Dazu gehört etwa die Deliktsvorschrift des § 117 AktG, welche eine Schadensersatzhaftung jeder natürlichen oder juristiVgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 10, m. w. N.; Didier, Droit Commercial, t. 22, S. 228. 44 So Cass. com. 6.5.1986, Rev. Soc. 1987, S. 286 (Anm. Guyon); Gibirila, Le dirigeant de société, Rdnr. 453. 45 Die Mitglieder des Aufsichtsrats haften wegen ihrer mit dem Verwaltungsrat und der Direktion nicht vergleichbaren Aufgaben und Funktion nicht nach der Vorschrift des Art. 244 L. 1966, sondern ihre Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft ist in Art. 250 L. 1966 besonders geregelt, vgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 10; Le Cannu, Bull. Joly 1989, S. 879; Martin, GP 1991, doctr., S. 24. 46 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 28; MünchHdb. AG/Wiesner, § 26, Rdnr. 3. 47 Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 8; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 6; MünchHdb.AG/Wiesner, § 26, Rdnr. 3; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 28. 48 Analoge Anwendung des § 29 BGB für die gerichtlich bestellten Geschäftsführer. 49 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 28. 50 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 29, 114 ff. 51 Vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 29, 114 ff.; Hüffer4, §§ 76 AktG, Rdnr. 18 ff., 310 AktG Rdnr. 1, 311 AktG Rdnr. 48; 318 AktG Rdnr. 9 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 54 ff. 43

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

schen Drittperson für den Fall vorschreibt, dass Letztere ihren Einfluss auf die AG vorsätzlich verwendet, um ein Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats, einen Prokuristen (§ 48 ff. HGB) oder einen Handlungsbevollmächtigten (§ 54 HGB) zu einem die Gesellschaft schädigenden Handeln zu bestimmen. Solch eine Vorschrift fehlt sowohl dem französischen Recht als auch dem deutschen Recht der GmbH. Die Vorschrift stellt ferner kein Allheilmittel dar, denn ihr Anwendungsbereich setzt eine fremdbezogene Machtausübung von außen voraus, was letztendlich eine seltene Fallkonstellation im Aktienrecht darstellt52. Für den Fall, dass die gesetzlichen Mittel zur Beseitigung des einschlägigen Tatbestands unzulänglich sind, wird sowohl im deutschen als auch im französischen Recht die Rechtsfigur des faktischen Organs bzw. des faktischen Geschäftsleiters (dirigeant de fait) verwendet53. Wann eine Drittperson als faktisches Organ qualifizierbar ist und unter welchen Bedingungen die leitungsbezogenen Haftungsvorschriften auf sie anwendbar sind, muss für beide Rechtsordnungen unterschiedlich beurteilt werden. Mit der Rechtsfigur des faktischen Organs werden im deutschen Recht vor allem die Fälle erfasst, in denen das fehlerhaft bestellte Mitglied des Leitungsorgans (fehlerhaftes Organ) tatsächlich für die Gesellschaft tätig geworden ist. In diesem Fall besteht sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass das fehlerhafte Organ nach §§ 93 II AktG bzw. 43 II GmbHG haftet54. Problematisch ist der Fall, wenn es an einem Bestellungsakt fehlt und die Drittperson tatsächlich geschäftsführende Aufgaben wahrnimmt. Die h. M. geht davon aus, dass in einem solchen Fall der faktisch wie ein Mitglied des Leitungsorgans Auftretende nur dann gemäß §§ 93 AktG bzw. 43 GmbHG haftet, wenn er durch die rechtswidrige Wahrnehmung der Leitungsfunktionen eine Verdrängung des rechtmäßigen Organmitglieds bewirkt hat55. 52 So tritt beispielsweise die Haftung des § 117 AktG nicht ein, wenn ein Organmitglied oder leitender Mitarbeiter durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung (§ 117 VII Nr. 1 AktG), kraft Beherrschungsvertrags (§ 308 AktG i.V. mit § 117 VII Nr. 2 AktG) oder kraft Eingliederung Leitungsmacht ausübt (§ 323 AktG i.V. mit § 117 VII Nr. 3). 53 Ähnlich ist in rechtsvergleichender Sicht die Lage in anderen Rechtsordnungen; zur Institution des faktischen Organs im englischen Recht vgl. Section 741 (2) Companies Act 1985; Koh, Company and Securities Law Journal, 1996, S. 340; Gower, S. 143; zum schweizerischen Recht vgl. Forstmoser, FS Meier-Hayoz, S. 129; zum griechischen Recht vgl. Marinos, Wettbewerbsverbote – Interessenkonflikte im Kapitalgesellschaftsrecht (auf griechisch), S. 227 ff. 54 Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 11; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 8; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 44 ff.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 168 ff.; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 12; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 15; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 7; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 2; aus der Rechtsprechung vgl. schon RGZ 144, S. 348, 387; RGZ 152, S. 273, 277; BGHZ 41, S. 282, 287. 55 So Stein, Das faktische Organ, S. 143 ff.; 184 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 12; MünchHdb. AG/Wiesner, § 26 Rndr. 3; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 12;

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Die dadurch vertretene Organhaftung wegen Organverdrängung erscheint insoweit problematisch, als sie den Ansatzpunkt für die leitungsbezogene Haftung der faktisch als Mitglied des Leitungsorgans auftretenden Person nicht in der Geschäftsführung selbst, sondern in der Organverdrängung sieht. Das erscheint deshalb nicht sinnvoll, da die eigentliche Gefahr darin besteht, dass eine Drittperson wie ein Geschäftsführer handelt, ohne dazu berufen zu sein56. Die Verdrängung des gesetzesmäßigen Führungsorgans stellt im Endeffekt eine Nebenwirkung dieser faktischen Funktionsübernahme dar. Insofern behauptet die an die etablierten Leitsätze der Rechtsprechung zur Haftung für verspätete Insolvenzantragstellung anknüpfende Gegenmeinung57, dass grundsätzlich jeder einer leitungbezogenen Haftung laut §§ 93 AktG bzw. 43 GmbHG unterliegen kann, soweit er die organschaftliche Befugnisse tatsächlich ausübt. Dies gilt allerdings unter dem zur Vermeidung einer Einbeziehung von Gesellschaftsfremde erforderlichen Vorbehalt, dass die Übernahme der quasiorganschaftlichen Stellung mit Billigung des Aufsichtsrats erfolgt58. In praktischer Hinsicht bedeutet sie, dass bei faktischer Übernahme von Leitungsfunktionen seitens des Aufsichtsrats oder des Mehrheitsgesellschafters, letztere nach §§ 93 AktG bzw. 43 GmbHG haften sollten59. Letzteres ist keineswegs unstrittig. Was den Aufsichtsrat anbelangt, könnte man für diese Ansicht Anhaltspunkte im AktG finden, wo § 116 AktG diesbezüglich auf die Haftungsgrundsätze des § 93 AktG verweist. Gewiss schreibt § 116 AktG eine sinngemäße Anwendbarkeit der Handlungs- und HaftungsmaHachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 7; vgl. auch BGHZ 75, S. 96, 106 (den Beklagten wird die Eigenschaft des faktischen, geschäftsführenden Organs verweigert, weil sie ihre Stellung nicht in der Weise tatsächlich ausgenutzt haben, dass sie den persönlich haftenden Geschäftsführer völlig aus der ihm gesetzlich zugewiesenen Geschäftsführung verdrängt haben); in diese Richtung in rechtsvergleichender Sicht vgl. zum schweizerischen Recht vgl. Grass, S. 115 ff., Fn. 376; zum griechischen Recht vgl. Marinos, Wettbewerbsverbote – Interessenkonflikte im Kapitalgesellschaftsrecht (griechisch), S. 227 ff.; Georgakopoulos, Egxeiridio Emporikou Dikaiou/Etairies2, S. 445. 56 Insofern zutreffend BGHZ 104, S. 44, 47 („Der Grund für die Haftung des tatsächlichen Geschäftsführers liegt letztlich darin, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt . . .“); BGH, WM 1988, S. 756, 757; auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, S. 317, 318 (zur GmbH). 57 Vgl. BGHZ 75, S. 96, 106; BGHZ 104, S. 44, 46; BGH WM 1973, S. 1354; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, S. 317, 318. 58 Vgl. OLG Düsseldorf, DB 1994, 371, 372 (zur GmbH); Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 49, 50; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 8; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 15; a. A. Stein, Das faktische Organ, S. 131 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 12; Roth, ZGR 1989, S. 421, 425; im englischen Recht Gower/ Davies, S. 143; Insolvency Act 1986 (section 251, section 214). 59 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 37, 38; vgl. auch Schlechtriem, Schadensersatzhaftung der Leitungsorgane, S. 16; Kust, WM 1980, S. 758; Rittner, JZ 1980, S. 117; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 116 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

xime des § 93 AktG vor, so dass es verfehlt wäre, wegen des Verweises in § 93 zu behaupten, dass Sorgfaltspflicht und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder durchweg mit denen der Vorstandsmitglieder übereinstimmen60. Die sinngemäße Anwendung der leitungsbezogenen Wertungen von § 93 betrifft jedoch nur den Fall, dass der Aufsichtsrat seine Funktionen nicht kompetenzwidrig erweitert. Sonst besteht die Gefahr, dass der Aufsichtsrat Aufgaben wahrnimmt, die aus wirtschaftlicher Sicht notwendig sein mögen, aus juristischer Sicht aber durch entsprechende Verantwortlichkeitsstandards ergänzt werden müssen. Fraglich bleibt jedenfalls, ob die organschaftliche Leitungsverantwortung analog auf den Mehrheitsgesellschafter anwendbar sein könnte, wenn letzterer in die Geschäftsführung maßgeblich eingreift – eine bloß intensive Beschäftigung soll angesichts der Gefahr einer Durchbrechung der beschränkten Haftung ausgeklammert werden61. Die Frage betrifft weniger das Recht der AG, wo die Hauptversammlung eindeutig als Willensbildungsorgan konzipiert wurde, und mehr das Recht der GmbH, wo wegen des Weisungsrechts der Anteilseigner eine maßgebliche Intervention des Mehrheitsgesellschafters durchaus vorstellbar ist. Der BGH hat bisher die allgemeine Geschäftsleiterhaftung auf Nicht-Geschäftsführer nur hinsichtlich des Haftungsmaßstabs übertragen62. Die sowohl im Aktienrecht als auch im Recht der GmbH h. M. lehnt eine analoge Anwendung der organschaftlichen Leitungsverantwortung auf den Mehrheitsgesellschafter wegen der unterschiedlichen Interessenlage ab und begründet dessen Haftung mit seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern63. Demzufolge ist eine Leitungsverantwortung des Mehrheitsgesellschafters laut §§ 93 II AktG, 43 II GmbHG nach deutschen Rechtsvorstellungen nicht vertretbar.

60 Die sich daraus resultierenden Pflichten sollen den Unterschieden in den Aufgaben, in der Struktur der (Neben-)Tätigkeit und der beruflichen Herkunft von Aufsichtsratsmitgliedern Rechnung tragen, vgl. Fleck, FS Hensius, S. 891; Hüffer4, § 116 AktG, Rdnr. 1; Geßler/Hefermehl, § 116 AktG, Rdnr. 8 ff.; Raiser, KapGesR3, § 15, Rdnr. 97; Mertens, K-Komm. AktG2, § 116 Rdnr. 2. 61 Vgl. BGHZ 104, S. 44, 46. 62 Vgl. BGH, NJW 1976, S. 191, 192 – ITT (insoweit nicht in BGHZ 65, 15 ff., abgedruckt); besonders weitgehend OLG Düsseldorf, DB 1994, 371, 372, wo die Anwendung der Geschäftsleiterhaftung auf Nicht-Geschäftsführer uneingeschränkt zugelassen scheint. Danach soll ein GmbH-Gesellschafter, der mit Zustimmung des Mitgesellschafters und satzungsmäßigen Alleingeschäftsführers allein die Führung der Gesellschaft wahrnimmt „nach § 43 GmbHG der Gesellschaft gegenüber wie ein ordentlicher Geschäftsführer haften“. Das Gericht begründet dies mit dem angeblichen Schutzzweck des § 43 GmbHG, der andernfalls gefährdet würde. 63 So Wiedemann, Organverantwortung, S. 37 ff.; Ulmer, ZHR 1984, S. 414 ff.; Schanze, AG 1982, S. 44 ff.; Ziemons, S. 66 ff.; Fleck, FS 100 Jahre GmbHG, S. 392; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 1b; a. A. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 51; Wilhelm, FS Flume II, S. 337 ff.; ders., DB, S. 2113 ff.; Krebs, S. 230 ff., 250 ff., 301; offengelassen in BGHZ 75, S. 96, 107.

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Anders sieht die die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsleiters (dirigeant de fait) im französischen Recht aus. Die Institution des dirigeant de fait wurde auf dem Weg der richterlichen Rechtsfortbildung begründet, herausgearbeitet, standardisiert und an mehreren Gesetzesstellen übernommen64. Heute besteht daher kein Zweifel daran, dass die Institution den acquis juridiques des französischen Gesellschaftsrechts zuzuordnen ist65. Unter dem Begriff „faktischer Geschäftsleiter“ ist jede natürliche oder juristische Person zu verstehen, welche neben66 oder an Stelle67 der rechtmäßigen Organe der Gesellschaft auf aktive68, positive (acte positive de direction)69 und unabhängige Weise (avec souveraineté et indépendance)70 echten Einfluss auf die Unternehmensleitung (immixtion dans les fonctions déterminantes pour la direction générale de l’entreprise) ausübt, ohne zu diesem Zweck als Organ bestellt zu sein71. Insofern lässt sich jeder, der nach Ermessen des Richters (juge du fond)72 die angegeben Voraussetzungen erfüllt, als faktischer Geschäftsleiter bezeichnen. In der Praxis sind als faktische Geschäftsleiter Mehrheitsgesellschafter73, herrschende Unternehmen74, leitende Angestellte75, Gesellschaftsgläubiger (vor allem Kreditinstitute76), Vermögens64

So beispielsweise Art. 180, 182 InsolvG 1985. Rives-Lange, D. 1975, chron. 41; Notte, Les dirigeants de fait, Rdnr. 132; Leveneur, Situations de fait et droit prive, 1990; Tricot, RD patr. 1996, S. 24; Turot, RJF 2/ 90, S. 71. 66 So Aix 30.9.1975, Dr. Soc. 1976, S. 2 ff. 67 So Paris 16.5.1975, D. 1975, som. 122. 68 Cass. crim. 11.4.1983, Rev. Soc. 1983, S. 817 (Anm. Jeandidier); Cass. com. 18.5.1981, Bull. civ. IV Rdnr. 240, S. 189; Cass. com. 15.11.1978, Bull. civ. 1978, Rdnr. 265, S. 219. 69 Vgl. Cass. com. 18.5.1981, Bull. civ. IV, Rdnr. 240; Cass. com. 15.11.1978, Bull. civ. Rdnr. 265; Cass. civ. 25.1.1963, GP 1963.I. 383. 70 Souverän und unabhängig handelt, wer seinen Willen gegenüber dem ordnungsmäßigen Geschäftsleiter durchsetzen kann; dazu u. a. CA Paris 11.6.1987, Bull. Joly 1987, 719; Cass. com. 20.7.1973, Bull. civ. IV, no 260; Cass. crim. 13.12.1988, Rev. Soc. 1989, S. 257 (Anm. Bouloc). 71 CA Paris 11.6.1987, Bull. Joly 1987, S. 719; Cass. com. 18.5.1981, Bull. civ. IV no 240, S. 189; Cass. com. 15.11.1978, Bull. civ. no 265, S. 219. 72 Cass. com. 18.7.1974, Rev. Soc. 1975, S. 487 (Anm. Schmidt D.); Cass. com. 2.2.1982, Bull. civ. IV no 40; Cass. com. 23.6.1982, Bull. Civ. IV no 248; Cass. com. 15.7.1987, Rev. proc. col. 1987 no 4, S. 95. 73 Cass. Com 12.4.1975, Rev. Soc. 1976, S. 106, 74 Paris 3.3.1978, D. 1978, I. R. 420; Cass. com. vom 4.1.1982, Rev. Soc. 1983, S. 95 ff. (Anm. Bukst); Aix. 26.5.1981, RJC 1981, S. 344 ff. (Anm. Cherchouly-Sicard). Die Verurteilung von herrschenden Unternehmen ist selten, denn z. T. besteht eine Tendenz, die faktische Geschäftsleitung auf natürliche Personen zurückzuführen. Insofern wird nicht die Muttergesellschaft selbst, sondern werden ihre Organe haftbar gemacht; dazu Cass. com. 31.1.1978, D. 1978, I. R. 286. 75 Cass. com. 3.2.1982, Bull. Cass. civ. IV Rdnr. 46, S. 38 76 Vgl. Paris 3.3.1978, I. R., 420 mit Anm. Vasseur (Unternehmen in der Krise: die am Unternehmen beteiligte Bank entsendet zeitweise einen Direktor, der dort kraft seiner Autorität in Wirklichkeit die wichtigsten Entscheidungen trifft); Paris 6.1.1977, 65

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

verwalter oder sogar Notare zur Haftung herangezogen worden. Daraus wird ersichtlich, dass das französische Recht von einem weiteren Verständnis des Begriffs des faktischen Geschäftsleiters als das deutsche Recht ausgeht, indem es als Ansatzpunkt zur Qualifizierung einer Person als faktischer Geschäftsleiter die tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung und nicht die Organverdrängung ansieht. Zur Qualifizierung als dirigeant de fait reicht eine tatsächliche Einflussnahme auf dem Gebiet der als haute gestion verstandene Unternehmensleitung aus77, gleichgültig ob sie zu einer Verdrängung des rechtmäßigen Geschäftsleiters führt. Der dirigeant de fait muss diejenigen Funktionen wahrnehmen, die ihn in die Lage versetzen, über das geschäftliche und finanzielle Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden78. Reine Überwachungsakte reichen ebenso wenig aus79 wie das bloße Unterlassen80. Die Wahrnehmung von rein exekutiven Aufgaben ist ebenfalls unzureichend81. Von Ausübung der Leitungsmacht kann schließlich nur bei ausreichender Kontinuität der Eingriffe in die Unternehmensführung gesprochen werden. So vermögen das bloße Innehaben einer „herrschenden“ Stellung82, die vereinzelte Einflussnahme auf die Leitungsorgane83 oder die Beteiligung an einem beratenden Ausschuss84 nicht eine faktische Geschäftsleitung zu begründen. Es bleibt jedenfalls bemerkenswert, D. 1977, J 144 mit Anm. Vasseur (Unternehmen in der Krise: die Bank wird nicht allein dadurch zum faktischen Geschäftsleiter, dass sie aktiv Reorganisation und Sanierung des Unternehmens mitgestaltet oder die Berufung eines neuen von ihr unabhängigen Generaldirektors erwirkt). 77 Beispiel aus der Rechtsprechung: Im Fall Elf Aquitaine-Paribas (CA Paris 3.3.1978, D. 1978 I. R. 420 mit Anm. Vasseur) wurde dem faktischen Geschäftsleiter die unternehmerische Fehlentscheidung der massiven Verlustübernahme und der Fortsetzung eines ruinösen Betriebs vorgeworfen. In einem anderen Fall (CA Paris 11.5.1978, RJC 1979, S. 102 ff. mit Anm. Le Guidec) spielte der faktische Geschäftsleiter eine wichtige Rolle im Leben des Unternehmens, indem er als Finanzdirektor der Hauptgläubigerin die Kreditverhandlungen für die Gesellschaft und später auch die Verhandlungen bezüglich des Verkauf von Gesellschaftsanteilen führte, und sogar Anweisungen an die dirigeants de droit erteilte. In einem jüngeren Fall (Cass. crim. 19.9.1994 – unveröffentlicht) hatte der faktische Geschäftsleiter die Bestimmung der Geschäftspolitik der SA übernommen, Verhandlungen mit den wesentlichen Kunden der Gesellschaft durchgeführt und grundlegende Investitionsentscheidungen getroffen; vgl. auch CA Paris 16.5.1975, Dr. Soc. 1975 som., S. 121; Cass. com. 23.3.1971, Bull. Civ. 1971 IV, no 91; CA Aix 30.9.1975, Dr. Soc. 1976, som., S. 2 ff. 78 CA Paris 16.5.1975, Dr. Soc. 1975, som., S. 121; Note, JCP 1980, éd. G. I, Rdnr. 8560. 79 Cass. com. 6.2.1979, Rev. Soc. 1979, S. 548 (Anm. Guyenot); Cass. crim. 28.2.1983, PA 8.6.1984, S. 37; Cass. com. 5.2.1973, Bull. civ. IV no 58. 80 Rennes 6.8.1974, GP 1976 ed. J, S. 358 ff. (Anm. Delaisi); Colmar, 13.1.1976, D. 1977, I.R. 54 (Anm. Derrida). 81 Vgl. Cass. com. 15.7.1986, Rev. proc. col. 1987, S. 64; Aix 30.9.1975, Dr. Soc. 1976, som. S. 2 ff.; Paris 7.5.1975, som. 121; vgl. noch Notté, Les dirigeants de fait, Rdnr. 145, Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 99 ff., 157. 82 Vgl. Cass. com. 8.12.1975, Bull. civ. IV Rdnr. 291, S. 241. 83 Vgl. Ohl, Rdnr. 369, S. 265; Notté, Les dirigeants de fait, Rdnr. 132.

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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dass die Qualifizierung einer Person als faktischer Geschäftsleiter der prosperierenden Gesellschaft nicht zu einer leitungsbezogenen Innenhaftung laut Artt. 52, 244 L. 1966, sondern zu einer Schadensersatzhaftung nach den deliktsrechtlichen Vorschriften der Artt. 1382, 1383 Cc führt85. Eine Erstreckung der organschaftlichen Leitungsverantwortung besteht nur im Insolvenzrecht, wo die leitungsbezogenen Haftungsvorschriften der Artt. 180, 182 InsG 1985 ebenfalls auf die dirigeants de fait anwendbar sind. Eine analoge Anwendung der Artt. 52, 244 L. 1966 auf die dirigeants de fait der prosperierenden Gesellschaft scheidet nach der Rechtsprechung aus, die hierbei im Gegensatz zum Schrifttum86 keine Gesetzeslücke, sondern eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers sieht87. III. Tatbestandsmerkmale der Leitungsverantwortung 1. Pflichtverletzung Was den Tatbestand der pflichtverletzenden Leitung anbelangt, gehen beide Rechtsordnungen von einer generalklauselartigen Beschreibung der Pflichten von Unternehmensleitern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben aus. So schreiben etwa §§ 93 II AktG bzw. 43 II GmbHG vor, dass die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer ihre Pflichten verletzen, soweit sie ihre Aufgaben nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. Kaufmanns wahrnehmen. Ähnlich schreiben Artt. 52, 244 L. 1966 vor, dass die leitenden Organen der Gesellschaft sowohl wegen Gesetzes- bzw. Satzungsverstößen als auch wegen jeder fehlerhaften Geschäftsführungsmaßnahme (faute de gestion) gegenüber der Gesellschaft haften. Angesichts der Tatsache, dass die Verhaltensanforderungen an die leitenden Organe nur unvollständig im Rahmen eines Anstellungsvertrags oder sogar in der Satzung konkretisierbar sind, wird die ökonomische Funktion solch einer generalklauselartigen Auffassung bei der Reduzierung der Transaktions- bzw. Verhandlungskosten (agency costs) ersichtlich88: Die generalklauselartige Fassung dient unter anderem dem effektiven Schutz der Gesellschaft für den Fall einer unzulänglichen Behandlung der Verhaltenspflichten ihrer leitenden Organe im Anstellungsvertrag oder in der Sat-

84 Vgl. Notté, Les dirigeants de fait, Rdnr. 125; Cass. com. 23.3.1971, Bull. Civ. IV 1971, no 91; CA Aix 30.9.1975, Dr. Soc. 1976, som., S. 2 ff. 85 Ständige Rechtsprechung, vgl. Cass. com. 6.10.1981, D. 1983, S. 133 (Anm. Soinne); Cass. com. 21.7.1987 (Le Veax de Vascogne), RJC 1988, S. 289. 86 So Soinne, a. a. O. (Fn. 309), S. 134; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 12; Notté in Anm. zu Rouen 23.5.1978, JCP 1979. II. 19235. 87 Soinne, a. a. O. (Fn. 309), S. 135. 88 Vgl. Easterbrook/Fischel, The economic structure of Corporate Law, S. 90–93; Romano (Hrsg.), Foundations of Corporate Law, S. 7 ff., 170 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

zung. Andererseits lässt es sich nicht verkennen, dass sich die aus den angesprochenen Vorschriften resultierenden Verhaltenspflichten gerade wegen der generalklauselartigen Fassung einer generalisierenden Vertypung entziehen. Kodifizierungsversuche, wie etwa der „Rapport Marini“ im französischen Recht oder der „Deutsche Corporate Governance-Kodex“ im deutschen Recht vermögen zwar, die Wertungen des geltenden Rechts in allgemeine Verhaltensstandards umzuwandeln89, an welchen die Gerichte sich in ihren Entscheidungen orientieren90, sie bieten jedoch keine konkreten Lösungsansätze für die Einzelfallumständen an. Außerdem ist ihre Zuordnung zu den Rechtsquellen und damit ihre Verbindlichkeit für die Unternehmensführung nicht unstrittig91. a) Kategorisierung von leitungsbezogenen Verhaltensanforderungen Sowohl das deutsche als auch das französische Recht unterscheiden zwischen originären und gesetzlichen Leitungspflichten92; diese Ausdifferenzierung ist im französischen Recht sogar im Wortlaut der Artt. 52 I, 244 L. 1966 zu erkennen. Soweit leitungsbezogene Verhaltensanforderungen gesetzlich vorgeschrieben sind, handelt es sich um Legalitätspflichten, deren Tatbestand gewissermaßen gesetzlich präzisiert ist. Besonders verbreitet ist im deutschen Schrifttum93 die mit marginalen Unterschieden vorgenommene Untergliederung der leitungsbezogenen Verhaltenspflichten in originäre und gesetzliche Sorgfalts-, Treue- und Verschwiegenheitspflichten, obwohl letztere in der Endanalyse eine Ausprägung der Treuepflicht 89

Vgl. etwa die Präambel im DCG-Kodex. Vgl. etwa zum DCG-Kodex Ulmer, ZHR 2002, S. 166 ff. 91 Ausführlich zum DCG-Kodex vgl. Ulmer, ZHR 2002, S. 156 ff. Orientiert man sich an der Regelung des § 161 Reg. AktG und der darin – durch die Möglichkeit einer Erklärung über die Nichtbefolgung der Verhaltensregel – angelegten „opt out“Lösung, so geht die Vorstellung des Gesetzgebers dahin, von den börsennotierten Gesellschaften die grundsätzliche Befolgung der Kodex-Empfehlungen zu erwarten, ohne sie ihnen jedoch, sei es bindend oder dispositiv, vorzuschreiben; zur Untauglichkeit des DCG-Kodex als Schutzgesetz i. S. von § 823 BGB vgl. Ulmer, ZHR 2002, S. 168 ff. 92 Gesetzlich normierte Sorgfaltspflichten ergeben sich im deutschen Recht bereits aus den §§ 93 III 1–8 AktG bzw. § 43 III GmbHG. Andere Beispiele solcher Legalitätspflichten sind an zahlreiche Stelle festzustellen, vgl. etwa §§ 57 I, 60, 323 AktG. 93 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 147 ff.; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 72; Schlechtriem, Die Haftung der Leitungsorgane, S. 17 ff.; Ebke/Geiger, ZvglRWiss 1994, S. 67 ff.; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 21 ff. (29); etwas differenziert Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 4–6, er vertritt angesichts der organschaftlichen Treubindungen die Ansicht, dass mit der Bestellung zum Vorstandsmitglied die Treubindungen eine rechtsgeschäftliche Basis erlangen, so dass es ihrer Abteilung aus § 93 I 1 nicht erforderlich ist (Rdnr. 5); aus der Rechtsprechung vgl. vor allem BGHZ 49, S. 30, 31; BGHZ 76, S. 352, 355; BGH WM 1964, S. 1320, 1321 ff. (alle zur GmbH). 90

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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darstellen. Die Klassifizierung weist Parallelen mit der bereits aus dem Privatrecht bekannten Unterscheidung zwischen den allgemeinen Verhaltenspflichten nach §§ 276 I 2 BGB, 347 I HGB und den Pflichten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf und ist in rechtsvergleichender Hinsicht auch in vielen Rechtsordnungen etabliert94. Den Kernpunkt der organschaftlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft stellt die Aufgabe der Unternehmensleiter dar, nach bestem Wissen und Gewissen das Unternehmensinteresse zu fördern und ihre Position weder zum eigenen Vorteil noch zur Förderung fremder Zwecke auszunutzen95. Obwohl solch eine organschaftliche Treupflicht positivgesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist96, sind mehrere gesetzlichen Vorschriften Niederschlag dieser Grundeinstellung97, so dass kein Zweifel daran bestehen sollte, dass solch eine Organpflicht zu den acquis juridiques des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts gehört98. Ihr Ursprung beruht auf der treuhänderischen Stellung der leitenden Organe und ihrer damit zusammenhängenden Verpflichtung als Verwalter fremden Vermögens, dem Unternehmensinteresse Vorrang vor den eigenen Interessen und Interessen Dritter einzuräumen. Im französischen Recht wird eine Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung im Gegensatz zum deutschen Recht nicht ausdrücklich vorgeschrieben, sie ist allerdings unter den Begriff der faute de gestion zu subsumieren99. Insofern 94 Zur Unterscheidung zwischen duty of care und duty of loyalty im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht vgl. u. a. American Law Institute, Principles of corporate governance: Analysis and recommendations 1994, Part IV, S. 137 ff., 199 ff.; Buxbaum R., The duty of care and the Business Judgement Rule, S. 79 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 49 ff., 271 ff.; zum englischen Gesellschaftsrecht vgl. Grantham, The Content of the directors duty of loyalty, JBL 1993, S. 159 ff.; Christie M., The Directors duty not to compete, 55 MLR, S. 506; Marta Thomas, The Duties of company directors, EBLR 1999, S. 419 ff.; zum spanischen Recht: Martha Thomas, The Duties of company directors, EBLR 1999, S. 419; vgl. auch Audiencia provincial Madrid Judgment of 17. 01. 95; zum griechischen Recht Marinos, Wettbewerbsverbote – Interessenkonflikte im Kapitalgesellschaftsrecht (auf. griechisch) 1999; zum schweizerischen Recht vgl. Grass, Business Judgement Rule, S. 73, vgl. noch Art. 717 I OR. 95 Vgl. BGH NJW 1986, S. 586 (zur GmbH). 96 Anders im schweizerischen Recht vgl. Art. 717 I 2 OR. 97 So z. B. über den Wettbewerbsverbot des § 88 I AktG (so Raiser, KapGesR3, § 14 Rdnr. 66; Hüffer4, § 84 Rdnr. 9) und § 35 GmbHG (so Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 35 GmbHG, Rdnr. 22). 98 Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 57 ff.; Geßler/Hefermehl, § 76 AktG Rdnr. 8; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 147 ff.; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 72; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 21 ff. (29), aus der Rechtsprechung BGHZ 13, S. 188 ff.; BGHZ 20, S. 239, 246; BGHZ 49, S. 30, 31. Die Annahme einer Treuepflicht der Unternehmensleiter liegt allerdings bereits dem Aktienrecht von 1884 zugrunde. Das Reichs-Oberhandelsgericht hatte in seinem Gutachten zur Stellung von Vorstand und Aufsichtsrat sogar einen weit über die heute anerkannte Treuepflicht hinausgehenden Grundsatz vorgeschlagen (vgl. Schubert/Hommelhoff, 100 Jahre Aktienrecht, S. 207 ff.). 99 Scholastique, Le devoir de diligence, S. 8; Didier, Droit Commercial, t. 22, Rdnr. 238.

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erfüllt im französischen Recht jede faute de gestion den Tatbestand der sorgfaltswidrigen Unternehmensleitung. Die Konkretisierung der originären Sorgfaltspflichten oblag seit langem der zivilrechtlichen Judikatur, vor allem derjenigen zum Auftragsrecht. Letztere ist allerdings nach dem Erlass von L. 1966 nur noch teilweise verwertbar100. Fraglich bleibt, ob im französischen Recht eine organschaftliche Treuepflicht der Unternehmensleiter gegenüber der Gesellschaft bzw. den Gesellschaftern anzuerkennen ist. Dass Treuebindungen anhand des Anstellungsvertrags begründet werden können, war sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Solch eine Pflicht könnte induktiv auf dem Weg der Gesamtanalogie aus mehreren Vorschriften des französischen Gesellschaftsrechts abgeleitet werden101. Eine eigenständige organschaftliche Loyalitätspflicht der Unternehmensleiter wurde allerdings vor kurzem in der Rechtsprechung des Kassationshofs anerkannt102, was auch mit der Corporate Governance-Debatte zusammenhängt103. Den Wendepunkt brachte diesbezüglich die Entscheidung des Kassationshofs im Fall „Vilnair“ aus dem Jahr 1996104. Dabei handelte es sich um eine Schadensersatzklage gegen den dirigeant einer SA, der den Verkauf seiner eigenen Gesellschaftsaktien zum Preis von 8000 FF pro Aktie mit einer dritten Gesellschaft vereinbart hatte, und gleichzeitig von einem Minderheitsaktionär beauftragt war, als Vermittler beim Verkauf von dessen Aktien zu agieren. Der dirigeant hatte die Aktien seines Auftraggebers mit Hilfe von drei ihm nahestehenden Personen für 3000 FF pro Aktie gekauft und hat sie später an die andere Gesellschaft für 8000 FF pro Stück weiterverkauft, ohne seinem Auftraggeber das günstige Angebot der 100 Diese Entwicklung weist allerdings Gemeinsamkeiten mit der Entwicklung des amerikanischen Rechts der Corporation auf, wo die fiduziarischen Sorgfaltspflichten aus der Institution des Trusts entstanden sind (vgl. Attorney General v. The Utica Insurance Co., 2 Johns Ch. 317 New York 1817; Robinson v. Smith, 3 Paige Ch. 222, New York 1832; Dodge v. Woolsey, 59 U.S. 18 How. 331, 15 L. Ed. 401 1855, wobei von „managerial Trust“ die Rede ist; Prunty, NYU Law Review 1957, S. 994). Im Laufe der Zeit ist bei den fiduziarischen Pflichten im Rahmen unternehmensleitender Entscheidungen ebenso feststellbar, dass es sich zwar nicht um eine vollkommen neue Haftungsform handelt, allerdings haben sich die fiduziarischen Pflichten im Rahmen unternehmerischen Entscheidungen aus den engen Banden des trust Rechts und des agency Prinzips abgelöst und werden heute in immer stärkerem Masse mit der organschaftlichen Stellung des boards verbunden, vgl. Schlensky v. Wrighly 237 N.E. 2d (1968), S. 776; Litwin v. Allen 25 NYS 2d (1940), 667; Conviser v. Simpson, 122 F. SupS. (1954) S. 205.; noch American Law Institute, Principles of Corporate Governance, Tentative Draft Rdnr. 11 (1991), Part IV, S. 130 ff. 101 Vgl. beispielsweise Artt. 423, 425, 437, 438 L. 1966; vgl. noch Caussain, GP 2000, S. 66; Daille-Duclos, JCP 1998, S. 1486 ff. 102 Cass. com., 27.2.1996 („Vilnair“), JCP 1996 éd. G, II, no 22665 (Anm. Ghestin) = D. 1996, J. 518 (Anm. Malaurie); Cass. com. 24.2.1998 („Kopcio“), JCP 1998 ed. E. Pan. 637. 103 Peltier, Rev. dr. banc. 3/4 1997, S. 49; Riggs, GP 2000, S. 63 ff. 104 Cass. com., 27.2.1996 („Vilnair“), JCP 1996 G II, Rdnr. 22665 (Anm. Ghestin) = D. 1996, J. 518 (Anm. Malaurie) = Bull. civ. 1996, IV, no 65.

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Drittgesellschaft mitzuteilen. Der Kassationshof hielt ohne Verweis auf die herkömmlich bei solchen Fällen verwendeten Vorschriften der Artt. 1116, 1382 Cc, die Verheimlichung des Angebots durch den dirigeant für eine Verletzung seiner Treuepflicht gegenüber dem Gesellschafter105. Der Befund des „Vilnair“-Urteils wurde zwei Jahre später anlässlich des „Kopcio“-Falles106 nicht nur bestätigt, sondern auch insofern erweitert, als dass die Loyalitätspflicht eine Bindung der dirigeants nicht nur gegenüber dem Interesse der Gesellschafter, sondern auch gegenüber dem Unternehmensinteresse darstellt107. Der Vorteil der richterlichen Fortbildung solch einer generalklauselartigen Loyalitätspflicht im französischen Recht besteht in erster Linie darin, die außerhalb der gesetzlich normierten Fälle liegenden Tatbestände aufzufangen108. Einigkeit besteht darüber, dass die Loyalitätspflicht eine rechtsformübergreifende Handlungsmaxime109 und ihre Verletzung eine faute de gestion i. S. von Artt. 52, 244 L. 1966 darstellt110. Die Funktionalität und damit die praktische Bedeutsamkeit der Figur einer eigenständigen Treuepflicht hängen jedoch mit einer Reihe von Einzelfragen zusammen, deren Beantwortung sowohl im Schrifttum als auch in der Praxis noch offen bleibt. So sind die rechtsdogmatischen Grundlagen der Loyalitätspflicht noch unklar: Teile des Schrifttums plädieren für eine Anknüpfung der generalklauselartigen Loyalitätspflicht an die Organstellung der 105 Vgl. den Originalwortlaut „. . . (le dirigeant) a manqué au devoir de loyauté qui s’impose au dirigeant d’une société a l’égard de toute associé, en particulier lorsqu’il est un intermédiaire pour le reclassement de sa participation (. . .) que par ces seuls motifs, procédant à la recherche prétendument omise . . .“. 106 Cass. com. 24.2.1998, JCP 1998 ed. E. Pan. 637 = Bull. civ. IV, no 80. Im Fall „Kopcio“ handelte es sich um den dirigeant („K.“) einer später in eine SA umgewandelten SARL („S.I.C.“). K war in seinem Arbeitsvertrag mit einem dreijährigen Wettbewerbsverbot gegenüber S.I.C. gebunden, und hatte kurz nach der Umwandlung der „S.I.C.“ in eine SA und der Neuverhandlung seines Vertrags, sein Amt gekündigt, und eine eigene, mit der „S.I.C.“ konkurrierende, Gesellschaft zu gründen. Die Leitungsposten der neugegründeten Gesellschaft wurden von leitenden Angestellten und Mitarbeitern der „S.I.C.“ besetzt. Letztere hatten zu diesem Zweck ihre Posten bei „S.I.C.“ kurz nach der Gründung der konkurrierenden Gesellschaft gekündigt, was allerdings dadurch vereinfacht wurde, dass K. während seiner Amtszeit viele von den später von ihm rekrutierten Mitarbeitern von ihren Wettbewerbsverbotsklauseln befreit hatte. Der Kassationshof hielt das Abwerben von Mitarbeitern der „S.I.C.“ seitens K. für eine Verletzung seiner Loyalitätspflicht gegenüber S.I.C. 107 Originalfassung des Urteils: „Monsieur K. avait exercé successivement les fonctions de gérant puis après sa transformation en société anonyme de directeur général de la société S., ce dont il découlait qu’il était tenu a une obligation de loyauté a l’égard de cette entreprise (. . .)“; vgl. aber Cass. com. vom 12.2.2002 („Darrés/Locam“), JCP éd. G 2002, IV, 1535 („. . . devoir de loyauté et de fidelité à l’égard de la société . . .“). 108 So Daille-Duclos, JCP 1998, S. 1489; Caussain, GP 2000, S. 66–67. 109 Le Nabasque, RTD com. 1999, S. 283 ff.; Daille-Duclos, JCP 1998, S. 1489; Caussain, GP 2000, S. 68. 110 Daille-Duclos, JCP 1998, S. 1488.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Unternehmensleiter111. Zudem besteht keine Einigkeit bezüglich der Tragweite der Treuebindung der Geschäftsleiter. Vor allem bleibt das Verhältnis zwischen dem Unternehmensinteresse und dem Interesse der Gesellschafter als Maßstab zur Beurteilung der Loyalität des Unternehmensleiters ungeklärt. Da beide Interessenkreise miteinander nicht stets identisch sind, stellt sich die Frage, wie ein potentieller Konflikt zwischen beiden vom treupflichtigen Unternehmensleiter zu entscheiden ist112. Daraus wird ersichtlich, dass die inhaltliche Präzisierung der organschaftlichen Treuepflicht ein weites und anspruchvolles Aufgabenfeld für die Gerichtspraxis darstellen wird. Zu diesem Zweck könnte die Erfahrung anderer Rechtsordnungen mit der Figur der organschaftlichen Treuepflicht auf dem Weg der rechtsvergleichenden Auslegung verwertet werden. b) Die Bindung der Unternehmensleitung an das Gesellschaftsbzw. Verbandsinteresse Im Rahmen ihrer Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung haben die Vorstands- bzw. Verwaltungsratsmitglieder, wie auch die Geschäftsführer diejenigen Grenzen zu beachten, die ihnen durch das Gesellschafts- bzw. Verbandsinteresse (intérêt social) auferlegt werden. Die Bindung der Verbandsorgane an das Verbandsinteresse ergibt sich bereits aus ihrer instrumentalen Stellung als Träger der Willensbildung innerhalb des an sich handlungsunfähigen Zweckverbands113. Im französischen Recht wird sogar gesetzlich ausdrücklich festgelegt, dass die Gesellschaftsorgane an den intérêt social gebunden sind114. So zentral die Bedeutung des Begriffs des Gesellschafts- bzw. Verbandsinteresses sowohl in der deutschen als auch in der französischen gesellschaftsrechtlichen Literatur115 und Rechtsprechung116 ist, so schwer bleibt es noch, den Be111

So Le Nabasque, RTD com. 1999, S. 282–283. Zutreffend Daille-Duclos, JCP 1998, S. 1490; Le Nabasque, RTD com. 1999, S. 285; Caussain, GP 2000, S. 68. 113 Vgl. zum deutschen Recht u. a. Wiedemann, GesR, S. 11 und 155 ff.; Zöllner, Schranken, S. 344; Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 531; Tröger, S. 70 ff.; BGH BB 19678, 731 = JZ 1967, 497 = MDR 1967, 820; BGH BB 1977, 465 = MDR 1977, 560; zum französischen Recht vgl. u. a. Pirovano, D. 1997, S. 189; Guyon, DdA I10, Rdnr. 443; Berr, Rdnr. 446 ff.; D. Schmidt, Les droits de la minorité, Rdnr. 186; Reboul, Rev. Soc. 2000, S. 438. 114 Vgl. zum SARL Art. 13 L. 1966 i.V. mit Art. 49 L. 1966, wonach die Gesellschaftsorgane sich bei der Ausführung der Geschäftsführungsentscheidungen an den Interessen der Gesellschaft zu orientieren haben. Nichts anderes gilt aber trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung für die Organmitglieder der SA (so Calais-Aluloy, S. 221, 223); dazu noch Art. 1848 Cc: demain „dans les rapports entre associés, le gérant peut accomplir tous les actes de gestion qui demande l’intérêt de la société“; rechtsvergleichend vgl. zum italienischen Recht Art. 2441 III Codice Civile („quando l’interessen social lo exige“); dazu Tulio Ascarelli, L’interesse sociale dell’art. 2441 codice cicile, Riv. Societé 1956, S. 93 ff. 112

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griff in der gewünschten Klarheit zu erfassen117. In beiden Rechtsordnungen wird teilweise die Ansicht vertreten, dass unter dem Begriff des Gesellschaftsinteresses bzw. intérêt social allein das Interesse der Gesellschafter zu verstehen sei118. In Frankreich wird dies aus der kombinierten Anwendung der nach allgemeiner Ansicht rechtsformübergreifend geltenden Artt. 1832, 1833 Cc hergeleitet, welche ähnlich wie § 705 des deutschen BGB eine Pflicht der Gesellschafter zur tatsächlichen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Verfolgung des gemeinsamen Ziels begründen (affectio societatis)119. Beide Vorschriften gehen allerdings im Vergleich zum deutschen Recht weiter, indem sie ausdrücklich vorschreiben, dass jede Gesellschaft von den Gesellschaftern in ihrem gemeinsamen Interesse mit dem Ziel gegründet wird (Art. 1833 Cc)120, die aus der Gesellschaftstätigkeit für die Gesellschafter resultierenden Gewinne untereinander zu teilen oder die sich daraus ergebenden Einsparungen zu nutzen (Art. 1832 115 Vgl. zum deutschen Recht Zöllner, K-Komm. AktG2, Einl. Rdnr. 106 ff.; ders., Schranken, S. 18 ff.; Mülbert, ZGR 1997, S. 141 ff.; Wiedemann, GesR, Bd. I, S. 338 ff.; 626 ff.; Hüffer4, § 82 AktG, Rdnr. 9; Ballerstedt, JuS 1963, S. 253 ff.; Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 517 ff.; zum französischen Recht statt vieler Couret, L’interet social, S. 19; Hassler, RTD com. 1984, S. 593; D. Schmidt, Rev. dr. banc. 1995, S. 130 ff.; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 16 ff.; Tricot, RTD com. 1994, S. 617 ff.; Shapira, RTD com. 1971, S. 970; Pirovano, D. 1997, chron. 190; Contin, D. 1968, chron. 45 ff. 116 Vgl. zur deutschen Judikatur statt vieler RGZ 68, 235, 246; RGZ 80, 385, 391; RGZ 107, 72, 76; RGZ 113, 188, 191; RGZ 119, 97, 104; BGHZ 47, S. 172, 180; BGHZ 62, S. 197, 199; BGHZ 64, S. 325, 329 ff.; BGHZ 65, S. 15, 19; BGHZ 70, S. 117, 121; BGHZ 71, S. 40, 44; zum interet social in der französischen Rechtsprechung vgl. statt vieler Cass. com. 18.4.1961, JCP 1961 II, 69087 = D. 1961, S. 661, 662; Cass. com. 22.4.1976 (Etablissement Langlois-Peter), Rev. Soc. 1976, S. 479 = D. 1977, jur. S. 4; Cass. com. 17.10.1989, Rev. Soc. 1990, S. 30 (Anm. Chartier); Trib. Com. Paris, 9.5.1969, JCP 1969 II 16063 (Anm. Guyon); Cass. com. 10.2.1998, RJDA 6/98, S. 517; Paris 4.5.1960 (Anm. Sommer), D. 1960, S. 637 (Anm. Dalsace) = JCP 1960. II. 11745 = Rev. Soc. 1961, S. 195 (Anm. Dalsace); Cass. com. 8.5.1963, Bull. Joly 1963, S. 159 (clause d’alterance). 117 So zum französischen Recht Grossi, Les devoirs, Rdnr. 32; diese Feststellung wurde im deutschen Recht zuletzt anlässlich der rechtsdogmatischen Auseinandersetzung mit dem Shareholder-Value Ansatz ersichtlich vgl. Mülbert, ZGR 1997, S. 140 ff. 118 So im deutschen Recht Kessler, AG 1993, S. 252 ff.; ders., AG 1995, S. 67; Kubicek, WiStra 1981, S. 462; zum französischen Recht vgl. die klassische Stellungnahme von Labbé (S. 337) bereits aus dem Jahr 1883 und den Urteil des Req. 23.2.1891, D. S. 1891. I. 337 = Grands arrêts de la Jurisprudence commerciale, S. 117 (Anm. Garraud), beide unter der Einflusswirkung der kontraktuellen Gesellschaftstheorie; neuerdings D. Schmidt, Les droits de la minorité dans la société anonyme, Rdnr. 82 ff.; ders., Rev. dr. banc. 1995, S. 130 ff.; ders., Rev. dr. banc. 1994, S. 204 ff.; Hassler, RTD com. 1984, S. 593; aus der Rechtsprechung vgl. Cass. com. 26.3.1996, Bull. civ. IV, Rdnr. 94, S. 79 = Rev. Soc. 1996, S. 487 (Anm. Godon) = RTD civ. 1997, S. 422 (Anm. Mestre) = RTD com. 1996, S. 487 (Anm. Petit/Reinhard). 119 So D. Schmidt, Rev. dr. banc. 1995, S. 130 ff. 120 So der Originalwortlaut des Art. 1833 Cc – modifiziert gemäß L. 78-9 vom 4.1.1978: „toute société doit avoir un objet licite et être constituée dans l’interet commun des associés“.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Cc). Das gemeinsame Interesse der Gesellschafter setzt allerdings keine Interessenidentifizierung voraus. Eventuelle Dissonanzen unter den Gesellschaftern können durch das Mehrheitsprinzip (gouvernement majoritaire) gelöst werden121. Die Ansicht einer Identifizierung des Gesellschaftsinteresse mit demjenigen der Gesellschafter hat in der französischen Rechtsprechung ihren Niederschlag gefunden122 und wurde unter dem Einfluss der angelsächsisch geprägten Corporate-Governance Debatte von mehreren Gutachten zur Reform des französischen Gesellschaftsrechts übernommen123, ohne sich allerdings als herrschende Meinung zu etablieren. Dementgegen wurde – neben der nicht gerade zweifelsfreien Anwendbarkeit der Artt. 1832, 1833 Cc auf Kapitalgesellschaften124 – eingewandt, dass solch eine monistische Betrachtung die Verselbstständigung der Gesellschaft als juristische Person gegenüber den Gesellschaften verkennt und damit das Verbandsinteresse mit dem Interesse der Mehrheit identifiziert, obwohl das keineswegs immer der Fall sein muss: Allein die Fälle des Mehrheitsmissbrauchs bzw. abus de majorité zeigen, dass das Verbandsinteresse durchaus mit dem Interesse der Minderheit übereinstimmen kann, in deren Handlung dann die Wahrung des Verbandsinteresses liegt125. Die in beiden Rechtsordnungen h. M. betrachtet das Gesellschafts- bzw. Verbandsinteresse als Eigeninteresse (intérêt propre) der rechtsfähigen Gesellschaft, die aufgrund ihrer rechtlichen Verselbstständigung gegenüber den Kapitalanteilseignern als gesonderter Interessenträger anzusehen ist126. Mit der Gründung 121 Vgl. dazu D. Schmidt, JCP 1994, ed. E, Rdnr. 404; ders., Les droits de la minorité, Rdnr. 82 ff., 88 ff.; Lyon-Caen/Lyon-Caen, La doctrine de l’entreprise, t. 7, S. 609. 122 Vgl. Cass. com. 18.4.1961, JCP 1961 II, 69087 = D. 1961, S. 661, 662; Cass. com. 22.4.1976 (Etablissement Langlois-Peter), Rev. Soc. 1976, S. 479 = D. 1977, jur. S. 4; Cass. com. 17.10.1989, Rev. Soc. 1990, S. 30 (Anm. Chartier); Trib. Com. Paris, 9.5.1969, JCP 1969 II 16063 (Anm. Guyon); Cass. com. 10.2.1998, RJDA 6/98, S. 517; Paris 4.5.1960 (Sommer), D. 1960, S. 637 (Anm. Dalsace) = JCP 1960 II 11745 = Rev. Soc. 1961, S. 195 (Anm. Dalsace); Cass. com. 8.5.1963, Bull. Joly 1963, S. 159. 123 Rapport Marini, S. 9 ff.; De Roux, Proposition de loi sur l’abus de biens sociaux, Le Monde 6.5.1996 = Vie judiciaire 12.5.1996, Rdnr. 2613, S. 3. 124 Im einzelnen dazu Ducouloux-Favard, D. 1995, chron. 177 ff., welcher in Anlehnung an Art. 1834 Cc die Ansicht vertritt, dass der Begriff des interet commun des actionnaires auf die Kapitalgesellschaft unanwendbar ist. 125 Vgl. zum deutschen Recht Zöllner, Schranken, S. 19; zum französischen Recht Cass. com. 4.10.1994, Defrénois 1995, S. 251 (Anm. Le Cannu); Tricot, RTD com. 1994, S. 617; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 11; Le Cannu, Rev. Soc. 1982, S. 807; Rives-Lange, in: La loi de la majorité, Rev. jur. comm. no spéc. Nov. 1991, S. 70 ff.; Paillusseau, La société anonyme, S. 200 ff.; Champaud, Le povoir de concentration, Rdnr. 161; Shapira, RTD comm. 1971, S. 966 ff. 126 So im deutschen Recht Zöllner, Schranken, S. 18 ff.; ders., K-Komm. AktG2, Einl. Rdnr. 106; Mülbert, ZGR 1997, S. 141 ff.; Ziemons, S. 87 ff.; 97 ff.; 130 ff.; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 189; zum französischen Recht vgl. Paillusseau, La société anonyme, S. 196; ders., JCP 1984, éd. E., II, 14193; ders., D.

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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der Gesellschaft als juristische Person wird der gemeinsame Zweck zum überindividuellen Verbandszweck erhoben i. S., dass Letzterer nicht mehr einen Zweck der Gesellschafter, sondern einen Zweck der entstehenden Körperschaft darstellt127. Überindividuell ist der Verbandszweck freilich nur in dem Sinne, dass er unabhängig von den Interessen des einzelnen Mitglieds besteht, nicht etwa in dem Sinne, dass er auch über dem Interesse der Mitgliedergesamtheit steht: Der Verband stellt zwar eine Vereinigung von Rechtssubjekten dar, die ihn zur Verfolgung eines begrenzten Ziels errichten, ihm kommt aber kein eigener, gar übergeordneter Wert im Verhältnis zu den Mitgliedern in ihrer Gesamtheit zu128. Aufgabe des Verbandszwecks und des darauf bezogenen Verbandsinteresses ist es, gegenüber den divergierenden Individualinteressen der Mitglieder zu wirken. Deshalb wird im seltenen Fall des Gleichklangs dieser Interessen seine Funktion überflüssig, eine Bindung der einigen Mitgliedergesamtheit an den Zweck wäre sogar funktionswidrig. Als Haupterkenntnisquelle des Verbandszwecks und des darauf bezogenen Verbandsinteresses kommt der Unternehmensgegenstand (objet social) als sachliches Unternehmensziel in Betracht129. Für den Fall einer normtypischen Kapitalgesellschaft mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung besteht ihr Formalziel bzw. ihr darauf bezogenes Interesse in der Gewinnerzielung zugunsten der vor1997 chron. 97; Monsallier, Rdnr. 759 ff.; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 5 ff.; vgl. noch Art. 1848 Cc demnach „dans les rapports entre associés, le gérant peut accomplir tous les actes de gestion qui demande l’intérêt de la société“. 127 Vgl. zum deutschen Recht Tröger, S. 70; zum französischen Recht vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 443; Pirovano, D. 1997, S. 189; Berr, Rdnr. 446 ff.; Reboul, Rev. Soc. 2000, S. 438. 128 So zum deutschen Recht Zöllner, Schranken, S. 20; ders., K-Komm. AktG2, Einl. Rdnr. 109; Tröger, S. 69; zum französischen Recht vgl. in diese Richtung D. Schmidt, Les droits de la minorité, Rdnr. 76 ff.; noch David, Rapport général, in: Travaux et recherches de l’institut de Droit comparé de l’université de Paris (ed.), La personnalité morale et ses limites, S. 23. 129 So erstmals zum deutschen Recht im Urteil des Reichsgerichts vom 4.6.1940 (RGZ 164, 129, 140). Seitdem wird die These des Reichsgerichts von vielen Autoren neben einer begrifflichen Abgrenzung als für die inhaltliche Bestimmung des Verbandszwecks hilfreich herangezogen, vgl. Zöllner, Schranken, S. 27; Mülbert, ZGR 1997, S. 141; Baumbach/Hueck-Fastrich17, § 1 GmbHG, Rdnr. 5 m. w. N. Dies erschöpft allerdings nicht die Diskussionsbreite in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Formalziel und dem Unternehmensgegenstand im deutschen Recht. Teilweise werden Unternehmensgegenstand und Formalziel auch in eine Mittel-Zweck-Relation gestellt (OLG Hamburg BB 1968, S. 267 = GmbHR 1968, S. 118; Kraft, K-Komm. AktG2, § 23 Rdnr. 43; Scholz/Emmerich9, § 1 GmbHG, Rdnr. 43). Die h. M. betrachtet allerdings das Formalziel und den Unternehmensgegenstand als Element eines übergeordneten Verbandszwecks (Zöllner, Schranken, S. 27; ders., K-Komm. AktG, § 179 Rdnr. 112; Lutter/Hommelhoff 15, § 1 GmbHG, Rdnr. 4; Grossmann, Unternehmensziele, S. 12 ff.). Das Verhältnis zwischen „but social“ und „objet social“ wird im französischen Recht nur wenig erörtert (vgl. D. Schmidt, Les Droits de la minorité, Rdnr. 70 ff.), was teilweise auf die gesetzliche Bestimmung der Formalziele von Gesellschaften (Artt. 1832, 1833 Cc) zurückzuführen ist.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

handenen Gesellschafter, darauf hat sich die Verwaltung bei ihrer Leitungstätigkeit auszurichten130. Das lässt sich im französischen Recht bereits aus dem rechtsformübergreifend geltenden Art. 1832 Cc entnehmen131. Dem deutschen Recht fehlt eine äquivalente Vorschrift, jedoch kann man induktiv über die kombinierte Anwendung mehrerer gesellschaftsrechtlicher Vorschriften zum gleichen Ergebnis kommen132. Ob die Gewinnerzielung als Gewinnmaximierung oder als angemessener Gewinn zu verstehen sei, wird gesetzlich weder im deutschen noch im französischen Recht definiert. Die in beiden Rechtsordnungen h. M. lehnt das Formalziel einer Gewinnmaximierung ab133; sie geht davon aus, dass die Unternehmensleitung innerhalb der Anforderungen des Gesellschaftsinteresses operiert, wenn sie auf die Erzielung eines angemessenen Gewinns im Sinne eines zur substanziellen Erhaltung von Kapital- und Ertragskraft ausreichenden und der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens dienenden Gewinn ausgerichtet ist134. Die virulente Verbreitung des Shareholder Value-Ansatzes135 zur Bewertung unternehmerischen Handelns bei börsenno130 So im deutschen Recht Zöllner, K-Komm. AktG2, Einl. Rdnr. 106, 107; ders., Schranken, S. 23 ff., 73 ff.; Mülbert, ZGR 1997, S. 141; Schön, ZGR 1996, S. 440; Hüffer4, § 82 AktG, Rdnr. 9; im Ansatz auch Mertens, K-Komm. AktG2, § 82 Rdnr. 12; Wiedemann, GesR, Bd. I, S. 338 ff., 626 ff.; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 23 ff.; zum französischen Recht vgl. bereits Despax, S. 203 ff., 305; Rapport Marini, S. 9; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 16; Paillusseau, La société anonyme, S. 80, 175 ff.; D. Schmidt, JCP 1994, ed. É, no 404; ders., Les droits de la minorité, Rdnr. 81 ff.; noch CA Paris 28.2.1959, JCP 1959. II. 11175. 131 Vgl. Monsallier, Rdnr. 771. 132 So wird etwa in § 90 I Nr. 2 AktG vorgeschrieben, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat über die Rentabilität der Gesellschaft zu berichten hat. Diese Berichtspflicht indiziert die Verpflichtung des Vorstands, für die Rentabilität der Gesellschaft zu sorgen. Die die Gewinnverteilung betreffenden §§ 58, 174 und 254 AktG zwar beziehen sich nicht auf den Vorstand, jedoch verlieren ihren Anwendungspotenzial, soweit kein Gewinn erwirtschaftet wird; dazu ausführlicher Wiedemann, FS Barz, S. 573; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 24 ff.; Duden, FS Kunze, S. 129 ff., Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 523. 133 Mülbert, ZGR 1997, S. 156 ff.; Zöllner, Schranken, S. 28, 344; Müller, FS Semler, S. 199. 134 So im deutschen Recht Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 22; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 27 ff.; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 217 ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 361; Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, S. 166 ff.; Raiser, ZHR 1980, S. 215 ff.; Jürgenmeyer, S. 103; Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 13; Rittner, WirtschaftsR2, § 8 Rdnr. 32; Junge, FS von Caemmerer, S. 547; aus der Rechtsprechung exemplarisch OLG, Hamm AG 1995, S. 512, 514 („Harpener/Omni“); zum französischen Recht vgl. u. a. Paillusseau, La société anonyme, S. 200; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 19; in diese Richtung auch Grossi, Les devoirs, Rdnr. 38 ff. 135 Vgl. Rappaport, Creating Sharholder Value, 1986 (deutsche Übersetzung: Rappaport, Shareholder Value-Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, 1995 – im Folgenden wird nach der deutschen Ausgabe zitiert); Copeland/Koller/Murrin, Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, 1994; Bühner, Das Management-Wert-Konzept, 1990; Bischoff, Das Shareholder Value-Konzept, 1994; Pape, Wertorientierte Unternehmensführung und Controlling, 1997.

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tierten Gesellschaften scheint jedoch, den relevanten Diskurs in beiden Rechtsordnungen wieder belebt zu haben136. c) Shareholder Value-Ansatz und Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung Der Shareholder Value-Ansatz stellt aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Rechengröße zur Ermittlung des Wertes einer Unternehmung dar. Seiner Konzeption liegt unter anderem der Aktionärstypus eines auf portofoliotheoretischer Basis137 agierenden, optimal risikodiversifizierten individuellen Investors zugrunde. Sein Charakteristikum besteht darin, dass der angesprochene Ansatz in Bezug auf die Kapitalkosten die Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung mit den kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodellen verknüpft, und den Unternehmenswert in engem Zusammenhang mit dem Aktienkurs bringt138. Bei näherer Betrachtung lassen sich zahlreiche, an dieser Stelle jedoch nicht näher zu erfassende Detailvarianten zur Berechnung dieser Rechengröße unterscheiden139. Im Kern wird der Unternehmungswert übereinstimmend als Summe dreier Komponenten definiert: des Barwerts des betrieblichen cash flow während der Prognoseperiode, des Residualwerts als Barwert aller cash flow nach Ende des Planungszeitraums und des Marktwerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Als Faktor für die Diskontierung der Zahlungsströme werden die Kapitalkosten herangezogen, die dem gewichteten Mittelwert aus Eigen- und Fremdkapitalkosten entsprechen. Der Shareholder Value entspricht demnach der Differenz aus dem so berechneten Unternehmungswert und dem Wert des Fremdkapitals140. Was die Bestimmung der Eigenkapitalkosten betrifft, greift der Shareholder Value-Ansatz auf das Capital Asset Pricing Modell (CAPM) zurück. Die Eigenkapitalkosten ergeben sich demnach aus der Addition der Rendite quasirisikofreier Anlagen und einer Prämie für das aktientypische Risiko. Die Risikoprämie wird als Ergebnis des durchschnittlichen Risikozuschlags des Aktienmarktes und eines a-Faktors für das unternehmungsspezifische Risiko definiert141. Die durchschnittliche Risikoprämie wird schließlich 136 Vgl. zum deutschen Recht Mülbert, ZGR 1997, S. 129 ff.; Groh, DB 2000, S. 2153; von Werder, ZGR 1998, S. 69 ff.; Dieterich, Mitbestimmung 1996, H 12, S. 57; zum französischen Recht Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 19 ff.; Hénisse, Les enterprises francaises jugées á l’aune de la création de valeur actionnariale, Les Échos, 1/ 1997; Henrot, L’objectif numéro un du conseil d’administartion, c’est la performance finacière: Le Monde, 14.7.1995; Pesses-Boumard, La valeur actionnariale, nouvelle grille pour l’analyse financière francaise: Les Èchos, 5.4.1995; Rapport Marini, S. 9. 137 Dazu statt vieler Elton/Gruber, Portfolio Theory and Investment Analysis5, S. 294 ff.; Brealy/Myers, Principles of Corporate Finance5, S. 198 ff. 138 Vgl. von Werder, ZGR 1998, S. 72; Mülbert, ZGR 1997, S. 134 ff. 139 Vgl. Bischoff, Das Shareholder Value-Konzept, S. 88 ff.; Pape, Wertorientierte Unternehmensführung und Controlling, S. 104 ff. 140 Rappaport, S. 53 ff.; von Werder, ZGR 1998, S. 71 ff.

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aus der Differenz zwischen der durchschnittlichen Performance von Aktien (Dividenden zuzüglich Kurssteigerungen) und der Rendite quasirisikoloser Anlagen definiert142. Daraus folgt, dass bei steigendem Aktienkurs der Eigenkapitalkostensatz und der Unternehmenswert steigen. Das bedeutet praktisch, dass die Anwendung des Shareholder Value-Ansatzes aus unternehmenspolitischer Sicht zu Implikationen in Bezug auf die strategische Unternehmensplanung des Unternehmens führen kann. Selbst wenn es sich nicht um eine normative Größe, sondern um einen betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungsansatz handelt, lässt sich nicht verkennen, dass die virulente Verbreitung des Ansatzes im Zeitgeist der global verknüpften Kapitalmärkte zur faktischen Etablierung entsprechender Maßstäben führen kann, an denen die Effizienz der Unternehmensleitung nicht nur im Rahmen des market for Corporate control143, sondern auch gerichtlich zu messen ist. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll vor allem die Vereinbarkeit solch eines Bewertungsansatzes mit den Grundwertungen des Kapitalgesellschaftsrechts geprüft werden. Diesbezüglich ist in erster Linie zu beachten, dass im Mittelpunkt des Shareholder Value-Ansatzes der risikodiversifizierende Einzelanleger steht, während die normtypische AG bzw. SA als Zweckverband i. S. einer Personenvereinigung, die einen überindividuellen Zweck verfolgt, errichtet wird. Individuelle Vermögensinteressen der einzelnen Mitglieder sind nur insoweit relevant, als sie reflexartig im Rahmen der Verfolgung des Verbandzwecks bedient werden können. Dieser den Verband in den Mittelpunkt stellenden Konzeption entsprechend soll das Gewinnziel der normtypischen Aktiengesellschaft interpretiert werden. Die Präzisierung des formalen Unternehmensziels der Gewinnerwirtschaftung nimmt aus der Sicht der konkreten Aktiengesellschaft, wenn man sich den Kapitalmarkteffekt der Portfoliodiversifikation hinwegdenkt, eine andere Gestalt an als aus der Sicht des optimal diversifizierten Portfolioinvestors. Bei der Bestimmung der Eigenkapitalrisikoprämie treten gewichtige Unterschiede auf, denn im Unterschied zum CAPM kann die Gesellschaft aus ihrer Sicht nicht ohne weiteres von einer optimalen Diversifikation ausgehen. Vielmehr ist insoweit die Risikoprämie entsprechend dem spezifischen Risikoprofil der von der Gesellschaft konkret betriebenen unternehmerischen Aktivitäten festzusetzen. Anders ausgedrückt: die Risikosituation aus der Sicht der Gesellschaft ist dann die gleiche wie diejenige eines Investors, der als einzige Anlage die Aktien der Gesellschaft hält144. Die unterschiedliche Risikoeinschätzung und die daraus resultierenden Divergenzen in der Berechnung der Eigenkapitalprämie als Element der Kapitalkosten einerseits aus der Sicht des 141 142 143 144

S. 63.

Vgl. Brealy/Myers, Principles of Corporate Finance5, S. 180 ff. Vgl. Busse von Colbe, ZGR 1997, S. 278 ff. Vgl. Lipka, Managementeffizienz und Kapitalmarktkontrolle, S. 205 ff. Mülbert, ZGR 1997, S. 159 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen,

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konkreten Investmentportfolios der Gesellschaft und andererseits aus der Sicht des optimal diversifizierten Portfolioinverstors kann demnach zu erheblichen Unterschieden in der Kapitalallokation bei Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen führen. Damit ist keinesfalls gemeint, dass der Unternehmensführung der Aktiengesellschaft grundsätzlich verboten ist, die dem Shareholder Value Ansatz eigene Risikoperspektive des diversifizierten Portfolioinvestors in ihre Kapitalallokationsentscheidungen einfließen zu lassen. Dagegen spricht aus rein unternehmerischer Sicht bei aktiv an der Börse gehandelten Gesellschaften, dass bei solchen Gesellschaften der typische Investor ein diversifizierter Portfolioinvestor sein wird. Selbst Investoren, die dies nicht sind, werden auch ein Interesse an der Kapitalmarktfähigkeit solcher Gesellschaften haben145. Grundsätzlich kann also der Gesichtspunkt der Optimierung der Eigenkapitalfinanzierung es rechtfertigen, das Risiko- und Kapitalkostenkalkül des diversifizierten Portfolioinvestors in die Desinvestitionsentscheidungen der Verwaltung Eingang finden zu lassen, soweit sich damit eine Verbesserung der Finanzierung des unternehmerischen Aktivitätenportefeuilles der Gesellschaft und damit einhergehend eine Erhöhung der Ertragskraft rechtfertigen lässt146. Die Beurteilung, was hier wirtschaftlich sinnvoll ist, muss situativ entschieden werden. Es wird sich jedenfalls um eine Leitungsentscheidung handeln, ob das Shareholder Value-Konzept eine situativ adäquate Unternehmensstrategie darstellt und es gehört demnach zu den Aufgaben der Unternehmensleitung, im eigenen Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Umsetzung der Shareholder-Value Ansatzes an die konkreten Aktionärsinteressen rückzukoppeln ist147. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Verwaltung diversifizierte Portfolioinvestoren gegenüber anderen Investoren bevorzugt, indem sie ihr Handeln an deren Risikoprofil ausrichtet, sondern allein die rechtliche Tragfähigkeit der getroffenen Entscheidung: Der Shareholder ValueAnsatz wird durch das erwerbswirtschaftliche Formalziel der Aktiengesellschaft weder strikt angeordnet, noch von vorne herein ausgeschlossen. Es handelt sich vielmehr um ein dem Ermessen der Unternehmensführung unterfallendes Instrument des strategischen Finanzmanagements, aus dem weder eine Änderung noch eine zwingende inhaltliche Konkretisierung der Zweckbindung der Gesellschaftsorgane bei der Erfüllung ihrer Leitungsaufgaben abzuleiten ist148. 145 Noch weiter: Wie der Fall Haniel im deutschen Recht praktisch belegt, kann sich die unternehmerische Opportunität des Shareholder Value Ansatzes auch bei nicht börsennotierten Familiengesellschaften ganz einfach aus der Akzeptanz dieses Modells unter den Kapitalgesellschaftern ergeben, wenn dies nach den Regeln des öffentlichen Kapitalmarkts behandelt werden wollen; dazu Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 64; Siegert, Zfbf 1995, S. 580 ff. 146 Mülbert, ZGR 1997, S. 162; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 64. 147 Mülbert, ZGR 1997, S. 162; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 64. 148 So auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 65; Schmidt/Splinder, FS Kübler, S. 550 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

d) Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime für die Unternehmensleitung Fraglich bleibt in diesem Kontext, ob und in welchem Maß über die Interessen der Anteilseigner hinaus die Interessen der anderen unternehmensbezogenen Gruppen (Stakeholder), insbesondere der Belegschaft, der Gläubiger oder sogar der Allgemeinheit von der Unternehmensleitung mitzuberücksichtigen sind. Diese Debatte hat sowohl im deutschen wie auch im französischen Recht ihren juristischen Ausdruck im Begriff des Unternehmensinteresses (intérêt de l’entreprise) gefunden. Die Problematik stellt einen Teil der sich noch im Fluss befindenden Diskussion über die Entwicklung vom Gesellschaftsrecht zum Unternehmensrecht dar149. Sie basiert sich auf das instrumentelle Verständnis des Unternehmens als eine auf der organisatorischen Verbindung von Personen und sachlichen Mitteln beruhende Institution, welche nach ökonomischen Methoden arbeitet und wirtschaftliche Güter oder Dienstleistungen hervorbringt, um über den Markt die Nachfrage der Allgemeinheit nach ihren Produkten zu decken und mit dem Erlös die Einkommenswünsche und sonstigen Bedürfnisse seiner Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter zu befriedigen150. Der Begriff des Unternehmensinteresses gehört in beiden Rechtsordnungen angesichts seiner materiellen Offenheit und dynamischen Größe zu den umstrittensten und facettenreichsten Formeln des Gesellschaftsrechts. Obwohl er von einem Teil des Schrifttums angesichts der fehlenden Rechtssubjektivität des Unternehmens als unoperationalisierbar und sogar ideologisch gefährlich151 angesehen wird, lässt sich nicht verkennen, dass der Begriff sowohl im Schrifttum152 als auch in der Gerichtspraxis153 und Gesetzgebung154 auch europa149 Vgl. dazu statt vieler Raiser, FS Ballerstedt, S. 561 ff.; ders., KapGesR3, § 6 Rdnr. 1 ff.; m. w. N.; Paillusseau, D. 1996, chron. 287; ders., D. 1997, chron. 97. 150 Vgl. dazu Raiser, ZHR 1980, S. 231; Ballersted, FS Duden, S. 22; Rittner, Wirtschaftsrecht2, S. 124; Flume, Juristische Person I/2, S. 48 ff.; Paillusseau, La société anonyme, S. 65 ff.; ders., JCP 1984, éd. E., II, 14193; ders., D. 1997, chron. 97; Despax, S. 255 ff. 151 So etwa Grossmann, Unternehmensziele, S. 105 ff.; Zöllner, K-Komm. AktG2, Einl. Rdnr. 129 ff.; Wiedemann, GesR, Bd. I, S. 472 ff. 152 Vgl. zum deutschen Recht OECD-Grundsätze für Corporate Governance, Punkt II. 1(a) in DB 2000, S. 239; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 33 ff.; Junge, FS von Caemmerer, S. 554; Raisch, FS Hefermehl, S. 357; Jürgenmeyer, S. 233 ff.; Teubner, ZHR 1985, S. 573; Rittner JZ 1980, S. 113 ff.; Schilling ZHR 1980, S. 136; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 19; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 7; Peltzer/von Werder AG 2001, S. 1 ff.; zum französischen Recht vgl. Paillusseau, La société anonyme, S. 82 ff., 200 ff.; ders., JCP 1984 éd. E, 14193; ders., D. 1999, chron. 157; Contin, D. 1967, chron. 45; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 23 ff.; Shapira, RTD com. 1971, S. 967; Bousquet, D. 1983, I.R., S. 72; Despax, Rdnr. 192 ff.; Tricot, S. 617; in diese Richtung auch Rapport Viennot über den „Conseil d’administration des sociétés cotées“ („L’intérêt social peut ainsi se définir comme l’intérêt supérieur de la personne morale elle-même, c’est à dire de entreprise considé-

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weit155 etabliert ist. Im deutschen Recht knüpft die rechtsdogmatische Begründung des Unternehmensinteresses als normative Größe z. T. an die Entstehungsgeschichte des AktG 1965 und die implizierte Fortgeltung des § 70 I AktG 1937 an, wonach der Vorstand die Gesellschaft zum Wohl des Betriebs, seiner Gefolgschaft und zum gemeinsamen Nutzen von Volk und Reich zu leiten hatte156. Ebenso verbreitet ist die Ansicht, nach der das Unternehmensinteresse als Leitungsmaxime rechtsdogmatisch mit dem Hinweis auf die verfassungsrechtlich verankerte Sozialpflichtigkeit allen Eigentums (Art. 14 II GG) zu rechtfertigen ist157. Weniger plausibel erscheint die dogmatische Herleitung des rée comme un agent économique, autonome, poursuivant ses fins propres, distinctes notamment de celles de ses actionnaires“). 153 Vgl. BGHZ 36, S. 296, 306; BGHZ 62, S. 193, 197; BGHZ 64, S. 325, 330 ff. (ausdrücklich über das „Unternehmensinteresse“ die Rede); BGHZ 83, S. 106, 120 und 144, 149; BGHZ 136, S. 133, 139 (Interesse der Gesellschaft aus unternehmerischer Sicht); BGHZ 125, S. 239, 243 (sachliches unternehmerisches Interesse); noch BVerfGE 34, S. 103, 112; zum französischen Recht vgl. vor allem die einschlägige Judikatur zur gerichtlichen Bestellung eines Notgeschäftsleiters (CA Paris 22.5.1965, D. 1968, S. 147 mit Anm. Contin = JCP 1965, éd. G. II. 14274) zum abus des biens sociaux (Cass. crim. 26.5.1994, D. 1994 IR, S. 194 = JCP 1994 éd. E, pan. 1014; Cass. crim. 10.7.1995, JCP 1996, éd. G II. 22572 mit Anm. Paillusseau) und zum abus de majorité (Cass. com. 21.1.1997, Bull. civ. IV, no 26, S. 24 = Bull. Jolly 1997, S. 312 mit Anm. Le Cannu; CA Paris 2e ch. B, 27.2.1997, Bull. Joly 1997, S. 573 mit Anm. Garcon = JCP 1997, éd. E. pan. 375 II. 982 mit Anm. Viandier). 154 Zum deutschen Recht wird das MitbestG 1976 als Paradebeispiel solch einer Entwicklung angesehen, vgl. Reuter, AcP 1979, S. 510 ff.; Ballerstedt, ZGR 1977, S. 136; Schilling, ZHR 1980, S. 142 ff. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass der Begriff auch im DCG-Kodex verwendet wird (vgl. Ziffer 4.1.1.), ohne jedoch dort definiert zu sein; zum französischen Recht vgl. Loi 1.3.1984 zur Einführung von comités d’enterprise (Guyon/Coquereau, JCP 1984 éd. E, I, Rdnr. 13426; Jeantin, La Loi du 1.3.1984, Dr. Soc. 1984, S. 604) vgl. noch Loi vom 25.1.1985 (im Folgenden InsG 1985) relative au redressement et la liquidation judiciaires des enterprises (Couret, Cah. dr. entreprise 1996-4, S. 6). 155 In europarechtlicher Hinsicht vgl. beispielsweise die fünfte EG-Richtlinie zum Gesellschaftsrecht (AG-Strukturrichtlinie), KOM (83) 185 endg. und KOM (91) 372 endg., Abl. EG vom 9.9.1983 L.240, S. 2; Abl. EG vom 12.12.1991 C 321, S. 1. Art. 10 a II der Richtlinie schreibt eine Verpflichtung der Unternehmensorgane auf das Unternehmensinteresse ausdrücklich vor; aus rechtsvergleichender Sicht vgl. zum griechischen Recht Triantafyllakis, Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime der Organe (auf gr.), S. 97 ff.; 251 ff.; zum schweizerischen Recht vgl. BGHE 113 II 57; im englischen Recht werden Elemente einer institutionellen Betrachtung des Unternehmens in der einschlägigen Rechtsprechung erst nach dem Urteil in Greenhalg v. Anderne Cinemas Ltd., 1951, Ch 286 CA; vgl. noch Smith v. Croft, 1987 3 BCC 218; vgl. noch Section 309 Company Act 1985, demnach „The matters to which the directors of a company are to have regard in the performance of their functions include the interests of the company’s employees in general as well as the interests of their members“. 156 Vgl. Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 98 ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 352 ff.; Immenga, ZGR 1976, S. 252 ff.; Geßler/Hefermehl, § 76 AktG, Rdnr. 20; Mertens, KKomm. AktG2, § 76 Rdnr. 16; kritisch Rittner, JZ 1980, S. 113; Mülbert, ZGR 1997, S. 148; Wiedemann, GesR, Bd. I, S. 338 ff.

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Unternehmensinteresses als normative Zielsetzung aus der Institutionalisierung der quasiparitätischen Mitbestimmung auf Aufsichtsratsebene bei mitbestimmten Aktiengesellschaften anhand des MitbestG 1976158. Ebenso wenig Resonanz gewann die auf die Savignysche Lehre der juristischen Person als „ideales Ganzes“ beruhende Position des Aktienunternehmens, wonach es sich bei der AG um ein Aktienunternehmen und nicht lediglich um den von Unternehmen zu trennenden Rechtsträger in der Form einer Kapitalgesellschaft handelt159. Im französischen Recht vollzieht sich die Herleitung des Unternehmensinteresses als normative Zielsetzung auf dem Weg der richterlichen Rechtsfortbildung. Den Wendepunkt markierte dazu das Urteil des CA Paris im Fall Fruehauf 160. Dabei handelte es sich um eine französische Gesellschaft, an welcher ein amerikanisches Unternehmen zu 70% beteiligt war. Die französische Gesellschaft hatte mit einem ihrer Hauptabnehmer, mit dem sie 40% ihres Umsatzes tätigte, einen Vertrag über die Lieferung von Lastwagen abgeschlossen, die vom Abnehmer zur Lieferung an die Volksrepublik China bestimmt waren. Auf Veranlassung des amerikanischen Handelsministeriums verlangte die amerikanische Gesellschaft aufgrund ihrer 70%igen Beteiligung, dass die französische Gesellschaft den Lieferungsvertrag stornierte. Der PDG der französischen Gesellschaft sah keine Möglichkeit den Vertrag aufzulösen und den Schaden zu ersetzen. Er trat zurück. Auf Antrag der 30%igen Aktionärsminderheit setzte die Cour de commerce die amerikanische Verwaltungsmehrheit ab und setzte einen mandataire de justice mit der Begründung ein, dass die Gesellschaft ruiniert würde. Insofern erwies sich der Bestand des Unternehmens und die Erhaltung von 600 Arbeitsplätzen als wichtiger im Vergleich zu den durch die amerikanische Verwaltungsrats- und Aktionärsmehrheit vertretenen Interessen der amerikanischen Regierung. Das Gericht hatte bei seiner Urteilsbildung nicht nur auf das Interesse des Aktionärskreises, sondern auch auf dasjenige der Belegschaft abgestellt und zu diesem Zweck einen Notgeschäftsführer bestellt.

157 So etwa Raiser KapGesR3, § 14, Rdnr. 14; Rittner, JZ 1980, S. 113; Wiedemann, ZGR 1980, S. 161 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 32 ff.; kritisch Mülbert, ZGR 1997, S. 149 ff. 158 So vor allem Reuter, AcP 1979, S. 510 ff.; Ballerstedt, ZGR 1977, S. 136; Schilling, ZHR 1980, S. 142 ff.; kritisch Mülbert, ZGR 1997, S. 150 ff.; Wiedemann, FS Barz, S. 577; Paefgen, AG 1992, S. 115 ff. 159 Vgl. vor allem Flume, Juristische Person, I/1, S. 48 ff., 58 ff.; Mertens, KKomm. AktG2, § 76 Rdnr. 17; ders., K-Komm. AktG2, Vorb. § 95 AktG Rdnr. 1; kritisch dagegen Mülbert, ZGR 1997, S. 154 ff.; Rittner, ZHR 1980, S. 334 ff.; John, AcP 1985, S. 214. 160 CA Paris, 22.5.1965, D. 1968, S. 147 (Anm. Contin); diese Stellungnahme reflektiert die bekannte école de Rennes, vgl. dazu Contin, D. 1967, chron. 45; Paillusseau, JCP 1984, éd. E, S. 14193; kritisch dazu Pirovano, D. 1997, chron. 190; Forgoux, GP 1973, II doctr. S. 709; zur Rezeption des Fruehauf-Urteils im deutschen Recht vgl. Flume, Juristische Person II/2, S. 58; Junge, FS von Caemmerer, S. 553.

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So ersichtlich die Etablierung des Unternehmensinteresses auch ist, so schwer bleibt es in beiden Rechtsordnungen, den materiellen Gehalt des Begriffs in der gewünschten Klarheit zu erfassen. Der Versuch einer materiellen Ausfüllung des Begriffs unter Bezugnahme auf die Unternehmensziele erwies sich im deutschen Recht als wenig fruchtbar, denn das deutsche Gesellschaftsrecht schreibt kein bestimmtes, normatives Unternehmensziel vor161. Ebenso wenig fruchtbar erwiesen sich die Versuche, die Unternehmenszielsetzung je nach ihrer Betrachtung als kommunizierende soziale Organisation162, oder als ökonomische Leistungseinheit163 anhand von interdisziplinär begründeten Ansätze inhaltlich zu konkretisieren164. Im relevanten Schrifttum findet man die zwar etablierte, jedoch inhaltlich noch diffuse Behauptung, dass das Unternehmensinteresse darauf gerichtet ist, die Selbsterhaltung, innere Stabilität und den Erfolg des Unternehmens am Markt zu sichern165. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass unter Selbsterhaltung keineswegs ein Interesse des „Unternehmens an sich“ zu verstehen wäre166. Letzteres wäre freilich mit den Vorschriften zur Auslösung und Liquidation der Gesellschaft von den Gesellschaftern inkongruent. Das Unternehmensinteresse sollte konsequent als Vehikel zur Koordinierung bzw. zum Ausgleich unterschiedlicher bzw. divergierenden Interessen im pluralistischen System des Unternehmens angesehen werden167. Eine objektive bzw. wertfreie Konkretisierung des Unternehmensinteresses wird freilich wegen der Multipolarität der zu beachtenden Interessen schwer fallen. Das liegt nicht nur an der 161 Vgl. dazu Grossmann, Unternehmensziele, S. 86 ff.; Mathießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 394; Mülbert, ZGR 1997, S. 146. 162 Vgl. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969; ders., FS Schmidt, S. 101 ff.; Teubner, ZHR 1985, S. 470. 163 Vgl. Köhler, JZ 1956, S. 141; Ballerstedt, JZ 1951, S. 487. 164 Vgl. Duden, FS Kunze, S. 127; Raisch, FS Hefermehl, S. 348 ff.; Raiser, ZHR 1980, S. 214 ff.; ders., FS Schmidt, S. 110 ff. 165 So im deutschen Recht u. a. Raisch, FS Hefermehl, S. 361; Raiser, FS Schmidt, S. 105; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 23; Wiedemann, GesR, Bd. I, S. 626 ff.; in diese Richtung im französischen Recht vgl. Paillusseau, La société anonyme, S. 82 ff.; Bissara, Rev. Soc. 1999, S. 18 ff. 166 Das Stichwort stammt aus dem Werk von Hausmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, 1928, wie auch aus der Schrift von Rathenau, Vom Aktienwesen – eine geschäftliche Betrachtung, 1917; kritisch dagegen Flume, Juristische Person, I/1, S. 37 ff.; Zöllner, Schranken, S. 69 ff.; D. Schmidt, Les droits de la minorité, Rdnr. 76 ff. 167 So im deutschen Recht Wielthölter, S. 41 ff.; Semler, Leitung und Überwachung2, S. 34 ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 357; Schilling, ZHR 1980, S. 144; Raiser, FS Schmidt, S. 110 ff.; ders., MitbestG3, § 25 Rdnr. 110 ff.; Junge, FS von Caemmerer, S. 556; zum französischen Recht vgl. Paillusseau, La société anonyme, S. 86 ff. Die Frage ob es sich bei dem Unternehmensinteresse um einen den Gruppeninteressen übergeordneten Zweck (so etwa Raiser, FS Schmidt, S. 115 ff.), oder um ein einfaches Resultat der Interessenanalyse und der einzelfallbezogenen Interessenabwägung (so etwa Semler, Leitung und Überwachung2, S. 33 ff.) handelt, braucht an dieser Stelle nicht eingehender untersucht werden.

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Abwägung der divergierenden Interessen, sondern vielmehr daran, dass die in Betracht zu kommenden Interessen nicht ohne weiteres definierbar sind168. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass das Unternehmensinteresse nicht stets als idealer Schnittpunkt divergierenden Interessen zu betrachten ist; es kann vielmehr situativ erforderlich sein, spezielle Interessen vorzuziehen, wenn es darauf ankommt, die Bedingungen zu erhalten, unter denen die Personen und Gruppen, welche das spezielle Interesse verfolgen, auch in der Zukunft bereit sind, dem Unternehmen kooperativ zu dienen169. Das Unternehmen wäre sonst nicht zu leiten. 2. Subjektive Tatbestandsmerkmale a) Verschuldensmaßstab Beide Rechtsordnungen konzipieren die Leitungshaftung als Verschuldenshaftung. Was den Verschuldensmaßstab anbelangt, knüpft das deutsche Recht in den §§ 93 I AktG, 43 I GmbHG an den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters an. Beiden Vorschriften wird nach h. M. eine Doppelfunktion insofern zugewiesen, als sie neben dem Verschuldensmaßstab (subjektive Pflichtwidrigkeit) auch einen allgemeinen objektiven Verhaltensstandard in der Form einer generellen Auffangklausel vorschreiben (objektive Pflichtwidrigkeit)170. Die französischen Haftungsvorschriften (Artt. 52, 244 L. 1966) schreiben im Gegensatz zum deutschen Recht keinen besonderen Verschuldensmaßstab vor. Letzteres soll nach h. M. aus den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. Insofern gilt für die dirigeants einer SA bzw. SARL der allgemeine Verschuldensmaßstab des bonus pater familias („bon père de famille“) von Art. 1137 Cc171, wie es auch unter dem Anwendungsbereich 168 Das wird etwa in Bezug auf den Gesellschafterkreis und die Interessendivergenz je nach Präferenzen des einzelnen Anteilseigners ersichtlich: Während ein spekulativer Anteilseigner ein Interesse an hoher Gewinnausschüttung und Steigerung des Börsenwertes haben kann, wird ein risikoaverser Anteilseigner mehr Wert darauf legen, dass seine Aktien möglichst weniger Verlust erleiden. In solchen Fällen sollten die Interessen dezisionistisch von der Unternehmensleitung nach eigenem Ermessen festgelegt werden. 169 So im deutschen Recht Raiser, MitbestG3, § 25 Rdnr. 113; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 28; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 6 ff.; ebenso im französischen Recht vgl. Paillusseau, La société anonyme, S. 86 ff.; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 38; Chaput, Droit des sociétés, Rdnr. 717; Mestre/Blanchard-Sebastien, Rdnr. 1310; Shapira, RTD com. 1971, S. 970. 170 So Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 6 ff.; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 9; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 19; MünchHdb. AG/Wiesner, § 26 Rdnr. 5; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 15; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 4; differenzierend Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 11 ff.; noch Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 6; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 3. 171 Vgl. Berdah, Rdnr. 72; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 127; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 522; Dion, Rdnr. 231; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 203.

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des Code de Commerce der Fall war. Eine Doppelfunktion des Verschuldensmaßstabs ist im Vergleich zum deutschen Recht weniger signifikant, denn bereits der im Wortlaut der Haftungsvorschriften verwendete Begriff des „faute“ deutet in der französischen Rechtsdogmatik auf die schuldhaft begangene Pflichtverletzung hin. Dementsprechend umfasst der Begriff „faute“ nicht nur Vorwerfbarkeit, sondern auch die objektiv pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung172. Insofern besteht keine Notwendigkeit im französischen Recht die objektive Rechtsverletzung und das Verschulden getrennt voneinander zu untersuchen. Der Verschuldensmaßstab der Haftungsvorschriften ist in beiden Rechtsordnungen ein objektiver173, wenngleich relativer. Relativ bedeutet, dass sich das Maß der anzuwendenden Sorgfalt nicht absolut bestimmen lässt, sondern sich situativ nach den Einzelfallumständen richtet, für die die Frage nach der Sorgfaltsmäßigkeit des Organhandelns auftritt. Als Maßstab kommt der pflichtbewusste selbständig tätige Leiter eines nach Größe und Branche vergleichbaren Unternehmens in Betracht, der nicht mit eigenen Mitteln, sondern als Treuhänder fremder Vermögensinteressen wirtschaftet174. Beim Verschuldensmaßstab sind die besonderen Fähigkeiten des Einzelnen zu berücksichtigen175. Verfügt der Normadressat über besondere individuelle Fähigkeiten, so ist dies der anzu172 Marty/Raynaud, 4

Droit Civil I2, Rdnr. 454; Weill/Terré, Droit Civil, Les Obliga-

tions Rdnr. 617. 173 Vgl. zum deutschen Recht, BGH WM 1981, S. 440, 442; BGH WM 1971, 1548/1549 (wer Vorstandsmitglied ist, muss die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen), RGZ 144, S. 348, 355 und BGHZ 85, S. 293, 295 ff. (beide zum Aufsichtsrat); RGZ 163, S. 200, 208 (zur Genossenschaft), Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 79; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 9; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 99; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 16; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 165; zum französischen Recht vgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 203; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 263; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 430; Dion, Rdnr. 265; Guyon, DdA I10, Rdnr. 459; Tunc, La responsabilité, S. 26; ähnlich auch die Rechtslage im US-amerikanischen Recht (vgl. Medford Trust Co. v. McKnight, 197 N.E. 649; Anderson v. Atherton, 302 U.S. 643, 1937); zum schweizerischen Recht vgl. Art. 754 I OR; noch Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel § 38 N 9 ff. Einen bemerkenswerten Unterschied stellt die Rechtslage im englischen Recht dar, wobei (allerdings nur) in Bezug auf die nicht-geschäftsführenden Direktors Herkunft, Geschick und Erfahrung nach h. M. die Anwendung eines subjektiven Verschuldensstandards veranlassen, vgl. Finch, 55 Mod. L. Rev. 1992, Breskovski, Int. Lawyer 1995, S. 85 ff. 174 Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 79; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 6, 7; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 4; Hachenburg/Mertens, § 43 GmbHG, Rdnr. 16; Schlechtriem, Die Haftung der Leitungsorgane, S. 33 ff.; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 4, 17; aus der Rechtsprechung vgl. u. a. BGHZ 129, S. 30, 34; RGZ 163, S. 200, 208 (zur Genossenschaft); OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, S. 227 (zur GmbH); beide Rechtsordnungen ähneln dem Sorgfaltsstandard des „ordinarily prudent person in a like position“ des amerikanischen Gesellschaftsrechts, vgl. dazu: § 8.30 (a) (2) US Model. Bus. Corp. Act. 175 RG JW 1934, 2687, 2689.

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legende Maßstab176. Objektiv bedeutet dies, dass die vom Normadressat geforderten Verhaltensanforderungen am Erforderlichen zu messen sind. Individuelle Eigenschaften des Normadressaten, wie etwa Unkenntnis oder Unerfahrenheit führen nicht zur Haftungsentlastung des betroffenen Unternehmensleiters. Eine Ausnahme ergibt sich im französischen Recht aus der analogen Anwendung des Art. 1992 Cc auf die dirigeants sociales: danach ist der Sorgfaltsmaßstab des bonus pater familias für den Fall eines unentgeltlich tätigen Mandatars bzw. dirigeant social weniger streng auszulegen177. Im Übrigen soll der Unternehmensleiter für die Fähigkeiten einzustehen, die die ihm anvertraute Leitungsaufgabe objektiv erfordert178. Der Sorgfaltsmaßstab ist demnach unabhängig von den persönlichen Eigenschaften, wie etwa von der Ausbildung, von den körperlichen Voraussetzungen (Gesundheit und Alter) und den persönlichen Erfahrungen des Unternehmensleiters. Ein Unternehmensleiter kann sich daher nicht darauf berufen, ihm fehle die erforderliche Ausbildung, er sei den Aufgaben der Leitung einer Gesellschaft aus persönlichen Gründen oder wegen Arbeitsüberlastung nicht gewachsen, was den Gesellschaftern bei seiner Bestellung auch bekannt gewesen sein kann179. Keine Haftungsentlastung bedeutet ferner der Einwand des Mitverschuldens anderer Gesellschaftsorgane180, etwa mangelnde Überwachung oder fehlerhafte Auswahl181. Im Blick auf diese LeitungsfunktioScholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 165, Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 14; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 79; zum französischen Recht vgl. Cass. com. 19.1.1970, D. 1970, J, 479 (Anm. Goré); CA Douai, 12.10.1961, JCP 1962 II. 12463; Trib.com. Roubaix 26.9.1956, D. 1957, S. 10 (Anm. Goré); Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 131; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 265. 177 Cass. civ. 26.11.1974, JCP 1975, éd. G. IV, 17; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 207. 178 So im deutschen Recht vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 79; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 9; Mertens, K-Komm.AktG2,§ 93 Rdnr. 99; MünchHdb. AG/Wiesner, § 26 Rdnr. 12; Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 29; Hachenburg/ Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 16; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 165; wohl auch BGH WM 1981, S. 440, 442; BGH WM 1971, 1548, 1549 (wer Vorstandsmitglied ist muss die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen), RGZ 144, S. 348, 355 und BGHZ 85, S. 293, 295 ff. (beide zum Aufsichtsrat); RGZ 163, S. 200, 208 (zur Genossenschaft); im französischen Recht bereits CA Paris 26.12.1923, vgl. noch Grossi, Les devoirs, Rdnr. 203; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 263; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 127 ff. 179 So im deutschen Recht BGH NJW 1963, 1152; BGH WM 1971, 1549; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 10; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 165; andererseits kann es ausnahmsweise arglistig sein, wenn die Gesellschaft den Geschäftsführer in Anspruch nimmt, obwohl sie dessen kaufmännische Unerfahrenheit kannte und ihn bedrängte, die Position zu übernehmen so Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 173; im französischen Recht vgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 203; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 263; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 127 ff.; ähnlich ist die Rechtslage im österreichischen Recht vgl. OGH, GesRZ 1982, S. 57; Doralt, GesRZ 1982, S. 103. 180 RG JW 1920, 1032, 1033; BGH ZIP 1983, 824, 825. 181 BGH ZIP 1983, 824, 825; Cass. com. 19.1.1988, BRDA 1988-6, S. 19; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 154, insb. Fn. 7; Paulet, Rdnr. 27. 176

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nen und die Delegationsbefugnis kann sich ein Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass Mitgeschäftsführer ausgefallen sind. Ein Geschäftsführer muss sich Pflichtverletzungen anderer Organmitglieder nicht zurechnen lassen, sondern haftet nur bei eigener Pflichtverletzung. Sowohl im deutschen als auch im französischen Recht ist es andererseits anerkannt, dass sich der Geschäftsführer auf das Mitverschulden eines Geschäftsführers ebenso wenig berufen kann, wie auf das Mitverschulden nachgeordneter Mitarbeiter; die Geschäftsführer bilden vielmehr zusammen eine Haftungsgemeinschaft182. Gehaftet wird schließlich in beiden Rechtsordnungen für omnis culpa, also auch für leichte Fahrlässigkeit183. b) Verschuldensbezogene Haftungsmilderung Verschuldensbezogene Ansätze zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Haftungsrisikos sind sowohl dem deutschen als auch dem französischen Kapitalgesellschaftsrecht bekannt, wenn auch in unterschiedlicher Tragweite und Intensität. Beide Rechtsordnungen gehen allerdings nicht so weit wie etwa das englische Recht, eine verschuldensbezogene Haftungsmilderung auf dem Weg eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs einzuführen184. Eine Beschränkung der Leitungshaftung nur auf Fälle grober Fahrlässigkeit oder Dolus, ist im französischen Recht de lege lata nicht vertretbar. Die Artt. 52 Satz 4 (SARL), 246 Satz 1 L. 1966 (SA) schreiben diesbezüglich ausdrücklich vor, dass Satzungsklauseln, welche die Haftungsmodalitäten von einer Zustimmung der Hauptversammlung oder einem vorherigen Gutachten abhängig machen oder grundsätzlich ausschließen, ungültig sind. Auch der nachträgliche Hauptversammlungsbeschluss kann den Geschäftsleiter nicht freistellen. Das Änderungsverbot gilt allerdings nicht nur für die Abmilderung, sondern auch für die Verschärfung (aggravation) der Haftungsanforderungen185. Ein gemilderter Haftungsmaßstab Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 165; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 268. 183 Vgl. zum deutschen Recht Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 29; Schneider, FS Werner, S. 810 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 7 und 98; Hachenburg/ Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 16; wohl auch BGHZ 69, 207, 213 (betreffend Aufsichtsrat); BGH WM 1985, 384, 385. 184 Im englischen Recht geht die verschuldensbezogene Haftungsmilderung so weit, dass der Unternehmensleiter von einem subjektiven anstatt von einem objektiven Sorgfaltsmaßstab ausgehen darf. Lange Zeit meinungsbildend wirkte diesbezüglich die Entscheidung Re City Equitable Fire Insurance Co (1925 1 Ch. 407, 427) aus dem Jahre 1925, in der sich Romer J. mit einer viel zitierten Wendung für einen subjektiven Sorgfaltsmaßstab der Verwaltungsmitglieder aussprach: „A director need not exhibit in the performance of his duties a greater degree of skill than may reasonably be expected from a person of his knowledge and experience“. Unter diesen Auspizien bedarf es keiner weiteren Korrekturen, um subjektiv nach bestem Wissen und Gewissen gefällte Geschäftsleiterentscheidungen von einer Haftung auszunehmen. Es fehlt bei ihnen von vornherein an der Basis für einen Fahrlässigkeitsvorwurf. 185 Vgl. Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 529; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 237. 182

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scheint das französische Recht nur für die dirigeants sociaux anzuerkennen, die ihre Leistungen der Gesellschaft unentgeltlich anbieten (Art. 1992 Cc. analog). Solch eine Haftungsmilderung ist allerdings auf die insolvenzbezogene Leitungshaftung nicht anwendbar (vgl. Artt. 180, 182 InsG 1985). Die Regelung von Art. 1992 Cc ermöglicht es dem Richter im Rahmen seines Moderationsrechts eine Reihe von Faktoren (wie etwa die Art und Leichtigkeit des Fehlers usw.) bei der Haftungszurechnung zu berücksichtigen. Ähnliches soll laut Art. 22 L. 83-675 von 1983 in Bezug auf die Verwaltungsratsmitglieder gelten, welche die Arbeitnehmer im Verwaltungsrat von Unternehmen des öffentlichen Sektors vertreten186. Eine verschuldensbezogene Haftungsmilderung auf dem Weg eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs scheidet im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht aus, obwohl sie im Recht der Personengesellschaften nicht unbekannt ist187. Gegen eine verschuldensbezogene Haftungserleichterung im Kapitalgesellschaftsrecht durch analoge Anwendung des § 708 BGB sprechen nicht nur die objektivierten Haftungsregeln des Kapitalgesellschaftsrechts, sondern auch die unterschiedlichen Interessenlagen. Denn in Personengesellschaften handelt es sich bei der Unternehmensleitung um eine eigene Angelegenheit des Leitungsorgans, wobei es sich bei den Aktiengesellschaften überwiegend um die Verwaltung fremden Vermögens handelt188. Die Rechtsprechung hat eine Anwendung des § 708 BGB im Kapitalgesellschaftsrecht abgelehnt189, ebenso wie eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelung des § 16 THG für Gesellschaften „im Aufbau“190. Teilweise wurde in Anlehnung an den subjektiven Tatbestand des § 93 I AktG bzw. § 43 GmbHG versucht, das Haftungsrisiko dadurch zu mildern, dass die Leitungshaftung sich auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz beschränken sollte191. Solch eine Milderung wäre allerdings mit den Regelungen des Aktienrechts unvereinbar, da § 93 I AktG einen ohnehin zwingenden, objektiven Verschuldensmaßstab vorschreibt192. Anderes könnte für das Recht der GmbH gelten, wo die Geltungsintensität des § 43 GmbHG de lege lata umstritten erörtert wird und teilweise die Ansicht vertreten ist, dass der Sorgfaltsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit herabsetzbar ist193. Ebenso wenig vertretbar ist

186 Vgl. Art. 22 Satz 2 Loi 83-675 vom 26.7.1983: „. . . lorsque leur responsabilité d’administrateur est mise en cause, elle s’apprécie en tenant compte du caractère gratuit de leur mandat“. 187 Vgl. MüKo/Ulmer3, § 708 BGB. 188 MüKo/Ulmer3, § 708 BGB, Rdnr. 1. 189 BGHZ 87, S. 84, 87. 190 BGH ZIP 1995, S. 591 ff. 191 Vgl. Westermann, VersR 1993, Sonderheft, S. 18. 192 Vgl. Kindler, ZHR 1998, S. 104; vgl. noch § 3 I 3.2. 193 Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 1d; Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG, Rdnr. 50; Konzen, NJW 1989, S. 2984; Fleck, GmbHR 1974, S. 229.

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eine Haftungsmilderung für Geschäftsleiter durch analoge Anwendung des für Arbeitnehmer im Wege richterlicher Rechtsfortbildung194 entwickelten Ansatzes der Haftungsfreistellung bei gefahrgeneigter Arbeit195. Zwar hat der BGH die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze zur Haftungsfreistellung bei gefahrengeneigter Arbeit unter Rückgriff auf Risikoabwägungen im Auftragsrecht entsprechend angewandt196, jedoch besteht der Unterschied zur Haftung des Vertretungsorgans einer juristischen Person darin, dass es gerade der Sinn der Anstellung und Bestellung eines Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers ist, die Schwierigkeiten und Risiken der Unternehmensleitung einer Person zu übertragen, die diese beherrscht. Eine Haftungsbeschränkung ist bei Organen juristischer Personen von der Sache her weder gerechtfertigt noch geboten197. Was die Vorstandsmitglieder einer AG angeht, fehlt es zu diesem Zweck an einer Vergleichbarkeit der Interessenlage. Zwar ist auch die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds wie diejenige eines Arbeitnehmers in der Regel fremdnützig, es fehlt aber an einem den Arbeitnehmern vergleichbaren Schutzbedürfnis. Denn anders als die Arbeitnehmer einer Gesellschaft sind die Vorstandsmitglieder als gleichwertige Verhandlungspartner anzusehen und bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen unterworfen. Selbst im Recht der GmbH, wo der Geschäftsführer dem Weisungsrecht der Gesellschafter unterworfen ist, wird nach h. M. eine Übernahme dieser Ansätze nicht gerechtfertigt. Denn bei der Wahrnehmung der unternehmensleitenden Aufgabe, bei der Organisation des Betriebsablaufs und bei der Überwachung verfügt der Geschäftsführer, soweit die Gesellschafterversammlung nicht eingreift, über einen Ermessensspielraum. Er ist daher selbst für die vom Unternehmen ausgehende Sach- und Betriebsgefahr mitverantwortlich. Auch wenn er leicht fahrlässig eine Sorgfaltspflicht als Unternehmensleiter verletzt, hat er daher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen198. 3. Schaden Für den Schadensbegriff sind in beiden Rechtsordnungen die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften anzuwenden199. Durchweg wird es sich um Vermö194

BGHZ 89, S. 153, 157 Vgl. Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 1; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 4; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93, Rdnr. 23 ff. 196 BGHZ 89, S. 153, 157. 197 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 36. 198 Vgl. Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 182; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 6; Rohwedder/Koppensteiner, § 43 GmbHG, Rdnr. 6; MeyerLandrut/Miller, § 43 GmbHG, Rdnr. 10; Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 293; a. A. Brox/Walker, DB 1985, S. 1477; MünchHdb. ArbR/Blomeyer, § 57 Rdnr. 67; vgl. noch BAG DStR 1999, S. 1886 sowie Reiserer, DStR 2000, S. 31, 33 ff.; Köhl, DB 1996, S. 2601 ff. 195

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gensschäden handeln; eine Restitution des Schadens von immateriellen Gütern ist auch möglich200. Ob bereits jede Minderung des Gesellschaftsvermögens als Schaden anzusehen ist oder ob weiterhin eine dem Unternehmenszweck widersprechende Vermögensbeeinträchtigung erforderlich ist, wird weder im deutschen, noch im französischen Recht vollständig geklärt. Durch das zusätzliche Erfordernis, dass die Vermögensminderung dem Unternehmenszweck widersprechen muss, sind Ausgaben und Verluste aus dem Schadensbegriff auszuklammern, für die die Gesellschaft zwar keinen unmittelbaren Gegenwert erhalten hat, die jedoch von der Unternehmensleitung in Verfolgung des Unternehmensgegenstandes dennoch eingegangen werden dürfen. Dazu gehören etwa Spenden zu wohltätigen Zwecken oder die Unterstützung von Arbeitnehmern in Notfällen. Ein unter Verweis auf die Zweckverfehlung konzipierter Schadensbegriff würde insofern der Eigenart der unternehmerischen Betätigung besser gerecht. Die angesprochene Frage wird im französischen Recht nur am Rande behandelt. In Betracht kommt jeder Vermögensschaden, soweit er erwiesenermaßen durch die fehlerhafte Geschäftsführung hervorgerufen wurde201. Im deutschen Recht ist es noch nicht endgültig abgeklärt, ob eine Anknüpfung an die Zweckverfehlung als Element des Schadensbegriffs de lege lata begründbar ist. Würde man dieser Ansicht folgen, so hätte die Gesellschaft die Zweckwidrigkeit darzulegen und zu beweisen. Letzteres würde aber der Darlegungs- und Beweislastregelung der § 93 I 2 AktG, der auch auf die GmbH anwendbar ist, widersprechen202. Insofern wird die Ansicht vertreten, dass als Schaden alle Leistungen der Gesellschaft anzusehen sind, auf die Dritte keinen Anspruch haben und für die keine angemessene Gegenleistung zu erwarten ist. Eine sowohl im deutschen als auch im französischen Recht wiederkehrende Frage ist, ob man bei der Berechnung des Schadens der Gesellschaft aus einer Gesetzes- bzw. Satzungsverletzung die dadurch entstandenen Vorteile berücksichtigen muss. Es läge im Interesse einer Präventivwirkung, diese Vorteile nicht in die Vermögensbetrachtung einfließen zu lassen. Es ist allerdings in beiden Rechtsordnungen bei gesetzeswidrigen Zahlungen an Aktionäre anerkannt, dass die von den jeweiligen Aktionären erhaltenen Gegenleistungen in die Berechnungen des Schadens einfließen müssen203. Dies ist auch folgerichtig, denn 199 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 1997, S. 231, 237; TGI Seine, 18.2.1966, RTD com. 1967, S. 190 (Anm. Houin). 200 Cass. com. 6.7.1979, D. 1980, IR, S. 416 (Anm. Laroumet). 201 Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 746. 202 Vgl. Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG Rdnr. 161. 203 Vgl. im deutschen Recht vgl. RGZ 159, S. 211, 230; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 96; im französischen Recht vgl. Cass. com. 26.11.1956, RTD com. 1957, S. 402 (Anm. Rault); Cass. soc. 3.4.1990, Rev. Soc. 1990, S. 625 (Anm. Guyon); Guyon, DdA I10, Rdnr. 460; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 219; kritisch dagegen Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 180.

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bei den Leitungshaftungsvorschriften handelt es sich in erster Linie um eine Regelung des Schadensausgleiches und nicht um Strafvorschriften. Insofern wird in beiden Rechtsordnungen die Ansicht vertreten, dass man auch bei sonstigen Gesetzes- und Satzungsverstößen den Vorteil der Gesellschaft bei der Schadensermittlung berücksichtigen müsse. 4. Kausalität Das Hervorrufen des Schaden muss in beiden Rechtsordnungen kausal mit der Pflichtverletzung verbunden sein204. Hierzu gelten sowohl im deutschen als auch im französischen Recht die allgemeinen zivilrechtlichen Grundzüge zum kausalen Zusammenhang205. Die exakte Feststellung der Ursächlichkeit bereitet in der Gerichtspraxis beider Rechtsordnungen Schwierigkeiten, da wirtschaftliche Entwicklungen nicht monokausal auf eine einzelne Fehlentscheidung zurückgeführt werden können206. Im französischen Recht wird die Lage dadurch erleichtert, dass die Gerichte oft dazu tendieren, die Ursächlichkeit zu vermuten, wenn Schaden und Pflichtverletzung bewiesen sind (double preuve de la faute et du prejudice)207. Im deutschen Recht kann es, solange eine äquivalente Kausalität zwischen der pflichtwidrigen Entscheidung und dem Schaden besteht, nur darum gehen, ob die hinzutretenden Ereignisse dem Unternehmensleiter i. S. einer Sozialadäquanz zuzurechnen sind208. Daher wird nur in außergewöhnlichen Fällen eine Haftung des Unternehmensleiters aufgrund eines inadäquaten Kausalverlaufs ausscheiden. Zu ihrer Verteidigung können sich die Unternehmensleiter auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen. Entlasten kann sie dies jedoch nur, wenn sie nachweisen, dass der Schaden mit Sicherheit auch eingetreten wäre, wenn sie sich pflichtgemäß verhalten 204 Cass. req. 28.1.1908, DS. 1909, I, S. 453; Cass. com. 12.3.1974, GP 1974, I. 662; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 222. 205 Vgl. Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 182 ff. 206 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 222; Hadji-Artinian, Rdnr. 911; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 290; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 528; Cherchouly-Sicard, La responsabilité, Rdnr. 183. 207 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 222; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 528; CherchoulySicard, La responsabilité, Rdnr. 182; Hadji-Artinian, Rdnr. 911; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 290. 208 Für eine eingehende Untersuchung der einschlägigen Probleme genügt es hierzu, auf die deutsche zivilrechtliche Literatur und Judikatur hinzuweisen; in rechtsvergleichender Hinsicht vgl. im schweizerischen Recht Fortsmoser, Verantwortlichkeit N 266 ff.; Druey, Grundzüge, S. 47 ff.; Grass, S. 27, 137; anders die Rechtslage im USamerikanischen Recht wegen des dort geltenden „proximate cause“-Kausalzusammenhangs, obwohl der im Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs ausgedrückte Gedanke der Begrenzung der Haftung dem amerikanischen Recht nicht fremd ist: Die amerikanische Gerichte operieren mit der Nähe der Ursache zum Erfolg (substancial factor oder justly attachable cause-Doktrin) an Stelle der Formel vom gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens.

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hätten209. Möglicherweise ist mit dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens einer Haftung für eine schadensvergrößernde allgemeine Entwicklung zu entgehen. Ausgeschlossen ist der Einwand allerdings, wenn die Pflichtwidrigkeit in der Verletzung der Kompetenzordnung der Gesellschaft besteht. Der auf die Einhaltung von Satzung und Kompetenzordnung gerichtete Schutzzweck dieser Vorschriften schließt es aus, dass die Unternehmensleiter sich darauf berufen, der Schaden wäre auch bei Einhaltung der Kompetenzordnung eingetreten, da in der Sache keine andere Entscheidung getroffen worden wäre210.

B. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung in der Zeit der Unternehmenskrise (insolvenzbezogene Leitungsverantwortung) Unter dem Begriff der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung sind die Haftungsregelungen zu verstehen, die auf die besonderen Gefahren und Risiken reagieren, denen die Gesellschaft und ihre Gläubiger in der Unternehmenskrise ausgesetzt sind. Sowohl das deutsche als auch das französische Gesellschaftsrecht schreiben spezielle Verhaltensanforderungen für die Leitungsorgane im Rahmen der Unternehmenskrise vor und begründen besondere Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der insolvenzbezogenen Verhaltenspflichten. Der deutsche Gesetzgeber hat die insolvenzbezogenen Leitungspflichten in die allgemeine Leitungshaftung integriert, während der französische Gesetzgeber nach dem Beispiel des englischen Insolvency Act über die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften hinaus eine Sonderhaftung der Geschäftsleiter für die Schulden der insolvent gewordenen Gesellschaft vorsieht, deren kennzeichnendes Merkmal die Ausfallhaftung (action en comblement du passif) des schuldhaft handelnden Geschäftsleiters darstellt211.

209 RGZ 35, 83, 36 (Verstoß gegen die Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung führt nicht zur Schadensersatzpflicht, wenn die Hauptversammlung im Falle einer Befragung die Durchführung des fraglichen Geschäfts beschlossen hätte); BGHZ 96, 157, 173; OLG Hamm, AG 1995, S. 512, 514; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 302 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 137 ff. 210 Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 22. 211 Vgl. Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz bei Kapitalgesellschaften in Frankreich, 1986; Strauss, Insolvenzbezogene Geschäftsleiterhaftung, 2002; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland; Angermüller, Die persönliche Haftung von Unternehmensleitern, insbesondere Leitern juristischen Personen bei Insolvenz des Unternehmens nach dem französischen Insolvenzgesetz vom 13. Juli 1967; Marquard/Hau, Risiken für Muttergesellschaften nach französischem Insolvenz- und Haftungsrecht, RiW 1998, S. 441; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 528 ff.

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I. Gesetzliche Grundlagen der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung Die zentralen Normen der insolvenzbezogenen Leitungshaftung stellen im deutschen Recht die §§ 92 AktG und 49 III, 64, 84 I GmbHG i.V. mit den relevanten Vorschriften des Insolvenzrechts dar. Der § 92 I AktG schreibt eine Pflicht des Vorstands zur unverzüglichen Einberufung der Hauptversammlung vor, wenn sich bei Aufstellung einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ergibt. Eine ähnliche Verpflichtung besteht ebenso für den GmbH-Geschäftsführer (vgl. §§ 49 III i.V. mit 84 I 1 GmbHG). Abgesehen von der angesprochenen Pflicht zur Einberufung der Anteilseigner ist die Pflicht der Geschäftsleiter zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (§ 92 II AktG bzw. § 64 I GmbHG i.V. mit § 17 II InsO) von besonderer Bedeutsamkeit in der Praxis. Der § 92 III AktG bzw. § 64 II GmbHG schreibt ferner eine Pflicht des Vorstands bzw. Geschäftsführers vor, nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft grundsätzlich keine Zahlungen mehr zu leisten. Verletzt der Geschäftsleiter seine Einberufungs- und Anzeigepflicht aus § 92 I AktG bzw. § 49 III. i.V. mit § 84 I GmbHG, so macht er sich gegenüber der AG bzw. der GmbH schadensersatzpflichtig nach § 93 II AktG bzw. § 43 II GmbHG212. Gleiches gilt auch für den Fall der Verletzung der Verhaltensanforderungen aus § 92 II AktG bzw. 64 I GmbH213. Verletzt ein Vorstandsmitglied sein Zahlungsverbot aus § 92 III AktG, so haftet er nicht nur nach § 93 II AktG, sondern auch nach § 93 III Nr. 6 auf Ersatz der Massenschmälerung ohne Rücksicht auf einen Schaden der Gesellschaft214. Im Fall des § 93 III Nr. 6 AktG ist zwar die AG Inhaberin des Anspruchs, bezweckt ist jedoch der Schutz der Gläubigergesamtheit vor Massenschmälerung durch Bevorzugung einzelner Gläubiger nach Eintritt der Insolvenzreife215. Zu ersetzen ist der gezahlte Betrag abzüglich der Insolvenzquote und abzüglich einer in die Masse gelangten und dort verbliebenen Gegenleistung. Die Ansprüche aus § 93 II können unabhängig von den auf § 92 III AktG basierenden Ansprüchen und über diese hinaus bestehen. Ähnliches gilt auch im Recht der GmbH: Verletzt der Geschäftsführer sein Zahlungsverbot, so entsteht neben dem Schadensersatzanspruch aus § 43 II GmbHG ein Ersatzanspruch eigener Art der Gesellschaft aus 212 Vgl. Hüffer4, § 93 AktG Rdnr. 15; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 49 GmbHG, Rdnr. 19. 213 Vgl. Hüffer4, § 93 AktG Rdnr. 15; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 80; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 46. 214 RGZ 159, S. 221, 228 ff.; BGH, NJW 1974, S. 1088, 1089; Mertens, K-Komm. AktG2,§ 92 Rdnr. 64; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 96. 215 Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 20; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 64.

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§ 64 II GmbHG gegen die Geschäftsführer, der ohne Rücksicht auf einen Schaden der Gesellschaft auf Ausgleich der entsprechenden Massenschmälerung gerichtet ist216. Die Ansprüche aus § 43 II können unabhängig von den auf § 64 II GmbHG basierenden Ansprüchen und über diese hinaus bestehen217. Der französische Gesetzgeber hat die insolvenzbezogenen Leitungspflichten nicht dem allgemeinen Leitungshaftungssystem zugeordnet, sondern ein spezielles insolvenzbezogenes Leitungshaftungssystem entwickelt, dessen Grundzüge sich weit zurückverfolgen lassen. In kodifizierter Form findet sich eine in diese Richtung zielende Regelung bereits im Décret-Loi vom 8.8.1935, dem jedoch eine noch ältere Rechtsprechung vorausging. Eine Haftungserstreckungsregelung im eigentlichen Sinne wurde für die SA mit dem Loi vom 16.11.1940 eingeführt und seit dem Décret no 53-706 vom 9.8.1953 auch auf die SARL angewendet (vgl. Artt. 25 II, III). Nach einigen Änderungen wurde diese Regelung schließlich in Art. 99 des Loi 67-563 vom 13.7.1967 (im Folgenden: InsG 1967) neugefasst und damit in das Insolvenzrecht verlagert. In dieser Fassung erlangte die Haftungserstreckungsregelung erhebliche Bedeutung für die Praxis, was zum einen damit zusammenhing, dass nunmehr auch die faktischen Geschäftsleiter haftbar gemacht werden konnten, zum anderen dass nunmehr anhand der gesetzlich vorgeschriebenen Haftungsvermutung über den Geschäftsleitungsfehler und seinen Kausalzusammenhang mit dem Gesellschaftsschaden sich die beweisrechtliche Situation der Gesellschaftsgläubiger verbesserte. Der Loi 85-98 vom 25.1.1985 (im Folgenden: InsG 1985)218 hat diese Haftungsvermutungen wieder gestrichen. Die Insolvenzreform von 1994 hat nur geringfügige Änderungen des Wortlauts von Art. 180 InsG 1985 gebracht219. Die zentralen Haftungsvorschriften der insolvenzbezogenen Leitungshaftung stellen diesbezüglich Artt. 180, 182 des InsG 1985 dar. Der Art. 180 legt die Grundzüge der insolvenzbezogenen Leitungshaftung fest: Stellt sich bei einem Insolvenzverfahren heraus, dass eine juristische Person überschuldet ist und ein Geschäftsleitungsfehler (faute de gestion) zur Überschuldung beigetragen hat, so kann das Gericht bestimmen, dass die Schulden der juristischen Person ganz 216 BGH NJW 1974, S. 1088, 1089 (Ersatzanspruch eigener Art); OLG Celle, GmbHR 1995, S. 54, 55; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 70; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 37; a. A. BGHZ 131, S. 325, 326 (Schadensersatzanspruch); Goette, DStR 1996, S. 1177. 217 Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 46; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 12, 36. 218 Loi 85-98 vom 25.1.1985 relative au redressement et à la liqidation judiciaires des enterprises. Ergänzt wird dieses Gesetz durch das Décret 85-1387 vom 27.12.1985 und das Décret 85-1388 vom 27.12.1985. 219 Vgl. dazu Loi No 94-475 vom 10.6.1994; dazu Derrida/Sortais, D. 1994, chron. 267 ff. Als Hauptziele der Reform von 1994 wurden überwiegend die Vereinfachung des Verfahrens, die Besserstellung der Gläubiger und der Schutz des Sanierungsverfahrens vor missbräuchlicher Verwendung angesehen.

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oder teilweise auf die rechtmäßig bestellten (dirigeants de droit) oder sogar faktischen Geschäftsleiter (dirigeants de fait) übertragen werden. Neben dem Ausfallhaftungstatbestand des Art. 180 InsG 1985 kennt das französische Insolvenzrecht die haftungsbegründende Vorschrift des Art. 182 InsG 1985. Letzterer sieht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch eine sog. action en déclaration de redressement judiciaire über das Privatvermögen des Geschäftsleiters vor, wenn ihm bestimmte Fehlverhaltensweisen nachgewiesen werden können. Die Ursprünge dieser Regelung liegen in der Rechtsprechung zum Missbrauch der juristischen Person seitens der Gesellschaftsgründer für persönliche Zwecke am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts220. Der heute geltende Art. 182 InsG 1985 übernahm die Grundeinstellung des InsG 1967 und hat den Haftungstatbestand um drei weitere Handlungsalternativen ergänzt. Als Fehlverhalten gegenüber der Gesellschaft gelten nach dem Wortlaut des Art. 182 InsG 1985: (1) die eigenmächtige Verfügung über Gesellschaftsvermögen (Art. 182 Nr. 1, InsG 1985); (2) der Missbrauch der Gesellschaftsform dahingehend, dass hinter ihrem Deckmantel Handelsgeschäfte im eigenen Interesse getätigt werden (Art. 182 Nr. 2, InsG 1985); (3) die eigennützige Verwendung des Gesellschaftsvermögens gegen das Interesse der juristischen Person (Art. 182 Nr. 3 InsG 1985); (4) die Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs aus persönlichem Interesse bis zur Zahlungseinstellung (Art. 182 Nr. 4, InsG 1985); (5) das Unterlassen jeglicher Buchführung, wie auch die fiktive Buchführung (Art. 182, Nr. 5, InsG 1985) und schließlich (6) die Unterschlagung von Gesellschaftsgegenständen und betrügerische Handlungen zu Lasten der Gesellschaft (Art. 182, Nr. 6, InsG 1985). Der Art. 182 setzt anders als Art. 180 keine Überschuldung der Gesellschaft voraus, sondern sanktioniert besondere gesellschaftsschädigende Verhaltensweisen, welche als gesetzliche Bestimmungen von faute de gestion zu verstehen sind. Was den Zusammenhang des Art. 182 zum Art. 180 InsG 1985 anbelangt, so besteht Einigkeit darüber, dass eine Verurteilung gem. Art. 182 InsG 1985 nur alternativ zur Ausfallhaftung vom Art. 180 InsG 1985 erfolgen kann221. Während die Insolvenzeröffnung gem. Art. 182 InsG 1985 nur 220 Vgl. etwa Cass. Req. 29.6.1908, D. S. 1910, inf. rap., S. 233. Bereits im Jahre 1935 wurde in Art. 436 IV des Code de Commerce eine Ausdehnung des Konkursverfahrens auf jede Person gesetzlich normiert, die sich unter dem Deckmantel der Gesellschaft in ihrem eigenen Interesse kaufmännisch betätigt und über Gesellschaftsmittel tatsächlich wie eigene verfügt hat. Die Insolvenzrechtsreform von 1967 übernahm in Art. 101 InsG 1967 diesen Gedanken und änderte die alte Rechtsfolge dahingehend, dass anstelle einer Verfahrensausdehnung auf den Geschäftsleiter ein eigenständiges Verfahren über sein Vermögen eröffnet wurde. Von da an stand fest, dass das Verfahren der Gesellschaft vom Verfahren ihres Geschäftsleiters zu unterscheiden war. Weiterhin reichte es gem. Art. 101 InsG 1967 aus, wenn die beiden Handlungsmodalitäten des Art. 436 Code de Commerce alternativ vorlagen. Zudem beinhaltete die neue Vorschrift eine dritte Tatbestandsalternative: die missbräuchliche Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs aus eigennützigem Interesse. 221 Vgl. Cass. com. 25.6.1991, Bull. civ. IV, no 240, S. 167; Cass. com. 17.11.1992, JCP éd. E 1993, pan. no 113, S. 35.

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bei den gesetzlich vorgeschriebenen schweren Geschäftsleitungsfehlern möglich ist, kommt eine Ausfallhaftung i. S. vom Art. 180 InsG 1985 bei jedem Fehlverhalten, das zur Überschuldung der Gesellschaft beigetragen hat, in Betracht. Nicht zu verkennen ist schließlich ein weiterer Unterschied zwischen beiden Haftungsnormen: während die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Verurteilung zur Ausfallhaftung eine Überschuldung der Gesellschaft voraussetzt, ist dies beim Art. 182 InsG 1985 nicht der Fall222. Erfolgt eine Verurteilung, so werden alle Gesellschaftsgläubiger gleichzeitig auch Privatkonkursgläubiger des Geschäftsleiters, so dass ihre Befriedigung aus zwei verschiedenen Konkursmassen erfolgt. II. Morphologie der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung Was die Rechtsnatur der angegeben Vorschriften zur insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung anbelangt, besteht in beiden Rechtsordnungen Einigkeit darüber, dass sie zwingendes Recht darstellen223. Ebenso wie bei der allgemeinen Leitungsverantwortung handelt es sich bei der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung um eine Verhaltenshaftung224. Im deutschen Recht besteht ferner Einigkeit darüber, dass die insolvenzbezogenen Verhaltensanforderungen Organpflichten der Unternehmensleiter darstellen225. Etwas problematisch ist die Qualifizierung der insolvenzbezogenen Verhaltenspflichten im französischen Recht, wo es immer noch umstritten ist, ob es sich hierbei um eine besondere insolvenzrechtliche Haftung oder um eine gesellschafts- bzw. zivilrechtliche Haftung handelt. Vor dem InsG 1985 wurde die Doppelnatur des Anspruchs angenommen226. Nach der Insolvenzreform von 1985 wurde überwiegend die Ansicht vertreten, dass die insolvenzbezogene Ausfallhaftung wieder in das allgemeine Haftungsrecht zurückzuführen sei227. Die Gegenansicht behauptet, dass die insolvenzbezogene Ausfallhaftung nach wie vor wesentliche Unterschiede zum allgemeinen Gesellschafts- bzw. Zivilhaftungsrecht aufweist und demnach 222

Vgl. Cass. com. 16.6.1987, Bull. Joly 1987, S. 727. Vgl. zum deutschen Recht Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 10, 46; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 1, 4, 12; zum französischen Recht vgl. Campana, S. 136 ff.; Hadji-Artinian, Rdnr. 1043. 224 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 225; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 251. 225 Vgl. Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 10, 46; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 1, 4, 12. 226 Daigré, Rev. Soc. 1988, S. 201 („caractére hybride“); für eine Einordnung in das allgemeine Haftungsrecht vgl. Cass. com. 22.5.1957, RTD com. 1957, S. 1015 (Anm. Houin); Cass. civ. 9.12.1983, D. 1984, 139 (Anm. Derrida). Der EuGH hatte allerdings in seinem Urteil vom 22.2.1979 (abgedr. in: GP 1979, juris S. 207) entschieden, dass der Anspruch aus Art. 99 des InsG 1967 als insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist und damit unter das Regime des EuGVÜ fällt. 227 Guyon, DdA II6, Rdnr. 1372; einschränkend Didier, Droit Commercial, t. 5, S. 281. 223

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als Sonderregelung einzustufen ist228. Die Frage ist von praktischem Interesse vor allem in Bezug auf die Konkurrenz der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsvorschriften mit den insolvenzbezogenen Regelungen229. Unter dem Geltungsbereich des InsG 1967 hatte die Gerichtspraxis zugelassen, dass die Schadensersatzklage nach den allgemeinen Haftungsvorschriften mit dem Antrag auf Verurteilung zur Ausfallhaftung verbunden wurde, was die Haftungsgefahr für die dirigeants sociaux erheblich verstärkte230. Die besseren Argumente sprechen allerdings für eine Einordnung der Artt. 180, 182 InsG 1985 als besondere Haftungsvorschriften, welche nicht parallel mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, da Artt. 180, 182 InsG 1985 sich nur schwer in das System der gesellschaftsrechtlichen Leitungshaftung einordnen lassen. Letzteres wird vor allem deutlich, wenn man das richterliche Moderationsrecht für den Fall der insolvenzbezogenen Leitungshaftung betrachtet: Aus dem Wortlaut des Art. 180 InsG 1985231 lässt sich ableiten, dass ein zur Überschuldung der Gesellschaft beitragender faute de gestion nicht automatisch zur Ausfallhaftung des Geschäftsleiters führt. Dem Gericht steht ein Moderationsrecht in Bezug auf die Qualifizierung der Handlung als faute de gestion, in Bezug auf die Einschätzung des kausalen Zusammenhangs des leitungsbezogenen Fehlverhaltens mit der Gesellschaftsüberschuldung, wie auch in Bezug auf die Bestimmung der Haftungsanordnung und des zu ersetzenden Schadensbetrags zu232. Die einzige Grenze des richterlichen Ermessens stellt der absolute Betrag der Überschuldung dar, über den nach dem Kassationshof die Verurteilung in keinem Fall hinausgehen darf233. Ähnliches gilt auch für die Verurteilung der dirigeants sociaux zu einer Haftung gem. Art. 182 InsG 1985. 228 Bloch, La responsabilité des dirigeants d’entreprise en cas de procédure collective, in: Entreprise et responsabilité, GP 1996, colloque S. 633; Obadia/Sexer, Bull. Joly 1994, S. 618. 229 Für eine parallele Anwendung Guyon, DdA I10, Rdnr. 1394; dagegen: Derrida/ Gode/Sortais, Rdnr. 578; Daigré, Bull. Joly 1995-11, § 346, S. 953; ders., Rev. Soc. 1988, S. 199. 230 Vgl. etwa Cass. com. 22.5.1957, Bull. civ. III, no 166 = RTD com. 1957, S. 1015 (Anm. Houin); Cass. com. 4.2.1980, Bull. civ. no 55, S. 43 = Rev. Banque 1980, S. 1165 (Anm. Martin); Cass. com. 8.11.1982, Bull. civ. IV no 338, S. 286 = JCP 1983 éd. G. IV. 33; Cass. com. 21.7.1987, Bull. Joly 1987, S. 642; vgl. noch Soinne, PA 1995, 8/1995 Rdnr. 92, S. 11. 231 Vgl. den Originalwortlaut des Art. 180 InsG 1985: „Le tribunal peut décider, que les dettes du personne morale seront supportés, en tout ou en partie, avec ou sans solidarité, par tous les dirigeants de droit ou de fait, rémunérés ou non, ou par certains d’entre eux qui ont commis une faute de gestion ayant contribué a l’insuffisance d’actif social“. 232 Cass. com. 7.7.1987, Bull. Joly 1987, S. 641; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1381; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 611 ff. 233 Vgl. Cass. com. 18.10.1982, GP 1983, 210 (Anm. Dupichot); Guyon, DdA II6, Rdnr. 1381; unzulässig ist weiterhin die Verurteilung auf die Begleichung der Forderungen eines bestimmten Gläubigers zu beschränken (CA Versailles, 3.5.1990, Bull. Joly 1990, S. 665).

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Letztere liegt, ebenso wie die Verurteilung zur Ausfallhaftung, im Ermessen des Gerichts. Ein Unterschied zu Art. 180 besteht allerdings darin, dass der Ermessensspielraum zur Qualifizierung einer faute de gestion immerhin geringer ist als beim Art. 180 InsG 1985, da die Fälle der haftungsbegründenden faute de gestion im Tatbestand des Art. 182 InsG 1985 einschränkend definiert worden sind. Daraus wird ersichtlich, dass, selbst wenn alle Voraussetzungen der Artt. 180, 182 InsG 1985 vorliegen, das Gericht nicht gezwungen ist, die Verurteilung des Geschäftsleiters auszusprechen234. Artt. 180, 182 InsG 1985 stellen insofern eine wesentliche Abweichung von den Bestimmungen des allgemeinen Haftungsrechts dar, wonach das Gericht den Ersatz des gesamten durch die Pflichtwidrigkeit verursachten Schaden anordnen soll235. Das angesprochene Moderationsrecht wird von den Instanzgerichten als Ermächtigung dazu begriffen, in die Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch haftungsfremde Billigkeits- und Opportunitätserwägungen einfließen zu lassen236. Insofern entwickelt sich der Richter zu einem „pouvoir modérateur absolue“, der die Anpassung der Verurteilung auf die Schwere der begangenen Pflichtwidrigkeit und die übrigen Umständen des Falles erlaube237. Durch eine parallele Anwendbarkeit der Haftungsvorschriften könnte das richterliche Moderationsrecht unterwandert werden238. Denn die Kumulation würde die Unterschiede der Haftungsmodalitäten in die eine oder andere Richtung eliminieren und damit die Effektivität der Leitungshaftung selbst unverhältnismäßig reduzieren239. Insofern ist die jüngste Gerichtspraxis zu begrüßen, welche eine kumulative Anwendung der Anspruchsgrundlagen zumindest für die SARL ablehnt240. Ob diese Rechtsprechung auch auf die SA übertragungsfähig ist, bleibt abzuwarten241. 234

Vgl. Cass. com. 7.7.1987, Bull. Joly 1987, S. 641. Vgl. Malaurie/Aynes, Rdnr. 240 ff.; Cherchouly-Sicard, La responsabilité Rdnr. 174 ff., 193; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 277. 236 Zutreffend Reiner, S. 172. 237 Daigré, Rev. Soc. 1988, S. 205; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 611; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1381. 238 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 278; Daigré, Rev. Soc. 1988, S. 204. 239 In diese Richtung auch Grossi, Les devoirs, Rdnr. 278; Henry, in seiner Anmerkung zur Cass. com. 16.5.1996, S. 622; Haehl, RTD com. 1995, S. 663, spéc. 664. 240 Neueste Rechtsprechung zum Prinzip des non cumul des régimes de responsabilité: Cass. com. 28.2.1995, Bull.civ. IV no 60 („un créancier est irrecevable à exercer contre le gérant à qui il impute des fautes de gestion, l’action en réparation du préjudice résultant du non paiement de sa créance“) = D. 1995, S. 390 (Anm. Derrida) = Rev. Soc. 1995, S. 555 (Anm. Derrida); Trib. Paris, 28.3.1995, Bull. Joly 1995, S. 683 (Anm. Daigré); Cass. com. 28.5.1998, D. Affaires 1998, S. 1008, in diese Richtung auch, wenn auch bezüglich der Anwendbarkeit der Artt. 1382, 1383 C.C. und Art. 180 InsG 1985) Cass. com. 11.4.1995, Bull. Joly 1995, S. 684 (Anm. Daigré); Cass. com. 20.6.195, D. 1995, S. 448 = Rev. Soc. 1995, S. 766. Die erstinstanzlichen Gerichte hatten allerdings für dieses Prinzip bereits früher plädiert, vgl. TGI Toulouse, 28.3.1988, D. 1991, som. 114 (Anm. Derrida); CA Paris 4.7.1995, D. Affaires 1996, chron. 25; CA Paris 3me Ch. A, 28.3.1995, Bull. Joly 1995, S. 683; CA Paris 3ch. A, 9.9.1992, RJDA 1993-2, no 171, S. 141. 235

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III. Persönlicher Anwendungsbereich der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung Adressaten der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung sind in erster Linie die Personen, die rechtmäßig zur Geschäftsführung der Gesellschaft bestellt worden sind. Im französischen Recht sind die Vorschriften der Artt. 180, 182 L. 1966 vor allem auf die Verwaltungsratsmitglieder, den PDG, den directeur général242, den stellvertretenden PDG (Art. 112 L. 1966), das Direktorium, die gérants243 und den gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer244 anwendbar. Sie gelten nicht für die Aufsichtsratsmitglieder245. Der Geschäftsleiter haftet für die während seiner Amtszeit begangenen Handlungen. Als Beginn der Amtszeit ist dabei der Bestellungsakt anzusehen, ohne dass es auf die Eintragung ins Handelsregister ankommt246. Für die Beendigung der Haftung kommt es ebenfalls nicht auf die Eintragung in das Handelsregister, sondern auf den Zeitpunkt der Abberufung an247. Ehemalige dirigeants sociaux haften nach Artt. 180 InsG 1985, wenn während ihrer Amtszeit die Situation entstanden ist, die zur Überschuldung der Gesellschaft geführt hat248. Diese Auffassung entspricht den Anforderungen der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes; anderenfalls könnte ein Geschäftsleiter, der Kenntnis von der eminenten Insolvenz hat, sich nämlich durch eine Demission allzu weit der verschärften Haftung entziehen. Führt der ehemalige dirigeant social ungeachtet seines Ausscheidens die Geschäfte der Gesellschaft weiter, so kann er gegebenenfalls als faktischer Geschäftsleiter haftbar gemacht werden. Dass der faktische Geschäftsleiter Adressat der insolvenzbezogenen Leitungspflichten ist, ergibt sich bereits aus dem 241 Eine einzelne Entscheidung des Kassationshofs aus dem Jahr 1998 betrachtet jedenfalls beide Gesellschaftstypen gemeinsam, vgl. Cass. com. 28.5.1998, D. Affaires 1998, no 1008. 242 Vgl. Art. 117 II L. 1966; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 97. 243 Vgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 10; Didier, Droit Commercial t. 22, S. 228. 244 So Cass. com. 6.5.1986, Rev. Soc. 1987, S. 286 (Anm. Guyon); Gibirila, Le dirigeant. Rdnr. 453. 245 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 10; Le Cannu, Bull. Joly 1989, S. 879; Martin, GP 1991, doctr. 24. 246 Cass. com. 26.1.1988, Bull. civ. IV, no 52 = D. 1988 som. 337 (Anm. Honorat) = Rev. Soc. 1988, S. 284 (Anm. Chaput). 247 Cass. com. 23.3.1982, Bull. civ. IV, Rdnr. 116 = D. 1983. IR. 178 (Anm. Honorat) = Rev. Soc. 1982, S. 834 (Anm. Merle). 248 Allgemeine Ansicht, vgl. Cass. com. 23.6.1998, Act. proc. coll. 1998, no 124; Cass. com. 16.4.1982, Bull. inf. soc. 1982, S. 874; Cass. com. 2.5.1985, D. 1985, IR 493 (Anm. Honorat); Cass. com. vom 4. 2., 19.3. und 12.5.1969, Rev. Soc. 1970, S. 276 ff. (Anm. Honorat); Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 54; Creff, RTD com. 1978, S. 479; a. A. (heutzutage überholt) Poitiers vom 18.1.1967, JCP 1967. II. 15149 (Anm. Argenson); Paris vom 29.6.1967, JCP 1969 II, Rdnr. 15285 (Anm. Argenson); so in rechtsvergleichender Hinsicht auch im englischen Recht vgl. Section 214 (2) (b) und Section 214 (3) Insolvency Act 1986.

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Wortlaut der Artt. 180, 182 InsG 1985. Zum Begriff des faktischen Geschäftsleiters gelten hierzu die anlässlich der allgemeinen Leitungshaftung besprochenen Bemerkungen zum dirigeant de fait. Was das deutsche Recht anbelangt, gelten die Bestimmungen des § 92 AktG bzw. 64 GmbHG zunächst für die rechtmäßig bestellten Leitungsorganmitglieder, wie auch über § 94 AktG bzw. § 44 GmbHG für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer249. Nach Eintritt der Insolvenzreife kann sich ein Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer seiner Antragspflicht aus § 92 II AktG bzw. § 64 I GmbHG nicht durch Niederlegung des Amtes entziehen250. Zwar entfällt mit wirksamer Niederlegung des Amtes eines Vorstandsmitglieds die Antragsberechtigung, doch tritt an die Stelle der bereits bei Niederlegung begründeten Antragspflicht die Pflicht zur entsprechenden Einwirkung auf die verbliebenen oder neuen Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer251. Führt das Vorstandsmitglied bzw. der Geschäftsführer ungeachtet der Niederlegung des Amtes die Geschäfte der Gesellschaft weiter, so kann er gegebenenfalls als faktisches Organ haften. Der Begriff des faktischen Geschäftsleiters umfasst im Rahmen der insolvenzbezogenen Leitungshaftung sowohl das fehlerhaft bestellte Organ252 als auch jede nicht (auch nicht fehlerhaft) zum Organwalter bestellte Person, welche die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich wie ein Organwalter führt253. Es genügt eine Übernahme von Geschäftsführungsfunktionen in maßgeblichem Umfang; einzelne oder auch umfassende Einwirkungen auf die Geschäftsführung sind nicht genügend254. Es kommt hierfür nicht darauf an, dass der faktische Geschäftsführer die ordentlich bestellten Geschäftsführer regelrecht verdrängt hat255. Insofern ist der Begriff des faktischen Organs im Ver-

249 Vgl. Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 31; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 6. 250 BGH, NJW 1952, S. 554; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 31; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 9; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 6; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 41. 251 BGH, NJW 1952, S. 554; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 31; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 9; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 6; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 41. 252 Wohl einhellige Meinung vgl. Stein, ZHR 1984, S. 217 ff.; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 32; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 9; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 6; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 41. 253 Vgl. BGHZ 104, S. 44 = BB 1988, S. 1064 = GmbHR 1988, S. 299 = NJW 1988, S. 1789 = WM 1989, S. 756; BGHSt 3, S. 32, 38; BGH, NJW 1997, S. 66, 67; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 7; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 11, 12; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 40; Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 11; a. A. im Aktienrecht Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 33; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 49; Stein, ZHR 1984, S. 223 ff. 254 BGHZ 104 S. 44, 47 ff. = BB 1988, S. 1064 = GmbHR 1988, S. 299 = NJW 1988, S. 1789 = WM 1989, S. 756; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 13.

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gleich zur allgemeinen Leitungsverantwortung weiter gefasst und weist eine Verwandtschaft mit dem französischen Konzept des dirigeant de fait auf. IV. Tatbestandselemente der insolvenzbezogenen Leitungsverantwortung Eine eingehende Untersuchung der objektiven Tatbestandsmerkmale der angesprochenen Pflichten wird unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Vorschriften an andere Stelle der vorliegenden Untersuchung vorgenommen256. Hier genügt es, einige Sonderfragen zum Verschuldensmaßstab und zum Schadensbegriff näher zu behandeln. Was die Pflicht zur rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung im deutschen Recht anbelangt, geht ein Teil des Schrifttums davon aus, dass Fahrlässigkeit zur Haftungsbegründung genügt257. Die Gegenansicht verlangt positive Kenntnis oder böswillige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft258. Die Beweislast liegt in diesem Fall beim Organmitglied. Ähnliches gilt auch für die Ansprüche aus dem Zahlungsverbot von § 92 III AktG bzw. 64 II GmbHG. Nach einem Teil des Schrifttums sollte einfache Fahrlässigkeit als Haftungsvoraussetzung ausreichen259. Die Gegenansicht verlangt positive Kenntnis der Antragsvoraussetzungen260. Die Beweislast liegt ebenfalls beim Organmitglied. Was den Schadens- und Kausalitätsbegriff anbetrifft, gelten in erster Linie die anlässlich der allgemeinen Leitungshaftung angesprochenen Erläuterungen261. Besonderheiten gelten für die Berechung des Schadens der Gesellschaft wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung. Hier ist bereits der Ansatzpunkt für die Ermittlung des Vermögensschadens der Gesellschaft problematisch. Einleuchtend ist, dass bei der Berechnung des Vermögens der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Insolvenzreife nicht auf die Grundsätze der Handelsbilanz zurückgegriffen wer255 BGHZ 104, S. 44 = BB 1988, S. 1064 = GmbHR 1988, S. 299 = NJW 1988, S. 1789 = WM 1989, S. 756; BGHSt 3, S. 32, 38; BGH, NJW 1997, S. 66, 67; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 7; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 11, 12; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 40; Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 11; a. A. OLG Düsseldorf 1988, S. 3166, 3167. 256 Vgl. Teil 3, § 6 I, II. 257 So die h. M. im GmbH-Recht vgl. Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 30; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 52, Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 10; a. A. Schulze-Osterloh, AG 1984, S. 142 ff. 258 BGHZ 75, S. 96, 110 ff.; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 9; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 33; a. A. Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 62. 259 Geßler/Hefermehl, § 92 AktG, Rdnr. 24; Scholz/Schmidt 9, § 64 GmbHG, Rdnr. 30. 260 Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1985, S. 876 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 75; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 14; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 61 ff. 261 Vgl. oben § 3, A. III. 3. und 4.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

den kann, sondern dass es auf den „tatsächlichen“ Wert des Gesellschaftsvermögens ankommt262. Eigenart des Schadens der Gesellschaft für verspätete Insolvenzantragsstellung ist es, dass nur ausnahmsweise und nur bei Zahlungsunfähigkeit ein Schaden in Form einer Minderung des Aktivvermögens der Gesellschaft vorliegt. Das darf aber keinesfalls so verstanden werden, dass eine überschuldete Gesellschaft nicht geschädigt werden kann263: Lag bereits eine Überschuldung der Gesellschaft vor, kommt eine Schädigung der Gesellschaft durch verspätete Insolvenzantragstellung allerdings nur in Betracht, wenn und soweit sich bilanzmäßig feststellen lässt, dass seit dem Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, die Überschuldung der Gemeinschuldnerin zugenommen hat264. Besondere Probleme bereitet bei der Schadensberechnung die Einbeziehung der Dreiwochenfrist in das Haftungsschema265. An sich muss neben der Verringerung des Gesellschaftsvermögens seit Insolvenzreife auch die Verringerung innerhalb der zuzugestehenden Überlegungsfrist bestimmt werden. Die in dieser Zeit eintretende Vermögensminderung der Gesellschaft ist nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers von der Gesellschaft bzw. deren Gläubiger zu tragen266. Besonderheiten gelten auch für die Berechnung des Schadens wegen unvertretbarer Zahlung nach Insolvenzreife (§ 92 III AktG, § 64 II GmbHG). Nach ganz h. M. ist für eine Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers wegen Zahlungen nach Insolvenzreife entgegen dem Wortlaut kein Schaden der Gesellschaft nötig, ausreichen sollte vielmehr ein Schaden der Gläubiger267. Diese Wertung gründet auf der ratio der Norm, die insbesondere die Gläubiger der Gesellschaft vor einer Minderung der zu ihrer Befriedigung dienenden Masse schützen soll. Was die Tatbestandselemente der insolvenzbezogenen Leitungshaftung im französischen Recht anbetrifft, ist folgendes anzumerken: Der Tatbestand des Art. 182 InsG 1985 sanktioniert besondere gesellschaftsschädigende Verhaltensweisen, während die Ausfallhaftung des Art. 180 InsG 1985 einen nachgewiesenen faute de gestion des Geschäftsleiters, welcher zur Überschuldung der Gesellschaft beigetragen hat, voraussetzt268. Der Begriff der faute de gestion wird 262 Nach der Rechtsprechung des BGH zum Gläubigerschaden ist zur Berechnung des Verzögerungsschadens ein Vergleich des bei rechtzeitiger Insolvenzantragsstellung erzielbaren Masseerlöses mit dem später tatsächlich erzielten Masseerlös anzustellen, vgl. BGH ZIP 1997, S. 1542, 1543. 263 Vgl. bereits RGZ 161, S. 129, 142 ff. 264 Vgl. BGHZ 100, S. 190, 198; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 59; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 255. 265 Vgl. infra, § 6 II. 266 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 256. 267 Vgl. Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 90 ff.; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 20; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 64; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 34; K. Schmidt, JZ 1978, S. 662; a. A. Windel, KTS 1991, S. 495; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 291.

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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zwar nicht definiert, es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass der Terminus i. S. des L. 1966 verwendet wird269. Insofern ist als „faute de gestion“ i. S. des Art. 180 InsG 1985 sowohl eine Verletzung originärer Sorgfaltspflichten270 als auch die Verletzung gesetzlicher und statutarischer Regelungen271 zu verstehen. Das Fehlverhalten kann ebenso wie bei den allgemeinen Haftungsnormen in einer Handlung oder der Unterlassung einer Handlung bestehen272. Wichtig ist, dass der faute de gestion vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen worden ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Geschäftsleitungsfehler nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, etwa die Fortführung der Geschäfte der Gesellschaft mit Blick auf einen Sanierungsplan, fallen nicht unter Art. 180273. Der Geschäftsleitungsfehler braucht nicht schwerwiegend gewesen zu sein (faute grave), ein geringer Fehler (faute légère) genügt ebenfalls zur Begründung der insolvenzbezogenen Ausfallhaftung274. Ebenso wenig bedeutsam ist für den Tatbestand des Art. 180 InsG 1985, ob der faute de gestion einmalig oder dauerhaft begangen wurde275. Jedenfalls darf der Richter im Rahmen seines bereits erwähnten276 Moderationsrechts das Gewicht der faute de gestion für die Haftungsanordnung mitberücksichtigen277. Insofern lässt sich eine Haftungsmilderung nach Fehlerart nicht ausschließen278. Zur Begründung 268 Die allgemeine Vermutung, dass ein Geschäftsführungsfehler begangen wurde, reicht nicht aus, so Cass. com. 17.11.1992, Rev. Soc. 1993, 867; Cass. com. 13.11. 1990, Bull. civ. IV 1990, Rdnr. 276. 269 Vgl. Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 41–52 no 29; Derrida/Godé/Sortais, Rdnr. 579; Soinne, Traité des procedures collectives, Rdnr. 2596; Brunet/Germain, S. 51; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 593; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 249. 270 Cass. com. 14.5.1991, Bull. civ. IV, no 164, S. 118 = BRDA 1991-12, S. 17 = JCP éd. G. IV, S. 267 = RJDA 1991-10, no 852, S. 732; Cass. Com. 28.5.1991, RJDA 1991, mo 660, S. 1992, som. 184 (Anm. Honorat). 271 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 249; Derrida/Gode/Sortais, Rdnr. 579; Obadia/Sexer, S. 618; aus der Rechtsprechung vgl. u. a. Cass. com. 14.1.1997, Rev. Proc. Coll. 1998, S. 301 mit Anm. Serf (Nicht Einhaltung des Registers für die Hauptversammlung); CA Paris 18.11.1997, Bull. Joly 1998, S. 250 mit Anm. Barbieri (Verletzung der Pflicht zur Einberufung eines Abschlussprüfers). 272 Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 593; Daigré, Enteprises en difficulté-Redressement judiciaire, in: Encyclopedie Dalloz, Sociétés, Bd. II, no 391. 273 Cass. com. 8.6.1993, Bull. civ. IV Rdnr. 231. 274 Vgl. Derrida/Gode/Sortais, Rdnr. 579, S. 440, note 1; Bloch, La responsabilité des dirigeants d’enterprise en cas de procedure collective, in: Enterprise et responsabilité, GP 1996, colloque S. 627; Chaput, Rev. Soc. 1993, S. 448; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, Rdnr. 249. Der Senat hatte zwar vorgeschlagen, die Haftung auf einen schweren Geschäftsleitungsfehler zu begrenzen, dieser Vorschlag wurde aber abgelehnt (vgl. Rapport de J. Thyraud, doc. Sénat, n. 332, S. 223, 2me cession ord. 1983–1984). 275 Vgl. Cass. com. 15.6.1993, Bull. civ. IV Rdnr. 254, S. 180 = Bull. Joly 1993, S. 868. 276 Vgl. oben § 3, II. 2. 277 Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, Rdnr. 279 ff.; Guyon, JClass. Soc. Fasc. 132, no 73.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

der Haftung i. S. von Art. 180 InsG 1985 reicht einfache Fahrlässigkeit aus279. Der Sorgfaltsmaßstab ist der gleiche wie bei den allgemeinen Haftungsregeln des Gesellschafsrechts. Eine Anwendung des Art. 1992 Cc, für den Fall des unentgeltlichen dirigeant social scheidet aus: das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 180 InsG 1985280. Der Richter genießt allerdings im Rahmen seinen Moderationsrecht einen Ermessensspielraum, sowohl in Bezug auf die Bestimmung des zu ersetzenden Schadensbetrags als auch in Bezug auf die Haftungsanordnung. Insofern darf das Gericht im Rahmen seines Ermessensspielraums das Element der unentgeltlichen Arbeitsleistung mitberücksichtigen281, selbst wenn diesem Element angesichts des klaren Wortlautes des Art. 180 InsG 1985 keine entscheidende Bedeutung zukommt. Der Schaden besteht im Fall des Art. 180 InsG 1985 in der Überschuldung der Gesellschaft282. Eine Überschuldung ist nach französischem Rechtsverständnis anzunehmen, wenn die Aktiva der sich im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft nicht zur Deckung der Passiva ausreichen. Zur Ermittlung dieses Tatbestandes sind die Aktiva den Passiva gegenüber zu stellen283. Zur Geltendmachung der Ausfallhaftung muss noch nicht endgültig feststehen, in welcher konkreten Höhe die Gesellschaft überschuldet ist. Ausreichend ist die Feststellung, dass überhaupt eine Überschuldung der Gesellschaft vorliegt284. Was den 278 Mehrere Entscheidungen weisen auf eine mildere Haftung für faute de gestion, welche auf einer sorgfaltswidrigen Aufsicht (faute d’abstention) beruhen. Solche Fehler betreffen überwiegend die Verwaltungsratsmitglieder, Mitarbeiter oder den PDG, vgl. dazu Trib. com. Seine 19.1.1951, GP 1952. I. 239 (5% Schadenszurechnung für alle Verwaltungsratsmitglieder, und 15% für jeden folgenden PDG, 35% für den directeur general); CA Versailles 13 Ch. 21.10.1993 Bull. Joly 1994, S. 99 (Anm. Le Cannu). 279 Vgl. Cass. com. 15.12.1992, Rev. Soc. 1993, S. 442; Cass. com. 19.1.1993, Bull. civ. IV Rdnr. 334, S. 271; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1374; Gibirila, Le dirigeant de société, Rdnr. 593; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, Rdnr. 249. 280 Vgl. den Originalwortlaut des Art. 180 InsG 1985 („. . . remuneré ou non . . .“); das war auch der Fall unter Art. 99 des InsG 1967. 281 Das ist eigentlich der Fall in CA Rouen, 19.12.1991, BRDA 1992-7, S. 9 = RJDA 1992-5, Rdnr. 520, S. 413 (Verurteilung des dirigeants non remuneré zur 10% des gesamten Schadensbetrags) auch Thionville (Berücksichtigung des ehrenamtlichen Charakters eines Amtes im Fußballverein); das ist nicht der Fall im Rahmen der Cass. com. 9.10.1972, Rev. Soc. 1973, S. 493 eine Entscheidung unter dem Geltungsbereich des InsG 1967; Rouen, 16.2.1973, D. 1973, som. 56 (gesamtschuldnerische Verurteilung einer unbezahlten Administratorin und Ehefrau des PDG zur Bezahlung des gesamten Gläubigerschadens). 282 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 256; Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, Rdnr. 1087. 283 Vgl. Cass. com. 17.7.1956, Bull. civ. III, no 217, S. 185 = RTD com. 1956, S. 693 (Anm. Rault); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 257. 284 So bereits unter dem Geltungsbereich des InsG 1967 vgl. Cass. com. 8.7.1986, Bull. civ. IV, no 148, S. 125; Cass. com. 21.7.1987, Bull. civ. IV, no 205, S. 151; unter dem InsG 1985 vgl. Cass. com. 28.5.1991, Bull. civ. IV, no 187, S. 133 =

§ 3 Grundzüge der Leitungsverantwortung

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Kausalzusammenhang zwischen der Überschuldung und dem faute de gestion anbetrifft, lässt sich bereits dem Wortlaut des Art. 180 InsG 1985 entnehmen285, dass der französische Gesetzgeber von einem Kausalzusammenhang i. S. der Äquivalenztheorie (théorie de l’équivalence des conditions) ausgeht286: Der Gesetzestext verlangt nämlich ein Fehlverhalten, das „zu dieser Überschuldung beigetragen hat“287. Dieses Ergebnis wird ferner durch die historisch-teleologische Auslegung bestätigt: Die Formulierung „faute de gestion ayant contribué à cette insuffisance d’actif“ war auf Antrag der französischen Regierung in den Gesetzesentwurf eingefügt worden. Im Rahmen der Gesetzesberatung in der französischen Nationalversammlung führte der damalige Justizminister Badinter hierzu aus, man habe die Fassung gewählt angesichts der „praktischen Schwierigkeiten“ den direkten Kausalzusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten und dem Fehlbestand der Aktiva zu ermitteln. Der Sinn der Regelung besteht darin, das praktisch schwierige Problem des Beweises der Kausalität einer beweisrechtlichen Lösung zuzuführen. Die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sollten reduziert werden, um die Haftungsentscheidung zu erleichtern. Mit keinem Wort bringt der Regierungsentwurf einen Bruch mit dem allgemeinen Haftungsrecht. Dennoch sollte das notwendige „Gleichgewicht“ zwischen dem begangenen faute de gestion und dem Betrag der Verurteilung gewahrt bleiben. Insofern wird es dem Gericht überlassen, den Betrag der Ausfallhaftung zu bestimmen, den es für angebracht hätte. Bewiesen werden soll deshalb nur, dass der Fehler überhaupt nachteilig gewesen ist288. Was schließlich den Schadensbegriff und den Verschuldensmaßstab im Tatbestand von Art. 182 InsG 1985 anbelangt, gelten die gleichen Bemerkungen wie bei der allgemeinen Leitungshaftung289.

RJDA 1991, Rdnr. 750, S. 660; CA Lyon 3ch. 16.5.1997, Dr. Sociétés 1998-3, Rdnr. 41, S. 11 (Anm. Chaput). 285 Vgl. den Originalwortlaut des Art. 180 InsG 1985: „. . . ayant contribué à cette insuffisance d’actif . . .“. 286 Vgl. Guyon, Rev. Soc. 1998, S. 581, ders., DdA II6, Rdnr. 1375; Gibirila, Le dirigeant de société Rdnr. 598, Derrida/Gode/Sortais, Redressement et liquidation judiciaires des entreprises3, Rdnr. 579; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, Rdnr. 261; die Judikatur scheint ebenfalls, sich in diese Richtung zu bewegen, vgl. Cass. com. 30.11.1993, RJDA 1994, Rdnr. 405 (SARL: Der Geschäftsführer verurteilt werden, selbst wenn sein faute de gestion nur einen der Gründen für einen insuffisance d’actif darstellt); gleichsinnig Cass. com. 19.3.1996, Bull. Joly 1996, S. 526 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 3 et 17.2.1998, Bull. Jolly 1998, S. 644 (Anm. Daigré). 287 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber hier den Begriff „beitragen“ nicht aber den Begriff „verursachen“ gewählt hat, wollen einige Autoren als eine schwächere Form der Kausalität verstehen, die sie „Zusammenhang“ nennen (so anscheinend Guyon, DdA II6, Rdnr. 1376, Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 206). Dieser Deutung ist entgegenzuhalten, dass das Merkmal der Kausalität entweder erfüllt, oder nicht erfüllt ist. Eine „teilweise Kausalität“ („causalité partielle“) kann es in Bezug auf einen bestimmten Erfolg nicht geben (so zutreffend Brunet/Germain, PA 1986, no 88). 288 Débats Assemblée générale, Journal Officiel 11.4.1984, S. 1381 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung A. Konzeptionelle Grundlagen der Interdependenz zwischen unternehmerischem Ermessen und Pflichtenbindung Haftungsregeln enthalten normative Verhaltenserwartungen, welche von ihrem Aufforderungscharakter und ihrer Enttäuschungsfestigkeit (contrafaktische Stabilität) gekennzeichnet sind. Ihnen kommt konsequenterweise eine verhaltenssteuernde Funktion zu: Sie sollen ihre Normadressaten dazu veranlassen, die ihnen gesetzlich bzw. originär aufgegebenen Pflichten genauestens einzuhalten290. Diese Präventivfunktion spielt eine besondere Rolle im Gesellschaftsund vor allem im Aktienrecht, indem sie eine gesetzgeberische Antwort auf die mit dem Auseinanderfallen von Anteilseigentum und Unternehmensleitung291 zusammenhängenden und unter dem Stichwort „Principal-Agent“ abgehandelten Probleme bildet. Darüber hinaus darf nicht aus dem Blick geraten, dass allzu strenge Sorgfaltsanforderungen auch unerwünschte Reaktionen hervorrufen können. Manager, die bei der geringsten Fehlentscheidung Haftungsfolgen befürchten müssen, werden tendenziell Investitionsprojekte mit einem zu geringen Risiko auswählen292. Das ist regelmäßig zu erwarten, denn während die Anteilseigner als Kapitalanleger ihr Risiko durch das entsprechende Portfolio-Management diversifizieren können, sind die Unternehmensleiter nicht in der Lage, ihr Humankapital entsprechend einfach zu diversifizieren. Letztere werden meistens über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die eng mit den Bedürfnissen des von ihnen geleiteten Unternehmens verbunden sind (firm specific Investment of Human Capital)293. Ihr Berufsrisiko ist m. a. W. das gleiche wie dasjenige eines Investors, der als einzige Anlage die Aktien einer einzelnen Gesellschaft hält. Insofern ist es regelmäßig zu erwarten, dass Manager im Fall eines allzu strengen Sorgfaltsmaßstabs zu einer konservativen Unternehmensführung tendieren, um 289

Vgl. oben § 3, A. III. 3. und 4. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 90 ff.; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 15. 291 Vgl. oben Einleitung, A. 292 Vgl. Resolution Trust Corp. v. Blasdell, 930 F. SupS. 417, 423 (D. Ariz. 1994): „With large sums of money at stake – and the threat of litigation in the event of failure correspondingly high – few directors would recommend ventures involving more than minimal risk.“; Davis, Wisconsin. L. Rev. 2000, S. 574 ff.; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 99; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 26; Mertens, K-Komm. AktG2, Vorb. § 76 Rdnr. 25; Hopt, FS Mestmäcker, S. 917; Anschauungsmaterial für übervorsichtiges Verhalten beim drohenden Haftungsrisiko liefern vor allem die USA in Bezug auf die Arzthaftung (defensive medicine). 293 Vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 96 ff. 290

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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das Haftungs- bzw. Berufsrisiko zu vermeiden. Eine solche Risikoaversion führt nicht nur zu negativen Allokationswirkungen für die Volkswirtschaft294 , sondern läge auch kaum im Interesse der Aktionäre. Letztere nehmen im Hinblick auf allfällige Gewinnchancen auch die Eingehung vernünftiger Risiken durch die Geschäftsleitung in Kauf oder erwarten sie sogar. Insofern gilt es im Interesse der Anteilseigner, einer risikoorientierten und zum grano salis risikobereiten Entscheidungsfindung innerhalb der Unternehmensleitung den Weg zu bereiten295. Ein weiterer Grund, weshalb die Unternehmensleitung keinen allzu strengen Sorgfaltsmaßstab erträgt, ergibt sich ferner aus den Besonderheiten unternehmerischer Entschließungen. Letztere bilden Risikoentscheidungen, die oft unter großem Druck gefasst werden sollen296. Dabei stehen die Manager einem Entscheidungsfeld gegenüber, das in der Regel mehrere Handlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Ertragspotenzialen, Risiken und Chancen umfasst. Einen Eindruck hiervon vermittelt ein Blick in die betriebswirtschaftliche Literatur zur Entscheidungs- und Investitionstheorie und die dort zusammengestellten Beurteilungskriterien für Investitionsprogramme und -projekte297. Selbst mit ihrer Hilfe lassen sich nicht alle Entscheidungsfaktoren erfassen und in einem Investitionskalkül abbilden298. Die Berufung auf betriebwirtschaftliche Entscheidungsregeln zur Konkretisierung des haftungsfreien Ermessensspielraums nach der Maxime der sog. „Legitimation durch Verfahren“299 erweist sich insofern als problematisch, als keine betriebswirtschaftliche Theorie einwandfrei ist, damit sie als Modell für die sachliche Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen dienen kann300. Darüber hinaus würde die Unterwerfung von Leitungsentscheidungen der vollen gerichtlichen Überprüfung dazu führen, dass der

294

Vgl. Ruffner, ZSR NF 119 (2000), II. Halbband, S. 213. So der Delaware Court of Chancery in Cagliardi v. TriFoods Int’l Inc., 683 A. 2d 1049, 1052 (Del. Ch. 1996): „Shareholders don’t want (or shouldn’t rationally want) directors to be risk averse“; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 99 ff. 296 Sehr plastisch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 99 („often managers must act now and learn later; delay for more study may be the worst decision“); Fleischer, ZGR 2001, S. 24. 297 Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt 4, S. 164 ff. 298 Zu den unwägbaren Faktoren gehören zum einen nicht monetäre Investitionsziele (z. B. Prestige, Macht, Unabhängigkeit) und zum anderen nicht-quantifizierbare Investitionswirkungen, die wiederum in nicht-monetäre (z. B. Vereinfachung der Bedienung) und monetäre, aber mangels hinreichender Information nicht quantifizierbare Investitionswirkungen (z. B. Fortbildungsmaßnahmen) unterteilt werden können, vgl. Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre15, S. 321. 299 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 203 ff. 300 Vgl. zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensführung (GoU) von Werder ZfbF 1996, 1 ff. 27 ff.; von Werder/Maly/Pohle/Wolff, DB 1998, S. 1193 ff. 295

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Richter die Gesellschaftsorgane bei der Artikulation des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses teilweise ersetzen würde. Solch eine Entwicklung erweist sich als problematisch und zwar in zweierlei Richtung: Erstens verfügt das Gericht nicht über die gleiche Legitimierung zur Artikulation des Gesellschaftsbzw. Unternehmensinteresses wie die von den Anteilseignern gewählten Gesellschaftsorgane, und zweitens sind Richter anerkanntermaßen keine Manager301. Demnach verfügen sie in aller Regel nicht über das erforderliche theoretische und praktische Wissen in Fragen der Unternehmensführung. Sie müssen sich demzufolge erst durch Sachverständige kundig machen. Zu den Schwierigkeiten vor der Entscheidungsfindung treten noch zusätzliche Gründe für eine verzerrte Wahrnehmung des Entscheidungsfeldes durch die Gerichte im späteren Schadensersatzprozess: Bereits die nachträgliche Rekonstruktion des Entscheidungsfeldes bereitet wegen der Vielzahl von Variablen beträchtliche Schwierigkeiten302. Selbst wo dies einmal gelingen sollte, entsteht ferner das Problem, dass die Gerichte über Managemententscheidungen in Kenntnis der mittlerweile eingetretenen Tatsachen befinden. Zwar sind sie meistens verpflichtet, das Verhalten der handelnden Personen ex ante zu beurteilen303, doch fällt das auch geschulten Richtern nicht immer leicht304: Die psychologische Entscheidungsforschung hat gezeigt, dass Menschen, welche die Ergebnisse von Handlungen kennen, nämlich im Nachhinein dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit zu überschätzen, mit der sie diese Ereignisse vorhergesagt hätten305. Für diese Verhaltensanomalie hat sich der Begriff Hindsight Bias eingebürgert. 301 Vgl. Feder Deposit Ins. Corp. v. Stahl, 89 F. 3d 1510, 1517 (11 Cir. 1996): „Directors are, in most cases more qualified to make business decisions than are judges“; noch pointierter in diese Richtung Rosenfield v. Metals Selling Corp., 643 A. 2d 1253, 1262 (Conn. 1994): „Courts recognize that managers have both better information and better incentives than they. The press of market forces (. . .) will more effectively serve the interests of all participants than will an error-prone judicial process (. . .). Not only do businessmen know more about business than judges do, but competition in the product and labour markets and in the market for corporate control provides sufficient punishment for businessmen who commit more than their share of business mistakes“. 302 Vgl. Joy v. North 692 F. 2d 880, 886 (2d Cir. 1982): „The circumstances surrounding a corporate decision are not easily reconstructed in a courtroom years later“; Davis, Wisconsin L. Rev. 2000, S. 573, 580 der von einem „imperfect litigation rationale“ spricht. 303 Vgl. etwa in Deutschland BGHZ 75, S. 96, 113; BGHZ 126, S. 186, 193; für die Schweiz etwa Bär, ZBJV 106, 457, 462; Fortmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 36 Rdnr. 79, von der Crone, SZW 1994, S. 7; zum französischen Recht vgl. Nancy vom 3.12.1959, RTD com. 1960, S. 638 (Anm. Houin/Percerou); Aix 3.2.1966, JCP 1966. II. 14861; Cass. com. vom 9.5.1978, D. 1978, S. 422 ff. (Anm. Vasseur); Trib.com. Marseille 27.2.1978, RJC 1981, Rdnr. 921; zum US-amerikanischen Recht vgl. American Law Institut – Vorschlag 4.01 (a). 304 Lehrreich insoweit die empirischen Untersuchungen zum Arzthaftungsrecht bei Arkes u. a. Hindsight Bias Among Physicians Weighing the Likelyhood of Diagnoses, 66 J. Applied Psychol. 252 (1981); dies., Eliminating the Hindsight Bias, 73 J. Applied Psychol. 305 (1998).

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B. Gesetzliche Grundlagen des haftungsfreien Ermessensspielraums im deutschen und französischen Gesellschaftsrecht Aus alledem folgt, dass ein effizientes Leitungshaftungsrecht die richtige Mitte zwischen der für unternehmerische Höchstleistungen unverzichtbaren Ermessensfreiheit und den für den Schutz des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses notwendigen Sorgfaltsanforderungen (er)finden sollte, damit die Geschäftsleiter unter ihrer Verantwortung atmen können und die erforderliche Innovationsfreude und Risikobereitschaft nicht verlieren. Sowohl das deutsche als auch das französische Gesellschaftsrecht erkennen der Unternehmensleitung einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Ermessensspielraum, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität und dogmatischer Begründung, zu. Das deutsche Recht ging ursprünglich aus dem Grundgedanken einer durchgehend strengen Haftung des Unternehmensleiters aus. Bereits das AktG 1884 empfand es als „natürlich“, dass „die Verwaltung durch fremde Beamte nicht mit derselben Rastlosigkeit, Sparsamkeit und Fähigkeit erfolgt, welche bei eigenem Geschäftsbetrieb in der Person des Geschäfts meist vereinigt sind“ und schloss daraus auf einen stark eingeschränkten Haftungsspielraum306. Die ältere Kommentarliteratur ließ das Ermessen des Vorstands oft bis auf einen kurzen Hinweis auf § 76 AktG unerwähnt und sprach im Rahmen des § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG allgemein von „pflichtgemäßem“ Ermessen307, ohne jedoch den Begriff materiell zu präzisieren. Die Sorgfaltspflicht wurde strikt und unabhängig von der Leitungsbefugnis interpretiert, indem nicht die Leitungsbefugnis, sondern die Haftungsnorm des § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG als Ansatzpunkt für den Pflichtenrahmen der Unternehmensleiter angesehen wurde308. Darauf baute sich der Gedanke eines im Verhältnis zum allgemeinen Rechtsverkehr schärferen Pflichtenmaßstabs für Organmitglieder, der seine Brisanz unter anderen anhand der Doppelfunktion der Sorgfaltspflicht als Pflichtund Haftungsmaßstab erhielt309. Es wurde m. a. W. davon ausgegangen, dass der 305 Fischhoff, Hindsight/Foresight, The Effect of Outcome Knowledge on Judgment under Uncertainty, 1 J. Experimental Psychol. Hum. Perception & Performance 288 (1975); vertiefend Hawkins/Hastie, Hindsight Biased Judgment of Passed Events after the Outcomes are Known, 107 Psychol. Bull. 311 (1990); speziell zum Geschäftsleiterermessen Arkes/Shipani, 73 Or. L. Rev. 587 (1994); Schäfer/Ott, Lehrbuch der Ökonomischen Analyse des Zivilrechts3, S. 65. 306 Vgl. Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KG a. A. und die AG (1884), § 2 abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), 100 Jahre modernes Aktienrecht, S. 412 ff. 307 Vgl. Baumbach/Hueck, § 93 AktG, Rdnr. 6; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 10. 308 Vgl. Kessler, AG 1993, S. 272 ff. 309 Vgl. Kust, WM 1980, S. 758.

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stärkeren Machtstellung des Unternehmensleiters (insbesondere in der AG) eine hohe Verantwortlichkeit als Gegengewicht entsprechen müsste310, obwohl aus haftungsrechtlicher Hinsicht derartige Erleichterungen sowohl im Gesellschaftsrecht als auch in sonstigen Bereichen des Privatrechts für alle nicht als Organmitglieder ständig in der Verbandsorganisation gebundenen Personen bereits legitimiert waren311. Trotz der konservativen Haltung des Reichsgerichts und des BGH hat die Figur des unternehmerischen Ermessens ihren Ausdruck nicht nur in der relevanten Fachliteratur312, sondern auch in der Rechtsprechung313 und Gesetzgebung314 gefunden. Was die rechtsdogmatische Begründung dieses Ermessensspielraums im Aktienrecht anbelangt, lässt sie sich gesetzesimmanent aus dem Sinngehalt des § 76 AktG entnehmen. Wie bereits geschildert315, gehört das Treffen von Risikoentscheidungen zu den unter dem Begriff „Leitung“ subsumierten Aufgaben des Vorstands. Solche Entschließungen sind nach dem Gesetzeswortlaut vom Vorstand in eigener Verantwortung zu treffen (§ 76 I AktG). Das ist nur dann vorstellbar, wenn der Vorstand über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügt, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen316. Die unverhältnismäVgl. Geßler/Hefermehl, § 93 AktG, Rdnr. 2; Schilling, Gkomm. AktG3, § 93 Rdnr. 9; Kust, WM 1980, S. 760. 311 Für Arbeitnehmer wurde im Wege richterlicher Rechtsfortbildung der haftungsmildernde Ansatz der Haftungsfreistellung bei gefahrgeneigter Arbeit entwickelt (BGHZ 89, S. 153, 157). Für Mitglieder von Personengesellschaften bestimmt der über § 105 II HGB auch für Personengesellschaften geltende § 708 BGB, dass ein Gesellschafter bei Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, jedenfalls aber für grobe Fahrlässigkeit (§ 277 BGB). Eine gesetzliche Haftungserleichterung enthielt allerdings § 16 TAG für Gesellschaften „im Aufbau“, die nicht nur unternehmerische Fehlentscheidungen, sondern auch Ansprüche aus unerlaubten Handlungen umfasst (BGHZ 136, 332; BGH, ZIP 1995, S. 591 ff.). Für Beamten gilt die Haftungserleichterung von § 839 BGB. Haftungsfreiräume i. S. eines Haftungsausschlusses trotz genereller Pflichtenbindung kennt weithin das Zivilrecht; das ist der Fall beim billigen Ermessen i. S. von § 315 BGB ff., vgl. BGHZ 43, S. 376 ff.; OLG Schleswig NW 1989, S. 175; OLG Hamm, NW-RR 1989, S. 681. 312 Zur monographischen Behandlung des Themas vgl. u. a. Semler, Leitung und Überwachung2, 1996; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997; Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, 2001; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002. 313 Vgl. vor allem BGHZ 135, S. 244 („ARAG/Garmenbeck“). 314 Die Gesetzesbegründung des KonTraG geht nunmehr richtigerweise davon aus, dass der Verwaltung „im Bereich unternehmerischer Entscheidungen“ ein weiterer Ermessensspielraum zukommt, vgl. BegrRegE zum KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 21. 315 Vgl. oben § 1, A. 310

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ßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums auch aus der Natur der Sache317. Diese objektiv teleologische Auslegung ist ferner mit den Wertungen des Gesetzgebers318 und nicht zuletzt mit der Verhaltensmaxime des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses vereinbar. Denn nur die Anerkennung eines unternehmerischen Ermessensspielraums ermöglicht dem Vorstand die dynamische Ausbalancierung der jeweils in Betracht kommenden Stakeholder-Interessen319. Die gleichen objektiv teleologischen Auslegungsgedanken gelten trotz des Fehlens einer dem § 76 I AktG entsprechenden Regelung auch für das GmbH-Recht. Es ist dabei nicht zu leugnen, dass sich, soweit die Gesellschafterversammlung nicht unternehmerische Initiative an sich gezogen hat, der Geschäftsführer in ähnlichem Zustand wie der Vorstand befindet und demnach ebenfalls verpflichtet ist, unternehmerische Risiken einzugehen. In diesem Rahmen ist es aus der Sachstruktur bzw. aus der Natur der Sache erforderlich, ihm ebenfalls einen unternehmerischen Spielraum zu gewähren320. Diese objektiv teleologische Auslegung entspricht auch dem Gedanken der Gerechtigkeit i. d. S. von Gleichbehandlung des Gleichartigen und ist aus den gleichen Gründen wie beim Aktienrecht mit der Rechtsfigur des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses vereinbar. Problematisch ist die rechtsdogmatische Begründung des unternehmerischen Ermessens im französischen Recht. Selbst aktuelle Darstellungen321 verzichten auf eine kritische Auseinandersetzung, und zwar obwohl die französische Judikatur sehr früh Instrumente zur Reduzierung des unverhältnismäßigen Haftungsrisikos der dirigeants sociaux entfaltet hat. Die Feststellung, dass der dirigeant social sich im Rahmen seiner Leitungsbetätigung nicht selten mit Risiken auseinandersetzen soll und nicht für jeden Fehler haftbar werden sollte, ist in der einschlägigen Judikatur unter dem Stichwort „droit à l’erreur“ bereits aus dem

316 Vgl. BegrRegE zum KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 21; BGHZ 69, S. 207, 213; BGH DStR 2003, S. 124 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 10 ff.; Kindler, ZHR 1998, S. 103 ff.; Horn, ZIP 1997, S. 1134 ff.; Dreher, ZGR 1993, S. 614 ff. 317 Vgl. Larenz/Canaris3, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155. 318 Vgl. BegrRegE zum KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 21. 319 Vgl. Goette, Haftung, S. 757. 320 Vgl. Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 19; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 77a; Lutter, GmbHR 2000, S. 306 ff.; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 6; zum Zusammenhang zwischen „Sachstrukturen“ und „Natur der Sache“ vgl. Larenz/Canaris3, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155. 321 Vgl. Gibirila, Le dirigeant de société, 1995; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, 1999; Hadji-Artinian, La faute de gestion en droit des sociétés, 2001; Gauthier, Les dirigeants et les groupes de sociétés, 2000.

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19. Jahrhundert bekannt322. Demnach könnte man zum Ergebnis kommen, dass die Rechtsfigur des unternehmerischen Ermessens das Ergebnis einer richterlichen Rechtsfortbildung darstellt323. Wichtige Erkenntnisse für eine gesetzesimmanente Begründung des unternehmerischen Ermessen könnten allerdings auf dem Weg der rechtsvergleichenden Auslegung gewonnen werden: Ein haftungsfreier Ermessensspielraum lässt sich für den PDG aus Art. 113 L. 1966 unter Berücksichtigung der Ansatzpunkte zur Begründung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht ableiten. Der Wortlaut der Regelung, demnach der PDG im Rahmen seiner Aufgaben die eigenverantwortliche direction général der SA übernimmt, ähnelt demjenigen des § 76 I AktG. Aus Art. 113 L. 1966 wird ersichtlich, dass das Konzept der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung dem französischen Gesetzgeber nicht fremd ist. Eine eigenverantwortliche direction générale setzt ebenso wie beim Fall des Vorstands einer AG voraus, dass der PDG über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügen soll, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Die unverhältnismäßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums ebenso wie beim deutschen Recht aus der Natur der Sache. Diese objektiv teleologische Auslegung ist ferner mit den Wertungen des französischen Gesetzgebers und insbesondere mit der Rechtsfigur des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses vereinbar. Denn die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessens ermöglicht dem PDG nicht nur das Eingehen von Risiken zwecks einer Gewinnerwirtschaftung (Artt. 1832, 1833 Cc), sondern auch die dynamische Ausbalancierung der jeweils in Betracht kommenden Stakeholder-Interessen. Die gleichen objektiv teleologischen Argumente gelten für den Verwaltungsrat der monistischen SA (argumentum a maiore ad minus). Die Aufgabe des letzteren besteht, wie bereits geschildert, in der Verwaltung der SA und zu diesem Zweck soll er nach der Gesetzesauffassung über weitestgehende Zuständigkeiten verfügen (Art. 98 I L. 1966). Es ist gerade die effiziente Wahrnehmung seiner administrativen Aufgaben, die verlangt, dass der Verwaltungsrat über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügt, damit er im Rahmen seiner Leitungsaufgaben Entscheidungen treffen kann, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen 322 Vgl. Cass. req. 8.7.1895, DP 1896 I, S. 294; Trib.com. Nantes 26.6.1886, J Soc 1899, S. 95; CA Paris 24.9.1981, Banque 1981, S. 1316 ff.; ähnlich Trib.com. Roubaix 21.11.1979, Gaz. Pal. 1980, Somm. 387; vgl. noch Le Cannu, Rdnr. 1649, S. 840; Anm. Von Martin in Cass. com. 4.2.1980 perc. S. 1168. 323 In diese Richtung auch Grossi, Les devoirs, S. 101 ff.; Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, S. 105 ff.; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 522, 539.

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Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Trotz des Fehlens einer dem Art. 113 L. 1966 entsprechenden Regelung ist nicht zu leugnen, dass der Verwaltungsrat im Rahmen seiner Leitungsaufgaben verpflichtet ist, unternehmerische Risiken einzugehen, wenn nicht in gleicher Tragweite wie der PDG. Demzufolge ist es aus der Sachstruktur bzw. aus der Natur der Sache erforderlich, ihm ebenfalls einen unternehmerischen Spielraum zu gewähren. Diese objektiv teleologische Auslegung entspricht auch dem Gedanken der Gerechtigkeit i. S. von Gleichbehandlung des Gleichsinnigen und ist aus den gleichen Gründen wie beim PDG mit der Rechtsfigur des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses vereinbar. Ähnliches soll angesichts der wortgleichen Auffassung des L. 1966 auch für das Direktorium der SA modernen Typs (vgl. Art. 124 L. 1966) wie auch für die gérants der SARL (vgl. 49 III L. 1966) gelten, soweit nichts anderes gesetzlich vorgeschrieben ist.

C. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Das (Er-)Finden der goldenen Mitte zwischen unternehmerischer Risikobereitschaft und Leitungsverantwortung verlangt vor allem nach der Konturierung einer sich der vollen gerichtlichen Überprüfung entziehenden Einschätzungsprärogative der Unternehmensleitung. Letztere vollzieht sich in beiden Rechtsordnungen nach unterschiedlichen Ansätzen, wie etwa durch die Verwertung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre, durch die analoge Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften, oder sogar rechtsvergleichend durch die Übertragung des Business Judgement Rule-Ansatzes. Die gerichtliche Prüfung von Leitungsentscheidungen vollzieht sich sowohl im deutschen als auch im französischen Kapitalgesellschaftsrecht ex-ante324; ein rechtsvergleichender Rundblick weist sogar darauf hin, dass die ex-ante gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen zu den festen Überzeugungen wichtiger marktwirtschaftlich gerichteten Rechtsordnungen gehört325. Das 324 Zum deutschen Recht vgl. BGH NJW 1961, S. 600; Kust, WM 1980, S. 760; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 81; Wiedemann, Organverantwortung, S. 13; Mestmäcker, S. 213; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 178 ff.; Mertens, KKomm. AktG2, § 93 Rdnr. 29; Horn, ZIP 1997, S. 1132 ff.; zum französischen Recht vgl. Nancy vom 3.12.1959, RTD com. 1960, S. 638 (Anm. Houin/Percerou); Aix 3.2.1966, JCP 1966. II. 14861; Cass. com. vom 9.5.1978, D. 1978, S. 422 ff. (Anm. Vasseur); Trib.com Marseille 27.2.1978, RJC 1981, no 921; CA Paris 15.9.1995, D. Affaires 1995, chron. S. 90; Guyon, DdA I10, Rdnr. 459; Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 132; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 263; Didier, Droit commercial t. 22, Rdnr. 238. 325 Vgl. beispielsweise zum US-amerikanischen Recht vgl. Rosenfield v. Metals Selling Corp., 643 A. 2d 1253, 1262 (Conn. 1994): „For efficiency reasons corporate decision makers should be permitted to act decisively and with relative freedom from

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ist insoweit zu begrüßen, als unternehmerische Entschließungen Risikoabwägungen unter Unsicherheit darstellen, deren endgültige Einschätzung als voroder nachteilhaft nur retrospektiv möglich ist. Die ex ante Sichtung der Vertretbarkeit unternehmerischer Entscheidungen bedeutet aus praktischer Sicht, dass die Fehlerhaftigkeit einer unternehmerischen Führungsentscheidung nicht an ihrem Erfolg oder Misserfolg, sondern an der sorgfältigen Erwägung und Beurteilung von Chancen und Risiken zu messen ist. Ihre Effizienz als Haftungsmilderungsansatz soll, wie bereits dargestellt, wegen des Problems von Hindsight Bias relativiert werden326. Ein Beispiel von Hindisight Bias bietet hierbei die französische Rechtsprechung zur insolvenzbezogenen Leitungshaftung wegen missbräuchlicher Geschäftsfortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs an. Letztere überschneidet sich unvermeidlich mit dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung i. S., dass letzterer den Höhepunkt der Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs darstellt. Dies hat in der Praxis erhebliche Auswirkungen auf die gerichtliche Nachprüfung der faute de gestion, indem die Gerichte aus der folgenden Insolvenz der Gesellschaft automatisch eine missbräuchliche Fortführung des defizitären Geschäftsbetriebs ableiten und demnach dazu tendieren, die faute de gestion des dirigeant social ex-post statt ex-ante einzuschätzen327. Darin besteht die Gefahr, dass auf diese Weise eine faute de gestion vermutet wird (présomption de faute de gestion), und der dirigeant social insofern verpflichtet ist zu beweisen, dass er das Unternehmen ordnungsgemäß geleitet hat. Das führt praktisch zu einer Transformation der leitungsbezogenen Sorgfaltspflicht von einer obligation de moyen zu einer obligation de résultat328, was allerdings mit den gesetzgeberischen Vorstellungen unvereinbar ist. Denn die Vermutung des Geschäftsleitungsfehlers in Art. 99 InsG 1967 wurde nach der Insolvenzreform vom 1985 abgegeben, so dass unter Art. 180 InsG 1985 der Kläger zu beweisen hat, dass der dirigeant social einen faute de gestion begangen hat.

a judge’s or jury’s subsequent second guessing“; zum schweizerischen Recht vgl. Bär, Verantwortlichkeit, S. 462; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 36 Rdnr. 79; zum deutschen Recht vgl. Horn, ZIP 1997, S. 1132 ff.; zum französischen Recht vgl. Nancy vom 3.12.1959, RTD com. 1960, S. 638 (Anm. Houin/Percerou); Aix vom 3.2.1966, JCP 1966 II, no 14861; Cass. com. vom 9.5.1978, D. 1978, S. 422 ff. (Anm. Vasseur); Trib.com. Marseille 27.2.1978, RJC 1981, Rdnr. 921. 326 Vgl. Horn, ZIP 1997, S. 1132 ff. 327 Zutreffend Grossi, Les devoirs, Rdnr. 252 ff. 328 Vgl. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 250, m. w. N.; vgl. noch Cass. com. 21.6.1971, Bull. civ. IV, Rdnr. 175, S. 163; Berdah, Rdnr. 159, S. 203.

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I. Konkretisierung des unternehmerischen Ermessensspielraums durch Verwendung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre 1. Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für das deutsche Gesellschaftsrecht a) Die verwaltungsrechtliche Lehre zum Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum Versuche einer juristischen Vertypung des Ermessensspielraums mit Hilfe von vergleichbaren Lehrsätzen aus dem Bereich des Verwaltungsrechts sind dem deutschen Kapitalgesellschaftsrecht nicht fremd329. Die Befassung mit den nichtjustiziablen Freiräumen der Verwaltung genießt eine lange Tradition im öffentlichen Recht330. Hierbei wird herkömmlich zwischen Beurteilungsspielraum und Ermessen unterschieden331. An dieser Kategorisierung ist auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung festzuhalten, und zwar aus zwei Gründen: Zum einem wurde durch die Verwaltungswissenschaft für beide Fallgruppen eine eigene Fehlertypologie entwickelt332. Zum anderen ist ihr dogmatischer Anknüpfungspunkt ein unterschiedlicher: Während sich die Lehre vom Beurteilungsspielraum im Gestaltungsspielraum der Verwaltung bei der Anwendung der Tatbestandsseite einer Norm verschrieben hat, widmet sich die Ermessenslehre den justizfrei bleibenden Spielräumen der Verwaltung auf der Rechtsfolgenseite333. Die Lehre vom Beurteilungsspielraum wurde in bestimmten Fallgruppen eingebürgert334. Dazu gehören u. a. die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbe329 Der Gedanke einer Anleihe im öffentlichen Recht hat im Rahmen der §§ 116, 93 AktG eine richterliche Tradition vgl. BGHZ 64, S. 325, 332; BGH NJW 1992, S. 2691, 2693; LG Düsseldorf, ZIP 1994, S. 628; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183 ff.; vgl. noch Grossmann, Unternehmensziele, S. 61 ff.; 133 ff., 163 ff., 225 ff.; Brinkmann, AG 1982, S. 122, 126; Bungert, DZNot 1992, S. 758; ders., IstR 1993, S. 134; ders., GmbHR 1993, S. 486; Wiedemann, Organverantwortung, S. 13 ff.; Paefgen, Struktur, S. 169 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 12 ff.; Mutter, Unternehmerischen Entscheidungen, S. 230 ff.; Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die richterliche Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, Diss. Konstanz 1999. 330 Vgl. Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff.; Erichsen, DVBl. 1985, S. 22 ff.; Herdegen, JZ 1991, S. 747; von Mutius, Jura 1987, S. 92 ff.; Ossenbühl, FS Redeker, S. 55 ff.; Sendler, FS Ule, S. 336 ff. 331 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdnr. 31; Stober, WirtschaftsverwaltungsR AT11, S. 332; Herdegen, JZ 1991, S. 747; von Mutius, Jura 1987, S. 92 ff.; Erichsen/Ossenbühl, Allgemeines VerwaltungsR11, § 10; Sendler, FS Ule, S. 336 ff.; Starck, FS Sendler, S. 181; Ossenbühl, DÖV 1970, S. 86 ff.; Ipsen, Jura 1987, S. 126. 332 Herdegen, JZ 1991, S. 747 ff. 333 Wolff/Bachof/Stober, VerwaltungsR I, § 31 Rdnr. 31; Stober, WirtschaftsverwaltungsR AT11, S. 332.

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griffe anhand gesetzgeberischer Zielsetzungen335, wie auch verschiedene Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Umwelt- und Wirtschaftsverwaltungsrecht336. Bewertungsspielräume sind nur beschränkt gerichtlich überprüfbar, d.h. die Verwaltungsgerichte dürfen bei der Entscheidung, ob die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall dem Begriffsumfang des gesetzlichen Tatbestands entsprechen, ihre Sicht der Dinge nicht an die Stelle der Sicht der Verwaltung setzen337. Das hängt damit zusammen, dass die Beurteilungsentscheidung ein höchst persönliches Werturteil darstellt, welches auf einer nicht nachvollziehbaren oder nicht beliebig wiederholbaren Situation beruht, die letztverbindlich von einem dazu berufenen sachverständig zusammengesetzten Verwaltungsgremium beurteilt werden soll. Beurteilungsentscheidungen der Wirtschaftsbehörden sind grundsätzlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der anzuwendende Begriff oder der gesetzliche Rahmen, in dem sich die Verwaltung frei bewegen darf, verkannt wurde338 oder ob die Verwaltung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Vor allem die Ermittlung des Sachverhaltens muss zutreffend und vollständig sein339. In dieser Hinsicht wird die Entscheidung der Behörde einer uneingeschränkten Nachprüfung unterzogen340. Die Beurteilungsentscheidung der Verwaltung ist noch daraufhin zu überprüfen, ob letztere willkürlich gehandelt hat341. Als Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung kommen die Nichtbeachtung allgemein anerkannter oder gesetzlich vorgegebener Bewertungsmaßstäbe (wie etwa das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder der Gleichbehandlungsgrundsatz) oder das Eintreten sachfremder Erwägungen in Betracht342. Bei Prognoseentscheidungen kommt zusätzlich dazu, ob die Prognose des zuständigen Gremiums über den möglichen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung erkennbar fehlerhaft war343. Von einem Ermessen der Verwaltung ist die Rede, wenn letztere bei der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands zwischen verschiedenen Verhaltens334 Ausführlicher dazu Wolff/Bachof/Stober, VerwaltungsR I, § 31 Rdnr. 31; Stober, WirtschaftsverwaltungsR AT11, S. 332. 335 Vgl. beispielsweise § 4 I Nr. 2 GastG-„Gefahren“, „öffentliche Sicherheit und Ordnung“. 336 BVerfG, NJW 1988, S. 276, 277 (Prognose über Regionalwirtschaft); BVerwGE 80, S. 113, 120 (Wohnungsmarktprognose); BVerfG 72, S. 282, 286 ff. (Verkehrsentwicklung); BVerwGE 72, S. 300, 316 ff. (Risikobeurteilung im Atomrecht). 337 Stober, WirtschaftsverwaltungsR AT11, S. 332. 338 BVerwGE 77, 75, 85; Herdegen, JZ 1991, S. 748; Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772. 339 BVerwGE S. 39, 197, 204; BVerfGE 70, 143, 145 ff.; BVerfGE 79, S. 208, 213; BVerfGE 81, S. 185, 192 ff. 340 BVerfGE 77, S. 75, 85. 341 BVerfGE 77, S. 75, 85. 342 BVerwGE 39, S. 197, 204. 343 BVerwGE 64, 328, 242; Stober, WirtschaftsverwaltungsR AT11, S. 333.

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weisen wählen kann344. Ausgehend von den gesetzgeberischen Kodifikationen in § 40 VwVfG und § 114 VwGO hat sich diesbezüglich eine in den Grundzügen als gefestigt anzusehende Fehlertypologie von Ermessensentscheidungen fortgebildet. Zu den Fehlern, welche zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Verwaltungsentscheidung führen können, gehören die Ermessenüberschreitung bzw. -unterschreitung, der Ermessensfehlgebrauch345 und die Ermessensreduzierung auf Null346. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde eine nicht mehr im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung liegende Rechtsfolge wählt, d. h. eine Entscheidungsfreiheit in Anspruch nimmt, die ihr aufgrund des zu vollziehenden Gesetzes oder im Hinblick auf andere einschlägige Rechtsvorschriften und allgemeine Grundsätze nicht zukommt347. Eine Ermessensunterschreitung liegt vor, wenn die Behörde vom ihr zustehenden Ermessen keinen Gebrauch macht, sei es aus Nachlässigkeit oder wegen eines von ihr falsch ausgelegten Gesetzes oder sogar aufgrund der irrigen Annahme einer in Wahrheit nicht bestehenden Beschränkung ihres Ermessensspielraums348. Ein Ermessensfehlgebrauch kommt in Betracht, wenn die Verwaltung die gesetzlichen Zielvorstellungen nicht achtet oder sie die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte nicht hinreichend in ihre Erwägungen einbezieht349. Das gilt auch, wenn sie die objektiven Ermessensschranken missachtet, welche sich aus der verfassungsmäßigen Rechtsordnung, darunter auch aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, ergeben. Dazu zählen insbesondere das Rechts- und Sozialstaatsprinzip sowie die Grundsätze der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt schließlich vor, wenn die Entscheidungsbefugnis der Verwaltung sich auf eine einzige richtige Entscheidungsmöglichkeit beschränkt. b) Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Lehre für die Konturierung des unternehmerischen Ermessensspielraums im Kapitalgesellschaftsrecht Eine Konturierung der Ermessensfreiheit der Unternehmensleitung über die analoge Anwendung der § 40 VwVfG und § 114 VwGO scheidet nach überwiegender Ansicht aus350. Zwar knüpft die ratio legis der angesprochenen Verfahrensvorschriften an die gleichen Grundgedanken wie das Konzept des unternehMaurer, Allgemeines VerwaltungsR16, § 7 Rdnr. 7. § 39 VwVfG; vgl. hierzu VGH Mannheim, DÖV 1983, S. 383. 346 BVerwGE 84, 86 ff. und 322, 334; BVerGE 11, 95 ff. 347 BVerwGE 34, S. 241 ff.; Kopp6, § 40 VwVfG, Rdnr. 27. 348 Erichsen/Ossenbühl, Allgemeines VerwaltungsR11, § 10 Rdnr. 16; Kopp6, § 40 VwVfG Rdnr. 30, 94; Stober WirtschaftsverwaltungsR11, S. 335. 349 Maurer, Allgemeines VerwaltungsR16, § 7 Rdnr. 22; Erichsen/Ossenbühl, Allgemeines VerwaltungsR11, § 10 Rdnr. 18. 344 345

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merischen Ermessensspielraums an351, jedoch besteht keine Wesensgleichheit zwischen den Verwaltungsentscheidungen und der Leitung einer Kapitalgesellschaft. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen liegt dem öffentlichen Recht das dem Zivilrecht unbekannte Subordinationsprinzip zugrunde, welches zum Schutz des Bürgers genaue Verhaltensanforderungen an die Verwaltung und eine hohe Kontrolldichte bedingt. Dementgegen ist das Verhältnis der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft zu deren Organen nicht hoheitlich konstituiert: Denn dabei handelt es sich nicht um die Unterordnung der Aktionärsinteressen unter eine höherrangige Gewalt, sondern um die effiziente Verwaltung privater Vermögenswerte mit Hilfe Dritter352. Schließlich lässt sich ernsthaft zweifeln, ob aus der in der verwaltungsrechtlichen Gerichtspraxis entwickelten Fehlertypologie wichtige Erkenntnisse zur Konturierung des unternehmerischen Ermessensspielraums entnommen werden könnten. Will man die Fallgruppen fehlerhafter Beurteilungsentscheidungen auf die unternehmerischen Entscheidungen der Leitungsorgane übertragen, so werden die Grenzen solch einer Unternehmung bereits ersichtlich. Was die Verwertung der verwaltungsgerichtlichen Praxis zur materiellen Überprüfung von Beurteilungsentscheidungen anbelangt, lässt sich feststellen, dass eine gerichtliche Nachprüfung der Ermittlung des Sachverhaltens, wie sie die Verwaltungsgerichte handhaben, auf eine sehr weit gehende und umfängliche Bestimmung der Informationspflichten durch die ordentliche Gerichtsbarkeit hinausliefe, wenn schon die Frage der Einholung einer Information ihrerseits eine Entscheidung erfordert, die wegen ihres Abwägungs- und Einschätzungsgehalts einer unternehmerischen Entscheidung gleichkommt. Die Zweckmäßigkeit einer umfänglichen rechtlichen Fixierung von Informationspflichten ist ferner durch die Ergebnisse der empirischen Forschungen nicht zu belegen. Was den Gedanken der auf eine Willkürprüfung begrenzten inhaltlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung anbelangt, so bleibt zu vermerken, dass die angesprochenen Fälle bereits mit dem bisherigen Instrumentarium des Gesellschaftsrechts und vor allem anhand der Rechtsfiguren des Unternehmensinteresses und der organschaftlichen Treuebindungen beseitigt werden können353. Die verwaltungsrechtliche Lehre zum Beurteilungsspielraum würde demnach nichts Neues zur gesellschaftsrechtlichen Diskussion über den unternehmerischen Ermessensspielraum anbietet. 350 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 12 ff.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 230 ff.; Raiser, NJW 1996, S. 553; Paefgen, AG 1992, S. 90 ff.; Jäger WiB 1997, S. 1013; anders Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die richterliche Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, Diss. Konstanz 1999, S. 190 ff. 351 In dieser Hinsicht vgl. LG Düsseldorf, ZIP 1994, S. 628; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183. 352 Vgl. Raiser, NJW 1996, S. 553. 353 So auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 237 ff.

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Ähnliches gilt auch für die Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Fehlertypologie von Ermessensentscheidungen. Will man den Fehlertypus der Ermessensüberschreitung auf die Entscheidungen der Leitungsorgane übertragen, so kann es sich dort eigentlich nur um jene Entschließungen handeln, die nicht mehr dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse dienen. Im Bereich der Ermessensentscheidungen dürfte eine derartige Fehlergruppe praktisch nur dergestalt vorstellbar sein, dass die Unternehmensleitung unreflektiert unternehmerische Entscheidungen trifft. Ein derartiges Verhalten könnte aber bereits aufgrund unzureichender Informierung der Unternehmensleitung als pflichtwidrig gebrandmarkt werden. Begrenzt ist auch die Verwertbarkeit der Fallgruppe des Ermessensmissbrauchs. Letztere erfasst Fälle, in denen sich die Verwaltung bei ihrer Entscheidung von sachfremden Erwägungen oder Sachlagen, in denen die Verwaltung entscheidungsmaßgebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat, leiten lässt. Beide Sachgruppen könnten wiederum unter Verweis auf die Rechtsfiguren der Treuepflichten und des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses behandelt werden, so dass eine Verwendung verwaltungsrechtlicher Lehrsätze nicht erforderlich ist354. Eine gewisse Bedeutung könnte lediglich dem Fehlertypus der Ermessensreduzierung auf Null zukommen. Im letzten Fall wird das Verwaltungsermessen der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterworfen, wenn es sich auf eine einzige Lösung hin verdichtet hat. Diese Praxis scheint auf die unternehmerischen Ermessensentscheidungen der Leitungsorgane übertragbar355: Lässt sich bei einer unternehmerischen Entscheidung aus der Fülle möglicher Handlungsweisen sachlich nur eine einzige überhaupt vertreten, so drängt sich die Annahme einer Pflichtwidrigkeit gerade dann auf, wenn die Unternehmensleitung gleichwohl eine andere Entscheidung trifft. 2. Verwertbarkeit der verwaltungsrechtlichen Lehre über den „pouvoir discrétionnaire“ für das französische Gesellschaftsrecht a) „Pouvoir discrétionnaire“ und Ermessensfreiheit Versuche einer juristischen Vertypung des Ermessensspielraums anhand von vergleichbaren Lehrsätzen aus dem Bereich des Verwaltungsrechts sind im französischen Recht selten. Im öffentlichen Recht wird die Problematik von Handlungsfreiräumen der Verwaltung unter dem Stichwort „pouvoir discrétionnaire“ behandelt356. Während das deutsche Recht in § 40 VwVfG und § 114 VwGO immerhin einige wichtige Aspekte der Ermessensproblematik ausdrücklich gere-

354

So Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 252 ff. Vgl. in diese Richtung LG Düsseldorf, ZIP 1994, S. 628; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183. 355

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

gelt hat, sucht man vergebens nach einer Norm, die den „pouvoir discrétionnaire“ auch nur erwähnt. In der Rechtsprechung des Conseil d’Etat (im Folgenden: C.E.) taucht der Begriff des „pouvoir discrétionnaire“ zwar gelegentlich auf357, insgesamt lassen sich seinen Urteilen aber keinerlei allgemeine Ausführungen zur Problematik entnehmen. Die Bestimmung von Begriff und Inhalt der „pouvoir discrétionnaire“ fällt somit vollständig der Rechtslehre zu. Letztere stellt den „pouvoir discrétionnaire“ als eine von gesetzlicher und richterrechtlicher Regelung358 belassene Handlungsfreiheit der Verwaltung dar359. Bei ihrer Konturierung kommt dem Richterrecht die größere Bedeutung zu360. Die Handlungsfreiheit beinhaltet das Recht der Verwaltung, eigenständig zu entscheiden, ob sie handelt und ggf. welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen will361. Ihre Hauptbedeutung liegt im Bereich der Verwaltungsentscheidung, 356 Goldenberg, Conseil d’Etat, S. 29; Michoud, Étude, S. 72; Hauriou, Pouvoir discrétionnaire, S. 193; Fortsakis, Conceptualisme, S. 402; De Laubadère/Venezia/Gaudement, Droit administratif, t. I, Rdnr. 896; Rivero, Droit administratif, Rdnr. 81. 357 CE 15.3.1963 („Compagnie Electro-mécanique“), Rec., S. 167; CE 28.11.1968 („Ministre des Armées/Anger“), Rec., S. 580; viel öfter treten an der Stelle der „pouvoir discrétionnaire“ andere Umschreibungen, vgl. CE 8.3.1968 („Min. de l’education nationale/Syndicat de la métallurgie aubaise“), Rec. S. 171, 172 („pouvoir d’appréciation“); C.E. Sect. 25.5.1980 („Institut technique de Dunkerque“), Rec., S. 196; CE Ass. 16.12.1988 („Bléton/Sarazin“), RFDA 1989, S. 531 („large liberté de choix“); CE Ass. 5.5.1976 („S.A.F.E.R. d’Auvergne/Bernette“), Rec., S. 232 („pouvoir d’appreciation de l’opportunité“). 358 Die Auffassung, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch der Verwaltungsrichter im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bei der Kontrolle von Ermessensakten Inhalt und Umfang des „pouvoir discrètionnaire“ bestimmt, hat sich heute in der französischen Rechtslehre durchgesetzt, vgl. Auby/Drago, Contentieux administratif, t. I, Rdnr. 1258; Chapus, Droit administratif, t. I, Rdnr. 1075; Morand-Deviller, Droit administratif, S. 204; a. A. Hauriou, Mélanges Carré de Malberg, S. 234; Wei Teng-lin, Pouvoir discrétionnaire, S. 34. 359 Den Gegenpol zum „pouvoir discrétionnaire“ bildet die „compétence liée“. In diesem Fall unterliegt das Verwaltungshandeln strikter normativer Prädetermination; gemäß der doppelten Gebundenheit der Verwaltung sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Rechtsprechung kann eine compétence liée auf zweierlei Art und Weise entstehen: Neben einer „compétence liée“ par la loi ist eine compétence liée par le juge“ möglich; ausführlicher zum Thema vgl. Eisenmann, Droit administratif, t. II, S. 320; De Laubadère/Venezia/Gaudemet, Droit administratif, t. I, Rdnr. 899; De Laubadère, Mélanges Waline, S. 534 ff. 360 Vgl. Fromont, FS Jahrreiss, S. 70; De Laubadère/Venezia/Gaudemet, Droit administratif, t. I, Rdnr. 899; Pacteau, Motifs, S. 203; Schlette, Die verwaltungsrechtliche Kontrolle, S. 113. 361 Indem der „pouvoir discrétionnaire“ bei einer entsprechenden Beschränkung der richterlichen Kontrolle problemlos auch die Voraussetzungsseite der Norm erfassen kann, stellt er sich als wesentlich umfassender als das deutsche Ermessen dar, welches nach herrschender Doktrin bekanntlich ein reines Rechtsfolgeermessen ist; vgl. Schlette, Die verwaltungsrechtliche Kontrolle, S. 118; Bullinger, FS Jahrreiss, S. 23; Jarass, DÖV 1981, S. 815; Schneider, DÖV 1970, S. 673; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht Bd. I, S. 246; Starck, Verwaltungsermessen, S. 28; anders Hoffmann, Ermessen, S. 109 ff.

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also auf Einzelakt und Verordnung. Folglich beschränken sich die Stellungnahmen der Lehre zur Ermessensproblematik in aller Regel darauf362. Für die Aufgabe des C.E., das behördliche Ermessen einzuschränken, wurde der bereits auf ein Gesetz vom 7. und 14.10.1790 zurückgehende recours pour excés de pouvoir zur wichtigsten Klageart ausgebaut. Sie kumuliert die Funktionen der deutschen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Normenkontrolle, so dass dem Staatsrat über diese Klageart auch tatsächlich alle wesentlichen Ermessensbefugnisse zur Untersuchung vorgelegt werden. Im Rahmen des recours pour excés de pouvoir entwickelte der Staatsrat bis etwa Mitte dieses Jahrhunderts eine an bestimmten Klagegründen („cas d’ouvertures“) ausgerichtete und vom deutschen Verwaltungsprozessrecht strukturell sehr abweichende Kontrollsystematik, mit der das behördliche Ermessen in vielem bereits in deutliche Schranken gewiesen wurde. Die von der Rechtsprechung des C.E. entwickelten cas d’ouvertures betreffen sowohl die legalité externe als auch die legalité interne des Verwaltungsaktes. Zum legalité externe gehören die Klagegründe der Unzuständigkeit (incompétence)363 und der Verletzung der Form- und Verfahrensvorschriften des französischen Verwaltungsrechts364. Zum legalité interne gehört die Prüfung von Gesetzesverstößen (violation de la loi) und des Ermessensmissbrauchs (détournement de pouvoir). Die Rechtsprechung hat weiterhin die drei folgenden Fallgruppen des Ermessensmissbrauchs herausgearbeitet: (1) Der Amtwalter verfolgt mit dem Verwaltungsakt nicht Belange des öffentlichen Wohls, der Sicherheit und Ordnung, sondern sachfremde, z. B. persönliche, politische oder konfessionelle Zwecke365; (2) die Behörde versucht mit ihrer Maßnahme einen anderen als den vom Gesetzgeber mit der Ermessenseinräumung verfolgten öffentlichen Zweck zu erreichen366 und (3) die Verwaltung wendet an Stelle des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens ein anderes an, welches bei der gegebenen Sach362

Blumann, Renonciation, S. 262. CE 23.11.1904 („Barthès“), Rec., S. 869; CE 3.3.1948 („Baudoin“) Rec., S. 110; C.E. 27.1.1950 („Perrin“), Rec., S. 64; C.E. 31.1.1955 („Thomas“), Rec., S. 56. 364 Chapus, Droit administratif, t. I, Rdnr. 1054; Peiser, Contentieux administratif, S. 146; Auby/Drago, Contentieux administratif, t. II, Rdnr. 1164 ff.; Rivero, Droit administratif, Rdnr. 257 ff. 365 Auby/Drago, Contentieux administratif, t. II, Rdnr. 1298 ff.; Peiser, Droit administratif, t. I, S. 192 ff.; Weil, Droit administratif, S. 106. 366 Vgl. De Laubadère/Venezia/Gaudement, Droit administratif, t. I, Rdnr. 721; Waline, RDP 1956, S. 29; ein Beispiel dafür stellt der Erlass einer Polizeimaßnahme zu anderen Zwecken als zur Gefahrenabwehr, vor allem aus rein fiskalischem Interesse dar, vgl. CE 26.11.1875, Rec.p, 934; CE 4.7.1924, Rec. S. 641; CE 14.5.1954, Rec., S. 269. Nachdem der Gesetzgeber die entschädigungspflichtige Verstaatlichung aller Zündholzfabriken beschlossen hatte, ordnete der zuständige Minister unter Berufung auf die von ihnen ausgehenden Gefahren die Schließung einiger dieser Fabriken an, in dem alleinigen Bestreben, die spätere Zahlung von Entschädigungen an diese Firmen zu umgehen. 363

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

lage unzulässig war (détournement de procedure)367. Die Verwaltung macht von einem derartigen zweckfremden Verfahren deshalb Gebrauch, weil es ihr vorteilhafter erscheint als das eigentlich anwendbare Verfahren, das im konkreten Fall als zu umständlich, zu langwierig oder zu teuer empfunden wird oder sonst für die Verwaltung gegenüber dem anderen Verfahren gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringt368. b) Verwertbarkeit der Ermessensmissbrauchslehre für die Konturierung des unternehmerischen Ermessens Für das unternehmerische Ermessen lässt sich auf die im öffentlichen Recht entwickelten Lehrsätze sehr begrenzt zurückgreifen. Zwar knüpft sich die ratio legis der Lehre zum „pouvoir discrétionnaire“ an die gleichen Grundgedanken wie das Konzept des haftungsfreien Ermessensspielraums der Unternehmensleitung, allerdings besteht keine Wesensgleichheit zwischen den Entscheidungen der Verwaltung und denen der Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft. Die Gründe dafür sind vielfältig: Folgt man der Theorie von „puissance publique“ (öffentlichen Gewalt), liegt dem öffentlichen Recht das dem Zivilrecht unbekannte Subordinationsprinzip zugrunde369, welches zum Schutz des Bürgers genaue Verhaltensanforderungen an die Verwaltung und eine hohe Kontrolldichte bedingt. Dementgegen ist das Verhältnis der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft und deren Organen nicht hoheitlich konstituiert, m. a. W. handelt es sich beim Kapitalgesellschaftsrecht nicht um die Unterordnung der Aktionärsinteressen unter eine höherrangige Gewalt, sondern um die effiziente Verwaltung privater Vermögenswerte mit Hilfe Dritter. Selbst wenn man an die Stelle der Subordinationstheorie der Theorie der „service publique“ folgt, bestehen jedoch wesentliche Unterschiede zwischen dem staatlichen und dem privaten Erbringen von Dienstleistungen. Dieser Unterschied lässt sich ebenso wenig über die Rechtsfigur des Unternehmensinteresses abmildern. Denn Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass die Unternehmensleitung die Verbandsziele sozial ver-

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Camus, RDP 1966, S. 65 ff.; Goy, Mélanges Eisenmann, S. 321 ff.; Auby/Drago, Contentieux, administratif, t. II, Rdnr. 1303; Chapus, Droit administratif, t. I, Rdnr. 1071; Vedel/Delvolvé, Droit administratif, S. 811. 368 CE 6.6.1947 („Societe Provenciale de contsruction navale“), P 147 III, S. 69 (Verwendung des prinzipiell nur in Notfällen anwendbaren Beschlagnahmeverfahrens um Privatunternehmen zu nationalisieren); CE 4.7.1947 („Navalo“), Rec., S. 297 (Verwendung des prinzipiell nur in Notfällen anwendbaren Beschlagnahmeverfahrens um Grundstücke zu enteignen und so dem zur sofortigen Zahlung einer Entschädigung verpflichtenden Enteignungsverfahren zu entgehen; Chapus, Droit administratif, t. I, Rdnr. 1071, S. 738; Peiser, Contentieux administratif, S. 164; Rivero, Droit administratif, Rdnr. 260. 369 Venezia, Mèlanges Eisenmann, S. 363; Bizeau, AJDA 1992, S. 179; Duguit, Traité DC, t. II, S. 263 ff.

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antwortlich fördern soll, nicht aber, dass sie Daseinsvorsorge übernimmt. Dagegen sprechen die Vorschriften der Artt. 1832, 1833 Cc. Vielmehr lassen sich neue Erkenntnisse für das unternehmerische Ermessen nur begrenzt aus der Fehlertypologie von Verwaltungsakten gewinnen. Die unter dem Stichwort der „legalité externe“ subsumierten Fälle der Unzuständigkeit und der Formverletzung, wie auch der Gesetzesverstoß stellen bereits Sorgfaltspflichtverletzungen i. S. des Wortlauts von Art. 52 bzw. 244 L. 1966 dar. Demnach ist ein Verweis auf die öffentlichrechtliche Lehre der cas d’ouverture nicht zweckmäßig. Was die Ermessensmissbrauchkontrolle anbelangt, können die darunter zusammengefassten Fehlertypen bereits mit Hilfe des Instrumentariums des Gesellschaftsrechts und ohne Verweis auf die verwaltungsrechtliche Ermessenslehre beseitigt werden. Der Fall, dass der Amtswalter mit dem Verwaltungsakt nicht Belange des öffentlichen Wohls, sondern sachfremde Zwecke verfolgt, weist auf dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse widersprechende Maßnahmen hin. Das gleiche gilt auch für den Fall, dass die Behörde mit ihrer Maßnahme einen anderen als den vom Gesetzgeber mit der Ermessenseinräumung verfolgten öffentlichen Zweck zu erreichen versucht. Was schließlich den Fall des détournement de procedure betrifft, kann man nur schwer ein Anwendungsfeld für das Gesellschaftsrecht finden: Dass ein Unternehmensleiter von einem zweckfremden und manchmal auch von den objektiven Voraussetzungen her schon nicht einschlägigen Verfahren deshalb Gebrauch macht, weil es ihm vorteilhafter zur Verwirklichung der Unternehmensziele erscheint, kann nur dann als Leitungsfehler angesehen werden, wenn der Gebrauch entweder rechtswidrig ist oder dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse widerspricht. II. Konturierung des unternehmerischen Ermessensspielraums mit Hilfe zivilrechtlicher Regelungen Haftungsfreiräume i. S. eines Haftungsausschlusses trotz genereller Pflichtenbindung sind dem Zivilrecht beider Rechtsordnungen seit langem bekannt. Handlungsfreiräume kennen sie etwa beim Werkvertrag (§ 631 BGB ff.) bzw. contrat d’entreprise/louage d’ouvrage ou d’industrie (Art. 1710 ff. Cc). Ist beispielsweise lediglich eine bestimmte Trittschalldichte verabredet, so ist die Art der hierzu erforderlichen Maßnahmen ins Ermessen des Unternehmers gestellt370. Nachdem der Werkunternehmer den Erfolg schuldet, trägt er allerdings das Risiko der Anwendung neuer Techniken371. Eine analoge Anwendung der Maßstäbe des Werkvertrags zur Konturierung des unternehmerischen Ermessens scheidet allerdings wegen der Unvergleichbarkeit der Interessenlage aus: Der 370 371

Staudinger/Peters, § 633 BGB, Rdnr. 12. Staudinger/Peters, § 633 BGB, Rdnr. 12.

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Werkunternehmer schuldet dem Besteller die Herstellung eines bestimmten Werkes, m. a. W. einen Erfolg372, wobei ein Unternehmensleiter der Gesellschaft keinen Erfolg373 schuldet, also einer obligation de moyen und nicht de résultat unterliegt. Ermessen kennzeichnet ferner den Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. den entgeltlichen Auftrag. Als Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. entgeltlicher Auftrag ist insbesondere die Vermögensverwaltung (gestion de patrimoine) zu qualifizieren374. Hierbei muss die Tätigkeit neben einem Bezug zum Vermögen eine selbstständige sein, also Raum für eigenverantwortliche Überlegung und Willensbildung des Geschäftsbesorgers lassen375. Bei der Vermögensverwaltung steht die Vermögenserhaltung im Vordergrund376. Auch ohne spezielle Anweisungen muss die Bank auf Mischung von risikoreichen und risikoarmen Anlageformen achten377. Vereinbarte Anlagerichtlinien können weiterhin den Ermessensspielraum des Vermögensverwalters eingrenzen378. Innerhalb dieser Grenzen verfügt der Vermögensverwalter über das Recht zu eigenständigen Entscheidungen und damit über einen Ermessensspielraum379. Ob die anlässlich der Vermögensverwaltung angelegten Maßstäbe analog zur Konturierung des unternehmerischen Ermessens verwendet werden können, erscheint jedoch zweifelhaft. Dagegen spricht vor allem die Unvergleichbarkeit der Interessen372 Cass. Civ. 22.6.1983, Bull. civ. I, Rdnr. 181; Mazeaud/de Juglart, Droit civil III, 2.2. Rdnr. 1347; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 95. 373 Vgl. oben § 3, A. I. 374 Vgl. Art. 21 Règlement COB Rdnr. 96-03; Bonneau, Droit bancaire, Rdnr. 766 ff.; Vincent, Banque Rdnr. 503, 3/1990, S. 255. 375 Vgl. zum deutschen Recht Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 94; zum französischen Recht Cass. com. 12.7.1971, Bull. civ. IV, Rdnr. 201, S. 187 = D. 1972. J. 153 (Anm. Galvada) = RTD com. 1972, 144 (Anm. Cabrillac/Rives-Lange); Riom 21.6.1989, JCP éd. E 1993. I. 47 (Anm. Galvada/Stoufflet); zum deutschen Recht vgl. u. a. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 94. 376 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 94. 377 BGH WM 1994, S. 834; dabei gelten strenge Standards. Ohne besondere Vereinbarung dürfen nur etwa 20% des Vermögens in risikoreichen Anlagen gehalten werden (vgl. OLG Hamm WM 1996, S. 669, 670; OLG Frankfurt WM 1996, S. 665, 668). 378 Zum deutschen Recht vgl. BGHZ 137, S. 69, 73; OLG Köln WM 1997, S. 570, 573; zum französischen Recht vgl. Cass. com. 12.7.1971, Bull. civ. IV, Rdnr. 201, S. 187 = D. 1972. J. 153 (Anm. Galvada) = Rev. Trim. dr. com. 1972, S. 144 (Anm. Cabrillac/Rives-Lange); Riom 21.6.1989, JCP éd. E 1993. I. 47 (Anm. Galvada/Stoufflet); Bonneau, Droit Bancaire, Rdnr. 766. 379 So zum deutschen Recht BGHZ 137, S. 69, 73 („freies Ermessen“); Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 94; zum französischen Recht vgl. Cass. com. 12.7.1971, Bull.civ. IV, Rdnr. 201, S. 187 = D. 1972. J. 153 (Anm. Galvada) = Rev. Trim. dr. com. 1972, S. 144 (Anm. Cabrillac/Rives-Lange); Riom 21.6.1989, JCP éd. E, I 93, no 47 (Anm. Galvada/Stoufflet); Bonneau, Droit Bancaire, Rdnr. 766; vgl. noch Paris 12.6.1991, D. 1991, J. 591 (Anm. Martin); Paris 18.3.1997, Bull. Joly bourse et produits financiers mai–juin 1997, S. 373 (Anm. Galvada/Stoufflet).

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lagen: Obwohl die Organstellung des Unternehmensleiters aus dem Auftragsrecht entwickelt wurde, lässt sich jedoch wegen der fortschrittlichen Verselbstständigung der Leitungsorgane als alleinige Geschäftsführer nicht mehr von einer Geschäftsbesorgung bzw. einem entgeltlichen Auftrag im eigentlichen Sinne reden. Der Ansicht, dass das Leitungsorgan ähnlich einem Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist380, kann nur unter der Prämisse zugestimmt werden, dass mit „ähnlich“ nur ein Vergleich im weiteren Sinn gemeint ist. Das hängt damit zusammen, dass der Charakter der treuhänderischen Pflichten ein anderer ist. Diese Unterscheidung erklärt sich auf rechtsvergleichende Weise unter Verweis auf die im angelsächsischen Recht vorgenommene Ausdifferenzierung zwischen director und trustee: Wie der Treuhänder hat der trustee besondere Vorsicht walten zu lassen und Risiken für das ihm anvertraute Vermögen zu vermeiden381. Während trustees über die Zusammensetzung eines Portfolios zu entscheiden haben, müssen die Leitungsorgane der Gesellschaft den optimalen Produktmix finden und in einem oft hoch kompetitiven Umfeld auch durchsetzen. Treuhänder brauchen, anders als Vorstände, der Produktinnovation, Distribution und der Auswahl des richtigen Personals keine Aufmerksamkeit zu schenken und auch kein gutes Betriebsklima zu schaffen. Vor allem aber muss ein trustee nicht befürchten, dass das Vermögen an ein anderes Unternehmen verkauft wird, das dann einen anderen trustee bestellt382. Insofern soll eine strikte Analogie zum Recht der trustees bzw. Treuhänder abgelehnt werden383. Im deutschen Recht kommt hinzu die Figur des billigen Ermessens bei der Leistungsbestimmung durch eine Partei oder einen Dritten und der einschlägige Regelungskomplex von §§ 315 ff. BGB384 in Betracht. Letzteres wird sowohl 380 Vgl. zum deutschen Recht BGHZ 129, S. 30, 34; OLG Düsseldorf, AG 1997, S. 231, 235; OLG Hamm, AG 1995, S. 512, 514; OLG Koblenz, ZIP 1991, S. 870, 871; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 4; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 6; zum französischen Recht vgl. Cass. com. 12.3.1996, D. 1996, somm, S. 345 (Anm. Hallouin) = JCP 1996 éd. E, pan. 426 (Anm. Bonneau) = Rev. Soc. 1996, S. 554 (Anm. Bureau); Cass. com. 20.2.1979, Bull. civ. IV. Rdnr. 70 S. 54 (Qualifizierung des dirigeants als Mandatar); Cass. crim. 1.2.1972, JCP 1973. II. 17304 (Anm. Burst); Cass. com. 23.6.1975, Bull. Jolly 1976, S. 21; Cass. civ. 5.2.1991, Bull. civ. I, Rdnr. 45. 381 Gower/Davies6, Company Law, S. 598. 382 Winter, in: Posner/Scott (eds.), Economics of Corporation Law and Securities Regulation, S. 91, 98. 383 Gower/Davies6, Company Law, S. 598; Perkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 108 (beide zum englischen Recht); Winter, in: Posner/Scott (eds.), Economics of Corporation Law and Securities Regulation, S. 91, 98 (zum US-amerikanischen Recht). 384 Das französische Recht erlaubt es den Parteien einem Dritten die Bestimmung des Preises oder irgendeiner Leistungsverpflichtung zu überlassen (vgl. Art. 1592 C.C). Für den Fall einer unangemessenen Bestimmung der Vertragsbedingungen durch den Dritten wird eine faire Bestimmung der Vertragsbedingungen gerichtlich durchgesetzt (vgl. Cass. civ. 6.6.1950, Bull. II no 205). Andererseits kennt das französische Recht eine einseitige Leistungsbestimmung durch einen der Beteiligten grundsätzlich

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im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung zügig erörtert und von den Grundregeln eines europäischen Vertragsrechts übernommen (vgl. Art. 6105)385. Nach § 315 ff. BGB kann einer Partei oder einem Dritten die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen überlassen werden. Dadurch wird ein Spielraum geschaffen, innerhalb dessen jeder Ansatz als zulässig gilt386. Im allgemeinen Zivilrecht ist es strittig, wie sich die Billigkeit auf den Entscheidungsspielraum des Entscheidungsträgers auswirkt. Eine Ansicht geht von einer Trennung der Begriffe Billigkeit und Ermessen aus387. Dabei soll Billigkeit bedeuten, dass nur eine Entscheidung richtig sein kann388. Im Zusammenspiel von Billigkeit und Ermessen wird teilweise ein Vorrang des Ermessens389, teilweise aber auch ein Vorrang der Billigkeit angenommen390. Die herrschende Literaturmeinung sieht demgegenüber das billige Ermessen als einheitlichen Rechtsbegriff an. Dies wird mit der befriedenden Funktion des billigen Ermessens begründet, das auf dem arbitrium boni viri des römischen und gemeinen Rechts beruht391. Insofern geht es hierzu nicht an, das „billige Ermessen“ nach § 315 I BGB mit der Billigkeit i. S. von § 315 III 2 BGB gleichzusetzen, so dass für den Bestimmungsberechtigten wie für das nach § 315 III 2 BGB entscheidende Gericht richtig sein könnte392. Würde nur ein einziger Ansatz als billig gelten, wäre jeder andere unverbindlich. Entscheidend ist deshalb allein, ob sich die Leistungsbestimmung in den Grenzen der Billigkeit hält. Das Gericht darf im Rahmen der Billigkeitsprüfung keine Bestimmung treffen, wenn es bloß eine andere Bestimmung für zutreffender hält393. Maßstab der Überprüfung ist bei billigem nicht (von Bar/Zimmermann, Anmerkung zum Art. 6: 107 der Grundregel zum europäischen Vertragsrecht). Ausnahmen sind allerdings in bestimmten Fällen zugelassen, wie etwa in Fällen von Handelsvertretern. In solchen Fällen obliegt die Leistungsbestimmung ebenfalls einer gerichtlichen Angemessenheitskontrolle (Cass. Req. 29.1. 1897, DP 1897. 1. 153). 385 Die Grundregeln eines europäischen Vertragsrechts schreiben in Art. 6105 ähnliches wie § 315 BGB vor: Ist danach der durch eine Partei zu bestimmende Preis oder irgendeine andere Vertragsbedingung grob unangemessen, so ist sie unabhängig von der Vereinbarung durch einen angemessenen Preis oder eine angemessen andere Vertragsbedingung zu ersteren (abgedruckt in: Schulze/Zimmermann, Basistexte zum Europäischen Privatrecht2, III 10, S. 20). 386 BGH, NJW-RR 1991, S. 1248, 1249; MüKo/Gottwald 4, § 315 BGB Rdnr. 28. 387 Vgl. Kornblum, AcP 1968, S. 461; Neumann-Duesberg, JZ 1952, S. 707; Wolff, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 185. 388 Kornblum, AcP 1968, S. 460; Neumann-Duesberg, JZ 1952, S. 707; Wolff, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 185. 389 Neumann-Duesberg, JZ 1952, S. 707; Wolff, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 185. 390 Kornblum, AcP 1968, S. 461. 391 RG JW 1912, S. 73; MüKo/Gottwald 4, § 315 BGB Rdnr. 27. 392 LG Aachen, NJW-RR 1992, S. 274, 275; Staudinger/Rieble, § 315 BGB, Rdnr. 109; MüKo/Gottwald 4, § 315 BGB Rdnr. 28. 393 So im deutschen Recht, vgl. BGH, NJW-RR 1991, S. 1248; zum französischen Recht vgl. Cass. Civ. 6.6.1950, Bull. II Rdnr. 205 (Preisbestimmung gemäß Art. 1592

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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Ermessen einer Partei die Erheblichkeit der Abweichung von der Billigkeit (vgl. § 315 III BGB), bei billigem Ermessen eines Dritten die Offenkundigkeit der Unbilligkeit (vgl. § 319 I 1 BGB). Für Ermessen und Haftung der Unternehmensleiter ist vor allem der nach § 319 I 1 BGB analog behandelte Schiedsgutachtenvertrag bedeutsam. Der Fall des Schiedsgutachters ist in erster Linie wegen des eingeräumten Ermessens interessant: Den Vertragspartnern soll bewusst sein, dass dem Schiedsgutachter ein nicht zu eng bemessener Spielraum für seine Beurteilung eingeräumt werden muss, die oft schwierige Bewertungen erfordert und vielfach auf Schätzungen angewiesen ist394. Auch die Gesellschaft muss sich bei der Bestellung des Vorstands bewusst sein, dass dem Vorstand ein nicht zu eng bemessener Spielraum für seine Beurteilungen eingeräumt werden muss. Darüber hinaus ist der Fall des Schiedsgutachtervertrags aufgrund der Interessenlage der Beteiligten mit demjenigen einer Gesellschaft beim Organhandeln vergleichbar: Beim Abschluss eines Schiedsgutachtenvertrags haben die Vertragsparteien zunächst ein Interesse daran, dass sie nur an ein den Grundsätzen der Billigkeit entsprechendes Gutachten gebunden sind. Andererseits sind sie daran interessiert, dass die zwischen ihnen bestehende Rechtsunsicherheit rasch und endgültig ausgeräumt wird, um ein kostspieliges und langwieriges Prozessverfahren möglichst zu verhindern, ebenso wie die Gesellschaft ein Interesse an schnellen und unumstößlichen Geschäftsführungsmaßnahmen des Leitungsorgans hat. Der Schiedsgutachter haftet nur bei groben Verstößen gegen anerkannte fachwissenschaftliche Regeln und überdies nur dann, wenn sein Gutachten wegen offenbarer Unrichtigkeit unverbindlich ist395. Der BGH begründet diese Haftungseinschränkung damit, dass den Vertragspartnern bewusst sei, dass dem Schiedsgutachter ein nicht zu eng bemessener Spielraum für seine Beurteilung eingeräumt werden muss, die oft schwierige Bewertungen erfordert und vielfach auf Schätzungen angewiesen ist396. Schließlich muss bei der Auslegung des Schiedsgutachtenvertrags auch auf die Interessen des Gutachters gebührend Rücksicht genommen werden. Bei den oft sehr schwierigen Aufgaben, die ihm sein Gutachten abverlangt, kann er nicht willens sein, die Haftung für jeden Fehler und jedes Verschulden zu übernehmen; das kann auch den Parteien, die ihm zum Gutachter bestellten, nicht entgangen sein397. Ob darüber hinaus die zivilrechtlichen Vorschriften zum billigen Ermessen neue Erkenntnisse für das unternehmerische Ermessen anbieten, ist jedoch zweifelhaft398. Dagegen spreCc; der Richter darf die Parteien nicht einem Vertrag unterwerfen, auf den sie sich nicht geeinigt haben). 394 BGHZ 43, S. 374, 376 ff. 395 BGHZ 43, S. 374, 376 ff.; OLG Schleswig, NJW 1989, S. 175; OLG Hamm, NJW-RR 1989, S. 681. 396 BGHZ 43, 374, 376 ff. 397 BGHZ 43, 374, 377; anders Meyer, Der Schiedsgutachtervertrag, S. 123 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

chen vor allem teleologische Gesichtspunkte: Es liegt auf der Hand, dass die Bandbreite der mit der Sorgalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbaren Handlungen größer ist als die der Billigkeit. Während für die Billigkeit Gerechtigkeitserwägungen entscheidend sind, spielen bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters allein kaufmännische Erwägungen eine Rolle. Mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters können auch „unbillige“ Entscheidungen vereinbar sein. Anders als bei der Billigkeit, wo Ausgangspunkt der Überlegungen die einzig gerechte Entscheidung ist, sind unter kaufmännischer Betrachtungsweise fast stets mehrere Entscheidungen „richtig“, je nachdem, auf welche kaufmännischen Gesichtspunkte der Fokus gelegt wird. Während das kurzfristige Interesse in der Regel den Verkauf zu einem möglichst hohen Preis gebietet, kann etwa das langfristige Interesse an einer Kundenbindung etwas anderes gebieten. Anders als beim billigen Ermessen ist so nicht zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung „noch“ billig ist, sondern nur, ob eine nicht billige kaufmännische Entscheidung noch geschützt werden kann399. III. Der Business Judgement Rule und seine Rezeption im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Den wohl erfolgreichsten Ansatz zur Anerkennung einer unternehmerischen Beurteilungsermächtigung und zur Reduzierung eines unverhältnismäßigen Leitungshaftungsrisikos stellt der Business Judgement Rule dar400. Seine Wiege steht in den Vereinigten Staaten, wo er sich als Grundsatz der amerikanischen Rechtsprechung bis in das Jahr 1829 zurückverfolgen lässt401 und heute in allen wichtigen Jurisdiktionen, unter ihnen New York, Kalifornien und Delaware, gilt. Darüber hinaus wird der Business Judgement Rule-Ansatz von mehreren marktwirtschaftlich ausgerichteten Rechtsordnungen bereits übernommen: So hat die schweizerische Doktrin den Schutz des Geschäftsleiterermessens vor richterlicher Hinterfragung schon seit längerem auf ihre Fahnen geschrieben402. 398

Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 96. So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 96. 400 Das Schrifttum ist unüberschaubar, vgl. statt vieler Knepper/Bailey, Liability of Corporate Officers and Directors4, § 6.03; Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule, Fiduciary Duties of Corporate Directors4; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 96 ff.; Fischel, The Business Judgment Rule and the Trans Union Case, Bus. Lawyer 1985, S. 1437 ff.; Hamilton, The Law of Corporations, S. 310 ff.; Arscht, The Business Judgment Rule revisited, Hofstra L. Rev. 1979, S. 93 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 673, 682 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 130–133; Horn ZIP 1997, S. 1134; Hopt, FS Mestmäcker, S. 919 ff.; ders., Gkomm.Akt, § 93 Rdnr. 83; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 206 ff.; Grass, Business Judgment Rule (1998). 401 Vgl. Perca v. Millaudon, 8 Mart. (n.s.) 68 (La. 1829); Hodges v. New England Screw Co., Rhode Island 1853. 399

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In aktuellen Bestandsaufnahmen zur Organverantwortlichkeit wird sogar die hohe Kompatibilität des schweizerischen Haftungsrechts mit dem Business Judgement Rule bestätigt403. Entscheidungen, in denen sich das Bundesgericht eingehend mit der unternehmerischen Zweckmäßigkeit einer Verwaltungsratsentschließung auseinandersetzt, sind nicht ersichtlich. In jenen Fällen, in denen die aktienrechtliche Verantwortlichkeit bejaht wird, handelt es sich um jeweils eindeutig sorgfaltswidriges bzw. missbräuchliches Verhalten404. Im italienischen Recht hatte der Kassationshof bereits den Grundgedanken der Business Judgement Rule verwirklicht405, während die Doktrin für den Import und die Anerkennung des Ansatzes plädiert406. Zuletzt sah sich der australische Gesetzgeber veranlasst, das Geschäftsleiterermessen in der Form von statutory law zu etablieren. Die Auffassung des Sec. 180 Corporations Law nach dem Corporate Law Economic Reform Program Act aus dem Jahre 1999 verweist auf die Auswirkung des amerikanischen Business Judgement Rule407. Manche sehen in die402 Vgl. bereits von Greyertz, Die Aktiengesellschaft, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/2, S. 296; Fortmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 28 Rdnr. 24 („Gehaftet wird nur für fehlerhaft zustande gekommene, nicht für fehlgeschlagene Entscheide“). 403 Glanzmann, ZSR NF 119 (2999) II. Halbbd., S. 166: „In Anlehnung an die amerikanische Business Judgment Rule sollten Ermessensentscheide als sorgfältig gelten, wenn der konkrete Entscheid auf eine informierte Basis, nach angemessener Entscheidungsfindung und frei von Interessenkonflikten ergeht“; Ruffner, ZSR NF 119 (2000), II. Halbband, S. 195, 212; Grass, S. 73 ff.; Bärtschi, Verantwortlichkeit im Aktienrecht, S. 391 ff., 402 ff. 404 Vgl. BGE 99 II 176 (Verwendung von 47% des Gesellschaftsvermögens für hochspekulative Aktienkäufe); wohl auch BGE 113 II 52 (Gewährung eines ungedeckten Kredits an den Hauptaktionär); für eine vollständige Rechtsprechungsübersicht vgl. Crone, ZSR NF 119 (2000), II. Halbband, S. 235, 249 ff., Fn. 33. 405 So liest man schon in einer frühen Entscheidung aus dem Jahre 1972: „La responsabilità degli administratori non puo essere desunta dai resultati della gestione“ (Cass. 5.1.1972 n. 21, GC, 1972, I, 246). 406 Vgl. Ferro, in: Schiano di Pepe (Hrsg.), Le società di capitali, S. 567 („Si puo dire quindi che vige anche nel nostro „diritto vivente“ quello che nell’ordinamento statunintense è recepito sotto la denominazione di „business Judgment rule“). 407 Vgl. Sec. 180 Corporations Law nach dem Corporate Law Economic Reform Program Act aus dem Jahre 1999: „(1) A director or other officer of a corporation must exercise their powers and discharge their duties with a degree of care an d diligence that a reasonable person would exercise: (a) were a director or officer of a corporation in the corporation’s circumstances; and (b) occupied the office held by, and hat the dame responsibilities within the corporation as, the director or officer. (2) A director or other officer of a corporation who makes a business decision is taken to meet the requirements of subsection (1), and their equivalent duties at common law and in equity, in respect of the Judgment of they: (a) make the Judgment in good faith for a proper purpose; and (b) do not have a material personal interest in the subject matter of the Judgment; and (c) inform themselves about the subject matter of the Judgment to the extent they reasonably believe to be appropriate; and (d) rationally believe that the Judgment is in the best interests of the corporation. (3) In this section: business Judgment means any decision to take or not to take action in respect of a matter relevant to the business operations of the corporation“.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

ser Kodifizierung des Geschäftsleitungsermessens einen enormen Zugewinn an Rechtssicherheit und weisen darauf hin, dass die Gerichte dergleichen alleine nicht zustande gebracht hätten408. Andere halten sie für unnötig und wirkungslos409. Der Diskurs schildert jedenfalls die Schwierigkeiten bei der Rezeption von Rechtstransplantaten410. Beim Business Judgement Rule handelt es sich nicht um eine bloße Haftungsausschlussregelung – die sog. „indemnification“ dient dieser Funktion –, sondern um ein richterlich fortgebildetes Konglomerat aus Beweislastverteilung, Rechtsvermutung und materiellem Sorgfaltsmaßstab (safe harbor rule). Seine Stärke besteht in der Einfachheit, mit der Sorgfalts- und Loyalitätsanforderungen praxisnah mit verfahrensrechtlichen Aspekten kombiniert werden: Das Konglomerat funktioniert wie ein vorgeschalteter Test, bei dessen Erfüllung die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung ausscheidet. Soweit es dem Kläger nicht gelingt darzulegen, dass der Beklagte eine oder mehrere der Business Judgement Rule-Voraussetzungen im betreffenden Fall nicht erfüllt hat, so besteht die Vermutung (presumption)411, dass Letzterer seine Leitungsaufgabe mit der erforderlichen Sorgfalt (due care) erledigt hat. Insofern besteht kein Anlass zur gerichtlichen Überprüfung seiner unternehmerischen Entschließungen412. Gelingt es dem Kläger, eine Verletzung der Business Judgement Rule-Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen, so entfällt die angesprochene Vermutung und das Verhalten der Beklagten wird dem strengeren Standard of Care-Test unterzogen, bei welchem der Beklagte nachweisen muss, dass er mit aller Sorgfalt gehandelt hat413. Die Bewertung hinsichtlich Erfolg oder Misserfolg der dem Absatz- oder Beschaffungskonzept zugrunde liegenden Entscheidungen bleibt folgerichtig durchgängig dem Markt überantwortet. Die Sanktionierung unternehmerischen Fehlverhaltens durch innerkorporative Ersatzpflichten kommt nur dort in Betracht, wo die im Rahmen des leitungsbezogenen Entscheidungsprozesses realisierten Risiken die materiellen und formellen Vorgaben eines marktkonformen Verhaltens negieren.

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Fisher, Company, Financial and Insolvency Law Review 1999, S. 131. Redmond, in: Ramsay (ed.), Corporate Governance and the Duties of Company Directors (1997), S. 186, der von „sleepy hollows“ spricht. 410 Watson, Legal Transplants: An Approach to Comparative Law2; kritisch dazu Ewald, 43 Am. J. Comp. L. 489 (1995); vertiefend Sacco, 39 Am. J. Comp. L. 1 (1991); Watson, 43 Am. J. Comp. L. 469 (1995). 411 Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Delaware 1984); Smith v. Van Gorkom, 488 A. 2d 805, 872 (Delaware 1985): „(The business Judgment rule) ist a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honst belief that the action taken was in the best interests of the company“); kritisch Balotti/Hanks, Rejudging the Business Judgment Rule, Bus. Law. 48 (1993), S. 1345 ff. 412 Vgl. Section 8.30 (a)(2) R.M.B.C.A. 413 Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 53 ff. 409

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Die Voraussetzungen des Business Judgement Rule beruhen (1) auf einem auf Information und Sachprüfung bei der Entscheidungsfindung bezogenen prozessualen Verständnis der Sorgfaltsanforderungen, (2) auf einem Verständnis der Loyalität der Gesellschaftsorgane als Vorbedingung des judiziellen Respekts vor dem unternehmerischen Ermessen und (3) auf einem Beweislastverteilungsverständnis, welches einerseits nach den Voraussetzungen des judiziellen Ermessensschutzes („informed“, „not interested“) und andererseits nach der inhaltlichen Rechtfertigung einer unternehmerischen Entscheidung („entire fairness“) unterscheidet. Beim Abschluss von Verträgen und bei der Ausrichtung von Leistungen kann an die Stelle des Standard of Care-Test ein allgemeiner FairnessTest treten414. Letzterer beinhaltet die umfassende gerichtliche Nachprüfung des Entscheidungsverfahrens einschließlich der Entscheidungsgrundlagen und der vom Board verwendeten Informationen wie auch des Entscheidungsergebnisses in all seinen unternehmerischen Aspekten. 1. Voraussetzungen des Business Judgement Rule Die wohl prägnanteste Formulierung der Business Judgement Rule-Voraussetzungen findet sich in den vom American Law Institute herausgegebenen Principles of Corporate Governance, deren wesentlichste Elemente auch vom Model Business Corporations Act aus dem Jahre 1998 aufgenommen wurden415. Demgemäß handelt ein director oder officer guten Glaubens mit der gebotenen Sorgfalt, sofern er beim Treffen einer unternehmerischen Entscheidung die folgenden drei Bedingungen gewahrt hat: (a) Er hat kein eigenes Interesse an der Sache gehabt, (2) er hat sich hinreichend über die Sache informiert und

414 Dazu Winberger v. UOP, 457 A. 2d 701 (Del. Supr. 1983); Kahn v. Tremont, 694 A 2 d 422 (Del. Supr. 1997); AC Aquisition Corp. v. Amdersen Clayton & Co, 519 A. 2d 103, 111 (Del. 1986); Clark v. Lomas Nettleton Financial Corp., 652 F.2d 49, 54 (5th Cir. 1980), cert. Den. 450 U.S. 1029; Hansen, The duty of care, the Business Judgment Rule, and the American Law Institut Corporate Governance Project, Bus. Law. 48 (1993), S. 1373; Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 15 ff. 415 Vgl. § 8.31 Standards of Liability for directors. (a) A director shall not be liable to the corporation (. . .) unless the party asserting liability in a proceeding establishes that (. . .) (2) the challenged conduct consisted or was the result of: (i) action not in good faith; or (ii) a decision (A) which the director did not reasonably believe to be in the best interests of the corporation, or (B) as to which the director was not informed to an extent the director reasonably believed appropriate in the circumstances; or (iii) a lack of objectivity due to the director’s domination or control by, another person having a material interest in the challenged conduct (A) which relationship or which domination or control could reasonably be expected to have affected the director’s Judgment respecting the challenged conduct in a manner adverse to the corporation, and (B) after a reasonable expectation to such effect has been established, the director shall not have established that the challenged conduct was reasonably believed by the director to be in the best interests of the corporation (. . .)“.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

(3) nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens zu handeln geglaubt416. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast, sowohl in Bezug auf die Nicht-Erfüllung der Business Judgement Rule-Voraussetzungen als auch in Bezug auf das Vorliegen des Schadens und des Kausalzusammenhangs417. Was unter den angesprochenen Teilelementen zu verstehen ist, benötigt eine eingehende Untersuchung. a) Anwendungsbereich des Business Judgement Rule Der sachliche Anwendungsbereich des Business Judgement Rule umfasst den business judgement, namentlich die Geschäftsentscheidung418. Dies setzt aktives Tun in der Form eines business decision voraus. Entsprechend diesem Erfordernis wird der Business Judgement Rule nicht angewandt, wenn die directors ihre Funktionen aufgegeben oder schlichtweg nicht gehandelt haben, es sei denn, dass das Unterlassen auf einer bewussten Entscheidung beruht419. Welche Entschließungen als business Judgement zu qualifizieren sind, wird in der amerikanischen Praxis und Literatur nur rudimentär und auf kasuistischer Basis behandelt420; eine abstrakte Definition scheidet aus. Die eingehende Untersuchung der im Schrifttum verwendeten Beispiele zeigt jedoch, dass die darin erfassten Fälle exemplarische Fälle unternehmerischer Entscheidungen im oben421 besprochenen Sinne darstellen422. 416 Vgl. ALI, Principles of Corporate Governance, Analysis and Recommendation § 4.01 (c): „A director or officer who makes a business Judgment in good faith fulfils the duty under this section if the director or officer: (1) is not interested (§ 1.23) in the subject of the business Judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business Judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be the appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business Judgment is in the best interests of the corporation.“ 417 Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 53 ff. 418 Vgl. Rales v. Blasband, 634 A. 2d 927, 933 (Delaware 1993); Knepper/Bailey6, § 2–5 mit Verweis auf Kaplan v. Centex Corp., 284 A. 2d 119, 124 (Del. Ch. 1971) und Treadway Companies, Inv. v. Care Corp., 638 F. 2d 357, 382 (2d Cir. 1980); vgl. noch Casey v. Woodruff, 49 N.Y.S. 2d 625, 642 (1944). 419 Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A. 2d 805, 813 (Del. 1984). 420 Vgl. etwa Knepper/Bailey, Liability of Corporate Officers and Directors4, 6.05. „A decision in the lawful and legitimate furtherance of corporate purposes, such as policy of management, expedience of contracts or action, adequacy of consideration, or lawful appropriation of corporate funds to advance corporate interests, is protected by the business Judgment rule.“; weitere Beispiele in Hamilton, Nutshell, S. 387. 421 Vgl. oben § 1, A. 422 Hamilton (Nutshell, S. 387) erwähnt eine Reihe von business judgments. Dazu gehören u. a. die Reorganisation einer Tochtergesellschaft inklusive Kapitalherabsetzung und Verteilung des Überschusses, die Wahl eines officers, der Verkauf eines Teils der Aktiven der Korporation bei Schließung eines unrentablen Geschäftszweiges und die Delegation von Kompetenzen vom Verwaltungsrat an einen Ausschuss. Alle Fälle stellen keine einfachen operativen Geschäfte dar, sondern unternehmerische Ent-

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Der persönliche Anwendungsbereich des Business Judgement Rule umfasst zunächst den board of directors. Dies hat seinen Grund darin, dass der Zuständigkeitsbereich des board of directors schon durch die Gesellschaftsrechtsgesetze der Einzelstaaten erheblich weiter gefasst ist als der Kompetenzbereich des Vorstands einer deutschen AG oder des Verwaltungsrats einer SA. Zudem kann er durch die articles and by-laws über das gesetzliche Normalstatut hinaus ausgeweitet werden423. Der Business Judgement Rule ist jedoch kein spezifisch auf den board of directors zugeschnittenes oder gar beschränktes Regelwerk. Zwar verfolgt er durchaus den Zweck, die directors als Fremdwalter von einer Erfolgshaftung freizustellen, jedoch seine Anwendbarkeit auf den beherrschenden Aktionär424 zeigt, dass er darüber hinaus aber auch allgemein dem Zweck dient, die Grenzen des rechtlichen Schutzes von unternehmerischen Ermessensentscheidungen abzustecken. b) Unbefangenheit des directors beim Treffen eines business judgement Für die Anwendung des Business Judgement Rule soll der director oder officer kein Eigeninteresse an der von ihm zu entscheidenden Geschäftsangelegenheit haben („desinterested“). Durch die Anforderung eines „desinterested judgement“ wird die Loyalität des Entscheidungsträgers zur Voraussetzung für die Anerkennung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielraums. Damit wird auch der Zusammenhang zwischen Loyalitäts- und Sorgfaltspflichten deutlicher und durchsichtiger: Eine Vermutung, dass der betroffene director oder officer due care angewandt hat, lässt sich nur dann annehmen, wenn er erst seine Loyalitätspflichten erfüllt hat. Der Business Judgement Rule geht grundsätzlich und vermutungsweise davon aus, dass der director frei von Interessenkonflikten ist. Wenn es aber dem Klagenden gelingt, nachzuweisen, dass der director ein Eigeninteresse an der betreffenden Entscheidung hatte, so gilt er als befangen („interested“) und verliert sein Entscheidungsprivileg425. Insofern motivieren der Ermessensentzug und die damit zusammenhängende volle gerichtliche Überprüfung des Direktorhandelns die Beseitigung von Interessenkonflikscheidungen, die sich auf die Leitungsfunktionen der Planung, Organisation und Kontrolle beziehen und (1) entweder nach ihrem Umfang oder Risiko von hoher Bedeutung für die Vermögens- oder Ertragslage des Unternehmens sind oder (2) das Unternehmen oder einen Teil von ihm wegen ihrer andauernden Gestaltungswirkung so prägen, dass dadurch die künftige Unternehmensentwicklung vorgezeichnet wird. 423 Merkt, ZHR 2001, S. 242; Keßler, FS Baumann, S. 156 ff. 424 Case v. N.Y. Central Railroad Comp, 204 N.E. 2d 643; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 134 ff. 425 Der Schutz des Business Judgment Rule entfällt nur, wenn die Mehrheit der involvierten directors befangen waren. Selbst dann bleibt der Regel noch anwendbar, wenn die betreffenden Handlungen im Nachhinein von einer Mehrheit von unbefangenen directors genehmigt wurden; vgl. Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 24.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

ten426. Es genügt nicht, wenn der Kläger bloße Befangenheitsvermutungen äußert; er hat vielmehr durch substantiierte Tatsachenbehauptungen darzulegen, inwiefern der director mit seinen Handlungen persönliche Interessen verfolgt hat. Ein Eigeninteresse des directors ist typischerweise anzunehmen, wenn er ein Vermögensinteresse am Beschlussgegenstand hat, wie etwa, wenn er Gegenpartei des den Gegenstand der Beschlussfassung bildenden Geschäfts ist427. Ob über solche Fälle hinaus ein Interessenkonflikt in Frage kommt, werden die Gerichte je nach Art und Schwere des Konflikts von Fall zu Fall entscheiden müssen. Jedenfalls wird hier genau zu prüfen sein, ob der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil der Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können428. Bei diesem materiality-Test scheint das Gericht vor allem darauf abzustellen, ob der befangene director aus der umstrittenen Handlung einen im Verhältnis zum Gesamtwert der Transaktion bedeutenden finanziellen Vorteil gezogen hat429. Es ist hierbei zu beachten, dass die Befangenheit eines directors nicht automatisch zur rechtlichen Angreifbarkeit einer Transaktion führt. Der Del. Gen. Corp. L. § 144 (a) (1)–(3)430 bestimmt diesbezüglich, dass das Vorliegen eines 426 Paefgen (Unternehmerische Entscheidungen, S. 185) spricht diesbezüglich von einem Konfliktlösungsmechanismus. 427 Vgl. Vgl. RBMCA § 8.60 (1): „conflicting interest“ with respect to a corporation means the interest a director of the corporation has respecting a transaction effected or proposed to be effected by the corporation (or by a subsidiary of the corporation or any other entity in which the corporation has a controlling interest) if (i) whether or not the transaction is brought before the board of directors of the corporation for action, the director knows at the time of commitment that he or a related person is party to the transaction and of such financial significance to the director or a related person that the interest would reasonably be expected to exert an influence on the directors’ Judgment if he were called upon to vote on the transaction; or (ii) the transaction is brought (or is such character or significance to the corporation that it would in the normal course be brought) before the board of directors of the corporation for action and the director knows at the time of commitment that any of the following persons is either a party to the transaction or has a beneficial interest in or so closely linked to the transaction and of such financial significance to the director or a related person that the interest would reasonably be expected to exert an influence on the directors’ Judgment if he were called upon to vote on the transaction: (A) an entity (other than the corporation) of which the director is a director, general partner, agent or employee; (B) a person that controls one more of the entities specified in sub clause (A) or an entity that is controlled by, or is under common control with, one or more of the entities specified in sub clause (A); or (C) an individual who is a general partner, principal or employee of the director“. 428 Vgl. Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule, Fiduciary Duties of Corporate Directors4, S. 24 ff. 429 Vgl. dazu Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 24 ff. 430 „. . . (1) The material facts as to the director’s or officer’s relationship or interest and as to the contract or transaction are disclosed or are known to the board of directors or the committee, and the board or committee in good faith authorises the contract or transaction by the affirmative vote of a majority of the disinterested directors, even though the disinterested directors be less than a quorum; or (2) the material facts

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Interessenkonflikts bei einem einzelnen director die Entscheidung dann nicht aus dem Schutzbereich des Business Judgement Rule herausnimmt, wenn sie entweder von einer Mehrheit unbefangener, über den Konflikt informierter Board-Mitglieder oder durch die über den Konflikt aufgeklärten Aktionäre genehmigt wird. Anderenfalls ist eine umfassende gerichtliche Überprüfung der Fairness der Transaktion geboten431. Eine ähnliche Regelung enthält auch der R.M.B.C.A. in §§ 8.60–8.63. In beiden Regelungen wird der Makel eines Interessenkonflikts von den Mitgliedern durch die Entscheidung einer unbefangenen Mehrheit des board of directors bzw. der Gesellschafter beseitigt432. Kontrolliert oder beherrscht ein persönlich interessierter director oder eine Minderheit solcher directors den board, woran insbesondere, aber nicht nur bei Großaktionären zu denken ist, so kommt dies der Entscheidung durch die Mehrheit befangener directors gleich und der Business Judgement Rule kommt nicht zur Anwendung433. Letzterer findet auch dann keine Anwendung, wenn der an einer Transaktion persönlich interessierte director bzw. eine persönlich interessierte Minderheit des board of directors der die Entscheidung betreffenden Mehrheit gegenüber das spezifische Interesse an der Transaktion nicht offen gelegt hat und die Mehrheit bei vernünftiger Beurteilung der Sachlage das Bestehen des Interessenkonflikts Transaktion für erheblich gehalten hätte. c) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen Eine weitere Voraussetzung des Business Judgement Rule besteht darin, dass die mit der Entscheidung befassten directors und officers die Entscheidungsgrundlagen für den zugrunde liegenden Sachverhalt mit der erforderlichen Sorgfalt unter Berücksichtigung von Entscheidungsalternativen vorbereiten und zu diesem Zweck alle erforderlichen Informationen beschaffen und verwerten434.

as to the director’s or officer’s relationship or interest as to the contract or transaction are disclosed or are known to the shareholders entitled to vote thereon, and the contract or transaction is specifically approved in good faith by vote of the shareholders; or (3) the contract or transaction is fair as to the corporation as of the times it is authorised, approved or ratified, by the board of directors, a committee or the shareholders“. 431 Vgl. Maciano v. Nakashi, 535 A. 2d 400. 404 (Delaware 1987); Gottlieb v. Hayden Chemical Corp., 90 A. 2d 660, 663 (Delaware 1952); American Timber Trading Corp. v. Niedermeier, 558 S. 2d 1211, 1218 (Org. Supr. 1976). 432 Differenziert: § 5.02 (a) (2) der ALI-Principles empfiehlt, dass in Fällen von self-dealing eine differenziert ausgestaltete gerichtliche Überprüfung selbst bei Genehmigung durch unbefangene directors oder Gesellschafter gelten soll; diese Ansicht haben weder der R.M.B.C.A., noch die Gesetzgeber der meisten Einzelstaaten nicht aufgegriffen. 433 Vgl. Cinerama Inc. v. Technicolor Inc., 663 A. 2d 1134 (Delaware 1994); Kahn v. Tremont, 694 A. 2d 422, 428 (Delaware 1997); De Mott, 62 L. & C.S. (1999) 243, 253.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Das setzt konsequenterweise die Gestaltung eines entsprechenden Entscheidungsverfahrens innerhalb des Leitungsgremiums voraus, die eine vernünftige Informationsbearbeitung, eine möglichst analytische Aufzeichnung von Handlungsalternativen und eine kritische Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft ermöglicht435. Als nicht sorgfältig informiert gelten directors, die es grob fahrlässig unterlassen haben, sich aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im Rahmen des Vernünftigen und des Zumutbaren zu informieren436. Die Gerichte haben diesbezüglich verschiedentlich betont, dass es keine Patentlösung gebe, um dem Erfordernis an due care zu genügen; der board müsse das vernünftige Maß an Information im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse von Fall zu Fall festlegen437. Die Entscheidung darüber, wie viele und welche Informationen im konkreten Fall vernünftigerweise verarbeitet werden sollten, soll wiederum als business judgement angesehen werden438. Entscheidend für die Art und den Umfang der Informations- und Planungspflicht sind vor allem der für die Entscheidung zur Verfügung stehende Abwägungszeitraum und die Wichtigkeit der zutreffenden Entscheidung. Die Gerichte tragen jedenfalls dem Umstand Rechnung, dass Geschäftsleute ihre Entscheidungen in aller Regel auf unvollständige Informationen gestützt treffen müssen439. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist äußerst weit gefasst und wird von der Rechtsprechung in die Richtung der leichtsinnigen Gleichgültigkeit („reckless indifference“) oder mutwilligen Missachtung der Interessen der Aktionärsgesamtheit („deliberate disregard of the whole body of stockholders“) interpretiert. Grob fahrlässig sind vor allem diejenigen Handlungen, die außerhalb jeder Vernunft liegen.

434 Vgl. Levine v. Smith, 591 A. 2d 194, 206 (Delaware 1991); Smith v. Van Gorkom, 488 A. 2d, 858, 872 (Delaware 1985); Aronson v. Lewis, 473 A. 2d 805, 812 (Delaware 1984). 435 Citron v. Fairchild Camers & Instrument Corp. 569 A. 2d 53, 66 (Delaware 1989); vgl. Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 82 ff., m. w. N. auf die Rechtsprechung seit 1985. 436 Smith v. Van Gorkom, 488 A. 2d, 858, 872 (Delaware 1985): „The determination of whether a business Judgment is an informed one turns on whether the directors have informed themselves „prior to making a business decision, of all material information reasonably available to them“. 437 Fischel, Trans Union Case, 1441 macht folgendes Beispiel: „it would make Rdnr. sense for example, for a manager who has to decide whether to give his or her secretary a $ 10-a-week raise to commission a § 100.000 Study of secretarial compensation in the United States“. 438 So Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 34. 439 Vgl. Solomon/Palmitter, S. 338 „Directors of necessity make decisions on incomplete information, often based on hunches. Lawyers can always dream up inquiries that the directors could have made, but the business Judgment rule does not require courtroom – like thoroughness. The rule allows directors to act in an indefinite business world on imperfect information“.

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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d) Ausrichtung des business judgement auf das Gesellschaftsbzw. Unternehmensinteresse Selbst wenn der director oder officer die unternehmerische Entscheidung ohne Interessenkonflikt und mit der erforderlichen Sorgfalt getroffen hat, reicht das allein nicht aus, um die unternehmerische Entscheidung der gerichtlichen Inhaltskontrolle zu entziehen. Der Business Judgement Rule verlangt weiterhin, dass der betroffene director oder officer seine Entschließung nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens zu treffen hat („to act in the best interests of the company“). Mit diesem Erfordernis soll keineswegs in die grundsätzliche Befugnis des directors, darüber zu entscheiden, was dem Interesse der Gesellschaft am besten entspricht, eingegriffen werden. Die amerikanische Rechtsprechung beschränkt sich im Regelfall auf eine Plausibilitätskontrolle im Lichte der konkreten Entscheidungssituation. Dabei ist es gleichgültig, ob und inwiefern im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren, da eine weiter gehende Substitution des Entscheidungsaktes den Intentionen des Business Judgement Rule entgegenkäme. Nur wenn die directors ihr Ermessen missbräuchlich anwenden (abuse of discretion)440, entsteht die Notwendigkeit eines judiziellen Eingriffs in ihre Entscheidungsbefugnis. Ein Ermessensmissbrauch liege vor, wenn das Verhalten des directors so unerhört ist, dass die Anwendung der Business Judgement Rule nicht gerechtfertigt wäre441. Es sollen konsequenterweise nur solche Handlungen ausgeschlossen werden, denen jeglicher wie auch immer begründbare rationale Bezug zu den Interessen der Gesellschaft fehlt442. Für solche offensichtlich abwegigen Entscheidungen kann der director oder officer sich nicht auf den Schutz der Business Judgement Rule berufen. Auf den Nachweis einer konkreten Verletzung der Informations- und Sachprüfungspflicht bzw. der Loyalitätspflicht kommt es dann nicht mehr an.

Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 37 ff. Vgl. Cramer v. General Telephone & Electronics Corp., 582 F. 2d 259, 275 (3d Cir. 1978): „Where a shareholder contends that the director’s Judgment is so unwise or unreasonable as to fall outside the permissible bounds of the director’s sound discretion, a court should (. . .) be able to conduct its own analysis of the reasonableness of that business Judgment“; a. A. Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule4, S. 39. 442 Deutlich Sinclair Oil Corp. V. Levien, 280 A. 2d 717. 720 (Del. Supr. 1971): „A board of directors enjoys a presumption of sound business Judgment, and ist decisions will not be disturbed if they can be attributed to any rational business purpose. A court under such circumstances will not substitute ist own notions of what is or is not sound business Judgment“; noch Panter v. Marschall Field & Co, 646 F.2d 271, 293 (7th Cir. 1981); Unocal Corp. V. Mesa Petroleum Co., 493 A. 2d 946, 949 (Del. Supr. 1985); Paramount Communications Inc v. QVC Network, 673 A 2d 34, 45 note 17 (Del. Supr. 1994); Unitrin Inc. v. American General Corp., 651 A. 2d 1361, 1374 (Del. Supr. 1995). 440 441

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

2. Die Rezeption des Business Judgement Rule im deutschen und französischen Recht a) Die Übertragungsfähigkeit des Business Judgement Rule im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht aa) Grundlegendes In der Entwicklung der deutschen Rechtsprechung hat das Reichsgericht sich in Einzelfällen mit der Problematik des unternehmerischen Ermessens befasst, ohne jedoch eine hinreichende Abgrenzung der Sorgfaltspflicht vom Leitungsermessen zu unternehmen443. In Anlehnung an das Konzept einer strengen Haftung von Unternehmensleitungsorganen ging es in seiner Judikatur überwiegend von einer vollständigen Nachprüfung unternehmerischer Entscheidungen aus444. Daran schloss sich ursprünglich auch die Rechtsprechung des BGH an. Wie das Reichsgericht prüfte und beschäftigte sich dies nur ausnahmsweise mit der Problematik des Ermessensspielraums von Unternehmensleitungsorganen, und zwar unter dem Gesichtspunkt der „kaufmännischen Rechtfertigung“ von Leitungsmaßnahmen445. Den eigentlichen Durchbruch brachte diesbezüglich das BGH-Urteil vom 21. April 1997 im Fall „ARAG/Garmenbeck“446. Hierbei wandten sich die Kläger, Mitglieder des Aufsichtsrats der beklagten Aktiengesellschaft, gegen einen Mehrheitsbeschluss des Aufsichtsrats, mit dem die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen den Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft abgelehnt worden war. Dem Vorstandsvorsitzenden wurde zur Last gelegt, er habe durch unglückliche Finanztransaktionen, die im Wesentlichen vom Finanzvorstand der Gesellschaft veranlasst und über zwei Tochtergesellschaften durchgeführt wurden, beim Unternehmen einen erheblichen Schaden mitverursacht. Das 443 Vgl. RGZ 13, S. 43 ff.; RGZ 129, S. 272 ff. (Ausstellung von Wechseln als risikoreiche Transaktion; allein dies reicht nicht aus, um zu einer persönlichen Haftung des Unternehmensleiters zu führen; der Vorstand sollte stets mit der Möglichkeit rechnen, dass irgendeine Maßnahme für die Aktiengesellschaft auch ungünstig auslaufen könnte). 444 RG DR 1939, 2164; WarnRspr. 1934 Nr. 190 (dazu Meyer, DR 1939, 2167; Geßler, Neue Betriebswirtschaft 1972 Heft 2, S. 19); sinnesgleich RGZ 18, 56, 64 ff.; RG 163, 200; vgl. Schwinge, Anmerkung zu RG JW 1933, S. 2954. 445 In einer seltenen Äußerung des Gerichts zum Thema nahm es ein zumindest beschränktes Ermessen der Geschäftsleitungsorgane an und stellte ohne weitere Begründung oder Erläuterung sogar fest, dass auch eine falsche kaufmännische Entscheidung noch keine pflichtwidrige Handlung darstelle (so BGH, WM 1981, S. 440, 441). 446 Vgl. BGHZ 135, S. 244 ff. = ZIP 1997, S. 883 ff. = BB 1997, S. 1169 ff. = WM 1997, S. 970 ff. = NJW 1997, S. 1926 ff.; aus dem Schrifttum vgl. Kindler, ZHR 1998, S. 101 ff.; Heermann, ZIP 1998, S. 765 ff.; Horn, ZIP 1997, S. 1129 ff.; Raiser, WuB II A. § 111 AktG 1.97; Boujong, DZWir 1997, S. 322; Dreher, ZHR 1994, S. 614 ff.

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen447. Der BGH ging davon aus, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestands in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht sowie eine Analyse des Prozessrisikos und der Betreibbarkeit erfordert. Hinzu hat der Aufsichtsrat stets zu berücksichtigen, dass „dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist“448. Eine Schadensersatzpflicht des Vorstands kommt erst dann in Betracht, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist, oder das Verhalten des Vorstandes aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“449. Zwar hat sich der BGH vordergründig mit der Pflicht des Aufsichtsrats, einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen, befasst hat, während die Haftung des Vorstands in casu nur in zweiter Linie behandelt wurde. Aber ein bloßes obiter dictum liegt auch nicht vor, denn immerhin wird die Aussage mit dem Gewicht eines Leitsatzes versehen450. Das Verdienst des Urteils besteht darin, dass es das Grundproblem des unternehmerischen Spielraums und damit die Voraussetzungen der Vorstandshaftung für unternehmerische Fehlentscheidungen in dankbarer Klarheit wieder sichtbar gemacht hat. Das Urteil geht diesbezüglich davon aus, dass dem Vorstand der Aktiengesellschaft ein gewisser haftungsfreier Ermessensspielraum zum Eingehen geschäftlicher Risiken anzuerkennen ist. Was die rechtsdogmatische Begründung des haftungsfreien Ermessensspielraums anbelangt, verweist das Urteil des BGH in seiner Argumentation deutlich auf die praxisbezogenen Funktionsbedingungen unternehmerischer Tätigkeit und des damit notwendig verbundenen Entscheidungsverhaltens unter Unsicherheit451. Insofern knüpft er an die bereits erwähnten objektiv teleologischen Gesichtspunkte betreffs der Gewährleistung einer haftungsresistenten Einschätzungsprärogative der Lei447 448 449 450 451

1134.

OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1183 = EwiR 1995, S. 629 (Anm. Rittner). BGH ZIP 1997, S. 885, 886. BGH ZIP 1997, S. 886. Vgl. BGH ZIP 1997, S. 883, Leitsatz 2 Abs. 2. Dieser Aspekt betont Keßler, FS Baumann, S. 174; Horn, ZIP 1997, S. 112 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

tungsorgane an452. Letzteres soll nunmehr als gesicherter Bestand des deutschen Gesellschaftsrechts angesehen werden. Innerhalb des Ermessenspielraums bewegt sich eine Leitungsentscheidung, wenn sie (1) von Verantwortungsbewusstsein getragen ist, (2) ausschließlich am Unternehmenswohl ausrichtet ist, (3) auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht, (4) die Risikobereitschaft nicht unverantwortlich überspannt und (5) nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Spiegelt man die Ausführungen des BGH-Urteils im Lichte der Elemente des Business Judgement Rule, so sind die Parallelen schwer zu übersehen453, wenngleich letzterer durch den Senat im Blick auf die deutsche Gesetzeslage ergänzt worden ist: Die Voraussetzung eines von Verantwortungsbewusstsein getragenen Verhaltens entspricht der Aufforderung des Business Judgement Rule nach einer unbefangenen Entscheidung des Geschäftsleiters. Das Verlangen nach einem ausschließlich am Unternehmenswohl orientierten unternehmerischen Handeln entspricht dem Gebot des Business Judgement Rule zum Treffen von unternehmerischen Entscheidungen „in the best interest of the corporation“, während das Gebot zur sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen der „informed judgement“-Voraussetzung des Business Judgement Rule zuzuordnen ist. Insofern eröffnet die Entscheidung des BGH eine Tür für die Übertragung der mit dem Business Judgement Rule zusammenhängenden Überlegungen ins deutsche Aktien- und GmbH-Recht454. bb) Grundsätze unternehmerischer Ermessensfreiheit nach dem ARAG-Urteil Das Urteil des BGH besagt allerdings wenig über die Zuordnung der angesprochenen Merkmale unternehmerischen Ermessens im System des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts. Es ist anerkanntenmaßen die Aufgabe der Rechtstheorie, letztere für die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs zu operationalisieren455. Im Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass das Urteil des BGH die Grenzen des unternehmerischen Ermessens zutreffend dem Merkmal der objektiven und nicht der subjektiven Pflichtwidrigkeit zuzuordnen ist456. Insofern handelt es sich hierbei keineswegs um die Legitimierung eines Rechts auf Irrtum: Ein 452

Vgl. oben § 6, A. Henze, BB 2000, S. 215; Ulmer, ZHR 1999, S. 298. 454 So Kindler, ZHR 1998, S. 107; Horn, ZIP 1997, S. 1134. 455 Vgl. bereits Esser, AcP 1972, S. 103. 456 Vgl. Kindler, ZHR 1998, S. 104; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 13a; Henze, NJW 1998, S. 3311; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 45a ff. (46 b); Priester, EwiR 1997, S. 678; nicht eindeutig Boujong, DZWiR 1997, S. 328; darin dürfte eine Absage an die von Hopt (FS Mestmäcker, S. 920) vorgeschlagene Kategorie einer Art „haftungsfreien Pflichtverletzung“ liegen. 453

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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Leitungsorgan, das ein nach der ARAG-Formel vertretbares unternehmerisches Wagnis eingeht, handelt stets pflichtgemäß457. Was die Konturen dieser Entscheidungsprärogative betrifft, sind folgende Schwerpunkte zu beachten: (1) Sachlicher Anwendungsbereich der Grundsätze unternehmerischen Ermessens Die Grundsätze unternehmerischen Ermessens umfassen vor allem das Treffen unternehmerischer Entscheidungen458. Welche Entscheidungen als solche zu bezeichnen sind, wurde bereits erläutert459. Wenig bedeutend ist für die Praxis die Frage, ob der sachliche Anwendungsbereich der Entscheidungsprärogative sich auf aktives Tun beschränken soll, wie etwa beim US-amerikanischen Recht. Da die Leitungstätigkeit jegliches Organhandeln umfasst, soll konsequenterweise gleiches auch für das aus der Leitungstätigkeit abgeleitete unternehmerische Ermessen gelten. Die Entscheidung, welchem Sachverhalt sich der Unternehmensleiter zuwenden soll, ist in dieser Hinsicht als zentrales Stück der Leitungsaufgabe anzusehen. Soweit eine (gesetzliche) Pflicht zum aktiven Tun besteht, stellt die Untätigkeit allein einen Pflichtverstoß dar. Soweit ein Unterlassen das Ergebnis eines bewussten Auswahlakts des Unternehmensleiters darstellt, handelt es sich um eine Entschließung, die ebenfalls als aktives Tun zu bezeichnen ist460. Praxisrelevant ist wegen der unscharfen Trennung zwischen unternehmerischer Entscheidungen und rein operativer Handlungsentschließungen die Frage, ob die Grundsätze unternehmerischen Ermessens lediglich unternehmerische Entscheidungen umfassen461, oder sich für alle Entschließungen anwendbar sein sollten462. Für Geschäftsführungsmaßnahmen rein operativer Natur sprechen objektiv teleologische Argumente gegen die Anwendung von den Grundsätzen unternehmerischen Ermessens. Denn bei solchen Entscheidungen fehlen gerade die Merkmale, welche die Notwendigkeit der Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums begründen, vor allem das Element des Risikos bzw. der Unsicherheit. Angesichts der Tatsache, dass eine Ausdifferenzierung zwischen operativen und unternehmerischen Maßnahmen in der Praxis schwer sein kann, entsteht allerdings das Bedürfnis nach einer im Zweifelsfall anzuwendenden 457 Vgl. Kindler, ZHR 1998, S. 104; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 13a; Henze, NJW 1998, S. 3311; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 45a ff. (46 b). 458 So Heermann, AG 1998, S. 203; Keßler, RiW 1998, S. 613; Kindler, ZHR 1998, S. 111. 459 Vgl. oben § 1, A. 460 So auch im US-amerikanischen Recht, vgl. oben § 4, C. III. 1. a). 461 So Heermann, AG 1998, S. 203; Keßler, RiW 1998, S. 613; Kindler, ZHR 1998, S. 111. 462 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 77 ff.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Auslegungsregel. Das objektiv teleologische Kriterium der effektiven Unternehmensführung, welches den Kernpunkt zur Anerkennung des unternehmerischen Ermessens darstellt, spricht für die Anwendung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens in Zweifelsfällen. Die Gegenansicht würde unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten, die zu einem unverhältnismäßig hohen Maß an Rechtsunsicherheit führen könnten. (2) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers Nach den Grundsätzen unternehmerischen Ermessens soll das Treffen der einschlägigen Geschäftsführungsmaßnahme von Verantwortungsbewusstsein getragen werden. Das BGH-Urteil enthält wenige Ansatzpunkte zur Konkretisierung des materiellen Gehalts dieser Anforderung. Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass es sich hierbei, ebenso wie bei der „desinterested“-Komponente des Business Judgement Rule, um die Unbefangenheit des Entscheidungsträgers handeln soll463. Auf diese Weise vermag das BGH-Urteil den Zusammenhang zwischen Loyalitäts- und Sorgfaltsanforderungen deutlicher und durchsichtiger zu machen: Eine dem Schutz der Rechtsordnung dienende Richtigkeitsgewähr kann den Entscheidungen des Unternehmensleiters grundsätzlich nur dann zukommen, wenn die Mitglieder der Unternehmensleitung in der konkreten Entscheidungssituation die Loyalitätsanforderungen erfüllen und nicht unter der Einflusswirkung eines Interessenkonflikts stehen. Im Gegenfall unterliegen ihre Entschließungen der vollen gerichtlichen Überprüfung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse. Was den Begriff des Interessenkonflikts anbelangt, könnte der Vergleich mit dem Begriff des „conflicting interest“ im US-amerikanischen Recht wichtige Anhaltpunkte zu Präzisierung seines materiellen Gehalts anbieten. In Anlehnung an die Regelungen des R.M.B.C.A.464 könnte man annehmen, dass ein relevanter Interessenkonflikt immer dann vorliegt, wenn der Entscheidungsträger oder eine ihr nahe stehende Person Partei des den Gegenstand der Beschlussfassung bildenden Geschäfts ist. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch induktiv auf dem Weg der Gesamtanalogie aus den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zum Stimmverbot und zum Kompetenzentzug beim Interessenkonflikt (vgl. vor allem §§ 108, 112, 136, 243 AktG, § 47 IV GmbHG, § 43 VI GenG). Darüber hinaus erfasst die Definition jedes finanzielle Interesse des Abstimmenden am Beschlussgegenstand, das für diesen eine Bedeutung hat, von der bei verständiger Würdigung anzunehmen ist, dass sie sich auf sein Urteil auswirken kann. Mit einem derartig flexiblen Verständnis wird man einen Großteil der auftretenden Fälle lösen können465. Ob über die Fälle des finanziellen 463 464

Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 175 ff. R.M.B.C.A. § 8.60 (1).

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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Interessenkonflikts hinaus auch Umstände eines ideellen Widerstreits in Frage kommen, werden die deutschen Gerichte je nach Art und Schwere des Konflikts beurteilen müssen466. Gleiches trifft hinsichtlich der potenziellen Interessenkonflikte zu, die sich etwa aus der Mitgliedschaft von Repräsentanten staatlicher Aufsichtsbehörden im Aufsichtsrat ergeben467. Jedenfalls wird nach verständiger Würdigung genau zu prüfen sein, ob der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil des Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können. Die Prüfung, ob der Interessenkonflikt die Entscheidung beeinflussen könnte, benötigt einen Vergleich zwischen der hypothetischen Entscheidung eines unbefangenen Vorstandes und der tatsächlich getroffenen Entschließung468. Solch eine Prüfung soll allerdings nicht als Einmischung der Gerichte in unternehmerische Entscheidungen missverstanden werden469. Denn aus methodischer Hinsicht erfolgt die Prüfung der Relevanz des Interessenkonflikts als Voraussetzung für die Zuerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums gerade vor der materiellen Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung. Die unvermeidliche Einzellfallbezogenheit der Beurteilung des Ermessensentzugs hat zur Folge, dass Entscheidungen der Gerichte in dieser Frage mitunter schwer vorhersehbar sein können. Zwar vermag dies das „Verbindlichkeitskalkül“470 der Unternehmensleitung zu erschweren, ist allerdings im Hinblick auf die Funktion des Ermessensentzugs als Bestandteil eines flexiblen Systems der Entscheidungskontrolle, welches die Eigentümlichkeiten der Ermessensentschließung gebührend berücksichtigt, unvermeidlich471. Jedenfalls sind die damit verbundenen Konzessionen an die Präzision der Rechtsanwendung der Art von Gefährdung der Rechtssicherheit vorzuziehen, die sich aus weitherzigen Analogien zu den gesetzlichen Vorschriften über den Stimmrechtsausschluss und die Stimmverbote ergibt. Denn die Entscheidung über den Ermessensentzug betrifft nur das Ausmaß der judiziellen Kontrolldichte. Dagegen vermögen Unsicherheiten betreffend den Stimmrechtsausschluss schon das Zustandekommen des Beschlusses als solchen in Frage zu stellen472. 465

Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 215. Einen ersten Schritt in diese Richtung macht OLG Hamburg, ZIP 1984, S. 965 ff.; in diesem Fall entsprach die Stimmabgabe eines Aufsichtsratsmitglieds nicht mehr pflichtgemäßer Ausübung, weil das Mitglied vor der Wahl des Vorstandsausschusses im Aufsichtsratsplenum den Arbeitsnehmervertretern die Fähigkeit zur sachkundigen Mitarbeit in einem solchen Ausschuss aberkannt hatte; vgl. noch OLG Hamburg, ZIP 1990, S. 311 ff. („HEW/Jansen“). 467 So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 216 m. w. N. 468 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 343 ff., 360 ff.; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 150 ff.; Hopt, ZGR 1993, S. 560. 469 So aber Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 318 ff. 470 Zum „Verbindlichkeitskalkül“ vgl. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 238; Katsas, Effektivität und Geltung von Rechtsnormen, S. 47. 471 So auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 217. 466

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Die Erkenntnis eines Interessenkonflikts innerhalb des corpus des Organs kann in der Praxis Schwierigkeiten bereiten. Die Treuebindung der Leitungsorganmitglieder gegenüber der Gesellschaft, wie auch ihre Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit473 verpflichten jedenfalls den Entscheidungsträger zur Offenbarung des ihn belastenden Interessenkonflikts. Der DCG-Kodex schreibt sogar ausdrücklich die Pflicht jedes Vorstandsmitglieds, Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen zu legen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber zu informieren, vor (vgl. Abschnitt II Art. 4. 3. 4 des DCGKodex). Die sonstigen Organmitglieder können jedenfalls im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten selbst die Initiative ergreifen und bestimmte Vorgänge näher untersuchen. Nicht jeder Interessenkonflikt ist relevant. Die Konfliktbelastung des Organhandelns wird sich auf Umstände beziehen, die in der jeweiligen Person einzelner am Organhandeln beteiligten Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer begründet sind. Einfluss auf die Entscheidung des Organs kommt ihnen daher nur dann zu, wenn ohne die Mitwirkung konfliktbelasteter Mitglieder das beanstandete Gesellschaftshandeln nicht möglich gewesen wäre. Solch eine Auslegung ergibt sich induktiv auf dem Weg der gesamtanalogen Anwendung der funktionell vergleichbaren Vorschriften zum Stimmverbot beim mitgliedschaftlichen Stimmrecht und der Mitwirkung nicht ordnungsgemäß bestellter Organmitglieder bei Organbeschlüssen (vgl. etwa §§ 108, 136, 243 AktG, § 47 IV GmbHG). Auch diese haben auf die rechtliche Beurteilung des Gesellschaftsbeschlusses nur dann Einfluss, wenn dieser ohne die vom Stimmverbot erfassten Stimmen nicht zustande gekommen wäre474. Hatte die Stimme keinen Einfluss auf das Beschlussergebnis, ist kein Grund ersichtlich, warum die Entscheidung des Kollektivorgans nicht vor einer weit gehenden richterlichen Prüfung geschützt sein sollte. Folglich ist im Falle des kollegialen Handelns mehrerer Vorstandsmitglieder ein Entzug des unternehmerischen Ermessens nur dann gerechtfertigt, wenn die Entscheidung ohne die Mitwirkung von Mitgliedern, die vom Interessenwiderstreit betroffen sind, nicht zustande gekommen wäre. Ist dies nicht der Fall, muss der Interessenkonflikt ohne rechtliche Wirkung bleiben, da der Artikulation des Gesellschaftswillens der Makel der potenziellen Unlauterkeit nicht anhaftet. 472

Zutreffend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 217. Dazu ausführlicher im § 5, C. II. 2. 474 Vgl. dazu RGZ 106, S. 258, 263; BGHZ 47, S. 341, 346; BGHZ 97, S. 28, 37; Paefgen, Unternehmerisches Ermessen und Rechtsbindung, S. 218; Schmidt K., Gkomm. AktG4, § 243 Rdnr. 38; Hüffer4, § 136 AktG, Rdnr. 24; Zöllner, K-Komm. AktG, § 136 Rdnr. 58; Mertens, K-Komm. AktG2, § 108 Rdnr. 66 ff.; Lutter/Hommelhoff 15, Anh. § 47 GmbHG, Rdnr. 49. Häufig besteht die Praxis, Vorstandsbeschlüsse nur im Konsensverfahren und aufgrund eines einstimmigen Beschlusses zu fassen. In solchen Fällen bleibt die Mitwirkung eines befangenen Vorstandsmitgliedes stets für den Beschluss folgenlos. 473

§ 4 Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung

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Anders gelagert ist die Frage, ob es für den judiziellen Ermessensschutz ausreicht, dass eine Maßnahme von einer Mehrheit der unbefangenen Mitglieder des beschließenden Organs getragen wird, wenn diese Mehrheit nicht gleichzeitig die für die Beschlussfassung erforderliche Mehrheit des Gesamtorgans ausmacht und wenn nicht, ob der Makel des Interessenkonflikts der Mehrheit durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans zwecks einer Erhaltung des Ermessensschutzes geheilt werden kann. Soweit der Grundsatz der Gesamtverantwortung des Leitungsorgans reicht, muss richtigerweise eine Erhaltung des Ermessensschutzes durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans ausscheiden. In diesem als Kernkompetenz durch das Gesetz abschließend geregelten (vgl. etwa § 23 V AktG) und durch Geschäftsordnungsregelung (vgl. § 77 AktG) erweiterbaren Bereich der Plenarzuständigkeiten ist allein das Gesamtorgan zur Artikulation des Gesellschaftsinteresses berufen. Die Billigung einer Maßnahme durch einen Sonderbeschluss der in der Minderheit befindlichen unbefangenen Vorstandsmitglieder nach dem Muster des majority of independent directors des U.S.-amerikanischen Rechts vermag daher die Leitungsentscheidung nicht vor einem Ermessensentzug zu schützen. Soweit ein relevanter Interessenkonflikt festgelegt wird, stellt sich weiterhin die Frage nach dem erforderlichen Konfliktbeseitigungsmittel. Die Auswahl des letzteren obliegt, soweit gesetzlich nichts anderes festgelegt wird, der Bewertung des Kollektivorgans bzw. des betroffenen Amtsträgers475. Zum Instrumentarium der Konfliktbeseitigung gehören vor allem die Mittel des Stimmrechtsausschlusses und des Kompetenzentzugs476. Das Stimmverbot wird bereits vom deutschen Gesetzgeber an mehreren Stellen angewandt. So verbietet es § 136 I AktG einem Aktionär, für sich selbst oder für einen anderen Aktionär das Stimmrecht auszuüben, wenn darüber zu beschließen ist, ob er zu entlasten bzw. von einer Verbindlichkeit zu befreien ist, oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Der § 142 I 2 AktG enthält ein Stimmverbot für Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder bei der Bestellung von 475 In diese Richtung auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 29; Ulmer, NJW 1980, S. 1605; Werner, ZHR 1981, S. 248; etwas differenziert Paefgen (Unternehmerische Entscheidungen, S. 204 Fn. 203), der aber verkennt, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines Interessenkonflikts keine unternehmerische Entscheidung darstellt. Insoweit obliegt sie der vollen gerichtlichen Überprüfung. 476 Ausgehend vom US-amerikanischen Recht betrachtet Paefgen (Unternehmerische Entscheidungen, S. 186 ff. 203, 205) den Ermessensentzug als zusätzlichen Konfliktlösungsmechanismus von besonderer Flexibilität und versucht ihn zu den beweglichen Schranken der Stimmrechtsmacht neben denen des Gesellschaftsinteresses, der Treuebindung und der Gleichbehandlung zuzuordnen. Das ist insofern richtig, als die Gefahr des Ermessensentzugs die Organmitglieder des Leitungsorgans zur Konfliktlösung motivieren kann. Es soll aber beachtet werden, dass der Ermessensentzug kein Konfliktlösungsmittel per se darstellt. Der Entzug des Ermessensspielraums löst allein nicht den Interessenkonflikt, sondern unterwirft die konfliktbelastete Leitungsentscheidung einer strengeren gerichtlichen Überprüfung.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Sonderprüfern im Zusammenhang mit der eigenen Entlastung. Die §§ 47 IV GmbHG, 43 VI GenG und § 34 BGB enthalten Stimmverbote für Beschlüsse über Geschäfte mit juristischen Personen, die ein Gesellschafter beherrscht bzw. mit denen er wirtschaftlich identisch ist477. Aus den angegebenen Vorschriften und vor allem aus § 34 BGB, 47 IV GmbHG, 43 VI GenG auf dem Weg einer weitherzigen Gesamtanalogie das allgemeine Prinzip zu entnehmen, wonach jeder Interessenkonflikt automatisch zum Verlust des Stimmrechts des betroffenen Mitglieds führt, wäre jedoch mit den gesetzgeberischen Wertungen nicht vereinbar478. Gegen einen weiteherzigen Analogieschluss sprechen sowohl historisch als auch objektiv teleologische Argumente: Bereits die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt, dass der Vorschlag eines generellen Stimmverbots für den Fall der Verfolgung von Sondervorteilen zum Schaden der Gesellschaft in der Diskussion um die Aktienrechtsreform 1937 gescheitert war479. Außerdem wäre ein allgemeines Stimmverbot mit dem Gedanken der Gesamtverantwortung des Leitungsorgans unvereinbar480. Ferner wäre ein allgemeines Stimmverbot mit dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung (§ 76 I AktG) unvereinbar. Insofern bleibt es dem Leitungsorgan bzw. dem betroffenen Amtsträger im Einzelfall überlassen, den Interessenwiderstreit durch die Negierung seiner Stimmrechtsausübung zu bereinigen oder darauf zu vertrauen, dass sich eine Mehrheit nicht konfliktbelasteter Organmitglieder findet, die den Beschluss trägt. Weitere Instrumente zur Beseitigung von Interessenkonflikten stellen die Bindung der Entscheidung des konfliktbelasteten Organs an die Zustimmung eines anderen Organs, wie auch der Entzug der Entscheidungskompetenz vom konfliktbelasteten Amtsträger und ihre Zuweisung an einen konfliktfreien Entscheidungsträger dar481. Die Unerheblichkeit des Interessenkonflikts und das Fortbestehen des Schutzes des unternehmerischen Ermessens bei der judiziellen Überprüfung des Gesellschaftshandelns ergeben sich in beiden Fällen daraus, dass die Bestätigung durch das nicht konfliktbelastete Gesellschaftsorgan die Richtigkeitsgewähr des Gesellschaftshandelns insgesamt wieder herstellt. Der Gesetzgeber verwendet dieses Instrument an mehreren Stellen: So wird gem. § 112 AktG die Gesellschaft den Vorstandsmitgliedern gegenüber in allen Angelegenheiten durch den Aufsichtsrat vertreten; ein Einwilligungsvorbehalt wird 477

BGHZ 56, S. 47 ff.; BGHZ 68, S. 107 ff.; Zöllner, K-Komm. AktG, § 136 Rdnr.

28. 478 BGHZ 56, S. 47 ff.; BGHZ 68, S. 107; BGHZ 97, S. 28 ff.; Zöllner, Schranken, S. 263 ff.; Fleck, FS Heinsius, S. 96; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 200 ff. 479 Bericht der Aktienrechtskommission, S. 34; Zöllner, Schranken, S. 155 ff. 480 Vgl. Ulmer, NJW 1980, S. 1605; Werner, ZHR 1981, S. 266 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 383; Martens, ZGR 1977, S. 422 ff. 481 Vgl. Corporate Governance-Kodex Abschnitt V.3 und V.5; auch der Corporate Governance-Kodex wird die Gerichten nicht der Notwendigkeit entheben, mit der Zeit eine Kasuistik ermessenshindernder Interessenkonflikte zu entwickeln.

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beim § 111 IV 2 AktG beim Zusammenwirken eines konfliktbelasteten Vorstands mit einem konfliktfreien Aufsichtsrat beim Gebrauchmachen vom genehmigten Kapital (§ 204 I 2 AktG) vorgesehen oder sogar im Fall der Anrufung der Hauptversammlung laut §§ 119 II, 111 IV 3 AktG. Ähnliches gilt beim gesetzlichen Wettbewerbsverbot des Vorstands (§ 88 I AktG). Weiteren Interessenkonflikten, die sich aus dem Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ergeben können, sucht das AktG zu begegnen, indem es für den Abschluss von Kredit-, Dienst- und Werkverträgen zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und der Gesellschaft die Einwilligung des Aufsichtsrats verlangt (§§ 114, 115 AktG)482. Kompetenzbezogene Konfliktlösungsmechanismen stellen allerdings kein Allheilmittel dar, sondern sind an gesetzliche Restriktionen gebunden. Vor allem sind wichtige Leitungskompetenzen bereits aus der Organisationsverfassung dem Gesamtleitungsorgan exklusiv zugewiesen und können demzufolge nicht delegiert werden. Ferner sind bei solchen Delegationen objektiv teleologische Erwägungen einzubeziehen, wie etwa die Gefahr der Überforderung des Aufsichtsrats als Teilzeitorgan483 oder das Interesse der Rechtssicherheit, welches klare Zuständigkeitsregelungen verlangt484. Es ist schließlich nicht zu übersehen, dass Interessenkonflikte auch beim neuen Entscheidungsträger auftauchen können. Zur Lösung des Konflikts gelten ebenfalls die oben erörterten Überlegungen: Der Entscheidungsträger soll seinerseits den Interessenkonflikt erkennen, seine Relevanz beim Treffen der einschlägigen Entscheidung einschätzen und dementsprechend darauf reagieren. Seine Entscheidung obliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. (3) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen Die Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen bzw. zur Erreichung des erforderlichen Maßes an Informationsbeschaffung knüpft an die bereits in der Rechtsprechung anerkannte Pflicht der Leitungsorgane zur Selbstinformation485 und zur vernünftigen Informationsbearbeitung486 an. Im ARAGFormell nimmt die Pflicht zur sorgfältigen Informationsbeschaffung und -verarbeitung die Form einer Obliegenheit, deren Verletzung zum Entzug der unternehmerischen Ermessensprärogative führt. Was im Einzelnen geboten ist, wird 482

LG Stuttgart BB 1998, S. 1540. Ulmer, NJW 1980, S. 1604; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 193; Merkt, ZHR 1995, S. 432 ff. 484 BGHZ 56, S. 47 ff.; BGHZ 80, S. 69 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 108 Rdnr. 51; Dreher, JZ 1990, S. 901. 485 BGH, AG 1985, S. 165 (Pflicht zur Einholung von Rechtsrat); BGH, NJW-RR 1995, S. 669 ff. (Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH zur ausreichenden Information); OLG Hamm, ZIP 1995, S. 1263, 1269; vgl. noch Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 84 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 29. 486 BGH WM 1971, S. 1548, 1549; OLG Rostock, GmbHR 1995, S. 658, 660. 483

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stark von Größe, Art und Geschäft des jeweiligen Unternehmens abhängen487. Grundsätzlich ist von der Unternehmensleitung eine genaue Kenntnis des Unternehmens und insbesondere seiner Betätigungsmärkte zu verlangen488. Der Unternehmensleiter ist verpflichtet, bei der Sachprüfung Rat einzuholen, sofern er nicht selbst über die nötige Expertise verfügt489. Holt er sachkundigen Rat ein, trifft ihn die Verpflichtung, den sachverständigen Berater vollständig und zutreffend über alle für sein Mandat maßgeblichen Umstände zu unterrichten490. Was die Tragweite der Informationsbeschaffung anbetrifft, wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Vorstand auf Grundlage sämtlicher erreichbarer Informationen urteilen muss491. So wird das Leitungsorgan grundsätzlich alle ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen ausschöpfen müssen und bei fehlender Sachkunde stets verpflichtet sein, sachverständigen Rat einzuholen. Solch hohe Anforderungen sind übrigens von den betriebswirtschaftlichen Forschungen nicht gedeckt492. Empirische Studien über Information und Effizienz von Leitungsentscheidungen haben keinen signifikanten Zusammenhang ergeben493. Vielmehr steht die Verfügbarkeit von Informationen in keinem Zusammenhang mit der späteren Effizienz-Beurteilung494. In der Praxis indiziert die Nachfrage nach weiteren Informationen nicht selten Entscheidungsunlust oder sogar Entscheidungsunfähigkeit495. Wenn man die Überlegungen der Institutionenökonomik über die mit der Informationsbeschaffung verbundenen Transaktionskosten mit berücksichtigt496, plädieren die objektiv teleologischen Argumente dafür, 487 OLG Hamm ZIP 1995, S. 1268 („Harpener/Omni“); Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 86. 488 BGH WM 1995, 709 ff.; BGH WM 1994, S. 1428; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 85; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 62; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 45; Martens, FS Fleck, S. 196 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 224; im AktG wird diese Informationspflicht u. a. in der Regelung über den Quartalbericht des Vorstands an den Aufsichtsrat (§§ 90 I Nr. 3 i.V. mit II Nr. 3 AktG), in der Regelung über die Einrichtung eines Frühwarnsystems zur rechtzeitigen Erkennung von Entwicklungen, die geeignet sind, den Bestand der Gesellschaft zu gefährden (§ 91 II AktG), vorgeschrieben. 489 BGH AG 1985, 165; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 84; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 29; Semler, Leitung und Überwachung2, Rdnr. 77. 490 BGH DstR 1998, S. 1884 ff.; Goette, FS 50 Jahre BGH (Praxis), S. 134 ff. 491 In diese Richtung Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 29; MünchHdb. AG/Nirk, Rdnr. 760; Kindler, ZHR 1998, S. 106. 492 Vgl. von Werder, ZfB 1997, S. 901 ff. 493 Vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 222; Hauschildt/Gemünden/ Grotz-Martin/Haidle, Entscheidungen der Geschäftsführung, S. 221 ff., Das Informationsverhalten in Entscheidungsprozessen, S. 41 ff., 87 ff. 494 Vgl. Hauschildt/Gemünden/Grotz-Martin/Haidle, Entscheidungen der Geschäftsführung, S. 225. 495 Semler, Leitung und Überwachung2, S. 49. 496 Vgl. oben § 1, A. II.

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eine Pflicht der Unternehmensleitung zur Einholung sämtlicher erreichbarer Informationen zu verneinen. Das lässt sich ferner aus der Fassung des ARAG-Urteils entnehmen, demnach ein Sorgfaltspflichtverstoß nur dann anzunehmen ist, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes und auf sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln „deutlich“ überschritten sind497. Ein deutliches Überschreiten der Grenzen sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen kann nur dann angenommen werden, wenn der Entscheidungsprozess so unverantwortlich abgelaufen ist, dass der Unternehmensleiter nicht darauf vertrauen konnte, die unternehmerische Entscheidung auf Basis einer angemessenen Informationsgrundlage zu treffen. Prüfungsmaßstab für das Verfahren der Entscheidungsfindung ist also die Frage, ob sich unter Zugrundelegung des Informationsstands der Entscheidung nicht eine weitere Recherche unabweislich aufgedrängt hätte. In welchen Fällen dies anzunehmen ist, soll unter Beachtung der Folgen einer möglichen Verzögerung der Entscheidung für die Gesellschaft beurteilt werden. Hätten die Unternehmensleiter allein schon wegen unvollständiger Entscheidungsvorbereitung eine Haftung zu befürchten, so würde dies wegen des stets gegebenen Haftungsrisikos sowie aufgrund der immer vorhandenen Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu einer Bürokratisierung der Entscheidungsfindung und damit zu einer Hemmung der Leitungstätigkeit führen. Dabei stünde der vermehrten Informationsnachfrage nach den Erfahrungen der Praxis kein messbarer Vorteil der Gesellschaft gegenüber. (4) Ausrichtung der Entscheidung ausschließlich am Unternehmenswohl und Vermeidung einer unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft Die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums setzt nach der ARAG-Formel die Ausrichtung der Entschließung ausschließlich am Unternehmenswohl und die Vermeidung einer unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft voraus. Durch die Verwendung des Begriffs des Unternehmenswohls knüpft der BGH an die bereits geschilderte Problematik des Unternehmensinteresses an498. Dem Leitungsorgan obliegt es im Rahmen der Beweislastregelungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, ob seine Entscheidung zum maßgeblichen Zeitpunkt durch rational begründete Annahmen plausibel erschien und demnach zu keiner unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft geführt hat. Allerdings ist bei der richterlichen Beurteilung im Interesse des Gesamtkonzepts Zurückhaltung 497 498

Vgl. BGHZ 135, S. 244, 253 („ARAG/Garmenbeck“). Vgl. supra § 3, B. III. 1. d).

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geboten, so dass von einer unverantwortlichen Handlungsweise nur insoweit die Rede sein kann und darf, wenn die getroffene Entscheidung unter keinem möglichen Gesichtspunkt nachvollziehbar erscheint oder wenn die anerkannten Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung in grob fahrlässiger Weise missachtet wurden. Ähnlich wie beim US-amerikanischen Recht sollte die Regel nicht mehr als eine vorsichtige Plausibilitätskontrolle bewirken. Zumindest im Lichte dieses Aspekts verabschiedet sich der BGH von der verbreiteten Annahme, dass bezüglich der subjektiven Erfordernisse der Organhaftung leicht fahrlässiges Verhalten des Organwalters den Erfordernissen des Tatbestands genügt. Dass dies insgesamt folgerichtig ist, zeigt erneut ein Blick auf die maßgeblichen Funktionsbedingungen des Entscheidungsverhaltens unter Unsicherheit: Wäre bereits eine leicht fahrlässige Überdehnung der Ermessensgrenzen zur Haftungsbegründung der Leitungsorgane tauglich, so wäre am Ende nichts gewonnen. Die Suche nach sicheren Entscheidungsalternativen seitens der Handelnden würde genau jene Risikoscheu und Innovationsfeindlichkeit evozieren, deren Beseitigung sowohl von der Rechtsprechung als auch vom Gesetzgeber nicht zuletzt im Interesse der Standortsicherung beabsichtigt wird. (5) Keine Pflichtwidrigkeit aus anderen Gründen Die Anerkennung einer haftungsfreien Ermessensprärogative setzt schließlich voraus, dass die Entschließung nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Unter dieser Voraussetzung ist vor allem die Einhaltung der mit der unternehmerischen Entschließung verbundenen gesetzlichen Züge zu subsumieren. Soweit die unternehmerische Entscheidung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, besteht kein Freiraum für haftungsfreie Zweckmäßigkeitserwägungen mehr. Zunächst mag es verwunderlich sein, dass diese Legalitätsanforderung nicht schon vor der Loyalitätsanforderung angesprochen wurde, denn leitungsbezogene Legalitätspflichten stellen gesetzgeberische Präzisierungen des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses dar, deren Einhaltung nicht dem Diskretionsspielraum der Unternehmensleitung überlassen wird. Grundsätzlich schließen spezialgesetzliche Regelungen die Leitungsmacht aus oder begrenzen diese bis auf einen klaren, von den Gerichten voll überprüfbaren Punkt. Folge einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung ist demnach eine eindeutige Handlungsanweisung oder ein klares Handlungsverbot. Soweit die leitungsbezogenen Pflichten so ausführlich geregelt sind, dass der Unternehmensleitung nichts anderes als die zweifelsfreie Subsumtion der Maßnahme unter die gesetzlichen Vorgaben übrig bleibt (wie etwa bei der Pflicht des Vorstands zur Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen), befindet man sich schon im Bereich der Erkenntnisentscheidungen. Die Handlungsalternativen der Gesellschaftsorgane sind auf eine einzige rechtmäßige Entscheidung festgelegt, so dass kein Be-

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dürfnis dafür besteht, dass sie sich der vollen judiziellen Überprüfung entziehen499. Das Vorliegen leitungsbezogener spezialgesetzlicher Regelungen bedeutet jedoch keinen automatischen Ermessensausschluss. Eine eingehende Untersuchung der leitungsbezogenen Legalitätspflichten zeigt, dass der Gesetzgeber neben den abschließenden Legalitätspflichten einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane insofern anerkennt, als er Legalitätspflichten vorschreibt, die einen Diskretionsspielraum in sich enthalten. Solche Pflichten schließen das Leitungsermessen nicht völlig aus, sondern geben für das geforderte Verhalten einen gewissen Rahmen vor. Beispiele solcher Vorschriften stellen u. a. die Vorschriften über Dispositionsrücklagen500, die Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte501, sowie die Vorschriften über Ermessensrücklagen502 dar. Der § 92 I AktG spricht sogar ausdrücklich von Ermessen des Vorstands bei der Insolvenzanmeldung. Leitungsermessen besteht auch im Fall einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss503. Selbst die Pflicht zur Prüfung der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands504. In Fällen solcher dermaßen weit gefassten Legalitätspflichten soll der verbleibende Diskretionsspielraum ebenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters präzisiert werden. Dies bedeutet dass, hierbei ebenso wie bei den originären Sorgfaltspflichten ein Spannungsfeld zwischen eingeräumtem Handlungsfreiraum und Sorgfaltsverpflichtungen entstehen kann505. Es gibt im Wesentlichen keinen Grund dafür, in solchen Fällen die anlässlich des ARAG-Urteils gewonnenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens nicht zu verwerten. Der Überprüfungsmaßstab sollte hierbei die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung sein. Das Ergebnis einer Entscheidung bei spezialgesetzlichen Regelungen ist m. a. W. nur dann ermessensfehlerhaft,

499 Vgl. Goette, FS 50 Jahre BGH (Praxis), S. 130 ff. („Pflichten ohne Handlungsermessen“); ders., Haftung, S. 760 ff.; hierzu besteht eine Parallele zum öffentlichrechtlichen Fall der gebundenen Verwaltungstätigkeit (vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1183 ff.). 500 Küting, DStR 1998, S. 908. 501 Baumbach/Hopt 30, § 264 HGB Rdnr. 23 und § 252 HGB Rdnr. 23. 502 Küting, DStR 1998, S. 908. 503 So BGHZ 136, S. 133 ff. („Siemens/Nold“). 504 RG JW 1930, S. 2688, 2691. 505 Bei der Überprüfung eines Bezugsrechtsausschlusses hat der BGH im Fall „Siemens/Nold“ (BGHZ 136, S. 133 ff.) das Ermessen des Vorstands ausdrücklich als „unternehmerisches Ermessen“ genannt. In der Sache ging der BGH auch in der „Herstatt“-Entscheidung (BGHZ 75 , S. 96 ff., 113) von einem unternehmerischen Ermessen aus. Er überprüfte nicht die Richtigkeit der Vorstandsentscheidung, sondern lediglich, ob die Überlegungen des Vorstands zur Durchführung einer Sanierung im Ansatz unrealistisch waren.

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wenn die Annahme der Unternehmensleiter eindeutig unvertretbar ist. So genügt es beispielsweise bei einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen, dass die an der Entscheidung beteiligten Organe nach dem tatsächlichen Bild und aufgrund sorgfältiger, von gesellschaftsfremden Belangen freier Abwägung davon ausgehen dürften, die Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen sei zum besten der Gesellschaft506. Der Maßstab der Unvertretbarkeit gilt nicht nur für den Inhalt, sondern auch für das Zustandekommen der unternehmerischen Entscheidung507. (6) Darlegungs- und Beweislast Die Verteilung der Beweislast spielt anerkanntermaßen eine Schlüsselrolle bei der prozessualen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihren Unternehmensleiter. Eine den Kläger unverhältnismäßig begünstigende Beweislasterteilung führt zu einer beträchtlichen Verschärfung der Organhaftung und kann weiterhin eine Einladung zu missbräuchlichen Klagen sein508. Andererseits führt eine übermäßige Begünstigung der Prozesslage des beklagten Unternehmensleiters zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Restitution des Vermögensschadens der Gesellschaft und verkennt, dass die betroffenen Organmitglieder gegenüber der beschädigten Gesellschaft besser über die Schaden erregenden Vorgänge unterrichtet seien509. Im deutschen Aktienrecht schreibt § 93 II AktG510 eine Beweislastumkehrung zugunsten des Klägers vor. Demnach wird die Beweislast für die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters dem Unternehmensleiter verlagert. Die Beweislastumkehrung beruht auf dem Grundgedanken, dass die beanspruchende Gesellschaft in aller Regel nicht in der Lage sei, die Schaden erregenden Vorgänge zu ermitteln. Dem beklagten Verwaltungsmitglied soll die Beweislast insoweit aufgebürdet werden, als es näher 506 Vgl. BGHZ 71, S. 40, 50 („Kali & Salz“); ähnlich ist der Maßstab bei pflichtgemäßem Ermessen in der „Herstatt“-Entscheidung (BGHZ 75, S. 96, 108): Dort hat der BGH mit der Vorinstanz darauf abgestellt, ob die Annahme der Unternehmensleiter „im Ansatz unrealistisch“ ist. 507 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 106. 508 Vgl. beispielsweise im US-amerikanischen Recht Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984). Es ist allgemein anerkannt, dass das in diesem Bereich das US-amerikanische Recht dem Unternehmensleiter eine günstigere Prozesslage bereitet, als die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen. Das wird ersichtlich vor allem in der Beweislastverteilung als Komponente des Business Judgment Rule: Der Kläger soll die Tatbestandselemente des Business Judgment Rule durch das einschlägige Beweismaterial in Frage stellen. Gelingt es ihm dies zu erreichen, führt dies zur Vermutung einer Sorgfaltspflichtverletzung. 509 Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 100; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 16. 510 Diese Beweislastumkehrung ist auf das Recht der GmbH übertragungsfähig (Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 30; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 167 ff.).

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daran ist, die anspruchsrelevanten Fragen zu klären511. Die h. M. versteht die Vorschrift konsequenterweise als Umkehr der Beweislast nicht nur in Bezug auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verwaltungshandelns, sondern auch in Bezug auf seine objektive Pflichtwidrigkeit (vollständige Beweislastumkehr)512. Zur Begründung seines Schadensersatzanspruches muss der Kläger Eintritt und Höhe des Schadens, ferner Handlung des Leitungsorgans und schließlich adäquate Kausalität zwischen Handlung und Schaden beweisen513. Die Rechtsprechung einschließlich der zu vergleichbaren Bestimmungen der §§ 43 GmbHG und 34 GenG ergangenen Judikate zeigt jedoch keine einheitliche Linie514. Der BGH hat sich in einigen Urteilen zum GmbH- und zum Genossenschaftsrecht in obiter dicta gegen die Einbeziehung der objektiven Pflichtwidrigkeit in die Beweislastumkehr ausgesprochen515. Die einschlägige Urteile des Reichsgerichts sprechen sich dagegen für eine solche Einbeziehung aus516. Ob der Wortlaut des § 93 II 2 AktG eher für eine Beschränkung der Beweislastumkehr auf das Verschulden spricht517, lässt sich bezweifeln. Die wortgleichen Formulierungen in § 93 I 1 und II 2 AktG von der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ lassen darauf schließen, dass die Doppelfunktion der in § 93 I 1 AktG statuierten Sorgfaltspflicht als Pflicht- und Verschuldensmaßstab518 auch in § 93 II 2 angesprochen sein soll519. Schon dies spricht gegen Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 100; Hüffer4, § 93 AktG Rdnr. 16; Goette, ZGR 1995, S. 672; Hopt, Gkomm. AktG, § 93, Rdnr. 277, 286. 512 Mertens, K-Komm. AktG2, § 93, Rdnr. 102, Hopt, Gkomm. AktG4, § 93, Rdnr. 285 ff.; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 16; Lutter, ZHR 1995, S. 305; Scholz/Schneider9, § 43, Rdnr. 168; Randow, ZGR 1996, S. 594; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 43 GmbHG, Rdnr. 30. 513 Vgl. Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 66; Goette, ZGR 1995, S. 648; Fleck, GmbHR 1997, S. 237; BGH NJW 1963, S. 46; BGH WM 1980, S. 1190; BGH WM 1985, S. 1293 ff.; OLG Hamm AG 1995 („Harpener/Omni“), S. 512; LG Bochum, ZIP 1989 („Krupp/Rheinform“), 1557, 1559. 514 Überblick bei Goette, ZGR 1995, S. 649 ff. 515 Vgl. BGH ZIP 1994, S. 872, 873; BGH ZIP 1992, 108, 109; BGH BB 1980, S. 1344,1345 = WM 1980, S. 1190 zur GmbH (die Gesellschaft hat die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, „aus denen sich ergibt, dass der Geschäftsführer einer ihm obliegenden Pflicht objektiv nicht ausreichend nachgekommen und der Gesellschaft hierdurch einen Schaden entstanden ist“); BGH ZIP 1985, S. 1135; Fleck, GmbHR 1997, S. 239; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 26; Goette, ZGR 1995, S. 667 ff.; Heermann, ZIP 1998, S. 788. 516 Vgl. RGZ 98, 98 (100); RGZ 161, 129, 134; OLG Hamm AG 1995, S. 512, 514 („Harpener/Omni“); OLG Hamm 2002, S. 97, 98 („Harpener/Omni II“); LG Bochum ZIP 1989, S. 1557, 1559 („Krupp/Rheinform“); BGH BB 1974, S. 994 (Anm. Klamroth). 517 So Goette, ZGR 1995, S. 671 ff.; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 285. 518 Hopt, FS Mestmäcker, S. 916; ders., Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 19, 252; Hüffer4, § 93 AktG, Rdnr. 3, 19. 519 Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 247; Schubert/Homelhoff, 100 Jahre modernes Aktienrecht, ZGR Sonderheft Nr. 4, 1985, S. 401. 511

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den vom BGH in den zitierten obiter dicta vertretenen Ausschluss des Aspekts der objektiven Pflichtwidrigkeit aus der Beweislastumkehr. Mehr noch spricht dagegen die ratio legis des § 93 II 2 AktG: Dem beklagten Verwaltungsmitglied soll die Beweislast insoweit aufgebürdet werden, als es näher daran ist, die anspruchsrelevanten Fragen zu klären520. Andererseits ergeben sich auch gewichtige Bedenken dagegen, die Beweislastumkehr ohne jede Einschränkung auf den Nachweis der Pflichtwidrigkeit zu erstrecken. Die angesprochene Prozesslage stellt sich für den Kläger insofern als günstig dar, als nach herrschender Lehre dem bloßen Nachweis eines Schadens eine Indizfunktion auf die Pflichtwidrigkeit und das Verschulden bezüglich des beanstandeten Organhandelns zukommen soll521. Dies führt im Ergebnis zu einer Art Erfolgsgefährdungshaftung der Verwaltungsorgane und damit zur Verschärfung der Organhaftung. Die Rechtfertigung letzterer wird im Vorfeld der ratio von §§ 93 II AktG, 43 GmbHG in Schrifttum und Rechtsprechung in unterschiedlicher Art und Weise in Frage gestellt. Einen überzeugenden Ansatz für den erforderlichen Mittelweg zwischen einem der gesetzlich missbilligten Erfolgshaftung gefährlich nahe kommenden Rechtfertigungszwang der verklagten Gesellschaft, bzw. im Schadensersatzprozess des Organmitglieds und der vom Gesetz geforderten Beweislastverteilung nach dem Kriterium der Sachnähe bietet ein im neueren Schrifttum insbesondere von Goette vertretenes Konzept522. Demgemäß müsse die Gesellschaft darlegen, dass der eingetretene Schaden mit einem zumindest möglicherweise pflichtwidrigen Verhalten des Leitungsorgans in ursächlichem Zusammenhang stehe. Die Rechtfertigungslast des beklagten Organmitglieds beschränke sich konsequenterweise auf das behauptete Verhalten523. Dieser Ansatz wird durch die Entstehungsgeschichte des § 84 AktG 1937 gestützt. Vorbild für diese Bestimmung war der Entwurf eines Gesetzes betreffend die KGaA und AG von 1884, der bereits eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Sorgfaltspflichtverletzung vorsah (Artt. 204 I, 226 I, 241 II). In der Entwurfsbegründung heißt es bezüglich der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder, diesen solle es auferlegt werden, den Nachweis zu sichern, dass und wie sie ihre Obliegenheiten erfüllt haben. Andererseits stellt die Begründung aber auch klar, die Beweislastumkehr entbinde die auf Schadensersatz klagende Gesellschaft nicht vom Nachweis, dass der beanspruchte Schaden durch das pflichtwidrige Verhalten des in Anspruch genommenen Mitglieds entstanden 520 Goette, ZGR 1995, S. 672; Hopt, Gkomm. AktG, § 93 Rdnr. 277, 285; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung. S. 247. 521 So Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 278, 285; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 103; wie wohl auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 204, Fn. 36. 522 Goette, ZGR 1995, S. 670; vgl. noch Fleck, GmbHR 1997, S. 239; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 26; ähnlich Randow, ZGR 1996, S. 635. 523 Goette, ZGR 1995, S. 673 ff.; ders., Haftung, S. 770; vgl. noch BGH, DStR 2003, S. 124 ff.

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sei. Stets hat der Kläger den Umfang der Obliegenheit und die Kausalität der Verletzung zum Schaden nachzuweisen. Damit werden Darlegung und Beweis der Möglichkeit einer Pflichtverletzung, das Vorliegen oder Drohen einer Schädigung der Gesellschaft und die Kausalität der als möglich gerügten Pflichtverletzung für den Schaden dem Kläger auferlegt. Wegen der Abweichung von der Normentheorie geht es hier darum, wie die Beweislastregel des § 93 II 2 AktG in der von Goette herausgearbeiteten Interpretation in die Grundsätze unternehmerischen Ermessens einzubauen ist. Dazu ist erforderlich, bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast die Geltungsvoraussetzungen des unternehmerischen Ermessens in den Blick zu nehmen, also die Einhaltung der Loyalitätspflicht und der Informationspflicht durch das Leitungsorgan, dessen unternehmerische Entscheidung im Prozess angegriffen wird. Das bedeutet praktisch: Der Kläger soll zunächst hinreichende Anhaltspunkte vortragen und nötigenfalls beweisen, dass dem Entscheidungsträger eine der oben erwähnten Komponenten unternehmerischen Ermessensfreiheit fehlt, wie etwa dass er einem Loyalitätskonflikt unterlag bzw. dass er seiner Pflicht zu sorgfältigen Informierung nicht nachgekommen ist524. Gelingt der Nachweis nicht, so ist die Klage abzuweisen. Gelingt es dagegen, so ist Sache des (der) Beklagten, durch ergänzenden Sachvortrag und nötigenfalls Beweisantritt darzutun, dass trotz der vom Kläger vorgebrachten Indizien eine Verletzung der Loyalitäts- bzw. Informationspflicht nicht vorliegt. Gelingt dagegen dieser Nachweis nicht, steht damit fest, dass dem handelnden Verwaltungsorgan ein rechtlich geschütztes unternehmerisches Ermessen nicht zukommt. Der in § 93 II 2 AktG angeordnete Rechtsfertigungszwang der Verwaltung kann erst dort beginnen, wo die mit dem judiziellen Respekt vor dem unternehmerischen Ermessensentscheidungen verbundene Richtigkeitsgewähr des Verwaltungshandelns ihre Ende findet525. cc) Unternehmerisches Ermessen und Aufsichtsratstätigkeit In der Entwicklung des deutschen Aktienrechts ist die unternehmerische Komponente des Aufsichtsrats, wie bereits geschildert, stark betont526. Das Organ wird überwiegend als Teil der Unternehmensleitung begriffen, das im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit wie der Vorstand Führungsaufgaben wahrnimmt; Aufsicht und Überwachung werden mit wachsender Entschiedenheit nicht nur als nachträgliche Kontrolle, sondern auch als vorausschauende 524 Dieser Nachweis lässt sich durchaus vergleichen mit dem initial burden des USamerikanischen Rechts. 525 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 250; im Ansatz vergleichbar aber unscharf Heermann, ZIP 1998, S. 768. 526 Vgl. oben § 2, A. I. 2. b).

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und mitgestaltende Tätigkeit verstanden527, für die der Aufsichtsrat eines Spielraums unternehmerischen Ermessens bedarf528. Dies gilt etwa für die Personalentscheidungen auf Vorstandsebene ebenso wie für die Organisation der Vorstandsarbeit und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder. Die Begründung seines Ermessensspielraums ist demnach wie beim Vorstand auf die Natur seiner Tätigkeit und die damit zusammenhängenden objektiv teleologischen Erwägungen zurückzuführen529. Der deutsche Gesetzgeber scheint von einer ähnlichen Grundstellung auszugehen, wenn er in der Haftungsvorschrift des § 116 AktG auf eine eigenständige Regelung der Verantwortlichkeit und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder verzichtet und stattdessen auf die sinngemäße Anwendung des § 93 AktG verweist. Das Spannungsverhältnis zwischen dem unternehmerischen Ermessensspielraum und der Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats wurde allerdings sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung sporadisch behandelt. Erst seit kurzem und besonders nachdem einige Skandalfälle die Aufsichtsräte in die Schusslinie der öffentlichen Kritik gebracht haben und über eine Verschärfung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nachgedacht wurde, hat sich die Rechtslehre vertieft mit dem Problem auseinandergesetzt530. Den Musterfall stellte ebenfalls hier das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil dar, wo der Handlungsspielraum des Aufsichtsrats am Beispiel der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand (§ 112 AktG) erörtert wurde. In welcher Tragweite die ARAG-Formel zum unternehmerischen Ermessen auf die Tätigkeit des Aufsichtrats übertragbar ist, bedarf einer näheren Untersuchung. Hierzu erweist es sich als zweckmäßig, die Grundzüge des ARAGUrteils für den Aufsichtsrat sinngemäß (§ 93 i.V. mit § 116 AktG), d. h. unter Berücksichtigung des Aufgabenkreises, der Struktur der (Neben-)Tätigkeit und der beruflichen Herkunft von Aufsichtsratsmitgliedern, zu verwerten531.

527

Vgl. oben § 2, A. I. 2. a). Vgl. BGHZ 135, S. 245, 254 („ARAG“); BGHZ 69, S. 207 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1183, 1188 ff.; Goette, Haftung, S. 759; Raiser, NJW 1996, S. 553; Dreher, ZHR 1994, S. 637 ff.; ders., JZ 1997, S. 1074; Kindler, ZHR 1998, S. 101; Lutter, ZIP 1995, S. 641; Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1157 ff.; Goette, ZGR 1995, S. 648; Heermann, ZIP 1998, S. 761; Nirk, FS Boujong, S. 402 ff.; a. A. LG Düsseldorf, ZIP 1994, S. 628, 630; Westermann, ZIP 2000, S. 26. 529 Vgl. noch Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 467. 530 Vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24 ff., 116 ff., 163 ff.; Raiser, NJW 1996, S. 553; Dreher, ZHR 1994, S. 637 ff.; ders., JZ 1997, S. 1074; Kindler, ZHR 1998, S. 101; Lutter, ZIP 1995, S. 641; Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1157 ff.; Goette, ZGR 1995, S. 648; Heermann, ZIP 1998, S. 761; Nirk, FS Boujong, S. 402 ff. 531 Vgl. Fleck, FS Hensius, S. 891; Hüffer4, § 116 AktG, Rdnr. 1; Raiser, KapGesR3, § 15, Rdnr. 97; Mertens, K-Komm. AktG2, § 116 Rdnr. 2. 528

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(1) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers Ebenso wie beim Vorstand sollen die leitungsbezogenen Entscheidungen vom Aufsichtsrat in Verantwortungsbewusstsein getroffen werden. Zum Begriff des Interessenkonflikts gelten die bereits anlässlich des Vorstands angesprochenen Erläuterungen. Das AktG ist in seiner Grundstruktur gegenüber Interessenkonflikten Aufsichtsratsmitgliedern tolerant532. Seine Konflikttoleranz lässt sich u. a. aus dem lediglich nebenamtlich ausgestalteten Charakter des Aufsichtsratsmandats ableiten533. Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass sich jedes Aufsichtsratsmitglied bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben allein von den Interessen des beaufsichtigten Unternehmens leiten lassen darf534. Das Unternehmensinteresse und damit die Konfliktintensität ist für den Einzelfall gesondert und stets neu zu bestimmen. Ein relevanter Interessenkonflikt wird immer dann vorliegen, wenn die entscheidende Person oder eine ihr nahe stehende Person Partei des den Gegenstand der Beschlussfassung bildenden Geschäfts ist. Darüber hinaus soll die Definition jedes finanzielle Interesse des Abstimmenden am Beschlussgegenstand erfassen, das für diesen eine Bedeutung hat, von der bei verständiger Würdigung anzunehmen ist, dass sie sich auf sein Urteil auswirken wird. Ebenso wie beim Vorstand wird hier nach verständiger Würdigung genau zu prüfen sein, ob der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil des Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können. Ein Einfluss des Interessenkonflikts kommt nur dann in Betracht, wenn ohne die Mitwirkung des konfliktbelasteten Mitglieds das beanstandete Aufsichtsratshandeln nicht möglich gewesen wäre. Solch eine Auslegung ergibt sich induktiv auf dem Weg der gesamtanalogen Anwendung der funktionell vergleichbaren Vorschriften zum Stimmverbot beim mitgliedschaftlichen Stimmrecht und der Mitwirkung nicht ordnungsgemäß bestellter Organmitglieder bei Organbeschlüssen (vgl. etwa §§ 108, 136, 243 AktG, 47 IV GmbHG). Folglich ist im Falle des kollegialen Handelns mehrerer Aufsichtsratsmitglieder ein Entzug des unternehmerischen Ermessens nur dann gerechtfertigt, wenn die Entscheidung ohne die Mitwirkung der konfliktbelasteten Mitgliedern nicht zustande gekommen wäre. Anders gelagert ist die Frage, ob es für den judiziellen Ermessensschutz ausreicht, dass eine Maßnahme von einer Mehrheit der unbefangenen Mitglieder des beschließenden Organs getragen wird, wenn diese Mehrheit nicht gleichzeitig die für die Beschlussfassung erforderliche Mehrheit des Gesamtorgans aus532 Semler/Stengel, NZG 2003, S. 1, 2; Dreher, JZ 1990, S. 900; Deckert, DZWir 1996, S. 408. 533 Semler/Stengel, NZG 2003, S. 1; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 233; Lutter, ZHR 1981, S. 235. 534 Vgl. DCG-Kodex, Ziff. 5.5.1.; Lutter, ZHR 1981, S. 239; Dreher, JZ 1990, S. 897; Ulmer, NJW 1980, S. 1605.

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macht, und wenn nicht, ob der Makel des Interessenkonflikts durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans zwecks einer Erhaltung des Ermessensschutzes geheilt werden kann. Hierzu ist Folgendes zu beachten: Soweit der Grundsatz der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats reicht535, muss eine Erhaltung des Ermessensschutzes durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans ausscheiden. Soweit Kompetenzen nach § 107 III 1 AktG auf einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden dürfen, vermag allerdings ein solcher Ausschuss die Funktion eines Komitees unabhängiger und unbefangener Amtwalter zu erfüllen. Seiner Entscheidung kommt der Schutz des unternehmerischen Ermessens zugute, auch wenn die Mehrheit des Aufsichtsrats mit dem Stigma der Befangenheit belastet ist. Solch eine Konstellation ergibt sich aus der grammatischen Auslegung des § 107 III 2 AktG: Obwohl im Fall der Delegation die Gesamtverantwortung verbleibt536, macht jedoch die Zulässigkeit endgültig beschließender Ausschüsse deutlich, dass im Fall einer zulässigen Delegation von Beschlusskompetenzen die Artikulation des Gesellschaftsinteresses durch den Ausschuss maßgeblich sein soll („an Stelle des Aufsichtsrats“). Daraus folgt die Maßgeblichkeit der bei den Ausschussmitgliedern gegebenen Verhältnisse für die Beurteilung der Lauterkeit der Beschlussfassung537. Ob ein Interessenkonflikt innerhalb des Corpus des entscheidenden Organs vorliegt, ist nicht immer einfach festzustellen. Die Treuebindung gegenüber der Gesellschaft und die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit verpflichten jedes Aufsichtsratsmitglied zur Offenlegung eines Interessenkonflikts538. Der DCGKodex schreibt diesbezüglich ausdrücklich vor, dass jedes Aufsichtsratsmitglied soll Interessenkonflikte, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen (Abschnitt V Art. 5.5.2 DCG-Kodex)539. Die sonstigen Organmitglieder können jedenfalls im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten selbst die Initiative er535 Zur Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats vgl. RGZ 93, S. 338, 340; RGZ 161, S. 129, 135; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 9; Ulmer, NJW 1980, S. 1605. 536 RGZ 93, S. 338, 340; RGZ 161, S. 129, 135; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 9; Ulmer, NJW 1980, S. 1605. 537 So auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 221. 538 Vgl. Semler/Stengel, NZG 2003, S. 6; Raiser, KapGesR3, Rdnr. 97 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 116 Rdnr. 10, 22; Ulmer, NJW 1980, S. 1603; Dreher, JZ 1990, S. 896 ff. 539 Ein Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance zur Ausschaltung von Interessengegensätzen wurde in den Kodex nicht eingearbeitet. Die Corporate Governance Kommission hatte vorgeschlagen, im Deutschen Corporate Governance Kodex vorzusehen, dass Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Aktiengesellschaften keine Mandate in anderen Unternehmen wahrnehmen dürfen, die zur Gesellschaft im (wesentlichen) Wettbewerb stehen; vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 54.

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greifen und bestimmte Vorgänge näher untersuchen. Soweit ein relevanter Interessenkonflikt festgelegt wird, stellt sich weiterhin die Frage nach dem anzuwendenden Konfliktbeseitigungsmittel. Die Auswahl obliegt, soweit diesbezüglich nichts gesetzlich festgelegt wird, der einzelfallbezogenen Bewertung des Kollektivorgans bzw. des betroffenen Amtsträgers540. Sie kann ferner je nach Art des Interessenkonflikts (einzefallbezogene, dauerhaft usw.) unterschiedlich sein. Zum Instrumentarium der Konfliktbeseitigung gehören vor allem die Mittel des Stimmrechtsausschlusses, des Kompetenzentzugs, des Ausschlusses vom Informationsfluss541 oder sogar der Amtsniederlegung. Inwieweit die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Interessenkonflikten einem Stimmverbot analog § 34 BGB unterliegen, ist umstritten. Als gesichert gilt diesbezüglich, dass ein Stimmverbot besteht, wenn Beschlüsse über die Befreiung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds von einer Verbindlichkeit, über die Durchsetzung eines gegen das Mitglied gerichteten Anspruchs der Gesellschaft oder über ein Rechtsgeschäft der Gesellschaft mit diesem gibt542. Die objektiv teleologischen Argumente sprechen allerdings gegen ein allgemeines Stimmverbot durch einen weitherzigen Analogieschluss aus § 34 BGB543. Ulmer hat diesbezüglich zu Recht auf die Unvereinbarkeit der Wirkung des Stimmverbots mit dem Gedanken der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats hingewiesen544. Gegen eine weitherzige Analogie spricht ferner das Argument der Rechtssicherheit, vor allem die Notwendigkeit, eine Störung der mitbestimmungsrechtlichen Machtbalance tatkräftig zu vermeiden. Letzterem kommt im mitbestimmten Aufsichtsrat noch gesteigerte Bedeutung zu545. Es soll schließlich nicht übersehen werden, dass die Existenz von Mehrfachmandaten (vgl. etwa §§ 100 II, 105 I AktG) indiziert, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass dem für mehrere Gesellschaften tätigen Organ grundsätzlich die Fähigkeit zugesprochen werden kann, in einem konkreten Entscheidungszusammenhang ausschließlich das Interesse der Gesellschaft zu wahren, für die es in der jeweiligen Situation abstimmt546. Insofern bleibt es dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied im Einzelfall überlassen, den Interessen540 Vgl. Wiedemann, Organverantwortung, S. 29; Ulmer, NJW 1980, S. 1605; Werner, ZHR 1981, S. 248. 541 Ausführlicher dazu Semler/Stengel, NZG 2003, S. 3 ff. 542 Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 108 Rdnr. 49; Hüffer4, § 108 AktG, Rdnr. 49; Ulmer, NJW 1980, S. 1605; Dreher, JZ 1990, S. 900 ff.; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 297 ff.; Werner, ZHR 1981, S. 266. 543 Vgl. BGHZ 56, S. 47 ff.; BGHZ 68, S. 107 ff.; BGHZ 97, S. 28, 33; Zöllner, Schranken, S. 263 ff.; Fleck, FS Heinsius, S. 96; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 202 ff.; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratsitzung, S. 123; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 228 ff., 282 ff.; a. A. Semler/Stengel, NZG 2003, S. 3. 544 Vgl. Ulmer, NJW 1980, S. 1605; Dreher, JZ 1990, S. 901; Werner, ZHR 1981, S. 266 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 383; Martens, ZGR 1977, S. 422. 545 So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 203. 546 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 204; Ulmer, NJW 1980, S. 1604.

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widerstreit durch die Negierung seiner Stimmrechtsausübung oder sogar durch Niederlegung des einen oder des anderen Mandats zu bereinigen547, oder darauf zu vertrauen, dass sich eine Mehrheit nicht konfliktbelasteter Organmitglieder findet, die den Beschluss trägt548. In Extremfällen kann derjenige, der erkennt, dass es sich in einem relevanten Interessenkonflikt befindet, gerichtlich abberufen werden; die anderen Aufsichtsratsmitglieder müssen das ggf. beantragen549. (2) Sorgfältige Vorbereitung der Entscheidungsgrundlage Ebenso wie beim Vorstand ist auch beim Aufsichtsrat der grundsätzliche Zusammenhang zwischen Information und Sorgfaltspflicht seit langem anerkannt550. Hierzu sind ergänzende Überlegungen zur sinngemäßen Anwendung dieser Anforderungen anzubringen. Bei der Informationsbeschaffungspflicht des Aufsichtsrats soll darauf Rücksicht genommen werden, dass das Gesetz den Aufsichtsrat als Teilzeitorgan konzipiert, das in der Regel nicht mehr als viermal im Jahr zusammentritt (§ 110 III AktG). Vielmehr geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat die für seine Arbeit notwendigen Informationen beschaffen muss551. Von besonderer Erheblichkeit für seine Informierung sind die das Kernstück des gesetzlichen Berichtswesens bildenden Berichte vom Vorstand552. Die Berichterstattung durch den Vorstand an den Aufsichtsrat begegnet einem – im Rahmen der monistischen SA ebenfalls auftauchenden553 – doppelten Dilemma; zunächst weiß der Vorstand als Informationspflichtiger, welche Informationen vorhanden, von Bedeutung und daher 547 Das ist vor allem der Fall bei erheblichen permanenten Konflikten sein (Semler/ Stengel, NZG 2003, S. 6 m. w. N.). Unterlässt es das Aufsichtsratsmitglied, sein Ausscheiden selbst zu bewirken, und erleidet die Gesellschaft hierdurch Schaden, so kann sich das Aufsichtsratsmitglied schadensersatzpflichtig machen (Semler/Stengel, NZG 2003, S. 6; Lutter, FS Beusch, S. 524 ff.; Dreher, JZ 1990, S. 902). Umstritten ist, ob das im Interessenkonflikt befindliche Aufsichtsratsmitglied bei der Abstimmung über den Antrag seiner Abberufung Stimmrecht. U. E. scheidet ein solches Stimmrecht aus, da sich das Aufsichtsratsmitglied, nicht vom Unternehmensinteresse leiten lassen wird und die Gefahr läuft die eigenen Interessen walten zu lassen (Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 267 ff.; Semler/Stengel, NZG 2003, S. 6; a. A. Geßler/Hefermehl, § 103 AktG Rdnr. 34. 548 Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 205. 549 Semler/Stengel, NZG 2003, S. 6; Lutter, FS Beusch, S. 523; Dreher, JZ 1990, S. 902. 550 Vgl. Lutter, Information, Rdnr. 9–110; Hoffmann-Becking, ZHR 1995, S. 336 ff.; Scheffler, DB 1994, S. 797; Götz, AG 1995, S. 349; DGC-Kodex III. 4. 551 Vgl. Lutter, Information, Rdnr. 1 und 27. 552 Vgl. etwa § 90 I Nr. 3 i.V. mit II Nr. 3 AktG; § 90 I 1 Nr. 1 i.V. mit II 1 AktG; § 90 I Nr. 4 i.V. mit II 4 AktG; § 93 I 2 AktG; § 170, 171 AktG (Jahresabschluss); § 312 AktG (Abhängigkeitsbericht); § 111 IV 2 AktG (zustimmungspflichtige Geschäfte); §§ 88, 89 AktG (Verbotsbefreiungen); § 124 III AktG. 553 Vgl. oben § 2, B. II. 2.

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an den Aufsichtsrat zu berichten sind554. Dem Aufsichtsrat fehlt im Regelfall hier der notwendige Einblick in das tägliche Geschäft der Gesellschaft. Zum anderen bildet die Berichterstattung durch den Vorstand die Grundlage für den Aufsichtsrat zur Beurteilung auch der persönlichen Leistungen des Vorstands und seiner Mitglieder. Allein schon das oben beschriebene doppelte Dilemma sollte Anlass genug für ein gewisses institutionelles, nicht personenbezogenes Misstrauen und die Bereitschaft, auch Aussagen eines Vorstands, der volles Vertrauen genießt, zu hinterfragen, sein555. Damit wird gemeint, dass der Aufsichtsrat sich auf die vom Vorstand gelieferten Informationen nicht ohne weiteres verlassen kann. Er hat diese zunächst auf ihre Vollständigkeit und Eignung als taugliche Grundlage seiner eigenen Entscheidungen zu überprüfen und kritisch durchzugehen556. Ergänzungen, Änderungen oder Erläuterungen zu jeglicher Art von Informationen des Vorstands sowie ganz allgemein aller für die Aufgabenerfüllung des Aufsichtsrats erheblich erscheinenden Informationen mit Bezug zur Gesellschaft und ihren Konzernunternehmen sind in Form von Sonderberichten nach § 90 III AktG einzufordern. Einer besonderen Begründung für solches Informationsverlangen bedarf es nicht557. Ihr angebliches Fehlen kann deshalb auch nicht entlastend wirken558. Hinsichtlich des zu fordernden Ausmaßes der Ausübung dieser Rechte ist zu bedenken, dass der Aufsichtsrat prinzipiell Zugang zu allen Informationen hat, die dem Vorstand zur Verfügung stehen, soweit sie auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein können559. Inwieweit er seinen Informationsstand dem hohen Niveau des Vorstands annähern muss, hängt allerdings von der konkreten Entscheidungssituation ab. Handelt es sich z. B. um die Sanierung des Unternehmens in einer Krisenzeit, wird man dem Aufsichtsrat, was die kritischen unternehmensstrategischen, geschäftspolitischen, finanziellen und sonstigen Aspekte des Sanierungsplans anbelangt, einen gegenüber der Situation des Alltagsgeschäfts erheblich gesteigerten Informationsstand abverlangen müssen. Das schließt nicht aus, bei der Beschaffung der erforderlichen Informationsgrundlagen Hilfspersonen bzw. Sachverständige heranzuziehen560. Einfach al554

Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 459. Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 460. 556 Vgl. Lutter, ZHR 1995, S. 293; Götz, AG 1995, S. 343; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 231; Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 460. 557 Vgl. Lutter, Information, Rdnr. 17 ff. 558 Als ultima ratio steht dem Aufsichtsrat das Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 II AktG einschließlich des Rechts auf Bestellung besonderer Sachverständiger zu; vgl. Lutter, Information, Rdnr. 86 ff.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, S. 83 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 1995, S. 338 ff. 559 Vgl. Lutter, Information, Rdnr. 27; Mertens, K-Komm. AktG2, § 90 Rdnr. 41. 560 Vgl. Raiser, KapGesR3, Rdnr. 115. 555

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lein durch das Exerzieren des gesetzlichen Berichtsstatuts kommt der Aufsichtsrat seinen umfassenden Informationsobliegenheiten nicht ausreichend nach. Zwar gilt für ihn im Gegensatz zum Vorstand kein Gebot permanent potenziellen Wissens über das Gesamtverhältnisnetzwerk des Unternehmens, jedoch hat er je nach Entscheidungsgegenstand seine Informationsbeschaffung und Sachprüfung insbesondere in für das Unternehmen kritischen Phasen punktuell so zu fokussieren, dass er Entscheidungen des Vorstands in ihren wesentlichen Erwägungen kritisch nachvollziehen kann. Erfüllt der Aufsichtsrat die ihm damit auferlegten Informationsobliegenheiten nicht, kommt seiner Entscheidung die für die judizielle Respektierung des unternehmerischen Ermessens notwendige Richtigkeitsgewähr nicht zu561. (3) Sonstige Komponenten des ARAG-Urteils Über die Ausrichtung der Entschließung am Unternehmenswohl und die Legalitätspflichten des Aufsichtsrats, wie auch über die Darlegungs- und Beweislast ist hierzu auf die anlässlich des Vorstands dargestellten Überlegungen zu verweisen562. Die Ermittlung des Unternehmensinteresses verbleibt vorrangig, wie bereits geschildert, eine Aufgabe des Vorstands563. Der Aufsichtsrat muss im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe überprüfen, ob der Vorstand bei der Ermittlung des Unternehmensinteresses rechtmäßig gehandelt und die Grenzen seines Ermessensspielraums nicht überschritten hat564. b) Die Übertragungsfähigkeit des Business Judgement Rule im französischen Kapitalgesellschaftsrecht Sehr diffus sind die Konturen des unternehmerischen Ermessensspielraums im französischen Recht. Diese Undeutlichkeit ist nicht allein auf die einschlägigen Tatbestände zurückzuführen, sie hängt ferner mit der ungewöhnlichen Form der französischen Urteile zusammen565. Letztere sind insgesamt in „attendu“ oder „considérant“ redigiert und enden mit dem Tenor (dispositif). Tatbestand und Entscheidungsgründe, die äußerlich nicht getrennt werden, sind also sämtlich in Nebensätzen enthalten („davon ausgehend, dass . . .“). Die Urteile des Kassationshofs sind oft nur 10 bis 20 Zeilen lang und enthalten keine Auseinandersetzung mit Theorien oder Lehrmeinungen, sondern formulieren thesen561

So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 233. Vgl. oben § 4, C. III. 2. a) (4), (5), (6). 563 Vgl. § 3, A. III. 1. b), c), d). 564 Semler/Stengel, NZG 2003, S. 3; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision S. 387 ff., 405 ff. 565 Ausführlicher Kötz, RabelsZ 1988, S. 644; Hübner/Constantinesco3, Einführung in das französische Recht, S. 11. 562

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artig die Lösung der Rechtsfrage und leiten sie systematisch aus dem Gesetzestext her. Die dogmatische Begründung der Urteile ist der Entscheidung selbst in der Regel nicht zu entnehmen. Die Aufarbeitung der Rechtssprechung erfolgt in Anmerkungen bei der Publikation, die nicht nur den juristischen Kontext, sondern auch den der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt darstellen. aa) Die Rechtsfigur des „droit à l’erreur“ Ein Überblick auf die Rechtspraxis zeigt, dass die französischen Gerichte von der materiellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen tatkräftig Abstand halten566. Der Grund dafür liegt darin, nämlich dass es sich bei der Unternehmensführung keinesfalls um eine exakte Wissenschaft handelt; sie betrifft ferner in vielen Aspekten die Zukunft und ist deshalb unvorhersehbar, besonders wenn strategische Entscheidungen zur Geschäftspolitik an externen Umständen anknüpfen, die nicht mit Sicherheit kalkulierbar sind567. Allerdings wird man vergebens nach einer dem ARAG-Formell entsprechenden Formulierung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens suchen. Die Urteile des Kassationshofs sprechen lediglich vom Recht der Unternehmensleitung auf Irrtum (droit à l’erreur) i. S., dass dem dirigeant social im Einzelfall kleinere bzw. einfache Fehler (erreur simple) bei der Einschätzung von Geschäftschancen und Risiken erlaubt sind568. Die Konturen und der Mechanismus des droit à l’erreur sind weder im Schrifttum noch in der Rechtslehre geklärt. So bleibt es noch offen, welche Fehler der Unternehmensleitung als gerechtfertigt anzusehen sind. Sicher kann diesbezüglich nur sein, dass es sich 566 Cass. req. 8.7.1895, DP 1896, I, S. 294; Trib.com. Nantes, 26.6.1886, J. Soc 1899, S. 95; Cass. com. 18.4.1961 („Piquard“), JCP 1961. II. 69087 = D. 1961, jur. S. 661 („S’ils n’ont pas à se substituer à l’assemblée générale dans la gestion du patrimoine social, les juges n’en doivent pas moins contrôler les décisions de cette assemblée acquises dans les conditions qui risquent de fausser, au profit de quelques actionnaires, les règles établies pour la protection de tous“); Cass. com. 16.10.1963 („Etabl. Cambier“), JCP 1964. II. 72982 = Rev. Soc. 1964, S. 37. CA Paris 24.9.1981, Banque 1981, S. 1316 ff.; Trib.com. Roubaix vom 21.11.1979, GP 1980, Somm. 387; Cass. com. 9.3.1993, RJDA 4/93, Rdnr. 323; Dion, Rdnr. 213; Pirovano, D. 1997, S. 190; Oppetit, JCP 1970. I. 2361; Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, S. 105 ff.; Grossi, Les devoirs, S. 101 ff.; Le Cannu, Rdnr. 1649; Didier, Droit commercial t. 22, Rdnr. 243 (Fn. 42), 244. 567 Vgl. Cass. com. 4.2.1980 perc. S. 1168 (Anm. Martin); Grossi, Les devoirs, S. 101; Campana, PA 20.4.1994, S. 12; Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, S. 107; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 267; Didier, Droit commercial t.22, Rdnr. 208 ff. 568 So Cass. req. 8.7.1895, DP 1896, I, S. 294 (dabei handelte sich um eine fehlerhafte Einschätzung der Effizienz angebotenen Garantie für ein projet de convention); Trib. com. Nantes, 26.6.1886, J. Soc 1899, S. 95; Cass. com. 4.5.1993, Rev. Soc. 1993, S. 800 (Anm. Didier); Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, S. 105 ff.; Grossi, Les devoirs, S. 101 ff.

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nicht um leicht fahrlässig begangene Fehler handeln kann. Dagegen sprechen nicht nur historisch teleologische Argumente569, sondern auch der Gesetzeswortlaut. Die in der Rechtsprechung behandelten Fälle betreffen entweder fehlerhafte Einschätzungen bei kontroversen Ermessensfragen570 oder Fehler, die in jeder Geschäftsführung unvermeidlich und inhärent sind571. Daraus lassen sich aber keine operationalisierbaren Erkenntnisse entnehmen. Als ebenso wenig fruchtbar erweist sich ferner die Verwendung von abstrakten Abgrenzungskriterien wie derjenige der „gravierenden Erheblichkeit“572 oder des „wiederholten“ Fehlers573. Es bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die haftungsentlastende Funktion des droit à l’erreur sich an das Recht des Richters anknüpft, den Kausalzusammenhang zwischen dem begangenen Geschäftsführungsfehler und dem hervorgerufenen Schaden frei einzuschätzen. Soweit der Richter den begangenen Fehler für so leicht hält, dass ihm kein nennenswerter Kausalzusammenhang zum hervorgerufenen Schaden zugewiesen werden kann, besteht keine Haftung für das Leitungsorgan. Insoweit stellt die Konstruktion des droit à l’erreur keine Abweichung vom allgemeinen Haftungsrecht dar. Da die Feststellung des „droit à l’erreur“ dem Ermessen des jeweiligen Richters anheim gestellt ist, bietet dies allerdings keinen sicheren Boden für die Entwicklung von Grundsätzen unternehmerischen Ermessens. bb) Vereinbarkeit des Business Judgement Rule mit den Grundwertungen des französischen Kapitalgesellschaftsrechts Es ist insofern keine Überraschung, dass erstinstanzliche Gerichte der angesprochenen Rechtsfigur des droit à l’erreur besonders im Hinblick auf die insolvenzbezogene Leitungshaftung nicht folgen und stattdessen die Unternehmensleiter streng beurteilen574. Der Kassationshof hat sich neuerdings ebenfalls von der Anwendung des Ansatzes distanziert575. Eine Alternative zum droit à 569 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Insolvenzreform wurde mehrfach unternommen, eine qualifizierte Pflichtverletzung zur Voraussetzung der Haftung zu machen. So wären Änderungsanträge eingebracht worden, die einen schweren Geschäftsführungsfehler zur Haftungsvoraussetzung der „gestion fautive“ machten (vgl. Thyraud J., doc. Senat n. 332, S. 223, 2me session ord. 1983–1984; Amendement Rdnr. 40, Sénat, deuxième lecture, J.O. vom 11.4.1984, S. 1381). Es wurde kein von diesen Vorschlägen durchgesetzt. 570 So Cass. req. 8.7.1895, DP 1896, I, S. 294; dabei handelte sich um eine fehlerhafte Einschätzung der Effizienz angebotene Garantie für ein projet de convention. 571 So Trib. com. Nantes, 26.6.1886, J. Soc 1899, S. 95, wo die Rede von „erreurs inévitables et inhérentes à toute gestion commerciale“ ist. 572 Le Cannu, Rdnr. 1649, S. 840. 573 Vgl. die Anm. von Martin in Cass. com. 4.2.1980 perc. S. 1168. 574 Vgl. Trib. com. Nantererre, 20.10.1993 (unveröffentlicht, abgedruckt in: Blanchard, Responsabilités des dirigeants, Rev. proc. coll. 1994-3, S. 451, spec. 424); Trib.com. Paris 1er ch. A, Bull. Joly 1993, S. 255 mit Anm. Campana (Vorstellung

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l’erreur wurde jedoch weder in der Rechtslehre noch in der Gerichtspraxis vorgeschlagen. Die Rezeption des Business Judgement Rule wird im französischen Recht zögernd diskutiert. Das hängt teilweise damit zusammen, dass eine Differenzierung zwischen dem Vorliegen einer Pflichtverletzung und der gerichtlichen Befugnis zur Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung dem französischen Recht unbekannt ist576. Letzteres kennt herkömmlich ein weit gehendes Gerichtsermessen zur Opportunitätskontrolle von Leitungsmaßnahmen, wie etwa beim gerichtlichen Moderationsrecht im Fall der insolvenzbezogenen Leitungshaftung577. Selbst der angesprochene droit à l’erreur stellt, wie bereits geschildert, nichts anderes als einen Anwendungsfall gerichtlichen Ermessens dar. Dementsprechend lehnt ein Teil des Schrifttums die Anwendbarkeit des amerikanischen Business Judgement Rule im französischen Recht ab578. Eine eingehende Überprüfung zeigt jedoch, dass es einen Spielraum zur Anwendung dieses Ansatzes im französischen Recht gibt. Die Gegenansicht579 verabsolutiert die Beschränkung der judiziellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen des Business Judgement Rule und verkennt, dass letzterer nicht irgendwelche Unternehmensleiter vor der gerichtlichen Kontrolle schützt, sondern nur die sorgfältigen. Soweit Zweifel daran vorliegen, besteht immerhin die Pflicht der Gerichte zu einer weitgehenden materiellen Kontrolle der in Frage kommenden Leitungsmaßnahmen. Wie jedoch ein Business Judgement Rule französischer Prägung aussehen sollte, bedarf einer eingehenden Untersuchung der Einzelkomponenten des Business Judgement Rule unter Berücksichtigung der französischen Gesetzeslage. (1) Unbefangenheit des Entscheidungsträgers Die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens setzt voraus, dass der Entscheidungsträger seine Loyalitätspflichten erfüllt hat. Eine eigenständige organschaftliche Loyalitätspflicht der Unternehmensleiter wurde letztlich in der Rechtsprechung des Kassationshofs anerkannt580. Durch die Bevorzugung der eines Sanierungsprojekts und fehlerhafte Einschätzung der Unternehmenslage vom Verwaltungsrat). 575 Vgl. Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 522, 539; Grossi, Les devoirs, S. 105, beide m. w. N. 576 Vgl. Haehl, P.A. 9.6.1997, S. 6; Allen in Hopt/Wymeersch et al. (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 330; Dion, Rdnr. 157. 577 Vgl. Dion, Rdnr. 148 ff. 578 Vgl. Dion, Rdnr. 148 ff.; Haehl, P.A. 9.6.1997, S. 6; a. A. Peltier, Revue de droit bancaire et de la Bourse, 3/4-1997, S. 49. 579 Die Kritik betrifft vor allem die Stellungnahme von Dion (Rdnr. 148 ff.). 580 Cass. com., 27.2.1996 („Vilnair“), JCP 1996 éd. G, II, no 22665 (Anm. Ghestin) = D. 1996, J. 518 (Anm. Malaurie); Cass. com. 24.2.1998 („Kopcio“), JCP 1998 ed. E. Pan. 637; Peltier, Rev. dr. banc. 3/4 1997, S. 49; Riggs, GP 2000, S. 63 ff.

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Loyalität des Entscheidungsträgers als Voraussetzung für die Anerkennung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielraums wird der Zusammenhang zwischen Loyalitäts- und Sorgfaltsanforderungen deutlicher und durchsichtiger. Davon kann die französische Gerichtspraxis profitieren, besonders nun, dass sich die gerade vor zwei Jahren fortgebildete Figur der organschaftlichen Treuebindung sich in der Aufbauphase befindet und ihre Konturen noch zu bearbeiten sind581. Wenn es dem Klagenden gelingt nachzuweisen, dass der beklagte dirigeant social ein Eigeninteresse an der betreffenden Entscheidung hatte, so gilt er als befangen und verliert sein Entscheidungsprivileg. Dabei soll es ähnlich wie beim US-amerikanischen Recht nicht genügen, wenn der Kläger bloße Befangenheitsvermutungen äußert, er hat vielmehr durch substantiierte Tatsachenbehauptungen darzulegen, inwiefern die dirigeants sociaux mit ihren Handlungen persönliche Interessen verfolgt haben. Ein Eigeninteresse des Unternehmensleiters ist typischerweise anzunehmen, wenn die entscheidende Person ein Vermögensinteresse am Beschlussgegenstand hat, wie etwa, wenn er Gegenpartei des den Gegenstand der Beschlussfassung bildenden Geschäfts ist582. Zu diesem Ergebnis könnte man induktiv auf dem Weg einer Gesamtanalogie aus der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zum Kompetenzentzug beim Interessenkonflikt (vor allem Artt. 50, 101 I, II, 143 L. 1966) kommen. Darüber hinaus soll die Definition jedes Interesse am Beschlussgegenstand erfassen, das für den Abstimmenden solch eine Bedeutung hat, von der bei verständiger Würdigung anzunehmen ist, dass sie sich auf sein Urteil auswirken wird. Ein so weitgehendes Verständnis des Tatbestands des Interessenkonflikts würde der Praxis vor allem ermöglichen, komplexe Fallkonstellationen, wie etwa ideologische Interessenkonflikte oder generell vom Gesetzgeber nicht bedachte Interessenkonflikte, unter dem Prüfungsschema des Business Judgement Rule zu subsumieren, was im Fall eines engen Verständnisses des Tatbestands unmöglich wäre583. Solch ein Verständnis des Interessenkonflikts ist dem französischen Recht der SA seit langem vertraut. Der Anwendungsbereich der Artt. 101, 143 L. 1966 betreffs der Vorlage der Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltungsratsmitgliedern zur vorherigen Zustimmung des Verwaltungsrats umfasst nicht nur den Fall, dass das Verwaltungsratsmitglied selbst Vertragspartner der Gesellschaft ist (unmittelbares Abschlussinteresse), sondern auch die 581

Vgl. oben § 3, A. III. 1. a). Vgl. zum US-amerikanischen Recht R.B.M.C.A § 8.60 (1); Block/Barton/Radin, S. 22 ff. 583 Vgl. Rapport, CNPF-AFEP („L’administrateur a l’obligation de faire part au conseil de toute situation de conflits d’intérêts même potentiel“); COB Rapport annuel 1995, S. 45 („. . . doit faire part au conseil de toute situation de conflits d’intérêt“) D. Schmidt, Les conflits d’intérêts dans la société anonyme, S. 32 ff. (36); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 447. 582

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Fälle, in denen das Verwaltungsratsmitglied ein sonstiges indirektes Interesse am Vertragsschluss hat (vgl. Art. 101 II und III, 143 L. 1966). Erforderlich ist, dass das Verwaltungsratsmitglied einen Vorteil aus dem Geschäft zieht584. Meist wird solch ein Vorteil finanzieller Natur sein, so etwa, wenn das Verwaltungsratsmitglied eine Provision vom Vertragspartner erhält585. Aber auch jeder nicht geldwerte Vorteil kann grundsätzlich ein mittelbares Abschlussinteresse begründen586, soweit er von gewisser Bedeutung ist und daher geeignet erscheint, das Verwaltungsmitglied zu verleiten, den Inhalt des Geschäfts zu seinen oder zugunsten einer der betroffenen Gesellschaften zu beeinflussen587. Es ist jedoch fraglich, ob solch ein flexibles Verständnis der relevanten Interessenkonflikte für das Recht der SARL ebenso vertretbar ist. Angesichts des Fehlens einer dem Artt. 101, 143 L. 1966 entsprechenden Regelung im Recht der SARL588 stellt sich die Frage, ob die angesprochenen Regelungen auf die SARL analog anwendbar sind. Eine analoge Anwendung wird nicht gewagt, obwohl das Fehlen einschlägiger Regelungen auf Unverständnis gestoßen ist589. Vermutlich geht die Rechtspraxis davon aus, dass es sich in diesem Fall um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt590. Ob ein Interessenkonflikt in Frage kommt, werden die Gerichte je nach Art und Schwere des Konflikts von Fall zu Fall entscheiden müssen. Jedenfalls wird hier genau zu prüfen sein, on der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil der Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können591. Besonders die Bestimmung eines indirekten Interesses kann im Einzelfall schwierig sein und eröffnet den Gerichten notwendigerweise einen gewissen Ermessensspielraum592. Die Prüfung, ob der Interessenkonflikt die Ent584 Allgemeine Ansicht vgl. Cass. com. 23.10.1990, Rev. Soc. 1991, S. 92 ff. (Anm. Guyon); Cass. com. 4.10.1988, Rev. Soc. 1989, S. 216 ff. (Anm. Chaput); Delebecque, Dalloz Rép. Soc., „administrateur“, Rdnr. 227; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 447; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 476; vgl. noch Cass. crim. 16.12.1975, JCP, éd. G. 1976. 18476. 585 Escarra/Rault IV, Rdnr. 1432; Guillebastre, Jur. Class. Soc. Fasc. 2243, no 61. 586 Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés commerciales, t. I, Rdnr. 1021; Lamy Soc. no 3248; Guyon, Anm. zu Cass. com. 23.10.1990, Rev. Soc. 1991, S. 94. 587 Cass. com. 4.10.1988, Rev. Soc. 1989, S. 216 (Anm. Chaput); Balensi, Rdnr. 80; Delebecque, Dalloz Rép. Soc., „administrateur“, Rdnr. 228; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 447. 588 Eine Ausnahme stellt lediglich der gesetzlich vorgesehene Fall der Interposition (vgl. Art. 50 L. 1966; Paris 4.2.1987, Rev. Soc. 1987, somm., S. 284 mit Anm. Guyon). 589 Vgl. Migeon, P. A. 1987, Rdnr. 85, S. 55; Guyon, Anm. zu Cass. com. 23.10. 1990, Rev. Soc. 1991, S. 95. 590 So Du Pontavice, Bull. féd. ass. com. soc. 1969, Rdnr. 16, S. 14 ff.; a. A. Balensi, Rdnr. 78. 591 Vgl. bereits zum Art. 101 L. 1966 Du Pontavice, Bull. féd. ass. com. 1969, Rdnr. 16, S. 19; Contin, Rdnr. 347. 592 Vgl. bereits zum Art. 101 L. 1966 Balensi, Rdnr. 79; Migeon, P.A. 1987, Rdnr. 85, S. 55; Escarra/Rault, IV, Rdnr. 1432; Contin, Rdnr. 347.

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scheidung beeinflussen könnte, erfordert einen Vergleich zwischen der hypothetischen Entscheidung eines unbefangenen Leitungsorgans und der tatsächlich getroffenen Entschließung. Solch eine Prüfung soll allerdings ebenso wenig wie beim deutschen Recht als Einmischung der Gerichte in die unternehmerische Entscheidungstätigkeit der Leitungsorgane missverstanden werden. Die unvermeidliche Einzellfallbezogenheit der Beurteilung des Ermessensentzugs vermag zur Folge zu haben, dass beim Fehlen einer Kasuistik zum Ermessensentzug wegen Interessenkonflikts die Entscheidungen der Gerichte in dieser Frage schwer vorhersehbar sein können. Zwar vermag dies das sog. „Verbindlichkeitskalkül“ zu erschweren, ist allerdings im Hinblick auf die Funktion des Ermessensentzugs als Bestandteil eines flexiblen Systems der Entscheidungskontrolle, welches die Eigentümlichkeiten der Ermessensentschließung gebührend berücksichtigt, unvermeidlich593. Die Erkenntnis eines Interessenkonflikts innerhalb des corpus des entscheidenden Organs wird in der Praxis Schwierigkeiten bereiten. Eine generalklauselartig vorgeschriebene Pflicht des dirigeant social zur Entlarvung jedes Interessenkonflikts fehlt dem französischen Recht594. Die Treuebindung an die Gesellschaft und die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit595 verpflichten das belastete Organmitglied zur Offenbarung des Interessenkonflikts596. Die Artt. 103 I, 145 I L. 1966 schreiben eine Pflicht des interessierten Verwaltungsmitgliedes, das für den Vertragsschluss zuständige Gesellschaftsorgan über den beabsichtigten Vertragsschluss zu informieren, vor597. Es wird weitergehend angenommen, dass eine Informationspflicht auch jedes andere Organmitglied trifft, das zufälligerweise von einer kontrollbedürftigen Vereinbarung erfährt598. Darüber hinaus sind jedenfalls die sonstigen Organmitglieder im Rahmen der 593 Vgl. zum Art. 101 L. 1966 Du Pontavice, Bull. féd. ass. com. 1969, Rdnr. 16, S. 19; Contin, Rdnr. 347. 594 Anders etwa im belgischen Recht, vgl. § 60 § 1 Code des sociétés: „Si un administrateur a directement ou indirectement, un intérêt opposé de nature patrimoniale a une décision ou a une opération relevant due conseil d’administration, il doit le communiqué aux autres administrateurs savant la délibération due conseil“. Die Regelung ist allerdings insofern problematisch, als sie einen Konflikt nur im Fall von widersprechenden finanziellen Interessen anerkennt. 595 Vgl. § 5, C. II. 3. 596 Vgl. Cass. com., 27.2.1996 („Vilnair“), JCP éd. G 1996. II. 22665, (Anm. Ghestin) = D. 1996, J. 518 (Anm. Malaurie); Cass. com. 24.2.1998 („Kopcio“), JCP éd. E. 1998. Pan. 637; vgl. noch Cour de Cassation, Rapport annuel 1996, S. 312; Rapport CNPF-AFEP, S. 23; zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn er eine Verpflichtung zur Information und kollegialen Zusammenarbeit aus dem Grundsatz des bonne fois ableitet, so D. Schmidt, Les conflits des intérêts dans la société anonyme, S. 32 ff.; Mestre, RTD civ. 1997, S. 425. 597 Vgl. dazu Balensi, Rdnr. 158; Guillebastre, Jur. Class. Soc. Fasc. 2244, no 7; Migeon, P. A. 1987, Rdnr. 88, S. 17. 598 Umstritten: So Lamy Soc., no 3258; a. A. Hémard/Terré/Mabilat, Sociétés commerciales, t. I, Rdnr. 1028.

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gesetzlich vorgesehenen Instrumente dazu befugt, selbst die Initiative zu ergreifen und bestimmte Vorgänge näher zu untersuchen599. Es liegt ja schließlich im Gesellschaftsinteresse, einen Interessenkonflikt so schnell wie möglich zu entlarven und zu beseitigen600. Das Unterlassen der Informationsweitergabe könnte jedenfalls zu einer Schadensersatzhaftung des betroffenen Unternehmensleiters gemäß Artt. 52, 244 L. 1966 führen601. Nicht jeder Interessenkonflikt ist relevant. Es stellt sich hierbei die Frage, ob eine Entscheidung des Organs auch dann als konfliktbelastet zu bezeichnen ist, wenn sie auch ohne Mitwirkung des konfliktbelasteten Mitglieds zustande gekommen wäre. Sowohl im US-amerikanischen als auch im deutschen Recht lässt sich ein Organbeschluss nur dann als konfliktbelastet bezeichnen, wenn ohne die Mitwirkung des kofliktbelasteten Mitglieds das beanstandete Gesellschaftshandeln nicht möglich gewesen wäre602. Ob allerdings solch ein Verständnis des Interessenkonflikts im französischen Recht vertretbar ist, bleibt strittig. Im französischen Recht ist die Theorie von „vote utile“, demnach eine mangelhafte Stimme nur dann zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses führt, wenn letzterer ohne sie nicht zustande gekommen wäre, nicht etabliert603. So gilt beispielsweise anlässlich der Vorschriften zum Stimmverbot im Rahmen des Kontrollverfahrens von Artt. 50, 101 ff. und 143 ff. L. 1966, dass bei der Abstimmung über die ins Auge gefasste Vereinbarung das betroffene Verwaltungsratsmitglied einem Stimmverbot unterliegt604. Stellt sich später heraus, dass sich ein dem Stimmverbot Unterliegender beteiligt hat, führt dies auch dann zur Unwirksamkeit der Zustimmung, wenn nach Subtraktion der ungültigen Stimmen vom Abstimmungsergebnis immer noch eine hinreichende Mehrheit vorliegt oder der Beschluss einstimmig gefasst wurde605. Anderes gilt für den Fall der Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds. Hierbei hat der CA Paris dafür ent599 So Balensi, Rdnr. 158; Guyon/Coquereau, S. 234; Vuillermet, S. 389; Guillebastre, Jur. Class. Soc. Fasc. 2244, no 5 (zum Kontrollverfahren von Art. 101 ff. L. 1966). 600 Migeon, P. A. 1987, Rdnr. 88, S. 17. 601 Vgl. Guillebastre, Jur. Class. Soc. Fasc. 2244, no 60; D. Schmidt, Anm. zu Paris 3.7.1976, S. 470; anders Bastian, Jur. Class. Soc. Fasc. 130-5, no 48. 602 Vgl. oben § 4, C. III. 2. a) bb) (1). 603 Vgl. Paris 11.3.1976, Dr. Soc. 1976, Rdnr. 141; Aix 15.5.1991, Dr. Soc. 1991, Rdnr. 279; zum Problemkreis vgl. D. Schmidt, Les droits de la minorité, Rdnr. 156 ff. 604 Vgl. Artt. 103 I 1, 145 I 2 L. 1966. 605 Vgl. CA Paris 11.3.1976, Dr. Soc. 1976, Rdnr. 141; CA Aix 15.5.1991, Dr. Soc. 1991, Rdnr. 279; CA Rouen 19.11.1981, Rev. Soc. 1983, S. 347 (Anm. Guilberteau); Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 485; zum Sonderfall, dass alle Mitglieder an der Vereinbarung interessiert sind und sich der Stimme enthalten müssten, vgl. Paris 21.1.1981, D. 1983, I. R. 69, 70 (Anm. Bousquet); Vuillermet, S. 369; Lamy Soc. no 3260. Überwiegend wird angenommen, dass Vertragsschluss noch möglich ist, die Wirksamkeit des Vertrages aber von der Hauptversammlung bestätigt werden muss, vgl. Migeon, P. A., no 88, S. 19; Guillebastre, Jur. Class. Soc. Fasc. 2244, no 10; Balensi, Rdnr. 163.

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schieden, dass die Abwesenheit des betroffenen Verwaltungsratsglieds der Wirksamkeit des Organsbeschlusses nicht schadet, wenn sich der Beschluss selbst mit seiner Stimmabgabe nicht ändern würde606. Soweit keine gesetzliche Regelung anderes vorschreibt, ist die Anwendung der Theorie von „vote utile“ für die Grundsätze unternehmerischen Ermessens vorzuziehen. Im Gegenfall gilt der Interessenkonflikt automatisch als relevant. Soweit die Theorie von „vote utile“ anwendbar ist, stellt sich weiterhin die Frage, ob es für den judiziellen Ermessensschutz ausreicht, dass eine Maßnahme von einer Mehrheit der unbefangenen Mitglieder des beschließenden Organs getragen wird, wenn diese Mehrheit nicht gleichzeitig die für die Beschlussfassung erforderliche Mehrheit des Gesamtorgans ausmacht, und wenn nicht, ob der Makel des Interessenkonflikts der Mehrheit durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans zwecks einer Erhaltung des Ermessensschutzes geheilt werden kann. Hierzu gilt ebenso wie beim deutschen Recht, dass, soweit der Grundsatz der Gesamtverantwortung des Leitungsorgans reicht, eine Erhaltung des Ermessensschutzes durch Beschluss einer unbefangenen Minderheit des Gesamtorgans ausscheiden muss. Die Billigung einer Maßnahme durch einen Sonderbeschluss der in der Minderheit befindlichen unbefangenen Vorstandsmitglieder nach dem Muster der majority of independent directors des amerikanischen Rechts vermag daher die Leitungsentscheidung nicht vor einem Ermessensentzug zu schützen. Soweit ein relevanter Interessenkonflikt festgelegt wird, stellt sich die Frage nach dem anzuwendenden Konfliktbeseitigungsmittel. Die Auswahl obliegt, soweit nichts anderes gesetzlich festgelegt ist (vgl. etwa Artt. 101 ff., 143 ff. L. 1966), der einzelfallbezogenen Bewertung des Kollektivorgans bzw. des betroffenen Amtsträgers. Zum Instrumentarium gehören unter anderem die Mittel des Stimmrechtsausschlusses und des Kompetenzentzugs. Das Stimmverbot wird bereits vom französischen Gesetzgeber an mehreren Stellen angewandt607. Ein allgemeines Stimmverbot beim Interessenkonflikt auf dem Weg der Gesamtanalogie ist jedoch nicht abzuleiten608. Das würde den Wertungen des Gesetzgebers widersprechen. Letzterer geht nicht von einem automatischen Stimmverbot bei jedem Interessenkonflikt. So wird beispielsweise angenommen, dass im Fall der Abberufung eines dirigeant social (PDG, Verwaltungsratsmitglied, directeur général) der betroffene dirigeant, soweit es sich um ein Verwaltungsratsmitglied handelt, an der Abstimmung über seine Abberufung teilnehmen darf609. Hinzu 606 CA Paris 7.3.1989, Bull. Joly 1989, S. 431 (Anm. Le Cannu); Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 346. 607 Vgl. etwa Artt. 89, 103 I 1, 145, 157-1, 186-3, 193, 308 IV L. 1966. 608 Vgl. D. Schmidt, Les conflits intérêts dans la société anonyme, S. 49 ff.; a. A. Jeantin, Droit des sociétés3, Rdnr. 203, S. 108. 609 Vgl. Cass. Soc. 7.10.1981, Bull. civ. V, S. 565, no 760; CA Paris, 7.3.1989, Bull. Joly 1989, S. 431 (Anm. Le Cannu); Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 346.

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soll nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber selbst die Existenz von Mehrfachmandaten anerkennt (vgl. etwa Artt. 92, 127, 136 L. 1966). Daraus kann abgeleitet werden, dass das Gesetz davon ausgeht, dass dem für mehrere Gesellschaften tätigen Organwalter grundsätzlich die Fähigkeit zugesprochen werden kann, in einem konkreten Entscheidungszusammenhang ausschließlich das Interesse der Gesellschaft zu wahren, für die es in der jeweiligen Situation abstimmt. Stimmverbote sind demnach eng auszulegen und nur bei gesetzlicher Anordnung zuzulassen. Das französische Kapitalgesellschaftsrecht kennt auch kompetenzbezogene Konfliktbeseitigungsinstrumente, wie etwa die Bindung der Entscheidung des konfliktbelasteten Organs an die Zustimmung eines anderen Organs oder den Entzug der Entscheidungskompetenz vom konfliktbelasteten Organ bzw. Amtsträger und ihre Zuweisung auf einen konfliktfreien Entscheidungsträger610. Kompetenzbezogene Konfliktlösungsmechanismen stellen allerdings kein Allheilmittel dar, sondern sind an gesetzliche Restriktionen gebunden. Wichtig bleibt, dass dem Gesamtorgan nicht sein originärer Aufgabenbereich entzogen wird. Insofern ist eine Zuweisung des gesamten Kompetenzgefüges durch den Verwaltungsrat oder den PDG auf ein Mitglied des Verwaltungsrats unwirksam. Letztere verstößt sowohl gegen das bereits besprochene Spezialitätsprinzip611 als auch gegen den Wortlaut des Art. 90 I L. 1966, demgemäß die Geschäftsverteilung nur an konkrete bzw. Auftragserteilungen anknüpfen soll. Ebenso wenig dürfen die speziellen und kraft zwingenden Rechts ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen des Verwaltungsrats delegiert werden612. Der L. 1966 konzipiert den Verwaltungsrat als Kollegialorgan, dessen Aufgaben dem gesamten Organ zugewiesen sind. Über die gesetzlichen Züge hinaus sind anlässlich solcher Delegationen objektiv teleologische Aspekte in Erwägung zu ziehen, wie etwa konkreter die Gefahr der Überforderung des Verwaltungsrats bzw. des Aufsichtsrats als Teilzeitorgan oder allgemeiner das Interesse der Rechtssicherheit, die klare Zuständigkeitsregelungen verlangt. Es ist schließlich nicht zu übersehen, dass die Interessenkonflikte auch beim neuen Entscheidungsträger auftauchen können. Hierbei gelten die oben erörterten Überlegungen: Der Entscheidungsträger soll den Interessenkonflikt erkennen, seine Relevanz beim Treffen der einschlägigen Entscheidung evaluieren und dementsprechend darauf reagieren. Seine Entscheidung obliegt der vollen Gerichtskontrolle.

610 Vgl. Art. 123 L. 1966 (Festsetzung der Vergütung von Direktoriumsmitglieder vom Aufsichtsrat; Art. 108 L. 1966 (Festsetzung der Vergütung des Verwaltungsrats von der Hauptversammlung); Art. 100 L. 1966 (Bestimmung der Vergütung des PDG vom Verwaltungsrat); vgl. noch Balensi, Rdnr. 54; Schmidt D./Gramling, Rdnr. 559. 611 Dazu supra, § 2, B. I. 1. a). 612 So beispielsweise Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 403; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 87.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

(2) Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen Sowohl die Rechtsprechung613 als auch die Rechtslehre614 haben eine Pflicht der dirigeants sociaux zur sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung seit langem anerkannt. Ausführlich diskutiert ist die Pflicht des PDG, dem Verwaltungsrat alle zur Erledigung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen zu geben615. Ebenso wie beim deutschen Recht wird hier der Umfang der Informationspflicht stark von Größe, Art und Geschäft des jeweiligen Unternehmens abhängen. Grundsätzlich ist von der Unternehmensleitung eine genaue Kenntnis des Unternehmens und insbesondere seiner Betätigungsmärkte zu verlangen616. Sofern der Unternehmensleiter nicht selbst über die nötige Expertise verfügt, ist er verpflichtet, zur Informationsbeschaffung und Sachprüfung Rat einzuholen617. Holt der Vorstand sachkundigen Rat ein, trifft ihn die Verpflichtung, den sachverständigen Berater vollständig und zutreffend über alle für sein Mandat maßgeblichen Umstände zu unterrichten. Was die Tragweite der Informationsbeschaffung betrifft, ist ebenso wie beim deutschen Recht an die ökonomischen Überlegungen zur Abkehr vom Erfordernis der Berücksichtigung aller verfügbarer Informationen anzuknüpfen. Insofern ist eine Pflicht der dirigeants sociaux zur Einholung sämtlicher erreichbaren Informationen zu verneinen. Das lässt sich ferner in der Rechtsprechung des Kassationshofs über die Pflicht des PDG zur Informierung der Verwaltungsratsmitglieder feststellen. Hier wird die Erfüllung der Verpflichtung am Maßstab der Erforderlichkeit („informations necessaires“) gemessen; eine Pflicht zur Leitung aller erreichbaren Informationen i. S. von „informations exhaustives“ wird abgelehnt618. Hätten die dirigeants sociaux 613 Typisch CA Aix, 3.2.1966, JCP 1967 éd. C. I. J 169 (jeder Verwaltungsratsmitglied hat die Pflicht „á partir du moment oú il accepte d’assumer cette charge, de réclamer toutes les libertés et moyens de controle nécessaires et manque á ses obligations s’il demeure en fonction tout en sachant qu’il n’est pas en mesure de la remplir utilement.“) CA Paris 26.2.1986, Bull. Joly 1986, S. 367; CA Paris 2.7.1996, RJDA, 12/96, Rdnr. 1547; Cass. com. 14.6.1977, D.1977, IR, 404 (Anm. Derrida); CA Paris 7.2.1997, Bull. Joly 1997, S. 480 (Anm. Daigré); Baillod, RTD com. 1990, S. 1 ff. 614 Vgl. Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 365 ff.; Didier, Droit commercial, t. 22, S. 229; Peltier, Revue de droit bancaire et de la Bourse, 3/4-1997, S. 49. 615 Vgl. Cass. com. 1.12.1987, Rev. Soc. 1988, S. 237 (Anm. Le Cannu), welche auf Artt. 98, 133 L. 1966 verweist; CA Paris 16.11.1995, Bull. Joly 1996, S. 129; Cass. com. 2.7.1985, JCP 1986, éd. E II. 14578 (Anm. Viandier); Cass. com. 24.4.1990, JCP 1991 E, J 53 (Anm. Jeantin); Reinhard, RTD com. 1989, S. 82; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 655; Dion, Rdnr. 142 ff. („conséquence logique de leur fonctions“). 616 Vgl. Dion, Rdnr. 142; Guyon, DdA I10, Rdnr. 324 ff. 617 Vgl. Calendini, Bull. Joly 1992, S. 851 ff.; Hadji-Artinian, Rdnr. 709. 618 Cass. com. 2.7.1985, DS 1986, S. 351 („Cointreau“) mit Anm. Loussouarn = RTD com 1989, S. 77 (Anm. Reinhard); Cass. com. 1.12.1987 („Dennery“), Bull. civ. IV, Rdnr. 260, S. 195 = Bull. Joly 1988, S. 78; Cass. com. 24.4.1990 („Cointreau II“), JCP 1991 éd. E. J. 53 (Anm. Jeantin); Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 374; Hadji-Artinian, Rdnr. 696.

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allein schon wegen unvollständiger Entscheidungsvorbereitung eine Haftung zu befürchten, so würde dies wegen des stets gegebenen Haftungsrisikos sowie aufgrund der immer vorhandenen Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu einer Bürokratisierung der Entscheidungsfindung und damit zu einer Hemmung der Leitungstätigkeit führen. Dabei stünde der vermehrten Informationsnachfrage nach den Erfahrungen der Praxis kein messbarer Vorteil der Gesellschaft gegenüber619. Die Verfahrenskontrolle soll deshalb nur solche Fälle vom Diskretionsspielraum ausnehmen, bei denen eine Inanspruchnahme unternehmerischen Ermessens nicht zu rechtfertigen wäre. Das ist der Fall, wenn der Entscheidungsprozess so unverantwortlich abgelaufen ist, dass der dirigeant social nicht darauf vertrauen konnte, die unternehmerische Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage zu treffen. Prüfungsmaßstab für das Verfahren der Entscheidungsfindung ist also die Frage, ob sich unter Zugrundelegung des Informationsstands der Entscheidung nicht eine weitere Recherche unabweislich aufgedrängt hätte. (3) Ausrichtung der Entscheidung ausschließlich am Unternehmenswohl und Vermeidung einer unverantwortlichen Überspannung der Risikobereitschaft der Gesellschaft Die Bindung des Organhandelns an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse stellt wie bereits erörtert620 eine Selbstverständlichkeit für das französische Gesellschaftsrecht dar. Insofern besteht in erster Linie keine Inkongruenz zwischen der französischen Rechtslage und der einschlägigen Komponente des Business Judgement Rule. Problematisch ist die Angleichung der unter dem Business Judgement Rule propagierten richterlichen Plausibilitätskontrolle mit der herkömmlich von den Gerichten ausgeübten „magistrature économique“ im französischen Recht621. Der Business Judgement Rule geht davon aus, dass keineswegs in die grundsätzliche Befugnis des directors eingegriffen werden soll, darüber zu entscheiden, was dem Interesse der Gesellschaft am besten entspricht. Die amerikanische Rechtsprechung beschränkt sich im Regelfall auf eine Plausibilitätskontrolle im Lichte der konkreten Entscheidungssituation. Dabei ist es gleichgültig, ob und inwiefern im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren, da eine weiter gehende Substitution des Entscheidungsaktes den Intentionen der Business Judgement Rule letztlich entgegenkäme. Nur wenn die directors ihr Ermessen missbrauchen (abuse of discretion), besteht eine Notwendigkeit für einen judiziellen Eingriff in die Entscheidungsbefugnis des directors oder officers. 619

Vgl. oben § 4, C. III. 2. a) bb) (3). Vgl. oben § 3, A. III. 1. b). 621 Vgl. Dion, Rdnr. 152 ff.; Champaud, Le management des juges, La vie judiciaire, semaine du 13 au 19 décembre 1993, Rdnr. 2488, S. 9. 620

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

Das französische Recht geht vom Standpunkt aus, dass der Handelsrichter im Grundsatz dazu fähig ist, unternehmerische Entschließungen zu prüfen und dementsprechend eine institutionelle Garantie gegen fehlerhafte Geschäftsführungsmaßnahmen darstellt622. Besonders im Rahmen der insolvenzbezogenen Leitungshaftung ist dem Handelsrichter ein weit gehendes Moderationsrecht gesetzlich zugewiesen, welches ihm ermöglicht, faktisch eine Zweckmäßigkeitskontrolle unternehmerischer Entscheidungen auszuüben und sich demnach aktiv in die Geschäftsführung des Unternehmens einzumischen623. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Reduzierung der judiziellen Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen auf die Ebene einer Plausibilitäts- bzw. Missbrauchskontrolle624 dem französischen Gesellschaftsrecht fremd ist. Ein Blick auf die materielle Beschlusskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen in leitungsbezogenen Angelegenheiten weist deutlich darauf hin, dass die Gerichte in solchen Fällen auf eine Überprüfung der unternehmerischen Opportunität der Entschließung verzichten und sich auf eine Plausibilitäts- bzw. Missbrauchskontrolle beschränken625. In den Fällen von leitungsbezogenen Angelegenheiten der Gesellschafterversammlung scheinen die Gerichte offensichtlich weniger dazu geneigt, sich in die Leitungsangelegenheiten einzumischen als bei den unternehmerischen Entscheidungen von Leitungsorganen626. Dieser Unterschied beruht offensichtlich darauf, dass beide Fallgruppen nicht in ihrer funktionellen Vergleichbarkeit bzw. Äquivalenz betrachtet worden sind. Eine funktionale Betrachtungsweise könnte allerdings diese Diskrepanz auf dem Weg der Erstreckung einer Plausibilitäts- bzw. Missbrauchskontrolle auf die unternehmerischen Entscheidungen der Leitungsorgane beseitigen. Letzteres würde die Entwicklung eines Business Judgement Rule französischer Prägung wesentlich fördern. (4) Keine Pflichtwidrigkeit aus anderen Gründen Die Anerkennung einer haftungsfreien Ermessensprärogative setzt schließlich voraus, dass die Entschließung nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gel622

Vgl. dazu Dion, Rdnr. 152. Vgl. Dion, Rdnr. 154; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1381 ff. 624 Formellerweise unterscheidet sich der Plausibilitäts- von der Missbrauchskontrolle. Erstere umfasst eine positive Überprüfung der Entschließung, letztere einen einzellfallbezogenen, negativen Kontrolle des individuellen Rechtsmissbrauchs. In der Praxis fällt die Abgrenzung unter beiden Kontrolltypen schwer. 625 Vgl. Cass. com. 18.5.1982, Rev. Soc. 1982, S. 804 (Gewinnverwendung); CA Versailles, 7.7.1992, Rev. Soc. 1992, S. 799; CA Paris 19.3.1981, DS 1981, jur., 405, 406. 626 Vgl. Cass. com. 16.10.1963 („Cambier“), JCP 1964. II. 72982 = D. 1964, S. 431 = Rev. Soc. 1964, S. 37): „s’ils n’ont pas à se substituer à l’assemblée générale dans la gestion du patrimoine social, les juges n’en doivent pas moins contrôler les décisions de cette assemblée acquises dans les conditions qui risquent de fausser, au profit de quelques actionnaires, les règles établies pour la protection de tous“. 623

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ten muss. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Artt. 52, 244 L. 1966, wo die Verletzung von Legalitätspflichten als haftungsbegründender Tatbestand vorgesehen ist. Unter dieser Voraussetzung ist vor allem die Einhaltung der mit der unternehmerischen Entschließung verbundenen gesetzlichen Züge zu subsumieren. Soweit die unternehmerische Entscheidung auf gesetzliche Vorschriften verstößt, besteht kein Freiraum für haftungsfreie Zweckmäßigkeitserwägungen mehr. Soweit die leitungsbezogenen Pflichten so ausführlich geregelt sind, dass der Unternehmensleitung nichts anderes als die zweifelsfreie Subsumtion der Maßnahme unter die gesetzlichen Vorgaben übrig bleibt, befindet man schon im Bereich von sog. obligations de résultat, m. a. W. im Feld von Erkenntnisentscheidungen. Das Vorliegen von spezialgesetzlichen Regelungen soll andererseits keinen automatischen Ermessensausschluss bedeuten. Der Gesetzgeber erkennt neben den abschließenden Legalitätspflichten einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane an, indem er auch einen Diskretionsspielraum enthaltende spezialgesetzliche Regelungen vorschreibt. Solche spezialgesetzlichen Vorschriften schließen das Leitungsermessen nicht völlig aus, sondern geben für das geforderte Verhalten einen gewissen Rahmen vor (vgl. z. B. Art. 180 InsG 1985). In Fällen solcher dermaßen weit gefassten Legalitätspflichten soll der verbleibende Diskretionsspielraum ebenfalls mit der Sorgfalt eines dirigeant prudent et diligeant präzisiert werden. Dabei kann ein Spannungsfeld zwischen eingeräumtem Handlungsfreiraum und Sorgfaltsverpflichtungen entstehen. Im Wesentlichen besteht kein Grund, in derartigen Fällen die im Rahmen des Business Judgement Rule gewonnenen Erkenntnisse zum unternehmerischen Ermessen nicht zu verwerten. Als Maßstab für unternehmerisches Ermessen bei spezialgesetzlicher Regelung bietet sich hierzu ebenso wie beim deutschen Recht die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung an. Es ist jedenfalls zu erwarten, dass im Fall von spezialgesetzlichen Regelungen die Kontrolle der Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung strenger sein wird als bei den originären Sorgfaltspflichten. Denn im Fall von leitungsbezogenen Legalitätspflichten liegt ein absolut zu beachtender Verfahrensrahmen für die Tätigkeit der Leitungsorgane auf der Hand. (5) Darlegungs- und Beweislast Das französische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Recht keine Abweichung von der Normentheorie: Bei Geltendmachung des Anspruchs aus Artt. 52, 244 L. 1966 muss der Kläger sowohl das Vorliegen einer Pflichtverletzung (faute) als auch Schaden und Kausalität beweisen. Soweit der faute de gestion in einem Gesetzes- oder Satzungsverstoß besteht, handelt es sich um die Verletzung eines obligation de résultat und die Prozesslage des Klägers wird dadurch erleichtert, dass der Geschäftsführungsfehler beim Gesetzes- bzw. Satzungsver-

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

stoß vermutet wird. Der Beklagte muss in diesem Fall die relevante Einrede (wie etwa das Vorliegen von höherer Gewalt)627 vorbringen. Problematisch ist der Nachweis eines faute de gestion, wenn letzterer in der Verletzung originärer Sorgfaltspflichten besteht. In diesem Fall handelt es sich um eine obligation de moyen, und der Kläger muss beweisen, dass der Beklagte die relevanten Leitungsmaßnahmen nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen hat628. Die Ermittlung dieser Verletzung wird weder durch Vermutungen629 noch durch eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers erleichtert. Dadurch entstehen beträchtliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, denn der Kläger wird normalerweise wegen seines Abstands von der täglichen Geschäftsführung nicht im Stande sein, sich über die Schaden erregenden Geschäftsvorgänge zu unterrichten. Zwar könnte ein Aktionär zumindest theoretisch einen faute de gestion ohne nennenswerte Probleme durch Vorlage des entsprechenden Protokolls der Verwaltungsratssitzung nachweisen. In der Praxis wird der Zugang zu diesen Protokollen den Gesellschaftern hingegen verwehrt sein, da die dirigeants sociaux kein Interesse daran haben, dass sie selbst oder ihre Kollegen zur Haftung herangezogen werden630. Zu diesem Zweck sind gesetzlich bestimmte Abhilfemöglichkeiten zur Erleichterung der Informierung des Klägers und damit zur Verbesserung seiner Prozesslage vorgeschrieben631. 627 Vgl. Mazeaud/Tunc, t. I6, Rdnr. 103-5; Crepeau, L’intensité de l’obligation juridique ou des obligations de dilligence, de résultat et de garantie, Rdnr. 22. 628 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 211; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 520; Tunc, JCP éd. G 1945. I. 449; die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich; so unterscheidet Mazeaud (RTD civ. 1936, S. 1) zwischen obligations de prudence et de dilligence und obligations determinées. 629 Cass. com. 1.4.1968, Bull. civ. IV, S. 108, Rdnr. 125; Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 132, no 20. 630 So Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 132, no 21. 631 Zu benennen ist vor allem das Recht der Gesellschafter, eine expertise de gestion zu verlangen (Artt. 64-2, 226 L. 1966). Danach sind ein oder mehrere Gesellschafter, die mindestens den zehnten Teil des Gesellschaftskapitals vertreten, befugt, die gerichtliche Bestellung eines oder mehrerer Sachverständiger zu beantragen, welche bestimmte Geschäftsvorgänge untersuchen und darüber einen Bericht anfertigen lassen (expertise de gestion). Dieser Bericht kann dann in einem späteren Schadensersatzprozess als Beweismittel, vor allem zum Nachweis eines Geschäftsführungsfehlers, vorgelegt werden (Grossi, Les devoirs, Rdnr. 215; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 520; Bezard, Rdnr. 1313; Guyon, DdA I10, Rdnr. 447; Cass. Com. 12.10.1974, Rev. Soc. 1975, S. 113; CA Rouen, 25.5.1973, RTD com. 1974, S. 115; CA Paris 20.11.1997, Dr. Soc. 1998-4, Rdnr. 66, S. 13; Cass. com. 10.2.1998, RTD com. 1998, S. 370). Ein Nachteil für den Beantragenden besteht darin, dass er vom Gericht mit den Sachverständigenhonoraren belastet wird (Chartier, JCP 1972 I. 2507, Fn. 61; Bezard, Rdnr. 1318). Für die Kapitalanteilseigner, welche über die erforderliche Kapitalbeteiligung nicht verfügen, besteht die Möglichkeit einer expertise de gestion in Futurum (Art. 145 NCPC), welche ihnen ermöglicht, das Beweismaterial zu bewahren und in künftigen Prozesse zu verwerten. Zu nennen sind schließlich die Warnungsmechanismen des Loi vom 1.3.1984 (mécanismes d’alerte), welche dem comité d’entreprise (Art. 432-5 C. trav.) und dem Bilanzprüfer (Art. 29 L. 1.3.1984) erlauben, von den Unternehmenslei-

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Was die Anwendbarkeit des Business Judgement Rule anbelangt, bedeutet die Beweislastregelung des französischen Rechts folgendes: Der Kläger soll vortragen und beweisen, dass dem Entscheidungsträger mindestens eine von den Komponenten unternehmerischer Ermessensfreiheit (Unbefangenheit, sorgfältige Informierung usw.) fehlt. Gelingt der Nachweis nicht, so ist die Klage abzuweisen. Im Gegenfall obliegt die unternehmerische Entscheidung der vollen gerichtlichen Überprüfung. Der Beklagte hat die Voraussetzungen der von ihm vorgebrachten Einreden zu beweisen632. IV. Zusammenfassung und Ergebnisse 1. Gesetzliche Grundlagen der unternehmerischen Ermessensfreiheit im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Sowohl das deutsche als auch das französische Gesellschaftsrecht erkennen der Unternehmensleitung einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Ermessensspielraum, wenn auch mit unterschiedliche Intensität. Im deutschen Recht ergibt sich dieser Ermessensspielraum für den Vorstand einer AG gesetzesimmanent aus dem Sinngehalt des § 76 AktG. Denn Leitungsentscheidungen sind nach dem Gesetzeswortlaut vom Vorstand in eigener Verantwortung zu treffen (§ 76 I AktG). Das ist allerdings nur dann vorstellbar, wenn der Vorstand über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügt, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Die unverhältnismäßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums auch aus der Natur der Sache. Die gleichen objektiv teleologischen Auslegungsgedanken gelten trotz des Fehlens einer dem § 76 I AktG entsprechenden Regelung auch für das GmbH-Recht. Es ist dabei nicht zu leugnen, dass sich, soweit die Gesellschafterversammlung nicht unternehmerische Initiative an sich gezogen hat, der Geschäftsführer in ähnlichem Zustand wie der Vorstand befindet und demnach ebenfalls verpflichtet ist, unternehmerische Risiken einzugehen. Diese objektiv tern Auskünfte über Besorgnis erregende Vorgänge zu verlangen. Im Fall einer unzulänglichen Response wird ein besonderes Verfahren im Gang gesetzt, in dessen Rahmen die Unternehmensleiter der Hauptversammlung Rechenschaft über die Besorgnis erregenden Vorgänge ablegen sollen (vgl. Artt. 230-1, 230-2 L. 1966 und Art. 432-5-1 C. trav.). 632 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 211; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 520; Cass. com. 4.2.1931, DP 1931, I, S. 211; Cass. com. 19.1.1993, Bull. Civ. IV, no 18, S. 10; CA Paris 3me ch., 22.3.1911, DP 1912, S. 65 (Anm. Wahl); Cass. com. 1.4.1968, JCP éd. G 1968. IV. 91.

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teleologische Auslegung entspricht auch dem Gedanken der Gerechtigkeit i. d. S. von Gleichbehandlung des Gleichartigen und ist aus den gleichen Gründen wie beim Aktienrecht mit der Rechtsfigur des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses vereinbar. Problematisch ist die rechtsdogmatische Begründung des unternehmerischen Ermessens im französischen Recht, und zwar obwohl die französische Judikatur sehr früh Instrumente zur Reduzierung des unverhältnismäßigen Haftungsrisikos der dirigeants sociaux entfaltet hat. Die Feststellung, dass der dirigeant social sich im Rahmen seiner Leitungsbetätigung nicht selten mit Risiken auseinandersetzen soll und nicht für jeden Fehler haftbar werden sollte, ist in der einschlägigen Judikatur unter dem Stichwort „droit à l’erreur“ bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt. Demnach könnte man zum Ergebnis kommen, dass die Rechtsfigur des unternehmerischen Ermessens das Ergebnis einer richterlichen Rechtsfortbildung darstellt. Wichtige Erkenntnisse für eine gesetzesimmanente Begründung des unternehmerischen Ermessen könnten allerdings auf dem Weg der rechtsvergleichenden Auslegung gewonnen werden: Ein haftungsfreier Ermessensspielraum lässt sich für den PDG aus Art. 113 L. 1966 unter Berücksichtigung der Ansatzpunkte zur Begründung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht ableiten. Der Wortlaut der Regelung, demnach der PDG im Rahmen seiner Aufgaben die eigenverantwortliche direction général der SA übernimmt, ähnelt demjenigen des § 76 I AktG. Aus Art. 113 L. 1966 wird ersichtlich, dass das Konzept der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung dem französischen Gesetzgeber nicht fremd ist. Eine eigenverantwortliche direction générale setzt ebenso wie beim Fall des Vorstands einer AG voraus, dass der PDG über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügen soll, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Die unverhältnismäßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums ebenso wie beim deutschen Recht aus der Natur der Sache. Die gleichen objektiv teleologischen Argumente gelten für den Verwaltungsrat der monistischen SA (argumentum a maiore ad minus). Die Aufgabe des Letzteren besteht, wie bereits geschildert, in der Verwaltung der SA und zu diesem Zweck soll er nach der Gesetzesauffassung über weitestgehende Zuständigkeiten verfügen (Art. 98 I L. 1966). Es ist gerade die effiziente Wahrnehmung seiner administrativen Aufgaben, die verlangt, dass der Verwaltungsrat über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügt, damit er im Rahmen seiner Leitungsaufgaben Entscheidungen treffen kann, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Ähnliches soll angesichts der wortgleichen Auffassung

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des L. 1966 auch für das Direktorium der SA modernen Typs (vgl. Art. 124 L. 1966) wie auch für die gérants der SARL (vgl. 49 III L. 1966) gelten, soweit nichts anderes gesetzlich vorgeschrieben ist. 2. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums Zur Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums kommen in beiden Rechtsordnungen unterschiedliche Ansätze in Betracht, wie etwa die analoge Anwendung von verwaltungs- oder zivilrechtlichen Lehrsätzen. Angesichts der beschränkten Möglichkeiten bei der Konturierung des unternehmerischen Ermessens auf dem Weg der Analogie bleibt die Übertragung des Business Judgement Rule der effizienteste Ansatz. Seine Rezeption vollzieht sich in beiden Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise. Das deutsche Recht erweist sich hierzu als fortgeschrittener im Vergleich zum französischen Recht, da die BGH-Judikatur in Anlehnung an den Business Judgement Rule die Grundzüge des haftungsfreien Ermessensspielraums weitgehend konturiert hat. Den eigentlichen Durchbruch brachte diesbezüglich das BGHUrteil vom 21. April 1997 im Fall „ARAG/Garmenbeck“. Das Urteil geht diesbezüglich davon aus, dass dem Vorstand der Aktiengesellschaft ein gewisser haftungsfreier Ermessensspielraum zum Eingehen geschäftlicher Risiken anzuerkennen ist. Was die rechtsdogmatische Begründung des haftungsfreien Ermessensspielraums anbelangt, verweist das Urteil des BGH in seiner Argumentation deutlich auf die praxisbezogenen Funktionsbedingungen unternehmerischer Tätigkeit und des damit notwendig verbundenen Entscheidungsverhaltens unter Unsicherheit. Insofern knüpft er an die bereits erwähnten objektiv teleologischen Gesichtspunkte betreffs der Gewährleistung einer haftungsresistenten Einschätzungsprärogative der Leitungsorgane an. Innerhalb des Ermessenspielraums bewegt sich eine Leitungsentscheidung, wenn sie (1) von Verantwortungsbewusstsein getragen ist, (2) ausschließlich am Unternehmenswohl ausrichtet ist, (3) auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht, (4) die Risikobereitschaft nicht unverantwortlich überspannt und (5) nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Spiegelt man die Ausführungen des BGH-Urteils im Lichte der Elemente des Business Judgement Rule, so sind die Parallelen schwer zu übersehen, wenngleich letzterer durch den Senat im Blick auf die deutsche Gesetzeslage ergänzt worden ist: Die Voraussetzung eines von Verantwortungsbewusstsein getragenen Verhaltens entspricht der Aufforderung des Business Judgement Rule nach einer unbefangenen Entscheidung der Geschäftsleiters. Das Verlangen nach einem ausschließlich am Unternehmenswohl orientierten unternehmerischen Handeln entspricht dem Gebot des Business Judgement Rule zum Treffen von unternehmerischen Entscheidungen „in the best interest of the corporation“, während das Gebot zur sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen der „informed judgement“-Voraussetzung des Business

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Judgement Rule zuzuordnen ist. Insofern eröffnet die Entscheidung des BGH eine Tür für die Übertragung der mit dem Business Judgement Rule zusammenhängenden Überlegungen ins deutsche Aktien- und GmbH-Recht. Dem französischen Recht fehlt diesbezüglich an einer rechtsdogmatisch fundierten Auseinandersetzung mit der Problematik der Rezeption des Business Judgement Rule Ansatzes. Das hängt teilweise damit zusammen, dass eine Differenzierung zwischen dem Vorliegen einer Pflichtverletzung und der gerichtlichen Befugnis zur Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung dem französischen Recht unbekannt ist. Letzteres kennt herkömmlich ein weit gehendes Gerichtsermessen zur Opportunitätskontrolle von Leitungsmaßnahmen, wie etwa beim gerichtlichen Moderationsrecht im Fall der insolvenzbezogenen Leitungshaftung. Man wird vergebens nach einer dem ARAG-Formell entsprechenden Formulierung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens suchen. Die Urteile des Kassationshofs sprechen lediglich vom Recht der Unternehmensleitung auf Irrtum (droit à l’erreur) i. S., dass dem dirigeant social im Einzelfall kleinere bzw. einfache Fehler (erreur simple) bei der Einschätzung von Geschäftschancen und Risiken erlaubt sind. Die Konturen und der Mechanismus des droit à l’erreur sind weder im Schrifttum noch in der Rechtslehre geklärt. So bleibt es noch offen, welche Fehler der Unternehmensleitung als gerechtfertigt anzusehen sind. Die haftungsentlastende Funktion des droit à l’erreur knüpft sich richtigerweise an das Recht des Richters an, den Kausalzusammenhang zwischen dem begangenen Geschäftsführungsfehler und dem hervorgerufenen Schaden frei einzuschätzen. Soweit der Richter den begangenen Fehler für so leicht hält, dass ihm kein nennenswerter Kausalzusammenhang zum hervorgerufenen Schaden zugewiesen werden kann, besteht keine Haftung für das Leitungsorgan. Insoweit stellt die Konstruktion des droit à l’erreur keine Abweichung vom allgemeinen Haftungsrecht dar. Da die Feststellung des „droit à l’erreur“ dem Ermessen des jeweiligen Richters anheim gestellt ist, bietet dies allerdings keinen sicheren Boden für die Entwicklung von Grundsätzen unternehmerischen Ermessens. Es ist deshalb keine Überraschung, dass erstinstanzliche Gerichte der angesprochenen Rechtsfigur des droit à l’erreur besonders im Hinblick auf die insolvenzbezogene Leitungshaftung nicht folgen und stattdessen die Unternehmensleiter streng beurteilen. Eine Alternative zum droit à l’erreur könnte jedenfalls der Business Judgement Rule darstellen. Eine eingehende Überprüfung des französischen Kapitalgesellschaftsrechts zeigt jedoch, dass es einen Spielraum zur Anwendung dieses Ansatzes gibt. Die Gegenansicht verabsolutiert die Beschränkung der judiziellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen des Business Judgement Rule und verkennt, dass letzterer nicht irgendwelche Unternehmensleiter vor der gerichtlichen Kontrolle schützt, sondern nur die sorgfältigen. Soweit Zweifel daran vorliegen, besteht immerhin die Pflicht der Gerichte zu einer weitgehenden materiellen Kontrolle der in Frage kommenden Leitungsmaßnahmen.

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3. Gemeinsame Grundsätze unternehmerischen Ermessens Die Rezeption des Business Judgement Rule-Ansatzes führt allerdings zur Entwicklung von gemeinsamen Konturen unternehmerischer Ermessensfreiheit in beiden Rechtsordnungen. Die angesprochenen Konturen sind in erster Linie auf die Leitungsorgane stricto sensu anwendbar. Darunter sind im deutschen Recht der Vorstand der AG bzw. der Geschäftsführer der GmbH und der Aufsichtsrat zu verstehen. Im französischen Gesellschaftsrecht werden die Grundsätze auf den Verwaltungsrat bzw. das Direktorium und die gérants anwendbar sein. Eine sinngemäße Anwendung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens auf die sonstigen Verbandsorgane wäre sinnvoll, da letztere nach der gesetzlichen Organisationsverfassung Leitungsaufgaben übernehmen müssen. Sie ist allerdings nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung und der Rechtslehre nur schwer vertretbar. Diese Zögerung spiegelt sich u. a. auf die Institution des faktischen Organs633. Die dadurch entwickelten Grundsätze unternehmerischen Ermessens und das darauf aufgebaute Prüfungsschema umfassen folgende Schwerpunkte: (a) Zunächst sollte geprüft werden, ob die getroffene Maßnahme vom Entscheidungsträger verantwortungsbewusst bzw. ohne Interessenkonfliktbelastung getroffen ist. Das dogmatische Fundament solch einer Verhaltensanforderung liegt in beiden Rechtsordnungen in den organschaftlichen Treuebindungen von Leitungsorganen. Ein Eigeninteresse des Unternehmensleiters ist typischerweise anzunehmen, wenn er ein Vermögensinteresse am Beschlussgegenstand hat. Darüber hinaus soll die Definition jedes finanzielle Interesse des Abstimmenden am Beschlussgegenstand erfassen, das für diesen eine Bedeutung hat, von der bei verständiger Würdigung anzunehmen ist, dass sie sich auf sein Urteil auswirken wird. Solch ein flexibles Verständnis des Tatbestands des Interessenkonflikts ermöglicht der Praxis, komplexe Fallkonstellationen, wie etwa ideologische Interessenkonflikte oder generell vom Gesetzgeber nicht bedachte Interessenkonflikte, unter dem Prüfungsschema zu subsumieren, was im Fall eines engeren Verständnisses des Tatbestands unmöglich wäre. Ob ein Interessenkonflikt in Frage kommt, werden die Gerichte je nach Art und Schwere des Konflikts von Fall zu Fall entscheiden müssen. Jedenfalls wird hier genau zu prüfen sein, on der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil der Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können. Besonders die Bestimmung eines indirekten Interesses kann im Einzelfall schwierig sein und eröffnet den Gerichten notwendigerweise einen gewissen Ermessensspielraum. Die unvermeidliche Einzellfallbezogenheit der Beurteilung des Ermessensentzugs führt dazu, dass Entscheidungen der Gerichte beim Fehlen einer Kasuistik zum Ermessensentzug wegen Interessenkonflikts schwer vorhersehbar sein kön633

Vgl. § 3, A. II.

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2. Teil: Leitungsverantwortung und haftungsfreier Ermessensspielraum

nen. Dies vermag das sog. „Verbindlichkeitskalkül“ der Unternehmensleitung zwar erschweren, ist allerdings im Hinblick auf die Funktion des Ermessensentzugs als Bestandteil eines flexiblen Systems der Entscheidungskontrolle, welches die Eigentümlichkeiten der Ermessensentschließung gebührend berücksichtigt, unvermeidlich. (b) Weiterhin sollte geprüft werden, ob die unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage sorgfältig gesammelter Informationen getroffen ist. Der Umfang der Informationspflicht wird stark von Größe, Art und Geschäft des jeweiligen Unternehmens abhängen. Grundsätzlich ist von der Unternehmensleitung eine genaue Kenntnis des Unternehmens und insbesondere seiner Betätigungsmärkte zu verlangen. Was die Tragweite der Informationsbeschaffung anbetrifft, ist in beiden Rechtsordnungen an die ökonomischen Überlegungen zur Abkehr vom Erfordernis der Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen anzuknüpfen. Insofern ist eine Pflicht der Unternehmensleiter zur Einholung aller erreichbaren Informationen zu verneinen. Hätte der Entscheidungsträger allein schon wegen unvollständiger Entscheidungsvorbereitung eine Haftung zu befürchten, so würde dies wegen des stets gegebenen Haftungsrisikos, sowie aufgrund der immer vorhandenen Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu einer Bürokratisierung der Entscheidungsfindung und damit zu einer Hemmung der Leitungstätigkeit führen. Dabei stünde der vermehrten Informationsnachfrage nach den Erfahrungen der Praxis kein messbarer Vorteil der Gesellschaft gegenüber. Die Verfahrenskontrolle sollte deshalb nur solche Fälle vom Diskretionsspielraum ausnehmen, bei denen eine Inanspruchnahme unternehmerischen Ermessens nicht zu rechtfertigen wäre. Ein Überschreiten der Grenzen sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen sollte konsequenterweise nur dann angenommen werden, wenn der Entscheidungsprozess so unverantwortlich abgelaufen ist, dass der Entscheidungsträger nicht darauf vertrauen konnte, die unternehmerische Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage zu treffen. (c) Die Leitungsmaßnahmen sollten ferner nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens getroffen sein. Die Bindung des Organhandelns an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse stellt eine Selbstverständlichkeit für beide Rechtsordnungen dar. Mit diesem Erfordernis sollte keineswegs in die grundsätzliche Befugnis des Gesellschaftsorgans, darüber zu entscheiden, was dem Interesse der Gesellschaft am besten entspricht, eingegriffen werden. Hierzu wird eine Plausibilitätskontrolle im Lichte der konkreten Entscheidungssituation vorgenommen werden müssen. Dabei sollte es gleichgültig sein, ob im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren. Ein Ermessensmissbrauch liege vor, wenn das Verhalten des Entscheidungsträgers so unerhört ist, dass die Anwendung eines haftungsfreien Ermessenspielraums nicht gerechtfertigt wäre. Es sollen konsequenterweise nur solche Handlungen ausgeschlossen werden, denen jeglicher, wie auch immer

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begründbare rationale Bezug zu den Interessen der Gesellschaft fehlt. Im französischen Recht könnte solch eine Plausibilitätskontrolle allerdings mit der herkömmlich von den Gerichten ausgeübten „magistrature économique“ in Konflikt geraten, obwohl eine Plausibilitäts- bzw. Missbrauchskontrolle leitungsbezogener Entscheidungen dem französischen Gesellschaftsrecht nicht fremd ist. (d) Die Anerkennung einer haftungsfreien Ermessensprärogative setzt schließlich voraus, dass die Entschließung nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Unter dieser Voraussetzung ist vor allem die Einhaltung der mit der Entschließung verbundenen gesetzlichen Züge zu subsumieren. Soweit die unternehmerische Entscheidung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, besteht kein Freiraum für haftungsfreie Zweckmäßigkeitserwägungen mehr, es sei denn, der Gesetzgeber erkennt einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane insofern an, als er eine Diskretionsspielraum enthaltende spezialgesetzliche Regelung vorschreibt.

3. Teil

Unternehmerisches Ermessen und gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen Entscheidendes Gewicht bei der Konkretisierung der Leitungsverantwortung kommt der Bildung von Fallgruppen pflichtwidrigen Leitungshandelns zu. Die Kasuistik von Leitungstatbeständen weist in beiden Rechtsordnungen nicht den gleichen Umfang auf, was einigermaßen auf die unterschiedlichen Klagemöglichkeiten zur prozessualen Durchsetzung der Leitungshaftung zurückzuführen ist. So kennt das deutsche Aktienrecht im Gegensatz zum französischen Recht kein Klagerecht der Aktionäre i. S. einer actio pro socio1. Eine Ausnahme besteht lediglich bei Konzernsachverhalten (vgl. §§ 309 IV, 317 IV, 318 IV AktG)2. An die Stelle der Aktionärsklage tritt das „Klageerzwingungsverfahren“ nach § 147 AktG. Letzteres räumt einer Gesellschafterminderheit, deren Anteile zusammen mindestens 5% des Grundkapitals erreichen, die Möglichkeit ein, die Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder zu erzwingen. Differenzierter ist allerdings LG Düsseldorf, WM 2000, 528, 529; Raiser, KapGesR3, § 12, Rdnr. 29; von Gerkan, ZGR 1988, S. 450; Wiedemann, GesR I, S. 463; Zöllner, ZGR 1988, S. 408; a. A. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 611; Lutter, ZGR 1998, S. 210; über die Einfürhrung einer allgemeinen Aktionärsklage wurde bereits auf dem 11. DJT 1873 diskutiert. Der Gesetzgeber von 1884 hatte jedoch für Individual- und Minderheitsrechte kein Verständnis und verwirklichte diese Vorschläge nur begrenzt in Art. 223 ADHGB (heute: § 147 AktG). Die Rechtsprechung verweigert bisher die Anerkennung einer actio pro socio zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche aus § 93 AktG. Nachdem sich die Stimmen vermehrt hatten, die eine Erweiterung der den Aktionären zustehenden Klagerechte für notwendig hielten, ist der BGH in drei rechtsfortbildenden Entscheidungen: dem „Holzmüller“-Urteil vom 25.2.1982 (BGHZ 83, S. 122), dem „Linotype“-Urteil vom 1.2.1988 (BGHZ 103, S. 184 = NJW 1988, S. 1579 mit Anm. Timm = JZ 1989, S. 443 mit Anm. Wiedemann) und dem „Girmes“-Urteil vom 20.3.1995 (BGHZ 129, S. 136 = NJW 1995, S. 1739 mit Anm. Altmeppen = JZ 1995, S. 1064 mit Anm. Lutter = ZIP 1995, S. 819 mit Anm. Müller, S. 1415) darauf eingegangen; ausführlicher dazu Zöllner, ZGR 1988, S. 392 ff.; Raiser, ZHR 1989, S. 1 ff.; in rechtsvergleichender Hinsicht vgl. den derivative suit im US-amerikanischen Recht (Coffee, in: Corporate Governance, S. 165 ff.; Knepper/Bailey, §§ 18.07–18.11); den derivative action im englischen Recht (Pennigton, Company Law7, Chapter 17); vgl. noch § 267 des japanischen HGB Kawamoto, FS Großfeld, S. 529 ff.; im schweizerischen Recht, vgl. Art. 756 I OR; Forstmoser, Verantwortlichkeit N 34 ff.; zum französischen Recht vgl. Art. 245 L. 1966 (action sociale); zum belgischen Recht vgl. Art. 66 bis LCS. 2 Brondics, Die Aktionärsklage, S. 108 ff. 1

3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

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die Lage im GmbH-Recht: Die herrschende Lehre bewährt hierzu die actio pro socio; allerdings werden die Voraussetzungen dafür unterschiedlich formuliert3. Die Rechtsprechung zum Thema schwankt und betont grundsätzlich den Vorrang von § 46 Nr. 84, lässt jedoch zahlreiche Ausnahmen zu5. Die einschlägige Diskussion befindet sich noch im Fluss. Das Fehlen der actio pro socio sollte als hemmender Faktor zur Entwicklung einer Kasuistik von Leitungshaftungstatbeständen nicht überbewertet werden. So wird im französischen Kapitalgesellschaftsrecht vom actio pro socio alias action sociale ut singuli in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht. Es sind nicht nur derartige gesetzliche Defizite und soziologische und strukturelle Gründe6, die einer gerichtlichen Kontrolle von Leitungshaftungstatbeständen entgegenstehen: Angesichts der Diskrepanz zwischen dem entstandenen Schaden und den Vermögensverhältnissen des Schädigers besteht typischerweise nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit seiner Realisierung7; deswegen nimm es nicht wunder, dass die Gerichte bisher außerordentlich selten mit Haftungsprozessen gegen Leitungsorgane befasst worden sind, obwohl krasse Fehlentscheidungen mit erheblichen nachteiligen Folgen für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter getroffen worden sind. Ferner darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die immer stärker verbreiteten D & OVersicherungen8, deren Prämien die Gesellschaften zahlen9 und die dadurch für 3 Vgl. bereits Immenga, S. 283 ff.; Hoffmann, GmbHR 1974, S. 124 ff.; Scholz/ Schmidt 9, § 46 GmbHG, Rdnr. 161; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 46 Rdnr. 41; Lutter/Hommelhoff 15, § 46 Rdnr. 23; Zöllner, ZGR 1988, S. 407 ff.; Hübner, Managerhaftung, S. 37. 4 BGH ZIP 1991, S. 582; BGH ZIP 1998, S. 780; OLG Köln, GmbHR 1993, S. 816; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, S. 172. 5 Vgl. BGHZ 65, S. 15 („ITT“). Einige Autoren sehen im „ITT“-Urteil ein Wandel der Rechtssprechung zum Thema. In diesem Fall hatten die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG einen Schadensersatzanspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter der geschäftsführenden zwei-Männer GmbH. Diesen Anspruch klagte der Minderheitsgesellschafter der GmbH in seiner Funktion als Kommanditist ein. Ein großer Teil der Rechtslehre folgt aus dieser Entscheidung die uneingeschränkte Zulässigkeit der GmbH-Gesellschafterklage (so etwa Wiedemann, JZ 1976, S. 395; Reuter, GmbHR 1981, S. 130; Westermann, GmbHR 1976, S. 79). Andere wenden sich gegen diese Interpretation ein und wollen eine GmbH-Gesellschafterklage nur für den Fall des treuwidrigen Verzichts der Gesellschaftermehrheit auf die Geltendmachung des Ersatzanspruches anerkennen (so Scholz/Schmidt 9, § 46 GmbHG, Rdnr.161; Hübner, S. 36; Flume, Juristische Person I/1, S. 303). 6 Bayer, Aktionärsrechte, S. 156, Fn. 97; Goette, Haftung, S. 751. 7 Goette, Haftung, S. 751; Guyon, DdA I10, Rdnr. 457. 8 Grossi, Rdnr. 235 ff.; Mourot, RF compt. Juin 1995, S. 44; Freyria, D. 1995, chron. S. 120; Hopt, FS Mestmäcker, S. 919; Zum schweizerischen Recht vgl. Diezi, Die Versicherbarkeit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, 1982; eine statistische Untersuchung im US-amerikanischen Recht ergab, dass über 90% der untersuchten Unternehmen eine „directors and officers liability insurance“ eingegangen waren, vgl. Campbell/Campbell, Liablility of Corporate Directors, S. 302; Wollny, Die Directors’

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

die Unternehmen trotz des Etiketts als Haftpflichtversicherungen eher den Charakter von Versicherungen gegen Vermögensschäden angenommen haben, weniger Anlass bestehen kann, Haftungsfälle in die Öffentlichkeit zu tragen. Trotzdem lässt sich feststellen, dass die Rechtsprechung in beiden Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet hat, die bei der Unternehmensleitung zu beachten ist. Eine erschöpfende Bearbeitung aller möglichen Fälle pflichtwidrigen Leitungshandelns würde angesichts der Vielfältigkeit des Sachverhalts die Grenzen jener monographischen Untersuchung überschreiten. Ausgegangen wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit von einer selektiven Einzelfallstudie, welche die wichtigsten Erscheinungsformen sorgfaltswidrigen Leitungshandelns umfasst. Dies geschieht mit dem Ziel, einerseits die Pflichtverletzungen zu erkennen und andererseits die Grenzen der Ermessensfreiheit anhand der oben besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens festzustellen. Angesichts der Tatsache, dass beide Rechtsordnungen die Leitungshaftung an die Unternehmenslage anknüpfen und dementsprechend zwischen einer Leitungshaftung in der Zeit der Unternehmenskrise und einer Leitungshaftung in der Zeit der Prosperität unterscheiden, wird die Fallgruppenbildung entsprechend gegliedert.

§ 5 Sorgfaltsanforderungen an Leitungshandeln in der prosperierenden Gesellschaft A. Risikogeschäfte Risikogeschäfte bilden eine allgemein gebräuchliche, wenn auch nicht unproblematische Fallgruppe. Darunter fallen im Prinzip Transaktionen, die mit höheren Gefahren als zunächst angenommen belastet sind. Dazu gehören beispielsweise riskante Investitionsentscheidungen (insbesondere finanzielle Beteiligungen), Kreditvergaben, risikoreiche Geschäftspraktiken sowie auch Geschäftsabschlüsse unter marktunüblichen Konditionen10. Was die Sorgfaltsanand Officers Liablity Insurance un den Vereinigten Staaten von Amerika (D&O Versicherung), 1993. 9 So im deustschen Recht Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 521; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 273; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38; zum französischen Recht vgl. Grossi, Rdnr. 241; Favre Rochex, Les limites de l’assurance de responsabilité de l’enterprise, in: Enterprise et responsabilité, Gaz.Pal. no speciale, 14–15 Juin 1996 (Sonderheft), S. 24; Freyria, D. 1995, chron. S. 120. 10 Von der Fallgruppe der Risikogeschäfte ist die im Schrifttum oft eigenständig behandelte Fallgruppe der Vermögensverschwendung nicht eindeutig abgrenzbar. Doppelt zugeordnet wurde diesbezüglich die Entscheidung des BGH WM 1966, S. 323 in Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 165 und 191.

§ 5 Leitungshandeln in der prosperierenden Gesellschaft

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forderungen der Unternehmensleitung beim Abschluss risikoreicher Geschäfte anbelangt, hat die Rechtsprechung in beiden Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, der bei jedem Abschluss risikoreicher Geschäfte zu beachten ist. Dazu gehören vor allem die Pflicht zum für die Gesellschaft vorteilhaften Geschäftsabschluss, die Pflicht zur weit gehenden Sicherung der Gesellschaft bei risikoreichen Transaktionen sowie auch die Pflicht zum Geschäftsabschluss (zumindest) unter marktüblichen Konditionen und zur Vermeidung unverhältnismäßig riskanter Geschäftspraktiken. I. Sorgfaltsanforderungen beim Abschluss von Risikogeschäften 1. Keine Hingabe von Gesellschaftsvermögen ohne Möglichkeit der Annahme eines Vorteils der Gesellschaft Eine direkte Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch die Unternehmensleitung überschreitet die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wenn hiermit kein erkennbarer Vorteil der Gesellschaft verbunden ist und der Geschäftsleiter auch nicht (bei Anwendung mindestens erforderlicher Sorgfalt) von einem solchen Vorteil ausgehen dürfte. Im französischen Recht ergibt sich solch eine Pflicht bereits aus dem Prinzip der specialité legale. Dieses Prinzip knüpft sich an Art. 1382 I Cc und die einschlägige Konzeption der Handelsgesellschaften als auf die Gewinnerwirtschaftung ausgerichtete Gebilde an; letztere stellt gerade die Spezialität von Handelsgesellschaften dar11. Vermögenszuwendungen, die als „reinste Wohltätigkeit“ erscheinen und allein dem persönlichen Interesse der Unternehmensleiter dienen, sind demnach nicht zu rechtfertigen und gelten als unvereinbar mit dem Gesellschaftsinteresse12. Im deutschen Recht wurde die angesprochene Verpflichtung mehrmals am Beispiel von Zahlungen ohne Rechtsgrund bzw. ohne Bezug zum Unternehmensgegenstand in Betracht gezogen. So waren rechtsgrundlose Zahlungen bereits Sachverhaltsgrundlage mehrerer Gerichtsentscheidungen13. Das OLG München hat diesbezüglich in einem vom BGH nicht zur Revision angenommenen Fall einen Schadensersatzanspruch aus § 43 II GmbHG wegen ohne Rechtsgrund gezahlter Geschäftsführervergütung angenommen14. Einen Verstoß gegen das Verbot grundloser Hingabe von Gesellschaftsvermögen stellt ferner eine Vgl. Guyon, DdA I10, Rdnr. 188. Cass. com. 29.5.1973, JCP 1973. II. 17337; Cass. com. 10.3.1976, JCP 1977. II. 18566; Cass. civ. 22.5.1975, JCP 1976. II. 19436 (zur Begleichung von Schulden der Gesellschafter durch die Gesellschaft). 13 Vgl. im deutschen Recht BGH WM 1985, S. 717 ff.; BGH WM 1980, S. 593; OLG München, DStR 1991, S. 1291 ff. 14 OLG München, DStR 1991, S. 1291 ff. 11 12

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Wechselausstellung ohne Sicherung gegen Inanspruchnahme dar, wenn die ausstellende Gesellschaft an der Wechselausstellung kein Eigeninteresse hat15. Eine Hingabe von Gesellschaftsvermögen ohne Möglichkeit der Annahme eines Vorteils der Gesellschaft wurde letztlich beim Führen aussichtsloser Prozesse angenommen16. Zu nennen ist schließlich ein Warenverkauf, bei dem von vornherein feststeht, dass der Abnehmer den Kaufpreis nicht bezahlen kann17.

In beiden Rechtsordnungen soll allerdings beachtet werden, dass allein das objektive Fehlen eines Gesellschaftsvorteils noch nicht haftungsbegründend wirkt. Nicht bei jeder Hingabe von Gesellschaftsvermögen ohne tatsächlich eintretenden Vorteil der Gesellschaft kann eine Haftung der Unternehmensleitung eingreifen. Unvereinbar mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. eines dirigeant diligent ist die Hingabe eines Gesellschaftsvermögens der Gesellschaft jedenfalls, wenn das Fehlen einer Rechtsgrundlage auch für einen Nichtjuristen offenkundig war. Allein völlig abwegige Rechtsansichten können demnach als unverantwortlich angesehen werden. Auch darf kein anderweitiger Vorteil der Gesellschaft annehmbar sein. Im französischen Recht wird angenommen, dass nicht jede unentgeltliche Leistung der Gesellschaft als mit dem Prinzip der specialité legale unvereinbar anzusehen ist, sondern nur diejenigen, die dem Gesellschaftsinteresse selbst nicht auf unmittelbare Weise nachvollziehbar dienen können18. Nicht hierher gehören deshalb die sozialen Aufwendungen19 oder die Fälle, in denen unentgeltliche Leistungen branchenüblich sind20. Ähnliches gilt auch für das deutsche Recht21. 15

BGH, WM 1980, S. 162. OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, S. 172, 175 ff. 17 Vgl. BGH GmbHR 1986, S. 302, 303. 18 Chaput, Jur. Class. Soc. Fasc. 9-2, no 14; Dagot/Mouly, Rev. Soc. 1988, S. 1 ff., (10, 15); COB Bulletin vom November 1983: Zur Förderung des Engagement der Gesellschafter für die Gesellschaft stehen „bescheidene Geschenke“ an die Aktionäre in Kongruenz mit dem Spezialitätsprinzip. Mercadal/Janin (Rdnr. 1850) verweisen diesbezüglich darauf, dass den Aktionären eine Entschädigung für die Teilnahme an der Hauptversammlung gezahlt werden könne, wenn dies für die Gesellschaft tatsächlich nutzbringend ist (Erreichung des notwendigen Quorums) und nur einen geringen Betrag ausmache. 19 Vgl. Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 27 E-2, no 52. 20 Cass. com. 10.2.1969, Rev. Soc. 1970, 102 ff.; (Übernahme einer zinslosen Bürgschaft“); Cass. com. 29.5.1972, JCP ed. E, 1973.2.17337 (Übernahme von Schulden des Mehrheitsgesellschafters); Cass. civ. 19.5.1987, Rev. Soc. 1988, S. 80. 21 BGH WM 1980, 162: Bei der Hingabe des Wechsels ist dem Sachverhalt kein Argument dafür zu entnehmen, dass die Gesellschaft an der Zurverfügungstellung des Wechsels ein eigenes Interesse hatte; soweit ersichtlich, hatte sich das betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht einmal auf die Forderung der Geschäftsbeziehungen berufen; Im Fall der vom BGH nicht zur Entscheidung angenommenen Verurteilung eines Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. lag die Besonderheit darin, dass sich der Geschäftsführer auf eine unwirksame Satzungsänderung bzw. eine aufgehobene Satzungsbestimmung stützte. Die Offenkundigkeit der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung ist hier allerdings nur wegen der Pflicht zur Prüfung der Wirksamkeit von Satzungsänderungen anzunehmen; vgl. noch OLG München DStR 1991, 16

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2. Kein Abschluss risikoreicher Geschäfte ohne eine tatkräftig weit gehende Sicherung der Gesellschaft Die Rechtspraxis hat diese Sorgfaltsanforderung am Beispiel von Kreditgeschäften und Investitionsentscheidungen mehrmals sowohl im deutschen als auch im französischen Recht betont. Beide Rechtsordnungen gehen in Bezug auf die Kreditvergabe vom Standpunkt aus, dass das Unternehmensinteresse wegen des stets vorhandenen Ausfallrisikos grundsätzlich Leistungen Zug um Zug verlangt. Auch dies beruht darauf, dass sich die Unternehmensführung am Bestand des Unternehmens und an dauerhafter Rentabilität zu orientieren hat. Ist eine Leistung Zug um Zug der Natur des Rechtsgeschäfts nicht möglich oder bestehen sonstige Gründe für ein Abweichen von diesem Grundprinzip, so gebietet das Gesellschaftsinteresse grundsätzlich eine tatkräftig weit gehende Sicherung der Gesellschaft22. Dass das Eingehen von Risiken nicht stets zu vermeiden ist, gehört zu den acquis juridiques beider Rechtsordnungen: So erkennt beispielsweise eine Entscheidung des Court d’appel von Rennes aus dem Jahre 1977 zur Haftung einer Bank für eine misslungene Kreditvergabe, dass das Eingehen von Risiken als inhärentes Merkmal der Bankgeschäftstätigkeit anzusehen ist23. Ähnliches gilt auch im deutschen Recht: So ging der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1977 davon aus, dass mit Risiken behaftete Geschäfte im kaufmännischen Leben „nicht ungewöhnlich“ sind24. Eine ungesicherte Darlehensvergabe ist aus dem Standpunkt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Grundsatz als sorgfaltswidrig anzusehen25. Es ist ferner nicht zu übersehen, dass das Sicherungsinteresse der Gesellschaft nicht selten die Sicherstellung des Einflusses auf die Verwendung des Darlehens, etwa durch Beteiligung an der kreditnehmenden Gesellschaft oder durch eine überprüfbare Zweckbindung der Kredite, verlangen kann26. In der französischen 1291; strenger Koblenz, NJW-RR 2000, S. 483, 484: Bei Zahlung vor Fälligkeit wird man ohne weiteres von einem Pflichtverstoß des Vorstands ausgehen können. 22 Vgl. zum deutschen Recht, BGH WM 1968, S. 1329 ff.; OLG Düsseldorf, AG 1982, S. 225 ff.; LG Hamburg, AG 1982, S. 51 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 125; Schwark, FS Raisch, S. 283; zum französischen Recht vgl. etwa Cass. com. 8.2.1994, no 399, Pourvoi Rdnr. 91-20, 323; Likillimba, Rdnr. 126. 23 Vgl. CA Rennes 17.6.1977: „. . . dans l’état actuel de l’économie, la plupart des entreprises . . . ne veulent pas vivre sans . . . découvert: les banques ne peuvent que prendre des risques. Leur intérêt non suicidaire leur commande d’être prudentes, mais les erreurs sont inévitables . . .“. 24 BGHZ 69, S. 207 ff., 213 = AG 1978, S. 79 ff. (81). 25 Vgl. im deutschen Recht RGZ 13, S. 43 ff.; BGH WM 1968, S. 1329 ff.; BGH, WM 1974, S. 131 ff.; BGH, WM 1978, S. 109 ff.; BGH GmbHR 1981 = WM 1981, S. 440; OLG Düsseldorf, AG 1982, S. 225 ff.; BGHZ 135, S. 244 ff. („ARAG/Garmenbeck“) = ZIP 1997, S. 883 ff. = BB 1997, S. 1169 ff. = WM 1997, S. 970 ff. = NJW 1997, S. 1926 ff.; im französischen Recht vgl. Cass. com. 8.2.1994, no 399, Pourvoi no 91-20, 323; vgl. noch Cass. com. 12.5.1992, no 824, Pourvoi no 90-16.307 („Crédit agricole“); Likillimba, Rdnr. 125, m. w. N.

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Bankrechtspraxis mehren sich trotz des Prinzips der „non immixtion des banquiers“27 in der Verwendung von Kreditfonds die Vertragsklauseln, welche der kreditgebenden Bank die Befugnis gewähren, die Verwendung des Kredits zu überwachen und im Notfall in die Geschäftsführung zu intervenieren28. Es wird sogar die Ansicht vertreten, dass solch eine Überwachungs- und Einmischungspflicht selbst ohne vertragliche Gestaltung als Aufgabe eines ordentlichen Geschäftsleiters anzusehen ist29. Eine einfache Kreditsicherung reicht allerdings nicht aus, um die Unternehmensleitung vor dem Haftungsrisiko bei Darlehensgeschäften zu bewahren30. Denn solche Sicherheiten erscheinen illusorisch, besonders wenn der Kreditnehmer eine in erhebliche Finanzschwierigkeiten geratene Gesellschaft darstellt und die geleisteten Kreditsicherheiten in der Zeit einer schwer wiegenden Unternehmenskrise geleistet worden sind31. Der Unternehmensleitung obliegt jedenfalls die Aufgabe, die Kreditfähigkeit, das Finanzpotenzial und die Entwicklungsperspektiven des Kreditnehmers sorgfältig zu prüfen und einzuschätzen32. Charakteristisch hierzu ist die französische Rechtsprechung zum „crédit inopportun“, m. a. W. zu den Fällen, in denen ein Kredit wegen seiner Höhe oder seiner Mo26 Vgl. BGH WM 1956, S. 1207; BGH WM 1974, S. 131 ff.; BGH WM 1978, S. 109 ff.; LG Hannover, AG 1977, S. 200 ff. 27 Vgl. etwa Cass. civ. 15.2.1978, Bull. civ. III, Rdnr. 82. 28 Vgl. Cass. com. 7.4.1992, D. 1992, IR, S. 137; Cass. com. 4.1.1972, RTD com. 1974, S. 652 (Anm. Gabbrilac/Rives-Lange); CA Orleans, 12.11.1987, Rev. dr. bancaire et bourse 1988, S. 63 (Anm. Crédot-Gérard); CA Aix-en-Provence, 21.2.1991, Bull. Aix-en-Provence 1991/1, no 61; Cass. com. 10.3.1992, Rev. Proc. Coll. 1992, S. 315 (Anm. Chaput); Cass. com. 2.5.1983, D. 1984 (Anm. Vasseur); Cass. com. 18.5.1992, D. 1993, J. 609 (Anm. Benabent). 29 So Likillimba, Rdnr. 130; Cass. com. 18.11.1980, D. 1981, S. 210 (Anm. Stoufflet); a. A. Trib. com. Castres, 27.10.1969, Banque 1970, S. 293 (Anm. Marin). 30 So im deutschen Recht Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 53; vgl. noch OLG Köln, NJW-RR 2000, 1056; zum französischen Recht vgl. Likillimba, Rdnr. 125 ff.; Vasseur, Banque 1976, S. 481, Rdnr. 13; Vézian, S. 165; vgl. noch Cass. com. 12.5.1992, no 824, Pourvoi no 90-16.307 („Crédit agricole“). 31 Für eine illusorische Vergabe eines Sanierungskredits vgl. Cass. com. 12.5.1992, no 824, Pourvoi no 90-16.307 („Crédit agricole“): „La prise d’Hypothèque sur les biens de son client (M. Le Mahieu), permis la poursuite à son seul profit d’une activité qu’il savait déficitaire et dont elle a aggravé la situation . . .“. 32 Vgl. im deutschen Recht RGZ 13, 43 ff., 48; BGH JZ 1953, S. 664 (Anm. Meyer-Cording, S. 665); OLG Düsseldorf, AG 1982, S. 225 ff. („Poulain/West LB“); LG Hamburg, AG 1982, S. 51 ff.; im französischen Recht vgl. Cass. com. 26.2.1993, BRDA 1993, no 5, S. 10; Cass. com. 10.3.1992, Rev. Proc. Coll. 1992, S. 315 (Anm. Chaput); Cass. com. 28.10.1986, GP 1986. 2. 276; Cass. com. 22.5.1985, RTD com. 1985, S. 801 („. . . qu’une banque ne doit pas négliger de prendre connaissance des rapports du commissaire aux comptes qui constituent pour un banquier normalement diligent un élément d’appréciation nécessaire sur l’évolution de la situation commerciale et financière . . . d’une entreprise“); CA Paris, 2.12.1981, D. 1982, 4, 15 (Anm. Vasseur); Cass. com. 24.11.1983, D. 1984, IR 305; CA Montpellier, 13.10.1983, RTD com. 1984, 498.

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dalitäten zur Beseitigung der Unterkapitalisierungsprobleme der in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft untauglich ist33. In diesem Fall wird dem dirigeant social seine fehlende Einsicht in die Probleme des Kreditnehmers als Resultat seiner mangelhaften Informierung und fehlerhaften Evaluierung der Perspektiven des Kreditnehmers vorgeworfen34. Ähnlich ist die Lage auch im deutschen Recht: So wurde dem Vorstandsmitglied einer AG in einer Entscheidung des OLG Düsseldorf („Poulain/West LB“)35 zur persönlichen Haftung des Unternehmensleiters wegen verlustreicher Kreditgeschäfte vorgeworfen, es habe der Gesellschaft nicht hinreichend über die finanzielle Situation und die mit der Zahlungsunfähigkeit direkt verbundenen strafrechtlichen Verfehlungen des Darlehensnehmers informiert. Dies stellte in diesem Fall eine risikobehaftete und damit schwere Missachtung der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt dar. Das Gericht verwies weiterhin darauf, dass der Beklagte sich nicht mehr im Bereich des wirtschaftlichen Ermessens bewegte, da er in seiner Nebentätigkeit einen Beratervertrag mit dem Kreditnehmer vereinbart hatte, so dass eine im Gesellschaftsinteresse liegende notwendige Neutralität des Unternehmensleiters nicht mehr gewährleistet war36. Die angesprochenen Erwägungen gelten auch für den Fall besonders risikoreicher Investitionsentscheidungen, insbesondere in der Form von Finanzbeteiligungen. Aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist diesbezüglich regelmäßig zu erwarten, dass leichtfertige und misskalkulierte Finanzbeteiligungen dem Gesellschaftsinteresse zunächst widersprechen. Das war etwa der Fall bei einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 33 Vgl. Cass. com. 26.2.1993, BRDA 1993, no 5, S. 10; Cass. com. 10.3.1992, Rev. Proc. Coll. 1992, S. 315 (Anm. Chaput); Cass. com. 28.10.1986, GP 1986, 2, S. 276; CA Montpellier, 11.3.1992, JCP éd. G, 1993. IV. 570; CA Rennes, 7.5.1991, Rev. Banque et Droit 1992, S. 32; Cass. com. 22.5.1985, RTD com. 1985, 801; CA Paris, 2.12.1981, D. 1982, 4, 15 (Anm. Vasseur); Cass. com. 24.11.1983, D. 1984, IR 305; CA Montpellier, 13.10.1983, RTD com. 1984, 498; Likillimba, Rdnr. 129; zur Prüfungspflicht der Bank bei der Gewährung von Sanierungskrediten im deutschen Recht vgl. BGH JZ 1953, S. 664 (Anm. Meyer-Cording, S. 665 ff.). 34 Cass. com. 22.5.1985, RTD com. 1985, S. 801; CA Paris, 2.12.1981, D. 1982, S. 15 (Anm. Vasseur); Cass. com. 24.11.1983, D. 1984, IR 305; CA Montepellier, 13.10.1983, RTD com. 1984, 498 = JCP 1985. II. 20415 (Anm. Vivant); Likillimba, Rdnr. 126. Als „inopportun“ lässt sich ein Kredit im Zusammenhang mit der offenkundigen Situation des Unternehmens im Moment der Kreditvergabe und nicht im Zusammenhang mit der realen Situation der Gesellschaft, welche sich lange Zeit nach der Kreditvergabe entlarvt, qualifizieren, so u. a. Trib. com. de Saint-Brieux, 11.2. 1980, Rev. Banque, Septémbre 1980, S. 1034 (Anm. Martin); CA Riom, 29.6.1979, Banque 1979, 1399 (Anm. Martin). 35 OLG Düsseldorf, AG 1982, S. 225 ff.; LG Hamburg, AG 1982, S. 51 ff. (Gewährung eines ungesicherten Darlehens von einem Tochterunternehmen an das herrschende Unternehmen: Dem beklagten Aufsichtsratsmitglied der Tochtergesellschaft wurde vorgeworfen, dass er der Gesellschaft ihm bekannten Informationen über den negativen Finanzstand des Darlehennehmers nicht bekannt gegeben hat). 36 OLG Düsseldorf, AG 1982, S. 226.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

1885 zur Haftung des Vorstands einer Volksbank für die Beteiligung als offene Handelsgesellschafterin an einem nicht hinreichend solventen Unternehmen37. Die Beteilung der Volksbank an einer Instrumentenfabrik wurde vom Gericht insofern als gewagtes Geschäft angesehen, als den Vorstandsmitgliedern der Bank die erforderlichen Kenntnisse für den Betrieb fehlten38. Die aussichtslose Fortsetzung des Betriebs hat zur Steigerung seiner Schulden und demnach zur Beschädigung der Volksbank als offener Handelsgesellschafterin geführt39. Ähnliche waren die Erwägungen des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 197740. Dabei handelte es sich um die Klage einer Publikumsgesellschaft gegen einen Kommanditisten und Mitglied ihres Verwaltungsrats, welchem nach dem Gesellschaftsvertrag die Aufgabe anvertraut war, die Interessen der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung zu vertreten (§ 7 Abs. 2) und die Geschäftsführung zu überwachen (§ 7 Abs 4). Das Gericht hat dem Beklagten vorgeworfen, er habe eine mit Verlusten verbundene Beteiligung an einer Gesellschaft zugelassen, obwohl diese aus unternehmerischer Hinsicht kaum Bestand hatte und demnach jede finanzielle Beteiligung an ihr ein außergewöhnliches Wagnis darstellte41. Ähnliche Erwägungen gelten auch im französischen Recht: so handelte es sich in einer Entscheidung des Revisionsgerichts von Aix um die Übernahme eines Hotelbetriebs von einer SA in Höhe von 400.000 FF, obwohl die Vorbesitzerin des Hotels gerade in Konkurs gefallen war42. Der Hotelbetrieb erbrachte später in öffentlicher Versteigerung nur eine Summe von 30.000 FF. In einer anderen Fallkonstellation handelte es sich um die Beteiligung einer Gesellschaft an einem Lokalbetrieb mit dem alleinigen Zweck, einen Bankkredit zu gewährleisten43. Das Gericht fand die Investition nutzlos und im Vergleich zum Unternehmenspotenzial unverhältnismäßig und exzessiv und hat die dirigeants sociaux zur Ausfallhaftung verurteilt. In einem anderen Fall haben sich die Geschäftsleiter voreilig und unüberlegt entschlossen, in eine kostspielige technische Modernisierung des Unternehmens zu investieren44. Die erhofften Mehraufträge blieben jedoch aus und die Gesellschaft geriet daraufhin in finanzielle Schwierigkeiten, bis sie zahlungsunfähig wurde. Das Gericht war der An37

RGZ 13, S. 43 ff. RGZ 13, S. 48. 39 RGZ 13, S. 49. 40 BGHZ 69, S. 207 ff. = BGH AG 1978, S. 79 ff. 41 BGH AG 1978, S. 81; zwar betrifft die Entscheidung den Gesellschafter einer Massen-KG, jedoch lassen sich angesichts der in diesem Fall vom Gericht vertretenen, entsprechenden Anwendung der § 116, 93 AktG eher Rückschlüsse auf die Kapitalgesellschaften ableiten. 42 CA Aix. 30.9.1975, D. 1976, Somm. 2. 43 Cass. com. 19.3.1996, Bull. civ. IV, no 91 = JCP G 1996, I, 3960, no 17 (Anm. Gabrillac) = Rev. proc. Coll.1996, S. 401 (Anm. Martin-Serf); CA Paris, 23.11.1992, Bull. Joly 1993, S. 255 (Anm. Campana). 44 CA Paris, 30.9.1991, Juris-Data, Nr. 000583. 38

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sicht, dass diese Gefahren ex ante vorhersehbar gewesen waren und verurteilte den Geschäftsleiter zur Ausfallhaftung. 3. Geschäftsabschluss unter marktüblichen Konditionen und Vermeidung unverhältnismäßig riskanter Geschäftspraktiken Das Unternehmensinteresse gebietet grundsätzlich, nur zu Marktbedingungen oder zu für die Gesellschaft günstigeren Bedingungen einzukaufen oder sogar teurer zu verkaufen. Unverantwortlich ist so der Kauf für das Doppelte des Marktpreises, der allerdings nicht nach dem billigsten Angebot, sondern nur nach den üblicherweise bezahlten Preisen bestimmt werden kann. Das schließt ein Abweichen vom Marktpreis zwar nicht aus, letzteres soll zumindest rational nachvollziehbar und vertretbar sein. So handelt z. B. die Unternehmensführung unverantwortlich, wenn sie das Leasing von EDV-Hardware zu einem Preis vom DM 800.000 vereinbart, obwohl die Hardware für DM 260.000 käuflich zu erwerben gewesen ist45. In einer einschlägigen Entscheidung des BGH handelte es sich um die Haftung des Geschäftsführers einer Krankenkasse im Zusammenhang mit dem Einkauf einer EDV-Anlage und von Spezialsoftware46. Der Geschäftsführer schloss einen langfristigen Mietvertrag über eine EDV-Anlage und einen separaten Leasingvertrag über eine für die Krankenkassen speziell zu entwerfende Software ab, ohne letzteren und den Zeitplan exakt zu bestimmen. Neben dem Umstand, dass der Softwareentwickler „zu Lasten der Klägerin die Vergütung für die Herstellung der Software ohne Sicherheit im Voraus erhielt“ und „die Verpflichtungen der Herstellerin und Lieferantin nicht in eindeutiger urkundlich belegbarer Weise konkretisiert waren“, stellte der BGH darauf ab, dass der Geschäftsführer „sich nach Alternativen (hätte) umsehen müsste“47. Die vom BGH angesprochene Alternative war eine durchaus nahe liegende, nämlich das bereits laufende Programm des Landesverbandes der Innungskrankenkassen. Ähnliche Fälle sind auch in der französischen Rechtspraxis üblich48.

45

BGH NZG 1998, 726, 727. BGH WM 1985, 552 = AG 1985, 165 (auszugsweise). 47 BGH WM 1985, 552, 558. 48 Vgl. Cass. com. 8.6.1963, Bull. civ. III, no 283 (Abschluss eines für die Gesellschaft nachteiligen Vertrags zur Begünstigung einer dritten Person); CA Aix 23.5. 1973, D. 1973, Somm. 111 (Verkauf von Waren unter dem Selbstkostenpreis); CA Paris 18.11.1974, Rev. Soc. 1975, S. 676 ff. mit Anm. Sortais (Insolvenz eines Bauunternehmens, dessen Zusammenbruch einerseits auf der schlechten Baukonjuktur beruhte, und andererseits auf die Auseinandersetzung mit einem Großkunden, wegen der noch ein Rechtsstreit anhängig war. Die Krise der Baukonjuktur hatte die Gesellschaft faktisch dazu gezwungen, ihren Kunden Verträgen unter den marktüblichen Baukonditionen abzuschließen, was zur Verschlechterung der Finanzsituation geführt hat). 46

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Die angesprochenen Erwägungen gelten auch in Bezug auf die geschäftsbezogenen Zahlungsmodalitäten; die damit eingegangenen Risiken sollen auf jeden Fall weder unverhältnismäßig sein, noch leichtfertig eingegangen werden. So handelte sich in einem Fall des Reichsgerichts bereits aus dem Jahre 1930 um die Ausstellung von Wechseln über eine bestrittene zu Grunde liegende Forderung durch den verstorbenen Vorstandsvorsitzenden der klagenden und der aus den Wechseln verpflichteten AG49. Das Gericht ging davon aus, dass die Ausstellung von Wechseln wirtschaftliche Risiken beinhaltet, doch reicht dies allein nicht aus, um eine persönliche Haftung des Unternehmensleiters zu begründen. Der Vorstand sollte bei seinem Verhalten stets mit der Möglichkeit rechnen, dass irgendeine Maßnahme für die Aktiengesellschaft auch ungünstig auslaufen könnte50. Im vorliegenden Fall war das Verhalten von dieser Voraussetzung nicht gedeckt, da der Geschäftsleiter nachweislich vorsätzlich bzw. grob fahrlässig gehandelt hat. Aus ähnlichen Erwägungen heraus wurde eine Haftung des dirigeants social im französischen Recht angenommen: So war die SA „Nasa Electronique“ bei Banken mit über 810 Mio. FF verschuldet51. Die sich verschlechternde Finanzlage der SA blieb durch ihre konzerninterne Finanzierungsmethode einige Zeit versteckt, da sie sich trotz ihrer kritischen Wirtschaftslage der sog. „chenille“ bediente, bei der das alleinige Zahlungsmittel der Scheck ist. Auf diese Weise erfolgten alle Zahlungen auf Kreditbasis. Das Gericht beurteilte die Verwendung der „chenille“ angesichts des schwachen Finanzstands des Unternehmens als ein unverhältnismäßig hohes Risiko und damit als einen schweren Geschäftsleitungsfehler. II. Risikogeschäfte und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Aus der rechtsvergleichenden Untersuchung ergibt sich, dass die Rechtspraxis beider Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe gemeinsamer Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet hat, die bei jedem Abschluss risikoreicher Geschäfte zu beachten sind. Dazu gehören vor allem die Pflicht der Unternehmensleitung zum für die Gesellschaft vorteilhaften Geschäftsabschluss, ihre Pflicht zur weit gehenden Sicherung der Gesellschaft bei risikoreichen Transaktionen sowie ihre Pflicht zum Geschäftsabschluss (zumindest) unter marktüblichen Konditionen und zur Vermeidung unverhältnismäßig riskanter Geschäftspraktiken. Obwohl die Rechtsprechung beider Rechtsordnungen das Eingehen von Risiken zum Eigensinn der unterneh-

49

RGZ 129, S. 272 ff. RGZ 129, S. 275. 51 CA Paris 18.6.1991 („Nasa Electronique“), Bull. Joly 1992, 277 (über 400 Mio FF. Ausfallhaftung). 50

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merischen Betätigung seit langem anerkannt hat52, hat sie sich überwiegend damit befasst, die von der Unternehmensleitung vorgenommene Abwägung zwischen erlaubten und unerlaubten Risiken in Bezug auf ihre kaufmännische Vertretbarkeit zu beurteilen, ohne sich mit der Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums der Unternehmensleitung zu befassen. Das hängt teilweise damit zusammen, dass es sich bei den meisten Fällen um eklatante Fälle von Ermessensmissbrauch handelte, so dass die Gerichte keine Alternativen hatten, als die Pflichtverletzung zu erkennen und zu sanktionieren. Der angesprochene Gesichtspunkt scheint in der französischen Judikatur noch herrschend zu sein. Auf jeden Fall sind die französischen Gerichtsentscheidungen so knapp formuliert, dass Ergebnisse über die Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung unternehmerischer Entscheidungen nur schwer entnehmbar sind. Anders verhält sich die Lage beim deutschen Recht, wobei spätestens nach dem „ARAG“-Urteil des BGH53 die Grenzen des haftungsfreien Ermessensspielraums gerichtlich konturiert sind. Auf jeden Fall sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die bisherige Rechtspraxis beider Rechtsordnungen und die daraus herausgearbeiteten Sorgfaltsanforderungen unter den im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung bearbeiteten gemeinsamen Grundsätzen unternehmerischen Ermessens subsumiert werden könnten. So weist etwa die Bemerkung des OLG Düsseldorf („Poulain/West LB“) über die fehlende Neutralität des Vorstandsmitglieds aufgrund seiner Nebentätigkeit auf die erste Komponente des Prüfungsschemas hin, nämlich auf die Unbefangenheit des Entscheidungsträgers als Voraussetzung für die Anerkennung des unternehmerischen Ermessensspielraums. In diesem Fall fehlte es an diesem Element und insofern oblag die Entscheidung richtigerweise der gerichtlichen Kontrolle. Die in beiden Rechtsordnungen betonte Pflicht des Kreditgebers, das Finanzpotenzial und die Entwicklungsperspektiven des Kreditnehmers sorgfältig zu prüfen und einzuschätzen, entspricht ferner der Komponente der sorgfältigen Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen. Soweit diese Anforderung nicht erfüllt ist, obliegt die Entscheidung über den Abschluss der Kreditvergabe der vollen gerichtlichen Überprüfung. Was schließlich die Komponente der Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen auf das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse und die damit zusammenhängende Plausibilitätskontrolle anbetrifft, lässt sich feststellen, dass letztere der Gerichtspraxis bei Risikogeschäften nicht fremd ist: In allen besprochenen Fällen handelte es sich um eklatante Fälle von Ermessensmissbrauch, wo sich keinesfalls nachvollziehbar argumentieren ließ, dass die betrof52 Vgl. CA Rennes 17.6.1977: „. . . dans l’état actuel de l’économie, la plupart des entreprises . . . ne veulent pas vivre sans . . . découvert: les banques ne peuvent que prendre des risques. Leur intérêt non suicidaire leur commande d’être prudentes, mais les erreurs sont inévitables . . .“; BGHZ 69, S. 207 ff., 213 = AG 1978, S. 79 ff. (81). 53 Vgl. BGHZ 135, S. 244 ff. = ZIP 1997, S. 883 ff. = BB 1997, S. 1169 ff. = WM 1997, S. 970 ff. = NJW 1997, S. 1926 ff.

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fene Entscheidung im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse lag. Wichtig für die Überprüfung der einschlägigen Entscheidungen blieb, ob die getroffene Abwägung von Risiken im Hinblick auf den Gesellschafts- bzw. Unternehmensstand verhältnismäßig und auf nachvollziehbare Weise vertretbar war. Soweit dies nicht der Fall ist, besteht kein Raum für eine Plausibilitätskontrolle und die getroffenen Entscheidungen obliegen der vollen gerichtlichen Überprüfung.

B. Sozialbezogene Vermögensverlagerungen I. Begriff und Zulässigkeit sozialbezogener Vermögensverlagerungen Unter einer sozialbezogenen Vermögensverwendung ist jede karitative Zuwendung sowie eine im Interesse der Allgemeinheit oder einer als förderungsbedürftig erachteten Gruppe getroffene Aufwendung ohne Gegenleistung zu verstehen. Dazu gehören u. a. Sozialaufwendungen, wie etwa Sponsoring-Geschäfte, Spenden an wissenschaftliche Einrichtungen, an Vereine oder sogar an politische Parteien. Kontrovers diskutiert wurde in beiden Rechtsordnungen, ob und wenn ja, in welcher Tragweite die Unternehmensleitung zu sozialen Aufwendungen befugt ist. Die Legitimität korporativer Gemeinnützigkeit wird nicht bezweifelt, soweit die Satzung eine Gemeinwohlklausel vorsieht54. Umstritten ist allerdings die Legitimität sozialer Aufwendungen beim Fehlen einer solchen Klausel. Im französischen Recht knüpft sich die Problematik an die Vereinbarkeit solcher Leistungen mit dem bereits erörterten Grundsatz der specialité legale an55. Hierzu gelten die gleichen Bemerkungen wie bei den Risikogeschäften: Soweit solche Aufwendungen einem sozialen Zweck dienen, sind sie mit dem Grundsatz der specialité legale insofern vereinbar, als sie langfristig dem Gesellschaftsinteresse dienen56. Dass die Gesellschaft als good corporate citizen auftritt, ein vielfältiges Netz sozialer und politischer Kontakte aufbaut und sich an sozialen, politischen und kulturellen Aktivitäten beteiligt, ist Voraussetzung für ihre soziale Akzeptanz, ohne die wiederum die wirtschaftlich erfolgreiche Verfolgung des Unternehmensgegenstandes auf Dauer nicht gesichert ist. Im deutschen Recht folgt die Befugnis der Unternehmensleitung für soziale Aufwendungen nach richtiger Ansicht in der Sozialpflichtigkeit des Unternehmertums, aus der auch eine Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit bei der Bestimmung Vgl. Fleischer, AG 2001, S. 173; Brändel, Gkomm. AktG4, § 3 Rdnr. 26; Röhricht, Gkomm. AktG4, § 23 Rdnr. 92. 55 Vgl. Mercadal/Janin (Rdnr. 1850); Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 27 E-2, no 52; Chaput, Jur. Class. Soc. Fasc. 9-2, no 14; Dagot/Mouly, Rev. Soc. 1988, S. 1 ff. (10, 15). 56 Vgl. Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 27 E-2, no 52 m. w. N. 54

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des Unternehmensinteresses abzuleiten ist57. Ob die Grundlagen der korporativen Sozialpflichtigkeit in der Fortgeltung des § 70 AktG 193758 oder in Art. 14 II 2 GG59 erblickt werden sollen, vermag an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Die Zulässigkeit sozialer Aufwendungen bedeutet nicht, dass jede Form von „social sponsoring“ mit dem unternehmerischen Ermessen vereinbar ist. Eine direkte Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch die Unternehmensleitung überschreitet die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wenn hiermit kein erkennbarer Vorteil der Gesellschaft verbunden ist und der Geschäftsleiter auch nicht (bei Anwendung mindestens erforderlicher Sorgfalt) von einem solchen Vorteil ausgehen dürfte. Welches Maß an gemeinnütziger Tätigkeit dem Unternehmensinteresse entspricht, ist allerdings nur schwer zu bestimmen, denn in der Praxis sind soziale Vermögenszuwendungen von Unternehmen ihrer Zwecksetzung nach gerade durch eine Kombination eigen- und uneigennütziger Motive gekennzeichnet, die nicht einfach voneinander zu trennen sind. Wichtig bleibt jedenfalls, dass die Gesellschaft aus der vorgenommenen Vermögensaufwendung einen nachvollziehbaren Vorteil annehmen kann. Unvereinbar mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. eines dirigeant diligent sollte die Hingabe des Gesellschaftsvermögens vor allem dann sein, wenn das Fehlen eines Vorteils für die Gesellschaft auch für einen Nichtjuristen offenkundig war. Völlig abwegige Vermögensaufwendungen sollten demzufolge als unverantwortlich angesehen werden. Das bedeutet praktisch, dass Sozialaufwendungen nicht sachwidrig durch persönliche Präferenzen der Unternehmensleitung umgeleitet werden, sondern unternehmensbezogen sein sollen60. Bei unmittelbar betriebsbezogenen Vermögenszuwendungen wie etwa für die Errichtung eines Ferienheims für Arbeitnehmer oder für die Begründung einer Pensionskasse für Arbeitnehmer wird stets gegeben sein, dass solche Zuwen57 Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 32; Kind, NZG 2000, S. 568; SchmidtLeithoff, Leitungsverantwortung, S. 31 ff.; Mülbert, ZGR 1997, S. 147 ff.; Rittner, FS Geßler, S. 139 ff.; Baas, Leitungsmacht und Gemeinwohlbindung, S. 81; Fleischer, AG 2001, S. 175; a. A. Feine, Die GmbH, S. 365; differenziert Meilicke, NJW 1959, S. 409 ff. (gleichsinnig auch Vorderwülbecke, BB 1989, S. 505 ff.), der die Ansicht vertritt, dass unentgeltliche Zuwendungen in der Regel nicht durch den Unternehmensgegenstand gedeckt sind und demnach als Gewinnverwendung angesehen werden sollen. Demgemäß soll die Entscheidung hierüber der Zuständigkeit nicht des geschäftsführenden Gesellschaftsorgans, sondern der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung zugewiesen werden. 58 OLG Hamburg, AG 1964, S. 45 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 32; Kind, NZG 2000, S. 568. 59 Schmidt-Leithoff, Leitungsverantwortung, S. 31 ff.; Mülbert, ZGR 1997, S. 147 ff.; Rittner, FS Geßler, S. 139 ff.; Baas, Leitungsmacht und Gemeinwohlbindung, S. 81; Fleischer, AG 2001, S. 175. 60 Vgl. Kind, NZG 2000, S. 569; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 67; Mertens, K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 50.

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dungen im Gesellschaftsinteresse liegen. Für Sozialaufwendungen ohne unmittelbare Unternehmensbezogenheit soll weiterhin nachgeprüft werden, ob sie die soziale Akzeptanz der Gesellschaft aufbauen und damit zur wirtschaftlich erfolgreichen Verfolgung ihres Unternehmensgegenstandes auf Dauer beitragen können. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht abstrakt beurteilen. Die Verbindungslinie der Sozialaufwendung mit dem Unternehmensgegenstand bietet hierfür ein Indiz an i. S., dass, je enger die Verbindung ist, desto nachvollziehbarer der Vorteil für die Gesellschaft wird61. So liegt etwa die Förderung naturwissenschaftlicher Fakultäten durch ein Chemieunternehmen mit dem Fernziel verbesserter Nachwuchsrekrutierung offensichtlich im Gesellschaftsinteresse. Sozialaufwendungen, die außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen, sollen ihrem Werbeeffekt entsprechend beurteilt werden. So würde etwa die Vergabe einer einseitigen Spende zugunsten nur einer politischen Partei außerhalb des Gesellschaftsinteresses liegen, soweit durch die einseitige Unterstützung politischer Parteien das Sozialprestige des Unternehmens geschädigt werden könnte62. Das Gebot der Unternehmensbezogenheit korporativer Sozialaufwendungen gebietet ferner, dass die vorgenommene Vermögenszuwendung dem Umfang und der Art des konkreten Geschäftsbetriebes (Gewinn, Kapitalaustattung, Finanzierungs-, Ertragslage sowie Zukunftsaussichten) angemessen ist63. Der Gesichtspunkt des Verkehrs- bzw. Marktüblichen könnte hierbei ebenfalls herangezogen werden64. Strengere Voraussetzungen gelten notwendigerweise für die Spendenpraxis bei angespannter Lage der Gesellschaft. Eine bloße Unterbrechung der Gewinnausschüttung führt aber noch nicht zum Verbot von Spenden oder sonstigen allgemeinwohlfördernden Zuwendungen des Unternehmens65. Soziale Aufwendungen sollen bereits dann unangemessen sein, wenn sie nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs erbracht werden können und der Aufwendung kein nennenswerter Werbewert gegenübersteht66. Zur Quantifizierung des angemessenen Verhältnisses sozialbezogener Leistungen zur finanziellen Situation der Gesellschaft wurde im deutschen Recht unter Rückgriff auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 9 I Nr. 2 KStG vorgeschlagen, die dort genannte Höchstgrenze abziehbarer Aufwendungen von insgesamt 5% des 61

Vgl. Fleischer, AG 2001, S. 178; Rittner, FS Geßler, S. 156. Vgl. Kind, NZG 2000, S. 570; Mertens, FS Gördeler, S. 357; ders., K-Komm. AktG2, § 76 Rdnr. 39. 63 RG JW 1938, S. 2019; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 120; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 67; noch Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. 27 E-2, no 52 m. w. N. 64 Marsch, Die rechtliche Problematik der Verwendung von Jahresüberschüssen, S. 54; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 13; Geßler/Hefermehl, § 76 AktG, Rdnr. 27. 65 Windmöller, FS Budde, S. 679; anders Kind, NZG 2000, S. 569. 66 Windmöller, FS Budde, S. 675 ff. 62

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Einkommens oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Obergrenze des Volumens sozialbezogener Leistungen anzusehen67. Der Ansatz vermag in erster Linie wegen seiner Einfachheit als operationalisierbar erscheinen, das Steuerrecht verfolgt jedoch ganz andere staatspolitische Zielsetzungen als das Gesellschaftsrecht. Demnach lässt der Ansatz keine operationalisierbaren Aussagen über die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit sozialbezogener Maßnahmen zu68. Allgemein gesprochen bleiben Versuche, die Obergrenze von Spendenvolumen in absoluten Zahlen und festen Größenordnungen zu quantifizieren69, mehr oder weniger willkürlich und werden am liebsten dem Gesetzgeber überlassen70. Sie können ferner zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Handlungsfähigkeit der Unternehmensleitung führen71. II. Sozialbezogene Leistungen und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Die Problematik des haftungsfreien Ermessensspielraums bei korporativen Sozialaufwendungen wird weder im französischen, noch in der deutschen Rechtsprechung ausführlich behandelt. Die Rechstspraxis hat sich in beiden Rechtsordnungen wohl überwiegend mit eklatanten Missbrauchsfällen beschäftigt, so dass die Gerichte keine Alternativen hatten, als die Pflichtverletzung zu erkennen und zu sanktionieren. Die bereits besprochenen gemeinsamen Grundsätze unternehmerischen Ermessens könnten allerdings dazu verwertet werden, den haftungsfreien Ermessensspielraum der Unternehmensleitung bei korporativen Sozialaufwendungen zu konturieren. Zur Überprüfung, ob die vorgenommene Sozialaufwendung im Gesellschaftsinteresse liegt und nicht von persönlichen Interessen der Unternehmensleitung motiviert ist, macht es Sinn, zunächst zu prüfen, ob die relevante Entscheidung verantwortungsbewusst bzw. ohne Interessenkonflikt getroffen ist. Bei negativer Beantwortung genießt die Unternehmensleitung keine Ermessensfreiheit mehr und die relevante Entscheidung ob67 Schneider, AG 1983, S. 212; Windmöller, FS Budde, S. 675; Philipp, AG 2000, S. 65. 68 Kulitz, S. 160; Schmidt-Leithoff, Leitungsverantwortung, S. 426; Vorderwülbecke, BB 1989, S. 507 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 198. 69 So beispielsweise Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 67, der für die GmbH 2% des absoluten Bilanzgewinnes in der Regel als unbedenklich ansieht; in die gleiche Richtung Kind, NZG 2000, S. 569, die eine Vergabe von Spenden durch den Vorstand bis zu einem Betrag von maximal 1% des Bilanzgewinns als erlaubt betrachtet. 70 So auch Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 120, Fn 408; Fleischer, AG 2001, S. 178. 71 So könnte etwa in Krisenzeiten ein Kardinalfehler sein, auf den Werbe-Effekt von Sozialaufwendungen zu verzichten, nur weil die angesprochenen quantitativen Grenzen überschritten sind. Bei dauerhafter oder längerfristiger Ertragsschwäche sind durchgreifende Änderungen der Spendenpraxis gewiss unabweisbar.

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liegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Bei positiver Beantwortung sollte weiterhin geprüft werden, ob die Entschließung sorgfältig vorbereitet wurde und im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse lag. Bei unmittelbar betriebsbezogenen Sozialaufwendungen sollte diese Voraussetzung stets gegeben sein. Anders verhält sich die Rechtslage bei den sonstigen sozialbezogenen Leistungen, wo die Verbindungslinie zwischen der vorgenommenen Vermögenszuwendung und dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse näher geprüft werden soll. Hierzu könnte die Verbindung zwischen der vorgenommenen Transaktion und dem Unternehmensgegenstand von Bedeutsamkeit sein. Jedenfalls sollte hierzu beachtet werden, dass es sich dem Gesamtkonzept entsprechend um eine Plausibilitätskontrolle in Bezug auf die konkrete Entscheidungssituation handeln sollte. Dabei ist es gleichgültig, ob im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren. Soweit die vorgenommene Sozialaufwendung offensichtlich abwegig ist, bewegt sich die Unternehmensleitung außerhalb ihres Ermessensspielraums und ihre Entscheidung obliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Außerhalb ihres Ermessensspielraums bewegt sich die Unternehmensleitung ebenfalls, wenn die vorgenommene Sozialaufwendung für die Gesellschaft zwar vorteilhaft sein könnte, jedoch in Bezug auf Art und Umfang des Geschäftsbetriebs (Gewinn, Kapitalausstattung, Finanzierungs- und Ertragslage sowie Zukunftsaussichten) grob unverhältnismäßig ist. Hierzu sollte es sich ebenfalls um eine Plausibilitätskontrolle handeln.

C. Unternehmensorganisation Zu den Leitungsaufgaben gehört anerkanntermaßen die Unternehmensorganisation und damit die Pflicht der Unternehmensleitung, für die Betriebsstruktur und die sich darin vollziehenden Entscheidungsprozesse überhaupt zu sorgen72. Hierzu ist zwischen gesetzlichen und originären Aufgaben der Unternehmensführung zu unterscheiden. Zwingend vorgeschrieben wird in beiden Rechtsordnungen die Einrichtung einer Struktur zur Erfüllung von Buchführungspflichten (vgl. § 91 I AktG i.V. mit §§ 238 I, 3 I, 6 HGB und Art. 340 i.V. mit Artt. 128, 157, 228 L. 1966 und Art. 114 D. 1967). Im deutschen Aktienrecht wird ferner die Pflicht der Unternehmensleitung zur Schaffung eines Risikomanagementsystems ausdrücklich vorgesehen (§ 91 II 1 AktG). Abgesehen von solchen 72 Vgl. BGHZ 135 („ARAG/Garmenbeck“), S. 244; Hopt, GKomm. AktG4, § 93 Rdnr. 89; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 30; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 71; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 22; CA Aix-en Provence, 28.9.1982, Rev. Soc. 1983, S. 773 (Anm. Mestre); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 222 ff. und Rdnr. 410 ff.; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 383 ff., 403 ff.; Paillusseau, in: Etudes offertes à R. Houin, S. 130; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 403; Champaud, Mélanges Bastian, S. 42; Vendeuil, JCP éd. E 1997. I. 248.

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Spezialregelungen schreibt keine von beiden Rechtsordnungen eine zwingende Organisationsstruktur vor, welche als Maßstab für die Bestimmung des Unternehmensinteresses in diesem Bereich angesehen werden könnte. Insofern obliegt die konkrete Gestaltung der Organisationsstruktur dem Ermessen des Unternehmensleiters73. Aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen haben die Rechtsprechung und die Rechtslehre in beiden Rechtsordnungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, der bei der Unternehmensorganisation zu beachten ist. Hierzu gehören insbesondere Fragen der Bildung und Besetzung von Führungsposten, der Ressortverteilung, der Implementierung einer Risikomanagementstruktur und der ordentlichen Buchführung. I. Sorgfaltsanforderungen in Bezug auf die Aufbauorganisation 1. Bildung und Besetzung von Führungsposten Die Bildung der obersten Führungsebene ist in beiden Rechtsordnungen im Rahmen der gesetzlichen Organisationsverfassung zum Teil prädefiniert. Was die Personalkompetenz in Bezug auf die oberste Führungsebene wird in beiden Rechtsordnungen zwecks Vermeidung von Interessenkonflikten mehreren Organen zugewiesen. So obliegt die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern im deutschen Aktienrecht dem Aufsichtsrat (§ 84 I AktG). Die gesetzlich nur marginal definierte Personalhoheit beschränkt sich nicht darauf, in den durch das Gesetz oder die Bestellungsdauer bestimmten Abständen Vorstände neu zu bestellen oder zu ersetzen; sie ist vielmehr eine ständige Verpflichtung, die Vorstände laufend zu beobachten und ihre Leistung zu bewerten74. Im GmbH-Recht obliegt die Einberufung der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung bzw. der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit (§ 46 Nr. 5 GmbHG), sofern nicht § 31 MitbestG zur Anwendung kommt. Im Recht der monistischen SA weist L. 1966 die Kompetenz zur Bestellung von Verwaltungsratsmitgliedern der ordentlichen Hauptversammlung (Art. 90 L. 1966) zu, wenn auch nicht ohne Ausnahmen75. Die Bestellung des PDG obliegt der Kompetenz der Verwaltungsratsmitglieder (Art. 110 I L. 1966). Was die SA modernen Typus anbelangt, obliegt die Bestellung des Direktoriums und seines Vorsitzenden der Zuständigkeit des conseil de surveillance (Art. 120 I L. 1966). Die Rege73 Götz, ZGR 1998, S. 531 (zum Konzern); Lutter, GmbHR 2000, S. 304; Hüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 7; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 222 ff., Rdnr. 410 ff.; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 383 ff., 403 ff.; Paillusseau, in: Études offertes à R. Houin, S. 130; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 403. 74 Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 450. 75 Vgl. Artt. 88 L. 1966 (Bestimmung des Verwaltungsrats in der Phase der Gründung der SA); Art. 160 III (Zuweisung der Kompetenz auf die außerordentliche Hauptversammlung im Fall einer Verschmelzung oder Spaltung); CA Rennes 25.2. 1972, JCP éd. G 1972. II. 17220 (Anm. Synvet); CA Paris 15.3.1990, D. 1992, somm. 179 (Anm. Bousquet).

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lung stellt sogar zwingendes Recht dar76. Die Berufung der Mitglieder des conseil de surveillance obliegt der ordentlichen Hauptversammlung (Art. 130 I L. 1966). Die Bestellung des Geschäftsführers obliegt schließlich der Gesellschafterversammlung (Art. 49 II L. 1966).

Abgesehen von einigen gesetzlich vorgeschriebenen formalen Kriterien zur Person des Organwalters liegt die Bestellung des Organmitglieds im pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Entscheidungsträgers77. Dieser Auswahlermessen ist allerdings nicht grenzenlos: In beiden Rechtsordnungen obliegt der Entscheidungsträger einer gewissen Auswahlverantwortung für den Fall, dass die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der oberen Führungsebene offensichtlich untauglich ist78. Soweit der Entscheidungsträger zur Einschätzung der fachlichen und persönlichen Kompetenz des zu bestellenden Organwalters nicht im Stande ist, kann die Bildung eines Personalausschusses (comité de selection) oder die Heranziehung eines Personalberaters geboten sein79. Im französischen Recht wird sogar vertreten, dass jedes Verwaltungsratsmitglied, das seine Bestellung zum PDG annimmt, obwohl er ihm seine deutliche Inkompetenz zur Wahrnehmung der einschlägigen Aufgaben bekannt ist, eine Sorgfaltspflichtverletzung begeht80. 2. Ressortbildung und Delegation von Kompetenzen auf nachgeordnete Führungsebenen Die Ressortbildung und Geschäftsverteilung auf nachgeordnete Führungsebenen lassen sich je nach den Unternehmensbedürfnissen funktional oder divisional vollziehen; die Entscheidung liegt grundsätzlich im Ermessen des Entscheidungsträgers. Letzterer bewegt sich jedenfalls außerhalb der Grenzen pflichtgemäßen Ermessens, wenn er überhaupt keine aufbauorganisatorischen Maßnahmen trifft oder wenn die getroffenen Maßnahmen offensichtlich so unzweckmäßig sind, dass von einer Aufbauorganisation kaum die Rede sein 76 Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 108; CA Versailles, 8.7.1993, RJDA 11/1993, S. 785, n. 917 = JCP 1994 éd. E I. 331, no 11 (Anm. Viandier/Caussain). 77 Vgl. Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 5; Schaefer/Missling, NZG 1998, S. 445. 78 In diese Richtung Scholz/Schneider8, § 43 GmbHG, Rdnr. 34 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 223; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 406 ff.; Piedélièvre, Rdnr. 57. 79 Vgl. Deckert, ZIP 1996, S. 985; Schaefer/Missling, NZG 1998, S. 445; Grossi, Les devoirs Rdnr. 792 ff.; Rapport Viennot, S. 941; Berdah, Rdnr. 162; der damalige Loi vom 13.7.1967 sanktionierte ausdrücklich die „incompetence manifeste“ der dirigeants sociaux (Art. 108). 80 Vgl. Cass. com. 7.11.1977, Bull. civ. IV, no 251, S. 213; Didier, Droit Commercial, t. 22, S. 158; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 111; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 531; Daigne, PA 30.11.1990, no 144, S. 25; ders., PA 3.12.1990, no 145, S. 20; a. A. Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 187 in Anlehnung an Trib. Com. Paris, Ie ch., 23.4.1979, RJC 1979, S. 315 (Anm. Merle).

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kann81. Bei der Entscheidung über die Zuweisung von Kompetenzen auf das nachgeordnete Führungsniveau sind sowohl gesetzliche als auch originäre Sorgfaltsanforderungen zu beachten. Dabei ist in beiden Rechtsordnungen in erster Linie zu prüfen, ob die delegierten Kompetenzen zu den der Kompetenzverteilung zugänglichen Entscheidungsbereichen gehören. Welche Entscheidungsbereiche als unverteilbar anzusehen sind, wird nicht endgültig festgelegt. In beiden Rechtsordnungen besteht allerdings Einigkeit darüber, dass die Kompetenzen, die dem Leitungsorgan als Gesamtorgan kraft zwingenden Rechts zugewiesen sind, im Grundsatz undelegierbar sind82. So wird im deutschen Aktienrecht die Ansicht vertreten, dass die Leitungsfunktionen der Unternehmensplanung, -koordination und -kontrolle einen Kern an Mindestzuständigkeiten des Gesamtvorstands darstellen, welcher nicht delegierbar ist, selbst wenn Einzelgeschäftsführungsbefugnis besteht83. Über diese Hauptfunktionen hinaus können etwa vorbereitende Handlungen durchaus zuweisungsfähig und nach Grundsätzen sorgfältiger Unternehmensorganisation sogar zuweisungspflichtig sein84. Ähnlicherweise schreibt das französische Recht der monistischen SA vor, dass nicht alle Mitglieder des Verwaltungsrats die Gesamtheit der administrativen Aufgaben übernehmen sollen, sondern einem oder mehreren Verwaltungsmitgliedern oder sogar Dritten besondere Aufträge für konkrete Zwecksetzungen erteilen dürfen (Art. 90 I L. 1966). Die Zuweisung des gesamten Kompetenzgefüges des Verwaltungsrats oder des PDG auf ein Verwaltungsratsmitglied ist unwirksam85. Im Fall der Einberufung eines directeur général als Assistent des PDG (Art. 117 L. 1966) obliegt die Bestimmung seiner Kompetenzen dem Ermessen des Verwaltungsrats und seinem PDG, ihm sollten jedenfalls nicht so viele Kompetenzen übertragen werden, dass er den PDG faktisch als leitendes Organ ersetzt86. Solch eine Fallkonstellation würde der 81 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 115; Lutter, GmbHR 2000, S. 304; sinnlich verwandt, wenngleich hierbei um ein sich unabweislich aufdrängendes Problem handelte BGHZ 109, S. 297, 304 („Baustoff“); OLG Köln, AG 1978, S. 18, 21 („Herstatt“). 82 Im deutschen Recht Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 17; Schwark, ZHR 1978, S. 215 ff.; Schiessl, ZGR 1992, S. 68; Semler, FS Döllerer, S. 577 ff.; Mertens, KKomm. AktG2, § 77 Rdnr. 18; Martens, FS Fleck, S. 207; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 508; im französischen Recht Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 403; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 87. 83 Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 17; Schwark, ZHR 1978, S. 215 ff.; Schiessl, ZGR 1992, S. 68; Semler, FS Döllerer, S. 577 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 77 Rdnr. 18; Martens, FS Fleck, S. 207; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 508. 84 Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 508, m. w. N. 85 So Cass. com. 11.6.1965, Bull. civ. III, no 361, S. 329 = D. 1965, S. 782 = GP 1965, 2, S. 322 = RTD com. 1965, S. 861 (Anm. Houin); Cass. com. 21.10.1975, D. 1976, IR, S. 8 = GP 1975, II, somm. p. 285; noch Trib. civ. Seine, 5 ch., 9.7.1953, JCP éd. G 1954. II. 8074. Cass. com. 6.5.1996, Bull. civ. IV, no 127, S. 111 = D. 1996, somm. S. 346 (Anm. Hallouin) = Dr. Soc. 1996-7/8, no 149, S. 8 = JCP, ed. E pan. 761. 86 Bereits CA Paris, 5.11.1959, D. 1960, S. 163 = Rev. Soc. 1961, S. 58; CA Paris, 17.3.1980, Dr. Soc. 1982, no 312; Piedélièvre, Rdnr. 103; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 397.

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Organisationsverfassung der monistischen SA widersprechen, wobei der directeur général als Assistent des PDG angesehen wird (Art. 115 L. 1966). In einer Konfliktsituation sollte jedenfalls letzterer seine „préeminence“ gegenüber seinem Assistenten bewahren87. Im Recht der SARL sind Kompetenzdelegierungen im Prinzip zulässig, allerdings nur im Einzelfall und nicht zur Übertragung des gesamten Kompetenzgefüges auf Dauer88. Die Satzung kann solche Delegierungen erlauben, soweit sie konkrete Maßnahmen betreffen und nicht auf Dauer angelegt sind89. Die Einzelheiten über die Delegation können vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften des L. 1966 und der allgemeinen Prinzipien des französischen Gesellschaftsrechts in der Satzung geregelt werden90.

Zum Auswahlermessen des Entscheidungsträgers bei der Kompetenzzuweisung auf das nachgeordnete Managementniveau gelten die gleichen Bemerkungen, wie bei der obersten Führungspostenbesetzung: Beide Rechtsordnungen erkennen diesbezüglich eine Auswahl- und Überwachungsverantwortung des Delegierenden. Insofern bedeutet die Delegierung von Kompetenzen keine automatische Enthaftung des delegierenden Leitungsorganmitglieds, sondern eine Umrichtung seiner Aufgaben. Das delegierende Organmitglied verhält sich außerhalb seines Ermessensspielraums, wenn die bestellte Person bzw. der bestellte Ressortleiter fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der delegierten Kompetenzen bzw. des Ressorts offensichtlich untauglich ist91. Die einschlägige Pflicht dient als Korrelat beim Fehlen gesetzlicher Bestimmungen in Bezug auf die materiellen Anforderungen an die Qualität eines dirigeant. In Frankreich wird auf die Ähnlichkeit dieser Verantwortung mit der der culpa in eligendo des Beauftragten für seinen Gehilfen beim Auftragsrecht (vgl. Art. 1994 CC.) hingewiesen, demnach der Mandatar für das Fehlverhalten des von ihm bestellten Gehilfen dann haftet, wenn letzterer „notoirement insolvable ou incapable“ ist“92.

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So CA Paris, 17.3.1980, Dr. Soc. 1982, no 312. Vgl. Cass. com. 2.12.1952, JCP éd. G 1953. II. 7529 (Anm. Rousseau); Cass. com. 7.2.1989, Bull. Joly 1989, S. 355 (Anm. Saintourens); Cass. com. 7.2.1989, Bull Joly 1989, S. 355 (Anm. Saintourens); Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 408. 89 So Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 408. 90 Gauthier, Rdnr. 483. 91 In diese Richtung Scholz/Schneider8, § 43 GmbHG, Rdnr. 34 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 223; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 406 ff.; Piedélièvre, Rdnr. 57; aus rechtsvergleichender Sicht ist die Lage im englischen Recht ähnlich, vgl. Afterman, Company directors and controllers, S. 126 ff. m. w. N. 92 Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 406; Piedélièvre, Rdnr. 57. 88

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II. Sorgfaltsanforderungen in Bezug auf die Ablauforganisation 1. Erlass der Geschäftsordnung der Unternehmensleitung Die Geschäftsordnung bestimmt das Zusammenwirken der Mitglieder eines mehrköpfigen Leitungsorgans. Im deutschen Aktienrecht obliegt ihr Erlass in erster Linie dem Aufsichtsrat. Letzterer ist laut § 77 II AktG dazu befugt, die Spielregeln für das Zusammenwirken der Organmitglieder in einem mehrköpfigen Vorstand zu definieren. Dazu gehören u. a. die Modalitäten zur Willensbildung des Organs, also über die Regeln bezüglich der Sitzungen, Beschlüsse und Mehrheiten, über die Befugnisse und Pflichten etwa eines ernannten Vorsitzenden oder Sprechers des Vorstands, wie auch die Regeln über die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstandsmitgliedern93. Soweit der Aufsichtsrat von seiner Kompetenz keinen Gebrauch macht, obliegt das Erlassen einer Geschäftsordnung dem Vorstand. Die Hauptversammlung besitzt diesbezüglich eine Regelungskompetenz in Fragen der Vorstandsorganisation, in dem sie „Einzelfragen“ der Geschäftsordnung in der Satzung bindend regeln kann (§ 77 II 2 AktG). Aus dem Wortlaut („Einzelfragen“) wird ersichtlich, dass eine vollständige Vorwegnahme der Geschäftsordnung für den Vorstand in der Satzung der AG dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde94. Im GmbH-Recht obliegt der Erlass der Geschäftsordnung, soweit keine einschlägige Satzungsbestimmung vorliegt oder keine durch Gesellschafter erlassene Geschäftsordnung besteht, den Geschäftsführern95. Im französischen Recht der monistischen SA fehlt es an einer dem § 77 I AktG entsprechenden Regelung. Die Regulierung des Zusammenwirkens unter den Verwaltungsratsmitgliedern obliegt, soweit keine relevante Regelung im Gesellschaftsvertrag besteht, dem Verwaltungsrat selbst. Ähnliches gilt auch für das Recht der SA modernen Typus, wonach die Arbeitsorganisation des Direktoriums, sofern nichts anderes statutarisch vorgesehen wird, dem Direktorium als Gesamtorgan zugewiesen ist, selbst wenn sie der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (Art. 126 II L. 1966 i.V. mit Art. 99 I D. 1967). Im Recht der SARL obliegt der Erlass der Geschäftsordnung, soweit satzungsmäßig nichts anderes vorgeschrieben ist, den gérants. Der Inhalt der Geschäftsordnung wird in beiden Rechtsordnungen nur rudimentär geregelt, und zwar auf dem Weg dispositiver Vorschriften. So schreibt etwa § 77 I AktG den Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung und durch das 93

Vgl. Dreher, ZGR 1992, S. 62; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 499 ff. Umstritten; wie hier Hüffer4, § 77 AktG, Rdnr. 20; Mertens, K-Komm. AktG2, § 77 Rdnr. 44; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 505; a. A. Geßler/Hefermehl, § 77 AktG, Rdnr. 28; Meyer-Landrut, Gkomm. AktG3, § 77 Rdnr. 19. 95 Vgl. Hachenburg/Mertens8, § 35 GmbHG, Rdnr. 122; Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 35 GmbHG, Rdnr. 16. 94

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Verbot, einzelnen Vorstandsmitgliedern ein Entscheidungsrecht gegen die Vorstandsmehrheit einzuräumen, das Kollegialprinzip für die Willensbildung im Vorstand vor96. Die Vorschrift stellt allerdings dispositives Recht dar und ist nur in kleinen Aktiengesellschaften praktikabel. Sowohl das Kollegialprinzip als auch der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung können gemäß § 77 I AktG mittels der Geschäftsordnungsregelung je nach den Unternehmensbedürfnissen modifiziert werden. So vermag beispielsweise eine arbeitsteilige und häufig nach Ressorts oder Sparten aufgeteilte Organisationsstruktur notwendig und unter bestimmten Voraussetzungen sogar geboten sein. Das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung bleibt jedenfalls unberührt97. Ähnliches gilt auch für das französische Aktienrecht (vgl. Artt. 98, 124 L. 1966). Im Recht der SARL schreibt Art. 49 III i.V. mit Art. 13 II L. 1966, soweit die Aufgabe der Geschäftsführung des SARL einem mehrgliedrigen Geschäftsführungsorgan anvertraut wird, eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis für jeden Geschäftsführer vor, wenngleich die Statuten natürlich von dieser Regelung abweichen dürfen98. Jeder Geschäftsführer verfügt als Mittel zur Selbstkontrolle des Geschäftsführungsgremiums über ein Informations- und Vetorecht99. Über die angesprochenen normativen Züge hinaus obliegt die Geschäftsverteilung dem pflichtgemäßen Ermessen des Entscheidungsträgers. Hierzu soll auf die anlässlich der Delegation von Kompetenzen besprochenen Anmerkungen verwiesen werden. Demgemäß bewegt sich der Entscheidungsträger außerhalb des pflichtgemäßen Ermessens, wenn die erlassene Geschäftsordnung bzw. die Ressortverteilung offensichtlich so unzweckmäßig ist, dass von einer Ablauforganisation bzw. Ressortverteilung überhaupt nicht die Rede sein kann100. 2. Pflicht der Mitglieder des Leitungsorgans zu kollegialer Zusammenarbeit Eine effiziente Aufgabenkoordination setzt in beiden Rechtsordnungen voraus, dass die Organmitglieder des leitenden Organs die Grundsätze der kollegialen Zusammenarbeit untereinander beachten101. Welche Verhaltensweise die kollegiale Zusammenarbeit in concreto verlangt, hängt im Wesentlichen von der 96

So von Werder, DB 1987, S. 2268. Martens, FS Fleck, S. 195; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 224; a. A. Golling, S. 58. 98 Umstritten; wie hier Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 150; Alibert, Rev. Soc. 1975, S. 695 ff.; Martin, RTD com. 1973, S. 185; a. A. Hémard/Terré/ Mabilat, Sociétés Commerciales, t. I, Rdnr. 272, Rdnr. 460. 99 Alibert, Rev. Soc. 1975, S. 605 ff.; Guyon, DdA I10, Rdnr. 494; Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 150. 100 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 115; Lutter, GmbHR 2000, S. 304; vgl. noch BGHZ 109, S. 297, 304 („Baustoff“); OLG Köln, AG 1978, S. 18, 21 („Herstatt“). 97

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Größe und der Zusammensetzung des Organs und dessen konkretem Arbeitsstil ab. In beiden Rechtsordnungen wird anerkannt, dass die Pflicht zu kollegialer Zusammenarbeit fordert, dass die Organmitglieder sich gegenseitig über alle wichtigen Vorgänge vollständig informieren – selbst wenn sie sich nicht in dem ihnen jeweils zugewiesenen Bereich ereignet haben – und einen kooperativen Arbeitsstil pflegen, welcher es den ressortfremden Kollegen ermöglicht, ihre Überwachungspflicht wahrzunehmen102. Insoweit überbrückt die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit die Spannung zwischen der Gesamtverantwortung des Vorstands bzw. der Geschäftsführung und der Kompetenzverteilung zwischen den Organmitgliedern. Eine Sorgfaltspflichtverletzung besteht etwa im Fall, dass ein Organmitglied seinen Funktionsbereich insoweit verselbstständigt, als dass die sonstigen Mitglieder ihrer Überwachungspflicht nicht mehr nachkommen können und der Gesellschaft hierdurch ein Schaden entsteht. Besonderen Wert legt das französische Recht darauf, dass die Mitglieder des Leitungsorgans an den Versammlungen nicht nur physisch, sondern auch geistig aktiv anwesend sind (devoir de présence)103 und ihre Stellungnahmen aktiv auseinandersetzen,

101 Vgl. im deutschen Recht BGH WM 1984, S. 29 ff.; BGH, AG 1998, S. 529; BGH WM 1966, S. 968; OLG Köln, ZIP 1987, S. 1120; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 43; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 30; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 111 ff.; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 9 ff.; Raiser, KapGesR3, § 14 Rdnr. 72; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 226; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 74; im französischen Recht vgl. (zum PDG) Cass. com. 2.7.1985, Bull. civ. IV, no 203, S. 169 („Cointreau“) = D. 1986, S. 351 (Anm. Loussouarn) = JCP éd. E 1986. II. 14578 und éd. G. II. 20518 (Anm. Viandier) = Rev. Soc. 1986, S. 231 (Anm. Le Cannu) = RTD com. 1986, S. 90 (Anm. Reinhard); Cass. com. 24.3.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier). 102 Vgl. im deutschen Recht BGH WM 1966, S. 968; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 44, Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 133; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 74; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 111; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 226; im französischen Recht Cass. com. 2.7.1985, Bull. civ. IV, no 203, p. 169 („Cointreau“) = D.1986, S. 351 (Anm. Loussouarn) = JCP 1986, éd. E. II 14578 und éd. G. II, 20518 (Anm. Viandier) = Rev. Soc. 1986, S. 231 (Anm. Le Cannu) = RTD com. 1986, S. 90 (Anm. Reinhard); Cass. com. 24.3.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier); CA Versailles, 13. ch. 13.6.1996, RJDA 1996-11, no 1404, S. 993; Grossi, Les devoirs, nos 146, 613, 655 ff.; Scholastique, Le devoir de diligence, nos 365 ff., 470 ff.; Basdevant/Chaveriat/Monod, Rdnr. 53, S. 46. 103 Vgl. dazu Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 429 ff., insb. 447; Guyon, DdA I10, Rdnr. 324; CA Lyon, 24.6.1911, J. Soc. 1915, S. 274 (die regelmäßige Abwesenheiten des Verwaltungsratsmitglieds von der Versammlung ist ein Zeichen der Sorgfaltswidrigkeit); Cass. Req. 20.4.1939, GP 1939, II,152; CA Paris, 3 ch. B, 28.10.1994, RJDA 1995-2, no 151, S. 134; CA Lyon, 24.6.1911, J. Soc. 1915, S. 274; Cass. Req. 20.4.1939, GP 1939, 2, 152; aus rechtsvergleichender Sicht ist die Lage im englischen Gesellschaftsrecht ähnlich, vgl. Farrar, S. 319; anders City Equitable Fire Insurance Co. Ltd, a. a. O. (keine Pflicht zur aktiven Beteiligung).

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

so dass der Beschluss das Resultat eines dynamischen Dialogverfahrens darstellt (devoir de déliberer)104. Die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit verlangt schließlich den Respekt vor dem Entscheidungsbereich der sonstigen Organmitglieder, geht aber selbstverständlich nicht soweit, dass Maßnahmen der anderen Mitglieder nicht widersprochen werden dürften105. Jedes Mitglied des Leitungsorgans ist verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um die Ausführung rechtswidriger Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern106. Bei pflichtwidrigen Maßnahmen anderer Leitungsorgansmitglieder könnte sogar unter Umständen eine Oppositionspflicht entstehen107. Das Instrumentarium zur Opposition ist in beiden Rechtsordnungen vielschichtig und die Auswahl des Mittels obliegt dem Ermessen des opponierenden Mitglieds108. Letzteres sollte die Effizienz der Maßnahme und seine Auswirkungen auf die Unternehmensführung mitberücksichtigen. Wichtig ist jedenfalls, dass in beiden Rechtsordnungen die einseitige Amtsniederlegung (demission) vom opponierenden Mitglied als ultima ratio anzusehen ist109. Denn abgesehen von der Abschwächung der Unternehmensführung kann dem amtsniederlegenden Mitglied vorgeworfen werden, dass es nicht im Unternehmen geblieben ist, um die schädigenden Entwicklungen zu bekämpfen und zu beseitigen. Die Gefahr, dass die Amtsniederlegung als abusiv angesehen wird, soll deshalb in beiden Rechtsordnungen mitberücksichtigt werden110. 104 Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 447 ff.; Gourlay, S. 154, Rdnr. 261; CA Paris 18.3.1959, J. Soc. 1959, S. 325; Trib. com. Seine, 3.5.1965, RTD com. 1966, S. 82 (Anm. Houin). 105 Vgl. im deutschen Recht BGH, AG 1998, S. 519 (wiederholte Eingriffe in den Kompetenzbereichs des Mitvorstands als Kündigungsgrund); Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 135; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 112; im französischen Recht vgl. CA Paris 18.3.1959, J. Soc. 1959, S. 325; Trib. Com. Seine, 3.5.1965, RTD com. 1966, S. 82 (Anm. Houin); Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 447 ff.; Gourlay, S. 154, Rdnr. 261. 106 Vgl. im deutschen Recht Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 135; Lutter/Hommelhoff15, § 43 GmbHG, Rdnr. 5; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, S. 71; im französischen Recht vgl. CA Paris 4.3.1994, Bull. Joly, 1994, S. 402 (Anm. Pariente); Cass. com. 31.1.1995, Rev. Soc. 1995, S. 763; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 469 ff.; Gourlay, Rdnr. 341, S. 195; Cheron, Anmerkung zu Cass. crim. 1.3.1945, D. 1946, p. 129. 107 Vgl. im deutschen Recht Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 135; Ebenroth/ Lange, GmbHR 1992, S. 71; im französischen Recht Cass. com. 7.10.1974, JCP éd. G 1975. II. 18129 (Anm. Grua), („devoir de s’opposer à l’exécution d une résolution qui leur semble étrangère à la gestion régulière de la société“); CA Aix 17.3.1981, Bull. Aix. 1981, 2, no 124. 108 Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 468. 109 Vgl. im deutschen Recht vgl. Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 36; im französischen Recht Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 623; Souleau, S. 21; Tunc, S. 36. („La démission n’est normalement pas nécessaire. On peut lui reprocher d être rester . . . dans une société pour lutter contre les tendances qu elle estimait regrettables et alerter au besoin les actionnaires par des moyens plus efficaces que la démission“).

§ 5 Leitungshandeln in der prosperierenden Gesellschaft

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3. Pflicht der Unternehmensleitung zur loyaler Zusammenarbeit mit den sonstigen Verbandsorganen Von Bedeutung für die Ablauforganisation des Unternehmens ist weiterhin die Pflicht der Unternehmensleitung zu loyaler Zusammenarbeit mit den sonstigen Verbandsorganen111. Welche Verhaltensweise diese Pflicht konkret abverlangt, hängt eng mit der jeweiligen Realstruktur zusammen. Aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen haben die Rechtsprechung und die Rechtslehre in beiden Rechtsordnungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, die hierbei zu beachten sind. Hierzu gehören vor allem die Pflicht zur Gewährleistung eines für die Zusammenarbeit zufrieden stellenden Informationsflusses und zur Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung. a) Gewährleistung eines für die Zusammenarbeit der Verbandsorgane zufrieden stellenden Informationsflusses Beide Rechtsordnungen legen besonderen Wert auf die Etablierung eines der kollegialen Zusammenarbeit zufrieden stellenden Informationsflusses, sowohl auf intraorganisatorischer als auch auf interorganisatorischer Ebene. Auf intraorganisatorischer Ebene gehört das Betreiben eines Controlling-Konzepts zur Versorgung von Informationen und zur Koordinierung von Entscheidungen zu den wesentlichen Aufgaben der Unternehmensführung112. Das Controlling hat in diesem Sinne Informationsversorgungs- und Koordinationsfunktion, aber keine Entscheidungskompetenz. Der Controller hilft der Unternehmensleitung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, er stellt nicht den Unternehmer selbst dar, legt weder Ziele des Unternehmens fest noch trifft er Entscheidungen, auch wenn er indirekt zu allem beiträgt113. Die konkrete Ausgestaltung des Controlling-Systems soll, soweit sie spezialgesetzlich nicht festgelegt wird114, dem unternehmeri-

110 Als solche gilt eine demission im französischen Recht, wenn sie zu Unzeit abgegeben wird (demission à contre-temps) so CA Paris, 8.3.1958, D. 1958, J. 342, oder wenn sie darauf gezielt ist, die Gesellschaft zu schaden, vgl. Cozian/Viandier, Droit des sociétés10, Rdnr. 699; Mestre/Blanchard-Sebastien, Rdnr. 3290 ff.; im deutschen Recht vgl. BGH NJW 1978, S. 1435, 1437; BGHZ 78, S. 82, 85 = NJW 1980, S. 2415; Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 40. 111 Im deutschen Recht vgl. BGHZ 20, S. 239 ff.; BGH AG 1998, S. 519; Hopt, GKomm. AktG4, § 93 Rdnr. 137; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 29; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 113 ff.; im französischen Recht vgl. vor allem Grossi, Les devoirs, Rdnr. 611 ff. 112 Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 431 ff.; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 383 ff.; Paillusseau, Études offertes à R. Houin, S. 130. 113 Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 431; Horváth, Controlling, S. 153 ff. 114 Das ist vor allem der Fall bei juristischen Personen, deren Organisation einem branchenspezifischen Aufsichtsrecht unterliegt, wie etwa Banken und Wertpapier-

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

schen Ermessen des Vorstands überlassen werden115. Das ergibt sich nicht nur aus dem Fehlen eines gesetzlich vorgeschriebenen Controlling-Systems, sondern auch aus der Tatsache, dass eine einzige optimale Organisationsstruktur aus dem Unternehmensinteresse nicht erkennbar ist. Hinsichtlich des Ermessensspielraums der Unternehmensleitung bei der Implementierung eines Controlling-Konzepts sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die Unternehmensleitung über die konkrete Gestaltung der Risikomanagementstruktur unter Berücksichtigung der in Frage stehenden nachteiligen Nebenwirkungen und in Einklang mit den Eigenheiten des konkreten Unternehmens (Größe, Branche, Struktur, Kapitalmarktzugang) entscheiden sollte. Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen soll jedenfalls angenommen werden, wenn ein sich zwingend aufdrängendes, organisatorische Maßnahmen erforderndes Problem gänzlich ohne organisatorische Regelung bleibt oder wenn die getroffene Regelung derart offensichtlich unzweckmäßig ist, dass von einer Regelung des Problems schlechterdings nicht mehr gesprochen werden kann. Was den interorganisatorischen Informationsfluss anbelangt, legen beide Rechtsordnungen besonderen Wert auf die Regelung des Informationsflusses unter den Verbandsorganen, indem sie letzteren Auskunfts- und teilweise Einsichtsrechte zubilligen. Im deutschen Aktienrecht werden die Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat ausführlich geregelt (vgl. § 90 AktG): Ersterer ist unter anderem dazu verpflichtet, über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftsführung zu berichten (§ 90 AktG Nr. 1). Außerdem kann der Aufsichtsrat jederzeit Auskunft über Angelegenheiten von erheblichem Gewicht verlangen (§ 90 III). Gegenüber den Aktionären ist der Vorstand nach Maßgabe des § 131 AktG zu Auskünften über die Gesellschaftsangelegenheiten in der Hauptversammlung verpflichtet. Das Auskunftsrecht der Aktionäre ist auf Gegenstände beschränkt, die für die sachmäßige Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstandes erforderlich sind. Ein Bewertungsspielraum des Vorstands zur Verweigerung von Auskünften besteht nur im Fall des § 131 III Nr. 1 AktG, wonach der Vorstand die geforderte Auskunft verweigern kann, soweit sie geeignet ist, der AG oder einem verbundenen Undienstleistungsunternehmen. In diesem Fall übernimmt das Aufsichtsrecht eine Schrittmacherrolle (Fleischer, ZIP 2003, S. 1 ff.; Preußner, NZG 2004, S. 58 ff.). 115 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112; Schäfer J. G., Das Überwachungssystem, S. 102 ff.; Hachmeister, DStR 1999, S. 1456; vgl. auch Füser/Gleissner/ Meier, DB 1999, S. 753 ff.; in rechtsvergleichender Hinsicht vgl. im US-amerikanischen Recht Caremark International Inc., Derivative Litigation 698 A. 2d 959, 971 (Del. Ch. 1996). Es genügt ein „. . . good faith judgement that the corporation’s information and reporting system was in concept and design adequate to assure the board that appropriate information would come to its attention in a timely manner as a matter of ordinary operations. Only a sustained or systematic failure of the board to exercise oversight – such as an utter failure in attempt to assure reasonable information and reporting system exists – will establish a lack of good faith that is necessary condition of liability“.

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ternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (Schutzklausel). Der Nachteil wird in der Regel darin bestehen, dass die Angabe infolge der Auskunft in der Hauptversammlung in die Öffentlichkeit oder zur Kenntnis konkurrierender Unternehmen gelangt. Maßgeblich ist hierzu nicht die subjektive Überzeugung des Vorstands, sondern die vernünftige kaufmännische Beurteilung116. Vor- und Nachteilsabwägung ist nicht in dem Sinne statthaft, dass Vorteile für den Aktionär eine Rolle spielen dürften. Zulässig und geboten ist die Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für die Gesellschaft117. Dabei kann die Aufdeckung von Pflichtverletzungen der Verwaltung (§§ 93, 116 AktG) kein dominierender Vorteil sein118. Die einschlägige Beurteilung des Vorstands ist in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar119. Im GmbH-Recht sind die Geschäftsführer ebenso wie der Vorstand zu umfassender Information gegenüber den Anteilseignern verpflichtet120. Dem Auskunftsrecht der Aktionäre entspricht in diesem Fall der Anspruch jedes Gesellschafters nach §§ 51a, b GmbHG, von den Geschäftsführern Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen sowie ihre Bücher und Schriften einzusehen. Das Auskunftsrecht der Gesellschafter geht im Vergleich zum Aktienrecht insofern weiter, als er allen Informationsinteressen des Gesellschafters dient und sich nicht auf Gegenstände beschränkt, die zur sachmäßigen Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstandes erforderlich sind. Auskunft und Einsicht dürfen nur verweigert werden, wenn zu besorgen ist, dass sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet werden und der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen dadurch ein nicht unerheblicher Nachteil entsteht (§ 51 GmbHG). Ob der Tatbestand vorliegt, können die Geschäftsführer nicht selbst entscheiden, vielmehr ist ein Beschluss der Gesellschafterversammlung dafür notwendig (§ 51a II 2). Fraglich ist, ob dem § 90 AktG entsprechend eine umfassende Berichtspflicht über die wesentlichen Vorgänge im Unternehmen von sich aus der Organstellung des Geschäftsführers in der GmbH zu entnehmen ist121. Dass sich solche Pflichten aus der Satzung oder aus einem Gesellschafterbeschluss ergeben können, steht jedenfalls außer Zweifel122. 116 Vgl. OLG Düsseldorf, WM 1991, S. 2148, 2152; Zöllner, K-Komm. AktG, § 131 Rdnr. 35; Hüffer4, § 131 AktG, Rdnr. 31. 117 Streitig, wie hier Hüffer4, § 131 AktG, Rdnr. 27; Raiser, KapGesR3, § 16, Rdnr. 55; Geßler/Hefermehl/Eckardt, § 131 AktG, Rdnr. 85 ff. 118 BGHZ 86, S. 1, 19; BGHZ 101, S. 1, 9 ff.; a. A. Hüffer4, § 131 AktG, Rdnr. 27. 119 So OLG Düsseldorf, WM 1991, S. 2148, 2152; Hüffer4, § 131 AktG, Rdnr. 24; Raiser, KapGesR3, § 16, Rdnr. 55; Geßler/Hefermehl/Eckardt, § 131 AktG, Rdnr. 85; a. A. von Godin/Wilhelmi, § 131 AktG, Rdnr. 10. 120 Vgl. Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 119; Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 29. 121 Bejahend Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 114; Grunewald, ZHR 1982, S. 225; a. A.: Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 51 GmbHG, Rdnr. 42, Hachenburg/Mertens8, § 43 GmbHG, Rdnr. 29.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

Besonderen Wert legt das französische Recht auf die richterlich fortgebildete Pflicht des PDG zur Informierung der Verwaltungsratsmitglieder. Den Durchbruch hierzu brachte die Entscheidung des Kassationshofs im Fall „Cointreau“123, wo das Gericht zum ersten Mal ein Individualrecht der Verwaltungsratsmitglieder zur Informierung über alle zur Ausübung ihre Aufgaben erforderlichen Informationen anerkannt hat. Durch die besprochene richterliche Rechtsfortbildung nähert das Recht der monistischen SA die Berichtserstattungspflicht des Vorstands im deutschen Aktienrecht an und stellt somit noch ein Indiz für die Konvergenz beider Leitungsstrukturen dar. Die angesprochene Informationsbefugnis von Verwaltungsratsmitgliedern ergibt sich aus ihrer Organstellung und ihren Funktionen124: Die Mitglieder des Verwaltungsrats beteiligen sich nur beschränkt an der operativen Geschäftsführung und sind demnach für ihre Informierung über den Stand der Unternehmensführung vom PDG abhängig125. Diesem Individualrecht entspricht eine Pflicht des PDG gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrats, deren Verletzung nicht nur zur Nichtigkeit des Beschlusses126, sondern auch zur Haftung des PDG wegen faute de gestion fühVgl. Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 51 GmbHG, Rdnr. 42. Cass. com. 2.7.1985, Bull. civ. IV, no 203, p. 169 („Cointreau“) = D. 1986, S. 351 (Anm. Loussouarn) = JCP 1986, éd. E. II 14578 und éd. G II. 20518 (Anm. Viandier) = Rev. Soc. 1986, S. 231 (Anm. Le Cannu) = RTD com. 1986, S. 90 (Anm. Reinhard). Bestätigt durch Cass. Com. 1.12.1987, Bull. Civ. IV, no 260, S. 195 = Bull. Joly 1988 § 3, S. 78 = JCP 1988 éd. E, II, 15168, no 11 (Anm. Viandier/Caussain) = Rev. Soc. 1988, S. 237 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 27.3.1990, Bull. Joly 1990, S. 530 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 24.4.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990. § 138, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier); CA Paris 16.11.1995, Bull. Joly 1996, S. 132 (Anm. Le Cannu) = Dr. et Patrimoine, mai 1996, S. 89 (Anm. Bertrel). 124 Vgl. Cass. com. 2.7.1985, Bull. civ. IV, no 203, p. 169 („Cointreau“) = D. 1986, S. 351 (Anm. Loussouarn) = JCP 1986, éd. E. II 14578 und e.G. II, 20518 (Anm. Viandier) = Rev. Soc. 1986, S. 231 (Anm. Le Cannu) = RTD com. 1986, S. 90 (Anm. Reinhard); Cass. com. 24.4.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier). 125 Vgl. Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 373; Baillod, RTD com. 1990, S. 10 („handicap incontestable“); in der Originalfassung der „Cointreau“: „. . . mettre les administrateurs en mesure de remplir leur mission en connaissance de cause“. Ein Indiz für den Wert, den der Kassationshof auf das Informationsrecht der Verwaltungsratsmitglieder legt, ist ferner, dass den Anspruch auf Information auch ein ehemaliges Verwaltungsratsmitglied erheben darf (Cass. com. 1.12.1987, a. a. O.). 126 In diesem Fall handelte es sich um die Nichtigkeitserklärung eines Verwaltungsratsbeschlusses wegen mangelnder Informierung einiger Verwaltungsratsmitglieder. Hierzu ist für die Bedeutsamkeit der Informationspflicht des Verwaltungsratsmitglieds erwähnenswert, dass der Kassationshof den Beschluss deshalb annulliert hat, weil die Verletzung der Informationspflicht einen Verstoß gegen Art. 98 L. 1966 darstellt. Das ist insoweit bemerkenswert, weil diese Rechtsfolge nur für den Fall der Verletzung von „violations imperatives“ oder bei ausdrücklichem gesetzlichem Gebot eintritt (vgl. 122 123

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ren kann127. Umfang und Tragweite der Informationspflicht des PDG wurden in der ersten Entscheidung im Fall „Cointreau“ wenig geklärt. Dieses Problem wurde anhand der kommenden Entscheidung des Kassationshofs („Cointreau II“)128 ausführlicher erörtert. Hierzu wurde klar, dass die Initiative zur Informierung des Verwaltungsrats vom PDG ausgehen muss129. Insofern darf sich Letzterer nicht auf die Nachlässigkeit des Verwaltungsrats berufen, um seine Fehlleistung zu rechtfertigen130. Die Informationen können sowohl die Angelegenheiten der Tagesordnung der kommenden Versammlung als auch diejenigen einer vergangenen Versammlung betreffen131, der Umfang der gelieferten Auskünfte obliegt jedoch in erster Linie dem Ermessen des PDG. Den Verwaltungsratsmitgliedern steht allenfalls frei, weitere Informationen zu beanspruchen, falls sie es für nötig halten132. Letztere sollen jedenfalls ihre Informationspflicht in Loyalität und im Gesellschaftsinteresse wahrnehmen133. Die von ihnen anhand ihres Rechts auf Information verlangten Auskünfte dürfen verweigert werden, soweit ihr Fehlen auf Nachlässigkeit des Verwaltungsratsmitglieds zurückzuführen ist (z. B. bei einer ungerechtfertigen Abwesenheit von der Versammlung des Organs)134. Was die Informierung der Anteilseigner anbelangt, schreibt der Art. 340 I L. 1966 eine rechtsformübergreifende Pflicht der Unternehmensleitung vor, neben dem Inventar und dem Jahresabschluss einen schriftlichen Geschäftsbericht (Rapport de gestion) zur Informierung der Kapitalanteilseigner zu erstellen. Der Art. 360 L. 1966). Der Kassationshof hat in diesem Sinne die Pflicht des PDG zur Informierung der Verwaltungsratsmitglieder zum „obligation incontourable“ erklärt. Es ist gleichgültig für die Rechtsfolgen beim Verstoß gegen die Informationspflicht, ob der Beschluss ohne die Stimme des Missinformierten Verwaltungsratsmitglieds gültig wäre. Der Kassationshof lehnt insofern die Theorie von vote utile ab (Cass. com. 24.4.1990, JCP éd. E, 1990. I. 53 mit Anm. Jeantin; Baillod, RTD Com 1990, S. 1; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 495). 127 So auch Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 481 ff. 128 Cass. com. 24.4.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990. § 138, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier). 129 So Cass. com. 24.4.1990 („Cointreau II“), Bull. civ. IV, no 125, S. 82 = D. 1990, IR, S. 130 = Bull. Joly 1990. § 138, S. 530 (Anm. Le Cannu) = RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66 (Anm. Jeantin/Viandier) = Rev. Soc. 1991, S. 347 (Anm. Didier); a. A. Reinhardt, RTD com 1989, S. 83. 130 Vgl. die Anm. von Jeantin/Viandier, RD bancaire et bourse no 24, 3/4, 1991, S. 66. 131 Vgl. Cass. com. 1.12.1987, a. a. O. 132 CA Aix-en-Provence, 2e ch., 3.2.1966, JCP 1966, éd. G. II, 14861 (Anm. Percerou) = Rev. Soc. 1966, S. 437 (Anm. Plaisant); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 145. 133 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 655; Baillod, RTD com. 1990, S. 10; Cass. com. 1.12.1987 („Dennery“). 134 So CA Paris 26.3.1986; Bull. Joly, 3/1986, S. 367 = Rev. Soc. 1986, S. 457 (Anm. Guyon); Gourlay, S. 170, Rdnr. 289.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

Bericht gibt u. a. Rechenschaft über die Lage der Gesellschaft während des abgelaufenen Geschäftsjahres, über ihre voraussichtliche Entwicklung, über die wichtigen Ereignisse zwischen dem Abschlussdatum und seiner Errichtung sowie über ihre Tätigkeit in Forschung und Entwicklung (Art. 340 II L. 1966 i.V. mit Art. 148, D. 1967). Die Gesellschafter verfügen jedenfalls über ein individuelles Recht, sich über die Gesellschaftsangelegenheiten zu informieren135. Ein dem § 131 Nr. 1 AktG entsprechendes Verweigerungsrecht wird den dirigeants sociaux im L. 1966 nicht ausdrücklich zugesprochen. Letzteres ist allerdings dem französischen Kapitalgesellschaftsrecht nicht fremd136: Dem Verweigerungsrecht des § 131 Nr. 1 AktG ähnelt das im Schrifttum und Rechtsprechung anerkannte Recht der dirigeants sociaux, die verlangten Auskünfte zu verweigern, wenn die Beantwortung der gestellten Fragen gegen die Geheimhaltungsbedürftigkeit der relevanten Informationen („sécret des affaires“) verstoßen würde137. Was unter dem Begriff „sécret des affaires“ zu verstehen ist, wird nur rudimentär geklärt. Im Grundsatz wird es sich dabei um konkrete Informationen vor allem in Bezug auf die Geschäftsführungsangelegenheiten, den Finanzstand der Gesellschaft und ihre künftige Unternehmensstrategie handeln, deren Enthüllung in die Öffentlichkeit zur Kenntnis konkurrierender Unternehmen gelingen würde138. Maßgeblich ist ebenso wie beim deutschen Aktienrecht nicht die subjektive Überzeugung des verweigernden dirigeant social, sondern die vernünftige kaufmännische Beurteilung der Gesellschaftslage. Zulässig und geboten ist lediglich die Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für die Gesellschaft139. Die dirigeants sociaux sind jedenfalls dazu berechtigt, die vom Anteilseigner verlangten Auskünfte zu verweigern, soweit die relevanten Fragen auf missbräuchliche Weise gestellt sind140. Gerichtliche Beispiele zum Verwei-

135 So schreibt L. 1966 die Pflicht des Verwaltungsrats bzw. Direktoriums (Art. 162 L. 1966) und der gérants (Art. 56 III L. 1966) vor, den Anteilseignern alle Unterlagen zu kommunizieren, welche zur sachmäßigen Beurteilung der Geschäftsführung erforderlich sind. Darüber hinaus sind die Anteilseigner dazu befugt, den dirigeants sociaux zweimal pro Jahr schriftliche Fragen über alle Tatsachen, die die Fortdauer des Unternehmens beeinträchtigen könnten, zu stellen. Der dirigeant ist dann zur Antwort innerhalb eines „delai suffisante“ gehalten (CA Paris, 23.4.1985, RJ com. 1986, S. 143). 136 Zur Pflicht der Auskunftsverweigerung wegen potentieller Schädigung der Gesellschaft vgl. Art. 248-12 D. 1967. 137 Vgl. dazu Grossi, Les devoirs, Rdnr. 668 ff.; Bouloc, Dr. Prat. Com. Int. 1990-1, vol. 16, S. 6; Virassamy, RTD com. 1988, S. 179. 138 So Grossi, Les devoirs, Rdnr. 669; Bouloc, Dr. Prat. Com. Int. 1990-1, vol. 16, S. 9; Guyon, DdA I10, Rdnr. 294. 139 In diese Richtung Cass. soc. 25.1.1993, JCP éd. E, 1994. II. 639 (Anm. Lamarche) = RTD civ. 1994, S. 596 (Anm. Mestre), demnach Einzelheiten über das Privatleben des dirigeants, welche die Gesellschaft schädigen könnten, vom secret des affaire nicht gedeckt sind; noch Grossi, Les devoirs, Rdnr. 670. 140 CA Paris, 23.4.1985, RJ com. 1986, S. 143 (Anm. Le Cannu); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 666.

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gerungsrecht der dirigeants sociaux sind eher selten141. Es ist allerdings zu erwarten, dass diese Verweigerung nur in Extremfällen anzuwenden ist142. b) Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung Die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit verlangt ferner die Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung. Zuwiderhandlungen gelten als Sorgfaltspflichtverstöße, welche zu Leitungsverantwortung führen können143. Die Beachtung der Kompetenzgefüge der sonstigen Gesellschaftsorgane ist bei ausdrücklich vorgeschriebenen Organkompetenzen relativ problemlos. Denn hierbei handelt es sich um eine konkrete und gesetzlich vorgeschriebene Präzisierung der Grenze der Leitungsmacht, deren Einhaltung dem Ermessen der Unternehmensleitung nicht zugewiesen ist. Im französischen Recht ist die Pflicht der dirigeants sociaux zum Respekt vor der gesetzlich definierten Zuständigkeitsordnung ausdrücklich festgeschrieben144. So handelt der dirigeant social sorgfaltswidrig, wenn er es z. B. vernachlässigt oder verweigert, gesetzesmäßige Hauptversammlungsbeschlüsse umzusetzen145 oder die Hauptversammlung in den gesetzlich oder statutarisch vorgeschriebenen Fällen einzuberufen146. Ähnlicherweise besteht im deutschen Recht kein Zweifel daran, dass der Vorstand die Kompetenz der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats zu beachten hat (vgl. § 82 II AktG). Ersterer handelt pflichtwidrig, wenn er satzungsmäßige Mitwirkungsbefugnisse anderer Gesellschaftsorgane in Bezug auf die Geschäftsführung nicht beachtet (vgl. §§ 119 I, II, 111 IV 2 AktG)147 oder wenn er vernachlässigt, die Hauptversammlung in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen 141

Dazu Grossi, Les devoirs, Rdnr. 677 ff. m. w. N. Grossi, Les devoirs, Rdnr. 674; in diese Richtung auch die Stellungnahme der COB: die Berufung auf den sécret des affaires hat nur ausnahmsweise und unter bestimmten Prämissen zu erfolgen (Bull. COB, no 232, 6/1990, S. 9; vgl. noch RCOB 90-02 und RCOB 91-02). 143 Vgl. im deutschen Recht Mertens, K-Komm. AktG2, § 82 Rdnr. 37; Scholz/ Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 113; im französischen Recht vgl. CA Paris 15e ch., 8.11.1996, RJDA 1997-2, no 219, S. 143; Cass. com. 5.6.1961, Bull. civ. IV, no 254, S. 138; Trib. com. Bordeaux, 20.6.1985, Rev. Soc. 1986, S. 628; bereits vor L. 1966 vgl. Cass. com. 11.6.1965, D. 1965, S. 782 = RTD com. 1965, S. 861 (Anm. Houin). 144 Vgl. Artt. 113 (PDG), 98 (Conseil d’Administration), 124 (Directoire), 49 (gérant der SARL) L. 1966; bereits vor L. 1966 vgl. Cass. com. 11.6.1965, D. 1965, S. 782, RTD com. 1965, S. 861 (Anm. Houin), demnach die dirigeants sociax allenfalls verpflichtet sind, das Prinzip der specialité legale zu respektieren. 145 So CA Paris 15e ch., 8.11.1996, RJDA 1997-2, no 219, S. 143; Cass. com. 5.6.1961, Bull. civ. IV, no 254, S. 138; Trib. com. Bordeaux 20.6.1985, Rev. Soc. 1986, S. 628 (Abberufung des gérant einer SARL wegen Respektlosigkeit gegenüber einem Gesellschafterversammlungsbeschluss). 146 Abberufung des dirigeant social wegen nicht Berufung der Gesellschafterversammlung vgl. Cass. com., 29.5.1990, Bull. Joly 1990, p. 795; CA Agen, 9.11.1989, JCP 1990, éd E. 15838, n. 1 (Viandier/Caussain). 147 So BGH, AG 1998, S. 519 (wiederholte Verstöße gegen Entscheidungsvorbehalte nach § 111 IV 2 AktG als Kündigungsgrund). 142

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

einzuberufen. Ähnliches gilt ferner für den Geschäftsführer der GmbH. Letzterer handelt rechtswidrig, wenn er rechtmäßigen Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht Folge leistet148. Der gleichen Bindung an die Zuständigkeitsordnung obliegen auch die Gesellschafter, welche bei der Ausübung ihren Weisungsrechts nicht gegen zwingende gesellschaftsrechtliche Vorschriften, Satzungsbestimmungen oder sonstige zwingende gesetzliche Regelungen verstoßen dürfen149. Rechtswidrige Weisungen brauchen die Geschäftsführer nicht auszuführen150.

Problematischer ist die Wahrung der Zuständigkeitsordnung im Fall ungeschriebener Kompetenzen von Gesellschaftsorganen. Solche Kompetenzen sind dem deutschen Recht im Gegensatz zum französischen nicht fremd. Was das Recht der GmbH anbelangt, wurde diese Problematik an andere Stelle bereits behandelt151. In Bezug auf das Aktienrecht hat sich die Rechtsprechung beim Anlass der „Holzmüller“-Entscheidung des BGH mit der Problematik erstmals höchstrichterlich befasst152. Ausgangspunkt der „Holzmüller“-Entscheidung ist die angelegte Differenzierung zwischen laufender Geschäftsführung und Grundlagen- bzw. Strukturentscheidungen. Entgegen dem „Holzmüller“-Ansatz ist der Vorstand dazu verpflichtet, eine Entscheidung der Hauptversammlung laut § 119 II AktG herbeizuführen, falls sie so tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen eingreift, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, dass er sie ausschließlich in eigener Verantwortung treffen dürfte153. Der Vorstand handelt immer dann sorgfaltswidrig, wenn er ohne die Zustimmung der Hauptversammlung derartige Entscheidungen trifft. Leider hat der BGH weder die Kriterien, denen gemäß die Entscheidungen laut der von ihm aufgestellten Grundsätze an die Zustimmung der Hauptversammlung zu binden ist154, noch die formellen Voraussetzungen155 des einschlägigen Hauptversammlungsbeschlusses definiert. Was die Qualifizierung einer Entscheidung als grundlegend betrifft, bietet sich eine Kombination qualitativer156 und quantitativer157 Merkmale an, ohne dass 148

Vgl. BGHZ 31, S. 258 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, S. 1478. Vgl. BGHZ 31, S. 258, 278; BGHZ 76, S. 159; Scholz/Schneider9, § 43 GmbHG, Rdnr. 97; Hachenburg/Mertens8, § 37 GmbHG, Rdnr. 7. 150 Vgl. BGH GmbHR 1974, S. 131, 132; BGH GmbHR 1980, S. 127, 129. 151 Vgl. oben § 2, A. II. 2. 152 Vgl. BGHZ 83, S. 122 ff.; die Zahl der Stellungnahmen ist inzwischen „Legion“ vgl. Lutter/Leinenkugel, ZIP 1998, S. 805 für eine umfassende Übersicht. 153 Im „Holzmüller“-Fall handelte es sich um die Ausgliederung eines Betriebs, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens (BGHZ 83, S. 122, 131). 154 BGHZ 83, S. 122, 140. 155 Vgl. Lutter/Leinenkugel, ZIP 1998, S. 805 ff.; Weisshaupt, NZG 1999, S. 804 ff.; von Rechenberg, FS Bezzenberger, S. 359 ff. 156 So etwa LG Düsseldorf, AG 1999, S. 94, 95 (die Maßnahme betrifft den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit); LG Frankfurt, ZIP 1997, S. 1698, 1701 (die Maßnahmen betrifft das Gesicht und die Struktur der Gesellschaft); noch LG Stuttgart 1992, S. 236 ff. (Unternehmenskauf); vgl. noch Lutter, FS Stimpel, S. 851; Raiser, KapGesR3, § 16 Rdnr. 14; Geßler, FS Stimpel, S. 786 ff. 149

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dadurch eine starre Grenze gezogen wird. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die diesbezüglichen Qualifizierungskriterien noch offen bleiben158, was allerdings zu einer Rechtsunsicherheit bei der wertenden Beurteilung des Vorstands führt und seinen Handlungsspielraum entsprechend begrenzt. Letzterer ist in der Praxis oft vorsorglich verpflichtet, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen159. III. Implementierung einer Risikomanagemenstruktur Die Implementierung einer Risikomanagementstruktur gehört zu den Kernpunkten sorgfältiger Unternehmensleitung, nicht nur im deutschen und französischem Recht, sondern auch international160. Das deutsche Aktienrecht umfasst nach dem Erlassen des KonTraG eine ausdrückliche Regelung bezüglich der Implementation einer Risikomanagementstruktur im Unternehmen (vgl. § 91 II AktG)161. Der DCG-Kodex sieht ferner vor, dass der Vorstand für ein „angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen“ zu sorgen hat162. Das Risikomanagement-System ist jedenfalls vom Vorstand zu dokumentieren (Dokumentationspflicht)163. Das dient der der internen Revision wie auch der Prüfung des Risikomanagement-Systems durch den Abschlussprüfer. Die Effizienz und Effektivität des Risikomanagement-Systems soll ferner vom Vorstand überprüft werden164. Darüber hinaus wird auch insbesondere der Aufsichtsrat in die Pflicht genommen, das Risikomanagement des Vorstands regel157 Zur Wesentlichkeitsschwelle: Rechtsprechung bejahend bei 80% der Aktiva (BGHZ 83, S. 122); 10% der Aktiva oder des Grundkapitals (LG Frankfurt, ZIP 1993, S. 830, 832); 23% der Konzernbilanzsumme und 30% des Konzernumsatzes (LG Frankfurt, ZIP 1997, 1698 1701 – „Altana/Milupa“); verneinend bei 15,7% des relevanten Auslandsprämienvolumens und 8,25% des gesamten Beitragsvolumens eines Versicherungskonzerns (OLG Köln, ZIP 1993, S. 110, 114); vgl. noch, Lutter, FS Stimpel, S. 850 (Strukturänderung wenn die Transaktion 20% bis 25% des Aktivvermögens der Gesellschaft umfasst); Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 56 ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, S. 181 ff. 158 Wohl Lutter/Leinenkugel, ZIP 1998, S. 805. 159 Dazu Gross, AG 1996, S. 111 ff. mit exemplarischer Aufzählung in Fn. 4. 160 Vgl. im US-amerikanischen Recht Caremark International Inc., Derivative Litigation 698 A. 2d 959, 971 (Del. Ch. 1996); im englischen Recht vgl. § 4.14. Cadbury-Report; Horrocks, 3 Ins. L. 1987, S. 170; vgl. noch im österreichischen Recht § 82 öAktG: „Der Vorstand hat dafür zu sorgen, dass ein Rechnungswesen und ein internes Kontrollsystem geführt werden, die den Anforderungen des Unternehmens entsprechen“. 161 Die Vorschrift ist analog anwendbar auf die GmbH vgl. BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 435; Lutter/Hommelhoff 15, § 43 GmbHG, Rdnr. 11; Altmeppen, ZGR 1999, S. 301 ff. 162 DCG-Kodex, Ziffer 4.1.4. 163 Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 436 164 Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 436.

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mäßig zu überprüfen. Das ergibt sich bereits aus seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe und ist ferner im DCG-Kodex ausdrücklich vorgesehen165. Zu diesem Zweck soll der Aufsichtsrat die für diese Aufgabe notwendigen Informationen entweder aufgrund gesetzlicher Vorschriften (z. B. § 90 AktG) oder sich in Ausübung von Überwachungsrechten aus dem Unternehmen beschaffen166. Durch ihre explizite Ausformulierung gewinnt die Pflicht zur Implementierung einer Risikomanagementstruktur an Prägnanz, indem sie zu den Legalitätspflichten der Unternehmensleitung avanciert167. Das bedeutet allerdings nicht, dass dadurch dem Vorstand jeder Ermessensspielraum bei der Implementierung der Risikomanagementstruktur entzogen ist. Die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagementsystems soll, soweit sie spezialgesetzlich nicht festgelegt wird168, dem unternehmerischen Ermessen des Vorstands überlassen werden169. Das ergibt sich nicht nur aus dem Fehlen eines gesetzlich vorgeschriebenen Risikomanagementsystems, sondern auch aus der Tatsache, dass die Überprüfung des Risikomanagements durch den kaufmännisch vorgebildeten Abschlussprüfer (vgl. § 317 IV AktG n. F. i. V. mit § 321 IV AktG n. F.) nur begrenzt möglich ist170. Insofern kommt es im Gesetz nur darauf an, dass ein Minimumstandard eingehalten wurde171. Dieses Minimum richtet sich, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 91 II AktG ableiten lässt172, nicht auf die Direktion eines „Risikomanagements“ im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, welches Identifizierung, Quantifizierung, Steuerung und Kontrolle der Risiken eines Un165 DCG-Kodex, Ziffer 5.2 und 5.3.2; Kropff, NZG 2003, S. 346; Preußner, NZG 2004, S. 60. 166 Darauf soll nicht weiter eingegangen werden, ausführlicher zum Thema Kropff, NZG 2003, S. 346 ff. 167 Preußner/Zimmermann, AG 2002, S. 661; Theisen, BB 2003, S. 1426. 168 Das ist vor allem der Fall bei juristischen Personen, deren Organisation einer branchenspezifischen Aufsichtsrecht unterliegt, wie etwa Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen. In diesem Fall übernimmt das Aufsichtsrecht eine Schrittmacherrolle (Fleischer, ZIP 2003, S. 1 ff.; Preußner, NZG 2004, S. 58 ff.). 169 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112; Hachmeister, DStR 1999, S. 1456; vgl. auch Füser/Gleissner/Meier, DB 1999, S. 753 ff.; in Rechtsvergleichender Hinsicht vgl. im US-amerikanischen Recht Caremark International Inc., Derivative Litigation 698 A. 2d 959, 971 (Del. Ch. 1996). Es genügt ein „. . . good faith judgement that the corporation’s information and reporting system was in concept and design adequate to assure the board that appropriate information would come to its attention in a timely manner as a matter of ordinary operations. Only a sustained or systematic failure of the board to exercise oversight – such as an utter failure in attempt to assure reasonable information and reporting system exists – will establish a lack of good faith that is necessary condition of liability“. 170 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112; Eggemann/Konradt, BB 2000, S. 503 ff. 171 Fleischer, ZGR 1998, S. 520, 521; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 113. 172 So Hüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 6, 9.

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ternehmens beinhaltet, sondern in die Richtung eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen173. Darunter ist richtigerweise keine Pflicht des Vorstands, durch organisatorische Maßnahmen alle erdenklichen Schädigungen der Gesellschaft zu verhindern, zu verstehen. Das kann auch nicht aus der in der Literatur überwiegend scharf kritisierten Entscheidung des BGH im Fall „Baustoff“ gefolgert werden174. Über die konkrete Gestaltung der Risikomanagementstruktur entscheidet der Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens unter Berücksichtigung der in Frage stehenden nachteiligen Nebenwirkungen und in Einklang mit den Eigenheiten des konkreten Unternehmens (Größe, Branche, Struktur, Kapitalmarktzugang)175. Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen soll jedenfalls angenommen werden, wenn ein sich zwingend aufdrängendes, organisatorische Maßnahmen erforderndes Problem gänzlich ohne organisatorische Regelung bleibt oder wenn die getroffene Regelung derart offensichtlich unzweckmäßig ist, dass von einer Regelung des Problems schlechterdings nicht mehr gesprochen werden kann176. Um ein solches sich unabweislich aufdrängendes Problem handelte es sich im Fall „Baustoff“: Der 173 Zur Abgrenzung vgl. Ballwieser, Controlling und Risikomanagement, S. 434; Emmerich, Risikomanagement, S. 1078. 174 BGHZ 109, S. 297 („Baustoff“). Diese Entscheidung stammt aus dem für das Deliktsrecht zuständigen 6. Senat. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige 2. Senat hat (BGHZ 125, S. 366, 375) offengelassen, ob er sich dieser Rechtsprechung anschließt (für eine Anschließung Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 502; dagegen MünchHdb.AG/Nirk, Rdnr. 781, Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112 ff.). In diesem Fall verurteilte der BGH den Geschäftsführer zum Schadensersatz, weil er durch fehlende Koordination von Einkauf und den mit der Ausführung von Bauaufträgen Betrauten die Verarbeitung von unter Eigentumsvorbehalt eingekaufter Ware zuließ, obwohl hierfür keine Ermächtigung vorlag. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers stützte der BGH auf seine Organisationspflichten als Geschäftsführer, die bei einer deliktischen Pflichtenstellung gegenüber Dritten auch diesen gegenüber Anwendung finden könnten. Zwar spricht der BGH von einer Pflicht des Geschäftsführers, eine Schädigung der Gesellschaft „im Rahmen des Möglichen“ zu verhindern, dies wird allerdings dahingehend relativiert, dass „geeignete organisatorische Maßnahmen“ zu treffen sind. Als Beispiele nennt der BGH Anweisungen und Koordination. Zutreffenderweise hat der Vorstand nur dann „keine ausreichende Vorsorge“ vor Schädigungen getroffen, wenn Anweisungen bzw. eine Koordination völlig fehlen. Eine Organisationspflicht besteht damit nicht bei fern liegendem Schadenseintritt. Zur Relevanz der „Baustoff“-Entscheidung für die Innenhaftung vgl. Lutter, GmbHR 2000, S. 301, 304. 175 Vgl. RegBegr, BT-Drucks 13/9712, S. 15; auch Hüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 7; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112 ff. 176 So Lutter, GmbHR 2000, S. 304; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 115; vgl. noch LG Berlin, AG 2002, S. 682, 683; hierbei hat erstmals ein Instanzgericht das Fehlen geeigneter Maßnahmen zum Risikomanagement als wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung eines Vorstandsmitglieds angesehen. Dies gelte vor allem, wenn das Risikomanagement lediglich bezüglich einer von mehreren Risikogruppen fehle, oder mit wesentlichen Mängeln behaftet sei. Im Fall des LG Berlin ging es um das Risikomanagement einer Bank, das die Marktpreis-, Liquiditäts- und Betriebsrisiken in hinreichender Form erfasste, während lediglich das Risikomanagement zur Steuerung des Kreditrisikos die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllte.

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Eingriff in fremde Eigentumsrechte war nicht nur klar vorhersehbar, er musste aufgrund mangelnder Kommunikation verschiedener Abteilungen fast zwangsläufig erfolgen. Im Gegensatz zum deutschen Recht enthält das französische Gesellschaftsrecht keine ausdrückliche Regelung zur Implementierung einer Risikomanagementstruktur im Unternehmen. Trotzdem wird von der Rechtslehre überwiegend anerkannt, dass es zu den Aufgaben eines sorgfältigen dirigeant social gehört, ein Informationssystem einzurichten, welches der Unternehmensleitung einen aktuellen und schnellen Überblick über die Gesetzeslage und damit die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ermöglicht177. Konkrete Angaben in Bezug auf den Umfang und die Tragweite des Risikomanagementsystems liegen weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung vor. Angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Regelung bleibt noch unklar, ob unter der angesprochenen Aufgabe die Implementierung eines Risikomanagementsystems im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, welches Identifizierung, Quantifizierung, Steuerung und Kontrolle der Risiken eines Unternehmens beinhaltet, oder eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu verstehen ist. Insofern empfiehlt sich, die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagementsystems, soweit sie spezialgesetzlich nicht festgelegt wird, dem unternehmerischen Ermessen der dirigeants sociaux zuzuweisen. Das ergibt sich ferner aus der Tatsache, dass eine einzige optimale Organisationsstruktur aus dem Unternehmensinteresse nicht erkennbar ist. Hinsichtlich des Ermessensspielraums der Unternehmensleitung bei der Implementierung einer Risikomanagementstruktur sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die anlässlich des deutschen Rechts angesprochenen Überlegungen hierbei zur Anwendung kommen könnten. So entscheidet der dirigeant social über die konkrete Gestaltung der Risikomanagementstruktur unter Berücksichtigung der in Frage stehenden nachteiligen Nebenwirkungen und in Einklang mit den Eigenheiten des konkreten Unternehmens (Größe, Branche, Struktur, Kapitalmarktzugang). Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen soll jedenfalls angenommen werden, wenn ein sich zwingend aufdrängendes, organisatorische Maßnahmen erforderndes Problem gänzlich ohne organisatorische Regelung bleibt oder wenn die getroffene Regelung derart offensichtlich unzweckmäßig ist, dass von einer Regelung des Problems schlechterdings nicht mehr gesprochen werden kann. IV. Pflicht zu ordnungsmäßiger Buchführung Zu den Kernelementen sorgfältiger Geschäftsführung gehört anerkanntermaßen die ordnungsmäßige Buchführung (vgl. § 91 I AktG i.V. mit §§ 238 I, 3 I, 177 So Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 383 ff.; Paillusseau, Études offertes à R. Houin, S. 130.

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6 HGB und Art. 8 und 9 CdC)178. Bei der Buchhaltung ist die Unternehmensleitung dazu verpflichtet, eine „image fidèle“ der Geschäftslage vorzulegen179. Diese fraglos die Unternehmensleitung treffende Pflicht wird vor allem als öffentliche Pflicht verstanden180, andererseits stellt sie eine Verpflichtung der Unternehmensleitung gegenüber der Gesellschaft dar181. Verletzungen der Pflicht zur ordnungsmäßigen Buchführung stellen u. a. das Fehlen eines Kalkulationsbuches, das Fehlen eines Verzeichnisses über Warenein- und Warenausgang182, sowie eine Buchführung, bei der nicht erkennbar ist, ob vereinnahmte Gelder an die Gesellschaft abgeführt wurden183, dar. Die konkrete Gestaltung der Unternehmensstruktur zur ordnungsmäßigen Buchführung bleibt nach richtiger Ansicht dem unternehmerischen Ermessen der Unternehmensleitung überlassen184. Dafür spricht vornehmlich, dass das Gesetz die konkrete Ausgestaltung der Buchführungsstruktur nicht regelt, und weiterhin, dass sich eine optimale Organisationsstruktur aus dem Unternehmensinteresse nicht entnehmen lässt. Insofern erscheint eine Entscheidung des OLG Bremen, nach der die Buchhaltung mehrerer konzernverbundener Firmen in der Hand eins Buchhalters pflichtwidrig sein sollte, als kritikwürdig185. Begründet wurde diese Entscheidung mit der Pflicht des Geschäftsführers, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Es müsse deshalb nach Kräften der von untreuen Arbeitern drohenden Gefahr entgegengewirkt werden. Zugestanden wird, dass ein gemeinschaftlicher Bürobetrieb und die Vereinigung verschiedener Funktionen in einer Person insbesondere durch Einsparung von Kosten und Arbeitskräfte durchaus Vorteile haben könnte. Weiter heißt es aber, dass sich jeder Kaufmann in seinem Betrieb die Gefahr untreuer Arbeiter nur dann leisten darf, soweit es sich nur um eigenes Vermögen handelt. Mit der AnerkenHüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 2; Lutter, GmbHR 2000, S. 302; Hachenburg/Mertens , § 41 GmbHG, Rdnr. 5; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 703; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 618 ff. 179 Vgl. im deutschen Recht BGHZ 124, S. 111, 117; Raiser, KapGesR3, § 18, Rdnr. 17; im französischen Recht Art. 9 V CdC; Trib. com. Paris, 4e ch. 19.10.1982, GP 18-20.9, S. 7; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 618 ff.; Du Pontavice, Mélanges Flattet, S. 85; Rocquilly, PA 25.6.1993, no 76, S. 19; Doyen, GP 1984, S. 211. 180 Vgl. BGHZ 125, S. 366, 377; Hüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 2; Lutter, GmbHR 2000, S. 302; Hachenburg/Mertens8, § 41 Rdnr. 5. 181 So BGH, GmbHR 1991, S. 101; Hüffer4, § 91 AktG, Rdnr. 2; Lutter, GmbHR 2001, S. 302; Goette, ZGR 1995, S. 648 ff. 182 RGZ 106, S. 346, 347 ff.; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 703. 183 BGH NJW 1974, S. 1468; BGH WM 1980, S. 1190; BGH WM 1985, S. 1293; BGH ZIP 1991, S. 159, 160 ff.; zur strafrechtlichen Beurteilung BGH, JR 1966 mit Anm. Schröder; solche Eintragungen sind im französischen Recht als „fausses factures“ bezeichnet vgl. etwa Cass. crim. 2.3.1987, Bull. crim. no 101. 184 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 112; Hachmeister, DStR 1999, S. 1456; vgl. im französischen Recht Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 67, 793 ff. 185 OLG Bremen, GmbHR 1964, S. 8, 9. 178 8

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nung der juristischen Person sind andererseits solche Sonderpflichten nicht in Einklang zu bringen186. V. Zusammenfassung und Ergebnisse 1. Verhaltensanforderungen bei der Unternehmensorganisation Die Rechtsvergleichung hat gezeigt, dass die Rechtsprechung und die Rechtslehre beider Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet haben, die bei der Unternehmensorganisation zu beachten sind. Die herausgearbeiteten Sorgfaltspflichten stellen sowohl gesetzliche als auch originäre Leitungsaufgaben dar. Hierzu gehören Fragen sowohl der Aufbau- als auch der Ablauforganisation, wie etwa der Bildung und Besetzung von Führungsposten, der Ressortverteilung, der Implementierung einer Controlling- und Risikomanagementstruktur und der ordentlichen Buchführung. Bei der Aufbauorganisation bzw. bei der Delegierung von Kompetenzen erkennen beide Rechtsordnungen eine Auswahl- und Überwachungsverantwortung des Entscheidungsträgers bzw. des Delegierenden für den Fall, dass die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der von ihm besetzten Stelle offensichtlich untauglich ist187. Im französischen Recht wird sogar vertreten, dass jedes Verwaltungsratsmitglied, das seine Bestellung zum PDG annimmt, obwohl er ihm seine deutliche Inkompetenz zur Wahrnehmung der einschlägigen Aufgaben bekannt ist, eine Sorgfaltspflichtverletzung begeht188. Bei der Ablauforganisation hat die Unternehmensleitung u. a. zu prüfen, ob die delegierten Kompetenzen zu den der Kompetenzverteilung zugänglichen Entscheidungsbereichen gehören. Welche Entscheidungsbereiche als unverteilbar anzusehen sind, wird in beiden Rechtsordnungen nicht endgültig festgelegt; es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass die Kompetenzen, die dem Leitungsorgan als Gesamtorgan kraft zwingenden Rechts zugewiesen sind, im Grundsatz undelegierbar sind. Besonderen Wert legen beide Rechtsordnungen auf die Pflicht der Unternehmensleitung zur kollegialen Zusammenarbeit, sowohl auf interorganisatorischer als auch auf intraorganisatorischer Ebene. Darun186

Zutreffend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 115. In diese Richtung Scholz/Schneider8, § 43 GmbHG, Rdnr. 34 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 223; Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 406 ff.; Piedélièvre, Rdnr. 57. 188 Vgl. Cass. com. 7.11.1977, Bull. civ. IV, no 251, S. 213; Didier, Droit Commercial, t. 22, S. 158; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 111; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 531; Daigne, PA 30.11.1990, no 144, S. 25; ders., PA 3.12.1990, no 145, S. 20; a. A. Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 187 in Anlehnung an Trib. Com. Paris, Ie ch., 23.4.1979, RJC 1979, S. 315 (Anm. Merle). 187

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ter lassen sich u. a. die Pflicht der Unternehmensleitung zur Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung und vor allem ihre Pflicht zur Etablierung eines der kollegialen Zusammenarbeit zufrieden stellenden Informationsflusses subsumieren. Auf intraorganisatorische Ebene bedeutet Letzteres für beide Rechtsordnungen die Erstellung eines Controlling-Konzepts. Auf interorganisatorisches Niveau ist vor allem die Etablierung einer effizienten Kommunikation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bzw. zwischen Verwaltungsrat und PDG hervorzuheben. Hierzu gelingen beide Rechtsordnungen über unterschiedliche Wege zu gleichen Ergebnissen, was als weiteres Zeichen für die Konvergenz der dualistischen und der monistischen Leitungsstruktur zu interpretieren ist189. Was schließlich die Implementierung einer Risikomanagement-Struktur anbelangt, wird sie im deutschen Aktienrecht als leitungsbezogene Aufgabe zwar ausdrücklich, jedoch nicht ausführlich vorgeschrieben. Im AktG kommt es nur darauf an, einen Minimumstandard diesbezüglich einzuhalten. Dieses Minimum richtet sich nicht auf die Direktion eines „Risikomanagements“ im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, sondern in die Richtung eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen. Im französischen Recht ist angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung zur Implementierung einer Risikomanagementstruktur unklar, ob darunter die Implementierung eines Risikomanagementsystems im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, welches Identifizierung, Quantifizierung, Steuerung und Kontrolle der Risiken eines Unternehmens beinhaltet, oder eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu verstehen ist. Insofern empfiehlt sich, die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagementsystems, soweit sie spezialgesetzlich nicht festgelegt wird, dem unternehmerischen Ermessen der dirigeants sociaux zuzuweisen. 2. Unternehmensorganisation und Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers Wenn man die oben beschriebenen Sorgfaltsanforderungen an die Unternehmensorganisation näher betrachtet, wird es ersichtlich, dass sie zum großen Teil den Legalitätspflichten zuzuordnen sind. Das schränkt einigermaßen den Handlungsspielraum der Unternehmensleitung ein, denn soweit die Verhaltensanforderungen deutlich vorgeschrieben sind, befindet man sich schon im Bereich der Erkenntnisentscheidungen190. Das ist etwa der Fall bei der Pflicht der Unterneh-

189

Vgl. supra § 5, C. II. 3. a). Der Gegenfall ist allerdings nicht auszuschließen: Bei ungeschriebenen Kompetenzen ist der Vorstand in der Praxis oft vorsorglich verpflichtet, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. In diesem Fall besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung, jedoch bleibt der Ermessensspielraum der Unternehmensleitung beschränkt. 190

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mensleitung zur Wahrung der Zuständigkeitsordnung bei ausdrücklich vorgeschriebenen Kompetenzverteilungen. Das Vorliegen leitungsbezogener spezialgesetzlicher Regelungen bedeutet jedoch keinen automatischen Ermessensausschluss für die Unternehmensleitung. Eine eingehende Untersuchung zeigt, dass der Gesetzgeber insofern einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane anerkennt, als er Legalitätspflichten vorschreibt, die einen Diskretionsspielraum in sich enthalten. Solche Pflichten schließen das Leitungsermessen nicht völlig aus, sondern geben für das geforderte Verhalten einen gewissen Rahmen vor. So darf kein Vorstand bzw. dirigeant social etwa auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Buchführung verzichten. Andererseits bleibt die konkrete Gestaltung der Unternehmensstruktur zur ordnungsmäßigen Buchführung nach richtiger Ansicht dem unternehmerischen Ermessen der Unternehmensleitung überlassen. Dafür spricht vornehmlich, dass das Gesetz die konkrete Ausgestaltung der Buchführungsstruktur nicht regelt, und weiterhin, dass sich eine optimale Organisationsstruktur aus dem Unternehmensinteresse nicht entnehmen lässt. Ähnliches gilt auch für die Implementierung einer Risikomanagement-Struktur und die Gestaltung der Ablauforganisation. Was schließlich die Führungspostenbesetzung anbelangt, verfügt der Entscheidungsträger im Rahmen der normativen Züge über ein Auswahlermessen. Die Konturen des Bewertungsspielraums sind in der Rechtpraxis beider Rechtsordnungen wenig beachtet worden. Soweit dem Entscheidungsträger ein Beurteilungsspielraum gewährleistet wird, könnten die gemeinsamen Grundsätze unternehmerischen Ermessens zur Konkretisierung des haftungsfreien Ermessensspielraums genutzt werden. So könnte man in Bezug auf die Bestellung von Führungsposten zunächst prüfen, ob der Entscheidungsträger die ausgewählten Organwalter ohne Interessenkonflikt, unter sorgfältiger Überprüfung der relevanten Informationen und im Gesellschaftsinteresse gewählt hat. Soweit der Entscheidungsträger zur Einschätzung der fachlichen und persönlichen Kompetenz des zu bestellenden Organwalters nicht im Stande ist oder ihm die erforderlichen Informationen fehlen, kann die Bildung eines Personalausschusses (comité de selection) oder die Heranziehung eines Personalberaters geboten sein. Ein Verstoß gegen das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse kommt dann in Betracht, wenn die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der oberen Führungsebene offensichtlich untauglich ist. Dies ergibt sich bereits aus der bisherigen Praxis beider Rechtsordnungen. Soweit die angesprochenen Voraussetzungen vorliegen und kein Verstoß gegen sonstige Gesetzesvorschriften vorliegt, besteht kein Bedürfnis nach einer inhaltlichen Nachprüfung des Beschlusses durch die Gerichte. Was die aufbauorganisatorischen Maßnahmen und vor allem die Ressortbildung, die Delegation von Kompetenzen an die nachgeordnete Führungsebene und die Implementierung einer Risikomanagementstruktur anbelangt, könnte hierzu vor der materiellen Beschluss-

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kontrolle ebenfalls geprüft werden, ob die einschlägigen Entscheidungen verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung und im Gesellschaftsinteresse ohne Verletzung sonstiger Gesetzesvorschriften getroffen sind. Die Unternehmensleitung handelt offensichtlich außerhalb des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses, wenn sie überhaupt keine aufbauorganisatorischen Maßnahmen trifft oder wenn die vorgenommene Ressortbildung offensichtlich unzweckmäßig ist. Das gleiche sollte auch für die Implementierung einer Risikomanagementstruktur und für die Delegation von Kompetenzen an die nachgeordnete Führungsebene gelten: Der Entscheidungsträger verhält sich in diesem Fall außerhalb des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse, wenn die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse des Ressorts offenbar untauglich ist. Diese Plausibilitätskontrolle deckt sich jedenfalls mit der bisherigen Praxis beider Rechtsordnungen.

D. Unternehmenskontrolle I. Gesetzliche Grundlagen Die Unternehmenskontrolle ist als Kernaufgaben der Geschäftsleitung191 in beiden Rechtsordnungen dezentral verortet. So obliegt im deutschen Aktienrecht die Leitungsüberwachung sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat. Ersterer ist aus dem Prinzip der Gesamtverantwortung (§ 93 I AktG) zu einer Selbstkontrolle verpflichtet, während der Aufsichtsrat eine organbezogene Kontrolltätigkeit übernimmt192. Ähnliches gilt für die Kontrolle des Direktoriums vom conseil de surveillance im Recht der SA modernen Typus193. Die Kontrolle des Aufsichtsrats bzw. des conseil de surveillance obliegt der Hauptversammlung bzw. des assemblée des actionnaires. Letztere ist u. a. dazu befugt, die Aufsichtsratsmitglieder bzw. die Mitglieder der conseil de surveillance abzuberufen. Ähnliches gilt auch im Recht der GmbH bzw. der SARL, wo die funktionsbezogene Kontrolle der Geschäftsführung den Geschäftsführern bzw. gérants zugewiesen ist194, während die Organkontrolle der Gesellschafterver191 So im deutschen Recht Hüffer4, § 76 AktG, Rdnr. 15; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 75 ff.; Martens, FS Fleck, S. 196 ff.; Schwark, ZHR 1978, S. 216 ff.; im französischen Recht vgl. CA Bordeaux, 2e ch. 18.11.1981, RJ com. 1982, S. 236 (Anm. Cherchouly-Sicard); Cass. com. 31.1.1995, Bull. civ. IV, no 29, S. 24 = Bull. Joly 1995, S. 341 (Anm. Couret), BRDA 1995-4, S. 5 = D. 1995, IR, S. 50 = Dr. et Patrimoine 6/1995, S. 84 (Anm. Bertrel) = JCP 1995, éd. E. pan. 361, I, 475, no 9 = RTD com. 1996, S. 543 (Anm. Haehl). 192 Vgl. oben § 2, A. II. 2. a). 193 Ausführlicher § 2, A. II. 2. a). 194 Zu diesem Zweck verfügt jeder gérant über umfangreiche Informations- und Vetorechte (Alibert, Rev. Soc. 1975, S. 605 ff.; Guyon, DdA I10, Rdnr. 494; CherchoulySicard, La responsabilité civile, Rdnr. 150). Jeder gérant ist dazu verpflichtet, die Ge-

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sammlung bzw. (im deutschen Recht) dem fakultativen Aufsichtsrat zusteht. Was das Recht der monistischen SA anbelangt, sind die Verwaltungsratsmitglieder anerkanntermaßen dazu verpflichtet, den Gesellschaftsstand und insbesondere ihren Finanzstand seriös zu überwachen und zu kontrollieren195. Aus dem kollegialen Charakter des Verwaltungsrats ergibt sich ferner eine Pflicht der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder, die Tätigkeit ihrer sonstigen Kollegen im Verwaltungsrat ständig zu kontrollieren (funktionsbezogene Selbstkontrolle)196. Die oberste Kontrolle der Unternehmensleitung obliegt jedenfalls der Hauptversammlung, welche zu diesem Zweck über umfangreiche Rechte verfügt197 und zur jederzeitigen Abberufung der Verwaltungsratsmitglieder befugt ist (Art. 90 II L. 1966). Besonderen Wert legen sowohl die Rechtspraxis als auch die Rechtslehre auf die Kontrolle der Tätigkeit des PDG seitens der Verwaltungsratsmitglieder198. Zu diesem Zweck verfügt jedes Verwaltungsratsmitglied über ein umfangreiches Auskunftsrecht gegenüber dem PDG, dessen Nichtausübung in Einzelfällen als Verletzung seiner Pflicht zur Kontrolle anzusehen ist199. Der Prüfungsmaßstab des Verwaltungsrats bei der Begutachtung der Geschäftsführung durch den PDG ist sowohl die Rechts-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit der Führungsmaßnahmen200. Konsequenterweise sollen sich die Verwaltungsratsmitglieder ein eigenes Urteil darüber bilden, ob die Leitungsmaßnahmen des Vorstands plausibel und folgerichtig sind und den PDG dementsprechend beraten201. sellschaftssituation und insbesondere den Finanzstand des Unternehmens ständig zu überwachen und zu kontrollieren: CA Paris, 3 ch. B, 16.11.1988, Bull. Joly 1989, S. 189 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 24.3.1965, Bull. civ. III, no 231, S. 206 (Haftung des gérant wegen unzulänglicher Kontrolle der Buchführung); jeder gérant ist, ebenso wie jedes Verwaltungsratsmitglied, dazu verpflichtet, die Tätigkeit der cogérants und der von ihm gestellten Hilfspersonen zu überwachen: Cass. com. 9.12.1957, Bull. civ. no 338, S. 290; Cass. com. 11.10.1971, Bull. civ. no 235, S. 219; vgl. noch CA Paris, 3 ch. B, 16.11.1988, Bull. Joly 1989-2, S. 189 (Anm. Le Cannu); Cass. com. 6.2.1962, Bull. civ. III, no 80, S. 65. 195 Statt vieler CA Paris 25e ch. B, 4.2.1994 (zur Pflicht zur Prüfung der Buchführung), Bull. Joly 1994-4, S. 402 (Anm. Pariente); weiterhin CA Paris 18.6.1991, GP 1992, I, S. 148 = Bull. Joly 1992, S. 177 § 82 (Anm. Couret); CA Versailles, 21.10. 1993, Bull. Joly 1994, S. 99; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 152 ff.; Paulet, Rdnr. 23. 196 Cass. com. 16.6.1953, Bull. civ. III, no 222 (eine tägliche Überwachung ist allerdings nicht erforderlich); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 139; Basdevant/Chaveriat/Monod, Rdnr. 74. 197 Vgl. etwa Artt. 170, 283-2, 302 II; 360 II L. 1966; Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 439 ff. 198 Cass. civ. 29.5.1980, Bull. civ, no 163, S. 131; Grossi, Rdnr. 146 ff.; Didier, Droit Commercial, t. 22 S. 319; Berdah, Rdnr. 210. 199 CA Versailles, 13. ch. 13.6.1996, RJDA 1996-11, no 1404, S. 993. 200 Vgl. Cass. com. 10.5.1948, JCP 1949, éd. G, II, 4937 (Anm. Bastian) = D. 1950, 1, S. 77 (Anm. Plaisant). 201 Vgl. Cass. com. 10.5.1948, JCP éd. G. 1949. II. 4937 (Anm. Bastian) = D. 1950, 1, S. 77 (Anm. Plaisant).

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Fraglich bleibt, ob die Verwaltungsratsmitglieder auch zur Überwachung des directeur général verpflichtet sind. Der Art. 116 L. 1966 schreibt diesbezüglich vor, dass die Verwaltungsratsmitglieder nach einschlägigem Vorschlag des PDG zur Abberufung des directeur général zuständig sind. In Anlehnung an diese Vorschrift wird teilweise vertreten, dass neben dem PDG der Verwaltungsrat zur Überwachung der Tätigkeit des directeur général verpflichtet ist202. Solch eine Behauptung widerspricht allerdings dem lebenden Recht der SA: Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind nicht ständig auf die operative Geschäftsführung angewiesen und demnach verfügen sie nicht über die erforderliche Präsenz zur Erfüllung solch einer Aufgabe. Insofern sollte man zutreffender über eine akzessorische Kontrolle des directeur général vom Verwaltungsrat reden203.

II. Umfang und Tragweite der Selbstkontrolle der Unternehmensleitung Ein jede Überwachung umfassender Ausschluss unternehmerischen Ermessens erscheint angesichts der Fülle der in einem Unternehmen getroffenen Entschließungen weniger sinnvoll. Deshalb wird man für die Annahme einer Nachprüfungspflicht nicht jede Möglichkeit eines Fehlverhaltens genügen lassen können; der Kontrolleur sollte vielmehr über die Freiheit verfügen, sich auf die wichtigen ablauf- und aufbaubestimmenden Entscheidungen zu konzentrieren. Die Anerkennung eines Ermessensspielraums der Unternehmensleitung bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben ergibt sich demnach aus der Natur der Sache. Die genaue Abgrenzung zwischen notwendiger Kontrolle und zulässigem Risiko sind in abstracto schwer zu bestimmen. Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen wird jedenfalls vorliegen, wenn überhaupt keine Kontrolle ausgeübt wird oder wenn die Unternehmensleitung beim akuten, konkreten Verdacht auf Fehlverhalten die erforderliche Kontrolltätigkeit offensichtlich unzureichend oder sogar überhaupt nicht übernimmt, damit weitere Komplikationen verhindert werden204. Einem konkreten Verdacht ist jedenfalls nachzugehen. Nachforschungen sind im Hinblick auf die Grenzen unternehmerischen Ermes202 In diese Richtung Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 41; Guyon, Jur. Class. Soc. Fasc. No 72, S. 9. 203 Vgl. Cass. req. 7.1.1930, D. 1932, I, S. 191 (Anm. Cordonnier); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 149; Juglart/d’Ippolito, Les Sociétés, Rdnr. 723. Insofern erweist sich eine Entscheidung des CA Lyon vom 10.11.1981, welche den Verwaltungsratsmitgliedern sogar eine Pflicht zur Überwachung der Tätigkeit der Arbeitnehmer bzw. leitenden Angestellten zuschreibt bemerkenswert, und wurde richtigerweise im Schrifttum kritisiert (so Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 41; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 150, vgl. auch Cass. com. 6.2.1962, CA Paris, 25e ch. 4.2.1994). 204 Vgl. Section 4.01. des ALI-Principles of Corporate Governance: Nachprüfungen sind nur dann durchzuführen, wenn die Umstände einen reasonable director alarmieren und von der Notwendigkeit einer Überzeugen würden; vgl. noch Hansen, A Guide to the American Law Institute Corporate Governance Project, S. 17; Perkins, 41 Bus. Law (1986), S. 1195; Kneeper, Liability of corporate officers and directors3, S. 31.

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sens nur bei einem hinreichend konkreten, schwer wiegenden Verdacht auf Fehlentwicklung zu verlangen. Im deutschen Aktienrecht obliegt die Auswahl der zu kontrollierenden Sachverhalte beim Fehlen von Spezialregelungen und vorbehaltlich des Falles konkreten Verdachts auf ein Fehlverhalten dem pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands205. Unzureichende Kontrolle kommt insbesondere in Betracht, wenn Zustände eintreten, die bei oberflächlicher Kontrolle beseitigt worden wären206. Eine Überschreitung des Ermessensspielraums wird nur dann vorliegen, wenn der Vorstand überhaupt keine Selbstkontrolle ausübt oder beim akuten, konkreten Verdacht auf Fehlverhalten die erforderliche Kontrolltätigkeit offensichtlich unzureichend oder sogar überhaupt nicht übernimmt, damit weitere Komplikationen verhindert werden207. Hat etwa der Vorstand von unberechtigten Entnahmen aus der Gesellschaftskasse Kenntnis, so muss er grundsätzlich tätig werden, um weitere Entnahmen zu verhindern208. Wegen der Fülle möglicher Verdachtsfälle wird man für die Annahme eine Nachprüfungspflicht nicht jede Möglichkeit eines Fehlverhaltens genügen lassen können. Die Durchführung einer Prüfung muss zwingend erscheinen. Auch hinsichtlich der Breite und Tiefe der Nachforschungen ist auf das Kontrollermessen des Vorstands zu verweisen. Umstritten ist in Bezug auf die Nachforschungspflicht die Problematik des Vertrauens unter den Vorstandsmitgliedern und ihren Mitarbeitern bei arbeitsteiliger Unternehmensführung. In Anlehnung an das US-amerikanische Gesellschaftsrecht wird im deutschen Recht die Ansicht vertreten, dass der Vorstand auf die Leitungsentscheidungen anderer sorgfältig ausgewählter Ressortleiter vertrauen darf und für dort auftretende Sorgfaltspflichtverletzungen nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter Kenntnis von den Pflichtverstößen hatte, u. U. sogar mitgewirkt hat oder diese aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden unternehmensinternen Informationen bekannt sein sollten, entfällt das Vertrauen in ihm und der Vorstand soll eingreifen209. Anders sieht die Rechtslage in Bezug auf die Tragweite der leitungsbezogenen Selbstkontrolle im französischen Aktienrecht aus. Die Rechtspraxis bietet zahlreiche apodiktische Aussagen über konkrete Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung bei der Wahrnehmung ihrer Pflicht zur Selbstkontrolle an.

205 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 117; Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1159. 206 So bereits RGZ 98, S. 100 ff. 207 Vgl. BGH WM 1986, S. 789, 790; OLG Hamm, GmbHR 1992, S. 375, 377; OLG Koblenz, GmbHR 1991, S. 416, 417; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 117; Hirte, NJW 2000, S. 3321, 3326. 208 OLG Koblenz, GmbHR 1991, S. 416, 417. 209 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 117 ff.

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So ist der PDG etwa verpflichtet, die Geschäftsführungssituation und insbesondere ihren Finanzstand regelmäßig zu überwachen und zu kontrollieren so dass er die Leistungsfähigkeit des Betriebs messen und ihre Probleme rechtzeitig erkennen kann. Seine Überwachungsaufgaben wachsen, soweit die Gesellschaft sich in einer Krise befindet210. Ferner soll der PDG die Tätigkeit der Personen prüfen, denen er bestimmte Aufgaben oder sogar einen Teil seiner Kompetenz delegiert hat211. Dazu gehört u. a. die Tätigkeit des directeur général212 wie auch die der leitenden Angestellten der SA213. Die Verwaltungsratsmitglieder sollen darauf achten, dass der PDG die Risikobereitschaft des Betriebs nicht übermäßig belastet214. Im Gegenfall sollten sie den PDG darauf aufmerksam machen oder im Notfall ihre devoir d’opposition wahrnehmen215.

Die Frage nach dem Ermessen der dirigeants sociaux bei der Wahrnehmung ihrer Pflicht zur Selbstkontrolle wird allerdings weder in Rechtsprechung noch in der Rechtslehre erörtert. Aus den geringen Entscheidungen lässt sich feststellen, dass der Ermessensspielraum der dirigeants sociaux bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben besonders eng gestaltet ist. So kennt die Rechtsprechung keinen „droit à l’erreur“ der dirigeants sociaux bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben216, vielmehr tendiert sie dazu, das Fehlverhalten der Hilfsperson dem Ressortleiter bzw. dem zuständigen Verwaltungsratsmitglied automatisch zuzurechnen217. Selbst das faktische Machtungleichgewicht unter dem PDG und den sonstigen Verwaltungsratsmitgliedern reicht nach dem Kassationshof als Grund zur Haftungsmilderung bei fehlerhafter Wahrnehmung von Kontrollpflichten nicht aus218. Was das legitime Vertrauen (droit de confiance) unter den Verwaltungsratsmitgliedern und ihren Mitarbeitern anbelangt, ist es 210 Cass. com. 11.6.1991, BRDA 1991-18, S. 14; Cass. com. 14.5.1991, Bull. civ. IV, no 164 = BRDA 1991-12, S. 17 = JCP éd. G 1991. IV. 267 = RJDA 1991-10, no 852, S. 732. 211 Cass. com. 19.1.1988, BRDA 1988-6, S. 19; CA Paris, 3e ch. B, 15.12.1995 (unveröffentlicht) zit. In Memento Lefebvre, Dirigeants de sociétés commerciales, Rdnr. 17849, S. 988; Grossi, Les devoirs, Rdnr. 154, insb. Fn. 7 (er knüpft diese Aufgabe an Art. 116 und die damit zusammenhängende Befugnis des PDG zum Vorschlag der Abberufung des directeur général an); Paulet, Rdnr. 27. 212 Vgl. Cass. com. 23.2.1993, Banque et Droit, 9/10-1993, S. 28; Cass. com. 24.10.1995, Dr. et Patrimoine 1996, S. 92 (Anm. Bertrel); Grossi, Les devoirs, Rdnr. 154; Piédélievre, Rdnr. 56. 213 Grossi, Les devoirs, Rdnr. 154; Paulet, Rdnr. 27. 214 Trib. com. Seine 19.1.1951, GP 1951, I, S. 239 (faute de gestion des Conseil d’Administration wegen der Toleranz einer gestion extravagante); CA Versailles, 13e ch. 21.10.1993, Bull. Joy 1994-1, § 22, S. 99 (Anm. PLC). 215 Dazu § 7, C. II 2. 216 Vgl. dazu CA Lyon, 1e ch. 10.11.1921, J. Soc. 1923, S. 338 (Anm. Vienot); in diese Richtung auch Grossi, Les devoirs, Rdnr. 130; Basdevant/Chaveriat/Monod, Le Guide de l’administrateur de société anonyme, Rdnr. 74; a. A. Cherchouly-Sicard, La responsabilité civile, Rdnr. 51, welche von einer „certaine indulgence“ der Gerichte redet, allerdings nur auf eine einzelne Entscheidung (Trib. Com. Rouen, 10.2.1972, Rev. Soc. 1973, S. 136) verweist. 217 So Grossi, Les devoirs, Rdnr. 130 und 214.

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nach der Gerichtspraxis nur dann anzuerkennen, wenn die Verwaltungsratsmitglieder sich gegenseitig ordnungsmäßig kontrollieren und ihre Hilfspersonen bzw. Mitarbeiter sorgfältig auswählen und überwachen219. Insgesamt erweist sich das französische Aktienrecht in Bezug auf den Ermessensspielraum der Unternehmensleitung bei der Wahrnehmung ihrer Selbstkontrollpflichten als besonders streng. Eine liberale Auslegung sollte dazu führen, dass so strenge Verhaltensanforderungen bei der Wahrnehmung von Selbstkontrollaufgaben im Grundsatz nur beim Bestehen von evidenten Verdachtsmomenten („indices evidents“) eintreten sollten220, was der französischen Rechtsprechung in der Endanalyse nicht fremd ist. Als konkrete Verdachtsmomente könnten etwa Unregelmäßigkeiten bei der Buchführung (irregularités comptables)221 oder die skrupulöse Vergangenheiten der vertrauten Personen222 angesehen werden. III. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Unternehmensleiter Die Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen setzt u. a. die Geltendmachung von Gesellschaftsansprüchen durch die Leitungsorgane voraus. Es ist allerdings zu beachten, dass in Ausnahmefällen die Gründe für die Nichtgeltendmachung der Ansprüche überwiegen oder gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung der Betriebsklimas als anerkennenswerte Gründe in Betracht. In solchen Fällen sollte dem Entscheidungsträger die Möglichkeit eingeräumt werden, von der Geltendmachung der Ansprüche Abstand zu nehmen ohne die Gefahr, dass die Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen ihn haftbar macht.

218 Vgl. Cass. com. 25.3.1997, a. a. O. („Nasa Electronique“); Cass. com. 3.1.1995, a. a. O. 219 Cass. Req. 9.7.1888, D.S. 1888. I. 321; Cass. Req., 20.4.1939, GP 1939,2, 152; Trib. com. Seine, 19.1.1951, GP 1951. 1.239; Cass. com. 22.5.1957, Bull. civ. III, no 165; Scholastique, Rdnr. 412 ff.; ähnlich ist aus rechtsvergleichender Sicht die Rechtslage im englischen Gesellschaftsrecht Dovey v. Cory (1901) A.C. 477; Lucas v. Fitzerald (1903), 20 TLR 16; MacKenzie, JBL 1980, S. 460. 220 Vgl. dazu Trib. com. Rouen, 10.2.1972, Rev. Soc. 1973, S. 136; das Gericht stellte dabei fest, dass weder der Abschlussprüfer noch der expert comptable irgendwelche „signales d’irrégularités“ festgestellt hatten. Insofern konnte der PDG ohne konkretes Verdachtsmoment nicht für eine faute de surveillance haftbar gemacht werden. 221 So CA Bordeaux 18.11.1981, RTD com. 1982 (Anm. Merle) = RJC 1982, S. 236 (Anm. Cherchouly-Sicard). 222 Cass. Req. 9.7.1888, D.S. 1888. 1. 321.

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Diese Problematik wurde im deutschen Aktienrecht am Beispiel der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ausführlich diskutiert223, einschlägige Entscheidungen sind im französischen Recht selten. Ob und wie der Aufsichtsrat seine Aufsichts- und Eingriffspflichten wahrnehmen soll, wird gesetzlich nicht definiert. Der BGH entschied im „ARAG“-Urteil, dass der Aufsichtsrat Gesellschaftsansprüche gegen den Vorstand verfolgen muss, wenn er aufgrund einer sorgfältigen und sachgerechten Risikoanalyse zum Ergebnis kommt, dass solche Ansprüche bestehen und ihre gerichtliche Durchsetzung Erfolg verspricht224. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil ein unternehmerisches Ermessen des Aufsichtsrats bei Kontrollentscheidungen ab225, während einzelne Stimme für ein unternehmerisches Ermessen226 bzw. einen „weiten Beurteilungsspielraum“227 eintreten. Schließlich wird ohne direkten Bezug zum Vorliegen eines unternehmerischen Ermessens von einer streng zu wahrenden Pflicht zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gesprochen, von deren Geltendmachung nur ausnahmsweise abgesehen werden könne228. Für das Bestehen eines Ermessensspielraums ist richtigerweise auf die Eigenart der zu treffenden Entscheidung abzustellen. Hierbei ist zwischen der Pflicht zur Nachprüfung und der Pflicht zur Geltendmachung eines festgestellten Schadensersatzanspruchs zu unterscheiden229. In Bezug auf die Pflicht zur Nachforschung ist es unbestritten, dass der Aufsichtsrat hierzu über keinen Ermessensspielraum verfügen darf230: Soweit ein konkretes Fehlverhalten festgestellt wird, ist der Aufsichtsrat verpflichtet, sorgfältig zu prüfen, in welchem Umfang das Vorstandsmitglied sich dafür zu verantworten hat. Die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen enthält andererseits einige auch nach der Vorstellung des BGH schwierige Abwägungen über die Folgen eines Schadensersatzprozesses für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung 223 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121 ff.; Dreher, ZHR 1995, S. 637 ff.; Kort, DZWir 1995, S. 523; Boujong, DZWir 1997, S. 326, 329; Kindler, ZHR 1998, S. 109 ff.; Schwark, BGH LM Nr. 10 zu § 93 AktG. 224 BGH 135, S. 244, 254 („ARAG/Garmenbeck“); insofern hat der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts (OLG Düsseldorf AG 1995, S. 416, 418 ff.), wonach dem Aufsichtsrat bei der Frage der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Anlehnung an § 114 VwGO eine Art „Entscheidungsprärogative“ zugebilligt werden müsste, abgelehnt. 225 Vgl. Schaefer/Missling, NZG 1998, S. 446; Kindler, ZGR 1998, S. 113 ff.; Horn, ZIP 1997, S. 1138; Thümmel, DB 1997, S. 1117, 1118; vor dem „ARAG“-Urteil des BGH vgl. Raiser, NJW 1996, S. 554; Fischer, BB 1996, S. 225, 228. 226 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121 ff.; Dreher, ZHR 1995, S. 637 ff. 227 Kort, DZWir 1995, S. 523. 228 Vgl. z. B. Goette, ZNotP 1998, S. 48. 229 Vgl. Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 4a; Boujong, DZWir 1997, S. 326; Heermann, AG 1998, S. 203 ff., Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 122. 230 BGHZ 135, S. 244, 254; a. A. OLG Düsseldorf AG 1995, S. 416, 418 ff. als Vorinstanz.

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und die Unternehmenskultur. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen stellt insofern eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte231. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt werden, da er ohnehin die Auswirkungen der relevanten Entscheidung zum Unternehmensinteresse nicht in seine Kalkulation einbeziehen dürfte. Das Ermessen des Aufsichtsrats sollte allerdings durch die Verzichtsregelung232 von § 93 IV 3 i. V. mit § 111 I AktG insofern begrenzt sein, als bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen Organmitglieder das Unternehmensinteresse in erster Linie auf die Geltendmachung von Ansprüchen verweisen wird. Stehen der Gesellschaft Schadensersatzansprüche zu, so verlangt das Unternehmensinteresse grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Vermögens233. Dieses „Regel-Ausnahme“-Verhältnis ist der Standpunkt der wohl überwiegenden Literaturmeinung und wurde auch vom BGH ausdrücklich angenommen234. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen führt zur Haftung, es sei denn, dass der Aufsichtsrat für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe beruft, welche im konkreten Fall die Gründe für die Geltendmachung der Ansprüche überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder die Behinderung der Vorstandsarbeit und die Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht235. In solchen Fällen sollte dem Aufsichtsrat die Möglichkeit eingeräumt werden, von der Geltendmachung der Ansprüche Abstand zu halten ohne die Gefahr, dass die Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen ihm haftbar macht. Über § 116 AktG sollten die angesprochenen Überlegungen auch für Ansprüche der Gesellschaft gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern gültig sein.

231 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 122; Hüffer4, § 111 AktG, Rdnr. 4b; Heermann, AG 1998, S. 203 ff. 232 Vgl. BGHZ 135, S. 244, 256 mit der Erwägung, dass ein Absehen von den Anspruchsverfolgung einem Anspruchsverzicht „außerordentlich nahe kommt“. 233 Vgl. Feddersen, Überwachung durch den Aufsichtsrat, S. 467. 234 BGHZ 135, S. 244, 256; Boujong, DZWir 1997, S. 329; anders Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 120 ff. („Das Regel-Ausnahme Verhältnis greift zu kurz“). 235 BGHZ 135, S. 244, 255; vgl. auch die Ausführungen zur Erleichterung des Klageerzwingungsverfahrens in § 147 AktG beim KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 21. An nicht dem Unternehmenswohl zurechenbar sieht der BGH allerdings die Gesichtspunkte der Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen an (BGHZ 135, S. 244, 255 ff.); solche Erwägungen sind primär am Wohl des Vorstandsmitglieds und nicht am Wohl des Unternehmens orientiert.

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IV. Abberufung von Leitungsorganmitgliedern Im gleichen Kontext ist es fraglich, ob dem Aufsichtsrat bei Abberufung und Widerruf des Vorstands ein Ermessensspielraum anzuerkennen ist. Die h. M. lehnt diesbezüglich einen Ermessensspielraum ab236. Aus dem Wort „kann“ im § 84 III AktG darf demnach nicht gefolgert werden, dass dem Aufsichtsrat ein Berteilungsspielraum verbleibt237. Liegen Widerrufsgründe vor, so muss der Vorstand abberufen werden (vgl. § 84 III AktG). Der Widerruf bedarf ohne Ausnahme eines wichtigen Grundes238. Die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Abberufung des Vorstandsmitglieds ist konsequenterweise in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Hierbei sollte ebenfalls wie bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zwischen der Pflicht zur Nachprüfung und der Entscheidung zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds unterschieden werden. In Bezug auf die Pflicht zur Nachforschung ist es unbestritten, dass, soweit wichtige Ereignisse vorliegen, der Aufsichtsrat verpflichtet ist nachzuprüfen, ob sie stimmen. Die Entscheidung über die Abberufung enthält andererseits einige schwierige Abwägungen über ihre Folgen für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung, das Unternehmensansehen und die Unternehmenskultur239. Die Kalkulierung der darauf bezogenen Auswirkungen stellt nichts anderes als eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Abberufung wird zur Leitungsverantwortung führen, es sei denn, der Entscheidungsträger beruft für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe, welche im konkreten Fall die Gründe für die Abberufung überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder die Behinderung des Leitungsorgans und die Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht. Ähnliche Überlegungen könnten auch auf die Abberufung des Geschäftsführers von der Gesellschafterversammlung im Recht der GmbH übertragen werden. Obwohl die klare Regelung des § 38 I GmbHG nicht umgegangen werden soll, besteht die h. M. darauf, dass ein sachlicher Grund vorliegen soll, der den verständigen Entscheidungsträger zur Abberufung veranlassen würde. Das bedeutet letztendlich,

Vgl. Schaefer/Missling, NZG 1999, S. 445 ff.; Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 24; Mertens, K-Komm. AktG2, § 84 Rdnr. 104. 237 Schaefer/Missling, NZG 1999, S. 445 ff.; Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 24; Mertens, K-Komm. AktG2, § 84 Rdnr. 104; a. A. Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 138 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern, Rdnr. 203. 238 Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 26; Mertens, K-Komm. AktG2, § 84 Rdnr. 102. 239 Vgl. Hüffer4, § 84 AktG, Rdnr. 26; Mertens, K-Komm. AktG2, § 84 Rdnr. 103; Geßler/Hefermehl, § 84 AktG, Rdnr. 69. 236

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dass die Abberufung nach kaufmännisch vertretbaren Kriterien entschieden werden soll240. Ein Ermessensspielraum bei der Abberufung von Leitungsorganmitgliedern ist dem französischen Recht der SA nicht fremd. Das ergibt sich für die monistische SA bereits aus dem Wortlaut des Art. 90 II L. 1966, demgemäß die Verwaltungsratsmitglieder von der ordentlichen Hauptversammlung zu jeder Zeit abberufen werden „können“241. Die Gewährleistung einer Befugnis zu jederzeitiger Abberufung der Verwaltungsratsmitglieder an die Gesellschaftermehrheit bedeutet, dass sich die materielle Kontrolle des einschlägigen Beschlusses nicht auf die Motivationsgrundlage der Gesellschafter erstreckt, sondern sich lediglich auf die Prüfung beschränkt, ob bei der Abberufung die gesetzlich vorgeschriebenen prozeduralen Voraussetzungen eingehalten sind und ob es sich um einen abus de droit seitens der Gesellschafter handelt242. Gleiches gilt auch für den Fall der Abberufung des PDG und der Mitglieder des conseil de surveillance, für welche ebenfalls eine revocation ad nutum gesetzlich vorgesehen ist. Etwas differenzierter ist die Rechtslage in Bezug auf die Abberufung von Direktoriumsmitgliedern und gérants der SARL. In beiden Fällen ist eine revocation allein aus wichtigem Grund (pour juste motif) „möglich“ (Artt. 121 und 55 L. 1966 entsprechend). Die Rechtsprechung enthält eine lange Reihe von apodiktischen Aussagen in Bezug auf die justes motifs243; Äußerungen zum Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers bei der Qualifizierung eines Tatbestands als juste motif finden sich jedoch nicht. Es lässt sich jedenfalls vermuten, dass im Fall einer revocation pour juste motif der Ermessensspielraum der Gesellschafter im Vergleich zum revocation ad nutum beschränkter ist i. S., dass der Tatbestand, welcher zum revocation ad nutum führt, nur dann eine revocation pour juste motif rechtfertigt, wenn er als wichtiger Grund qualifizierbar ist.

240 BGH DStR 94, 214; OLG Düsseldorf, GmbHR 94, S. 245; OLG Zweibrücken, GmbHR 98, 372, Meilicke, DB 1994, S. 1761. 241 Vgl. den Originalwortlaut von Art. 90 II L. 1966: „Ils peuvent être révoqués à tout moment par l’assemblée générale ordinaire“. 242 Vgl. Gibirila, Le dirigeant, Rdnr. 348, m. w. N.; zu weitgehend CA Versailles 30.5.1988, Bull. Joly 1988, S. 686, demnach eine revocation der dirigeants sich an eine faute de gestion anknüpfen soll. Seine Ansicht war vom Kassationshoff abgelehnt. 243 Vgl. z. B. CA Paris 13.4.1984, Bull. Joly, S. 656; Cass. com. 17.12.1974, Rev. Soc. 1975, S. 463 mit Anm. Houin; Trib. com. Bordeaux 20.6.1985, Rev. Soc. 1986, S. 628 (Verweigerung der Umsetzung eines Hauptversammlungsbeschlusses); CA Bordeaux, 21.1.1988, Rev.dr.bancaire et bourse 1988, S. 201; Paris 8.11.1991, RJDA fev. 1992 167 mit Anm. Jeantin/Viandier; Cass. com. 29.5.1990, Bull. Joly 1990, p. 795 (Fehler bei der Berufung der Hauptversammlung); CA Paris 23.4.1992, RJDA 8/9 1992, no 837, S. 683.

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V. Zusammenfassung und Ergebnisse Die rechtsvergleichende Untersuchung hat gezeigt, dass die Unternehmenskontrolle in beiden Rechtsordnungen zum größten Teil dezentral organisiert ist. Was die Selbstkontrolle der Unternehmensleitung anbelangt, legt das deutsche Aktienrecht mehr Wert auf das Ermessen des Kontrolleurs als das französische Recht der SA. Letzteres erweist sich diesbezüglich als besonders streng: So kennt die Rechtsprechung keinen „droit à l’erreur“ der dirigeants sociaux bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben, vielmehr tendiert sie dazu, das Fehlverhalten der Hilfsperson dem Ressortleiter bzw. dem zuständigen Verwaltungsratsmitglied automatisch zuzurechnen. Selbst das faktische Machtungleichgewicht unter dem PDG und den sonstigen Verwaltungsratsmitgliedern reicht nach dem Kassationshof als Grund zur Haftungsmilderung bei fehlerhafter Wahrnehmung von Kontrollpflichten nicht aus. Umgekehrt erweist sich das deutsche Recht in Bezug auf die Abberufung von Leitungsorganmitgliedern als besonders streng. Die h. M. lehnt diesbezüglich einen Ermessensspielraum ab. Aus dem Wort „kann“ im § 84 III AktG darf demnach nicht gefolgert werden, dass dem Aufsichtsrat ein Berteilungsspielraum verbleibt. Solch eine strenge Ansicht vermag für die Nachforschungspflicht des Kontrolleurs vertretbar sein. Denn, soweit wichtige Ereignisse vorliegen, sollte der Aufsichtsrat verpflichtet sein nachzuprüfen, ob sie stimmen. Die Entscheidung über die Abberufung enthält andererseits einige schwierige Abwägungen über ihre Folgen für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung, das Unternehmensansehen und die Unternehmenskultur. Die Kalkulierung der darauf bezogenen Auswirkungen stellt nichts anderes als eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Abberufung wird zur Leitungsverantwortung führen, es sei denn, der Entscheidungsträger beruft für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe, welche im konkreten Fall die Gründe für die Abberufung überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder die Behinderung des Leitungsorgans und die Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht. Etwas flexibler ist diesbezüglich die Lage im französischen Recht: Ein Ermessensspielraum ist bei der Abberufung von Leitungsorganmitgliedern dem französischen Recht der SA nicht fremd. Das ergibt sich für die monistische SA bereits aus dem Wortlaut des Art. 90 II L. 1966, demgemäß die Verwaltungsratsmitglieder von der ordentlichen Hauptversammlung zu jeder Zeit abberufen werden „können“. Die Gewährleistung einer Befugnis zu jederzeitiger Abberufung der Verwaltungsratsmitglieder an die Gesellschaftermehrheit bedeutet, dass

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

die materielle Kontrolle des einschlägigen Beschlusses sich nicht auf die Motivationsgrundlage der Gesellschafter erstreckt, sondern sich lediglich auf die Prüfung beschränkt, ob bei der Abberufung die gesetzlich vorgeschriebenen prozeduralen Voraussetzungen eingehalten sind und ob es sich um einen abus de droit seitens der Gesellschafter handelt. Gleiches gilt auch für den Fall der Abberufung des PDG und der Mitglieder des conseil de surveillance. Etwas differenzierter ist die Rechtslage in Bezug auf die Abberufung von Direktoriumsmitgliedern und gérants der SARL. In beiden Fällen ist eine revocation allein aus wichtigem Grund (pour juste motif) „möglich“ (Artt. 121 und 55 L. 1966 entsprechend). Die Rechtsprechung enthält eine lange Reihe von apodiktischen Aussagen in Bezug auf die justes motifs. Äußerungen zum Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers bei der Qualifizierung eines Tatbestands als juste motif finden sich jedoch nicht. Es lässt sich jedenfalls vermuten, dass im Fall einer revocation pour juste motif der Ermessensspielraum der Gesellschafter im Vergleich zum revocation ad nutum beschränkter ist i. S., dass der Tatbestand, welcher zum revocation ad nutum führt, nur dann eine revocation pour juste motif rechtfertigt, wenn er als wichtiger Grund qualifizierbar ist. Was schließlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen anbelangt, wurde sie im deutschen Aktienrecht am Beispiel der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ausführlich diskutiert, einschlägige Entscheidungen sind im französischen Recht selten. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil ein unternehmerisches Ermessen des Aufsichtsrats bei Kontrollentscheidungen ab, während einzelne Stimme für ein unternehmerisches Ermessen bzw. einen „weiten Beurteilungsspielraum“ eintreten. Für das Bestehen eines Ermessensspielraums ist richtigerweise auf die Eigenart der zu treffenden Entscheidung abzustellen. Hierbei ist zwischen der Pflicht zur Nachprüfung und der Pflicht zur Geltendmachung eines festgestellten Schadensersatzanspruchs zu unterscheiden. In Bezug auf die Pflicht zur Nachforschung ist es unbestritten, dass der Aufsichtsrat hierzu über keinen Ermessensspielraum verfügen darf. Die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen enthält andererseits einige auch nach der Vorstellung des BGH schwierige Abwägungen über die Folgen eines Schadensersatzprozesses für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung und die Unternehmenskultur. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen stellt insofern eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt werden, da er ohnehin die Auswirkungen der relevanten Entscheidung zum Unternehmensinteresse nicht in seine Kalkulation einbeziehen dürfte. Das Ermessen des Aufsichtsrats sollte allerdings durch die Verzichtsregelung von § 93 IV 3 i. V. mit § 111 I AktG insofern begrenzt sein, als bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen Organmitglieder das Unternehmensinteresse in erster Linie auf die Geltend-

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machung von Ansprüchen verweisen wird. Stehen der Gesellschaft Schadensersatzansprüche zu, so verlangt das Unternehmensinteresse grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Vermögens. Dieses „Regel-Ausnahme“-Verhältnis ist der Standpunkt der wohl überwiegenden Literaturmeinung und wurde auch vom BGH ausdrücklich angenommen. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen führt zur Haftung, es sei denn, dass der Aufsichtsrat für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe beruft, welche im konkreten Fall die Gründe für die Geltendmachung der Ansprüche überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder die Behinderung der Vorstandsarbeit und die Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht.

E. Öffentliche Übernahmeangebote Unter dem Begriff „Übernahmeangebot“ (offre publique d’achat, im Folgenden: OPA) versteht sich die Abgabe vom Management eines Unternehmens („Bieter“, „initiateur“) eines Angebots zum Erwerb der Anteilsmehrheit an einer anderen Gesellschaft („Zielgesellschaft“, „société visée“). Stößt das Übernahmeangebot gegen den Willen der Verwaltung der Zielgesellschaft, ist von einem „feindlichen“ Übernahmeangebot (OPA inamicale) die Rede. Als Zielgesellschaft einer derartigen Übernahme kommt nur eine börsennotierte Gesellschaft in Betracht, in der aus der Organisationsverfassung die Delegation von Macht an eine kleine Gruppe unvermeidlich ist244. Als Mittel zur Konzernbildung stellt das Übernahmeangebot eine besondere Herausforderung sowohl für die Leitungsorgane der Zielgesellschaft als auch für die Leitung der bietenden Gesellschaft dar245. Der Maß an Verrechtlichung von Verhaltensanforderungen anlässlich von Übernahmeangeboten vermag mehrere Hinweise auf das gesetzgeberische Verständnis zum unternehmerischen Ermessen und zur Notwendigkeit eines funktionierenden Marktes für Unternehmenskontrolle zu enthüllen. Eine restriktive Fassung der Leitungsaufgaben im Vorfeld oder während des Übernahmeverfahrens weist nicht nur auf einen begrenzten Ermessensspielraum 244 Assmann, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote (ZGR-Sonderheft 9), S. 7; Michalski, AG 1997, S. 152; auf diese Rechtsformen beschränkt sich auch der 14. EU-Richtlinienentwurf. Hinsichtlich aller anderen Rechtsformen ist solch ein Angebot entweder aus praktischen Gründen entbehrlich (etwa weil die Anteilseigner oder Gesellschafter unschwer ermittelbar sind und die Übernahme ihrer Beteiligungen im Verhandlungswege vorbereitet werden kann) oder aus rechtlichen Gründen problematisch (z. B. wegen der mangelnden Fungibilität der Beteiligungen oder wegen steuerlichen Hindernisse). 245 Ausgeblendet bleiben im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jene Besonderheiten, die sich daraus ergeben, dass das Management oder die Belegschaft eines Unternehmens selbst als Interessent für dessen Übernahme auftritt (Management- und Belegschafts-buy-out).

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für die Unternehmensleitung hin, sondern impliziert auch das instrumentelle, gesetzgeberische Verständnis, dass Übernahmeangebote marktwirtschaftlich als fördernswert anzusehen sind246. Im Gegenfall könnte eine großzügige Regulierung der Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung darauf hinweisen, dass Übernahmeangebote aus gesetzgeberischer Hinsicht weniger förderungsbedürftig sind247. Das kann weit reichende Folgen für die Kapitalversorgung von Unternehmen, aber auch für den Arbeitsmarkt haben248. Man mag das je nach Interessenlage und politischer Einstellung begrüßen oder bedauern, es ist jedenfalls ein zentraler Aspekt, der mitberücksichtigt werden muss. I. Gesetzliche Grundlagen Die Pläne für ein harmonisiertes, gesamteuropäisches Übernahmerecht sind bisher nicht vollbracht worden. Ausgehend vom Pennington-Entwurf aus dem Jahr 1974249 und dem ihm nachfolgenden Entwurf aus dem Jahr 1989250 legte die Kommission am 7. Februar 1996 einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie vor251. Dieser wurde am 10. November 1997 – nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses, welche ein Mehr an Regelung und insbesondere Arbeitnehmer schützende Regelungen forderten – durch einen unter dem Eindruck des Subsidiaritätsprinzips drastisch geänderten Vorschlag für eine dreizehnte Richtlinie ersetzt252. Nach intensiver Bearbeitung im Rat verabschiedete dieser am 19. Juni 2000 einen Gemeinsamen Standpunkt253 zum geänderten Vorschlag. Am 13. Dezember 2000 be246 Vgl. Manne, Journal of Political Economy, 1965, S. 110; Roll, Journal of Business, 1986, S. 197 ff.; Jensen, Journal of Economic Perspectives, 1988, S. 21 ff.; Bonneau/Faugérolas, Les OPA, S. 1 ff.; Viandier, OPA, OPE, Rdnr. 47 ff.; Kirchner/Painter, EBOLR 1, 2000, S. 384 ff.; Hopt, FS Lutter, S. 1378 ff.; Mülbert/Birke, EBOLR 1, 2000, S. 473; Schneider, AG 2002, S. 126. 247 Kirchner/Painter, EBOLR 1, 2000, S. 384 ff.; Hopt, FS Lutter, S. 1378 ff.; Mülbert/Birke, EBOLR 1, 2000, S. 473. 248 Mülbert/Birke, EBOLR 1, 2000, S. 473. 249 Vgl. EG-Komm. Dok. XI/56/74; Pennington, FS Duden, S. 379; Behrens, ZGR 1975, 433; Bess, AG 1976, S. 206 ff. 250 Vorschlag für eine Dreizehnte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote (KOM/88/823 end.), ABl. Nr. C 64, S. 8 von 14.3.1989; Basaldua, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote (ZGR-Sonderheft 9), S. 157. 251 KOM (95) 655 endg., ABl. EG Nr. C 162/5 vom. 6.6.1996; vgl. Hopt, ZHR 1997, S. 386; ders., EuZW 1997, S. 481; Krause, AG 1996, S. 209; ders., WM 1996, S. 893; Neye, DB 1996, S. 1121; Schuster, EuZW 1997, S. 237; Ruiz Peris/Esteban de Quesada, Revue Derecho Bancario y Bursati 1997, S. 401. 252 Geänderter Vorschlag für eine Dreizehnte Richtlinie des Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote (KOM 97/0565/ 2 endg.), ABl. Nr. C 378, S. 10 v. 13.12.1997; dazu Hopt, FS Zöllner, 1997, S. 253; Weber, EuZW 1998, S. 464; Habersack/Mayer, ZIP 1997, S, 2141; Kallmeyer, ZIP 1997, S. 2147; Schuster, EuZW 1997, S. 237.

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schloss das Europäische Parlament fünfzehn Änderungen des Gemeinsamen Standpunktes des Rates254. In dem nachfolgenden Vermittlungsverfahren, an dem Rat, Parlament und Kommission teilnahmen, wurde am 6. Juni 2001 ein Gemeinsamer Entwurf vom Vermittlungsausschuss gebilligt255. Am 4. Juli 2001 lehnte das europäische Parlament den Gemeinsamen Entwurf mit 273 zu 273 Stimmen bei 22 Enthaltungen ab. Die im Gesetzgebungsverfahren wohl umstrittenste Frage, die auch zum Scheitern der 13. EG-Richtlinie führte (vgl. Art. 251 EGV), betraf die Verhaltenspflichten der Leitungsorgane der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten. Die Kommission setzte daraufhin die so genannte Winter-Kommission ein, die im Januar 2002 ihre Ergebnisse vorlegte256. Im Oktober 2002 legte die Kommission auf der Grundlage dieser Ergebnisse einen neuen Entwurf für eine Richtlinie betreffend Übernahmeangebote vor257. Da der Entwurf in vielen Bereichen hinter dem der Empfehlungen zurückblieb, kritisierte das Europäische Parlament zunächst auch diesen Entwurf und beauftragte die Professoren Dauner-Lieb und Lamandini mit der Erstellung eines Gutachtens258. Erst nachdem die Kommission in den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat die Bereitschaft zeigte, den Entwurf abzuändern, hat das Parlament am 16.12.2003 die Voraussetzung für die Verabschiedung der Übernahmerrichtlinie durch den Ministerrat mit der Annahme seiner legislativen Entschließung geschaffen. Die legislative Entschließung beruht auf einem politischen Kompromiss des Europäischen Parlaments und der italienischen Präsidentenschaft, der wesentlich durch den Berichterstat253 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. Nr. 1/2001 vom 19.6.2000, festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote, ABl. Nr. C 23, S. 1 v. 24.1.2001; dazu Neye, AG 2000, S. 289; Krause, NZG 2000, 905; Clarke, Eur. Bus. Law. Rev. 1999, S. 482; Harvey/Harle, Int. Comp. Com. Law. Rev. 2000, S. 240. 254 Informatorische Aufzeichnung, Betr.: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote – Ergebnisse der zweiten Lesung des europäischen Parlaments (Strasbourg 11.–15.12.2000), Ratsdokument 14044/00 v. 22.12.2000. 255 Gemeinsamer Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote in der vom Vermittlungsausschuss am 6.6.2001 gebilligten Fassung (PECONS 3629/01) abgedruckt in ZIP 2001, S. 1120, 1123. 256 Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, dazu Hopt, ZHR 2002, 1863 ff. 257 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote vom 2.10.2002, KOM 2002, 534 endg., abgedr. in ZIP 2002, S. 1863 ff. 258 Report to the European Parliament on the Commissions new proposal of a directive on company law concerning takeover bids (Study no. IV-2002/06/01), vgl. noch Dauner-Lieb/Lamandini, BB 2003, S. 265; dies., Konzern 2003, S. 168.

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ter des Europäischen Parlaments Klaus-Heiner Lehne und den Europaminister Italiens Rocco Buttiglione geprägt wurde. Die neue Übernahmerichtlinie 259 ist bis zum 20.5.2006 umzusetzen (Art. 21 I der Richtlinie). Bis zur Umsetzung der Richtlinie bleiben die nationalen Regelungen zum Übernahmeverfahren im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung. 1. Frankreich Das französische Übernahmerecht stellt ein durch mehrere Reformen gereiftes und über zahlreiche Jahre in der Praxis gewachsenes Regelwerk dar, das in seinen wesentlichen Vorschriften bereits mit den Anforderungen und Rahmenvorgaben mit dem EU-Richtlinienentwurf konform ist. Die Grundlagen für das Verfahren und die Pflichten der Unternehmensleitung anlässlich einer öffentlichen Übernahme oder eines Tauschangebots befinden sich zunächst in der Code Monetaire et Financier (Artt. 211-1 I 1, 2 und 5, 621-8 und 621-18) und im Regelwerk des „Réglement général“ des Conseil des Marchés Financiers (im Folgenden: CMF)260. Eine herausragende Rolle im französischen Übernahmerecht kommt weiterhin dem Règlement No 2002-04 der Commission des Opérations de Bourse zu. Das von dem COB festgelegte Reglement261 (im Folgenden: RCOB), welche das früher geltende Reglement no 89/03 ersetzt hat, betrifft in seinem örtlichen Anwendungsbereich nicht nur französische Gesellschaften, sondern auch ausländische Gesellschaften mit einer Börsennotierung in Frankreich, so dass bei einer entsprechenden Übernahme die dort geregelten Informationsrechte gelten. Der RCOB enthält eine Begriffsbestimmung des öffentlichen Angebots und gibt die Zielgesellschaft und die Bietergesellschaft bindende Verhaltensvorschriften während der Angebotsphase vor. Ferner stellt es die Informationspflichten der betroffenen Gesellschaften und eine Transparenz gegenüber Aktionären und der Öffentlichkeit sicher. Für die Zeitphase vor dem Übernahmeangebot gelten die angesprochenen Regelwerke nicht. In diesem Fall sind die allgemein geltenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften anwendbar. Die vorliegende Untersuchung fokussiert sich jedenfalls auf die Aufgabe der Unternehmensleitung der Zielgesellschaft nach dem Übernahmeangebot. Die Grundwertungen des französischen Übernahmerechts, welche als Auslegungsmaßstab für das Gesamtregelwerk zum Übernahmeverfahren zu verwerten sind262, sind sowohl im RCOB als auch im RCMF 259 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4. 2004 betreffend Übernahmeangebote, Amtsbl. Nr. L. 142 vom. 30/4/2004, S. 0012– 0023. 260 Die Bestimmungen des RCMF finden auf öffentliche Angebote Anwendung, welche die Übernahme einer französischen, auf einem französischen geregelten Markt notierten Gesellschaft zum Gegenstand hat. 261 Vgl. Journal Officiel von 27.4.2002.

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festgeschrieben. Dazu gehören die Beachtung des Gesellschaftsinteresses (intérêt social), die Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft sowie die Transparenz und die Sicherstellung einer fairen und den freien Wettbewerb respektierenden Durchführung des öffentlichen Übernahmeangebots263. Der Art. 4 RCOB schreibt ausdrücklich vor, dass jede Person darauf achten soll, dass seine Handlungen das freie Übernahmeangebotsspiel (libre jeu des offres), den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft, die Transparenz und die Integrität des Marktes, wie auch die Loyalität hinsichtlich der Transaktionen und den Wettbewerb beachten264. Der persönliche Anwendungsbereich der angesprochenen Grundwertungen erstreckt sich insofern über die Akteure des Bieters und der Zielgesellschaft hinaus. 2. Deutschland Regelungsaufgaben, die in Zusammenhang mit Übernahmeangeboten als Mittel zur Konzernbildung auftreten, galten in Deutschland seit längerer Zeit als Problem anderer Rechtsordnungen265. Das führte dazu, dass im Gegensatz zu anderen führenden Finanzmärkten seit langem keine gesetzliche Regelung von öffentlichen Übernahmeangeboten in Deutschland vorlag. Die unternommenen Regelungsbemühungen haben am Laufe der Zeit zu einer verwirrenden Vielzahl unterschiedlicher, teils sich überlagernder, teils einander ablösender Normkomplexe geführt. Der freiwillige Übernahmekodex von 1995266, welcher seit dem 1.1.1998 in revidierter Fassung bis zum Erlass des WpÜG galt, hat zwar zur 262 Vgl. Hurstel/Süß, EuZW 1998, S. 207; Viandier, OPA, OPE, Rdnr. 78 ff.; damit greift das französische Übernahmerecht auf eine Regelungstechnik zurück, die bereits zuvor in ausländischen Übernahmerechten erprobt wurde, vgl. die „General Principles“ des City Code on Takeovers im englischen Recht, oder die „Grundsätze“ des schweizerischen BEHG, oder im österreichischen Recht die „Allgemeinen Grundsätze für Übernahmeangebote“ in § 3 öÜbG. 263 Vgl. Art. 3 RCMF, Art. 4 RCOB. 264 Vgl. Art. 4 Abs. 1 RCOB – 2002-04 („Toute personne doit agir dans le respect du libre jeu des offres et de leurs surenchères, de l’égalité de traitement et d’information des détenteurs de titres des sociétés concernées, de la transparence et de l’intégrité du marche, de la loyauté dans les transactions et la compétition“). Die neue Fassung des RCOB differenziert sich von der Vorherigen des RCOB 89-03, wonach der Bieter und die Zielgesellschaft darauf zu achten haben, dass sie durch ihre Handlungen, Erklärungen und Entscheidungen nicht das Gesellschaftsinteresse und den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre kompromittieren (Art. 3 COB-VO 89-03), vgl. Hustrel/Süß, EuZW 1998, S. 207; Bonneau/Faugérolas, Les Offres Publiques, nos 152, 188, 189 Viandier, OPA, OPE, Rdnr. 1167, S. 275. 265 Assmann, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote (ZGR-Sonderheft 9), S. 4, Fn. 15. 266 Übernahmekodex in der seit dem 1.1.1998 geltenden revidierten Fassung abgedruckt in AG 1998, S. 133 (erste Textfassung abg. in AG 1995, S. 572 = ZIP 1995, S. 1467 ff.); dazu Assmann, AG 1995, S. 563 ff.; Neye, ZIP 1995, S. 1464 ff.; Gross, DB 1996, S. 1909 ff.; Kallmeyer, AG 1996 ff., S. 169; Weisberger, ZHR 1997,

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Reduktion der Normkomplexität beigetragen, es fehlte ihm aber das erforderliche Durchsetzungspotenzial267. Zum 1.1.2002 ist der freiwillige Übernahmekodex durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) ersetzt. Dieses bietet erstmals eine umfassende gesetzliche Regelung von öffentlichen Übernahmeangeboten im deutschen Recht an. Das WpÜG enthält umfangreiche Regelungen zum Übernahmeverfahren, zu den Verhaltenspflichten der Beteiligten sowie auch zum Kompetenzgefüge der Aufsichtsbehörde. Die Grundwertungen des Gesetzes sind in § 3 niedergelegt worden268. Ihre Aufnahme an herausgehobener Stelle folgt der Einsicht, dass sie dem Rechtsanwender wertvolle Hilfestellung bei der Auslegung einzelner Vorschriften anbieten. Methodisch handelt es sich insoweit um Rechtsprinzipien, deren generelle Eignung zur unterstützenden Normauslegung und Ausfüllung von Gesetzeslücken außer Zweifel steht269. Entsprechend ihrem Prinzipiencharakter enthalten sie keine unmittelbare Rechtsfolgenanordnung, sondern bedürfen der Konkretisierung durch einzelne Rechtssätze (§ 19, 31 und 32 WpÜG)270. Die Hierarchie der gesetzlichen Leitprinzipien wird durch das Gebot angeführt, Inhaber von Wertpapieren derselben Gattung gleich zu behandeln (§ 3 I WpÜG)271. Ein zweiter Eckpfeiler des Übernahmegesetzes ist das Gebot umfassender Information und Transparenz (§ 3 II WpÜG)272. Weiterhin schreibt S. 421 ff.; Loehr, WM 1997, S. 1374; Kallmeyer, ZHR 1997, S. 435 ff.; Hopt, FS Zöllner, 235 ff.; Neye, ZIP 1995, S. 1464; Baums, ZIP 1997, S. 1310. 267 Es handelte sich freilich um eine von der Börsenverständigen-Kommission beim Bundesministerium der Finanzen erstellte Empfehlung von Verhaltensnormen für die an öffentlichen Übernahmeangeboten beteiligten Parteien. Deren zentrale Schwachpunkte bestand darin, dass ein großer Teil der Unternehmen sie nicht anerkannte. Lediglich 755 börsennotierte Gesellschaften, darunter 86 Unternehmen des DAX-100, von den insgesamt 1016 börsennotierten inländischen Unternehmen (ohne Freiverkehr) haben bis April 2001 den Kodex anerkannt; vgl. Allgemeiner Teil der Begründung des Regierungsentwurfs unter I 1; zu den Funktionsdefiziten des Übernahmekodex im allgemeinen vgl. Hopt, FS Zöllner, S. 263 ff.; Kirchner/Ehricke, AG 1998, S. 105; Kallmeyer, ZIP 1997, S. 2147. 268 Begr.RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35. 269 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 467 ff.; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 71. 270 Damit greift das WpÜG auf eine Regelungstechnik zurück, die bereits zuvor in ausländischen Übernahmerechten erprobt wurde, vgl. die „General Principles“ des City Code on Takeovers im englischen Recht, oder die „Grundsätze“ des schweizerischen BEHG, oder im österreichischen Recht die „Allgemeinen Grundsätze für Übernahmeangebote“ in § 3 öÜbG. 271 Es handelt sich um den magna charta des Übernahmerechts, so Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote (ZGR-Sonderheft 9), S. 179, 187. Gleichbehandlungsregeln ähnlichen Inhalts finden sich in General Principle 1 des City Code, Art. 24 des schweizerischen BEHG und § 3 Nr. 1 des öÜbG. 272 Ähnliche Regelungen finden sich in Art. 5 des gemeinsamen Standpunktes des Rates, General Principle 4 des City Code und § 3 Nr. 2 öÜbG.

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§ 3 V WpÜG zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes vor, dass beim Handel mit Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften keine Marktverzerrungen geschaffen werden dürfen273. Was die Handlungspflichten der Verwaltung der Zielgesellschaft anbelangt, hält § 3 III WpÜG Vorstand und Aufsichtsrat weiter an, im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln. Ausweislich der Regierungsbegründung hat diese Vorgabe nur klarstellenden Charakter; die allgemeinen Pflichten der Verwaltungsorgane werden durch das WpÜG nicht suspendiert274. Angesprochen sind die Verhaltenspflichten der §§ 76 I, 93, 116 AktG. Die Regierungsbegründung275 deutet hierzu deutlich auf den Gleichlauf von Gesellschafts- und Unternehmensinteresse hin. Ob damit allerdings operationale Handlungsanweisungen für die Verwaltungsorgane vorliegen, darf angesichts der Zielpluralität bezweifelt werden276. Ebenso wie beim französischen Recht umfassen die Regelungen des WpÜG grundsätzlich den Zeitpunkt nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots277. Die Verhaltensanforderungen an den Vorstand der Zielgesellschaft für den vorherigen Zeitpunkt sind aus den allgemeinen Regelungsvorschriften des Aktienrechts und insbesondere aus §§ 76 I, 93 und 116 AktG abzuleiten. Mit diesem renvoi auf die aktienrechtlichen Regelungen stellt sich konsequenterweise die Frage nach der Zuordnung des WpÜG im wirtschaftsrechtlichen Ordnungsgefüge und insbesondere sein Verhältnis zum bisher gültigen Aktien- und Konzernrecht. Es besteht hierzu kein Zweifel, dass WpÜG zu jenen modernen Gesetzen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts gehört (vgl. auch WpHG), die sich zum einen nicht mehr eindeutig dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuordnen lassen und die zum anderen in engem Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften des Aktien- und Konzernrechts zu verstehen ist278. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich allerdings nicht geklärt, ob das WpÜG unabhängig von dem geltenden Aktienrecht besteht oder es sogar überformt. Im letzteren Fall würde es sich beim WpÜG nicht nur um eine kapitalmarktrechtliche Regelung, sondern auch um aktienrechtliche Vorschriften außerhalb des AktG handeln. Will man Widersprüche zwischen beiden Ordnungsgefügen vermeiden, bietet sich nur die Möglichkeit an, das WpÜG entweder als 273 Art. 5 des Richtlinienentwurfs spricht sinnesgleich von einer künstlichen Hausse oder Baisse der Wertpapierkurse, die es zu bekämpfen gelte. Ähnliche Grundsätze finden sich auch in General Principle 6 des City Code und in § 3 Nr. 4 öÜbG. 274 RegBegr., BT-Drucks. 14/70734, S. 35. 275 BT-Drucks. 14/7034, S. 35; demnach müssen Vorstand und Aufsichtsrat „im Interesse des Unternehmens“ handeln und dabei „die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und die Interessen der Gesellschaft insgesamt“ berücksichtigen. 276 Vgl. Fleischer, AG 2001, S. 177; ders., in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 75; vgl. noch General Principle 9 der City Code und § 3 Nr. 3 öÜbG. 277 Vgl. § 33 I WpÜG. 278 Vgl. Schneider, AG 2002, S. 127 ff.

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übernahmerechtliche lex specialis oder als materiell aktienrechtliche Spezialvorschrift außerhalb des AktG anzusehen. Angesichts der Tatsache, dass sich auch in WpÜG originäre aktienrechtliche Vorschriften finden (vgl. § 33 II WpÜG), erscheint die Einordnung des WpÜG zum materiellen Aktienrecht vorzugswürdig. Eine gesetzgeberische Aufklärung zum Thema wäre ohnehin wünschenswert. II. Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft anlässlich eines Übernahmeangebots 1. Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbot a) Konzeptionelle Grundlagen des Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbots Beide Rechtsordnungen gehen davon aus, dass nach Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots die Leitungsorgane der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen dürfen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte279. Im französischen Recht leitet sich jene Pflicht aus der Aufgabe der Leitungsorgane der Zielgesellschaft her, im Grundsatz jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rahmen des Übernahmeverfahrens der COB zwecks einer Genehmigung anzuzeigen (Art. 4 III RCOB). Für das deutsche Recht ergibt sich diese Aufgabe ausdrücklich aus § 33 I WpÜG. Letzterer statuiert eine situationsbezogene kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots und bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses (§ 23 I 1 Nr. 2 WpÜG) keine Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte280. Sie wird oft schlagwortartig als „Neutralitätspflicht“ umschrieben281, was aber insoweit nicht ganz richtig ist, als der Vorstand gegenüber einem Angebot nicht neutral zu sein hat; es erscheint demzufolge zutreffender, für beide Rechtsordnungen den Terminus „Behinderungs- oder Ver-

279 Der Entwurf der 13. EG-Richtlinie sah in Art. 9 eine Pflicht des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft zur Einholung einer Genehmigung der Hauptversammlung, „bevor es mit Ausnahme der Suche nach konkurrierenden Angeboten jedwede Handlungen vornimmt, durch die das Angebot vereitelt werden könnte“. 280 Nach Art. 19 des früher geltenden Übernahmekodex dürfte das Verwaltungsoder Leitungsorgan der Zielgesellschaft nach Bekanntgabe eines öffentlichen Angebots keine Maßnahmen ergreifen, die dem Interesse der Wertpapierinhaber, von dem Angebot Gebrauch zu machen, zuwiderliefen. 281 Zur Neutralitätspflicht unter dem Regime des Aktienrechts vgl. Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 122; ders., ZHR 1997, S. 391 ff.; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote (ZGR-Sonderheft 9), S. 112 ff.; Mülbert, IstR 1999, S. 87 ff.; a. A. Kort, FS Lutter, S. 1434; Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001, S. 303 ff.; Schneider/ Burgard, DB 2001, S. 967.

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eitelungsverbot“ für die angesprochene Pflicht der Unternehmensleitung zu verwenden282. Die Leitungsorgane sind nach dem Gesetzesverständnis keineswegs verpflichtet, eine neutrale Haltung gegenüber dem Übernahmeangebot anzunehmen. Vielmehr haben sie die Pflicht, sich eine eigene Meinung über das Übernahmeangebot zu bilden und im Rahmen einer detaillierten Stellungnahme gegenüber den Aktionären zu artikulieren (§ 27 WpÜG, Art. 6 II RCOB). Ferner ist es den Leitungsorganen erlaubt, Maßnahmen zur Abwehr eines Übernahmeangebots zu ergreifen, wie etwa einen weißen Ritter zu suchen, oder auf Grundlage von Ermächtigungsbeschlüssen der Hauptversammlung Handlungen vorzunehmen oder Geschäfte zu tätigen, durch die der Bieter bei der Übernahme verhindert werden kann (§ 28 WpÜG, Art. 4 III RCOB). Fraglich ist in diesem Kontext, ob der Aufsichtsrat der angesprochenen Pflicht ebenfalls unterliegt. Im Schrifttum wurde vor Inkrafttreten des WpÜG der Standpunkt vertreten, die Neutralitätspflicht erfasse nicht nur den Vorstand, sondern auch den Aufsichtsrat283. Auch mit dem Inkrafttreten des WpÜG ist prinzipiell dazu nichts geändert worden. Eine Gegenansicht wäre allerdings im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht überzeugend284. Die angesprochenen Regelungen bezwecken in der Endanalyse, eigensüchtiges Handeln eines ineffizienten Managements, das allein an der Erhaltung der eigenen Position interessiert ist, zu unterbinden285. Sie stellen insofern eine gesetzliche Einschränkung der Macht der Leitungsorgane dar und knüpfen sich an das instrumentelle Verständnis an, dass die Entscheidung über den Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeangebots zugunsten eines funktionierenden Marktes für Unternehmenskontrolle allein den Aktionären der Zielgesellschaft überlassen werden sollte286.

Das angesprochene Vereitelungsverbot tritt in beiden Rechtsordnungen erst nach Bekanntmachung der Abgabe des Übernahmeangebots ein und gilt bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses287, d. h. wesentlich später als nach Rule 21 des englischen City Code, wonach diese Pflicht für den Board der Zielgesell282 Vgl. im deutschen Recht Hirte, WpÜG, § 33 Rdnr. 26; Möller/Pötzsch, ZIP 2001, S. 1259; Bayer, ZGR 2002, S. 604; Schwennicke, § 33 WpÜG, Rdnr. 11; Kort, FS Lutter, S. 1432; Grunewald, AG 2001, S. 289; Röh, § 33 WpÜG, Rdnr. 3; Baums, in: von Rosen/Seifert (Hrsg.), Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 177. 283 Vgl. Mülbert, IStR 1999, S. 89 m. w. N. 284 So Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 11. 285 BegrRegE-WpÜG, ZIP 2001, S. 1287; Hopt, ZGR 1993, S. 546 ff.; ders., Lutter, S. 1376 ff.; Mertens, K-Komm. AktG2, § 93 Rdnr. 61, § 76 Rdnr. 26; Rümker, FS Heinsius, S. 688; Adams, AG 1990, S. 245. 286 Vgl. BegrRegE-WpÜG, ZIP 2001, S. 1287; Hopt, ZGR 1993, S. 546 ff.; ders., FS Lutter, S. 1376 ff.; Rümker, FS Heinsius, S. 688; Viandier, OPA, OPE, Rdnr. 78; er spricht insofern über eine gewisse Bevorzugung der Gesellschafterinteresse (prevalence de l’interet de l’actionnaire); Rapport Paris 1ere ch., COB 7.7.1995, RJDA 1995, S. 777 (die Entscheidung über das Übernahmeangebots nicht dem COB sondern den Anteilseigner obliegt). 287 Vgl. im deutschen Recht § 33 I WpÜG (das Gebot tritt erst nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots und bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses zur Geltung); im französischen Recht vgl. Art. 4 III RCOB (das Vereite-

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schaft schon vor Abgabe des Angebots bei „reason to belief that a bona fide offer might bei imminent“ einsetzt288. Damit stellt sich in beiden Rechtsordnungen die Frage nach der potenziellen Vorwirkung des Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbots und seiner Auswirkung auf die Verhaltensanforderungen an die Leitungsorgane. Im französischen Übernahmerecht scheidet solch eine Vorwirkung aus. Im deutschen Recht wird in Anlehnung an die Wertungen der §§ 3, 33 WpÜG für ein aktienrechtliches Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbot plädiert289. Die aktienrechtliche Pflichtenbindung der Verwaltung wird durch die übernahmerechtlichen Regelungen insoweit überlagert, dass sich das aktienrechtliche Behinderungs- und Verhinderungsverbot mit dem kapitalmarktrechtlichen Behinderungs- und Verhinderungsgebot deckt. Alle Handlungen, die dem Vorstand in der kritischen Phase eines aktuellen Übernahmeangebots erlaubt sind, müssen ihm erst recht als präventive Abwehrmaßnahmen erlaubt sein. Im Gegenfall wäre es widersinnig, die Verwaltung im Vorfeld einer feindlichen Übernahme stärker zu binden als nach Eingreifen des Verhinderungsverbots. Dem Vorstand sind demnach alle Maßnahmen zulässig, die zwar einen potenziellen Anbieter abschrecken könnten, allerdings auch ohne diesen Effekt nach pflichtgemäßem Ermessen aus unternehmerischer Hinsicht sinnvoll sind290. Fraglich bleibt der Ermessensspielraum des Vorstands in der pre bid-Phase. Nach h. M. soll dem Vorstand ein unternehmerisches Ermessen zu Abwehrmaßnahmen eingeräumt werden291. Die Ansicht wird damit begründet, dass durch jegliche Einschränkung der Geschäftsführungs- bzw. Leitungskompetenz des Vorstands der Zielgesellschaft die Entscheidungsbefugnis entzogen würde, ohne dass dem faktisch ein entsprechender Kompetenzzuwachs der Hauptversammlung als ausgleichendes Moment gegenüber stehen könnte292. Dem Management würde dadurch die Möglichkeit genommen, andere Interessen als die der Aktionäre zu berücksichtigen293. Dieser Handlungsspielraum könnte mit Hilfe der bereits geschilderten Grundsätze unternehmerischen Ermessens konturiert werden. Angesichts der Tatsache, dass beim Fehlen eines konkreten Übernahlungsverbot tritt erst nach Bekanntmachung der von der COB genehmigten Angebotsmitteilung des Bieters und bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses in Kraft). 288 Ähnlicherweise lässt Art. 9 (a) der RiL-Entwurf das Vereitelungsverbot spätestens nach Erhalt der in Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 genannten Informationen, die das Angebot betreffen, beginnen. Damit beginnt die Neutralitätspflicht erst dann, wenn bei dem Bieter die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots endgültig gefallen und dann unverzüglich bekannt gemacht worden ist. 289 Grunewald, AG 2001, S. 289; Kiem, ZIP 2001, S. 510; Maier-Reimer, ZHR 2001, S. 261; Merkt, ZHR 2001, S. 249; Schwennicke, § 33 WpÜG, Rdnr. 14; Röh, § 33 WpÜG, Rdnr. 8. 290 Vgl. Hopt, FS Lutter, S. 1399. 291 Bungert, AG 1994, S. 297; Päfgen, RiW 1991, S. 103; Kirchner, AG 1999, S. 484; ders., WM 2000, S. 1830; Schneider/Burgard, DB 2002, S. 967. 292 Kirchner, AG 1999, S. 486; ders., WM 2000, S. 1824. 293 Wiese/Demisch, DB 2001, S. 850.

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meangebots – mit der Ausnahme von Extremfällen – kein konkreter Interessenkonflikt vorliegt, besteht ab initio keine Einwendung gegen solch eine Anwendung. Im Rahmen seiner Befugnis zur Artikulation des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses hat der Vorstand anhand der Einzelfallumstände zu prüfen, wie sich ein Übernahmeangebot auf die Interessen der Gesellschaft auswirkt und ob das Eingreifen von präventiven Maßnahmen einen besseren Einsatz der unternehmerischen Ressourcen der Gesellschaft darstellt. Aus diesem strategischen und unternehmenspolitischen Primat des Vorstands (§ 76 I AktG) ergibt sich auch die Befugnis, Verteidigungsmaßnahmen gegenüber einem aus strategischer und unternehmenspolitischer Hinsicht als unterlegen betrachteten Übernahmeangebot und dem von einem feindlichen Bieter verfolgten Plan für den Einsatz der in der Gesellschaft zusammengefassten ökonomischen Ressourcen zu ergreifen. Der Zusammenhang der Verteidigungsbefugnis des Vorstands mit seinem Pflichtrecht zur Artikulation des Gesellschaftsinteresses verbietet es ferner, die Befugnis der Verwaltung zur Einleitung von Abwehrmaßnahmen schon allein mit der Gefahr des Kontrollerwerbs durch einen dem Management feindlichen Bieter als solcher zu begründen, oder etwa mit der Gefahr, ein Konkurrent, Familienfremder oder Ausländer könne Einfluss auf die Gesellschaft gewinnen294. Maßgeblich kann allein der Gesichtspunkt der Optimierung des Einsatzes der ökonomischen Ressourcen des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens sein. Aus der verbandsrechtlichen Begründung des Vorstands als Wahrer des Gesellschaftsinteresses folgt, dass die Verhinderung drohender Wettbewerbsbeschränkungen als solche keinen tauglichen Rechtfertigungsgrund für Verteidigungsmaßnahmen darstellen kann. Die Wahrnehmung wettbewerblicher Kontrollfunktionen stellt schließlich keinen Gegenstand der verbandsrechtlichen Pflichten des Vorstands dar295.

294 Zu undifferenziert insofern BGHZ 21, 354, 357 („Minimax I“), wo es heißt, der Vorstand habe das Recht, bei der Ausübung einer Ermächtigung zur Ausgabe neuer Aktien im Rahmen des genehmigten Kapitals zu berücksichtigen, dass er einen feindlichen Übernahmeversuch „wegen des damit verbundenen Interesses, eine bestimmte Mehrheit zu erlangen oder als Konkurrent Einfluss auf die Gesellschaft zu gewinnen“ ablehne. Bedenklicher noch sind die Formulierungen in BGHZ 71, 117 („Mannesmann“), wo die Einführung eines Höchststimmrechts nach § 134 AktG aF mit dem Bedürfnis der Gesellschaft gerechtfertigt wird, „sich gegen eine Überfremdung vom In- oder Ausland her abzuschirmen, die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken, Kleinaktionär gegen einen zu großen Einfluss von Paketinhabern zu schützen und so den Charakter einer Publikumsgesellschaft dem ursprünglichen gesetzlichen Leitbild entsprechend zu wahren“. Zu Recht kritisch dagegen Adams, AG 1990, S. 77 ff.; abzulehnen daher auch LG Aachen, AG 1992, S. 410, 413; anderes gilt nur für die Kontrolle des Aktionärskreises bei Gesellschaften mit freiberuflicher Tätigkeit oder besonderer Zwecksetzung; dazu Müller, FS Semler, 210 ff.; Hüffer4, § 68 Rdnr. 10. 295 Hopt, ZGR 1993, S. 548; Rümker, FS Heinsius, S. 691.

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b) Ausnahmen vom Behinderungs- bzw. Vereitelungsverbot In beiden Rechtsordnungen wird das angesprochene Vereitelungsverbot in mehrfacher Hinsicht unterbrochen: Im französischen Übernahmerecht wird ausdrücklich vorgeschrieben, dass vom Behinderungsverbot diejenigen Handlungen ausgenommen sind, die zur laufenden Geschäftsführung (gestion courante) der Zielgesellschaft beitragen (Art. 4 III RCOB)296. Das Vereitelungsverbot kann durch eine einschlägige Hauptversammlungsermächtigung oder anlässlich der Suche nach einem konkurrierenden Angebot (white knight) außer Kraft gesetzt werden. Die Leitungsorgane sollen bei der Hinzuziehung eines weißen Ritters von der Wahrnehmung des Gesellschaftsinteresses leiten lassen und dürfen ihrem vermeintlichen Ritter keine Vorzüge (besondere Informationen oder direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung) einräumen, die geeignet wären, zu Lasten des ursprünglichen Bieters Wettbewerbsverzerrungen herbeizuführen. Ähnliches gilt auch für das deutsche Übernahmerecht. So bestimmt § 33 I 2 Var. 1 WpÜG, dass vom Behinderungsverbot diejenigen Handlungen ausgenommen sind, welche auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft vorgenommen hätte. Weiterhin darf der Vorstand der Zielgesellschaft gemäß § 33 I 2 Var. 2 WpÜG nach einem konkurrierenden Angebot suchen. Der § 33 I 2 Var. 3 WpÜG ermöglicht ferner dem Vorstand Handlungen vorzunehmen, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. Außer Kraft kann das Behinderungsverbot des § 33 I 1 WpÜG durch einschlägige Hauptversammlungsermächtigungen gesetzt werden. Solche können systematisch entweder die Form einer ad hoc Ermächtigung i. S. von § 16 IV WpÜG297 oder einer Vorratsermächtigung i. S. von § 33 II 1 WpÜG annehmen. aa) Laufende Geschäfte (Art. 4 III RCOB) und Maßnahme eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 33 II 2 Var. 1 WpÜG) Zulässig sind zunächst Handlungen, die zu den laufenden Geschäften einzuordnen sind (Art. 4 III RCOB), oder die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft vorgenommen hätte (§ 33 II 2 Var. 1 WpÜG). Die Ratio dieses Ausnahmetatbestands knüpft sich an den Grundgedanken an, dass die Zielgesellschaft während eines Übernahmeangebots in ihrer Geschäftstätigkeit nicht unangemessen behindert werden sollte298. Umgekehrt gibt es auch kein schützenswertes

296 Originalfassung: „S’ils decident d’accomplir des actes autres que de gestion courante (. . .)“. 297 Begr. RegE, ZIP 2001, S. 1262, 1286.

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Interesse des Bieters, die Gesellschaft für die Laufzeit seines Angebots „einzufrieren“ oder sie trotz Fortgangs der unternehmerischen Aktivitäten in genau dem Zustand zu erwerben, den sie bei Bekanntgabe der Angebotsentscheidung hatte. Andererseits sollte es vermieden werden, dass das Management der Zielgesellschaft die wichtigsten Unternehmensteile der Zielgesellschaft (crown jewel options) im Anlass der Übernahme und zum Lasten des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse veräußert. Was unter dem Ausnahmetatbestand der laufenden Geschäfte im französischen Übernahmerecht zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht definiert. Es soll jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass dem zunächst die operative Geschäftsführung, m. a. W. das Tagesgeschäft, wie auch die Erfüllung bereits vor dem Übernahmeangebot begründeter Vertrags- oder sonstiger Rechtspflichten zuzuordnen ist299. Der Diskretionsspielraum der Unternehmensleitung sollte angesichts der Auffassung des Art. 4 III RCOB eng verstanden werden. Etwas differenziert ist die Lage diesbezüglich im deutschen Übernahmrecht: laut § 33 I 2 Var. 1 WpÜG dürfen anlässlich eines Übernahmeangebots nur solche Handlungen vorgenommen werden, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer von einem Übernahmeangebot nicht betroffenen Gesellschaft durchgeführt hätte300. Der Bieter hat also keinen Anspruch darauf, die Zielgesellschaft in genau demselben Zustand zu übernehmen, wie sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Übernahmeangebots bestanden hat. Fraglich bleibt in diesem Kontext, welche Maßnahmen der Handlungstätigkeit des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zuzuordnen sind. Ähnlich wie beim französischen Übernahmerecht wird ausweislich der Regierungsbegründung anerkannt, dass darunter zunächst die operative Geschäftsführung, m. a. W. das Tagesgeschäft, wie auch die Erfüllung bereits vor dem Übernahmeangebot begründeter Vertrags- oder sonstiger Rechtspflichten zuzuordnen ist301. Nach h. M. sind zusätzlich Geschäftsführungsmaßnahmen außergewöhnlichen Charakters wie auch die Eingehung neuer vertraglicher und sonstiger Verpflichtungen einzubeziehen, soweit sie im Rahmen der bereits vor Bekanntwerden des Angebots eingeschlagenen Unternehmensstrategie liegen302. 298 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 58; die dahinter stehende Wertung deckt sich mit Sec. 6.02 der von American Law Institute herausgegebenen Principles of Corporate Governance, demnach: „Sec. 6.02 does not require a corporation to abandon its existing business plans simply because someone has made a tender offer for its shares“, so ALI, Principles of Corporate Governance, 1994, § 6.02, Comment c (6), S. 416–417; Hirte, WpÜG, § 33 Rdnr. 66. 299 Bonneau/Faugérolas, Les Offres Publiques, Rdnr. 191; Bull. mens. COB, nov. 1986, Rdnr. 197, S. 9; Rapport COB 1989, S. 39. 300 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 301 Begr. RefE, BT-Drucks.14/7034, S. 58; Drygala, ZIP 2001, S. 1866; Winter/ Harbarth, ZIP 2002, S. 6; Hopt, FS Lutter, S. 1391 ff.; Maier-Reimer, ZHR 2001, S. 266 ff.; Schwennicke, § 33 WpÜG, Rdnr. 45; Schneider, AG 2002, S. 128 ff.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

Angesichts des typischerweise beim Übernahmeangebot vermuteten Interessenkonflikts zwischen Management und Aktionären und zwecks eines effizienten Schutzes der Aktionäre der Zielgesellschaft vor der Gefahr einer Umgehung des Vereitelungsverbots über § 33 I 2 Var. 1 WpÜG empfiehlt es sich, hierzu strenge Anforderungen an die Dokumentation und Konkretisierung dieser Unternehmensstrategie zu stellen. Dass die Unternehmensstrategie vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist, stellt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Zulässigkeit einer auf § 33 I 2 Alt. 1 WpÜG gestützten Abwehrmaßnahme dar303. Zum einen wird man weiterhin verlangen, dass es sich um eine vor Bekanntwerden des Übernahmeangebots hinreichend verfestigte und in den Geschäftsberichten oder sonstigen veröffentlichten Dokumenten publizierte Unternehmensstrategie handelt304. Zum anderen ist erforderlich, dass die eingeschlagene Unternehmensstrategie inhaltlich nicht jeder Fokussierung entbehrt: Bestünde die Strategie etwa in einer möglichst breiten Diversifizierung und einem hierauf abzielenden Erwerb von Unternehmen aller Art, so könnte sich der Vorstand in einer Übernahmesituation sicherlich nicht darauf stützen, dass jeder Unternehmenserwerb nunmehr in Verfolgung der bereits eingeschlagenen Unternehmensstrategie erfolge. Dass der Wortlaut des § 33 WpÜG II 2 Var. 1 an dem aktienrechtlichen Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 I AktG) anknüpft, verweist auch auf die Gewährung eines unternehmerischen Ermessensspielraums an die Unternehmensleitung im Fall des § 33 II 2 Var. 1 WpÜG305. Maßgebend ist nicht, ob der Vorstand einer fiktiven Gesellschaft dieselbe Handlung vorgenommen hätte, sondern ob der Vorstand der vom Übernahmeangebot betroffenen Zielgesellschaft die erfolgsverhindernde Maßnahme auch bei Außerachtlassung des Übernahmeangebots nach dem Maßstab des § 93 I AktG hätte vornehmen dürfen306. Fraglich ist, ob im Fall des § 33 II 2 Var. 1 WpÜG die bereits besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens anwendbar wären. Die Schwierigkeit könnte darin bestehen, dass bei (feindlichen) Übernahmeangeboten typischerweise ein Interessenkonflikt zwischen dem Management und den Aktionären vorliegt, so dass die Prämisse der Unbefangenheit seitens des Entscheidungsträgers nicht gegeben ist307: Im Falle 302 Vgl. Drygala, ZIP 2001, S. 1865 ff.; Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 6; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 126; etwas differenziert Röh, § 33 WpÜG, Rdnr. 115 (sachliche Rechtfertigung der Maßnahme erforderlich); strenger in dieser Hinsicht die Regelung des Rule 21.1. City Code im englischen Recht. 303 Winter/Harbarth, ZIP 2002. S. 7; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 127. 304 Zutreffend Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 7. 305 Vgl. Begr. RegE, ZIP 2001, S. 1286. 306 Vgl. Röh, § 33 WpÜG, Rndr. 115; Drygala, ZIP 2001, S. 1865 ff.; Winter/Habarth, ZIP 2002, S. 6. 307 Vgl. Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 126.

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eines (feindlichen) Übernahmeangebots befinden sich die Vorstandsmitglieder typischerweise in einem Interessenkonflikt, weil sie im Fall einer erfolgreichen Übernahme vielfach mit dem Verlust ihrer Positionen rechnen müssen308. Für die Anwendung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens lässt sich trotz des angesprochenen Interessekonflikts anführen, dass der Konflikt in dieser Fallkonstellation dadurch abgemildert wird, dass der Vorstand lediglich zu denjenigen Handlungen befugt wird, die entweder Tagesgeschäft darstellen oder in Weiterverfolgung einer bereits eingeschlagenen Unternehmensstrategie vorgenommen werden, die zu einem Zeitpunkt angelegt waren, zu dem der Interessenkonflikt noch nicht bestand309. Das jedenfalls im Ansatz berechtigte Anliegen des Gesetzgebers, eine übermäßige „Lähmung“ der Organtätigkeit durch feindliche Übernahmeangebote zu verhindern und der Unternehmensleitung die Fortsetzung einer bereits eingeschlagenen und hinreichend konkretisierten Unternehmensstrategie zu ermöglichen, rechtfertigt in diesem Fall den Dispens vom Vereitelungsverbot310. Bei der Präzisierung des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses soll jedenfalls der Vorstand beachten, dass den Aktionären die Möglichkeit zur sachgerechten Prüfung und Annahme des Angebots nicht genommen wird. Auf der anderen Seite soll er darauf achten, dass die Zielgesellschaft nicht durch die Unterlassung notwendiger oder nützlicher Maßnahmen geschädigt wird. In die erforderliche Abwägung ist das Maß des Vorteils der geplanten Maßnahme für das Unternehmen, die Wahrscheinlichkeit des Vorteilseintritts sowie die Dringlichkeit der Maßnahme einzubeziehen. bb) Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung (Art. 4 III RCOB; §§ 16 IV, 33 II WpÜG) Ebenso wie das Vereitelungsverbot knüpft dieser Ausnahmetatbestand an den Grundgedanken an, dass die unternehmerische Entscheidung über die Verteidigung der Zielgesellschaft gegen ein Übernahmeangebot allein dem Aktionariat überlassen werden sollte. Insofern erscheint es kongruent mit dem Kompetenzvorrang der Hauptversammlung, dass letztere die Leitungsorgane zu den Maßnahmen ermächtigen darf, welche aus ihrer Sicht zur Vereitelung des Übernahmeangebots geeignet sind311. Der französische RCOB bezieht sich hierbei nur auf die ad hoc-Ermächtigung der Hauptversammlung; Vorratsermächtigungen vor der Bekanntmachung Dazu vgl. Hopt, ZGR 1993, S. 546 ff.; ders., Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 123. So auch Drygala, ZIP 2001, S. 1867; Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 6; Hirte, WpÜG, § 33 Rdnr. 69. 310 Vgl. Drygala, ZIP 2001, S. 1867; Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 6; tendenziell auch Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 126; Hirte, WpÜG, § 33 Rdnr. 69; abw. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, S. 732 ff. 311 Bayer, ZGR 2002, S. 610. 308 309

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des Übernahmeangebots sind im Übernahmerecht nicht geregelt und sollen nach den Vorschriften des allgemeinen Gesellschaftsrechts beurteilt werden. Letzteres erweist sich als besonders streng in Bezug auf die Vorratsermächtigungen: Der Art. 180 IV L. 1966 schreibt ausdrücklich vor, dass im Rahmen des Übernahmeverfahrens die bereits vorliegenden Ermächtigungen der Hauptversammlung an die Leitungsorgane zur Kapitalerhöhung suspendiert werden312. Die Ermächtigung der Hauptversammlung kann im deutschen Recht entweder die Form einer ad hoc Ermächtigung (§ 16 IV WpÜG) oder einer Vorratsermächtigung (§ 33 II WpÜG) haben. Bei Vorratsermächtigungen handelt es sich um bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots getroffene Legitimationsbeschlüsse zum Ergreifen von Verteidigungsmaßnahmen. Solche Beschlüsse sind rechtspolitisch insofern bedenklich, als dass die Aktionäre zum Zeitpunkt der Entscheidung das künftige Übernahmeangebot noch gar nicht kennen und daher auch das Pro und Contra nicht abwägen können313. Das ist nach allem, was wir aus der empirischen Verhaltens- und Entscheidungsforschung wissen, höchst bedenklich und lässt sich mit dem legislatorischen Leitziel einer wohlüberlegten Anlegerentscheidung kaum vereinbaren. Das WpÜG versucht dieses Problem dadurch abzumildern, dass es die Ausübung der aus der Vorratsermächtigung abgeleiteten Befugnisse an die Zustimmung des Aufsichtsrats bindet314, dem die Aufgabe zufällt, das Vorstandshandeln in der konkreten Übernahmesituation zu kontrollieren. Die formellen und materiellen Voraussetzungen von Vorratsbeschlüssen sind im § 33 II 1 WpÜG ausführlich geregelt. Die Vorschrift bestimmt diesbezüglich, dass eine Vorratsermächtigung zunächst die Abwehrmaßnahmen ihrer Art nach benennen müsse315. Zu diesem Zweck reicht eine allgemeine Umschreibung der zu treffenden Maßnahmen (Schaffung eines genehmigten Abwehrkapitals, die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien, Veräußerung von Beteiligung, Rückkauf von

312

Vgl. Bonneau/Faugérolas, Les Offres Publiques, Rdnr. 194. Bayer, ZGR 2002, S. 611; Drygala, ZIP 2001, S. 1865; Hopt, FS Lutter, S. 1387 ff.; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 128 ff.; Schwennicke, § 33 WpÜG Rdnr. 75. 314 Dies entspricht der auch im Rahmen der von Abs. 1, Satz 2 geltenden Aufsichtsratslösung. 315 Anders die Formulierung des RegE (BT-Drucks. 14/7034), demnach die Hauptversammlung die konkreten Maßnahmen im Einzelnen bezeichnen müsse. Die aus dem Regeierungsentwurf folgende weiterreichende Konkretisierung der zulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen hätte die Zielgesellschaft dazu gezwungen ihre Abwehrmittel für den Fall eines Übernahmeangebots im vornhinein offen zu legen, und dem potentiellen Anbieter erlaubt, sich auf diesem Maßnahmen bereits im Vorfeld vorzubereiten. Die Bennennung konkreter Maßnahmen hätte im Fall eines Angebots vorgesehener Vermögensgegenstände oder Unternehmensteile der Verwaltung der Zielgesellschaft die Möglichkeit genommen, durch Verhandlung mit mehreren potentiellen Erwerbern den Preis für den Vermögensbestandteil zu steigern, vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 48; Kiem, ZIP 2000, S. 1516; Kirchner, AG 1999, S. 488. 313

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Aktien) aus316. Möglich ist auch, die für den Fall eines Übernahmeangebots zulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen in einem Maßnahmenkatalog aufzuführen317. Eine Blankett-Ermächtigung, die den Vorstand dazu ermächtigt, alle zur Abwehr eines Übernahmeangebots geeigneten oder nützlichen Maßnahmen zu treffen, ist unzulässig318. Ferner kann die Ermächtigung anhand eines Legitimationsbeschlusses laut § 33 II 2 WpÜG für höchstens 18 Monate erteilt werden und bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst319. Die Satzung kann allenfalls eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Ist der Vorstand aufgrund eines Vorratsbeschlusses nach § 33 II WpÜG zur Durchführung einer Abwehrmaßnahme berechtigt, hat er im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens (§§ 76, 93 AktG) darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er von der ihm im Voraus erteilten Ermächtigung Gebrauch macht. Der Gebrauch der Ermächtigung benötigt stets die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats. Fehlt es an einem Vorratsbeschluss i. S. von § 33 II WpÜG und liegt statt dessen eine allgemeine, zweckfreie Ermächtigung der Hauptversammlung zur Vornahme etwa einer Kapitalmaßnahme (z. B. Kapitalerhöhung auf dem Weg des genehmigten Kapitals, Erwerb eigener Aktien) vor, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Vorstand im Übernahmekampf von dieser Ermächtigung mit der Zielsetzung Gebrauch machen darf, die Übernahme abzuwehren320. Das französische Übernahmerecht ist hierbei besonders streng (Art. 180 IV L. 1966): Die Leitungsorgane können solche Ermächtigungen

316 Eine Beispielsreihe möglicher Beschlussgegenstände findet sich weder im Gesetzestext noch in der Regierungsbegründung. Der Finanzausschuss nennt in Zusammenhang mit der notwendigen Konkretisierung des Vorratsbeschlusses die Durchführung von Kapitalmaßnahmen und die Veräußerung von Beteiligungen (BT-Drucks. 14/7477, S. 69). 317 Begründung RegE, BT-Drucks. 14/7034. 318 Diese Korrektur erfolgte erst in den Beratungen des Finanzausschusses, nachdem der Bundesrat darum gebeten hatte klarzustellen, in welchem Maß die Abwehrhandlungen zu konkretisieren seien; BT-Drucks. 574/01 = ZIP 2001, S. 1787 ff. 319 Das bedeutet, dass die Verwaltung der Aktiengesellschaft immer wieder dazu gezwungen wird, eine qualifizierte Aktionärsmehrheit für den Einsatz dieses Abwehrmittels zu gewinnen. Zu beachten ist weiterhin, dass auch eine zulässige Abwehrermächtigung der Hauptversammlung nicht von der Beachtung zwingenden Aktienrechts befreit. So darf z. B. weder die Höhe des genehmigten Kapitals 50% des Grundkapitals übersteigen (§ 202 III 1 AktG) noch dürfen die neün Aktien vom Vorstand unter Wert ausgegeben werden (§ 255 II AktG). Ebenso wenig darf die Aktiengesellschaft ein Konkurrenzangebot eines white knight finanzieren (§ 71a I AktG). Die Hauptversammlung kann die Verwaltung nicht zu gesellschaftsschädigendem Verhalten ermächtigen (z. B. zur Verschleuderung von crown jewels, vgl. dazu Altmeppen, ZIP 2001, S. 1078; Bayer, ZGR 2002, S. 611, 612; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 127; Maier-Reimer, ZHR 2001, S. 269). 320 Krause, AG 2002, S. 219 m. w. N.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

nicht verwenden, da sie im Übernahmekampf suspendiert sind. Sie brauchen demnach eine ad hoc Ermächtigung. Im deutschen Recht würde die Verwendung einer derartigen Ermächtigung zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots in erster Linie gegen das Vereitelungsverbot des § 33 I WpÜG verstoßen. Demnach erscheint es ausgeschlossen, dass beispielsweise ein vor drei Jahren zweckfrei gebilligtes, genehmigtes Kapital von der Verwaltung während eines Übernahmeangebots als Mittel zur Abwehr eines Übernahmeangebots genutzt wird321. Eine Zulässigkeit des Vorstandshandels kann sich in solchen Fällen nur aus § 33 I 2 Var. 1 und 3 WpÜG ergeben. Soweit beide Ausnahmetatbestände erfüllt sind, obliegt es dem Vorstandsermessen, von welchem Tatbestand er Gebrauch macht. Die Var. 1 scheidet jedenfalls aus, wenn die Art und Weise der Gebrauchmachung allein durch das feindliche Übernahmeangebot veranlasst ist und sich nicht anderweitig sachlich rechtfertigen lässt. In diesem Fall kann der Vorstand nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats von einer unechten Ermächtigung der Hauptversammlung als Abwehrinstrument Gebrauch machen. Auf diese Weise könnte ein unechter Vorratsbeschluss, der ohne Ansehung eines Übernahmeangebots gefasst wurde, zu einem effizienten Abwehrinstrument gegen eine feindliche Übernahme umgestaltet werden. Sofern der Vorstand hierfür die Zustimmung des Aufsichtsrats erhalten würde, könnte er von einem genehmigten Kapital oder der Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien zu dem alleinigen Zweck Gebrauch machen, ein feindliches Übernahmeangebot zu vereiteln. Diese Ansicht beruht auf einer an die Ansichten des Finanzausschusses angelehnten historisch teleologischen Auslegung des Zusammenhangs zwischen §§ 33 II 2 und 33 I 2 Var. 3 WpÜG, sie ist allerdings nicht unbestritten. Selbst wenn der Finanzausschuss die Ansicht vertritt, dass die Möglichkeit zur Ermächtigung von Abwehrmaßnahmen durch die Hauptversammlung nach § 33 II WpÜG das Recht des Vorstands zur Durchführung von Abwehrmaßnahmen im Rahmen von § 33 I 2 WpÜG nicht einschränkt322, spricht andererseits die Gesetzessystematik für eine strengere Auslegung dieses Zusammenhangs. Denn das Verhältnis von § 33 II 2 WpÜG zu § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG erfolgt keineswegs in der Form von Alternativen („Vorratsermächtigung durch die Hauptversammlung“ oder „Zustimmung des Aufsichtsrats“), die sich wahlweise gegenüberstehen. Vielmehr ist auch bei Vorliegen einer speziellen Abwehrermächtigung der Hauptversammlung die Zustimmung des Aufsichtsrats zum konkreten Einsatz des aktienrechtlichen Abwehrinstruments erforderlich (§ 33 II 4 WpÜG). Daher kann aus systematischen Erwägungen die bloße Zustimmung des Aufsichtsrats zur Ausnutzung einer allgemein erteilten Ermächtigung der Hauptversammlung nicht ausreichend sein, wenn zielgerichtet ein Übernahmeangebot abgewehrt werden soll. Wollte man anders entscheiden, wäre die Regelung des § 33 II WpÜG und somit die Abwehrermächtigung auf 321 322

Hopt, FS Lutter, S. 1375. Finanzausschuss, ZIP 2001, S. 2104.

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Vorrat im Ergebnis überflüssig323. Sinnvollerweise kann die alleinige Zustimmung des Aufsichtsrats für Abwehrmaßnahmen des Vorstands nur in dem Bereich zur Anwendung kommen, die nicht dem Kompetenzvorrang der Hauptversammlung unterliegt, also immer dann nicht, wenn die Abwehrmaßnahme direkt in die Zusammensetzung des Aktionärskreises eingreift. Solche zielgerichteten Eingriffe zur Abwehr feindlicher Übernahmeangebote sind nur aufgrund einer speziellen Ermächtigung der Hauptversammlung nach § 33 II WpÜG zulässig. Fraglich ist der Ermessensspielraum der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit bei der Entscheidung über eine Ermächtigung der Leitungsorgane zur Abwehr gegen ein Übernahmeangebot. Die relevante Rechtsprechung ist in beiden Rechtsordnungen besonders spärlich. Wie bei jeder unternehmerischen Entscheidung sollte hierzu der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Ermessensspielraum zugebilligt werden324. Ein Teil des deutschen Schrifttums geht sogar so weit zu behaupten, dass die Entscheidung über die Einleitung von Abwehrmaßnahmen gegen eine feindliche Übernahme keinerlei inhaltlichen Bindungen unterliegt325. Solch eine Ansicht verkennt allerdings, dass die Gesellschafter jedenfalls der Bindung an das Gesellschaftsinteresse unterliegen. Zur Konkretisierung des Handlungsspielraums der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit könnten hierzu für beide Rechtsordnungen die Grundsätze unternehmerischen Ermessens verwertet werden. Demgemäß sollte geprüft werden, ob die beschlussfassende Gesellschaftermehrheit die Ermächtigung an die Leitungsorgane zu Abwehrmaßnahmen unbefangen, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen hat. Die Befangenheit der beschlussfassenden Gesellschaftermehrheit stellt für beide Rechtsordnungen ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar326. Soweit der Bieter auch Aktionär der Zielgesellschaft ist, bedarf es hierzu der Klärung, ob er bei der Beschlussfassung über den Ermächtigungsbeschluss mitstimmen darf. Wäre der die beantragten Verteidigungsmaßnahmen ablehnende Beschluss ohne die Stimmen des feindlichen Bieters nicht zustande gekommen, sollte dies im deutschen Recht zum Wegfall des unternehmerischen Ermessens der beschlussfassenden Mehrheit führen327. Anders verhält sich die Lage im französischen Recht, wo die Theorie de vote utile nicht herrschend ist328. Soweit man von der Unanwendbarkeit der Theorie 323 Denn warum sollte der Vorstand Hauptversammlung und Aufsichtsrat um Zustimmung bemühen, wenn bereits die alleinige Zustimmung des Aufsichtsrats ausreichend wäre? 324 So im deutschen Recht Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung, S. 385. 325 So Kiem, ZIP 2000, S. 1515 ff.; Werner, Übernahmeangebote, S. 16 ff. 326 Hier ist etwa der Fall vorstellbar, dass ein Aktionär, dessen Stimmen den Ermächtigungsbeschluss mittragen, als Erwerber eines Teils der Zielgesellschaft vorgesehen ist, der im Zuge der geplanten Verteidigungsstrategie der Verwaltung veräußert werden soll. Gegenüber einer diese eigensüchtige Motivation abgreifenden Anfechtungsklage des feindlichen Bieters könnte die Gesellschaft sich nicht auf ihr unternehmerisches Ermessen hinsichtlich der Opportunität der angestrebten Verteidigung berufen, sofern das zu Stande kommen des Verteidigungsbeschlusses von den Stimmen des Konfliktbelasteten Aktionärs abhing. 327 So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 378.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

ausgeht, sollte man in solchen Fällen von einem relevanten Interessenkonflikt ausgehen.

cc) Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 33 I 2 Var. 3 WpÜG) Das deutsche Übernahmerecht ermöglicht es dem Vorstand Handlungen vorzunehmen, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat (§ 33 I 2 Var. 3 WpÜG). Diese abermalige Ausdehnung der Abwehrmaßnahmen beruht auf einer Gesetzesänderung durch den Finanzausschuss des Bundestages329. Die Regelung betrifft zunächst die Maßnahmen, die der Vorstand zwar im Rahmen seiner aktienrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis trifft, aber ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter ohne das konkrete Übernahmeangebot nicht getroffen hätte (§ 33 II 2 Var. 1 WpÜG). Mit Zustimmung des Aufsichtsrats sind dementsprechend auch Maßnahmen ergreifbar, die gerade aus Anlass des Übernahmeangebots getroffen werden sollen. Dazu gehören etwa ein Gegenangebot auf Aktien des Bieters oder die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien auf den Bieter. Es bleibt noch ungeklärt, ob § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG lediglich Maßnahmen im eigenen Kompetenzbereich des Vorstands erfasst oder ob er dem Vorstand weiterhin gestattet, Hauptversammlungsermächtigungen, die den besonderen Anforderungen des § 33 II WpÜG nicht genügen, mit Zustimmung des Aufsichtsrats als Abwehrmittel einzusetzen. Die Zustimmung muss nach Gesetzeswortlaut vor dem Eingreifen der Maßnahmen vorliegen. Ihre nachträgliche Billigung durch den Aufsichtsrat genüge nicht, andernfalls würde die Entscheidung des Aufsichtsrats vielfach faktisch präjudiziert. Nicht ausreichend ist eine Generalzustimmung des Aufsichtsrats, weil sich der Aufsichtsrat dadurch seiner Zustimmungskompetenz faktisch berauben würde. Man wird insoweit die konkrete Angabe der gestatteten Handlungen zu fordern haben. Die Rechtsvorschrift ist jedenfalls rechtspolitisch insofern bedenklich, als sie Abwehrmaßnahmen zulässt, die von der bisherigen Unternehmensstrategie nicht gedeckt und damit vom Ausnahmetatbestand des § 33 I 2 Var. 1 nicht erfasst sind. Es besteht damit die Gefahr, dass anhand der Zustimmung des Aufsichtsrats das Verhinderungsverbot wesentlich umgegangen wird. Sie ist außerdem aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich330. Die Zustimmung des Aufsichtsrats stellt eine unternehmerische Entscheidung dar331. Angesichts des typischerweise bei (feindlichen) Übernahmeangeboten auftretenden Interessenkonflikts kann nur schwer von einer Anwendbarkeit der 328 329 330 331

Vgl. § 6, C. III. 2. b). Vgl. BT-Drucks. 14/7477, S. 69. Bayer, ZGR 2002, S. 617 m. w. N. Vgl. § 2, A. I. 2. b).

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Grundsätze unternehmerischen Ermessens ausgegangen werden. Da jedoch der Interessenkonflikt in concreto zu beurteilen ist332, sind ausnahmsweise Fallkonstellationen vorstellbar, bei denen solche Konflikte nicht vorliegen. Das ist etwa der Fall, wenn die Aufsichtsratsmitglieder aufgrund eines umfangreichen Besitzes an Aktien der Zielgesellschaft (oder von Optionen auf solche Aktien) ein finanzielles Interesse am Erfolg des Übernahmeangebotes haben. In solchen Fällen schreitet eine judizielle Nachprüfung der Abwehrmaßnahme nur dann ein, wenn die Grenzen unternehmerischen Handelns deutlich bzw. offensichtlich überschritten worden sind333. dd) Suche nach konkurrierendem Angebot Beide Rechtsordnungen ermöglichen den Leitungsorganen die Suche nach einem konkurrierenden Angebot (white knight) anlässlich des Übernahmeverfahrens (Art. 5-2-4 ff. RCMF; § 33 II 2 Var. 2 WpÜG). Letztere zählt herkömmlicherweise zu den Abwehrmaßnahmen; es handelt sich jedoch nicht um eine mit dem Vereitelungsverbot des Vorstands konfligierende Maßnahme334. Ein Konflikt liegt deshalb nicht vor, weil die Entscheidung über die Änderung der Herrschaftssituation bei den Aktionären der Zielgesellschaft verbleibt, denen lediglich eine zusätzliche Handlungsoption eröffnet wird335. Die das Übernahmeangebot annehmenden Aktionäre erhalten in diesem Fall eine höhere Abfindung und das Unternehmen einen Großaktionär, der seinen Interessen besser gerecht wird336. Eine Pflicht der Unternehmensleitung zur Suche nach einem white knight ist allerdings nicht anzunehmen337. Bei der Suche und Wahl des weißen Ritters besteht für die Leitungsorgane angesichts des Fehlens spezialgesetzlicher Regelungen ein Handlungsspielraum, dessen Grenzen durch den rechtlichen Rahmen des Übernahmeverfahrens beschränkt werden. Zum einen sind die zeitlichen Grenzen zur Findung eines Konkurrenzangebots zu beachten338. Es bleibt ferner 332 333

Vgl. § 6, C. III. 1. b) bb). Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 111 Rdnr. 85; Winter/Harbarth, ZIP 2002,

S. 11. 334 Vgl. Hopt, ZGR 1993, S. 557; ders., Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 126; Mülbert, IStR 1999, S. 89; Van Aubel, Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, S. 171 ff.; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 127; Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 4. 335 Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 4. 336 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 58; Winter/Harbarth, ZIP 2002, S. 4; Hopt, Gkomm. AktG4, § 93 Rdnr. 126; Fleischer, in: Fleischer/Kalss (Hrsg.), WpÜG, S. 127. 337 So Röh, § 33 WpÜG, Rdnr. 117; a. A. Busch, Notwendigkeit der spezialgesetzlichen Regelung, 1996, S. 109. 338 Vgl. § 14 I 1 WpÜG; Art. 5-2-4 RCMF.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

problematisch, ob und in welchem Umfang die Verwaltung der Zielgesellschaft dem von ihm ins Auge gefassten weißen Ritter Informationen über die Verhältnisse der Zielgesellschaft weitergeben darf. Hierzu soll die Verwaltung der Zielgesellschaft nach seinem geschäftlichen Ermessen darüber entscheiden, ob er einem potenziellen Erwerber eine due diligence erlaubt oder nicht339. Nach einer im deutschen Recht vertretenen Ansicht ist dem Vorstand die Weitergabe der Kerndaten des Unternehmens direkt an den potenziellen Erwerber aktienrechtlich nur dann gestattet, wenn ein ungewöhnliches und überragendes, anders nicht zu realisierendes eigenes Interesse der Gesellschaft die Offenlegung der Informationen gebietet340. Dies soll etwa der Fall sein, wenn eine Verschmelzung vorbereitet wird oder es sich um die Fortexistenz der Gesellschaft handelt. III. Zusammenfassung und Ergebnisse Vergleicht man die Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft in beiden Rechtssystemen, so gelangt man zum folgenden Ergebnis: obwohl beide Rechtsordnungen zweifellos von einem Vereitelungsverbot ausgehen, sind angesichts der weiten Ausnahmetatbestände nach deutschem Recht Fallkonstellationen denkbar, in denen das deutsche Übernahmerecht Maßnahmen zur Vereitelung des Übernahmeerfolgs gestattet, während den dirigeants sociaux in vergleichbarer Situation die Hände gebunden wären341. Das gilt u. a. wegen des Umfangs und der Tragweite der Hauptversammlungsermächtigung, vor allem aber wegen § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG. Wegen der weitgefassten Ausnahmetatbestände wird die Bereitschaft zu einem feindlichen Übernahmeangebot sinken. Inwieweit die nach deutschem Recht zulässigen Abweichungen vom Vereitelungsverbot weiter eingeschränkt werden, wird wohl letztlich auf europäischer Ebene entschieden werden342.

339 Vgl. im deutschen Recht Hopt, FS Lutter, S. 1384; Winter/Habarth, ZIP 2002, S. 5; Kiethe, NZG 1999, S. 976; Werner, ZIP 2000, S. 989 ff.; Lutter, ZIP 1997, S. 613 ff.; Roschmann/Frey, AG 1996, S. 449; Mertens, AG 1997, S. 541; Stoffels, ZHR 2001, S. 373 ff.; differenzierend nach Fallgruppen Treck, FS Fikentscher, S. 444 ff. 340 Lutter, ZIP 1997, S. 617; Ziemons, AG 1999, S. 495. 341 In rechtvergleichender Hinsicht vgl. Schäfer/Eichner, NZG 2003, S. 155. 342 Der neue Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 2.10.2002 (KOM 2002, 534) sieht insoweit ein erheblich weitgehendes Vereitelungsverbot des Vorstands der Zielgesellschaft vor und würde in seiner gegenwärtigen Fassung wohl die Streichung der Ausnahmetatbestände nach § 33 I 2 Alt. 3 sowie § 33 II WpÜG erforderlich machen. Zusätzlich sind im Richtlinienvorschlag umfassende Offenlegungspflichten im Hinblick auf bereits in Kraft befindliche Verteidigungsmechanismen bei börsennotierten Gesellschaften vorgesehen; vgl. Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193; Schäfer/Eichner, NZG 2003, S. 155.

§ 6 Leitungshandeln im Rahmen der Unternehmenskrise

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§ 6 Sorgfaltsanforderungen an das Leitungshandeln im Rahmen der Unternehmenskrise Konkretisierungsbedarf besteht nicht nur in Bezug auf die Verhaltenspflichten der Geschäftsleitung einer prosperierenden Gesellschaft. Ebenso wichtig sind aus praktischer Hinsicht die Handlungsmöglichkeiten der Geschäftsleitung in der Unternehmenskrise. Die Frage gewinnt an Bedeutung, wenn man nicht nur die Höhe der in Rede stehenden Schäden, sondern auch die Tatsache in Erwägung zieht, dass die in der Insolvenz der Gesellschaft resultierenden Fehlhandlungen der Geschäftsleiter zu ihrer persönlichen Haftung führen können oder dass neben den Altgläubigern auch die Neugläubiger der insolventen Gesellschaft separat auf Ersatz ihres Vertrauensschadens klagen dürfen343. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit den Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung angesichts der Unternehmenskrise. Der Systematisierung halber werden die einschlägigen Sorgfaltsanforderungen getrennt für die Zeit vor und nach der Insolvenzannahme untersucht. Im letzteren Fall legt die vorliegende Untersuchung besonderen Wert auf die Insolvenzverschleppungshaftung.

A. Sorgfaltsanforderungen an die Unternehmensleitung vor der Insolvenzannahme I. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur sorgfältigen Überprüfung der Krisensymptome Strittig wird in beiden Rechtsordnungen die Pflicht der Unternehmensleitung zur sorgfältigen Überprüfung der Krisensymptome diskutiert. Die Frage spielt in der Praxis eine Rolle für die Haftung der Unternehmensleitung wegen verspäteter Prüfung der Insolvenzlage der Gesellschaft. Eine abschließende Konturierung der Überprüfungspflicht der Unternehmensleitung scheidet angesichts der Unüberschaubarkeit der von der Kontrolle erfassten Sachverhalte aus344. In diesem Kontext wird im Schrifttum beider Rechtsordnungen die Frage gestellt, ob nicht mittels Bilanzanalyse die Bestimmung eines Zeitpunktes möglich ist, zu dem die Unternehmensleitung die Lage der Gesellschaft im Hinblick auf eine kommende Insolvenz zu prüfen hat. Zum Teil wurde die Ansicht vertreten, dass die Kennzifferanalyse zur Verbesserung der Krisenwarnfunktion der Abschlussprüfer ernsthaft in Erwägung zu ziehen wäre345. Letztlich wird jedoch davon ausgegangen, dass der Jahresabschluss keine hinreichend verlässlichen Voraus343

So BGHZ 126, S. 181 ff.; BGHZ 138, S. 21 ff. Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 249 ff. 345 Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049; Clemm, FS Havermann, S. 101; Baetge, VW 1998, S. 1344. 344

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sagen über den künftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zulässt346. Aufgrund unzulänglich konkreter Bilanzanalyse muss hinsichtlich der Prüfungspflicht der Unternehmensleitung auf Krisensymptome abgestellt werden. Der BGH hat diesbezüglich festgestellt, dass der Vorstand bei „Anzeichen einer Krise“ durch „Aufstellen eines Vermögensstatus“ einen Überblick über den Vermögensstand schaffen müsse347. An die Erstellung des Vermögensstatus sind keine übersteigerten Anforderungen zu stellen348. In der Regel genügt es, von der letzten Bilanz auszugehen und die seitherige Geschäftsentwicklung überschlagsmäßig zu berücksichtigen349. Nur wenn sich aufgrund dieser überschlagsmäßigen Berechnung eine rechnerische Überschuldung aufdrängt, ist eine konkrete Analyse zu fordern. Fehlt der Unternehmensleitung ein zur Beurteilung der Insolvenzlage notwendiges Fachwissen, ist bei dringendem Verdacht des Vorliegens oder des unmittelbaren Bevorstehens einer Insolvenz sachkundiger Rat einzuholen350. Wie allgemein beim Bestehen eines Verdachts wird man hierbei verlangen müssen, dass der Vorstand davon ausgehen könnte, dass der Verdacht des Vorliegens einer Insolvenz hinreichend sicher ausgeräumt wurde. Nur wenn dies ohne einen Vermögensstatus möglich ist, kann auf diesen verzichtet werden. Hinsichtlich der Einrichtung des Vermögensstatus wird man von einer Dokumentationspflicht der Unternehmensleitung auszugehen haben351. In die gleiche Richtung wie der BGH bewegt sich der französische Gesetzgeber, wenn er eine Pflicht der Unternehmensleitung zur vorausschauenden Finanzplanung vorschreibt (Art. 340-1 I L. 1966 i.V. mit Art. 244 I D. 1967)352. Letztere soll zur Insolvenzprophylaxe beitragen und ist von besonderer Erheb346 Vgl. Kleindiek, ZGR 1998, S. 472 ff.; Küting, WPg 1998, S. 1 ff.; so kann nach einzelnen Studien zwar eine Insolvenzfälligkeit 3 Jahre vor dem Scheitern mit einer Sicherheit von etwa 87% vorausgesagt werden, gesunde Unternehmen werden aber nur zu 66% erkannt (Bätge, Wpg 1994, S. 2); nach einer anderen Studie zu 71% (Leker/Schewe, ZfbF 1998, S. 886). Bei einer Insolvenzfälligkeit von statistisch einem Prozent werden damit 33 von 34 Unternehmen als insolvenzbedroht eingestuft, ohne dass später eine Insolvenz eintritt. Bei größerer zeitlicher Nähe zur Krise verbessern sich die Ergebnisse, die Fehler sind dennoch in der Regel noch beachtlich (vgl. Dittmar/Hilbert, ZBB 1998, 343). 347 BGHZ 126, 181, 199. 348 OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.2.1999-15 U 107/89, insoweit nicht abgedruckt in EwiR 1999, 409 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 253. 349 Vgl. OLG Schleswig, EwiR 1998, S. 271, 272 (Anm. von Gerkan). 350 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 253. 351 FK/Schmerbach, § 19 InsO, Rdnr. 23a; die Vertretungsorganmitglieder sind gehalten eine substantiierte Dokumentation vorzunehmen. 352 Die Einrichtung einer vorausschauenden Finanzplanung betrifft Handelsgesellschaften einer bestimmten Größe (vgl. Art. 340-1 I L. 1966 i.V. mit Art. 244 I D. 1967). Für die sonstigen Gesellschaften besteht die Möglichkeit einer freiwilligen vorausschauenden Finanzplanung (Art. 33 Loi 84-148 vom 1.3.1984).

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lichkeit in der Zeit der Unternehmenskrise. Sie ist für Unternehmen bestimmter Größe als Dauerpflicht der Unternehmensführung vorgeschrieben (obligatorische vorausschauende Finanzplanung). Ergibt sich aus der vorausschauenden Finanzplanung, dass der geplante Finanzbedarf des Unternehmens in der kommenden Rechnungsperiode nicht aus Mitteln der Gesellschaft gedeckt werden kann, ohne dass schon jetzt eine Zahlungseinstellung vorliegt, kann ein Schlichtungsverfahren eröffnet werden353. Die Anforderungen an die Erstellung der Finanzplanung sind für die obligatorische vorausschauende Finanzplanung gesetzlich festgeschrieben354. Insofern handelt es sich um eine Legalitätspflicht der Unternehmensleitung. Sowohl das deutsche als auch das französische Recht enthalten keinen Hinweis auf den kritischen Zeitpunkt zum Aufstellen eines Vermögensstatus bzw. zum Erstellen einer vorausschauenden Finanzplanung. Wichtig bleibt jedenfalls, dass nicht jedes beliebige Anzeichen eine Pflicht zur Aussetzung eines Vermögensstatus bzw. zum Erstellen einer vorausschauenden Finanzplanung begründen kann. Dies wäre dem besonderen Charakter der Insolvenzantragspflicht nicht gerecht, denn letztendlich besteht diese Pflicht nur, wenn das Unternehmen nicht mehr lebensfähig ist. Insofern kann die Insolvenzantragspflicht nicht in jeder „normalen Krise“ der Gesellschaft Vorwirkungen entfalten. Die Unternehmensleitung darf sich gegen den Vorwurf der fehlenden Überprüfung der Lage der Gesellschaft mit dem Argument verteidigen, sie habe in Krisensituationen Besseres zu tun, als Untersuchungen über den genauen Zeitpunkt der Insolvenzlage anzustellen355. Eine Pflicht zur außerplanmäßigen Überprüfung der Lage der Gesellschaft durch Aufstellen eines Vermögensstatus bzw. durch vorausschauende Finanzplanung besteht nicht bei jedem Hinweis auf eine Krise Art. 35 I Loi 84-148 vom 1.3.1984; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1085. Die vorausschauende Finanzplanung umfasst vier Planungsunterlagen (Art. 340 – 1 I L. 1966 i.V. mit Art. 244 I D. 1967). Dazu gehört zunächst ein Verzeichnis der flüssigen Vermögenswerte der Gesellschaft und ihrer fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten. Dieses Verzeichnis muss spätestens vier Monate nach Abschluss jedes Geschäftsjahres vorgelegt werden. Zur vorausschauenden Finanzplanung gehört weiterhin eine auf das abgelaufene Geschäftsjahr bezogene Finanzierungsübersicht, die erläutert, in welcher Weise die Einnahmen im zurückliegenden Geschäftsjahr die Ausgaben abgedeckt haben. Ihre Erstellung soll ebenfalls in den ersten vier Monaten nach Abschluss eines Geschäftsjahres erfolgen. Darüber hinaus umfasst die vorausschauende Finanzplanung eine Erfolgsrechnung, die eine Auflistung der voraussichtlichen Erträge und des voraussichtlichen Aufwands des nächsten Geschäftsjahres enthält. Sie wird im gleichen Zeitraum erstellt wie die Finanzierungsübersicht. Schließlich umfasst die vorausschauende Finanzplanung einen Finanzierungsplan, der aufzeigt, wie der im laufenden Geschäftsjahr zu erwartende Finanzbedarf des Unternehmens abgedeckt werden kann. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht kurzfristig in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, die zu einer Zahlungseinstellung führen können. Auch der Finanzplan muss spätestens vier Monate nach Beginn eines Geschäftsjahres vorliegen. 355 BGHZ 75, S. 97, 111; vgl. noch Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 33. 353 354

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der Gesellschaft, sondern nur beim Vorliegen eindeutiger Alarmzeichen356. Der Unternehmensleitung sollte ein gewisser Ermessensspielraum zur Einschätzung der Krisensymptome anerkannt werden. Als alarmierendes Krisenzeichen sollte dasjenige angesehen werden, welches nach vernünftiger kaufmännischer Überlegung die ernsthafte Möglichkeit einer Insolvenz unabweislich aufdrängt. Das ist in beiden Rechtsordnungen der Fall, wenn etwa der Hersteller der vertriebenen Produkte insolvent geworden ist, einschneidende Umweltauflagen zu erfüllen sind und ein Vermögensstatus gezeigt hätte, dass die Verbindlichkeiten die Aktivwerte um das Doppelte übersteigen357. Ein eindeutiges Symptom kann ferner der zunehmende Druck von Gläubigern darstellen, so wenn sich Lieferanten weigern weitere Lieferungen zu erbringen358. Gleiches gilt für das Abspringen eines wichtigen Kunden359, wenn die Gesellschaft ohnehin Verluste erwirtschaftet. In Betracht kommen auch eine nicht nur vorübergehend negative Ertragslage, nachhaltige Liquiditätsschwierigkeiten, erhebliche Forderungsausfälle oder auch ein schwer verkäufliches Warenlager360. Bei großen Verlusten kann ferner unabhängig von einer vorherigen Gefährdung des Eigenkapitals die Pflicht zur Überprüfung der Lage der Gesellschaft eintreten361. Vor allem ein negativer Eigenkapitalsaldo in der Handelsbilanz stellt ein eindeutiges Alarmsignal für das Vorliegen einer Insolvenz dar und zwingt sowohl die Unternehmensführung als auch den Wirtschaftsprüfer zu einer detaillierten Überprüfung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft362. Die angesprochenen Erwägungen sollten ebenfalls für die Intervalle gelten, in denen nach Eintreten der alarmierenden Krisenzeichen die Prüfung der Lage der Gesellschaft zu wiederholen ist. Hierzu sollte der Unternehmensleitung ebenfalls ein Ermessensspielraum anerkannt werden. So soll bis zur nachhaltigen Behebung der Krise im Allgemeinen eine monatliche Kontrolle ausreichend sein, zumal die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen in der Regel monatlich erstellt werden363. Allerdings könnte je nach Bedrohungsgrad auch ein kürzerer Turnus angezeigt sein, bei einer ganz akuten Krise könnte 356

Vgl. BGHZ 75, S. 97 ff.; BGH DB 1999, S. 1894. Vgl. im deutschen Recht OLG Düsseldorf, NZG 1999, S. 349, 350; im französischen Recht vgl. Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049 unter Verweis auf die Kriterien des „Accountants International Study Group“. 358 So Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049 unter Verweis auf die Kriterien des „Accountants International Study Group“. 359 Vgl. Cass. com. 6.3.1979, JCP éd. G 1979. IV. 167. 360 Mayer, WPg 1994, S. 129, 130; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049 unter Verweis auf die Kriterien des „Accountants International Study Group“. 361 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 252. 362 Hommel, ZfB 1998, S. 310; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 251; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1049 unter Verweis auf die Kriterien des „Accountants International Study Group“. 363 So Kübler B., ZGR 1995, S. 500. 357

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sogar eine wöchentliche Überprüfung geboten sein. Was das deutsche Recht anbelangt, lässt sich für den Vermögensstatus als Grundlage der Prüfung aus Praktikabilitätsgründen vom Ausreichen einer monatlichen Prüfung ausgehen. In der akuten Krise wird bei der Bilanzierung von Liquidationswerten ohnehin eine rechnerische Überschuldung vorliegen, so dass die Forderung einer wöchentlichen Überprüfung des Vermögensstatus mehr als fragwürdig erscheint364. Das Schwergewicht der Prüfung liegt auf der Fortführungsprognose, die von kurzfristigen Einflüssen eher unbeeinflusst ist. Eine neuerliche Fortführungsprognose wird man zwischen den monatlichen Auswertungen nur bei gravierenden Ereignissen annehmen können365. II. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur Reaktion auf die Unternehmenskrise bzw. zum Treffen von Sanierungsmaßnahmen Die Gerichtspraxis beider Rechtsordnungen erkennt eine Haftung der Unternehmensleitung wegen Unterlassen von Sanierungsmaßnahmen oder wegen Treffens von unzulänglichen und unzweckmäßigen Sanierungsmaßnahmen in der Zeit der Unternehmenskrise an366. In welchen Fällen die Krisensymptome so deutlich sind, dass dem dirigeant social zweifellos erkennbar sein sollte, dass dringende Sanierungsmaßnahmen nötig sind, wird in der Rechtsprechung nur kasuistisch festgestellt. So betrachtet die Gerichtspraxis das Vorliegen eines Passivums von erheblicher Tragweite367, eine sehr schnell eingetretene Minderung des Gesellschaftsvermögens368 sowie die Insolvenz oder Abstinenz eines Groß364

So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 252. So OLG Celle, GmbHR 2002, S. 942. 366 Vgl. im deutschen Recht BGHZ 75, S. 97 ff. („Herstatt“); BGHZ 122, S. 333, 336; BGH, DStR 2000, S. 645, 646; Schmidt K. ZIP 1988, S. 1504; Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 28; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 253 ff.; zur Haftung wegen Unterlassens von Sanierungsmaßnahmen im französischen Recht: CA Rouen, 16.2.1973, D. 1973, somm. S. 56, CA Paris 28.2. und 11.3.1977, D. 1977, inf. Rap., S. 298 (Anm. Honorat); CA Rouen, 15.7.1982, GP 1983, I, S. 34; zum Treffen von unzulänglichen und unzweckmäßigen Sanierungsmaßnahmen: Cass. com. 8.10. 1996, Bull. civ. IV no 226 = JCP éd. E, 1997. II. 917 (Anm. Daigré) = Dr. Soc. 1996, comm. 233 (Anm. Chaput) = Bull. Joly 1996, S. 1057 (Anm. Calendini) = Rev. proc. Coll. 1997, S. 242 (Anm. Martin-Serf); CA Aix-en-Provence 19.2.1992, Juris-Data Nr. 040361; CA Douai 13.2.1997, Rev. Proc. Coll. 1998, S. 109 mit Anm. MartinSerf; die Haftung betrifft in beiden Fällen auch den faktischen Geschäftsleiter (Cass. com. 19.12.1995, RJDA 3/96, no 431); Scholastique, Le devoir de diligence, Rdnr. 65. 367 Vgl. CA Rouen 15.7.1982, GP 1983, I somm. 34; Cass. com. 8.10.1996, Bull. Joly 1996, S. 1057 (Anm. Calendini); Cass. com. 16.1.1976 GP 1976, I somm. 97; Cass. com. 14.1.1983, RJC 1984, S. 215 (Anm. Gallet). 368 Vgl. Cass. com. 14.1.1983, RJC 1984, S. 215 (Anm. Gallet). Das ist allerdings nicht der Fall, wenn die schnelle Vermögensverminderung auf eine Intervention der öffentlichen Behörde zurückzuführen ist (so Trib. com. Paris 11.4.1984, GP 1984. II. 550). 365

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kunden, von dem die Gesellschaft in hohem Grad wirtschaftlich abhängig ist, als deutliche Symptome369. Der Umfang und die Tragweite der Sanierungsmaßnahmen werden in keiner von beiden Rechtsordnungen definiert, sondern dem Ermessen der Unternehmensleitung überlassen. Hierzu könnten die bereits besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens verwertet werden. Demgemäß sollte geprüft werden, ob die getroffenen Maßnahmen verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen sind. Zur Überprüfung der getroffenen Maßnahmen hinsichtlich des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses könnten die BGH-Äußerungen im Anlass des „Herstatt“-Urteils370 vom Nutzen sein. Demgemäß stellt den Ausgangspunkt der Sanierungsbemühungen das konkrete Unternehmen und seine jeweilige Lage dar. Gerade bei großen Unternehmen mit vielfältigen Geschäftsbeziehungen werden die Sanierungsmöglichkeiten nicht auf den ersten Blick zu übersehen sein. Um einschätzen zu können, ob überhaupt die Aussicht einer Sanierung besteht, sind dann genauere Feststellungen nicht nur über die Vermögens- und Liquiditätslage der Gesellschaft und verbundener Unternehmen anzustellen, sondern auch über die Ursachen der eingetretenen Krise. Auf dieser Grundlage ist dann zumindest ein grober Sanierungsplan zu entwerfen, dessen Risiken und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die vorhandenen oder zu erwartenden finanziellen Hilfsquellen wenigstens überschlagsmäßig zu bewerten sind. Zur Einschätzung der Bereitschaft der Gläubiger, der Großbanken oder der öffentlichen Hand zu Hilfeleistungen können Gespräche mit kompetenten Persönlichkeiten erforderlich sein. Denn nur anhand solcher Gespräche lässt sich ein klares Bild über die Aussichten einer außergerichtlichen Überwindung der Unternehmenskrise gewinnen371. III. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur Vermeidung von unvertretbaren bestandsgefährdenden Geschäftsabschlüssen und -praktiken Es ist weitgehend anerkannt, dass die Unternehmensleitung gerade in der wirtschaftlichen Krise weit reichender Handlungsvollmachten bedarf, um „das Ruder noch einmal herumreißen“ zu können372. Beschränkte man den Handlungsspielraum der Gesellschaft, so wäre eine außergerichtliche Sanierung in vielen Fällen von vornherein ausgeschlossen. Dies gilt vor allem für die zur Sanierung häufig notwendigen Umstrukturierungen, wie etwa bei Unternehmensverkäufen und -käufen (Mergers and Aquisitions). Das schließt allerdings 369

Vgl. Cass. com. 6.3.1979, JCP éd. G. 1979. IV. 167. BGHZ 75, S. 97, 112 („Herstatt“). 371 BGHZ 75, S. 97, 112 („Herstatt“). 372 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 245; Meyer-Landrut, FS Barz, S. 280; Goette, FS 50 Jahre BGH (Praxis), S. 138; Gurke, Verhaltensweisen, S. 108. 370

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die Gefahr nicht aus, dass die Geschäftsleitung im Rahmen einer Gesellschaftskrise in Versuchung gerät, risikoreiche Maßnahmen zu ergreifen, um das Unternehmen zurück zum Gewinnkurs zu bringen. Zu weit gehend wäre jedenfalls es, die bloße Möglichkeit einer Bestandsgefährdung ausreichen zu lassen, denn Kapitalgesellschaften wären dann zur Aufnahme von Risikokapital nicht geeignet373. Zum Ermessensspielraum der Unternehmensleitung gelten in erster Linie die in Bezug auf die Risikogeschäfte oben erwähnten Anmerkungen374. Bestandsgefährdende Maßnahmen widersprechen dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse, wenn die Bestandsgefährdung aufgrund der getroffenen Entscheidung nach allen ernsthaft in Betracht kommenden Szenarien überwiegend wahrscheinlich ist und sie bei nahe liegenden Alternativen nicht eintreten würde oder doch zumindest deutlich geringer wäre375. So kommt eine Haftung wegen eines bestandsgefährdenden Geschäfts in Betracht, wenn das Fehlschlagen einer Investition zu erwarten war und zugleich bessere Erwartungen und bessere Alternativen nicht genutzt wurden. In diesem Fall wird man von Geschäften mit spekulativem Charakter sprechen müssen, deren Risiken nicht im Verhältnis zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft stehen und deshalb im Verwirklichungsfall den Gläubiger treffen376. IV. Pflicht der Unternehmensleitung zur Vermeidung der unverantwortlichen Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs Haftungsbegründend kann auch die dauerhafte Fortführung eines überschuldeten Geschäftsbetriebs sein, wenn sie jeder realistischen Aussicht über den Fortbestand des Unternehmens widerspricht (poursuite d’une exploitation deficitaire)377. Der Tatbestand stellt im französischen Recht eine häufig wieder373

Zutreffend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 245. Vgl. oben § 7, A. II. 375 Vgl. zum deutschen Recht BGHZ 122, S. 333, 336 (Entziehen von notwendigen für den Fortbestand des Unternehmens Vermögenswerten); BGH DStR 2000, S. 645, 646 (Entziehen von notwendigen für den Fortbestand des Unternehmens Vermögenswerten); RG JW 1936, S. 2313 (marktunübliches Darlehen); Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 245; im französischen Recht vgl. Cass. com. 19.3.1996, Bull. civ. IV no 91, = D. 1996 IR. 101 = D. Affaires 1996, S. 618 = Bull. Joly 1996, S. 613 (Anm. Couret) = JCP éd. G 1996. I. 3960, no 17 (Anm. Gabrillac) = Rev. proc. coll. 1996, S. 401 mit Anm. Martin-Serf (Finanzierung eines Lokals über die Verhältnisse der Gesellschaft hinaus und mit einzigem Ziel das Erlangen eines „pret bancaire“); CA Paris, 23.11.1992, Bull. Joly 1993, S. 255 (Anm. Campana); CA Paris 30.9.1991, Juris-Data, no 000583. 376 Vgl. BGHZ 122, S. 333, 336; BGH DStR 2000, S. 645, 646. 377 Vgl. Cass. com. 16.10.1968, Bull. civ. no 274, Cass. com. 8.4.1974, Bull. civ. IV no 179; Cass. com. 6.1.1982, Bull. Joly 1982, S. 389; Cass. com. 13.11.1990, Bull. civ. IV no 276; Cass. com. 27.4.1993, Bull. civ. IV no 151 = JCP éd. E 1993. I. 277 no 20 = D. 1993, inf. RaS. 130 = Bull. Joly 1993, S. 687 (Anm. Chaput); CA Paris 18.6.1991, GP 1992. I. 148 (Anm. Marchi) = Rev. Proc. Coll. 1992, no 2, S. 149 374

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kehrende faute de gestion dar. Da die Überschuldung im französischen Recht keinen Insolvenzgrund darstellt, weist die Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs einen selbstständigen Handlungstatbestand auf, welcher zum Haftungsrisiko für die dirigeants sociaux avanciert, wenn der Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs die Zahlungseinstellung bzw. die Insolvenz der Gesellschaft nachfolgt (vgl. Art. 182 Nr. 4 InsG 1985). Der Tatbestand der unverantwortlichen Betriebsfortführung überschneidet sich insofern mit dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung, als die Insolvenzreife meistens die Endphase der Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs darstellt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die gerichtliche Nachprüfung der faute de gestion in der französischen Rechtsprechung, indem die Gerichte oft dazu tendieren, aus der folgenden Insolvenz der Gesellschaft die Vermutung einer missbräuchliche Fortführung des defizitären Geschäftsbetriebs abzuleiten378. Dies widerspricht jedoch den gesetzgeberischen Wertungen zur Beweislast379. Der Tatbestand der unverantwortlichen Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs kann von Bedeutung insbesondere für den Fall einer negativen Fortführungsprognose sein, wenn die Liquidationsbilanz der Gesellschaft aufgrund starker Aktivwerte noch positiv ist. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs stellt ein unternehmerisches Risiko dar, deren Einschätzung mangels spezialgesetzlicher Einschränkungen dem Ermessen der Unternehmensleitung in beiden Rechtsordnungen überlassen ist. Hierbei sollte unter Anwendung der angesprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens geprüft werden, ob die Entscheidung über die Fortführung des Geschäftsbetriebs unbefangen, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und nachvollziehbar im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen wurde. So wird die Fortsetzung des defizitären Geschäftsbetriebs vor allem dann ermessensfehlerhaft sein, wenn die Unternehmensleitung bei sachlich begründeter Aussichtslosigkeit zur Fortführung aus sachfremden Erwägungen veranlasst wird. In der Regel wird die Unvertretbarkeit der Fortführung des Geschäftsbetriebs in Betracht kommen, wenn die Gesellschaft von einer Zahlungsunfähigkeit ernsthaft bedroht wird380. Der Unternehmensleitung bleibt dann (Anm. Liénard); CA Versailles 4.5.1995, Bull. Joly 1995, S. 788 (Anm. Couret); Cass. com. 14.5.1991, Bull. civ. IV, S. 118 no 164, BRDA 30.6.1991, no 12, S. 17; CA Versailles 13ch. 3.5.1990, Bull. Joly 1990-7, S. 664 (Anm. Daigré); Cass. com. 1.12.1992, D.S. 1995-3, S. 8, Cass. com. 27.4.1993, Bull. civ. IV, no 151, S. 104, CA Paris 3me ch. A. 8.3.1994, Bull. Joly 1994-6, S. 681 (Anm. Saintourens); Cass. com. 9.5.1995, RJDA 1995-8/9, no 1046, S. 821; im englischen Recht vgl. Section 214 Insolvency Act 1986; Gower/Davies6, S. 604; Fletcher, S. 661; Goode, S. 459. 378 Zutreffend Grossi, Les devoirs, Rdnr. 252 ff. unter Verweis auf CA Versailles, 3.5.1990, S. 668 (Anm. Daigré). 379 Die Vermutung des Geschäftsleitungsfehlers in Art. 99 InsG 1967 wurde nach der Insolvenzreform vom 1985 abgegeben, vgl. § 3, B. IV. 380 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 243; aus der französischen Rechtsprechung vgl. Cass. com. 27.4.1993, Rev. Soc. 1993, S. 871, 872; CA Paris 9.9.1992,

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nicht nur die Möglichkeit einer Insolvenzantragstellung, sondern auch die zeitnahe Einberufung einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung mit dem Ziel, die Gesellschaft aufzulösen. Vor allem aber kann das Management durch Neuausrichtung des Unternehmens die bedrohlichen Zukunftsperspektiven wieder verbessern. Zu denken ist schließlich an eigennütziges Verhalten des Unternehmensleitung; dies wird im französischen Recht in Art. 182 Nr. 4 InsG 1985 ausdrücklich geregelt, indem die Vorschrift eine Haftung des dirigeants vorschreibt, falls er aus eigennützigem Interesse eine zur Insolvenz führende Betriebsfortsetzung unternimmt. Das ist etwa der Fall, wenn die Unternehmensleitung die Geschäfte der Gesellschaft nur deshalb fortführt, um weiterhin die Vorstandsbezüge zu erhalten oder zuvor Verbindlichkeiten der Gesellschaft bedienen zu können, für die er sich verbürgt hat381. Das ist auch der Fall, wenn die Unternehmensleitung die Geschäftstätigkeit nur deshalb fortsetzt, um Schäden auszugleichen, für die sie sonst von der Gesellschaft in Anspruch genommen wäre382. Ermessensfehlerhaft wäre auch die Fortführung des Geschäftsbetriebs allein im Hinblick auf die Arbeitnehmerinteressen383, es sein denn, sie ist auf eine politische Intervention zurückzuführen384. Ein eigenes Interesse der Unternehmensleitung wurde in der französischen Judikatur angenommen, als der gérant einer SARL trotz Verlusten und aussichtsloser Lage die Geschäfte fortführte, um seine Angehörigen länger beschäftigen zu können385. V. Verlustanzeigepflicht der Unternehmensleitung 1. Gesetzliche Grundlagen Sobald die Finanzlage des Unternehmens einen kritischen Höhepunkt erreicht hat, ist die Unternehmensleitung verpflichtet, die Anteilseigner unverzüglich darüber zu informieren. Beide Rechtsordnungen schreiben diesbezüglich eine Bull. Joly 1992, S. 1233; CA Paris 3me ch. 16.11.1993, Bull. Joly 1994, S. 101 (Anm. Daigré). 381 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 183. 382 Vgl. etwa BGH ZIP 1986, S. 26, 30. 383 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 249 mit rechtsvergleichender Begründung. 384 Vgl. Trib. com. Marseille 27.2.1978, RJ Com. 1980, S. 317; Trib. com. Paris 23.4.1979, RJ com 1979, S. 315 (Anm. Merle); Trib. com. Pontoise 26.1.1979, D. 1979, S. 457 (Anm. Derrida); Trib. com. Paris 11.4.1984, GP 1984, 2, S. 550 (Anm. Marchi) = RJ com 1985, S. 178 (Anm. Calendini); Trib. com. Paris 26.7.1986, GP 1986, 2, S. 506; Trib. com. Paris 8.12.1986, JCP éd. E 1987. I. 16619 (Anm. Gabrillac/Vivant); Trib. com. Paris 13.11.1987, RD bancaire et bourse 1988, S. 63 (Anm. Crédot/Gérard); Marchi, Responsabilité des dirigeants sociaux et crise economique, S. 434; Mestre, Les risques de l’intervention des autorités publiques dans les enterprises en difficulté, S. 159; Grossi, Les devoirs des dirigeants sociaux, Rdnr. 264. 385 CA Aix-en-Provence 28.3.1990, Bull. Aix. 1990. I. no 30.

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Verlustanzeigepflicht der Unternehmensleitung gegenüber den Gesellschaftern für den Fall vor, dass die Verminderung des Gesellschaftsvermögens eine gewisse Grenze erreicht hat. Im französischen Recht schreibt L. 1966 eine Verlustanzeigepflicht der dirigeants sociaux vor, wenn sich aus den Rechnungslegungsunterlagen ergibt, dass sich das Eigenkapital der Gesellschaft infolge von Verlusten auf weniger als die Hälfte des Grundkapitals verringert hat. In diesem Fall sind die dirigeants sociaux verpflichtet, innerhalb von vier Monaten nach der Feststellung der Rechnungslegungsunterlagen eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, die dann über die Auflösung der Gesellschaft zu entscheiden hat (vgl. Artt. 68 I, II, 241 I L. 1966). Verletzen die dirigeants sociaux ihre Verlustanzeigepflicht, begehen sie einen faute de gestion und haften nach Art. 180 InsG 1985386. Im deutschen Aktienrecht schreibt § 92 I AktG eine Pflicht des Vorstands zur unverzüglichen Einberufung der Hauptversammlung vor, wenn sich bei Aufstellung einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz oder nach pflichtgemäßem Vorstandsermessen ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ergibt. Ähnlich schreibt das GmbHG eine Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zur unverzüglichen Einberufung der Gesellschafterversammlung vor, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Jahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist (§ 49 III i.V. mit § 84 I 1). Nach richtiger Ansicht besteht über den Wortlaut des § 49 III GmbHG hinaus eine Einberufungspflicht auch dann, wenn die Geschäftsführer von einem entsprechenden Absinken des Eigenkapitals ohne Aufstellung einer Zwischenbilanz Kenntnis haben387. Sind den Geschäftsführern Tatsachen bekannt, die Verdacht auf Verlust des halben Stammkapitals nahe legen, sind sie verpflichtet, sich durch Aufstellung mindestens einer groben Zwischenbilanz zu vergewissern. 2. Verlustzanzeigepflicht und Diskretionsspielraum der Unternehmensleitung Bei der Verlustanzeigepflicht erkennt man eine gesetzliche Einschränkung der Leitungsmacht der dirigeants sociaux. Die Gesetzesvorschriften sind jedoch in beiden Rechtsordnungen nicht so streng gefasst, dass der Unternehmensleitung jeder Diskretionsspielraum entzogen wird. Was die Berechnungsmethode zur Feststellung der Verlustschwelle anbelangt, gehen beide Rechtsordnungen überwiegend davon aus, dass die relevante Pflicht nicht beim Ausweis eines Verlusts in Höhe der Hälfte des Nennkapitals, sondern bei tatsächlicher Minderung des 386 Vgl. CA Bordeaux, 23.10.1995, Dr. Soc. 1996, no 34; CA Pau 14.9.1994, JurisData no 051279; CA Paris, 28.2.1997, RG no 94/27897; CA Paris 23.1.1998, RG no 95/01354 („France Alize SARL“); Cass. com. 31.1.1995, Bull. Joly, 1995, S. 341 (Anm. Couret) = Rev. Soc. 1995, S. 763; Cass. com. 6.5.1972, GP 1973 I. somm. 28. 387 So Baumbach/Hueck/Zöllner17, § 49 GmbHG, Rdnr. 16.

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Gesellschaftsvermögens auf einen Betrag, der unter der Hälfte des Nennkapitals liegt, anzusehen ist388. Das bedeutet praktisch, dass, solange ein Verlust noch aus gesetzlichen freien, offenen oder stillen Rücklagen unter Zuhilfenahme von weniger als der Hälfte des Nennkapitals gedeckt werden kann, keine Einberufungspflicht der Geschäftsleitung besteht. Mit dem Abstellen auf die tatsächliche Vermögenslage erscheint es auch in ausreichendem Maße gewährleistet, dass die Einberufung der Hauptversammlung in aller Regel vor dem Insolvenzzeitpunkt erfolgen muss389. Im deutschen Recht wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass der Verlust in Höhe des halben Grundkapitals in einem Geschäftsjahr aufgelaufen sein muss390. Diese Ansicht interpretiert den Verlust als Jahresfehlbetrag. Das überzeugt allerdings wenig, denn §§ 92 I AktG bzw. 84 I GmbHG verwenden den rechtstechnischen Begriff des Jahresfehlbetrags nicht. Außerdem besteht die Gefahr, dass beim Abstellen allein auf Buchwerte die Einberufungspflicht sogar bei tatsächlich voll erhaltenem Grundkapital eingreifen kann. Zutreffenderweise knüpft die Rechtsprechung an die tatsächliche Verminderung des Gesellschaftsvermögens unter die Schwelle der Hälfte des Nennkapitals an391. Selbst wenn die Geschäftsleitung an die herrschende Ansicht zur Feststellung der Verlustschwelle anknüpfen kann, besteht immerhin das allgemeine bilanzpolitische Problem der Bewertung der Vermögenslage der Gesellschaft. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass das Vorliegen eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Stammkapitals nach den für die Jahresbilanz geltenden handelsrechtlichen Regeln zu bestimmen ist392. Immerhin besteht das Problem, dass nicht nur eine Bewertung „wahr“ ist. Dies gilt umso mehr bei den Unwägbarkeiten der Reservenbewertung. Was insbesondere die Beachtung des going concern-Prinzips anbelangt, hängt ihre Einhaltung von der einschlägigen Fortbestehungsprognose ab. Ist sie positiv, bleibt es bei den Buchwerten, ansonsten müssen Liquidationswerte an die Stelle der Buchwerte treten393. Bei der Fortführungsprognose ist der Geschäftsführung immerhin ein Ermessensspielraum anzuerkennen394. 388 Vgl. im deutschen Recht BGH WM 1958, S. 1416, 1417; OLG Köln, AG 1978, S. 17, 22; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 2; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 12; Lutter/Hommelhoff 15, § 49 GmbHG, Rdnr. 13; Hachenburg/Hüffer8, § 49 GmbHG, Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 84 GmbHG, Rdnr. 11c; im französischen Recht ergibt dies bereits aus dem Wortlaut der Artt. 68 I, II, 241 I L. 1966, wobei von einer Minderung der „capitaux propres“ auf weniger als die Hälfte des „capital socials“ die Rede ist. 389 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 234. 390 So Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 13 ff. 391 BGH WM 1958, S. 1416, 1417; OLG Köln, AG 1978, S. 17, 22. 392 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 84 GmbHG, Rdnr. 11; Lutter/Hommelhoff 15, § 84 GmbHG, Rdnr. 4; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 3; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 18. 393 So Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 4; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92, Rdnr. 14; einschränkend Habersack, Gkomm. AktG4, § 92, Rdnr. 18; Hachenburg/Hüffer8, § 49

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Zur Konkretisierung des Ermessensspielraums könnten die bereits besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens verwendet werden. Demzufolge sollte vor allem geprüft werden, ob die Fortführungsprognose unbefangen, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und nachvollziehbar im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse entschieden ist. Nur offensichtlich unvertretbare Kalkulationsirrtümer der Unternehmensleitung sollten gerichtlich nachprüfbar sein395. Über die Feststellung des Vermögensverlustes aus der Zwischen- bzw. Jahresbilanz hinaus besteht im deutschen Recht eine Einberufungspflicht der Geschäftsleitung, wenn sie nach pflichtgemäßem Ermessen solch einen Verlust feststellt (§ 92 I AktG). Nachdem das AktG auf das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands und damit auf dessen Person abstellt, ist ein Rückgriff auf die objektive Lage der Gesellschaft zur Bestimmung der Vertretbarkeit des Vorstandshandels nicht gerechtfertigt396. Konsequenterweise ist die Erkennbarkeit des Verlusttatbestands für die Beurteilung der Unternehmensleitung entscheidend. Hierzu sollte richtigerweise dem Geschäftsleiter ein Ermessensspielraum zuerkannt werden397. Die Grundsätze unternehmerischen Ermessens könnten hierzu ebenfalls verwertet werden. Das Absehen von der Einberufung wird auch beim tatsächlichen Vorliegen eines Verlusts in Höhe der Hälfte des Grundkapitals vertretbar sein, soweit keine derart zwingenden Anhaltspunkte für einen Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals vorliegen, dass jede andere Entscheidung als die sofortige Annahme eines solchen Verlustes bzw. sofortige Ermittlungen über das Bestehen eines solchen Verlusts unvertretbar erscheint398.

Rdnr. 25; Lutter/Hommelhoff 15, § 49 GmbHG, Rdnr. 13; a. A. Scholz/Schmidt 8, § 49 Rdnr. 22; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 84 GmbHG, Rdnr. 11. 394 Vgl. BGHZ 126, S. 181, 199; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 31; Lutter, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe, S. 189; Goette, FS 50 Jahre BGH (Praxis), S. 137; Henze, BB 2001, S. 57; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 224 ff. 395 Vgl. Müller, ZGR 1985, S. 203, demnach besteht ein Ermessen der Unternehmensleitung, wenn die Fortführungsprognose keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit in Richtung Überleben oder in Richtung Nicht-Überleben des Unternehmens ergibt. Das OLG Köln (AG 1978, S. 17, 22) will einen Ermessensmissbrauch des Vorstands annehmen, wenn Letzterer wider besseres Wissen von falschen Wertansätzen ausgegangen ist. 396 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 234 unter Verweis auf § 83 AktG 1937. Das Streichen des Erfordernisses einer Jahres- oder Zwischenbilanz durch § 83 I AktG 1937 sollte lediglich verhindern, dass sich der Vorstand durch Verzögerung der Aufstellung des Jahresbilanz bzw. einem Absehen vom Aufstellen einer Zwischenbilanz der Verlustanzeigepflicht entzieht; vgl. noch Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 20. 397 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 234. 398 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 234.

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Weniger beachtet wird in beiden Rechtsordnungen die Frage, ob ein Ermessensspielraum der Unternehmensleitung zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nach Feststellung des Verlusts anzuerkennen ist. Hierzu lassen sich Fallkonstellationen vorstellen, bei denen beim Vorliegen solch eines Verlustes die Wahrnehmung der Einberufungspflicht nicht die beste Strategie für das Gesellschaftsinteresse darstellt. Man denke vor allem an die mit der Einberufung der Hauptversammlung einer Publikumsgesellschaft wegen eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals verbundene negative Publizität399. In solchen Fällen sollte der Unternehmensleitung nach pflichtgemäßem Ermessen ein Recht auf kurzfristiges Absehen von der Einberufung anerkannt werden400. Ein Ermessensspielraum sollte jedenfalls mit Vorsicht aufgenommen werden, da es der gesetzgeberischen Grundwertung entspricht, dass die Einberufung dem Wohl der Gesellschaft im Grundsatz dient. Die Anerkennung eines Ermessensspielraums lässt sich im französischen Recht angesichts des rigiden Wortlauts der Artt. 68 I, 241 I L. 1966 nicht entnehmen. Im deutschen Recht könnte ein Ermessensspielraum auf den Wortlaut der §§ 92 I AktG bzw. 49 III GmbHG gestützt werden, die eine „unverzügliche“ Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verlangen. Als schuldhaftes Zögern i. S. von § 121 BGB soll ein Zuwarten nicht bewertet werden, wenn die Unternehmensleitung mit hinreichender Erfolgsaussicht annehmen darf, den Verlust des halben Grundkapitals selbst etwa durch Verhandlungen mit den Gläubigern beseitigen zu können401. Gleiches gilt für den Fall, dass das Zuwarten auf die Vorbereitung eines Sanierungsvorschlags und der notwendigen Abstimmungen zurückzuführen ist, solange keine akute Gefährdung für die Gläubigerinteressen besteht402. Dies gilt nicht zuletzt, weil in der Praxis regelmäßig ein Sanierungsvorschlag vorgelegt wird403, der seinerseits der Vorbereitung bedarf und wegen der notwendigen Abstimmungen nicht überhastet vorgelegt werden sollte404. In der Regel wird das kurzfristige Hinauszögern angesichts konkreter und aussichtsreicher Sanierungsverhandlungen das für die relevante Pflichtverletzung erforderliche Verschuldensmerkmal (§ 276 BGB) nicht ausfüllen. Etwas anderes folgt aus Art. 17 der Kapitalrichtlinie nicht405. 399 So im deutschen Recht Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 6; K-Komm. AktG2, § 92, Rdnr. 17, ders., AG 1983, S. 176; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 235. 400 Vgl. Mertens, K-Komm. AktG2, § 92, Rdnr. 17, ders., AG 1983, S. 176; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 235. 401 Zutreffend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 235; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 6. 402 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 235; Eidenmüller, ZHR 1996, S. 343, 358; in diese Richtung auch Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 17; ggf. für eine schuldlose Pflichtverletzung Habersack, Gkomm. AktG4, § 92 Rdnr. 23. 403 Vgl. Eidenmüller, ZHR 1996, S. 358. 404 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 235. 405 Vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 74 ff.

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B. Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung nach der Insolvenzannahme I. Die Pflicht der Unternehmensleitung zur unverzüglichen Insolvenzanmeldung (Insolvenzverschleppungshaftung) Beide Rechtsordnungen gehen von einer Pflicht der Unternehmensleitung zur unverzüglichen Insolvenzantragsmeldung aus. Im deutschen Recht schreiben §§ 92 II AktG, 64 I GmbHG eine Pflicht der Geschäftsleitung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverzüglich nach der Feststellung der Insolvenzlage und spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vor. Das französische Recht schreibt eine einschlägige Verpflichtung in Art. 3 i.V. mit Art. 180 InsG 1985 vor. Nach Art. 3 II InsG 1985 soll der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens spätestens 15 Tage nach der Zahlungseinstellung (cessation des paiements) beantragen. Für den Zeitpunkt vor der Zahlungseinstellung schreibt das InsG 1985 eine Reihe selbstständiger Eröffnungsgründe vor, welche eine Verfahrenseröffnung unabhängig von einer Zahlungseinstellung ermöglichen. Dementsprechend kann ein Sanierungsverfahren auch dann eröffnet werden, wenn der Schuldner seinen finanziellen Verpflichtungen aus einem Schlichtungsvertrag nicht nachkommt (Art. 2 II 2), wenn er beim Vorliegen eines Fortführungsplans seinen finanziellen Verpflichtungen aus dem Plan nicht fristgerecht nachkommt (Art. 80 I) oder wenn beim Vorliegen eines Veräußerungsplans mit vorhergehender „Unternehmenspacht“ der Pächter seiner Erwerbsverpflichtung aus dem Pachtvertrag nicht nachkommt (Art. 98)406. Die angesprochenen Vorschriften bezwecken den Schutz der Gesellschaftsgläubiger, die davor bewahrt werden sollen, durch Insolvenzverschleppung zusätzlichen Schaden zu erleiden. Nach dem missverständlichen Wortlaut sowohl von § 92 II AktG bzw. § 64 I GmbHG als auch von Art. 3 II InsG 1985 gewinnt man den Eindruck, dass der Beginn der Frist zur Insolvenzantragsstellung mit der Insolvenz der Gesellschaft zusammenfällt. Es sollte jedoch für beide Rechtsordnungen kein Zweifel daran bestehen, dass der Beginn der Frist zur Stellung des Insolvenzantrags mit Kenntnis der Insolvenzlage seitens der Unternehmensleitung zu laufen beginnt407. Insofern wird die Bestimmung des Fristbeginns überwiegend auf ein subjektives Element abgestellt. Die Gegenansicht will die Frist auch ohne Kenntnis beginnen lassen, wenn die maßgeblichen Tatsachen offen zutage treten408. Dagegen spricht jedoch, dass die eingeräumte 15tägige bzw. dreiwöchige Frist der Unternehmensleitung stets eine Bedenkpause 406

Chaput, Rdnr. 46. So Recht BGHZ 75, 96, 110; OLG Frankfurt, WM 1977, 59, 62 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 236; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 9; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92, Rdnr. 33; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 25. 407

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wie auch eine außergewöhnliche Sanierung des Betriebs ermöglichen soll409. Ferner werden dadurch die Gesellschaftsgläubiger nicht unbillig benachteiligt, da die Gefahr einer Schmälerung der Insolvenzmasse durch die Chance einer kostengünstigen außergerichtlichen Sanierung kompensiert wird. Insofern beginnt die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags erst mit positiver Kenntnis oder böswilliger Unkenntnis der Unternehmensleitung von der Insolvenzlage zu laufen410. Kenntnis von der Insolvenzlage liegt vor, wenn die Unternehmensleitung vom Vorliegen einer zwingend anzunehmenden Insolvenzlage wusste411. Als Gründe für eine zwingende Annahme einer Insolvenzlage kommen nach den Wertungen beider Rechtsordnungen die Zahlungsunfähigkeit (§ 92 II AktG bzw. § 64 I GmbHG, Art. 3 I InsG 1985) bzw. die Zahlungseinstellung (Art. 3 II InsG 1985) in Betracht. Das deutsche Recht sieht darüber hinaus als Grund für die zwingende Annahme der Insolvenzlage der Gesellschaft die Überschuldung der Gesellschaft an (§ 92 II AktG bzw. 64 I GmbHG § i.V. mit §§ 17 I, II und 19 I, II InsO). Im französischen Recht stellt die Überschuldung (surendettement) keinen zwingenden Insolvenzeröffnungsgrund dar. II. Insolvenzeröffnungsgründe und Ermessensspielraum der Unternehmensleitung 1. Ermessensspielräume bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit wird in beiden Rechtsordnungen gesetzlich definiert. Nach § 17 II 1 InsO liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie ist in der Regel anzunehmen, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 I 2 InsO). Ähnlich ist die gesetzliche Definition der cessation des paiements im Art. 3 I InsG 1985. Demnach liegt eine cessation des paiements vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, mit ihren verfügbaren Vermögenswerten (actif disponible) ihre fälligen Verbindlichkeiten (passif exigible) abzudecken412. Für eine objektive Anknüpfung vgl. Habersack, Gkomm. AktG4, § 92, Rdnr. 62; Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 26. 409 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 236; Rohwedder/Koppensteiner, § 64 GmbHG, Rdnr. 7. 410 Vgl. BGHZ 75, S. 96, 110 ff. („Herstatt“); OLG Frankfurt WM 1977, S. 59, 62 ff.; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 9; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 33; Hachenburg/Ulmer8, § 64 GmbHG, Rdnr. 7, 25; Rohwedder/Koppensteiner, § 64 GmbHG, Rdnr. 7. 411 Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 7, 13; differenzierend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 237. 412 Vgl. den Originalwortlaut des Art. 3 I InsG 1985 „L’impossibilité de faire face au passif exigible avec son actif disponible“. Mit dieser Definition wird die bisherige Rechtsprechung des chambre commercial des Kassationshofs übernommen. 408

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Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn eine Zahlungseinstellung vorliegt (vgl. Art. 3 II InsG 1985). Zur Ermittlung des Tatbestandes sind in beiden Rechtsordnungen die Aktiva den Passiva gegenüberzustellen. Hier stellt sich das Problem, welche Posten als Aktiva oder Passiva anzusehen sind und wie diese Posten zu bewerten sind. Gerade die Bewertung von Aktiva und Passiva indiziert einen Diskretionsspielraum für die Unternehmensleitung. Abzustellen ist jedenfalls auf die Vertretbarkeit der vorgenommenen Bewertungen. Die Praxis verweist immerhin darauf, dass es für die Unternehmensleitung geboten sein kann, eine expertise von einem Sachverständigen zur Wertermittlung zu verlangen413. Die Gerichtspraxis beider Rechtsordnungen umfasst zahlreiche Beispiele, die als Leitlinie für das „Verbindlichkeitskalkül“ der Unternehmensleitung verwertet werden könnten. Bedarf beispielsweise eine bestrittene Forderung gegen die Gesellschaft noch der Klärung in einem Prozess und ist über sie noch nicht entschieden worden, so kann von der Passivierung der streitigen Forderung abgesehen werden414. Dies gilt auch, wenn bei Passivierung eine rechnerische Überschuldung vorliegen würde415. Nach der französischen Gerichtspraxis ist das Bestehen einer Sicherheit für die Gläubigerforderung für den Vergleich von Aktiva und Passiva belanglos416. Allgemein anerkannt ist, dass unter dem Begriff des „passif exigible“ die einforderbaren Verbindlichkeiten zu verstehen sind. Die Schuld muss in einem gerichtlichen Verfahren durchsetzbar sein und der Gläubiger muss die Verbindlichkeit eingefordert haben417. Es ist gleichgültig, welcher Art die nicht erfüllte Verbindlichkeit ist. Dies verdeutlicht schon Art. 4 I InsG 1985, demgemäß ein Gläubiger seine Verfahrenseröffnungsklage auf jede Forderung stützen kann418. Eine Mindestanzahl unbefriedigter Forderungen verlangt das Gesetz für die Verfahrenseröffnung nicht419. Zur Ermittlung des actif disponible ist die Gesamtheit des élements d’actif zu berücksichtigen420. Unter verfügbaren Vermögenswerten (actif disponible) sind nach überwiegender Auffassung nur die liquiden, nicht aber die kurzfristig liquide zu machenden Vermögenswerte zu verste413 Vgl. Trib. com. Paris 16.5.1984, GP 1984. 2. 250 (Anm. Marchi) = RJ com. 1985, S. 178 (Anm. Calendini). 414 Beispiel nach OLG Köln, NZG 2000, S. 439, 440 = DStR 2000, 1662. 415 OLG Köln, NZG 2000, S. 439, 440 = DStR 2000, 1662. 416 Cass. com. 26.6.1990; PA 15.1.1991, 22. 417 Vgl. Guyon, DdA II6, Rdnr. 1118; Viandier, Jur. Class. Soc. Fasc. 2155, no 55. 418 Vgl. Chaput, Rdnr. 36; Guyon, Dd II6, Rdnr. 1118; unter dem Regime des InsG 1967 konnte die Verfahrenseröffnung nur auf eine unbezahlte Forderung aus einem Handelsgeschäfts unterstützt werden. 419 Chaput, Rdnr. 37. 420 Cass. com. 19.10.1964, Bull. Civ. III, no 380 = RTD com. 1965, S. 465 (Anm. Houin); Guyon Jur. Class. Soc. Fasc. 41–52, no 12.

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hen421. Dadurch kann das Insolvenzverfahren auch dann eröffnet werden, wenn das Gesamtvermögen des Schuldners nach Liquidation zur Tilgung der Verbindlichkeiten ausreichen würde422. Die nach Verfahrenseröffnung entstandenen Verfahrenskosten können den dirigeants sociaux jedenfalls nicht auferlegt werden423. Nicht jedes Zahlungsunvermögen soll als Zahlungsunfähigkeit bezeichnet werden. Vor allem sollte zwischen einer provisorischen Zahlungsaufstockung und einer dauernden Zahlungsunfähigkeit unterschieden werden. Dem Unternehmensleiter sollte zutreffend eine Prärogative zur Einschätzung der Dauer des Zahlungsunvermögens nach eigenem Ermessen zuerkannt werden. Ob das der Fall in beiden Rechtsordnungen ist, lässt sich allerdings unterschiedlich beurteilen. Die französische Praxis erweist sich diesbezüglich als besonders streng, denn nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Insolvenzverschleppungshaftung auf die Dauer des Zustandes des Zahlungsunvermögens nicht an424. Das deutsche Recht verweist andererseits die einschlägige Entscheidung auf das sorgfältige Ermessen des Unternehmensleiters ohne weitere Angaben425. Hierzu könnten die besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens verwertet werden. Demgemäß sollte geprüft werden, ob die Einschätzung der Unternehmensleitung verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung und im nachvollziehbaren Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen ist. Ermessensfehlerhaft handelt die Unternehmensleitung jedenfalls, wenn ihre Einschätzung nicht sachlich nachvollziehbar ist. Die Ermittlung des Zahlungsunfähigkeitstatbestands wird relativ sicher sein, wenn die leichter feststellbare Zahlungseinstellung eingetreten ist. Letztere stellt sogar den Hauptfall der Zahlungsunfähigkeit dar (§ 17 II 2 InsO). Daneben kommen als Anzeichen etwa mehrere erfolglose Pfändungen in Verbindung mit der Aussage des Geschäftsführers, dass der Kreditrahmen der Gesellschaft ausgeschöpft sei, die tatsächliche Nichterfüllung größerer Geldschulden trotz Fälligkeit und Mahnung426, die Häufung von Zahlungsklagen, Vollstreckungsmaßnahmen und Wechselprotesten427 und die wiederholte Hingabe von Schecks ohne hinreichende Deckung428 Chaput, Rdnr. 37; Guyon, DdA II6, Rdnr. 1119; anders Viandier, Jur. Class. Soc. Fasc. 2155 no 36, der auch Vermögensgegenstände, die innerhalb einiger Tage in Geld umgesetzt werden können, mit einbezieht. 422 Chaput, Rdnr. 37. 423 Cass. com. 27.6.1987, Bull. civ. IV no 130; Cass. com. 16.2.1993, Rev. Soc. 1993, S. 655 (Anm. Honorat). 424 Vgl. Cass. com. 17.6.1997, Bull. civ. IV, no 193, D. Affaires 1997, S. 903 = Rev. proc. Coll. 1998, no 38 (Anm. Calendini); Guyon, DdA II6, no 1121; Chaput, Rdnr. 38. 425 Vgl. Reck, GmbHR 1999, S. 269; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 63 GmbHG, Rdnr. 3; Lutter/Hommelhoff 15, § 63 GmbHG, Rdnr. 3. 426 BGH, NJW 1985, S. 1785 ff. 427 BGH, NJW 1962, S. 102 ff. 421

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in Betracht. In diesen Fällen wird meist Zahlungseinstellung vorliegen, so dass die Vermutungsregel des § 17 II 2 InsO eingreift. Lässt sich Zahlungsunfähigkeit durch eindeutige Indizien nicht feststellen, so kommt es immerhin darauf an, ob die Gesellschaft im Großen und Ganzen dauerhaft außerstande ist, ihre fälligen Geldschulden zu erfüllen (Zeitpunkt-Illiquidität) 429. Bei der Beurteilung der Vertretbarkeit der Zahlungsunfähigkeit soll die Nähe der Überschuldung in Erwägung gezogen werden. Ist eine Überschuldung der Gesellschaft ernsthaft anzunehmen, so müssen strengere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bloßen Zahlungsstockung gestellt werden, als wenn das Vorliegen einer Überschuldungslage ausgeschlossen werden kann. 2. Ermessensspielräume bei der Ermittlung der Überschuldung Die Überschuldung als Insolvenzeröffnungsgrund betrifft, wie bereits erörtert430, nur das deutsche Recht. Sie ist gegeben, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 II InsO). Danach liegt eine Überschuldung vor, wenn sich aufgrund einer Überschuldungsbilanz ergibt, dass Passiva nicht mehr von Aktiva gedeckt sind. Diese rechnerische Überschuldung genügt431. Zur Ermittlung des Überschuldungstatbestands sind entweder Liquidations- oder Fortführungswerte maßgeblich, und zwar in Abhängigkeit vom Ergebnis der Fortführungsprognose. Letztere schützt als zentrales Element der Überschuldungsprüfung überlebensfähige Unternehmen vor unnötigem Insolvenzverfahren. Die Vorgehensweise zur Erstellung der Überschuldungsbilanz bleibt umstritten432. Bei der Fortführungsprognose handelt es sich jedenfalls um eine Prüfung der Finanzkraft der Gesellschaft433. Inhalt dieser Entscheidung ist die Beurteilung der zukünftigen Liquidität der Gesellschaft, die nicht nur von bestehenden Aktiva und Passiva, sondern auch von der künftigen Rentabilität des Unternehmens abhängt434. Insofern setzt die Fortführungsprognose nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen die Aufstellung eines dokumentierten Finanz- und Er428

BGH, NJW 1990, S. 1055 ff. Vgl. RGZ 100, S. 62, 65; BGH NJW 1962, 102; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92, Rdnr. 37 ff.; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 8; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92, Rdnr. 27; nicht genügend ist nach der Einführung des § 18 InsO die Zeitraum-Illiquidität. 430 Vgl. § 6, B. I. 431 Vgl. Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 9; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 11; Lutter/Hommelhoff 15, § 64 GmbHG, Rdnr. 7; insofern ist der zweistufige Überschuldungsbegriff, den der BGH in mehreren Entscheidungen (so etwa BGHZ 129, S. 136, 154; BGHZ 119, S. 201, 213 ff.). 432 Veit (DB 2000, S. 1928) zählt nicht weniger als neun Konzepte. 433 BGHZ 119, S. 201, 213 ff. („Dornier“); bestätigt in BGH DB 1998, S. 978, 979; BGHZ 129, S. 126 („Girmes“). 429

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tragsplans voraus, der wiederum auf einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept beruht435. Gerade auf dem Ansatz, eine Verschuldungsbilanz auf prognostischer Grundlage aufzubauen, beruht das Ermessen der Unternehmensleitung über die Beurteilung der künftigen Lebensfähigkeit des Unternehmens436. Zur Konkretisierung des Ermessensspielraums könnten die angesprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens angewandt werden. Demgemäß sollte geprüft werden, ob die Fortführungsprognose verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung und im nachvollziehbaren Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen ist. Nach den Grundsätzen unternehmerischen Ermessens sollte eine positive Fortführungsprognose erkennbar ausgeschlossen sein, um eine Haftung des Vorstands annehmen zu können437. Eine positive Fortführungsprognose wird erst anzunehmen sein, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass nach den Umständen mittelfristig nicht mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu rechnen ist438. Vertretbar ist die Annahme des Unternehmensfortbestands jedenfalls, wenn die Gesellschaft nach starken Verlusten wieder mit Gewinn gewirtschaftet hat439 oder zumindest ihr Kreditsaldo bei der Bank zurückführt440. Aus der Gewährung neuer, voll gesicherter Darlehen durch die Hausbank kann allein nicht auf eine positive Fortführungsprognose geschlossen werden441. Einen Anhaltspunkt für die Qualifikation des Vorstandshandelns kann ferner das Verfahren liefern. Vertraut ein Geschäftsführer auf den Vermögensstatus eines unabhängigen Buchsachverständigen, so liegt in der Regel kein Fehlverhalten vor442. Der Vorstand ist jedenfalls auch beim Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung nicht verpflichtet, einen unabhängigen Dritten mit der Aufstellung eines Vermögensstatus zu beauftragen443. Ferner handelt der Vorstand bzw. Geschäftsführer außerhalb seines unternehmerischen Spielraums, wenn er die Geschäfte der Gesellschaft nur fortführt, um weiterhin die Vorstands- bzw. Geschäftsführerbe434 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 159; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh17, § 64 GmbHG, Rdnr. 12. 435 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 159; nötig ist eine systematische Gegenüberstellung geplanter Einnahmen und Ausgaben (Cashflow). 436 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 163; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 30. 437 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 241; Kowalksi, EwiR 1997, S. 1139, 1140 (Anm. zu OLG Celle). 438 Vgl. BGH NJW 1992, S. 2891, 2894; mindestens bis Ablauf des nächsten Geschäftsjahres: Kuhn/Uhlenbruck § 102 KO, Rdnr. 6a; Scholz/Schmidt 8, § 63 GmbHG, Rdnr. 12; ein bis zwei Jahre: BGHZ 119, 210, 214; Hüffer4, § 92 AktG; Habersack, Gkomm. AktG4, § 92, Rdnr. 51 ff.; zwei bis drei Jahre: Wimmer, NJW 1996, 2547. 439 OLG Düsseldorf Urteil vom 10.2.1999 – 15 U 107/98. 440 OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, S. 661. 441 OLG Düsseldorf, NZG 1999, S. 349, 350. 442 OLG München, NJW 1966, S. 2366 ff.; OLG Stuttgart, NZG 1998, 232 ff. 443 OLG Düsseldorf, EWiR 1999, S. 409, 410.

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3. Teil: Gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen

züge zu erhalten444 oder um zuvor Verbindlichkeiten der Gesellschaft bedienen zu können, für die er sich verbürgt hat445. Außerdem darf der Unternehmensleiter die Geschäftstätigkeit nicht zu dem Zweck fortsetzen, Schäden auszugleichen, für die er sonst von der Gesellschaft in Anspruch genommen worden wäre446. In all diesen Fällen bestehen offensichtliche Interessenkonflikte, welche die Voraussetzung der Interessenneutralität bei der Anwendung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens offensichtlich negieren. 3. Insolvenzantragstellung und unternehmerisches Ermessen der Unternehmensleitung Nach Annahme der Insolvenzlage ist die Unternehmensleitung in beiden Rechtsordnungen verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Im deutschen Recht schreiben §§ 92 II AktG, 64 I GmbHG eine Pflicht der Geschäftsleitung zur unverzüglichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Feststellung der Insolvenzlage und spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vor. Im französischen Recht schreibt Art. 3 II InsG 1985 eine Pflicht des Schuldners zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens spätestens 15 Tage nach der Zahlungseinstellung (cessation des paiements) vor. Es wird daraus ersichtlich, dass nach Feststellung der Insolvenzlage die Unternehmensleitung die angesprochene Legalitätspflicht zu erfüllen hat. Die Auffassung des Gesetzes ist in beiden Rechtsordnungen so eng, dass der Unternehmensleitung nur ein geringer Diskretionsspielraum zuzuweisen ist. Innerhalb der 15-tägigen bzw. dreiwöchigen Frist besteht immerhin die Möglichkeit für die Unternehmensführung, Sanierungsmaßnahmen zu unternehmen, solange noch die sachlich begründete Aussicht besteht, innerhalb der angesprochenen Frist den Insolvenzgrund zu beseitigen447. Die Grenzen der Risikobereitschaft sind überspannt, soweit alle Sanierungsbemühungen schon im Ansatz überwiegend aussichtslos sind448. In diesem Fall besteht eine Pflicht zu sofortiger Insolvenzantragsstellung.

444

Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 249. Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 249. 446 Vgl. BGH, ZIP 1986, S. 26, 30. 447 Vgl. Eidenmüller, ZHR 1996, S. 359 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 239. 448 Vgl. BGHZ 75, S. 96, 113 („Herstatt“); in diesem Fall überschneidet sich der Tatbestand der Insolvenzverschleppung mit demjenigen der missbräuchlichen Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs. 445

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III. Haftung wegen unvertretbarer Zahlungen nach der Insolvenzreife Nach § 92 III AktG bzw. § 64 II GmbHG darf der Vorstand bzw. der Geschäftsführer der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich keine Zahlungen mehr leisten. Allerdings gilt dieses Zahlungsverbot nicht für Zahlungen, die „auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind“. Angesichts der Prüfung der Vereinbarkeit einer Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters steht der Unternehmensleitung für Zahlungen nach Insolvenzreife ein gewisser Ermessensspielraum zu. Unter dem Begriff „Zahlung“ kann dabei entsprechend dem Wortsinn nur die tatsächliche Hingabe von Vermögen der Gesellschaft angesehen werden449. Überprüfungsmaßstab für die vorgenommene Transaktion soll nach den Grundsätzen unternehmerischen Ermessens die Vertretbarkeit der nach Insolvenzreife getätigten Zahlung sein. Kontrovers wird in Lehre und Praxis der Beginn des Verbots diskutiert. Unzweifelhaft fallen unter das gesetzliche Zahlungsverbot nur Zahlungen nach Stellung des Insolvenzantrags450. Bereits die Unterwerfung einer Zahlung nach Annahme der Insolvenz, aber vor der Antragstellung unter das Zahlungsverbot, könnte als Beeinträchtigung des Zwecks der Dreiwochenfrist zur Insolvenzantragsstellung bemängelt werden. Denn auf diese Weise werden außergerichtliche Sanierungen durch den Zahlungsstopp beeinträchtigt451. Für Zahlungen innerhalb der Dreiwochenfrist gilt ebenfalls der Maßstab der Vertretbarkeit. Zur Prüfung der kaufmännischen Vertretbarkeit können allerdings auch die Folgen einer Publizität der Zahlungsschwierigkeiten für außergerichtliche Sanierungen in die Erwägungen mit einbezogen werden. Keinesfalls möglich sind Zahlungen an Dritte nach Einstellung der Geschäftstätigkeit452.

449 RGZ 159, S. 211, 234 ff.; Hüffer4, § 92 AktG, Rdnr. 14; Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 56; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 244; a. A. Scholz/ Schmidt 8, § 64 GmbHG, Rdnr. 10, 24, 29; Habersack, Gkomm. AktG4 § 92, Rdnr. 93. 450 BGH, ZIP 1996, S. 420; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 244. 451 So Mertens, K-Komm. AktG2, § 92 Rdnr. 62; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 244. 452 LG Bonn, GmbHR 2000, S. 561; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 244.

Zusammenfassung und Ergebnisse A. Leitungsbegriff und Leitungsstrukturen im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht In Bezug auf das juristische Verständnis des Leitungsbegriffs hat die rechtsvergleichende Untersuchung gezeigt, dass beide Rechtsordnungen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen. Zwar greifen beide Rechtsordnungen auf eine Reihe unterschiedlicher Ordnungsbegriffe zurück, deren Sinngehalt im Gesetzestext nicht definiert ist, jedoch lassen sich diese Begriffe mithilfe betriebswirtschaftlicher Kriterien weitgehend präzisieren. Insofern umfasst der Begriff der „Geschäftsführung“ im deutschen Recht die Gesamtheit der Aufgaben sowohl des leitenden als auch des exekutiven Faktors, ebenso wie der Begriff der „gestion“ im französischen Recht. Unter dem Begriff „Leitung“ ist nach deutschem Rechtsverständnis ein herausgehobener Teil der Geschäftsführung zu verstehen, welcher die Hauptfunktionen des leitenden Faktors aus betriebswirtschaftlicher Sicht umfasst, genauso wie der Begriff der „administration“ im französischen Recht. In Anlehnung an diese Kategorisierungen und i. V. mit der methodischen Analyse der Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften ergeben sich einige interessante Gesichtspunkte in Bezug auf die Leitungsstrukturen in beiden Rechtsordnungen. Was das deutsche Aktienrecht anbelangt, wird zunächst ersichtlich, dass die Leitungsfunktion vor allem dem Vorstand zugewiesen ist, während der Aufsichtsrat als unternehmerische Komponente sich auf eine kontrollierende und beratende Funktion beschränkt. Ähnliches gilt auch für die französische SA modernen Typus: Obwohl ihre Organisationsstruktur sowohl im Schrifttum als auch in der Praxis nur unzureichend erläutert ist, wird allerdings aus der Gesetzeslage eindeutig, dass die Leitungskompetenz im Grundsatz an das Direktorium zugewiesen ist, während der conseil de surveillance eine kontrollierende Tätigkeit übernimmt. Seine Rolle als beratendes Gremium soll wegen seiner begrenzten Befugnisse mit Vorsicht angesehen werden. Die Gemeinsamkeiten zwischen der AG und der SA modernen Typus in Bezug auf die Leitungsstrukturen stellen allerdings keine Überraschung dar, da die SA modernen Typus in Anlehnung an die Form der AG konzipiert wurde. Interessanterweise ist aber eine Konvergenz der Leitungsstrukturen auch in Bezug auf die monistische SA anzumerken, deren Aufbauorganisation dem angloamerikanischen Board-System zugerechnet wird. Obwohl das Gesetz die Aufgaben

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des leitenden Faktors primär dem Verwaltungsrat zuweist, führt die normative Kraft des lebenden Rechts zu einer Bevorzugung des PDG, während die Rolle des Verwaltungsrats sich auf die eines kontrollierenden und beratenden Gremiums beschränkt. Insofern ähnelt die Aufbauorganisation der monistischen SA dem dreigliedrigen Organisationsschema der deutschen AG. Weiterhin beschränken sich die Schwerpunkte der Konvergenz nicht auf die faktische Trennung zwischen Leitung und Kontrolle, sondern erstrecken sich auf die Verhältnisse der Verbandsorgane untereinander. Selbst wenn die Organisationsverfassung der monistischen SA herkömmlich von einem hierarchischen Rangverhältnis der Verbandsorgane untereinander ausgeht, erweist sich diese Ansicht mehr als juristische Tradition und weniger als geltendes Recht. Am deutlichsten kommt diese Entwicklung am Beispiel des richterlich fortgebildeten Spezialisierungsgrundsatzes zum Ausdruck, demgemäß jedem Organ trotz der hierarchischen Strukturierung ein fester Zuständigkeitsbereich zugewiesen wird, in welchen die übergeordneten Organe nicht eingreifen dürfen. Letzteres führt faktisch zu einem System von checks and balances nach dem Vorbild der deutschen AG oder der SA modernen Typus. Differenziert ist die Lage in Bezug auf die Leitungsstrukturen im Recht der GmbH und der SARL. Obwohl beide Rechtsordnungen von einer zweigliedrigen und hierarchisch konzipierten Führungsorganisation ausgehen – Geschäftsführer bzw. gérants und Gesellschafterversammlung – bestehen gewisse Unterschiede in Bezug auf den Umfang und die Tragweite der leitungsbezogenen Gewaltverzahnung unter den Organen. Beide Rechtsordnungen sind darüber einig, dass die Gesellschafterversammlung imstande ist, anhand ihrer Befugnis zu satzungsautonomer Gestaltung der Innenverhältnisse im Verband Leitungskompetenzen an sich zu ziehen oder sie sogar anderen Organen zuzuweisen, soweit diese gesetzlich nicht satzungsfest den Geschäftsführern zugewiesen sind. Soweit die Gesellschafterversammlung leitungsbezogene Kompetenzen nicht an sich gezogen hat, sind diese von den Geschäftsführern zu übernehmen. Darüber hinaus dürfen die Gesellschafter der GmbH durch Wahrnehmung ihres Weisungsrechts den Geschäftsführern Anleitungen in Bezug auf Geschäftsführungsangelegenheiten erteilen und sich damit an der Unternehmensführung beteiligen. Ob darüber hinaus die Bestimmung der Unternehmenspolitik und damit die Unternehmensplanung, wie auch die Vornahme von außergewöhnlichen und risikoreichen Geschäften im Zweifelsfall vom Kompetenzgefüge der Geschäftsführer ausgenommen und dem Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung zugewiesen werden, wird im deutschen Recht strittig erörtert. Eine Weisungsbefugnis der Gesellschafter einer SARL ist dem Recht der SARL fremd, ebenso wie die Problematik der ungeschriebenen Gesellschafterversammlungskompetenzen.

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B. Gesetzliche Grundlagen der Leitungsverantwortung im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Die rechtsvergleichende Untersuchung hat gezeigt, dass beide Rechtsordnungen im Grundsatz von einer generalklauselartigen Beschreibung der leitungsbezogenen Pflichten ausgehen, wenngleich Ausnahmen i. S. des Art. 182 InsG 1985 nicht zu verkennen sind. Wegen der generalklauselartigen Auffassung der Vorschriften entziehen die sich daraus resultierenden Verhaltenspflichten einer generalisierenden Vertypung. Von praktischer Erheblichkeit ist hierzu die in der Rechtslehre vorgenommene Klassifizierung in originäre und gesetzliche Sorgfalts-, Treu-, und Verschwiegenheitspflichten. Diese Klassifizierung ist in Deutschland seit langem anerkannt und gewinnt zuletzt auch im französischen Recht Bedeutsamkeit, besonders nach der jüngeren Entscheidung des Kassationshofs zur organschaftlichen Treuepflicht der Geschäftsleiter. Letztere fordert eine vorrangige Bindung des Leitungshandelns an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse. Was unter dem Begriff „Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse“ zu verstehen ist, wird weder im deutschen noch im französischen Recht endgültig abgeklärt. Die h. M. betrachtet das Gesellschafts- bzw. Verbandsinteresse als Eigeninteresse der rechtsfähigen Gesellschaft, die aufgrund ihrer rechtlichen Verselbstständigung gegenüber den Kapitalanteilseignern als gesonderter Interessenträger anzusehen ist. Positiv lässt sich jenes überindividuelle Gesellschaftsinteresse unter Bezugnahme auf den Verbandszweck ermitteln. Fraglich bleibt in beiden Rechtsordnungen, ob die leitungsbezogenen Haftungsvorschriften über ihren gesetzlich definierten Adressatenkreis hinaus auf die Drittorgane oder Drittpersonen anwendbar sind, welche faktisch und trotz des fehlenden oder fehlerhaften Bestellungsaktes Leitungsfunktionen übernehmen, infolge deren Wahrnehmung der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Beide Rechtsordnungen haben die Problematik unter dem Stichwort „faktisches Organ“ mit unterschiedlichen Ergebnissen erörtert. Unter die Rechtsfigur des faktischen Organs werden im deutschen Recht der Gesellschaft in bonis vor allem die Tatbestände erfasst, wobei das fehlerhaft bestellte Mitglied des Leitungsorgans tatsächlich für die Gesellschaft tätig geworden ist. Problematisch ist im deutschen Recht der Fall, dass es an einem Bestellungsakt fehlt und die Drittperson tatsächlich geschäftsführende Aufgaben wahrnimmt. Die h. M. geht davon aus, dass in einem solchen Fall der faktisch wie ein Mitglied des Leitungsorgans Auftretende nur dann gemäß § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG haftet, wenn er durch die rechtswidrige Wahrnehmung der Leitungsfunktionen zur Verdrängung des rechtmäßigen Organmitglieds bewirkt. Anders gestaltet sich die Rechtslage im Rahmen der insolvenzbezogenen Leitungshaftung, wobei – zumindest im Recht der GmbH – die h. M. unter dem Begriff des faktischen Organs jede Person erfasst, die tatsächlich Führungsmaßnahmen übernimmt.

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Ähnlich gestaltet sich die Lage bezüglich der Rechtsfigur des faktischen Geschäftsleiters im französischen Recht, wobei im Gegensatz zum deutschen Recht der Gesellschaft in bonis die gerichtliche Praxis von einem weiten Verständnis des Begriffs ausgeht i. S., dass darunter jede natürliche oder juristische Person verstanden wird, welche neben oder an Stelle der rechtmäßigen Organe der Gesellschaft auf aktive, positive und unabhängige Weise echten Einfluss auf die Unternehmensleitung ausübt, ohne zu diesem Zweck als Organ bestellt zu sein. Ein bemerkenswerter Unterschied zum deutschen Recht besteht allerdings darin, dass beim französischen Recht der faktische Geschäftsleiter der prosperierenden Gesellschaft nicht nach Artt. 52, 244 L. 1966, sondern nach den deliktsrechtlichen Vorschriften der Artt. 1382, 1383 Cc haftet. Eine Erstreckung der organschaftlichen Leitungsverantwortung besteht nur im Insolvenzrecht.

C. Unternehmerisches Ermessen und Leitungsverantwortung I. Gesetzliche Grundlagen der unternehmerischen Ermessensfreiheit im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Obwohl die untersuchten Rechtsordnungen im Prinzip von einer generalklauselartigen Regelung der Leitungsverantwortung (§§ 93 AktG, 43 GmbHG; Artt. 52, 244 L. 1966) ausgehen, ist eine haftungsfreie Entscheidungsprärogative sowohl im deutschen als auch im französischen Recht nicht auszuschließen. Vielmehr erkennen beide Rechtsordnungen der Unternehmensleitung einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Ermessensspielraum, wenn auch mit unterschiedliche Intensität. Im deutschen Recht ergibt sich dieser Ermessensspielraum für den Vorstand einer AG gesetzesimmanent aus dem Sinngehalt des § 76 AktG. Denn Leitungsentscheidungen sind nach dem Gesetzeswortlaut vom Vorstand in eigener Verantwortung zu treffen (§ 76 I AktG). Das ist allerdings nur dann vorstellbar, wenn der Vorstand über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügt, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Die unverhältnismäßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums auch aus der Natur der Sache. Die gleichen objektiv teleologischen Auslegungsgedanken gelten trotz des Fehlens einer dem § 76 I AktG entsprechenden Regelung auch für das GmbH-Recht. Problematisch ist die rechtsdogmatische Begründung des unternehmerischen Ermessens im französischen Recht, und zwar obwohl die französische Judikatur sehr früh Instrumente zur Reduzierung des unverhältnismäßigen Haftungsrisikos

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der dirigeants sociaux entfaltet hat. Die Feststellung, dass der dirigeant social sich im Rahmen seiner Leitungsbetätigung nicht selten mit Risiken auseinandersetzen soll und nicht für jeden Fehler haftbar werden sollte, ist in der einschlägigen Judikatur unter dem Stichwort „droit à l’erreur“ bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt. Demnach könnte man zum Ergebnis kommen, dass die Rechtsfigur des unternehmerischen Ermessens das Ergebnis einer richterlichen Rechtsfortbildung darstellt. Wichtige Erkenntnisse für eine gesetzesimmanente Begründung des unternehmerischen Ermessen könnten allerdings auf dem Weg der rechtsvergleichenden Auslegung gewonnen werden: Ein haftungsfreier Ermessensspielraum lässt sich für den PDG aus Art. 113 L. 1966 unter Berücksichtigung der Ansatzpunkte zur Begründung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht ableiten. Der Wortlaut der Regelung, demnach der PDG im Rahmen seiner Aufgaben die eigenverantwortliche direction général der SA übernimmt, ähnelt demjenigen des § 76 I AktG. Aus Art. 113 L. 1966 wird ersichtlich, dass das Konzept der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung dem französischen Gesetzgeber nicht fremd ist. Eine eigenverantwortliche direction générale setzt ebenso wie beim Fall des Vorstands einer AG voraus, dass der PDG über den erforderlichen Ermessensspielraum verfügen soll, um Entscheidungen zu treffen, die wohl anders als diejenigen des Wettbewerbers in der gleichen Situation aussehen und gerade deswegen einen Vorsprung für die Gesellschaft ermöglichen. Die unverhältnismäßige Sanktionierung solcher Risiken würde dem Element der Eigenverantwortlichkeit widersprechen und das Erfolgspotenzial jeder unternehmerischen Betätigung wesentlich beschränken. Insofern ergibt sich die Anerkennung eines haftungsfreien Ermessensspielraums ebenso wie beim deutschen Recht aus der Natur der Sache. Die gleichen objektiv teleologischen Argumente gelten für den Verwaltungsrat der monistischen SA (argumentum a maiore ad minus) wie auch für das Direktorium der SA modernen Typs (vgl. Art. 124 L. 1966) und die gérants der SARL (vgl. 49 III L. 1966). II. Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums Zur Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums kommen in beiden Rechtsordnungen unterschiedliche Ansätze in Betracht, wie etwa die analoge Anwendung von verwaltungs- oder zivilrechtlichen Lehrsätzen. Angesichts der beschränkten Möglichkeiten bei der Konturierung des unternehmerischen Ermessens auf dem Weg der Analogie bleibt die Übertragung des Business Judgement Rule der effizienteste Ansatz. Seine Rezeption vollzieht sich in beiden Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise. Das deutsche Recht erweist sich hierzu im Vergleich zum französischen Recht als fortgeschrittener, da die BGH-Judikatur in Anlehnung an den Business Judgement Rule die Grundzüge des haftungsfreien Ermessensspielraums weitgehend konturiert hat. Den eigentlichen Durchbruch brachte diesbezüglich das

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BGH-Urteil vom 21. April 1997 im Fall „ARAG/Garmenbeck“. Das Urteil geht diesbezüglich davon aus, dass dem Vorstand der Aktiengesellschaft ein gewisser haftungsfreier Ermessensspielraum zum Eingehen geschäftlicher Risiken anzuerkennen ist. Was die rechtsdogmatische Begründung des haftungsfreien Ermessensspielraums anbelangt, verweist das Urteil des BGH in seiner Argumentation deutlich auf die praxisbezogenen Funktionsbedingungen unternehmerischer Tätigkeit und des damit notwendig verbundenen Entscheidungsverhaltens unter Unsicherheit. Insofern knüpft er an die bereits erwähnten objektiv teleologischen Gesichtspunkte betreffs der Gewährleistung einer haftungsresistenten Einschätzungsprärogative der Leitungsorgane an. Innerhalb des Ermessenspielraums bewegt sich eine Leitungsentscheidung, wenn sie (1) von Verantwortungsbewusstsein getragen ist, (2) ausschließlich am Unternehmenswohl ausrichtet ist, (3) auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht, (4) die Risikobereitschaft nicht unverantwortlich überspannt und (5) nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Spiegelt man die Ausführungen des BGH-Urteils im Lichte der Elemente des Business Judgement Rule, so sind die Parallelen schwer zu übersehen, wenngleich letzterer durch den Senat im Blick auf die deutsche Gesetzeslage ergänzt worden ist: Die Voraussetzung eines von Verantwortungsbewusstsein getragenen Verhaltens entspricht der Aufforderung des Business Judgement Rule nach einer unbefangenen Entscheidung des Geschäftsleiters. Das Verlangen nach einem ausschließlich am Unternehmenswohl orientierten unternehmerischen Handeln entspricht dem Gebot des Business Judgement Rule zum Treffen von unternehmerischen Entscheidungen „in the best interest of the corporation“, während das Gebot zur sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen der „informed judgement“-Voraussetzung des Business Judgement Rule zuzuordnen ist. Insofern eröffnet die Entscheidung des BGH eine Tür für die Übertragung der mit dem Business Judgement Rule zusammenhängenden Überlegungen ins deutsche Aktien- und GmbH-Recht. Soweit der Entwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) zum Gesetz avanciert, wird der Ansatz des ARAG-Urteils seine gesetzliche Ausprägung finden: Demgemäß soll in § 93 I AktG ein neuer Ansatz 2 eingefügt werden, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das handelnde Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen dürfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Den dabei anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab legt § 93 I 2 AktG-RefE dahingehend fest, dass der Vorstand ohne grobe Fahrlässigkeit handeln muss. Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dargestellten Gedanken hinsichtlich der Grundsätze unternehmerischen Ermessens könnten zur Erklärung des Tatbestands des § 93 I 2 AktG-RefE verwertet werden. Dem französischen Recht fehlt es diesbezüglich an einer rechtsdogmatisch fundierten Auseinandersetzung mit der Problematik der Rezeption des Business

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Judgement Rule-Ansatzes. Das hängt teilweise damit zusammen, dass eine Differenzierung zwischen dem Vorliegen einer Pflichtverletzung und der gerichtlichen Befugnis zur Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung dem französischen Recht unbekannt ist. Letzteres kennt herkömmlich ein weit gehendes Gerichtsermessen zur Opportunitätskontrolle von Leitungsmaßnahmen, wie etwa beim gerichtlichen Moderationsrecht im Fall der insolvenzbezogenen Leitungshaftung. Man wird vergebens nach einer dem ARAG-Formell entsprechenden Formulierung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens suchen. Die Urteile des Kassationshofs sprechen lediglich vom Recht der Unternehmensleitung auf Irrtum (droit à l’erreur) i. S., dass dem dirigeant social im Einzelfall kleinere bzw. einfache Fehler (erreur simple) bei der Einschätzung von Geschäftschancen und Risiken erlaubt sind. Die Konturen und der Mechanismus des droit à l’erreur sind weder im Schrifttum noch in der Rechtslehre geklärt. So bleibt es noch offen, welche Fehler der Unternehmensleitung als gerechtfertigt anzusehen sind. Die haftungsentlastende Funktion des droit à l’erreur knüpft sich richtigerweise an das Recht des Richters an, den Kausalzusammenhang zwischen dem begangenen Geschäftsführungsfehler und dem hervorgerufenen Schaden frei einzuschätzen. Soweit der Richter den begangenen Fehler für so leicht hält, dass ihm kein nennenswerter Kausalzusammenhang zum hervorgerufenen Schaden zugewiesen werden kann, besteht keine Haftung für das Leitungsorgan. Insoweit stellt die Konstruktion des droit à l’erreur keine Abweichung vom allgemeinen Haftungsrecht dar. Da die Feststellung des „droit à l’erreur“ dem Ermessen des jeweiligen Richters anheim gestellt ist, bietet dies allerdings keinen sicheren Boden für die Entwicklung von Grundsätzen unternehmerischen Ermessens. Es ist deshalb keine Überraschung, dass erstinstanzliche Gerichte der angesprochenen Rechtsfigur des droit à l’erreur besonders im Hinblick auf die insolvenzbezogene Leitungshaftung nicht folgen und stattdessen die Unternehmensleiter streng beurteilen. Eine Alternative zum droit à l’erreur könnte jedenfalls der Business Judgement Rule darstellen. Eine eingehende Überprüfung des französischen Kapitalgesellschaftsrechts zeigt jedoch, dass es einen Spielraum zur Anwendung dieses Ansatzes gibt. Die Gegenansicht verabsolutiert die Beschränkung der judiziellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen des Business Judgement Rule und verkennt, dass letzterer nicht irgendwelche Unternehmensleiter vor der gerichtlichen Kontrolle schützt, sondern nur die sorgfältigen. Soweit Zweifel daran vorliegen, besteht immerhin die Pflicht der Gerichte zu einer weitgehenden materiellen Kontrolle der in Frage kommenden Leitungsmaßnahmen.

III. Gemeinsame Grundsätze unternehmerischen Ermessens Die Rezeption des Business Judgement Rule-Ansatzes führt allerdings zur Entwicklung von gemeinsamen Konturen unternehmerischer Ermessensfreiheit

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in beiden Rechtsordnungen. Die angesprochenen Konturen sind in erster Linie auf die Leitungsorgane stricto sensu anwendbar. Darunter sind im deutschen Recht der Vorstand der AG bzw. der Geschäftsführer der GmbH und der Aufsichtsrat zu verstehen. Im französischen Gesellschaftsrecht werden die Grundsätze auf den Verwaltungsrat bzw. das Direktorium und die gérants anwendbar sein. Eine sinngemäße Anwendung der Grundsätze unternehmerischen Ermessens auf die sonstigen Verbandsorgane wäre sinnvoll, da letztere nach der gesetzlichen Organisationsverfassung Leitungsaufgaben übernehmen müssen. Sie ist allerdings nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung und der Rechtslehre nur schwer vertretbar. Diese Zögerung spiegelt sich u. a. auf die Institution des faktischen Organs. Die dadurch entwickelten Grundsätze unternehmerischen Ermessens und das darauf aufgebaute Prüfungsschema umfassen folgende Schwerpunkte: (a) Zunächst sollte geprüft werden, ob die getroffene Maßnahme vom Entscheidungsträger verantwortungsbewusst bzw. ohne Interessenkonfliktbelastung getroffen ist. Das dogmatische Fundament solch einer Verhaltensanforderung liegt in beiden Rechtsordnungen in den organschaftlichen Treuebindungen von Leitungsorganen. Ein Eigeninteresse des Unternehmensleiters ist typischerweise anzunehmen, wenn er ein Vermögensinteresse am Beschlussgegenstand hat. Darüber hinaus soll die Definition jedes finanzielle Interesse des Abstimmenden am Beschlussgegenstand erfassen, das für diesen eine Bedeutung hat, von der bei verständiger Würdigung anzunehmen ist, dass sie sich auf sein Urteil auswirken wird. Solch ein flexibles Verständnis des Tatbestands des Interessenkonflikts ermöglicht der Praxis, komplexe Fallkonstellationen, wie etwa ideologische Interessenkonflikte oder generell vom Gesetzgeber nicht bedachte Interessenkonflikte, unter dem Prüfungsschema zu subsumieren, was im Fall eines engeren Verständnisses des Tatbestands unmöglich wäre. Ob ein Interessenkonflikt in Frage kommt, werden die Gerichte je nach Art und Schwere des Konflikts von Fall zu Fall entscheiden müssen. Jedenfalls wird hier genau zu prüfen sein, ob der Interessenwiderstreit von ausreichender Intensität ist, um auf das Urteil der Entscheidungsträgers Einfluss haben zu können. Besonders die Bestimmung eines indirekten Interesses kann im Einzelfall schwierig sein und eröffnet den Gerichten notwendigerweise einen gewissen Ermessensspielraum. Die unvermeidliche Einzellfallbezogenheit der Beurteilung des Ermessensentzugs führt dazu, dass Entscheidungen der Gerichte beim Fehlen einer Kasuistik zum Ermessensentzug wegen Interessenkonflikts schwer vorhersehbar sein können. Dies vermag das sog. „Verbindlichkeitskalkül“ der Unternehmensleitung zwar zu erschweren, ist allerdings im Hinblick auf die Funktion des Ermessensentzugs als Bestandteil eines flexiblen Systems der Entscheidungskontrolle, welches die Eigentümlichkeiten der Ermessensentschließung gebührend berücksichtigt, unvermeidlich.

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(b) Weiterhin sollte geprüft werden, ob die unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage sorgfältig gesammelter Informationen getroffen ist. Der Umfang der Informationspflicht wird stark von Größe, Art und Geschäft des jeweiligen Unternehmens abhängen. Grundsätzlich ist von der Unternehmensleitung eine genaue Kenntnis des Unternehmens und insbesondere seiner Betätigungsmärkte zu verlangen. Was die Tragweite der Informationsbeschaffung anbetrifft, ist in beiden Rechtsordnungen an die ökonomischen Überlegungen zur Abkehr vom Erfordernis der Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen anzuknüpfen. Insofern ist eine Pflicht der Unternehmensleiter zur Einholung aller erreichbaren Informationen zu verneinen. Hätte der Entscheidungsträger allein schon wegen unvollständiger Entscheidungsvorbereitung eine Haftung zu befürchten, so würde dies wegen des stets gegebenen Haftungsrisikos sowie aufgrund der immer vorhandenen Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu einer Bürokratisierung der Entscheidungsfindung und damit zu einer Hemmung der Leitungstätigkeit führen. Dabei stünde der vermehrten Informationsnachfrage nach den Erfahrungen der Praxis kein messbarer Vorteil der Gesellschaft gegenüber. Die Verfahrenskontrolle sollte deshalb nur solche Fälle vom Diskretionsspielraum ausnehmen, bei denen eine Inanspruchnahme unternehmerischen Ermessens nicht zu rechtfertigen wäre. Ein Überschreiten der Grenzen sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen sollte konsequenterweise nur dann angenommen werden, wenn der Entscheidungsprozess so unverantwortlich abgelaufen ist, dass der Entscheidungsträger nicht darauf vertrauen konnte, die unternehmerische Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage zu treffen. (c) Die Leitungsmaßnahmen sollten ferner nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens getroffen sein. Die Bindung des Organhandelns an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse stellt eine Selbstverständlichkeit für beide Rechtsordnungen dar. Mit diesem Erfordernis sollte keineswegs in die grundsätzliche Befugnis des Gesellschaftsorgans, darüber zu entscheiden, was dem Interesse der Gesellschaft am besten entspricht, eingegriffen werden. Hierzu wird eine Plausibilitätskontrolle im Lichte der konkreten Entscheidungssituation vorgenommen werden müssen. Dabei sollte es gleichgültig sein, ob im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren. Ein Ermessensmissbrauch liege vor, wenn das Verhalten des Entscheidungsträgers so unerhört ist, dass die Anwendung eines haftungsfreien Ermessenspielraums nicht gerechtfertigt wäre. Es sollen konsequenterweise nur solche Handlungen ausgeschlossen werden, denen jeglicher, wie auch immer begründbarer rationale Bezug zu den Interessen der Gesellschaft fehlt. Im französischen Recht könnte solch eine Plausibilitätskontrolle allerdings mit der herkömmlich von den Gerichten ausgeübten „magistrature économique“ in Konflikt geraten, obwohl eine Plausibilitäts- bzw. Missbrauchskontrolle leitungsbezogener Entscheidungen dem französischen Gesellschaftsrecht nicht fremd ist.

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(d) Die Anerkennung einer haftungsfreien Ermessensprärogative setzt schließlich voraus, dass die Entschließung nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Unter dieser Voraussetzung ist vor allem die Einhaltung der mit der Entschließung verbundenen gesetzlichen Züge zu subsumieren. Soweit die unternehmerische Entscheidung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, besteht kein Freiraum für haftungsfreie Zweckmäßigkeitserwägungen mehr, es sei denn, der Gesetzgeber erkennt einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane insofern an, als er eine Diskretionsspielraum enthaltende spezialgesetzliche Regelung vorschreibt.

D. Unternehmerisches Ermessen und gerichtliche Überprüfung von Leitungsentscheidungen in der Praxis Entscheidendes Gewicht bei der Anwendung der angesprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens und bei der Konkretisierung der Leitungsverantwortung kommt der Bildung von Fallgruppen pflichtwidrigen Leitungshandelns zu. Die Rechtsprechung hat in beiden Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, die bei der Unternehmensleitung zu beachten sind. Gewiss stellen die angesprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens kein Allheilmittel zur Kalkulierung des unternehmerischen Risikos dar. Sie sind vor allem ein Versuch, gemeinsame Prinzipien unter den in Betracht kommenden Rechtsordnungen zu entwickeln und demnach Ansatzpunkte für eine materielle Rechtsangleichung im Dienst sowohl der Rechtswissenschaft als auch der Rechtspraxis zu entwickeln. Ob und wenn ja, inwieweit diese Grundsätze zum lebenden Recht avancieren werden, bleibt noch zu sehen. Das in Anlehnung an die besprochenen Grundsätze entwickelte Prüfungsschema wird jedenfalls seine eigentlichen Konturen nur anlässlich seiner Anwendung in der Rechtspraxis entwickeln. Für seine gerichtliche Anwendung sprechen allerdings gute Argumente, da die Komponenten des Prüfungsschemas kein aliud für die bisherige Gerichtspraxis darstellen, sondern bereits in Einklang mit ihren Grundpositionen stehen. Ausgegangen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit von einer selektiven Einzelfallstudie, welche die wichtigsten Erscheinungsformen sorgfaltswidrigen Leitungshandelns umfasste. Dies geschah mit dem Ziel, einerseits die Pflichtverletzungen zu erkennen und andererseits die Grenzen der Ermessensfreiheit anhand der oben besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens festzustellen.

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I. Risikogeschäfte und Grundsätze unternehmerischen Ermessens im deutschen und französischen Kapitalgesellschaftsrecht Aus der rechtsvergleichenden Untersuchung ergab sich, dass die Rechtspraxis beider Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe gemeinsamer Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet hat, die bei jedem Abschluss risikoreicher Geschäfte zu beachten sind. Dazu gehören vor allem die Pflicht der Unternehmensleitung zum für die Gesellschaft vorteilhaften Geschäftsabschluss, ihre Pflicht zur weit gehenden Sicherung der Gesellschaft bei risikoreichen Transaktionen sowie ihre Pflicht zum Geschäftsabschluss (zumindest) unter marktüblichen Konditionen und zur Vermeidung unverhältnismäßig riskanter Geschäftspraktiken. Obwohl die Rechtsprechung beider Rechtsordnungen das Eingehen von Risiken zum Eigensinn der unternehmerischen Betätigung seit langem anerkannt hat, hat sie sich überwiegend damit befasst, die von der Unternehmensleitung vorgenommene Abwägung zwischen erlaubten und unerlaubten Risiken in Bezug auf ihre kaufmännische Vertretbarkeit zu beurteilen, ohne sich mit der Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums der Unternehmensleitung zu befassen. Das hängt teilweise damit zusammen, dass es sich bei den meisten Fällen um eklatante Fälle von Ermessensmissbrauch handelte, so dass die Gerichte keine Alternativen hatten, als die Pflichtverletzung zu erkennen und zu sanktionieren. Der angesprochene Gesichtspunkt scheint in der französischen Judikatur noch herrschend zu sein. Auf jeden Fall sind die französischen Gerichtsentscheidungen so knapp formuliert, dass Ergebnisse über die Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung unternehmerischer Entscheidungen nur schwer entnehmbar sind. Anders verhält sich die Lage beim deutschen Recht, wobei spätestens nach dem „ARAG“-Urteil des BGH die Grenzen des haftungsfreien Ermessensspielraums gerichtlich konturiert sind. Auf jeden Fall sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die bisherige Rechtspraxis beider Rechtsordnungen und die daraus herausgearbeiteten Sorgfaltsanforderungen unter den im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung bearbeiteten gemeinsamen Grundsätzen unternehmerischen Ermessens subsumiert werden könnten. So weist etwa die Bemerkung des OLG Düsseldorf („Poulain/West LB“) über die fehlende Neutralität des Vorstandsmitglieds aufgrund seiner Nebentätigkeit gerade auf die erste Komponente des Prüfungsschemas hin, nämlich auf die Unbefangenheit des Entscheidungsträgers als Voraussetzung für die Anerkennung des unternehmerischen Ermessensspielraums. In diesem Fall fehlte es an diesem Element und insofern oblag die Entscheidung richtigerweise der gerichtlichen Kontrolle. Die in beiden Rechtsordnungen betonte Pflicht des Kreditgebers, das Finanzpotenzial und die Entwicklungsperspektiven des Kreditnehmers sorgfältig zu prüfen und einzuschätzen, entspricht ferner der Komponente der sorgfältigen Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen. Soweit diese Anforderung nicht erfüllt ist, obliegt die Ent-

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scheidung über den Abschluss der Kreditvergabe der vollen gerichtlichen Überprüfung. Was schließlich die Komponente der Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen auf das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse und die damit zusammenhängende Plausibilitätskontrolle anbetrifft, lässt sich feststellen, dass letztere der Gerichtspraxis bei Risikogeschäften nicht fremd ist. In allen besprochenen Fällen handelte es sich um eklatante Fälle von Ermessensmissbrauch, wo sich keinesfalls nachvollziehbar argumentieren ließ, dass die betroffene Entscheidung im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse lag. Wichtig für die Überprüfung der einschlägigen Entscheidungen blieb, ob die getroffene Abwägung von Risiken im Hinblick auf den Gesellschafts- bzw. Unternehmensstand verhältnismäßig und auf nachvollziehbare Weise vertretbar war. Soweit dies nicht der Fall ist, besteht kein Raum für eine Plausibilitätskontrolle und die getroffenen Entscheidungen obliegen der vollen gerichtlichen Überprüfung.

II. Sozialbezogene Vermögensverlagerungen Die rechtsvergleichende Untersuchung hat gezeigt, dass die Problematik des haftungsfreien Ermessensspielraums bei korporativen Sozialaufwendungen weder in der französischen noch in der deutschen Rechtsprechung ausführlich behandelt ist. Die Rechstspraxis hat sich in beiden Rechtsordnungen wohl überwiegend mit eklatanten Missbrauchsfällen beschäftigt, so dass die Gerichte keine Alternativen hatten, als die Pflichtverletzung zu erkennen und zu sanktionieren. Die bereits besprochenen gemeinsamen Grundsätze unternehmerischen Ermessens könnten dazu verwertet werden, den haftungsfreien Ermessensspielraum der Unternehmensleitung bei korporativen Sozialaufwendungen zu konturieren. Zur Überprüfung, ob die vorgenommene Sozialaufwendung im Gesellschaftsinteresse liegt und nicht von persönlichen Interessen der Unternehmensleitung motiviert ist, macht es Sinn, zunächst zu prüfen, ob die relevante Entscheidung verantwortungsbewusst bzw. ohne Interessenkonflikt getroffen ist. Bei negativer Beantwortung genießt die Unternehmensleitung keine Ermessensfreiheit mehr und die relevante Entscheidung obliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Bei positiver Beantwortung sollte weiterhin geprüft werden, ob die Entschließung sorgfältig vorbereitet wurde und im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse lag. Bei unmittelbar betriebsbezogenen Sozialaufwendungen sollte die letztere Voraussetzung stets gegeben sein. Anders verhält sich die Rechtslage bei den sonstigen sozialbezogenen Leistungen, wo die Verbindungslinie zwischen der vorgenommenen Vermögenszuwendung und dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse näher geprüft werden soll. Hierzu könnte die Verbindung zwischen der vorgenommenen Transaktion und dem Unternehmensgegenstand von Bedeutsamkeit sein. Jedenfalls sollte hierzu beachtet werden, dass es sich dem Gesamtkonzept entsprechend um eine Plausibilitätskontrolle in Bezug auf die konkrete Entscheidungssituation handeln wird. Dabei ist es gleichgültig,

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ob im Lichte des Gesellschaftsinteresses alternative Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet waren. Soweit die vorgenommene Sozialaufwendung offensichtlich abwegig ist, bewegt sich die Unternehmensleitung außerhalb ihres Ermessensspielraums und ihre Entscheidung obliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Außerhalb ihres Ermessensspielraums bewegt sich die Unternehmensleitung ebenfalls, wenn die vorgenommene Sozialaufwendung für die Gesellschaft zwar vorteilhaft sein könnte, jedoch in Bezug auf Art und Umfang des Geschäftsbetriebs (Gewinn, Kapitalausstattung, Finanzierungs- und Ertragslage sowie Zukunftsaussichten) grob unverhältnismäßig ist. Hierzu wird es sich ebenfalls um eine Plausibilitätskontrolle handeln.

III. Unternehmensorganisation Die Rechtsprechung und die Rechtslehre haben in beiden Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, die bei der Unternehmensorganisation zu beachten sind. Die herausgearbeiteten Sorgfaltspflichten stellen sowohl gesetzliche als auch originäre Leitungsaufgaben dar. Hierzu gehören Fragen sowohl der Aufbau- als auch der Ablauforganisation, wie etwa der Bildung und Besetzung von Führungsposten, der Ressortverteilung, der Implementierung einer Controlling- und Risikomanagementstruktur und der ordentlichen Buchführung. Bei der Aufbauorganisation bzw. bei der Delegierung von Kompetenzen erkennen beide Rechtsordnungen eine Auswahl- und Überwachungsverantwortung des Entscheidungsträgers bzw. des Delegierenden für den Fall, dass die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der von ihm besetzten Stelle offensichtlich untauglich ist. Im französischen Recht wird sogar vertreten, dass jedes Verwaltungsratsmitglied, das seine Bestellung zum PDG annimmt, obwohl ihm seine deutliche Inkompetenz zur Wahrnehmung der einschlägigen Aufgaben bekannt ist, eine Sorgfaltspflichtverletzung begeht. Bei der Ablauforganisation hat die Unternehmensleitung u. a. zu prüfen, ob die delegierten Kompetenzen zu den der Kompetenzverteilung zugänglichen Entscheidungsbereichen gehören. Welche Entscheidungsbereiche als unverteilbar anzusehen sind, wird in beiden Rechtsordnungen nicht endgültig festgelegt; es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass die Kompetenzen, die dem Leitungsorgan als Gesamtorgan kraft zwingenden Rechts zugewiesen sind, im Grundsatz undelegierbar sind. Besonderen Wert legen beide Rechtsordnungen auf die Pflicht der Unternehmensleitung zur kollegialen Zusammenarbeit, sowohl auf interorganisatorischer als auch auf intraorganisatorischer Ebene. Darunter lässt sich vor allem die Pflicht der Unternehmensleitung zur Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung und vor allem die Pflicht der Unterneh-

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mensleitung zur Etablierung eines der kollegialen Zusammenarbeit zufrieden stellenden Informationsflusses subsumieren. Auf intraorganisatorischem Niveau bedeutet letzteres für beide Rechtsordnungen die Erstellung eines ControllingKonzepts. Auf interorganisatorischer Ebene ist vor allem die Etablierung einer effizienten Kommunikation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bzw. zwischen Verwaltungsrat und PDG hervorzuheben. Hierbei gelangen beide Rechtsordnungen über unterschiedliche Wege zu gleichen Ergebnissen, was als weiteres Zeichen für die Konvergenz der dualistischen und der monistischen Leitungsstruktur zu interpretieren ist. Was die Implementierung einer Risikomanagement-Struktur anbelangt, wird sie als leitungsbezogene Aufgabe im deutschen Aktienrecht zwar ausdrücklich, jedoch nicht ausführlich vorgeschrieben. Im AktG kommt es nur darauf an, diesbezüglich einen Minimumstandard einzuhalten. Dieses Minimum richtet sich nicht auf die Direktion eines „Risikomanagements“ im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, welches Identifizierung, Quantifizierung, Steuerung und Kontrolle der Risiken eines Unternehmens beinhaltet, sondern in die Richtung eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen. Im französischen Recht bleibt angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung zur Implementierung einer Risikomanagementstruktur unklar, ob unter der angesprochenen Aufgabe die Implementierung eines Risikomanagementsystems im strikten betriebswirtschaftlichen Sinne, welches Identifizierung, Quantifizierung, Steuerung und Kontrolle der Risiken eines Unternehmens beinhaltet, oder eines Frühwarnsystems zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu verstehen ist. Insofern empfiehlt sich, die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagementsystems, soweit sie spezialgesetzlich nicht festgelegt wird, dem unternehmerischen Ermessen der dirigeants sociaux zuzuweisen. Wenn man die oben beschriebenen Sorgfaltsanforderungen an die Unternehmensorganisation näher betrachtet, wird es ersichtlich, dass sie zum großen Teil den Legalitätspflichten zuzuordnen sind. Das schränkt einigermaßen den Handlungsspielraum der Unternehmensleitung ein, denn soweit die Verhaltensanforderungen so deutlich vorgeschrieben sind, befindet man sich schon im Bereich von Erkenntnisentscheidungen. Das ist etwa der Fall bei der Pflicht zur Wahrung der Zuständigkeitsordnung bei ausdrücklich vorgeschriebenen Kompetenzverteilungen. Das Vorliegen leitungsbezogener spezialgesetzlicher Regelungen bedeutet jedoch keinen automatischen Ermessensausschluss für die Unternehmensleitung. Eine eingehende Untersuchung zeigt, dass der Gesetzgeber insofern einen Handlungsspielraum der Unternehmensleitungsorgane anerkennt, als er Legalitätspflichten vorschreibt, die einen Diskretionsspielraum in sich enthalten. Solche Pflichten schließen das Leitungsermessen nicht völlig aus, sondern geben für das geforderte Verhalten einen gewissen Rahmen vor. So darf kein Vorstand

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bzw. dirigeant social etwa auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Buchführung verzichten. Andererseits bleibt die konkrete Gestaltung der Unternehmensstruktur zur ordnungsmäßigen Buchführung nach richtiger Ansicht dem unternehmerischen Ermessen der Unternehmensleitung überlassen. Dafür spricht vornehmlich, dass das Gesetz die konkrete Ausgestaltung der Buchführungsstruktur nicht regelt, und weiterhin, dass sich eine optimale Organisationsstruktur aus dem Unternehmensinteresse nicht entnehmen lässt. Ähnliches gilt auch für die Implementierung einer Risikomanagement-Struktur und die Gestaltung der Ablauforganisation. Was schließlich die Führungspostenbesetzung anbelangt, verfügt der Entscheidungsträger im Rahmen der normativen Züge über ein Auswahlermessen. Die Konturen des Bewertungsspielraums bei den angesprochenen Fällen sind in der Rechtpraxis beider Rechtsordnungen wenig beachtet worden. Soweit dem Entscheidungsträger ein Beurteilungsspielraum gewährleistet wird, könnten die gemeinsamen Grundsätze unternehmerischen Ermessens zur Konkretisierung des haftungsfreien Ermessensspielraums genutzt werden. So könnte man in Bezug auf die Bestellung von Führungsposten zunächst prüfen, ob der Entscheidungsträger die ausgewählten Organwalter ohne Interessenkonflikt, unter sorgfältiger Überprüfung der relevanten Informationen und im Gesellschaftsinteresse gewählt hat. Soweit der Entscheidungsträger zur Einschätzung der fachlichen und persönlichen Kompetenz des zu bestellenden Organwalters nicht im Stande ist oder ihm die erforderlichen Informationen fehlen, kann die Bildung eines Personalausschusses (comité de selection) oder die Heranziehung eines Personalberaters geboten sein. Ein Verstoß gegen das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse kommt dann in Betracht, wenn die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse der oberen Führungsebene offensichtlich untauglich ist. Dies ergibt sich bereits aus der bisherigen Praxis beider Rechtsordnungen. Was die aufbauorganisatorischen Maßnahmen der Unternehmensleitung und vor allem die Ressortbildung, die Delegation von Kompetenzen an die nachgeordnete Führungsebene und die Implementierung einer Risikomanagementstruktur anbelangt, könnte hierzu vor der inhaltlichen Beschlusskontrolle ebenfalls geprüft werden, ob die einschlägigen Entscheidungen verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung und im Gesellschaftsinteresse ohne Verletzung sonstiger Gesetzesvorschriften getroffen sind. Die Unternehmensleitung handelt offensichtlich außerhalb des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses, wenn sie überhaupt keine aufbauorganisatorischen Maßnahmen trifft oder wenn die vorgenommene Ressortbildung offensichtlich unzweckmäßig ist. Das gleiche sollte auch für die Implementierung einer Risikomanagementstruktur und für die Delegation von Kompetenzen an die nachgeordnete Führungsebene gelten: Der Entscheidungsträger verhält sich in diesem Fall außerhalb des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses, wenn die bestellte Person fachlich und persönlich für die Bedürfnisse des Ressorts offenbar untauglich ist. Diese

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Plausibilitätskontrolle deckt sich jedenfalls mit der bisherigen Praxis beider Rechtsordnungen. IV. Unternehmenskontrolle Die rechtsvergleichende Untersuchung hat gezeigt, dass die Unternehmenskontrolle in beiden Rechtsordnungen zum größten Teil dezentral organisiert ist. Was die Selbstkontrolle der Unternehmensleitung anbelangt legt das deutsche Aktienrecht mehr Wert auf das Ermessen des Kontrolleurs als das französische Recht der SA. Letzteres erweist sich diesbezüglich als besonders streng: So kennt die Rechtsprechung keinen „droit à l’erreur“ der dirigeants sociaux bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben, vielmehr tendiert sie dazu, das Fehlverhalten der Hilfsperson dem Ressortleiter bzw. dem zuständigen Verwaltungsratsmitglied automatisch zuzurechnen. Selbst das faktische Machtungleichgewicht unter dem PDG und den sonstigen Verwaltungsratsmitgliedern reicht nach dem Kassationshof als Grund zur Haftungsmilderung bei fehlerhafter Wahrnehmung von Kontrollpflichten nicht aus. Umgekehrt erweist sich das deutsche Recht in Bezug auf die Abberufung von Leitungsorganmitgliedern als besonders streng. Die h. M. lehnt diesbezüglich einen Ermessensspielraum ab. Solch eine strenge Ansicht vermag für die Nachforschungspflicht des Kontrolleurs vertretbar sein. Denn, soweit wichtige Ereignisse vorliegen, sollte der Aufsichtsrat verpflichtet sein nachzuprüfen, ob sie stimmen. Die Entscheidung über die Abberufung enthält andererseits einige schwierige Abwägungen über ihre Folgen für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung, das Unternehmensansehen und die Unternehmenskultur. Die Kalkulierung der darauf bezogenen Auswirkungen stellt nichts anderes als eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Abberufung wird zur Leitungsverantwortung führen, es sei denn, der Entscheidungsträger beruft für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe, welche im konkreten Fall die Gründe für die Abberufung überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder die Behinderung des Leitungsorgans und die Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht. Etwas flexibler ist diesbezüglich die Lage im französischen Recht: Ein Ermessensspielraum bei der Abberufung von Leitungsorganmitgliedern ist dem französischen Recht der SA nicht fremd. Das ergibt sich für die monistische SA bereits aus dem Wortlaut des Art. 90 II L. 1966, demgemäß die Verwaltungsratsmitglieder von der ordentlichen Hauptversammlung zu jeder Zeit abberufen werden „können“. Die Gewährleistung einer Befugnis zu jederzeitiger Abberu-

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fung der Verwaltungsratsmitglieder an die Gesellschaftermehrheit bedeutet, dass die materielle Kontrolle des einschlägigen Beschlusses sich nicht auf die Motivationsgrundlage der Gesellschafter erstreckt, sondern sich lediglich auf die Prüfung beschränkt, ob bei der Abberufung die gesetzlich vorgeschriebenen prozeduralen Voraussetzungen eingehalten sind und ob es sich um einen abus de droit seitens der Gesellschafter handelt. Gleiches gilt auch für den Fall der Abberufung des PDG und der Mitglieder des conseil de surveillance. Etwas differenzierter ist die Rechtslage in Bezug auf die Abberufung von Direktoriumsmitgliedern und gérants der SARL. In beiden Fällen ist eine revocation allein aus wichtigem Grund (pour juste motif) „möglich“ (Artt. 121 und 55 L. 1966 entsprechend). Die Rechtsprechung enthält eine lange Reihe von apodiktischen Aussagen in Bezug auf die justes motifs. Äußerungen zum Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers bei der Qualifizierung eines Tatbestands als juste motif finden sich jedoch nicht. Es lässt sich jedenfalls vermuten, dass im Fall einer revocation pour juste motif der Ermessensspielraum der Gesellschafter im Vergleich zum revocation ad nutum beschränkter ist i. S., dass der Tatbestand, welcher zum revocation ad nutum führt, nur dann eine revocation pour juste motif rechtfertigt, wenn er als wichtiger Grund qualifizierbar ist. Was schließlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen anbelangt, wurde sie im deutschen Aktienrecht am Beispiel der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ausführlich diskutiert, einschlägige Entscheidungen sind im französischen Recht selten. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil ein unternehmerisches Ermessen des Aufsichtsrats bei Kontrollentscheidungen ab, während einzelne Stimmen für ein unternehmerisches Ermessen bzw. einen „weiten Beurteilungsspielraum“ eintreten. Für das Bestehen eines Ermessensspielraums ist richtigerweise auf die Eigenart der zu treffenden Entscheidung abzustellen. Hierbei ist zwischen der Pflicht zur Nachprüfung und der Pflicht zur Geltendmachung eines festgestellten Schadensersatzanspruchs zu unterscheiden. In Bezug auf die Pflicht zur Nachforschung ist es unbestritten, dass der Aufsichtsrat hierzu über keinen Ermessensspielraum verfügen darf. Die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen enthält andererseits einige auch nach der Vorstellung des BGH schwierige Abwägungen über die Folgen eines Schadensersatzprozesses für den Unternehmenserfolg, die Unternehmensführung und die Unternehmenskultur. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen stellt insofern eine Prognoseentscheidung dar, die einer gerichtlichen Kontrolle bereits aufgrund ihrer Eigenart zum Teil entzogen sein sollte. Zu diesem Zweck sollte dem Aufsichtsrat ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt werden, da er ohnehin die Auswirkungen der relevanten Entscheidung zum Unternehmensinteresse nicht in seine Kalkulation einbeziehen dürfte. Das Ermessen des Aufsichtsrats sollte durch die Verzichtsregelung von § 93 IV 3 i. V. mit § 111 I AktG insofern begrenzt sein, als bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen Organmitglieder

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das Unternehmensinteresse in erster Linie auf die Geltendmachung von Ansprüchen verweisen wird. Stehen der Gesellschaft Schadensersatzansprüche zu, so verlangt das Unternehmensinteresse grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Vermögens. Dieses „Regel-Ausnahme“-Verhältnis ist der Standpunkt der wohl überwiegenden Literaturmeinung und wurde auch vom BGH ausdrücklich angenommen. Ein offenbar unvertretbares Absehen von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen führt zur Haftung, es sei denn, dass der Aufsichtsrat für seine Entscheidung am Unternehmenswohl orientierte Gründe beruft, welche im konkreten Fall die Gründe für die Geltendmachung der Ansprüche überwiegen oder ihnen gleichwertig sind. Als solche Gründe kommen etwa negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit oder Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung der Betriebsklimas in Betracht. V. Übernahmeangebote Vergleicht man die Verhaltensanforderungen an die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft in beiden Rechtssystemen, so gelangt man zum folgenden Ergebnis: obwohl beide Rechtsordnungen zweifellos von einem Vereitelungsverbot ausgehen, sind angesichts der weiten Ausnahmetatbestände nach deutschem Recht Fallkonstellationen denkbar, in denen das deutsche Übernahmerecht Maßnahmen zur Vereitelung des Übernahmeerfolgs gestattet, während den dirigeants sociaux in vergleichbarer Situation die Hände gebunden wären. Das gilt u. a. wegen des Umfangs und der Tragweite der Hauptversammlungsermächtigung, vor allem aber wegen § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG. Wegen der weitgefassten Ausnahmetatbestände wird die Bereitschaft zu einem feindlichen Übernahmeangebot sinken. Inwieweit die nach deutschem Recht zulässigen Abweichungen vom Vereitelungsverbot weiter eingeschränkt werden, wird wohl letztlich auf europäischer Ebene entschieden werden. VI. Insolvenzbezogene Leitungsverantwortung Die Rechtslehre und die Rechtsprechung haben in beiden Rechtsordnungen aus dem Kern wiederkehrender Pflichtverletzungen eine Reihe grundlegender Sorgfaltsanforderungen herausgearbeitet, die bei der Unternehmensleitung in der Zeit der Unternehmenskrise zu beachten sind. In Betracht kommt zunächst ihre Pflicht zur sorgfältigen Überprüfung der Krisensymptome. Der Unternehmensleitung sollte hierzu ein gewisser Ermessensspielraum zur Einschätzung der Krisensymptome zuerkannt werden. Als alarmierendes Krisenzeichen sollte dasjenige angesehen werden, welches nach vernünftiger kaufmännischer Überlegung die ernsthafte Möglichkeit einer Insolvenz unabweislich aufdrängt. Das ist in beiden Rechtsordnungen der Fall, wenn etwa der Hersteller der vertriebenen

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Produkte insolvent geworden ist, einschneidende Umweltauflagen zu erfüllen sind und ein Vermögensstatus gezeigt hätte, dass die Verbindlichkeiten die Aktivwerte um das Doppelte übersteigen. Bei großen Verlusten kann ferner unabhängig von einer vorherigen Gefährdung des Eigenkapitals eine Pflicht der Unternehmensleitung zur Überprüfung der Lage der Gesellschaft eintreten. Vor allem ein negativer Eigenkapitalsaldo in der Handelsbilanz stellt ein eindeutiges Alarmsignal für das Vorliegen einer Insolvenz dar und zwingt sowohl die Unternehmensführung als auch den Wirtschaftsprüfer zu einer detaillierten Überprüfung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft. Die angesprochenen Erwägungen sollten ebenfalls für die Intervalle gelten, in denen nach Eintreten der alarmierenden Krisenzeichen die Prüfung der Lage der Gesellschaft zu wiederholen ist. Eine weitere Pflicht der Unternehmensleitung betrifft das rechtzeitige Treffen von Sanierungsmaßnahmen. Der Umfang und die Tragweite der Sanierungsmaßnahmen werden in keiner von beiden Rechtsordnungen definiert, sondern dem Ermessen der Unternehmensleitung überlassen. Gemäß den Grundsätzen unternehmerischen Ermessens sollte hierbei geprüft werden, ob die getroffenen Maßnahmen verantwortungsbewusst, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen sind. Zur Überprüfung der getroffenen Maßnahmen hinsichtlich des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses könnten die BGH-Äußerungen im Anlass des „Herstatt“-Urteils vom Nutzen sein. Haftungsbegründend kann ferner die dauerhafte Fortführung eines überschuldeten Geschäftsbetriebs sein, wenn sie jeder realistischen Aussicht über den Fortbestand des Unternehmens widerspricht. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs stellt ein unternehmerisches Risiko dar, deren Einschätzung mangels spezialgesetzlicher Einschränkungen dem Ermessen der Unternehmensleitung in beiden Rechtsordnungen überlassen ist. Hierbei sollte unter Anwendung der angesprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens geprüft werden, ob die Entscheidung über die Fortführung des Geschäftsbetriebs unbefangen, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und nachvollziehbar im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse getroffen wurde. So wird die Fortsetzung des defizitären Geschäftsbetriebs vor allem dann ermessensfehlerhaft sein, wenn die Unternehmensleitung bei sachlich begründeter Aussichtslosigkeit zur Fortführung aus sachfremden Erwägungen veranlasst wird. In der Regel wird die Unvertretbarkeit der Fortführung des Geschäftsbetriebs in Betracht kommen, wenn die Gesellschaft von einer Zahlungsunfähigkeit ernsthaft bedroht wird. Der Unternehmensleitung bleibt dann nicht nur die Möglichkeit einer Insolvenzantragstellung, sondern auch die zeitnahe Einberufung einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung mit dem Ziel, die Gesellschaft aufzulösen. Vor allem aber kann das Management durch Neuausrichtung des Unternehmens die bedrohlichen Zukunftsperspektiven wieder verbessern. Zu denken ist schließlich an eigennütziges Verhalten der Unterneh-

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mensleitung; dies wird im französischen Recht in Art. 182 Nr. 4 InsG 1985 ausdrücklich geregelt, indem die Vorschrift eine Haftung des dirigeants vorschreibt, falls er aus eigennützigem Interesse eine zur Insolvenz führende Betriebsfortsetzung unternimmt. Eine weitere Pflicht der Unternehmensleitung betrifft die Informierung der Anteilseigner, sobald die Finanzlage des Unternehmens einen kritischen Höhepunkt erreicht hat (§ 92 I AktG, § 49 III i. V. mit § 84 I GmbHG; Artt. 68 I, II, 241 I L. 1966). Bei der Verlustanzeigepflicht erkennt man eine gesetzliche Einschränkung der Leitungsmacht der dirigeants sociaux. Die Gesetzesvorschriften sind jedoch in beiden Rechtsordnungen nicht so streng gefasst, dass der Unternehmensleitung jeder Diskretionsspielraum entzogen wird. Selbst wenn die Geschäftsleitung an die herrschende Ansicht zur Feststellung der Verlustschwelle anknüpfen kann, besteht immerhin das allgemeine bilanzpolitische Problem der Bewertung der Vermögenslage der Gesellschaft. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass das Vorliegen eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Stammkapitals nach den für die Jahresbilanz geltenden handelsrechtlichen Regeln zu bestimmen ist. Immerhin besteht das Problem, dass nicht nur eine Bewertung „wahr“ ist. Dies gilt umso mehr bei den Unwägbarkeiten der Reservenbewertung. Vor allem die Einhaltung des going concern-Prinzips hängt von der einschlägigen Fortbestehungsprognose ab. Bei der Fortführungsprognose ist der Geschäftsführung immerhin ein Ermessensspielraum anzuerkennen. Zur Konkretisierung des Ermessensspielraums könnten die bereits besprochenen Grundsätze unternehmerischen Ermessens verwendet werden. Demzufolge sollte vor allem geprüft werden, ob die Fortführungsprognose unbefangen, unter sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und nachvollziehbar im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse entschieden ist. Nur offensichtlich unvertretbare Kalkulationsirrtümer der Unternehmensleitung sollten gerichtlich nachprüfbar sein. Über die Feststellung des Vermögensverlustes aus der Zwischen- bzw. Jahresbilanz hinaus besteht im deutschen Recht eine Einberufungspflicht der Geschäftsleitung, wenn sie nach pflichtgemäßem Ermessen solch einen Verlust feststellt (§ 92 I AktG). Nachdem das AktG auf das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands und damit auf dessen Person abstellt, ist ein Rückgriff auf die objektive Lage der Gesellschaft zur Bestimmung der Vertretbarkeit des Vorstandshandels nicht gerechtfertigt. Konsequenterweise ist die Erkennbarkeit des Verlusttatbestands für die Beurteilung der Unternehmensleitung entscheidend. Hierzu sollte richtigerweise dem Geschäftsleiter ein Ermessensspielraum zuerkannt werden. Das Absehen von der Einberufung wird auch beim tatsächlichen Vorliegen eines Verlusts in Höhe der Hälfte des Grundkapitals vertretbar sein, soweit keine derart zwingenden Anhaltspunkte für einen Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals vorliegen, dass jede andere Entscheidung als die sofortige Annahme eines solchen Verlustes bzw. sofortige Ermittlungen über das Bestehen eines solchen Verlusts unvertretbar erscheint.

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Weniger beachtet wird in beiden Rechtsordnungen die Frage, ob ein Ermessensspielraum der Unternehmensleitung zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nach Feststellung des Verlusts anzuerkennen ist. Hierzu lassen sich Fallkonstellationen vorstellen, bei denen beim Vorliegen solch eines Verlustes die Wahrnehmung der Einberufungspflicht nicht die beste Strategie für das Gesellschaftsinteresse darstellt. Man denke vor allem an die mit der Einberufung der Hauptversammlung einer Publikumsgesellschaft wegen eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals verbundene negative Publizität. In solchen Fällen sollte der Unternehmensleitung nach pflichtgemäßem Ermessen ein Recht auf kurzfristiges Absehen von der Einberufung anerkannt werden. Ein Ermessensspielraum sollte jedenfalls mit Vorsicht aufgenommen werden, da es der gesetzgeberischen Grundwertung entspricht, dass die Einberufung dem Wohl der Gesellschaft im Grundsatz dient. Die Anerkennung eines Ermessensspielraums lässt sich im französischen Recht angesichts des rigiden Wortlauts der Artt. 68 I, 241 I L. 1966 nicht entnehmen. Im deutschen Recht könnte ein Ermessensspielraum auf den Wortlaut der §§ 92 I AktG bzw. 49 III GmbHG gestützt werden, die eine „unverzügliche“ Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verlangen. Als schuldhaftes Zögern i. S. von § 121 BGB soll ein Zuwarten nicht bewertet werden, wenn die Unternehmensleitung mit hinreichender Erfolgsaussicht annehmen darf, den Verlust des halben Grundkapitals selbst etwa durch Verhandlungen mit den Gläubigern beseitigen zu können. Gleiches gilt für den Fall, dass das Zuwarten auf die Vorbereitung eines Sanierungsvorschlags und der notwendigen Abstimmungen zurückzuführen ist, solange keine akute Gefährdung für die Gläubigerinteressen besteht. Was schließlich die Pflicht zur unverzüglichen Insolvenzanmeldung anbelangt, soll richtigerweise der Unternehmensleitung hierzu ein Ermessensspielraum in Bezug auf die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung zuerkannt werden. Nach Annahme der Insolvenzlage ist die Unternehmensleitung in beiden Rechtsordnungen verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Im deutschen Recht schreiben §§ 92 II AktG, 64 I GmbHG eine Pflicht der Geschäftsleitung zur unverzüglichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Feststellung der Insolvenzlage und spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vor. Im französischen Recht schreibt Art. 3 II InsG 1985 eine Pflicht des Schuldners zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens spätestens 15 Tage nach der Zahlungseinstellung (cessation des paiements) vor. Es wird daraus ersichtlich, dass nach Feststellung der Insolvenzlage die Unternehmensleitung die angesprochene Legalitätspflicht zu erfüllen hat. Die Auffassung des Gesetzes ist in beiden Rechtsordnungen so eng, dass der Unternehmensleitung nur ein geringer Diskretionsspielraum zuzuweisen ist. Innerhalb der 15-tägigen bzw. dreiwöchigen Frist besteht immerhin die Möglichkeit für die Unternehmensführung, Sanierungsmaßnahmen zu unternehmen, solange

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noch die sachlich begründete Aussicht besteht, innerhalb der angesprochenen Frist den Insolvenzgrund zu beseitigen. Die Grenzen der Risikobereitschaft sind überspannt, soweit alle Sanierungsbemühungen schon im Ansatz überwiegend aussichtslos sind. In diesem Fall besteht eine Pflicht zu sofortiger Insolvenzantragsstellung.

Anhang: Code du Commerce Text Loi no 66-537 du 24 juillet 1966

Alte Nummerierung art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

13 49 50 50-1 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 60-1 64 64-1 64-2 68 88 89 90 90-1 91 92 93 93-1 94 95 97 97-1 97-2

Neue Nummerierung L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

221-4 223-18 223-19 223-20 223-21 223-22 223-23 223-24 223-25 223-26 223-27 223-28 223-29 223-30 223-31 223-35 223-36 223-37 223-42 225-16 225-17 225-18 225-19 225-20 225-21 225-22 225-23 225-24 225-25 225-26 225-27 225-28

Anhang: Code du Commerce Text Loi no 66-537 du 24 juillet 1966

Alte Nummerierung art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

97-3 97-4 97-5 97-6 97-7 97-8 98 99 100 101 103 110 110-1 111 112 113 114 115 115-1 116 117 118 119 120 120-1 123 124 125 126 127 128 129 129-1 129-2 130 132 133 134

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Neue Nummerierung L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

225-29 225-30 225-31 225-32 225-33 225-34 225-35 225-36 225-37 225-38 225-40 225-47 225-48 225-49 225-50 225-51 225-52 225-53 225-54 225-55 225-56 225-57 225-58 225-59 225-60 225-63 225-64 225-65 225-66 225-67 225-68 225-69 225-70 225-71 225-72 225-73 225-74 225-75

314 Text Loi no 66-537 du 24 juillet 1966

Anhang: Code du Commerce Alte Nummerierung art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

135 136 137 137-1 137-2 138 139 140 143 144 145 146 147 150 151 152 alinéa 1 153 155 157 157-1 157-2 158 159 160 161 161-1 162 162-1 180 181 182 186 186-1 186-2 186-3 186-4 208 208-1

Neue Nummerierung L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

225-76 225-77 225-78 225-79 225-80 225-81 225-82 225-83 225-86 225-87 225-88 225-89 225-90 225-93 225-94 225-95 225-96 225-98 225-100 225-101 225-102 225-103 225-104 225-105 225-106 225-107 225-108 225-109 225-129 225-130 225-131 225-135 225-136 225-137 225-138 225-139 225-176 225-177

Anhang: Code du Commerce Text Loi no 66-537 du 24 juillet 1966

Alte Nummerierung art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

208-2 208-3 208-4 208-5 208-6 208-7 208-8 208-8-1 208-8-2 208-9 208-10 208-11 208-12 208-13 208-14 208-15 208-16 208-17 208-18 208-19 215 226 226-1 228 230 230-1 230-2 230-3 236 241 244 245 246 247 248 249 250 308

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Neue Nummerierung L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

225-178 225-179 225-180 225-181 225-182 225-183 225-184 225-185 225-186 225-187 225-188 225-189 225-190 225-191 225-192 225-193 225-194 225-195 225-196 225-197 225-204 225-231 225-232 225-235 225-237 234-1 234-2 234-3 225-243 225-248 225-251 225-252 225-253 225-254 225-255 225-256 225-257 228-61

316 Text Loi no 66-537 du 24 juillet 1966

loi no 85-98 du 25 janvier 1985

Anhang: Code du Commerce Alte Nummerierung

Neue Nummerierung

art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

309 310 311 340 340-1 340-2 340-3 340-4 360 376 423 425 437 438

L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

228-62 228-63 228-64 232-1 232-2 232-3 232-4 232-5 235-1 236-9 241-1 241-3 242-6 242-7

art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art. art.

3 4 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190

L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L. L.

621-1 621-2 624-3 624-4 624-5 624-6 624-7 625-1 625-2 625-3 625-4 625-5 625-6

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Stichwortverzeichnis Abberufung 7, 34, 43, 50 ff., 105, 166, 175 ff., 207, 221, 232 ff., 239 ff., 301 Abwehrmaßnahme (Übernahmeangebote) – Allgemeines 256 ff. – aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung 261 ff. – mit Zustimmung des Aufsichtsrats 266 ff. Actio pro socio siehe Gesellschafterklage Administration 21, 26 ff., 30 ff., 45, 50 ff., 290 Agency Problem 77 American Law Institute 141 Amtsniederlegung 169, 218 Angebot, konkurrierendes 267 ff. Ansprüche der Gesellschaft 240 ff. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 150 ff., 166, 189 ff., 205, 241 Aufsichtsrat – Durchsetzung der Gesellschaftsansprüche 240 ff. – Ermessensfreiheit 165 ff. – Umfang der leitungsbezogenen Entscheidungstätigkeit 37 ff. – Umfang und Tragweite der Überwachungsaufgabe 35 ff. – Zustimmung der Abwehrmaßnahmen des Vorstands 266 ff. Auslegung (rechtsvergleichende) 19, 55, 57, 82, 122, 188 Behinderungsverbot 258 ff. Betriebsfortführung 276 Beurteilungsspielraum 125, 128, 234, 241, 246. Beweislast 100, 111, 140 ff., 159, 162 ff., 172, 186 ff., 276 Bilanz – Jahresbilanz 103, 278 ff., 309

– Liquidationsbilanz 276 – Überschuldungsbilanz 286 – Verschuldungsbilanz 287 – Zwischenbilanz 103, 278 Bilanzanalyse 269 ff. Billigkeit 108, 136 ff. Buchführung 105, 210 ff., 231, 234, 236, 240, 302, 304 Business Judgement Rule 138 ff. – Anwendungsbereich 142 ff. – Gesellschafts-, Unternehmensinteresse 147 ff. – sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen 145 ff. – Unbefangenheit des directors 143 ff. – Voraussetzungen 141 ff. Cessation des paiements 282 ff., 288, 310 Cointreau-Entscheidung 223 ff. Comité de selection 212, 234, 304 Commission des Opérations de Bourse 250 Conseil de suirveillance 45, 54 ff., 212, 235, 244, 290 Conseil des Marchés Financiers 250 Conseil d\9etat 130 ff. Controlling 219, 220, 227, 232, 233, 302, 303 Corporate Governance 16, 78, 80, 84, 141 Credit inopportun 200 Crown jewel options 259 D & O-Versicherung 195 Darlegungslast siehe Beweislast Demission 109, 218 ff.

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Stichwortverzeichnis

Devoir de déliberer 218 Devoir de présence 217 devoir d\9opposition 239 Direction generale 30, 50 ff., 75, 122, 188, 294 Direktorium 54, 55 ff., 61, 70, 109, 123, 189, 191, 212, 215, 235, 244, 290, 294, 297 Dirigeants de fait 76 ff., 105, 110 Dirigeants sociaux 98, 107, 109, 121, 176, 182, 186, 224, 230, 239, 245, 268, 276, 278 Diskretionsspielraum 160 ff., 183, 185, 192 ff., 234, 259, 278, 284, 288, 298 ff., 309 ff. Droit à l\9erreur 121, 173 ff., 188, 190, 239, 245, 294, 296, 305 Due care 140, 143, 146 Duty of care 79 (Fn. 94) Duty of loyalty 79 (Fn. 94) Entscheidungen – Investitionsentscheidungen 89, 196, 199, 201 – Kontrollentscheidung 241 246, 306 – Leitungsentscheidungen 33, 57 ff., 89, 117, 123, 150, 155, 158, 180, 187, 189, 194 ff., 238, 293, 295, 299 – Prognoseentscheidung 126, 242, 243, 245, 305 – unternehmerische Entscheidungen 25, 32, 40, 44, 123, 128 ff., 141 ff. 147, 149, 159 ff., 165, 178, 183 ff., 192, 261, 298 ff. Erfolgspflichten siehe obligations de resultat Ermessen (unternehmerisches), Grundsätze 148 ff., 169 ff. – Aufsichtsratstätigkeit und Ermessensausübung 165 ff. – Auswahlermessen 212, 214, 234, 304 – Darlegungs-, Beweislast 162 ff., 185 ff. – Gesellschafts-, Unternehmensinteresse 159 ff., 164 ff.

– keine Pflichtwidrigkeit aus anderen Gründen 160 ff., 184 ff. – pflichtgemäßes Ermessen 34, 103, 119, 161, 212, 216, 238, 256, 263, 280, 281, 309, 310 – sachlicher Anwendungsbereich 151 ff. – sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen – Aufsichtsrat 170 ff. – dirigeants sociaux 182 ff. – Vorstand 157 ff. – Unbefangenheit des Entscheidungsträgers – Aufsichtsrat 167 ff. – dirigeants sociaux 175 ff. – Vorstand 152 ff. Ermessenslehre (verwaltungsrechtliche) 125 ff. Ermessensspielraum 116 ff. – gesetzliche Grundlagen 119 ff. – Konturierung des haftungsfreien Ermessensspielraums 123 ff. – durch Übertragung des Business Judgment Rule 138 ff. – durch Verwertung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre 125 ff. – durch zivilrechtliche Vorschriften 133 ff. Europäisches Gesellschaftsrecht 19 Fairness-Test 141 Faute de gestion 64, 77, 79 ff., 95, 101, 104, 105, 107, 112 ff., 124, 185, 186, 222, 259, 276, 278 Finanzbeteiligungen 201 Finanzplanung (vorausschauende) 270, 271 Fortführung (eines defizitären Geschäftsbetriebs) 270 ff. Fortführungsprognose 273, 276, 279, 280, 286, 287, 309 Geschäfte, laufende 258 ff. Geschäftsbericht 223, 260

Stichwortverzeichnis Gesellschafterklage 195 ff. Gesellschafterversammlung 41 ff., 59 ff., 62, 64, 99, 121, 184, 187, 211 ff., 221, 226, 243, 277, 278, 281, 291, 292, 309, 310 Gesellschaftsinteresse siehe auch Unternehmensinteresse 64, 83, 147, 152, 155, 168, 179, 192, 197 ff., 201, 206, 208 ff., 223, 234, 235, 240, 251, 257 ff., 265, 281, 292, 301, 302, 304, 310 Gestion – Begriff 21, 26 ff. – faute de gestion 64, 77, 79 ff., 95, 101, 104, 105, 107, 112 ff., 124, 185, 186, 222, 276, 278 259 – haute gestion 31, 76 – rapport de gestion 223 Gestion courante 258 Gestion de patrimoine 134 Going concern 279, 309 Good corporate citizen 206 Handlungsspielraum 149, 161, 166, 185, 193, 227, 233 ff., 256, 265, 267, 274, 299, 303 Insolvenz, Ermessensspielraum und Insolvenzantragsstellung 288 ff. Insolvenzannahme – Sorgfaltsanforderungen nach der Insolvenzannahme 282 ff. – Sorgfaltsanforderungen vor der Insolvenzannahme 269 ff. Insolvenzantragspflicht 271 Insolvenzreife 103, 110 ff., 276, 289 Insolvenzverschleppungshaftung 269, 282, 285 Interessenkonflikt 139, 143 ff., 152 ff., 167 ff., 176 ff., 191, 209, 211, 234, 257, 260, 261, 266, 267, 288, 297, 301, 304 Intérêt social 64, 82 ff., 251 Kausalität 101 ff., 115, 163, 165, 185 KonTraG 227

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Kontrolle – funktionsbezogene Kontrolle 36, 235, 236 – gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung 175, 190, 194 ff., 205, 206, 210, 242, 243, 245, 247 – nachträgliche Kontrolle 35, 56, 165 – Plausibilitätskontrolle von Leitungsentscheidungen 147, 160, 183 ff., 192, 193, 205, 206, 210, 235, 238, 298, 301, 302, 305 – präventive Kontrolle 35, 56 Kreditsicherung 200 Leitungsbegriff – aus juristischer Hinsicht 26 ff. – aus ökonomischer Hinsicht 21 ff. – Gewaltverzahnung und Leitungskompetenz 33 ff., 42 ff., 60 ff. – Verortung der Leitungskompetenz – in der AG 32 ff., 61 ff. – in der GmbH 41 ff., 61 ff. – in der monistischen SA 46 ff., 61 ff. – in der SA modernen Typus 54 ff., 61 ff. – in der SARL 59 ff., 61 ff. Leitungsverantwortung – gesetzliche Grundlagen der insolvenzbezogenen Leitungshaftung 86 ff. – Anwendungsbereich 109 ff. – Morphologie 106 ff. – Tatbestand 111 ff. – gesetzliche Grundlagen in der prosperierenden Gesellschaft 65 ff. – Anwendungsbereich 70 ff. – Kategorisierung der leitungsbezogenen Verhaltensanforderungen 78 ff. – Morphologie 65 ff. – (objektiver) Tatbestand 77 ff. – (subjektiver) Tatbestand 94 ff. – verschuldensbezogene Haftungsmilderung 98 ff. – Grundzüge 63 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Kasuistik von Leitungsverantwortungstatbeständen – in der prosperierenden Gesellschaft 194 ff. – in der Unternehmenskrise 269 ff. – Verhältnis der Leitungshaftung zum unternehmerischen Ermessen 116 ff. Loyalitätspflicht 80 ff., 143, 147, 165, 175 Management 15 ff., 22, 247, 255, 256, 259 ff., 277, 308 Mandatar 46 ff., 69, 96, 214 Market (for corporate control) 88 Missbrauchskontrolle siehe auch Plausibilitätskontrolle 184, 193, 298 Moderationsrecht (des Richters) 98, 107, 108, 113, 114, 175, 184, 190, 296 Motif juste 244, 246, 306 Nasa Electronique-Entscheidung 204 Neutralitätsgebot 254 ff. Objet social 51, 85 Obligation de moyen 124, 134, 186 Obligation de résultat 124, 134, 185, 186 Offre publique d\9achat siehe Übernahmeangebote Oppositionspflicht 218 Organ – Aufsichtsorgan 32 – faktisches 72 110, 191 – Leitungsorgan 32, 45, 52 ff., 66, 72 ff., 76, 98, 102, 110, 128 ff., 132 – notwendiges 32 ff., 41 ff., 45, 49, 54, 59 – Überwachungsorgan 33, 54 – Willensbildungsorgan 32, 33, 74 Organisation – Ablauforganisation 23 ff., 215 ff., 219, 232, 234, 302 – Aufbauorganisation 23 ff., 61, 211, 213, 232, 235, 291, 302

– Bildung und Besetzung von Führungsposten 211 – divisionale 34 ff., 212 – Erlass der Geschäftsordnung der Unternehmensleitung 215 ff. – funktionale 34 ff., 212 – Ressortbildung und Delegation 212 ff. Organisationsverfassung 19, 28, 32, 41, 42, 44 ff., 51, 55, 61, 157, 191, 211, 214, 247, 290, 291, 297 Organschaft – Fremdorganschaft 55 – Selbstorganschaft 49 Passif exigible 283 Pensionsfonds 16 Portfolio-Management 17, 116 Pouvoirs propres – président directeur général 49 ff. – Verwaltungsrat 49 ff. Président directeur général – Grundzüge seiner Leitungsverantwortung 63 ff. – pouvoirs propres 49 ff. – sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen 182 ff. – Unbefangenheit beim Treffen von Leitungsentscheidungen 175 ff. Risiko – Grundsätze unternehmerischen Ermessens bei Risikogeschäften 204 – Verhaltensanforderungen bei Risikogeschäften 196 ff. Risikoaversion 17, 117 Risikogeschäfte 196 ff., 206, 275, 300, 301 Risikomanagement 210, 227, 228, 234, 303 Ritter (weißer) 255, 258, 267, 268 Safe harbor rule 140 Sanierung 171, 274, 283, 289

Stichwortverzeichnis Sanierungsmaßnahmen 273, 274, 288, 308, 310 Sanierungsverfahren 282 Sanierungsverhandlung 281 Sanierungsvorschlag 281, 310 Schaden 71, 92, 99 ff., 103, 104, 108, 111, 112, 114, 142, 148, 156, 162 ff., 174, 185, 186, 190, 282, 290, 296 Schadenersatzanspruch (Geltendmachung) 102, 104, 148, 149, 162, 163, 166, 186, 240 ff., 306 Schadensersatzklage 80, 107 Sécret des affaires 224 Shareholder-Value 87 ff. Sorgfaltsmaßstab 96 ff., 114, 116, 117, 140, 295 Sorgfaltspflicht – Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen 145 ff., 157 ff., 182 ff., 283 ff. – Pflicht zu ordnungsmäßiger Buchführung 230 ff. – Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen 240 ff. – Pflicht zur Implementierung einer Risikomanagementstruktur 211, 220, 227 ff., 303, 304 – Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit zwischen den Organmitgliedern 154, 168, 178, 216 ff. – Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit zwischen den Verbandsorganen 219 ff. – Pflicht zur Nachprüfung von Schadensersatzansprüchen 241 ff. – Pflicht zur Wahrung der gegebenen Zuständigkeitsordnung 219, 225 ff., 302, 303 Sozialaufwendung 206 ff., 301 ff. Specialité legale 197, 198, 206 Spenden 101, 206 Spezialitätsprinzip 28, 47, 48, 53, 181, 197 Standard of care-Test 140, 141

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Treuepflicht siehe auch Loyalitätspflicht 74, 79 ff., 129, 292 Treuhänder 95, 135 Trustee 135 Übernahmeangebote 247 ff. – Abwehrmaßnahmen – durch Zustimmung des Aufsichtsrats 266 ff. – Ermächtigung von den Gesellschaftern zu Abwehrmaßnahmen 261 ff. – gesetzliche Grundlagen – deutsches Übernahmerecht 251 – europäisches Übernahmerecht 248 – französisches Übernahmerecht 250 Überschuldung 104 ff., 109, 112 ff., 273, 276, 282 ff., 310, 311 UMAG 295 Unternehmensgegenstand siehe auch objet social 85, 100, 197, 206, 208, 210, 260 Unternehmensinteresse 79, 81, 82, 90 ff., 118, 119, 121 ff., 128, 129, 133, 147, 159, 160, 167, 172, 183, 188, 192, 199, 205 ff., 211, 220, 230, 231, 234, 235, 285, 287, 292, 298, 301, 304, 306 ff. Unternehmenskontrolle 235 ff., 245, 247, 255, 305 Unternehmenskrise – keine unverantwortliche Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs 275 ff. – Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der Krise 269 ff. – Treffen von Sanierungsmaßnahmen 273 ff. – Überprüfung der Krisensymptome 269 ff. – Vermeidung von unvertretbaren bestandsgefährdenden Geschäftsabschlüssen und -praktiken 274 ff. Unternehmenskultur 17, 242, 243, 245, 247, 305, 307

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Stichwortverzeichnis

Verbandsinteresse siehe Gesellschaftsinteresse Verbandsorgan 28, 32, 33, 46 ff., 61, 82, 120, 191, 219, 220, 291, 297 Verbindlichkeitskalkül 153, 178, 192, 284, 297, Verdacht 237, 238, 240, 270, 278 Vereitelungsverbot siehe Behinderungsverbot Verlustanzeigepflicht (Unternehmenskrise) 277 ff. – Diskretionsspielraum 278 ff. – gesetzliche Grundlagen 277 ff. Vermögensverwaltung 134

Verschulden 94 ff., 163, 164, 204 Verschwiegenheitspflicht 78, 292 Verwaltungsrat 30, 48 ff. Weisung 34, 42, 43, 60, 99, 226, 292 Wettbewerbsverbot 157, 258 White knight siehe Ritter (weißer) Zahlungen nach der Insolvenzreife 289 ff. Zahlungsunfähigkeit, Ermessensspielraum bei ihrer Ermittlung 283 ff.