Die Hoffinanz und der moderne Staat: Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus. Nach archivalischen Quellen. 6. Bd.: Studien zur Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftsgeschichte rheinisch-westfälischer Kirchenfürsten im letzten Jahrhundert [1 ed.] 9783428413508, 9783428013500

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Die Hoffinanz und der moderne Staat: Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus. Nach archivalischen Quellen. 6. Bd.: Studien zur Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftsgeschichte rheinisch-westfälischer Kirchenfürsten im letzten Jahrhundert [1 ed.]
 9783428413508, 9783428013500

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Die Hoffinanz und der moderne Staat Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus

Von

Heinrich Schnee Sechster Band Studien zur Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftsgeschichte rheinisch-westfälischer Kirchenfürsten im letzten Jahrhundert des alten Reiches

Duncker & Humblot . Berlin

Heinrich Schnee, Die Hoffinanz und der moderne Staat

Die Hoffinanz und der moderne Staat Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen i m Zeitalter des Absolutismus

Nach archivalischen Quellen von

Heinrich

Schnee

S echetcr Band

Studien zur Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftsgeschichte rheinisch-westfälischer Kirchenfürsten im letzten Jahrhundert des alten Reiches

D U N C K E R

&

H U M B L O T / B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten ©

1967 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1967 bei Buchdruckerei Richard Sdiröter, Berlin 61 Printed in Germany

MARIA Enkel- und Patenkinde zugeeignet

Vorwort zum sechsten Bande I n Band I I I meiner Geschichte der Hoffaktoren habe ich bereits zeigen können, daß der Bonner Fürstenhof ein wahres Dorado jüdischer Finanziers gewesen ist; dieser Abschnitt über das Hoffaktorentum i n den geistlichen Staaten Norddeutschlands war i m wesentlichen fertiggestellt, als der zweite Weltkrieg ausbrach. Meine weiteren Forschungen nach dem Kriege haben dann zahlreiche ardhivalische Quellen i n den Münchener u n d Wiener Archiven zutage gefördert, die nach meiner Bearbeitung bestätigen, daß Bonn unter den geistlichen Fürstenhöfen nicht nur die Führung i n der Verwendung von Hoffaktoren behält, sondern darüber hinaus Gestalten u n d Ereignisse der rheinisch-westfälischen Geschichte i m 18. Jahrhundert i n neuer Beleuchtung erscheinen. I n einzelnen Aufsätzen habe ich darüber berichten können; aber auch diese Arbeiten konnten durch neue archivalische Funde wichtige Ergänzungen erhalten. Daher entschloß ich mich, diese Studien i n einem 6. Bande zusammen zu fassen. I n jedem Aufsatz werden Hoffaktoren behandelt, auch wenn dies i n den Überschriften nicht zum Ausdruck kommt. Ich hoffe, m i t diesen Studien auch einen bescheidenen Beitrag zur Geschichte des A l t e n Reiches i m letzten Jahrhundert seines Bestehens zu liefern. Dem H e r r n Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen danke ich für die finanziellen Zuwendungen, die m i r immer wieder längeres Arbeiten i n den Münchener und Wiener Archiven ermöglichten. Den Archivaren der Staatsarchive von Hannover, Münster, Düsseldorf u n d Ludwigsburg, der Stadtarchive von Münster, Warendorf und Frankfurt/M. danke ich herzlich für die überaus zahlreichen Auskünfte zu den einzelnen Studien. Last not least gilt mein D a n k den Beamten des Stadtarchivs Bonn, die ich m i t immer neuen Aktensendungen plagen mußte, und H e r r n Baron v. Guillaume von der Kgl. Belgischen Botschaft zu Bonn, der m i r wertvolle Informationen aus dem Generalarchiv Brüssel übermittelte. Diesen Band widme ich meinem lieben Enkel- und Patenkinde Maria i n der Hoffnung, daß sie eines Tages als zünftige Historikerin meine Forschungen fortsetzen w i r d ; denn an archivalischem Quellenmaterial ist auch n a c h meinen Arbeiten kein Mangel. Bonn, den 22. März 1967 Heinrich Schnee

Inhalt Seite Vorwort zum sechsten Band

7

Die Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern zum Seigneur de Cinq Églises

11

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens und seine Mergentheimer Hoffaktoren

25

Kammeragent Berschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier und Steuereinnehmer des Kurfüsten Clemens August

48

Kurfürst Clemens August, die Schreiberin und der Geheime Finanzrat Joseph Süß Oppenheimer

57

Die Versteigerung des Nachlasses von Kurfürst Clemens August von Köln

71

Testament des Kurfürsten Clemens August von Köln

85

Hoffaktor Baruch Simon und Bankier Witte als Finanziers bei der Wahl von Maria Theresias jüngstem Sohn Erzherzog Maximilian zum Coadjutor von Köln und Münster

88

Hoffaktor von Köln

Baruch Simon als Finanzier

der letzten drei

Kurfürsten

123

Der Münstersche Hoffaktor Michael Meyer Breslauer und der gesellschaftliche Aufstieg seiner Nachkommen 153 Löb Michael Breslau aus Münster erklärt sich bereit, Österreich eine Anleihe über 250 000 fl zu beschaffen 170 Der Aufstieg des Bankhauses Salomon Oppenheim jr. aus dem Bonner Hoffaktorentum 172 Kurfürst Max Franz von Köln als Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens 190 Testament des Kurfürsten Max Franz von Köln Der Frankfurter Wittelsbacher

Resident Aaron Beer als Finanzier

238 der rheinischen

244

Verzeichnis der im Bd. VI. behandelten Hoffaktoren und Hoffaktorenfamilien 251 Berichtigungen und Ergänzungen

252

Die bekanntesten Münzen im 17. und 18. Jahrhundert

252

Abkürzungen StA StadtA. HStA. HH. u. StA. DOZA.

= = = = =

Staatsarchiv Stadtarchiv Hauptstaatsarchiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Deutsch-Ordens-Zentral-iArchiv Wien

Die Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern zum Seigneur de Cinq Eglises Fast zwei Jahrhunderte, von 1583 bis 1761, haben fünf Mitglieder der Wittelsbacher i n ununterbrochener Folge das Erzbistum K ö l n und damit die K u r w ü r d e innegehabt; jedesmal war es ein Bruder der bayrischen Fürsten, die erst i m Dreißigjährigen Kriege die K u r würde erlangten, sich aber schon ein Menschenalter zuvor i n K u r k ö l n eine A r t von Sekundogenitur am Rhein geschaffen hatten, die es ihnen ermöglichte, von dort aus ihre Machtstellung auch i m Raum Westfalen auszudehnen. Der fünfte und letzte Kölner Kurfürst aus dem Hause Wittelsbach, Prinz Clemens August (1700—1761) hat nicht weniger als fünf geistliche Fürstentümer nach und nach i n seiner H a n d vereinigen können; 1719 wurde er zum Fürstbischof von Paderborn und zum Fürstbischof von Münster gewählt. Es folgte 1722 die W a h l zum Coadjutor von Köln, u n d das Jahr darauf wurde er Nachfolger seines Onkels Joseph Clemens als Kurfürst von Köln. A n fang 1724 folgte die W a h l zum Bischof von Hildesheim, schließlich 1728 jene zum Fürstbischof von Osnabrück. Die Bemühungen des Hauses Wittelsbach u m das von Joseph Clemens auch innegehabte Bistum Lüttich schlugen zwar fehl, es fiel aber später seinem jüngsten Bruder Johann Theodor zu. Von 1719 bis 1728 war Clemens August zum Seigneur de C i n q Églises emporgestiegen. Diese K u m u lation mehrerer Bistümer unter einem Kürchenfürsten war i n der Reichs- und Kirchengeschichte seit dem Westfälischen Frieden nichts Ungewöhnliches; die Bedeutung der geistlichen Fürstentümer am Ende des alten Reiches wurde durch solche Zusammenballungen erhöht. Es gehörte aber auch zur Praxis dieser Politik, daß sie erhebliche Geldmittel erforderte. Vor allem mußten die D o m k a p i t e l durch Douceurs i n Form von Bargeld und wertvollen Geschenken gewonnen werden. Während die politischen Vorgänge zur W a h l von Clemens August i m wesentlichen erforscht und dargestellt wurden, fehlt eine Untersuchung über die finanziellen Aufwendungen des Hauses Wittelsbach für das „Wahlwesen", wie es so schön i n den A k t e n heißt. W i r wollen versuchen, an H a n d der noch vorhandenen archivalischen Quellen die Kosten für die W a h l zum Seigneue de C i n q Églises festzustellen 1 .

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Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern

Die Politik Bayerns zielte zunächst auf die W a h l des Prinzen Phil i p p Moriz zum Fürstbischof von Münster und Paderborn ab. Zu diesem Zwecke sandte M a x Emanuel i m August 1717 den auch i n Westfalen begüterten bayrischen Generalwachtmeister Grafen von Seiboltsdorf nach Münster; er sollte für P h i l p p Moriz werben. Bischof Franz A r n o l d von Metternich war auch bereit zu einer CoadjutorieWahl, „wenn das Haus Bayern dreimal 100 000 Taler Schulden, welche er noch selbsten zur Erlangung dieses Stifts hatte machen u n d negotiieren müssen, vor i h n abtrüge und bezahle". Graf Seiboltsdorf war für diese Zahlung, da nach seiner Meinung von Münster auch Paderborn und Osnabrück abhinge. München verstand sich zu den geforderten Spenden, und am 21. Juli 1718 hatte M a x Emanuel nach einer Mitteilung schon 500 000 f l für das Wahlwesen geopfert. Kurfürst K a r l P h i l i p p von der Pfalz erklärte sich sogar bereit, die H ä l f t e der Kosten zu tragen und zu diesem Zwecke eine Anleihe auf den Lauingenschen Salzhandel aufzunehmen. Doch M a x Emanuel lehnte ab, offenbar wollte er von den Pfälzer Wittelsbachern nicht i n Abhängigkeit geraten; so schrieb er i h m ab 7. März 1719: „ W i e Eur Liebden übrigens selbst güettig erachten werden, habe ich mich zu disem Wahlwesen, u m selbige Stiffter uf mein Churhaus zu bringen, hart angreiffen müssen" 2 . H a r t angreifen mußte er seine Finanzen; denn die geistlichen Herren waren gewohnt, „ein paar goldene oder silberne Handschue zu nehmen", u n d der Osnabrücker Geheime Rat Steinberg, ein Zeitgenosse dieses Wahlwesens, zweifelte daran, „daß der heilige Geist ohne das etwas furchtbahrliches bev Ihnen würcken dürffte" 8 . I m Jahre 1718 begannen die Zahlungen für das Wahlgeschäft, die i n der Regel durch den Hofkammerrat von Ruffini erfolgten. Dem kaiserlichen Wahlkommissar Grafen Metsch ließ der Kurfürst zwei Tausend Dukaten, seinem Sekretär 50 Pistolen „verehren", welch letztere der Graf selbst gefordert hatte; eine „schöne Verehrung" empfing der Wahlkommissar außerdem von beiden Domkapiteln; mit reichen Geldmitteln wurden der bayrische Sondergesandte Graf Seiboltsdorf und der Vertrauensmann des Kölner Kurfürsten Ferdinand von Plettenberg ausgestattet. Erfolg der reichlich bemessenen Handsalbe war die einstimmige W a h l des Prinzen P h i l i p p Moriz am 14. März 1719 für Paderborn und am 21. März auch für Münster; 660 000 f l sollen die Wahlkosten für Münster und Paderborn betragen haben, und Historiker der westfälischen Geschichte haben diese Zahl übernommen; sie ist aber quellenmäßig nicht fundiert; gewiß dürfte sein, daß für die Wahlen i n Paderborn und Münster die höchsten Summen gezahlt worden sind. Wenn Gelder i n Höhe von mehr als 600 000 f l angeführt werden, dann sind auch noch andere Bistümer

Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern eingeschlossen4. So w i r d unter den Schulden K a r l Albrechts, des Bruders von Clemens August, vermerkt, daß wegen des Wahlwesens i n Münster, Paderborn, Hildesheim und Osnabrück 642 439 f l ausgegeben wurden, also fast die gleiche Summe, die oben für Münster und Paderborn genannt w i r d , hier aber für vier Bistümer verwendet wird. Auch diese Zahl dürfte nicht zutreffen, wie w i r noch sehen werden 5 . Als P h i l i p p Moriz plötzlich starb, gelang es M a x Emanuel, gegen weitere Douceurs Paderborn und Münster für Clemens August zu sichern. Nach dessen Tode fertigte das Kurfürstliche Hofzahlamt i n München 1761 eine Aufstellung über die Kosten aus, die das Wahlwesen i n Münster, Paderborn, K ö l n und Osnabrück verursacht hatte, hier fehlt Hildesheim, für das zweifellos die Gelder von anderer Seite aufgebracht worden sind; davon w i r d noch zu sprechen sein. Das Hofzahiamt führte die Gelder auf, die es von 1718 bis 1730 ausgegeben hatte, u n d nennt als Summe der Ausgaben 800 611 f l 32 K r . 4 H., wohlgemerkt ohne Hildesheim. Die Gesamtsumme umfaßt sowohl zahlreiche Sachausgaben wie die Gelder für Douceurs 6 . Es muß aber schon hier vermerkt werden, daß diese „Summe aller Ausgaben" nicht die gesamten Kosten enthält; denn darin fehlen nicht nur die Wahlkosten für Hildesheim, sondern auch eine ganze Reihe Posten, die nebenher verschiedenen Persönlichkeiten „verehrt" worden sind, wie es so schön i n den A k t e n heißt. Von den vielen Einzelposten führen w i r eine ganze Reihe an; sie charakterisieren vortrefflich das Wahlgeschäft an geistlichen Fürstenhöfen 7 . I m Jahre 1718 erhält der Geheime Rat Baron von Plettenberg zur Verehrung 300 fl, Graf von Königsegg, Obristhofmeister und Bischof von Leitmeritz, „so sich zu Diensten des Kurhauses gebrauchen lassen", empfängt 10 000 f l u n d der Graf von Seiboltsdorf als bayrischer Gesandter für das Wahlwesen i n Münster 75 000 f l 8 . Vier Kavaliere, welche die Nachricht von der W a h l des Prinzen Clemens August nach München brachten, wurden 1719 Kammerherren und m i t 372 f l belohnt; 4684 f l erhielten nach Berechnung des Kommissarius Ströhl die nach Münster m i t Bagage abgegangenen Bedienten. D a n n w i r d vermerkt, daß der Kurfürst von Bayern es übernommen habe, für Paderborn und Münster 250 000 f l bezahlen und bei A n k u n f t von Clemens August i n den beiden Bistümern an den Geheimen Rat und Hofmarschall Freiherrn von Plettenberg 110 000 Rtlr. = 165 000 f l entrichten zu lassen, „die derselbe auf fünf Quittungen empfangen"; 1000 f l erhält der Münstersche Oberstleutnant Baron von Dücker, w e i l er die Nachricht von der W a h l Clemens Augusts nach München und Rom brachte 9 . 805 f l gehen an den Sekretär Abbé Cordier des Barons Scarlatti, Gesandten i n Rom; er brachte das breve eligibilis

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Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern

nach München. F ü r Juwelen an verschiedene Kavaliere stehen 58 000 f l i n Rechnung; Lieferanten waren die Augsburger Juweliere Johann K a r l von Garb, k. k. Geheimer Kammer-Juwelier, der 1715 als Edler von Gibeiii nobilitiert wurde, Johann K o p f und der Kgl. Polnische Hofjude S i m o n P h i l i p p auf Wechsel von Ruffin. Der Silberarbeiter Michael Rauner i n Augsburg erhielt 2275 f l für verschiedene Präsente, die Clemens August dem H o f von K u r k ö l n schenkte, als er sich dort einige Zeit aufgehalten hatte, u m von Münster und Paderborn Besitz zu ergreifen. 750 f l erhielt der Oberstwachtmeister von Wittgenstein, der i n Wahlangelegenheiten nach Rom abgesandt worden war. 450 f l wurden an Peter Rosignol und zwei Kammerdiener gezahlt, w e i l sie nach Münster vorausgeschickt worden waren. Der Kammerdiener Blanchard erhielt 1467 f l für die „Spesierung" des Barons von Plettenberg. 154 f l kosteten je vier Postritte an den Grafen Seiboltsdorf nach Münster, zwei weitere 265 und 345 fl. F ü r Stafetten nach Münster stehen beim Reichspostamt Augsburg i n Zahlung nacheinander 60, 103, 345, 60 f l ; für Stafetten nach Bonn 84, 47, 62 fl. F ü r die Erlangung des Breve werden Baron von Scarlatti i n Rom 4392 f l vergütet, 2500 f l außerdem zur „Beehrung" des Sekretärs der Kongregation Möns. Riviera für das Wahlwesen i n Münster. 318 f l kostete das Sigel, das der Sigelschneider A d a m K o l b für Clemens August als Bischof von Münster schnitt. Graf Seiboltsdorf empfing gegen 4 Bescheinigungen für das Wahlwesen i n Münster 150 000 f l oder 100 000 Rtlr. I m W a h l j a h r 1719 sind demnach an Plettenberg 165 000 fl, an Seiboltsdorf 150 000 f l gezahlt worden, nachdem der letztere schon i m Jahr zuvor 75 000 f l erhalten hatte. Das sind 390 000 f l an die beiden Persönlichkeiten, die als die „ W a h l macher" anzusehen sind. F ü r an Clemens August als Bischof von Münster gelieferte Waren wurden 1720 gezahlt: 1453 und 168 f l an den Bortenmacher Christian Zechhueber, 3159 für Waren an die Gnäzischen Erben; die Reisekosten Clemens Augusts nach Münster berechnete Regierungsrat Zehmann m i t 8696 f l ; 2674 f l betrugen die Reisekosten Zehmanns von Umberg nach Münster u n d zurück. 600 f l erhielt noch Abbé Cordier i n Rom „zu einer recompens", 833 f l der Procurator zu Rom Misiconi und Scarlattis Sekretär Elises. F ü r einen Ring an den kurkölnischen H o f stehen 900 f l des Grafen von Königsfeld, des bayrischen Gesandten i n Regensburg, i n der Aufstellung; 483 f l berechnete sich Regierungsrat Johann Georg von Zehmann an Deputata und Unkosten für das Wahlgeschäft i n Münster. F ü r zwei Postritte nach Münster, die er am 18. Januar u n d 19. Februar unternommen hatte, empfing Andreas Ernst 282 u n d 265 fl. F ü r Stafetten an Plettenberg wurden 60 und 62 f l gezahlt, für Postritte nach Bonn und Münster 219 und 350 fl.

Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern F ü r das Wahlwesen i n Münster und Paderborn wurden (noch gezahlt an Generalf eldmarschall-Leutnant von Seiboltsdorf 21 750 f l ; 11 150 f l für Deputata vom 1. A p r i l 1718 bis Ende Oktober 1719, ferner 4500 f l für Kutsche und Pferde. Die Gastgeberin Anna Stirzerin i n München erhielt 382 f l „wegen des Freiherrn von Plettenberg". Die interessanteste Zahlung des Jahres 1721 sind die 1000 M a x d'or oder 7000 f l an die Gemahlin des Grafen Seiboltsdorf als Erkenntlichkeit für „deren i m Münsierschen Wahlwesen geleisteten Dienste". I n W i e n waren über die Gräfin die Verse i m Umlauf: „Eloges de Madame l'ambassadrice comtesse de Seiboltstorff à l'élection de l'éveque de Münster Catons en cette ville, Mettes vos armes bas, L a belle Ambassadrice Tout mett à ses appas. Elle sera l'arbitre D u choix d'un coadjuteur, Sa beauté et sa douceur Charmera le chapitre, Mais cet objet vainqeur E n veut à votre mitre Plutôt qu'à votre cœur. Pour faire à Son Altesse U n digne successeur, Madame votre épouse nous presse, Monsieur l'ambassadeur. C'est une rare dame, Elle n'a d'autre blâme, Que d'aimer trop l'honneur, Ce seroit u n bonheur, Mais un bonheur extreme, Si vous vouliez vous même Preter l'objet qu'on aime, Vous faire un coadjuteur, Votre Excellence, q u i s'oppose à nos veux N'a pas la complaisance de dire: Je le v e u x " 1 0 Aus dem Jahre 1722 fällt die hohe Summe von 224 000 f l auf, die an Plettenberg gezahlt wurde; da es sich u m das Jahr der Coadjutorie-Wahl i n K ö l n handelt, dürfte diese Summe wohl für die W a h l

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Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern

Clemens Augusts zum Nachfolger seines Onkels i n K u r k ö l n zur Verfügung gestellt worden sein 1 1 . Kleinere Beträge gingen an Couriere: 733 f l und 325 f l ; 1425 erhielt Johann Risack für die „ A b f ü h r u n g der Bagage" von Clemens August bis Wertheim, 1000 f l empfing Baron von Meurs für Aufträge nach Rom. 700 f l gingen i m nächsten Jahr an den Grafen von Hohenzollern für die guten Dienste bei der Coadj u t o r w a h l i n Köln. Obwohl in der Überschrift der Zusammenstellung Hildesheim nicht genannt wird, kommen doch kleinere Zahlungen auch für das Wahlwesen i n Hildesheim vor. Plettenbergs Diener empfängt 1723, also noch vor der 1724 erfolgten Wahl, 140 f l zur „Verehrung", da er „ m i t sonderbarer Nachricht wegen der W a h l zu Hildesheim anhero geschickt worden". 268 f l kostet der Postritt des Couriers Ernst nach Bonn und Münster, 500 f l erhält der Weihbischof von Freising, Baron von Zeller, da er 1722 Clemens August „ordinem subdiaconatus conferiert". Plettenbergs Bemühen, Clemens August auch die Coadjuterie für Lüttich zu verschaffen, schlugen bekanntlich fehl, trotz der Zahlung von 4160, 4000 und 8000 f l an den Baron von Glimes „zur Tractierung" der Coadjutorie-Wahl i n Lüttich. Nach schweren Wahlkämpfen glückte Plettenberg 1724 Clemens Augusts W a h l auch i n Hildesheim durchzusetzen. F ü r die Meldung, daß Clemens August gewählt sei, erhielt Freiherr von Nagel 2000 fl. W i r werden noch sehen, daß die W a h l i n Hildesheim erhebliche Geldmittel erforderte, die i n der Zusammenstellung von 1761 nicht enthalten sind. E i n Portrait des neuen Bischofs steht m i t 600 f l i n Ausgabe. F ü r die Ornate, die Clemens August bei der ersten heiligen Messe i n K ö l n trug, erhielten M a r t i n Gnäzens (?) Erben 5416 f l und der Augsburger Silberhändler W i l h e l m Sauer für einen goldenen Kelch 1277 f l ; 336 f l und 423 f l wurden 1728 und 1730 noch für Meßgewänder zur ersten heiligen Messe Clemens Augusts i n K ö l n ausgegeben. 500 f l und 250 f l empfingen zwei kurkölnische Kammerdiener als „recompens" für die Nachricht über die W a h l Clemens Augusts i n Osnabrück 1728. Die Zahlung von 423 f l an den Seidensticker Franz Dechamp 1730 ist die letzte Summe, die i n dem Extract vorkommt. A m Schluß verzeichnet das kurfürstliche Hofzahlamt als „Summa vorstehender Ausgaben" 800 611 f l 32 K r . 4 H . Den Löwenanteil davon empfingen der bayrische Abgesandte Graf Seiboltsdorf nebst Gemahlin und der kurkölnische Minister Ferdinand von Plettenberg. Wenn man nur die größeren Posten zusammenzählt, dann empfing Seiboltsdorf 269 400 fl, Plettenberg 389 300 fl. Nähere Angaben darüber, i n welcher Weise diese großen Summen der beiden Wahlmanager verteilt wurden, wer Douceurs empfing,

Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern vor allem i n den Domkapiteln, wiewiel Seiboltsdorf und Plettenberg für sich behalten durften, fehlen. N u r bei der Gräfin von Seiboltsdorf w i r d ein Geschenk von 7000 f l genannt 1 2 . Ans dem Extract geht eindeutig hervor, daß Münster und Paderborn die höchsten Wahlkosten erforderten. Zählt man die Einzelposten zusammen, die deutlich auf die beiden westfälischen Bistümer verweisen, dann kommen w i r auf mindestens 542 965 f l Wahlkosten. Das entspricht etwa der Summe von 500 000 fl, die M a x Emanuel nach einer Mitteilung vom 21. Juli 1718 für Verpflichtungen bereits geopfert haben w i l l 1 3 . I n dem Extract über die 800 611 f l sind aber keineswegs alle Wahlkosten enthalten; die Zusammenstellung von 1761 gibt j a nur die Zahlungen an, die das kurfürstliche Hofzahlamt geleistet hat. I n dieser Summe sind nur als Verpflichtung aufgeführt 250 000 fl, die M a x Einanuel 1719 für Münster und Paderborn übernommen hatte. A m 2. Oktober 1719 hat er aber m i t Reskript aus Nymphenburg die Zahlung von zweimal 150 000 Rtlr. für Münster und Paderborn übernommen, das entspricht den 300 000 Rtlr. Wahlschulden, deren Übernahme Franz A r n o l d von Metternich gefordert hatte. I n anderen Quellen kommen außerdem Zahlungen vor, die offenbar i n der Gesamtsumme des Extracts nicht einbezogen sind. So streckte der Kölner Bankier Meinershagen auf Credit von Ruffin am 16. November 1719 Clemens August 3000 f l vor. Seiboltsdorf erhielt am 30. September 1719 für i n Münster aufgenommene Gelder 15 666 fl, 3000 Rtlr. gingen am 31. März 1719 an Baron von Brencken für die Notifikation der W a h l i n Paderborn. Der Schloßhauptmann von Münster Buson von Namedy erhielt am 1. September 1719 für Kleidung 100 Rtlr. und 75 Rtlr. für Reisezehrung; 11 Rtlr. 30 Stüber erhielten verschiedene Handwerker für die Instandsetzung der Kutsche, die Clemens August 1719 nach K ö l n und Münster brachte. So finden sich noch weitere kleinere Zahlungen, von denen nicht ersichtlich ist, ob sie i m Extract enthalten sind; sie würden aber die Summa Sumarum nicht allzu sehr verändern 1 4 . N u n heißt es, daß M a x Emanuel nach dem Tode des Prinzen P h i l i p p Moriz für die W a h l von Clemens August weitere Douceurs leisten mußte 1 5 . Vielleicht sind dies die 127 000 Rtlr., welche die Hoffinanziers Benedikt L e v i G o m p e r z aus Nymwegen und sein Schwager J a k o b G o m p e r z i n Kleve für die W a h l i n Münster Clemens August zur Verfügung stellten. I m Jahre 1746 hatte Levi Gomperz aus dieser Anleihe noch 7852 Rtlr. 14 Stüber zu fordern. Er wandte sich daher am 24. M a i von Kleve aus an den preußischen K ö n i g m i t der Bitte um Intervention bei K u r k ö l n ; für den verstorbenen Jakob Gomperz bat dessen W i t w e u m Fürsprache. D a schon mehrere Mitglieder der Familie Gomperz den Hohenzollern als H o f j u d e n gedient hatten, 2 Schnee, Hoffinanz VI

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wurde sofort zugunsten der beiden Gomperz beim kurkölnischen Oberhofmeister Grafen von Hohenzollern interveniert. L e v i Gomperz hatte seinem Gesuch eine Liste jener Domherrn beigefügt, denen er Douceurs gezahlt hatte. Es ist das einzige Dokument dieser A r t , das detaillierte Angaben enthält. M a n geht w o h l nicht fehl i n der A n nahme, daß Plettenberg die Anleihe vermittelt haben dürfte, hatte doch schon sein O n k e l Friedrich Christian als Bischof von Münster erfolgreich m i t Hoffaktoren gearbeitet 1 6 . Nach der dem K ö n i g von Preußen eingereichten Liste haben die beiden Gomperz folgende Douceurs gezahlt: Dem Freyh. von Gahlen Thumb Scholaster dem Freyh. Wollef et Guttenberg dem Freyh. Plettenberg ex Marhülsen dem Freyh. von Veelen Senior dem Freyh. von Yeelen Junior dem Freyh. von Heuvel H. Graff von Seybelsdorf Excel, vor sich und vor den Kayserl. Gesandten mit dem Secret dem Freyh. Drost in Ermitten dem Freyh. Yittinghoff von Scheel dem Freyh. von Wachtendung dem Freyh. Drost von Senden Junior dem Freyh. Drost ex Fisch wingen Assessor dem Freyh. von Sparr dem H. Grfl. Rath Freyh. von Twickel dem Freyh. von Twickel Junior dem Freyh. Narel von Ittingen dem Freyh. von Freyns

2 000.—5 000,— 5 000,— 5 000,— 5 000,— 5 000,— 4250 ^ ^ QQQ __ 5730' * 10 000,— 10 000,— 10 000,— 10 000,— 10 000,— 5 000,— 5 000— 5 000,— 10 000,— 5 000,— Rtlr. 127 000,—

D i e Namen sind zum T e i l verstümmelt wiedergegeben, w i r kennen aber die Mitglieder der Domkapitel von Münster u n d Paderborn, die 1719 wahlberechtigt waren. Ferdinand von Gahlen war Dechant in Münster; W i l h e l m von Wolf-Metternich gehörte den beiden Domkapiteln als Propst bzw. Dechant an, Friedrich von Plettenberg-Marhülsen war Domherr i n Münster, Johann Moritz von PlettenbergMarhülsen i n Paderborn. M i t den beiden Yeelen dürften w o h l Anton und Hermann van Yeelen, Domkapitulare von Münster, gemeint sein. Ferdinand u n d Benedikt von Droste-Erwitte, Moritz von DrosteSenden gehörten dem Paderborner D o m k a p i t e l an, m i t Droste Fischwingen könnte einer der drei Domherren Heinrich, A d o l p h und Jodokus von Droste-Vischering gemeint sein; A d o l p h von Droste-Vischering war zugleich Domherr von Paderborn. K a r l von Wachtendonk war Domherr zu Münster, desgleichen Johann von Sparr. Von der Familie Twickel gehörten Jodokus u n d Johann von Twickel-Havix-

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beck dem Domkapitel Münster an. M i t Narel von Ittingen i n der Liste ist sicher Georg von Nagel-Ittlingen gemeint, m i t Freyns Jodokus von Frentz, die dem Domkapitel Münster angehörten wie Friedrich von Yittinghof-Schell und Heinrich von H ö v e l 1 7 . Gomperz* Liste zeigt, daß auch bedacht wurden der bayrische Gesandte Graf Seiboltsdorf m i t 4250 Rtlr. und der kaiserliche Gesandte Graf von Metsch m i t 5750 Rtlr. Diese Summen kommen i n dem E x tract nicht vor; sie müssen wie alle Douceurs, die Gomperz auszahlte, zur Gesamtsumme des Extracts noch hinzugezählt werden; das wären abgerundet etwa 169 000 f l 1 8 . M i t silbernen Kugeln mußte auch der Bischofssitz i n Hildesheim gewonnen werden. Hier sind w i r von der Gegenseite Hannover besser unterrichtet als vom Hause Wittelsbach. Prinz Eugen, ein Gegner der Kumulation von Fürstentümern, war zunächst nicht geneigt, dem Hause Wittelsbach auch noch das Bistum Hildesheim zu verschaffen. Darüber berichtet das Protokoll über die Staatskonferenz vom 7. Dezember 1723, an der teilnahmen: Prinz Eugen, Fürst von Trautson, die Grafen Sinzendorf, Starhemberg u n d Schönborn. Man war der Auffassung, daß eine W a h l ex gremio auch für Hildesheim ersprießlich wäre, jedoch nicht m i t Rücksicht auf die Nachbarmächte, die protestantisch seien; wegen der Ubergriffe dieser Nachbarn i n Religionssachen müsse man aber dieses Bistum dem Hause Wittelsbach zugestehen. Prinz Eugens Auffassung ging dahin, „daß die gar große pluralitas Benificiorum i n dem Hauß Bayern einestheils der Kaiserlichen Mayt. und dem Publico, auch den benachbarten Häusern bedenklich fallen müsse. Andern Theils aber, und i n Bedacht der bey fortwehrenden Umbständen schier i m ganzen Reich, fürnemlich aber in den unteren Reichs Creißen nothleydenden Religion zu seiner Zeit w o h l dienlich, folgsamb dem geist- und weltlichen Weßen anständig, und schier nöthig scheinen wolle, und gleich w i r Vieles, so gegen das Haus Bayern streitet, i n dießer Beschaffenheit konnte gemeldet werden, so wäre auch viel Gutes eben für dießes Kurhaus bey zubringen". So fiel das Votum für das Haus Wittelsbach; Graf Johann A d o l p h v. Metsch wurde auch für die W a h l i n Hildesheim zum kaiserlichen Kommissar ernannt, er war zugleich Gesandter im Niedersächsischen Kreise. Die Konferenz faßte auch den Beschluß, daß kaiserliche Wahlkommissare sich durch Geschenke nicht beeinflussen lassen sollen. Schon am 28. Dezember 1723 erhielt der Graf sein Kred i t i v als Wahlkomimiissar, am 11. Februar 1724 zeigte Clemens Aiugust voller Freude seine einstimmige W a h l dem Kaiser an u n d bat um die kaiserliche Bestätigung. Von Neuhaus wandte sich der neue Bischof von Hildesheim am 23. Juli 1724 erneut an den Kaiser m i t der Bitte um Unterstützung i n Rom für die Bestätigung u n d Beibehaltung 2*

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der bisherigen Stifter. Schon am 18. August konnte Clemens August aus Arnsberg dem Kaiser für die Bestätigung durch Rom danken 1 9 . Kandidat von Kur-Hannover und der protestantischen Mächte war der Hildesheimer Domkapitular von Bocholtz, der Anhänger i m Domkapitel hatte und zu den Weifen neigte. Der Hannoversche Vertreter in Hildesheim Christoph von Wrisberg schrieb am 19. Juni 1722 an den Kammerpräsidenten i n Hannover betr. die i n Aussicht genommene W a h l Clemens Augusts zunächst zum Coadjutor für Hildesheim. I n dem F ü r und Wider der Meinungen bezüglich eines einheimischen oder eines auswärtigen Kandidaten und geldlicher Fragen für einen Kandidaten ex gremio heifit es: „ . . . und wenn einer gewifien persohn allhier könte Credit verscbaft werden, welches wol auf 80 biß 100.000 Tl. dürffte hinauslauffen, alfi denn zweifle nicht, daß die parthey sich bemühen würde, die Sache dahin zu bringen, daß kein fremder die Coadjuterey erhalten solte; ich habe dieser wegen m i t jemand ex Capitulo i n geheim weitläuffig gesprochen, so vermeynt, solches i n die Wege zurichten, und w a n n denn jetzo oder k ü n f t i g solte fest gesetzt werden, ex gremio die W a h l zu thun, so könte die person, wohin ich meine Gedanken gerichtet, (welches der älteste domherr von Buchholtz ist,) wenn hoffnung zum Vorschuß der obbemelten Gelder zu gelangen stünde, vermuthlich durchbringen, und per majore dazu gelangen können; es könten vorher Tractata, ehe die Zahlung geschehe, gemacht und nicht allein des Vorschuß halber so w o l als Verzinsung etc. gemacht werden." Hannover hatte kein Geld. K ö n i g Georg schrieb daher am 10. Juli 1722 aus Kensington an die Geheimen Räte i n Hannover: „ I h r werdet Unserem Hofund Kammeragenten M i c h a e l D a v i d zureden, ob er zu solchem Vorschuß sich verstehen wolle, welches Uns lieb sein w i r d . " Der Hoffaktor war sofort bereit, den notwendigen Vorschuß zu leisten, jedoch nur unter Garantie des Königs, der wiederum Sicherheiten von Johann Friedrich von Bocholtz und seinen beiden Brüdern forderte. Die Bocholtz mußten für sich und ihre Erben bei adeligem Ehrenwort die Verpflichtung eingehen, i m Falle der W a h l Joh. Friedrichs zum Bischof die Summe zu bezahlen und m i t 5 °/o zu verzinsen. Geschah dies nicht, dann durfte sich der Kurfürst an den Gütern der Bocholtz schadlos halten. A m 2. Dezember 1723 quittierte Domkap itular v. Bocholtz, daß er von Michael D a v i d 150 000 Rtlr. i n 30 Wechseln erhalten habe. Nach einem Bericht Plettenbergs hätte Hannover sogar 300 000 f l = 200 000 Rtlr. zur Disposition gehabt. Clemens August siegte jedoch nach zeitgenössischen Quellen m i t der doppelten Summe i n „Zetteln", also m i t Wechseln oder Obligationen. Danach hätte die W a h l Clemens Augusts zum Fürstbischof von Hildesheim 300 000 Rtlr. oder 450 000 f l gekostet, eine Summe, die keinesfalls i n dem Extract

Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern enthalten sein kann. Nirgends ist vermerkt, wer diese Summe dem Hause Wittelsbach zur Verfügung gestellt hat. Vielleicht ist es Herschel Isaak O p p e n h e i m e r gewesen, der als Hildesheimer Kammeragent später Hofbankier Clemens Augusts geworden ist 2 0 . I n Hildesheim hatte Plettenbergs Vetter Friedrich Christian erfolgreich für Clemens August geworben, i n Osnabrück leitete Plettenberg selbst die A k t i o n 2 1 . Das Domkapitel lobte i n einem Schreiben an Clemens August seine Geschicklichkeit, seine Sorge und seinen Fleiß. A m 16. Januar 1729 erhielt Plettenberg die Vollmacht, die Privilegien in Osnabrück zu bestätigen. Dankschreiben richtete Clemens August an die Wähler, an die Ritterschaft des Landes, an Bürgermeister und Rat der Stadt Osnabrück. Über die Wahlkosten für Osnabrück fehlen dokumentarische Unterlagen 2 2 . Fassen w i r zusammen, was w i r an Zahlungen über das Wahlwesen Clemens Augusts zum Seigneur de C i n q Eglises feststellen konnten. Zu der Summe des Extracts des bayrischen Hofzahlamts müssen hinzugerechnet werden die Anleihe der beiden Gomperz i n Höhe von 127 000 Rtlr. oder rund 190 000 f l und die Gelder für Hildesheim m i t mindestens 150 000 Rtlr. oder 225 000 f l oder als M a x i m u m 300 000 Rtlr. oder 450 000 fl. Die Gesamtsumme belief sich dann auf 800611 f l + 190 000 f l + 225 000 f l = 1215 611 fl. Rechnet man für Hildesheim die doppelte Summe, kommen w i r auf 1 440 611 fl. Das erscheint auf den ersten Blick sehr hoch; zum Vergleich sei hingewiesen auf die Coadjutorwahl des jüngsten Sohnes der Kaiserin Maria Theresia, des Erzherzogs M a x Franz, 1780 für K ö l n u n d Münster. F ü r die beiden Fürstentümer hat Habsburg auch fast eine M i l l i o n Gulden geopfert, die Wittelsbacher etwa IV4 oder IV2 Million, aber doch für fünf Fürstentümer. Die vorliegenden archivalischen Quellen verraten nicht, wer die Gelder für das bayrische Hofzahlamt aufgebracht hat. A n der Beschaffung dürfte der Mergentheimer Hoffaktor Noe Samuel I s a a k beteiligt gewesen sein, der i n jenen Jahren zum großen bayrischen Hoffaktor aufstieg, als er noch während des Wahlgeschäfts die Hochzeit von Clemens Augusts Bruder K a r l Albrecht m i t der Kaisertochter finanzieren mußte 2 3 . Das Wahlwesen für Clemens August und die Hochzeit K a r l Albrechts haben Kurbayern eine Schuldenlast von M i l lionen aufgebürdet, dafür aber regierte der fünfte Wittelsbacher i n Westfalen, Niedersachsen und am Unterrhein von 1719 bis 1761, und die Einkünfte seiner fünf Fürstentümer gaben ihm die Möglichkeit, als großer Mäzen seiner Lande i n die Geschichte einzugehen. Eine Ausgabenwirtschaft kann sich noch nach Jahrhunderten als produkt i v erweisen; dafür ist gerade das Haus Wittelsbach ein eindrucksvolles Beispiel 2 4 .

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Finanzierung der W a h l des Prinzen Clemens August von Bayern A l s 1763 F r i e d r i c h W i l h e l m v o n W e s t p h a l e n z u m Bischof v o n H i l -

d e s h e i m g e w ä h l t w u r d e , b r a u c h t e er z w a r n i c h t so h o h e S u m m e n f ü r D o u c e u r s a u f z u b r i n g e n w i e sein V o r g ä n g e r C l e m e n s A u g u s t ; i m m e r h i n m u ß t e e r d i e S t i m m e n m e h r h e i t des D o m k a p i t e l s m i t r u n d 67 700 R t l r . e r k a u f e n u n d d e n 19 „ C a p i t u l a r e s " s a m t V e r w a n d t e n recht eint r ä g l i c h e P f r ü n d e verschaffen. D i e S u m m e n b e w e g t e n sich nach eigenh ä n d i g e n A u f z e i c h n u n g e n des Bischofs zwischen 1200 bis 10 000 R t l r . 5000 R t l r . e r h i e l t L e o p o l d v o n Weichs, 7500 R t l r . G r a f v o n M e r f e l d t , 10 000 R t l r . e m p f i n g e n H e r r v o n Böselager u n d sein V e t t e r , 6300 R t l r . zwei Brüder

v o n W r e d e . C l e m e n s A u g u s t s N a c h f o l g e r án M ü n s t e r ,

M a x i m i l i a n F r i e d r i c h v o n K ö n i g s e g g , b e n ö t i g t e 100 000 R t l r . , u m das D o m k a p i t e l f ü r seine W a h l z u g e w i n n e n 2 5 .

Quellen und Literatur 1 Allgemein zum Thema: H. E. F e i n e , Kirchliche Rechtsgeschichte. I. Bd. Die kath. Kirche, 1950, S. 482 ff., 499 ff. — D e r s e l b e , Die Besetzung der Reichsbistümer vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisation. Neudruck Amsterdam 1964 der Ausgabe 1921, S. 297 ff., 408 ff. — R. R e i n h a r d t , Zur Reichskirchenpolitik der Pfalz-Neuenburger Dynastie. HJB. 1964, S. 118 bis 128. — G. v o n L o j e w s k i , Bayerns Weg nach Köln. Geschichte der bayrischen Bistumspolitik in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Bd. 21 der Bonner Hist. Forschungen, Bonn 1962. — E. R e n a r d , Clemens August, Kurfürst von Köln, Bd. 33 der Monographien zur Weltgeschichte, 1927. — K. S o m m e r , Die Wahl des Herzogs Clemens August von Bayern zum Bischof von Münster und Paderborn 1719, zum Coadjutor mit dem Rechte der Nachfolge im Erzstift Köln 1722, zum Bischof von Hildesheim 1724 und Osnabrück 1728. Diss. Münster 1908. — K. Th. v o n H e i g e l , Die Wahl des Prinzen Philipp Moritz von Bayern zum Bischof von Paderborn und Münster 1715—1719. Sitzungsberichte der Bayr. Akademie der Wissenschaften zu München. Polit. hist. Klasse. Bd. 5, Heft 3, 1899. Sowohl Sommer als auch Heigel haben die archivalischen Quellen nur unvollständig herangezogen, auch nicht die Münchener Akten des Haupt-Staatsarchivs, Abteilung I. vor allem sind die geistlichen Wahlakten des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs nicht ausgewertet worden, die gerade zu den Bestrebungen der Wittelsbacher zahlreiche Details über die Kumulation unter Clemens August bringen. Eine wichtige Quelle entdeckte der Verfasser im Geh.St.A. BerlinDahlem bei seinen Forschungen über das Hoffaktorentum, die er nach dem zweiten Weltkriege heranziehen konnte. Heute ist diese Quelle im D Z A Merseburg. — H. S c h n e e , Die Hoffinanz und der moderne Staat, Bd. I I I , I V , V, 1955—1965. — C. H i n r i c h s , Preußen als hist. Problem. Ges. Abhandlungen, hrsg. von G. Oesterreich, S. 205—226, Staat und Gesellschaft im Barockzeitalter, wichtig zur Beurteilung der Fürstenhöfe und ihrer Kultur. 2 H e i g e 1, S. 387. Zu Seiboltsdorf vgl. K n e s c h k e , Deutsches AdelsLexikon, Bd. 8. 1868. S. 433—435. 3 S o m m e r , S. 16. Steinbergs Äußerung ist vom 1. August 1721. 4 H e i g e 1 bringt keine näheren Angaben über die Finanzierung; S o m m e r , S. 13, nennt 660 000 fl und beruft sich auf Geh.St.A- M ü n c h e n , Ksch 46/55, wo diese Angabe nicht zu finden ist; die Zahl 660 000 fl

Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern hat dann u.a. ohne Quellenangabe R o t h e r t , Westfälische Geschichte, Bd. I I I , S. 69, übernommen. 5 Bayrisches H.St.A. M ü n c h e n , Fürstensachen Nr. 744. 6 Geh.St.A. M ü n c h e n . Ksch 1098. Der Extract stammt aus dem Jahre 1761, 6. April; er dürfte im Zusammenhang stehen mit dem Prozeß der bayrischen Erben Clemens Augusts gegen dessen Testament vom 6. Febr. 1761. Einzelheiten in Fürstensachen Nr. 744. 7 Der Übersicht wegen werden nur runde Summen angegeben, Kreuzer und Heller nur in besonderen Fällen. 8 Über Plettenberg und die Kölner Domherren vgl. M. B r a u b a c h , Westfälische Lebensbilder, Bd. I X , 1962, S.34—51, und Kurköln, S. 201—215. Ferner: Kölner Domherren im 18. Jh. Festschrift für W. Neuß, Zur Geschichte und Kunst im Erzbistum Köln, 1960, S. 233—258. 9 Die 250 000 fl des Kurfürsten sind in der Schlußsumme nicht enthalten; sie stellen hier nur eine Verpflichtung dar. 10 Abgedruckt bei H e i g e l , S.385. — H.H. u. S t A W i e n . Geistliche Wahlakten Münster Nr. 26 und Nr. 27 enthalten zahlreiche und interessante Einzelheiten über die Verhandlungen, bringen jedoch kein Material über die Finanzierung der Wahlen von Franz Arnold von Metternich und Clemens August; dasselbe gilt für die Geistlichen Wahlakten P a d e r b o r n Nr.29, die aber für die Geschichte des Stiftes Paderborn und seine Führungsschichten sehr wichtig sind; sie sind weder gestempelt noch paginiert, also wohl auch nicht benutzt worden. Zur Familie Garb von Gilbelli vgl. K n e s c h k e , Bd. 3, S. 441. 11 Bei dieser großen Zahlung an den Wahlmanager Plettenberg fehlt leider jede nähere Angabe. 13 I m Gegensatz hierzu steht die musterhafte Buchführung des Grafen Metternich über die Coadjutorie-Wahl von 1780 in Köln und Münster; vgl. unseren Aufsatz darüber in diesem Bande. 1S H e i g e l , S.380. 14 H.St.A. M ü n c h e n . Fürstensachen 725. Die Akte enthält interessante Angaben über die gezahlten Löhne an das Personal, das Clemens August auf der Reise nach Münster begleitete. Zur Familie Ruffin vgl. K n e s c h k e , Bd. 7, S. 621, und G e n e o l o e r i s c h e s H a n d b u c h d e r F r e i h e r r l i c h e n H ä u s e r , Bd. I I , 1957, S. 406 ff. Ferner O b e r b a y r i s c h e s A r c h i v 58, 1914, S. 132 f.. und Gg. F e r c h 1, Bayrische Behörden und Beamte 1550—1804, Bd. 3, 1925, S. 213 f. Es dürfte sich um den Hofkammerrat Johann Baptist R. handeln, der. 1672 in Meran geboren, 1696 das kleine Bürgerrecht in München erwarb. 1706 kaiserlicher Rat und Handelmann wurde „wegen gemachter namhafter anticipationen und geleistete Dienste", 1715 kurfürstlicher Hofkammerrat und 1718 .,wegen geleisteter Aushilfe" geadelt wurde. Schon 1719 erscheint in den Akten die abgekürzte Namensform Ruffin. f 1749 in München. 15 H e i g e l , S.386. 16 S c h n e e , Hoffinanz I I I . S. 56 ff.. 59 ff. Familie GomDerz. Bd. I, S. 78—96. 1T S o m m e r . S. 15, — H.H. u. St.A, W i e n . Geistliche Wahlakten, Münster, Nr. 26. 27. Paderborn Nr. 27. — S c h n e e , Hoffinanz, V, S. 130. — Geh.St^A. B e r l i n , Rep. X I . Nr. 59. Kurköln, Convolut. 17; jetzt im Deutschen Zentralarchiv M e r s e b u r g . 18 H.H. u. St.A. W i e n . Geistliche Wahlakten. Paderborn Nr. 29. Bei der Wahl des Nachfolgers für Clemens August beanspruchte der kaiserliche Gesandte und Kommissar, Baron von Reischach, das „übliche Präsent" von 1000 Dukaten für sich und 500 Dukaten für seinen Legationssekretär; er erhielt jedoch nur 500 und 200 Dukaten. M a x Emanuel hatte freiwillig dem kaiserlichen Gesandten und Wahlkommissar 2000 Dukaten „verehrt", das sind 10 000 fl, die im Extract auch nicht verzeichnet sind. 19 H.H. und St.A. W i e n . Geistliche Wahlakten. Hildesheim Nr. 15 a. Die Akte umfaßt auch St. Gallen, Halberstadt und Herford. Hildesheim behandelt die Zeit von 1688—1725.

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Finanzierung der Wahl des Prinzen Clemens August von Bayern

20 S c h n e e , Hoffinanz I I , S.71, I I I , S . 4 6 - 5 1 . V, S. 131. — St.A. H a n n o v e r 9. Hildesheim Nr. 13; diese wichtige Akte ist durch Kriegseinwirkung verloren gegangen. Darin die Mitteilung der Geh. Räte zu Hannover an die Preußischen Geh. Räte vom 26. Dezember 1723. Der Verfasser konnte diese Quelle noch vor dem zweiten Weltkriege für Bd. I I seines Werkes benutzen. Unter den kurhannoverschen Akten betr. außenpolitische Angelegenheiten Cal. Br. 24 Münster Nr. 58 das Schreiben Wrisbergs vom 19. Juni 1722. Die Akte Hildesheim Br. 2 C I I I 3 Nr. 1 enthält eingehende Verhandlungen über die Dauer der Vergebung bischöflicher Tafelgut-Einkünfte an das Domkapitel als Sedisvakanz-Douceurs für die Regierungsarbeit des Domkapitels. Beide Hinweise verdanke ich Herrn Prof. Dr. O h n s o r g e vom St.A. Hannover, dem ich hiermit meinen ergebensten Dank abstatte. Von der Wahl in Hildesheim handelt auch H.St.A. M ü n c h e n , Fürstensachen 727a; darin die Meldung Plettenbergs, daß Hannover 300 000 fl zu seiner Disposition habe. 21 M. B r a u b a c h , Ferdinand von Plettenberg. Westf. Lebensbilder, Bd. I X , 1962, S. 37. — St.A. O s n a b r ü c k . Rep. 100 Abschnitt 12 a Nr. 63 zu den Jahren 1728/29. 22 E n n e n , Frankreich und das linke Rheinufer, I I , S. 166, schreibt, die Wahl in Osnabrück sei gegen die mühevollsten, durch schwere Geldmittel unterstützten Anstrengunsren der holländischen Republik zustande gekommen, dafür finden sich keine Unterlagen in den Akten. 23 S c h n e e , Hoffinanz, Bd. V, S. 188 ff. 24 verweisen auf das Werk von R e n a r d und den Ausstellungskatalog zum Clemens-August-Jubiläum 1961. F e i n e führt in seinem Werk über die Besetzung der Reichsbistümer zahlreiche Beispiele über die Finanzierung der Wahlen an, so daß sich eine systematische Darstellung dieses Themas lohnen würde. Vgl. auch die Studie von J. v a n K l a v e r e n , Fiskalismus, Merkantilismus, Korruption. D r e i Aspekte der Finanz- und Wirtschaftspolitik während des Ancien Regime. V S W G 1960, S. 333-353. 25 St.A. H a n n o v e r . Hildesheim Br. Arch. Des. 1, 10, 1. Nr. 16. C. L. G r o t e f e n d , Die Bestechung des Hildesheimischen Domkapitels bei der W a h l des Bischofs Friedrich Wilhelm von Westfalen im Jahre 1763 Ztschr. des hist. Vereins f. Niedersachsen 1873. Hannover 1874. S. 194—197. F e i n e , S. 89 f. Schon die Kaiserwahl Karls V. hatte 802 189 fl gekostet, und Jakob Fugger vollbrachte damals ein Meisterstück finanzieller Leistungskraft.

Kurfürst Clemens August von Köln als Hochund Deutschmeister des Deutschen Ordens und seine Mergentheimer Hoffaktoren Kurfürst Clemens August von K ö l n w i r d als Inhaber von fünf geistlichen Fürstentümern gern als „Seigneur de C i n q Églises" bezeichnet; man übersieht dabei, daß er als Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens auch geistlicher Reichsfürst von hohem Rang gewesen ist und ihn daher auch als „Seigneur de Six Églises" bezeichnen könnte. Uber die Geschichte des Deutschen Ritterordens bis zum Jahre 1525, als der Hochmeister Albrecht von Brandenburg sich der Lehre Luthers anschloß u n d das Ordensland säkularisierte, d. h. i n ein weltliches Herzogtum umwandelte, gibt es eine umfangreiche Literatur. Nachdem uns nach dem zweiten Weltkrieg das Land Preußen verlorengegangen ist, beschäftigt sich erneut die deutsche Forschung intensiv mit der Geschichte -des Ordenslandes Preußen. Der letzte Hochmeister hat kürzlich eine neue Darstellung aus der Feder des Bonner Historikers Walter Hubatsch gefunden. I m Gegensatz hierzu ist die Geschichte des dem alten Glauben treugebliebenen Zweiges des Ordens, der von 1525 bis 1809, also fast dreihundert Jahre fortbestand, von der Forschung stark vernachlässigt worden. Grundlegend für dessen Geschichte ist immer noch das Werk von J. Voigt; der Verfasser hat archivalische Quellen benutzt, die heute nicht zugänglich sind, ebenso ältere Schriften herangezogen, die k a u m aufzutreiben sind nach den schweren Verlusten, die unsere Bibliotheken durch Kriegseinwirkungen erlitten haben. Die Vernachlässigung der Erforschung des Deutschen Ordens nach der Säkularisierung des Ordenslandes hängt zusammen m i t der immer noch meist negativen Beurteilung des letzten Jahrhunderts des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die i n der Geschichtsschreibung noch vorherrscht; sie hat auch zu einer Geringschätzung der geistlichen Fürstentümer geführt, erst i n neuerer Zeit ist deren Geschichte größere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Wenn aber die innere Entwicklung der geistlichen Fürstentümer, ihre Wirtschafts- und Sozialgeschichte erfaßt und dargestellt sein w i r d , dürfte das U r t e i l auch über das Reich nach dem Westfälischen Frieden bis 1806 günstiger ausfallen. A n sätze hierzu sind bereits vorhanden. Eine vollständige und übersichtliche Geschichte des Deutschen Ordenis von 1525 bis 1809 w i r d

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Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister

man aber erst schreiben können, wenn die einzelnen Balleien nach Aufbau, Verwaltung, Wirtschaft u n d Finanzen dargestellt werden, Auch hier ist der Anfang bereits gemacht worden. A u f Grund des reichhaltigen Quellenmaterials in dem Haupt-Staatsarchiv Stuttgart, dem Deutsch-Ordens-Zentralarchiv i n W i e n und dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv läßt sich jedoch auch ohne Detailforschungen ein guter Überblick über das Schicksal des Deutschen Ordens von 1525 bis 1809 gewinnen. Auch die Darstellung über die Regententätigkeit einzelner Deutschmeister liefert Bausteine zu einer Gesamtgeschichte des Ordens 1 . Zum Verständnis der Verfassung und Organisation des Deutschen Ordens außerhalb des Ordenslandes Preußen muß man sich vergegenwärtigen, daß er unter dem Deutschmeister zwölf Balleien oder Provinzen m i t zahlreichen Komtureien umfaßte, von denen die Bailei Franken als größte eine Sonderstellung einnahm, zumal nach 1525 Mergentheim der Sitz des Hoch- u n d Deutschmeisters wurde. I h m unterstanden die acht Balleien Franken, Hessen, Lothringen, Thüringen, Sachsen, Westfalen, Alten-Biesen und Utrecht, sowie die Rammerballeien Österreich, Bozen, Koblenz und Burgund m i t zahlreichen Kammerhäusern. Bis 1525 hatte der Deutschmeister u n d Meister i n welschen Landen seinen Sitz auf Burg Horneck bei Gundeisheim am Neckar. Nach der Säkularisierung des Ordenslandes beanspruchte der Deutschmeister auch das Hochmeistertum, und der Deutschmeister Walther von Cronberg setzte Ende 1527 auch die kaiserliche Anerkennung als „Administrator des Hochmeistertums i n Preußen" durch. Seitdem führte das H a u p t des Ordens i n den Urkunden den T i t e l „Administrator des Hochmeistertums i n Preußen u n d Meister i n deutschen und welschen Landen", und jeder Deutschmeister hat immer Wert darauf gelegt, daß ihm vom Kaiser dieser T i t e l m i t den damit verbundenen Rechten bestätigt wurde. Als Vertreter des Hoch- und Deutschmeisters (amtierte i n Mergentheim der Statthalter; die Landkomture verwalteten die Balleien, die Komture die einzelnen Burgen. Die W a h l eines Coadjutors oder neuen Deutschmeisters erfolgte durch das Großkapitel, das sich aus den Großgebietigern und den Landkomturen zusammensetzte; es bildete gewissermaßen das Parlament des Ordens. Bis auf die Inkorporation der großen Bailei Franken unmittelbar i n den Orden unter dem Hoch- und Deutschmeister M a x Franz von K u r k ö l n ist diese Verfassung des Ordens bis z>u seiner Auflösung i n K r a f t geblieben 2 . Clemens August, obwohl Inhaber von fünf Fürstentümern, hiat bewußt die Würde des Hoch- und Deutschmeisters für sich und sein Haus, die bayrischen Wittelsbacher, erstrebt, wie die Quellen zeigen. Freiherr Ferdinand von Plettenberg, der sich m i t Erfolg für die W a h l

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister des bayrischen Prinzen zum Seigneur de cinq Églises eingesetzt hatte, schloß am 26. August 1731 i n Bonn m i t dem Grafen Friedrich von Harrach einen Vertrag über ein geheimes Bündnis zwischen Kaiser K a r l V I . und Clemens August zwecks gemeinsamen Vorgehens i n allen das Deutsche Reich betreffenden Fragen; neben einer Zahlung von 200 000 f l durch den Kaiser an den Kurfürsten enthielt das Abkommen einen Sekretartikel betreffend die Unterstützung des K u r fürsten durch den Kaiser bei Erwerbung des Bistums Lüttich und einen besonderen A r t i k e l über die Zusicherung der Hoch- und Deutschmeisterwürde i m Falle der Unausführbarkeit des vorangehenden A r tikels über Lüttich. Die Versuche, für Clemens August auch noch das Fürstbistum Lüttich zu erwerben, hatten keinen Erfolg. Als m i t dem Ableben des Hoch- und Deutschmeisters Franz L u d w i g aus dem Hause Pfalz-Neuburg gerechnet werden mußte, hiat sich Clemens August zielstrebig und energisch für seine W a h l zum Nachfolger eingesetzt 3 . A m 18. A p r i l 1732 war der Hoch- und Deutschmeister Franz Ludwig, zugleich Kurfürst von Mainz und Fürsthischof von Breslau, auf seinem schlesischen Bischofssitz i m 68. Lebensjahr gestorben. Von Zons aus bekundete schon am 26. A p r i l Clemens August seinen Willen, Hoch- u n d Deutschmeister zu werden; die Ordensbrüder hätten ihre Gedanken auf i h n gerichtet, schreibt er dem Kaiser, und i n den Reskripten an die verschiedenen Landkomture teilt er ihnen mit, daß auch der verstorbene Kurfürst von Mainz zu erkennen gegeben habe, daß er Clemens August als seinen Nachfolger i n Mergentheim sehen möchte: „ A l s sie bei Ihren Lebzeiten zu erkennen gegeben, daß Ihrem Deutschen Orden w o h l vorgesehen erachteten, wan ich einsmahl, da Gott über Sie verhängen möchte, zu Ihrem Nachfolger i m Großmeistertum erwählet würde." Gleichlautende Schreiben gingen an alle Landkomture ab. Das Generalkapitel, von den Landkomturen Elsaß und Franken einberufen, trat am 1. Juli i n Mergentheim zusammen; gemäß den Statuten wurden die Exequien für Franz L u d w i g vom 3. bis 7. Juli abgehalten. Clemens August wurde zunächst Dispensation erteilt für seinen Stammbaum wegen der darin vorkommenden ausländischen Nationen, dann am 16. Juli m i t dem Ordenskreuz geschmückt und am folgenden Tag, am 17. Juli, einstimmig zum neuen Hoch- und Deutschmeister erwählt und i n der Pfarrkirche feierlich investiert und inthronisiert. Das Protokoll darüber trägt die Unterschrift von achtzehn Landkomturen und Ratsgebietigern, für die wichtigste Bailei Franken unterzeichnete als Ratsgebietiger Konrad Christoph Freiherr von Lehrbach, Komtur zu Kapfenburg. Noch am Wahltage teilte Clemens August m i t Schreiben aus Mergentheim die W a h l seinem Bruder K a r l Albrecht i n München m i t und bemerkte voll Stolz, daß „Unserem Haus diese Würde zum erstenmal zugute"

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Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister

komme. Voller Freude unterschrieb er den Brief m i t Clemens August, Kurfürst, Hoch- und Deutschmeister; das erstemal, daß er m i t Hochund Deutschmeister unterschrieb. I n allen späteren Urkunden unterzeichnete der Hoch- und Deutschmeister zwar nur m i t Kurfürst als seiner höchsten Würde, legte aber auf sein A m t als Hochmeister unter allen geistlichen Ä m t e r n vorzüglichen Wert, denn i n dieser Eigenschaft rangierte er noch vor den Fürstbischöfen und Reichsäbten, welche Rangordnung auch i m T i t e l zum Ausdruck kam. Nach der W a h l erhielten die Komture der einzelnen Balleien warme Dankschreiben ihres neuen Hoch- und Deutschmeisters; sein besonderer D a n k galt dem Komtur der Bailei Österreich, dem Grafen v. Starhemberg, und dem Ratsgebietiger von Österreich, dem Grafen von Harrach. Es ist bemerkenswert, daß ein großer Teil der Korrespondenz des Hochmeisters m i t dieser Bailei erfolgte. Zugleich erfahren w i r , welchen Bestand an Rittern die Balleien damals hatten. Beim Amtsantritt von Clemens August zählten die Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei

Elsaß und Burgund Österreich Koblenz Etsch und im Gebirg Franken Hessen Biesen Westfalen Lothringen Sachsen

..

= = = = = = = = = =

11 6 6 4 21 5 9 4 2 6

Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter

Nicht aufgeführt sind i n dem Verzeichnis die Balleien Utrecht und Thüringen. Franken ist die Bailei m i t der größten Zahl an Rittern und bleibt es bis zur Inkorporation, ihr Landkomtur ist Garl Heinrich Freiherr von Hornstein. Biesen oder Altenbiesen, wozu die niederrheinischen Gebiete gehören, ist noch gut besetzt; D a m i a n Hugo von Schönborn ihr Landkomtur. Zum Vergleich nennen w i r einige Zahlen aus der Blütezeit des Deutschen Ordens: 1379 gab es i n den deutschen Balleien ohne die Kammerballeien und ohne Böhmen 701 Ritter und Priesterbrüder, Anfang des 15. Jahrhunderts zählte Franken 198, Thüringen 98, Elsaß und Burgund 79, Hessen 77, Koblenz 53, Utrecht 47, Österreich 43, Lothringen 27, Sachsen 27, Westfalen 26 Ritter u n d Priesterbrüder. D i e Zahlen entsprachen der Besitzverteilumg 4 . A m 21. Juli schloß Clemens August das seit dem 1. Juli tagende Generalkapitel durch seine Unterzeichnung der Protokolle, die insgesamt achtzehn Unterschriften zeigen; anwesend waren außerdem zwölf Komture bzw. Ordenschargen. I n der Wahlkapitulation, die 16 Punkte umfaßte, verpflichtete sich der Hochmeister, neben dem Meisterkreuz

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister keinen anderen Orden zu tragen. Nach zwei Jahren sollte ein neues Generalkapitel einberufen werden, um die angelaufenen Angelegenheiten zu bearbeiten. Die schlesischen Statthalter, Komtur- und Hauskomturstellen wurden ihren Mitgliedern vorbehalten, und auch die Mergentheimer Regierung, ausgenommen das A m t des Statthalters, sollte m i t Mitgliedern der Bailei Franken besetzt werden 5 . Von Clemens August besitzen w i r eine ausführliche Instruktion für einen Hauskomtur. I n Bonn erließ der Hochmeister am 27. A p r i l 1735 eine 24 Seiten m i t 21 Punkten umfassende Dienstanweisung für C a r l Friedrich Freiherrn von Eyb, Deutschordentritter und Hauskomtur von Mergentheim, die für Geist und H a l t u n g der Ordensritter i m Zeitalter der A u f k l ä r u n g kennzeichnend ist. Dem Hauskomtur w i r d der tägliche Besuch der Messe, besonders der Conventsmesse, u m 7 U h r zur Pflicht gemacht; er solle ein gottesfürchtiges Leben führen, Verkehr und Conversation m i t Weibspersonen meiden, keine Spiele und Schulden machen und auch nur skandalösen Verdacht vermeiden. Seine Amtspflichten müsse er besonders i n Abwesenheit des Statthalters erfüllen, eine gute Korrespondenz führen und täglich nach der Conventsmesse beraten, was am nächsten Tage zu geschehen habe. Vor allem müsse der Hauskomtur für den Orden Nutzen schaffen, Schaden dagegen abwenden. Den Bürgern von Mergentheim ist H i l f e in ihren Angelegenheiten zu leisten; ihre Wirtschaften sind zu beobachten, gegen Zechen, Fluchen und Üpigkeit soll eingeschritten werden. Jedem Bürger oder Untertan muß der Hauskomtur unparteiisch Recht verschaffen, die Appellation darf i h m nicht verwehrt, sondern gestattet werden, damit das Böse abgeschafft, das Gute aber gefördert wird. I n außerordentlichen Fällen muß Bescheid eingeholt werden. Gottesdienst und Kirchenordnung sind zu beachten, Schulen und Hospital alle Vierteljahre m i t dem Stadtpfarrer zu visitieren; worüber schriftlich zu berichten ist. Die Ämter sind m i t gewissenhaften Pflegern zu besetzen, das Pupillenamt möglichst m i t ehrbaren, vermögenden Personen. Montag und Mittwoch sollte der Hauskomtur dem Kammerrat, Donnerstag den ökonomischen Konferenzen um 9 U h r beiwohnen, Freitag die Stadt besuchen, Samstag u m 8 U h r die Hofaudienz. Justiz und Polizei über die Stadt sind dem Hauskomtur anvertraut, Mißbräuche müsse er abstellen. Das Fränkische und das Odenwaldsche A m t werden i h m außerdem anvertraut mit der A u f gabe, die Gefälle einzuziehen. Bei Erbfällen unxl sonstigen Kontrakten müsse die Hofaudienz die Parteien zitieren, alles prokollieren und genau verzeichnen. Lehengüter dürfen ohne erhebliche Ursache nicht zerteilt werden, zertrennte und verteilte sind möglichst an einen Lehnsmann zu bringen. F ü r Mergentheim und die dazu gehörenden Dörfer, Flecken und Güter müsse der Hauskomtur für Ordnung und

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Ansehen sorgen, den Untertanen „höflich, rätlich und beiständig" begegnen, die Ämter bereiten, dem Statthalter Bericht erstatten und dessen Bescheide abwarten. Lehnsgiiter sind sorgfältig zu behandeln, in den Waldungen darf nicht gestohlen und gehauen werden. Holzmeister und Waldförster sollen fleißig besucht werden. F ü r sich solle der Hauskomtur auch kein Geld entlehnen, auch anderen dies nicht gestatten. I n Zeiten der Kriegsläufe sollte sich der Hauskomtur um Abwendung und Schonung bemühen. Ohne Erlaubnis darf er des Nachts nicht außerhalb des Schlosses weilen; Schloß und Garten sollen verschlossen bleiben. Der Zechereien wegen sind Häuser und Gassen vor und u m Mitternacht von Zeit zu Zeit zu visitieren. Wenn der Hauskomtur abwesend ist, sollen Bürger und Untertanen sich mit ihren Angelegenheiten unmittelbar an den Statthalter wenden. Der Hauskomtur erhält ein Gehalt von jährlich 700 f l Rheinisch aus der Trapponei; ferner eine Wohnung i n dem T u r m über dem Tor, dazu für seine Person zwei bis drei Diener m i t Kost, drei bis vier Pferde mit Hafer, Heu und Stroh. Der Hauskomtur von E y b hat offenbar zur Zufriedenheit seines Herrn diese Dienstpflichten erfüllt; denn 1748 wurde er Landkomtur der Bailei Franken, welches A m t er bis 1764 innehatte 6 . Das für 1734 vorgesehene Generalkapitel konnte erst 1736 abgehalten werden; es blieb auch das einzige i n der langen Regierungszeit des Deutschmeisters. A m 11. September wurde es von Clemens August ausgeschrieben, am 12. September schon trat es zusammen, am 3. Oktober wurde es geschlossen, indem Clemens August und 24 Ratsgebietiger und Komture „ H a n d l u n g u n d Abschied" unterzeichneten. Die Proponenda umfaßte 25 Punkte, darunter befanden sich jedoch auch Angelegenheiten, die noch aus der Regierungszeit des Vorgängers Franz L u d w i g stammten und auf diesem Generalkapitel die Zustimmung erhielten. Das betraf vor allem Schloß und Burg Namslau i n Schlesien, wertvolle Besitzungen, die Franz L u d w i g 1703 von Kaiser Leopold I . für 110 000 f l samt allen Rechten erkauft und zu einer Ordenskommende gemacht hatte 7 . D a n n wurden Sparmaßnahmen beschlossen. „Zur Ersparung der schweren Reis- und anderen Kosten" sollten fortan die Provinzialkapitel nicht mehr alle zwei Jahre, sondern nur noch alle vier Jahre stattfinden; außerdem sollten zu den Generalkapiteln i n Zukunft neben den Landkomturen oder deren Vertreter nur die Ratsgebietiger als Beisitzer geladen werden. Von der Aufnahme i n den Orden sollten alle Glieder jener Familien ausgeschlossen werden, die sich der Plünderung der Nachlassenschaft eines Ordensbruders schuldig gemacht hatten. Das Generalkapitel forderte die strenge Durchführung des Noviziats für Ritter und Ordenspriester und die genaue Beachtung aller gleichförmigen Ordenszeremo-

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister nien. Seit 1737 habe der Ordenskavalier bei seinem E i n t r i t t an Kosten insgesamt 1530 f l Rheinisch zu entrichten. Bei Versetzungen von Ordensbrüdern i n andere Provinzen dürfe es keine Rangstreitigkeiten geben, diese Ritter kämen ohne Rücksicht auf ihre Geburt i m Rang hinter den schon Angestellten. Keinen Erfolg brachte die Regelung des Schuldenwesens der Ordensbrüder; denn auch unter den nachfolgenden Hochmeistern, namentlich unter M a x Franz, ist immer gegen die Schuldenwirtschaft der Ordensbrüder angegangen worden. Wie auf jedem Generalkapitel wahrte auch diesmal der Hoch- und Deutschmeister dem Orden die historischen Rechts- und Besitztitel, und Clemens August hat dies beim Kaiser und auf dem Reichstag zu Regensburg wiederholt getan. Das Generalkapitel protestierte gegen den preußischen Königstitel, wie der Orden früher stets gegen die Führung des Herzogtitels über Preußen Verwahrung eingelegt hatte. Der Gesandte des Ordens i n Regensburg mußte auf dem Reichstag protestieren und die Rechte des Ordens wahren. M i t Frankreich sollte der Hochmeister über die Besitzverhältnisse des Ordens i n Lothringen verhandeln, das 1735 unter die Krone Frankreichs gekommen war. Beim bevorstehenden Aussterben des Herzogs von K u r l a n d aus dem Hause Ketteier sollten auch die Ansprüche des Ordens auf dieses ehemalige Ordensgebiet erneuert werden. Der F a l l trat schon 1737 m i t dem Tode des Herzogs Ferdinand von Ketteier ein. Der Orden erhob Anspruch auf Kurland, L i v l a n d und Semigallien; Kurfürst Clemens August ließ eine Druckschrift herstellen m i t zahlreichen Beilagen, um die Reichs- und Ordensrechte, die bis 1229 nachgewiesen wurden, in Regensburg geltend zu machen. Alle Proteste hatten keinen Erfolg, die große Politik ging über die Ansprüche des Ordens hinweg, und in W i e n nahmen die Kaiser die Proteste doch nur zur Kenntnis, obwohl der Orden stets zu den kaisertreuen Reichsständen gehörte. M i t Reskript aus Bonn vom 26. Februar 1740 beschwerte sich der Hochmeister über Belästigungen der Ordensgüter i n Brabant und Flandern; Abhilfe geschah nicht, da der Kaiser K a r l V I . starb und die Zeiten ungünstig waren. Als Clemens Augusts Bruder zum Kaiser gewählt wurde, hatte er i n seiner W a h l k a p i t u l a t i o n weder den Orden noch das Hochmeistertum erwähnt. A u f die Beschwerde des Hoch- und Deutschmeisters antwortete K a r l V I I . am 31. März 1742, daß er damit keine Benachteiligung des Ordens beabsichtigt habe, worauf Clemens August 1743 aufs neue gegen den preußischen Königstitel protestierte. I n der Tat unterstützte der Kaiser den Orden i n seinen Ansprüchen, vor allem gegen den Landgrafen von Hessen. Als Franz I. 1745 zum Kaiser gekrönt wurde, erbat Graf von Satzenhofen als Abgesandter ein neues Salvatorium zur Wahrung der Ordensrechte, welcher Bitte der Kaiser auch entsprach.

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Andererseits suchte der Hoch- und Deutschmeister den Orden gegen eine Belastung durch kaiserliche Forderungen zu schützen. A u f dem Generalkapitel von 1736 wurde auch der Antrag des Kaisers behandelt, für den Türkenkrieg ein Bataillon von 600 Füsilieren und 100 Grenadieren zu stellen, dessen Kosten der kaiserliche Quartiermeister übernehmen wollte. Der Hochmeister schlug nun vor, die Kosten zunächst auf die Generalordenskasse zu übernehmen und dann auf die Balleien zu verteilen. Die Landkomture erklärten jedoch, daß sie diese Lasten aus den Kameralerträgen nicht tragen könnten. Schließlich wurde die Entscheidung auf „bessere Zeiten" verschoben, zumal auch das Kontributionsamt nach mehrfachen Feststellungen erschöpft war 8 . Während Clemens August dafür eintrat, Gesuche von Ordensrittern zur Einstellung i n die kaiserliche Armee zu befürworten, erklärte er dem Kaiser m i t Schreiben aus Zons vom 23. A p r i l 1739, beim besten W i l l e n als Deutschmeister keine H i l f e gegen die Türken leisten zu können; aber die beiden kurkölnischen Infanterie-Regimenter hatte er dem Kaiser zur Verfügung gestellt, für die er bis Ende Oktober 1739 beträchtliche Summen erhalten hatte: 321 623 f l 44 K r . und 313 932 f l 36 K r . Forderungen i n Höhe von 7 691 f l 8 K r . standen noch aus. Es ist keineswegs zutreffend, daß sich das W i r k e n des Hochmeisters Clemens August m i t der Erlangung kaiserlicher Salvatorien für den Orden erschöpft hätte, der Seigneur de C i n q ßglises hat vielmehr bis zu seinem Tode sich für die Interessen des Ordens auf den verschiedensten Gebieten eingesetzt. F ü r zahlreiche und wichtige Prozesse des Ordens am Reichsgericht hat er am 20. Januar 1751 einen Prokurator eingesetzt, und einen zweiten Prokurator als Agenten Secundarium bestimmt und beide besoldet. Gerade unter Clemens August hat der Orden zahlreiche Prozesse um seine Interessen geführt 9 . Auch für die Belange einzelner Kommenden hat der Kölner Kirchenfürst sich persönlich eingesetzt, so bei Maria Theresia 1749 aus Clemenswerth für die Kommende Laibach, die bisher zollfreien W e i n einführen durfte, wegen der Kriegslasten aber jetzt Zoll dafür zahlen mußte, da Maria Theresia der Auffassung war, daß die Kriegslasten auch die Belastung aller Stifter einfach erzwinge, wie sie aus Wien am 16. September 1749 dem Hochmeister mitteilte. Zur Schlichtung von Streitigkeiten m i t dem benachbarten Hause Hohenlohe schloß Clemens August zwei Verträge am 12. Januar 1735 und 1. Dezember 1759 10 . Das Generalkapitel von 1736 hatte auch beschlossen, das Archivwesen zu ordnen. Clemens August ging alsbald an die Erledigung dieser Aufgabe, indem er schon am 16. Januar 1737 gemäß den Beschlüssen von 1736 einen Archivar anstellte und dafür „Unseren und

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister der Bailei Elsaß Rath" Franz Paul Handel bestimmte. E r sollte das Hauptarchiv i n Mergentheim i n Ordnung bringen „ z u des Ordens allgemeinem Besten" gegen eine Besoldung von 600 f l jährlich bei einem Personalbestand von 18 Personen. Die Besoldung sollte Lichtmeß beginnen, verfügte Clemens August am 6. August 1737 aus Arnsberg. Handel beantragte jedoch schon nach kurzer Zeit eine Zulage von 100 Rtlr., die i h m der Hochmeister m i t Reskript aus Bonn am 2. März 1738 auch bewilligte. Von der Zulage, die auf die Balleien umgelegt wurde, entfiel auf Österreich 8 f l 20 K r . D a 600 f l = 400 Rtlr. entsprechen, betrug die Besoldung des Archivpersonals demnach 500 Rtlr. Aus einem Schreiben vom 6. August 1737 aus Arnsberg an die Bailei Österreich ergibt sich, daß Clemens August es für notwendig ansah, „ein neues, m i t guten Gewölben versehenes Gebäude dem alten anzustoßen und selbes zugleich m i t wohlverwahrten und transportablen Kästen gut zu versehen und zu einem gemeinschaftlichen Archivario ein tüchtiges dem W e r k gewachsenes Subjektum auszusehen sei, auf daß man i n Zukunft denen Balleien auß bedürfendem F a l l zu Vertheidigung ihrer Gerechtsame m i t denen actis et documentis besser auszuhelfen vermöge und nicht mehr Ursach habe, sich m i t dem Vorwand des Abgangs zu entschuldigen". F ü r den Bau w u r den 12 000 f l aus der General-Ordenskasse bewilligt. Der Nordgiebel des alten Archivs w a r d abgerissen, ein langer künstlicher Anbau wurde daran gesetzt und m i t dem abgenommenen Renaissance-Giebel verziert. Die Bauausführung hatte Kirchmeyer. Clemens August konnte schon am 2. März 1739 aus Bonn berichten, daß der Bau „zur Perfektion" gekommen sei. Dem Orden werde der Bau zur Ehre gereichen. Nach dem E n t w u r f benötigte das Archiv etwa 334 Kisten, davon 28 Kisten für die Original- und Hauptdokumente, 49 für das Geheime Archiv und 200 Kisten für das Archiv i n genere. Archivar Handel leitete das Deutschordensarchiv i n Mergentheim 45 Jahre unter den Hochmeistern Clemens August, C a r l Alexander von Lothringen und M a x Franz, der i h n aus Altersgründen 1782 i n Pension schickte und durch den Rat Rhodius ersetzte, der ein persönliches Gehalt von 600 f l erhielt. U m das große Ordensarchiv i n Mergentheim hat sich Clemens August als Hoch- u n d Deutschmeister ebenso verdient gemacht wie der letzte Kölner Kurfürst M a x Franz, vor allem hat er sich persönlich u m den Bau bemüht 1 1 . Aus der Regierungszeit des Hoch- und Deutschmeisters Clemens August verdienen noch eine Reihe von Maßnahmen Erwähnung, auch wenn sie von i h m nicht persönlich ausgegangen sind. Das Meisteramt i n Mergentheim besaß eine gut funktionierende Verwaltung; sie bestand aus dem Statthalter, drei Präsidenten, einem Regierungsdirektor, zwei gelehrten Geheimen Räten, acht Hof- u n d Regierungsräten, 3 Schnee, Hoffinanz VI

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister sieben geistlichen Räten und fünfzehn Mitgliedern der Hofkammer. I n der kurfürstlichen Residenz Bonn stellte eine aus Ordentrittern bestehende Dienststelle die Verbindung zu Mergentheim her, und Ordensritter gehörten zum engsten Freundeskreis des Kurfürsten. A m 2. September 1750 verlieh der Hoch- und Deutschmeister die Ordensgüter auf Neuhaus für sechs Jahre an den Schultheißen Johannes Bauer von Löffelstelzen m i t einem „Bestandbrief", der eine genaue Anweisung über Bewirtschaftung und zu leistende Abgaben i n nicht weniger als 14 Punkten umfaßt. Der Statthalter Freiherr von E y b unterzeichnete den 15 Seiten umfassenden Bestandbrief i m Namen des Hoch- und Deutschmeisters 12 . Von Bonn aus erfolgte am 28. November 1742 für die Residenzstadt Mergentheim eine Verordnung über Maß, Elle und Gewicht, die gedruckt vorliegt und das ganze 18. Jahrhundert i n K r a f t blieb; sie trug dazu bei, Mißstände i m Handel zu beseitigen 13 . M i t Eifer setzte sich Clemens August für seinen kaiserlichen Bruder ein, als dieser nach der Krönung von Frankfurt/M. nach München zurückkehrte. M i t Reskript aus Bonn vom 30. Dezember 1742 an die Regierung in Mergentheim ordnete er an, daß 94 Zug- und Reitpferde sowie 5 Leiterwagen zur kaiserlichen Bagage bereit zu stellen seien, wenn K a r l V I I . von F r a n k f u r t durch Mergentheim komme. A m Abend der A n k u n f t müsse schon alles für eine Weiterfahrt am nächsten Morgen vorhanden sein. Über die Reiseroute berichtete der Kaiser selber an Clemens August aus F r a n k f u r t am 25. Dezember; am 3. Januar 1743 erfolgte der Aufbruch, über den der kurkölnische Resident Georg A d a m Rosalino am 5. Januar dem Hoch- und Deutschmeister berichtete. Bis 1745 zogen sich dann die Abrechnungen über die Kosten der Unterbringung in der Ordensresidenz hin, für deren ordnungsgemäße Durchführung sich Clemens August i n einer Reihe von Reskripten eingesetzt hatte 1 4 . Während des Siebenjährigen Krieges haben nicht nur zahlreiche Ordensritter auf Seiten des Reichs und der Kaiserin Maria Theresia gekämpft, auch finanziell hat der Orden geholfen. So quittierte am 20. Februar 1759 i n Frankfurt/M. der kaiserliche Bevollmächtigte Graf Pergen den Empfang von 60 000 fl, die der Orden aus dem Ertrag des Zehnten für 1758 dem Kaiser als „Beihilfe bei der großen dem Vaterlande drohenden N o t " entrichtet habe, und am 16. Januar 1761 bescheinigte Graf Pergen erneut den Empfang von 17 162 fl, die der Orden als außerordentliche Steuer auf den Ertrag des Zehnten an die kaiserliche Kasse für 1759 als Abschlagszahlung entrichtet habe. Aus Bonn verfügte Clemens August am 26. Januar, die Quittung darüber in dem Ordensarchiv zu hinterlegen 1 5 .

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Daß der Deutsche Orden während der Regierung von Clemens August seine Anziehungskraft nicht verloren hatte, zeigt der Bestand von 1757. Damals umfaßte die Bailei Franken 30 Ritter, 14 Ordenspriester und 39 Räte, die Bailei Altenbiesen zählte 17 Ritter, 21 Ordenspriester, 15 Beamte und Bediente, die Bailei Westfalen 6 Ritter, 3 Priester und 8 Beamte und Diener. Komtur der Kommende Ramersdorf war damals Franz Freiherr Horneck von Weinheim. I m letzten Regierungsjahr des Hochmeisters, 1760, wiesen die Balleien als Bestand auf: Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei Bailei

Elsaß und Burgund Österreich Koblenz Etsdi und am Gebirge Franken Hessen Altenbiesen Westfalen Lothringen Sachsen Thüringen

= = = = = = = = = = =

13 8 7 3 27 10 17 6 4 7

Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter Ritter vakat

Insgesamt also 102 Ritter, eine i m wesentlichen gleichbleibende Zahl von Rittern i m letzten Jahrhundert des A l t e n Reiches. Die Bailei Westfalen galt als arme Provinz; aber der Landkomtur auf der Kommende Mülheim an der Möhne bezog unter Clemens August immerhin für sich allein ein Einkommen von 1763 Rtlr. Species, 12 Gr. Das waren Bezüge, die an die Besoldung der obersten Beamten des K u r fürstentums heranreichten. Der letzte Landkomtur Graf KaunitzRietberg bezog nach 1809 eine Pension von 6000 f l aus der Großherzoglich Hessischen Hofkammerkasse 16 . Eine Studie über den Hoch- und Deutschmeister Clemens August kann seine Judenpolitik gegenüber den Mergentheimer Juden nicht übergehen. D a der Bayernprinz m i t H i l f e zahlungskräftiger jüdischer Finanziers zum Seigneur de C i n q Églises gewählt worden war, stand er auch i n der Ordensresidenz dem kapitalkräftigen Judentum wohlwollend gegenüber. Mergentheim besaß seit Jahrhunderten eine größere jüdische Gemeinde i n der Holzapfelgasse, aus der, begünstigt durch den Handel zwischen Württemberg, dem Orden u n d Bayern, mehrere vermögende Juden hervorgegangen sind, die dem Orden und süddeutschen Fürsten als H o f juden dienten 1 7 . Unter Clemens August war der Mergentheimer Schutzjude Noe S a m u e l I s a a k der große Finanzier süddeutscher Fürsten. Die Beziehungen zum Hause Wittelsbach waren schon geknüpft worden, als M a x Emanuel seinen Sohn K a r l Albrecht 1722 m i t der Kaisertochter Maria A m a l i a vermählen wollte. Isaak hat die glanzvolle Hochzeit 3*

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m i t der für einen Mergentheimer Schutzjuden hohen Summe von 950 000 f l finanziert. Seitdem blieb Isaak m i t dem Münchener H o f i n Verbinidung. Aus diesen finanziellen Beziehungen zu München ergab sich von selbst, daß Isaak auch von dem Bruder K a r l Albrechts, dem Hochmeister Clemens August, zu Hofdiensten herangezogen wurde. I n der Gemeinde Mergentheim herrschte er als Obervorgänger und Hoffaktor wie ein Diktator. I n der Schuldurkunde M a x Emanuels wurde der Finanzier als „Agent des teutschen Ritterordens" und „fürstlich sulzbachischer Oberfaktor" bezeichnet; als Agent des Hochmeisters w i r k t e er i n München, wo er auch eine Zeitlang wohnte, dann aber seiner Gesundheit wegen wieder nach Mergentheim zog. H ä l t man sich die Summen vor Augen, m i t denen dieser Finanzier operierte, dann war Isaak i n jener Zeit ein Unternehmer großen Stils. I m Namen der Juden hatte der Obervorgänger Isaak dem Kurfürsten Clemens August zur W a h l als Hoch- und Deutschmeister gratuliert und ein Geschenk überreicht. Die Kosten für das Präsent hatte er vorgestreckt, mußte sich dann aber 1736 beim Hochmeister beklagen, daß er von der Judenschaft am Neckar die anteiligen Kosten, die er m i t 350 Rtlr. samt Interessen angab, noch nicht erhalten habe. I n dem Streit m i t seinen Glaubensgenossen bekam Isaak Recht; die Regierung verurteilte 1737 die Neckarjuden zur Zahlung ihres Anteils. Welcher A r t das Präsent gewesen ist, wie hoch die Gesamtkosten sich beliefen, ist i n den A k t e n nicht vermerkt; aber die Teilsumme von 350 Rtlr. läßt den Schluß zu, daß das Geschenk wertvoll gewesen ist 1 8 . Isaak hatte sich m i t dem Präsent bei Clemens August gut eingeführt, wurde kurkölnischer Hoffaktor, hochfürstlicher Oberfaktor des Deutschen Ordens und wahrscheinlich auch Kammeragent. Als er wieder ständig i n Mergentheim wohnte, bat er den Hochmeister, seinen Schwiegersohn J a k o b M a y zum Interimsagenten i n München an seiner Stelle zu ernennen. Clemens August lehnte zunächst ab, ernannte dann aber nach Isaaks Tode am 10. Juli 1758 Jakob M a y zum kurfürstlichen Agenten am kurbayrischen Hofe; eine Kammeragentenstelle, die sein Schwiegervater bekleidet haben sollte, erhielt er jedoch nicht. Wohlwollend stand der Hochmeister Isaaks Bemühen gegenüber, 1740 ein christliches Haus für seine Tochter zu erwerben. Die Mergentheimer Regierung war jedoch dagegen, da nach der geltenden Judenordnung die Christen keine Häuser a n Juden verkaufen durften. M i t Reskript vom 15. M a i 1740 aus Augustusburg gestattete Clemens August jedoch seinem Hoffaktor, für die Tochter ein jüdisches Haus zu erhöhen oder ein neues auf einem jüdischen H o f oder Gartenplatz zu erbauen. Einige Jahre später machte Isaak erneut den Versuch, ein Haus zu kaufen. Nach dem K o n t r a k t vom 21. März 1746 wollte er für 320 f l das Haus des Maurermeisters Georg Wörle er-

Kurfürst Clemens August von Köln als H o - und Deutschmeister werben, das zuvor jüdischer Besitz gewesen war. Mergentheim genehmigte auch diesen K a u f nicht, u n d Clemens August fragte i n Bonn am 28. A p r i l u n w i l l i g an, w a r u m auch dieser Hauskauf nicht bewilligt wurde; die letzte Entscheidung fehlt i n den Quellen. Der Hochmeister w a r i n jenen Jahren seinem Finanzier besonders gewogen, hatte doch Isaaks Vermittlung bewirkt, daß der Orden 1741 der kurbayerischen Landschaft eine Anleihe von 400 000 f l gewähren konnte. Als Sicherheit schlug der Hoffaktor den K a u f des adligen Gutes Spitzenberg vor, indem der Verkäufer Baron v. Freiberg m i t Obligationen über 400 000 f l an die kurbayerische Landschaft abgefunden werden sollte. Clemens August hatte sich über das Projekt von seinem Hoffaktor Vortrag halten lassen, wünschte jedoch ein Gutachten des Freiherrn von Hornstein als Landkomtur von Franken. Entsprechend dessen Bedenken lehnte der Hochmeister m i t Reskript aus B r ü h l vom 4. M a i 1741 ab, wünschte aber, „daß über das der Churbeyrischen Landschaft dargeschossene C a p i t a l noch mehrere Sicherheit erhalten werden könnte". Abgelehnt wurde der A n t r a g von Isaaks Bruder Michael, für die vorgeschossenen 400 000 f l eine „ U n terhandlungsgebühr" von 2'% zu erhalten. Hornstein u n d die Regierung i n Mergentheim lehnten ab, da sich M i c h a e l I s a a k i n das Geschäft gedrängt habe, denn er habe sich aus ganz anderen Ursachen i n Holland aufgehalten. Dieser Hinweis läßt den Schluß zu, daß holländische Geldgeber an dieser Anleihe beteiligt gewesen sind. Auch ein Vermerk Isaaks vom 9. Februar 1741 läßt darauf schließen. Leider wissen w i r keine Einzelheiten über diese Anleihe, deren Höhe aber doch von der Finanzkraft des Ordens zeugt 1 9 . Isaak hatte m i t dem Hause Wittelsbach finanzielle Transaktionen getätigt, die i n die Millionen gingen. D a seine Forderungen gemäß seinen Berechnungen nicht beglichen wurden, erging es i h m wie so vielen Hoffaktoren, die sich für ihre Fürsten zu stark engagiert hatten. M i t der Wechselfirma Isaak i n Mergentheim ging es bergab, und schließlich mußte der Hoffaktor seinen Fürsten u m kleine Darlehen bitten, um sein Leben fristen zu können. Clemens August und sein Bruder K a r l Albrecht setzten sich wiederholt bei anderen Fürsten, z. B. beim Markgrafen von Ansbach, dafür ein, daß der Hoffaktor zu seinem Gelde kam. So verfügte Clemens August am 28. M a i 1741 i n Bonn an Mergentheim, daß die Regierung dem Hoffaktor „ m i t all benötigter Intercession, Schutz und Schirm beförderlich sein und an Händen gehen", zu welchem Zwecke Mergentheim einen Vertreter nach Ansbach senden solle; u n d am 12. Juni erfolgte i n einem langen Reskript an Ansbach aus Mergentheim die Zusage der H i l f e für Isaak, „ u m so mehrers bezeugen lassen w i r d , als w i r mehrbemeltem Schutzjuden und Hoffaktoren das wahre Zeugnis beilegen können.

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daß er sich seithero in seinem T u n und Lassen jederzeit redlich bezeiget" 2 0 . Es ist nicht ersichtlich, ob Isaak die Intervention i n Ansbach genutzt hat und er zu seinem Gelde gekommen ist. 1752 k a m der „Hochfürstliche und Deutschmeisterliche Agent bei dem kurbayrischen Hof, Oberfaktor und Obervorgänger der gesamten Judenschaft zu Mergentheim" um ein Darlehn von 1000 Rtlr. aus der Mergentheimer Kasse ein. I n seiner Eingabe wies Isaak darauf hin, daß er „etliche 40 Jahre" i m Schutze des Deutschen Ordens lebe und daß er sich Verdienste erworben habe bei dem „Anlehen von 400 000 Rtlr., das der hohe Orden bei denen bayrischen Landständen ausständig hat". Isaak wollte die 1000 Rtlr. für zwei Jahre geliehen haben, die Rückzahlung sollte in zwei Raten zu 500 Rtlr. erfolgen. Uber das Darlehnsgesuch forderte Clemens August i n Augustusburg i m Oktober einen Bericht von der Regierung i n Mergentheim, die am 20. November ablehnte, nachdem die Bailei Franken schon am 3. November das Darlehn verweigert hatte. Schließlich war Isaak nicht mehr imstande, die Gebühren für die Schätzung abzuführen, da er sich als unvermögend bezeichnen mußte. Clemens August erließ ihm darauf m i t Reskript aus Bonn am 11. M a i 1755 das rückständige Schutzgeld i n Höhe von 225 Rtlr., legte i h m jedoch das Verpflichtung auf, i n Zukunft pünktlich seinen Zahlungen an die Regierung nachzukommen. Nach dem 1757 erfolgten Tode Isaaks, der 1755 bei einem Sturz i n seinem baufälligen Hause einen Schlaganfall erlitten hatte, forderte Clemens August m i t Schreiben vom 11. M a i 1760 von Noes W i t w e einen Bericht über die neu aufgelaufenen Rückstände von 98 Rtlr. 21 K r . Die W i t w e bat jedoch u m Zahlungsaufschub, bis ihre Forderungen an Bayern erledigt würden; 1762 war noch ein Rest der Forderung abzutragen, was durch Isaaks Tochter Befila geschehen würde, wie ihre Mutter am 8. Oktober 1762 mitteilte. Beßla hatte sich zuvor vergeblich um eine H y p o t h e k auf das väterliche Haus bemüht, da Isaak ihren Kindern 1000 Rtlr. vermacht hatte; vergeblich waren auch seine Bemühungen gewesen, dieses K a p i t a l aufnehmen zu dürfen 2 1 . Wenn man an die großen Verdienste denkt, die sich Isaak als F i nanzier der Wittelsbacher K a r l Albrecht und Clemens August erworben hat, indem er die Hochzeit des einen und das „Wahlwesen" des anderen finanzierte, dann k a n n der Historiker der Hoffaktoren nicht umhin festzustellen, daß dieser Hoffaktor es nicht verdient hat, am Ende seines Daseins i n solch kümmerlichen Verhältnissen leben zu müssen. Noe Samuel Isaaks Niedergang u n d Lebensende waren eine Folge der Finanzwirtschaft der Wittelsbacher i n Bonn und München, die m i t ihren Zahlungen an die Geldgeber ständig i m Rückstand blieben 2 2 . Isaaks Bruder Michael Isaak wurde für seine Leistungen als Heeres- und Hoflieferant am 2. Juni 1740 H o f j u d e des Deutschen

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister Ordens, sein Sohn D a v i d M i c h a e l , zugleich Noes Schwiegersohn, am 20. Juni 1744 von Clemens August zu „Unserem Hoffaktor" bestallt. Zu Hoffaktoren ernannte Clemens August ferner am 4. Juni 1746 A b r a h a m M a r o n ; er dürfte identisch sein m i t dem Neckarsulmer A b r a h a m M a r o n L e v i , der 1758 als Hoffaktor erscheint. Während Noe Isaak i m wesentlichen als Finanzier tätig war, lieferte sein Bruder für die beiden Ordenskompanien zu Fuß i n der Hauptsache Mehl, Heu und Stroh; um diesen A u f t r a g hatte er gebeten, nachdem er Lieferant der Mund- und Pferdeportionen für das Paderbornsche Kontingent bei der Kreisarmee am Oberrhein geworden war. Bei Streitigkeiten wegen dieser Lieferungen m i t Offizieren, den Hauptleuten von Hochstetten und Killinger, trat Clemens August 1735 energisch für Michael Isaak ein. M i t Reskript aus Neuhaus vom 29. September 1735 an Mergentheim sprach er sich dagegen aus, „den klagenden Juden so hilfslos zu lassen", und am 4. März 1736 forderte der Hochmeister ganz energisch von der Regierung i n Mergentheim, Michael Isaaks Forderungen m i t dem Kreis i n Abrechnung zu bringen, da dieser bei Lieferungen für „unser Contingent" durch das fränkische Kommissariat zu Schaden gekommen sei. Sein Sohn D a v i d muß 1755 verstorben sein; denn seine W i t w e Beßla k a m i m gleichen Jahr um eine Hypothek auf das väterliche Haus ein; auch dieser Zweig der Familie Isaak war wirtschaftlich abgesunken. Der Niedergang der Hoffaktorenfamilie Isaak machte den Weg frei für den Aufstieg der Familie Baruch 2 3 . B a r u c h S i m o n k a m aus der Gemeinde Oedheim i m Kreise Heilbronn u m 1750 nach Mergentheim, zu einem Zeitpunkt, da es Noe Samuel Isaak finanziell schon schlecht ging. A m 11. A p r i l 1759 erlaubte i h m der Hoch- und Deutschmeister, i n der Holzapfelgasse ein christliches Haus zu erwerben als Lohn für die Dienste, die er als Brot- und Fouragelieferant der „kurkölnischen Kriegsvölker" i m Siebenjährigen Kriege bisher geleistet hatte. Er war außerdem Feldlieferant der Paderborner Truppen und Mitlieferant für Münster. I m gleichen Jahr lieh er Clemens August erst 45 000, dann nochmals 25 000 f l ; das konnte er damals schon ohne Schwierigkeiten aus den Gewinnen, die er als „Feldlieferant" von fünf kurfürstlichen u n d fürstlichen Bataillonen erzielt hatte. O b w o h l Baruch bei Clemens August i n sehr hoher Gunst stand, ist er erst unter dem Hochmeister K a r l Alexander von Lothringen am 14. September 1761 m i t Dekret aus Brüssel zum hoch- und deutschmeisterlichen Hoffaktor ernannt worden m i t dem Privileg, auf seinen vielen Geschäftsreisen sicher, zollfrei, ungehindert m i t Gepäck und Diener reisen zu dürfen. Als Obervorgänger beherrschte Baruch auch die jüdische Gemeinde i n

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Mergentheim; war er geschäftlich i n Bonn, vertrat i h n in der Ordensresidenz sein Bruder Moses. M i t seinen Brüdern, Söhnen und Schwiegersöhnen repräsentierte Baruch i n Mergentheim unter drei Hochmeistern und drei Kölner Kurfürsten eine bedeutende Hoffaktorenfamilie am Ende des A l t e n Reiches; sein Enkel L u d w i g Börne errang literarischen Ruhm. Heute erinnert i n Mergentheim nichts mehr an den großen Hoffaktor Baruch Simon; auch sein Grab auf dem jüdischen Friedhof i n Unterbaibach ist nicht mehr erhalten 2 4 . M i t seinem Vorgänger als Hoch- und Deutschmeister Franz L u d w i g von der Pfalz, Fürstbischof von Breslau, gehört Clemens August zu den großen Baumeistern der Barockzeit. Unvergänglich bleiben ihre Verdienste als Förderer zahlreicher Schloßbauten. Beide Kirchenfürsten haben durch ihr Mäzenatentum auch der Deutschordensresidenz ihren Stempel aufgedrückt. M i t dem Um- u n d Ausbau des aus dem 12. Jahrhundert stammenden Ordensschiasses, das dann i m 16. Jahrhundert seine Ausgestaltung erhalten hatte, war schon unter Franz L u d w i g begonnen worden. Clemens August gab i h m seine endgültige Gestalt. Zunächst hatte sein Vorgänger m i t dem Neubau der Schloßkirche begonnen, u m eine würdige Unterkunft für die Gebeine des heiligen Benignus zu schaffen, die der Hochmeister i n Rom erworben hatte. Die Pläne hatte Franz Joseph Roth entworfen, ein aus W i e n stammender Stukkator, der als kaiserlicher Postverwalter i n Mergentheim lebte u n d schon i n Ellingen als Baumeister gewirkt hatte; als A k k o r d a n t und Bauführer stand i h m der Mainzer Malermeister Fichtmeyer zur Seite. Clemens August zog aus München noch François Cuvilliés d. Älteren hinzu; sein persönliches Interesse k a m d a r i n zum Ausdruck, daß er sich von dem Münchener Künstler für jedes ornamentale D e t a i l 1734 Spezialrisse i n Godesberg zur Auswahl vorlegen ließ. Leider sind sie nirgends mehr aufzufinden. Die Gemälde für die drei Altäre wurden dagegen für 4000 f l i n Rom bestellt. F ü r die Deckenfresken holte sich Clemens August den Münchener Hofmaler Nikolaus Stuber. 1734 malte dieser die Bekehrung des Kaisers Konstantin an der Chordecke der Ordenskirche. F ü r den Kirchenbau überwies Clemens August m i t Reskript vom 6. August 1737 aus Arnsberg 20 000 f l aus der Generalordenskasse. Während des Generalkapitels von 1736 konnte am 30. September die Schloßkirche m i t den drei Altären von dem Hochmeister unter Assistenz des Würzburger Weihbischofs konsekriert werden; dieser weihte noch den A l t a r i n der Gruft, dafür empfing er als Geschenk Augsburger Silberarbeiten i m Werte von 600 fl. Nach den 1735 genehmigten Plänen Cuvilliés, die nach den W ü n schen des Hochmeisters gestaltet wurden, erfolgte dann i n den Jahren von 1736 bis 1740 der Umbau der Residenz; der kurbayrische

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister und kurkölnische Hofbaumeister erhielt für seine Zeichnungen als Honorar 300 f l Rheinisch und für die Reise von München nach Mergentheim 117 f l 30 K r . Auch der Bonner Hofbaumeister Michael Leveilly wurde zur Beratung herangezogen. Clemens August kümmerte sich immer persönlich um die Pläne und brachte seine Wünsche vor. Von 1738 bis 1739 sind 20 separate Zimmer i n der neuen Residenz errichtet worden. U m 1740 waren die Einrichtung und Ausschmückung des Neubaus und die Spitalkapelle fertig; nichts ist davon heute erhalten. Auch die Sala terrena steht nicht mehr, ein kuppeliger Gartensaal m i t zwei Nebenkabinetten, die Clemens August 1745 dem Münchener Stukkator Gutterstädter nach Plänen Leveillys i n A u f t r a g gegeben hatte. Das führte zum Protest der Mergentheimer Stukkatoren Winneberger und Titey, die darauf hinwiesen, daß sie „alle bürgerliche Onera so willigst als schuldig" trügen. 1791 hat Beethoven im Gefolge von Kurfürst M a x Franz hier konzertiert. Nach der Säkularisierung diente die Sala terrena kurze Zeit als evangelische Kirche, dann wurde sie auf Abbruch verkauft. Nicht zur Ausführung k a m der von Clemens August gebilligte Plan der Hofkammer zum Bau einer Kaserne innerhalb des Schloßbereichs, um „dardurch den Soldat i n behöriger mannszucht und da besser gehalten" zu können; denn zum Schutze der Residenz war i n Mergentheim eine Deutschordensgarnison etabliert, die i n erster Linie Repräsentationspflichten zu genügen hatte. Platzmangel innerhalb des Schloßbereichs zwang vermutlich zur Aufgabe des Bauvorhabens, das noch unter dem Hoch- u n d Deutschmeister K a r l Alexander von Lothringen verfolgt w u r d e 2 5 . E i n Verdienst des Hoch- und Deutschmeisters Clemens August ist auch die Wiedererbauung der zur Geortgskommende i n Osnabrück gehörenden Kirche auf der Neustadt, die er i n der Wahlkapitulation versprochen hatte. I m Dreißigjährigen Kriege war die Kirche 1624 während der schwedischen Besatzungszeit abgebrannt, von 1736 bis 1740 wurde sie wieder hergestellt. I n der St. Georgskommende hatte der Hochmeister schon 1733 die „Exercitia catholiea" wieder eingeführt. A m 16. November 1737 weilte Clemens August i n Osnabrück; seinem Bruder berichtete er nach München, daß er am folgenden Sonntag den Ritterschlag erteilen werde, und zwar einem katholischen und einem evangelischen Novizen. A u f dieses Fest freuten sich die Leute sehr, „da sie dergleichen hier niemals gesehen". Als der Deutschmeister Franz L u d w i g am 6. M a i 1729 auch Kurfürst von Mainz geworden war, erfolgte am 13. A p r i l des nächsten Jahres die Grundsteinlegung zum Deutschordenshaus i n Mainz, das dann Franz Joseph Roth von 1732 bis 1739 vollendete. So entstand unter diesen bei-

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den Hochmeistern Franz L u d w i g und Clemens August der schönste Profanbau der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. U m 1750 stiftete Clemens August der Ordenskirche i n Sachsenhausen den mächtigen Hochaltar, von dem das B i l d „ M a r i a Himmelfahrt" noch erhalten ist 2 6 . Die Geschichtsschreibung hat bisher recht ungünstig über den Hochund Deutschmeister Clemens August und sein Verhältnis zum Deutschen Orden geurteilt; man sagt i h m nach, daß er nur materiell an dem Orden interessiert gewesen sei und sich um sein Schicksal i n den W i r r e n der Zeit wenig gekümmert habe. Aber ein neuerer Historiker hat doch festgestellt, daß er mindestens achtzehnmal i n seiner Regierungszeit Mergentheim besucht hat. I m Jahre 1750 weilte Clemens August zweieinhalb Monate i n Mergentheim m i t einem Gefolge von 250 Personen, unter denen sich 50 Mitglieder des französischen Theaters, ferner die Musiker seiner Hofkapeile befanden. Die unteren Beamten, die Schauspieler und Diener waren zu Schiff auf dem Rhein und M a i n bis Wertheim befördert worden. I n Mergentheim löste eine Festlichkeit die andere ab. Hofbälle, Jagdpartien, Schlittenfahrten, Künstlerkonzerte, Serenaden, Theatervorstellungen, deutsche, italienische und französische Opern folgten einander. Der gesamte A u f wand betrug 65 000 f l ohne die von der Hofhaltung gelieferte Verpflegung. Während des Siebenjährigen Krieges verhinderten allerdings die militärischen Ereignisse die Reisen nach dem Süden 2 7 . Gewiß waren i h m die Einnahmen als Hoch- und Deutschmeister für seine Bauten willkommen. Mergentheim besaß nicht nur eine geordnete Verwaltung, sondern auch gesunde Finanzen; die persönlichen Einkünfte des Deutschmeisters werden auf jährlich etwa 200 000 f l geschätzt. Das ist für die M i t t e des 18. Jahrhunderts ein bedeutender Betrag, eine willkommene Ergänzung zu den Einnahmen Clemens Augusts aus seinen fünf Fürstentümern, die auf jährlich eine M i l l i o n Gulden veranschlagt werden 2 8 . W i r sind zu einem gerechteren U r t e i l über Clemens August als Hoch- und Deutschmeister gekommen, nicht nur, w e i l er m i t seinem Vorgänger Mergentheim und seiner Landschaft das Gesicht gegeben hat, das beide trotz aller Zerstörungen heute noch zeigen, sondern w e i l er auch, wie die vorhandenen Quellen beweisen, aus innerer Verpflichtung an sein A m t die Verwaltung gut geführt hat, mögen die Regierungsmaßnahmen von i h m persönlich geleitet oder angeordnet worden sein. Kennzeichnend ist doch für i h n w o h l auch, daß er auf der Reise nach Mergentheim 1761 i n Ehrenbreitstein gestorben ist, daß er i n seinem Testament vom 6. Februar auch des Deutschen Ordens gedacht hat, den er zum Erben i n von allen i n dessen Territorien erworbenen „aquisitis und Mobilien" einsetzte. Die Interessen des Ordens hat er nach allen Seiten verteidigt, noch kurz vor seinem

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister Tode, am 18. Januar 1761, beklagte er sich bitter über die Kriegsfolgen i n seinen Landen und forderte den Grafen Harrach von der Bailei Österreich auf, mit einer „ergiebigen Summe" zu H i l f e zu kommen. „ W i r werden hingegen aber auch bey dem künftigen Friedensschluß zum Besten Unseres gesamten Deutschen Ritterordens Uns kräftigst verwenden, auch hiernächstens euch Unsere höchste G n a d e . . . empfinden lassen." Ordentritter standen i h m als Ratgeber auch i n Bonn zur Seite. Johann Baptist Freiherr von Roll war i n den ersten Regierungsjahren der beste Freund des Kurfürsten, sein Bruder Ignaz Servatius, ebenfalls Ordensritter, amtierte i n Bonn als Oberstallmeister, General der Leibgarde und Direktor der Parforcejagden, ein Vetter Ignaz F e l i x Freiherr von Roll war Landkomtur von Koblenz und Obristfalkenmeister. Die Trauerrede, die P. Ernesto Geppert am 12. März 1961 i n der Münchener Theatinerkirche hielt, zählte noch einmal die Bauten auf, die den Ruhm des Verstorbenen bezeugen. I n Mergentheim zelebrierte der Würzburger Weihbischof Freiherr von Gebsattel vom 15. bis 22. A p r i l die Exequien. Der Deutschordenspriester Johann Ulrich Clement hielt i n Anwesenheit der höchsten Ordensritter und Beamten auf den Verstorbenen die „Klag- und Lob-Red", die, wie damals üblich i n jener Zeit, i m Druck erschien. E i n Kupferstich der Augsburger Brüder Klauber hielt Clemens August als Hoch- und Deutschmeister auf dem Castrum, dem Totenbett, fest. F ü r den Hoch- und Deutschmeister spricht, daß seit einigen Jahren eine Clemens-August-Straße i n Mergentheim sein A n denken festhält 2 9 .

Quellen und Literatur 1 Zur älteren Geschichte des Deutschen Ordens: R u d o l f t e n H a a f , Deutschordensstaat und Deutschordensballeien. Untersuchungen über Leistung und Sonderung der Deutschordensprovinzen in Deutschland vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Bd. 5 der Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft. 2. erw. Auflage 1954, S. 5 ff. Ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis unter Berücksichtigung des neuen Schrifttums. — J. V o i g t , Geschichte des Deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien in Deutschland. 2 Bde., Berlin 1857 und 1859. — K. H e l m , W. Z i e s e m e r , Die Literatur des Deutschen Ritterordens. Gießen 1951. Gießener Beiträge zur deutschen Philosophie, Bd. 94. Von Bedeutung für unser Thema ist die geschichtliche Einleitung. — E. M a s c h k e , Die inneren Wandlungen des deutschen Ritterordens. I n „Geschichte und Gegenwartsbewußtsein", Festschrift für H. Rothfels, 1963. — H. C o n r a d , Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. I, 1962, S.257, Literatur: Der deutsche Ordensstaat. — R. W o 1 f , Bibliographie zur Geschichte der Deutschordens-Balleien. Deutsche Geschichtsblätter; fed. 16, 1915. Die ältere Ordensgeschichte behandelt recht eingehend G. R h o d e , Kleine Geschichte

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Polens, 1965, S.52ff., 125ff., 152ff., 190ff. — R. D i e t r i c h , Preußen. Epochen und Probleme seiner Geschichte, 1964, S. 180f. — M. H e l l m a n n , Uber die Grundlagen und die Entstehung des Ordensstaates in Preußen. Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft, Bd. 31, 1962, S. 108—126; ferner dessen Berichte über neuere Arbeiten zur Geschichte des Deutschen Ordens im Hist. Jbdi. Bd. 75 und Bd. 80. — Dazu W. H u b a t s c h in M I Ö G . 1956. — D e r s e l b e , Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens. Bd.5 der Quellensammlung zur Kulturgeschichte, hrsg. von W . T r e u e . — W . H u b a t s c h , Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Deutschordens-Hochmeister und Herzog in Preußen 1490—1568. Heidelberg 1960, Bd. 8 der Studien zur Geschichte Preußens. — D e r s e l b e , Die Staatsbildung des Deutschen Ordens. Preußen und Dt. Orden, Festschrift für Kurt Forstreuter, Würzburg 1958, S. 130 ff. Handbuch der historischen Stätten. Ost- und Westpreußen, hrsg. von E. W e i s e , 1966, mit einem Überblick über die Geschichte des Ordensbundes bis 1445. Zur Geschichte einzelner Balleien und Kommenden: Th. N i e d e r q u e l l , Geschichte der Deutschordensballei Hessen vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis zu ihrer Aufhebung 1809. Diss. Marburg 1954. — K. H o l t h a u s , Die Georgskommende in Münster, eine Niederlassung des D R O , von ihrer Gründung bis zum Westfälischen Frieden. Diss. Münster 1911. — F r . F i s c h e r , Die Kommende Mülheim an der Möhne, eine Niederlassung des dt. Ritterordens von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1809. Diss. Münster 1913. Gehaltvolle Arbeit, gute Übersicht über Verfassung, Größe, Einkommen. — H. N e u , D i e Deutschordenskommende Ramersdorf 1961. — E u g . E w i g , D i e Deutschordenskommende Saarburg. Elsaß-Lothring. Jahrbuch, X X I , 1943, S. 81—126, zeigt vor allem den bedeutenden Landbesitz einer Kommenden auf; nach diesem Beispiel müßten auch die anderen Kommenden behandelt werden. — K. F ö r s t e r , Die wirtschaftliche Lage der Deutsch-Ordensballei Westfalen im 18. Jahrhundert. Diss. Münster 1915, wertvoll durch die genaue Beschreibung der einzelnen Komtureien. — H. S ü d e n d o r f , Die Kommende der Ritter des Deutschen Ordens in Osnabrück. Hannover 1842. — J. H. H e n n e s , Die Kommenden des D . O. in den Balleien Koblenz, Altenbiesen, Westfalen, Lothringen, Österreich, Hessen. Mainz 1878. — E. L e m p f r i e d , Die Deutsdiordens-Komturei Metz. Saargemünd 1887. Nach Hennes umfaßte die Bailei Koblenz 7 Kommenden, wozu auch Muffendorf gehörte, Altenbiesen mit Ramersdorf zählte 13 Kommenden, Westfalen 7, Lothringen 7, Österreich 8 und Hessen 7 Kommenden, darunter das Deutsche Haus in Mainz, das unter Clemens August vollendet wurde; sein Bildnis schmückt den großen Saal des Hauses, das heute dem Landtag von Rheinland-Pfalz als Parlament dient. Zur Beurteilung der Spätzeit des Alten Reiches: W. C o n z e : Die deutsche Nation. Ergebnis der Geschichte. Bd. I der Sammlung, Die deutsche Frage in der Welt, 1963, S. 17 ff. — H. S c h n e e , Grundlegung des Absolutismus im Handbuch der deutschen Geschichte, hrsg. von L. Just, Bd. I I I , Abschnitt 2. — H. R a a b , Clemens Wenzeslaus von Sachsen und seine Zeit (1739—1812). Bd. I, Dynastie, Kirche und Reich im 18. Jahrhundert, 1902, S. 9—21. Die geistlichen Staaten des Reiches, ihr Ruf, ihre Erforschung. S. 22—36, Clemens Wenzeslaus im Urteil seiner Zeit und der Historie. — 2 Zur Verfassung und Organisation: V o i g t , Bd. I, S. 196—242, 461—551; Bd. I I , 17 f., 32 ff. — H. H. H o f m a n n , Die Verfassung des Deutschen Ordens am Ende des Alten Reiches. Ztschr. für Bayr. Landesgeschichte, Bd. 27, 1964, S.340—389. — D e r s e l b e , Der Staat des Deutschmeisters. Studien zu einer Geschichte des Deutschen Ordens im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Bd. I I I der Studien zur Bayr. Verfassungs- und Sozialgeschichte, 1964. — F. F a c i u s, Wirtschaft und Staat. D i e Entwicklung der staatlichen Wirtschaftsverwaltung .in Deutschland vom 17. Jh. bis 1945. Schriften des Bundesarchivs, Bd. 6, 1959, besonders S. 11—38. — D O Z A . W i e n enthält reiches Material zu allen Hoch- und Deutschmeistern. — St.A. L u d w i g s b u r g . B 346 Bü 95 (3) enthält das gedruckte Patent Kaiser

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister Karls Y. für den Deutschmeister Walther von Cronberg als Administrator des Hochmeisters in Preußen. 3 Über Persönlichkeit und Wirken Plettenbergs mehrfach M. B r a u b a c h , Ferdinand von Plettenberg (1690—1737) in: Westfälische Lebensbilder, Bd. I X , 1962, S. 34—51, und: Kurköln, Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, 1949, S.201—215. — E l f r i e d e K i n s k y , Die Außenpolitik des kurkölnischen Ministers Ferdinand von Plettenberg 1723—1733. Diss. Bonn 1956. — M. B r a u b a c h , Politik und Kultur an den geistlichen Fürstenhöfen Westfalens gegen Ende des alten Reiches. Westfälische Zeitschrift, Bd. 105, 1955. — D e r s e l b e , Vom Wesen und Streben Plettenbergs. Annalen des Hist. Vereins für den Niederrhein, Bd. 134, 1939, S. 131—136. — Der Vertrag Plettenberg-Harrach bei L. B i t t n e r , Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge von 1526—1763. B I , 1903, S. 150. Der Vertrag auch in: Materialien zur geist- und weltlichen Statistik des niederrheinischen und westfälischen Kreises und der angrenzenden Länder nebst Nachrichten zum Behuf ihrer älteren Geschichte. Erlangen 1783, S. 229 ff. — Über das Streben der Wittelsbacher an den Rhein vgl. die gehaltvolle Studie von Günther v o n L o j e w s k i , Bayerns Weg nach Köln. Bonner hist. Forschungen, Bd. 21, 1962. — Aufschlußreich die Studie von R. R e i n h a r d t , . Zur Reichskirchenpolitik der Pfalz-Neuburger Dynastie. Hist. Jbch. 1964, S. 118—128. 4 Die Wahl nach H.St.A. D ü s s e l d o r f . Kurköln I I , Nr. 166 (alte Bezeichnung: Kurköln. Erzbischöfe Clemens August, Nr.3). — Geh.St.A. M ü n c h e n . Kasten schwarz, Nr. 1119. Korrespondenz Clemens August mit seinem Bruder Karl Albert. — V o i g t , S.478ff., 491/92. — Elfriede K i n s k y , S.43, nennt irrtümlich den 1. Juli als Wahltag. — B r a u b a c h , Kurköln, S. 206, irrt, wenn er die Wahl im Frühjahr 1732 stattfinden läßt oder am 1. Juli, Westf. Lebensbilder, Bd. I X , 1962, S. 43. — H o f m a n n , Der Staat des Deutschmeisters, S. 289 f. Soweit ich sehe, hat Clemens August nur noch beim zweiten Generalkapitel mit Hoch- und Deutschmeister unterzeichnet. — St.A. L u d w i g s b u r g. B 239/33—37 enthalten in bester Aufzeichnung die Kapitelgesprächsakten und einen kurzen Lebenslauf des verstorbenen Hochmeisters Franz Ludwig. Zahlen nach E. M a s c h k e , S. 249—277. — Korrespondenz mit der Bailei Österreich: D O Z A . W i e n . Interanea Kart. 21—24. Zur Rangordnung jetzt das W e r k F. W o l f f , Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß, 1966. Der St. Orden hat Nr. 11, S. 209. 5 D O Z A . W i e n . Gr. Kap. 733 (1—7), 734. Über das Deutsch-Ordens-ZentralArchiv jetzt Cl. W i e s e r , Das Zentralarchiv des Deutschen Ordens in Wien. In: Archivalische Zeitschrift, Bd. 60, 1964, S. 131—152. 6 V o i g t , I, S.240ff. — StadtA. M e r g e n t h e i m , Aktenkasten L i t . A . Fach Nr. X I I I , Fase. 10. Original mit Siegel, 24 Seiten, 21 Punkte. Nach Voigt wurde Eyb 1750 Landkomtur, nach Hof mann amtierte er seit 1748. 7 D O Z A . W i e n , Gr. Kapitel 735 bis 737. — D O Z A . W i e n , Interanea. Kart. 19/38. — St.A. L u d w i g s b u r g . B 239/Nr.41—42, insbesondere die Punkte 3, 5, 6, 9 und 10 des Programms. 8 D O Z A . W i e n , Interanea. Kart. 21 u. 22. — Ludwig J e d 1 i c k a , Hochund Deutschmeister. 700 Jahre deutsches Soldatentum. A. J. Walter Verlag, Wien und Leipzig, würdigt die Leistungen des Regiments besonders in den Türken- und Revolutionskriegen. 9 D O Z A . W i e n , Interanea. Kart. 22. Wichtiges Quellenmaterial für die Rechtsgeschichte. — St.A. L u d w i g s b u r g . B 241/42 (42i—42 6 ) 1749—1756 enthält die Designation der sämtlichen Ordensritter, Priester und Bedienten, so sich in allen Ordensballeien befinden, eine Fundgrube für die Adels- und Familienforschung. 10 D O Z A . W i e n , Interanea. 26 (2), 26 (3). Kart.22. Verträge mit dem Hause Hohenlohe. — St.A. L u d w i g s b u r g . B 296/Nr. 51 b und 51 c. 11 D O Z A . W i e n , Interanea. Kart.21, 22. Audi über das Archivwesen korrespondiert Clemens August in der Hauptsache mit der Bailei Österreich. Dazu

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Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister

die umsichtige und dankenswerte Studie von K. H. L a m p e , Die Auflösung des Deutschordens-Hauptarchivs zu Mergentheim. Ardiivalische Zeitschrift, Bd. 57, 1961, S. 66—130; und der Aufsatz von Cl. W i e s e r , Das Zentralarchiv des Deutschen Ordens in Wien. Ardiivalische Zeitschrift, 1964, S. 131—152. 12 StadtA. M e r g e n t h e i m , Urkunden 1750. Original mit Siegel. 13 DOZ)A. W i e n . Kart. 504. — D i e h m , S.79ff. 14 St.A. L u d w i g s b u r g . B290, Nr.4. 15 Gaston Graf v o n P e t t e n e g g , Die Urkunden des Deutsch-OrdensGeneral-Archivs zu Wien. I n Regestenform. I. Bd. (1170—1809). Prag und Leipzig 1887, S. 735. 16 Kurkölnischer Hofkalender für das Jahr 1760, S. 103. — St.A. L u d w i g s b u r g , B 241 Nr. 42 (1—6). — Fritz F i s c h e r , D i e Kommende Mülheim a. d. Möhne, eine Niederlassung des deutschen Ritterordens von ihrer Begründung bis zu ihrer Aufhebung im J. 1809. Hildesheim 1913, S. 49 ff.; ferner M a t e r i a l i e n , l.Bd., S. 106—120, 8. Stück. Die Kommende geriet erst durch die Einquartierungen des Siebenjährigen Krieges in Schulden und mußte 1759 auf den 600—700 Morgen betragenden Grundbesitz 10000 f] aufnehmen. 17 Darüber im einzelnen die Bde. I I I , I Y und Y von H. S c h n e e , Die Hoffinanz und der moderne Staat, 1955, 1963, 1965, und die Abhandlungen: Baruch Simon, Ludwig Börnes Großvater, als Hoffaktor an den Fürstenhöfen von Mergentheim und Bonn. Hist. Jbch. 1964 und: Kurfürst Max Franz von Köln als Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens. Bonner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1965. 18 St.A. L u d w i g s b u r g . B 2 8 7 / B 195, eine für die innere Geschichte der Juden wichtige Quelle. B 287/86. B 287/87. 19 St.A. L u d w i g s b u r g . B 287/87 (1—36). — H.St.A. M ü n c h e n . Deutschorden Nr. 199, 391, Fürstensachen Nr. 744, 727 a, 725. Weder in München und Ludwigsburg, noch in D O Z A . Wien konnten Akten über diese bedeutende Anleihe ermittelt werden. 20 S t A . L u d w i g s b u r g . B 287/89. Es handelt sich um Forderungen Noes an den Residenten Isaak Nathan. Vgl. S c h n e e , Hoffinanz, Bd. I V , Kapitel Ansbach, S. 26—34. 21 St.A. L u d w i g s b u r g . B 287/95; B 287/98. — S c h n e e , Hoffinanz, Bd. Y, S. 132 f., Nr. 101, 102, 103. I n den Akten gehen die Bezeichnungen Rtlr. und fl durcheinander. 22 Über Isaak und seine Familie S c h n e e , Hoffinanz, I I I , S. 45 f.; I Y , S. 188 ff.; Y, S. 132 f. 23 St.A. L u d w i g s b u r g . B 287/85; B 287/86. B 342a75 enthält ein Reskript der Regierung von Mergentheim vom 15. Oktober 1748 an das Amt Neckarsulm wegen „Gestattung der Erkaufung und Koscherung des Mostes für dortige Judenschaft" auf Klage von Nathan und Abraham Marum Levi. 24 H. S c h n e e , Baruch Simon, Ludwig Börnes Großvater, als Hoffaktor an den Fürstenhöfen von Mergentheim und Bonn. Hist. Jbch. 1964, S. 352 bis 381, gibt ein ausführliches Lebensbild, erweitert in diesem Band durch neue Tatsachen. 25 Bauwesen unter Clemens August: E m i l R a u p p , Die Bautätigkeit des deutschen Ritterordens in seiner ehemaligen Residenzstadt Mergentheim unter besonderer Berücksichtigung des Ordensschlosses. Diss. T H Stuttgart, 1947. — H. K 1 a i b e r , Das Hoch- und Deutschmeisterschloß zu Mergentheim. Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst, 1912, S.4—27. — W. P. F u c h s , Die Deutschmeister-Schloßkirche zu Mergentheim und ihre Baumeister. Monatshefte für Kunstwissenschaft, 10, 1917, S. 200—206. — G. S. Graf A d e l m a n n , Der Deutsche Ritterorden zur Zeit Clemens Augusts. Dessen Tätigkeit als Hochmeister. In: Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jhs. Ausstellung in Schloß Augustusburg zu Brühl, 1961. — DOZA. W i e n , Interanea. Kart. 21 und 22. — H. H. B r e u e r , Clemens August in Osnabrück. Ausstellungskatalog, S.34. — E. R e n a r d , Clemens

Kurfürst Clemens August von Köln als Hoch- und Deutschmeister August, Kurfürst von Köln. Ein rheinischer Mäzen und Weidmann des 18. Jhs. 1927. — A. S c h l e g e l , Die Baugeschichte des Mainzer Deutschordenshauses. Mainzer Zeitschrift, Bd. 56/57, 1961/62, S. 1—54. Schlegel gesteht Clemens August allerdings keinen Anteil am Bau der Mainzer Kommende zu. Bauherr sei vielmehr der Komtur Graf von Satzenhofen gewesen. — K. H e c k , Der Deutsche Ritterorden mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte seiner Niederlassung in Mergentheim. Mergentheim o. J., S. 46 ff. 26 Geh.StuA. M ü n c h e n . Ksdi. Nr. 1137. — St.A. O s n a b r ü c k . Rep. 124a. Rep. 101 b. Nr. 574. 1 a. Rep. 100 Abschn. 338 b Nr. 12. 27 M. B r a u b a c h , Clemens August, Versuch eines Itinerars, S.64ff., des Ausstellungskataloges, 1961. — D e r s e l b e , Die vier letzten Kurfürsten von Köln, 1931, S. 41—78. — A. B e r t r a m , Die Bischöfe von Hildesheim, 1896, urteilt günstig über Clemens August, S. 219—234. 28 H. H. H o f m a n n , Der Staat des Deutschmeisters, S. 449. 29 Über die Familie Roll vgl. B r a u b a c h , Kurköln, S. 217—235, und Annalen des hist. Vereins für den Niederrhein, Bd. 131, 1937. Dem Landkomtur Roll von Koblenz riet Clemens ^August a n * 9. M a i 1756, sein Haus in der Josephstraße mit lVt Morgen Weingarten zu verkaufen und sich dafür ein Gut zu kaufen, da er vom Meistbietenden 9000 fl erwarten könne. — D O Z A . W i e n , Interanea. Kart. 22. Das Zitat ebenda. Den Tod des Hochmeisters meldeten Roll, Belderbusch und Christoph von Breuning nach Mergentheim am 7. Februar 1761 aus Bonn. Vor einigen Jahren hat der Gemeinderat von Bad Mergentheim beschlossen, den neuen Straßen im sogenannten Weberdorf die Namen von Hoch- und Deutschmeistern zu geben. I m neuen Stadtplan sind sie aufgeführt. Mitteilung des Mergentheimer Archivars F r a n z D i e h m an den Verfasser. Ihm verdanken wir die Geschichte der Stadt Bad Mergentheim 1963.

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier und Steuereinnehmer des Kurfürsten Clemens August Neben den Mitgliedern der Familie Baruch waren i n K u r k ö l n mehrere Angehörige der weitverzweigten Familie Oppenheimer als Hoffaktoren tätig, unter ihnen als der weitaus bedeutendste der Kammeragent H e r s c h e l I s a a k O p p e n h e i m e r , dessen W i r k e n hier geschildert werden soll 1 . Herschel Isaak Oppenheimer war der Sohn des I s a a k N a t h a n O p p e n h e i m e r i n Wien, der wiederum ein Stiefsohn S i m s o n W e r t h e i m e r s , des großen Hoffinanziers der Habsburger, gewesen ist. Er gehörte dem aus Heidelberg nach W i e n gezogenen Zweige der Familie Oppenheimer an, der sich von Österreich aus i n Hannover und Hildesheim ausbreitete und dessen Mitglieder von dort aus als Hoffaktoren der Weifen, der Bischöfe von Hildesheim, Münster und des Erzbischofs von K ö l n tätig waren 2 . Herschel Isaak Oppenheimer war m i t Gnendel verheiratet, einer Tochter des kaiserlichen Faktors J o s e p h D a v i d O p p e n h e i m e r , der nach seiner Wirksamkeit als Rabbiner der großen jüdischen Gemeinde Holleschau i n Mähren sich i n Hannover als Juwelenhändler und Geldverleiher niedergelassen hatte. I n Hannover w i r k t e bereits sein Vater D a v i d O p p e n h e i m als Agent seines Schwiegervaters L e f f m a n n B e h r e n s , des größten Hofbankiers der Weifen 3 . Daß schon mehrere Mitglieder der Familie i n Hannover tätig waren, mag für Herschel Isaak Oppenheimer der G r u n d gewesen sein, sich i n Hildesheim niederzulassen. D a er m i t den großen Kapitalisten jener Zeit, den Oppenheimer u n d Wertheimer i n Wien, den Familien Behrens i n Hannover und Lehmann i n Halberstadt, i n verwandtschaftlichen Beziehungen stand, war er wirtschaftlich i n der Lage, nach seiner Niederlassung i n Hildesheim selber eine einflußreiche Rolle als Rabbiner, Hofbankier von K u r k ö l n , Heereslieferant von Münster und Kammeragent von Hildesheim zu spielen. Betrachten w i r seine Tätigkeit i m einzelnen. Herschel Isaak Oppenheimer stand i n seiner Eigenschaft als Hildesheimer Kammeragent i n den Diensten des Kurfürsten Clemens August, der aus dem K a m p f um den Hildesheimer Bischofssitz als Sieger hervorgegangen war. Einen kurkölnischen T i t e l hat dieses M i t glied der Familie Oppenheimer nicht geführt. „Unser Hildesheimer Kammeragent" w i r d Herschel Isaak Oppenheimer stets von dem

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier

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Kurfürsten genannt. Der Kammeragent arbeitete während des Siebenjährigen Krieges m i t den Hoffaktoren Baruch Simon, den beiden Gundersheim — Vater und Sohn — und M i c h a e l M e y e r B r e s l a u e r zusammen als Heereslieferant für das Bistum Münster und als Fouragelieferant für französische Truppen i n Hannover; diese Lieferungsgeschäfte brachten i h m zwar beträchtliche Gewinne ein, doch lag die Haupttätigkeit des Kammeragenten i n Finanzunternehmun-

gen. I n weit stärkerem Maße als Baruch Simon wurde er Hofbankier. I n dieser Eigenschaft ist er bereits seit den dreißiger Jahren tätig. Vor i h m beherrschten als christliche Finanziers der evangelische K ö l ner Bankherr Gerhard von Meinertshagen und der kurkölnische Generalsteuereinnehmer von Geyr das Feld, die beide sehr kapitalkräftig waren. A n den Finanzoperationen Meinershagens hatte auch der Wiener Hoffaktor Wertheimer einen bedeutenden Anteil, der zum Beispiel 1729 Wechsel i n Höhe von 175 000 Rtlr. an i h n übersandte. Der Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer verdrängte zunächst kleinere jüdische Geldwechsler aus dem Geschäft; dann verstand er es, sich i n die größeren Finanzoperationen des Kurfürsten einzuschalten. Aber Meinertshagen konnte er nicht verdrängen; Oppenheimer arbeitete daher m i t i h m zusammen. Der Kammeragent hatte von Clemens August den Auftrag, i n den Bistümern die an K ö l n abzuführenden Gelder einzuziehen. A u f Oppenheimers Ordre wurden sie zumeist i n K ö l n durch Meinertshagen ausbezahlt. Die Einnahmen daraus beliefen sich für jeden auf jährlich mehrere tausend Taler. I m Jahre 1736 wurden zum erstenmal Hildesheimer Subsidien in Höhe von 10 000 Rtlr. auf Oppenheimers Ordre in K ö l n durch Herrn Copell aus Bonn ausgezahlt. Copell war auch noch später als Agent des Hofbankiers tätig und zahlte i n dessen A u f t r a g Gelder in Bonn oder K ö l n aus. Weitere Zahlungen erfolgten 1736 noch mehrfach auf Oppenheimers Ordre durch Sebastian Jansens Erben und Soldner in Köln. Die Subsidien und andere Gelder aus Hildesheim wurden meist durch den Kammeragenten eingezogen und abgeliefert, i m Bistum Osnabrück dagegen dominierte Meinertshagen. I m Jahre 1742 betrugen die Subsidien aus Hildesheim allein 40 000 Rtlr.; davon wurden 10 000 Rtlr. nach Frankfurt/M. überwiesen, 10 000 zahlte Copell i n K ö l n bar aus, die dritte u n d vierte Rate dagegen Meinertshagen. Außerdem kassierte der Kammeragent noch 6051 Rtlr. Guardegelder und ließ sie ebenfalls durch Meinertshagen auszahlen. I m gleichen Jahr zog der Kölner Bankier jedoch 109 500 Rtlr. ein, i n Münster an Subsidien- und Guardegeldern 18 266 Rtlr. Meinertshagen verstand es demnach, seine Stellung neben Oppen4 Schnee, Hoffinanz VI

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier heimer zu behaupten. Auch aus Hildesheim zog gelegentlich der Kölner Bankier Quartalsgelder ein, so 1743 das erste bis dritte Quartal, während Oppenheimer nur das vierte Quartal zufiel. Von den i m gleichen Jahre bewilligten „Gratuita-Geldern" i n Höhe von 20 000 Rtlr. wurden 15 000 auf Oppenheimer assigniert, den Reist lieferte Meinershagen ab. I m Osnabrück dagegen wurden von der Gesamtsumme von 100 000 Rtlr. i n jenem Jahre Oppenheimer nur 18 260 Rtlr. zugewiesen; alles andere zog Meinertshagen ein. Auch von den Osnabrücker Kammergeldern i m Betrage von 4293 Rtlr. entfielen auf O p penheimer nur 1293 Rtlr. 1744 zog der Kammeragent aus Hildesheim nicht weniger als 80 846 Rtlr. und 50 Stüber ein, dazu aus Münster 36000 Rtlr. und aus Osnabrück noch 109 400 Rtlr. Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf 276 504 Rtlr. 52 Stüber; von dieser Summe gingen in jenem Jahr durch Oppenheimers Kasse allein 226 246 Rtlr. 50 Stüber. Die nächsten Jahre zeigten folgendes B i l d : 1745:

Oppenheimer liefert an Hildesheimer Geldern

36 166 + 41 846 300 Summe = 78 312

Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr.

71 300 76 500 9 000 136 800 48 000 600 51 000 99 600 120000 52 212 4 500 56 712 110 323 3 750 114 073 206 073

Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr. Rtlr.

Meinertshagen liefert an Osnabrücker Geldern Summe = 1746: Oppenheimer aus Hildesheim Summe = Meinertshagen aus Osnabrück 1747: Oppenheimer aus Hildesheim Summe = Meinertshagen aus Osnabrück Summe = Die Gesamteinnahmen betrugen Auch i n den folgenden

50

Stüber

50

Stüber

45%Stüber 45%Stüber

1 Vi Stüber

IV2 Stüber

45%Stüber

Jahren w a r die von Meinertshagen abge-

lieferte Summe durchweg größer als die Zahlungen Oppenheianers; 1748 zog der Kammeragent i m Bistum Hildesheim 82 438 Rtlr. 183/4 Stbr. ein, Meinertshagen dagegen i n Osnabrück 130 502 Rtlr. 19V 2 Stbr. 1749 war das Verhältnis 52 799 und 102 382 Rtlr. 45 Stbr. 1750 beliefen sich die Summen auf 50 031 Rtlr. 48V 2 Stbr. und 89 677 Rtlr. 27 Stbr. Das Jahr 1750 war ein besonders gutes Jahr für den Kammeragenten; denn Meinertshagen w i r d nicht genannt, u n d Oppenheimer zog allein an Subsiidien ein: 97 537 Rtlr. 50 Stbr.

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier

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+ 76901 Rtlr. 56V 2 Stbr. + 56 261 Rtlr. 51 Stbr., das sind rund 230 000 Rtlr. Die Jahre 1744 bis 1750 waren für den Kammeragenten die ertragreichsten. 1751 kommt Oppenheimer wieder allein vor, jedoch nur m i t der kleinen Summe von 16 650 Rtlr. I m allgemeinen entfiel auf Meinertshagen der größere Anteil. Als Unteragent w a r bei diesen Transaktionen noch der „Böhmische Jud" Meyer Cassel beteiligt 4 . Aber nicht nur die landstänidischen Gelder der Bistümer gingen zu einem großen T e i l durch die Kassen des Hofbankiers; auch die Überm i t t l u n g ausländischer Subsidien erfolgte mehrfach durch den Hildesheimer Kammeragenten. 1744 übermittelte er 280 000 Rtlr. ausländische Subsidien; während des österreichischen Erbfolgekrieges w a r Oppenheimer als Agent zwischen dem Kurfürsten u n d seinem Gesandten Baron von Hainmerstein i m Haag tätig. 1750 transferierte er aus Österreich 32 000 Rtlr. und aus Holland 195 000 Rtlr. A m 23. Februar 1750 hatte Clemens August m i t H o l l a n d u n d England einen Subsidienvertrag abgeschlossen, der die beiden Seemächte zur jährlichen Zahlung von je 200 000 Gulden verpflichtete. Als Gegenleistung sollte der Kurfürst von K ö l n die holländische u n d die englische P o l i t i k i m Reich unterstützen. F ü r die Zahlung der Subsidien erhielt der Kammeragent von Clemens August u n d seinen Räten Wolff Metternich und Föller aus Neuhaus die Anweisung: „Par le présent nous donnons à notre Agent de la Chambre Herschel Isaac Oppenheimer, v û à son ordre, le plainpouvoir de toucher les subsides stipulés, et qui nous reviennent, par u n traité fait aujourd'huy avec sa Majesté Britannique, Electeur de Hannovre, et leurs Hautes Puissances les Etats généraux quatre ans consécutifs directement de la Trésorerie d'Angleterre ou celle de Hollande contre la quittance ou celle de son ordre, et de porter les argents touchés à compte à notre Finance." Clemens August trat jedoch schon 1751 auf Frankreichs Seite 5 . Weiterhin erfolgte durch Herschel Isaak Oppenheimer die Versendung der i n den Münzstätten zu Hildesheim u n d Münster ausgeschlagenen Stüber nach Bonn, u n d für Reparaturen der Münze zu Münster streckte er 478 Rtlr. 17 Stüber vor. Während des Siebenjährigen Krieges, 1758, nahmen auch die Landstände von Münster seinen K r e d i t in Anspruch und wünschten ausdrücklich die Lieferung „ i n schlechtesten Münzsorten". Glaubensgenossen u n d Kaufleuten, die Lieferungen getätigt hatten, leistete der Hofbankier nicht selten Vorschußzahlungen, die allerdings nicht erheblich waren 6 . Auch reine Darlehen gewährte der Kammeragent, so lieh er Clemens August von 1750 bis 1752 i n zwei Raten die stattliche Summe von 80 000 Rtlr.; davon dienten 30 000 Taler für die Erwerbung der 4*

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier Herrschaft Keldenich. A m 11. November 1751 stellte der Kurfürst darüber seinem „Hochstift Hildesheimischen Kammer agenten" Oppenheimer eine Obligation aus, wonach diese 30 000 Rtlr. als Spezialhypothek auf die Herrlichkeit Keldenich eingetragen wurden. Das K a p i t a l war m i t 5 Vo zu verzinsen und konnte vom Kurfürsten nach vorhergegangener halbjährlicher Kündigung zurückgezahlt werden. Die Obligation ist, wie die Beamten bei der Nachlafiregelung feststellen konnten, vom Kurfürsten i n Raten zurückgezahlt worden. Auch die Fortführung kurfürstlicher Bauten ermöglichte der Kammeragent durch entsprechende Vorschüsse; so zahlte er z. B. 1750 nacheinander folgende Summen für das Bauwesen: erst 6000 Rtlr., dann viermal 3000 Rtlr., zusammen i n einem Jahre 18 000 Rtlr. Der Hofbankier war zugleich H u f j u w e l i e r und Hoflieferant; seine Geschäfte waren recht vielseitig. Er lieferte Juwelen, beträchtliche Mengen Wachskerzen, Tabakwaren und einmal sogar Tauben aus Hamburg. 1754 empfing er für 6728 Wachslichter nach und nach 1708 Rtlr. 32V2 Stüber, 2098 Rtlr. 26 Stüber und 3853 Rtlr. 34V 4 Stüber. 1756 lieferte er für 2677 Rtlr. 40 Stüber Wachs. Dem päpstlichen Nuntius mußte der Kammeragent einen Brillanten besorgen, den er dem Kurfürsten m i t 3016 Rtlr. i n Rechnung setzte. Oppenheimer genoß wie Baruch Simon das volle Vertrauen des Kurfürsten Clemens August, obwohl 1759 gegen den Hafbankier die Beschuldigung erhoben wurde, daß er kurfürstliche Einkünfte widerrechtlich erhoben und sie dazu benutzt hätte, um damit Lieferungen an englische Truppen zu finanzieren. Oppenheimers Tätigkeit i n kurkölnischen Diensten erstreckt sich auf etwa zweieinhalb Jahrzehnte. ALs er abtrat, war der Weg frei für die Monopolstellung Baruch Simons. Bemerkenswert an der kurkölnischen Institution des Hoffaktorentums ist, daß i m Bankgeschäft die Hoffaktoren die christlichen Bankiers nicht verdrängen konnten. I m Hofgeschäft waren zwar die christlichen Kaufleute ausgeschaltet worden, als kurfürstlicher Bankier behauptete sich jedoch Meinertshagen, und Herschel Isaak Oppenheimer mußte sich in K ö l n mit dem zweiten Platz begnügen. Es gelang dem Kammeragenten nicht, als Hof finanzier eine ähnliche Position zu erringen wie die Hoffaktoren Lehmann und Meyer i n Dresden am Hofe Augusts des Starken, die Behrens und D a v i d i n Hannover und Braunschweig oder die Familie Gomperz i n Preußen. W a n n i h n Clemens August zum Kammeragenten ernannt hat, ließ sich nicht mehr feststellen. Eine Ernennungsurkunde konnte bisher nicht aufgefunden werden; aber i n den Hofkammer-Rechnungen erscheint Oppenheimer 1736/37 zum erstenmal m i t der Amtsbezeichnung „Kammeragent". A m 12. Januar u n d 7. Juli übermachte der Kammer-

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als H o f b a n k i e r 5 3 agent je 10 000 Rtlr. nach Köln, am 10. September die gleiche Summe, am 26. Dezember 800 Taler. D a m i t setzten die regelmäßigen Überweisungen der Hildesheimer Einkünfte an Clemens August ein. Oppenheimer muß demnach 1736 zum Kammeragenten ernannt worden sein; denn 1735 erfolgte die Zahlung der Judenschaftsgelder noch nach der Einschätzung des „Rabbiners" Oppenheimer. Wahrscheinlich ist Herschel Isaak Oppenheimer durch seinen Verwandten, den berühmten Joseph Süß Oppenheimer, i n das Hildesheimer A m t gekommen; denn am 28. Juni 1735 wurden auf kurfürstlichen Befehl aus der Hildesheimer Kammerkasse an den Kammeragenten und Württembergischen Residenten Joseph Süß Oppenheimer 10 000 Rtlr. Übermacht. Die Zahlung konnte auch an dessen Sachwalter i n Hildesheim, Schneckers W i t w e , erfolgen, die vorher den Kölner Bankier Meinertshagen vertreten hatte. Herschel Isaak Oppenheimer erreichte nach einigen Jahren i n Hildesheim sogar eine ähnliche Stellung wie sein Verwandter i n Württemberg; denn durch kurfürstliches Dekret vom 26. August 1743 wurde dem bisherigen Hofkämmerer Thomnyenhus die Kammerrezeptur abgenommen und der Hofkammeragent Herschel Isaak Oppenheimer auch zum Kammerrezeptor ernannt. Die Register und Bücher mußten i h m ausgehändigt werden; alle Rezeptoren der einzelnen Ämter wurden i h m unterstellt; der damals seltene F a l l trat ein, daß ein jüdischer Beamter Vorgesetzter christlicher Untergebener wurde. Als Kammerrezeptor bekleidete Oppenheimer eine sehr einflußreiche Stellung. Zu den Amtspflichten des Kammerrezeptors gehörte es, alle Staatseinnahmen einzuziehen, die Gehälter und Pensionen, die Armengelder usw. auszuzahlen und die Einkünfte des Bischofs nach K ö l n oder Bonn zu überweisen. F ü r die Einziehung der Staatseinnahmen erhielt Oppenheimer i n der Regel IV2 für die Überweisung der Gelder an den Kurfürsten außerdem noch 1 Vo Provision. Der tatsächlichen Stellung nach war Herschel Isaak Oppenheimer der F i nanzminister des Kurfürsten Clemens August i n Hildesheim, wie es ein Jahrzehnt vorher Joseph Süß Oppenheimer i n Württemberg gewesen war. Bis zu seinem Tode i m Jahre 1762, also rund zwanzig Jahre, hat Oppenheimer diese Stelle bekleidet und sich unangefochten behaupten können. Das w i l l für die damalige Zeit etwas heißen. A l l e Gelder gingen durch Oppenheimers Kasse. I n seiner Abwesenheit, besonders wenn er i n K u r k ö l n persönlich tätig war, führte die Kammeragentin die Geschäfte u n d auch die Bücher, u n d selbst nach dem Tode ihres Mannes hat die Kammeragentin noch eine Zeitlang die Geschäfte der Kammerrezeptur geführt. Herschel Isaak Oppenheimer war durch Clemens August i n eine Stellung gelangt, wie sie bis dahin kein Hofjude an norddeutschen Fürstenhöfen bekleidet hatte. N u r ein

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier Mitglied der Hoffaktorenfamilie Gomperz hatte es i n Kleve zum Steuereinnehmer gebracht, weiter reichten jedoch seine Befugnisse nicht. Außer der Provision von iVa^/o für die Einziehung der Gelder und von 1 °/o für ihre Überweisung erhielt Oppenheimer kein besonderes Gehalt. Von 1759 an zahlte sich jedoch der Kammerrezeptor die i h m als „Kammeragenten gnädigst zugelegten Reisekosten" i n Höhe von 200 Rtlr. aus, die nach seinem Tode zunächst auch seine W i t w e bezog. Als während des Siebenjährigen Krieges Hildesheim eine hannoversche Besatzung erhielt und dem Stift Kontributionen auferlegt wurden, hielten sich die Gegner an die Kammeragentin, welche die Zahlungen leisten mußte. Es waren 'beträchtliche Summen, die abgeführt wurden. Nach dem Kriege zog 1763/64 die Kammeragentin noch die Einnahmegelder der „verwilligten Subsidia Charitativa" ein, dann übernahm der Hofkämmerer M e l l i n die Geschäfte. Noch einige Züge mögen die Stellung des Hoffaktors Oppenheimer kennzeichnen. Als 1735 die unvergleiteten Juden, also jene, die keinen Schutzbrief besaßen, aufgefordert wurden, innerhalb eines halben Jahres das Stift zu verlassen, konnte der Kammeragent i m nächsten Jahre die Aufhebung der Ausweisung erreichen. I m Jahre 1741 setzte er sich als Prinzipalvorsteher der Juden, gleichfalls m i t Erfolg, für die Sarstedter Glaubensgenossen ein, als diese von den Fleischhauern der Stadt verklagt wurden. I n seiner Eingabe an den Landesherrn nannte der Hoffaktor das Schreiben der Schlächter „verächtlich dahergeschmiert" u n d erklärte: „ W e n n aber die Schlachter nuhr bei ein oder andere Höfe gewesen wären, würden sie nicht so einfältig raisonieren, sintemahlen fast kein Fürst oder Potentat i m teutschen Reich anzutreffen, so nicht seinen H o f j u d e n hat, welcher jederzeit, nicht aber ein Knochenhauer, ein entrée hat, die Juden auch täglich m i t Privilegiis, j a sogar monopoliis begnadigt werden, wohlfolglich fällt das P r i n z i p i u m : D i e Juden hätten die gnade des Landesherrn nicht, wie andere Untertanen, auf einmal übern Hauffen." Dieses Schreiben ist charakteristisch für die Institution des Hofjudentumis an deutschen Fürstenhöfen i m Zeitalter des Absolutismus. Oppenheimers Behauptung, daß jeder Fürst i n deutschen Landen seinen H o f j u d e n halte, der jederzeit Z u t r i t t habe, ist zutreffend, wie unsere Forschungen zur Geschichte der Hoffaktoren bestätigen können 7 . Als Maria Theresia i n der Drangsal des zweiten Schlesischen Krieges, erbittert über die Hilfe, die K ö n i g Friedrich I I . von Preußen nach ihrer Meinung von jüdischen Lieferanten u n d Spionen erhielt, die Ausweisung aller Juden aus Böhmen verfügte, verwandte sich

Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier

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Clemens August auf Bitten seines Kammeragenten Oppenheimer durch seinen Gesandten 1745 in Prag sehr warm für die Juden. Herschel Isaak Oppenheimer stand während des österreichischen Erbfolgekrieges auch i n den Diensten von Bayern, was weiter nicht überraschend ist; denn Clemens August war j a der Bruder des K u r fürsten von Bayern. Der Rabbiner und Kammeragent lieferte 1742 zur Aufrüstung des Taxischen Regiments 200 Pferde. Doch kam Oppenheiimer erst während des Siebenjährigen Krieges richtig ins Lieferungsgeschäft. Auch Oppenheimers W i t w e legte Wert auf ihre privilegierte Sonderstellung innerhalb der Judenschaft. Als sich der Rat der Stadt Hildesheim während des Siebenjährigen Krieges genötigt sah, den Juden eine Kontribution von 800 Rtlr. aufzuerlegen, erklärte Gnendel Oppenheimer, daß sie als „Kurfürstliche Bediente" von solchen Zahlungen befreit sei; sie zahlte als privilegierte H o f j ü d i n i n der Tat auch nichts 8 . Trotz der umfangreichen und weitverzweigten Geschäfte als Hofbankier, Heereslieferant, Hofmünzer, Hofjuwelier und Kammerrezeptor brach auch das Unternehmen Oppenheimers gegen Ende seines Lebens zusammen wie die Firmen so vieler Hoffinanziers im 17. und 18. Jahrhundert. Auch Oppenheimer machte schließlich Bankerott, und d a Clemens August bald darauf starb, so wurde sein Kammeragent nicht zur Verantwortung gezogen. Oppenheimer folgte dem Kurfürsten bald i m Tode nach; seine W i t w e Gnendel ließ durch ihre Advokaten nachweisen, daß aus dem Nachlaß nichts mehr zu holen w a r 9 . Ihre Erbschaftsansprüche an die Krone Englands konnte die Kammeragentin nicht durchsetzen; hier handelte es sich u m Forderungen ihres Urgroßvaters Leff mann Behrens i n Höhe von 149 997 „ R i x d o l lars", die aus Finanzoperationen m i t dem Bischof von Münster herrührten. Die Angelegenheit war nicht erledigt worden, so daß die Summe i m 19. Jahrhundert auf mehr als eine M i l l i o n Taler anstieg. A m 5. August 1824 machten die Behörden von Hildesheim noch einmal den Versuch, der Kammeragentin als E r b i n den ihr zukommenden Anteil, V» der Summe, zu verschaffen. D i e Regierung von Hannover unterstützte aufs wärmste diese Ansprüche und betonte i n ihren Eingaben an Englands Außenminister Ganning noch ausdrücklich, daß es sich um Ansprüche von Untertanen des Königreichs Hannover handele, zweifellos i n der Hoffnung, daß dann die Angelegenheit m i t größerem Wohlwollen behandelt würde. Doch alle Bemühungen der hannoverschen Behörden blieben erfolglos. Die letzte englische A n t wort an Hannover vom 14. M a i 1828 enthielt den Bescheid, daß die

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Kammeragent Herschel Isaak Oppenheimer als Hofbankier

D o k u m e n t e d u r c h F e u e r z e r s t ö r t w o r d e n seien, d a h e r d i e A n s p r ü c h e endgültig abgelehnt

würden10.

Z u m Schluß sei b e t o n t , d a ß H e r s c h e l I s a a k O p p e n h e i m e r i n H i l d e s h e i m , Joseph Süß O p p e n h e i m e r i n S t u t t g a r t , B a r u c h S i m o n i n B o n n ohne Z w e i f e l z u j e n e n H o f f a k t o r e n g e r e d i n e t w e r d e n müssen, d i e a n i h r e n H ö f e n d i e S t e l l u n g eines B e a m t e n b e k l e i d e t e n u n d ö f f e n t liche F u n k t i o n e n a u s ü b t e n . N i c h t z u s t i m m e n k a n n d a h e r d e r V e r f a s ser, w e n n J. K a t z m e i n t : „ H . Schnee c e r t a i n l y does n o t j u s t i c e t o t h e C o u r t Jew. H e w o u l d saddle h i m w i t h t h e r e s p o n s i b i l i t i e s o f a p u b l i c s e r v a n t w h o is u n d e r a n o b l i g a t i o n t o c u r b h i s masters e x t r a v a g a n c e s . B u t the position of the C o u r t Jew was v e r y far f r o m i m p o s i n g u p o n h i m the duties of a servant of the p u b l i c 1 1 . "

Quellen und Literatur 1

Nach den Akten der Staatsarchive Düsseldorf, Münster, Hannover, Stuttgart und des Stadtarchivs Hildesheim. 2 St.A. H a n n o v e r . Hildesheim I. V I I I , 51.AbsdinittI Nr.23. Calenberg 23. IX. Nr. 56. Hannover 93, 23 Nr. 20. 3 Über Leffmann Behrens vgl. H. S c h n e e , Der Hof- und Kammeragent Leffmann Behrens als Hoffinanzier der Weifen (Niedersächsisches Jahrbuch f. Landesgeschichte, 1951, S. 116 ff). 4 St.A. H a n n o v e r . Hildesheim I. 26. Teil Abschnitt I Nr. 31 a. — H.St.A. D ü s s e l d o r f . K u r k ö l n V I I , Kriegsakten Nr. 199, II.Vertrag vom 27. Juli 1757. 5 M. B r a u b a c h , Politisch-Militärische Verträge zwischen den Fürstbischöfen von Münster und den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande im 18. Jh. Westfälische Zeitschrift 91, 1935, S. 150ff. — H.St.A. D ü s s e l d o r f . Kurkölnisdie Kriegsakten. Nr. 158 Vs. 6 St.A. M i i n s t e r , Rep. 74 b. — E. A. W u e r s t , Die Münzen und Medaillen Bonns, Bonn 1868, ist leider keine Münzgeschichte, verzeichnet nur die Münzen, die zu Ehren bestimmter Persönlichkeiten geschlagen wurden. — St.A. M ü n s t e r . Landtagsprotokolle, 4. Juni 1758. 7 St.A. H a n n o v e r , Hildesheim 7, S.474. 8 St.A. H a n n o v e r , Hildesheim 7, 0, Nr.20. 9 St.A. H a n n o v e r , Hildesheim 7, 0, Nr. 20. 10 St.A. H a n n o v e r , Hannover 92, B. Nr.26, B. 1—43. — Stadt-A. H i l d e s h e i m. Abtlg. L X X X I V , Nr. 109. 11 J. K a t z , Exclusiveness and Tolerance. Studies in Jewish gentile relations in Medieval and modern times. Oxford 1961, S. 156 ff.

Kurfürst Clemens August, die Schreiberin und der Geheime Finanzrat Joseph Süß Oppenheimer M a x Braubach, der Erforscher und Geschichtsschreiber der letzten Jahrhunderte von K u r k ö l n , hat auch gezeigt, welche Rolle die Frauen am kurkölnischen Hofe gespielt haben; ausführlich hat er geschildert, welche Bedeutung sie im Leben der Erzbischöfe hatten, besonders in der glanzvollen Regierungszeit des Wittelsbachers Clemens August. Er hat auch darauf hingewiesen, daß i n den 30er Jahren seiner Regierung i n Berichten des kaiserlichen Residenten Hermann Werner Bossart von „der bekannten Madame sogenannten Schreiberin" die Rede sei, die i n dem Feldlager, das Clemens August i m Sommer 1734 bei Plittersdorf bezog, angeblich i n der Nähe des kurfürstlichen Zeltes „ k a m p i e r t " habe. I m Jahre 1738 berichtete dann Bossart aus Köln, daß die „bekannte Madame sogenannte Schreiberin allhier aufgehoben worden und zu einem Kloster, wie man meint ad dies vitae, hingebracht worden und hat dabei verlautet, daß bei etwaigen Widersetz ungsfall der kurfürstliche Beichtvater jedoch per tertium hiesiges städtisches Gewaltamt u m H ü l f imploiieren lassen, welches auch darum wohl geschehen indessen sie sich der Entführung wirklich widersetzen wolle". Braubach vermerkt dazu, daß w i r nicht wissen, welches der G r u n d für dieses auffallende Vorgehen gewesen sei. Den genauen Grund kennen w i r auch heute nicht, aber was Bossart berichtet, stimmt i m K e r n der Sache. 1734 stand die Schreiber in i n besonderer Gunst bei Clemens August, aber nicht erst 1738, schon viel früher, 1735, war das Glück zu Ende, und es traf auch zu, daß die Schreiberin ein Kloster aufsuchen mußte, jedoch nur vorübergehend. Neu aufgefundene Quellen i n den Staatsarchiven Stuttgart und Osnabrück und i n den Stadtarchiven F r a n k f u r t / M . und Bonn versetzen uns i n die Lage, ausführlich über diese Favoritin des Kurfürsten Clemens August zu berichten 1 . A m umfangreichsten ist das Quellenmaterial, welches das Hauptstaatsarchiv Stuttgart über die Schreiberin besitzt; aber die Personalien sind dort völlig durcheinander geraten, da den Beamten selber verschiedene Angaben gemacht wurden, so daß sie schier i n Verzweiflung gerieten und schließlich nicht recht wußten, m i t wem sie es zu t u n hatten, m i t einer Frau Schreiber oder der Baronin von Schade, und C a r l Joseph Schreiber kommt i n den Stuttgarter A k t e n als ihr

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Clemens August, die Schreiberin und Süß Oppenheimer

Bruder vor, der doch ihr Ehemann war. Die Quellen i m Stadtarchiv F r a n k f u r t und i m Staatsarchiv Osnabrück klären aber die Personalien insoweit, daß w i r wissen, es handelte sich u m eine Freiin von Schade, die m i t C a r l Joseph Franz Schreiber, kurfürstlichem Kammerdiener und Schloßverwalter von Osnabrück, verheiratet war, sich aber gern i n ihren Schreiben als Baronin oder Freifrau von Schade unterzeichnete, vielleicht aus dem Gefühl, daß ihre Ehe m i t dem bürgerlichen Schreiber nicht standesgemäß war. I n Frankfurt/M. und Stuttgart kam der „ F a l l Schade" zur Sprache und damit i n die Akten, als nach dem plötzlichen Tode des Herzogs K a r l Alexander von Württemberg im Jahre 1737 sein Günstling, der Geheime Finanzrat und Resident Joseph S ü ß O p p e n h e i m e r , verhaftet u n d vor Gericht gestellt wurde. Als die Gerichtskommission, zu deren Mitgliedern auch die Professoren D r . Harpprecht und D r . Schöpff von der Tübinger Juristenfakultät gehörten, die Beziehungen des Hoffaktors zu Frauen untersuchte, wollte die Kommission wissen, von welcher Beschaffenheit die Beziehungen zwischen F r a u von Schade und dem Geheimrat gewesen 9eien, da diese Dame seinetwegen kürzlich i n F r a n k f u r t i n Arrest gekommen w a r 2 . Nach Oppenheimers Aussagen vor der Untersuchungskommission hatte Johanna Christina Schreiber, geborene F r e i i n von Schade, beim Kurfürsten Clemens August „ i n hohen Gnaden* 4 gestanden und war von i h m reich beschenkt worden, vor allem m i t Juwelen und Effekten, die Oppenheimer, der auch kurkölnischer Hof- und Kammeragent gewesen ist, gegen Wechselbriefe von Clemens August an die begünstigte Dame lieferte 3 , für die er z.B. 1737, dem Jahr seiner Vernehmung, noch 5000 Reichstaler zu fordern hatte gegen Effekten, die er besaß. F r a u von Schade hatte i h m auch einen Münzkontrakt verschafft; nachdem er aber das W e r k eingerichtet hatte, wurde der Lieferungsakkord, der i h m wie i n Stuttgart erst zum Münzgewinn verholfen hätte, einem Kölner Bankier übertragen; denn inzwischen war Frau von Schade einer „Hoffaktion verfallen", hatte die Gunst von Clemens August verloren und sich m i t ihrer Mutter und einem Geistlichen nach F r a n k f u r t / M . zum Geheimrat Oppenheimer geflüchtet, der sie dort nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Würzburg 1735 antraf. M i t der Gunst des Kurfürsten war es demnach bereits 1735 zu Ende. W a n n die vertrauten Beziehungen begonnen haben, wissen w i r nicht, ebensowenig kennen w i r die Umstände, die den Bruch herbeiführten. D a aber ihr Ehemann Schreiber nach eigenen Angaben 1729 als Bürgerlicher zum Schloß Verwalter ernannt worden ist, so dürfte seit dieser Zeit das Ehepaar Schreiber/Schade die besondere Gunst des Kurfürsten genossen haben. I n Bonn besaß das Paar ein Haus i n der Fürstenstraße, das Johanna Catharina von

Clemens August, die Schreiberin und Süß Oppenheimer Schade und Schreiber, kurfürstlicher Kammerdiener und Schloßverwalter zu Osnabrück, am 1. Juli 1732 von den Brüdern Pedro und Dominico Castelli und Pedro Morsengo für 5300 Rtlr. u n d 200 „Verzig" erworben hatten. Es war das Haus „über" der kurfürstlichen Residenz Nr. 2 i n der Fürstenstraße. F ü r 3400 Rtlr. verkauften die Eheleute Schreiber das Haus am 21. August 1742 an den Leibschneider Müller, also zu einer Zeit, da der Bruch zwischen Clemens August und der Schreiberin längst eingetreten war. I n einem Schreiben des Schloß Verwalters vom 1. Juli 1739 an den Kurfürsten war 1729 als Jahr der Ernennung zum Schloßverwalter von Osnabrück angegeben worden. Als kurfürstlicher Kammerportier, so bezeichnete er sich selbst vor seiner Beförderung, hatte Schreiber i n einer undatierten Eingabe um eine Besoldung gebeten, die i h m Clemens August mit Dekret aus B r ü h l am 21. Juni 1730 auch gewährte. Der „Kammerdiener und Residenzschloß-Verwalter" Carl Joseph Franz Schreiber erhielt Wohnung i m Schloß und ein jährliches Gehalt von 500 Gulden Rheinisch oder 333 Rtlr. 20 Stüber aus der Osnabrücker Landrentmeisterei; die Bezüge sollten vierteljährlich gezahlt werden, angefangen m i t dem Quartal Juli, August, September 1730. A m 20. A p r i l 1731 wurde an die Geheimen Räte zu Osnabrück verfügt, daß kein Abzug von der Besoldung, z.B. Auslagen für Frauenarbeit, erfolgen dürfe. Diese 30er Jahre waren offenbar die Zeit der guten Beziehungen zwischen dem Kurfürsten und dem Ehepaar Schreiber/Schade, so daß es sich 1732 i n der Fürstenstraße 2 den „Englischen H o f " kaufen konnte, obwohl Osnabrück der Amtssitz Schreibers war 4 . Mitte des Jahres 1734 hören w i r zum erstenmal von Ehestreitigkeiten; Bonn verlangte am 4. Juli 1734 von Osnabrück einen Bericht über Ehestreitigkeiten der Familie Schreiber, nach dessen Eingang Clemens August verfügte, eine weltliche Kommission m i t der Beilegung der Zwistigkeiten zu beauftragen, denn er möchte die Streitigkeiten „behoben wissen". Inzwischen hatten sich W o l f Freiherr von Schade und Johanna Maria Freifräulein von Schade an den K u r f ü r sten gewandt und gemeldet, daß Schreiber zum Gespött der ganzen Stadt geworden sei, sich zu mitternächtlicher Stunde i n üblen Häusern herumtreibe und damit die Familie von Schade und „unsere liebe baaßen" i n Verruf gebracht werde. Sie baten u m Schutz u n d Verbannung Schreibers. A m 4. Januar 1735 wurde dem Kurfürsten berichtet, daß Schreiber verhaftet worden sei und die „Extradierurig" der bei dem Schloßverwalter vorhandenen Briefschaften erfolgt sei und die Überprüfung der Post erfolge. Clemens August erließ darauf aus Mannheim am 24. Februar an Obrist von Donop den Befehl, Schreiber bis auf weiteres i n Verwahrung zu halten 5 .

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Clemens August, die Schreiberin und Süß Oppenheimer

U m diese Zeit war die Flucht seiner Frau m i t Mutter und Geistlichem zum Geheimen Finanzrat Oppenheimer nach Frankfurt/M. erfolgt. M i t Erlaubnis des Frankfurter Bürgermeisters durften sie in zwei Häusern Oppenheimers logieren. Als es dann auf einmal hieß, Frau von Schades Gatte, den sie „seit vielen Jahren" nicht gesehen hätte, sei angekommen und m i t dem kurkölnischen Residenten Rosalino zusammen i n ihr Heim gedrungen, wurden beide m i t H i l f e der Stadtwache auf Befehl des Bürgermeisters vertrieben. Oppenheimer hatte die Pretiosen der Baronin an sich genommen und befohlen, wenn ihr Mann oder der Resident Rosalino weiter Gewalt üben wollten, ihnen „ A r m und Bein entzwey zu schlagen", nicht aber jenen auf den „ K o p f zu schießen". Schreiber konnte i n F r a n k f u r t erscheinen, da Clemens August am 11. März 1735 aus München dem Obristen von Donop befohlen hatte, Schreiber sofort frei zu lassen unter der Bedingung, ohne besondere Erlaubnis sich nicht außerhalb von Osnabrück aufzuhalten. Oppenheimer erklärte den Untersuchungsrichtern, daß er die ganze Angelegenheit dem Frankfurter Magistrat überlassen. dem Kurfürsten aber mitgeteilt habe, daß die Faustpfänder gegen Bezahlung von i h m zu haben seien. F r a u von Schade werde folgen, wenn der Kurfürst ihr Kavaliere schicke, sonst werde sie i n ein Kloster gehen, was m i t Genehmigung des Kurfürsten dann geschehen sei. E r habe m i t der Angelegenheit weiter nichts zu t u n gehabt; nur sein Vertreter, der H o f rat Leining, habe F r a u von Schade in seinem Auftrage gegen die i n Händen habende Verrechnung etwas Geld vorgestreckt 6 . I n einem Schreiben vom 23. November 1735, dessen E n t w u r f erhalten ist, an einen Kölner Kavalier rechtfertigte Oppenheimer seine Fürsorge für die „Schreiberin"; m i t Wissen des Kurfürsten habe er sich ihrer angenommen; es sei nicht recht, sie so zu verlassen; er habe Schriftstücke gesehen, die er wieder i n der H a n d des Kurfürsten zu sehen wünsche. E r sei auch zu einer Zusammenkunft bereit und wolle das „Taschenwerk" mitbringen 7 . Die Flucht der Schreiber/von Schade nach Frankfurt/M. zu dem kurkölnischen Hof- und Kammeragenten Oppenheimer empfand die Bevölkerung als so ungewöhnlich, daß es zu einem A u f l a u f k a m und zur Plünderung der Wohnung des Hoffaktors, w e i l er ein Christenweib beherbergte und diese dem Ehemann angeblich vorenthielt. Wegen der Plünderungen k a m es noch zu langen Auseinandersetzungen mit dem Magistrat von F r a n k f u r t 8 . Zuvor hatte Clemens August aus Bonn am 24. Juli 1735 an Obrist von Donop geschrieben, er möchte die fortdauernden Ehestreitigkeiten „der Ordnung halber" beenden, Schreiber sei i n „zivile Verwahrung" zu nehmen, die Verpflegung aus seiner Besoldung zu leisten.

Clemens August, die Schreiberin und Süß

ppenheimer

Doch schon am 27. September verfügte der Kurfürst an den Obersten von Lehrbach, Schreiber aus der Zitadelle „Vechte" frei zu lassen, da die Ehestreitigkeiten auf dem ordentlichen Rechtswege beseitigt werden sollen; am 29. des Monats erging an die Hofkammer zu Osnabrück ein Reskript über eine Erhöhung des Gehalts für Schreiber um 200 Gulden Rheinisch. A n Münster war schon am 27. Juli die A u f forderung ergangen, dem Schloßverwalter die „benötigte Vorspann" zu leisten, offenbar für die Rückkehr nach Osnabrück. U m diese Zeit muß sich das Verhältnis zwischen Kurfürst und seinem Schloß Verwalter gebessert haben 9 . Inzwischen ging die Auseinandersetzung zwischen Clemens August und der Schreiberin weiter. E i n Revers der Herren von Bibra und G. W . Dulläus vom 28. Januar 1736 mit unbekannter Adresse teilte mit, daß Frau von Schade aus „eigener Bewegnis" sich entschlossen habe, ins Kloster zu gehen, sobald durch Clemens August ihre standesgemäße Verpflegung und die Versorgung ihrer Kinder sichergestellt sei. Auch die Bezahlung ihrer Schulden müßte geregelt werden, damit sie ihre Sachen an verschiedenen Orten wieder i n ihre Hand bekomme. Beide Herren geloben, daß F r a u von Schade ins Kloster gehen werde und daß sie die Angelegenheit bei Kurfürstlicher Durchlaucht i n die Wege leiten werden, damit dieselbe die Assekuration unter höchster Unterschrift ihr zustelle oder einer Kommission verspreche, das jährliche Unterhaltungsquantum wenigstens auf zwei Jahre Frau von Schade vom Kurfürsten bei einem Gutsfreund zu hinterlegen, die Kinder aber dergestalt zu versorgen, daß sie „darüber content sein werde" 1 0 . Der E i n t r i t t i n ein Kloster scheint darauf erfolgt zu sein, denn nach einem Bericht vom 8. Februar 1737 k a m F r a u von Schade aus Kloster Engelthal nach F r a n k f u r t und versuchte, aus dem beschlagnahmten Vermögen Oppenheimers ihre Effekten u n d Wertsachen zurück zu erhalten. Bei diesen Bemühungen war ihr der Kurfürst behilflich; auch dem Schloßverwalter stellte er Empfehlungsschreiben aus, damit dieser die Wertsachen seiner Frau aus der Vermögensmasse des Geheimrats Oppenheimer zurück erhalte. Clemens August wies wiederholt seinen Residenten, den Deutschordens-Kammerrat Georg A d a m Rosalino, an, dafür einzutreten, daß von den Schadeschen Effekten insbesondere jene, die sich i m Deutschordens-Schwanensdirank befänden, nicht an die Kreditoren ausgeliefert würden, zu denen Moses Isaak zu Rosteneck, Aaron H a y u m , Moses Guggenheim und Beer Hertz Oppenheimer gehörten. Unter den beschlagnahmten Papieren befand sich auch das Patent, mit dem der Kurfürst Joseph Süß Oppenheimer am 6. M a i 1735 zum kurkölnischen Hof- und Kammeragenten ernannt hatte; das war zu

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Clemens August, die Schreiberin und Süß Oppenheimer

der Zeit, als der Hoffaktor u n d die „Schreiberin" sich gegenseitig am Bonner Hofe förderten. D i e Zwistigkeiten des Ehepaares Schreiber/ Schade spiegeln sich auch i n dem Bemühen wider, die Effekten zurück zu bekommen oder ihre Versteigerung zugunsten der Kreditoren zu verhindern. Die Schreiberin wünschte, daß der Magistrat von F r a n k f u r t niemandem etwas von den Wertsachen aushändige als ihr selber. A m 22. August 1738 schrieb sie als „Baroness von Schadt, Damme zu Recheden", aus K ö l n an den Frankfurter Magistrat, daß sie während ihrer Verfolgung ihre Sachen i n F r a n k f u r t i n Sicherheit bringen mußte, bis zur Abholung solle niemand etwas ausgeliefert werden, auch dem Kammerdiener Schreiber nicht, ihrem vormaligen Ehemann, „wovon mich vermittels hoher Obrigkeit aus wichtigen Ursachen scheiden zu lassen, w i r k l i c h i m W e r k begriffen bin". M i t H i l f e hoher Stellen und des Kurfürsten hoffe sie, ihre Effekten, Wertsachen und Güter zu „erraschen"; denn sie brauche diese zur eigenen Notdurft. Als ihren Mandatar bezeichnete sie den Notar Kurtzen i n Köln, Neumarkt; der Frankfurter Magistrat wurde durch Senator J. W . Textor vertreten. F r a n k f u r t konnte und wollte die Forderungen der Schreiberin nicht erfüllen; während ein T e i l der Wertsachen an die Oppenheimersche Masse schuldig blieb, mußte ein anderer Teil festgehalten werden, w e i l die Kreditoren i n ihrer Sache an das Reichskammergericht appelliert hatten und daher das U r t e i l abgewartet werden müsse 11 . Clemens August ging es weniger u m die Auslieferung der persönlichen Wertsachen der Schreiberin als u m die Rückgabe von Dokumenten, die er nicht i n den Händen der Schloß Verwalterin wissen wollte, die vor allem nicht zur Nachlaßmasse Oppenheimers, der inzwischen Anfang 1738 hingerichtet worden war, geschlagen werden sollten. Zu diesem Zwecke schickte er den Kriegskommissar Sonntag nach Frankfurt, der m i t Hofrat Luther, dem neuen württembergischen Residenten, darüber verhandelte. Clemens August stellte keinerlei A n sprüche an den Nachlaß seines Hof- und Kamnieragenten, aber auf der Auslieferung der Kassette m i t Privata von seiner H a n d bestand er. A m 27. Februar 1739 genehmigte Württemberg die Auslieferung dieser Kassette, da sie auch kurkölnische Münzsachen enthielt, die Württemberg nicht „tangierten", und gestattete, daß die Schadeschen Kleider und das Silberwerk dagegen zur Augmentation der Süßischen Vermögensmasse verkauft werden könnten. A m 25. Juni 1739 wurde die Kassette K u r k ö l n ausgehändigt. Zuvor hatte H o f rat Luther eine Spezifikation der extradierten Papiere vorgenommen; darunter sind von Interesse: N r . 3 ein Lehenbrief für F r a u von Schade über den H o f zu Papenfels und den halben H o f zu Rhede vom 7. Dezember 1734; Nr. 4 ein Lehenbrief über das

Clemens August, die Schreiberin und Sü Oppenheimer Haus Rechede vom 7. Dezember 1734; Nr. 7 eine Assignation Schade an Oppenheimer vom 20. Oktober 1736 auf 300 f l Rheinisch, u m diese an Regierungsrat Schmidt auszuzahlen, samt dessen Q u i t t u n g ; Nr. 8 Schulden der F r a u von Schade vom 30. August 1735 i n Höhe von 7500 fl, wofür F r a u von Schade sechs Pretiosen als Sicherheit hinterlegte; Nr. 9 ein Schuldschein der F r a u von Schade an Oppenheimer vom 30. August 1735 über 5000 Tlr., die i n vier Raten zu zahlen waren; Nr. 10 ein Schuldschein von 1422 f l 22 K r . vom 28. Januar 1736; Nr. 11 ein Schuldschein über 50 Rtlr. vom 2. Dezember 1735, die Frau von Schade vom Juden Meyer zu Bonn auf Kommission Oppenheimers empfangen hatte; Nr. 12 Forderungen Oppenheimers i n Höhe von 11 663 f l 4 Kreuzer an Baronesse von Schade; Nr. 13 Forderungen Oppenheimers i n Höhe von 1422 f l 22 Kr., die er F r a u von Schade zum Unterhalt i n F r a n k f u r t vorgestreckt hatte; Nr. 14 zwei Notizen über Reisespesen und Auslagen für F r a u Schade; N r . 16—21 sechs Schreiben der Schade an Oppenheimer, meist „sine die et consule"; Nr. 22 Projekt eines Vergleichs m i t der Resolution, w o r i n die 500 Rtlr. eingestanden werden 1 2 . Die Obligation vom 30. August 1735 über 500 Rtlr. hatte die Schreiberin m i t der Unterschrift versehen: „ F r a u von rechede gebohrne von Schade" u n d m i t der Verpflichtung zur Zurückzahlung „hei meiner nächsten nach Haus K u n f t oder längstens vier Wochen". Auch den Schuldschein vom 28. Januar 1736 unterschrieb sie m i t Baronefi von Schade und bezeugte zugleich, daß Oppenheimer „ m i r i n meinem Verhängnis und unschuldig erlittenen Verfolgung m i t den allernötigsten M i t t e l n an Händen gegangen" und demselben die Summe von 1422 f l schuldig worden b i n zu meiner Lebensunterhaltung; nach bestem W i l l e n ist sie zur Rückzahlung bereit. Später hatte die Schreiberin bestritten, so viele Gelder von dem Hof- und Kammeragenten geliehen zu haben; aber die darauf von Oppenheimer gemachte Aufstellung all seiner Forderungen stimmt i n allen wesentlichen Punkten m i t der obigen Liste überein. N u r bei Nr. 10 und Nr. 13 handelt es sich offenbar um dieselbe Summe. N r . 12 dagegen m i t 11 663 f l 4 K r . sind nicht eine neue Einzelforderung, sondern stellen die gesamten Ansprüche dar, die Oppenheimer nach seiner Spezifikation an die Schreiberin stellte. Unter den kleinen Spesen befinden sich auch Reisespesen aus Engelthal und 40 fl, die Oppenheimer am 6. Februar 1736 ins Kloster sandte, sowie zweimal Auslagen für Reithosen 13 . Noch bevor es zur Auslieferung der Kassette kam, hatte Clemens August m i t Schreiben vom 8. A p r i l 1739 aus Schloß Augustusburg an den Hofmeister Grafen von Hohenzollern die Ausweisung Schreibers samt F r a u und K i n d e r n aus Bonn befohlen; sollte der Befehl

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Clemens August, die Schreiberin und Sü Oppenheimer

binnen drei Tagen nicht befolgt werden, wurde dem Schloßverwalter die Cassation seines Amtes angedroht. Schreiber begab sich darauf nach Osnabrück und bat den Kurfürsten brieflich, dem Bauverwalter Kock und dem Hofkornschreiber W i l h e l m Schade zu befehlen, ihm die Schlüssel zu den Gebäuden auszuhändigen, die sie während seiner Abwesenheit sich angeeignet hatten. Außerdem habe er immer freies Holz und Licht erhalten, u m welche Vergünstigung er erneut bitte, da er sonst die halbe Besoldung für die Heizung verwenden müßte. M i t der Ausweisung aus Bonn dürfte es wohl zusammenhängen, daß Schreiber sein Haus i n der Fürstenstraße verkaufte, vielleicht auch, u m Schulden zu bezahlen; denn das Ehepaar w i r t schaftete schlecht, hatte seit 1730 Schulden für Lieferungen und k a m in den nächsten Jahrzehnten, wenn w i r von ihnen hören, aus der Schuldenwirtschaft nicht heraus, trotz aller Hilfen, die Clemens August dem Schloß Verwalter und seiner Frau immer wieder zuteil werden ließ, die uns vielfach unbegreiflich erscheinen 14 . 1741 begannen die Unregelmäßigkeiten i m Osnabrücker Schloß. A m 6. Februar wurde dem Kurfürsten nach Bonn von einem Diebstahl berichtet, der Verdacht fiel zunächst ganz allgemein auf das Personal, das aber von Anfang an Schreiber belastete, der zugab, Silberborten abgeschnitten zu haben, die sein Sohn zur „Comedie" gebraucht habe, auch Fransen vom Baldachin waren abgeschnitten worden, auf die seine Frau Gelder geliehen haben soll; vom kurfürstlichen Bett waren die goldenen Tressen verschwunden. A m 12. Dezember des Vorjahres hatte eine Visitation noch alles i n Ordnung befunden, wenige Tage später, am 19. Dezember, war der Diebstahl bemerkt worden. Osnabrück fragte i n Bonn an, ob Schreiber weiter die Aufsicht belassen werden soll, ob man i h m eine Frist zur Herbeischaffung der Sachen gewähren könne oder ein Abzug vom Gehalt vorzunehmen sei. Aus Bonn k a m darauf am 18. Februar 1741 der Befehl, Schreiber und seiner Frau, die sich ungebührlich benommen hätten, die Schlüssel abzunehmen u n d die Verwaltung dem Hofkornschreiber W i l h e l m Schade zu übertragen. Osnabrück meldete am 5. Oktober, daß die Anordnung ausgeführt, die versetzten, zum Inventar gehörenden Sachen jedoch noch nicht herbeigeschafft seien. W o h l hatte zuvor Schreiber die Borten wieder annähen lassen; F r a u Schreiber aber liege i m Kindbett, worauf Bonn am 15. Oktober zur Sache bemerkte: „beruhet et reponatur". I m nächsten Jahr ließ Bonn mit Verfügung vom 2. Dezember 1742 an die Kreditoren des Ehewaares Schreiber/Schade 501 Rtlr. Vis auf „Bitten und sonderbaren Gnaden" aus der Kammerkasse Osnabrück „gegen Abziehung", die jedoch nicht nach Bonn erfolgen durfte, auszahlen. Das jährliche Gehalt können die Eheleute bei ihren Ver-

Clemens August, die Sreiberin und Sü Oppenheimer wandten oder i n deren Nachbarschaft „genießen" und dort m i t ihren Kindern den Haushalt führen. Was zum Inventar des Schlosses gehöre, müssen sie vorher herausgeben und das Mobiliar wieder i n Ordnung bringen. Die „demütigste Magd de Schreiberinne geb. Barones von Schade" und Mutter von vier unmündigen Kindern bat darauf den Kurfürsten gemäß eines i n Clemenswerth gegebenen Versprechens um Regelung der Schulden und vor allem u m Belassnng des Gehalts ohne Abzüge, vom Inventar hätte sie nur einige Teller und Schüsseln. Beigefügt war ein Schuldenverzeichnis „der gnädigen Frauen A b d i ß i n auf St. gedrudenberge", an dessen Spitze der Medicus Docteur Hilsebusch steht, der für 12 Jahre 100 Rtlr. zu bekommen hatte; die übrigen Posten sind kleinere Beträge, welche „die arme verlassene Schreiber" den Handwerkern schuldete. A m 9. August 1743 protestierte Schreibers Tochter gegen die Verleumdungen ihrer Eltern 1 5 . O b w o h l 1743 gegen Schreiber eine Untersuchung wegen Getreidediebstahls schwebte, blieb er weiter Kammerdiener und Schloßverwalter, aber ein D r i t t e l seines Gehalts sollte zur Schuldentilgung verwendet werden, neuer Schulden sollte er sich enthalten. Nach einem Bericht vom 5. August 1743 betrug Schreibers Gehalt 466 Rtlr.; das waren keineswegs geringe Bezüge für jene Zeit. I m nächsten Jahr 1744 forderte Clemens August m i t Dekret vom 9. Januar aus Augustusburg eine Untersuchung über die i n Osnabrück noch fehlenden Sachen: Leinwand, K u p f e r und Zinn. Osnabrück lieferte am 21. Februar dem Kurfürsten den gewünschten ausführlichen Bericht, aus dem hervorgeht, das Schreibers „Abziehung" noch nicht erfolgt war. „Außer vier Tellern u n d zwei Zinnschüsseln und weniges Bettzeug, so bei Schreiber noch zum Gebrauch vorrätig", andere „Betten, Zinnen, Linnen und dergleichen meubles alles verkeufft, versetzet u n d verbracht, annebst die außer Schloße habende Wohnstette so zugerichtet worden, daß ohne gäntzliche Verderb des inhabenden kleinen Flügels Beschuß, Wände und alles zugleich reparieret werden müßte, ein solches aber bey mehrerwehnten Schloß-Verwalters, dessen Frau und K i n d e r n ferneren Aufenthalt nicht geschehen mag, gleichwohl diese alle wegen Abgang nöthiger jedoch verbrachter Kleidung nicht i m stände seyn, zu Gottes-Kirchen zu gehen, geschweige, anderwerts h i n sich auf eine Zeitlang unterzubringen." M a n wolle versuchen, die versetzten Sachen herbeizuschaffen, könne jedoch keine Besserung versprechen, da man feststellen mußte, daß der Schloßverwalter nach vorgenommener Visitation noch ein „unangezeigt gebliebenes Bett verkaufen" wollte. I n Osnabrück war die Verwaltung in großer Verlegenheit, da der Besuch des Herzogs von Lothringen und seiner G a t t i n erwartet wurde. Des Kurfürsten eigenes Bett 5 Schnee, Hoffinanz VI

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konnte aber wegen der gestohlenen Borten noch nicht hergerichtet werden. Auch der Rentmeister Corfey zu Melle habe Unterschleife begangen, er schulde noch 946 Tlr., wünsche ein Moratorium, da er hoffe, vom Schwiegervater i n Hildesheim 1000 Tlr. zu bekommen. A m 12. März verfügte darauf Clemens August erneut die Absetzung und Ausweisung Schreibers m i t Weib und Kindern; an keinem O r t dürfen sie sich auf enthalten, wo Clemens August residiere, sonst würde das Gerichtsverfahren gegen Schreiber eingeleitet werden. Der Fiscus müsse außerdem gegen die Käufer der gestohlenen Sachen vorgehen, da sie wußten, daß sie Schreiber nicht gehörten. Osnabrück konnte am 18. M a i berichten, daß Schreiber m i t Weib und Kindern vor 6 Wochen fortgezogen sei, und brachte den Hofkornschreiber W i l helm Schade als Aufseher über Schloß und Mobilien i n Vorschlag, den Clemens August am 27. M a i i n Augustusburg akzeptierte. W i l h e l m Schade sollte vor allem neue Diebstähle verhindern, aber schon am 27. Juni mußte der neue Verwalter mitteilen, daß auch nach Schreibers Weggang i m kurfürstlichen Schlafzimmer erneut goldene Borten abgeschnitten wurden, worauf der Kurfürst am 6. Juli aus Bonn verfügte, neue Diebstähle zu verhindern. A n den Diebstählen i m Osnabrücker Schloß müssen demnach auch andere Personen beteiligt gewesen sein. A m 20. Juni 1745 bat der Schloß Verwalter Schreiber i n Augustusburg den Kurfürsten, ihn m i t einer Kompanie der kurfürstlichen Truppen zu „begnädigen" oder durch Fürschreiben an andere Herren ihm zu einer Kompanie zu verhelfen, da er gesonnen sei, m i l i tärische Dienste anzutreten. „Nichts verwilliget", steht am Rande dieser Eingabe. Die Ehefrau Schreiber aber bat i n ihrer „großesten A r m u t " , ihr die 100 Louisd'or „gnädigst anschaffen zu lassen", die der Freiherr von Metternich ihr „versichert", daß sie zur Bezahlung von Schulden ihres Mannes verwilliget werden würden. Nachdem am 1. Juni 1748 Clemens August der Ehefrau Schreiber ihr bisher genossenes Gehalt von 700 f l auf jährlich 750 f l erhöht hatte und bestimmte, daß ihr wegen gemachter Schulden nichts abzuziehen sei, gab er am 28. Juni der Osnabrücker Hofkammer die Anweisung, 145 Rtlr. 18 Schilling 2 St. Schulden der Schreiberin zu tilgen. Auch das Gnadengehalt sollte aus der Osnabrücker Hofkammer gezahlt werden. Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, daß 1760 am Bonner H o f das Gehalt eines Kammerdieners und Schloßverwalters 520 Rtlr. oder 780 f l jährlich betrug. Schreiber scheute auch nicht davon zurück, die Löhne der Putzfrauen für sich zu verwenden und sie dann erneut anzufordern 1 6 . Die ständige Finanzmisere der Familie war sicher der Anlaß, daß die Schreiberin i n den 50er Jahren nochmals den Versuch machte, aus

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Oppenheimers beschlagnahmtem Nachlaß i n Stuttgart und F r a n k f u r t ihre Effekten zurück zu erhalten mit der Begründung, daß sie diese Wertsachen vor dem Sturz des Hof- und Kammeragenten diesem als Depositum, aber nicht als Sicherheit für Wechsel übergeben hätte 1 7 . Bei diesen Bemühungen wurde sie von ihrem Schwiegersohn unterstützt, der i n den A k t e n als Herr von Truchseß, dann als von Norstadt, schließlich auch als Truchseß von Norstad bezeichnet w i r d . A m 25. November 1751 machte der Advokat H ä r l i n als Mandatario diese Forderungen geltend unter Hinweis darauf, daß die der Frau von Schade persönlich gehörenden Werte seiner Zeit von den kurkölnischen Effekten zurückgenommen worden seien; Clemens August habe damals selbst i n Frankfurt/M. ihr „Einiges" verabfolgt. Frau von Schade schulde der Oppenheimersehen Masse noch 11 663 fl, die sie bei Oppenheimer mit Genehmigung des Kurfürsten aufgenommen habe. I m Nachlaß seien aber die beanspruchten Wertsachen nicht zu finden, vielmehr dem Tochtermann ausgehändigt worden. Zur K l ä rung des Sachverhalts wurde auf das Protokoll über die Vernehmung des Geheimen Finanzrats vom 4. August 1737 verwiesen, der damals unter anderem ausgesagt hatte, daß Frau von Schade w o h l beim K u r fürsten „ i n besonderen Gnaden gestanden", Oppenheimer m i t ihr aber „nicht den geringsten ungebührlichen Umgang gepflogen" habe. Der Streitfall endete für F r a n k f u r t am 9. November 1754 nach einer kurkölnischen Intervention i n Stuttgart m i t dem Ergebnis, daß die Kreditoren Recht erhielten und nichts herausgaben. Nach Meinung des Kölner Residenten Rosalino in F r a n k f u r t waren die Juwelen nach Stuttgart, Kleidungen und Silberwerk auf den Römer zur übrigen Nachlaßmasse gebracht worden 1 8 . Inzwischen hatte sich Schreiber beim Kurfürsten wieder einmal beklagt, daß es ihm schwer falle, m i t den gewährten Gnadengeldern sich und seine armen Kinder zu unterhalten. Schließlich reiste die Familie noch einmal nach Stuttgart, um durch persönliche Intervention doch noch aus dem Stuttgarter Nachlaß Oppenheimers die Schreiberschen Effekten zu erhalten; denn am 16. Februar 1756 berichtete der A d l e r w i r t Georg Friedrich Schnell, daß Schreiber vor vierzehn Tagen geflüchtet sei und seine Familie hier i m Elend zurückgelassen habe. Seine Forderungen beliefen sich auf 2000 f l ; der K u r fürst möge den bayrischen Sekretär Sauter anweisen, i h m seine Gelder zu extradieren, da der Kurfürst dem Schreiber Fürschreiben mitgegeben hätte. Tatsächlich meldete Bonn am l . M ä r z 1756, daß Clemens August zur „Bezahlung deren von Unserem Osnabrücker Burgverwalter Schreiber i n Stuttgart gemachten Schulden einige Gelder hab