Die Hoffinanz und der moderne Staat: Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus. Nach archivalischen Quellen. 1. Bd.: Die Institution des Hoffaktorentums in Brandenburg-Preußen [1 ed.] 9783428431588, 9783428031580

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Die Hoffinanz und der moderne Staat: Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus. Nach archivalischen Quellen. 1. Bd.: Die Institution des Hoffaktorentums in Brandenburg-Preußen [1 ed.]
 9783428431588, 9783428031580

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Die Hoffinanz und der moderne Staat Erster Band Die Institution des Hoffaktorentums in Brandenburg-Preußen Nach archivalischen Quellen von

Heinrich Schnee

Duncker & Humblot . Berlin

Heinrich Schnee, Dié Hoffinanz und der moderne Staat

Die Hoffinanz und der moderne Staat Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fiirstenhöf en i m Zeitalter des Absolutismus

Nach archivalischen Quellen von

Heinrich

Erster

Schnee

Band

D i e I n s t i t u t i o n des H o f f a k t o r e n t u m e in Brandenburg-Preußen

D Ü N C K E R

&

H U M B L O T / B E R L I N

Alle

Rechte

vorbehalten

Copyright 1953 by Duncker & Hnmblot, Berlin-Lichterfelde Gedruckt bei Htueemann K.G., Berlin-Schöneberg

Inhalt

Ziel find Weg

7 Erster

Teil

Die Institution des Hoffaktorentums in Brandenburg-Preufien Samuel von Derenburg, der Hofbankier der Erzbischöfe von Magdeburg im 14. Jahrhundert

19

Der „reiche Michel", „Diener und Getreuer 4 Joachims I I

25

Münzmeister Lippold

38

Die Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann in brandenburgisdi-preufiischen Diensten Hoffaktoren der Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann

47 78

Die Familie Gomperz im Dienste der Hohenzollern Mitglieder der Familie Gomperz als preußische Hoffaktoren

78 96

Berend Levi, „Befehlshaber und Vorgänger" der Juden

97

' Kleinere Hoffaktoren unter den Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich I I I 101 Die Familie Jacobsen de Jonge

106

D i e Hof juden Friedrich Wilhelms 1

110

Die preußischen Münzentrepreneurs im 18. Jahrhundert, vornehmlich unter Friedrich dem Großen ê 117 Die Hof finanzier s Friedrichs des Großen 145 Die Familie Ephraim (S. 145) — Die Hoffaktoren der Familie Ephraim (S. 168) — Die Familie Itzig und ihr Kreis (S. 169) — Hoffaktoren der Familie Itzig (S. 176) —Weitere Faktoren Friedrichs des Großen (S. 176) Die Hoffinanz in der Zeit der Emanzipationsbestrebungen D i e Hoffaktoren — Familie Levy-Delmar

190 230

Hoffaktoren in Brandenburg-Preußen

245

Quellen- und Schriftennachweis

254

Ziel und Weg In einem 1950 erstatteten Bericht über die deutsche GeschiÀtswissensdhaft im 20. Jahrhundert traf G e r h a r d R i t t e r 1 die Feststellung, dafi in der Geschichtsforschung der letzten fünfzig Jahre das Zeitalter des Absolutismus stark in den Hintergrund gerückt sei. So ist auch die Erforschung der Hoffinanz für die Herausbildung und Entwicklung des modernen Staates ungebührlich vernachlässigt worden. Nachdem schon S. H a e η 1 e 1867 auf dieses Problem hingewiesen hatte, gebührt W e r n e r S o m b a r t das Verdienst, seit der Jahrhundertwende in seinen Werken, besonders in seinem Hauptwerk: „Der moderne Kapitalismus" und in der Schrift über „Die Juden und das Wirtschaftsleben" die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus, Judentum und modernem Staat aufgezeigt und immer wieder auf sie hingewiesen zu haben2. In seinen mannigfaltigen Werken wies der bekannte Nationalökonom auch auf das H o f j u d e n t u m hin als einer wichtigen Institution des modernen Staates. Naturgemäß konnte sich Sombart im allgemeinen nur mit Andeutungen, Aufzählungen und Hinweisen begnügen, da grundlegende Arbeiten und Einzeluntersuchungen über Entwicklung, Wesen und Tätigkeit der Hoffaktoren nicht vorlagen; trotzdem kam er bereits zu schwerwiegenden Schlufifolgerungen. Sombart kennzeichnete nicht nur die besondere Befähigung der Juden zur kapitalistischen Wirtschaftsform, sondern wies dem Hofjuden im besonderen einen e n t s c h e i d e n d e n Anteil an der Begründung und Entwicklung des modernen Staates zu. Dieser Anteil gründe sich auf die Leistungen der Hof juden als Lieferanten und Finanzmänner, und obwohl er sich hier kaum auf Einzeluntersuchungen stützen konnte, kam er doch, zu Feststellungen wie diesen: „Aber wenn wir auch unter den Regierenden des modernen Staates keine Juden finden, so können wir uns diese Regierenden, können wir uns den modernen Fürsten nicht gut ohne den Juden vorstellen. Arm in Arm schreiten die beiden in den Jahrhunderten, die wir die Neuzeit nennen, einher. Ich. möchte geradezu in dieser Verbindung von Fürst und Jud' eine Symbolisiening des aufstrebenden Kapitalismus und damit des modernen Staates erblicken... Wenn ich von einem Anteil der Juden an der Begründung des modernen Staates spreche, so denke ich nicht sowohl an ihre unmittelbare Wirksamkeit als staatsmännische Organisatoren, als yielmehr an eine mehr indirekte Mitwirkung an dem großen staatsbildenden

8

Ziel und Weg

Prozesse der letzten Jahrhunderte. Ich denke daran, daß sie es vor allem waren, die dem werdenden Staat die materiellen Mittel zur Verfügung stellten, mit deren Hilfe er sich erhalten und weiter entwickeln konnte, daß sie auf zwiefache Weise das Fundamentum stützten, auf dem alles moderne Staatswesen ruht: die Armee. Auf zwiefache Weise: durch deren Versorgung mit Waffen, Monturen und Lebensrnitteln im Kriege und durch Beschaffung der notwendigen Geldbeträge» die natürlich nicht nur (wenn auch vorwiegend in frühkapitalistischer Zeit) für Heereszwecke, sondern auch zur Deckung des übrigen Hof- und Staatebedarfs Verwendung fanden.4* Mit andéren Worten: „Ich. erblicke in den Juden namentlich während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts die einflußreichsten Heereslieferanten und die leistungsfähigsten Geldgeber der Fürsten und glaube, diesem Umstände eine überragende Bedeutung für den Entwicklungsgang des modernen Staates zumessen zu sollen." Und an anderer Stelle: „Tatsache ist, daß während des 17. und 18. Jahrhunderts kaum ein deutscher Staat namhaft zu machen ist, der nicht einen oder mehrere Hof juden hielt, von déren Unterstützung im wesentlichen die Finanzen des Landes abhängig waren." Als Beweis führte dann Sombart einige Heereslieferanten und Finanzmänner an. Kein Zweifel, Sombart hat redit mit seinem Hinweis auf die Institution des Hof Judentums als eines wichtigen Bestandteils der Machtorganisation des absoluten Fürstenstaateto, aber bevor so schwerwiegende Feststellungen getroffen werden können, muß durch Einzeluntersuchungen der Tatbestand erforscht und dargestellt werden. Sombart stieß mit seinen Thesen sofort auf den scharfen Widerspruch der Historiker. Georg von B e l o w wies in seiner Besprechung darauf hin, daß schon Karl L a m p r e c h t in seiner Darstellung über das deutsche Wirtschaftsleben im Mittelalter die Behauptung aufgestellt habe, daß den Juden ein bemerkenswerter Anteil an der Entwicklung dès deutschen Territoriums und damit des modernen deutschen Staates zukomme, eine Auffassung, die er als besonderer Kenner der deutschen Territorien bereits in der Historischen Zeitschrift abgelehnt hatte. Mit Recht haben die Kritiker Sombart vorgehalten, daß er fast gar keine originalen Quellen herangezogen habe, um seine Behauptungen zu stützen. Felix R a c h f a h l und Hermann W ä t j e n konnten dann für ihre Forschungsgebiete, die Niederlande und die Kolonien, bereits zeigen, wie einseitig und vielfach unzutreffend Sombarts Behauptungen und Darlegungen waren. Obwohl dann Felix P r i e b a t s c h 1915 in der Festschrift für Dietrich Schäfer darauf hingewiesen hatte, wie wichtig doch, die Erforschung des Hofjüdentums und der Judenpolitik des fürstlichen

Ziel und Weg

Absolutismus für das Werden dee modernen Staate» wäre, ist die Institution des Hoffaktorentums bisher weder systematisch-wissenschaftlich erforscht noch als Ganzes dargestellt worden*. Das vorliegende Werk des Verfassers greift nun die Aufgabe systematisch an und schildert das Hofjudentum als Institution an norddeutschen Fürstenhöfen auf Grund einer fast zwei Jahrzehnte langen Erforschung und Bearbeitung des in den weiter unten genann* ten Archiven befindlichen, sehr umfangreichen Aktenmaterials, das bisher so gut wie gar keine Bearbeitung und Auswertung für die Wissenschaft gefunden hat Das Werk stützt sich in erster Linie auf originale Quellen. An Darstellungen lagen im wesentlichen vor die Werke von B e r g h o e f f e r und C o r t i über das Haus Rothschild4, die jedoch beide nur einen Bruchteil des vorhandenen Aktenmaterials auswerteten und auch nur auswerten konnten; denn allein die Archivalien in den norddeutschen Archiven über das Haus Rothschild-sind so umfangreich, daß mit ihrer Bearbeitung ein Forscher sein Leben ausfüllen kann. Der ganze Komplex Rothschild ist demgemäß in unserer Darstellung nur insoweit berücksichtigt worden, als es notwendig war, die Stellung dieser Familie in der Institution des Hofjudentums an norddeutschen Fürstenhöfen zu kennzeichnen. Wertvolle Beiträge zur Finanzpolitik der jüdischen Hoffaktoren enthalten dann die aus der Schule des Münchener Wirtschaftshistorikers J a k o b S t r i e d e r , eines Schülers von W. Sombart, hervor^ gegangenen Dissertationen von H o f f m a n n über Kurköln und S a u e r für Kassel5. Im Rahmen einer allgemeinen Geschichte der Juden in Sachsen hat K o i t z s c h auch die Hofjuden in der Ära Brühl berücksichtigt6. Für die süddeutschen Höfe liegen die beiden Einzeluntersuchungen von S u n d h e i m e r und H ü m m e r t über die jüdische Hoffinanz in Bayern und die Darstellung von Selma S t e r n über das Wirken des Süß Oppenheimer in Württemberg vor 7. Damit sind im wesentlichen die Arbeiten genannt, die einen auf Archivalien beruhenden wissenschaftlichen Beitrag zur Institution des Hof judentums geliefert haben. Zieht man die allgemeinen Darstellungen zur Geschichte der Juden heran, zum Beispiel die Schriften von G e i g e r , G r a e t z und D u b n o w 8 , so muß gleichfalls die Feststellung gelten, daß die Institution des Hof judentums entweder gar nicht erwähnt oder nur gestreift wird. Für alle diese und ähnliche Werke gilt außerdem, daß ihre Darstellung nicht auf archivâlischen Quellen, sondern auf der Überlieferung beruht, auf Memorbüchern, Begräbnisbüchern und ähnlichen Aufzeichnungen. Das in deutschen Archiven so zahlreich vorhandene Aktenmateriäl ist von diesen Autoren so gut wie gar nicht herangezogen worden; die meisten kennen es auch nicht. Dubnow hat

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Ziel und Weg

diese Tatsache freimütig zugegeben und beklagt. Eine Ausnahme machen die Arbeiten von Selma S t e r n 9 , besonders das Werk über den preußischen Staat und die Juden, in dem die allgemeine Judenpolitik der Hohenzollern bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts quellenmäßig dargestellt wird· Die aus der Schule des Münchener Historikers Karl Theodor von Heigel hervorgegangene Verfasserin hat wirkliche Quellenforschung getrieben und auch Akten zur allgemeinen Judenpolitik veröffentlicht. Nach Abschluß unserer Forschungen erschien in den USA ihr Werk: The Court Jew. A Contribution to the History of the Period of Absolutism in Central Europe. Der Besprechung dieses Werke® durch W. Treue in der Hist. Zeitschrift, Bd. 172, I I I S. 571—577, kann der Verfasser nur zustimmen. Mit den Thesen Selma Sterns werden wir uns in Teil V I I unserer Darstellung auseinandersetzen. Hier soll nur festgestellt werden, daß auch S. Stern nur einen Bruchteil des archivalischen Materials herangezogen hat und das Thema gar nicht erschöpfend und systematisch behandeln konnte, nachdem ihr die Quellen in Deutschland nicht mehr zugänglich waren. Zudem entspricht der Aufbau des Werkes nicht der Materie. Über die Institution des Hof Judentums ist bisher auch sehr wenig an Archivalien veröffentlicht worden. Der Verfasser konnte sich demnach so gut wie gar nicht auf gedrucktes Quellenmaterial stützen; wo einzelne Urkunden veröffentlicht wurden, zum Beispiel in Dissertationen oder Familiengeschichten, waren sie für das Gesamtthema belanglos. Die Arbeit des Verfassers beruht in erster Linie auf den reichen Beständen, an Akten über Hofjuden in nachfolgenden Archiven: Geheimes Staatsarchiv B e r l i n - D a h l ein Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv Berlin-Charlottenburg Heeresarchiv Ρ ο t sdam Stadtarchiv Frankfurt/O. Staatsarchiv Königsberg Staatsarchiv Stettin Staatsarchiv Breslau Stadtarchiv Breslau Staatsarchiv Magdeburg Staatsarchiv A u r i ch Staatsarchiv Nürnberg Staatsarchiv Hannover Archi v des Ministerium des Äußern P a r i s Staatsarchiv Wolfenbüttel Stadtarchiv Braunschweig

Ziel und Weg

Allgemeines Reichsarchiv Haag Staatsarchiv Osnabrück Badisches General'•Landesarchiv Karlsruhe Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Dresden Heeresarchiv Bayrisches Hauptstaatsarchiv und München Abt. Geheimes Staatsarchiv Staatsarchiv des Innern und der Justiz Wien Staatsarchiv Posen Anhaltisches Staatsarchiv Zerbst Thüringisches Staatsarchiv, Gotha Geheimes Archiv Mecklenburgisches Geheimes und Hauptarchiv Schwerin Staatsarchiv M a r b u r g / L. Staatsarchiv Düsseldorf Staatsarchiv Münster Bibliothek der Erzbischöflichen Akademie Paderborn Stadtarchiv Hildesheim Württembergisches St u t t g a r t Hauptstaatsarchiv Lud wigsbürg Württembergisches Staatsarchiv Β onn Stadtarchiv D etmold Lippisches Landesarchiv S peyer Staatsarchiv Fürstlich Stolbergisches Hauptarchiv Wernigerode Staatsarchiv Oldenburg/O. Staatsarchiv Kiel Staatsarchiv Wiesbaden Hessisches Staatsarchiv Darmstadt Birstein Fürstlich Isenburgisches Archiv Dazu kommen zahlreiche Auskünfte vieler Staats- und Stadtarchive bei der Suche nach Quellenmaterial. Die Archive sind in der Reihenfolge genannt, die dem in unserer Darstellung verwerteten Material und dem behandelten Personenkreis entspricht. Am Schluß der Darstellung wird eine zusammenfassende Übersicht der in den norddeutschen Archiven befindlichen und vom Verfasser benutzten Archivalien über Hoffaktoren geboten. An Literatur ist zusammengestellt worden, was mit unserem Thema in Beziehung steht.

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Ziel und Weg

Der Verfasser spricht auA an dieser Stelle seinen wärmsten Dank allen beteiligten Archivbeamten aus* die so bereitwillig seine Forschungen in jeder Weise unterstützt haben. In vielen Fällen haben die vorzüglich erhaltenen und gut geführten Akten die Arbeit erleichtert, und wo dies nicht der Fall war, haben die wissenschaftlichen Beamten der Archive den Verfasser bei der Suche nach Archivalien mit nimmermüdem Eifer gefördert So konnte der Verfasser auch, manchen bedeutsamen Fund machen. Die Arbeit im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem ergab zum Beispiel, daß sich Materialien über den Berliner Heereslieferanten C r e l i n g e r auch in Hannover befinden mußten, die dann auch im dortigen Staatsarchiv aufgefunden wurden und wichtige Aufschlüsse über diesen Hoffaktor enthielten. Dank der verständnisvollen Unterstützung durch den damaligen Staatsarchivrat Dr. L u d w i g D e h i o konnten größere Bestände an Akten über Hoffaktoren im Hausarchiv der Hohenzollern in Berlin-Spandau aufgefunden werden, obwohl das Gesamtverzeichnis wenig ahnen ließi Dieser Fall und weitere Beispiele zeigten dem Verfasser, daß die Durchsicht der Repertorien eben nicht genügt, daß der Forscher sich unbedingt der allerdings sehr zeitraubenden Mühe unterziehen muß, die Akten selber einzusehen. E n interessanter Fund glückte dem Verfasser im Staatsarchiv O l d e n b u r g , wo sich, unter allgemeinen Akten das Material über den jüdischen Hofzahnarzt des Fürstbischofs von Paderborn fand. Das Staatsarchiv M ü n s t e r besitzt wichtige Akten über den Hannoverschen Hoffaktor L e f f m a n n Behrens und seine Mittlertätigkeit in der Subsidienpolitik der deutschen Fürsten. Herrn Staatsarchiv-Direktor Prof. Dr. B a u e r m a n n verdankt der Verfasser den Hinweis auf die in der Bibliothek der Erzbischöflichen Akademie zu P a d e r b o r n befindlichen Archivalien. Im Staatsarchiv B ü c k e b u r g , dessen Bestände jetzt im Staatsarchiv Hannover untergebracht Sind, entdeckte der Verfasser die von der Forschung bisher vergeblich gesuchten Akten über H e i n r i c h H e i n e s väterliche Ahnen, die Hoffaktoren in Bückeburg und Detmold gewesen sind. Weder die Fürstliche Hofkammer noch die Behörden von Schaumburg-Lippe hatten Kenntnis von diesen Akten, deren Auffindung einem Zufall zu danken ist. In allgemeinen Prozeßakten fand sich auch hier ein Hinweis auf die Familie Heine, und mit Hilfe dieses Fingerzeiges und der in Berlin und Detmold aufgefundenen Akten konnten auch die Büekeburger Urkunden dann in Hannover vom Verfasser entdeckt werden. Das Staatsarchiv D a r m s t a d t enthielt sehr ertragreiche Akten über den berühmten Kammeragenten W o l f B r e i d e n b a c h , dessen Tätigkeit aber erst eingehend dargestellt werden konnte auf Grund des reichen Fundes, der nach mehr als einjährigem Suchen im Fürstlich Isenburgischen Archiv zu B i r s t e i n

Ziel und Weg

gemacht wurde; diese Birsteiner Akten enthalten die umfangreichste Sammlung von Briefen, die ein Hoffaktor an seinen Landesherrn gerichtet hat. Das Sächsische Hauptstaatsarchiv zu D r e s d e n besitzt wichtige Akten zur Geschichte der pfälzisch-bayrischen Familie S e l i g m a n n , in denen sich die große Politik zur Zeit des Wiener Kongresses widerspiegelt und die zugleich Quellenmaterial für die längst fällige Biographie des Staatsmannes H a r d e n b e r g bieten. Für die Geschichte der preußischen Hoffaktoren erwies sich im Staatsarchiv D ü s s e l d o r f die Akte Justizhof von Geldern I Nr.37 als sehr bedeutsam. Auf Grund der in den Staatsarchiven D ü s s e l d o r f , M ü n s t e r und L u dw i gsbu r g , dem Stadtarchiv Β ο η η und der Bibliothek der Erzbischöflichen Akademie zu P a d e r b o r n befindlichen Archivalien konnte zum erstenmal ein geschlossenes Bild von L u d w i g B ö r n e s väterlichen Ahnen als Hoffaktoren der Kurfürsten von Köln und des Deutschordens entworfen werden. Im Badischen Generallandesarchiv zu K a r l s r u h e fanden sich noch wichtige Akten über den Geheimen Finanzrat I s r a e l J a c o b s o n , während die D a r m s t ä d t e r Akten über diesen Hoffinanzier leider wie so viele andere, die aber der Verfasser meist vorher noch bearbeiten konnte, ein Opfer des Luftkrieges geworden sind. Immerhin ist über diesen wichtigsten Vorkämpfer der Judenemanzipation in vielen Archiven, wie das Gesamtverzeichnis der Akten zeigt, so viel Quellenmaterial gefunden worden, daß ein im ganzen doch abgeschlossenes Gesamtbild Jacobsons gezeichnet, werden konnte. Mit Sombart fällt auch in unserer Darstellung die Epoche des Frühkapitalismus mit der Begründung, Entwicklung und dem Ausbau des modernen Staates zusammen. Dieser moderne Staat ist der absolute Fürstenstaat, der sich seit dem Ausgang des Mittelalters herausgebildet hat und der im 16., 17. und 18. Jahrhundert seine Vollendung und seinen Höhepunkt erlebt. Mit dem modern-staatlichen entwickelt sich das modern-wirtschaftliche Leben, die beide der gleichen Wurzel entspringen. Dieser Fürstenstaat entwickelt ein kunstvolles, rational durchdachtes System von Herrschaftsmitteln, und in dieses System gehört auch die Institution der Hoffaktoren, die dem Landesherrn bei der Schaffung, dem Ausbau und der Erhaltung seiner Machtmittel Hilfe leisten. Während es im 16. Jahrhundert noch christliche Geldgeber in der Stellung als Hoffaktoren gibt, sind im 17. und 18. Jahrhundert, vom Dreißigjährigen Kriege bis zur Judenemanzipation, die Hoffaktoren allgemein Juden; sie gehören zum Stab des Hofbeamtentums, rangieren unter der Rubrik: Hoffaktoren und werden gleichzeitig als Juden vermerkt. Hoffaktor und HofJude sind im 17. und 18. Jahrhundert gleichbedeutend, eine Tatsache, welche die jüdischen Forscher, die sich mit der Geschichte der Hof juden befaßten.

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Ziel , und Weg

übereinstimmend festgestellt haben und die unsere Quellen auch bestätigen· H o f j u d e ist die allgemeine Bezeichnung, H o f f a k t o r der amtliche Titel, unter dem diese Fürstendiener in den Hof- und Staatskalendern aufgeführt werden. Auch wenn ihnen kein besonderer Titel verliehen wird, bilden die Hof juden zusammen die Abteilung der Hoffaktoren im Stabe der Hofbeamtenschaft. Dies gilt für das Zeitalter des Absolutismus, auf das wir unsere Arbeit begrenzen; denn Geschichte und System des jüdischen Hoffaktorentums fällt in Deutschland mit der Geschichte des fürstlichen Absolutismus zusammen. Das 17. und 18. Jahrhundert ist die klassische Zeit der Hoffaktoren, Deutschland mit seinen vielen Fürstenhöfen das klassische Land der Hof juden, und kein anderes Reich bietet ein solch vielgestaltiges, buntes Bild des Hoffaktorentums wie Deutschland. In dem vorliegenden Werk bringen wir demnach eine Darstellung des Hoffaktorentums von seinen Anfängen bis zu seinem Ausgang mit dem Ende des absoluten Fürstenstaates, und zwar zunächst systematisch für den Bereich der norddeutschen Staaten. T e i l I des Werkes behandelt die Institution des Hoffaktorentums in dem größten norddeutschen Staat B r a n d e n b u r g P r e u ß e n , und zwar in dem Gebietsumfang von 1806. Die Hoffaktoren in Schlesien, in Magdeburg und Halberstadt sowie in den westlichen Gebieten der Hohenzollern werden demgemäß in diesem ersten und umfangreichsten Teile behandelt; er bringt bereits alles Wesentliche über die Institution des Hoffaktorentums und schildert die Bedeutung der Generalprivilegierten für die Judenemanzipation, ein Faktum, das bisher völlig übersehen wurde. T e i l I I enthält die Darstellung über die Hoffaktoren der Weifen in H a n n o v e r , B r a u n s c h w e i g , W o l f e η b ü t t e l , B l a n k e n b u r g und C e l l e ; den Abschluß bildet die Schilderung von dem Wirken des Geheimen Finanzrats I s r a e l J a c o b s o n . T e i l I I I behandelt die zahlreichen Hoffaktoren in K u r s a c h s e n und S a c h s e n - A n h a l t Kernstück ist die Geschichte des polnischen Residenten B e h r e n d L e h m a n n , des einflußreichsten Hoffaktors Augusts des Starken. Dieser Teil bietet zugleich einen Beitrag zur Geschichte der Hoffinanz in Bayern und zur Haltung des Staatskanzlers Hardenberg. Die drei ersten Teile geben also eine möglichst erschöpfende Darstellung der Hoffaktoren und ihrer vielseitigen Tätigkeit in den größten norddeutschen Staaten. Auch innerlich gehören diese drei Teile insofern zusammen, als die darin behandelten Hoffaktoren dem gleichen Personenkreis zugeordnet sind, mehr oder weniger eine große Familie bilden.

Z i e l und Weg

Τ e i 1 I Y faßt die Hoffaktoren in den beiden M e c k l e n b u r g , die einen Personenkreis für sich bilden, und die Hoffaktoren in H e s s e n und H a n a u , die gleichfalls eine Personengruppe darstellen, zusammen. In dem Abschnitt über Hessen wird auch die Stellung der Familie R o t h s c h i l d in dem System der Hoffaktoren gekennzeichnet. T e i l V ist den Hoffaktoren in den geistlichen Fürstentümern gewidmet; er behandelt die so zahlreichen Hoffinanziers von Kurköln und den häufig damit verbundenen Bistümern M ü n s t e r , P a d e r b o r n und H i l d e s h e i m . Dieser Teil ist zugleich beispielhaft für die Institution des Hoffaktorentums in den geistlichen Territorien Deutschlands. T e i l V I schildert die Institution der Hoffinanziers an kleinen norddeutschen Fürstenhöfen; hier hat auch W o l f B r e i d e n b a c h , neben Jacobson der eifrigste Vorkämpfer der Judenemanzipation, seinen Platz gefunden. Auch dieser Teil ist beispielhaft für Stellung und Wirken der Hoffaktoren an den kleinen deutschen Fürstenhöfen. Die Teile I—VI behandeln also nach und nach die Institution des Hoffaktorentums nach der geschichtlichen Bedeutung deutscher Staaten, von der Großmacht Preußen über die Mittelstaaten und die geistlichen Fürstentümer bis zu den kleinen Höfen, so daß zugleich alle Größen der deutschen Staaten vertreten sind. T e i l V I I faßt die erzielten Ergebnisse zusammen; erst mußten in einer größeren Anzahl von Staaten die Hoffaktoren in ihrer Wirksamkeit zur Darstellung kommen, dann erst konnte die Institution der Hoffinanziers als solche geschildert werden. Es wird sich dann zeigen, wie weit die allgemeinen Thesen Werner Sombarts über die entscheidende Bedeutung der Hoffaktoren für den modernen Staat zutreffen oder nicht. Wenn das vorliegende Werk die Institution des Hoffaktorentums auch nur in den norddeutschen Staaten e i n g e h e n d darstellt, so ergeben sich jedoch so viele Beziehungen bereits zu den süddeutschen Höfen, daß unter Auswertung der Arbeiten von Sundheimer, Stern und Müller über die beiden wichtigsten süddeutschen Staaten Bayern und Württemberg und auf Grund gewonnener Einsichten die Schilderung des Systems der Hoffaktoren für Gesamtdeutschland — ausgenommen Österreich — zutrifft. Das Werk will nicht nur einen grundlegenden Beitrag zur Institution des Hoffaktorentums liefern, sondern auch den fürstlichen Absolutismus in Deutschland von einer neuen Seite beleuchten, indem die vielseitigen Beziehungen zwischen Fürsten und Hoffaktoren, zwischen Judentum und modernem Staat aufgezeigt werden. Es wird in viele bisher, unbekannte Dinge hineingeleuchtet, und manche Personen und Ereignisse erscheinen in neuem Lichte.

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Ziel und Weg

T e i l V I I I enthält das Akten- und Schriften Verzeichnis, besonders die zu unserem Thema benutzten, in den Archiven befindlichen unterdrückten Archivalien. Dieses Verzeichnis der Archivalien dürfte insofern noch von besonderer Bedeutung sein, als viele davon durch den Luftkrieg vernichtet worden sind. Der Verfasser hat diese Archivalien nicht nur mit ihrer Signatur angegeben, sondern zur Förderung weiterer Einzelforschungen zugleich vermerkt, welche Hoffaktoren in den betreffenden Akten vorkommen. Diese Hinweise dürften den zahlreichen Nachkommen jener Hoffaktoren für ihre Familiengeschichte willkommen sein. Bemerkt sei noch, daß die Akten über viele Familien und ihre Geschäftstätigkeit so umfangreich sind, daß darüber allein ganze Werke geschrieben werden könnten. Auch bieten die zahlreichen und meist sehr umfangreichen juristischen Gutachten deutscher Fakultäten Quellenmaterial zur deutschen Rechtsgeschichte; sie sind bisher überhaupt nicht ausgewertet worden. Den Abschluß des Werkes soll zu gegebener Zeit eine Auswahl der wichtigsten Akten zur Geschichte des Hoffaktorentums an deutschen Fürstenhöfen bilden; von diesen Akten existieren viele nur noch in den vom Verfasser angefertigten Abschriften, andere dürften auf lange hinaus für die Forschung nicht zugänglich sein. Zum Schluß spreche ich meinen wärmsten Dank aus dem Direktor des Staatsarchivs in Hannover, Herrn Prof. Dr. Schnath, der mit innerster Teilnahme meine Forschungen begleitet und durch zahlreiche Hinweise auf Akten und Einzelheiten gefördert hat, sowie jenen Nachkommen bekannter Hoffinanziers, die dem Verfasser manches Material zur Genealogie ihrer Familien geliefert haben. Heinrich Schnee

Erster

Teil

Die Institution des Hoffaktorentums in Brandenburg-Preußen

2

Sthnee, Hoffinanz I

Samuel von Derenburg, der Hofbankier der Erzbischöfe von Magdeburg im 14. Jahrhundert Samuel von Derenburg gilt allgemein al» der erste jüdische Hoffaktor in Deutschland; dies trifft insofern nicht zu, als noch vor Samuels Auftreten Juden in amtlicher Stellung bei Fürsten nachweisbar sind. An süddeutschen Höfen und in Österreich waren jüdische Hoffaktoren bereits in der Kaiserzeit tätig. Auch standen noch vor Samuel von Derenburg die jüdischen Bankiers M u s k i n (1323 bis 1336), J a k o b D a n i e l (1336—1341) und dessen Schwiegersohn M i c h a e l (1341—1349) an der Spitze der Finanzverwaltung des Erzbischofs von Trier 1 . Samuels Wirken als Hofbankier dagegen fällt erst in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. In Norddeutschland mufi als erster jüdischer Hoffaktor S a l o m o n oder S a l m a n gelten, der 1315 H o f - u n d K ü c h e n m e i s t e r des Herzogs Heinrich VI. von Breslau gewesen ist, sich also in der Stellung eines Hofbediensteten befand. Daß diese Stellung als etwas Besonderes empfunden wurde, geht daraus hervor, daß sich der Bischof von Breslau veranlaßt sah, gegen den herzoglichen Hoffaktor scharf vorzugehen, da kein Christ einem Ungläubigen Untertan sein durfte. Dem Pfarrer, in dessen Sprengel Salomon wohnte, befahl er, den Hoffaktor aufzufordern, binnen acht Tagen sein Amt niederzulegen. Darauf enthielt sich Salomon eine Zeitlang seines Amtes, übernahm es jedoch bald wieder aufs neue. Da ließ der Bischof von der Kanzel alle diejenigen mit dem Bann bedrohen, die als Bedienstete irgendwie mit dem jüdischen Hoffaktor zu tun hatten. Jeden Sonntag mußte diese Androhung des Bannes von den Kanzeln verlesen werden. Über die Tätigkeit des Hof- und Küchenmeisters Salomon sind wir weiter nicht unterrichtet. In den vierziger Jahren des 14. Jahrhunderts war der reiche G a z u m Vertrauensmann des Bischofs Albrecht II. von Halberstadt und des Domkapitels, das an diesen sogar zwei kostbare Kirchengemälde für 70 Silbermark verpfändete. Auch dem Grafen von Regenstein hatte Gazum Geld geliehen. Samuel kann nach bisherigen Forschungen als der jüdische Hoffaktor an norddeutschen Fürstenhöfen betrachtet werden, von dessen Stellung und Wirksamkeit wir ein klares Bild erhalten. Was uns urkundlich, über „Smol von Dernenbürch M überliefert ist, zeigt, daß 2*

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Samuel von Derenburg

er eine Vertrauensstellung bei den Magdeburger Kirchenfürsten innehatte und für sie Geldgeschäfte tätigte, also Hofbankier gewesen ist. Er wird auch „Smol der jode" und „Samuel der jude" in den Urkunden genannt2. Derenburg im Kreise Halberstadt hatte eine alte jüdische Gemeinde, aus der 200 Jahre später auch der reiche Michel kam, der im 16. Jahrhundert Hoffaktor der Harzgrafen, der Weifen, der Hohe n zollern und anderer Fürsten gewesen ist. Die Judengemeinde Derenburg hat demnach die ersten bekannten Hoffaktoren an norddeutschen Fürstenhöfen gestellt. Samuel wurde bei seinen finanziellen Unternehmungen von seinen Brüdern M a r q u a r d und E f f r a y m von Dernenburch unterstützt; sie werden zusammen in einer Urkunde vom 28. November 1347 erwähnt, in der Erzibischof Otto dem Rate der Stadt Braunschweig über 300 Mark quittierte, welche dieser versprochen hatte, künftige Ostern zu zahlen, indem er diese Summe den Magdeburger Bürgern Bosse von Haldansleve, Cord und Hermann von Dodheleve und „seinen Juden", den Brüdern Smol, Marquard und Effraym von Dernenburch, überwies. Samuel wird dann in einem in Barby am 24. Oktober 1364 ausgestellten Schriftstück genannt, in welchem Dompropst Hermann von Werberge, Edler Günther zu Barby, Degenhard von Wulven, Henning von der Leyne, Hans Alemann und Hans König, Bürger von Magdeburg, im Verein mit ihm bezeugen, daß auf einer zwischen dem Erzbischof Dietrich von Magdeburg und dem Fürsten Waldemar I. von Anhalt verabredeten Versammlung zu Barby letzterer nicht erschienen ist. Zwei Urkunden aus dem Jahre 1365 bezeugen, daß Samuel damals einer Kommission angehörte, die aus ihm, vier Ratsmitgliedern der Stadt Magdeburg und Hans von Neindorf bestand und welche die Aufgabe hatte, den Streit des Erzibischofs Dietrich von Magdeburg mit der Stadt Halle wegen Einsetzung des Salzgrafen zu entscheiden. Mit dem Domherrn Johann von Marburg, Heins von Neindorf, „Smole dem joden" als V e r t r e t e r des E r z b i s c h o f s fanden weitere Verhandlungen in dieser Angelegenheit mit Ratsherrn und Schöffen, die Halle vertraten, statt. Im nächsten Jahre hören wir wieder von Finanzgeschäften Samuels. In einer am 22. März 1366 ausgestellten Urkunde versprachen Ritter Anno von Heimburg und sein Vetter Anno, 400 Mark Brandenburgischen Silbers, Magdeburger Gewichts, im Erzstift nutzbar anzulegen; Hans von Wanzleben, Heinrich von Alvensleben, Meinhardt von Schirstedt und „Smol der Jude" verbrieften ihnen die Hälfte der Summe als Bürgen des Erzbischofs von Magdeburg.

Samuel von Derenburg

Als am 11. Juni 1367 mehrere Grafen und Herren eine Sühne zwischen dem Erzbischof Dietrich und dem Edlen Hans von Hadmersleben, in die audi die Stadt Magdeburg einbezogen wurde, herbeiführten, erscheint „Smol von Derneburgs" Name zwischen Hanns von Neyndorff und Hanns von Hordorff. Am 2. Januar 1370 bekundete „Smol der Jude" mit anderen die Beilegung des Streites zwischen Erzbischof Albrecht und Klaus von Bismarck wegen des Nachlasses des Erzbischofs Dietrich, und am 28. Februar des gleichen Jahres zahlte er im Auftrage des Erzbischofs ' mit Hermann von Wernberge und Meineke von Schirstedt 400 Brandenburgische Silbermark an Hermann von Wanzleben. In besonderer Gunst muß Samuel beim Erzbischof Peter gestanden haben. Als dieser Kirchenfürst am 21. April 1372 die Magdeburger Juden in seinen Schutz nahm, ward in dem Schutzbriefe vermerkt: „uzgenomen Smolen von Derneborch unsen juden und sine kindere". Hier wird Smol vom Erzbischof ausdrücklich als „ u n s e r J u d e" bezeichnet. Wenn er aus dem allgemeinen Schutzbrief herausgenommeil wurde, dann muß er durch besondere Privilegien ausgezeichnet worden sein. Die Begünstigung durch Erzbischof Peter ging so weit, daß sich Papst Gregor XI. veranlaßt sah, in einem Schreiben, das am 15. Juni 1372 zu Avignon ausgefertigt wurde, den Kirchenfürsten zu tadeln. Der Papst wandte sich vor allem dagegen, daß Samuel in dem Orte „Salince" in einer früheren Kapelle eine Synagoge eingerichtet haben soll. Das Schreiben lautet in Übersetzung: „Gregor, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, seinem verehrungswürdigen Bruder, dem Erzbischof von Magdeburg, Heil und Segen! Sehr zu unserem Mißfallen haben wir vernommen, und wenn der Bericht der Wahrheit entspricht, sind wir mit Recht ungehalten darüber, was Deine Brüderlichkeit nicht beachtet, daß, wenn auch die christliche Liebe die Juden aus Mitleid duldet, ihnen dennoch nicht gestattet werden darf, was den göttlichen Namen beleidigt, ein Ärgernis für die Gläubigen und ein Schaden für den katholischen Glauben ist, daß Du nämlich einem gewissen Juden Samuel, genannt Smol, in der Stadt Salince, die zu Deiner Kirchen Verwaltung gehört, gestattet hast, daß dieser Jude in einer gewissen Kapelle der genannten Stadt, in der ein konsekrierter Altar war, eine Synagoge eingerichtet hat. Daher befehlen wir Deiner Brüderlichkeit durch apostolisches Schreiben strengstens, daß du dies, soweit es wahr ist, so schnell zu ändern Dich bemühst, daß wir nicht noch ein anderes Besserungsmittel anwenden müssen." Der hier genannte Ort dürfte Groß-Salze sein, da in zwei Urkunden aus dem Jahre 1383 Samuel in Verbindung mit diesem Orte genannt wird. Am 5. Oktober hören wir von des Bürgers Albrecht Segdewint Revers wegen der ihm vom Erzbischof Albrecht verkauften

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Samuel von Derenburg

5 Marie aus den Bierpfennigen von Groß-Salze von den 10 Mark, die vormals Erzbisdiof Dietrich Samuel von Derenburg verkauft hatte. Die zweite Urkunde berichtet, daB Erzbisdiof Albrecht an den Bürger Götze von Metern 5 Mark jährlich aus den Bierpfennigen zu GroßSalze verkaufte, die sein Vorfahre Samuel von Derenburg verkauft hatte. Eine weitere Erwähnung des „Smol judeus" findet sich im Jahre 1376. Am 15. Juni 1372 richtete Papst Gregor XI. auch an den Bischof von Naumburg einen tadelnden Brief wegen Begünstigung der Juden. Bitter beklagte sich das Oberhaupt der Kirche darüber, daß ein Jude M a r q u a r d bei dem Kirchenfürsten eine hervorragende Stelle einnehme. Das Schreiben hat in der Übersetzung folgenden Wortlaut: „Gregor etc. seinem ehrwürdigen Bruder, dem Bischof von Naumburg, Heil etc. Wenn auch die christliche Frömmigkeit die Juden aus Mitleid duldet, darf man doch nicht über die Gläubigen stellen diejenigen, welche eigene Schuld ewiger Knechtschaft unterworfen hat. Daher haben wir mit schwerer Beunruhigung vernommen, daß Du einen gewissen Juden Marquard zu Deinem Freundeskreis zählst, daß dieser häufiger bei der gerichtlichen Verurteilung von Christen den Vorsitz führt und Gelder in Deinem Namen in unmenschlicher Weise von ihnen erpreßt zur Schädigung Deiner eigenen Ehre und zum Ärgernis für die meisten, weshalb wir Deiner Brüderlichkeit durch apostolisches Schreiben aufs strengste befehlen, soweit diese Dinge auf Wahrheit beruhen, Dich zu bemühen, sie schnellstens abzuändern,, damit wir nicht überdies ein anderes Besserungsmittel anwenden müssen." Es ist wahrscheinlich, daß dieser Marquard der Bruder Samuels war. Von Geschäften Marquards wird uns auch später noch berichtet. Am 8. Juni 1400 bezeugt der Rat der Stadt Braunschweig dem Smol, daß er zu Unrecht von seinen Braunschweiger Glaubensgenossen wegen einer Schoßauflage verdächtigt worden sei; er wird „Unse Jode" genannt, jede weitere Bezeichnung fehlt; doch dürfte es sich um Samuel von Derenburg handeln, der ja schon 1347 in Beziehung zu Braunschweig vorkommt. Im Jahre 1409 hören wir nochmals, daß „Smol de jode von Meydeburch" „was verclaget von Daneyle von deme joden von Koten unde is ghekomen in gherichte". Da seit „Smols" erster Erwähnung 1347 nun 62 Jahre vergangen sind, dürfte dieser Samuel von Magdeburg ein Nachkomme Samuels von Derenburg — Sohn oder Enkel — sein; er wird im ganzen siebenmal erwähnt 8. Es sind nur Blitzlichter, die aus den erwähnten Urkunden auf „Smol den joden" geworfen werden. Aus ihnen erhellt aber, daß Samuel von Derenburg Hofbankier der Erzbischöfe Otto (1327—1361),

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Dietrich (1361—1367), AlbreAt III. (1367-1372) und Peter (1372—1381) gewesen ist, und daß er bei dein letzteren in besonderer Gunst gestanden hat. Wir treffen den jüdischen Bankier mehrfach in höchster Gesellschaft, in Verbindung mit geistlichen und weltlichen Würdenträgern. Ebenso ergibt sich aus den vorhandenen Quellen eindeutig, daß er für die Kirchenfürsten Geldgeschäfte besorgte. Seine Stellung kennzeichnet am besten das Wort des Erzbischofs Peter: „ U n s e r Jude." Samuel von Derenburg und Marquard waren nach ihrer Tätigkeit und Stellung also H o f f a k t o r e n .

Die ersten Jüdischen Hoffaktoren der Kurfürsten von Brandenburg

Der „reiche Michel" „Qiener und Getreuer" Joachims Π. Joachim II., dessen Regierung die Jahre von 1535—1571 umspannt, hat als erster Kurfürst der Hohenzollern in der Mark Brandenburg Hoffaktoren in seine Dienste gestellt. Zwar hören wir im Jahre 1336 von einer Gefangennahme des Hoffaktors S c h m o l k e in Berlin; doch war dieser Kammerknecht des Herzogs Rudolf von Sachsen. Auch hatte Burggraf Friedrich VI., der erste Hohenzoller in der Mark, in Geldangelegenheiten seinen H o f j u d e n J o s e p h , und Kurfürst Albrecht ließ sich von seinen Leibärzten A b r a h a m u n d M o s e behandeln, aber als Institution beginnt das Hof Judentum in der Mark erst unter Joachim. Joachims Hoffaktoren waren der Bankier Michael und der Münzmeister Lippold. Aus zahlreichen Akten und zeitgenössischen Berichten gewinnen wir ein deutliches Bild von ihrem Charakter und ihrem Wirken. Unter dem Kurfürsten Joachim I. waren die Juden im Jahre 1510 aus der Mark Brandenburg ausgewiesen worden; aber wie frühere Ausweisungen immer nur von kurzer Dauer waren, so blieb auch diesmal Brandenburg nicht lange ohne jüdische Bevölkerung; denn schon unter Joachim II. wurden die Juden der Geldbeschaffung wegen wieder aufgenommen. Ihre Duldung wurde auch damit begründet, daß sie sich verpflichtet hätten, Silber zur Erhaltung der Münze zu liefern. Im allgemeinen gab es jedoch damals nur wenige Juden im Lande. Daß nun gerade unter Joachim II. in Brandenburg die Institution des Hof judentums begründet wird, hängt mit dem Charakter und der Regierungsweise dieses Kurfürsten zusammen. Unter ihm wird der Fürstenhof zum Mittelpunkt der Luxusentfaltung; kostbare Möbel, Gewänder und Luxuswaren aller Arten werden für den neuen

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Lebensstil benötigt. Der Handel mit Luxuswaren lag aber seit langer Zeit schon in den Händen der Juden und war so gut wie monopolisiert; außerdem beherrschten sie den Edelmetallmarkt. Jahrtausendelang hatten sie ferner den Seidenhandel gepflegt und die Seidenindustrie brachten sie aus Griechenland nach Sizilien, dann nach Spanien und Frankreich, Wer Bijouterien, Edelsteine, Perlen, Seide, Seidenwaren, Bijouterien aus Gold und Silber beziehen wollte, war im wesentlichen daher auf jüdische Händler und Lieferanten angewiesen, ebenso auf jüdische Geldgeber; denn schon während des ganzen Mittelalters hatten die Juden stets vermögende Leute unter sich, und wenn auch dieser Reichtum nicht immer von langer Dauer war, weil er den Juden von Zeit zu Zeit von den Fürsten abgenommen wurde, so kamen einzelne Familien doch immer wieder in kurzer Zeit zu Gelde. Die ersten Hof juden der Hohenzollern sind denn auch Hofbankiers, Hof juweliere und Hofmünzer. Als dann später das stehende Heer zu einem Machtmittel des absoluten Fürstenstaates wird, erscheinen auch die jüdischen Kriegslieferanten. M i c h a e l 1 ist seines Reichtums wegen wahrscheinlich als erster Jude ins Land gelassen worden; von seinem Auftreten in der Mark im Jahre 1543 bis zu seinem 1549 erfolgten Tode stand er in großem Ansehen beim Kurfürsten. Für seinen Reichtum spricht sein augenblendender Aufwand; er ließ sich auf seinen geschäftlichen Unternehmungen von Dienern begleiten und pflegte zu Roß mit großem Gefolge zu reisen, führte gleichsam ein Doppelleben als Geldmann und adeliger Herr. In seiner Schrift „Von den Juden" erzählt Luther, er habe gehört, daß ein reicher Jude, nämlich Michael, mit zwölf Pferden durch Deutschland reise. Der Reformator bekämpfte den Einfluß der Hof juden überall da, wo er ihn zu sehen glaubte. Kurfürst Joachim nennt Michel mehrfach „D i e n e r u n d G e t r e u e r". Michael stammte aus der jüdischen Gemeinde Derenburg bei Halberstadt, dem Hauptort einer Herrschaft, die den Grafen von Regenstein oder Rheinstein als kurbrandenburgisches Lehen gehörte. Daher erscheint er zunächst auch als Hoffaktor der Harzgrafen. Zur Belohnung seiner kriegerischen Tüchtigkeit während der Hildesheimer Stiftsfehde (1519—1523) erhielt er vom Rat jener Stadt, aus der die Juden 1457 vertrieben worden waren, Wohnerlaubnis. Aus Urkunden, die sich im Stadtarchiv Hildesheim befinden, geht hervor, daß Michael von Derenburg schon Jahrzehnte vor seinem Auftreten in Brandenburg eine hervorragende Rolle in Mitteldeutschland gespielt hat. An der Stiftsfehde nahm er wie ein adeliger Junker mit Roß, Harnisch und Knechten tatkräftig teil. Um die gleiche Zeit stand er bereits als „Hofdiener" in den Diensten des Herzogs Heinrich des Jüngeren von Braunschweig und Lüneburg. Wegen seiner Beteiligung

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an der Fehde zog er sich „Gefängnis und Einlager" zu. Am 7. September 1523 bat er den Rat der Stadt Hildesheim, er möge doch an seinen gnädigen Herrn, den Herzog von Braunschweig, schreiben oder schicken, daß er des Gefängnisses und Einlagere entledigt werde und Pferd und Harnisch behalten dürfe. Er könne sich in keinerlei Weise länger aufhalten wegen einer deutlichen Forderung, die an ihn von Herzog Heinrich ergangen. Sollte er von der Gefängnisstrafe nicht befreit werden, so mache er die Stadt auf den Schaden aufmerksam, den er „des Einlagere halber" hier in Schöningen erleiden würde. Für diesen Schaden müßte er die Stadt haftbar machen, da er ja im Solde von Hildesheim gestanden habe. Damals wohnte Michael in Schöningen. Am 13. Oktober des gleichen Jahres teilte Michael aus Wolfenbüttel der Stadt mit, daß er durch seinen gnädigen Herrn, den Herzog Heinrich von Braunschweig, seines Gefängnisses und Einlagere entledigt sei, ebenso diejenigen, welche mit dem Scharmützel zu tun hatten. Er bittet aber den Rat der Stadt um die Erstattung seiner Verluste und Auslagen, und zwar nach dem gegenwärtigen Wert. Nach der beigefügten Aufstellung fordert Michael: 50 Gulden für zwei graue Pferde, 16 Gulden für zwei Harnische, 5 Gulden für zwei Sättel mit allem Zubehör, 5 Gulden für seinen Ringharnisch, 2 Gulden für zwei Zäume, 3 Gulden für einen Hauptharnisch, 1 Gulden für zwei Spieße und zwei Fausthämmer, 10 Gulden als Zehrgeld seines Einlagere halber zu Schöningen, Linden und Wolfenbüttel, 14 Gulden rückständigen Monatslohn für zwei Pferde, zusammen also die staatliche Summe von 106 Gulden. Am 28. Dezember wird Michael von Erxleben aus erneut beim Rat der Stadt vorstellig mit der Bitte, ihm bei dem Braunschweigischen Fürsten einen Freibrief zu verschaffen und durchzusetzen, daß er Pferde und Harnische behalten dürfe, da er abermals von etlichen Junkern seines Gefängnisses halber und des Harnisches und der Pferde wegen eingefordert werde. Er, des Herzogs „Hofdiener", sei in dem Handgemenge und Scharmützel bei Hohenhameln beteiligt gewesen. Im Jahre 1531 wohnte Michael in Hannover; damals müssen sich seine Beziehungen zu Hildesheim schon weniger günstig gestaltet haben; denn in seiner Eingabe vom 16. November bittet er um Schutz für seinen Bruder Jost und die Seinen, da sie von der Zunft der Knochenhauer bedrängt werden. Fünf Jahre später jedoch, am l.März

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1536, wird der reiche Michel von Schleusingen aus beim Bischof gegen seinen Bruder vorstellig, der, auf dem Berg vor der Stadt wohnhaft, ihm Brief und Siegel vorenthalte, die er Jost zu treuen Händen habe übergeben lassen. Seine fürstlichen Gnaden wären zwar schon beim Rat der Stadt zu seinen Gunsten vorstellig geworden, jedoch ohne Erfolg. Auch die Vermittlung des Dechanten auf dem Berg, des Herrn Marks Hollthausen, Doktors beider Rechte, und des Meisters Jürg Schefel, habe keine Einigung zwischen ihm und seinem Bruder herbeigeführt, da sein Bruder ihm eine Rechnung vorgelegt habe, der er nicht zustimmen konnte. Als die besagten Unterhändler einen Vergleichsspruch taten, sei sein Bruder einfach fortgeritten, obwohl er sich vorher durch Handschlag verpflichtet hatte, dem Schiedsspruch zuzustimmen. Michael bittet daher nochmals untertänigst, Seine fürstliche Gnaden wollen ihn bei der Stadt Hildesheim durch ein Schreiben in Rechtsschutz nehmen und seinen Bruder zwingen, dem aufgestellten Vertrag nachzukommen und ihm Brief und Siegel auszuhändigen. Wenn aber der Rat der Stadt antworten sollte, daß Jost ihrem Gericht nicht unterstehe, so weise er darauf hin, daß die Stadt von seinem Bruder mitsamt seiner Schwester jährlich zwölf Gulden Schutz- und Schirmgeld nehme, die Stadt also wohl über ihn Recht und Gewalt habe. Weigere sich sein Bruder, den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, dann solle man ihn festnehmen und so lange festhalten, bis er Besagtes tut. Wenn aber die Stadt seinen Bruder wie früher handeln und wandeln ließe, dann bitte er seinen Schutz- und Verteidigungsfürsten um die Erlaubnis, die Hildesheimer daran zu hindern. Schließlich findet sich unter den Hildesheimer Urkunden noch ein Schreiben ohne Jahresangabe, aus Derenburg stammend, in dem Michael im Auftrage des Grafen von Regenstein die Stadt bittet, dem gräflichen Amtsschreiber weiteren Zahlungsaufschub zu gewähren, und zwar bis zu seiner Ankunft. Den Amtsschreiber werde er dann mitbringen. Bis dahin hoffe er, daß Stadt und Amtsschreiber sich gütlich vertragen und einigen werden. In den gleichen Jahren stand Michael in den Diensten des Landgrafen von Hessen, der ihn 1530 zum „ D i e n e r v o n H a u s aus" bestellte. Über Michels Geschäftsbeziehungen zu den Harzgrafen sind wir im allgemeinen gut unterrichtet. Am Ostermontag 1531 stellten die Grafen Ulrich und Bernhard zu Regenstein oder Rheinstein dem „bescheidenen Michel Juden von Derenburg" eine Schuldverschreibung über 9000 rheinische Gulden aus; Kapital und 6°/o Zinsen waren Ostern 1533 in Michels Haus zu Hannover zurückzuzahlen. Bürgschaft leisteten die vier Grafen Wilhelm von Henneberg, Botho zu Stolberg,

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Gebhard zu Mansfeld und Wolfgang zu Barby, dazu neun Adelige. Weder Schuldner noch Bürgen kamen ihren Verpflichtungen nach. Dem Grafen Gebhard zu Mansfeld lieh Michel von 1530 bis 1532 gegen 6 °/o insgesamt 14180 Gulden. Mit den Grafen von Rheinstein geriet Michel dann in schwere Konflikte. Die Schuldner warfen dem Bankier wucherische Ausbeutung vor und wiesen ihm nach, daß er viel weniger bezahlt habe, als verschrieben worden sei, so 470 statt 600, 350 statt 450 Gulden. Die beiden Grafen ließen daher am 28. Januar 1534 in Michels Hause in Derenburg durch einen Notar eine Bestandsaufnahme machen und drei Kästen und eine Lade aus seinem Hause auf Schloß Derenburg bringen. Im gleichen Jahre erließen die Grafen an verschiedene Fürsten ein Schreiben mit dem Ersuchen, Michel zu gebührlichen Rechten anzuhalten« Auf ein zweites Ersuchen antwortete Landgraf Philipp von Hessen dem Grafen Ulrich im November 1534, daß Michel, den er 1530 zu seinem Diener bestallt hatte, lange Zeit nicht mehr im dortigen Fürstentum gewesen sei und sich unter den Grafen von Henneberg gewöhnt habe, wohin er also das Ansuchen richten müsse; Michel hatte jetzt in Schleusingen seine Wohnung. Einige Jahre später stand er wiederum in den Diensten des Pfalzgrafen. Im Januar 1538 heißt es, Pfalzgraf Friedrich sei jetzt Michels Landesherr, Michel dessen Hintersasse und habe ein Schloß und Flecken Rothenstatt in der Oberpfalz bei Weiden samt allem Zubehör gekauft und sei dessen Lehnsmann. Nach einem Ausweis des Pfalzgrafen besaß er jedoch noch andere Güter, Häuser und Höfe im Reiche und soll auch „viel reisiger Pferde auf der Streu gehalten" haben. Aus Prozessen und anderen Streitigkeiten erfahren wir, daß Michel durch ganz Deutschland und weit nach Polen in Geldgeschäften reiste, so nach Wien, dann zum König von Böhmen nach Prag, zum Herzog von Liegnitz, nach Posen und nach Wilna. Am 22. März 1535 befahl König Ferdinand der böhmischen Kammer, die ihm von „Unser Jude Michl von Dornberg" geliehenen 2000 Goldgulden in Empfang zu nehmen und demselben die diesbezügliche Obligation auszuhändigen. Aus diesem Dokument ergibt sich, daß der reiche Michel audi Hof jude Ferdinands I. gewesen ist. Michel hatte 1538 eine Wohnung in Schleusingen, aber auch eine Behausung in Rothenstatt. Im gleichen Jahre ließ er sich in Fürth nieder, nachdem ihm 1537 vom Markgrafen Georg von BrandenburgAnsbach ein Geleitsbrief auf neun Jahre für sich, die Seinigen oder seinen Faktor erteilt worden war. Der Markgräfin mußte er 6 Pf. Unzgold bezahlen, auch sollte er „dem Markgrafen mit vier oder fünf Pferden auf markgräfliche Kosten gewärtig sein". In dem Schutzbriefe erließ ihm der Markgraf „als Diener der römisch kaiserlichen oder

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königlichen Majestät, des Pfalzgrafen bei Rhein und der Herzöge von Bayern, sowie des Landgrafen Georg zu Leuchtenberg wider dieselben zu dienen", Michel mußte sich aber verpflichten, ein Haus für etwa 600 Gulden zu bauen; das Haus wurde in der Geleitsgasse errichtet. Gegen die Niederlassung Michels erhob der Rat in Nürnberg sowohl beim Bischof Weigand von Bamberg als auch bei der Regierung in Ansbach Protest, der natii rlich keinen Erfolg hatte, denn der vermögende und einflufireiche Geldgeber zahlte dem Dompropste das ungewöhnlich hohe Schutzgeld von 400 Gulden und jeder seiner Handelskonsorten dazu noch 100 Taler. Im Jahre 1540 wohnte Michel wiederum in Schwabach. Unter seinen Geldgebern befanden sich verschiedene adelige Herren, darunter auch der Erbmarschall des Stiftes Paderborn Johann von Spiegel. Aus dem Jahre 1540 wird berichtet, daß Uriel, Abraham und Michel wegen eines Hausbrandes in Fürth Strafe dulden und Urfehde schwören mußten. Daß sich Michel gern in der Doppelrolle eines jüdischen Geldgebers und Edelmannes gefiel — nach unverbürgten Nachrichten galt er bald als Sohn eines der Grafen von Regenstein, bald als Abkömmling eines Christen und einer Jüdin —, beweist der Streit mit Ulrich von Regenstein in Sachen der Michelschen Schuldforderung. In einer Anwaltschrift vom 10. Oktober 1541 wird berichtet: Michel habe vor Jahren Schuldbriefe des Grafen an einen gewissen Wolf Schlesier oder Schlesinger verkauft. Da dieser nichts erreichte, habe er der Feind des Grafen werden müssen, um sein Recht zu suchen. Dem Grafen habe er öffentliche Fehde angesagt. Einige Fehde- oder Feindbriefe des Wulff Schlesinger, der sich auch „Junker Wolff" nannte, an Graf Ulrich sind in Abschriften erhalten. Im zweiten Fehdebrief vom 15. Juli 1539 teilt er mit, daß er mehrere Schuldverschreibungen des Grafen, darunter eine von Michel Juden über 3120 fl„ an sich gebracht, aber vergeblich um deren Begleichung ersucht habe. Wenn jetzt das Geld in vierzehn Tagen nicht in Pilsen in Hans Selvers Wirtshaus hinterlegt werde, solle dem Grafen Fehde und Feindschaft angesagt sein. In einem späteren Anschlag rühmte sich „Junker Wolff", mehrere Brände angelegt zu haben, und kündete weitere Untaten an. Die Grafen Regenstein waren fest davon überzeugt, daß hinter der ganzen Aktion der reiche Michel steckte. In einem kaiserlichen Ladebrief aus Speyer vom ?. Juli 1540 heißt es : Michel Jude habe unter dem erdichteten Namen Wolff Schlesinger am 10. August 1539 dem Grafen mehrere öffentliche Feindbriefe vor Derenburg nachts anstecken lassen und Landfriedensbruch angedroht. Weihnachten 1539 habe er damit begonnen, habe Feuersbrünste angelegt, einen Müller wegschleppen lassen und anderes noch. Der Graf hatte auch Michels

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ehemaligen Diener Mósche von Hildesheim aufgegriffen und mittels Folter erfahren, daß Michel der Wolff Schlesinger sei. Der Greif hielt dies auch durch Michels eigene Handschrift für erwiesen. Am 7. Juli 1540 erging an Michel eine Ladung vor das> kaiserliche Gericht, die in Michels damaliger Behausung in Schwabach abgegeben wurde. Michel leistete ihr aber keine Folge; erflüchtete und hielt sich bald in Posen, -bald in Liegnitz auf. Er bekam es sogar fertig, 1541 den Herzog Friedrich von Liegnitz, den Starosten von Posen, die Stände von Schweidnitz und Jauer, ja selbst den Kaiser und König Ferdinand für den Einsatz zu seinen Gunsten zu gewinnen. Der Graf beantragte schließlich, Michel Juden in die Reichsacht zu erklären, da er ihn für Wolff Schlesinger hielt; dagegen protestierte Michels Anwalt am 10. Oktober 1541. Aus dem Verlauf der verschiedenen Prozesse am Reichskammergericht ist nicht zu ersehen, in welcher Weise die Angelegenheit schließlich geregelt wurde. Nach einem Schreiben von Michels Sohn Löb aus Torgau vom 19. November 1573 soll Graf Mansfeld wegen einer unerfüllten Schuld verurteilt worden sein, habe aber keine Parition geleistet. Kurfürst Joachim II. hatte vom Kaiser in dieser Sache Kommission erhalten und daher beide Teile auf Michaelis 1548 beschieden. Als der Graf keine Folge leistete, klagte Michels Witwe Merle 1549 gegen ihn. Doch hing die Sache gegen Christoph von Mansfeld 1579 noch unerörtert am Reichskammergericht „in Exeeutionibus und Immissionalibus". Löb hatte wegen der auf 25 000 Goldfl. aufgelaufenen Forderung nämlich Immission in die Ämter Seeburg und. Schraplau erhalten, doch war die Exekution verhindert worden. Was an diesem, geradezu phantastisch anmutenden Fall in die Augen springt, sind zweierlei Tatsachen: einmal die weitreichenden und einflußreichen Verbindungen, über die Michel verfügte, und das herausfordernde Auftreten, das selbst vor Landfriedensbruch, Feuersbrunst und Raub nicht zurückschreckte* Auch in den Diensten des Herzogs Erich des Älteren von Braunschweig-Calenberg und seiner Gemahlin Elisabeth hat Michel gestanden; das beweisen die Vergünstigungen, die der Hoffaktor in Hannover erlangte. Elisabeth, eine Schwester des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, war bei Michael verschuldet. Im Jahre 1544 lief bei ihr aus Speyer die Meldung ein, Michael „habe heftig an allen Orten gegen sie angesuchet, werde auch gegen sie an Kaiserliche und Königliche Majestät supplizieren und Mandate ausbringen". Michel hatte bereits ein abenteuerliches Leben als Hoffaktor verschiedener Grafen, Fürsten und Städte hinter sich, als er sich in Brandenburg niederließ und seine einflußreiche Stellung als Diener und s Getreuer des Markgrafen von Brandenburg erlangte. Schon den Zeit-

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genossen fiel das enge Verhältnis zwischen Joachim II. und seinem jüdischen Hoffaktor auf. So heifit es in einem Briefe vom 13. Juni 1543, den D. Joh. Forster an Joh. Schradi richtete: „Habet (Joachim) quendam, cui nomea est Michali, hunc donavit aedibus in foro exstructis, is ei est primus a consiliis et secretis. Amat autem propterea quod spem fecerit Principi, ex debitis, quibus ut qui maxime obstrictus est, brevi redimere velit." Michel war der erste bekannte jüdische Bankier unter den Geldmännern, mit denen der Kurfürst sich in Geschäfte einließ. Daß dem Hoffaktor ein Haus in der Klosterstraße, dem früheren Kornmarkte, vom Landesherrn geschenkt wurde, ist mehrfach bezeugt. Im Jahre 1544 gestattete Joachim II. seinem Hofbankier, mit Weib und Kindern auch in Frankfurt a. d. Oder zu wohnen und daselbst Geschäfte zu treiben. Aus den Akten ergibt sich nur ein unvollkommenes Bild von den Geschäften des Hoffaktors mit dem Kurfürsten; jedoch ist so viel ersichtlich, daß Michael in erster Linie seinem Landesherrn Gelder vorstreckte. Auf der Geldleihe beruhen im allgemeinen die ersten Beziehungen der jüdischen Hoffaktoren zu den Fürsten. Was wir über die Geldgeschäfte Michaels mit Joachim II. ermitteln können, zeigt, daß der Hofbankier über recht ansehnliche Mittel verfügte und auch beträchtliche Summen seinem Herrn zur Verfügung stellte. So hat Joachim seinem „Diener und Getreuen" 1546 einen Schuldschein über 25 000 Gulden ausgeschrieben, die eigentlich der Graf von Regenstein dem reichen Michel schuldete. Der Graf war 1546 nach Berlin zur Verhandlung gekommen. Der Kurfürst, der Lehnsherr der Regenstein, übernahm deren Schuld in Höhe von 20000 Goldgulden, so daß er seines Hoffaktors, der Graf aber sein Schuldner wurde. Dafür lieh ihm Michel noch 5000 Gulden und der Graf wurde durch eine mit Besoldung ausgestattete Ratsbestallung für diesen eigentümlichen Handel gewonnen. Der Kurfürst stellte demgemäß am Sonntag Vocem Jucunditatis 1546 dem Hoffaktor eine Verschreibung über insgesamt 25000 Goldgulden aus. Darin hieß es, daß „der Bescheidene, unser Diener und lieber getreuer Michel von Derneburg auf unser gn. Gesinnen und Bitten" die 25000 Rheinischen Goldfl. gegen 5°/o Zinsen bar vorgestreckt. Michel, seinen Erben oder den Briefinhabern ward zugesichert, daß jährlich auf Martini 2000 Goldfl. nebst Zinsen zü Frankfurt a. d. Oder oder sonst in einer Michel gelegenen Stadt zurückgezahlt werden sollten, so daß 1558 die Restzahlung erfolgte. Würde der Kurfürst säumig, so sollte er den ganzen Rest innerhalb der nächsten zwei Monate zahlen; geschah dies nicht, dann sollte der Hoffaktor befugt sein, den Kurfürsten in Leistung zu fordern- Dieser verpflichtete sich in diesem Falle, „mit eigenem Leib" oder an seiner

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Statt der Hofmarschall mit zwölf reisigen Pferden und elf Knechten in ein öffentliches Wirtshaus in Posen, Breslau oder wo sonst am gelegensten in 14 Tagen nach geschehener Mahnung in Leistung zu reiten und da ein ritterlich Einlager halten zu lassen, „wie Leisten Recht von alter Herkommen ist", so lange, bis der Gläubiger an Kapital und Zinsen samt Unkosten vergnüget sei. Wenn der Kurfürst auch darin säumig wäre, solle der Gläubiger alle „unsere und der unseren Leib, Hab und Güter aufhalten, bekümmern, wegführen, verkaufen, einnehmen" dürfen bis zur vollen Bezahlung. Zu Michels Lebzeiten wurde der Schuldschein nicht eingelöst; nach seinem Tode hat offenbar seine Witwe die Einlösung der Schuld gefordert; denn der Kurfürst bat darauf die Landstände um Übernahme dieser Summe. Aus Äußerungen der Stände vom 20. März 1550 geht hervor, daß die Bankiers-Witwe von 24000 bis 25 000 Gulden gesprochen hat, die Stände aber nicht glaubten, daß Michael tatsächlich so viel geliehen habe, vielmehr sei es „Regensteins halber" geschehen. Die Stände lehnten tatsächlich die Übernahme dieser Summe ab, und der Kurfürst blieb sie der Witwe seines Hofbankiers schuldig. Der Schuldschein ging später in den Besitz einés Herrn Heinrich von Staupitz über, der ihn 1561 zusammen mit anderen Posten, im ganzen 75000 Taler, gegen Abtretung des Amtes Lehnin dem Kurfürsten zuschlug. Dieser hatte auch vom Grafen Regenstein eine Schuldverschreibung und von dessen Söhnen eine Abzahlung von 10 000 Talern erhalten, der Rest soll den Grafen aus Gnaden erlassen worden sein. Als finanzieller Berater Joachims II. hat Michel auch den Plan des wallachischen Ochsenhandels aufgebracht. Danach sollten jährlich viele Tausende von Ochsen vom Fürsten der Wallachei geliefert und mit großem Gewinn in Deutschland verkauft werden, wodurch dem Kurfürsten eine regelmäßige Einnahme zufließen sollte. Doch zerschlug sich das Lieferungsgeschäft. Auch mit dem Bischof von Lebus, Georg von Blumenthal, hat Michel Geldgeschäfte gemacht. Von 1546—1549 nahm der Hoffaktor beim Bischof, offenbar für den Kurfürsten, an 5000 Taler auf. Als Michel 1549 überfallen wurde, war er von Frankfurt a. d. Oder mit einer Summe aufgebrochen, die auch dem Kurfürsten gehörte. Aus den Verhandlungen mit den Landständen ergibt sich, daß mit dem ersten jüdischen Hoffäktor auch die Hofjüdin auftritt. Wir stoßen im Laufe unserer Untersuchungen nur noch einmal auf eine Hof jüdin in Preußen. Michaels Gattin stand bei Joachim II. in gleich großer Gunst wie später die Juwelenhändlerin Liebmann bei dem ersten Preußenkönig. Michaels Frau war M e r l e , die Tochter eines Juden Joseph aus Schleusingen; 1542 war sie bereits seine Frau. Am 27. Februar 1544

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bestätigte der Kurfürst auf Ansuchen seines Haffaktors für dessen Frau Merle außer Kleidern und Schmuck ein „Leibgedinge" von 6000 rheinischen Goldgulden, die Merle auf Lebenszeit zugesichert wurden. Diese Handlungsweise Joachims II. bedeutete für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Vergünstigung für eine Jüdin; eine ähnliche Auszeichnung kommt in den norddeutschen Staaten nicht ein zweites Mal vor. Aus diesem Leibgedingebrief wird außerdem bekannt, daß Merle 3000 rheinische Goldgulden, ein stattliches Vermögen, als Ehegeld mitgebracht hat. In der gleichen Urkunde wird Michel bereits, wie auch später häufig, „ D i e n e r u n d G e t r e u e r " genannt, eine besondere Amtsbezeichnung hat Michael noch nicht geführt; jedenfalls ergeben sich dafür aus den Akten keine Anhaltspunkte.· Doch kennzeichnet die in den Urkunden gebrauchte Formel „Diener und Getreuer" genügend das Verhältnis zwischen Joachim und Michael. Er bekleidete dienstlich die gleiche Stellung wie in Hessen, die zweifellos ihre Kennzeichnung nach den „Räten von Haus· aus" erhält. Räte von Haus aus waren damals adelige Herren, die für gewöhnlich auf ihren Gütern sich aufhielten, aber neben ihrer Teilnahme an den Ständetagen noch gegen Futter und Mahl zu besonderen Dienstleistungen beim Kurfürsten verpflichtet waren und, wie es die Arbeitslast erforderte, auf Tage und Wochen periodisch an den Hof berufen wurden. Michaels Stellung als „Diener von Haus aus" war um einen Grad tiefer; zu seinen Amtspflichten gehörte aber zum Beispiel in Hessen die Gestellung von fünf Reisigen, und für den Markgrafen von Ansbach mußte er jederzeit vier oder fünf Pferde zur Verfügung halten. Weitere Einzelheiten mögen die einflußreiche Stellung Michaels und seiner Frau Merle näher kennzeichnen. Michael, der bereits in Berlin zwei Häuser besaß, hatte auch in Frankfurt a. d. Oder ein stattliches Haus am Markt. Wahrscheinlich hatte er es des Handels mit den polnischen Juden halber vorgezogen, auch in Frankfurt zu wohnen. Eines Tages wurde seine Frau von der Stadt beschuldigt, eine Magd gedungen zu haben, um die Brunnen der Stadt zu vergiften. Die Antwort des Kurfürsten vom 10. März 1544 ist uns erhalten. Der Kurfürst schreibt, daß er den Bericht über seinen Hofdiener Michel Juden und seine Frau „nicht ohne verwunderunge und beschwer gelesen". Obwohl er solches Tun „aus vielen Ursachen" nicht glauben kann, befiehlt er doch die Verhaftung einiger Leute, welche in die Beschuldigung verwickelt sind. „Es ist auch unser Ernstlicher befelch Ir wollet euch an gedachten unserem diene r seiner hausfrauen gesinde oder guther keineswegs und im geringsten nicht vorgreifen oder andern zuthunt gestatten". Auch befahl er der Stadt während seiner Abwesenheit, „unsers dieners haus hof und alle seine gesinde weib und kind für

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allen aufrur und schaden" zu behüten. Der weitere Verlauf der An-r gelegenheit ist nicht bekannt; jedenfalls ließen sich Bürgermeister und Ratsinannén der Stadt Frankfurt a. d. Oder nicht einschüchtern; sie blieben dem Hofdiener unfreundlich gesinnt und machten ihm Schwierigkeiten, wo sie nur konnten, besonders in seinem Recht, in seinem Hause Fleisch „stechen und schneiden" zu lassen. Michael beschwerte sich deshalb beim Kurfürsten. Dieser schrieb am 11, März 1546 der Stadt, sie möge seinem Hofdiener keine Schwierigkeiten ber reiten, damit er sich nicht erneut zu beklagen brauche. Michael habe* ihm berichtet, daß er nur wenig „fleisch vor die seinen stechen und schneiden" lasse. Auf einer Geschäftsreise ward Michael am 23. April 1549 am lichten Tage nicht weit von Frankfurt a. d. Oder überfallen und gefangen. Bald darauf wurden jedoch auch die Wegelagerer gefangen und samt Michael nach Torgau an der Elbe gebracht. Als Joachim von dem Mißgeschick seines Hofdieners Nachricht erhielt, setzte er sich in einem Schreiben vom 28. April an den Kurfürsten Moritz von Sachsen für Michael ein. Er bat, seinen Abgesandten Joachim Schaum und Thomas Blaufelder Zutritt zu seinem „Diener" zu gewähren. Michael solle freigelassen werden mit seinem Hab und Gut, das für Kurfürst Joachim bestimmt gewesen sei. Darauf erhielt Michael am 5. Mai 1549 éinen Geleitbrief des Kurfürsten für die Rückkehr von Torgau nach Berlin. Gegen die Männer des Überfalls wurde das Verfahren wegen Landfriedensbruch eröffnet; auch die Abgesandten Joachims nahmeil daran teil, sie mußten über den Stand der Verhandlungen berichten. Aus dem stark beschädigten Vernehmungsprotokoll ergibt sich, daß ein Bürger aus Frankfurt einem gewissen Rackel (oder Rachel) geraten habe, Michael zu fangen. Ein Graf von Regenstein, dem Juden „nicht gut" und „schuldig" (verschuldet), sollte ihn dabei mit seinem Rat unterstützen. Rackel zog darauf über Eisleben nach Regensteinv traf jedoch den Grafen nicht an. Dann ging er über Staßfurt nach Magdeburg, wo er mit dem Rat beriet. Schließlich wurde er Reiter bei einem gewissen Wenzel Beuden. Die treibende Kraft scheinen demnach Magdeburger Bürger gewesen zu sein, denen von den „Märkischen Schande geschehen" und die sich dafür an Michael rächet wollten. Die Magdeburger schlossen mit Beuden einen regelrechten Vertrag; danach sollte den Reitern Beudens der fünfte Teil von der Schätzung des Juden zufallen, die „Übermaße" dagegen den „geischädigten" Bürgern von Magdeburg. Beuden zog mit seinen Reitern zunächst nach Frankfurt a. d. Oder, wartete dort in verschiedenen Quartieren, bis Michael abgereist war, ritt ihm nach und nahm ihn gefangen. An dem Überfall waren 14 Reiter beteiligt. Beuden, der mit 3

Sdmee, Hoffinanz I

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einigen Reitern erst später dazu kam, wollte Michael nach Magdeburg schaffen, wo bereits ein Haus zu seiner Aufnahme bereit stand. Die ^Schätzung" des Juden wollte der Rat der Stadt Magdeburg vornehmen. Uber den weiteren Ausgang fehlen uns sichere Nachrichten. Nach chronikalischen Berichten wurden die gefangenen Reiter am 17. Mai 1549 hingerichtet. Doch auch der Hoffaktor fand bald darauf ein gar jämmerliches Ende. Nach der Überlieferung seiner Zeit wollte er eines Morgens aufs „Secret" gehen, verfehlte jedoch in der Dunkelheit eine Stufe, stürzte die Treppe hinunter und brach sich das Genick. Als man diesen Unfall dem Kurfürsten meldete, sah er darin ein göttliches Strafgericht, das über seinen Hofdiener hereingebrochen war. Er ward nachdenklich; dann sandte er sofort Eilboten nach Torgau, um die Hinrichtung der Reiter zu verhindern. Doch zu spät! Das Urteil war bereits vollstreckt. Der geheimnisvolle Tod des so herrisch und protzig auftretenden reichen Michel hat seine Zeitgenossen wiederholt beschäftigt. Michaels Witwe M e r l e lebte, wahrscheinlich unter kurfürstlichem Schutz, in Frankfurt a. d. Oder. Der Kurfürst war ihr wegen einer beträchtlichen Schuldforderung verpflichtet; seinem Enkel, dem Bischof von Lebus, hat sie nach dem Tode ihres Mannes noch den „Jungen Rappen" geliefert. Der Rat der Stadt Frankfurt, welcher der Hofjüdin ebenso abgeneigt war wie dem Hof juden, wagte es jedoch nicht, gewaltsam gegen Merle vorzugehen. Als Merle im August 1549 ohne Vorwissen, ja wider den Willen des Rates eine zu einem Hause der Stadt gehörige Wiese kaufte, beklagte sich der Rat bei dem Kurfürsten darüber, da man das Haus ohne die Wiese nicht verkaufen könne. Er erbot sich, die Wiese von der Jüdin zurückzukaufen. „Der wisen so zu Hans Brocken hause zu Franckfordt gehörig, welche Micheli Judinne hinder wissen und willen des rats erkauft, so ist auch wider der stadt wilkor und allem gebrauch das di wifien von den heusern solden verkauft werden: cf. g. zu bitten, das die Michel Judinne gegen erstattung des Kaufgeldes widerumb zum Hause mocht gslagen, den one das kan das haus nicht verkauft werden und bleiben alle schosser hindere teilig." Als die Stände sich aber mehrfach über die „Michel Jüdin" beklagten, wurde Merle im April 1551 mit ihren Söhnen und Töchtern ausgewiesen. Der älteste Sohn Löb oder Levi war „seines vielfältigen Betrugs und großer Schulden halber" in Berlin bestrickt worden, aber aus solcher Bestrickung als ein Ehr- und Eidvergessener entwichen, wie es in einem Schreiben des Kanzlers Diestelmeier hieß. Heimlich verließ Brandenburgs erste jüdische Hoffaktorenfamilie Berlin, ohne Erstattung der Abzugsgelder. Alles, was sie an Barschaften und Pfändern von anderen Leuten besaßen ,brachte sie „mit zwölf großen

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Kranfassen" nach Prag· Bei der mittelmärkischen Landschaft hatte sie aber noch eine Forderung von 6000 Gulden, auf welche die Gläubiger Arrest legten. Aber in den fünfziger Jahren stand Merle wieder in der Gunst des Kurfürsten und tätigte mit ihm Geldgeschäfte, die zum Beispiel für die Jahre 1558 und 1559 bezeugt sind. Mehrere Rechtshändel, die alle auf Michel zurückführen, sich aber noch viele Jahre nach seinem Tode hinzogen, charakterisieren den Hofbankier und berichten uns noch manche Einzelheit über diese Hoffaktorenfamilie. Im Jahre 1543 hatte der Kurfürst seinen Hoffaktor Michel in Geschäften zum Starosten nach Posen geschickt. Damals hatte Anne Freibergin, verwitwete Neuhof er, Joachim II. „als ihren lieben Landeefürsten" um Hilfe gegen die Danziger angehalten, für die ihre Mutter 80 000 ungarische Gulden in Nürnberg gezahlt hätte, die auch diese Schuld anerkannt, aber nicht bezahlt und sich darum auf den König von Polen berufen hätten. Der Kurfürst gab daher Michel den Auftrag, die Angelegenheit beim Starosten zu fördern, und die Klägerin händigte ihm auf sein Anfordern auch die vier wichtigsten Dokumente zu treuen Händen aus. Michel kehrte jedoch unverrichteter Sache zurück, brachte auch die Briefe nicht wieder, hatte sie angeblich verloren und konnte oder wollte sie auch nicht wieder schaffen. Der „ehrlose Gottesverächter und. Gotteslästerer" hatte die Briefe der Beisitzerin „mit jüdischen Schleifreden" abgelockt und sie vermutlich „den Leuten überantwortet, die sie gern verloren haben". Im Jahre 1546 kam die Angelegenheit vor das kurfürstliche Kammergericht, das Michel in contumaciam zur Zahlung der 80000 Gulden samt allen Schäden, Interessen und Gerichtskosten verurteilte und der Klägerin in dieser Höhe Immission auf Michels Güter gestattete. Der Hoffaktor war aber so einflufireich, daß er die Publikation dieses Urteils zu verhindern wußte, obwohl der Herzog Albrecht von Preußen zugunsten der Klägerin Fürsprache eingelegt hatte. Bezeichnend ist, daß die Publikation erst nach Michels Tode im Dezember 1552 erfolgte. Einige Monate darauf ward auf Betreiben der Klägerin Michels Witwe Merle in Prag, ihrem Zufluchtsort, gefänglich eingezogen. Daß aber der Einfluß der Familie in Berlin noch bedeutend gewesen sein muß, zeigt das erfolgreiche Einschreiten ihres Sohnes Löb. Nachdem dieser sich — zunächst auf ein halbes Jahr — das kurfürstliche Geleit verschafft hatte, erreichte er in Berlin im November 1553, daß das erste Urteil aufgehoben wurde, ja, daß der Kurfürst zugunsten seiner einstigen Hofjüdin mehrfach beim Rat der Altstadt Prag intervenierte und im August 1554 auch ihre Freilassung erwirkte. Schließlich wurde im März 1555 die Klage abgewiesen und diese Abweisung auf Supplik 3*

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beim Kurfürsten Ende August 1555 auch bestätigt. Lob, der offenbar an Finessen seinem Vater nicht nachstand, verstand es sogar nachzuweisen, daß an der hohen Forderung nichts dran und die Sache wohl ein riesiger Betrug sei, obwohl sein Vater die ihm anvertrauten Dokumente der Klägerin vermutlich, unterschlagen hatte. Die Kläger erwirkten noch 1567 ein kaiserliches Mandat gegen Michels Nachkommen, doch blieb dies praktisch ebenso wirkungslos wie das lange Prozessieren der Gegenseite beim Reichskammergericht. Die Unterstützung, die der Hoffaktorensohn Lob in dieser An; gelegenheit beim Kurfürsten fand, ist auffällig; sie läßt sich vielleicht daraus erklären, daß der Kurfürst in einer zweiten Angelegenheit, die ihn selber anging, dafür um so unnachgiebiger war. Sie betraf die Schuld des Kurfürsten von 25000 Goldgulden; 1557 klagte Löb gegen den Kurfürsten beim Reichskammergericht in Speyer. Von kurfürstlicher Seite wurde darauf hingewiesen, daß die Schuldverschreibung nur zum Schein gegeben worden und nicht mahnbar sei; es war ja tatsächlich die Regensteinsche Schuld. Der Hoffaktor habe einen Gegenrevers ausschreiben sollen, sei aber vor dessen Vollziehung gestorben, dann habe Löb den Revers ausstellen sollen, sei auch dazu bereit gewesen; durch die Nachlässigkeit der kurfürstlichen Diener sei dies versäumt worden. ' Kanzler Distelmeier wies darauf hin, daß dies durch viele lebendige Zeugen zu erweisen sei. Löb habe sich auch mehrmals erboten, die Verschreibung ohne alles Entgelt wieder zurückzugeben, weil er eben gewußt habe, daß der Kurfürst darauf nichts zu zahlen schuldig sei. In einem ausführlichen Bericht lehnte Berlin jede Klageberechtigung ab, worauf Jud Löb Michel die Klage auch sofort fallen ließ und die Verschreibungen veräußerte, also zü Geld machte. Darauf bezieht sich ein Befehl des Kurfürsten Johann Georg an den Rat der Stadt Frankfurt a. d. Oder vom 2. November 1579. Danach hat Peter Krause zu Fürstenwalde die Michel gegebenen Schuldverschreibungen Joachims II. bei dessen Sohn mit Geld ausgelöst, die Scheine aber gar nicht erhalten können, weil sie der Hoffaktor weitergegeben hatte. Der Rat sollte daher die zum Martinimarkt nach Frankfurt kommenden polnischen Juden, die ihm Krause namhaft machen würde, ernstlich dazu anhalten, Levi und seine Bürgen dahin zu bringen, entweder Peter Krause die kurfürstlichen Schuldverschreibungen zu verschaffen oder ihm das ausgezahlte Geld zurückzuerstatten. Sollte dies nicht geschehen, dann würden die polnischen Juden auf den künftigen Märkten wahrnehmen, was ihnen widerfahren werde. Ein anderer Rechtsstreit ergab sich aus den schon erwähnten Geldgeschäften Michels mit dem Bischof Georg von Lebus und aus der ab^

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lehnenden Haltung, die der Kurfürst Johann Georg gegen die jüdischen Finanzberater seines Vaters einnahm. Als der zehnjährige Sohn Johann Georgs, Joachim Friedrich, Bischof von Lebus geworden war, forderte der Markgraf als Vormund seines Sohnes von Michels Erben Gelder zurück, die Michel dem alten Bischof schuldig geblieben war, mit Zinsen waren es 3606H Taler. Johann Georg klagte gegen Michels Erben und ging gegen sie mit Arrest vor. Die Familie bestritt nicht nur die Forderung, sondern machte ihrerseits eine Gegenforderung von 2724 Gulden geltend- Die Familie Michels wurde jedoch von den Berliner Gerichten in mehreren Instanzen zur Zahlung verurteilt. Darauf ließ Johann Georg ihr Berliner Haus und ihre bei der Landschaft noch stehenden 2000 Taler einziehen und auf einen Regensteinschen Schuldposten in Höhe von 2000 Goldgulden Arrest legen. Eine Appellationsklage der Michelschen Erben beim Reichskammergericht schwebte noch 1573. Von Michels Familie werden uns außer seiner Witwe Merle noch genannt sein Sohn Löb, der später in Hannover seine Behausung hat, dessen Sohn Mosche von Derenburg, ein Bruder des Hoffaktors namens Jobst und seine Schwester Lucia, die noch um 1570 in einer Behausung in der Klosterstrafie in Berlin wohnte. Jobst hatte in Hildesheim seine Wohnung. Faßt man zusammen, was sich aus den Akten feststellen läßt, dann erkennen wir bereits alle Wesenszüge, die für Stellung und Geschäftstätigkeit eines jüdischen Hoffaktors kennzeichnend sind. Michel hebt sich aus der Masse der kleinen jüdischen Händler heraus einmal durch seine vielen einflußreichen und weitgespannten Beziehungen, über die er verfügt; sie reichen von Berlin im Norden bis nach Wien und Prag im Süden, im Westen von Hessen und der Pfalz bis nach Posen und Wilna im Osten. Durch die Geldleihe kam Michel zu Vermögen und Einfluß; er wird Geldgeber zahlreicher kleinerer Herren und Fürsten und schließlich Hoffaktor des Kurfürsten Joachim II. von 1543 bis 1549. In der Hauptsache ist er Geldgeber und Finanzberater; diese Tätigkeit sichert ihm eine starke Stellung bei Hofe und einen mächtigen Einfluß, wie Michels Verhältnis zum Rat der Stadt Frankfurt a. d. Oder zeigt. Kennzeichnend ist ferner bereit« hier die Tatsache, daß der Fürst für die Interessen seines Hoffaktors eintritt, daß Fürst und Hof jude zusammengehen. Michels Stellung wird am besten beleuchtet durch Worte seines Sohnes, der rühmte, sein Vater sei „für andere Juden in vieler Christlichen Fürsten Handel und zu hochwichtigen Sachen gebraucht worden", und habe „oft den Zutritt gehabt, da ein anderer wohl für der Thür stehen und bleiben müssen". Midiel dürfte der erste reine Geldmann von Beruf sein, der in Berlin auftauchte; er muß schon seiner weitverzweigten Geschäftsbeziehun-

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gen wegen zu den bedeutenden Kapitalisten des 16. Jahrhunderts gerechnet werden, aber zu den jüdischen Bankiers großen Stils gehört er noch nicht. In jener Zeit, dem Zeitalter der Fugger, waren durchweg christliche Bankiers die Vertreter der Geldwirtschaft, die ihre Landesfürsten beim Aufbau des modernen Staates finanziell unterstützten. Das gilt auch für Brandenburg und Berlin unter Kurfürst Joachim II., mit dessen christlichen Geldgebern sich Michel nicht messen kann. Seine Vertrauensstellung bei vielen Fürsten und Aristokraten ist nicht zum geringsten auf die Tatsache zurückzuführen, daß sein ganzes Erscheinungsbild und sein Auftreten so gar nichts von einem Juden an sich hatten. Als Beweis dafür kann Michels „Einlager" angesehen werden, das in Deutschland zuerst 1182 nachweisbar ist, 1577 zwar durch Reichspolizei-Verordnung verboten ward, aber als ritterlicher Brauch, der auch von Geistlichen und Bürgern angenommen wurde, bis zum Dreißigjährigen Kriege in Übung geblieben ist. Dieses auf Treu und Glauben begründete Einlager bedeutete ursprünglich die freiwillige Aufgabe der Freiheit bei nicht eingehaltener Verpflichtung. Für den Fall einer „Nichthaltung von Brief und Siegel" verpflichteten sich nämlich Schuldner und Bürgen, sich mit ihren Personen zur Verfügung zu stellen, indem sie mit mindestens zwei Pferden und einem Knecht an einem gewissen Ort „einreiten" und dort so lange Herberge halten, bis sie sich losgelöst haben- Daß der reiche Michel solche Verpflichtungen selbst mit dem Kurfürsten Joachim II. eingehen konnte, daß er in den Akten als Lehnsmann des Kurfürsten von der Pfalz bezeichnet wird, charakterisiert eindrucksvoll die gesellschaftliche Stellung des reichen Michael.

Münzmeister Lippold Nach Michaels Tode sonnte sich in der Gunst des Kurfürsten der Münzmeister L i p p o l d * , der mit seiner Familie aus Prag, das die bedeutendste Judengemeinde im Süden Deutschlands hatte, nach der Mark Brandenburg gezogen war, wo er sich etwa seit 1550 aufhielt Lippolds Vater hieß Judel Hluchim, seine Brüder waren Pinkus, Isaac und Avigdor. In wenigen Jahren gewann Lippold das Vertrauen des Kurfürsten und verstand es, sich für dessen Finanzgeschäfte unentbehrlich zu machen, wahrscheinlich, indem er ihm Kapitalien zu verschaffen wußte. Ein feierlicher Erlaß machte Lippold im Jahre 1556 zum Obersten aller märkischen Juden und stattete ihn mit einer Fülle besonderer Rechte und einer großen Machtvollkommenheit aus; sicherlich hatte das scharfe Auge Lippolds die Schwächen des Kurfürsten bald entdeckt und seine Erhebung in jenes Amt durchgesetzt.

Münzmeister Lippold

Der Kurfürst geriet bald unter den Einfluß des Münzmeisters, der in einem Erlaß vom 20. Januar 1556 „unser lieber, getreuer Lippold" genannt wird. Der neue Hoffaktor soll vor allem darauf achten, daß Pagament, Silber, alte Münzen und Edelsteine weder von Juden noch von Christen aus dem Lande geschafft werden. Er hat außerdem die von jedem Juden jährlich an die Münze zu liefernde Menge Silber zu bestimmen und zu kontrollieren. Das Wohl und Wehe der Juden wird in die Hand Lippolds gelegt; denn mit dem Abschätzungsrecht konnte er seinen Glaubensgenossen so recht seine Macht zeigen. Von 1556 an hatte der Hoffaktor auch das Amt des Schatullenverwalters inne; nach den Anweisungen des Kurfürsten verfügte er über die von den Juden an Tribut und Strafen vereinnahmten Gelder; im gleichen Jahre beginnen seine Rechnungsbücher. Auch die Geldausgaben für die alchimistischen Liebhabereien des Kurfürsten wurden von Lippold bestritten. Seine Stellung bei Joachim wurde immer vertraulicher; immer häufiger ward er nach Schloß Grimnitz geladen, und sicherlich hat er auch bald die Dienste eines Kammerdieners geleistet; denn es steht fest, daß èr dem Kurfürsten in der Todesnacht einen Becher Weines gereicht hat. Kurfürst Joachim II. hatte bekanntlich galante Passionen; seine Liebesabenteuer mit Anna Sydow, der „Wulffin" und der „Bandelin" kosteten viel Geld. Der Hoffaktor wurde in die kurfürstlichen Liebesgeheimnisse eingeweiht; er muflte aus den Judengeldern die „Douceurs" für die Maitressen und Geschenke für die „Wulffin", „Bandelin" und Anna Sydows Tochter Magdalena bezahlen; 1558 begegnen uns in den Rechnungsbüchern zuerst solche Zahlungen. Auch der kurfürstliche Luxus spiegelt sich in Lippolds Rechnungsbüchern wieder. Mehr oder weniger ist der ganze Hofstaat bei Lippold verschuldet. Aus Lippolds Büchern ergeben sich deutlich Zweck und Art der Geschenke an die kurfürstlichen Geliebten. Da erhält 1564 die Wulffin ein „silbern Scheidt", ein „silbern beschlagk, ein silbern Büchslein, gülden Hauben, ein vergülden Becher"; 1569 die Bandelin „20 Thaler, 4 Ellen Sammt". Auch des Kurfürsten besondere Anhänglichkeit an Magdalena, eine Tochter Anna Sydows, kommt in Lippolds Büchern zum Ausdruck. Da steht: „1567. Chf. gn. zu seinem neuen Jahr Magdaleinchen vor Zucker und allerlei andere dergleichen geben 5 Thaler." „1568. In Weihnachten hat er Churf. gn. gebracht, das er Magdeleine geben. Ein Schwartz-Sammeten Junk f rau Bar et mit goldt aufgenedt und gestickt." „Item ein Schachtel mit Puppen, ein gulden Ketten, Konfekt von allerlei Zucker für 8 Thaler in einer Schachtel, wieder ein

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Schachtel mit Bilder von Zucker gemacht, ein Schreibzeugk für 5 Thaler." „1569. E n Becher für 9lA Thaler hat das Hurenkind Mägdelein bekommen und zu Doctor Luthers Hochzeit geschenkt." Unter den Ausgaben für den Luxus des Kurfürsten finden wir Summen für Kleinode mit Edelgestein, einen „Handtstein mit Kruzifix", „drei gemalte Bilder", Geschenke für Doktor Luther, den Arzt des Kurfürsten, 200 Taler für einen Hauskauf Luthers, Ausgaben für Stoffe und Zutaten für die Kleider der Hofleute, Einlösung versetzter Pfänder der Hofleute. Bürger, Junker und Hofleute machten ebenfalls Geschäfte mit dem Hoffaktor, der als Hoflieferant reich wurde. Neben seiner Stellung als kurfürstlicher Schatullenverwalter betrieb Lippold ein Geld- und Pfandgeschäft; nach der Verhaftung des Hoffaktors wurden bei ihm noch Pfänder im Werte von 11131 Talern, 5 Groschen und 9 Pfennigen gefunden. Die Pfänder wurden nach Lippolds Sturz den Schuldnern wieder zurückgestellt; so erhielt auch Peter Krause am 6. Januar 1573 seine Pfänder bis auf: einen „Portugaleser" zurück gegen Herausgabe einer in seinem Besitz befindlichen Verschreibung des Kurfürsten über 2000 Thaler, und der Rat Chr. Meyenburg quittierte dem Kanzler Distelmeier den Empfang eines für 80 Taler an Lippold versetzten Bechers am 29. Juli 1573. Lippolds Streben nach Geld kennzeichnet am besten die Tatsache, daß er 54 ®/o Zinsen forderte. Mit dem Dekret vom 21. Juli 1564 über die Neuaufnahme von Juden erschloß der Hoffaktor seinem Landesherrn eine neue Einnahmequelle. Im Jahre 1565 wurde Lippold auch Verwalter der kurfürstlichen Münze; der Hoffaktor war also S c h a t u l l e n v e r w a l t e r , K a m m e r d i e n e r und M ü n z m e i s t e r ; Leibarzt dagegen ist er nicht gewesen. Während der sechs Jahre bis zu seiner Verhaftung münzte Lippold 37 581 Gulden, 10 Groschen und 6 Pfennige, auf allen Geldsorten prangte der Davidstem als sein Zeichen. Lippolds Sache war ferner die Einlösung der fremden Geldsorten gegen die geprägte Münze und die Verrechnung der Wertdifferenz zugunsten des Kurfürsten. Eine schriftliche Bestallung fehlt, doch bezog der Münzmeister nach seinem eigenen Bericht für sein Amt wöchentlich fünf Taler Gehalt; er ist daher als kurfürstlicher Beamter anzusprechen. Hofmünzer des Kurfürsten muß auch Lippolds Glaubensgenosse M a y e r gewesen sein; denn Joachim verlangte von dem Magistrat der Stadt Frankfurt, diesem Juden und zwei Knechten zwecks Silbereinkaufs auf den Märkten das Heimatrecht der Stadt zu verleihen* Frankfurt lehnte jedoch ab; darauf erging 1565 ein scharfes^Schreiben an den Magistrat; die Antwort darauf fehlt.

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Im Jahr© 1567 ließ Lippold auf Grund einer vom Kurfürsten erteilten Vollmacht bei 18 Berliner Bürgern gewaltsam einbrechen und das vorgefundene Silber und Gold wegnehmen- Das steigerte die Abneigung der Untertanen gegen den eingewanderten und rasch emporgestiegenen Günstling, den seine jüdischen Glaubensgenossen ohnehin mit Feindschaft und Haß verfolgten. Lippolds Machtstellung erlaubte ihm sogar, Verhaftungen vorzunehmen und Gefängnisstrafen zu verordnen. Davon machte er auch Gebrauch, indem er einmal vier säumige jüdische Zahler kurzerhand verhaften und ins Gefängnis abführen ließ. Bei den Geschäften sind Lippolds eigene Interessen nicht zu kurz gekommen; denn von seinen Glaubensgenossen wird die Habsucht und Machtgier dieses Hoffaktors bezeugt. Dabei war er selbst ein schlechter Zahler, der schon in Böhmen Schulden hinterlassen hatte und von einem Blasius Dratzieher und dessen Sohn wegen „etlicher Gelder" belangt wurde. Gegen seine eigenen Familienmitglieder benahm er sich habsüchtig und gewalttätig; auch das Erbe der Kinder seines Bruders brachte er durch Gewalt an sich. Er mußte gerichtlich gezwungen werden, seiner Schwägerin Anna das Erbe seines Bruders nebst Zinsen herauszugeben. Es war im Jahre 1564, als Lippolds Bruder Pinkus, auch Jakob Jude genannt, in Berlin vor drei polnischen Juden als Zeugen für den Fall seines Todes die Anordnung traf, daß seine Frau Anna als Vormund der Kinder seine Hinterlassenschaft verwalten sollte, bei einer Wiederverheiratung aber war die Hinterlassenschaft zwei Rabbinern in Posen, Isaak und Jakob, zu übergeben; Lippold sollte in diesem Falle ermächtigt sein, einen dritten Vormund für die Kinder zu bestellen, der gleichfalls in Posen wohnen sollte. In aller Ausführlichkeit wurde bestimmt, daß an dieser Verfügung nicht gedeutelt werden durfte. Bald darauf scheint Pinkus gestorben zu sein. „Noch in der Woche seines Todes" nahm Lippold seine Hinterlassenschaft an sich und legte sie, wie es hieß, willkürlich an, der Witwe hielt er das Ihrige so lange vor, bis sie ihm die Vormundschaft vor Gericht abtrat, worüber er sich noch eine schriftliche Bescheinigung ausstellen ließ. Darauf stellte der Münzmeister in ihrem Beisein ein Verzeichnis über die Vermögenswerte auf, das beide unterschrieben. Während Pinkus* Witwe das Schriftstück bei den Juden in Frankfurt a. M. oder in Posen hinterlegen wollte, übergab es Lippold einem alten Juden in Berlin, dem es nur mit Vorwiesen der beiden Unterzeichneten abgefordert werden durfte. Lippold nahm es aber bald wieder an sich, indem er den alten Juden unter Androhung von Gefängnis im sogenannten „Grünen Hut" zur Herausgabe zwang.-

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Bezeichnend für die Machtstellung des kurfürstlichen Münzmeisters ist es nun, daß sich seine Schwägerin Anna das Unrecht Lippolds schweigend gefallen ließ. Die in Aussicht genommenen beiden Vormünder der Kinder in Posen sollen nicht einmal um diese Vorgänge gewußt haben. Ein späteres Schreiben aus Polen jedoch erklärt, daß die Freunde der Waisen nicht aus gutem Willen so lange geschwiegen hätten, sondern nur wegen Lippolds „großer Mächtigkeit", die er „vom Kurfürsten gehabt", und auf die er „sich verlassen" habe, wie jedermann wohl wüßte. Erst als Lippold nach dem Tode des Kurfürsten zu Anfang des Jahres 1571 gefangen gesetzt wurde; faßte die Jüdin Anna Mut, nahm sich einen Glaubensgenossen namens Heinrich aus Stendal zum Beistand und appellierte an das Berliner Stadtgericht mit dem Erfolg, daß ihr Anspruch gegen Lippold auf Herausgabe des Erbes ihrer Kinder anerkannt und als „Kummer" (= Beschlagnahme, arrestum) in das Kummerbuch de® Stadtgerkhts eingetragen wurde. Dieser „Kummer" lautete auf 2500 Gulden „guten Geldes" und „allerlei Hausgerät", das Lippold nach Ausweis des erwähnten Inventariums empfangen hatte; auch die Zinsen der 2500 Gulden, die sich auf ungefähr 7 ι/ί Jahre erstreckten, wurden mit als „Kummer" angemeldet. Da es sich um „Kindergeld" handelte, sollte dieser „Kummer" den Ansprüchen aller anderen Kreditoren Lippolds vorangehen, worüber den Klägern noch eine besondere Bescheinigung, datiert vom 30. Juni 1571, ausgestellt wurde. Der Anspruch war also bestätigt worden; um die Herausgabe des Erbes aber wirklich zu erlangen, wandte sich die Witwe mit ihrem Beistand in einer ausführlichen Klageschrift, unter Beifügung der Bescheinigung der Berliner Stadtgerichte und dreier, ihre Angaben bestätigender, schriftlicher Zeugnisse, die von einem Rabbi und mehreren jüdischen Doktoren in Polen verfaßt worden waren, an den Brandenburger Schöppenstuhl; sie baten, Lippold solle das Inventarium „in originali" vorlegen und alle Güter den Kindern zurückerstatten, „Barschaft, Kleinodien, Silbergeschirr und Hausgerät" samt allen Zinsen und Auslagen* Auch das Urteil des Schöppenstuhles gab ihnen recht: Lippold ward für schuldig befunden, das Inventarium samt den eingenommenen Gütern und Zinsen den rechten Vormündern auszuliefern, darüber eine klare Rechnung abzulegen und alles, was den Kindern zukäme, zurückzuerstatten, und zwar vor der Befriedigung aller anderen Gläubiger. Uber die Vollstreckung dieses Urteils fehlen genaue Angaben; ein späterer Aktenvermerk gibt lediglich an, daß aus Lippolds Hinterlassenschaft 316 Taler „an Geld, Kleidern, Silber und Gold" an die Kinder von Lippolds Bruder gekommen sind.

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Mit dem Tode des Kurfürsten war die Machtstellung des Hoffaktors zu Ende; Johann Georg, der neue Herr, ging sofort gegen den Günstling seines Vaters vor. Die treibende Kraft war jedoch der Kanzler Distelmeier; denn nichts hatte stärker empört als die Tatsache, daß Lippold „mehr Platz bei dem Kurfürsten gehabt, als keiner seiner Räte und fürnehmsten Offiziere (Beamte)". Johann Georg mißbilligte schon lange die Mißwirtschaft seines Vaters, der bei seinem Tode eine Schuldenlast von 2XA Millionen zurückließ. Er war gewillt, jnit den Günstlingen seines Vaters aufzuräumen. Joachim II. war in der Nacht vom 2. zum 3. Januar 1571 auf seinem Schloß zu Köpenick gestorben. Wenige Stunden zuvor hatte ihm Lippold ein Glas Wein (Malvasier), wie die Chronisten sagen, gereicht; anderen Quellen zufolge ließ der Münzmeister durch die „Bandelin", eine der kurfürstlichen Maitressen, den Trunk reichen. Nach kurzem Schlaf stellten sich heftige Hustenanfälle ein, denen der Kurfürst trotz ärztlicher Hilfe erlag« Johann Georgs, des neuen Kurfürsten, erste Maßnahmen bestanden nun darin, daß er noch in der Frühe des 3. Januar die Tore Berlins schließen ließ, damit die Günstlinge seines Vaters nicht entfliehen konnten. Einzelne wurden auch sofort verhaftet, ihre Papiere versiegelt und mit Beschlag belegt. Anna Sydow kam nach Spandau in Haft. Gegen die Juden erhob sich schon in den ersten Januartagen ein furchtbarer Tumult in den von ihnen bewohnten Straßen. Das verschuldete Volk schleppte die versetzten Pfänder fort und zerriß die Schuldscheine, um von den finanziellen Lasten befreit zu werden. Während des Tumultes ereilte nun auch Lippold sein Schicksal; er wurde am 3. oder 4. Januar verhaftet, um seine Flucht zu verhindern; denn der Hofmünzer hatte bereits Schritte zur Verwirklichung dieser Absicht unternommen. Sßin Glaubensgenosse Abraham, dem er auch verschiedene Kostbarkeiten übergab, sollte ihm einen Schlitten und ein gutes Pferd beschaffen, mit deren Hilfe Lippold sich in Sicherheit bringen wollte. Obwohl Abraham gewarnt wurde, dem Hofbankier ein Pferd zu verschaffen, glaubte er jedoch, dem Wunsche des Hofmünzers willfahren zu müssen, da ja Lippold der Juden Oberster war. Bevor aber das Pferd herbeigeschafft werden konnte, saß der Hoffaktor hinter Schloß und Riegel. Wenn man der Auffassung ist, aus Lippolds Fluchtabsicht könne nicht auf sein Schuldbewußtsein geschlossen werden, so muß dem doch widersprochen werden. Daß Lippold bei Juden und Christen verhaßt war, daß man ihm Schuld gab an der Mißwirtschaft Joachims II., daß er dessen Leidenschaften für seine Machtstellung ausnutzte, und daß er auch in seine Tasche wirtschaftete und ganz unverschämt wucherte, wird von seinen Glaubensgenossen ausdrücklich bezeugt. Die gesamte Bevölkerung emp-

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fand daher über den Prozeß gegen den Hofmünzer und dessen öffentliche Hinrichtung am 28. Januar 1573 zweifellos Genugtuung. Noch während der Untersuchung liefen von Kaufleuten und Gewerbetreibenden zahllose Bittschriften ein, die Zahlung der Schulden verlangten, die Lippold bei ihnen gemacht hatte. Lippold scheint dem Grundsatz gehuldigt zu haben, überall zu borgen und nirgends zu bezahlen. Selbst der Schwiegersohn von Lippolds Bruder, „Simon, Jude von Prag", schrieb dem Kurfürsten, er habe auf die Beihilfe von Lippold noch 150 Taler zu bekommen, und bat daher, der Kurfürst möge befürworten, „daß ich Armer bezahlt werde". Wenn auch manche Forderungen als „incerti creditore®" gelten müssen, so wirft die Fülle der eingelaufenen Bittschriften doch ein bezeichnendes Licht auf das Geschäftsgebaren Lippolds, der von seinen Glaubensgenossen und Christen Geld erpreßte, aber selber ein säumiger Zahler war. Daß sich in den Rechnungsbüchern Lippolds auch zweifelhafte Posten fanden, darauf hatte die Untersuchungskommission am Schluß ihres Berichtes ausdrücklich hingewiesen. Ob die uns mehrfach überlieferten Sätze, welche während eines Zankes Lippolds Frau ihrem Manne zurief: „Wenn der Kurfürst wüßte, was du für ein Schelm bist, und was du mit diesem Zauberbuch alles zurecht bringst, dann würde es dir bald schlimm ergehen", wirklich in diesem Wortlaut gefallen sind, ist belanglos, sie kennzeichnen aber doch den Hofmünzer in der richtigen Weise. Es darf für die Beurteilung des damaligen harten Strafverfahrens gegen den Münzmeister nicht unberücksichtigt bleiben, daß dieser in seiner Amtszeit die Macht und den Vorteil, der sich ihm bot, rücksichtslos genutzt hatte, und daß der neue Landesherr auch gegen andere Diener seines Vaters ungerecht und streng vorging. So wurde der Kammerrat Thomas Matthias, der Joachim II. große Vorschüsse geleistet, die sein eigenes Vermögen weit überstiegen, also wirkliche Opfer gebracht hatte, in Ungnaden entlassen und der ganzen Härte seiner Gläubiger preisgegeben. Die schöne Gießerin Anna Sydow starb in der Haft. Der Verlauf des Prozesses ist für unsere Darstellung nicht wesentlich; moralisch war der Hofmünzer zweifellos schuldig, und der Prozeß muß mit den Maßstäben jener Zeit gemessen werden. In Lippolds Besitz fand man auch ein in hebräischer Sprache verfaßtes Zauberbuch, wahrscheinlich eines jener kabbalistischen Bücher, wie sie im Mittelalter viel verbreitet waren. Nach Lippolds Tode erging ein allgemeiner Ausweisungsbefehl gegen die Juden in der Mark·. Lippolds Witwe wandte sich nach Wien und suchte dort die Hilfe de» Kaisers gegen den Kurfürsten zu gewinnen. Am 8. FebruaT 1574 richtete sie ein Bittgesuch an Maximilian II., das den Antrag enthielt, der Kaiser möge doch an den brandenburgisehen Kurfürsten schreiben

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und ihn veranlassen, daß ihr die Hinterlassenschaft ihres Mannes ausgehändigt Werde. Dieses Bittgesuch hat der Kaiser auch dem Kurfürsten Johann Georg übersandt mit einem Begleitschreiben vom 10. Februar, in dem der Kaiser versichert, er sei überzeugt, daß der Kurfürst gegen Lippold nur nach Recht und Gerechtigkeit und nach des „heiligen Reichs peinlicher Halsgerichtsordnung" vorgegangen, gleichwohl teile er ihm das Gesuch der Jüdin mit, weil diese ihn schon so viel damit belästigt habe. Am 23. April erfolgte die Antwort des Kurfürsten; darin betont Johann Georg vor allem Lippolds Verbrechen am Leben seines Vaters; er zweifle nicht daran, der Kaiser werde vernommen haben, „wie dieser Bösewichtsjude zu allen anderen seinen Bubenstücken, welche er durch seine teuflischen Künste allhier viele Jahre geübt, meinen Herrn Vater also eingenommen, daß S. Gnaden trotz aller Vorstellungen ihn stets um sich gehabt und ihm ihr Leib und Leben anvertraut, bis er demselben mit einem dazu be-r sonders zubereiteten Tranke endlich davon geholfen". Als Kurfürst sei er berechtigt, des Verbrechers Hab und Gut zu konfiszieren. Nachdem er Lippolds Gläubiger, „meine armen Untertanen, deren viele er schändlich und böslich ausgewuchert", befriedigt, habe er der Witwe mehr als 1000 Taler auszahlen lassen und sie dann des Landes verwiesen, „um solches böse Ungeziefer endlich los zu werden". Lippolds Witwe könne sich also nicht beklagen, sondern solle mit dieser Wohltat zufrieden sein. Eiûe Aktennotiz besagt in der Tat, daß von 1066 Tälern „Gold und Geld", so bei Lippold gefunden, der „Lippoldin" auf kurfürstlichen Befehl 750 Teiler ausgezahlt wurden, der Rest von 316 Talern an „Gelde, Kleidern, Silber und Golde" wurde den Kindern von Lippolds Bruder zugestellt, die ja der Hofmünzer um ihr Erbe zu bringen versucht hatte. Mit dem Briefwechsel zwischen Kaiser und Kurfürst endete für Brandenburg das Kapitel über Lippold. Eine Tochter dès „Lipmann", der in Berlin gevierteilt und verbrannt wurde, heiratete 1572 einen Markus Meysl. In den Jahren 1612 und 1613 erscheint nun diese J o h a n k a M e i s l i n i n der Stellung als H o f j ü d i n . Herzog Heinrich Julius von Braunschweig verwandte sich am 15. Oktober 1612 bei dem Kaiser Matthias für die Hof jüdin, damit ihr auf Grund eines Be* fehls weiland Kaiser Rudolfs II. ein Legat von 10 000 fl. aus der Breslauischen Kammer ausgezahlt werde, und am 21. November 1613 erging aus der kaiserlichen Kanzlei das Intimât, däß der Hof jüdin Johanka Meyslin die Auszahlung der Summe bewilligt wurde. Man ersieht daraus, daß die Familie Lippolds schon in der nächsten Generation wieder reich und einflußreich war 4 .

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Wie der Kurfürst und das Gericht, so waren auch die Zeitgenossen der Überzeugung, daß den Hofmünzer ein verdientes Schicksal ereilt hatte. Lippold nimmt unter allen norddeutschen Hoffaktoren eine einzigartige Stellung ein; denn weder unter den Hof juden inBrandenburg-Preußen, noch in der Geschichte der anderen norddeutschen Fürstenhöfe begegnet uns bis zur Emanzipation ein Jude, der sozial so hoch stieg, der so zum Vertrauten des Landesherrn, selbst in intimen Dingen, wurde, wie Münzmeister Lippold. Nur den Aufstieg und das Wirken des württembergischen Hoffaktors Joseph Süß Oppenheimer. anderthalb Jahrhunderte später können wir mit der Laufbahn Lippolds vergleichen. Ihr Schicksal und beider Ende sind denn auch von einer auffallenden Ähnlichkeit. Zusammenfassend läßt sich über Stellung und Bedeutung der ersten jüdischen Hoffaktoren der Hohenzollern sagen, daß sie ohne Zweifel eine einflußreiche Position innehatten und auch kapitalkräftig waren. Doch stehen in jenem Jahrhundert, namentlich unter Joachim II., die christlichen Bankiers und Geldgeber im Vordergrund. Im Berliner Schöffenbuch erscheinen von 1503 bis 1505 neben den vielen christlichen Gelddarlehen nur wenige jüdische, und die Gerichts- und sonstigen Akten berichten von zahlreichen adeligen, patrizischen, bürgerlichen und beamteten Personen, die mit dem Kurfürsten Geldgeschäfte tätigten. Die Familien Blankenfelde, Reiche, Wine, Grieben, Lindholz, Tempelhof, Mittelstraß und Matthias sind die Berliner Kapitalisten und Großkaufleute jener Zeit, mit denen sich Michael und Lippold nicht messen können. Auf Berlin und Brandenburg trifft für das 16. Jahrhundert keinesfalls Sombarts zu Eingang erwähnte Behauptung zu, daß Juden die leistungsfähigsten Geldgeber der Fürsten gewesen sind. Hier waren es die christlichen Bankiers und Kaufleute, und die jüdischen Hoffaktoren sind im 16. Jahrhundert Ausnahmeerscheinungen. Ohne das ständige Geldbedürfnis des Kurfürsten und seine berüchtigte Schuldenwirtschaft, die wildeste, die je in der Mark geherrscht hat, wären Michael und Lippold, das darf man behaupten, zu Geldgeschäften und Hofdiensten gar nicht herangezogen worden, und Brandenburg wäre ohne jüdische Hoffaktoren ausgekommen angesichts der zahlreichen adeligen und bürgerlichen Familien, die dem Hofe als Kreditgeber zur Verfügung standen. Für die Volkswirtschaft und Finanzgeschichte sind jedenfalls Michael und Lippold samt ihren unbedeutenden Glaubensgenossen von keiner entscheidenden Bedeutung, und auf die Gestaltung des Staates hatten sie gar keinen Einfluß. Eine weit größere Bedeutung dagegen muß man den Hoffinanziers der Habsburger gegen Ende des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zuerkennen. M a r k u s M e y s l (1528—1601), Vor-

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steher der Prager Gemeinde und Hofbankier, hinterließ als Hof jude bei seinem Tode das stattliche Vermögen von mehr als V2 Million Gulden und J a k o b B a s s e v i (1570—1634) stieg als Hofjude mehrerer Kaiser und Hausfaktor Wallensteins zum Großunternehmer auf. Bereits 1599 erhielt er unter Rudolf II. ein besonderes Schutz- und Schirmprivileg, wurde am 18. August 1611 von Kaiser Matthias amtlich zum Hof juden bestallt, von Ferdinand II., der den Juden recht günstig gesinnt war, in dieser Stellung am 18. Januar 1622 bestätigt und ihm die besondere Gnade erwiesen, sich fortan „von Threwenberg" schreiben zu dürfen. Das Privileg vom 29. August 1622 faßt diese Vergünstigungen nochmals zusammen und vermehrt sie durch die Erlaubnis, in den österreichischen Erblanden Grundbesitz bis zum Werte von 20000 Gulden zu erwerben. Diese Auszeichnungen waren der Lohn für treue, in der Kammer-Regalienverwaltung geleistete Dienste. Bassevi war Münzentrepreneur, Heereslieferant, Hofbankier und Großhändler. Wallenstein machte ihn während seines zweiten Generalrats zu seinem Hofhandelsjuden für seine drei Herzogtümer Friedland, Sagan und Glogau mit Jitschin als Amtssitz. Als Gewerbelokator war es seine Aufgabe, Feinhandwerker anzuwerben; der Wollhandel ging gänzlich durch seine Hand, und seine Hoffirma entwickelte sich in kurzer Zeit zur Landesfirma. Bassevi war zweifellos ein Unternehmer großen Stils, ein Großkapitalist seiner Zeit, der seinen bedeutenden politischen Einflufi stets zugunsten seiner Glaubensgenossen einsetzte. Der Sturz seines Gönners Wallenstein riß auch ihn in den Abgrund*.

Die Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann in brandenburgisch-preußischen Diensten Fast ein Jahrhundert lang war Berlin und auch die Mark Brandenburg ohne jüdische Bevölkerung, dann erfolgte unter dem Großen Kurfürsten ihre erneute Niederlassung in Berlin und in der Mark sowie die endgültige Begründung der Berliner israelitischen Gemeinde. Von jüdischen Historikern wird daher mit Recht ein Loblied auf den Großen Kurfürsten gesungen, seine Toleranz gegenüber den Juden betont und seine Judenpolitik insgesamt als förderlich für das Judentum bezeichnet. Mit der Regierung des Großen Kurfürsten beginnt in der Tat ein neuer Abschnitt in der Geschichte der preußischen Judenpolitik; von ihr führt ein gerader Weg zur Judenemanzipation Hardenbergs im Jahre 1812. Unter dem Großen Kurfürsten wird das gesamte Judentum sowohl in den brandenburgisch-preußischen Stammlanden als auch in den

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neuerworbenen Gebieten in Mittel- und Westdeutschland gefördert, Wegbereiter dieser neuen Judenpolitik in der Epoche vom Großen Kurfürsten bis Hardenberg sind aber die Hoffaktoren. Gab es unter Joachim II. deren zwei, die unter demselben Herrscher, aber nacheinander wirkten, so stoßen wir unter dem ersten großen Hohenzoller auf einen ganzen Kreis von Hoffaktoren, die zur gleichen Zeit in den verschiedenen Landesteilen des Staates ihre Tätigkeit entfalten. Bei der Behandlung der einzelnen Familien werden uns auch die Motive sichtbar, die Friedrich Wilhelm bei seiner Judenpolitik leiteten. Unter den Hoffaktoren des Großen Kurfürsten treten besonders zwei Familien mit ihren Mitgliedern hervor, die hier aus den Akten eine zusammenfassende Darstellung finden sollen; dann geben wir eine Übersicht über die weniger bedeutenden Hoffaktoren, die nur zeitweilig zu den fürstlichen Unternehmungen herangezogen wurden. I s r a e l A a r o n war der bedeutendste Hoffaktor des Großen Kurfürsten; auch stand er, wie die Akten einwandfrei zeigen, von allen Juden der damaligen Zeit dem Hofstaat besonders nahe. Seine Frau E s t h e r S c h u l h o f f heiratete nach Aarons Tode Jost L i e b m a n n , der dadurch auch Aarone Nachfolger als Hoffaktor wurde. Jost Liebmann und seine Frau Either, kurz die Liebmännin genannt, erlebten ihre Glanzzeit unter dem prachtliebenden ersten Preußenkönig; auch beider Sohn L i e b m a n n Jost spielte als Hoffaktor eine recht vielseitige Rolle. Die Tätigkeit dieser Hoffaktorenfamilie erstreckt sich durch mehrere Generationen, vom Großen Kurfürsten bis zu Friedrich dem Großen. Außer den bereits genannten Mitgliedern der Familie entfalten noch andere Söhne Aarons und Liebmanns, deren gemeinsame Mutter Either Schulhoff ist, eine sehr rührige Tätigkeit zugunsten ihrer Glaubensgenossen. Schließlich sei schon hier darauf hingewiesen, daß der von Richard Wagner scharf bekämpfte Komponist Giacomo M e y e r b e e r ebenfalls ein Nachkomme dieser Hoffaktorenfamilie ist. Die Mutter dieser einflußreichen Familie ist aber die bedeutendste Hof Jüdin der Hohenzollerü und, soweit bisher bekannt, auch in Deutschland1. Israel A a r o n s Ahnen sind wahrscheinlich bereits vor der allgemeinen Judenausweisung von 1571 in Berlin und Stendal ansässig gewesen; vielleicht sind die um 1564 in Stendal aufgenommenen Juden Aaron und Mosche seine Vorfahren, Aarons Großvater Israel ben Ahron Hammerschlag war Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Prag; auf einer Reise nach Palästina starb er 1615 in Venedig. Sein Sohn machte sich in Glogau in Niederschlesien ansässig und führte den bezeichnenden Namen Ahron Geizvogel. Dies ergibt sich aus der Grabschrift seiner 1688 in Berlin verstorbenen Frau, welche die Tochter des Juden Jakob aus Glogau war. Israel Aaron, Geizvogels Sohn,

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kam aleo aus Glogau; seine Schwiegereltern waren Samuel Schulhoff aus Prag, gestorben in Berlin 1703, und dessen Frau Jitel oder Gretil, die wiederum aus Glogau stammte, aber auch in Berlin gestorben ist, und zwar 16%. Beider Tochter E s t h e r S c h u l h o f f wurde die Gattin zunächst von Israel Aaron, dann von Jost Liebmann. Aarons Kinder aus zwei Ehen waren Aaron, Jost und Salomon Israel. Die letzteren stammten aus der Ehe mit Either Schulhoff 2. Im Jähre 1653 begegnet uns Israel Aaron als Sachwalter der Glogauer Judenschaft. Auch später stand er mit den dortigen Glaubensgenossen in Verbindung; mehrere von ihnen gehörten zu seiner Verwandtschaft, und 1665 hatte er in Erbschaftsangelegenheiten dort zu tun. Am 26. August des Jahres schrieb der Große Kurfürst dem Landeshauptmann Freiherrn von Firnemund in Glogau, daß Israel Aaron in seinen Dienstèn noch, in Hamburg zu tun habe und wegen der Erbschaft nicht nach Glogau kommen könne, er bitte daher, ihm eine sächsische Frist — 45 Tage — zu gewähren. Israel Aaron begann seine geschäftliche Tätigkeit im Herzogtum Preußen, wo er nach seinen eigenen Angaben seit 1655 tätig gewesen ist. Nach anderen Meldungen erhielt er jedoch bereits 1653 seine Bestallung^ „die Hofstadt mit Weinen, Viktualien und anderen Waren* zu versorgen. Der Schwedisch-Polnische Krieg, in den: j a auch der Große Kurfürst entscheidend eingriff, um die Souveränität über Preußen zu erringen, gab Aaron dann die Möglichkeit, mit dem Staate Geschäfte zu tätigen. Wir werden im Laufe unserer Darstellung sehen, daß immer wieder Kriege einzelnen Juden die Möglichkeit des Aufstiegs bieten, und daß während langer Krieige aus der Masse unbekannter Juden die privilegierten Hoffaktoreft emporkommen. Aaron wurde Heereslieferant für die kurfürstlichen Truppen, auch lieferte er für die Münze in Königsberg; Aaron ist also zunächst Kriegs- und Münzlieferant. In einer Urkunde vom 10. Juli 1657 wird Aaron „ F a c t o r b e y u n s e r e r A r m e e " genannt; von der Ausweisung der Juden aus den Städten wurde er ausdrücklich1 ausgenommen, ferner zwei oder drei seiner Leute, die einen Paß besaßen. Am 6. Oktober des gleichen Jahres erhielt der Faktor als Belohnung einen Schutzbrief für Preußen 3. Nach den Stadtbürgerlisten von Landsberg an der Warthe war Aaron 1660 als „der Hoff-Jude" unter Nr. 20 im Judenviertel wohnhaft; dort muß er seit 1656 seßhaft gewesen sein; denn in einer Tabelle vom 21. Dezember 1699 heißt es, daß die Familie seit 43 Jahren •in Landsberg ansässig sei. Nach beendigtem Kriege verlegte Aaron sein Tätigkeitsfeld nach Berlin; er wird jetzt der bedeutendste Hoflieferant de» Gtoßen Kurfürsten. Der den Juden feindlich gesinnte Berliner Konsistorialrät 4

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Seidel berichtet uns: „Anno 1653 hatt der Jude Israel Aron CuhrfiirstL Bestellung bekommen, die Hoffstädt mit Weinen, Victualien und anderen Waren zu verlegen. Dieser Jude hatt das Haufi in der Strahloschen Strassen, so der Bahder am Crögell erbauet, gemiethet, und viele Juden anderswoher an sich gezogen, wie dan die Juden mit schachern und betrügen einen guten anfang wieder gemachet." Seidel hat denn auch trotz verlockender Angebote sein Grundstück in der Spandauer Straße Nr. 49 nicht an Juden verkauft. „Mir ward für mein Haus in Berlin von Juden 1000 Thaler mehr gebohten, ich wolt ihne aber nicht überlassen." Danach wohnte Aaron in der Spandauer Straße, später muß er Grundbesitz gehabt haben. Seit 1663 laufen Aarons Lieferungen für den kurfürstlichen Hofstaat; zwei Jahre darauf erhält der Hoflieferant einen Spezialschutz für die brandenburgischen Lande, und am 15. Februar 1665 wird ihm auf seine Eingabe ausdrücklich die Hofbedienten-Eigenschaft zugesprochen; schon vorher, am 26. Januar, war er der Gerichtsbarkeit des Hofgerichts unterstellt worden4. Aaron empfing wie die Hofbeamten auch eine regelmäßige Besoldung; sein Gehalt betrug jährlich 100 Taler; dazu kamen wöchentlich drei Taler Kostgeld und das Futter für zwei Pferde. Diese Besoldung muß für die damalige Zeit und gemessen am Geldeswert als hoch bezeichnet werden. Israel Aaron war also finanziell sehr günstig gestellt; wir werden gleich verstehen, warum*. Da wir bei keinem späteren Hoffaktor aus den Akten ein so deutliches Bild von seiner Tätigkeit für den Hofstaat gewinnen wie bei Israel Aaron, so sollen dessen Leistungen für den Kurfürsten und seinen Hof hier auch zahlenmäßig eingehender dargestellt werden0. Am 13. Februar 1665 wurden dem Hoffaktor auf Abschlag der vorgeschossenen 4000 Rtlr. angewiesen zunächst 1000, dann 1202 und nochmals 1100 Rtlr. Am 9. März des gleichen Jahres lieferte Aaron für 1500 Rtlr. Gewürze für die Hofküche; am 10. Juli verfügte der Große Kurfürst, daß Aaron für gelieferte Gewürze, Livereien und andere Waren auszuzahlen sind 5000 Rtlr. aus den Einnahmen verschiedener Ämter, darunter die Mindischen Gefälle in Höhe von 1000 und die Klevischen Rheinzölle in Höhe von 500 Rtlr., außerdem Steuern der Ämter Lenzen, Ravensberg, Insterburg, Ragnit und Pommern. Assignationen auf verschiedene Steuern zugunsten des Hoffaktors kehren immer wieder; auf Minden schon am 5. August in Höhe von 1200 Rtlr. und auf Ravensberg Summen von 400 und 1500 Rtlr. Im Monat August werden Aaron besonders zahlreiche Steuereinnahmen überwiesen; so am 7. August Summen von 1000, 1000, 500, 1500 und 500 Rtlr. Immer sind es auch die gleichen Ämter oder Kassen, die den Hoflieferanten auszuzahlen haben. Dieée An-

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Weisungen waren in der Regel von Sonderverfügunge*i des Großen Kurfürsten begleitet, damit der Hofbedienstete auch immer rasch sein Geld erhielt. Im Oktober folgen noch Zahlungsanweisungen für gelieferte Livereien und Gewürze; am 4. Oktober verfügt der Kurfürst, daß Aaron als Abschlag seiner Forderungen alle Wolle von der „Ämterei" der Mark Brandenburg, außer der von Krossen und Züllichau, abgeliefert werden soll; vom gleichen Tage datiert außerdem eine Zahlungsanweisung für Aaron auf 2400 Rtlr. Ende 1665 erhält der Hoffaktor einen zollfreien Paß zur Beschaffung von 3000 Malter Hafer für den Hofstaat. Der Kurfürst versichert, daß Aaron richtig bezahlt werden würde, ist aber seinerseits verpflichtet, den Vorteil des Kurfürsten wahrzunehmen. Die 3000 Malter Hafer waren zollfrei den Rhein hinab nach Kleve zu transportieren. Im Pafi wird Aaron ausdrücklich als „ H o f b e d i e n t e r " bezeichnet. Als Entschädigung sind dem Hofbedienten 80 Lastwagen Roggen aus den litauischen Ämtern in Preußen zu liefern. Eine besonders hohe Zahlungsanweisung datiert vom 10. Februar 1666; Aaron soll für 19000 Rtlr. Lieferungen an den Hofstaat durch Staatsgelder entschädigt werden. Auch der Münzverwalter erhält Zahlungsanweisungen an Aaron, so am 24. Februar auf Abschlag 600 Rtlr. Gelegentlich ist Aaron auch wieder die Wolle als Abschlag auf seine Forderungen auszuliefern. Im Juli 1666 wird dem Hoffaktor die Mühle zu Dinslaken am Niederrhein für 6000 Rtlr. verpfändet. Zur gleichen Zeit tätigt Aaron auch noch mit auswärtigen Mächten Geschäfte, so zum Beispiel mit Hamburg, und Friedrich Wilhelm verwendet sich 1667 mehrfach zugunsten seines „Hof juden" bei Bürgermeister und Rat der Stadt. Nach Holland laufen gleichfalls Aarons Geschäftsverbindungen. Im Jahre 1667 starb des Großen Kurfürsten erste Gemahlin Luise Henriette; Aarons Beziehungen zum Hof werden wohl durch nichts schärfer gekennzeichnet ids durch die Tatsache, daß er die nötigen Gelder für eine würdige Trauerfeier vorstrecken und allerlei Waren liefern mußte. Am 31. August 1667 hatte er wegen „der jetzigen Trauer" über 23000 Rtlr. hergegeben, auch Wein und Sekt geliefert. Dafür erhält Aaron auf drei Jahre die Konzession auf die Mindischen Wasserzölle. Am 6. Oktober sollen dem Hoffaktor zur „Trauerlieferung" 4000 Rtlr. aus den Donationsgeldern der litauischen Ämter verabfolgt werden, nachdem er bereits am 21. September 2000 Rtlr. erhalten hat. Nach einer Aufstellung vom 20. Dezember hat Israel Aaron zum Begräbnis der Kurfürstin Bargeld vorgeschossen und Waren geliefert im Werte von 38000 Rtlr. Das ist für die damalige Zeit und für den Hof der Hohenzollern eine beträchtliche Summe. Am 4*

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folgenden Tage werden dem Hoflieferanten daher zwei Vorwerke für 24000 Rtlr. pachtweise verschrieben. Damit Aaron für den Hofstaat eine neue Liverei liefert, wird am 18. April 1668 verfügt, daß ihm die gesamte Wolle in der Mittel-, Alt- und Neumark zu verabfolgen ist, und am 9. Mai wird ihm noch der Land- und Wasserzoll zu Tangermünde für drei Jahre eingeräumt. Es folgen nun immer wieder Lieferungen für den Hofstaat, besonders „Livereien" für das Personal, so 1668, aber auch Gegenstände de® täglichen Bedarfs. Andererseits leiht Aaron auch selber Geld bei verschiedenen Stellen, so beim Adel und bei kurfürstlichen Beamten, wird demnach auch Schuldner; zum Beispiel hat 1668 der Münzwardein Johann Liebmann von Aaron 4200 Rtlr. auf die Mindischen Gefalle zu bekommen. Im Juni 1669 erfolgte eine General-Abrechnung mit Israel Aaron. Danach hatte er für die „Trauerliberey and was sonst darumb gehört" für 61802 Rtlr. geliefert, für die Klevische blaue Reiseliverei setzte er 14 457 Rtlr., für die blaue Liverei mit Randschnur 14104 Rtlr. und für die camarierte — mit Randschmuckkleidung versehene — Liverei 21584 Rtlr. ein. Im ganzen berechnete er für seine bisherigen Lieferungen die stattliche Summe von 121 554 Rtlr., 19 Gr., 6 Pf. Da er 121379 Rtlr., 12 Gr., 6 Pf. erhalten hatte, verblieb noch eine kleine Restforderung zugunsten de® Hoffaktors 7. Von Königsberg au®, mit dem Datum des 10. Juli 1669, bescheinigt der Große Kurfürst für sich und seine Nachkommen Israel Aaron und den Seinen, daß alles in Ordnung sei und daß auch später keine Untersuchung mehr erfolgen solle. Derartige Bescheinigungen ließen sich, wie wir noch sehen werden, die Hoffaktoren immer wieder ausstellen. Man nannte solche Schriftstücke Abolitionsscheine. Die Hoffaktoren wollten sich durch diese Urkunden meist gegen Nachprüfungen ihrer Rechnungsbücher unter den neuen Herrschern sichern. Nach dieser Abrechnung beginnein die Lieferungen Aarons für den Hofstaat von neuem, und er empfängt in der üblichen Weise seine Abschlagszahlungen für die zuletzt gelieferte „Liverey". Immer höher stieg Aaron in der Gunst des Großen Kurfürsten. Das zeigen vor allem die vielen Vermittlungsschreiben, die Friedrich Wilhelm zugunsten seines Hoflieferanten an die verschiedenen Stellen richtete. So schreibt er an den Fürsten Johann Georg von Anhalt, der Salzfaktor zu Magdeburg möge wegen der 400 Rtlr. mit Aaron „in Geduld stehen". Aaron, der immer so eifrig darauf bedacht war, für seine Lieferungen durch Steuern entschädigt zu werden, war aber selber ein schlechter Schuldner. Wir lesen in den Akten von mehreren Prozessen, die Kaufleute gegfcn Aaron anstrengten, weil sie für ihre dem Hof-

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faktor gelieferten Güter nicht entschädigt worden waren. Aus den Urkunden erhellt, daß Israel Aaron die Waren an verschiedenen Stellen aufkaufte und diese dann dem Hofe lieferte; der Hoffaktor schaltete sich also zwischen Hof und Kaufmannschaft ein und tätigte Lieferungsgeschäfte. Als sich der Große Kurfürst in zweiter Ehe mit der Herzogin Sophie Dorothea zu Schleswig-Holstein verheiratete, hat auch Israel Aaron zu „Sr. Churfürstlichen Durchlaucht damahls vorgestandener Raylager, und in specie für neuen liverey" Vorschüsse getan. Der Hoflieferant finanzierte also nicht nur das Begräbnis der ersten Gemahlin des Kurfürsten, sondern beschaffte auch das Geld für die neue Hochzeit. Im Jahre 1670 berechnete Aaron seine Forderungen für die „Liverey und allerhand Wahre" auf 41674 Rtlr., 1 Gr., 5 Pf., worauf ihm wieder verschiedene Assignationen ausgehändigt wurden. Gleichzeitig tätigten auch Aarons Schwiegereltern Geschäfte; hierbei scheint die Schwiegermutter „Gretel Jüdin aus Prag" die treibende Kraft gewesen zu sein. Im Jahre 1672 begegnen uns noch einige Zahlungsanweisungen des Großen Kurfürsten für Israel Aaron und seine Erben, so 6000 Rtlr. auf die Weserzölle, da Aaron auch für den kurfürstlichen Marstall einen ansehnlichen Vorschuß getan, und 1000 Taler aus dem Mindischen Schlagschatz für Getreidelieferungen. Die letzte Zahlungsanweisung auf 2000 Rtlr. datiert vom 26. September 1673. Bald danach starb der Hoffaktor. Seidel, den Israeliten unfreundlich gesinnt, vermerkte: „Der erste Höfjude Israel Aaron hatt vieil Leut betrogen und endlich panquerott gemachet, sein weib Esther Schulhofs freyhet einen anderen Juden Liebmann genannt und wolte nicht ihres Mannes Erbe seyn." Fassen wir zusammen, so ergibt sich, daß Israel Aaron 1. für die Armee, 2. für die Münze, 3. für die kurfürstliche Kammer, 4. für die Küche, 5. für den Marstall Waren lieferte und 6. bei besonderen Anlässen bares Geld vorstreckte. Daraus zog der Hoffaktor natürlich beträchtliche Gewinne und empfing für sich und seine Nachkommen besondere Schutzbriefe, abgesehen von dem Gehalt, das er ails „Hofbedienter" regelmäßig erhielt. Der gesamte Geschäftsbetrieb Aarons erfuhr aber bereits eine gewaltige Steigerung durch seine Eigenschaft als Hoflieferant. Im Jahre 1670 durfte sich Aaron außerdem ein Haus in Landsberg an der Warthe, das „große Judenhaus", kaufen, darin er eine Synagoge errichten ließ. In dieser Stadt waren dem Hoffaktor auch die beiden kurfürstlichen Mühlen zur Ausnutzung verpfändet In Landsberg machte sich der Sohn des Hoflieferanten aus dessen erster Ehe ansässig; dieser A a r o n T s r a e l erbte das „große Judenhaus", welche® ihm vermacht worden war als Gegenwert für die 2000 Dukaten, die seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte. Mit

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seiner Stiefmutter Esther Schulhoff mufite er wegen dieses Hauses einen Prozeß führen; seit 1674 saß er auch in der Landsberger Mühle. Im Jahre 1696 bat Aaron Israel, in diesem Hause Gottesdienst abhalten zu dürfen, wie dies dem Vater gestattet gewesen sei. Bürgermeister und Rat der Stadt betrachteten es aber als nicht erwiesen, daß der verstorbene Hoflieferant darüber „ein kurfürstliches Privilegium gehabt". Aaron Israel lebte in Landsberg als Petschierstecher; die gleiche Tätigkeit iibten seine Nachkommen aus. 1711 wird sein Sohn M a r k u s A a r o n genannt; er sticht den Stempel „bey allen Kgl. A&sice und Cise Kassen"; 1731 ist er gestorben. Dessen Sohn L ö s e r M a r k u s war seit 1724 als Petschierstecher tätig. Von seinem Sohne M i c h a e l L ö s e r , der 1757 ein Alter von 26 Jahren hatte, heißt es, daß er „alle Kgl. Siegel in der Provinz umsonst stechen" müsse. Am 12. Februar 1780 bat Michael Löser in einem Gesuch den König, seinen Söhnen das Petschierstechen zu gestatten, und am 30. März wurde den Söhnen Β è η d i χ und L e v i n diese Erlaubnis erteilt. Für einen dritten Sohn namens W u l f M i c h a e l erbat und erhielt er die Erlaubnis 1789. Michael Löser starb am 16. Dezember 1812; seine Nachkommen ließen sich zum Teil taufen, änderten ihre Namen und stiegen sozial· auf. Unter den Nachkommen des Hoflieferanten und Hofbankiers Israel Aaron aus dessen erster Ehe befinden sich ein Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Angehörige des Hochadels. J o s t l s r a e l , der andere Sohn des Hoff aktors, lebte als Juwelenhandler in Berlin, 1688 war er noch „unvergleitet", 1700 dagegen „vergleitet", Für eine Schuld seines Großvaters Schulhoff leistete er Bürgschaft, als dieser deswegen in Arrest saß. Mit dem Landgrafen von Hessen — Kleists Prinzen von Homburg — führte er einen Prozeß wegen einer „namhaften Quantität von gutem belegtem und unbelegtem Spiegelglas", das er an die Manufaktur in Neustadt an der Posse liefern sollte. S a l o m o n I s r a e l , der dritte und bekannteste Sohn des Hoflieferanten, wird uns noch mehrfach begegnen. Wie der Münzmeister Lippold, so war auch der Faktor und HofJbedienstete Israel Aaron bei der christlichen Bevölkerung und bei seinen Glaubensgenossen verhaßt. Das beweist ein Pamphlet, das gegen Anfang des Jahres 1673 in Berliner Kreisen gegen Aaron verbreitet wurde 8. Es besteht aus zwei Teilen, einem Auszug aus Israel Aarons Testament in zwölf Paragraphen und Israels Grabschrift. Letztere stellt eine scharfe Schmähschrift gegen den Hoffaktor dar. Die zwölf Paragraphen des Testaments aber enthalten: 1. des Kurfürsten Verpflichtung, Israel Aarons Schulden zu bezahlen;

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2. werden Amtskammer und Schloßhauptmann ein Magenpulver vermacht; 3. erbt der Oberhof marschall von Canitz Aarons Fuchsmütze; 4. Amtskammerpräsident Raban von Canstein erhält Aarons Brustlatz; 5. der Vizekammerpräsident Otto von Gròth des Hoflieferanten spanischen Mantel; 6. Amtskammer rat Peter Battier Aarons Pferd; 7. Amtsschreiber, Beamte und Arrendatoren einige Tonnen Honig; 8. Kammerschreiber Schulze Aarons alte Karosse; 9. alle Gläubiger die Hofsalve Geduld; 10. der Gläubiger Faust Aarons tägliche Schuhe, weiter zu vererben an den Gläubiger Christian Frantz; 11. Frau Carllschen Aarons geflickte Hosen und 12. Rabbi Baruch Levi von Wien des Hoflieferanten letzten Stuhlgang. Aus dieser Kampfschrift gegen Israel Aaron ergeben sich wichtige Feststellungen. Danach ist der Hoffaktor verschuldet gestorben. Diese? Tatsachen bestätigen auch die Akten; denn Aarons Schuldenwesen mufite behördlich besonders geregelt werden, seine Witwe um ein zweijähriges Moratorium bitten9. Den kurfürstlichen Beamten wird Begünstigung de® Hoflieferanten vorgeworfen, ein Vorwurf, der immer wieder den Beamten in ihren dienstlichen Beziehungen zu deit jüdischen Hoffaktoren gemacht wird, und wir werden im Verlauf unserer weiteren Darstellung sehen, daß der Vorwurf auch berechtigt ist. Israel Aaron, hat sich zum Beispiel die Fortdauer der Lieferungen gesichert, indem er dem Oberhofmarschall Freiherrn von Canitz Gratifikationen in Höhe von 2000 Talern anbot. Der Amtskammer wird vorgeworfen, daß sie zugunsten des Hoflieferanten Restrikte erlassen habe. Auch diese Beschuldigung entspricht den Tatsachen; denn selbst der Große Kurfürst hat zugunsten Aarons in schwebende Gerichtsverfahren eingegriffen und diesen geschützt, wo er nuç konnte. So verfügte beispielsweise der Kurfürst 1671, daß das Kammergericht, falls dort jemand Forderungen gegen seinen Hoflieferanten einklagen will, erst an den Großen Kurfürsten zu berichten und dessen Entscheidung abzuwarten habe, bevor das Kammergericht gegen Israel Aaron vorgehen dürfe. Einem Richter in Kölln befahl der Kurfürst kurzerhand die Einstellung des Prozesses gegen Aaron, ,;so in unsern Diensten ist", gegen die Richter sollte sogar gebührend verfahren werden. Diese Begünstigung des Hoflieferanten ging so weit, daß der Käufmann Faust, der einen Prozefi mit Aaron hatte, in einer Eingabe an den Geheimen Rat die Bemerkung machte: „Der

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Jude in dieser Christlichen République nicht besser Condition als ein Christ sein kann." Daß Israel Aaron auf seinen Vorteil bedacht war und seine Stellung als Hoflieferant für sich nutzte, beweist deutlich die Geschichte der Niederlassung der Juden in Berlin im Jahre 1671. Bekanntlich ist die neuere Berliner jüdische Gemeinde gegründet worden, als der Große Kurfürst 1671 fünfzig aus Österreich ausgewiesenen Wiener jüdischen Familien die Niederlassung in der Mark gestattete10. Aaron fürchtete nun den Wettbewerb seiner Glaubensgenossen. Daher enthielt auch der erste Schutzbrief für die österreichischen Juden den Vorbehalt, daß sie dem Hoffaktor Israel Aaron „keinen Eintrag tun dürfen". Von den fünfzig jüdischen Familien wollte der Große Kurfürst zehn die Niederlassung in Berlin und Kölln gestatten- Sofort machte.Aaron eine Eingabe an den Kurfürsten. Zunächst dankte er seinem Landesherrn dafür, daß er fünfzig jüdische Familien aufnehmen wolle. Doch möge der Kurfürst verhindern, daß diese sich heimlich einschleichen; auch rät er ihm, Erkundigungein über ihr Vermögen einzuziehen. Auch findet er es nicht ratsam, daß sie sich in der Residenz niederlassen. Gleichzeitig bittet Aaron um einen neuen Schutzbrief für sich und seine Kiihder. Zur Begründung verweist er auf seine Ahnen und Eltern, die schon vor ihm 60 Jahre in Berlin und Stendal gewohnet, er selbst habe seit 1655 in Preußen' und seit 1663 in Berlin in kurfürstlichen Diensten gestanden. Vor allem bittet Aaron um die Gnade, daß nach seinein Tode seine Kinder in Berlin wohnen dürfen. Gleichzeitig setzte sich der Hoffaktor für 90 Glaubensgenossen ein, die aus Großpolen vertrieben worden waren und die sich in der Neumark niederlassen wollten. Schließlich machte er den Vorschlag, daß sich die österreichischen Juden den Rabbi Cain nehmen sollen. In diesem Zusammenhang verdient die Tatsache festgehalten zu werden, daß die Räte des Großen Kurfürsten zuerst den Vorschlag machten, die österreichischen Juden auf dem Lande anzusiedeln in Gebieten, die sie urbar machen könnten. Die Jüden lehnten jedoch den Vorschlag ab mit der Begründung, sie verstünde^ sich besser auf den Handel. Israel Aaron hatte mit seiner Eingabe auch Erfolg; denn Friedrich Wilhelm hob die zehn Schutzbriefe wieder auf und befahl, ihm nur e i n e n Schutzbrief für A b r a h a m R i e s und B e n e d i k t V e i t zur Unterschrift vorzulegn. Am 12. September 1671 wurden dann die Schutzbriefe für Ries und Veit ausgestellt. Vom gleichen Tage wie der Schutzbrief für Ries und Veit ist auch der „Geleit- und Schutzbrief für den Juden Israel Aaron, sein Weib und seine Familie" datiert. Darin wurden dem Hoflieferanten mehr Rechte zugesprochen als Ries und Veit; denn Aaron durfte sich nicht

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iiur in Berlin und Kölln, sondern auch in Friedrichswerder niederlassen, außerdem ward er zum Gutachter über die Niederlassung weiterer Juden in Berlin und Kölln bestellt, Bevor der Hoffaktor nicht seine Erkundigungen eingezogen und seinen Bericht erstattet hatte, durfte sich kein Jude in den Residenzen niederlassen. Außerdem wurde Aaron Befreiung von der Einquartierung zugestanden; wenn er sich in den drei genannten Residenzen ein Haus kaufte; das war eine neue, ins Gewicht fallende Vergünstigung11. Der auf seinen Vorteil bedachte Hoffaktor hatte demnach das Bestreben, die in Berlin entstehende jüdische Gemeinde möglichst klein zu halten. Zeitgenossen bestätigen uns, daß Israel Aaron die Juden „nicht gern da hätte". Aber der Hoffaktor Israel Aaron und die österreichischen Familien Ries und Veit, deren Mitglieder bald selbst zu Hof juden aufsteigen sollten, sind trotz allem die Gründer der neuen Judengemeinde Berlin- Auf dem Grabstein seiner Schwiegertochter Esther, der Frau Aaron Israels, wird der Hoflieferant ausdrücklich als ^Begründer der Gemeinde" gefeiert. Wenn auch aus Konkurrenzgründen Aaron seine Glaubensgenossen von Berlin fernhalten wollte, so hat er, wie nahezu alle Hoffaktoren, das Judentum im allgemeinen doch gefördert. Durch einen seiner Söhne ist auch die neue jüdische Gemeinde in Halle gegründet worden; ebenso veranlaßte Aaron die Einrichtung des Landrabbinats, indem am 20. Februar 1672 der Rabbi der Neumark auch zum Rabbiner der Kurmark ernannt wurde, während die österreichischen Juden gegen die Berufung waren. Am 8. November 1673 war Israel Aaron gestorben; zur Regelung seines Schuldennachlasses setzte der Kurfürst am 12. November eine besondere Kommission ein. „Da der vielen contradictiones halber die Sache notwendig ad concursum kommen muß", wurde die Angelegenheit am 17. März 1674 dem Kammergericht zur gerichtlichen Austragung überwiesen. Die Prozesse zogen sich bis 1684 hin, ohne daß ersichtlich ist, wie sie geendet. Zu den Gläubigern gehörten der Münzwardein Johann Liebmann und der Kaufmann Schadebrodt, der 4216 Tir. zu fordern hatte. Als 1675 die Schweden in die Mark einfielen, floh Either nach Prag, angeblich auf Anraten Schadebrodts. Vorher übergab sie ihm eine Obligation, in der sie Schadebrodt während ihrer Abwesenheit Haus samt Schlüssel vermachte. Bis 1677 zogen sich die Streitigkeiten mit Schadebrodt hin. Am 28. Dezember 1682 wurde das Kammergericht angewiesen, drei Rabbiner zur Klärung über eine gütliche Auseinandersetzung wählen zu lassen. Das Kammergericht mußte jedoch am 18. Februar 1684 berichten, daß die christlichen Kreditoren die Rabbiner ablehnten und das Verfahren vor dem ordentlichen Gericht wünschten. Darauf wurden am 3. März

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die jüdischen Gläubiger an das rabbinische Gericht und die christlichen damit stillschweigend an das Kammergericht verwiesen. Esther ward am 31. Mai unter Strafandrohung befohlen, ihre Angelegenheit mit Aaron Israel in Ordnung zu bringen. Am 2. Dezember 1684 erhielt Jost Liebmann die Anweisung, dem Gesuch der Rabbiner nachzukommen. Es kam noch zu mehreren Prozessen selbst innerhalb der Familie Aaron. Diese Prozesse zeigen, daß Aaron auch viele Gelder bei Christen geliehen hatte; offenbar waren die.se durch hohe Zinsen veranlaßt worden, mit dem in höchster Gunst stehenden Hoflieferanten Geschäfte zu tätigen. Zu Lebzeiten Israel Aarons stand seine zweite Frau Esther Schulhoff noch ziemlich im Schatten ihres Mannes. Erst nach dem Tode Israels tritt sie und ihre Familie mehr in den Vordergrund. Ihre Glanzzeit beginnt aber erst als Gattin des neuen Hoffaktors J o s t L i e b m a n n . Über seine Herkunft und Familie,hat uns die jüdische Familienforschung Klarheit verschafft; seine geschäftlichen Unternehmungen ergeben sich aus den Akten der Archive 12. In Elieser Lippmann aus Göttingen haben wir den Stammvater der Familie Liebmann und ihrer Nachkommen zu sehen. Eliesere Söhne waren Jost Liebmann, auch Juda Berlin genannt, der Hofjuwelier des Großen Kurfürsten und des ersten Preufienkönigs, und Isaak Benjamin Wolff Liebmann, der zum Oberlandesrabbiner der Mark Brandenburg aufstieg, und dessen Nachkommen später in Österreich nach dem Übertritt zum Christentum unter Namensänderungen in den Adelsstand erhoben wurden. Elieser Lippmanns Schwester Lea ward die Frau des Issachar Bärmann aus Bockum, dessen Sohn als Leffmann Behrens der berühmteste und mächtigste Hoffaktor in Hannover wurde. Da Behrens wiederum in engen verwandschaftlichen Beziehungen zu dem bedeutendsten und mächtigsten Hoffaktor Sachsens, zu Behrend Lehmann, stand, so war Jost Liebmann demnach mit den einflußreichsten Hoffinanziers seiner Zeit verwandt. Jost Liebmann war um 1640 geboren, kam 1660 nach Hamburg und verkehrte dort im Hause des Chajim Hameln und dessen Frau, der in der jüdischen Geschichte bekannten Glückel von Hameln. Liebmanns ganzes Vermögen betrug damals 20 bis 30 Taler; einer der reichsten Hoffaktoren in Deutschland war also zu Beginn seiner „Laufbahn" kaum mehr als ein kleiner jüdischer Händler. Aus einer Heirat mit der Tochter des Pinchas Herzberg wurde nichts, offenbar, weil Liebmann zu wenig Geld hatte. Er zog dann nach Danzig, wo er für Glückel von Hameln Perlen einkaufte. Zwei Jahre später kehrte Liebmann nach Hamburg zurück und rechnete mit Glückel ab; es blieb ihm ein Gewinn von 800 bis 900 Talern. Das war bereits

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ein kleines Vermögen, Im Jahre 1664 kam Liebmann nach Hannover; dort heiratete er Malka Hameln, die Tochter des Hildesheimer Rabbiners Samuel Hameln, der ein Bruder des Hamburger Chajim Hameln war. Liebmanns Schwiegervater war ein Enkelsohn de» kurhessischen Judenschaftsvorstehers Samuel Stuckert (aus Stuttgart) in Witzenhausen· Die Heirat brachte Liebmann 500 Taler Mitgift ein; mit seinem Schwiegervater machte er in Hameln ein Compagniegeschäft auf, und weite Reisen führten den rührigen Liebmann nach Leipzig und Amsterdam. Schließlich kam es zwischen beiden Partnern zum Streit; ein Schiedsgericht entschied aber zugunsten Liebmanns. Im Jahre 1675 starb Frau Malka; ihre Grabschrift vom 25. Juli des Jahres befand sich auf dem Hildesheimer jüdischen Friedhof. Liebmann war also gleichfalls Witwer, als er 1677 nach Berlin kam und dort den Grund zu seinem glanzvollen Aufstieg legte, indem er die Hoflieferantenwitwe Either Aaron, geb. Schulhoff, heiratete 13. Im Jahre 1677 trat Jost Liebmann nachweislich zum erstenmal in Berlin auf; die Akten bezeugen, daß er aus Hildesheim zugezogen war. Die Hoflieferantin beantragte ani 27. Januar in einer Eingabe an den Großen Kurfürsten einen Paß für ihren Bräutigam. Liebmann erhielt darauf als Verlobter der Hof jüdin zunächst nur einen Paß; doch schon am 30. Januar 1677 wurde Jobst Liebmann ein Schutzbrief „für unsere Residenzen" ausgestellt, da er „des verstorbenen Juden Israel Aaron Wittib geheiratet" 14. Bald nahm Liebmann Aarons Stelle als Hoflieferant ein; zunächst wurde er nur Jude genannt. Aber seit dem 1. November 1682 ist in den Akten von dem „Hof juden" Liebmann die Rede, und im nächsten Jahre erscheint er bereits als „Hof jubilierer" 15 . Die erste Zahlungsanweisung ist vom 27. August 1678 und lautet auf die bescheidene Summe von 175 Tir. Am 29. Dezember des gleichen Jahres wurden Liebmann aus den Schutzgeldern der Mindener Juden 100 Dukaten Spezies für gelieferte Juwelen und 400 Rtlr. auf die Schutzgelder in Halberstadt angewiesen16. Vom gleichen Tage datiert sind noch Zahlungsanweisungen zugunsten Liebmanns in Höhe folgender Summen: 2200 Rtlr. an „couranten Geldern", 2160 Rtlr. an „guten Geldern", 1360 Rtlr. und 1200 Rtlr. an guten Geldern sowie 160 Rtlr. an couranten Geldern. Die Lieferungen Liebmanns für den Hofstaat müssen also bald in beträchtlichem Umfang eingesetzt haben; 1681 sind bereits Forderungen für Juwelenlieferungen an den Kurprinzen nachweisbar. Im April 1683 hat der Kurfürst von seinem Höf juwelier für 4000 Rtlr. Juwelen „erhandelt"17. Im Jahre 1684 muß der Hof juwelier dem Kurfürsten mehrfach Geschenke für fürstliche Persönlichkeiten liefern. Am 11. August verkauft Liebmann seinem

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Herrn einen Ring mit einer großen Rose aus Diamanten; ein Geschenk, das für den Prinzen von Mecklenburg-Güstrow bestimmt war. Dem HofJuwelier sind dafür 800 Rtlr. auszuzahlen. Am 12. August werden Liebmann 1200 Rtlr. banco angewiesen für einen mit Diamanten besetzten Degen, den der Kurfürst seinem Sohne Prinz Philipp schenkte. Zwei Tage später erhält Liebmann zwei neue Zahlungsanweisungen, eine in Höhe von 1300 Rtlr., die andere auf 1360 Rtlr. lautend; geliefert hat der Höffaktor verschiedenen Schmuck, darunter ein Porträt mit dem Kurhut und ein Armband mit Smaragden und Diamanten. Am 2. Oktober werden Liebmann für gelieferten Schmuck 1150 Rtlr. angewiesen18. 1685, am 12. Januar, berechnete Liebmann seine Forderungen für gelieferte Juwelen auf 31900 Rtlr. und 580 Rtlr. Für einen Diamantring hatte er am 19. Juni 200, für eine diamantene Agraffe, ein Geschenk an den kurkölnischen Gesandten, 1900 und für einen Kurhut aus Diamanten für den dänischen Gesandten am 17. Juli 1200 Rtlr. zu beanspruchen. Am 30. November lieferte er ein mit Diamanten besetztes Porträt. Dafür waren ihm aus den „holländischen Satisfaktionsgeldern" 1860 Rtlr. zu zahlen. Am 24. August 1689 erhielt die Halberstädter Regierung den Befehl, für Liebmanns Forderungen Zahlungen zu leisten19. Von Jahr zu Jahr steigerten sich dann die Lieferungen des Hofjuweliers, am 13. Oktober d. J. erhält er als Abschlagszahlung 20 000 Rtlr., und nach seinem Tode wurden seiner Witwe Esther am 3. Juli 1705 die ihr geschuldeten 50000 Rtlr. ausgezahlt. Auch auswärtige Höfe waren dem Ehepaar Liebmann erhebliche Summen für Juwelenlieferungen schuldig. Gab es Schwierigkeiten mit der Bezahlung, dann wandten sich die Liebmanns an den Kurfürsten mit der Bitte um Vermittlung zu ihren Gunsten, und der Berliner Hof hat sich stets eifrig für seine Hoffinanziers eingesetzt und ihre Forderungen vertreten 20. Bei solchen umfangreichen Lieferungen nimmt es nicht wunder, wenn der Große Kurfürst am 9. Juli 1684 verfügt, daß der Hof juwelier nebst Frau und Kind nicht allein vom Leibzoll frei sein soll, sondern auch seine Juwelen „ z o l l f r e i " passieren dürfen. Der Hoffaktor brauchte also fortan für seinen ausgedehnten Juwelenhandel keine Zölle, d. h. keine Steuern zu zahlen, ja er brauchte sich nicht einmal bei den Zöllnern zu melden, „weil es gefährlich ist, wenn man erfahren sollte, daß er Juwelen bei sich führte" 21. Als der Große Kurfürst starb, hatte der fürsichtige Liebmann schon vorgesorgt, daß ihm von dessen Nachfolger nicht das Schicksal bereitet würde, das einst den Münzmeister Lippold ereilt hatte. Lieb-» mann wendet als erster Hoffaktor in Preußen das Mittel an, das dann

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mehrfach, jüdische Familien, wie die Gomperz zum Beispiel, nutzten, um sich durch Generationen hindurch in ihrer höfischen Stellung zu behaupten. Liebmann hatte sich den Nachfolger des Großen Kurfürsten, Friedrich III., schon als Kurprinz verpflichtet. Geschickt verstand es der Hoffaktor, das Luxusbedürfnis, die Verschwendungssucht und die Prachtliebe des Kurprinzen und späteren ersten Preußenkönigs zu nutzen und ihm seine zollfrei, das heißt also doch wohlfeil erworbenen Juwelen zu verkaufen. Erschreckend hoch ^ind die Summen, die uns da aus den Akten entgegenstanden. In der Kurprinzenzeit hatte der Hoffaktor an Friedrich III. bereits seit 1681 Juwelen für 52 006 Tir. 19 Gr. geliefert. Im Jahre 1681 betrug die Gesamtabrechnung 3772 Rtlr., 1684 lieferte Liebmann anläßlich der Vermählung des Kurprinzen mit Sophie Charlotte von Hannover einen Ring mit großen Facettdiamanten als Geschenk für die neue Gemahlin für 3000 Rtlr. Im September ein Porträt mit großen Facettdiamanten für 1500 Rtlr., im Oktober zwei Brasseletten mit großen Facetten für 3000 Rtlr., einen Schmuck mit großen und schönen Smaragden und Diamanten für 2500 Taler. Das Jahr 1687 sah einen besonders großen Verbrauch an Geschenken als Vorbote des kommenden Regierungswechsels. 1688 erhielten neun Gesandte Porträts mit Kurhüten, deren Preis sich zwischen 500 und 1900 Rtlr. bewegte. Dem eigenen Gebrauch des Kurfürsten dienten zwei große Facettsteine zum Preise von 20000 Rtlr., ferner eine Kette aus 22 Facettsteinen zu 4400 Rtlr. und als Geschenk für den Kurfürsten von Hannover ein Ring mit einem großen Facett zu 6000 Rtlr. Liebmann lieferte zahlreiche Porträts mit Kurhüten, goldene Degen, Ringe, Ordenskreuze, Knöpfe, Brillanten u. a.22. Kein Wunder daher, daß der neue Kurfürst bereits am 29. April 1688 sich mit Wohlwollen der „Dienste" erinnerte, die der „gewesene Hof Juwelier Jost Liebmann" seinem Vater und ihm selbst als Kurprinz geleistet hatte. Daher nahm er ihn während seiner Regierung wiederum als Hof Juwelier in Dienst und bestätigte ihm all seine Privilegien, so er als Hofjuwelier gehabt23. Nun liefert Liebmann Friedrich III. von 1688—1696 noch Juwelen für 208 936 Tri. 73 Gr., mit der vorigen Summe also zusammen für 260 943 Tri. 18 Gr. Bis zum 12. Februar 1697 hat der Hof Juwelier darauf 241199 Tir. 2 Gr. erhalten; das sind nach heutigem Geldwert viele Millionen. Der Kurfürst blieb also 19 744 Rtlr. 16 Gr. schuldig; hinzu kam noch eine vom Kurfürsten übernommene Bezahlung einer Forderung der Grumbkowschen Erben an Liebmann für gekaufte Möbel im Betrage von 11200 Rtlr. Im August 1698 hören ynr, daß

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Liebmann sieben große Facettdiamanten für 45 000 Rtlr. geliefert hat, bei deren Bezahlung ihm 26, vom Kurfürsten ausgesuchte und ihm übergebene Facettsteine mit 5000 Rtlr. angerechnet wurden. Bei den engen Beziehungen de® Hof Juweliers zum Herrscherhaus ist es nicht weiter verwunderlich, daß Liebmann auch für die Krönung in Königsberg am 18. Januar 1701 der Königin die Krone im Werte von 300000 Talern besorgt hat. „Aber die meisten Steine seyen dazu entlehnet", bemerkte der Hannoversche Gesandte Heusch in Berlin in seinem aus Königsberg datierten Briefe vom 10. Januar 1701 an den Herzog Georg Wilhelm von Celle, dem er diese heikle Stelle chiffriert mitteilte. Ein Vermerk vom 16. Mai 1701 besagte, daß Liebmann „an Statt der Interessen so er für die zu Dero hochgeliebten Gemahlin der Königin Majt. Königl. Krohne gelieferte und nachgehende wieder von ihm zurückgenommene Juwelen prätendiret überhaupt und ein für allemahl acht tausend Thlr. bezahlet werden" sollen. Bezahlt wurden die Schulden an den Hof Juwelier aus dem Schlagschatz, das heißt aus dem Gewinn der Münze. Dieser Schlagschatz wurde aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine bedeutende Münzverschlechterung gewonnen, ging also zu Lasten des Volkes. Eine Mitteilung von 1689 besagt, daß Liebmann und Genossen 30 000 Mark Silber zu je 11 Taler 7 Groschen an die Magdeburger Münze geliefert haben, und 1697 übertrug zum Beispiel der Kurfürst eine Forderung von 60 000 H r . gegen den Pächter der Münze zu Minden, namens Hille, an Liebmann. Liebmann und Frau sollen darüber hinaus noch rund 5700 Taler herausgeholt haben24. Habgier, Klugheit und Herrschsucht sind die hervorstechendsten Eigenschaften des Hof juweliers Liebmann. Während er auf der einen Seite jederzeit die Interessen seiner Familie förderte, besonders die Schulhoffs, die Verwandten seiner zweiten Frau, begünstigte, ging er andererseits rücksichtslos und brutal unter Ausnutzung seiner Beziehungen zum Hofe gegen alle jene vor, die seinen Geschäftsinteressen gefährlich werden konnten. Er war daher bei seinen Glaubensgenossen verhaßt wie einst Lippold und Israel Aaron. Schon zu Lebzeiten hatte Liebmann seine Frau und seinen Sohn Jost in sein Geschäft eingeführt, so daß beide nach seinem Tode gleichfalls als Hoffaktoren tätig sein konnten. Nach dem Tode des Rabbiners Cain, der auf Betreiben Israel Aarons eingesetzt worden war, erreichte es Liebmann, daß sein Bruder Isaak Benjamin Wolf'Liebmann 1685 Rabbiner der Neu-, Mittel- und Altmark sowie von Hinterpommern wurde; er starb 1687. Später, 1697, verschaffte Liebmann Benjamins Sohn Arend Benjamin Wolf, der zugleich sein Schwiegersohn war, die Rabbinerstelle in der Neumark. Mit Hilfe seiner Schwiegermutter, der Liebmännin,

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wurde dieser 1709 audi Rabbiner der ganzen Mark und VOTI Pommern". Noch zu Lebzeiten des Großen Kurfürsten gelang es dem Hofjuwelier, für seinen Stiefsohn Salomon Israel einen vom 27. März 1688 datierten Schutzbrief für Halle zu erlangen2*. Was das bedeutete, kennzeichnet die Tatsache, daß sich seit rund 200 Jahren keine Juden in Halle mehr niederlassen durften. Der Sohn des Hoffaktors war der erste Israelit, der sich wieder in der schönen Saalestadt ankaufen durfte; so wurde er Begründer der neuen Judengemeinde in Halle. Salomon Israel ward vom Leibzoll befreit und zahlte 8 Tir. jährlich an Schutzgeld; am 14. Dezember 1689 bestätigte Friedrich III. dieses Privileg. Vier Jahrzehnte hat Israel in Halle eine große geschäftliche Tätigkeit entwickelt und zugunsten seiner Glaubensgenossen gewirkt. Er wurde später Vorsteher der von ihm begründeten Judengemeinde und durfte ein eigenes Haus erwerben. Wie alle Mitglieder dieser Hoffaktoren-Familie, war auch Salomon Israel sehr streitsüchtig. Viele Prozesse, auch mit den Kindern und Erben seiner Stiefmutter und mit seinem Schwiegersohn, geben Zeugnis davon. Da er auch die Betteljuden in seinem Hause beherbergte, mußte er schließlich in Haft genommen und ihm der Prozeß gemacht werden; er starb 1733. Sein Enkel wurde Hoffaktor in Kassel. 1700 ließ sich Jost Liebmann vorsorglich für seine beiden Söhne Abraham und Jakob (Jost) Liebmann Schutzbriefe für Halle (auf Vorrat) erteilen; beide haben jedoch davon keinen Gebrauch gemacht; denn Abraham wurde 1699 Rabbiner von Halberstadt, Magdeburg, Halle, Derenburg, Minden und Ravensberg; er ging 1717 nach Amsterdam, dem anderen großen Mittelpunkt der Juden in Europa. Als das Abzugsgeld berechnet werden sollte, gab er sein Vermögen mit 1135 Talern an. Der andere Sohn Liebmanns aber wurde der Nachfolger seines Vaters als Hofjuwelier in Berlin. Jost Israel, ein Stiefsohn Liebmanns, trieb gleichfalls einen ausgedehnten Juwelen* handel nach Pommern und Mecklenburg. Den größten Erfolg aber errang Liebmann, als ihm am 5. Juli 1694 als erstem Juden in Preußen das Privileg zugestanden wurde, daß seine Handelsbücher vor Gericht eben soviel gelten sollten wie die Bücher christlicher Kaufleute 27. Dieses Privileg erleichterte die Eintreibung der Schulden. Liebmanns Charakter zeigte sich deutlich in dem Streit mit seinem Glaubensgenossen Moses Benjamin Wulff, der gleichfalls Hoffaktor in Berlin war, später aber als Dessauischer Hoffinanzier seine Haupttätigkeit entfalten sollte. Schon um 1680, als Liebmann in Berlin kaum Fuß gefaßt hatte, kam es zum Streit mit Wulff, obwohl dieser ein Verwandter des Hofjuweliers war; denn der Onkel des M. B. Wulff hatte Malkas Schwester Zippora zur Gattin, Malka aber war Lieb-

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manns ers-te Frau gewesen. Das« Ziel des Hof Juweliers war es, Wulff aus Berlin zu vertreiben, da er durch diesen sehr rührigen und eifrigen Glaubensgenossen seine Stellung und sein Geschäft bedroht fühlte. Es kam zu Prügeleien und öffentlichen Beschimpfungen der beiden um die kurfürstliche Gunst kämpfenden Hoffaktoren. Liebmann blieb aber Sieger; Wulff wurde ausgewiesen und verlegte den Sitz seiner Tätigkeit nach Dessau. Auch unter dem ersten Preußenkönig verhinderte der Hof Juwelier die Rückkehr Wulffs. Um dies zu erreichen, bürgte er sogar für die Bezahlung der Schulden Wulffs, wollte sie dann aber auf die Berliner Glaubensgenossen abwälzen. Er mußte sich aber doch dazu bequemen, die Hälfte von Wulffs Schulden, so bitter ihm dies auch ankam, selbst zu übernehmen. Schließlich kam durch seinen Landesherrn, den Fürsten Leopold von AnhaltDessau, Moses Benjamin Wulff doch zu beträchtlichem Einfluß in Berlin, so daß Wulff auch zu den Hoffaktoren in BrandenburgPreußen zu zählen ist. Nur selten hat sich Liebmann für einen Glaubensgenossen eingesetzt. So erwirkte er am 15. November 1684 die Rückgabe des Schutzbriefes an den Hofpetschierstecher Michael Abraham. Die LiebmannGruppe besaß in Berlin auch ihre eigene Synagoge, und 1684 erreichte es der Hofjuwelier, daß nur in seinem Bethaus Gottesdienst abgehalten werden durfte; die aus Wien eingewanderten Juden mußten ihre Synagoge schließen. Im gleichen Jahre wurde Jost Liebmann zu einem der beiden Vertreter der Fürstlichen Interessen bei allen jüdischen Gerichten und Zusammenkünften bestellt. Auch mit Behrend Lehmann, dem anderen einflußreichen Hoffaktor jener Zeit, geriet Liebmann in Streit. Der HofJuwelier verstand es, für seinen Sohn Abraham das Mitinspektionsrecht über das von Lehmann in Halberstadt errichtete Studienhaus durchzusetzen. Später gelang es Behrend Lehmann, die Familie von der Aufsicht über die Halberstädter Lehranstalt wieder auszuschalten. Das mag für den Rabbiner Abraham Liebmann mit ein Grund gewesen sein, sein Wirkungsfeld nach Amsterdam zu verlegen. Gegenüber Behrend Lehmann vermochte er sich eben nach dem Tode seiner Eltern nicht mehr durchzusetzen. Im Kampf um dieses Halberstädter Studienhaus fällte Behrend Lehmann über die Sippe Liebmann das Urteil: „Welche allen ehrlichen Juden und der gantzen Weldt tort zu thun gewohnt waren". Das Ehepaar Liebmann lieferte auch an zahlreiche auswärtige Höfe. Zu den Kunden des Berliner Hof juweliers gehörte die Fürstin von Anhalt-Dessau, von der er für einen gelieferten Ring 1950 Taler zu fordern hatte. Im Zusammenhang mit dieser Forderung setzte es Liebmann beim Kurfürsten durch, daß seine Geschäftsbücher als voll-

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gültiger Beweis galten. Die Fürstin legte dagegen Beschwerde ein, der Kurfürst bestätigte jedoch am 4. Dezember 1694 seine zugunsten des Hof juweliers erlassene Verordnung. Zu der vornehmen und ausgedehnten Kundschaft gehörten ferner Hessen-Homburg, Holstein-Norburg, ein Obrist von der Marwitz, ein Vetter des englischen Gesandtschaftssekretärs Acton u. a. Der Herzog August von Holstein-Norburg schuldete 1698 dem Hofjuwelier noch 1700 Rtlr, Am 1. Dezember intervenierte Berlin zu seinen Gunsten bei dem Herzog. Von dem Vetter des Gesandtschaftssekretärs Acton forderte Liebmann am 14. Januar 1700 noch 3185 Rtlr. für seinen Sohn Isaak, der damals bereits als Hof Juwelier tätig war. Preußen sandte auch hier Interzessionsechreiben zugunsten Liebmamis ab. Im nächsten Jahre hören wir von Juwelenlieferungen an einen Herrn von Falaiseau, der auch nicht zahlte, so daß die Gesandten in Lissabon und London angewiesen wurden, dem Käufer die beiden Diamantringe wieder abzufordern 28. Liebmanns Vermögen betrug etwa 100000 Rtlr.; er war also nach unserem heutigen Geldwert mehrfacher Millionär. Die bekannte und gut unterrichtete Glückel von Hameln hält ihn für den damals reichsten Juden in Deutschland; das stimmt zwar nicht; denn die österreichischen Hoffaktoren Oppenheimer und Wertheimer besaßen größere Vermögen, ebenso Leffmann Behrens in Hannover und Behrend Lehmann in Halberstadt, Liebmanns Verwandte. Aber er gehörte um 1700 zu den reichsten Hoflieferanten und hatte doch um die Mitte des 17. Jahrhunderts so gut wie nichts. Mit seinem Gielde beherrschte der Hoffaktor auch die Berliner Judengemeinde; selbst dem König stand Liebmann störrisch und selbstbewußt gegenüber. Bezeichnend für seine Stellung ist auch, daß die Akten mehrfach von „Herrn Liebmann" sprechen. Ende des Jahres 1701 bat er den König für sein Testament um den Schutz für seine Frau gegenüber seinen Kindern, von denen sich schon eines widerspenstig gezeigt hatte; am 30. Dezember erhielt das Kammergericht entsprechende Anweisung29. Jost Liebmann starb am 30. Januar 1702; jetzt begann die Glanzzeit seiner Witwe Esther Liebmann, kurz die Liebmännin genannt. Ihrem Manne ebenbürtig an Habsucht, Herrschsucht und Klugheit, setzte sie die Geschäfte des Hof juweliers mit besonderem Eifer fort. Die schöne Jüdin stand beim Könige in solcher Gunst, daß sie unangemeldet bei Majestät eintreten durfte, um ihm ihre Juwelen anzubieten. Ihre Stellung kennzeichnet wohl am besten die Tatsache, daß sie, als sie 1699 in Kleve weilte, vom Kurfürsten zwölf Vorspannpferde bewilligt erhielt, um nach Berlin zurückkehren zu können10. 5

Schnee, Hoffinanz I

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Die Liebmännin schuf sich innerhalb der Berliner jüdischen Ge* meinde eine ihr genehme Partei, die sie durch ihre Stellung völlig beherrschte. Von dem anderen Teil der Judengemeinde wurde sie gefürchtet und gehaßt. Die Hof jüdin beherrschte ihre Söhne, Schwiegersöhne und Freunde, besorgte ihnen Geleitsbriefe und Handelskonzessionen, verschaffte ihnen die Rabbinate von Halberstadt und Neumark-Hinterpommern mit weitgehenden Rechten, sicherte sich selbst natürlich viele Vorrechte vor anderen Juden, vor allem gegenüber der Gerichtsbarkeit der Judenkommission und den Verordnungen der Regierung, bekämpfte die Beamten der Judenkommission, führte endlose Prozesse gegen ihre Gregner und intriguierte viele Jahre lang gegen den Bau einer Synagoge, um die Gemeinde zum Besuch ihrer eigenen Synagoge zu zwingen. Die Liebmännin setzte zunächst das Juwelengeschäft mit ihren Söhnen Jost und Isaak fort. Am 3. Juli 1705 wurden der Hof juwelierin zwei Beträge von je 50000 Rtlr. auf rückständige englische Subsidien angewiesen. Da sie mit Rücksicht auf ihren Kredit nicht länger auf den Eingang dieser „Arreragen" warten wollte, béauftragte der König den Geheimen Kriegsrat von Kraut, diese 100000 Taler auf seinen Namen leihweise aufzunehmen, der Liebmann auszuzahlen und sich später aus dem Eingang der englischen Subsidiengelder bezahlt zu machen. Am 11. August 1708 mußte Kraut der Hof juwelierin wiederum 10000 Taler „negotiieren". Die Liebmännin zahlte jedesmal für vier Monate Zinsen. Kraut und die Hof juwelierin waren damals die erfolgreichsten Kapitalisten in Berlin. Nach dem Tode Krauts beanspruchten die Erben der Liebmännin noch 41 000 Taler und die Zinsen für zehn Jahre, zusammen 62 788 Taler aus dem Nachlaß des Geheimen Kriegsrats. Diese Forderungen sollten aus nicht eingelösten Kgl. Assignationen und Juwelenlieferungen herrühren. Krauts Erben bestritten jedoch nicht nur die Forderung, sondern stellten ihrerseits Forderungen in Höhe von 3300 Talern an den Nachlaß der Liebmännin. Liebmanns Erben erreichten auf dem Prozeßwege nichts; sie überließen dann ihre Forderung einem Obristen B. von der Marwitz, auf dessen Antrag eine neue Kommission eingesetzt wurde. Der Ausgang der Angelegenheit ist aus den Akten nicht ersichtlich. Für das Auftreten der Hof juwelierin ist die Eingabe des Generalfiskals Durham vom 8. Dezember 1708 kennzeichnend, die erfolgte, als er in Erfahrung gebracht hatte, daß „die Hof jüdin sich äußerst bemühe, mich und alle diejenige, so dem Judenwesen yorgesetzet, bei der Kgl. Maj. zu discreditiren und die Administration der Judensachen auf einen ganz anderen Fuß zu bringen". Durham bemerkte wëitér: „Ich werde es vor eine Wohltat achten, wann ich auf einmal

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von den Nachstellungen einer so gefährlichen Person endlich abkomme". Zum Schlufi bat er, der Hof juwelierin keinen Glauben zu schenken und ihm nicht Brot und Unterhalt zu entziehen. Doch vermochte niemand die Stellung der Liebmännin unter dem ersten Preußenkönig zu erschüttern; sie war Friedrich I. für sein Luxusbedürfnis unentbehrlich. Bei einem 1710 für 42000 Rtlr. gekauften ovalen Brillanten im Ringe wird der Verkäufer zwar nicht genannt, ist aber offenbar die Liebmännin gewesen; 1712 wurde bei der Hof juwelierin für 50 000 Rtlr. eine Kette von 29 großen runden Perlen mit einer Birnperle erworben- Nach des Königs Tode machte die Hof juwelierin noch Forderungen in Höhe von 106418 Rtlr. geltend. Eine anscheinend aus dem Jahre 1741 stammende Abschätzung der aus dem Nachlaß König Friedrichs I. vorhandenen Juwelen kam zu dem sehr hohen Wert von 3 755725 Talern. Kein Zweifel, ein wesentlicher Teil dieser Juwelen ist jedenfalls von der Hoffaktorenfamilie Liebmann geliefert worden. Neben diesen Geschäften gingen die zahlreichen Juwelenlieferungen an auswärtige Höfe einher. Von ihnen erhalten wir jedoch meist dann erst Kunde, wenn die Zahlungen ausbleiben oder stocken und Berlin deshalb intervenieren muß. Am 24. Juli 1703 wandte sich „Joost Liebmanns Witt we" in einem Gesuch an den König mit der Bitte, ihrem „Befreundter" Ruben Rothschildt durch ein Interzessionsschreiben nach Wien zu helfen, da Rothschild an Oppenheimers Erben „eine ansehnliche Praetension" habe. Der Envoyé in Wien, Herr Geh. Rat von Bartholdy, möge angewiesen werden, sich des „gemelten Mannes so viel möglich anzunehmen, damit er zu einer bezahlung gelangen möge", und schon am 28. Juli ging an den Wiener Gesandten Herrn von Bartholdy das gewünschte Schreiben ganz im Sinne der Liebmännin ab. Am 6. Juli 1706 erfolgte in Wien eine Intervention zugiinsten des Juwelenhändlers Jost Liebmann, „Unseres gewesenen Hofjubelierers Witwe" Sohn; man hatte Liebmann in den kaiserlichen Landen Juwelen abgenommen, da er sie den Zöllnern nicht angegeben, sich der Besteuerung also entziehen wollte. Trotzdem wurde nicht weniger als viermal in Wien interveniert und der Gesandte angewiesen, sich Liebmanns „alß unseres Unterthans aufs kräftigste anzunehmen". Zugunsten Salomon Israels, eines anderes Sohnes der Esther Schulhoff, wird am 10. Januar 1707 ebenfalls in Wien appelliert, damit seine Wechselforderungen an seinen Glaubensgenossen Magnus Moyses beglichen würden. Mit besonderem Eifer kämpfte die Hof juwelierin für die Interessen ihres Sohnes erster Ehe Salomon Israel in Halberstadt, den sie gegen die Familien Lehmann und Wulf zu schützen suchte. Auch hier stellte sich der König eindeutig auf die Seite seiner 5*

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Hoffaktorin und ihre® Sohnes. Immer wieder nutzte die Liebmännin die fürstliche Gunst für ihre Familie aus; ihr Charakterbild erscheint in keinem günstigen Lichte^1. Wie der Hof Juwelier Liebmann in dem Hoffaktor Moses Benjamin Wulff seinen Konkurrenten sah und ihn deshalb scharf bekämpfte, so hatte auch die Liebmännin ihren Feind. Das war Mordechai ben Manlin aus der Familie Raubach, von den preußischen Behörden M a r k u s M a g n u s , auch Mordechai Dessau oder Mordechai Weisel genannt, der die schon von Liebmann angewendeete Praxis benutzte, sich die Gunst des Kronprinzen und künftigenKönigsFriedrich Wilhelm zu sichern, um dann beim Regierungsantritt des neuen Herrschers seine Gegnerin aus ihrer Stellung bei Hofe zu verdrängen. Doch, so lange König Friedrich I. regierte, blieb die Liebmännin in seiner Gunst, -und Markus Magnus stand in ihrem Schatten. Er baute der Hofjuwelierin zum Trotz für sich und seinen Anhang eine eigene Synagoge, und nun begann ein wüster Zank beider Parteien; 1708 wurden schließlich alle Synagogen bis auf die der Familie Liebmann geschlossen. Dann prozessierte man von 1708—1710, bis schließlich der König die Entscheidung traf, daß sich beide Parteien zu vertragen hätten. Nach des Königs Tode wurde die Liebmannsche Synagoge geschlossen32. Ihre Söhne und Schwiegersöhne brachte die Hof juwelierin in einflußreiche Stellungen. Ihre Kinder mit Liebmann waren: 1. J a k o b L i e b m a n n , der am wenigsten hervortrat, von dem die Akten und die Familiengeschichte kaum etwas berichten, 2. I s a a k L i e b m a n n , ebenfalls Hofjude; desgleichen seine Witwe und sein Sohn; 3. A b r a h a m L i e b m a n n , auch Abraham Berlin genannt; er wurde Rabbiner in Halberstadt, zog dann aber nach Amsterdam, wo seine Familie seit langem einflußreiche Beziehungen besaß; als Hofjude war er nicht tätig. 4. Elieser Lipmann oder L i e b m a n n J o s t , nach seines Vaters Tode wie dieser Jost Liebmann, oder Liebmann d. J. geheißen, wurde noch zu Lebzeiten seines Vaters Hof jude des ersten Preußenkönigs. Wir werden uns noch mit ihm zu beschäftigen haben. Seine Frau Frad war die älteste Tochter des Juspa van Geldern aus der bekannten rheinischen Hoffaktorenfamilie, zu deren Nachkommen auch Chajim Bückeburg gehört, der in Deutschland als Schriftsteller unter dem Namen Heinrich Heine bekannt ist. Ein anderer Nachkomme Josts wurde Mitglied des großen Synhedrions in Paris, das . die .allgemeine Judenemanzipation einleitete, ein anderes Mitglied der Familie ließ sich in London nieder.

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5. H i n d c h e n L i e b m a n n aber, die Tochter, sollte der Familie noch zu besonderem Ruhm verhelfen; sie wurde die Gattin des Naphtali Hertz Bär aus Frankfurt a. M. Zu ihren Nachkommen zählen der bekannte Komponist G i a c o m o M e y e r b e e r (Meyer Beer) und dessen Bruder, der Schriftsteller M i c h a e l B e e r , dessen literarisches Schaffen jedoch weiteren Kreisen so gut wie unbekannt geblieben ist; er stellte seine Arbeiten betont in den Dienst der Judenemanzipation. 6. Reisel oder R e s e l L i e b m a n n , die zweite Tochter, heiratete Ahron oder Arend Liebmann, den seine Schwiegermutter am 8. April 1709 zum Oberrabbiner der Marken machte. Er stand völlig unter dem Einfluß der Hofjuwelierin, war daher genau wie diese bei seinen Glaubensgenossen verhafit 33. Mit ihren Geschäftsvertretern und Agenturen umspannte die Familie Liebmann zuletzt den gesamten preußischen Staat; sie und ihre Agenten — an eine Hoffaktorenfamilie hängte sich immer eine ganze Schar von Glaubensgenossen — saßen in einflußreichen Stellungen nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Pommern und Preußen, in Magdeburg, Halberstadt, Halle und Kleve, in Hannover, Leipzig, Dresden und Hamburg, in Mecklenburg, Böhmen und Holland. Das Wirken der Hoffaktoren kam stets den jüdischen Gemeinden zugute, auch dann, wenn der einzelne Hoffaktor das Anwachsen der Judengemeinde in fürstlichen Residenzen zu hindern suchte. So setzte sich zum Beispiel die Hofjuwelierin Either Liebmann in einer Bittschrift für die Gewährung eines Begräbnisplatzes an die Königsberger Juden ein, und am 25. Oktober 1703 wurde diesem Gesuch, auch stattgegeben. War unter dem Großen Kurfürsten zunächst Israel Aaron als Hoflieferant der einzige Jude in Berlin, so befand sich knapp drei Jahrzehnte später schon eine stattliche jüdische Gemeinde in der Hauptstadt Brandenburgs. Die erste ordentliche Zählung der Juden im Jahre 1700 ergab in Berlin 70 vergleitete jüdische Familien mit über 1000 Individuen und 47 unvergleitete Judenfamilien 34. Esther Liebmann war nicht nur Hofjuwelierin; sie spielte auch als H o f m ü n z e r i n eine wichtige, aber nicht rühmenswerte Rolle in der Geschichte des preußischen Münzwesens* Die teuren Juwelen mußten ja schließlich bezahlt werden 36. Bereits im Jahre 1700 erhielt die Liebmännin die Erlaubnis, für gelieferte Juwelen 2000 Feinmark Silber in Sechspfennigstücken, also in Scheidemünze, auszuprägen, obwohl Geheimrat Chwalkowsky, dem damals das Münzwesen unterstand, darauf hinwies, daß das Land ohnehin mit kleiner Münze angefüllt sei und die Nachbarländer

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dem Beispiel bald folgen würden. Dodi gegen das Fiat des Herrschers fruchteten alle Vorstellungen des verantwortlichen Beamten nichts. Die Sechspfennigstücke wurden 1701 ausgemünzt, trugen aber die Jahreszahl 1700. Wieviel Sechspfennigstücke bis zum 3. Dezember 1701, an welchem Tage die Hofmünzerin ihren Revers zurückgab, ausgemünzt wurden, ist nirgends angegeben. Auch in der Münzübersicht von 1746 für Friedrich den Großen fehlen die Angaben. Man hatte sicher allen Grund, den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit zu decken. Nach den Berechnungen, die Freiherr von Schrötter, der Historiker des preußischen Münzwesens, angestellt hat, haben die Liebmanns mit einem Schlagschatz von fast 50 °/o Millionen an Sechserstücken münzen lassen, und der Fachmann Schrötter bemerkt dazu, daß ein Schlagschatz in dieser Höhe in der Münzgeschichte selten ist. Ende des Jahres 1702 beantragte die Liebmännin erneut eine Ausmünzung, diesmal in Höhe von 5000 feinen Mark, aus deren Schlagschatz wieder ihre Juwelen bezahlt werden sollten. Wieder erhob Geheimrat von Chwalkowsky seine warnende Stimme, vermochte aber nur die Summe auf 2000 Feinmark herabzudrücken» Am 1. Dezember 1702 erging die Verfügung, daß vermünzt werden dürften: in Berlin 250 Mark in 6-Pfennigstücken 350 499 99 3» 300 ft 99 99 tt 100 299 99 99 in Magdeburg 250 699 99 99 450 499 99 99 200 3r» 99 99 99 2η 99 „ 100 99 Der Schlagschatz in Höhe von 25 000 Rtlr. flöß der Hofmünzerin zu; ferner wurde ausgemacht, daß sie wöchentlich 100 Mark fein zur Prägung gröber Sorten zu liefern habe. Die Vermünzung diesér Scheidemünzen fand 1703 statt; aus den 500 Mark fein oder 13 666 Rtlr. 16 Gr. ergab sich ein Mehr von 650 000 Sechserstücken. Das Beispiel der Hofmünzerin wirkte verheerend; denn andere Gläubiger des Königs ahmten das Beispiel der Liebmännin nach. Sie versuchten gleichfalls das Recht der Münzprägung zu erhalten, um zu ihrem Gelde zu kommen. Esther Liebmann trieb nachweislich den König immer wieder zu größeren Scheidemünzprägungen. Am 6. Oktober 1707 meldeten die Beamten der Leipziger Münze, daß in Berlin und Magdeburg wieder rote Sechser gemünzt würden, mindestens eine Summe von 200000 Rtlr., man behaupte, die Hofmünzerin Liebmann, die davon nicht über 50 000 Rtlr. in Preußen ausgeben η

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dürfe, verlege sie. Nach dem Sturze der Liebmännin beschwerte eich 1714 auch Schweden wegen der eingebraehten Sechserstücke und forderte deren Zurücknahme und Einschmelzung. Preußen antwortete jedoch, daß es mit der inzwischen erfolgten Bestrafung der Liebmännin seinen Unwillen gegen diese Art der Prägung genügend bewiesen habe. Als 1713 Friedrich Wilhelm I. den Thron bestieg, hatte die Hofjuwelierin und Hofmünzerin ihre Rolle ausgespielt. Obwohl der nette König schon als Kronprinz seinen Hoffinanzier hatte, auch während seiner Regierungszeit mehrere Hoffaktoren und Oberhoffaktoren in den Dienst stellte und auszeichnete, war ihm doch die Liebmännin aus ganzer Seele zuwider. Der sparsame König haßte die Hofjuwelierin, die das Luxusbedürfnis seines prachtliebenden Vaters in geschickter Weise ausgenutzt hatte, ebenso stark, wie einst Johann Georg den Münzmeister Lippold, und da der sparsame König unter den Hofschranzen seines Vaters aufräumte, so wurde auch der Tätigkeit der Hofjuwelierin ein Ende gesetzt. Nach dem Tode Friedrichs I. wurden die Liebmännin und ein Sohn verhaftet und erhielten Hausarrest. Das in ihrem Hause vorgefundene „Geld, Gold, Silber und Juwelen" verfielen der Beschlagnahme und wurde zur Verwahrung in die Hofrentei gebracht. Eine Kommission ward eingesetzt und der gewesenen Hof juwelierin der Prozeß gemacht; ihr wurde vor allem vorgeworfen, bei der Lieferung von Pretiosen den König übervorteilt zu haben; außerdem habe sie dreimal soviel Sechserstücke ausmünzen lassen, als ihr zugestandeil war. Noch kurz vor dem Tode des Königs habe sie 200000 Rtlr. für Juwelen empfangen und versucht, davon 40000 Rtlr. und mehr nach Leipzig zu schaffen. Die Hofjuwelierin machte dagegen ihrerseits Forderungen geltend, die zwischen 106418 und 186000 Rtlr. schwankten. Am 7. Mai erklärte nach anfänglichem Zögern ihr Sohn Liebmann Jost für seine Mutter und seine Geschwister vor der Kommission zu Protokoll: „Wann Se. Königl. Maj. den ganzen Prozeß gegen seine Mutter und alle übrigen von der Familie, auf allen und jeden Anspruch, welcher bereits bis jetzt zur Inquisition gekommen, oder noch vors künftige aufgefunden und dazu gezogen werden könnte, allere gnädigst aufheben und aboliren, auch seine Mutter, solange sie noch leben möchte, ihn und die ganze Liebmannsche Familie in dero mächtigsten Schutz wider alle Unrechte Gewalt weiter nehmen und behalten wollten, sei er der erste, welcher die Königliche Gnade acceptirte und sich nach gutem Bedacht und reifster Überlegung, freiwillig sonder einigen Zwang und Furcht, dahin erklären, daß, nach dem er die ganze Sache dergestalt beschaffen fände, daß seine Mutter und die ganze Familie durch Abwartung und Ausführung 1 des Prozesses

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keinen Vortheil haben, sondern dadurch vollends um ihr noch übriges Vermögen, zeitliche Wohlfahrt und Credit kommen möchten: So wolle er sich vor sich und seine Mutter alles An- und Ausspruchs so^ wohl, an denen auf 106418 Thalern hoch belaufenden decretis, als auch was aus seiner Mutter Hause an Geld, Gold, Silber und Juwelen, über 100000 Thaler hoch betragend, so bisher zur Hofrenthey zur Verwahrung gebracht worden, begeben, renonciret, und darüber immerwährend und ewig quittiret und Verzicht geleistet haben." Jost Liebmann der Jüngere bittet dann, daß seiner Mutter „nunmehr die Wache abgenommen und sein Bruder Salomon Israel des Arrestes entschlagen werde, und also sie allerseitsi unter Sr. Königl. Maj. Schutz ihre Nahrung und Handlung frei und ungehindert vor wie nach fortsetzen könnten." Zum Schlüsse des Protokolls wird des Königs Gnade mit der Bitte angerufen, zur Stillung der dringenden Kreditoren der Familie einen Teil der auf der Hofrentei beschlagnahmten Gelder und Juwelen zurückzugeben. Außer den beiden genannten Brüdern hat noch der Rabbiner Abraham Liebmann das Protokoll unterzeichnet. Um diese Zeit gab es in Berlin außer dem Vermögen des Geh. Kriegerats von Kraut kein zweites Vermögen, das einen Aderlaß von 200000 bis 300 000 Rtlr. ohne Konkurs ertragen konnte. Im August 1713 genehmigte Friedrich Wilhelm I., daß der Liebmännin 3000 Rtlr. Interessen erlassen werden könnten, wenn sie ihre Reste sofort auf einmal bezahle. Darauf scheint die kluge Hoffaktorin wohl eingegangen zu sein; denn am 30. August 1713 wurde für sie und ihre Kinder der sogenannte Abolitionsschein von der Hofkammer ausgestellt. Damit schied die Familie Liebmann endgültig aus der preußischen Münzgeschichte aus**. Esther Liebmann erhielt zwar am 1. September ein neues Privileg, hatte aber doch ihre Rolle ausgespielt; sie wurde nicht wieder Hoffaktorin, blieb aber dem Hof- und Kammergericht unterstellt. Esther Liebmann begab sich zu ihrem Schwiegersohn Ahron nach Frankfurt a. cL Oder, und dort ist sie 1714 gestorben*7. Ihr Wunsch, eine von König Friedrich I. erhaltene goldene Kette mit ins Grab nehmen zu dürfen, soll erfüllt worden sein. Mit dem Tode der Hoffaktorin erlosch ihr Privilegium; den Kindern wurde untersagt, die Privatschule der Mutter fortzuführen, die Synagoge ward geschlossen. Den von der Liebmännin gelieferten Juwelenschatz aber hat Friedrich der Große für seinen Staat verwendet, indem er ihn zur teilweisen Finanzierung des Siebenjährigen Krieges benutzte. J a k o b L i e b m a n n , der 1700 einen Schutzbrief für Halle erhalten hatte, war nach den Akten als Agent seines Bruders Jost tätig. Aus einer Eingabe des jüngeren Liebmann von 1718 erfahren wir,

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daß der Hof Juwelier zur Eintreibung seiner Forderungen seinen Bruder Jakob nach England geschickt hat. Liebmann Jost muß danach auch mit England in lebhaften Geschäftsbeziehungen gestanden haben, wenn er seinen Bruder als Vertreter seiner Firma nach London sandte. Der Hof Juwelier bat nun den König, er möge seinen Residenten in London anweisen, Jakob Liebmann in jeder Weise zu protegieren. Am 3. November ging auch ein entsprechendes Schreiben an den Residenten Bonet in London ab, und der preußische Vertreter scheint sich seines Auftrages gleich mit besonderem Eifer entledigt zu haben; denn in seinem Bericht von 1719 heißt es über Jakob Liebmann: „Je l'ai fait coucher sur la liste de mes domestiques." Der Hofjuwelier erfreute sich aller Rechte preußischer Untertanen in England, galt also nicht als Jude. Am 3. Februar 1720 erging auf Josts Eingabe eine erneute Anweisung an den Residenten, Jakob Liebmann jede Protektion zu gewähren. Zwischen den Brüdern Jakob und Jost muß es aber in der Folgezeit zu Zerwürfnissen gekommen sein; denn 1726 ist von Forderungen des Hof juweliers an seinen Bruder in London die Rede, und der Resident soll den König von England veranlassen^ Arrest auf Jakob Liebmanns Vermögen zu legen, damit seine Wechsel eingelöst werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser Liebmann in London geblieben ist; denn später ließ sich dort auch sein Neffe, der Sohn seines Bruders Isaak, nieder, bei dem dann wiederum ein Mitglied der Familie van Geldern zu Gaste weilte. So trafen sich auch, in London die beiden durch Verwandtschaft verbundenen Hoffaktorenfamilien Liebmann und van Geldern. Wesentlich besser sind wir über I s a a k L i e b m a n n unterrichtet; er war H o f j u w e l i e r wie sein Vater und trieb mit seiner Frau einen ausgedehnten Juwelenhandel mit auswärtigen Höfen und Gesandtschaften. Da Preußen zu seinen Gunsten häufig Interzessionsschreiben absandte, sind wir über seine Geschäfte näher unterrichtet. Isaak Liebmann wurde 1698 Vorgänger der jüdischen Gemeinde in Königsberg in Preußen, begann also seine Tätigkeit dort, wo die Familie Aaron-Liebmann angefangen hatte. Am 28. Juni 1698 berichtete er über die Klagen seiner Glaubensgenossen wegen zu hoher Geleitgelder und machte Reformvorschläge, vor allem riet er, die Erhebung der Schutzgelder „nur einem, jedoch gewissen und seßhaften Bürger oder einem von Dero Bedienten" zu übertragen. Das würde nicht nur Handel und Wandel beleben, „sondern auch Ew. Kurf. Durchl. Intraden jährlich auf etliche 1000 vermehren". Mit Hilfe seiner Mutter konnte er 1703 einen Begräbnisplatz für seine Glaubensgenossen durchsetzen. Esther Liebmann hatte sich erboten, 100 Rtlr. dem Königsberger Waisenhaus zu übermitteln. Das Reskript

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vom 25. Oktober gestattete jedoch, fremden Juden nicht, ohne Erlaubnis der vergleiteten Königsberger Juden, ihre Toten auf diesem Friedhof zu begraben. Der eigentliche Begründer der Königsberger jüdischen Gemeinde, Markus Ilten, wird 1702 als „Buchhalter von dem Kgl. Hoff Jubelierer Isaak Liebmann" und „dependierend von Berlin" bezeichnet. I. Liebmann ist demnach auch als Vorgänger der Königsberger Judengemeinde Hof juwelier des Königs Friedrich I. gewesen. Später siedelte dieser Liebmann wieder nach Berlin über, und 1709 war Isaak Oberältester der Berliner Judengemeinde. Am 22. April erfolgte die Konfirmation seiner Wahl; zusammen mit den Unterältesten, Einnehmern, Armenvorstehern und Adjunkten wurde er beauftragt, über die Kgl. Verordnungen zu wachen und eine Spezifikation der Berliner Juden anzufertigen- Um diese Zeit befand sich Isaak Liebmann in einer machtvollen Stellung; zur Leipziger Messe reiste er mit einem stattlichen Personal, bestehend aus Diener, Schreiber, Buchhalter und Kassierer. Hoffaktor war er mindestens seit 1700. Im Jahre 1702 setzte sich die Berliner Regierung für Isaak Liebmanns Forderungen an Halberstädter Juden ein; in diesem Inter* zessionsschreiben vom 29. September wird Isaak ausdrücklich als Hof" juwelier bezeichnet. Aus den Jahren 1704 und 1709finden sich weitere Empfehlungsschreiben an die Regierung in Halberstadt zugunsten Unseres „Hofjuweliers"; eine Bestallungsurkunde ist jedoch in den Akten nicht vorhanden. Isaak Liebmann war auch Juwelenlieferant der Höfe von SachsenGotha und Sachsen-Eisenach, und an beiden Höfen verwandte sich Preußen für seinen Hoffaktor. Von Eisenach hatte Isaak Liebmanns Witwe 1711 — um diese Zeit mufi also der Hof juwelier gestorben sein — noch 9240 Taler und 16 Groschen zu fordern. Preußen intervenierte wiederum zugunsten dieser Forderung beim Herzog Johann Wilhelm in Eisenach. Isaak Liebmann starb noch vor seiner Mutter. Sein Sohn W o l f I s a a k L i e b m a n n bat 1719 den König um ein Protektorium gegen seine Kreditoren und teilte dabei mit, daß sich seine Mutter wieder nach Wien verheiratet habe, jedoch ohne den Kindern in Berlin Vormünder zu bestellen. Wolf Isaak Liebmann wird in den Akten mehrfach „Unser Liebmann" genannt; einen preußischen Hoffaktorentitel scheint er aber nicht geführt zu haben. Später finden wir diesen Liebmann in London wieder, wo bereits sein Onkel Jakob weilte und sich auch noch Nata London, ein Schwiegersohn von Liebmann Jost, niederließ. Wolf Isaak Liebmann unterhielt von London aus Geschäftsbeziehungen mit Petersburg und

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führte den Titel: Conseilleur d'Etat pour S. A. Imperial de toutes les Roussies, war demnach russischer Hoffaktor. Im Jahre 1747 weilte Simon van Geldern, der älteste Sohn des Lazarus van Geldern, Hoffaktors von Jülich und Berg, bei Wolf Isaak Liebmann oder Wolf Berlin, wie er in London genannt wurde. Doch schon 1749 schickte Wolf Berlin diesen Simon van Geldern, in seinem Wesen der echte Ahne Heines, nach Holland. Aus den Akten des Hausarchivs der Hohenzollern geht hervor, daß I s a a k L i e b m a n n s W i t w e am 1. Januar 1714 dem König dankt für ihre Bestallung als „des Königs Majestät Hofjuwelierin". Das Dankschreiben schließt mit der Bitte um Ausstellung des Patents als Kgl. Hofjuwelierin; ein Aktenvermerk besagt, daß es auch am 30. Januar expediert wurde. Vom 4. Januar datiert der Entwurf des Patents für Isaak Liebmanns Witwe, am 23. Januar zahlt sie für die Bestallung 16 Rtlr. an Gebühren. Die zweite Hofjuwelierin Liebmann führte zunächst die Geschäfte ihres Mannes Isaak Liebmann weiter, verheiratete sich jedoch bald nach Wien, so daß die Firma Liebmann in Berlin jetzt nur noch durch Liebmann Jost vertreten war 38 . Noch zu ihren Lebzeiten sorgte Either Liebmann dafür, daß ihr Sohn nach Isaaks Tode zum Hoffaktor auch amtlich bestallt wurde 3·. Am 16. Dezember 1711 richtete die Hofjuwelierin ein Schreiben an den König, in dem sie Majestät ihren Dank auespricht für die Deklaration ihres Sohnes Jost zum Hofjuwelier. Daran knüpft sie die Bitte, dem neuen Hofjuwelier auch eine „Confirmation" zu erteilen. Diese Confirmation muß bald erfolgt sein; denn vom 20. Januar 1712 liegt die Quittung über 16 Rtlr. vor, die Jost Liebmann der Jüngere für seine Bestallung an die General-Chargenkasse gezahlt hat, zugleich wird veimerkt, daß Liebmann aber kein Gehalt émpfange. Im gleichen Jahre wurde Jost Liebmann Oberältester der Berliner jüdischen Gemeinde als Nachfolger seines Brüder® Isaak. Als Jost Liebmann noch bloßer Schutzjude war, hat Preußen bereits für ihn an auswärtigen Höfen interveniert, so zum Beispiel 1709 in Eisenach, und am 27. Februar 1710 beeilte sich Herzog Johann Wilhelm mitzuteilen, daß er die Kammer angewiesen habe, Liebmann Jost alsbald die geforderten 1050 Rtlr. zu zahlen. Als Friedrich Wilhelm I. den Thron bestieg, wandte sich Jost Liebmann am 19. Februar 1714 auch an den neuen König mit der Bitte, ihm den Titel Hof juwelier zu verleihen. Angesichts des Sturzes seiner Mutter und ihrer Verbannung aus Berlin ist diese Eingabe ihres Sohne? mehr als kühn. Der Supplikant begründete sein Gesuch .mit dem Hinweis, daß er als Hof Juwelier seine Juwelen „bei auswärtigen

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Höfein" besser absetzen könne und dadurch auch viel bares Geld ins Land komme. Als Anlage ist das Patent von 1711 beigefügt. Es läßt sich nicht einwandfrei feststellen, ob Jost Liebmann auch von Friedrich Wilhelm I., der ja der Familie Liebmann abgeneigt war und ihrer Herrschaft ein Ende gesetzt hatte, zum „Hof juwelier" amtlich ernannt worden ist. Als Hoffaktor ist er aber auch unter dem neuen König tätig gewesen, wie mehrfach aus den Akten hervorgeht, in denen er als Hof juwelier bezeichnet wird. Freilich, hat er am Berliner Hof kaum Bedeutung erlangt. Er scheint seinen Titel vielmehr für seine Geschäfte mit auswärtigen Höfen genutzt zu haben. Wenn er auch nicht die Gunst des Königs genoß und im Schatten der neuen Emporkömmlinge stand, so hat doch Berlin nicht selten für den „Hofjuden Liebmann Jost" bei auswärtigen Höfen interveniert, sögenannte Intercessionalia geschrieben, wie man damals Protektionsbriefe nannte, damit der Hofjuwelier zu seinem Gelde kam. Es ist ein kennzeichnender Zug der fürstlichen Hoffaktoren-Politik, daß sich die Landesherren stets für die Interessen ihrer privilegierten Juden auch bei auswärtigen Mächten einsetzten, und gerade Friedrich Wilhelm I. war in der Vertretung solcher Interessen von einem seltenen Eifer und einer Rücksichtslosigkeit, die für die damalige Zeit einzig dasteht. Wir werden diese Feststellung später bei der Behandlung des Polnischen Residenten Behrend Lehmann erhärten. Am 19. Dezember 1718 wandte sich Jost Liebmann in einem Gesuch an den König und bat um die Unterstützung durch den preußischen Gesandten in Wien, da er dorthin reisen wolle, um Schulden einzukassieren. Vom 24. Dezember ist das Interzessionsschreiben nach Wien datiert, das noch deshalb bemerkenswert ist, als darin Jost Liebmann ausdrücklich als „ U n s e r H o f f - F a c t o r " bezeichnet wird. Der Gesandte erhält die Weisung, dafür zu sorgen, daß Liebmann „überall prompte und unparteiische Justiz" widerfahren möge. Den 19, Februar 1721 richtet Liebmann der Jüngere ein ähnliches Gesuch an den König; diesmal hat er von einem in Schlesien begüterten Grafen 3000 Rtlr. zu fordern, wenige Tage später, am 25. Februar 1721, ergeht entsprechende Weisung nach Wien zugunsten „unseres Hoff-Jubelierers". Die Angelegenheit zog sich jahrelang hin. Schließlich wandte sich der Wiener Gesandte 1724 sogar in einer Eingabe an den Kaiser wegen der 3000 Rtlr. des „Königl. Preuß. Hoff-Factòrs Joost Liebmann". Von 1714—1735 stellte Liebmann an Kurpfalz Forderungen auf 150000 bis 200000 Rtlr. Der Ausgang des langen Prozesses ist nicht bekannt. Daneben liefen Ansprüche des Hofjuweliers an seine Verwandten, die Gebrüder van Geldern in Düsseldorf; stets vermittelte der König.

Die Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann

Auch Liebmann Josts Frau muß sehr rührig gewesen sein; denn wir begegnen ihr auf Geschäftsreisen an fremde Höfe, wo sie ihres Mannes Forderungen geltend zu machen sucht. Aus einer Streitsache Jost Liebmanns mit dem Hofjuwelier Ephraim und Genossen erfahren wir, daß er im Mai 1747 nach Zahlungseinstellung gestorben ist; als Hoffaktor wird er unter der Regierungszeit Friedrichs des Großen nicht mehr bezeichnet, die Akten sprechen nur von dfem Schutzjuden Jost Liebmann. Seine Witwe Frad van Geldern wandte sich an den König, um als 70jährige mit ihren zehn Kindern endlich in den Besitz der 35 585 Rtlr. zu gelangen, die ihr von ihren Geschwistern in Düsseldorf zustanden, nämlich 20 000 Rtlr. Mitgift und die Zinsen seit 1740. Diese Gelder sollten Liebmann durch Bancobrief e extradiert werden, gingen dann aber in Berlin durch die Hände verschiedener Glaubensgenossen, von denen die Witwe jetzt die Gelder forderte. Friedrich der Große verfügte am 22. September 1747 eine fiskalische Untersuchung gegen Ephraim, der „listiger Weise" sich die Gelder erschlichen. Es ist anzunehmen, daß der Witwe ihr Recht wurde; sie hat 1756 noch in Berlin gelebt. Werfen wir einen kurzen Rückblick auf die Hoffaktorenfamilie Aaron-Liebmann, dann sind folgende Mitglieder Hoffinanziers mit amtlichem Titel gewesen: Israel Aaron und zwei seiner Nachkommen, nämlich der Enkel Aaron Salomon Israel in Dresden und der Urenkel Hertz David Israel in Kassel, Aarons Nachfolger Jost Liebmann, beider Frau Esther Schulhoff, ihr und Jost Liebmanns Söhne Isaak und Jost und schließlich Isaak Liebmanns Witwe und deren Sohn Isaak. Andere Mitglieder der Familie befinden sich in hervorragenden Stellungen, führen aber keinen Hoftitel. Die Hoffaktoren aus dieser Familie waren Heereslieferanten, Juwelenhändler und Münzer. Zeitlich umfaßt die Tätigkeit dieser Familie fast ein Jahrhundert, sie reicht vom Großen Kurfürsten bis zur Thronbesteigung Friedrichs des Großen; die Regierungszeit des letzten Kurfürsten und ersten Preußenkönigs Friedrichs III. bzw. Friedrichs I. (1688—1713) bezeichnet den Höhepunkt. Er fällt zusammen mit einer schlechten Finanzwirtschaft des absoluten Staates. Die jüdischen Gemeinden Berlin, und Halle verdanken ihre Begründung gleichfalls der Hoffaktorenfamilie Aaron-Liebmann4·.

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Hoffaktoren der Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann 41

Israel Aaron Hoffaktor des Großen Kurfürsten

und

Esther Schulhoff Hof juwelierin dés Großen Kurfürsten und Friedrichs I.

Salomon Israel in Halle Aaron Salomon Israel Hoffaktor in Dresden

D a v i d Salomon Israel Schwiegersohn des Hoffaktors Abraham David in Kassel i Hertz David Israel Hoffaktor in Kassel

Jost L i e b m a n n und Esther Schulhoff Hoffaktoren des Großen Kurfürsten und Friedrichs I. Isaak

Liebmann

Isaak Liebmanns Witwe

Hoffaktoren Friedrichs!.

Jost L i e b m a n n Hoffaktor Friedrichs I. und Friedrich Wilhelms!.

i W o l f I s a a k Liebmann-London russischer Hoffaktor

Die Familie Gomperz im Dienste der Hohenzollern EHe Gomperz sind wohl die jüdische Familie, die in Preußen und wahrscheinlich auch in Deutschland die meisten Hoffaktoren gestellt hat; unter sechs Herrschergenerationen, vom Großen Kurfürsten bis zu Friedrich Wilhelm III., behauptete sie ihre Macht und stellte dazu noch eine Reihe von Hoffinanziers anderen Fürstenhöfen. Ihre Tätigkeit war sehr vielseitig; ihre Mitglieder wurden durch hohe Titel ausgezeichnet; mehrere von ihnen stiegen in den Adelsstand auf, und doch ist unter den Gomperz kein Hoffaktor, der unter einem Herrscher eine so vertraute Stellung eingenommen hätte wie das Ehepaar Liebmann unter dem ersten Preuflenjtönig. Die bisherigen Hoffaktoren in Preußen kamen aus Mitteldeutschland oder aus dem Südosten des Reiches; die Gomperz dagegen waren

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seit langem in den westlichen Teilen des preußischen Staates ansässig. Ihr jüdischer Name ist Mordechai; aber 1326 gab sich der Judenmeister von Köln als Beiname seines wirklichen Namens den Namen G o m p e r z . Im Jahre 1600 wurden durch Herzog Johann Wilhelm in Emmerich Salomon G u m p e l und dessen Sohn M o r d e c h a i zugelassen ; mit ihnen beginnt die Geschichte der Familie Gomperz. Als 1609 die Jülich-Klevischen Lande unter Brandenburg und Pfalz-Neuburg aufgeteilt wurden, bestätigten auch die neuen Herrscher Salomon Gomperz den Schutz. Der Geleitsbrief vom 22. November 1610 ist der erste Geleitsbrief eines brandenburgischenHerrschers an die Familie Gomperz1. Damals war die Familie noch arm; aber dann kamen die Zeiten des Dreißigjährigen Kriege®, und solche langen Kriege boten vielen jüdischen Familien stets die Möglichkeit, reich zu werden. Der Ankauf und Absatz der Kriegsbeute ging meist durch die Hände jüdischer Händler, und auf diese Tätigkeit gründet sich auch der erste Reichtum der Familie Gomperz. Salomon Gomperz wurde bald der Führer der rasch angewachsenen Gemeinde in Emmerich; sein Sohn Mordechai, auch Markus Gomperz genannt, verstand es dann, zum neuen Herrscherhaus der Hohenzollern feste Beziehungen herzustellen. Johann Sigismund und Georg Wilhelm bestätigten das Niederlassungerecht der Familie und der Große Kurfürst erneuerte am 22. Juli 1647 und am 1. Mai 1661 das Geleit für Mordechai Gomperz. Durch kurfürstliches Patent vom 28. März 1653 erhielt dieser dann den Auftrag, die Schutzgelder und andere jüdische Gefälle einzusehen; damit hatte er bereits eine bevorzugte Stellung erhalten8. Mordechais Söhne L e i m a n n und E l i a s G o m p e r z haben dann die Beziehungen zum Großen Kurfürsten enger gestaltet. Elias, der bedeutendste Sohn des Mordechai Gomperz, wurde der Begründer eines Bankhauses in Emmerich; er stand in geschäftlichen Beziehungen mit Rom, Wien, Konstantinopel, Jerusalem, Antiochia, Alexandrien und Memphis. Das Wechselhaus von E l i a s G o m p e r z zählte damals zu den größten Bankhäusern in Preußen. Von den eigenen Glaubensgenossen wurde sein Vermögen wie das von Jost Liebmann auf 100000 Rtlr. geschätzt, das sind nach heutigem Wert mehrere Millionen Mark*. Schon am 1. Mai 1661 unterzeichnete der Große Kurfürst einen Schutzbrief für Elias Gomperz und seine Kinder, in dem er ihnen das Niederlassungsrecht für Emmerich, Wesel und Duisburg zugestand; Elias Gomperz entschied sich für Kleve. Von dort aus unterhielt er enge Beziehungen zu den Generalstaaten der Niederlande und zum Großen Kurfürsten. Die Geschäfte des Elias Gomperz waren sehr vielseitig; er war vor allem H e e r e s l i e f e r a n t , versorgte die

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Truppen mit Proviant, sorgte für Beköstigung und Löhnung der Regimenter, lieferte Holz, Steine und Pallisaden für die Instandsetzung der Festungeplätze und ebenso Getreidevorräte für die Verproviantierung. In seiner Hand lagen alle großen Heereslieferungen. Dem Kurfürsten wie den Städten gewährte er beträchtliche Anleihen, ebenso vermittelte er die Aufnahme von Geldern in Holland4· Auch für den Hofstaat lieferte Elias Gomperz, besonders dann, wenn dieser sich im Westen aufhielt; ebenso verkaufte er dem Großen Kurfürsten Juwelen. Audi bares Geld wurde dem Hofe vorgestreckt. Die Stände von Kleve und Mark sollten am 2. Januar 1666 an Gomperz 2200 Rtlr. zahlen; am 18. Oktober des gleichen Jahres leistete er einen Vorschuß von 10000 Rtlr. Im Jahre 1674 forderte der Heereslieferant Bezahlung für die Lieferung von Pallisaden; 1677 hatte er für einen gelieferten Diamantring 5400 Rtlr. zu bekommen. Auch diese Schuld war aus den Steuergeldern zu bezahlen. Am 1. August 1680 schuldete ein Obrist von Wangenheim dem Hoffaktor 2000 Rtlr. für Juwelen und Gelder. Der Klevischen Regierung schoß Elias Gomperz am 13. November 1682 gegen Aushändigung einer Obligation 5000 Rtlr. vor. Mit dem Hof von Geldern in Arnheim unterhielt der Hoflieferant ebenfalls Geschäftsbeziehungen5. Am 31. Mai 1670 erhalten Leimann und Elias Gomperz einen Paß, da beide „in Deroselben Dienst und Geschäften nach Hamburg und Lübeck abgeschickt werden"® . Im Jahre 1661 wird Elias Gomperz auch zum Rezeptor des Judentributs für Kleve und Mark eingesetzt, und den Deputierten der Märkischen Judenschaft, Simon Nathan und Jakob Isaak, wird befohlen, alle Tributgelder an Gomperz abzuliefern; alle Beamten und Bedienten der Mark werden ersucht, den Genannten zu helfen 7. Ebenso lieh der Große Kurfürst dem Hoffaktor seine Hilfe bei der Eintreibung seiner Gelder. Seinen großen Einfluß nutzte Elias Gomperz, wie alle Hoffaktoren, für seine Glaubensgenossen; ihm wird das Verdienst zugeschrieben, für die Juden im Herzogtum Kleve die Aufhebung des Leibzolls erwirkt zu haben8. Nach der Schilderung der Glückel von Hameln glich Gomperz' Haus in Kleve der „Wohnung eines Königs, in allen Manieren wohl möbliert als eines Herrschers Palast". Für die machtvolle Stellung des Hoffaktors Elias Gomperz ist wohl nichts mehr kennzeichnend als die Tatsache, daß bei der Hochzeit seines Sohnes Kosman der Kurprinz Friedrich mit einem glänzenden Gefolge und der Statthalter des Landes, Fürst Moritz von Nassau, seine Gäste waren®. Als der Große Kurfürst 1686 Kleve einen Besuch abstattete, wurde auch Elias Gomperz empfangen, gewiß ein großer Triumph für den Hoffaktor. Er starb am 28. Juni 1689; seiner Witwe Maria Benedict und den Kindern

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ward auf ihre Bitte am 23. Oktober des gleichen Jahres das ihrem Gatten gewährte Generalpatent von 1661 erneuert in Anbetracht „der getreuen Dienste und Aufwartung, welche derselbe Uns und dem hiesigen Lande in verschiedenen Gelegenheiten geleistet"1·. Eine Tochter des Elias Gomperz hatte in die Familie des Hannoverschen Hoffaktors Leffmann Behrens geheiratet, so daß auch diese einflußreichen Familien durch verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verknüpft waren. Auch Elias Gomperz* Söhne Salomon, Ruben und Jakob sowie sein Schwiegersohn Levy oder Löb Gomperz waren bekannte und reiche Heereslieferanten. Die ganze Familie besaß damals weit ausgedehnte verwandtschaftliche Beziehungen nach Holland — in Amsterdam hatte sich Leimann, Elias* Bruder, niedergelassen —, Berlin, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Hannover, Hamburg, Metz, Prag, London, Bayern, Österreich und Ungarn. Und den Grund zu dieser Machtstellung der Familie hatte Elias Gomperz gelegt als Vorsteher seiner Judengemeinde, Beherrscher aller klevischen Juden, Talmuidgelehrter, Kriegslieferant, Hoflieferant, Hofjuwelier, Hofbankier. Daß er dabei, wenn es nottat, auch gegen seine Glaubensgenossen rücklichtslos vorgehen konnte, zeigt sein Kampf gegen Berend Levi. Einen besonderen Hoftitel hat Elias Gomperz trotz seiner finanziell so mächtigen Stellung nicht geführt; er selbst unterzeichnete nur mit „Elias Gumpertz Jude"11. Söhne und Schwiegersohn setzten die Tradition der Familie fort und knüpften die Beziehungen zum Herrscherhaus noch enger. Jakob Gomperz und sein Schwager Levi oder Löb Cleve führten das Bankhaus Gebrüder Gomperz in Kleve fort und waren Kgl. preußische Hoflieferanten. Am 27.Dezember 1713 verleiht Friedrich WilhelmI. den „Hof fL i v r a n t e n L e v i und J a c o b G o m p e r z " ein Generalgeleitspatent zur Niederlassung ihrer Familien an jedem beliebigen Orte des Königreiches mit der bis dahin unbekannten Erlaubnis, Wohnhaus und Garten zu kaufen, das alles „in Ansehung der Unserem Königl. Hause von ihnen und ihren Vor-Eltern in unterschiedenen Gelegenheiten geleisteten guten Dienste und aus anderen sonderbahren Ursachen", „wie wir denn im Übrigen obgenannten Levi und Jacob Gomperz, ihren Weibern und Kindern alles daßjenige, was Unsers in Gott ruhenden Herren und Vatters sayt. glorwürdigsten Andenkens ihm Levi Gomperz und seiner Familie in dem Geleitsbrief vom 2. November 1689 gnädigst verschrieben, hiemit aus sonderbahren Specialen Gnaden confirmiret und bestätigt haben wollen"12. Im Jahre 1714 erhielten die beiden Schwäger einen Reisepaß für alle Lande, damit sie sich als Königliche Hoflieferanten überall ungehindert und ohne Erlegung von Abgaben bewegen konnten. Dieser 6

Schnee, Hoffinanz I

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Pafi sollte auf ausdrücklichen Befehl 1716 auf Pergament umgeschrieben werden. Mit den Gebrüdern Gomperz kontrahierte der König 1716 auf Lieferung von 2000 Bomben, die sie zu Wasser pach Amsterdam schaffen sollten. Auf Veranlassung ihres Unterlieferanten Salomon Levi, der ausgeschieden war, wurde die Munition jedoch in Düsseldorf beschlagnahmt, und Preußen mußte daselbst vorstellig werden. Die Formel „aus besonderen Ursachen" weist nicht etwa auf besonders vertraute Beziehungen zum Hofe hin, sondern ist eine allgemein gebräuchliche Wendung in derartigen Urkunden. Die Gomperz kamen auch mit Lotterie-Plänen, um ihren Reichtum zu mehren; doch lehnte 1695 die Berliner Regierung die Projekte ab, da ihr die Gewinne für den Staat nicht hoch genug erschienen. Andere Mitglieder der Familie Gomperz sind später mit ähnlichen Projekten und Eingaben an die Könige herangetreten. Jakob Gomperz suchte sich auf alle mögliche Weise in der königlichen Gunst zu festigen. So bot er eich sogar an, dem Soldatenkönig „schöne, junge Rekruten", „lange Kerls" zu beschaffen, wohl wissend, daß der König hierfür eine Schwäche hatte und daß man ihm damit eine besondere Freude bereiten konnte. Der König war auch bereit, wie er in seiner Résolution vom 5. Dezember 1732 mitteilte, an Jakob Gomperz zu zahlen: für einen Rekruten von 6 Fuß=300 Rtlr., von 6 Fuß 1 Zoll=400 Rtlr., für einen 74zölligen 500, für einen 75zölligen 1000 Rtlr. und für einen 76zölligen gar 2000 Rtlr. „Doch müssen die Leute franco nach Wesel abgeliefert werden, woselbst Seine Königliche Majestät durch dero General von Mosel die Gelder bezahlen lassen wollen." Es verlautet freilich nichts darüber, ob sich die langen Kerls von den Hoffaktoren anwerben ließen11. Levi und Jakob Gomperz stellten, wie alle Gomperz, ihren Einfluß in den Dienst ihrer Glaubensgenossen, besonders Jakob Gomperz hat in Berlin häufig zugunsten der Juden gewirkt. Ihm ist es zu verdanken, daß Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. den Klever Juden recht günstige Privilegien gewährten. Jakob vervielfachte das Vermögen seines Vaters; hatte Elias 10G000 Rtlr., so betrug das Vermögen Jakobs bereits mehrere 100000 Rtlr., er war vielfacher Millionär. Selten dienten die Hoffaktoren nur ihren Landesherrn; meist machten sie Geschäfte mit vielen Hôfén. Dem Bischof von Eichstätt lieferten sie zum Beispiel laut Kontrakt ein Kreuz von Rubinen. Daraus erwuchsen ihnen allerdings, so klagten sie ihrem Landesherrn, allerlei Verdrießlichkeiten. Der Bischof wies offenbar das Kreuz zurück, weil nach seiner Auffassung die Rubinen nicht echt orientaliech waren. Die Gomperz stellten daher den Antrag, die

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Rubinen in Augsburg zu prüfen, um ihre Echtheit festzustellen. Selbst der Kurfürst von der Pfalz wurde als zuständiger Reichsvikar am 22. Juli 1711 zugunsten der Hoffaktoren bemüht. Die Gomperz dienten auch dem Erzbischof von Köln, Clemens August aus dem Hause Wittelsbach; sie finanzierten 1719 seine Wahl zum Bischof von Münster und Paderborn, und Friedrich der Große mußte ihnen bzw. ihren Erben noch zu ihren Forderungen verhelfen 14. Nach Jakobs Tode stritten sich seine Erben mehr als 30 Jahre um das Riesenvermögen. Noch vielseitiger war die Geschäftstätigkeit eines anderen Sohnes von Elias Gomperz; in R u b e n E l i a s G o m p e r z erreicht sie ihren Höhepunkt. Ruben, geboren um 1655 in Emmerich, ließ sich in Wesel nieder; er wirkte vor allem unter dem Kurfürsten und König Friedrich I. Er lieferte für die Regimenter Munition, Proviant und Ausrüstungsgegenstände und für den Hof Kleinodien; 1689 hatte er zum Beispiel Lieferungen für das Magazin in Wesel, die 1697 durch eine Restzahlung des Geh* Kriegsrats von Kraut mit 751 Rtlr. beglichen wurden, Gleichzeitig stand er in Verbindung mit Kursachsen, Kurpfalz, Köln, Bayern, Württemberg, dem Markgrafen Ludwig von Baden, mit dem er sogar persönliche Verhandlungen in Wildbad führte, mit Holstein, Bayreuth, Nürnberg, dem Fürsten von Schwarzburg, dem Bischof von Straßburg, mit dem Kaiser in Wien, aber auch mit Paris. Man fand nichts dabei, daß er von der französischen Regierung und der Generalität den Auftrag erhielt, die auf deutschem Boden befindlichen französischen Gefangenen mit Geld für ihre Verpflegung zu versorgen. Rubens Vertreter, Vermittler und Unterlieferanten saßen an allen wichtigen Handelsplätzen der damaligen Zeit, in Dresden, Leipzig, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Magdeburg, Berlin, Prag und Amsterdam, und der betriebsame Hoflieferant pflegte sie häufig persönlich aufzusuchen. Geschäftlich war er eng verbunden mit allen bedeutenden Juden und Hoffaktoren seiner Zeit, so mit den Oppenheim in Wien und Hannover, mit dem Kgl. Polnischen Residenten in Halberstadt Behrend Lehmann, mit dem Hoffaktor Moses Benjamin Wulff in Berlin und Dessau, mit dem Kaiserlichen Hoffaktor Philipp Lazarus in Breslau, mit Koeman Elias in Eissen, Aaron Oppenheimer und Jakob Kann in Frankfurt, Assur Marx und Simon Charleville in Halle, dessen Bruder Amschel Abraham Charleville wieder in Amsterdam saß; feindlich gesinnt blieb ihm dagegen die Familie Liebmann in Berlin. Gelegentlich zog Ruben auch diese oder jene christliche Firma zu den Lieferungen heran; im wesentlichen war und blieb sein Unternehmen aber eine rein jüdische Firma. Unter seinen Geschäftspapieren befanden sich nicht weniger als 28 Pässe von Fürsten und Städten. Auch zu politischen Missionen ι»

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fühlte sich der betriebsame Hoffaktor berufen. So spielte er zusammen mit Behrend Lehmann den Vermittler, als man den Kurfürsten von Brandenburg veranlassen wollte, seine Ansprüche auf Elbing an den Kurfürsten August den Starken als König von Polen abzutreten gegen eine Geldsumme sowie einzelne sächsische Grafschaften (Mansfeld, Gommern, Elbenau). Kursachsen lieh er ebenfalls bedeutende Summen. Ruben hatte auch Geldforderungen an den Generalleutnant und Kammerherrn von Bernsau in Köln für Lieferungen an kurkölnische Truppen und für v. Bernsau seihst. Da wandte sich der vielseitige Hoffaktor an den Kardinal Wilhelm von Fürstenberg um Vermittlung mit der Begründung, daß er bei dessen Streben nach geistlichen Würden, besonders in Köln, nicht untätig gewesen sei15; der Kardinal trat auch für Ruben ein. 1680 ließ v. Bernsau jedoch Gomperz im Erzstift verhaften und 16 Wochen in Diez und Bonn festhalten, da er Geld mit sich führte, das in Kurköln nicht gültig war. Schließlich wurde Ruben Elias Gomperz seine allzu betriebsame Geschäftigkeit zum Verhängnis. Er geriet in den Verdacht, an einem Mordanschlag auf den großen Hoffaktor Samson Wertheimer in Wien beteiligt gewesen zu sein. Feinde hatte Ruben ja genug, war doch sein eigener Bruder Jakob sein Todfeind. Auf kurfürstlichen Befehl wurde Ruben Elias Gomperz am 11. August 1697 verhaftet und in der Zitadelle zu Wesel festgesetzt. Nach vier Monaten Haft wurde er gegen Kaution freigelassen, auf Drängen Wiens jedoch, wo Kardinal Kollonitsch, ein großer Judengegner, die Angelegenheit weiter vorwärts trieb, wieder verhaftet und nach Spandau gebracht, um an Wien ausgeliefert zu werden1·. Doch dazu kam es nicht; denn nach sechs Monaten war der Hoffaktor wieder frei. Dafür hatten die einflußreichen Kollegen in Deutschland gesorgt in Verbindung mit all jenen, die dem Hoffaktor verpflichtet waren, und deren Zahl war nicht gering. Auch die klevischen Stände traten für Ruben ein, da er ihnen häufig Geld vorgestreckt hatte. Ruben Elias Gomperz' Schwester war zudem die Gattin von Jakob Behrens, dem Sohne des Hannoverschen Hoffaktor» Leffmann Behrens, dessen Stern gerade im Aufstieg begriffen war. Leffmann Behrens verwandte sich nun zugunsten Rubens bei seinem Landesherrn, der tief in seiner Schuld saß. So ging denn auch am 1. September 1697 ein Interzessionsschreiben des Kurfürsten von Hannover zugunsten von R. E. Gomperz nach Berlin; aber ebenso schnell erfolgte von dort die Antwort, daß der Hoffaktor nicht aus der Haft entlassen werden könne. Nun wurde der fast allmächtige Hoffaktor Samuel Oppenheimer in Wien um Hilfe angegangen, der sich auch am 29. Januar 1698 für Gomperz einsetzte, und schließlich tat es auch der Markgraf Ludwig von Baden

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am 9. März des gleichen Jahres. Wahrlich, an Protektion fehlte es dem Hoffaktor nicht; ebenso zeigt der Fall, daß die Hoffaktoren einmütig zusammenstanden über alle Staatsgrenzen hinweg, wenn einem von ihnen Gefahr drohte 17. Nach seiner Freilassung kehrte Ruben Elias Gomperz zunächst nach Wesel zurück; doch war ihm wohl der Aufenthalt dort verleidet, und so verlegte er das Feld seiner Tätigkeit jetzt nach Berlin. Im Westen waren die engsten Verwandten ohnehin seine ärgsten Feinde; sein Bruder und Widersacher Jakob wurde dann auch 1703 an seiner Stelle zum Landesvorsteher der Juden gewählt. Auch andere Mitglieder der Familie Gomperz verlegten ihren Wohnsitz mehr in das Innere Deutschlands. Benedict Elias Gomperz, ein anderer Sohn des Faktors Elias Gomperz, ließ sich in Lippstadt nieder und nannte sich fortan Bendix Lippstadt. Den Behörden wurde ausdrücklich befohlen, den Sohn des Hoffaktors gegen alle Belästigungen zu schützen. Bald zog Bendix seinen Onkel, den uns bereits bekannten L e i m a n n G o m p e r z , nach, der, gleichfalls brandenburgischer K r i e g s f a k t ο r , die Interessen der Familie Gomperz bisher in Amsterdam vertreten hatte. So liefert auch die Geschichte der Familie Gomperz wiederum den Beweis, daß die Hoffaktoren überall die jüdischen Gemeinden vergrößerten; denn in einer Faktorenfamilie war gewöhnlich ein ganzer Trofi Glaubensgenossen beschäftigt. Als K r i e g s l i e f e r a n t betätigte sich auch Leimanns Bruderssohn S a l o m o n G o m p e r z . Bendix Lippstadt aber stieg zum Führer der Juden in der Grafschaft Mark auf 18. Ruben Elias Gomperz hatte zweifellos schon lange das^ Ziel im Auge, in der Residenzstadt selbst Fuß zu fassen. Denn bereits am 24. November 1673 hatte er sich für seine beiden Söhne Kosmann und Elias Geleitsbriefe für Berlin ausstellen lassen. Es war stets das Bestreben eines jeden Hoffaktors, seinen Kindern noch zu Lebzeiten die Privilegien zu sichern, die man selbst genoß19. Ruben Elias Gomperz verstand es in der Tat, sich alsbald auch in Berlin wieder zu einer machtvollen, ja einzig dastehenden Stellung emporzuschwingen. Er trat recht anmaßend auf. Zunächst forderte er Schadensersatz für die erlittene Untersuchungshaft. Dafür versprach er, geschickt des Kurfürsten Friedrich III. Schwäche ausnutzend, Diamanten und Bargeld zu beschaffen, ferner seine Guthaben an den König von Sachsen-Polen, an General von Bernsau, an kurfürstliche Offiziere und die klevischen Stände zugunsten des Kurfürsten abzutreten und auf die Schuldsumme für die Einrichtung des Postwagens Nym wegen—Berlin zu verzichten. ISr erbot sich sogar, Geld von seinem Todfeinde Samson Wertheimer in Wien zu beschaffen, wenn ihm der Kurfürst nur seine Hilfe leihe. Dafür forderte er aber vor

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allem die Ernennung zum klevischen Oberrezeptor, also Steuereinnehmer, als erbliches Amt in seiner Familie, die Lieferungen an den kurfürstlichen Hof, wenn dieser in Kleve residiere, die Löhnung an die Regimenter und anderes mehr! Es waren „ungenierte und unerhörte Vorschläge", die der Hoffaktor wagen durfte, welche die Beamten sogar zu unterstützen versprachen. Der Kurfürst ging auch auf mancherlei Vorschläge des Hoffaktors ein. So lieferte Ruben Elias Gomperz 1698 einen Diamanten für 28 750 Tir. Dafür erhielt er die Erlaubnis, sich im furchtbaren Mißwachsjahr 1698 durch den Versand und Verkauf von 30 000 Lasten Korn aus dem Magdeburgischen und aus Holland nach seinen heimatlichen Gegenden bezahlt zu machen. Mit anderen Worten: die Kleinodienlieferung an den Fürsten sollte das hungernde Volk bezahlen. Schließlich wurde aber die Erlaubnis zurückgezogen mit der gewiß nicht unrichtigen Begründung, daß er zu viel verdient hätte. Wiederum verlangte Gomperz Schadenersatz; er behauptete, einen Schaden von 94 500 Rtlr. erlitten zu haben. Dafür erhielt er am 29. April 1699 den erbetenen Abolitionsschein, den Freispruch von den Beschuldigungen gegen Wertheimer 21 und das Amt eines Münzdenunzianten! Schließlich erreichte Ruben Elias Gomperz, der wie andere Mitglieder der Familie auch in der preußischen Münzgeschichte keine rühmenswerte Rolle spielte, wie noch zu zeigen sein wird, am 24.Mai 1700 tatsächlich die Ernennung zum O b e r r e z e p t o r oder Obersteuereinnehmer für Kleve und Mark, also seine Ernennung zum Staatsbeamten. Dieses Amt hatte sich Gomperz gewissermaßen erkauft; denn der Hoffaktor hatte durch den Feldmarschall von Barfuß dem Kurfürsten einen Diamanten von 100000 Rtlr. Wert, der gerade in Amsterdam gehandelt wurde, anbieten lassen. Der Edelstein muß auch geliefert worden sein; denn das Patent sah vor, daß der Hoffaktor und seine Erben nicht gehalten sein sollten, das Amt des Oberrezeptors aufzugeben, bis ihnen „der folgende successor in der Bedienung Einhunderttausend Taler, deren Wert uns besagter Gomperz geliefert, wieder bezahlet habe". Die Ernennung zum Oberrezeptor erregte ein ungeheures Aufsehen, und die klevischen Stände sowohl ids auch die brandenburgischeRegierungsbehörde protestierten heftig gegen den jüdischen Oberrezeptor. Aber alle Proteste wurden am 15. Juli 1700 energisch vom Kurfürsten zurückgewiesen, und Ruben Elias Gomperz ward wenige Wochen später, am 26. August 1700, als erster jüdischer Staatsbeamter in brandenburgischen Diensten vereidigt. Am 1. Oktober übernahm er aus den Händen seines Vorgängers Friedeborn die Oberrezeptur für Kleve und Mark. Daneben lief Ruben Elias Gomperz* Tätigkeit als Hofmünzer weiter. Da er sich hier Münzmalversionen zuschulden kommen ließ, auch als Mitver-

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fasser eines Pamphlets galt, das hohe Beamte verleumdete, ward er am 9. Januar 1702 erneut verhaftet und zum zweitenmal eingekerkert. Nach 5/4 Jahren wurde er in Freiheit gesetzt gegen eine Kaution von 20 000 Rtlr., die seine Verwandten, vor allem aber sein Freund Behrend Lehmann in Halberstadt zusammengebracht hatte. Bevor der Prozefi zu Ende geführt wurde, starb der immer betriebsame Hoffaktor am 20. Juni 1705. Wenige Monate später, am 13. Oktober, fällte die juristische Fakultät der Universität zu Frankfurt an der Oder ihr Urteil zugunsten des Königs und verurteilte den Hoflieferanten. Nach der Eingabe eines Enkels aus dem Jahre 1788 betrugen die noch nicht beglichenen Forderungen des R. E. Gomperz an den König 400 000 Taler! Gomperz* Witwe verglich sich auf eine jährliche Zahlung von 10 000 Rtlr. bis zu ihrem Tode. Da sie 1712 starb, wurden also 70 000 Rtlr. ausgezahlt. Andererseits erhielt die Witwe des Gomperz zum Schutze gegen die Nachlaßgläubiger mehrfach Moratorien; mit ihrem Tode erloschen alle weiteren Leistungen. Seine Tochter heiratete ebenfalls einen Hoffaktor, den Münzlieferanten Philipp Hirschel in Breslau, und sein Sohn Benedikt Ruben Gomperz wurde der erste Landesrabbiner von Schlesien, kam also auch wieder in eine gehobene Stellung. Nebenamtlich war er als Münzlieferant für Breslau tätig. In eine besondere Vertrauensstellung zu einem Herrscher war trotz aller Bemühungen bisher keiner der vielen Gomperz gelangt, weder unter (dem Großen Kurfürsten, noch unter dem ersten Preußenkönig. Dafür saß die Familie Aaron-Schulhoff-Liebmann zu fest in der landesherrlichen Gunst, und die Liebmanns waren ja ebenso Todfeinde der Gomperz wie Moses Benjamin Wulffs. Erst nach dem Sturze der Liebmännin gelang es dem neuen „Gomperz", sich der königlichen Gunst zu erfreuen und den höchsten Rang aller „Gomperz" zu erreichen. Das war M o s e s L e v i n G o m p e r z , der Sohn von Loeb Cleve oder Levi Gomperz, den König Friedrich Wilhelm I. durch Dekret vom 12. Juni 1713 zu seinem O b e r - , H o f - u n d K r i e g s f a k t o r ernannte mit dem Wohnsitz in Berlin und dem unbeschränkten Passierrecht im ganzen Lande; Im gleichen Jahr erhielt der Hof jude ein außerordentliches Generalgeleit mit dem Recht, Grund und Boden zu erwerben. Sofort nutzte Moses Levin Gomperz das Recht aus und erwarb in Berlin für 10 200 Taler Grundbesitz in der Hl. Geiststraße aus der Subhastation des Geh. Rats Matthias von Ber ehem. In einer Eingabe wandte sich der Magistrat vergebens an den König mit der Bitte, den Juden zu verbieten, „in den fürnehmsten Gassen und noch weniger so nahe am Schlosse Häuser zu haben". Die Gomperz ließen noch ein Stockwerk aufsetzen; 1736 ging das Haus in den Besitz des

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Staatsministers von Viebahn über. Im Aufträge Friedrich Wilhelms I. unternahm sein Ober-, Hof- und Kriegsfaktor viele Reisen nach allen Richtungen; in allen Himmelsgegenden saßen ja die Mitglieder der Familie Gomperz und ihre Verwandten. Für den Besuch der Leipziger Messe besaß Moses; Levin einen Freipaß. Im Jahre 1715 wurden Moses und sein Vetter Elias auch H o f - und K a m m e r a g e n t e n des Herzogs Leopold von Mecklenburg22. Im folgenden Jahr mußten sich die beiden Gomperz über Liebmann Jost, den Sohn des Hof juweliers Jost Liebmann, beschweren „wegen Neid, Beschimpfung und Verkleinerung". Die alte Feindschaft zwischen den beiden Hofjudenfamilien bestand also fort. Aber der Ober-, Hof- und Kriegsfaktor stieg noch höher in der Gunst des Soldatenkönigs. Dieser verlieh am 2. April 1719 seinem Hoffaktor für Munitionslieferungen das Recht, „sowohl wegen seiner Familie, die seit unendlichen Zeiten hier in dem Lande gewohnt, sondern auch wegen der letztgelieferten Ammunition, womit Sie allergnädigst vollkommen zufrieden, gleich anderen dero Diener einen Degen zu tragen". Damit erhielt der im Hofdienst stehende Gomperz eine Auszeichnung, die damals nur Standespersonen zukam/Doch damit nicht genug der Ehre; am 27. Oktober 1717 wurde der Hoffaktor durch Kabinettsordre auch, zum „immerwähre^den Oberältesten der Judenschaft in Berlin wie auch sonst in den Königlichen Landen" ernannt. All diese Würden scheinen aber Gomperz in den Kopf gestiegen zu sein; denn, als er, nach Wusterhausen befohlen, es wagte, im blauen Rock und in Stiefeletten nach der Montur der großen Grenadiere zu erscheinen, da prügelte der König seinen Hoffaktor höchst eigenhändig durch. Im Jahre 1717 wurde auch Moses Levins Vetter Elias, der Sohn seines Onkels Jakob Gomperz oder Jakob Kleve, zum Hoffaktor ernannt 28. Die beiden Vettern und Oberhof- und Kriegsfaktoren eröffneten nun in Berlin das Bank- und Handelshaus: Moses und Elias Gomperz. Doch fehlte es nicht an Reibungen zwischen beiden; denn Elias erwies sich als weniger fähig. Welche gesellschaftliche Stellung Moses und Elias Gomperz beanspruchten, zeigt ein Vorfall aus dem Jahre 1718. Die Gomperz schuldeten damals dem Hof rat Maillette de Buy aus einem Wechsel 2000 Taler, Maillette forderte, daß ihm die Hoffaktoren das Geld ins Haus bringen müßten. Die Firma Gomperz dagegen lehnte dieses Verlangen ab Und erbat vom König die Erklärung, daß sie gemäß ihrem Patent als Bedienstete des Hofes hierzu nicht verpflichtet seien, der Hofrat vielmehr die Wechsel an der Kasse präsentieren müsse. Eine Entscheidung fehlt in den Akten. Mit welchen Summen diese Generation der Gomperz arbeitete und wie die Landesfürsten die Interessen ihrer Hoffaktoren vertraten, zeigt die Note Friedrich Wilhelms I. vom 23. September 1718 an den

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Kurfürsten von der Pfalz. Der König teilt mit, daß sein Oberhof und Kriegsfaktor Gomperz von der von dem Kurfürsten und Dero Landständen in Köln errichteten Bank 236000 Rtlr. an richtigen Banco-Briefen zu fordern habe, ohne die, so noch nicht verfallen sind. Gomperz habe aber noch nichts erhalten, sei daher schwer geschädigt worden. Sein Hofjude stelle den Antrag, Arrest zu legen auf die in „Unseren Landen vorhandenen Güther und Effecten der für die Banco-Briefe mit haftenden Jülich- und Bergischen Stände". Der König will jedoch nicht zu diesem Mittel greifen; er hofft auf eine friedliche Regelung, „als Uns an der Erhaltung des Credits Unserer Oberhof- und Kriegs-Factoren und der gantzen Gomperzschen Familie, die Unserem Hause von langen Zeiten viel guter Dienst geleistet hat, gar sehr gelegen ist". Damit die Angelegenheit schnell geregelt wird, schickt der König gleich den Kriminal- und Obergerichtsrat Yiebahn ab. Für Elias Gomperz und dessen Ehefrau Rachel Moses verwandte sich Preußen mehrfach, als beide 1724 und 1726 Forderungen an Kurpfalz geltend machten, die aus einer Erbschaft der Rachel stammten. Ihr Onkel, der kurpfälzische Hoffaktor Lemle Moses, war gestorben; auf ihr Erbe hatte aber Joseph Jakob van Geldern Arest legen lassen. Preußen bemühte sich in mehreren Fürschreiben an Kurpfalz, das Erbe freizubekommen 24. Im Jahre 1720 war Moses Levin Gomperz bei dem Verkauf von Pretiosen für den König in Amsterdam beteiligt. Königin Sophie Dorothea schrieb am 31. Dezember 1719 eigenhändig die Spezifikation der Steine, die der König mit dem Major Reinhold Christian von Derschau, dem Kammerrat Friedrich Christian Sobbe und dem Oberhof- und Kriegsfaktor Moses Levin Gomperz im Januar 1720 nach Amsterdam zum Verkauf sandte. Es handelte sich um einen Coulant, 58 große, 38 mittlere, 8 kleine Brillanten, 104 ganz kleine Steine an zwei Armbändern, 41 große, 63 kleine Facetten, 6 große und einen mittleren Emeraud, 8 große und 16 mittlere Rubinen; als Mindesttaxe wurden 220 000 Rtlr. festgesetzt, doch sollte möglichst viel ersteigert werden. Die Kommission verkaufte jedoch nur für 121 688 fl. und brachte Juwelen für den Taxwert von 158893 Rtlr. wieder zurück, da die Zeiten zu ungünstig waren. Durch Patent vom 14. August 1719 erhielten die beiden Hoffaktoren mit Wirkung vom 1. Januar 1720 auch noch das Tabakmonopol für 12 Jahre. Die Gomperz zahlten dafür 2000 Taler an die Rekrutenkasse und stellten einen großen Grenadier. Die Konzession galt für die Kur- und Neumark, für Magdeburg, Halberstadt, Minden und Ravensberg. In diesel} Gebieten durften die Gomperz in den akzisebaren Städten Fabriken für Rauchtabak anlegen. Für die Kaufmannschaft war die den Gomperz gewährte Konzession zur alleinigen

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Fabrikation, der Rauchtabake, die bisher von ausländischen Fabrikanten bezogen worden waren, ein schwerer Schlag. Die Fabrikate der Gomperz genossen sogar einen Markenschutz, durften aber nur im Großhandel vertrieben werden; der Kleinhandel blieb frei, ebenso der Anbau und die Verarbeitung des heimischen Tabaks. Die Preise durften von den Konzessionären nicht erhöht, die Qualitäten nicht verschlechtert werden. Die Gomperz errichteten in Berlin eine Fabrik und beschäftigten darin zunächst 100, später 60 Leute, nachdem sie Minden und Halberstadt an einen Kaufmann Kulenkamp unterverpachtet hatten. Der König machte dann den Versuch, das Unternehmen zu verstaatlichen. Das Generaldirektorium war für den freien Handel gegen das Monopol der Gomperz; es warnte davor, die Kleinhändler zu zwingen, den Hoffaktoren die schlechte Ware abzunehmen, „damit wir nicht, um ein paar Judenfamilien zu helfen, so vieler Christenfamilien Ruin befördern mögen". Der König schloß sich den Vorschlägen des Generaldirektoriums an. Schon am 26. November 1723 sah sich der König gezwungen, das Monopol wieder aufzuheben und den freien Handel einzuführen, da die Königlichen Hoffaktoren nicht nur schlechte Ware geliefert, sondern die zollfreie Einfuhr des Rohtabaks zu allerhand Schmugglergeschäften genutzt hatten. Darauf versuchten die beiden durch verlockende Angebote, in die Münzprägung eingeschaltet zu werden, was ihnen auch am 24. Dezember 1723 gelang. Doch auch als Münzlieferanten scheiterten die beiden Hoffaktoren Moses und Elias Gomperz, wie wir in unseren Ausführungen über die Hofmünzer sehen werden, und der König wollte endlich „weiter mit den Schelmen nichts zu tun haben; man sollte sie bei den Ohren nehmen und ihm sein Kapital wieder schaffen". Der anbefohlenen Verhaftung entgingen die beiden Hof- und Münzfaktoren, indem sie am 18. Januar 1726 vom Kontrakt zurücktraten und den erhaltenen Vorschuß sofort zurückzahlten. Jetzt ging es rasch bergab mit dieser Generation; 1717 trennten sich die beiden Vettern, und Elias beantragte den Konkurs der Firma, die damit ein unrühmliches Ende fand. Zu den Gläubigern gehörte auch der bekannte Generalfeldmarschall von Wartensleben. Elias zog wieder nach Kleve zurück, wo er dann vereinsamt starb. Moses blieb zwar in Berlin, kam jedoch nicht mehr recht zur Geltung. Vergeblich suchte er die Gunst des Königs erneut durch Vorschläge über lohnende Geldgeschäfte zu erringen. So teilte er in einer Eingabe vom 4. Juni 1734 Friedrich Wilhelm I. mit, daß sein Bruder in Amsterdam gegen Schlesische Landschaftliche Obligationen 2 500 000 Gulden „von die Herrn General-Staaten negotiiret" habe auf acht Jahre gegen 6°/o. Seinem Bruder stehe noch die gleiche Summe zur Verfügung, und er habe den Auftrag, ihre „Vernogtiirung" Seiner Majestät anzutragen.

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Moses Levin Gomperz habe außerdem selber nodi ein bis zwei Millionen 6°/oige Wiener Stadtbankbriefe zur Hand. Diese Akte zeigt, wie die Hoffaktoren sich zu den Geldgeschäften förmlich drängten. Der König schenkte offenbar dem Gesuch seines einstigen Giinstlings keine Beachtung; denn es wurde gar nicht bearbeitet. Dagegen erhielt M. L. Gomperz 1734 auf seine Eingabe die Zusicherung, „daß auf sein Vermögen niemand, der nicht ein völliges Liquidum durch den Spruch Rechtens ausmachte, Arrest verstattet werden möge". Diese Zusicherung erfolgte, damit Gomperz allezeit dem Könige dienen könne25. Selbst die Berliner jüdische Gemeinde machte ihrem Oberältesten Gomperz das Leben schwer, zumal Magnus, der andere Oberälteste, auch als Hoffaktor sein Rivale war. Moses mufite sich sogar über die Berliner Judenschaft beschweren. Unter Friedrich dem Großen war Moses Levin Gomperz nochmals als Hofmünzer tätig; denn 1740 wurde ihm die Einrichtung der Klever Münze übertragen. Schließlich kehrte auch Moses wieder nach Kleve zurück, wo er am 4. Februar 1762 starb. Wie viele Gomperz, wurde er in ihrer Ursprungsgemeinde Emmerich begraben. Noch einmal gelang es der Familie Gomperz, in der folgenden Generation als Hoffaktoren eine bedeutende Rolle zu spielen. Moses' Sohn H e r z M o s e s G o m p e r z gehört mit seinem Schwager Ephraim, mit Itzig und Isaak zu den großen H o f m ü n z e r n unter Friedrich dem Großen, Allerdings wurde er durch Ephraim und Itzig bald in den Schatten gestellt, obwohl der in Berlin 1716 geborene Herz Moses Gomperz auf eine viel längere Tätigkeit seiner Familie hinweisen konnte als seine Konkurrenten. Aber mit neuen Herrschern stiegen auch neue Familien auf, und die Glanzzeit der Gomperz in Preußen war eben vorbei. Zudem starb Herz Moses Gomperz noch vor seinem Vater 176026. Seine Witwe Klara setzte die Münztätigkeit selbständig fort; sie trat in die Dienste des Fürsten Christian Günther III. von Schwarzburg und legte 1761 die Münze in Sondershausen an. Ihr Sohn aus zweiter Ehe Zacharias Driesen wurde schließlich Fürstlich Schwarzburgischer Hoffaktor. In der fünften Generation kam die Familie Gomperz in Berlin noch einmal zur Geltung, und zwar mit dem Bankier Ruben Samuel Gomperz, dem Urenkel des Projektenmachers Ruben Elias Gomperz» Der Vater de® Bankiers, Samuel Gomperz (1740—-1800), hatte am 23. April 1788 ein Generalprivileg mit dem Rechte christlicher Kaufleute beantragt, war aber abschlägig beschieden worden, obwohl man unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. in der Gewährung von Generalprivilegien recht großzügig war. Die Gomperz mußten sich daher bis zur Judenemanzipation gedulden, bevor sie die Rechte christlicher Kaufleute erhielten. Der Bankier Ruben Samuel Gomperz

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(1769—1851) gehört daher mit den Hoffaktoren David Friedländer und seinem Verwandten Israel Jacobson zu den Vorkämpfern der Judenemanzipation in Preußen. Der „Judenheiland" Jacobson pflegte bei seinen Berliner Besuchen im Hause des Gomperz in der Burgstraße abzusteigen. Beide hatten Frauen aus der Wolfenhütteier Hoffaktorenfamilie Samson geheiratet, Jacobson eine Tochter des Herz Samson, Gomperz eine Tochter von dessen Bruder Philipp. Der Name des Bankiers Gomperz begegnet uns auf den verschiedensten Eingaben der Repräsentanten der Berliner jüdischen Gemeinde zugunsten der Gewährung staatsbürgerlicher Rechte. Ruben Samuel Gomperz gehörte 1803 zu den zehn ersten jüdischen Vertretern der Börse; am 28. November des gleichen Jahres wurde er neben zwei christlichen und einem anderen jüdischen Vertreter zum Börsenvorsteher gewählt. Der Börsenvorstand bestand also damals aus zwei Christen und zwei Juden. Zum Bau des neuen Börsengebäudes hatte Gomperz 1801 bereits 40 000 Taler zu 4 °/o geliehen. Von der Regierung wurde er auch als Gutachter herangezogen. Als 1806 der Stadt Berlin eine Kontribution von 1200 400 Talern auferlegt wurde, von der im Sommer 1807 nodi 700000 Taler ausstanden, sollten sechs führende Bankfirmen, darunter die Firma Gomperz, unter Rückbürgschäft der Berliner Kaufmannschaft Wechsel ausstellen; aber Gomperz verweigerte seine Mitwirkung an dieser Aufgabe. Dieses Verhalten entspricht nicht dem Umstände, daß die Familie Gomperz ihr Vermögen im wesentlichen als Hoffaktoren des preußischen Staates verdient hatte. Es besagt wenig, wenn Gomperz anderen Stellen gelegentlich kleine Gefälligkeiten erwies, so zum Beispiel 1809 der Kgl. Hofapotheke ein Darlehn von 500 Rtlr. gewährte. An den Zwangsanleihen der Stadt Berlin war der Bankier R. S. Gomperz beteiligt: 1812 mit 20 000 Rtlr., 1813 mit 40000 Rtlr. und 1815 mit 8000 Rtlr. Gomperz besaß ein Wohnhaus am Zeughaus 1 im Werte von 50 000 Rtlr. Als er am 9. März 1851 starb, hinterließ er das stattliche Vermögen von 400000 Talern. In seinem Testament bestimmte er, daß Napoleons Becher und Feldgeschirr, die sich beglaubigt durch ein Schreiben des Generals Hiller von Caertringen in Gomperz* Besitz befanden, in einem Futteral, zusammen mit dem Betrage von 200 Talern dem Kommandanten des Kgl. Invalidenhauses ausgehändigt werden „mit dem Ersuchen, für die Zinsen jährlich am Tage des Einrückens der preußischen Truppen 1815 in Paris Wein anzuschaffen und auf die Gesundheit und das Glück der preußischen Armee vom Chef des Invalidenhauses mit Zuziehung der ihm gutdünkenden Invaliden zu verzehren". So suchte de# letzte Gomperz die Geschichte der Beziehungen seiner Familie zum preußischen Staate und besonders zur preußischen Armee, als deren Heereslieferanten sie groß

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geworden, und Millionen verdient hatten, durch ein patriotisches Vermächtnis zu beschließen. Die Geschichte der Familie Gomperz bietet keineswegs das Bild einträchtiger Familienpolitik. Mehr als einmal berichten die Akten von häßlichen Familienstreitigkeiten, in denen auch die preußischen Amtsstellen bemüht werden. Nicht zum preußischen Zweig, sondern zur Metzer Linie gehörte jener L e o n G o m p e r z , der sich 1782 taufen ließ und 1784 K a n z l e i - I n s p e k t i o n s a s s i s t e n t in Marienwerder wurde. 1808 amtierte er als französischer Vizekonsul in Danzig und arbeitete begeistert für Loge und Freimaurertum; er starb 1815 in Elbing. Wenn die Hoffaktorenfamilie Gomperz sich in Preußen unter sechs Herrschern in fünf Generationen zu behaupten vermochte, so ist dies besonders zwei Umständen zuzuschreiben. Einmal verstanden es die Gomperz sehr geschickt, sich den jeweiligen Verhältnissen anzupassen und die allgemeine Zeitlage zu nutzen. Die kühne Außenpolitik des Großen Kurfürsten kam ihnen als Kriegs- und Heereslieferanten zustatten. Unter dem prachtliebenden ersten Preußenkönig lieferten sie Juwelen, dem Soldatenkönig boten sie „lange Kerls" an, und unter Friedrich dem Großen stellten sie sich rechtzeitig auf das Münzgeschäft um. Ihre Beziehungen zum Landesherrn haben die Gomperz stets für ihre Familienpolitik genutzt. Immer wieder stoßen wir in den Akten auf die zahlreichen Empfehlungsbriefe, die zugunsten dieser Hoffaktoren und ihrer Verwandten an auswärtige Fürsten und die eigenen diplomatischen Vertretungen geschrieben wurden. So wandte sich zum Beispiel am 20. Juni 1735 sogar eine gewisse Rosa Worms in Livorno an den König von Preußen mit der Bitte, zu ihren Gunsten in eine Erbschaftsangelegenheit einzugreifen. Sie begründete ihr Gesuch mit dem Hinweis, daß sie aus der Familie des Hofjuden Jakob Gumperz in Wesel stamme. Ihr Vater war Gumprecht Worms gewesen; sie selbst habe einen Juden Michels geheiratet. Sie sei „geborene Untertanin des preußischen Königs"; zudem wohne ihr Halbbruder Moses Ulff in Berlin. Ihres Vaters Bruder sei in Livorno gestorben. Jetzt mache ihr ein anderer Bruder ihres Vaters das Erbe streitig. Tatsächlich erging am 20. August 1735 die Weisung an den Residenten in Wien, bei dem dortigen florentinischen Gesandten zugunsten der Rosa Worms zu intervenieren, und am 14. März 1736 berichtet der Wiener Vertreter Preußens nach Berlin, daß er den Wunsch des Königs erfüllt habe. Im Jahre 1740 wandte sich Salomon Jakob Gomperz, Jakob Gomperz* Sohn, an den König und bat um Hilfe; er lieferte Juwelen an den kurpfälzischen Hof und war auf der Reise in Bingen auf Veranlassung holländischer Kreditoren wegen Wechselschulden verhaftet und nach Mainz gebracht worden.

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Salomon Jakob hatte wiederum von dem Mannheimer Hofagenten Meyer Levi 53 000 Gulden zu fordern; dieser hatte jedoch ein Moratorium beantragt, worauf Salomon Jakob Gomperz zahlungsunfähig wurde. Die Klevieche Regierung war bereits mehrere Mede bei der erzbischöflich-kurfürstlichen Regierung in Mainz vorstellig geworden, doch ohne Erfolg. Daher lehnte der König weitere Schritte zugunsten des Hoffaktorensohnes ab 27 . Dann haben es die Gomperz verstanden, sich an verschiedenen Orten zugleich eine einflufireiche Stellung aufzubauen; sie saßen nicht allein in Emmerich, Kleve, Wesel und Berlin, sondern standen durch verwandtschaftliche Beziehungen wie kaum eine zweite Hoffaktorenfamilie in Deutschland mit allen wichtigen Zentren in Geschäftebeziehungen. Einige Beispiele mögen dies erhärten. In Breslau besaßen etwa seit 1684 die Hirschel als kaiserliche Münzlieferanten eine einflußreiche Stellung. Lazarus Hirscheis Sohn Philipp hatte eine Tochter von Ruben Elias Gomperz geheiratet, und Moses Levin Gomperz* Tochter Judith wiederum wurde die Frau von Philipp Lazarus Hirscheis Sohn Elias. Die Hirscheis waren wiederum verwandt mit dem Polnischen Residenten Behrend Lehmann in Halberstadt. Außerdem hatte sich auch ein Gomperz, nämlich Baruch Bendix, in Breslau niedergelassen und war der erste Landesrahbiner von Schlesien geworden. Er begrüßte am 7. November 1741 Friedrich den Großen mit einem „hebräischen Jubelgesang", offenbar, um den König günstig zu stimmen für das wenige Tage vorher eingereichte Gesuch, ihn als Rabbiner zu bestätigen. Er mußte jedoch bis 1744 mit seiner rechtlichen Anerkennung als Landesrabbiner warten. Elias Ruben Gomperz, der Sohn des ersten jüdischen Oberrezeptors Ruben Elias Gomperz, erhielt am 24. Juni 1719 einen Schutzbrief für Magdeburg, doch die Magdeburger waren stark judenfeindlich eingestellt, und so wurde der Schutzbrief 1727 wieder aufgehoben. Darauf wanderte dieser unstete Gomperz nach Anhalt und wurde schon am 15. März 1728 Oberhoffaktor des Fürsten Leopold von Anhalt-Cöthen unter der Bedingung, ein Haus im Werte von 1000 Talern zu bauen oder zu kaufen. Da der Fürst jedoch noch im gleichen Jahre starb, die Stadt ihm Schwierigkeiten bereitete, wanderte der Hoffaktor nach Halle, wo er am 12. August 1737 ermordet wurde. Sein Sohn Mordechai ließ sich in Hildesheim nieder. Benedikt Gomperz aus der Nymwegener Linie diente dem Grafen von LippeDetmold; sein Sohn Philipp Benedikt Gomperz war Generalentrepreneur der französischen Truppen im Siebenjährigen Kriege. Auch mit der mächtigen Hoffaktorenfamilie Behrens in Hannover waren die Gomperz verwandt; denn die Tochter von Ruben Elias Gomperz hatte den Sohn von Leffmann Behrens namens Jakob ge-

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heiratet. Ihre beiden Söhne werden uns- noch als einflufireiche Hofjuden in Hannover begegnen. Durch verwandtschaftliche Beziehungen waren die Gomperz audi mit den Familien Oppenheim in Hannover, Hildesheim und Wien und David in Hannover und Braunschweig verbunden. Selbst mit dem mehr für sich stehenden Hoffaktorenkreis der geistlichen Reichsfürsten hatten die Gomperz Beziehungen. Geschäftlich standen sie mit der Hoffaktorenfamilie Jonas Meyer in Dresden in Verbindung. Schließlich, sei schon hier bemerkt, daß audi der bekannte Schriftsteller Ludwig Börne — Löb Baruch vor der Taufe — ein Nachkomme der Familie Gomperz ist28. Von dieser vielseitigen Tätigkeit der Familie Gomperz begeistert, hat der Buchkritiker Nathan im Jahre 1907, also zu einer Zeit, da die Glaubensgenossen der Gomperz auf allen Gebieten eine führende Stellung errungen hatten, geschrieben: „Der junge preußische Staat ist gar nicht denkbar ohne die Unterstützung, die seinen Herrschern von den Gomperz zuteil wird"2®. Nathans Begeisterung ist verständlich, wenn man die Geschichte der Gomperz als Familiengeschichte betrachtet, schießt aber weit über das Ziel hinaus^ wenn die Tätigkeit der Gomperz als Hoffaktoren im Rahmen der Entwicklungsgeschichte Preußens gewertet wird. Der preußische Staat ist in erster Linie von den drei großen Hohenzollern und durch die Leistungen der Bewohner an Gut und Blut geschaffen worden. Daran haben die Gomperz als Hoffaktoren der Hohenzollern ihren Anteil in dem Sinne, daß sie durch ihre finanziellen Beihilfen und als Heereslieferanten den Ausbau des absoluten Staates gefördert haben. Sie bilden einen Baustein in dem vielgestaltigen Gefüge des fürstlichen Absolutismus» aber auch nicht mehr. Die Steuerleistungen der Einwohner blieben entscheidend für die preußische Finanzwirtschaft und Staatsverwaltung. Allein die Akzise, die aus mehreren Steuern bestand, und zum Beispiel in Berlin eine Getränke-, Mahl- und Schlachtsteuer umfaßte, erbrachte nach Schmoller im Jahre 1705 den hohen Satz von 66°/o aller Einnahmen. Brandenburg hatte schon 1688 einen Millionenetat für sein Heerwesen, 1713 betrugen die Heeresausgaben 1,8 Millionen, 1740 bereits 5 Millionen und 1786 rund 12,26 Millionen Taler; der gesamte Ausgabe-Etat 1805 verschlang 28 Millionen Taler. Angesichts dieser Millionen fallen die von den Gomperz gelieferten Summen, so hoch sie auch absolut genommen erscheinen mögen, für die Existenz des Staates nicht entscheidend ins Gewicht. Der brandenburgischpreußische Staat befand sich zu keiner Zeit in einer solchen Krise, daß er auf die Finanzhilfen der Gomperz angewiesen gewesen wäre, wie dies etwa in Österreich unter Wertheimer und Oppenheimer der Fall war. Dafür war die Finanzverwaltung in Preußen, im ganzen gesehen, viel zu solide und gesund. Es ist also keineswegs zutreffend,

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dell der junge preußische Staat ohne die Unterstützung der Gomperz nicht denkbar wäre. D i e Hoffaktoren der Familie Gomperz selber wurden schnell reich, verdienten Millionen, wandten sich zum Teil, wie die meisten Hof juden, vom mosaischen Glauben ab und stiegen in den Adel auf, in jene Schichten, die im Zeitalter des Hochkapitalistmus und des Liberalismus Besitz und Bildung verkörperten. Die Familie verbreitete sich über Deutschland, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten von Amerika 80. Mitglieder der Familie Gomperz als preußische Hoffaktoren* 1 1. G e n e r a t i o n : a) E l i a s G o m p e r z (gest. 1689) in Emmerich; Kriegslieferant des Großen Kurfürsten; sein Bruder b) L e i m a n n G o m p e r z (gest. 1711) in Wesel und Lippstadt; Kriegsfaktor des Großen Kurfürsten 2. G e n e r a t i o n : a ) L ö b G o m p e r z i n Kleve (gest. 1728); Neffe von la; Hof- und Heereslieferant unter Friedrich Wilhelm I, b) J a k o b G o m p e r z in Kleve (gest. 1743); Sohn von l a ; Hofund Heereslieferant unter Friedrich Wilhelm I. c) S a l o m o n G o m p e r z , Sohn von l a ; Hof- und Heereslieferant unter Friedrich Wilhelm I. d) R u b e n E l i a s G o m p e r z (gest. 1705); Sohn von l a ; Oberrezeptor unter Friedrich I. 3. G e n e r a t i o n : a) M o s e s L e v i n G o m p e r z (gest. 1765); Sohn von 2a; Oberhof- und Kriegsfaktor Friedrich Wilhelms I. b) E l i a s G o m p e r z , Sohn von 2b; Oberhof- und Kriegsfaktor Friedrich Wilhelms 1. c) B e n e d i k t R u b e n G o m p e r z , Sohn von 2d; Hofmünzer und Landrabbiner von Schlesien 4. G e n e r a t i o n : a) H e r z M o s e s G o m p e r z (gest. 1760); Sohn von 3a; Münzen^ trepreneur Friedrichs des Großen b) K l a r a G o m p e r z , Witwe von 4 a; Münzunternehmerin 5. G e n e r a t i o n : a) R u b e n S a m u e l G o m p e r z (gest. 1851); Enkel von 3c; Bankier und Börsenvorsteher in Berlin. Gutachter der Regierung b) L e o n G o m p e r z (gest. 1815); Metzer Linie, getauft; preußischer Beamter 1784, 1808 französischer Vizekonsul in Danzig K o s m a n n G o m p e r z , 1755 Münzentrepreneur in Kleve

Bérend Levi

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Berend L e v i «Befehlshaber und Vorgänger" der Juden Die Gomperz waren zur Zeit des Großen Kurfürsten nicht die einzige in den westlichen Landesteilen begünstigte jüdische Familie. In Berlin mufiten sie ihre Gunst mit der Liebmann-Gruppe teilen, im Westen war B e r e n d L e v i ihr Rivale1. Berend oder Bär Levi aus Bonn, daher Berend Bonn, nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Warendorf auch Bär Warendorf genannt, gehört zu jenen zahlreichen Agenten, die während des Dreißigjährigen Krieges sich ein Vermögen als Kriegslieferant erwarben. Ehe meisten Hoffaktoren, die uns im 17. Jahrhundert begegnen, haben ihren Reichtum in jenem Kriege begründet. Berend Levi war Bankier und Münzentrepreneur, finanzeller Berater und diplomatischer Unterhändler; er zeigt in seiner Laufbahn die für Hoffaktoren typische Geschäftigkeit. Er war schon unter dem Kurfürsten Georg Wilhelm (1618—1640) hervorgetreten, während dessen Regierungszeit er zur Liquidierung einer auf dem Lande lastenden holländischen Schuld eine Anleihe vermittelte. Dafür ließ sich Berend Levi das Richteramt von Schermbeck verpfänden 2. Im Jahre 1641 machte er dem Klevischen Ständetage Vorschläge zur Abwälzung einer schweren Kontribution; auch feindliche Truppenzüge hatte er verschiedentlich von dem Herzogtum Kleve abgewehrt. Als die kaiserlichen Kontributionsgelder, die vom Kriege her auf der Grafschaft Mark lasteten, aufgehoben werden sollten, machte er dem Großen Kurfürsten Vorschläge über Mittel und Wege, wie er daraus noch Kapital ziehen könnte. Für die Installierung der preußischen Gesandtschaften in Münster und Osnabrück streckten Berend Levi und sein Sohn die notwendigen Summen vor, und beim preußischen Gesandten in Münster ging der Hoffaktor ein und aus. Der Geh, Rat Graf Johann von Wittgenstein war sein Gönner; er stellte ihm Empfehlungsschreiben aus, so an Konrad von Burgsdorff am 11. März 1647s. Auch mit den Bischöfen von Münster und Paderborn stand er in geschäftlichen Beziehungen; und die Landstände von Hessen-Kassel waren seine Schuldner4. Am 3. Dezember 1647 erhielt Berend Levi vom Großen Kurfürsten das Geleit für Herford mit der Befugnis, von den fremden, dort übernachtenden, also unvergleiteten Juden alle 24 Stunden zwei Groschen einzuziehen und darüber alle drei Monate der kurfürstlichen Kammer Rechnung zu legen. Damit war Berend Levi zum staatlichen Judenkommissar bestallt worden. Doch er sollte noch höher steigen; sein Plan war es schon lange, als staatlicher Agent alle Juden imfiskalischen Interesse zu beherrschen, und durch Patent vom 7. Februar 1650 wurde Levi „Befehle 7

Schnee, Hoffinanz I

m

B e n d Levi

haber und Vorgänger" aller vergleiteteh Juden in den westlich der Elbe gelegenen brandenburgischen Landen5. Für die Geschichte der Hoffaktoren stellt dieses Patent eine sehr bedeutende Urkunde dar. In ihr wird allen Statthaltern und sonstigen kurfürstlichen Beamten befohlen, Berend Levi bei seinen Amtspflichten Hilfe zu leisten; die Juden aber Werden ermahnt, ihn als ihren „Vorgänger", das heißt Vorsteher, anzuerkennen. Streitigkeiten, unter den Juden sind an den „Befehlshaber" zu verweisen und durch einen Rabbiner zu entscheiden. Zum Rabbiner in Kleve wird der in Wesel ansässige David Jacob bestellt. Wer sich dessen Entscheidung nicht fügt, verfällt einer Buße von zehn Goldgulden und dem vom Rabbiner zu verhängenden Judenbanne, bis er seine Strafgelder bezahlt hat. Zwecks Aufstellung eines ordentlichen Registers haben sämtliche Juden innerhalb von vierzehn Tagen eine Abschrift ihrer Geleitbriefe einzuschicken. Bèrend Levi erhält dann die wichtige Vollmacht, Juden in den kurfürstlichen Schutz aufzunehmen, den Ort ihrer Niederlassung und die Höhe ihrer Abgaben zu bestimmen. Außerdem hat er selbst, sein Sohn öder ein von ihm Bevollmächtigter den jährlichen Judentribut einzutreiben und an die kurfürstliche Hofkammer zu überweisen. Das Schutzgeld seiner Glaubensgenossen darf der Hoffaktor je nach Vermögen und Wohnort regulieren. Für die Niederlassung eines Sohnes oder einer Tochter und bei Todesfällen sollen die Juden ihrem Befehlshaber einen Goldgulden abliefern, im Falle der Ausfuhr einer Erbschaft aus dem Lande sich mit ihm über die zu zahlende Gebühr verständigem Wer Lombard-Handel trieb, hatte außer dem Schutzgelde noch eine besondere Abgabe zu entrichten; für den Befehlshaber persönlich bestimmt war offenbar die Zahlung eines Goldguldens von jeder Synagoge. Handelten die Juden mit „Raritäten", dann sollten sie dem Kurfürsten den Vorkauf lassen. Mit diesem Patent, das mehrfach erneuert wurde, sicherte sich Levi eine Machtstellung im Westen, wie später Israel Aaron über die Juden in Berlin. Seinen eigenen Vorteil hatte der Befehlshaber nicht vergessen. Berend Levi, sein Sohn und die sonstigen, von ihm bevollmächtigten Personen erhielten das Niederlassungsrecht an allen Orten und Zollfreiheit für sich, ihre Diener, Pferde und Wagen. Ein ziemlich gleichlautendes Patent erhielt am 1. Oktober 1651 für das Bistum Münster N i n i L e v i zu Warendorf, der zweifellos ein Bruder Berends war*. Wahrscheinlich hat Berend Levi seinem Bruder dieses Privileg verschafft, um die Machtstellung seiner Familie im Westen des Reiches weiter auszubauen. Wir wissen, daß er sich persönlich im Jahre 1650 im Stifte Münster aufhielt. Vorsteher der Judenschaft dee Bistums Paderborn war S a l o m o n L e v i , Berends Bruder, der am 12. Februar 1651 Berend Levi auch

Berend Levi

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„zum Vorsteher, zum Hauptmann und zum Herrn" der Paderborner Judenschaft berief und ihm beim Bischof ein Patent erwirkte, das zwar nicht mehr erhalten, dem brandenburgischen Patent aber nicht unähnlich gewesen sein kann; denn es heifit von ihm, daß „von Ihrer fürstlichen Gnaden mehrerer Gewalt über die Judenschaft in seinem Bestallungsbrief gegeben, als anderen Vorgängern zuvor aufgeteilet". Drei Jahre danach jedoch sagten sich die Paderborner Juden von ihrem „Hauptmann" Berend Levi wieder los, weil er nicht „traktabel und bescheiden, wie einem Vorgänger gebühret, fondera vielmehr tyrannisch und ungehalten sich erweist". Auch hat$e er judenschaftliche Gelder veruntreut, ^ Berend Levi wollte zweifellos die Geldinteressen des Staates fördern in dem Bewußtsein, damit auch seinem eigenen Nutzen zu dienen. Er war ein „Schtadlan, dem Kurfürsten Geld einzubringen"; das brachte auch ihm Geld ein. Aus seiner Stellung zog er ja bereits wirtschaftliche Vorteile. Gleich nach seiner Bestallung erfolgte durch Reskript vom 12. Februar 1650 die Festsetzung der Besoldung; der Befehlshaber und Vorgänger sollte für „seine Bemühung nicht allein dasjenige Schutzgeld, so sein Schwiegervater zu Emmerich, Isaak Jakobs, sondern auch die Juden zu Herford jährlich angeben müssen, so lang er zu unseren Diensten ist, haben und genießen". Am 20. August 1650 ward Berend Levi anbefohlen, von den Juden, die in Soest und Hamm vergleitet waren, den gewöhnlichen Tribut abzufordern, „über das auch zu Manutenirung Sr. Krf. Durchl. Rechtens noch einen Juden an jeden zu setzen". Den 31. Januar 1652 erging an den Vorgänger der Befehl, alle Juden auf dem nächsten 7. Februar erscheinen zu lassen, die Schutzgelder schleunigst einzutreiben und zum bestimmten Termin unfehlbar abzuliefern. Auch von sich aus kam Berend Levi mit Projekten. So unterbreitete er dem Großen Kurfürsten einen Plan zur Steigerung der Ausfuhr der Produkte des märkischen Alaun- und Vitriolwerkes und bat um Ansiedlung zweier Juden in Lippstadt, die er für seine Zwecke verwenden wollte7. Die Herrschaft des „Oberbefehlshabers" Berend Levi dauerte jedoch nicht allzu lange. Unter der Führung der uns bekannten Familie Gomperz, die ihre Machtstellung im Westen durch den Oberbefehlshaber bedroht fühlte, setzte bald ein scharfer Kampf der Kleves Märkischen Judenschaft gegen den Fremdling ein. Berend Levi vertrat in diesem Machtkampf die Interessen des absoluten Staates, die Gomperz dagegen führten die Sache der Stände. Auf seiten Levis stand der Geh. Rat Otto von Schwerin, die Gomperz wurden unterstützt von den Ständen und ihrem Statthalter Johann Moritz von Nassau. Auch die Stadt Wesel beschwerte sich über Berend Levi, weil er ihre 7*

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Juden zu einer Zusammenkunft nach. Emmerich berufen hatte. In diesem Kampf blieb die Familie Gomperz Sieger. Gegen Zahlung von 1200 Rtlr. wurde am 16. September 1652 die Berend Levi erteilte Kommission über die Kleve-Märkische Judenschaft aufgehoben; nur die Inspektion über die Juden von Halberstadt, Minden und Ravensberg verblieb ihm, olfenbar bis zu seinem Tode. Bis zu seinem Lebensende dauerten auch die Streitigkeiten mit seinen Glaubensgenossen, und die Regierung mußte mehrfach zugunsten des Vorgängers eingreifen. Ein Reskript an die Mindener Regierung vom 4. Oktober 1652 bedrohte Levis Verleumder mit Strafe. Am 24. Februar des nächsten Jahres beklagte sich Berend Levi, daß die klevischen Juden zwei Mindener Juden „aus Frevel und altem wider mich gefaßten Neid" aufgewiegelt und angetrieben hätten, ihn beim Kurfürsten in Ungnade zu bringen, nur weil er amtshalber und gemäß seinen Instruktionen auf ihre Aktionen ein wachsames Auge gehabt und ihnen in Wahrnehmung der kurfürstlichen Interessen genau auf die Finger gesehen habe. Deshalb stellten sie ihm auf alle Weise geheim und öffentlich nach, um ihn ins Garn zu jagen. Levi bat den Kurfürsten, seine Feinde nicht ohne seinen Gegenbericht anzuhören. Darauf erging schon am 21. März ein Reskript an die Regierung von Kleve, Mark, Minden und Halberstadt, das alle Umtriebe „wider Dero ausgelassene Patente und in Schutz angenommenen Diener Berend Levi" verbot. Den Regierungen wurde anbefohlen, die in diesen Ländern wohnenden Juden vorzuladen, ihnen ihren begangenen Frevel vorzuhalten und jeden zu befragen, ob er von der Verschwörung gewußt habe. Bei Verlust ihrer Habe und bei Leibund Lebensstrafe wurde allen Juden anbefohlen, „daß sie obernannten Berend Levi samt den Seinigen bei demjenigen, was Sr. Kurf. Durchlaucht ihm gndst. gegeben und aufgetragen, ruhig und unperturbiret lassen und dieselbe weder heimlich noch öffentlich zu kränken oder zu beleidigen". Auch als Münzentrepreneur wurde Levi von dem Kurfürsten geschützt. Da er kleine Münzsorten in zu großen Mengen herstellen ließ, wurde er in Hilft gesetzt und ihm von den Ständen der Prozeß gemacht. Er mußte all sein Hab und Gut und in specie sein Haus zu Breisenbruck verpfänden, sein in Minden wohnender Sohn Abraham außerdem Bürgschaft leisten. Als der Hofmünzer darauf noch nicht freigelassen wurde, protestierte er am 22. Juni 1657 gegen seine weitere Gefangenhaltung. Der Kurfürst befahl nun am 16. August, Levi zu entlassen, da er genügend Bürgschaft geleistet habe. Die Stände waren mit Recht gegen den Münzentrepreneur eingestellt, da er die Bevölkerung mit seinen Scheidemünzen schwer schädigte. Ein

Kleinere Höffaktoren

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von der juristischen Fakultät in Rinteln angefordertes Gutachten hatte außerdem geraten, gegen Levi schärfer zu prozessieren, wenn es „seine Schwachheit zuließe und ihn in eine leidliche custodi bringen". Der Kurfürst stand jedoch auf Seiten seines Hoffaktors; schon am 19. Juli hatte er Levis Freilassung befohlen; damals hatten die Stände getrotzt, das zweitemal wagte man das nicht. Am 12. September 1657 wurde das Patent für Berend Levi erneuert und befohlen, ihn zu schützen und bei der Eintreibung der Schutzgelder mit der Exekution zu unterstützen- Ein erneutes Protektorium für Levi ward am 25. Mai 1658 ausgestellt. Die Streitigkeiten mit seinen Glaubensgenossen hörten trotzdem nicht auf. Der Vorgänger verbot schließlich seinen Gegnern den Besuch der Synagoge, die sich in seinem Mindener Hause befand. Selbst das Kammergericht in Berlin mußte sich mit dem Streitfall befassen. In den sechziger Jahren erscheint zum letztenmal der Name Berend Levi, als Marcus Spanier im Jahre 1666 bat, seinen Schwiegersohn Baruch Wulff an Stelle des verstorbenen Berend Levi aufzunehmen. Arn 5. Dezember 1667 erfolgte auch die Genehmigung; dann stellte es sich aber heraus, daß Levis Sohn Jakob die Stelle schon besaß. Baruch Wulff blieb trotzdem in Minden8. Levis Versuch, eine umfassende einheitliche Organisation der unter den Hohenzollern lebenden Juden zu schaffen und sich zu ihrem absoluten Herrscher aufzuschwingen, war gescheitert. Für einen kurzen Zeitraum jedoch besaß Berend Levi mit seinen Brüdern in den westlichen Landen der Mark und in den Bistümern Münster und Paderborn eine fast diktatorische Stellung über die Juden dieser Gebiete. Das Streben der Fürsteu dieser Zeit, den Eigenwillen der Stände zu brechen und die gesamte Macht in ihrer Hand zu vereinigen, spiegelt sich auch in der Geschichte des „Oberbefehlshabers und Vorgängers" Berend Levi wider. Er war noch absolutistischer als der Fiskus und, wie fast alle Hoffaktoren, rücksichtslos in der Vertretung seiner Interessen, dazu, wie der Hof juwelier Liebmann, eitel und selbstbewußt, stets darauf bedacht, sich die fürstliche Gunst zu erhalten, und besorgt um die eigene Sicherheit9.

Kleinere Hoffaktoren unter den Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich ΠΙ·, Neben den bisher genannten Hoffaktoren gibt es noch eine Gruppe von Juden, die uijter den Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich HI. für kurze Zeit in Hofdiensten erscheinen, aber im allgemeinen von geringerer Bedeutung sind. Einzelne von ihnen versuchen zwar,

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in Berlin Fuß zu fassen, werden aber doch, bald von den mächtigen Familien Aaron-Liebmann und Gomperz verdrängt. Als Miinzentrepreneurs erscheinen unter dem Großen Kurfürsten A b r a h a m S a c h s e aus Grofi-Glogau, der am 16.Februar 1664 freies Geleit erhält zum Einkauf von Silber für die kurfürstliche Münze, und die Halberstädter Juwelenhändler D a v i d S a m u e l und D a v i d W u l f f e n , die 1675 als Silberlieferanten für Magdeburg und Halberstadt ein Handelsprivileg erhielten1. B e r e n d W u l f f aus Wilna, der zeitweilig sich in Minden niedergelasisen hatte und daher auch Baruch Minden genannt wird, war mindestens seit 1Ô75 Hoffaktor. Schon als Mindener Schutzjude genoß er die Gunst des Hofes. Da er einen ausgedehnten Seidenhandel betrieb, fühlten sich die eingesessenen Kaufleute geschädigt, und das Krameramt ging gegen den Hoffaktor vor. In Abwesenheit Berend Wulffs wurde seine Frau aufs Krameramt geladen, und da sie nicht erschien, ließ dieses einen Teil der Waren beschlagnahmen. Als sich die Hoffaktorin beschwerte, erging am 23. Dezember 1673 an die Mindener Regierung die Verfügung, daß das Krameramt die gepfändeten Sachen zurückgeben müsse. Außerdem behielt sich der Kurfürst die Bestrafung noch vor, nachdem er bereits am 19. Dezember dem Krameramt befohlen hatte, „bei Poen 100 Dukaten sofort und noch vor Ausgang morgenden Tages klagender Jüdin die abgenommenen Mobilien zu restituiren". Seine Stellung hatte Wulff in Minden auch dadurch gefestigt, daß er Schwiegersohn des Marcus Spanier wurde. Die Familie Spanier, die in Minden, Herford, Bielefeld und Bückeburg ansässig war, gehörte selbst zu den Hoffaktorenfamilien in Westdeutschland. Wir werden ihr noch in unserer weiteren Darstellung begegnen. Am 8. August 1675 erhielt Wulff als Mindischer Geleit jude einen Geleitbrief für Berlin, um die „Lieferung allerhand Sachen bei Hofe zu tun". Er sollte, „um einen billigen Preis und ohn alle Übersetzung allerhand Victualien und was von ihm begehret werden möchte, auf Reisen und zu Dero Hofhalt liefern und desfalls von Dero Oberhofmarschall dependieren". Berend Wulff wurde also Η ο f l i e f e r a n t . Am 5. August 1677 ward dem „ H o f - u n d p r i v i l e g i e r t e n Juden" Berend Wulff das Privileg für zwei Jahre verlängert; es galt auch für seine Kinder; seine Schwiegersöhne waren Ruben Fürst und Michael Abraham, der später Hofpetschierstecher wurde. Doch konnte sich Wulff in Berlin nicht halten; 1686 zog er nach Halberstadt und wurde Hoffaktor der Herzogin Erdmuthe Dorothea von SachsenMerseburg. Als dann durch Salomon Israel die jüdische Gemeinde in Halle begründet wurde, zog auch Berend Wulff dorthin; und am 24. Februar 1692 erhielt er das Geleit für Halle. Bald hatte er Streit

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mit Jost Liebmanns Sohn Abraham, dessen Autorität als Rabbiner er nicht anerkennen wollte, war doch, die Liebmann-Gruppe die Todfeindin der Wulffs. Ein Reskript vom 27. Januar 1694 verfügte jedoch auf Bitten des Berliner Hoffaktors, daß Wulff „in allen Stücken bemelten Abraham Liebmann vor seinen Rabbi erkennen.,. und zu seiner Besoldung sein Kontingent unweigerlich abtragen solle". Als sich im nächsten Jahre Wulff in Halle ein Haus kaufte, wurde durch Verfügung vom 6. August der Kontrakt annulliert, und der Hoffaktor mußte das erworbene Buchhammersche Haus wieder verkaufen. Am 29. Oktober 1701 verwandte sich die Herzogin in einem Gesuch an den König zugunsten ihres Hoffaktors und erbat für ihn die Exemption von der Jurisdiktion des Magistrats und der Berggerichte zu Halle. Später zog Wulff wiederum nach Berlin, wo er 1706 starb. Sein Neffe und Schwiegersohn M o s e s B e n j a m i n W u l f f , gleichzeitig preußischer Hoffaktor, fand sein wichtigstes Tätigkeitsfeld in Dessau als Fürstlich Anhaltischer Hoffaktor, wo er uns noch begegnen wird. Am 11. November 1699 erhielt er eine Konzession für Halle; auch in Berlin faßte er wieder Fuß8. J e r e m i a s H e r z kam aus Hamburg nach Berlin; er erhielt am 9. April 1674 einen Schutzbrief für die kurfürstliche Residenz, und 1679 wurde er Hoffaktor. Bei der Belagerung von Stettin betätigte er sich als H e e r e s l i e f e r a n t 3 . Schon vor ihm, am 12.August 1663, hatte J e r e m i a s F ü r s t , portugiesischer Jude aus Hamburg, einen Paß erhalten mit dem Recht, in Pommern mit Juwelen zu handeln. G e r d L e v i , gleichfalls aus Hamburg, erhielt am 8. Mai 1682 die Konzession, ungehindert durch die Lande zu reisen und aller Orten, außer in der Mark Brandenburg, nebst einem ihn begleitenden Juden mit Juwelen und dergleichen zu handeln. Dieser Gerd Levi dürfte die gleiche Person sein,'die dann als kursächsischer Hof münzer eine Rolle spielte. Der Große Kurfürst war bestrebt, gerade Hamburger Juden nach Preußen zu'ziehen, da sie als reich galten. Sein Marineminister Raule machte auch den Versuch, die beiden aus Portugal stammenden Hamburger Juden T e x e i r a und dessen Schwager N u n e s d * A c o s t a für die Finanzierung der astindischen Kompagnie zu gewinnen. Die Akten berichten nichts über die weitere Entwicklung der Angelegen* heit. Den Tabakhandel in der Alt-, Mittel- und Uckermark, in der Priegnitz und der Grafschaft Ruppin hatten seit dem Privilegium vom 18. Mai 1676 die beiden Juden H a r t w i g D a n i e l und D a v i d N-a-t'h a η in den Händen. Sie erhielten für zwölf Jahre das alleinige Recht, Tabak zu pflanzen, zu spinnen und zu verkaufen; ausgenommen blieben die Residenzen Berlin, Cölln und Friedrichswerder und

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die Neumark, die ihren Tabak frei beziehen durften. Das Privileg brachte den Tabakhändlern hohe Gewinne ein; denn der Verbrauch wurde auf 100 000 Taler geschätzt. Doch ïnuAte 1681 die Konzession aufgehoben werden, weil die Pächter ihren Verpflichtungen nicht nachkamen4. Als H o f - o d e r H e e r e s l i e f e r a n t e n werden ferner noch unter dem Großen Kurfürsten genannt I s a a k V e i t , der Pferde für den Marecball liefert, J a k o b J o s e p h , der Viktualien für die Armee besorgt, und M o s e s B o n a v e n t u r a , zugleich kursächsischer Hof jude und Judenrichter in Prag, der am 10. September 1679 dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm zwei türkische Pferde liefert 5. Jakob Joseph war später auch als Münzentrepreneur tätig·. Zu politischen Missionen wurde S a l o m o n F r ä n k e l herangezogen; er sollte 1679 beim spanischen Botschafter in Wien die Subsidiengelder erhandeln. Niemand durfte etwas von diesen Verhandlungen erfahren. Es werden gewaltige Summen genannt, die Salomon Fränkel, der hier als politischer Agent im Auftrage des Großen Kurfürsten verhandelt, offenbar herausschlagen soll; 300 bis 150 000 Taler. Es scheint, daß aus Fränkels „Mission" nichts geworden ist7. Vor diesem Auftrag hatte sich der Große Kurfürst beim Kaiser für seinen Günstling Salomon Fränkel verwandt, als dieser 1678 nach Wien reiste, um dort geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Als Petschierstecher wirkten in Berlin die Brüder Joseph und Michael Abraham. J o s e p h A b r a h a m stach das große kurfürstliche Siegel und das kleine „mit dem orden vom güldenen hosenbande"; für jedes Stück erhielt er 40 Taler. Joseph Abraham nannte sich „vergleiteter und privilegierter Pitschirr- undt Edelgesteinschneider zu Berlin". Er war tatsächlich H o f p e t s c h i e r s t e c h e r . Auch M i c h a e l A b r a h a m hat dem Kurfürsten Friedrich III. zu „Dero größtem Vergnügen Siegel und Petschiere verfertigt" und erhielt daher am 4. Juli 1692 einen Schutzbrief für Berlin. Er war H o f p e t s c h i e r s t e c h e r wie sein Bruder Joseph. Nach dessen Tode 1697 erhielt sein Sohn J o s e p h L e v i A b r a h a m am 3. März 1698 das Prädikat eines H o f p e t s c h i e r s t e c h e r s „mit allen davon dependierenden immuniteten, freyheiten, rechten und gerechtigkeiten". Welchen Wert die Hoffaktoren auf ihren Titel legten, geht aus dem Gesuch Michael Abrahams hervor. Ihm kam es nicht auf ein Gehalt an, „welches er nicht praetendiret", sondern er verlangte nur „einen Schild auszuhanigen"; der Hoftitel sollte zur Hebung seines Geschäfts beitragen8. Ein anderer Abraham erscheint nach den Akten unter Friedrich dem Großen. Am 3. Dezember 1762 wandte sich der Schutzjudè und Medailleur bei der königlichen Münze in Berlin J a k o b A b r a h a m

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mit dem Bittgesuch an den König, ihm die Stelle dee kürzlich verstorbenen Hofpetschierstechers Barbiez zu verleihen· Zur Begründung verwies er auf die Tatsache, daß er bereits als Kgl. Medailleur in Eid und Pflicht -stehe und Medaillen geliefert habe von der Zorndorfer, Iiegnitzer und Torgauer Schlacht, von der Belagerung von Kolberg und dem Frieden mit Rußland. Beigefügt sind seinem Gesuch verschiedene Empfehlungen, so von Neustrelitz und Herzog Friedrich Franz zu Braunschweig und Lüneburg. Am 22. Februar 1763 erfolgt auch die Ernennung Jakob Abrahams zum H o f - M e d a i l l e u r gegen Zahlung einer Taxe von 5 Rtlr. Gleichzeitig wird verfügt, daß sämtliche Siegel der kurmärkischen Kammer und aller ihr unterstellten Kassen n»ur Jokab Abraham anfertigen durfte 9. Dieser Jakob Abraham war 1725 in Strelitz als Sohn eines Hoffaktors geboren und hatte seit seinem 23. Jahre in Lissa in Posen das Gravieren und Steinschneiden gelernt; 1752 war er in Berlin, im folgenden Jahre kam er als Stempelschneider nach Stettin, 1756 nach Königsberg, dann nach Dresden. Seit 1760 war er wieder in Berlin tätig, erst bei der Neuen und seit 1762 bei der Großen Münzen Er starb 1800. Auch seine beiden Söhne A b r a h a m A b r a h a m s o n und H i r s c h A b r a h a m s o n waren als preußische Medailleure tätig, Abraham (1754—1811) in Breslau und Hirsch in Königsberg und Berlin. Abraham Abrahamson wurde außerdem preußischer H o f m e d a i l l e u r und Mitglied der Akademie der Künste; sein Sohn Moses Abrahamson ließ sich 1811 taufen 10. Im Jahre 1675 wird noch ein I s a a k B i o n a l s kurfürstlicher B a l l m e i s t e r genannt und unter Friedrich III. S a l o m o n I s a a k als Hof jude des Bischofs von Kujawien 11 . Unter Kurfürst Friedrich III. erscheint auch die erste jüdische H o f s ä n g e r i n ; es ist B r e n t g e n M a r c u s , die Tochter des Marcus Isaak, der am 28. Juli 1690 ein Schutzpatent erhielt. Brentgen durfte dem Kurfürsten in Wesel vorsingen. Über Marcus Isaak ist weiter nichts bekannt; nur so viel ergibt sich aus den Akten, daß der Vater die Sangeskunst seiner Tochter nutzte, um für sich ein Schutzpatent zu gewinnen. Am 16. Juli 1690 wurde von Wesel aus verfügt, daß Marcus und seine Tochter nach BerKn reisen dürfen, „damit gedachte Brentgen bey Unserer Hochgeliebten Gemahlin mit singen aufwarten und nach derselben Gutfinden sich weiter in der Music üben und perfectionieren, auch Ihre habende ungemeine stimme nach der Kunst und Methode einrichten und employiren lerne". Marcus Isaak und seiner Tochter wurde gestattet, gleich anderen vergleiteten Juden in Berlin zu subsistieren. Am 25. Juli antwortete der Fürst von Anhalt, daß Isaak aùfgenommen sei: „Weil aber E. Ch. D. Gemahlin sich anitzo nicht hier, sondern zu Hannover befinden, so werde Deroeelben Ich, der Statthalter, von

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dieses Juden Tochter Brentgen Marcus, und ihrer ungemeinen Stimme, die Ich selbsten gehöret und admiriret habe, alsoforth nachricht geben, und Dero gnädigsten Befehl erwarten, ob diese Jüdinne sith dorthin begeben oder bis zu Dero Gott gebe! glücklichen Zurückkunfft sich allhier aufhalten solle." Die Akten verraten nicht, ob diese Reise tatsächlich erfolgt ist und die Kurfürstin die jüdische Sängerin weiter ausbilden ließ12.

D i e Familie Jacobson de Jonge Auch im Herzogtum Preußen treten die ersten Hoffaktoren unter der Regierungszeit des Großen Kurfürsten auf. Im Jahre 1664 gestattete der Kurfürst dem holländischen Kommissar Moses J a c o b s o n de J o n g e den dauernden Aufenthalt in Memel trotz des Versprechens, keine Juden in Preußen zu dulden. Durch Reskript vom 12. Juni wurde der „Jude aus Niederland" vom Leibzoll befreit, nachdem auch Bürgermeister und Rat der Stadt das Bittgesuch Jonges unterstützt hatten. Das Privileg wurde 1669, dann 1672 und am 26. Juni 1674, ferner am 20. November 1682 und am 5. November 1685 und wieder am 19. Juni 1697 bis 1710 erneuert. Der Hoffaktor stand unter dem Spezialschutz des Kurfürsten und unter der Jurisdiktion des Hauptmanns von Memel, der er am 13. März 1679 unterworfen wurde. Am 8. Januar 1683 ward Moses Jacobson de Jonge amtlich zum H o f j u d e n ernannt. Sein Sohn hieß J a c o b de J o n g e und war gleichfalls Hof jude, Moses' Enkelin Esther trat bereits zum Christentum über. Moses Jacobson wurde durch seine Geschäfte Memel er Großkaufmann; sein Handel erhöhte in 20 Jahren die Zölle um beträchtliche Summen; so zahlte er der kurfürstlichen Lizentkammer von 1670—1697 an Zoll 50 924% Reichstaler. Während Jonge von 1694 bis 1696 allein an Zoll 5498% Rtlr. zahlte, erbrachten die Memeler Kaufleute zusammen in der gleichen Zeit nur 305624 Rtlr. Kein Wunder, wenn sich die Fürsten um den erfolgreichen Hoffaktor rissen, machte doch der König von Polen den Versuch, Jacobson in sein Land zu ziehen, denn der Memeler Kaufmann trieb einen ausgedehnten Handel nach Polen-Litauen, Livland und Holland. Er monopolisierte nahezu den Handel mit dem lebenswichtigen Salz. Die Memeler Kaufmannschaft war daher Jacobson de Jonge feindlich gesinnt; sie beschuldigte ihn, daß er das Salz erst immer kommen lasse, „wenn er merke, daß keines mehr vorhanden sei, um es dann teurer zu verkaufen. Außerdem stehe er in Verbindung mit den Juden in Kowno, Grodno und Wilna, was gleichfalls der Stadt zum Nachteil gereiche".

Die Familie Jacobson de Jonge

Der Hauptmann von Memel hatte schon am 26. Juli 1670 berichten müssen, daß Jonge die kurfürstliche Gnade mißbrauche. Im nächsten Jahre ließ der Magistrat kurzerhand ein Jacobson gehörendes, mit Salz beladenes Schiff wegnehmen. Darauf erging am 3. April an die preußische Regierung die Verfügung, der Magistrat solle den Juden ohne Hindernisse sein Salz behalten und verhandeln lassen. Dem Magistrat soll sein Unfug verwiesen, oder er soll bestraft werden. Am 7. Oktober kam ein Vergleich zwischen dem Hof juden und der Stadt zustande. Doch schon am 20. Mai 1674 beklagte sich Jacobson erneut über die feindselige Haltung der Stadt Memel. Er werde gezwungen sein, nach einem anderen Platze zu ziehen. Das würde der Stadt nur zum Schaden gereichen; denn seit er in Memel wohne, seien die Zollintraden um 8000—9000 Rtlr. gestiegen. Als Jonge 1682 um Verlängerung seines Privilegiums bat, wie® er darauf hin, daß er in den letzten Jahren allein 20000 Rtlr. Zollgelder bezahlt habe. Zu den Gönnern des Hoffaktors gehörte auch der Gouverneur Graf Dönhoff. Im Streit zwischen den Ständen des Herzogtums, der Stadt Memel und Jacobson de Jonge hat sich der Große Kurfürst sehr energisch auf die Seite seines Hoffaktors gestellt. Unter Friedrich I. kam es 1697 zu einer förmlichen Revolte gegen den Kgl. Hof juden. Da ging Berlin mit hohen Strafen gegen die christlichen Kaufleute vor, vier Rädelsführer wurden mit Festung, der Magistrat mit einem Verweis bestraft Wenn diese Strafen auch nachträglich aufgehoben wurden, so bedeutete doch die Stellungnahme der Berliner Regierung einen Triumph der Familie de Jonge, deren Geschäftspraxis die Beschwerdeschrift der Memeler Kaufleute mit den Worten kennzeichnete: „Es ist Gott und der Allergnädigsten Landeeherrschaft zu klagen, wie die arme Stadt im Handel zur höchsten Unbilligkeit übersetzet, beschweret, unterdrücket, erwuchert und ach! leider! bis aufs Blut von den Juden ausgesogen worden/ Im gleichen Jahr wurde der Schutzbrief des Hoffaktors erneuert. Moses und Jacob de Jonge, Vater und Sohn, wurden nach und nach in ihrem Auftreten immer kühner. Nach einer Bittschrift vom 19. März 1702 wollten die beiden Hoffaktoren keine Steuern wie die anderen Juden zahlen. Daß sie sich vor dem allgemeinen Steuerzahlen zu drücken suchten, beweist das entrüstete Reskript der Regierung in Preußen an den Hauptmann von Memel vom 2. Dezember 1702, nach dem Moses de Jonge, Jacob de Jonge und Wulff Isaak de Jonge ihr Kontingent zu der ausgeschriebenen Summe von 500 Rtlr. noch nicht abgetragen hatten und aufgefordert wurden, sofort 890 fl. zu entrichten. Am 2. Juli 1703 erhielten Moses Jacob und Wulff Isaak de Jonge die Erlaubnis, in und außerhalb der öffentlichen Jahrmärkte mit den

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zu Memel ankommenden fremden Juden Handel frei und ungehindert zu treiben· Daß die Jonge mit den gewährten Privilegien erneut Mißbraucht rieben, zeigt das Reskript vom 30. Mai 1705 an die preußische Regierung in Königsberg. Danach klagten Bürgermeister, Rat, Gericht und Zünfte von Memel, daß die beiden de Jonge, Vater und Sohn, „unter versteckten Namen anstatt zwo Personen wider unsere deutliche exprimierte... Willensmeinung drei Subjecta angegeben und solcher gestalt den Juden Wulff Isaak mit unterschoben hätten. Ob Wir nun zware wegen des hierunter begangenen fürsetzlichen Betrugs wohl befugte Ursach hätten, denen dreien Juden ihren Schutzbrief zu nehmen und sie gar aus dem Lande zu jagen; So wollen Wir dennoch Gnade vor Recht ergehen lassen, jedoch dergestalt, daß ein jeder von ihnen 100 Dukaten Species an Unsern Geheimen Kriegsrat... von Krautt zu Unserer Schatull. allhier sofort einschicken... sollen." Moses und Jacob de Jonge hatten ihren Glaubensgenossen Wulff Isaak mit eingeschmuggelt, ein Verfahren, das von Hoffaktoren stets angewendet wurde, um ihren Verwandten und Bedienten zu Schutzbriefen zu verhelfen. Wulf Isaiak de Jonge, um den es sich hier handelt, war kein Sohn des Moses de Jonge, wie jüdische Forscher glauben, sondern sein Schwiegersohn. Moses de Jonge hatte außer Jacob noch einen Sohn Salomon de Jonge, der 1706 starb. Als Kinder hinterließ dieser Esther de Jonge und Jacob de Jonge Salomon, die also Enkel des alten Hoffaktors Moses de Jonge waren. Doch sind außer Moses und Jacob keine weiteren Mitglieder der Familie Hoffaktoren geworden. Die drei Jonges hatten es mit der Zahlung der Strafgelder keineswegs eilig; denn eine Verfügung vom 17. November entschied, daß es bei der Strafe von 300 Dukaten verbliebe. „Im übrigen wollen wir zwar den beiden Juden Moyses und Jacob de Jonge, Vater und Sohn, wann sie von dato an alljährlich 100 Taler zu Unserer Schatull erlegen, bei dem ihnen allergndt. erteilten Schutzgeld . . . bis an 1710 handhaben, jedoch solchergestalt, daß sie unter keinem Praetext mehrere Juden an sich ziehen." Als des Hoffaktors Enkelin Either de Jonge Christin wurde, mußte de Jonge durch Reskript vom 27. September 1706 befohlen werden, ihr die gleiche Summe auszuzahlen wie ihrer Schwester und ihrem Bruder, nämlich 800 Rtlr. Auch mußte ihr der Großvater alle ihre Kleider und Linnen sowie die gleiche Summe, welche die Hochzeit ihrer Schwester gekostet, bei Strafe militärischer Exekution herausgeben. Nach dem Bericht des Gouverneurs Grafen Dönhoff vom 4. Juni 1707 erklärte er sich jedoch außerstande, seiner Enkelin soviel zu zahlen, war aber bereit, ihr 6000 fl. Polnisch Courant zu geben und diese bis zu ihrer Verheiratung mit 6 °/o zu verzinsen und ihr als Bürgschaft einen Spei-

Die Familie Jacobson de Jonge

eher verschreiben zu lassen. Starb sie jedoch ohne Leibeserben, dann sollte ihre Verlassenschaft ihren Geschwistern zufallen. Der Gouverneur war für dieses Angebot, um den Kredit des Hoffaktors nicht zu schädigen und keinen Konkurs herbeizuführen. Damit war der König jedoch keineswegs einverstanden, und am 19. August erging die Verfügung, daß Moses de Jonge seiner Enkelin „ein vor allemal 3000 Taler oder 9000 Gulden bar oder zum Teil an tüchtigen Obligationen auszahlen" müsse, nicht gerechnet die bereits gezahlten 400 Gulden. Außerdem müsse es Esther de Jonge freistehen, auch wenn sie ohne Leibeserben sterben sollte, über die Hinterlassenschaft zu verfügen, „wann sie es gut finden und wem sie selbige gönnen soll*4. Moses de Jonge war nachdrücklich, wenn nötig, „durch Zwangsmittel anzuhalten und solcher geetalt die Bescheinigung der Auszahlung gebührend zu befordern". Im Jahre 1711 beschwerten sich die Jonges darüber, daß sie von den für die Abschaffung des Judenzeichens zu zahlenden 400 Rtlr. allein s/e, alle übrigen Juden in Preußen — etwa 60 an der Zahl — nur 2/s zahlen sollten. Die Jonges hatten mit ihrer Beschwerde Erfolg; denn am 30. Oktober erging an die preußische Regierung die Verfügung, „eine billigmäßige Proportion" vorzunehmen; denn „Wir können nun nicht finden, wie von diesen Leuten, die ohnedem schon alle Jahr ein ansehnliches und zwar 300 Rtlr. an Schutzgelde allein in Unsere Schatull bezahlen, ein so großes Quantum gefordert werden könne". Der Hoff aktor Moses de Jonge starb 1714. Sein Sohn Jacob de Jonge wurde am 26. Februar 1715 auch vom neuen König Friedrich Wilhelm I. zum Hof juden bestallt. Mit Wirkung vom 2. Mai 1720 erhielten der Hoffaktor Jacob de Jonge, Wulff Isaak de Jonge und Jacob de Jonge Salomon zusammen Schutzbriefe für die nächsten zehn Jahre. Doch bedeutete die Firma de Jonge nicht mehr viel, sie machte zudem Bankerott1. Moses Jacobson de Jonge nimmt unter den Hoffaktoren insofern eine Sonderstellung ein, als er Hof jude wurde, ohne für den „Hof oder Staat" tatsächlich etwas Besonderes zu leisten. Bei ihm ist die Bezeichnung „Hof jude" ein Titel ohne Gehalt und staatliche Funktionen; er wurde Hof jude, weil er durch seinen ausgedehnten Handel und durch seinen großen Warenumsatz die Wirtschaft im Sinne des Merkantalismus förderte und damit die Steuereinnahmen steigerte. Insofern stellt Moses Jacobson de Jonge eine Sonderart unter den Hoffaktoren jener Zeit dar.

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Die Hof juden Friedrich Wilhelms I . Einzelne Hoffaktoren des Soldatenkönigs haben wir bereits kennengelernt; es waren Mitglieder der Familien Gomperz und Liebmann. Außer ihnen gab es noch Hof juden, über deren Tätigkeit wenig bekannt geworden ist. Friedrich Wilhelm 1. war nach seiner charakterlichen Haltung und seiner Weltanschauung den Juden abgeneigt; er stand ihnen im allgemeinen recht kühl gegenüber. Wenn er vereinzelt Juden in Diensten hatte, dann geschah es nur zum Nutzen des Staates. Niemals hören wir unter seiner Regierungszeit etwas von Lieferungen für persönliche Bedürfnisse. Mit der Thronbesteigung dieses einfach lebenden Königs war zunächst die schöne Zeit der Hoffaktoren vorbei. M a r c u s M a g n u s , der Todfeind der Liebmann-Gruppe, war bereits Η ο f j u d e des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der ihn dann auch als König in seinen Diensten behielt, ohne daß wir näheres über seine Tätigkeit erfahren. Wahrscheinlich hat Marcus Magnus seine Stellung dadurch erlangt, daß er die Hofjuwelierin Either Liebmann bekämpfte und stürzte; denn jüdische Hofjuweliere von Bedeutung gab es unter dem schlichten und sparsamen Friedrich Wilhelm I. nicht; 1735 kaufte der König von den Juwelieren Dargent und Ephraim 18 Smaragde und 15 Rubine für die bescheidene Summe von 536 Rtlr. Marcus Magnus war außerdem Oberältester der Berliner jüdischen Gemeinde; er hatte dieses Amt bereits durch König Friedrich I. am 7. September 1709 erhalten; Friedrich Wilhelm I. übertrug es ihm wiederum im Jahre 1723. Seine Aufgabe war „dergestalt, daß er denen Zusammenkünften der Judenältesten in Dero allerhöchstem Namen mit beiwohne, Dero Interesse, Nutzen und Beetes treulich und fleißig beobachten, Schaden und Nachteil verhüten und abwenden, über die bereits gemachte oder noch ferner zu machende Verordnungen nachdrücklich halten und sonsten allem dem, was solches Amt erfordert, ein Genügen leisten solle . . A l s Oberältester erhielt Marcus Magnus 300 Tir. aus der Judenkasse, und in seiner Eigenschaft als Hofjude bezog er noch ein Gehalt aus der Kgl. Schatulle, Wir haben hier jene Sonderart des Hoffaktors vor uns, der gleichzeitig Kirchenbeamter und Hofdiener ist und für beide Funktionen Bezüge erhält. Auch Marcus Magnus sorgte als Hofjude für seine Familie; denn am 12. Dezember 1717 wurden seine Vettern Salomon Marcus, Levin Assur und Isaak Joseph „aus besonderen Gnaden in Dero Königl. GeleithSchutz und Schirm allergnädigst aufgenommen", und zwar Salomon in Nauen, Levin in Havelberg und Isaak in Treuenbrietzen. Ihnen wurde die Pflicht auferlegt, vor allem billig zur Münze zu liefern. Die Vettern des Hof juden scheinen demnach als Münzentrepreneurs tätig

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gewesen zu sein. Für seinen Neffen Joseph Moses, der ein Freund des Dresdener Generalprovediteurs Jonas Meyer war, bat der Hoffaktor und Oberälteste Marcus Magnus den König mehrfach um Intervention beim Dresdener Hofe, und Preußen ging stets auf die Wünsche seines Hof juden ein, wenn dessen Neffe in Sachsen Forderungen eintreiben wollte. Wie Israel Aaron von seinen Gegnern mit Pamphleten bekämpft wurde, so suchte die Liebmann-Partei gleichfalls durch ein langes Spottgedicht Marcus Magnus herabzusetzen und seine Stellung zu erschüttern. Doch alle Mühe war vergebens; Marcus blieb, aber die Liebmännin mußte gehen; 1738 ist von des verstorbenen Hofjuden Marcus Magnus nachgelassener Witwe die Rede1. Eanen neuen, bisher nicht verliehenen Titel erhielt M e y e r R i e ß ; er wurde amtlich „H o f - u n d G a r n i s o n j u d e " genannt. In seinen Eingaben bezeichnete er sich, auch als „ G a r n i s o n - u n d H o f a g e η i u* Der Titel besagt, daß er hauptsächlich für die Armee tätig gewesen ist, und zwar im Gegensatz zu den bisherigen jüdischen Heereslieferanten, die in Kriegszeiten herangezogen wurden, vor allem in Friedenszeiten; daher der Titel: Garnison jude. Meyer Rieß verdiente hauptsächlich durch Häuserbau und Geldgeschäfte, und wenn er seine ausgeliehenen Gelder nicht hereinbekam, dann wandte er sich an den König mit der Bitte, ihm bei der Eintreibung seiner Gelder Hilfe zu leisten, „damit ich nun im Stande bleibe Ew. Königl. Maiestät Guarnisons sowohl die allhiesige als auswärtige fernerhin zum Behuf der Recroutirung und sonst im Vorschuß zu assistiren, nicht weniger meinen vorhabenden Bau auf der Friedrich-Stadt gehörig fortzusetzen, insonderheit auch bey gewärtigen Coniucturen dés vorstehenden Marsches meiner Gelder beysammen zu haben . . A u s dieser Stelle ergibt sich, daß der Garnison jude in erster Linie Gelder für die Anwerbung von Rekruten vorgestreckt hat, ferner daß der König auch seine Hof juden in den Dienst seiner Bautätigkeit stellte. Kennzeichnend für das Wohlwollen, das den Hoffaktoren damals schon erwiesen wurde, ist die weitere Behandlung der Angelegenheit. Meyer Rieß konnte sich ja wie jeder andere Untertan sein Recht vor den ordentlichen Gerichten suchen; für ihn war das Kammergericht zuständig. Der Garnisonjude bat aber den König, seinen Fall nicht vor das Gericht zu bringen, sondern durch eine königliche Kommission regeln zu lassen, deren Mitglieder Meyer Rieß selbst vorschlug. Damit nun alle® nach dem Wunsche des Rieß ging, erbot er sich, 300 Rtlr. an das Potsdamer Waisenhaus zu zahlen. In der Tat wurden alle Vorschläge von Meyer Rieß angenommen, die gewünschte Kommission sofort berufen. So hatte der Hoffaktor in geschickter Weise eine Schwäche de® Königs genutzt, um zu seinem Ziele zu gelangen; denn aus einer Reihe anderer, ähnlicher Fälle ergibt sich,

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daß der Soldatenkönig leicht zu Zugeständnissen bereit war, wenn man Zahlungen fur die Rekrutenkasse oder das Potsdamer Waisenhaus, in dem sich hauptsächlich Soldatenkinder befanden, in Aussicht stellte. In solchen Fällen war der König auch bereit, an anderen Höfen zugunsten auswärtiger Juden zu vermitteln. Für seine Tätigkeit als Hof- und Garnison jude erhielt Meyer Rieß auch ein besonderes Privileg. „In Betracht seiner, in Sonderheit bey anschaffung der recruten geleisteten nützlichen Dienste" wurde ihm am8. August 1724 ein G e n e r a l p a t e n t verliehen. Gegenüber dem gewöhnlichen Schutzpatent, das nur einem Kinde die Niederlassung zugestand, gewährte das Generalpatent die Ansetzung aller Kinder ohne besondere Abgaben. Neben Meyer Rieß erhielt auch Marcus Magnus ein Generalpatent, und zwar am 17. September 1724. Ihnen folgten die jüdischen Fabrikanten D a n i e l I t z i g am 14. Oktober 1727, D a v i d H i r s c h am 1. Februar 1731, S a m u e l B e n d i x am 10. Februar 1732 und W u 1 f f am 28. August 1733. Auch diese jüdischen Fabrikanten, die von dem Merkantilsystem besonders begünstigt wurden, sind tatsächlich ihrer Stellung nach H o f j u d e n ; ihre Generalpatente verliehen ihnen sogar erhöhte Rechte gegenüber den bisherigen Hoffaktoren. Mit diesen Generalpatenten hat Friedrich Wilhelm I. tatsächlich die sogenannte Judenemanzipation eingeleitet. In der Geschichte der Judenefrnanzipation in Preußen bilden, wie wir noch sehen werden, die Generalpatente und die Generalprivilegien qnd Naturalisationspatente entscheidende Stufen der Gesetzgebung. Die Generalpatente trugen sehr stark zur Vermehrung der jüdischen Gemeinden bei; Mayer Rieß zum Beispiel erhielt darauf 1734/35 nicht weniger als elf Schutzprivilegien, das heißt, elf neue jüdische Familien durften sich niederlassen und Handel treiben. Meyer Rieß besaß auch ein Haus auf dem „Quarre", dem späteren Pariser Platz2. Aus dem Jahre 1714 wird uns berichtet, daß als H o f - , G o l d und S i l b e r s t i c k e r S a l o m o n I s a a k tätig war, dessen Tochter im Beisein des Hofes 1714 in der allgemeinen Judensynagoge getraut wurde, die soeben vollendet worden war. Als H o f m ü n z e r Friedrich Wilhelms I. war L e v i n V e i t tätig. Dieser Münzentrepreneur, der jedoch mit der späteren Familie Veit nichts zu tun hat, beherrschte den Silberhandel jener Zeit. Als er 1721 starb, entdeckte man Unterschleife in Höhe von mindestens 100 000 Talern, das war mehr ids eine Million Mark. Veits Vermögen, an dem sich der König hätte schadlos halten können, war aber von seinen Leuten rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Der Fall muß damals großes Aufsehen erregt haben; denn sogar in Braunschweiger Stadtakten findet sich 1721 der Vermerk, daß der Münzentrepreneur Veit zu Berlin 100 000 Taler schulde. Veit arbeitete mit dem Hof-

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münzer F ü r s t zusammen. Doch sollen die preußischen Hofmünzer in einem besonderen Abschnitt behandelt werden8. Die Titel für die Hoffaktoren werden jetzt immer mannigfaltiger. S a l o m o n A b r a h a m führte unter dem Soldatenkönig die Bezeichnung G e n e r a l p r o v e d i t e u r ; er versorgte die Armee mit Munition. Im Jahre 1715 hatte er „Wegen der für die Armee den Rheinstrom herunter gebrachten Ammunition auf den Zollstädten von Kurköln 2636 Tir. deponieren" müssen. Am 1. Juni 1720 befahl Friedrich Wilhelm I., bei Kurköln zu intervenieren und dafür zu sorgen, daß des Generalprovediteurs hinterlassener Sohn Jochim Salomon die hinterlegten Gelder zurückerhalte. In derselben Angelegenheit wurde Kurköln noch mehrfach angegangen, so wiederum am 3. Februar 1731. Der preußische Gesandte in Köln bezeugte stets wenig Lust, sich für die Interessen der Berliner Hoffaktoren einzusetzen. Doch durfte er die Sache nicht fallen lassen; er erhielt immer wieder Ordre, sich das Falles anzunehmen, obwohl der Gesandte Pohlmann in seinem Bericht darauf hingewiesen hatte, daß aus dem Nachlaß des verstorbenen Kurfürsten wenig zu erwarten sei. Kurköln verweigerte auch die Rückgabe der hinterlegten Gelder mit der Begründung, daß für die deponierten Summen andere Waren zollfrei passieren durften. Aber der König wurde immer wieder mit Eingaben angegangen, und man muß sich heute nur über die Geduld wundern, mit der seine Beamten alle Eingaben auch bearbeiteten. Schließlich hatte die Langmut des Königs ein Ende, und am 12. Juni 1734 erging das königliche Dekret, daß Majestät in der Angelegenheit nicht weiter behelligt werden wolle. Der ganze Fall beweist die Zähigkeit, mit der die Hoffaktoren ihre Interessen vertraten. Aus den wiederholten Eingaben J o c h i m oder J o c h a n a n n S a l o m o n s geht hervor, daß inzwischen auch der Sohn des Generalprovediteurs zum Hof juden aufgestiegen war. 1731 führte er den Titel C o m m i s s a r i u s , dann nannte er sich P r o v i a n t k o m m i s s a r i u s , 1734 trat er als „ K ö n i g l . K r i e g e s - u n d P r o v i a n t c o m m i ss ar i us" auf. Vater und Sohn waren demnach Kriegs- und Heereslieferanten, sie dürften auch Rekruten geworben haben4. In Königsberg hatte sich der H o f j u d e B e n d i x J e r e m i a s , der von Berlin dorthin gezogen war, niedergelassen. Bendix Jeremias, dessen Familie aus der jüdischen Gemeinde Halberstadt kam, wurde in einem, wahrscheinlich aus dem Jahre 1708 stammenden Berichte über Gegenstände und Art des jüdischen Handels in Preußen für die Funktion eines Kgl. Preuß. Leib-Juden-Zöllners vorgeschlagen „wegen seines so langen rühmlichen Wohlverhaltens, teils auch weil er aus der großen Bekanntschaft mit den Juden die Negotien in das König8

Schnee, Hoffìnanz I

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reich Preußen immer weiter zu befördern und einzuführen höchst vermögend und erfahren*. Am 7. Dezember 1708 wird auf Veranlassung des Bendix Jeremias bereits verfügt, daß außer auf den ordentlichen Jahrmärkten keine fremden, vom König nicht privilegierten Juden geduldet werden dürfen. In einem Memorial vom 27. März 1710 machte der angehende Hoffaktor Vorschläge wegen des Judenzolls und Geleits; sein Ziel war es, die Zolleinnahmen in seine Hand zu bekommen. Die Vorschläge wurden als nicht übel bezeichnet. Der Advocatus fisci Hofrat Lau soll Bericht erstatten, und dieser schlägt den Juden zur Einkassierung vor. Am 5. Mai 1710 erhielt Jeremias das Schutzpatent für Königsberg, um das er schon 1707 gebeten hatte, und das am 26. Januar 1714 von Friedrich Wilhelm I. erneuert wurde. Auch das Recht zum Kauf eines Hauses wird ihm gewährt. Mit dem 13. April 1711 beginnen die Quittungen des Artendators für das Judengeleit. An jenem Tage zahlte er in die Rentkammer 266 fl. 20 g., am 7. März 1712: 160 Taler, am 28. Oktober 150 Tir. und am 28. Dezember 1233 Taler. Noch im gleichen Jahre hatte Jeremias den Geleitzoll der Juden im Herzogtum Preußen für 3700 Gulden jährlich gepachtet. Auch wurde ihm die Aufsicht über die Synagoge und alle fremden Juden übertragen; am 13. November 1713 wurde er Hof jude. Bendix Jeremias übte also staatliche und kirchliche Funktionen in Königsberg aus, ähnlich denen, die Marcus Magnus in Berlin übertragen worden waren. Schon am 25. Oktober 1712 mußte Jeremias über Exzesse seiner Glaubensgenossen in der Synagoge berichten, wo am Laubhüttenfest Männer und Weiber „einander gar in die Haare geraten, sich geraufet und so wohl in der Frauensynagoge als auch folgend auf der Straße große Schlägerei zeit währen dem Gottesdienste ausgeübet". Der Arrendator bat, „eine allergnädigste scharfe Verordnung in der Synagoge öffentlich affigiren zu lassen, damit auf solche Weise fernerem frevelhaftem Mutwillen gesteuert" werde, mit der Ermächtigung für ihn, solche Verbrecher durch die Schützen wegsetzen zu lassen und „hierauf der Verbrecher . . . mit Festungshaft coerciret werde". Am 28. Oktober erging dann auch an den Oberburggrafen eine Verfügung in seinem Sinne. Jeremias solle auf solche Exzessefleißig achten und die Urheber ungesäumt anzeigen. Als Hof jude war es seine Aufgabe, aus dem Geleitzoll seiner Glaubensgenossen für den Staat möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Bereits von 1714 ab zahlte Bendix Jeremias eine Pacht von 7100 Gulden, auf die er von seinen Konkurrenten gesteigert wurde. Auch mußte er die den Juden in Preußen auferlegten Sonderabgaben auf die einzelnen Judengemeinden verteilen und mit Hilfe der Ämter einziehen, eine Aufgabe, der sich der Hoffaktor mit sichtbarem Eifer unterzog. Am 26. Januar 1718 bat Jeremias den König, ihn

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audi zum Vorsteher der Königsberger Juden zu machen, da unter diesen noch gar keine Ordnung herrsche. Bendix Jeremias starb 1718. Welche Stellung dieser Hoffaktor unter seinen Glaubensgenossen einnahm, zeigt die Tatsache, daß diese ihre Eingaben an den „Hochgeehrten Herrn Bendix Jeremias, Kgl. Pr. Hofjuden und Arrendator des Judengeleits" richteten. Sein Todfeind war Hirsch Lewkowitz, der ihn in mehreren Eingaben der verschiedensten Malversationen beschuldigte. Danach ließ sich Bendix Jeremias von seinen Glaubensgenossen verschiedene Zahlungen leisten, die er für sich und die Ausstattung seines Hauses verwendete. Die wiederholten Anschuldigungen des Lewkowitz bewirkten, daß auf das Vermögen des Hoffaktors nach seinem Tode sofort Arrest gelegt wurde. Die Witwe wandte sich jedoch am 26. September 1718 in einem Immediatgesuch an den König und bat um Aufhebung des Arrestes. Schon am 10. Oktober verfügte Friedrich Wilhelm I. eigenhändig die Aufhebung der Vermögensbeschlagnahme, die Untersuchung sollte weitergeführt und ihm dann Bericht erstattet werden. Von einer Untersuchung über die Malversationen des Hoffaktors verlautet jedoch nichts. Dagegen erhielt die Witwe auf ihr Gesuch vom 13. Februar 1719 am 26. Juni ein Moratorium für zwei Jahre, nachdem sie nachgewiesen hatte, daß sie bereits Schulden in Höhe von 20 304 Tir. abgetragen hatte. Die Witwe blieb mit ihren Kindern auch in dem Hause auf der Freiheit in der Nähe der Münze wohnen, das Bendix Jeremias erworben hatte, dessen Besitz ihm am 24. Dezember 1716 jedoch nur auf drei Jahre gestattet worden war. Nach Ablauf dieser Frist sollte Jeremias um Prolongation ersuchen. Jedoch erst 1763 wurde diese Angelegenheit wieder aufgegriffen. Die Erben des Hoffaktors bewohnten das Haus immer noch. Sie wurden aufgefordert, die im Jahre 1710 gewährte Konzession zum Hauskauf nachzuweisen, da diese in den Akten trotz aller Nachforschungen nicht aufzufinden war. Der Schwiegersohn des Hof juden, Israel Moses Friedländer, behauptete bei seiner Vernehmung, daß seine Schwiegermutter bei der Ausweisung aller Juden aus Königsberg 1721 sie verloren haben könnte. Am 2. Januar 1764 wurde darauf verfügt, daß das Haus, in dem die Witwe mit ihrem Schwiegersohn immer noch wohne, an einen Christen verkauft werden solle. Die Verfügung blieb jedoch nur auf dem Papier stehen; denn schon am 8. März 1764 erwirkte der Schwiegersohn Israel Moses Friedländer die Konzession, daß er und seine Nachkommen das Haus auch weiter „eigentümlich" besitzen durften. Nachfolger des Hoffaktors als Pächter des Geleitzolles wurde der Fabrikant S a m u e l S l u m k e ; er zahlte 7200 Gulden, 100 Gulden mehr als Bendix Jeremias. 1706 hatte er die Konzession für eine Litzenfabrik erhalten und, damit solches bekannt werden möge, die 8*

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Erlaubnis, „an dem Orte, wo er wohnet, ein Zeichen zu dem Ende anzuhängen". Außer ihm wurden noch als Fabrikanten durch Sonderprivilegien aus der Masse der Juden herausgenommen: N i s s e n M a r c o w i t z , I s r a e l J a c o b , S i m o n J o s e p h und J a c o b S z a j o w i t z . Sie durften Litzen- und Lederfabriken anlegen. Moses Jacobson de Jonge und Bendix Jeremias waren die bedeutendsten Hoffaktoren im Herzogtum Preußen, Jonge in Memel, Jeremias in Königsberg. Im Herzogtum Preußen lernen wir noch eine Sonderart der Hofjuden kennen, die F a k t o r e n der preußischen und polnischen Magnaten. Wir wissen, daß sowohl in Polen als auch in Ungarn der H a u s j u d e die großen Adelsfamilien vielfach finanziell beherrschte, und Nachkommen dieser Hausfaktoren haben in nicht wenigen Fällen in solche Familien hineingeheiratet. Vereinzelt kommen Hof juden nach Art der Hausjuden auch in Schlesien und im Herzogtum Preußen vor. So erhielt 1664 J a c o b L a z a r o w i t z für die dem fürstlichen Hause Radziwill geleisteten Dienste für sich und seine Kinder auf Königsberg ein Privileg, das 1685 für Tilsit erneuert wurde. Der Hausjude der Fürsten Radziwill, die mit den Hohenzollern verwandt waren, wurde damit auch vom Staate begünstigt. Zur Förderung des Handels wurden Faktoren der polnischen Magnaten auch in Königsberg für 8 bis 14 Tage zugelassen. Als solcher H a u s j u d e wird J o a c h i m i s a a k genannt; preußischer Hoffaktor ist er jedoch nicht geworden. Seine älteste Tochter wurde Christin. Diese Hausjuden der ostpreußischen Grundherrn hatten fast überall den Bier- und Branntweinausschank in Händen, meist auch die Schäferei in Pacht. Ebenso streckten sie ihren Herren Gelder vor, damit diese ihre Schulden bezahlen konnten. Als 1706 der Befehl erging, diese Juden bei Strafe abzuschaffen, bat der Fähnrich Jakob Paulini die Regierung in Königsberg, „für mich zu sorgen, daß nur dieses ein Jahr behalten möge meinen Juden, weil er mir den Zins vorausgegeben und ich damit die Amts- und Kirchenschulden bezahlet habe, . . . verbinde mich auch, wofern die andern denen Juden abschaffen werden, ich auch bereit bin, meinen Juden abzuschaffen". D a v i d H i r s c h in Berlin war zwar nur Schutzjude, doch gehörte er als erster zu jenen begünstigten und durch Sonderprivilegien herausgehobenen jüdischen Fabrikanten, daß er tatsächlich als Staatsjude, also Hof jude, zu werten ist. Hirsch hatte schon in Berlin eine bedeutende Tuch- und Zeugmanufaktur, als er 1730 in Potsdam eine Samt- und Plüschfabrik gründete. Am 4. Februar 1731 erhielt er für Samt, am 10. September 1733 für Plüsch ein Monopol auf zwölf Jahre für die gesamten preußischen Lande östlich der Weser. Der Einspruch der Berliner Kaufmannschaft gegen eine derartige Vorzugsstellung

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wurde zurückgewiesen. David Hirsch empfing aber noch weitere Vergünstigungen, Ihm wurden nicht nur die Baulichkeiten geschenkt, sondern auch die Arbeiter auf königliche Kosten aus der Schweiz, Holland und Frankreich geholt; dazu kamen Schutzprivilegien für andere jüdische Familien und Befreiung vom Leibzoll. Als im September 1736 die Einfuhr fremden Samts verboten wurde, besaß David Hirsch das völlige Monopol. Gegen den Willen des Magistrats erhielt im Jahre 1720 der Schlächter und F o u r a g e l i e f e r a n t S a m u e l M o s e s aus Ruhrort eine Konzession für Duisburg, wo bereits der F a k t o r H e y m a n n ansässig war. B e s t a l l t e r A g e n t des Markgrafen Albrecht Friedrich nannte sich 1719 der Hamburger Jude B a r u c h B e n d i x , der offenbar aus Mainz stammte; denn der Agent unterzeichnete als Bendix Mayntz5.

Die preußischen Münzentrepreneurs i m 18. Jahrhundert vornehmlich unter Friedrich dem Großen Münzentrepreneur ist eine amtliche Bezeichnung. Darunter sind solche privilegierten Juden zu verstehen, die durch Sonderrechte aus der Masse ihrer Glaubensgenossen herausgehoben wurden und auf Grund besonderer Verträge zur fürstlichen Münze lieferten und Münzen ausprägten. In Preußen waren die Hofmünzer hauptsächlich unter Friedrich dem Großen tätig; über ihre Geschäfte sind wir aus den Akten gut unterrichtet, während wir von den übrigen Hoffaktoren des Königs häufig nur Namen und Titel, dagegen weniger über ihre Tätigkeit feststellen können. Aus der großen Zahl der Münzentrepreneurs ragen mehrere Familien hervor, deren Tätigkeit wir eingehender darstellen wollen. Es sind dies die Familien Veit, Ephraim, Itzig, Isaak, Gomperz und Fränkel. Bei den übrigen Hofmünzern können wir uns schon wegen der Gleichartigkeit ihrer Tätigkeit mit kürzeren Hinweisen begnügen1. Wir kennen bereits die Hofmünzer Lippold und Esther Liebmann. Unter Friedrich III. war außerdem L e v i n M e y e r Silberlieferant der Magdeburger Münze, und die Halberstädter Juden durften nur an diesen, ihren Glaubensgenossen, liefern. Aus der Familie Veit waren zwei Mitglieder als Münzentrepreneurs tätig, J a k o b V e i t und sein Sohn L e v i n V e i t . Über die Tätigkeit Jakob Veits wissen wir wenig Einzelheiten. Im Jahre 1712 beschuldigte er aber sich selbst und den Berliner Bankier Bachelé de

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Maillet der Münzmalversation. Die Untersuchung stellte tatsächlich Münzverschlechterung fest; doch wurde im Interesse des Kredits die Angelegenheit unterdrückt. Eis war offenbar ein Racheakt von Veit an Maillet. Levin Veit und sein Glaubensgenosse F ü r s t waren die großen Silberlieferanten unter Friedrich Wilhelm I. Beide erboten sich 1718, jeder jährlich mindestens 1000 Mark Feinsilber und für 4000 bis 5000 Rtlr. Gold zu liefern, wenn sie dafür die Konzession des Schmelzens und Scheidens erhielten, was den Juden in ihren Häusern verboten war. Darin bestand aber nach Levin Veit ihr Hauptgewinn. Die Generalfinanzdirektion ließ sich auch auf diese Bedingung ein, doch erging von Friedrich Wilhelm I. am 18. August 1718 eigenhändig der Befehl, daß Juden, sowie Gold- und Silbermanufakturen in Berlin nur noch in der Münze zu schmelzen hätten. Am 24. Dezember 1718 erhielt Veit ein Patent für den Einkauf von Silber in der Kurmark, in Pommern und für Königsberg in Preußen; auch Kupfer lieferte er; 1719 hatte Veit fast den ganzen Silberhandel in seinen Händen; er besaß von 1717—1721 eine Art Monopol für Silberlieferungen. Levin Veit versorgte die Berliner und Magdeburger Münze sowie die meisten Juweliere mit Silber. Mit ihm wurden 1719, 1720 und 1721 Münzkontrakte abgeschlossen. Nach dem Vertrag vom 7. Januar 1719 hatte der Münzentrepreneur in einem Jahre 10000 Mark Feinsilber zu liefern, die Mark zu 11 Rtlr. 20 Groschen, jedoch zu 11 Rtlr. 21% Gr., wenn er mehr lieferte 2. Aus der uns bereits bekannten Familie Gomperz sind mindestens sieben Mitglieder auch Hofmünzer gewesen. E l i a s G o m p e r z war brandenburgischer M ü n z e n t r e p e n e u r und Lieferant des Großen Kurfürsten, Dessen Sohn R u b e n E l i a s G o m p e r z wirkte als Münzentrepreneur hauptsächlich unter Kurfürst Friedrich III. Die bedeutendsten Hofmünzer Friedrich Wilhelms I. waren Moses und E l i a s G o m p e r z ; unter Friedrich dem Großen gehörte H e r z M o s e s G o m p e r z zu den Generalpächtern der preußischen Münzen; schließlich ist noch K o s m a n n G o m p e r z zu nennen, der um 1755 als Haupt der Familie klevischer Münzentrepreneur gewesen ist. Von der Tätigkeit des E l i a s G o m p e r z als Münzfaktor ist uns nichts näheres bekannt8. R u b e n E l i a s G o m p e r z besorgte die Geschäfte der für die westlichen Gebiete ernannten Münzkommission, die am 29. April 1699 in Wesel eingesetzt worden war. Dieser Gomperz hatte sich erboten, dem Kurfürsten einen Diamanten zu liefern und 80 000 Rtlr. Ersatzund Strafgelder von Münzmalversanten in Kleve, Mark, Minden und Ravensberg. Was darüber hinaus einging, sollte Ruben Elias gehören. Bei diesem Geschäft muß dieser Gomperz beträchtliche Gewinne er-

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zielt haben. Der König erhielt Ende 1699 die Summe von 50000 Rtlr. und im Oktober 1700 nochmals 6500 Rtlr. 4. Dieser herrschsüchtige Münzfaktor machte schließlich den Vorτ schlag, diese Münzinquisition auf ganz Preußen auszudehnen, was der Kurfürst jedoch ablehnte. Auch die Münzkommission in Wesel scheiterte; die Stände übernahmen die garantierte Münzsumme als Steuer gegen Aufhebung der Kommission. Gegen Ruben Elias Gomperz hatte vor allem die Liebmännin, selber Hofmünzerin, stark gehetzt. Am 9. Januar 1702 wurde der Oberrezeptor und Münzentrepeneur Ruben Elias Gomperz verhaftet, aber nach Vijähriger Haft gegen eine Kaution von 20 000 Rtlr. freigelassen. Als Münzmalversant wurde ihm der Prozeß gemacht; bevor dieser zu Ende ging, starb Ruben Elias Gomperz am 20. Juni 1705. Die juristische Fakultät zu Frankfurt a. d. O. sprach den Münzfaktor schuldig5. Viel umfangreicher waren die Münzgeschäfte von M o s e s und E l i a s G o m p e r z , die Vettern waren, Sie wollten dem König Friedrich Wilhelm I. die Ausmünzung von 300 000 Rtlr. in Zwölfteln unter großem Gewinn binnen 18 Monaten ermöglichen und überreichten ihm am 25. Oktober 1723 ein Promemoria. Am 24. Dezember des gleichen Jahres Schloß der König den Münzvertrag mit den „Hof- und Kriegsfaktoren" Moses und Elias Gomperz. Für einen Vorschuß von 20 000 Rtlr., den sie aus den Kleve-Märkischen Geldern erhalten hatten, stellten sie in Berlin ein Haus und aus ihren Tabakbeständen 25 000 Pfund als Kaution, Anfang 1726 wurde jedoch der Vertrag bereits wieder aufgehoben, da ihn die Münzentrepreneurs nicht erfüllen konnten. Die beiden Hofmünzer zahlten den Vorschuß schnell zurück, um der drohenden Verhaftung zu entgehen, und der König wollte mit den beiden „Schelmen" nichts mehr zu tun haben, Sie hatten bis dahin 146925 Rtlr. 23 Gr. in Zwölfteln ausgemünzt, also etwa die Hälfte der Summe geliefert. Die fehlenden 153074 Rtlr. 1 Gr. waren erst Ende 1729 fertig. 1740 erhielt Moses wieder einen Auftrag, nämlich die Einrichtung der Klevischen Münze·. Der größte Münzentrepreneur der Familie Gomperz wurde H e r z Moses G o m p e r z , der Sohn des Moses Levin. Herz Moses war Großlieferant der preußischen Münze, zugleich auch Vorsteher der Berliner Judenschaft. Im Jahre 1751 erhielten Herz Moses Gomperz und sein Kommissionär P h i l i p p G o m p e r z i n Frankfurt a, M. Protektorium und Paß für ihre Einkäufe. Am 15. Oktober 1751 genehmigte König Friedrich II. die Errichtung der Neuen Münze zu Berlin und zugleich einen Kontrakt mit Η. M. Gomperz und Sengebarth auf eine Silberlieferung für 3 oder 3% Millionen Rtlr. Die Ausprägung begann am 21. März 1752. Jedoch wurde der Vertrag alsbald vom König aufgehoben; die Gründe sind

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uns unbekannt. Der Münze in Kleve lieferte Herz Moses für 421 Mark in Bruchsilber; doch Schloß er für die Klever Münze keinen Vertrag ab. Nach der Aufhebung des großen Kontraktes von 1751 lieferte der Münzentrepreneur auf Fakturen, das heißt von Fall zu Fall, für Berlin. Um ihn für den Verlust aus der Aufhebung des Kontraktes zu entschädigen, gewährte ihm Graumann, der Leiter des Münzwesens, einen höheren Preis als den anderen Hofmünzern. Im Jahre 1753 lieferte Herz Moses eine der Hamburger Bank entlehnte Summe von 80 000 Rtlr. der Neuen Münze in Berlin in Friedrichsdor ohne Aufgeld gegen 2- und 4-Groechenstücke. Im gleichen Jahre kam mit H. M. Gomperz und Sengebarth ein Kontrakt über Lieferungen für die Königsberger Münze zustande; bis zum 5. März 1754 lieferten sie 183 434 und 252 481 Rtlr. in Silber. Auch diesmal erhielten sie eine höhere Bezahlung als zum Beispiel der Münzfaktoij Fränkel 7. Im folgenden Jahre begann dann die Zusammenarbeit von Herz Moses Gomperz mit Daniel Itzig; im Oktober 1755 wurde ihnen die Münze in Aurich übertragen, dann kam die Klever Münzstätte in ihre Hand Obwohl Herz Moses Gomperz Klara, die Schwester Ephraims, geheiratet hatte und mit seinem Schwager Geschäftsverbindungen unterhielt, standen sich diese beiden Münzfaktoren doch feindlich gegenüber. Seit dem September 1755 tobte ein erbitterter Kampf zwischen den Chefs der beiden jüdischen Hauptfirmen Ephraim— Fränkel und Gomperz—Itzig; der Kampf endete erst mit dem Tode von Herz Moses Gomperz; Ephraim und Itzig blieben Sieger und drängten alle anderen Münzentrepreneursi in den Hintergrund 8. Zunächst freilich siegte die Firma G o m p e r z , I s a a k und I t z i g , denen am 6. Oktober 1755 der König alle preußischen Münzen verpachtete. Darauf wurden Gomperz und seine Teilhaber von ihren Konkurrenten unter schwersten Beschuldigungen so stark angegriffen, daß sogar die Regierung in den Zeitungen zugunsten ihrer Münzpächter eingreifen mußte. Trotz engster verwandtschaftlicher Beziehungen verleumdeten sich die beiden Firmen gegenseitig. Dem Könige wurde dies schließlich zu bunt, und durch Kahinettsordre vom 27. Dezember 1755 verbot er Gomperz und Konsorten, ihn weiter mit ihren Prozessen gegen Ephraim und Teilhaber zu belästigen. Als dann Friedrich der Große im Siebenjährigen Kriege Sachsen eroberte und besetzte, verpachtete er auch die Leipziger Münze. Diesmal gelang es aber Ephraim, seinen Schwager Gomperz zu verdrängen, ja sogar aus Sachsen ausweisen zu lassen. Herz Moses Gomperz starb noch während des Krieges, und Ephraim gewann seine Konkurrenten für seine Firma·. Die Familie Ephraim kam aus Hamburg oder Altona nach Berlin; ihr Stammvater C h a j i m E p h r a i m , genannt Heine, 1665 geboren.

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war noch, vor 1695 nach Berlin gezogen, hatte einen Juwelenhandel eröffnet und war dort 1748 gestorben. Mütterlicherseits stammte die Familie von Zacharias Meyer in Wien ab, dessen Sohn Nathan Yeitel Meyer sich bald nach 1671 in Berlin niederließ. Die Nachkommen hießen Wolf. Zu ihnen gehörte auch Bernhard Wolf, der im Jahre 1849 Wolfs Telegraphenbüro gründete. Nathan Yeitel Meyer war der Großvater des Münzfaktors Ephraim; seine Tochter Hanna hatte Heine Ephraim geheiratet; und dessen zweiter Sohn N a t h a n Y e i t e l H e i n e E p h r a i m wurde der größte Münzentrepreneur Preußens, seine Söhne B e n j a m i n V e i t e l E p h r a i m und J o s e p h V e i t e l E p h r a i m waren als Mitinhaber der Firma Ephraim und Söhne gleichfalls bedeutende Hof- und Münzfaktoren. Die Anfänge Ephraims in Berlin waren in jeder Hinsicht bescheiden; der Juwelenhandel war nicht bedeutend, und auch im Münzgeschäft fingen sie klein an. Zum erstenmal wird Cajim Heine mit seinem Sohne 1723 genannt. Die Firma hieß damals Ephraim Heine und Sohn. Wie klein die Anfänge der Firma waren, beweist ihr bescheidener Gemeindebeitrag von 17 Groschen und 6 Pfennig. Seit 1730 gehörte Yeitel Heine Ephraim zu den Besuchern der Leipziger Messe. Mit dem Jahre 1737 begannen die Lieferungen zur Münze, 1742 hatten sie ihre Mitbewerber schon überflügelt. Veitel Heine Ephraim war mit Elka Fränkel verheiratet, deren Brüder A b r a h a m und M o s e s F r ä n k e l gleichfalls zu den Berliner Münzentrepreneurs zählten. Ihr Großvater Benjamin Mirelis Fränkel war einst von Wien nach Berlin gezogen, wo auch ihr Vater Naphtali Hirsch sein Leben verbrachte. David, ein anderer Bruder des Münzers Fränkel, wurde der Lehrer Moses Mendelssohns. Die Familien Gomperz, Ephraim und Fränkel waren also miteinander verwandt, trotzdem standen alle gegeneinander. Wie Ephraim seinen Schwager Gomperz verdrängte, so schob er alsbald seine Schwäger Fränkel beiseite. Moses Fränkel hatte die Münze von Königsberg und Breslau, dann von Aurich und Kleve in Pacht; bald war jedoch von den Münzern Fränkel nichts mehr zu hören. Sie schieden aus der preußischen Münzgeschichte aus. Zur Familie 11 ζ i g, die aus Polen stammte, gehörten die Münzentrepreneurs D a n i e l I t z i g und seine Söhne J a k o b I t z i g und I s a a k D a n i e l I t z i g . Daniel Itzig wurde am 18. März 1722 als Sohn de® Grätzer Pferdehändlers Itzig ben Daniel Jafe in Berlin geboren; sein Vater wohnte mindestens seit 1714 in Berlin, wo er eine bevorzugte Stelle eingenommen haben muß; denn 1727 erhielt 11 ζ i g D a n i e l bereits ein Generalgeleitspatent. Er war zeitweilig Pferdelieferant Friedrich Wilhelms I. Als er 1741 starb, hinterließ er kein erhebliches Vermögen, wie sein Schwiegersohn Moses Isaak bezeugte. Der Sohn Daniel Itzig heiratete 1748 Mirjam, eine Tochter des Baum-

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wollf abrikanten Benjamin Elias Wulff aus der bekanntesten Deseauer Hoffaktorenfamilie. Seit 1752 war Daniel Itzig als Münzer tätig. Die Familie Itzig war wiederum verwiandt mit Moses I s a a k (Moses Levy Chalvan) aus Sdhönfliefi in der Neumark, der sich daher auch Moses Flies nannte. Geboren um 1708, arbeitete Moses Isaak seit Anfang der 50er Jahre als preußischer Münzentrepreneur und während des Siebenjährigen Krieges als Hofmünzer von Anhalt-Bernburg, wo er auch beabsichtigte, sich niederzulassen. Die großen Münzentrepreneurs Gomperz, Fränkel, Ephraim, Isaak und Itzig bildeten in Wahrheit eine einzige Hofmünzer-Familie. Ihre Tätigkeit hängt aufs engste zusammen, so daß wir sie hier zusammenfassend darstellen 10. Wenn uns in den nachfolgenden Ausführungen so zahlreiche Münzentrepreneurs begegnen, so liegt dies in der Tatsache begründet, daß den Israeliten sehr viel daran lag, als Hofmünzer im Dienst behalten zu werden, weil ihnen dadurch der regelmäßige Absatz in Silber und Kupfer gesichert war. Größere Lieferungen der Münzentrepreneurs begannen schon im letzten Jahrzehnt der Regierung Friedrich Wilhelms I. In den Jahren 1733—1743 lieferten die Berliner Münzfaktoren 11992 Mark Silber zu 12 Rtlr. Die Judenältesten der Berliner Gemeinde waren wohl alle auch Münzer, auch A b r a h a m L e v i und B e n d i x M e y e r gehören zu ihnen. W u l f f F ü r s t und A b r a h a m W u l f f haben von 1733—1743 fast allein geliefert; seit 1737 kommen neue Münzjuden hinzu; es werden genannt: J o e l W o l f , M e y e r S a l o m o n , B e n d i x J e r e m i a s , Judas S i m o n , M o s e s S a m u e l . Ephraim und Söhne lieferten 1741 allein bereits 2000 feine Mark. Daniel Itzig, später der bedeutendste Münzentrepreneur, war um diese Zeit noch nicht unter den Silberlieferanten 11. Im Jahre 1752 Schloß Graumann den ersten großen Kontrakt mit der Hofmünzer-Familie Ephraim auf Lieferung von Silber für eine Million Taler in Scheidemünzen. Der König bestätigte den Vertrag von Breslau aus am 7. September 1752. Ephraim hatte sich jedoch übernommen und konnte bald nicht mehr weiter liefern, weil er zu dem kontraktmäßigen Preise von 137/e Rtlr. kein Silber bekam. Die Firma Ephraim erhielt 1755 auch die Münzstätten von Kleve und Aurich. Am 16. August dieses Jahres traf Ephraims Sohn in Kleve ein, um diese Münzstätte einzurichten und zu übernehmen, und im gleichen Jahre wurde die Münze in Aurich an Ephraim und Genossen verpachtet. Silberlieferanten für die Königsberger Münze waren seit 1751 die Gebrüder Moses und Abraham Fränkel, Ephraims Verwandte. Nach dem Vertrag von 1751 sollten die beiden Fränkel jährlich für eine Million Rtlr. Silber liefern und 100000 Rtlr. Schlagschatz, das heißt Münzgewinn, zahlen, Ihre Lieferung ging im April 1752 zu Ende;

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dann wollte Friedrich der Große keine Juden mehr beschäftigen, mußte sie jedoch bald wieder heranziehen. So wurde mit Fränkel am 12. Juli 1752 ein neuer Kontrakt auf ÎV2 Million Rtlr. abgeschlossen, die bis Ende 1753 in Silber geliefert waren. Der Vertrag von 1754 gab den Hofmiinzern Fränkel die Königsberger und Breslauer Münze in Pacht; in drei Jahren war für drei Millionen Taler Silber zu liefern, doch wurde Anfang Oktober 1755 der Kontrakt mit Fränkel aufgehoben, da alle preußischen Münzstätten an ein Konsortium verpachtet wurden. Lieferanten der Stettiner Münze waren bis dahin die Hofmünzer Moses Isaak und Daniel Itzig; nach dem Vertrag von 1752 lieferten sie nach Stettin für eine Million Rtlr.; 1753 wurde mit ihnen ein zweiter Vertrag abgeschlossen. Erst später kam ans Licht, daß diese Hofmünzer noch besondere Gewinne erzielten, indem sie in vertragswidriger Weise vom Münzfuß abgingen. Die Beziehungen der einzelnen Münzfaktoren untereinander lassen sich nicht mehr eindeutig feststellen; seit Mai 1755 wurden bald Itzig, bald Isaak als Gesellschafter des Herz Moses Gomperz bezeichnet, so daß zunächst als große jüdische Münzfirma G o m p e r z , I t z i g u n d I s a a k erscheint. An die Stelle von Gomperz trat dann Ephraim; das zweite große jüdische Münzkonsortium hieß also: E p h r a i m , I t z i g u n d I s a a k . Obwohl der Klevische Kammerdirektor von Meyen am 4. Oktober 1755 der Familie Gomperz ein schlechtes Zeugnis ausstellte, wurde doch der erste Generalpachtvertrag am 6. Oktober des gleichen Jahres zu Potsdam mit dem Hofmünzer Gomperz und Genossen abgeschlossen. Der König entschied sich also zunächst für die alte Hoffaktorenfamilie Gomperz, welche die längere Tradition aufweisen konnte. Und es war auch Gomperz und Genossen gelungen, Ephraim aus verschiedenen Positionen herauszudrängen, so aus den Münzen von Aurich und Kleve. Ephraim und Fränkel hatten zwar versucht, Gomperz auszustechen, indem sie sich am 18. und 26. September unmittelbar an den König wandten und ihm vorstellten, sie seien ruiniert, wenn ihnen Gomperz und Genossen vorgezogen würden. Die Unternehmung in Königsberg sei für sie ein großes Risiko, und nur die Breslauer Münze werfe einen Gewinn ab, der ihnen die Pachtung der Königsberger Münze ermögliche. Sie wären bereit, einen gleich hohen Schlagschatz zu liefern wie Gomperz, schließlich wiesen die beiden Hofmünzer noch auf die schlechten Stettiner Prägungen ihres Rivalen hin, Es half alles nichts; die Gomperz waren eben Hoffaktoren in v i e r t e r , die Ephraim aber in erster Generation, Die Ausschaltung aus dem ersten Generalpachtvertrag bedeutete für Ephraim eine empfindliche Schlappe; sie erregte auch Aufsehen,

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wie nachfolgende Eintragung im Tagebuch, des Grafen Lehndorff bezeugt: „Es geht eine schreckliche Veränderung mit dem Gelde vor. Der Jude Ephraim, der das Pachtgeschäft für Preußen und Schlesien übernommen hatte, muß es aufgeben, da andere Juden nachgewiesen haben, daß er den König und das Volk betrog. Nun haben diese sich erboten, die Münzprägung auf demselben Fuß zu übernehmen und in die Kasse des Herrn eine beträchtliche Summe fließen zu lassem Das Volk, das immer schlecht unterrichtet ist, urteilt darüber verschieden, je nach seiner falschen Auffassung." Gomperz und Genossen erfreuten sich außerdem der Gunst des Generals von Retzow, der seit 1756 Vorsteher aller Münzen war, aber schon 1758 starb. Der Siebenjährige Krieg bot dann Ephraim die ersehnte Gelegenheit, in das große Münzgeschäft zu kommen12. Nach der Eroberung Sachsens zu Beginn des Siebenjährigen Krieges wurden auch die Münzen zu Leipzig und Dresden besetzt. Bald ging Preußen dazu über, die sächsischen Prägungen unter Verschlechterung des Münzfußes gegen den Einspruch des Kurfürsten fortzusetzen, um durch diese Münzmalversation den Krieg zu finanzieren. Diese unter sächsischem Gepräge stattfindende Münzproduktion ging naturgemäß auf Kosten der Bevölkerung, die getäuscht wurde. Dafür schienen dem Könige die erfahrenen Münzentrepreneurs am besten geeignet, und so erging am 5. November 1756 der Befehl Friedrichs des Großen, die Leipziger Münze den preußischen Münzfaktoren zu verpachten18. Der Bedenkenlosigkeit der Münzentrepreneurs steht gegenüber die Treue de® sächsischen Unternehmers, des Bankiers Frage und seiner Leipziger Münzbeamten, die lieber alle Entbehrungen trugen, anstatt in preußische Dienste zu treten. Sobald nun Ephraim und Söhne etwas von der beabsichtigten Verpachtung hörten, tauchten sie auch sofort auf und versprachen, 200 000 Rtlr. Schlagschatz zu zahlen, wenn sie eine Million nach klevischem Fuß vermünzen dürften; das wäre mehr an Schlagschatz, als die Gomperz gäben14. Unter Ablehnung weitergehender Forderungen vollzog darauf der König den Kontrakt mit der Firma Ephraim und Söhne. Leipzig mußte fremde Münze bleiben, deren Produkte in Preußen ungültig waren, die sie aber nach Polen und Ungarn transportieren durften. Bald trieben die Münzfaktoren zu weiteren Ausprägungen. Am 23. Mai 1757 machten Ephraim und Sohne eine neue Eingabe; sie stellten darin vor, die Armeen ständen jetzt tief in Böhmen; es empfehle sich daher, die Regimenter mit österreichischen 7-, 10-, 17- und 20Kreuzerstücken zu bezahlen. Ephraim und Söhne erboten sich, für eine Million davon in Dresden schlagen zu lassen und 200000 Rtlr. Schlagschatz zu zahlen. Der König ging auf das Angebot der Münz-

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faktoren ein, forderte jedoch. 350 000 Rtlr. Schlagschatz. Die Ephraim waren dazu bereit, wenn sie dafür ÎV2 Millionen prägen durften, alle einlaufenden böhmischen und anderen guten Sorten ihnen abgeliefert und die Ausfuhr der Metalle aus Böhmen verhindert würde. Sie wollten diese ÎV2 Millionen in sechs Monaten liefern. Nachdem der König noch ausdrücklich befohlen hatte, daß von diesen „Ephraimiten" nichts nach Preußen gelangen dürfe, gestattete er diese Prägung in Dresden und Prag; das eroberte Böhmen sollte demnach monetär wie Sachsen behandelt werden 15. Die Niederlage von Kolin verhinderte jedoch die Ausprägung dieser Kreuzer. So wurden die sächsischen 8-GroschenStücke die Hauptkriegsmünze Ephraims; diese und die sächsischen Tymphe (Achtzehngröscher) sind die eigentlichen „Ephraimiten". Unter diesem Namen liefen aber noch viele andere Münzsorten, so die 1757 in Dresden geschlagenen preußischen Drittel und Zwölftel (Mariengroschen). Die sächsischen Drittel trugen alle die Jahreszahl 1753; erst von 1760 an wurden die Münzen mit der Entstehungszahl geprägt, doch nur wenige, da es nicht mehr gelang, sie abzusetzen. Im Februar 1757 erschienen Gomperz und Itzig, die Generalpächter der preußischen Münzen, und machten den Versuch, Ephraim aus dem Geschäft zu verdrängen, doch hatten sie diesmal keinen Erfolg. Ephraim saß so fest im Sattel, daß auf sein Gesuch hin eine königliche Kabinettsordre vom 10. Februar 1757 an die Dresdener Kommandantur seine Rivalen aus Sachsen auswies1·. In Leipzig hatten Ephraim und Söhne in vier Monaten eine Million geprägt und 200 000 Rtlr. Schlagschatz gezahlt. Das Silber ließen sie durch ihre Agenten bis in Holland und England aufkaufen. Eine glatte Unwahrheit war ihre Behauptung vom 7. Februar 1757, daß ihr Leipziger Münzfuß den preußischen „wo nicht übertrifft, so doch auch nicht schlechter ist". Die Prägungen der Ephraimiten, die ja von den Münzfaktoren noch viel schlechter erfolgten als vertraglich vorgesehen war, lösten starke Erbitterung in der sächsischen Bevölkerung aus. Der König suchte zwar in den Zeitungen seine Maßnahmen zu rechtfertigen, doch wuchs nur noch die Erbitterung. Auch die Dresdener Münze kam 1756 in Ephraims Hände. Der „einäugigte Jude Ephraim" hatte versprochen, 200000 Rtlr. Schlagschatz zu zahlen, wenn er außer der verfassungsmäßigen Ausbeute noch eine Million in sächsischen Sorten nach demselben Fuß wie in Leipzig schlagen dürfe. Am 19. Dezember 1756 kam es auf dieser Grundlage zum Kontrakt. Bezeichnend für die gesamten Münzgeschäfte jener Zeit ist es, daß dieser wichtige Münzvertrag nicht mehr vorhanden ist. Ephraim sollte in Dresden auch das gute Freiberger Ausbeutesilber in Speziestaler und Gulden nach dem bis dahin beobachteten Fuße ausprägen. Diese Verpflichtung wurde von dem Münz-

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faktor bald umgangen, und vom Juni 1757 ab gingen aus der Dresdener Münze genau wie aus der Leipziger stark geringhaltige Münzen hervor. Ebenso verstand es Ephraim, sich der Verpflichtung, das gute Freiberger Ausbeutesilber nach guter Münze zu bezahlen, auf alle mögliche Weise zu entziehen. Er bezahlte es schließlich mit seinen Ephraimiten. Am 30. März 1757 erreichte er dann noch, daß dieses gute Freiberger Silber in seine Leip>ziger Münze geliefert wurde; dies bedeutete die Aufhebung der sächsischen Münz- und Bergverfassung. Nachdem er die Erlaubnis erlangt hatte, auch in Dresden nach seinem Leipziger Kontrakt zu prägen, wurden dort vom 15. Juni 1757 an Tag und Nacht die berüchtigten Ephraimiten hergestellt. Das ging bis Anfang 1758, da gelang Gomperz noch einmal ein Einbruch in Ephraims Stellung. Bald jedoch schied Gomperz wieder aus, und die Dresdener Münze wurde mit allen anderen Münzstätten an das neue Konsortium Ephraim, Itzig und Isaak verpachtet. Die preußischen Prägungen in Dresden hörten freilich bald auf, da vom 4. September 1759 ab die sächsische Hauptstadt von den Österreichern besetzt blieb. Mit Ephraim kam wahrscheinlich auch ein Kontrakt über die Prägung von Kupfermünzen in Dresden und Leipzig zustande; das Konsortium wollte dafür 12 000 Rtlr. Schlagschatz zahlen. Es blieb völlig unbekannt, wieviel Kupfermünzen Ephraim und Genossen in Leipzig und Dresden haben schlagen lassen, doch müssen es beträchtliche Mengen gewesen sein; denn für den Transport von 10000 Platten Kupfer von Hamburg zu Wasser nach Magdeburg erbaten und erhielten Ephraim und Itzig 1761 Freipässe. Im folgenden Jahre stellten sie beim Auswärtigen Departement einen neuen Antrag, ihnen für den Transport von 10 000 Platten Kupfer nach Aurich einen Freipaß " von Kur-Braunschweig zu beschaffen. Einen Freipaß erhielt im gleichen Jahr auch P i n k u s L e v i n aus Rathenau, der von Hamburg zu Wasser Getreide für die kgl. Armeen in Sachsen lieferte. Im Dezember 1758 wurde mit Ephraim und seinen Teilhabern ein Kontrakt über die Ausmünzung von 100 000 Mark Feingpld in Friedrichsdor in der Berliner Münze abgeschlossen; diese Münzen wurden bekannt unter dem Namen Mittelfriedrichsdor. Was sie an Gold weniger enthielten, setzten die Münzfaktoren an Kupfer zu. Noch im gleichen Jahr gelang dann Ephraim der große Schlag. Alle preußischen und sächsischen Münzstätten wurden an das neue Konsortium Veitel Ephraim und Söhne, Moses Isaak und Daniel Itzig verpachtet. Merkwürdig ist wieder, daß auch dieser, für die Geschichte der Hofmünzer so wichtige Kontrakt nicht erhalten ist. Der Vertrag mit dem neuen Konsortium trat wahrscheinlich am 1. Februar 1759 in Kraft. Bis dahin galt noch der Vertrag mit Gomperz, Isaak und Itzig, nur daß an die Stelle von Gomperz dessen Witwe getreten war, so daß also für einige

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Zeit auch K l a r a G o m p e r z , g e b o r e n e E p h r a i m , preußische H o f m ü n z e r i n gewesen ist. Isaak und Itzig rechneten jedoch bald mit ihr ab, und Ende Januar 1759 schied Klara Gomperz aus dem Münzwesen aus. Nach dem Generalpacht vert rag von 1758 erwirkten Ephraim und Genossen den Befehl, daß ihre Pakete mit Münzen und Barren uneröffnet mit Gewichtsporto passieren dürften, ihre Münzen also courant im Verkehr wie von den Staatskassen angenommen wurden und alle Metalle und Materialien zoll- und akzisefred seden. Im folgenden Jahr jedoch verfügte der König, daß Preußen davon ausgenommen sei17. Die Akten über die Ausprägungen des Jahres 1759 sind außer den Dresdenern alle vernichtet worden; das sagt genug. Wir wissen jedoch, daß bis zum 31. Januar 1760 der Schlagschatz allein 6 518000 Rtlr. betragen hat. Das genügte jedoch keineswegs; denn in der Zeit vom 1. Februar bis 22. November 1760 erklomm der Schlagschatz die Höhe von neun Millionen Rtlr. Dies war nur möglich durch immer weitere Münzverschlechterungen. Am 15. Januar 1760 kam ein neuer Kontrakt mit den Unternehmern zustande, der gleichfalls nicht erhalten ist. Jedoch ergibt sich sein Inhalt aus der an den Direktor der Berliner Münze gerichteten Kabinettsordre vom 26. Januar 176018. Danach wurde der Münzfuß mit Ausnahme der preußischen Courantmünzen, für die er 19% Rtlr. blieb, von 1924 auf 30 Rtlr. herabgesetzt. Die neuen, so stark verschlechterten Münzen erhielten dann alle die Jahreszahl 1753, die Bevölkerung sollte die neuen Münzen zu 30 Rtlr. von denen zum alten Münzfuß von 19% Rtlr. ausgemünzten nicht unterscheiden können. Während die neuen Münzen durch die Juden in den Verkehr gebracht werden durften, wurde ihre Annahme aber den öffentlichen Kassen verboten. Das führte naturgemäß zu höchst unerquicklichen Zuständen. Die Münzentrepreneurs erhielten dazu 1760 noch die Erlaubnis, Berliner Kupferdreier gegen 20 000 Rtlr. Schlagschatz zu münzen. Zu diesem Zwecke legten die Hofmünzer in Berlin eine dritte Münzstätte vor dem Königstore an, die der Staat 1799 für 12 000 Rtlr. von den Erben der Ephraim und Itzig kaufte. Auch der Münzkontrakt für 1761, der wiederum mit Ephraim und Konsorten abgeschlossen wurde, fehlt uns. Jedenfalls erreichten die Münzentrepreneurs neue Zugeständnisse. Sie durften jetzt Tymphe schlagen lassen, so viel sie wollten, noch dazu zu einem Münzfuß von 40 Rtlr., während für die anderen Sorten der 30-Rtlr.-Fuß beibehalten wurde. Der Hauptkontrakt wurde im Dezember 1760 in Leipzig aufgesetzt. Der Schlagschatz sollte 4100 000 Rtlr. betragen, noch im März 1761 sagten die Münzfaktoren gegen weitere Zugeständnisse die Er-

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höhung auf fünf Millionen zu; der König war damit einverstanden. Es mufl aber 1761 noch ein weiterer Kontrakt zustande gekommen sein; denn der bis zum 22. März 1762 für das Jahr 1761 gezahlte Schlagschatz der Münzfaktoren betrug sechs Millionen Rtlr. Als die Russen aus Ostpreußen abzogen, fiel 1762 audi die Königsberger Münze an Ephraim und Itzig. Die Münzunternehmer verstanden es, sich die Konkurrenz der Nachbarländer so viel wie möglich fernzuhalten. Am 3. Januar 1761 stellten Ephraim und Itzig auch den Antrag, das nach Stralsund, Schwerin und Strelitz gehende Silber zu requirieren, doch lehnte der König am 2. Februar noch, ab, da nur unangenehme Repressalien zu befürchten wären. Dagegen wurde ihrem Antrage stattgegeben, den nach Polen geflohenen M ü n z j u d e n M a r t i n e c k verhaften zu lassen, weil er es gewagt hatte, Ephraim und Genossen zu betrügen. Martineck wurde ausgeliefert und nach Küstrin gebracht. Als Ephraim und Itzig hörten, daß in Sondershausen eine neue Münze eröffnet werden sollte, schickten sie sofort eine Eingabe an den Fürsten, der ihnen aber mitteilen ließ, daß er nur die nötige Scheidemünze herstellen lasse. Anhalt-Bernburg dagegen wurde mit Gewalt an der Ausmünzung gehindert, wie wir noch sehen werden; mit Gewalt wurde dann 1761 auch die Münze in Schwerin aufgehoben; ebenso erging es der Münze der Äbtissin von Quedlinburg und des Herzogs von Holstein-Plön, die 1762 Ephraim selbst in Pacht nahm. So schaltete der Münzentrepreneur jede Konkurrenz aus. Recht aufschlußreich ist ein Immediatbericht der Münzfaktoren Ephraim und Itzig vom 6. März 1761, in dem sie dem Könige berichten, sie hätten seit einigen Jahren den Schlagschatz auf zwölf Millionen gebracht und dazu über 50 Millionen Rtlr. an gutem Geld aus Polen, Rußland und Ungarn mit leichtem Geld, besonders den Ephraimiten, herausgezogen. Daran knüpften Ephraim und Itzig die Bitte — Isaak hatte sich damals von ihnen getrennt —, ihnen die Rechte christlicher Kaufleute zu gewähren. Ja, die beiden Hofmünzer machten die Gewährung ihrer Bitte zur Voraussetzung für die Zahlung eines Schlagschatzes von fünf Millionen. Wenn man sich ins Gedächtnis zurückruft, in welcher verzweifelten Lage sich Friedrich der Große in jener Zeit befand, dann kann man verstehen, daß der König ihr Gesuch durch Kabinettsordre aus Leipzig vom 9. März 1761 an das Generaldirektorium bewilligte19. Die Angaben der beiden Münzfaktoren über den Schlagschatz von zwölf Millionen und die Geldeinfuhr in Höhe von 50 Millionen dürfen als zutreffend gelten; sie zeigen, welchen gewaltigen Umfang diese Münzgeschäfte hatten, und lassen ahnen, welche ungeheuren Gewinne

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der Staat und sein© Münzentrepreneurs daraus gezogen haben. Erwähnt sei hier nur, daß die drei Münzfaktoren auch die Bembufger Münze in ihre Gewalt bekamen, und daß minderwertige Bernburger Münzen in großen Mengen auch in Dresden und Leipzig hergestellt wurden' 0. Die größeren norddeutschen Staaten versuchten, das minderwertige Geld Preußens, besonders die Ephraimiten, abzuwehren; wogegen sich wiederum Ephraim zur Wehr setzte, der darum mehrfach das auswärtige Departement anging. So befahl zum Beispiel am 16. Februar 1759 die Braunschweigische Regierung dem Fränkel in Braunschweig, 42 000 Rtlr. Drittel wieder außer Landes zu schaffen. Preußens Verbündete suchten sich ebenfalls der Ephraimiten zìi erwehren. Durch unzutreffende Behauptungen wirkte Ephraim solchen Bestrebungen entgegen. Ganz falsch war seine Angabe, daß die Ephraimiten mindestens um 6 % besser wären als die Münzen anderer Fürsten. Das wichtigste Zentrum für den Gold- und Silberhandel im Nordwesten war auch damals schon Hamburg, und Ephraim und Itzig weilten häufig dort. Der kaiserliche Gesandte in der Hansestadt protestierte gegen die Anwesenheit der Münzfaktoren. Am 25. September 1759 berichtete der preußische Resident in Hamburg, daß die kaiserliche Regierung vom Hamburger Magistrat gefordert habe, die preußischen Hofmünzer Ephraim und Itzig auszuweisen. Der Resident Hecht habe darauf den gerade anwesenden Ephraim kommen lassen und ihn gebeten, seinen Wohnsitz nach Altona zu verlegen, was Ephraim zu tun versprach. Der Münzfaktor wandte sich aber noch an den dänischen Geschäftsträger, der sofort eine Drohnote nach Hamburg richtete mit dem Hinweis, daß er von seinem Hofe angewiesen sei, Ephraim allen Schutz angedeihen zu lassen; der Geschäftsträger warnt zum Schluß den Magistrat, gegen Ephraim vorzugehen. Ephraim hatte kühn behauptet, er sei dänischer Untertan, obwohl bereits sein Vater von Hamburg nach Berlin gezogen war. Zweifellos waren die Ephraim aus Holland in jene Gegend gekommen; 1692 war die Glückstädter Münze an einen J a k o b E p h r a i m z u Altona verpachtet. Doch kennen wir nicht die verwandtschaftlichen Beziehungen dieses Münzers Jakob Ephraim zu der gleichnamigen Familie in Berlin. Ein Jakob Ephraim stand außerdem in Diensten des bekannten Hof juweliers Jost Liebmann21. Den letzten Kontrakt mit den Münzentrepreneurs Ephraim und Itzig schloß Preußen am 17. Dezember 1762. Danach sollten die Hofr münzer vom 1. März 1763 an innerhalb eines Jahres eine Million; Feinsilber vermünzen. Daß Ephraim und Genossen bereits die Erbitterung $

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der Bevölkerung fürchteten, gebt aus ihrem Bestreben hervor, in immer stärkerem Maße den Schütz der Regierung zu erhalten. Obwohl die vertragliche Menge gar nicht ausgemünzt wurde, da der Friede zu Hubertusburg den Krieg inzwischen beendet hatte, zahlten die Münzfaktoren den ganzen Schlagschatz. Von 1763 ab erfolgte dann der Ubergang vom schlechten zum guten Münzfuß; wiederum auf Kosten der Bevölkerung. Die Münzentrepreneurs des Siebenjährigen Krieges hatten natürlich ein großes Interesse daran, ihren Abolitionssçhein zu erhalten, um sich gegen künftige Untersuchungen zu sichern. Sie erhielten am 25. Juni 1764 auch die Déchargé, durften sie jedoch nicht, wie sie gewünscht hatten, in den Zeitungen veröffentlichen; noch 1771 bestand das Verbot, die Münzkontrakte den Gerichten anzuvertrauen 22. Friedrich dem Großen war zweifellos dieses ganze Kapitel höchst unangenehm; er wollte möglichst wenig daran erinnert werden. Die Motive für das Handeln des Königs sind begreiflich. Wir wissen, daß Friedrich II. persönlich den Juden abgeneigt war. Im Siebenjährigen Kriege hat er aber die Münzentrepreneurs in den Dienst seiner Finanzpolitik gestellt, um den Staat zu retten und durchzuhalten. Die Praktiken waren natürlich für Handel und Wandel verderblich und haben noch lange nachgewirkt, da auch die kleinen Nachbarländer das schlechte Beispiel Preußens nachahmten, so daß eine allgemeine Münzverwirrung die Folge war. Aber für den König handelte es sich um einen Kampf, bei dem die Existenz des Staates auf dem Spiele stand; da ließ er alle anderen Rücksichten schweigen. Seinen Zweck hat Friedrich mit dieser Münzpolitik, in der die Hofmünzer seine Werkzeuge waren, erreicht; er hatte immer Geld in der Kasse. Als der Krieg überstanden war, hörten im allgemeinen die Münzverschlechterungen auf. Wie groß die Einnahmen gewesen sind, die der König allein der Münzverschlechterung zu verdanken hatte, wie hoch eich die Gewinne der Münzfaktoren beliefen, ist Geheimnis geblieben. Ebenso verständlich sind die Gründe für das Handeln der Münzfaktoren. Sie kannten nur ein Ziel: reich werden. Jeder edle Beweggrund, jedes Staatsinteresse fehlt. Diese Münzentrepreneurs besaßen das weite Gewissen und die notwendige Hemmungslosigkeit für solche Finanzoperationen, und in ihren Glaubensgenossen, den zahllosen Hausierern, fanden sie die bereitwilligen Helfer, die aus den Nachbarländern das gute Geld herauszogen und das minderwertige dort unter die Leute brachten. Dem Treiben der Hofmünzer kfcm zudem die allgemeine Unvollkommenheit der Münztechnik zu Hilfe, jede Münzmenge eines Landes enthielt von vornherein eine erhebliche Ungleichheit. Es gab schwere und leichte, gute und schlechte

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Münzen. Fast die gesamte Epoche des Frühkapitalismus ist eine Kipper- und Wipperzeit gewesen, die den Juden Gelegenheit bot, aus dem Münzwesen durch Malversationen Gewinne zu erzielen, und den erbitterten Haß der Bevölkerung ertrugen sie, da sie ohnehin als Fremdlinge galten und unter Fremdenracht standen. Die Münzentrepreneurs besaßen trotzdem die Kühnheit, ihre Verluste während des Krieges Ende 1763 auf 5% Millionen zu berechnen; eine Rechnung, die nur ahnen läßt, wie hoch sie verdient haben müssen. Jedem Unternehmer verblieben mindestens eine Million Rtlr. Dabei tauchen alle diese Familien — die Gomperz ausgenommen — aus der besitzlosen Menge empor, sind aber nach dem Kriege Millionäre und zählen zu den reichsten Familien in Berlin und Preußen. Gegen die Münzentrepreneurs spricht am stärksten, daß sie sich nicht an die Kontrakte hielten, sondern immer schlechter ausmünzen ließen, als vereinbart war. Allerdings wurden die Unternehmer für ihre Münzverbrechen niemals zur Verantwortung gezogen. Das konnte der preußische Staat in seiner Notlage wohl nicht; dies entlastet die Hofmünzer aber in keiner Weise; denn die Verträge waren so günstig, daß sie große Gewinne erzielten, wenn sie die Gelder zum vertraglichen Münzfuß prägen ließen. Selbst mit dem Feinde des Staates, dem polnischen Kronschatzmeister Grafen Wessel, machten Ephraim und Genossen Geschäfte, an denen der Gegner noch 100 000 Rtlr. verdiente, Ephraim war 1758 sogar vorübergehend in Haft genommen worden, da er seine Handelsbücher nicht vorlegen konnte, als festgestellt werden sollte, „ob mehr als das kontraktmäßige Silberquantum und ob solches nach dem geordneten Münzfuß ausgeprägt". Ebenso stand Ephraim mit dem sächsischen Finanzmann Grafen Bolza in Verbindung28. Mit ihren Agenten hatten Ephraim und Itzig nach dem Siebenjährigen Kriege noch manchen Prozeß zu führen, so mit Moses Heymann und Juda Ephraim Levi, ihren Spezialdisponenten in Breslau. Interessant ist an diesen Prozessen der Hofmünzer untereinander zweierlei; einmal war es mit ihrer Einigkeit nicht weit her, sobald es sich um ihre eigenen Geldinteressen handelte, und zum andern ließen sich die Agenten der großen Münzentrepreneurs recht ansehnliche Gehälter bewilligen. So haben Heymann und Levi sich für 1762 nicht weniger als 20000 Rtlr. „Salario" gutgeschrieben, das sind Bezüge, die weit über den Gehältern der Minister unserer Zeit liegen. Von den großen Münzfaktoren war noch während des Siebenjährigen Krieges Herz Moses Gomperz durch den Tod ausgeschieden. Moses Isaak wurde von Ephraim verdrängt, so daß wir über seine Münztätigkeit nach 1760 nichts mehr hören. Immerhin hatte auch Isaak riesige Münzgewinne eingeheimst, und der Fürst von Anhalt-Bern9*

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bürg bemühte sich vergeblich, den Berliner Hofmünzer erneut für die Bernburger Münze zu gewinnen. Nach, dem Kriege betätigte sich der Hofmünzer in der Seidenindustrie, in welcher sein Schwiegersohn Moses Bernhard schon in der zweiten Generation tätig war. Am 22. Juli 1765 erwarb Moses Isaak für sich und seinen Schwiegersohn die Konzession zum Betrieb einer Sammetfabrik in Potsdam mit mindestens 100 Stühlen, Zur Einrichtung der Fabrik wurden ihnen vier Häuser überschrieben; das Unternehmen wurde jedoch ein Mißerfolg. Durch Kabinettsordre vom 15. Oktober 1768 ward Isaak gestattet, die Fabrik aufzugeben. Ob er die geschenkten Häuser wieder zurückgeben mußte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Moses Isaak starb am 13. Mai 1776; sein Nachlaß betrug immer noch rund % Million Rtlr., also mehrere Millionen Mark. Einen Teil des Vermögens, etwa 250000 Taler, bestimmte er zu einem Fideikommiß bis zur Enkel-Generation. Daran sollten von seinen drei Söhnen und drei Töchtern alle beteiligt sein; nur der zweite Sohn Meyer Moses Levy, der nicht geraten war, wurde auf den Zinsgenuß von 20 000 Rtlr. beschränkt. Seine Geschwister setzten ihm außerdem noch eine Jahres rente von 2500 Rtlr. aus. Jede Tochter des Hofmünzers erbte dazu ein Kapital von 96000 Rtlr., mindestens ebensoviel die Söhne. Vom Fideikommiß sollten die Kinder ausgeschlossen werden, die nicht beim Judentum blieben. Nach Isaaks Tode ließ sich zunächst seine jüngste Tochter Rebekka taufen; sie erhielt den Namen Augustine Caroline Flies. Die Taufrede hielt am 13. Januar 1780 Johann Heinrich Sigismund Koblank, Feldprediger des Infanterieregiments von Braun. Wie wichtig die Berliner Kreise dies Ereignis nahmen, zeigt die Tatsache, daß die Taufrede bei Georg Jakob Decker sogar im Druck erschien. Auf die Taufe folgte die Heirat mit dem Artillerieleutnant von Runkel. Bald darauf ließ sich Rebekkas Schwester Blümchen, seit 1778 von Joseph Arnstein geschieden, ebenfalls taufen. Caroline Luise Eleonore Flies heiratete dann den Kammerassessor von Bpse. Rebekkas Absichten hatte ihr Bruder am 31. Januar 1780 Friedrich dem Großen gemeldet. „Sie hat sich heimlich aus unserem Hause wegholen lassen, um nunmehr ihrer Passion für den Leutnant von Runkel bei der Artillerie ungebunden nachgehen zu können." Friedrich der Große stellte sich auf die Seite seiner Hofmünzer und bestätigte zweimal, am 1. Februar 1780 und am 7. März 1785, das Testament Isaaks, welches die getauften Kinder vom Genufl des Fideikommisses ausschloß. Eine Anfechtung der Testamente Isaaks und Itzigs, der ähnliche Bestimmungen getroffen hatte, werde er nicht zulassen.

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Trotzdem klagten, di© béiden Schwestern 1786, und in zwei In* stanzen ward auf Nichtigkeit der betreffenden Klausel erkannt, da diese gegen die guten Sitten und die Stellung der christlichen Religion verstoße. Die letzte Instanz, das Geheime Obertribunal, stieß aber im September 1786 das Urteil wieder um, und Friedrich Wilhelm IL, ein Gönner der Juden, war sehr befriedigt über diese Entscheidung. Doch sollten Vorkehrungen getroffen werden, daß in Zukunft jüdische Testamente mit solchen Klauseln nicht mehr aufgesetzt würden. Wegen des Testaments und des Prozesses kam es sogar zu einer öffentlichen Polemik, an der sich der Berliner Oberkonsistorialrat und Propst D. Teller und der Hofrat und Professor Olaf Tychsen zu Bützow beteiligten und die auch im Druck erschien. Die öffentliche Meinung stand auf Seiten der Schwestern, so daß sich die Brüder zu einem vom König bestätigten Vergleich bereit fanden, der den Schwestern 75 000 Rtlr. zugestand, die nach ihrem Tode wieder dem Fideikommiß zufallen sollten. Die Ehen der beiden Schwestern blieben übrigens kinderlos; 1815 waren sie von ihren Männern bereits geschieden. Von den Söhnen Isaaks wurden dann zwei selber Christen; der dritte Sohn blieb zwar beim Judentum, ließ aber seine Kinder taufen. Der älteste Sohn Dr. med. J o s e p h F l i e s , Schwiegersohn Daniel Itzigs, lebte 1815 als K g l . K a m m e r r a t Carl Ferdinand Flies in der Spandauer Str. 21. Im gleichen Jahr verkaufte er sein Haus an das Generalpostamt. Der Ubertritt zum Christentum war schon vor der Judenemanzipation erfolgt. Aus M e y e r M o s e s L e v y I s a a k , den der Vater verstoßen hatte, war schon 1788 Ferdinand Wilhelm Flies geworden. Der dritte Sohn Baer Moses Levy Isaak betrieb als B a e r F l i e s die Bankgeschäfte des Vaters;, 1787 erhielt er die Rechte christlicher Kaufleute, gehörte also zu den Generalprivilegierten, und 1795 die Konzession zum Engroshandel mit allen Materialwaren. Seine zweite Frau Hitzel aus der privilegierten Familie Bernhard heiratete nach ihrer Scheidung und Taufe einen adligen Hauptmann. Baer Flies starb am 27. Juli 1821 als Jude; aber seine Söhne wurden Christen. Carl Eduard Flies (1770—1829) war Dr. med., Heymann Flies (—1842), nach der Taufe Joachim Heinrich genannt, machte den Befreiungskrieg mit und wurde Premierleutnant; er erhielt das Ε. Κ. II. Kl. Seine beiden Söhne wurden gleichfalls Offiziere. August Heinrich Flies war 1838 Kgl. Hauptmann der Garde-Artellerie, sein Bruder Eduard Moritz Flies (1802—1886) erhielt am 18. Juni 1864 als Oberst und Kommandeur der 6. Kavalleriebrigade den preußischen Adel. Im Deutschen Kriege 1866 kommandierte er die preußischen Truppen bei Langensalza und zwang die Hannoveraner zur Kapitulation. Er

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brachte es bis zum Generalleutnant, für die damalige Zeit eine seltene Karriere für einen aus dem Judentum stammenden Offizier. Aus der Ehe mit Therese von Schönfeld hinterließ er eine Tochter, so daß die Familie im Mannesstamm erlosch. Was von den Nachkommen Isaaks gesagt worden ist, trifft im allgemeinen auch, auf die nachfolgenden Generationen der anderen Münzentrepreneurs zu. Jeder Münzfaktor hatte bei Kriegsende ein Vermögen von etwa einer Million Rtlr. Später wurden die Vermögen kaum vermehrt. Die zweite Generation fing es schon an zu zerstören, die dritte Generation stand meist in anderen Berufen, hatte ihren Namen geändert und war zum Christentum übergetreten. Die Firmen brachen edle zusammen, die Vermögen zerrannen 24. Die Familien Ephraim und Itzig spielten auch noch nach dem Siebenjährigen Kriege eine Rolle in der preußischen Münzgeschichte, und einzelne Mitglieder erhielten noch Vorrechte, wie sie keinem anderen Hoffaktor in norddeutschen Staaten verliehen wurden. Diese Münztätigkeit der beiden Familien soll hier gleich angeschlossen werden. Der alte Ephraim freilich kam nach dem Siebenjährigen Kriege kaum noch zu Bedeutung; dagegen behauptete der alte Itzig noch lange seine Machtstellung. Für die Zeit von 1771—1786 war Daniel Itzig sogar alleiniger Großlieferant; Ephraims Söhne Benjamin Veitel und Joseph Veitel vermochten ihm keine Konkurrenz zu bieten. Alle ihre Gesuche nutzten ihnen nichts. Die Gebrüder Ephraim blieben im allgemeinen an kleineren Operationen beteiligt, so an der Verschlechterung der Scheidemünze 1770, als der Münzfuß von 18 Rtlr. auf 21 bis 24 herabgesetzt wurde. Benjamin Veitel hat sich später selbst beschuldigt, diese Münzverschlechterung dem Könige angeraten zu haben25. Auch die polnischen Nachmünzungen von 1770 geschahen nach Anweisung Benjamin Veitel Ephraims; es wurden für 8038 Rtlr. polnische Scheidemünzen geprägt. Umgekehrt zogen die Ephraim aus Polen erhebliche Mengen Silber heraus. Dann trat wieder Itzig als erfolgreicher Konkurrent auf, und beide Münzfaktoren überboten 1771 einander in der Münzverschlechterung. Am 26. September des Jahres trieb Daniel Itzig für 1500 Mark den Münzfuß wieder auf 30 Rtlr, Dann verschwindet Benjamin Veitel fast ganz aus der preußischen Münzgeschichte. Die Firma Ephraim hatte auch die Nachahmungen der holländischen Dukaten übernommen, die Friedrich der Große in den 50er Jahren hatte nachschlagen und 1770 wiederholen lassen. Der Bruder Joseph Veitel Ephraim, von dem wir im allgemeinen sonst wenig hören, stellte im November 1772 den Antrag auf Vermünzung von 200 Mark in polnische Sorten; dies wurde ihm zugestanden.

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Die Gebrüder Ephraim waren auch die Besitzer der Berliner Affinerie, die sich hinter ihrem Hause am Molkenmarkt befand, das sie dem Geheimrat Koppen abgekauft hatten. Am 16. März 1764 erhielten sie für ihre Affinerie die Konzession; das finierte Silber blieb ihr Eigentum, doch hatte der König das Vorkaufsrecht. 1781 brannte die Affinerie ab, ward aber wieder aufgebaut. L e v i n M o s e s P h i l i p p , Vetter und Schwager der Gebrüder Ephraim, hatte die Affinerie in Amsterdam; beide Firmen arbeiteten zusammen; eine Zeitlang leitete Benjamin Veitel die Niederlassung. Auch hier haben die Ephraim nachweisbar ihre Pflicht verletzt. Die Goldscheidung wurde gleichfalls in der Affinerie der Gebrüder Ephraim betrieben. Mit Daniel Itzig wurden noch zahlreiche Lieferungsverträge abgeschlossen, so am 27. Oktober 1779 auf 12 000 Mark Feinsilber, am 14. April 1780 über 24000, am 17. November 1780 über 12 000, am 1. Juli 1781 über 12 000 und von 1781—1783 über weitere 54000 Mark Feinsilber. Itzig lieferte für die Münzen in Berlin, Königsberg und Breslau. Auch in den weiteren Jahren war er an den Lieferungen beteiligt, und riesige Gewinne wurden erzielt. Im Jahre 1770 erhielt Itzig auch die Erlaubnis, für Königsberg aus preußischem Silbercourant 200 000 Rubel münzen zu lassen; auch holländische Münzen hat er geprägt. Itzigs Söhnen gelang es dagegen nicht, so in das Geschäft zu kommen wie ihrem Vater. Der eine Sohn, Isaak Daniel Itzig, betätigte sich als Hoffaktor auf verschiedenen Geibieten; wir werden ihm in unserer Darstellung noch begegnen. Von dem anderen, Jakob Itzig, hören wir nur wenig; als er 1795 seine Teilnahme an den Scheidemünzprägungen anbot, wurde er abgewiesen, weil die preußische Seehandlung die Gewinne nur dem Staate zuführen wollte. Auch Daniel Itzig hatte, wie die Gebrüder Ephraim, 1764 eine Konzession zum Finieren erhalten, aber nicht nur für Berlin, sondern auch für Magdeburg und Königsberg; ihm war das Finieren zur sogenannten „höchsten Feinheit" gelungen. Bevor wir die weitere Tätigkeit der Familien Ephraim und Itzig verfolgen, lassen wir in einer gedrängten Übersicht die ganze Reihe all jener Münzentrepreneurs vorüberziehen, die entweder in den Diensten dieser jüdischen Großlieferanten standen oder selbständige Lieferanten waren. Wir stoßen dabei gleich bis in die Zeit der Judenemanzipation vor. Ostfriesland hatte seine Hoffaktoren wie die anderen kleinen norddeutschen Staaten; die jüdische Siedlung in Aurich war eine Folge der Privilegierung der Hof juden durch das Fürstenhaus Cirksena2®. C a i m a n A b r a h a m war Hoffaktor des Grafen Ulrich II. und seiner Gemahlin Juliane. Als während des Dreißigjährigen Krieges

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Ulrich Soldaten werben sollte, um damit die Hessen aus seinem Lande zu vertreiben, sandte er Abraham und seinen Leibarzt mit Juwelen nach Holland, um diese zu Gelde zu machen. Die Juwelen hatten einen Wert von 54 630 fl. Abraham erhielt darauf zuerst 10 000 fl. geliehen, dann auf der zweiten Reise nodi 7000fl. und auf drei ihm mitgegebene Perlenschnüre 8320 fl. M e y e r C a i m a n war von 1671—1688 Hofbankier unter Christine Charlotte; er tätigte Geldgeschäfte. Um die gleiche Zeit wanderte Aurichs bekanntester und mächtigster Hoffaktor ein. A a r o n A b r a h a m B e e r zum Drachen aus Frankfurt a.M. und danach seine beiden Söhne A b r a h a m und L e v i B e e r wurden die letzten Hoffaktoren der Cirksena. Seit 1686 stellte Beer seinem Landesherrn Wechsel aus; zehn Jahre später war er Hoffaktor. Der Hofbankier war zugleich Landesparnaß, wie der Landesrabbiner des Fürstentums genannt wurde. Aus dem Generalprivileg Georg Albrechts vom September 1708 in Ergänzung mit dem Generalgeleitsbrief des letzten Fürsten Carl Edzard vom 12. Juni 1734 ergibt sich, daß der Hofbankier und Landesparnaß eine machtvolle Stellung innerhalb der Judenschaft einnahm. Der Geleitsbrief des Fürsten ernannte zugleich Beers jüngsten Sohn Abraham zum adjungierten Hof juden. Die Aufgaben der Hof juden werden darin wie folgt beschrieben: a) Über die Stellung des Hof juden. Wir geruhen in Gnaden, dem gealteten Hof juden Aaron Abraham Beer seinen jüngsten Sohn Abraham Beer als Hof jude, Parnaß, Rabbi und Richter zu adjungieren und nach seinem erfolgten Todesfall zu eubstituiren unter Direktion des Vaters. Die sämtliche Judenschaft im Lande, außer in Emden, soll ihn als ihren vorgesetzten Parnaß, Rabbi und Richter erkennen, respektieren und der Billigkeit nach Gehorsam leisten. b) Über die Jurisdiktion desselben (Judengericht). Der Rabbi soll mit Zuziehung zweier jüdischer Männer, die zwischen den Juden vorfallenden Streitigkeiten über jüdische Zeremonien, wie auch in erster Instanz in bürgerlichen oder Zivilsachen, und insonderheit injurien, nicht aber Kriminal- und peinlichen Sachen nach jüdischer Ordnung schlichten, auch die Mutwilligen und Widerspenstigen nach Befinden in eine Geldstrafe (Brüche) verurteilen oder gar in den Bann tun mögen, jedoch, daß von den diktierten Brüchen zwei Drittel unfehlbar an unsere Ober-Rentei eingeliefert, ein Drittel aber den Armen der Juden zum besten verbleiben solle. Der Hofjude hat das Protokoll einzusenden, daß der Anteil vom fürstlichen Rechnungsamt kontrolliërt wird.

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c) Spezialgeleit gibt es für Einheiraten (mit gleichzeitigem Heiratskonsens) und Selbständigmachung am Platze, vermittelt durch die Hand des Hof juden gegen sechs Taler Gebühr. d) Betteljuden sind nur mit Ausweis des Hof juden als Einsammler wohltätiger Kollekten geduldet, sonst bei Strafe des Raupenschlagens ausgeschlossen. Aus dem Schutzbrief von 1740 für den H o f j u d e n L e v i B e e r geht hervor, daß er für den Fürsten einen Kasten Silbergeschirr nach Aurich bringen soll. Dieser Beer war danach in erster Linie Hofjuwelier. Als Ostfriesland 1744 an Preußen kam, blieben die Mitglieder der Familie Beer in ihrer privilegierten Stellung; sie fanden jetzt Verwendung als Münzentrepreneurs. Abrahams Sohn I s a a k B e e r war der letzte Landesparnaß von Ostfriesland; er wurde 1777 von der preußischen Regierung eingesetzt, 1807 pensionierte ihn Holland mit 500fl. Isaaks Sohn fristete sein Löben als armer Schreiber. Als Lieferant für Aurich war der in Emden wohnhafte M ü n z f a k t o r A r e n d H e y m a n n tätig, ein Agent Ephraims. Er veränlaßte eine enorme Produktion an minderwertigem Gelde, besonders in mecklenburgischen Dritteln und Mariengroschen. Das bewirkte eine große Preissteigerung, und schließlich machte sich die Erbitterung des armen Volkes in einem Aufstand in Emden am 13. Februar 1761 Luft. Heymanns Wohnung wurde zertrümmert, vier andere Judenhäuser geplündert. Am 30. Mai 1762 kam es zu einer zweiten Volksèrhebung, und da sich die Bürgerwehr aus Solidarität mit dem Volk weigerte vorzugehen, so wurde den Münzern alles zerschlagen. Die minderwertigen Mariengroschen, vom Volke „Heymännchen" genannt, hatten eine verderbliche Wirkung auf Handel und Leben. Die Schuldner zählten mit schlechtem Gelde, und die große Preissteigerung brachte Lohn- und Gehaltsempfänger in entsetzliche Not. Viele konnten kaum ihr Leben fristen, nicht wenige wanderten aus. Auch der Auricher Münzfaktor A a r o n M e y e r , Schwiegersohn des Veitel Ephraim, erfüllte seine Zusage, die minderwertigen Münzen außer Landes zu schaffen, nicht. Zu den Hauptlieferanten der Auricher Münze gehörte M e y e r S a l o m o n d e r J ü n g e r e , der auch zu Berlin gute Beziehungen hatte. Mit ihm wurde am 18. März 1767 abgeschlossen. Der Münzfaktor sollte innerhalb von neun Monaten 10 000 Mark Feinsilber zur Ausprägung von Scheidemünzen liefern, iils Bezahlung wurden 65000 Rtlr. in Courant und 85 000 Rtlr. in Scheidemünzen festgesetzt. Zur Überraschung lehnte jedoch die Bevölkerung die neuen Scheidemünzen ab, Meyer Salomon konnte seinen Kontrakt nicht erfüllen,

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und 1768 ging die Münze in Aurich ein. Die Angelegenheit hatte noch ein böses Nachspiel, das bezeichnend ist für eine gewisse Verbundenheit leitender Beamter mit jenen privilegierten Hofmünzern. Münzdirektor Unger hatte von Meyer Salomon die bestimmte Zusage erhalten, daß dieser auf alle Forderungen an die Münze verzichte. Trotzdem gab der Hofmünzer einen Wechsel von 3000 Rtlr., den ihm Unger ausgestellt hatte, an Joseph Veitel Ephraim, der Unger nach der Verfallszeit verklagte. Darauf wurden von Unger» Gehalt 1770—1789 jährlich 200 Rtlr. einbehalten, wegen des Restes von 241 Rtlr. wollte noch Salomons Witwe klagen, ward aber abgewiesen, denn es stellte sich heraus, daß nach der Berechnung eigentlich Salomon dem König 1022 Rtlr. schuldig geblieben sei, die man nur aus Mitleid nicht eingetrieben hatte. In Emden mußten die Hofmünzer geschützt werden, da die Entrepreneurs diesen Ort „bey Absendung des Silbers und Geldes auf dem Cours von Holland und Hamburg nicht vermeiden können". Schlesien kannte das System der Hoffaktoren vor der Einverleibung in Preußen in der Hauptsache in zweifacher Form; es gab zahlreiche H a u s j u d e n der Teilfürsten und Magnaten, die ihren Herren Gelder vorstreckten, Juwelen lieferten und in den meisten Fällen die Schnapsbrennereien in Pacht hatten; daneben finden wir eine kleinere Zahl kaiserlicher Münzfaktoren, die für die Breslauer Münze privilegiert waren. Einige Beispiele mögen das System kennzeichnen27. S a l o m o n als Hof- und Küchenmeister des Herzogs Heinrich VI. von Breslau haben wir bereits kennengelernt. Herzog Bolko III. von Liegnitz borgte sich 1328 von einem Juden, dessen Namen wir nicht kennen, 8000 Gulden; Herzog Ludwig von Brieg lieh sich 1358 und 1365 größere Summen zu dem hohen Zinsfuß von 54 % von dem Juden Μ ο s c h ο. Von 1324—30 war der Rat der Stadt Breslau bei den Juden E c k e h a r d und J a k o b hoch verschuldet. Herzog Georg von Liegnitz hatte 1568 einen jüdischen Leibarzt namens A b r a h a m , der auch dem Herzog Wenzel von Teschen zur Verfügung stand. In Breslau leitete von 1546—1549 I s a a k M e y e r aus Prag die Kgl. Münze; ihn hatte der König „fürnehmlich in betracht seiner erfarnheit und zur fürderungh irer mt (Majestät) müntzwerkes für seinen d i e n e r bestellet und angenommen." Der König verlangte von dem Rat der Stadt, daß er „dafür also, und mit wie ein einwoner viel gemelter Stadt Breslau geacht, erkennet und gehalten werden solle". In der Zeit vom Dreißigjährigen Kriege bis zum Einmarsch Friedrichs des Großen nahmen die miteinander verwandten Familien Zacharias und Hirschel eine bevorzugte Stellung als kaiserliche Hof-

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und Münzfaktoren ein. L a z a r u s Z a c h a r i a s war seit 1656 Lieferant der Breslauer Münze; sein Vetter war der kaiserliche Η ο f f a k t o r und M ü n z e n t r e p r e n e u r P h i l i p p L a z a r u s H i r s c h e l , Schwiegersohn des uns bekannten Landrabbiners Bendix Ruben Gomperz. E l i a s L a z a r u s Z a c h a r i a s und A b r a h a m L a z a r u s Z a c h a r i a s , die 1744 zu den zwölf privilegierten Judenfamilien von Breslau gehören und als bisherige kaiserliche Münzlieferanten bezeichnet werden, sind zweifellos Nachkommen des Lazarus Zacharias. Zur gleichen Familie gehörten sicherlich die ebenfalls privilegierten M ü n z f a k t o r e n Z a c h a r i a s A b r a h a m , I s a a k A a r o n L e v i und G e r s o n L a z a r u s . Levi war der Schwiegersohn des Elias Lazarus Zacharias. Als die Privilegierung dieser fünf Münzfaktoren begründet werden soll, wird darauf hingewiesen, daß sie auch beim „vormaligen Feldkriegs-Kommissarius gute Dienste getan und wegen der Münze sehr nötig seien". Philipp Lazarus Hirschel war der Sohn des L a z a r u s H i r sche 1, der 1701 „Brieger Münzmeister und polnischer Faktor" wurde; seit 1704 war er als K a i s e r l i c h e r F a k t o r und M ü n z l i e f e r a n t für Breslau tätig. Zwanzig Jahre durfte er in Breslau als Prinzipal-Münzlieferant wohnen; 1708 erhielt er einen Freipaß auf 250 Maß „gearbeitetes" Silber zu seinen und der Seinen Gebrauch. Nach einem Bericht der Hofkammer an Kaiser Joseph I. vom 21. Oktober 1715 hat er in kurzer Zeit über 50000 Taler Pagament geliefert und das „fast ruinierte Münzwesen wiederumb in Gang gebracht". Lazarus Hirschel wollte auch das schlesische Salzamt in seine Hände bringen, erhielt es jedoch nicht; doch wurden ihm später Forderungen auf das Salzamt angewiesen, so am 5. November 1704: 18000 fL, dann nochmals 3000 fL, am 18. November wiederum 12 000 fl. Dem Kaiser leistete Lazarus Hirschel, der uns noch in der Darstellung über die Familie Lehmann beschäftigen wird, gewaltige Vorschüsse; sie erreichten schließlich die Höhe von 700 000 fl. Daher wurde Lazarus Hirschel K a i s e r l i c h e r O b e r f a k t o r und durfte sich in Wien etablieren. Sein schon genannter Söhn Philipp Lazarus Hirschel leitete das Geschäft in Breslau weiter, und am 21. Juli 1724 erhielt er auch die Pacht de® schlesischen Judentoleranzimposts. 1749 kam er im Alter von 63 Jahren bei einer Pulverexplosion um. Die Familie konnte ihre privilegierte Stellung auch unter Friedrich dem Großen halten. A b r a h a m I s a a k aus Glogau erscheint 1677 als Lieferant der Breslauer Münze, auch der Landrabbiner G o m p e r z gehörte zu den Münzlieferanten in österreichischer Zeit; 1697 werden noch als Münzfaktoren der Breslauer Münze genannt: H i r s c h e l P e r l h e f t e r a u s Austerlitz und E s t e r R o s e n b e r g . H a r t i g M o s e s aus Hamburg stand mit der Breslauer Münze in Verbindung, und

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E m a n u e l B e n e d i k t , Goldschmied aus Glogau, belieferte die Münzen zu Breslau und Oppeln; 1710 erhielt er das kaiserliche Privileg, wonach er als Münzlieferant drei Jahre in Breslau wohnen durfte. Im Jahre 1722 gab es in Glogau acht Hof juden, die ihre Nahrung „bey der Adelschaft aufm Lande durch Herbeischaffung, was verlangt wird", suchten, 1758 in der gleichen Stadt den Hof juden K i r c h n e r Schlamm. Friedrich der Große bestätigte am 27. November 1742 der Familie Zacharias das Vorrecht der alleinigen Metallieferung zur Breslauer Münze. Mit dem Breslauer M ü n z f a k t o r H e u m a n n , der uns noch als besonders privilegierter Jude begegnen wird, arbeitete der höchst merkwürdige I s a a k J a k o b v o n P i l t z zusammen, der Hausfaktor des polnischen Großschatzmeisters Grafen von Wessel war. Als S t e m p e l s c h n e i d e r standen M a r k u s und P h e i b i s eh in den Diensten der Breslauer Münze. Kommissär Daniel Itzigs in Breslau war H i r s c h S i m o n , der auch als selbständiger Lieferant auftrat. Im Jahre 1780 wurden mit ihm zwei Verträge abgeschlossen auf Lieferung von zunächst 7000 Mark, dann 14000 Mark Feinsilber, 1780—81 sollte er für 100 000 Rtlr. Gold und 3500 Mark Feinsilber liefern, doch wurden diese Aufträge nur zum Teil ausgeführt. Der judenfreundliche Provinzialminister von Schlesien, Graf Hoym, verschaffte diesem Münzentrepreneur unentgeltlich ein für diese größte Provinz geltendes GeneralHandelsKPrivilegium28. Hirsch Simons Dankbarkeit bestand nun darin, daß er und sein Prinzipal Daniel Itzig den Münzdirektor Lessing bewogen, auf der Kehrseite mehrerer Friedrichsdors, Taler und Dreikreuzer von 1781 statt der gewöhnlichen Umschrift Hoy ms Geburtstag zu setzen. Das war nicht nur ungesetzlich, sondern ungehörig. Generaldirektor Gentz erklärte zwei Jahre später dieses Verfahren für einen schrecklichen Mißbrauch des königlichen Stempels, für einen Unfug, für eine sträfliche Leichtsinnigkeit, für ein ungeziemendes Spielwerk, womit Männer, die den Umfang und die Würde ihres Amtes kennen, sich durchaus nicht abgeben müssen". Lessing mußte die Stücke sammeln und einschmelzen, doch kamen nicht mehr alle herein 29. Hirsch Simon hat dieser Vorfall aber nicht geschadet; dafür sorgte sein Gönner Graf Hoym. Nach den Verträgen von 1784 bis 1785 hatte Hirsch Simon 14 000 Mark, dann 21 000 Mark Feinsilber zu verprägen, außerdem sollte er für 150000 ganze Taler schlagen lassen. Es folgten weitere Verträge Hoyms mit Hirsch Simon, alle über gewaltige Summen. Am 19. Juli 1786 wurden dem Münzentrepreneur allein 150000 Rtlr. Schlagschatz quittiert; am 18. Oktober des gleichen Jahres kontrahierte Hoym aufs neue mit Hirsch Simon, der bis Trinitatie 1788 an 7200 Mark für Dreikreuzer, dann Silber für

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eine ganze Million Taler liefern und 40000 Rtlr. Schlagschatz im Quartal zahlen sollte. Am 8. Januar 1787 befahl jedoch Friedrich Wilhelm II. die Aufhebung des Vertrages. Hirsch Simon hat seit 1782 auch das Kupfer für Breslau geliefert; er bezog es wahrscheinlich aus Ungarn. A m a l g a m a t e u r in Breslau war Moses I s a a k , der als erster in Preußen das Amalgamationsverfahren mit Quecksilber angewandt haben soll. Am 20. Mai 1781 bat Isaak den Generaldirektor Gentz, ihn dafür anzustellen, die Amalgamation für das Ausscheiden des Feinsilbers aus der Krätze einzuführen. Moses Isaak wurde darauf tatsächlich mit dem Wochenlohn eines Münzarbeiters von acht bis zehn Groschen angestellt. Der Berliner M ü n z e n t r e p r e n e u r W u l f f F ü r s t erhielt am 8. August 1755 für geliefertes Silber 40 000 bis 50 000 Rtlr. Moses Es a i as, wohnhaft in Glogau, war als Agent des Ephraim tätig; er gestand 1761, von Ephraim 20 000 Rtlr. in schwedischen Sorten erhalten zu haben, um damit bessere Münzen zur Lieferung an die Prägestätten einzuwechseln. Vermögende Juden suchten die Fürsten damals durch Privilegien einander wegzulocken, um dadurch den Reichtum ihres Landes zu mehren. Ein Beispiel hierfür ist der Fall des Strelitzer M ü n z f a k t o r s A b r a h a m M a r c u s e , der das stattliche Vermögen von 100000 Rtlr. besaß; 1761 siedelte er sich endgültig in Berlin an und erhielt vom Könige das Generalprivileg mit den Rechten christlicher Bankiers ; es war das erste derartige Privileg, das ein Kgl. preußischer Hof jude erhielt. Darauf wurde das gleiche Privileg auch den Familien Ephraim und Itzig verliehen. Marcuse zahlte für das Privileg die stattliche Summe von 2000 Rtlr. Er hatte sich dadurch hervorgetan, daß er die Harmonie zwischen den drei jüdischen Großunternehmern : Ephraim, Itzig und Isaak aufrecht erhielt 80. C a p p e l k a a n und M e y e r waren Neuwieder Münzunternehmer, die im Auftrage des Grafen von Wied schlechte Münzen prägten; die Neuwieder Münze hat wahrscheinlich als erste Prägestätte das Beispiel von Preußen nachgeahmt. Daran beteiligt waren zwei Frankfurter Juden, die Brüder Maas. Im Westen hatte M o s e s J a k o b H e ß , ein Agent der Münzentrepreneurs, die Aufgabe, den Truppen Gelder zu liefern. In den Diensten der Hofmünzer stand auch das Berliner Bankhaus Schweiger und Söhne. Im Jahre 1760 wurde dieser Firma ein Silbertransport von 1000 Rtlr., der für Ephraim und Itzig bestimmt war, von den Franzosen zwischen Lingen und Bielefeld aufgehoben. A b r a h a m u n d J o s e p h S e e l i g m a n n und J e r e m i a s D a v i d waren Königsberger Münzunternehmer. Dort wird 1757 als

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K g l . M ü n z m a n d a t a r i o noch. F r i e d l ä n d e r genannt, dem „20000 Rtlr. gegen eine Assignation auf die Münzentrepreneurs Herren Gomperz und Itzig, solche Summen nach, vierzekntägiger Nachsicht in Berlin in 2- und 4-Ggr.-Stücken wiederzubezahlen, allhier ausgezahlet worden". D a v i d und H e l f f t gehörten mit den Seeligmann zu jenen Juden in Ostpreußen, denen durch Verfügung vom 4. April 1764 der Aufkauf der reduzierten Sorten gestattet wurde. A l e x a n d e r M o s e s , ebenfalls Königsberger Münzlieferant, mußte 1781 als „nichtsnutziger" Jude von allen Münzgeschäften ausgeschlossen werden, weil er sogar die armen ostpreußischen Judengemeinden ausplünderte, indem er sich von ihnen zwölf Groschen Nachschuß auf die feine Mark zahlen ließ. W o l f B a m b e r g e r war Mandatar Itzigs in Königsberg für dessen Silberlieferungen. Weiter werden als Münzlieferanten genannt: S a l o m o n M o s e s L e v i n und A b r a h a m W a l l a c h , dem 1766 die Lieferung polnischer Silbermünzen für die Königsberger Münze übertragen wurde zusammen mit Joseph Seeligmann und Kommerzienrat Jakobi. Als Stettiner M ü n z f a k t o r wurde S i m o n H i r s c h bekannt. In Hinterpommern herrschte während des Siebenjährigen Krieges ein furchtbarer Geldwucher, da die Juden alles gute Geld aufwechselten, das Verbot des russischen Generals Wolkonski vom 24. März 1762 hatte wenig Erfolg. Simon Hirsch wurde wegen Wuchers bestraft, weil er die schwedischen und die mecklenburgischen Sorten gegen 12% Aufgeld mit sächsischen Groschen einwechseln wollte. Mit dem Sammeln der reduzierten Münzen nach dem Siebenjährigen Kriege beschäftigten sich zahlreiche Juden, die dafür von der Münizverwaltung besondere Pässe erhielten. Am 3. Dezember 1764 beantragten die jüdischen Bankiers J o r e s und Κ o b e r in Berlin, ihnen die Einwechslung in Pommern zu überlassen; sie wollten dafür sofort 25 000 bis 30 000 Rtlr. zur Löhnung der Regimenter zahlen. Ihr Antrag wurde angenommen, und im Frühjahr 1766 hatten in Pommern nicht weniger als 44 Juden solche Pässe; nur zweien mußten sie wieder abgenommen werden, weil sie reduziertes Geld ausgeführt hatten. Diese 42 Israeliten in Pommern lieferten an Jores und Kober und elf weitere jüdische Großlieferanten in Berlin. Ähnlich war es in den anderen Provinzen; die Zahl der privilegierten Münzentrepreneurs war also recht beträchtlich. M i c h a e l D a n i e l F ü r s t war Berliner Edelmetallhändler und Goldscheider, der von 1755—1786 ein Laboratorium der Hauptmünze benutzen durfte. Ebenso arbeitete I s a a k A b r a h a m S i m o n als Goldscheider in Berlin. Gegen finde des Jahrhunderts gehörten die jüdischen Bankiers M e n d e l O p p e n h e i m und N a t h a n L i e p m . a n n & Co. gleich-

Die preußischen Münzentrepreneurs im 18. Jahrhundert

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falls zu den. preußischen M ü n z e n t r e p r e n e u r s . Am 18.August 1796 bat Mendel Oppenheim, in der Berliner Münze preußische Zweidrittel mit mecklenburgischem Typus auf seine Kosten prägen zu dürfen; doch sollte niemand außer ihm diese Befugnis erhalten. Der König stimmte durch Kabinettsordre vom 20. August zu, und bis zum 1. Dezember des Jahres empfing Oppenheim 41 404 Stück; für diese Münzen erhielt er noch einen Sonderstempel; ein Lorbeerzweig umgab den Schild. Doch schon im folgenden Jahre wurde Nathan Liepmann & Co. Oppenheims Rivale. Diese Firma erbat am 27. März 1797 gleichfalls die Erlaubnis, Zweidrittel-Taler prägen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde gewährt, dazu ein besonderer Stempel, um sie von den Münzen Oppenheims zu unterscheiden; der Schild wurde von einem Palmzweig umgeben. Wieviel Münzen nun für Oppenheim, wieviele für Nathan Liepmann & Co. geprägt wurden, ist nicht bekannt; wir wissen aber, daß von 1796—1801 für die hohe Summe von 1008 497 Rtlr. 8 Groschen gemünzt wurde. Im Jahre 1801 endete diese Prägung, da das Ausland den Münzen nicht mehr traute. Am 26. Januar hatte die schwedisch-pommersche Regierung verfügt, nur die preußischen Zweidrittel mit dem Lorbeerzweig anzunehmen. Darauf baten die Berliner Firmen S. M. Levy Witwe & Erben, Nathan Liepmann & Co., Gebrüder Veit, Wolff Levy, Gartig Abraham Hertz, für ihre Prägungen den Stempel mit Lorbeerzweig und der Jahreszahl 1801 gebrauchen zu dürfen, was ihnen auch gestattet wurde. Um 1800 ist der Berliner Bankier L i e p m a n n M e y e r W u l f f der letzte große M ü n z e n t r e p r e n e u r ; er wird uns noch als Hoffaktor begegnen. Am 1. Februar 1799 wurde verfügt, daß dieser Hofmünzer eine Million an Scheidemünzen dem Tresor gegen Courant unter Gewährung eines Agios von 2% °/o abnähme, was bis zum Herbst geschehen war. Im Jahre 1800 war Liepmann Meyer Wulff der Hauptlieferant von 100 000 Mark Feinsilber, 1801 wurde ein Kontrakt auf Lieferung weiterer 80 000 Mark abgeschlossen. Der Hofmünzer lieferte jährlich für etwa 100 000 Mark Feinsilber, 1804 sogar für zweimal 100 00 Mark. Von 1799—1806 war Liepmann Meyer Wulff der Großlieferant für Silberlieferungen zur Scheidemünzprägung, und für seine Geschäftstätigkeit erntete der Münzfaktor wiederholt das Lob des Königs. Die Abrechnungen mit Wulff zogen sich bis 1810 hin. Am 2. Februar 1809 kennzeichnete Minister von Altenstein dessen Verhalten in einem Schreiben an den Staatsrat Sack mit den Sätzen: „Der Liepmann scheint von dem Gesichtspunkt auszugehen, daß er nur Zahlung zu leisten habe, wenn er sie ohne allen Nachteil und ohne alle Unbequemlichkeit zu bewirken imstande sei. Es ist dieses bei dem unmäßigen Gewinn, welchen er bei diesem Geschäft allein gemacht hat, doppelt unverschämt." Wulff habe zu den Bedürfnissen des

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Staates überhaupt nichts beigetragen; man müsse verhüten, daß er sich durch unerlaubte Mittel seinen Verbindlichkeiten entziehe. Der Streit endète, wie häufig in solchen Fällen, mit einem Vergleich, bei dem der Staat den kürzeren zog. Zu den schlechtesten Münzen, die wohl jemals von Hofmiinzern geprägt worden sind, gehörten die „Leviniten". Der M ü n z f a k t o r L e v i n in Frankfurt a. O. machte zu Anfang desi Jahres 1764 den Vorschlag, für eine Million Reichstaler polnische Tymphe zu dem unglaublich schlechten Fuß von 60 Rtlr. aus der feinen Mark zu schlagen, und er erbot sich, diese schlechten Münzen in Polen durch seine Glaubensgenossen verbreiten zu lassen. Zu diesem Zwecke sollte der in Polen beliebte Breslauer Stempel und, was selbstverständlich geheim zu halten war, die Magdeburger Prägestätte benutzt werden. Es kam auch tatsächlich mit Levin zu einem Übereinkommen, und zwar am 7. Mai 1764; für die Million Rtlr. hatte Levin 30 000 Dukaten oder 82 500 Rtlr. an Schlagschatz zu zahlen. Bis zum 8. Juli 1764 hat der Münzer 60000 Rtlr. in Tymphen abgeholt und 1800 Dukaten an Schlagschatz gezahlt; dann setzte der Tod diesem Geschäft ein Ende. Levins Compagnon war J o s e p h B a r u c h ; er hatte ihm 1816 Dukaten zum Silbereinkauf vorgestreckt und behauptete, dieser habe 100 000 Rtlr. in Tymphen empfangen. Baruch machte später Levins Erben den Prozeß, über dessen Ausgang nichts bekannt ist. Es bleibt nur noch übrig, einige Münzfaktoren aufzuzählen, von denen wir nicht mehr wissen, als daß sie zu dieser privilegierten Gruppe der Juden gehörten. A b r a h a m A a r o n war um die Mitte des Jahrhunderts Berliner M ü n z f a k t o r , desgleichen M e y e r S a l o m o n der Ältere, der in Aurich Moses Fränkel zu verdrängen suchte. Er hatte sich erboten, in der ostfriesischen Münze eine Million Rtlr. in Mariengroschen und Schillingen gegen einen Schlagschatz von 16 000 Rtlr. auszumünzen. Der Berliner Münzdirektor Knöffel schlug jedoch vor, die zu münzende Million gegen einen Schlagschatz von 35 000 Rtlr. an Moses Fränkel und dessen Schwager Ephraim zu vergeben, mit dem am 3. Juli 1755 dann auch abgeschlossen wurde; Meyer Salomon der Ältere hatte das Nachsehen. M o s e s S a m u e l F ü r s t , Berliner Münzfaktor, war der Schwiegersohn des Auricher Hof münzers Meyer Salomon des Jüngeren. H e r z L e s s m a n n kommt 1770 als M ü n z f a k t o r in Berlin vor. Mit dem Bankier S a l o m o n Moses L e v y tätigte die preußische Seehandlung Geschäfte. Levy bzw. dessen Witwe und Erben wurden von 1767—1806 zur Münzprägung herangezogen. Besonders hoch waren die Lieferungen in den Jahren 1798 und 1799, wo die Firma 60000 und 50 000 Mark Feinsilber besorgte. Ihre Vermünzung erbrachte Riesengewinne.

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Juden begegnen uns auch als sogenannte M ü n z a u s r e u t e r , das sind Münzgendarme, welche die Aufgabe hatten, Münzdefraudationen aufzuspüren und anzuzeigen. Die Münzentrepreneurs ließen ihre Geschäfte gewissermaßen von ihren eigenen Glaubensgenossen überwachen- Jüdische Münzausreuter unter Friedrich dem Großen waren S a l o m o n E l i a s , S i m o n L e v i S p i r o und M e y e r B e n j a m i n j o s e p h , und etwa 40- bis 60 000 Rtlr. an Münzdefraudationen sind von diesen jüdischen Gendarmen entdeckt worden. Erst der Zusammenbruch des preußischen Staates im Jahre 1806 machte den ständigen Münzmalversationen ein Ende, ebenso der Tätigkeit der privilegierten Münzentrepreneurs; sie werden im 19. Jahrhundert abgelöst durch die reichen und einflußreichen jüdischen Bankiers. Beim Anrücken der Franzosen brachte der Breslauer Münzfaktor und G e n e r a l p r i v i l e g i e r t e Joachim P i n s k die Utensilien der Kgl. Münze von Breslau nach Glatz in Sicherheit31.

Die Hoffinanziers Friedrichs des Großen Neben diesen zahlreichen Münzentrepreneurs gab es viele Israeliten, die durch Hoftitel ausgezeichnet waren, von denen ein Teil Hof- und Münzfaktoren, mehrere auch Hoffaktoren gewesen sind. Unter den Hof- und Münzfaktoren stehen wiederum die Familien Ephraim und Itzig an der Spitze. Die Familie Ephraim Yeitel Ephraim hatte schon unter Friedrich Wilhelm I. den Versuch gemacht, mit dem Hofe ins Geschäft zu kommen; so hören wir einmal von einem Juwelenverkauf an den König. Im Jahre 1737 erbot sich der damalige Schutzjude Ephraim, dem Könige eine Obligation von 100 000 Rtlr. mit erheblichem Disagio zu verschaffen, die der Große Kurfürst 1679 dem Herzog Julius Franz von Lauenburg gegen Barzahlung zu 6 % ausgestellt hatte, für die der Elbzoll bei Lenzen verpfändet, die aber noch nicht eingelöst worden war. Es ist nicht ersichtlich, ob der König auf das Angebot einging. Wenn Yeitel Ephraim dann unter Friedrich dem Großen zum Hofjuwelier und Generalentrepreneur der Münzen aufstieg, auch sonst noch viele Vergünstigungen erfuhr, so dürfte darauf sicherlich nicht die Tatsache ohne Einfluß gewesen sein, daß der Hoffaktor dem so häufig in Geldnöten steckenden Kronprinzen Friedrich mehrfach Gelder vorgestreckt hat. Aus den Akten ergibt sich, daß Friedrich der Große als Kronprinz bei mehreren Juden verschuldet war. Durch seine Gemahlin und seinen 10

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Schwager hatte er zum Beispiel bei dem braunschweigischen Kammeragenten A l e x a n d e r D a v i d Gelder aufnehmen lassen. In der nach dem zweiten Schlesischen Kriege aufgestellten „Designation derer noch zu bezahlenden Schulden" kommt auch Ephraim mit zwei Summen vor, die er dem Kronprinzen vorgestreckt hat. Von 7600 Rtlr. waren bereits zurückgezahlt worden 1744 durch den Etatsminister von Boden 4000 Rtlr. und durch Geheimrat Koppen ein Jahr darauf 3000 Rtlr., so daß noch eine Restschuld von 600 Rtlr. verblieb. Von der zweiten Schuldsumme von 9459 Rtlr. war 1746 noch nichts zurückgezahlt. Am 7. Mai zahlte dann der Kammerdiener Fredersdorf 3200 Rtlr. ab. Dem Berliner H i r s c h e l waren noch 1580 Rtlr. zu zahlen, auch diese Schuld beglich Fredersdorf am 7. Mai 1746. Dem Breslauer H i r s c h e l , zweifellos aus der bekannten schlesischen Hofmünzerfamilie Hirschel, während der Berliner Hirschel aus dem polnischsächsischen Zweig dieses Kreises entstammen dürfte, schuldete Friedrich 6900 Rtlr. Koppen bezahlte darauf 1745: 4382 Taler, so daß noch 2518 Taler abzutragen waren. Mit der stattlichen Summe von 11 680 Rtlr. stand Friedrich bei N a t h a n B e r e n d S a l o m o n in der Kreide, der Hofrat Weichmann in Wolfenhüttel hatte 1750 noch 29 027 Rtlr. zu fordern. Welche Schuldposten der Schuldenliste von 1744—1750 noch aus der kronprinzlichen Zeit stammen, läßt sich nicht genau erkennen. Die meisten Titel dürften aber auf die Kronprinzenzeit Friedrichs zurückgehen. An den Kammer agent en Alexander David erfolgte die Rückzahlung der Schulden erst nach dem Siebenjährigen Kriege. Welches Ansehen Veitel Ephraim um 1740 bereits genoß, zeigt der nachstehende Vorfall. Wenige Monate vor dem Tode Friedrich Wilhelms I. fand in Ephraims Hause in der Spandauer Straße eine Hochzeit statt; zwei Waisen ehelichten einander, und der Hof besuchte diese Feier; 1744/45 wurde Ephraim dann „wegen der in seiner Kunst sich erworbenen besonderen Wissenschaft und Geschicklichkeit, auch wegen der zu dessen Allerhöchsten Wohlgefallen getanen Lieferungen" zum H o f j u w e l i e r ernannt1. Von Juwelenlieferungen an den König bringen die Akten jedoch wenig; dagegen besorgte der Hof juwelier der Prinzessin Amidie, Friedrichs unverheiratet gebliebene Schwester, und den Markgrafen Friedrich und Karl von Schwedt Juwelen. Zu seinen Kunden gehörten ferner preußische Adlige, polnische Magnaten und der Kgl. Kammerherr Voltaire. Ephraim legte einen Teil seines erworbenen Vermögens in Grundbesitz an; er machte ein großes Haus und gab glänzende Feste, an denen sich selbst Mitglieder des Hofes beteiligten. Vom Vater hatte der Hof juwelier das Haus in der Spandauer Straße übernommen, und 1746 erwarb er für 3000 Rtlr. noch das Haus Königstraße 14. Am

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16. Juli 1761 kaufte er durch einen Strohmann von dem Geh. Rat Koppen das Haus Poststraße 16, Ecke Mühlendamm für 16 500 Rtlr. Der Umhau dieses Hauses dauerte bis 1766» Die den Balkon tragenden acht Monolithen soll der König seinem Hof Juwelier und Hofmünzer angeblich von dem Brühlschen Schlosse Pforten, das während des Siebenjährigen Krieges als Vergeltung zerstört wurde, geschenkt haben. Nach dem Umbau besichtigte Friedrich der Große das Haus, und auf die Bemerkung des Hof juweliers, er hoffe, daß das Haus nichts zu wünschen übrig lasse, soll der König geantwortet haben: „Nichts als einen — Galgen; denn er hat mich ganz abscheulich betrogen." Dieses von F. A. Dietrichs erbaute und bekannte „Palais Ephraim" war im Besitz der Familie bis zum Jahre 1823, dann wurde es für 58 500 Taler an Carl Heinrich Ulrici verkauft. Anfang der 60er Jahre erfolgte der Bau des Sommersitzes der Familie am Schiffbauerdamm, und im Garten dieses Hauses feierte Ephraim glänzende Feste. Für 10000 Rtlr. kaufte der Hofjuwelier 1764 das Haus Wilhelmstraße 61, dazu erwarb er noch zwei weitere Häuser in der Spandauer Straße in Berlin, einen großen Garten bei Berlin und. ein Haus in Potsdam. Nach einem Schreiben Ephraims an den König vom 26. Dezember 1764 berechnete er die in Berlin und Potsdam errichteten Bauten mit 170 000 Rtlr., die in Breslau, Magdeburg und Ostpreußen zum Handel gekauften und errichteten Häuser mit 100 000 Rtlr., seinen gesamten Grundbesitz auf 400 000 Rtlr.; das waren Millionenwerte. Gegen Ende des Siebenjährigen Krieges waren Ephraim und Söhne noch an einigen größeren Finanzoperationen beteiligt; so erwarben sie meistbietend zweimal die Kontribution, die der Generalmajor von Kleist noch vor Kriegsende in Süddeutschland eingetrieben hatte, und die aus Gold- und Silbermünzen bestand. Sie zahlten dafür am 31. Dezember 1762: 207 000 Rtlr. und im Januar des Folgejahres 573 000 Rtlr. Die Hoffaktoren wollten die eingehandelten Gelder auf den Leipziger Messen verwerten. Für Rechnungen der Breslauer Obersteuerkasse, die gleich nach Kriegsende 3 Millionen Taler nach Berlin abzuführen hatte, wurden Assignationen auf Ephraim ausgestellt. Zugunsten der Oberkriegskasse akzeptierte Ephraim am 14. Februar 1763 auch 550000 Rtlr., die auf die Eichsfeldische Kontribution in Einnahmen zu bringen waren, und übergab dafür am 16. Februar vier in Berlin zahlbare Wechsel von je 137 500 Rtlr. Ein weiterer Wechsel von 76 000 Rtlr. rührte von Kontributionen der Stadt Mühlhausen her, die 100000 Rtlr. zahlen mußte; 24 000 Rtlr. sollte Ephraim bar abliefern. Auf ihr Kontor als Münzentrepreneurs in Berlin stellten Ephraim und Söhne in Gemeinschaft mit Daniel Itzig noch einen Wechsel über 522 500 Rtlr. aus. An 10*

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einem einzigen Tage also, am 14. Februar, lieferte der Hofmünzer Wechsel in Höhe von 1148 500 Rtlr. Ihre Einlösung erfolgte zum Teil durch Levin Marcus; für die Einlösung wurden auch andere Glaubensgenossen namhaft gemacht, zum Beispiel Elias Hirschel Fraenkel*. Schon während des Siebenjährigen Krieges, vor allem aber in den nachfolgenden Friedensjahren veranlafite der König seine reich gewordenen Münz- und Hoffaktoren, ihre Gewinne in Manufakturen und Fabriken anzulegen, um ihr Vermögen dem Lande zu erhalten. An diesen Unternehmungen waren auch Ephraims Söhne beteiligt, die aber später auch als selbständige Unternehmer und Faktoren auftraten. Das erste größere Unternehmen, das Ephraim und Söhne übernahmen, war die Gold- und Silbermanufaktur. Am 12. Dezember 1762 schrieb der Hof juwelier dem König: „Zufolge E.K.M. allerhöchsten Willens, daß ich und meine Kinder Manufakturen errichten und verbessern soll, habe ich Gelegenheit ausfindig gemacht, die hiesige von langen Jahren her im schlechten Gang gewesene Gold- und Silbermanufaktur viel stärker und mit Unterhaltung viel mehrer Ouvriers poussieren zu können, das Publikum mit guten Waren zu versehen und dadurch die dauerhafte Etablierung meiner Kinder im Lande zu befördern. Alle benachbarten Fabriken, als die Leipziger, Zerbster, Köthensche tun es derselben zuvor, und gleichwohl soll das Potsdamer Waisenhaus sein Soutien davon haben. Die Revenues aus dieser Manufaktur wollen wir jährlich mit 2000 Rtlr. augmen,tieren, wenn E.K.ML geruhen, dieselbe unter eben den Konditionen und Benefiziis, wie sie bisher bestanden, meinen Leibes-Deszendenten zu konfirieren." Am 18. Dezember 1762 ging die dem Potsdamer Waisenhaus gehörende Gold- und Silbermanufaktur auf Ephraim und Söhne über; und am 18. April 1763 erhielten sie das Monopol zur Herstellung silberner Tressen und Litzen und die Manufaktur in Erbpacht. Bis zum Jahre 1820 war dieses Monopol, das mit 140000 Rtlr. bewertet wurde, im Besitz der Familie Ephraim, die dafür eine jährliche Pacht von 11400 Rtlr. zahlte. An Kaution hinterlegte Ephraim in Obligationen 25 200, 21000, 3000 und 14150 Rtlr. Mit der Manufaktur ging auch ihr Recht als Primum corpus, d. h. der Vorrang bei Konkursforderungen, auf Ephraim über. Das Monopol galt zunächst für die mittleren Provinzen, wurde dann aber auf Preußen und Schlesien ausgedehnt. Gegen andere Unternehmer ging der Hof juwelier mit Prozessen vor, um ihre Konkurrenz zu beseitigen; sie wurden fcu Festungs- und Gefängnisstrafen verurteilt.

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Von 1770 bis 1782 hat die Manufaktur durch ihren Königsberger Agenten J o a c h i m M o s e s F r i ed L ä n d e r für 335000 Rtlr. Waren nach Polen und Rußland abgesetzt, von 1770 bis 1779 aus Polen für 1,2 Millionen Silber herausgezogen. Der Umsatz betrug 1782: 300000 Rtlr., 1798: 352000 Rtlr. In der Manufaktur arbeiteten: 1775 = 1063 Arbeiter 1780 693 1782 813 1792/93 - 1494 1798 = 1116 1801 = 994 Nach Ephraims Tode 1775 ging die Manufaktur auf das Fideikommiß über, seit 1809 konnte die Pacht nicht mehr voll bezahlt werden; 1821 kam mit dem Waisenhaus ein Vergleich zustande, das Monopol fiel. Seit 1745 betrieb Ephraim auch eine Klöppelei von Brüsseler Kanten; vom 1. November 1749 an wurde die Kantenfabrik im Waisenhaus betrieben, die Arbeit durch Waisenhauemädchen verrichtet, deren billige Arbeitskraft ausgewertet wurde. 200 Mädchen, die auf Kosten des Waisenhauses zu unterhalten waren, mufiten während einer siebenjährigen Lehrzeit täglich neun Stunden unentgeltlich arbeiten. Der Unternehmer stellte acht Lehrerinnen an, die gleichfalls vom Waisenhaus zu unterhalten waren, für die er monatlich 12 Rtlr. Gehalt zahlen sollte. Die Unternehmer zahlten den meisten Lehrerinnen jedoch nur 8 Rtlr. und stellten den Buchhalter, für den sie 200 Rtlr. erhielten, gar nicht an- Nur in den beiden letzten Jahren zahlten die Unternehmer dem Waisenhaus für jedes Lehrmädchen 12 Groschen monatlich. Der Vertrag galt für 14 Jahre und gab Ephraim und seinem Schwager Gomperz noch dazu das Monopol. 1763 wurde es für Ephraim allein verlängert, 1766 kam noch eine Blondenfabrik hinzu, in der seidene Spitzen hergestellt wurden. Kurz vor seinem Tode ging der Kontrakt auf seinen Sohn Benjamin Veitel Ephraim über, 1795 wurde die Fabrik geschlossen. Von 1764 bis 1787 betrieben die Ephraim im Waisenhaus außerdem eine Gold- und Silberdrahtzieherei, für die 30 Knaben gestellt wurden. Seit 1770 hatten Ephraim und Söhne noch eine eigene kleine Kantenklöppelei in Berlin 3. Den Handel der Ephraim begünstigte die Kabinettsordre vom 28. Mai 1764, die bestimmte: „Da S.K.M. denen Ephraim und Söhnen zu Berlin committiret und erlaubet haben zum Soulagement des Publici von Holland und anderen Orten her allerlei Denrées, Victualien und Materialwaren zu Schilfe über Stettin und Hamburg nach Berlin und der Orte commitiren und transportiren zu lassen, um dadurch die Herstellung der alten und billigen Preise nach Möglich-

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keit ζύ befördern, dabei aber billig zu besorgën, daß denselben von Kaufleuten und anderen, so sonst damit handeln, allerhand Anstoß und Hinderung in den Weg gelegt werden möchte", sollte ihm und ihren Kommisen die Ein- und Ausspassirung der Waren gegen Erlegung der gewöhnlichen Akzise und Zoll gleich den Kaufleuten gestattet werden4. In ihrem Bericht an den König vom 26. Dezember 1764 rühmten sich Ephraim & Söhne, mehr als 400 000 Taler zur Vergrößerung des auswärtigen Debits angewendet, verschiedene Schiffe gekauft und mit Waren von Stettin nadh. Frankreich gesandt, Waren bis nach Konstantinopel verkauft und für 70000 Rtlr. Häuser in Berlin und Potsdam gebaut zu haben. Bei der Belagerung Kolbergs hätten sie zwei Schiffe mit Lebensmitteln dorthin gesandt, dafür jedoch nodi keine Bezahlung erhalten. Außerdem tätigten sie Getreidelieferungen für Armee und Hospitäler*. Als 1764 eine Holzhandlungs-Compagnie gegründet werden sollte, regte der König durch Kabinettsordre vom 14. August an, daß sich „die Holzhändler mit dem jüngeren Ephraim assoziiren, um diesen auswärtigen Holzhandel privative zu entrepreniren und zunächst gemeinsam einen zuverlässigen Commis nach Hamburg, Bremen, Holland, Frankreich (Bordeaux) und England zu schicken". Man bemühte sich auch, die ehemaligen Münzentrepreneurs Ephraim und Söhne und Daniel Itzig zu gewinnen, doch kam die geplante Gründung nicht zustande·. Als 1765 eine Levantische Compagnie gegründet wurde, hatte die „jüdische Nation" 100 Aktien nehmen müssen, und Ephraim und Itzig ebenfalls zusammen 100 Stück7. Für die Gründung von Handlungshäusern zu Cadix war Ephraim bereit, 10 000 Rtlr. zu zeichnen. Welches Interesse der König an den Betrieben der Familie Ephraim nahm, und wie er sie förderte, beweist die Kabinettsordre vom 11. Oktober 1774, in welcher der König seine Verwunderung darüber ausdrückt, daß der Entrepreneur der Kantenfabrik des Potsdamer Waisenhauses, Ephraim und Söhne, ohngeachtet des Verbots fremder und des wohlfeileren Preises ihrer Kanten, so wenig davon absetzen könne. Auf die so oft ergangenen Verbote aller auswärtigen Kanten soll mit mehr Nachdruck gehalten und sollen diese gegebenenfalls erneuert werden. Von der Machtstellung Ephraims zeugt die Kabinettsordre vom 24. November 1785. Da der Entrepreneur des Potsdamer Waisenhauses, Ephraim, mehr Spitzen und Blonden fabrizieren läßt, als im Lande gebraucht werden, sollen, um die Einschleppung einer so feinen Ware aus der Fremde möglichst zu verhindern, keine dergleichen Fabriken weiter konzessioniert, alle in der Ephraimschen und anderen mit Kgl. Konzession versehenen Fabriken

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gefertigten Kanten und Blonden auf dem Klöppelpult gesiegelt wer** den, die mit gleichen Waren handelnden Käufleute auf jedesmaliges Anfordern Ephraims visitiert und alle nicht gesiegelten Kanten und Blonden für Contrebande erklärt werden8. Zugunsten der Gebr. Ephraim wurden auch die fremden Gold- und Silbergespinste auf den Frankfurter (a. d. O.) Messen verboten. Ephraim hatte mit Ruben Hirsch und Borchardt in Berlin audi eine Fabrik für Mousseline oder Nesseltuch angelegt. Um den Absatz zu sichern, wurde durch Kabinettsordre vom 18. November 1779 die Einfuhr von fremdem Nesseltuch, ausgenommen ostindisches und alles über Berliner Ellen breites, gänzlich verboten. Die Königsberger Kaufleute nahmen jedoch Ephraim und Genossen wenig und zuletzt gar nichts mehr ab, sie erklärten sogar, sich lieber jedem Zwang zu unterwerfen, als jährlich ein Aversum von 1000 Stück Nesseltuch aus der Ephraim-Borchardts