Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem: Eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft [1 ed.] 9783428470655, 9783428070657

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Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem: Eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft [1 ed.]
 9783428470655, 9783428070657

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MAKOTOIDA

Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Hans Joachim Hirsch, Günter Kohlmann Michael Walter, Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 3

Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem Eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung .der Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft

Von Dr. Makoto Ida

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Vereins zur Förderung der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und der Bundesrepublik Deutschland e.V., Köln

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

lda, Makoto: Die heutige japanische Diskussion über das Straftatsystem: eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft I von Makoto Ida. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 3) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07065-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Hagedomsatz, Berlin 46 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-07065-8

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Sommersemester 1989 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im wesentlichen im Frühjahr 1989 abgeschlossen. Vollständigkeit der Nachweise japanischer und - erst recht - deutscher Literatur war von vornherein nicht beabsichtigt. Mir ging es nicht um eine genaue Dokumentation, sondern vor allem um einen Überblick über die heutige japanische Diskussion und ihre kritische Bewertung aus meiner Sicht. Das Entstehen der Arbeit verdanke ich in erster Linie meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Hirsch, der diese rechtsvergleichende Untersuchung angeregt und ganz wesentlich gefördert hat. Ohne seine geduldige Betreuung wäre diese Arbeit nie zustande gekommen. Ihm gebührt mein besonderer Dank. Meinen beiden Lehrern in Japan, Frau Prof. Prof. h. c. Kinko Nakatani und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Kaichi Miyazawa, möchte ich auch an dieser Stelle herzlich danken. Sie haben mich seit meiner Studienzeit stets großzügig und wohlwollend unterstützt und auch während des Entstehens dieser Arbeit von Tokyo aus ermuntert. Mein aufrichtiger Dank gilt außerdem den Herren Prof. Dr. Gunther Arzt, Prof. Dr. Karl Heinz Gössel, Prof. Dr. Thomas Weigendund Prof. Dr. Dietrich Kratzsch. Sie haben Teile meiner Arbeit gelesen und mir manchen wertvollen Rat gegeben. Zu danken habe ich auch der Keio-Universität zu Tokyo für die Gewährung eines Forschungsstipendiums. Der Druck wurde durch einen namhaften Zuschuß des Vereins zur Förderung der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und der Bundesrepublik Deutschland e.V., Köln, erleichtert. Auch dafür bin ich zu Dank verpflichtet. Ferner richtet sich mein Dank an die Mitarbeiter und Doktoranden des Kölner Kriminalwissenschaftlichen Instituts, die mir während meines Studienaufenthalts und bei der Vorbereitung der Drucklegung immer zur Seite standen. Für ihre tatkräftige Hilfe danke ich nicht zuletzt meiner Frau Gabriele. Tokyo, im Juli 1990

Makoto /da

Inhaltsverzeichnis Teil A

Einführung

13

1. Kapitel Zweck der Untersuchung

13

2. Kapitel Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

I. Das japanische Strafrecht als Gegenstand rechtsvergleichender Forschung

li. Wozu Rechtsvergleichung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Eigenschaften des japanischen Strafrechts in grundsätzlicher Hinsicht

15 15 17 21

1. Zum japanischen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Objektivistische Züge in der Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Strafverfolgung und Sanktionierung der Straftäter in der Praxis

39

Teil B

Das systematische Denken in der japanischen Strafrechtsdogmatik

48

1. Kapitel Diskussion über das "Systemdenken"

48 48

I. Problemlage

li. Das Deliktssystem bloß zur Kontrolle der richterlichen Entscheidung?

51

III. "Problemdenken" gegen "Systemdenken"?

53

N. Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts?

59

2. Kapitel Deliktssystematik in der japanischen Strafrechtsdogmatik

61

I. Abriß der historischen Entwicklung der Deliktssystematik in Japan

61

li. Überblick der heutigen Deliktssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

8

Inhaltsverzeichnis

Teil C

SteUungnahme zum Unrechtsbegriff

66

1. Kapitel Der Streit um das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

I. Die bisher herrschende Unrechtslehre 1. Wesen des Unrechts

66 66

............................................

66

2. Der normentheoretische Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. Gegenstand und Inhalt des Urteils des Verhaltensunwertes . . . . . . . . . . .

68

4. Verhältnis von Erfolgs- und Verhaltensunwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

li. Die "neo-objektivistische" Richtung 1. Kritik der herrschenden Lehre

70

.......... .................. .. ... .. Kritik der Verhaltensnormentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik an der Erweiterung der Strafbarkeit durch die Lehre vom Verhaltensunwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einwilligung und Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die subjektiven Rechtfertigungselemente, insbesondere der Verteidigungswille bei der Notwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zur sog. Sachwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zum strafbaren Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Problematik des fahrlässigen Delikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik der Unbestimmtheit der Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . Kritik der Verwischung von Unrecht und Schuld . . . . . . . . . . . . . . . .

73 74 75 75 75 76

2. Die "Lehre vom Erfolgsunwert" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Objekivität des Gegenstandes des Unrechtsurteils . . b) Unrechtsrelevanz der Verhaltensmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subjektive Unrechtselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einwilligung und Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafgrund des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zum Verteidigungswillen bei der Notwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 76 77 77 78 79 79

lll. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) b)

c) d)

1. Zur grundsätzlichen Richtigkeit der neoobjektivistischen Kritik an der bis-

her herrschenden Unrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 71 72

80

2. Positive Aspekte der personalen Unrechtslehre

83

3. Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

85

2. Kapitel Wichtige Streitfragen in der japanischen Unrechtslehre

I. Der ex-ante- und ex-post-Gesichtspunkt im Rechtswidrigkeitsurteil 1. Unzulänglichkeiten bisheriger Lösungen

........................... a) Die konkrete Gefährlichkeitstheorie und ihre Probleme . . . . . . . . . .

87 87 87 87

9

Inhaltsverzeichnis b) Die objektive Gefährdungstheorie und ihre Probleme

91

2. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Differenzierende Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur ex-post-Betrachtung des rechtfertigenden Sachverhaltes . . . . . . . II. Der Vorsatz als ein subjektives Unrechtselement

94 94 95 97

.......................

99

1. Vorsatz als ein subjektives Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

2. Ist der Vorsatz nur beim Versuch ein Unrechtselement?

. . . . . . . . . . . . . 101

3. Kritik des extremen Objektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für die Unrechtslehre 1. Handlungslehre und Deliktssystem

. . . . . . . . . 103

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

2. Handlungslehre und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die subjektive Tatseite in ihrer Bedeutung für das Sorgfaltswidrigkeitsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relevanz der subjektiven Elemente und finale Handlungslehre bb) Die subjektiven Elemente der finalen Handlung . . . . . . . . . . . . cc) Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kritik der sozialen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtswidrigkeitsurteil und sein Gegenstand beim fahrlässigen Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand des Sorgfaltswidrigkeitsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handlungs- und Erfolgsunwert des fahrlässigen Delikts d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 106 106 106 109 109 111 112 112 112 115

Teil D

Die Diskussionen über Funktion und Umfang des Tatbestandsbegriffs 116 1. Kapitel Die Tatbestandslehre von Ono und Dando sowie ihre Probleme

I. Skizze der Entwicklung der Tatbestandslehre in Japan

116 116

II. Die "formell-objektive" Theorie und ihre Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Ergänzungsbedürftigkeit durch materielle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

2. Sachwidrigkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Überstrapazierung des Tatbestandsbegriffs

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

2. Kapitel Zum Verhältnis des Tatbestandes zu anderen Deliktsvoraussetzungen

125

I. Tatbestand und Handlungslehre

125

II. Tatbestand und Rechtswidrigkeit

127

10

Inhaltsverzeichnis

1. Die herrschende Lehre

127

2. Kritik und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Tatbestand und Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 TeilE

Diskussionen in der Schuldlehre

136

1. Kapitel Art und Umfang der Schuldvoraussetzungen

I. Allgemeine Bemerkungen zu den Schuldvoraussetzungen

136 136

II. Einzelne Schuldvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

1. Die Schuldfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Vorsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat 4. Die Zumutbarkeit und ihre Grenzen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

2. Kapitel Der Streit um die Willensfreiheit und den materiellen Schuldbegriff

I. Problemlage

140 141

II. Die Problematik der bisher herrschenden Schuldlehre

1. Zur Beweisbarkeit der Willensfreiheit

142 142

2. Der indeterministische Standpunkt und die absolute Vergeltungstheorie 143 3. Kritik des "rein individuellen" Schuldmaßstabs

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

111. Der "weiche Determinismus" und seine Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

1. Zum weichen Determinismus Hiranos 2. Die utilitaristische Schuldauffassung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

3. Stellungnahme zur Schuldlehre Hiranos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Positiver Aspekt des deterministischen Standpunktes . . . . . . . . . . . . . 151 b) Aufgabe des Schuldprinzips? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Teil F

Schluß

156

LiteraturveneichBis

159

A. Literatur in westlichen Sprachen

159

B. Literatur in japanischer Sprache

172

Abkürzungen a.A. a.a.O. Abs. a.E. Anm. ARSP Art. AT Aufl. Bd. BGB BGHSt. BT bundesdtsch. bzw. ders. d.h. dtsch. Fn. GA GG GS h.L. h.M. Hrsg. insbes. i.V.m. JA jap. JR Jura JuS

JZ

Kap. Lb. LK

L.v.d.n.T. m.a.W. m.E. m.Nachw. MschrKrim

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz am Ende Anmerkung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Allgemeiner Teil Auflage Band Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Besonderer Teil bundesdeutsch beziehungsweise derselbe das heißt deutsch Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 Der Gerichtssaal herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber insbesondere in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter japanisch Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Lehrbuch Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch to.Auflage, herausgegeben von Hans-Heinrich Jescheck, Wolfgang Ruß und Günther Willms, 1978ff. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen mit anderen Worten meines Erachtens mit Nachweisen Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

12

m.w.Nachw. NJW Nr. NStZ 0.

OGH Rdn. resp. RG RGSt. S. SchwZStr SK sog. StGB StPO u.

u.a. usw. u.U.

V.

vgl. wistra z.R ZStW

Abkürzungen mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht oben (Japanischer) Oberster Gerichtshof = Saiko Saibansho Randnummer(n) respektive Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Seite Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, Allgemeiner Teil, bearbeitet von Hans-Joachim Rudo/phi, Eckhard Horn und Erich Samson, 5. Auflage 1988 sogenannt(e) Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung unten und andere, unter anderem und so weiter unter Umständen von vergleiche Zeitschrift für Wirtschaft - Steuer - Strafrecht zum Beispiel Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Teil A

Einführung 1. Kapitel Zweck der Untersuchung Das japanische Recht hat sich seit mehr als 100 Jahren unter dem starken Einfluß westlichen Rechts, zunächst des französischen, später des deutschen und nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere des anglo-amerikanischen- und teilweise auch durch die direkte Übernahme von Regelungen dieser Rechte entwickelt 1 • Hier taucht sogleich die Frage auf, wie es denn möglich gewesen ist, daß sich ein Inselland Asiens, das doch eine eigene rechtskulturelle Tradition hat, von den völlig anderen, zudem voneinander ziemlich verschiedenen Rechtskreisen der Europäer und der Anglo-Amerikaner so stark hat beeinflussen lassen. Aber diese Frage, die nicht isoliert von der Übernahme westlicher Kultur und des westlichen Wirtschaftssystems betrachtet werden kann und vielseitiger und interdisziplinärer Untersuchung bedürfte, kann hier nicht behandelt werden 2 • Es genügt die Feststellung, daß die Japaner mit dem rezipierten Recht und den darin enthaltenen Rechtsgedanken durchaus zurechtkommen und daraus eine eigentümliche "Misch-Rechtskultur" haben entstehen lassen. Die Einwirkung deutschen Rechts und deutscher Rechtswissenschaft auf das japanische Rechtssystem ist heute in allen Rechtsbereichen mehr oder weniger stark spürbar3 . Besonders intensiv und nachhaltig läßt sich der deutsche Einfluß 1 Hierzu ausführlich Murakami, Einführung in die Grundlagen des japanischen Rechts; ferner Noda, Introduction to Japanese Law, S. 41 ff. (Kap. III). Speziell zur Rezeption des westlichen Zivilrechts und der deutschen Zivilrechtsdogmatik siehe die umfangreiche Monographie von Kitagawa, Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan. 2 Aomi, Gesellschaft und Recht in Japan, S. 144f., nennt als wichtige Faktoren für das Gelingen der Rezeption westlichen Rechts die folgenden Umstände: (1) zentralisiertes Regierungssystem, (2) relativ hohes Bildungsniveau der Bürger, (3) Flexibilität der japanischen Sprache, sowie (4) traditionell hohe Empfänglichkeit für fremde Kulturen. 3 Man erzählt sich in Japan folgende Anekdote, die den überaus starken Einfluß deutscher Wissenschaft verdeutlicht. "Namhafte Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern wurden beauftragt, eine wissenschaftliche Abhandlung über das Thema ,Elefant' zu schreiben. Der Engländer und der Franzose gingen gleich zum Zoo und beobachteten die Elefanten. Der Engländer legte in pragmatischer Sicht umfassend dar, wie der Mensch einen Elefanten nutzen kann. Der Franzose beschrieb das Liebesverhältnis der Elefanten. Der deutsche Wissenschaftler ging gleich zur Bibliothek, befaßte sich mit der ganzen

14

Teil A: Einführung

vor allem im japanischen Strafrecht feststellen. Das beweisen auch die in deutscher Sprache verfaßten Darstellungen des japanischen Strafrechts, die inzwischen erfreulicherweise immer zahlreicher geworden sind 4 • Aber es wurde bisher noch nicht unternommen, den deutschen Lesern Schwerpunkte der Diskussion in der japanischen Strafrechtsdogmatik 5 unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Einflusses in einem monographischen Umfang vorzustellen. Der "Weg zu Japan" 6 scheint hier immer noch einseitig versperrt zu sein. Dieses Mißverhältnis ist bedauerlich, da es zahlreiche dogmatische Probleme gibt, die die deutsche und die japanische Strafrechtswissenschaft gleichermaßen beschäftigen und noch der befriedigenden Lösung harren. Stellungnahmen japanischer Wissenschaftler zu diesen Fragen müßten eigentlich auch für die deutsche Seite von Interesse sein. Zweck der vorliegenden Arbeit soll es sein, den deutschen Leser darüber zu informieren, welche dogmatischen' Theorien 8 und Rechtsfiguren die Japaner Literatur und schrieb eine große Arbeit über das Wesen des Elefanten. DerJapanerging auch gleich zur Bibliothek, befaßte sich mit der ganzen deutschen Literatur und schrieb eine große Arbeit über die Entwicklung der Forschung über das Wesen des Elefanten in Deutschland". Es gibt mehrere Versionen dieser Anekdote. Die hier wiedergegebene entspricht im wesentlichen der in: Nagao, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 30. 4 Die bisher ausführlichste und umfassendste Gesamtdarstellung des japanischen Strafrechts: Saito, Das japanische Strafrecht, 1955, ist aber weitgehend veraltet. Als Veröffentlichungen neuerer Zeit seien vor allem genannt: Beiträge der Japaner in: Mad/ener u.a. (Hrsg.), Strafrecht und Strafrechtsreform; Ohno, Welzei-Festschrift, S. 261 ff.; Miyazawa, ZStW Bd. 88, S. 813ff.; Nishihara, Die Geldstrafe im japanischen Strafrecht, S. 517 ff.; Tjong / Eube/ in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 205 ff.; Kamiyama, Multinationale Unternehmen und Wirtschaftsstrafrecht in Japan, S. 121 ff.; Tjong, Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate in Japan, S. 1369ff. und die in Fn. 5 angegebenen Abhandlungen. Zu den Beziehungen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i.Br. zu den japanischen Strafrechtlern siehe Jescheck, Tjong-Gedächtnisschrift, S. 69ff. mit ausführlichen Nachweisen der in deutscher Sprache verfaßten Darstellungen des japanischen Strafrechts. Zum japanischen Strafprozeßrecht siehe die Nachweise Fn. 122. Zum japanischen Strafvollzugsrecht Bindzus I lshii, Strafvollzug in Japan; dies., in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 279ff.; Tjong, Freiheitsstrafe, S. 1417ff. Zum japanischen Jugendgesetz: Kühne/ Miyazawa, Das japanische Jugendgesetz, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 94; Miyazawa I Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 28 ff. 5 Eine knappe Übersicht gibt Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1233ff. Als dogmatische Arbeiten sind insbes. zu nennen: Dando, GA 1959, S. 357ff.; Fukuda, JZ 1958, S. 143 ff.; ders., ZStW Bd. 71, S. 38 ff.; ders., Welzel-Festschrift, S. 251 ff.; Naka, JZ 1961, S.210f.; Hirano, ZStW Bd. 85, S.503ff.; Tjong / Eube/, in: Eubel u.a., Das japanische Rechtssystem, S. 210ff. mit ausführlichen Literaturangaben; Asada, ZStW Bd. 97, S. 465ff.; Yamanaka, ZStW Bd. 98, S. 761 ff.; Hirsch, Probleme der Körperverletzungsdelikte, S. 853 ff. 6 Der Titel eines in deutscher Sprache geschriebenen Buches von Hisako Matsubara. 7 Zum Begriff der Rechtsdogmatik und ihren Funktionen instruktiv A/exy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 307-332. 8 Zu den verschiedenen rechtsdogmatischen Theorien mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad siehe Dreier, Recht - Moral - Ideologie, S. 73 ff.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

15

von Deutschland übernommen und wie sie sie weiter entwickelt haben, welche der von der deutschen Lehre übernommenen Argumente und Gegenargumente bei der dogmatischen Diskussion in Japan eine große Rolle spielen und um welche weiteren eigenständigen Argumente die dogmatische Diskussion dort bereichert worden ist. Es scheint mir allerdings angezeigt, mich thematisch einzuschränken. Wollte man nämlich den deutschen Einfluß auf das japanische Strafrecht vollständig erfassen und darstellen, so käme dies einer umfassenden Kommentierung des ganzen Allgemeinen und Besonderen Teils des japanischen Strafgesetzbuches gleich. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich deshalb darauf, die Diskussion über das Deliktssystem, m. a. W. über die systematischen Grundfragen der strafrechtlichen Unrechts- und Schuldlehre, einer kritischen Untersuchung zu unterziehen. Diesen Schwerpunkt habe ich deshalb gewählt, weil von allem, was die japanische Strafrechtswissenschaft von der deutschen übernommen hat, der Deliktssystematik zweifellos die größte Tragweite zukommt. 2. Kapitel

Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht Zu einem richtigen Verständnis der Stellungnahmen der Japaner zu dogmatischen Fragen kann man wohl nicht gelangen, wenn man sie isoliert vom rechtskulturellen Hintergrund Japans 9 betrachtet. Es ist daher angebracht, zuerst die Charakteristik des japanischen Strafrechts in grundsätzlicher Hinsicht darzulegen. I. Das japanische Strafrecht als Gegenstand rechtsvergleichender Forschung

Das geltende japanische StGB von 1907 10 ist unter besonderer Berücksichtigung des deutschen StGB von 1871 und zugleich der damaligen europäischen vor allem von der spezialpräventiv orientierten (sog. "modernen") Schule geprägten - Strafrechtswissenschaft zustandegekommen. Seitdem haben die 9 Wer sich über die japanische Kultur und Mentalität im allgemeinen näher informieren will, sieht sich einer Fülle in deutscher Sprache verfaßter Verö!Tentlichungen gegenüber. Hier sei insbesondere auf die ins Deutsche übersetzten Standardwerke: Doi, Amae - Freiheit in Geborgenheit, und Nakane, Die Struktur der japanischen Gesellschaft, hingewiesen. Wichtig sind auch: von Barloewen f Werhahn-Mees (Hrsg.), Japan und der Westen, 3 Bde. und Menzel (Hrsg.), Im Schatten des Siegers: Japan, 4 Bde. Zur Übernahme des europäischen Denkens siehe die glänzende Darstellung Maruyamas, Denken in Japan. Eine plastische Darstellung vom Alltag derJapanerfindet sich bei: de La Trobe I Streb, Zwischen Tradition und Fortschritt, Alltag in Japan. 10 Übersetzungen: Strafgesetzbuch für das Kaiserlich japanische Reich vom 23.April 1907, übersetzt von Oba, ZStW Bd. 28, S. 205 ff.; Das abgeänderte Japanische Strafgesetzbuch vom 10.August 1953, übersetzt von SaitofNishihara, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 65.

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Teil A: Einführung

japanischen Strafrechtler die Diskussion in der deutschen Strafrechtsdogmatik ständig beobachtet und ausgewertet, um auf diese Weise die abstrakten Regelungen des japanischen StGB zu konkretisieren und die dort ungeregelten Probleme zu bewältigen. Selbst nach dem lokrafttreten der neuen Verfassung von 1946 11 , die unter starker Einmischung der amerikanischen Besatzungsmacht verfaßt wurde, ist keine wesentliche Veränderung festzustellen. Auch die StPO von 1948 12 , die stark vom amerikanischen Recht geprägt wurde, hat nicht zur Neuorientierung in der Strafrechtsdogmatik geführt. Der amerikanische Einfluß auf die japanische Strafrechtsdogmatik ist nur in einem verhältnismäßig eng umgrenzten Problemkreis bemerkbar 13 • Es ist auch heute noch in Japan kaum denkbar, daß eine ausführlichere Untersuchung, bei der es um einen dogmatischen Problemkreis geht, die einschlägige deutsche Literatur vernachlässigt. Auch die ab und zu laut werdende "Warnung" vor der "Vorliebe für die deutsche Doktrin" scheint überhaupt nicht vernommen zu werden. Es ist demnach kein Wunder, daß die in Deutschland erscheinenden wissenschaftlichen Sammelwerke, wie etwa Festschriften, oft in Japan mehr verkauft werden als in ihrer Heimat. Dieser Einfluß deutscher Dogmatik wirkt sich indirekt auch auf die Praxis aus. Zwar besteht in Japan eine gewisse Kluft zwischen Lehre und Praxis, die verschiedene Gründe hat 14 • Aber die Einwirkung der Lehre auf die Praxis, vor 11 Über die japanische Verfassung gibt es zwei ausführliche Darstellungen: Röhl, Die japanische Verfassung, und T. Miyazawa, Verfassungsrecht (mit einem Verzeichnis der Literatur in westlichen Sprachen). Vgl. auch eine knappe, die politische Wirklichkeit einbeziehende Übersicht von Scheer, in: Eubei u. a., Dasjapanische Rechtssystem, S. 56 ff. mit umfassenden Angaben des in westlichen Sprachen verfaßten Schrifttums. Die Grundprinzipien der japanischen Verfassung von 1946 sind die Volkssouveränität, die Garantie der Grundrechte und der Kriegsverzicht 12 Die japanische Strafprozeßordnung vom 10.Juli 1948, übersetzt von Nakamura, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 91. 13 Als ein Beispiel sei auf die Lehre vom "Substantive due process" hingewiesen, die sich unter dem Einfluß des amerikanischen Rechts entwickelt und inzwischen in der Rechtslehre durchgesetzt hat. Vgl. vor allem Hirano, AT I, S. 80ff.; Naito, AT I, S. 36ff. Danach fordert die due-process-Klausel der Verfassung (Art. 31 jap. Verfassung) nicht nur die inhaltliche Angemessenheit der Regelungen des Strafprozeßrechts, sondern auch die des materiellen Strafrechts: Wenn eine Strafvorschrift eine Tat für strafbar erklärt, obwohl sie nicht strafwürdig ist, oder eine Strafvorschrift für eine an sich strafwürdige Tat einen allzu hohen Strafrahmen vorsieht, dann soll die Vorschrift einschränkend interpretiert oder gar für nichtig erklärt werden. Das soll auch alleine aufgrunddes Art. 31 jap. Verfassung geschehen, wenn keine Grundrechte durch diese Strafvorschrift direkt tangiert werden. Die Lehre vom "substantive due process", die das Gesetzlichkeitsprinzip als ein formelles Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (vgl. Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 210ff. m.w.Nachw.) ergänzt und die staatliche Strafbefugnis in materieller Hinsicht einschränkt, hat in Japan durch die Monographie von Shibahara über "Die soziale Funktion des Strafrechts" aus dem Jahre 1973 eingehende theoretische Klärungen und Begründungen erfahren. Im übrigen wird auch das Bestimmtheitsgebot (dazu u. Fn. 92) mitunter als ein Erfordernis des "Substantive due process" angesehen. 14 Vgl. u. Teil F (Schluß).

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allem durch die Juristenausbildung an den Universitäten, ist nicht zu unterschätzen. Wenngleich selten, so ist auch eine gewisse direkte Einflußnahme zu beobachten. Das deutlichste Beispiel dazu stellt wohl die Einführung des- sich in der deutschen Rechtsprechung herausgebildeten- "Vertrauensgrundsatzes" im Straßenverkehr durch den OGH im Jahre 1966 dar 15 • Andererseits darfman nicht übersehen, daß die Japaner dem westlichen Recht durchaus selbstbewußt gegenüberstanden und -stehen. Eine unkritische Rezeption ausländischer Rechtsnormen und -institute ist ihnen fremd. Auch der "Missionar" und große Lehrer des europäischen Rechts in der Frühzeit, der Pariser Professor Gustave Emile Boissonade, der von 1873 bis 1895 in Japan als Berater der japanischen Regierung einen kaum zu überschätzenden Beitrag zur Juristenausbildung und zur Gesetzgebung leistete- er bemühte sich auch um die Abschaffung der zur Erlangung des Geständnisses geübten Folter- und dessen Entwurf dem ersten modernenjapanischen StGB von 1880 zugrundelag, konnte sich nur schwer und manchmal sogar überhaupt nicht durchsetzen 16 • Hinsichtlich der Berücksichtigung ausländischer Rechte haben die Japaner immer eine bewußte Auswahl getroffen und das, was ihnen mit den soziokulturellen Gegebenheiten Japans nicht vereinbar schien, außer Betracht gelassen. Auf diese Weise ist in Japan eine eigenständige Rechtskultur entstanden. Im folgenden werde ich versuchen, deren Grundzüge, vor allem im strafrechtlichen Bereich, vorzustellen. Dabei bin ich mir bewußt, daß "zum Verständnis eines Rechtssystems auch ein ausgeprägter Sinn für seine spezifische, nicht in abstrakten Formeln faßbare Atmosphäre gehört" 1 \ die äußerst schwierig zu vermitteln ist. II. Wozu Rechtsvergleichung?

Ist es aber nicht so, daß Rechtsvergleichung nur für die Länder, die ausländisches Recht wenigstens teilweise rezipiert haben, von praktischer Bedeutung ist? Um zu zeigen, daß das nicht der Fall ist, werde ich hier kurz die Urteil des OGH v. 20.12.1966. Der Strafrechtsentwurf Boissonades konnte erst in erheblich revidierter Form zum Gesetz werden. Dieses StG B von 1880 wurde allerdings bald durch das geltende StG B von 1907 ersetzt. Auch Boissanades Entwurf eines BG B, in den er viel Energie investierte, stieß auf Widerstand und wurde nicht Gesetz. Die Gegner behaupteten, die Regelungen des Entwurfs seien individualistisch undjapanischen Verhältnissen nicht angepaßt. Zu diesem "Kodifikationsstreit" ausführlich Murakami, Einführung, S. 44ff.; Noda, Introduction, S. 47ff. Sein Entwurf diente allerdings als Grundlage der weiteren Gesetzgebung; die Regelungen seines Entwurfs wurden teilweise durch das neue (bis jetzt geltende) BGB von 1896 übernommen. Über Boissanade vgl. auch R. Neumann , in: Eubei u. a., Dasjapanische Rechtssystem, S. 613f. Als seine Biographie sei vor allem genannt: Ohkubo, Boissonade. Zum Kodifikationsprozeß des japanischen BGB ausführlich Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 27ff. 17 Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 96. 15

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Frage nach dem Sinn und den Möglichkeiten der Rechtsvergleichung in grundsätzlicher Hinsicht behandeln. 1. Savigny hat die Entwicklung des Rechts mit derjenigen der Sprache verglichen: Das Recht eines Volkes hänge wie seine Sprache als das Ergebnis eines langen geschichtlichen Prozesses mit dem Wesen und individuellen Charakter des Volkes organisch zusammen, so daß man das Recht nicht ohne weiteres in ein anderes Land umpflanzen könne 18 • Wenn man von diesem Vergleich des Rechts mit der Sprache ausgeht, dann müßte man konsequenterweise sagen, die Rechtsvergleichung habe genauso wie die vergleichende Sprachwissenschaft wohl einen theoretischen, aber keinen praktischen Wert. Denn es ist schwer vorstellbar, daß man dadurch, daß man eine fremde Sprache beherrscht, sich der Muttersprache besser bedienen kann. Aber dieser Vergleich trügt. Das Wesen der Rechtsregeln ist zweckbezogen; sie sind da, um "Probleme" zu lösen. Viele Probleme sind aber dem Recht vorgelagert und nicht beliebig gestaltbar 19 . Sie sind sogar durchaus von übernationaler Bedeutung: Ein Problem kann sich überall auf der Welt in gleicher Weise stellen. In der Tat sind die verschiedenen Rechtsordnungen mit einer Fülle gleicher und ähnlicher Probleme konfrontiert, ganz unabhängig davon, zu welchem Rechtskreis sie gehören. V nd je ähnlicher die äußere Situation der Länder etwa mit fortgeschrittener Industrialisierung beschaffen ist, desto mehr gleichartige Probleme haben sie zu bewältigen. Durch die "Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeit der Probleme" gewinnt auch die rechtsvergleichende Forschung ihre praktische Bedeutung20 , die ihr nicht nur auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts und des Völkerrechts zukommen kann 21 : Geht man von einem konkreten Problem aus, dann kann man die verschiedenen Regeln des eigenen und des fremden Rechts mit ihren verschiedenen Begriffsapparaten unter dem Gesichtspunkt der "Zweckrationalität" bei der Problemlösung miteinander vergleichen und daraufhin die Regelung des eigenen Rechts umgestalten oder eine im Ausland bewährte Lösung- auch im Spielraum der Gesetzesinterpretation 22 - mit der erforderlichen Modifizierung übernehmen 23 • Savigny, Vom Berufunsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, S. 101 ff. Diese Einsicht in die Sachgebundenheit des Rechts den dogmatischen Arbeiten zugrunde zu legen, war ein zentrales methodisches Anliegen Welzels; vgl. etwa ZStW Bd. 58, S. 491 ff., und: Vom Bleibenden und vom Vergänglichen in der Strafrechtswissenschaft, S. 345 ff.; dazu auch Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 401 f., 415 ff., 426 m.w.Nachw. Zur Sachgebundenheit rechtlicher Lösungen siehe ferner Coing, Rechtsphilosophie, S. 135, 179. 20 Zur praktischen Bedeutung der Rechtsvergleichung vgl. insbes. Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 12fT. 21 Über das Verhältnis der Rechtsvergleichung zum internationalen Privatrecht und dem Völkerrecht vgl. Zweigert I Kötz, Rechtsvergleichung, Bd. I, S. 7fT. 22 Hierzu vgl. Zweigert I Kötz, a. a. 0., S. 19 ff. 18

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2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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2. Freilich hat die deutsche Strafrechtsdogmatik den Bereich des Möglichen weitgehend ausgeschöpft und wird auch bei rechtsvergleichenden Studien höchstwahrscheinlich nicht auf etwas absolut Neues stoßen 24 • Aber durch die Rechtsvergleichung mit einer "problembezogen-funktionalen" Betrachtungsweise (Rheinstein) 25 verbreitert man jedenfalls die Basis der Problemlösung26 und gelangt nicht selten auch zu einer Relativierung des eigenen Standpunktes und einem besseren Verständnis des Problems, wozu man nicht gelangt wäre, wenn man es nur aus sich selbst heraus betrachtet hätte 27 • Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Beteiligen sich mehrere Personen an einem verbrecherischen Geschehen, so müssen sie nach dem Unwert der jeweiligen Tat unterschiedlich schwer bestraft werden. Nach den alten japanischen Strafvorschriften, die im 18.Jahrhundert unter dem Tokugawa-Shogunat entstanden, wurde bei einigen schweren Delikten der "Auftraggeber" schwerer und der darauf unmittelbar Ausführende milder bestraft 28 . Das vor der Rezeption des europäischen Rechts kodifizierte japanische StGB von 1870 bestimmte nach dem Muster des alten chinesischen Rechts den Fall der "Willenserzeugung" als die schwerste Form der Beteiligung an der Straftat. Im StGB von 1880 wurde die Anstiftung als eine Form der Täterschaft definiert (§ 105) 29 • Das sind durchaus vertretbare Gedanken, denn des öfteren spielt der Hintermann als Urheber des Verbrechens die dominierende Rolle. Die Regelung, die nur den Ausführenden als "Täter" zur Zentralfigur der Straftat klassifiziert, beruht demgegenüber auf dem Postulat der Autonomie des Individuums, das die dem Einfluß von außen nicht so leicht unterliegende Entscheidungsfreiheit des einzelnen dogmatisch voraussetzt. Daß dieses Bild aber nicht immer der Realität angepaßt ist, lehrt die Praxis. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die bundesdeutsche Rechtsprechung ihre subjektive Orien-

23 Zur Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeit der Sachprobleme als Ausgangspunkt der Rechtsvergleichung vgl. Rheinstein, a. a. 0., S. 12f., 25 ff., 32 f., 192; Z weiger I I Kötz, a.a.O., S. 34ff., 37ff., 48, 70f.; Coing, a.a.O., S. 179, 355; Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 106. Vgl. auch Jescheck, ZStW Bd. 86, S. 772 f.; Kaiser, Strafrechtsvergleichung und vergleichende Kriminologie, S. 82ff. 24 So Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 28. 25 Rheinstein, a. a. 0 ., S. 12 f., 25 ff. , 32 f., 192. 26 Vgl. ZweigerI I Kötz, a. a. 0 ., S. 16. 27 Was der Philosoph Hans Lenk feststellt, gilt auch für die Rechtswissenschaft: Man muß "eigentlich auch ... in einer gewissen geistigen Distanz zu seiner eigenen Tradition leben können ... , um in der Lage zu sein, gleichsam von außen sein eigenes Denken, seine Gewohnheiten, insbesondere seine theoretischen Geprägtheilen zu erkennen - eine besonders schwierige Angelegenheit, auf die man sich kaum erfolgreich einlassen kann, wenn man nicht auch mit anderen Lebens- und Kulturentwürfen konfrontiert wurde". Lenk, Kritik der kleinen Vernunft, S. 130f. 28 Vgl. Saeki, AT, S. 27, 330. 29 Hierzu instruktiv Ono, Das frühere StGB von 1880 und die Strafrechtslehre Boissonades, S. 454ff.

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tierung beibehält30 und in der Rechtslehre die subjektive Tätertheorie trotz der Kritik noch einige Anhänger hat 31 . Auch die h. L. erkennt die Bedeutsamkeil subjektiver Faktoren durchaus an 32 • Die japanische Rechtsprechung hat unter dem geltenden StGB von 1907 von ihrem grundsätzlichen objektivistischen Standpunkt33 aus eine eigenständige Rechtsfigur "Gemeinschaftlich verabredete Mittäterschaft" entwickelt34 • Auch der Hintermann, der aktiv an der Bildung eines gemeinsamen verbrecherischen Plans mitgewirkt hat, aber seine Verwirklichung den anderen überlassen hat und nicht am Tatort anwesend war, wird danach als Mittäter bestraft. Diese Rechtsfigur hat zwar scharfe Kritik bei der Rechtslehre ausgelöst: Mittäterschaft anzunehmen, obwohl es an der gemeinschaftlichen Ausführung von Tatbestandshandlungen fehlt, überschreite die Wortlautgrenze des Gesetzes (§ 60 jap. StGB) und verwische den Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme 35 • Aber das Bedürfnis der Rechtspraxis, auch den Hintermann als die Zentralgestalt zu qualifizieren, ohne sich dabei auf die subjektive Tätertheorie zu berufen, war so stark, daß die Kritik der Lehre dieJudikaturnicht erschüttern konnte. Auch die Lehrmeinung, die der Rechtsprechung eine theoretische Basis anbieten will, ist jetzt keine unbeachtliche Minderheit mehr. Außerdem beabsichtigt der Reformentwurfvon 197436 , die Strafbarkeit der "gemeinschaftlich verabredeten Mittäterschaft" gesetzlich ausdrücklich zu verankern, um die Bedenken in bezug auf einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip zu beseitigen(§ 27 Abs. 2 des Entwurfs). In der bundesdeutschen Rechtslehre wird das gleiche Ergebnis aufgrund der vorherrschenden Tatherrschaftstheorie erzielt 37 • Daran zeigt sich deutlich, wie weit die in der Bundesrepublik 30 Allerdings mit zunehmender Annäherung an die Tatherrschaftstheorie; vgl. Küpper, GA 1986, S. 439ff. m. Nachw. der BOR-Entscheidungen; so deutlich BGH NStZ 1989, 176. 3 1 Baumann I Weber, AT, S. 535ff.; Arzt, JZ 1981 , S. 414. 32 Vgl. etwa Jescheck, AT, S. 590ff.; Wesse/s, AT, S. 149f.; Küpper, a.a. O., S. 442ff. m. w. Nachw. 33 Dazu vgl. u. III., 2. 34 Dazu Hirano, Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 288 ff.; Nakayama, Die verabredete Mittäterschaft, S. 1 ff. 35 Zum Meinungsstand ausführlich Nakayama, a.a.O., S. 1 ff. 36 Entwurf zu einem Japanischen Strafgesetzbuch vom 29.Mai 1974, übersetzt von Nishihara, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 102. Dieser Entwurf wurde von einem Sonderausschuß in der Beratungskommission für Gesetzgebung des Justizministeriums verfaßt und 1974 von der Beratungskommission dem Justizminister vorgelegt. Er ist aus mehreren Gründen noch nicht zum Gesetz geworden. Eine Übersicht über die Reformarbeiten bis heute gibt die Einleitung von Nishihara a.a.O., S. 1 ff. m.w.Nachw. Zum Reformentwurf von 1974 siehe außerdem Tjong / Eubel, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 235 ff. ; Tjong, Freiheitsstrafe, S. 1457ff. Zum Entwurf des Sonderausschusses von 1972 ausführlich Naito, Rechtsvergleichende Betrachtungen zu dem Kommissionsentwurf eines japanischen StGB (1972), S. 179ff. Zur Kritik dieses Entwurfs Hirano, ZStW Bd. 85, S. 503 ff.

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Deutschland h. L. von der formell-objektiven Tätertheorie inzwischen entfernt ist. 3. Wenn nun die "Gemeinsamkeit der Probleme" die Grundlage der Rechtsvergleichung bildet, so kann sich das "Systemdenken" durchaus negativ und damit als ein Hindernis der Rechtsvergleichung auswirken. Zwar ist typisch für die deutsche Rechtswissenschaft, Problemlösungen deduktiv von einem vorher errichteten System aus abzuleiten. Aber ein solches Vorgehen versperrt leicht den Zugang zum Problem an sich und macht dadurch den Dialog zwischen den Juristen aus verschiedenen Ländern schwer. Das besagt freilich nicht, die Strafrechtsdogmatik könne der Systematik entbehren. Nur: dieser darf dabei die problemorientierte Betrachtungsweise nicht zum Opfer fallen. Daraufwerde ich im Teil B (1. Kap., III) noch ausführlicher eingehen. 111. Eigenschaften des japanischen Strafrechts in grundsätzlicher Hinsicht 1. Zum japanischen Strafgesetzbucb38

a) Das geltende StGB von 1907 steht im Mittelpunkt der Strafrechtsnormen Japans. Es umfaßt aber nur 274 Paragraphen (77 davon sind Bestimmungen des Allgemeinen Teils, 197 des Besonderen Teils). Die Zahl der Paragraphen ist bis heute nur um 10 gestiegen. Das istangesichtsder sozialen Veränderungen der letzten 80 Jahre verwunderlich, auch wenn man mitberücksichtigt, daß das Strafrechtsänderungsgesetz von 1947 eine Reihe von Vorschriften, die, wie z. B. die Tatbestände "Straftaten gegen den Kaiser und die Kaiserfamilie" und "Ehebruch", mit der neuen Verfassung von 1946 nicht in Einklang zu bringen waren, aufgehoben hat 39 • Dies läßt sich aber zumindest zum Teil damit erklären, daß viele Vorschriften- einschließlich solcher, die, wie die Bestimmungen der gefahrliehen Körperverletzung mittels einer Waffe und des gewohnheitsmäßigen Einbruchsdiebstahls, eigentlich zum StG B gehören sollten - außerhalb des StGB in unzähligen Sonderstrafgesetzen40 niedergelegt worden sind. Im übrigen werden die Sonderstrafgesetze häufiger erlassen und geändert, während in das StGB verhältnismäßig selten vom Gesetzgeber eingegriffen wird.

37 Vgl. Welzel, Lb., S. 110f. (als Begründer der modernen Tatherrschaftstheorie); Jescheck, AT, S. 591 f.; Stratenwerth, AT, S. 233f.; Wessels, AT, S. 149f.; Küpper, GA 1986, S. 444ff. m.w.Nachw. 38 Vgl. auch die ausführliche und umfassende Gesamtdarstellung von Saito, Das japanische Strafrecht; ferner Miyazawa, ZStW Bd. 88, S. 826ff.; Tjong I Eubel, in: Eubel u.a., Das japanische Rechtssystem, S. 210fT. Insbes. zum Rechtsfolgensystem des geltenden StGB ausführlich Tjong, Freiheitsstrafe, S. 1369ff. 39 Vgl. dazu Dando, ZStW Bd. 66, S. 160fT.; Röhl, Fremde Einflüsse im modernen japanischen Recht, S. 49 f. 40 Ein Überblick über die wichtigen Sonderstrafgesetze findet sich bei Tjong I Eubel, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 243 ff.

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Teil A: Einführung

Beim Kodifikationsprozeß des geltenden StGB von 1907 wurde zwar das deutsche StGB von 1871 oft berücksichtigt, aber der Einfluß der neuen spezialpräventiven Strafrechtsschule Europas ist nicht zu unterschätzen. Dem vorausgehenden StGB von 1880 lag der Entwurf von Boissanade zugrunde. Boissanade gehörte zur sog. neoklassischen Schule Frankreichs (ecole eclectique oder neo-classique), deren Grundgedanken durch seinen Gesetzesentwurf mit dem Kommentar und durch seine Lehrtätigkeit die damals bedeutenden japanischen Juristen beeinflußte und gewissermaßen den Ausgangspunkt der modernen Strafrechtswissenschaft in Japan bildete 41 • Boissanade hatte sich zwar den Code penal Napoleons von 1810 zum Vorbild genommen, ihn aber unter Berücksichtigung der damaligen europäischen Strafgesetzbücher - an vielen Stellen revidiert. (Die Japaner haben seinen Entwurf keineswegs ohne weiteres übernommen, sondern sie haben an der Abfassung des Entwurfs aktiv mitgewirkt und die endgültige Fassung Boissanades noch in vielen Punkten korrigiert, so daß Boissanade mit dem neu entstandenen StGB unzufrieden war). Das StGB von 188042 zeichnete sich durch seine liberalen und objektivistischen Züge aus. Das Gesetzlichkeitsprinzip ("Nullum crimen, nulla poena sine lege") wurde in diesem Gesetz zum ersten Mal ausdrücklich niedergelegt (§§ 2, 3), obwohl nicht übersehen werden darf, daß es damals noch kein Parlament gab und man deshalb nicht vom Gesetzlichkeilsprinzip im strengen Sinne sprechen konnte. Die gegen das Schuldprinzip kraß verstoßenden Rechtsinstitute und die ständischen Privilegien wurden ausgeräumt. Das StGB von 1880 entschärfte und modernisierte vor allem das bisherige Strafensystem. Die Freiheitsstrafen wurden in den Mittelpunkt gerückt und die Leibesstrafen wurden abgeschafft. Die Strafvorschriften des Besondern Teils wurde detailliert und begrifflich klar gefaßt. Die einzelnen Delikte wurden nach der Art und Weise der Tatausführung sowie nach der Schwere des eingetretenen Erfolges in zahlreiche Typen eingeteilt. Auch die Strafrahmen wurden ziemlich eng gezogen, um den Ermessensspielraum des Richters möglichst klein zu halten. Das StGB von 1880 war 1882 in Kraft getreten. Aber nachdem die Japaner seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die preußische Verfassung von 1850 zum Vorbild ihres Verfassungsrechts genommen und die Vorbereitung der neuen japanischen Verfassung begonnen hatten 43 , war der deutsche Einfluß auf das japanische Recht immer stärker geworden. Die Regierung fing gleich nach dem lokrafttreten des StGB von 1880 an, ein neues StGB vorzubereiten. Das geltende japanische StGB wurde nach 41 Ausführlich zur Strafrechtslehre Boissanades siehe Ono, Das frühere StOB von 1880 und die Strafrechtslehre Boissonades, S. 425 ff. 42 Zum StG B von 1880 vgl. auch Tjong j Eube/, in: Eubei u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 208 ff. 43 Dazu siehe Murakami, Einführung, S. 26ff.

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längeren Vorarbeiten im Jahre 1907 verkündet und ist am 1.10.1908 in Kraft getreten44 • In der Rechtslehre Japans wurde um die Jahrhundertwende stark eine spezialpräventive Strafrechtslehre der modernen Richtung vertreten, während die "klassische" Strafrechtslehre sich erst später zu einer echten Konkurrenz hat herausbilden können. Das lag zum Teil daran, daß die spezialpräventive Strafrechtslehre in Japan einen starken paternalistischen bzw. Bevormundungscharakter hatte45 und zu dem damaligen Klima der kaiserlichen Monarchie besser paßte. Auch die steigende Kriminalitätsentwicklung in der damaligen Zeit wurde auf die konservative Kriminalpolitik zurückgeführt. So konnten eine Reihe von Vorschriften, die von spezialpräventiven Erwägungen geleitet wurden, ins neue Gesetz eingeführt werden. Als Beispiele seien genannt: Zahlreiche fakultative Strafmilderungsgründe, die den Ermessensspielraum des Richters erheblich erweitert haben 46 ; die unter Berücksichtigung des belgisehfranzösischen Rechts gestaltete "bedingte Strafaussetzung"(§§ 25 ff. jap. StGB), deren großer Anwendungsbereich später durch mehrere Reformgesetze noch erweitert wurde, so daß sie jetzt für fast alle Deliktstypen in Betracht kommt47 ; eine Lockerung der Voraussetzungen der "bedingten Entlassung"(§§ 28ff. jap. StGB), durch deren praktische Handhabung die Länge der Inhaftierung dem einzelnen Insassen gerecht werden sollte48 , usw. Die weitgehende Orientierung 44 Zur Gesetzgebungsgeschichte des früheren und des geltenden japanischen StGB eingehend Nomura, Studien zum Versuchsdelikt, S. 31-77 mit umfassenden Nachw.; Saeki I Kobayashi, Geschichte der Strafrechtswissenschaft, S. 207-289 (eine Darstellung im Zusammenhang mit der damaligen Strafrechtswissenschaft). Vgl. auch Miyazawa, ZStW Bd. 88, S. 821 ff.; Miyazawaf Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 6f. Einen Überblick der Geschichte des japanischen Strafrechts von seinen Anfängen bis zum geltenden StGB geben: Tjong, ZStW Bd. 84, S.1099ff., 1104ff.; TjongfEubel, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 205 ff. 4 5 Vgl. Hirano, Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 294. 46 Der Versuch z. B. war im StGB von 1880 treuseinem objektivistischen Standpunkt ein obligatorischer Strafmilderungsgrund (§ 112). Er wurde aber nach einem heftigen Streit im Parlament (siehe Saeki/ Kobayashi, Geschichte der Strafrechtswissenschaft, S. 240 ff.) in einen fakultativen geändert(§ 43 des geltendenjap. StGB). Das geltende StG B sieht auch eine drastische Straferhöhung für den Rückfalltäter vor: Der Richter kann die Obergrenze des betreffenden Strafrahmens bis zum Doppelten des Höchstmaßes überschreiten, wenn der zu einer Zuchthausstrafe Verurteilte innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung der Strafvollstreckung eine weitere Straftat begeht und auf eine zeitige Zuchthausstrafe zu erkennen ist(§§ 56ff.jap. StGB). Vgl. Tj ong, Freiheitsstrafe, S. 1404f. Auch in dieser Vorschrift zeigt sich deutlich der Charakter des geltenden StGB. Sämtliche Versuche, diese Strafschärfung mit dem Schuldprinzip in Einklang zu bringen, sind als gescheitert anzusehen. Aber auch der Entwurf von 1974, der das Schuldprinzip durchgesetzt haben will, hat nicht nur diese Strafschärfung beibehalten, sondern auch ihren Anwendungsbereich noch erweitert. 47 Zur bedingten Strafaussetzung im geltenden japanischen StGB ausdrücklich Tj ong, Freiheitsstrafe, S. 1427ff. 48 Zur bedingten Entlassung im geltendenjapanischen StGB ausführlich Tjong, a. a. 0 ., s. 1434ff.

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an der spezialpräventiven Strafrechtslehre bildet die Besonderheit des japanischen StGB und verursachte den bis zur Vorkriegszeit heftigen Schulenstreit49 • b) Dasjapanische StGB unterscheidet sich dadurch erheblich vom deutschen StGB von 1871 und von den anderen europäischen Strafgesetzbüchem, daß seine Vorschriften kurz und allgemeiner gefaßt sind 5°. Während z. B. das frühere japanische StGB von 1880, das nach dem Vorbild des Code penal Napoleons von 1810 verfaßt wurde und 430 Paragraphen enthielt, 7 verschiedene Typen des Diebstahls kannte (§§366fT.), kennt das geltende nur einen einzigen Paragraphen mit einem Strafrahmen von einer einmonatigen bis zehnjährigen Zuchthausstrafe (§ 235 des geltenden jap. StGB). Die Weite der Strafrahmen sticht überall ins Auge.§ 199 jap. StGB sieht z. B. für die vorsätzliche Tötung- das japanische StGB unterscheidet nicht zwischen Mord und Totschlag- einen Strafrahmen von 3-jähriger Zuchthausstrafe bis zur Todesstrafe vor. Auch die Dreiteilung der Straftaten in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, die das frühere StGB von 1880 aus dem Code penal übernommen hatte, kennt das geltende StGB nicht. Die Knappheit der Fassung läßt sich einerseits auf eine aus dem chinesischen Recht überlieferte gesetzgebensehe Tradition zurückführen, Rechtsvorschriften in knappen Worten zu formulieren 51 • Mitunter wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, daß die japanische Sprache, die mehr emotional als logisch korrekt ist 52 , nicht dafür geeignet ist, eine präzise Aussage eindeutigen Inhalts zu geben 53 • Andererseits ist neben dem Unbehagen der Richter über die engen Strafrahmen des früheren StGB die oben erwähnte starke Einflußnahme der spezialpräventiven Strafrechtslehre nicht zu verkennen: Die damals einflußreichen Strafrechtler traten für die weitgefaßte Formulierung des Deliktstatbestandes und die entsprechende Erweiterung des Strafrahmens ein, damit eine effektivere Kriminalitätseindämmung durch eine der Täterpersönlichkeit angepaßte Sanktionierung ermöglicht werden sollte 54 • Auch im dogmatischen Teil enthält das geltende StGB nur wenige und dürftige Bestimmungen: aa) Wir vermissen dort die Regelungen einiger dogmatisch wichtiger Fragen, die natürlich nach dem damaligen Stand der Wissenschaft auch nicht erwartet werden konnten. Als Beispiele seien vor allem genannt:

49 Vgl. Dando, GA 1959, S. 357. Über den Schulenstreit in Deutschland und Japan ausführlich Ohtsuka, Die Lehre von der klassischen und modernen Schule im Strafrecht. 50 Vgl. Dando, Heinitz-Festschrift, S. 37. st Dando, a.a.O., S. 37. 52 Vgl. Noda, Introduction, S. 12f. (" It is a language ofpoetry, not ofscience."), ferner 163ff. 53 So etwa Kawashima, Rechtsbewußtsein der Japaner, S. 34ff. 54 Vgl. Saeki / Kobayashi, Geschichte der Strafrechtswissenschaft, S. 245.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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Unechte Unter/assungsdelikte. Daß die Stratbestimmungen, die anscheinend nur ein positives Tun beschreiben, auch auf die Begehung durch Unterlassen angewendet werden können, war und ist nicht umstritten, obwohl darüber im geltenden japanischen StG B keine ausdrückliche Regelung zu finden ist. Auch die Judikatur bejahte schon bald nach dem lokrafttreten des geltenden StGB in mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen, insbesondere zur Brandstiftung, zum Betrug und zur Aussetzung Schutzbefohlener, die Strafbarkeit der unechten U nterlassungsdelikte.

In der Rechtslehre hat die sog. Garantenlehre, die von Nagler begründet und in der bundesdeutschen Dogmatik weiterentwickelt worden ist, Aufnahme gefunden und sich zur vorherrschenden Auffassung herausgebildet. Gegenstand heutiger Diskussion ist die Frage, wann die strafrechtliche Handlungspflicht (oder Garantenpflicht) angenommen werden soll. Die Diskussion befaßt sich zum einen mit der Frage, ob als ein subjektives Erfordernis der "Ausnutzungswille der Gefahrenlage" (wie das japanische Reichsgericht in seinen Entscheidungen zur Brandstiftung gefordert hat) bzw. die "Wissentlichkeit" (wie der Entwurfvon 1974 55 in§ 12 vorschlägt) zu verlangen sei. Zweitens ist umstritten, ob insbesondere bei der Ingerenz "die faktische Übernahme der Erfolgsabwendung" als ein unabdingbares Erfordernis angesehen werden soll. Diese Frage spielt bei den Fällen der Verkehrsunfallflucht eine große Rolle. Der Entwurf von 1974 beabsichtigt, die Strafbarkeit der Begehung durch Unterlassen gesetzlich ausdrücklich zu verankern(§ 12 des Entwurfs). Dagegen behaupten nicht wenige Strafrechtler, eine solche Vorschrift sei nicht nur wegen ihrer generalklauselartigen Abstraktheit nutzlos, sondern sogar schädlich: Die ausdrückliche Anerkennung einer solchen Rechtsfigur im Gesetz führe zur Erweiterung des bisher in der Praxis sehr restriktiv angesehenen Umfangs der Strafbarkeit. Im übrigen ist das japanische StGB hinsichtlich sog. echter Unterlassungsdelikte ziemlich zurückhaltend. So kennt es z. B. im Unterschied zu § 323c bundesdeutsches StGB nicht die Strafbarkeit der unterlassenen Hilfeleistung. Fahrlässigkeit. Im geltenden japanischen StGB findet sich keine gesetzliche Definition. Zu klären, was man unter Fahrlässigkeit verstehen soll, ist der Lehre und Rechtsprechung überlassen 56 •

Die dogmatische Einordnung der Sorgfaltswidrigkeit beim fahrlässigen Delikt war einer der Brennpunkte der unter dem Einfluß der deutschen Strafrechtsdogmatik geführten Diskussion um den Unrechtsbegriff in den letzten 30 Jahren. Nach der jetzt herrschenden Auffassung ist das Tatbestandsmerkmal der Sorgfaltswidrigkeit erst dann anzunehmen, wenn die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts und die objektive Möglichkeit des zu Siehe o. Fn. 36. Siehe zum Meinungsstand etwa Tjong / Eube/, m: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 222 ff. 55

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Teil A: Einführung

seiner Vermeidung erforderlichen Verhaltens bestehen. Diese Auffassung ist aber nicht unumstritten 57 • Erfolgsqualifizierte Delikte. Siehe u. 2. d). actio libera in causa. Diese von der deutschen Dogmatik übernommene Rechtsfigur ist ein beliebter Diskussionsgegenstand in der japanischen Deliktslehre: Für die Fälle, in denen der Zustand der Handlungsunfahigkeit oder Schuldunfahigkeit (oder der verminderten Schuldfähigkeit) rauschbedingt hervorgerufen und in diesem Zustand ein strafrechtlich relevanter Erfolg verursacht worden ist, beinhaltet das geltende japanische StOB weder eine ausdrückliche Regelung im Allgemeinen Teil noch gibt es einen speziellen Tatbestand im Besonderen Teil, der mit dem Vollrauschtatbestand des bundesdeutschen StOB (§ 323a) vergleichbar ist. Theoretische und praktische Schwierigkeiten bereitet die Rechtsfigur der vorsätzlichen actio libera in causa. Sie liegt vor, wenn der Eintritt des Enderfolges im vorangehenden Stadium beabsichtigt oder zumindest in Kauf genommen worden war. Die h. L. sieht sie als einen Unterfall der mittelbaren Täterschaft an und stößt damit auf das schwierige Problem, wie die Fälle zu lösen sind, in denen der Enderfolg im Zustand der bloß verminderten Schuldfahigkeit verursacht worden ist und daher dem unmittelbar den Erfolg verursachenden Akt nicht die Haupttatqualität abgesprochen werden kann. Dieses Problem ist in Japan von besonderem Gewicht, weil die verminderte Schuldfähigkeit im japanischen StOB im Gegensatz zum bundesdeutschen einen obligatorischen Strafmilderungsgrund darstellt (§ 39 Abs. 2 jap. StGB). Ein zweites Problem betrifft den Versuchsbeginn ("Anfang der Ausführung" nach§ 42 jap. StOB). Nach der überwiegend vertretenen Auffassung beginnt der Versuch erst mit dem den Enderfolg unmittelbar herbeiführenden Akt, was aber theoretisch nicht leicht zu begründen ist. Es gibt keine höchstrichterliche Entscheidung, die sich mit einem typischen Fall der vorsätzlichen actio libera in causa befaßt und dazu eine klare Stellung bezogen hat. Es ist andererseits nicht zu übersehen, daß in der Praxis zur Annahme der Schuldunfahigkeit und der verminderten Schuldfähigkeit ziemlich hohe Anforderungen gestellt werden. Der Entwurf von 1974 58 beabsichtigt, eine neue Vorschrift über die "selbst herbeigeführte Geistesstörung" einzuführen, die aber über den Anwendungsbereich der actio libera in causahinaus auch zur Einschränkung der Annahme der Schuldunfähigkeit und der verminderten Schuldfahigkeit führt (§ 17 des Entwurfs). Untauglicher Versuch. Siehe u. 2. a), und Teil C, 2. Kap., I. 57 Siehe die Nachweise u. Teil C, 1. Kap., II. 1. b) ee). ss Siehe o. Fn. 36.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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bb) Im geltenden japanischen StGB finden sich auch Vorschriften, die sehr vage und ergänzungsbedürftig sind: Gesetzliche Grundlage der Rechtfertigung(§ 35 jap. StGB). § 35 StGB lautet: "Eine Handlung, die aufgrundeines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung oder in Ausübung eines dazu berechtigenden Geschäfts vorgenommen wird, ist nicht strafbar". Die Rechtslehre legt diese Vorschrift extensiv aus, so daß sie als eine generalklauselartige Bestimmung zur Rechtfertigung der verschiedenartigen, rechtlich erlaubten Handlungen dient. Irrtum(§ 38 jap. StGB). i) Das Begriffspaar "Tatsachenirrtum" und "Rechtsirrtum" ist in Japan immer noch geläufiger als "Tatbestandsirrtum" und "Verbotsirrtum". Die neue Terminologie "Tatbestandsirrtum" und "Verbotsirrtum" hat sich zwar mittlerweile in der Lehre eingebürgert 59 , aber sie hat bis heute jenes alte Begriffspaar nicht verdrängen können. Das liegt vermutlich daran, daß man fürchtet, durch die neue Terminologie die Einordnung des Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt in den Verbotsirrtum (oder zumindest dessen stiefkindartige Behandlung) gewissermaßen zu präjudizieren.

ii) Was den "Tatsachenirrtum" angeht, hält das japanische StGB nur eine ziemlich vage Vorschrift bereit, die aus dem chinesischen Recht stammt: "Wer bei Begehung einer Straftat nicht wußte, daß in Wirklichkeit eine schwerere Straftat vorliegt, kann nicht derentwegen bestraft werden" (§ 38 Abs. 2 jap. StGB). Zu klären, was diese Formulierung in concreto für die verschiedenen Irrtumsarten bedeutet, bleibt der Rechtsprechung und der Lehre überlassen. Der Tatsachenirrtum wird üblicherweise in zwei Arten eingeteilt: in die Fälle, in denen der Irrtum sich auf ein- und denselben Tatbestand bezieht, und in die Fälle, in denen der Irrtum zwei verschiedene Tatbestände betrifft. In den erstgenannten Fällen, bei denen die Fehlvorstellung des Täters den gleichen Tatbestand zum Gegenstand hat wie das wirklich Geschehene (mißverständlich als "Irrtum über die konkreten Tatsachen" bezeichnet), befürworten die Rechtsprechung und die im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung die Theorie von der "tatbestandlichen Entsprechung" . Nach dieser Theorie führen sämtliche Irrtumsarten (einschließlich der aberratio ictus) nicht zum Vorsatzausschluß, solange zwischen der Handlung und dem Erfolg ein adäquater Zusammenhang besteht. Die jetzt im Vordringen begriffene Auffassung ist die Theorie von der "konkreten Entsprechung", die für den Fall der aberratio ictus den Vorsatzausschluß befürwortet60 • In den anderen Fällen, in denen sich die Fehlvorstellung des Täters und das wirklich Geschehene jeweils auf zwei verschiedene Tatbestände beziehen (ebenso mißverständlich als "Irrtum über die abstrakten Tatsachen" bezeichnet), läßt die h. M. in Japan grundsätzlich den Vorsatz entfallen. Eine Ausnahme wird 59

Vgl. etwa Fukuda, AT, S. 108f.; ders., Der Irrtum überdie Rechtswidrigkeit der Tat,

60

Vgl. auch u. Teil D, 1. Kap., II. 2. a) m. Nachw.

s. 219f.

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Teil A: Einführung

zugelassen, wenn die zwei Tatbestände sich überschneiden, was nicht nur beim Grund- und qualifizierten Tatbestand denkbar ist. Die umstrittenste Frage ist, wann und nach welchen Kriterien diese Überschneidung angenommen werden soll 61 • iii) In der Rechtslehre besteht heute Einigkeit darüber, daß das Schuldprinzip die Beachtung des Verbotsirrtums fordert und der unvermeidbare Verbotsirrtum die Straflosigkeit zur Folge haben muß, obwohl§ 38 Abs. 3 jap. StGB bloß die fakultative Strafmilderungsmöglichkeit für die "Gesetzesunkenntnis" vorsieht. Eine klare Stellungnahme des OGH ist noch abzuwarten. In der Lehre wird unter dem Einfluß deutscher Doktrin die Schuldtheorie immer stärker vertreten 62 . iv) Das Problem, ob die irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts zum Ausschluß des Vorsatzdelikts führt, ist auch in Japan umstritten, obwohl der Gesetzeswortlaut des § 38 Abs. 1 jap. StGB ("Eine Handlung, bei der der Wille, eine Straftat zu begehen, fehlt, ist nicht strafbar") mehr für den Ausschluß des Vorsatzdelikts spricht. Die h. L. und die Rechtsprechung sehen die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts als einen vorsatzausschließenden Tatsachenirrtum an 63 • Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit (§ 39 jap. StGB). Siehe u. TeilE, 1. Kap., II, 1. In der Praxis wird§ 39 StGB relativ selten angewendet: An die Strafmilderung oder gar die Straflosigkeit werden ziemlich hohe Anforderungen gestellt. Das läßt sich auch aufgrund der hohen Anzahl der Insassen in den Strafanstalten, bei denen eine geistige Störung festgestellt worden ist, vermuten 64 • Die strenge Handhabung durch die Praxis hängt möglicherweise auch damit zusammen, daß das geltende StGB die Maßregeln als zweite Spur nicht kennt 65 . Rücktritt vom Versuch(§ 43 Satz 2 jap. StGB). Wenn der Täter "aus eigenem Willen" mit der Ausführung der Straftat aufhört, so tritt Strafmilderung ein oder es kann von Strafe abgesehen werden. Bemerkenswert ist, daß im Gegensatz zum§ 24 des bundesdeutschen StGB der Rücktritt vom Versuch nicht zur Straflosigkeit führt. Man sagt auch, § 43 Satz 2 jap. StGB schlage keine goldene, sondern eine bloß "bleierne Brücke zum Rückzug". Die Konkretisierung der Voraussetzungen (auch hinsichtlich des Falles mehrerer Tatbeteiligter) bleibt der Rechtsprechung und der Rechtslehre überlassen 66 • Vgl. u. Teil D, 1. Kap., II. 2. a) m. Nachw. Zum Meinungsstand ausführlich u. Teil E, 1. Kap., II. 3. m. Nachw. 63 Vgl. u. Teil D, 2. Kap., II. 2. c). 64 Nach dem Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 70, ist im Jahre 1987 bei 3159 ( = 7,2%) von insgesamt 43802 Insassen der Strafanstalten ( = Keimu sho) eine geistige Störung festgestellt worden. 65 Allerdings kennen einige Sondergesetze, wie z. B. das Gesetz über die geistige Hygiene, verwaltungsrechtliche U nterbringungsmaßnahmen. Vgl. Tjong I Eubel, in: Eubel u.a., Das japanische Rechtssystem, S. 230f.; Tjong, Freiheitsstrafe, S. 1388, 1412ff. 61

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2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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cc) Darüber hinaus ist der dogmatische Charakter einiger Vorschriften nicht eindeutig und bedarf wissenschaftlicher Klärung. Besonders zu nennen sind: Notstand (§ 37 jap. StOB). Die Notstandsbestimmung des § 37 jap. StOB lautet: "Eine Handlung, die jemand bei Eintritt einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leben, Körper, Freiheit oder Vermögen für sich selbst oder für einen anderen vornimmt, ist nicht strafbar, soweit der aus der Handlung entstandene Schaden den abzuwendenden Schaden nicht überschreitet". Nach der h. L. stellt der Notstand des § 37 jap. StOB einen Rechtfertigungsgrund dar. Diese Deutung scheint zwingend zu sein. Denn § 37 verlangt die Schadensahwägung als eine unabdingbare Voraussetzung der Straflosigkeit, eine Voraussetzung, die für die Schuld des Täters ohne Bedeutung wäre. Darüber hinaus darf gemäß § 37 auch um eines Rechtsgutes irgendeiner anderen Personwillen gehandelt werden, was ebenfalls dafür spricht, daß es sich um einen Rechtfertigungsgrund handelt. Aber die herrschende Auffassung führt zu einem sachwidrigen Ergebnis: Selbst zur Erhaltung eines eigenen Interesses könnte ein gleichwertiges Interesse eines Dritten "rechtmäßig" aufgeopfert werden. Man könnte dann das Schicksal auf Kosten eines schuldlosen Dritten umgehen und gerechtfertigt werden. Einige Autoren vertreten deshalb im Wege einer Auslegung des§ 37 jap. StGB eine "Differenzierungstheorie". Danach wird eine Notstandshandlung dann nicht gerechtfertigt, sondern nur entschuldigt, wenn ein gleichwertiges Interesse geopfert wird 67 . Durch diese Differenzierungstheorie wird allerdings die Problematik des§ 37 jap. StGB nicht beseitigt, sondern höchstens entschärft. Idealkonkurrenz und ,.zusammenhängende Handlungen"(§ 54 jap. StGB). Das geltende jap. StGB kennt neben der vom dtsch. StOB übernommenen Idealkonkurrenz eine eigenartige Rechtsfigur der "zusammenhängenden Handlungen"68, die genauso wie die Idealkonkurrenz zur Folge hat, daß nur auf eine Strafe erkannt wird, die sich nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (§54 Abs. 1 jap. StGB). Daß durch das geltende StGB neben der Idealkonkurrenz eine solche Rechtsfigur anerkannt wurde, hing vermutlich mit der neuen Fassung der Vorschriften des Besonderen Teils zusammen. Bei der Urkundenfälschung sind nämlich die Fälschungstat, die nach dem früheren StOB von 1880 grundsätzlich straflos war, und das Gebrauchmachen von einer gefälschten Urkunde jeweils in verschiedenen selbständigen Tatbeständen erfaßt worden (§§154fT. jap. StGB), so daß zwischen der Urkundenfälschung und dem Gebrauchmachen von der gefälschten Urkunde Realkonkurrenz hätte angenommen werden müssen. Erst mit der Rechtsfigur der "zusammenhängen66 Zur Abgrenzung vom beendeten und unbeendeten Versuch im japanischen Strafrecht ausführlich Yamanaka, ZStW Bd. 98, S. 761 ff. 67 So vor allem Saeki, AT, S. 206f.; Naka, AT, S. 141 ff.; Nakayama, AT, S. 269ff.; Naito, AT II, S. 403ff. mit ausführlichen Nachw.; Asada, ZStW Bd. 97, S. 473 Fn. 15. 08 Vgl. Saito, Das japanische Strafrecht, S. 283 f.

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den Handlungen" kann aber zwischen ihnen eine Tateinheit angenommen werden, weil sie in einer Mittel-Zweck-Relation stehen. Zumindest teilweise hat die Einführung dieser Rechtsfigur zur Folge, daß die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz im Vergleich zum deutschen Recht enger interpretiert werden. So soll z. B. die Teilidentität der Ausführungshandlung entgegen der bundesdeutschen Lehre und Rechtsprechung 69 nicht zur Annahme der Idealkonkurrenz genügen 70 • c) Die Knappheit und Dürftigkeit der Bestimmungen im Allgemeinen Teil trugen dazu bei, daß die japanische Strafrechtswissenschaft bis heute die dogmatischen Lehren und Rechtsfiguren Deutschlands in besonderem Maße berücksichtigen und auch übernehmen konnte. Auch die spätere Novellengesetzgebung berührte die dogmatischen Regelungen des Allgemeinen Teils nicht. Dadurch hatte die japanische Strafrechtswissenschaft einen Freiraum, der es ihr ermöglichte, eine eigene Dogmatik unter starker Berücksichtigung der deutschen zu entwickeln 71 • Die Rechtsvergleichung ist in Japan auf diese Weise zu einem integrierten Bestandteil der Strafrechtsdogmatik geworden 72 • Dabei darf nicht übersehen werden, daß die deutsche Dogmatik Lehren und Rechtsfiguren entwickelt hat, die wegen ihrer relativen Selbständigkeit gegenüber den positivrechtlichen Gestaltungen auch in ausländische Rechtsordnungen transferierbar sind. In diesem Zusammenhang sei auch die sehr zurückhaltende Tätigkeit des Gesetzgebers 73 hervorgehoben. Das japanische StGB ist nach dem Zweiten Weltkrieg nur neunmal abgeändert worden, ohne daß Reformbedürfnisse dadurch befriedigt worden wären 74 • Ein Paradebeispiel für die träge gesetzgeberische Tätigkeit ist, daߧ 200 jap. StGB, nach dem der Aszendentenmörder mit der Todesstrafe oder lebenslänglicher Zuchthausstrafe zu bestrafen ist, bis heute weder aufgehoben noch entsprechend abgeändert worden ist, obwohl der OGH in seiner Plenarentscheidung v. 4.4.1973 diese Vorschrift wegen des übermäßig strengen Strafrahmens für verfassungswidrig erklärt hatte 75 . Der Grund ist, daß 69 Siehe etwa Stree, in: Schönke j Schröder, §52 Rdn. 9ff.; Jescheck, AT, S. 654 m.w.Nachw. 70 So etwa Dando, AT, S. 431; Fukuda, AT, S. 283; Ohtsuka, AT, S. 437 Anm. 2; Kagawa, AT, S. 420ff. Dagegen Hirano, AT II, S. 424f. 71 Kitagawa spricht bezüglich des japanischen Zivilrechts von der "zweistufigen Aufnahme bzw. Doppelrezeption westlicher Rechte und deutscher Rechtsdogmatik", die ein "Zivilrecht mit Doppelstruktur" mit sich gebracht habe; vgl. Rezeption und Fortbildung, S. 11, 24, 94, 101, 117,203 ff. Gleiches gilt auch für dasjapanische Strafrecht. 72 Dabei wird die Rechtsvergleichung als eine "Methode" verstanden; vgl. hierzu Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 36f. 73 Ob es auch in der Zukunft weiter so bleiben kann, ist fraglich. "Die Zeit, in der ,das Gesetzgebungsorgan wie eine Pyramide schweigen' darf, ist vorbei" (Matsuo, Aufgabe und Zukunft des Straf- und Strafprozeßrechts, S. 11). 74 Im übrigen hat die japanische Verfassung von 1946 bis heute keine Änderung erfahren.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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konservative Abgeordnete in der Mehrheitspartei entschieden gegen die Aufbebung der Vorschrift waren. Das zweite Beispiel bieten die Abtreibungsvorschriften der §§ 212ff. jap. StOB. Danach wird die Abtreibung in ihren sämtlichen Erscheinungsformen (einschließlich der durch die Schwangere selbst vorgenommenen) bestraft. Der einzige Rechtfertigungsgrund, den das StOB in diesem Zusammenhang anerkennt, ist der Notstand (§ 37 jap. StOB). Aber das Erbgesundheitsgesetz von 1948 brachte einen umfangreichen Katalog von Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch mit sich. Die durch die Änderungen von 1949 und 1952 erweiterte und gelockerte Indikationsbestimmung, die auch sozial-wirtschaftliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (§ 14 Erbgesundheitsgesetz), wurde später extensiv ausgelegt bzw. als Eingrenzung nicht ernst genommen - die Entscheidung darüber steht zugelassenen Frauenärzten zu -, so daß das Abtreibungsverbot des StOB im Endeffekt leerlief, soweit es die Abtreibung durch die Schwangere oder mit Zustimmung der Schwangeren betrifft. Auch daraufbin hat der Gesetzgeber nichts unternommen 76 • Warum im japanischen Parlament bei wichtigen Rechtsfragen, wenn sie überhaupt zur Debatte gestellt werden, ein Kompromiß oft schwer entstehen kann, mag dahinstehen. Wichtig ist hier, zu bemerken, daß die japanischen Gerichte in dieser Situation überfordert sind und sie manchmal unweigerlich rechtsschöpferisch tätig werden müssen. Die Anpassung des Rechts an die geänderten Verhältnisse wird nicht selten den Richtern aufgegeben. Der OGH hat z. B. im Gegensatz zur bundesdeutschen Rechtsprechung 77 wiederholt in mehreren Entscheidungen die Strafbarkeit der Herstellung der nur scheinbar originalgetreuen Fotokopie als Urkundenfälschung(§ 155 jap. StOB) bejahC8 . Auch die Fotokopie eines Originals soll ihrerseits insoweit eine "Urkunde" darstellen, als sie eine dem Original vergleichbare "soziale Funktion" hat. Der 7 5 Jedes japanische Gericht ist befugt, jedwedes Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen und es auch für verfassungswidrig zu erklären (vgl. Art. 81 jap. Verfassung). Aber dasjapanische Gericht darfkeine abstrakte Normenkontrolle ausüben: Die Prüfung setzt einen konkreten Streitfall voraus, und auch die Entscheidung des OGH, die ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt, hat keine gesetzesaufhebende Wirkung. Im übrigen wurde die Vereinbarkeil des§ 200 jap.StGB mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot von der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der "moralischen Pflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern, die zum universellen Moralprinzip, d. h. zum Naturrecht gehört", begründet. Die spätere Entscheidung des OGH v. 4.4.1973, die § 200 jap.StGB für verfassungswidrig erklärte, tadelte ihn nicht wegen der ungleichen Behandlung überhaupt, sondern wegen des übermäßig strengen Strafrahmens, nach dem der Angeklagte unter keinenUmständen eine Strafaussetzung erreichen kann, so daß sich in einzelnen Fällen unverhältnismäßige Härten ergeben können. 76 Ygl. dazu eine ausführliche Darstellung Nakatanis, in: The Status of Abortion in Japan and some Issues, S. 11 ff. 77 Siehe die Nachweise bei Cramer, in: Schönke I Schröder, § 267 Rdn. 42. 78 UrteildesOGH v. 30.4.1976; BeschlußdesOGH v. 30.5.1979; Beschlußdes OGH v. 25.2.1983; Beschluß des OGH v. 27.6.1986.

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Teil A: Einführung

OGH hat sogar die Urkundenqualität eines mit bestimmten Daten elektromagnetisch gespeicherten Datenträgers bejaht 79 • Wer falsche Daten in Magnetdisketten der PKW-Meldestelle hat speichern lassen, sei wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 157 jap. StGB) strafbar. Neuerdings hat der OGH die pränatale Verletzung, die erst nach der Geburt den Tod bewirkte, als fahrlässige Tötung (§ 211 jap. StGB) bestraft80 • Die Liste solcher Beispiele könnte noch beliebig fortgeführt werden. Obwohl im japanischen Rechtssystem das kodifizierte Recht die wichtigste Rechtsquelle darstellt, orientieren sich die japanischen Richter stark an früheren Entscheidungen. Darüber hinaus ist nicht nur im strafrechtlichen Bereich die Neigung der Rechtsprechung zu beobachten, daß sie anläßlich der konkreten Fallösung einen allgemeinen Rechtssatz aufstellt, der nicht nur für die wesensgleichen Fälle wie den vorliegenden, sondern auch für weitere verwandte Fälle als verbindlich angesehen wird. Insoweit könnte man auch sagen, daß die Rechtsprechung in Japan in noch stärkerem Maße eine rechtsgestaltende Funktion hat als im anglo-amerikanischen Rechtskreis 81 • Es ist aber nicht so, daß die Rechtsprechung erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Einfluß des amerikanischen Rechts mit ihrer rechtsschöpferischen Tätigkeit begonnen hätte. Der Gedanke, daß sich die Rechtssetzungsbefugnis auf das Parlament als Versammlung der Repräsentanten der Bürger konzentrieren und die rechtsvollziehende und -anwendende Gewalt um der Rechte der Bürgerwillen möglichst an den Wortlaut des Gesetzes gebunden werden soll, hat genaugenornrnen bis heute in Japan - außer in den juristischen Lehrbüchern nicht Wurzeln schlagen können. Dabei spielten historische und sozio-kulturelle Hintergründe wohl die entscheidende Rolle 82 • In Japan begann eine gründliche Erneuerung des bisherigen "feudalistischen" und uneinheitlichen Rechtssystems erst mit der Meiji-Restauration (1867 /68), einer blutlosen "Revolution". Zu diesem Zweck wurde das europäische Recht und Rechtssystem von der Regierung eingeführt und durchgesetzt. Von (mit-)bestimmender Bedeutung war der Druck westlicher Mächte: Die Meiji-Regierung wollte die vor der Restauration zwischen der japanischen Feudalregierung und den amerikanischen und europäischen Regie79 Beschluß des OG H v. 24.11.1983. Inzwischen sind aber die betreffenden Vorschriften der Urkundenfälschung (sowie die der Verrnögensdelikte) durch das Änderungsgesetz vom 2.6.1987 geändert worden, damit sie auch auf die Fälle der Computermanipulation und -Sabotage angewendet werden können. Siehe im einzelnen Sonoda, wistra 1988, s. 168ff. 80 BeschlußdesOGH v. 29.2.1988. Dagegen BGHSt. 31,348,351 ff. unddie h. M. in der bundesdeutschen Rechtslehre; vgl. Hirsch, JR 1985, S. 336 ff.; Lackner, StGB, Vor§ 211 Anm. 2 a, § 223 Anm. 2 jeweils m. w. Nachw. 81 Hirano, Strafrecht, Judikatur, Lehre, S. 239ff. 82 Ono führt die flexible Gesetzesinterpretation durch die japanische Judikatur auch auf den anfänglichen Einfluß der französischen Strafrechtswissenschaft zurück. Ono, Das frühere StGB von 1880 und die Strafrechtslehre Boissonades, S. 436.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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rungen geschlossenen ungünstigen Abkommen, die im Bereich der Konsulargerichtsbarkeit und des Zollwesens die Souveränität Japans einschränkte, aufueben; die westlichen Mächte wollten aber ihrerseits die Meiji-Regierung erst nach der Modernisierung des Rechtssystems Japans als gleichberechtigten Vertragspartner anerkennen 83 . Die Aufnahme des Rechtsstaatsgedankens war keineswegs ein Ergebnis der Forderungen von unten, seitens der Bürger, zum Schutz ihrer Rechte gegenüber der Obrigkeit und den Mitbürgern 84 • Die Vorstellung, daß die fundamentalen Rechte des einzelnen erst durch die umfassende und ins Detail gehende Gesetzgebung vom Parlament geschützt werden können, war den Japanern fremd gewesen. Mitunter wird sogar gesagt, dieJapanerkannten eigentlich keinen Begriff des subjektiven Rechts 85 • Interessenkonflikte, die man ohne Hilfe der obrigkeitlichen Streitentscheidung nicht lösen kann, entstanden selten. Auch nach der Einführung des europäischen Rechtsdenkens lebten die Japanerlange in einer wirkungsvollen informellen Sozialkontrolle, durch die die staatliche Einmischung weitgehend erübrigt oder gar verhindert wurde 86 . Auch herrschte ein gewisses Vertrauensverhältnis sowohl zwischen den Bürgern untereinander als auch zwischen Bürger und Staat. Die nach dem Muster des europäischen Rechts kodifizierten Gesetzbücher waren gewissermaßen Ausstattungen, die die Fassade des nur scheinbar modernen Japans schmückten 87 . Daraus erklärt sich eine andere Einstellung zum Gesetz als in Europa. Die Diskrepanz zwischen (geschriebenem) Recht und Wirklichkeit scheint die Japaner weniger zu stören als die Europäer88 . d) Es wäre als ein Vorteil anzusehen, daß das geltende japanische StGB durch seine weitgefaßten Formulierungen die Lehre und Rechtsprechung von vielen Abgrenzungsproblemen, die ein StGB mit kasuistischen Tatbestandsbildungen, 83 Vgl. Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 47 ff.; Murakami, Einführung, S. 22 f.; Noda, Introduction, S. 42ff.; Miyazawaj Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 6; Miyazawa, ZStW Bd. 88, S. 822ff.; ders., ZStW Bd. 95, S. 1028f. 84 Dazu Maruyama, Denken in Japan, S. 149: "Bekanntlich sind wir im modernen Japan arm an Erfahrungen in bezug auf Institutionen, die wir aus unserer eigenen Lebenspraxis geschaffen haben. Auch historisch gesehen wurden die meisten modernen Institutionen als bereits fertige eingeführt, und diesem Rahmen entsprechend wurden unsere Lebensverhältnisse neu geregelt. Deshalb ist das Gefühl tief verwurzelt, daß Gesetze und Grundsätze von Institutionen zunächst vorher von alleine existieren, um dann sozusagen von oben in unser Leben einzutreten. Umgekehrt setzt sich in Japan ein Denken, die Schaffung bestimmter Gesetze und Institutionen aufgrund unserer Lebensverhältnisse und Erfahrungen zu fordern oder zu verändern, nicht leicht durch." 85 Kawashima, Rechtsbewußtsein der Japaner, insbes. S. 15 ff.; Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 142 Fn. 3, 160, 162; Murakami, Einführung, S. 2, 19ff., 24, 39; Noda, Introduction, S. 159, 173. 86 Vgl. die Angaben u. Fn. 154. 87 So Kawashima, Rechtsbewußtsein der Japaner, S. 3f. 88 Instruktiv Kawashima, a. a. 0 ., S. 43 ff. Die wohl augenfaJligste Diskrepanz zwischen Recht und Wirklichkeit findet sich darin, daß in Japan die sog. "Selbstverteidigungstruppe" existiert, die zu den mächtigsten Streitkräften Asiens zählt, obwohl nach Art. 9 jap. Verfassung keine Streitkräfte unterhalten werden dürfen.

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wie das des bundesdeutschen, mit sich bringt, entlastet hat. Aber man hat bis heute des öfteren die Frage gestellt, wie die Knappheit der Strafvorschriften des japanischen StGB mit dem Gesetzlichkeitsprinzip, das auch in Japan als ein Verfassungsgrundsatz gilt (Art. 31, 38 jap. Verfassung) 89 , in Einklang gebracht werden könne. Dando hat diese Frage in seinem Beitrag zur Heinitz-Festschrift einer eingehenden Untersuchung unterzogen und darauf unter Hinweis auf die wichtige Rolle der Rechtsprechung eine beachtenswerte Antwort gegeben 90 • Die Rechtssicherheit wird in der Tat nicht etwa allein durch die geschriebenen Gesetze gewährleistet. Die sie ergänzenden Präjudizien spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle; die Konturen der Deliktstatbestände werden meist erst durch die einschlägige Rechtsprechung konkretisiert und mehr oder minder festgelegt 91 • Die rechtsstaatliche Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips würde ohne die ergänzend rechtsgestaltenden Präjudizien leerlaufen. Die Knappheit der Fassung des japanischen StGB allein, wie Dando treffend bemerkt, muß nicht unbedingt Bedenken ausgesetzt sein 92 . Außerdem kann es angesichtsder Erfahrungen im anglo-amerikanischen Rechtsraum nicht richtig sein, daß die Rechtssicherheit nur durch das geschriebene Recht aufrechterhalten werden kann. Es ist auch verständlich, daß in der japanischen Strafrechtswissenschaft das methodologische Interesse am anglo-amerikanischen Recht nach dem Krieg erheblich zugenommen hat 93 •

Auch der weite Strafrahmen ist zwar eigentlich rechtsstaatlich problematisch. Aber in Japan hat sich während vieler Jahre eine ziemlich einheitliche und gleichmäßige Strafzumessungspraxis entwickelt. Die Weite des Strafrahmens wird deshalb hingenommen und selten zum Gegenstand der Diskussion gemacht. Auch der Reformentwurf von 1974 beabsichtigt insoweit keine beachtlichen Änderungen 94 . 89 Zum Gesetzlichkeitsprinzip im japanischen Recht siehe Tjong / Eubel, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 213 ff. 90 s. 37fT. 91 Vgl. auch Dando, BT, S. 4. 92 Allerdings darfnicht übersehen werden, daß die Knappheit der Formulierungen des öfteren mit dem Bestimmtheitsgebot in Konflikt gerät. Der OGH erkannte zwar an, daß die Unbestimmtheit eines Strafgesetzes zu seiner Nichtigkeit führen kann (Urteil v. 10.9.1975), aber er hat bis heute noch keine einzige Vorschrift für nichtig erklärt. 93 Eine ernste Gefahr für die Garantiefunktion des Strafrechts liegt vielmehr darin, daß die japanischen Gerichte manchmal - wenn auch ungern - über die Wortlautgrenze des Gesetzes hinweg eine strafwürdige Tat als strafbar erklären. Schon im Jahre 1903 bestrafte das damalige japanische Reichsgericht unter dem StGB von 1880, im Gegensatz zum deutschen, den Angeklagten, der unbefugt Elektrizität durch heimliches Ableiten des Stroms entnommen hatte, wegen Diebstahls. Es handele sich auch hier um die "Wegnahme der einem anderen gehörigen Sache". Hirano spricht vom "stumpfen Empfinden für das Gesetzlichkeitsprinzip"; vgl. Empfinden für das Gesetzlichkeitsprinzip, S. 409. Das ist um so bedenklicher, als in Japan der Richter nicht vom Parlament, sondern von der Regierung ernannt wird; vgl. Art. 6 Abs. 2, 79f. jap. Verfassung.

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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2. Objektivistische Züge in der Strafrechtsdogmatik

Die Lehre und Judikatur Japans weisen im Vergleich zur deutschen mehr objektivistische - genauer gesagt: erfolgsorientierte - Tendenzen auf. Die subjektivistischen Lehrmeinungen spezialpräventiver Prägung, die bis zum Zweiten Weltkrieg auch in übertriebenen Formen 95 stark- wenn auch nicht mehrheitlich - vertreten waren, wurden nach dem Krieg völlig verdrängt. Mit der Betonung der formalistischen Schranken der Strafgewalt nach dem Krieg verlor die spezialpräventive Strafrechtslehre, die einseitig auf den Willen und die Gefahrlichkeit des Täters abstellte und leicht zur Ausdehnung der Strafbarkeit tendierte, an Bedeutung96 • a) Die objektivistischen Züge der japanischen Strafrechtsdogmatik sind insbesondere in der Versuchslehre deutlich sichtbar97 • Der Strafgrund des Versuchs wird in Lehre und Rechtsprechung einhellig in der Herbeiführung einer ernsten Gefahr für den Erfolgseintritt bzw. für die Tatbestandsverwirklichung gesehen. Umstritten ist die Frage, wann diese Gefahr angenommen werden soll98 • Der Versuchsbeginn ("Anfang der Ausführung" nach§ 42 jap. StGB) wird nach der Rechtsprechung und der jetzt überwiegend vertretenen Rechtslehre erst bei einer ernsten oder dringenden Gefahr des Erfolgseintritts bejaht 99 • Die Judikatur hat seit langer Zeit die Versuchsstrafbarkeit erst zu einem späten Zeitpunkt eintreten lassen. Beim Diebstahl(§ 235 jap. StGB) z. B. stellt es noch keinen Versuch dar, wenn der Täter zum Zweck des Diebstahls ein Haus oder eine Wohnung betreten hat 100 • Eine gleiche Tendenz findet sich auch bei der mittelbaren Täterschaft und den Distanzdelikten. So soll der Beginn der Ausführung erst dann angenommen werden können, wenn z. B. das Opfer das Postpaket, in dem Gift vermischt mit Zucker enthalten ist, erhalten hat 101 • 94 Siehe o. Fn. 36. Allerdings sind im Entwurf einige Deliktstypen wie Körperverletzung, Diebstahl und Betrug in mehrere Paragraphen aufgespalten. 95 Die damalige Strafrechtslehre der "modernen Schule", vertreten von u.a. Makino und Kimura, ließ die analoge Anwendung des Strafgesetzes zu und trieb de lege lata die symptomatische Verbrechensauffassung auf die Spitze. So wurde z. B. strafbarer Versuch angenommen, wenn der verbrecherische Wille des Täters in der Außenwelt betätigt und erkennbar wird. Die Anstiftung zu einer Straftat sollte gemäß den allgemeinen Versuchsvorschriften strafbar sein, auch wenn der Angestiftete nicht einmal zu einem Entschluß gekommen ist ( = die sog. selbständige Strafbarkeit der Teilnahme). 96 Vgl. Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1233f. 97 Instruktiv Hirano, Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 276fT. 98 Zum Streitstand siehe u. Teil C, 2. Kap., I. 99 Siehe u. Teil D, 1. Kap., II, 1. b) m. Nachw. 100 Urteildesjap. RG v. 19.10.1934; Urteil des OGH v. 17.4.1948; Beschluß des OGH v. 9.3.1965. Vgl. die Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung bei Eser, in: Schönke I Schröder, § 242 Rdn. 68. 10 1 Urteil desjap. RG v. 16.11.1918.

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Allerdings darfbeim Vergleich nicht übersehen werden, daß nach demjap. StGB auch bloße Vorbereitungshandlungen bei bestimmten schweren Delikten, wie z. B. bei der vorsätzlichen Brandstiftung, bei der vorsätzlichen Tötung und beim Raub, selbständig strafbar sind(§§ 113, 201, 237). Gleiches gilt für das Problem des untauglichen Versuchs. Obwohl die Versuchsvorschriften des geltenden StGB (§§ 43 f. jap. StGB) ihn unerwähnt lassen, ist in Japan seit langem in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, daß der untaugliche Versuch teilweise straflos ist. Schon die Strafrechtsentwürfe von Boissonade beinhalteten eine Vorschrift über den straflosen untauglichen Versuch, und in den Beratungen zu dem früheren StGB wurde diskutiert, ob die teilweise Straflosigkeit des untauglichen Versuchs ausdrücklich angeordnet werden soll 102 . Die Rechtsprechung hat bis heute immer an einem objektiven Standpunkt festgehalten. Auch der Reformentwurf von 1974 103 will die "ihrer Natur nach" untaugliche Versuchshandlung ausdrücklich straflos lassen(§ 25 des Entwurfs). Die jetzt h. L. vertritt unter Ablehnung der in Deutschland herrschenden gesetzlich verankerten subjektiven Versuchslehre (§§ 22 f. bundesdtsch. StGB)104die sog. "konkrete Gefährlichkeitstheorie", die sich an einem ex-ante-Gefahrurteil orientiert. Ein Teil der Rechtslehre will noch "objektivieren" und befürwortet eine "objektive Gefährdungstheorie", die auf ein ex-post-Gefahrurteil abstellt und unter anderem die gegen ein untaugliches Objekt gerichtete Tat, wie z. B. das mit Tötungsabsicht vorgenommene Messerstechen am nur vermeintlich lebenden Menschen, für ausnahmslos straflos hält. Diese neo-objektivistische Versuchslehre wurde durchaus ernstgenommen; sie hat in den letzten Jahren eine lebhafte Diskussion ausgelöst 105 . b) Bezüglich der Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme ( = Anstiftung nach§ 61 und Beihilfe nach§ 62jap. StGB), bei dervom Gesetzgeber die Klärung der präzisen Kriterien der Rechtsprechung und der Wissenschaft überlassen worden ist, folgt die ganz h. L. einer objektiven Theorie. Täter ist danach, wer den einen Tatbestand erfüllenden Sachverhalt verwirklicht. Die "Verwirklichung des Tatbestandes" soll dabei nicht im "naturalistischen" Sinne zu verstehen sein, sondern sie müsse aus "normativer" Sicht betrachtet werden, so daß auch der mittelbare Täter unter diese Täterdefinition subsumiert werden könne 106 • Vgl. hierzu Nomura, Studien zum Versuchsdelikt, insbes. S. 52fT. Siehe o. Fn. 36. 104 Für die subjektive Versuchstheorie vgl. RGSt. 1, 439; 34, 217; BGHSt. 11, 324, 326fT.; 30, 363, 366; Dreher/ Tröndle, StGB, § 22 Rdn. 24; Lackner, StGB, § 22 Anm. 2a, b. Kritisch zu ihr Jakobs, ZStW Bd. 97, S. 759-765; Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 422 f. 105 Über diese Diskussion wird von Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1242ff., kurz referiert. Das Problem des untauglichen Versuchs werde ich im Teil C, 2. Kap., I näher behandeln. 102

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Der Grundsatz, daß der Teilnehmer nur akzessorisch gegenüber dem Haupttäter zu bestrafen ist, hat sich in der Lehre und Rechtsprechung durchgesetzt und ist nicht mehr Gegenstand der Diskussion. Die Theorie der Verselbständigung der Teilnahme ist mit der spezialpräventiven Strafrechtsschule verschwunden. Darüber hinaus kennt das japanische StGB (und auch der Reformentwurfvon 1974) keine Vorschrift wie§ 30 Abs. 1 des bundesdeutschen StGB, die das auf Anstiftung zu einer Straftat gerichtete Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen auch dann für strafbar erklärt, wenn es nicht zur Ausführung gekommen ist 107 • Die selbständige Strafbarkeit der versuchten Anstiftung ist nur in einigen Sonderstrafgesetzen (z. B. in §§ 38 ff. Gesetz zur Verhinderung subversiver Tätigkeiten) 108 vorgesehen. Allerdings gehen über das "Wie" der Akzessorietät der Teilnahmestrafbarkeit die Meinungen der japanischen Strafrechtler auseinander. Die Vorsatzakzessorietät der h. L. bleibt umstritten. c) Die personale Unrechtslehre, nach der die strafrechtlichen Normen in erster Linie als Verhaltensanweisungen zu verstehen sind, wird zwar in der japanischen Rechtslehre überwiegend vertreten, aber sie fand in den letzten Jahren eine Reihe von Gegnern und kann heute - anders als in der Bundesrepublik Deutschland 109 - nicht mehr als herrschend bezeichnet werden 110 • Auch die überwiegend vertretene Lehrmeinung bestimmt den Unrechtsgehalt schwerpunktmäßig vom Erfolgsunwert her und mißt dabei dem Handlungsunwert bloß eine ergänzende Bedeutung bei. Die in der bundesdeutschen Rechtslehre von einigen Autoren vertretene Auffassung, daß der Eintritt des Erfolges das Deliktsunrecht gar nicht beeinflussen könne und bloß eine Bedingung der Strafbarkeit sei, hat in Japan wenig Zustimmung gefunden 111 • Es ist vielmehr heute wieder stark umstritten, ob Vorsatz und Fahrlässigkeit zu den subjektiven Unrechtselementen gezählt werden sollen. Einige Autoren gehen sogar soweit, jegliche subjektiven Unrechtselemente- wie früher vertretenzu verneinen 112 • Es ist freilich nicht so, daß die japanischen Wissenschaftler die Entwicklungen der deutschen Strafrechtsdogmatik der letzten Jahre noch nicht kennen würden. Das Auftreten der neo-objektivistischen Tendenz ist vielmehr eine neuere Erscheinung nach der weitgehenden Aufnahme der personalen Zum Diskussionsstand siehe u. Teil D, 1. Kap., II.l.c) m. Nachw. Auch eine Vorschrift wie § 30 Abs. 2 bundesdtsch. StGB (über die Verabredung eines Verbrechens usw.) ist dem jap.StGB unbekannt. 108 Vgl. die Übersetzung von Nishihara in: Jescheck / Mattes, Die strafrechtlichen Staatsschutzbestimmungen des Auslandes, S. 679f. 109 Siehe die Nachweise bei Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 400; Jescheck, AT, S. 216ff.; Myolonopoulos, Über das Verhältnis von Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 18 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 238 f. 110 Zum Diskussionsstand ausführlich u. Teil C. m Siehe u. Fn. 252. So aber Masuda, Die logische Struktur von Strafrechtsnormen, S. 122f.; Kanazawa, Strafrecht und Moral, S. 81 IT., insbes. 86f. 112 Dazu ausführlich u. Teil C. 106

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Unrechtslehre. Hierbei ist auch der Einfluß des anglo-amerikanischen Rechtsdenkens spürbar: Dort werden die Rechtsnormen nicht so sehr als Verhaltensnormen mit einer Steuerungsfunktion als vielmehr als Normen für eine Streitentscheidung 113 aufgefaßt. d) Kann das "erfolgsorientierte" Denken aber nicht mit dem Schuldprinzip 114 in Konflikt geraten? Ob das geltende StGB überhaupt das Schuldprinzip anerkennt, kann man seinen Bestimmungen nicht unmittelbar entnehmen. Obwohl § 38 Abs. 1 jap. StGB bestimmt, daß eine Straftat grundsätzlich nur bestraft werden kann, wenn sie vorsätzlich begangen worden ist, läßt diese Vorschrift in ihrem zweiten Halbsatz diese Regel nicht gelten, wenn eine Gesetzesvorschrift eine Ausnahme zuläßt. Ob dadurch ein nicht vorwertbares ( = auch nicht fahrlässiges) Verhalten strafbar gemacht werden darfund ob der Täter wegen einer nicht zurechenbaren qualifizierten Folge schwerer bestraft werden darf, ist jedoch nicht klar. Die herrschende Auffassung in der Rechtslehre verneint dies und bekennt sich zum Schuldprinzip. So muß bei den erfolgsqualifizierten Delikten bezüglich der schweren Folge Fahrlässigkeit gegeben sein, wie es das bundesdeutsche StGB im§ 18 ausdrücklich bestimmt. Die Mindermeinung 115 begnügt sich damit, daß ein- nach der h. L. ohnehin erforderlicher- adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der schweren Folge besteht, wobei allerdings zweifelhaft ist, ob diese Lehrmeinung zu einer von der herrschenden Auffassung abweichenden Konsequenz führt. Im Gegensatz zur Rechtslehre scheut sich die Judikatur aber, bei den erfolgsqualifizierten Delikten das Schuldprinzip durchzusetzen, und läßt seit langer Zeit die Feststellung des Kausalzusammenhanges im Sinne der Äquivalenztheorie ausreichen, um die strenge Strafverschärfung zu begründen. Dieser Standpunkt ist auf die einhellige Ablehnung der Wissenschaft gestoßen. Der Reformentwurf von 1974 116 verlangt nunmehr bezüglich der schweren Folge" Voraussehbarkeit" (§ 22 des Entwurfs). Prinzipielle Bedenken gegenüber den erfolgsqualifizierten Delikten derart, daß sie überhaupt aus dem StGB entfernt werden sollen, sind jedoch in Japan nicht geäußert worden. Eine erfolgsorientierte Tendenz der japanischen Strafrechtsdogmatik ist auch in der Irrtumslehre deutlich zu spüren. Bei den sog. Tatsachenirrtümern wird durch Lehre und Rechtsprechung eine weitreichende Vorsatzhaftung bejaht 117 • e) Woraufman diese objektivistischen oder erfolgsorientierten Tendenzen der japanischen Strafrechtsdogmatik zurückführen soll, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Der Hinweis auf die mehr materialistische als idealistische Instruktiv hierzu Arzt/ Weber, LH 1, S. 12ff., Rdn. 28ff., insbes. 33ff. Zum Schuldprinzip im japanischen Strafrecht vgl. auch Hirano, ZStW Bd. 85, S. 509 ff.; Tjong JEubel, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 216f. 115 Uematsu, AT, S. 135; Nishihara, AT, S. 188; Kagawa, AT, S. 230f. 116 Siehe o. Fn. 36. 117 Siehe u. Teil D, 1. Kap., II, 2. a) m.Nachw. 113

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Betrachtungsweise der Japaner wäre sicherlich keine befriedigende Antwort. Hirano vermutet, daß ein unterentwickelter Individualismus und ein niedriger Lebensstandard früherer Zeiten die dahinterstehenden Umstände seien, die einerseits zu einem gewissen Desinteresse auf seiten des Staates an dem intensiveren (vorverlegten) strafrechtlichen Schutz der bürgerlichen Sicherheit und andererseits zu lediglich schwachen Forderungen des Individualrechtsgüterschutzes von seiten der Bürger führten 118 • Dabei spiele auch eine starke Sozialkontrolle durch die Familie und durch die lokale Gemeinschaft, die fähig war, ohne staatliche Unterstützung Probleme abweichenden Verhaltens zu lösen, eine Rolle 119 . 3. Strafverfolgung und Sanktionierung der Straftäter in der Praxis

Wirft man nun einen Blick auf die Praxis der Strafverfolgung und der Sanktionierung von Straftätern, so zeigt sich ein interessanter Befund: Die gründliche und höchst genaue Wahrheitsermittlung einerseits und die durchaus milde und tolerante Sanktionierung andererseits charakterisieren die Strafrechtspraxis in Japan. a) Das japanische Strafverfahren hat bekanntlich durch die neue Verfassung von 1946 120 und die StPO von 1948 121 durchschlagende Veränderungen erfahren 122 . Dem Beschuldigten wurden nunmehr zahlreiche prozessuale Grundrechte gewährt (Art. 31 - 40 jap. Verfassung), so daß seine Rechtsstellung verstärkt und verbessert wurde. Er ist insbesondere zum (völligen und auch teilweisen) Schweigen berechtigt und muß bei der Vernehmung zunächst hierauf hingewiesen werden (Art. 38 Abs. 1 jap. Verfassung;§§ 198 Abs. 2, 311 Abs. 1 jap. StPO). Der Beschuldigte sollte vom bloßen Mittel der Wahrheitstindung zum Subjekt des Verfahrens mit einer Reihe von Kontroll- und Überprüfungsrechten erhoben werden. Auch das Recht, in jeder Lage des Verfahrens einen oder mehrere Verteidiger beizuziehen, ist ihm gegeben worden (§§ 30ff. jap. StPO). Die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft und der Polizei steht Hirano, Die Funktion des Strafrechts in der Gegenwart, S. 115 ff., insbes. 119 f. Hirano, a. a. 0., S. 119 f.; vgl. auch ders., Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 291 f. Zur informellen Sozialkontrolle abweichenden Verhaltens in Japan siehe die Nachweise u. Fn. 154. 120 Siehe o. Fn. 11 . 121 Siehe o. Fn. 12. 122 Näher dazu Dando, ZStW Bd. 66, S. 151 ff.; Röhl, Fremde Einflüsse, S. 53ff.; Kühne,ZStW Bd. 85, S. 1080ff.; Herrmann, in: Eubel u.a., Dasjapanische Rechtssystem, S. 257 ff. Zur Entwicklung des japanischen Strafprozeßrechts bis zur StPO von 1948 siehe Tjong, ZStW Bd. 84, S. 1102, 1107ff.; Herrmann, a.a.O., S. 255ff.; Miyazawa, ZStW Bd. 95, S. 1027ff. jeweils m.w.Nachw. Als Aufsätze zum japanischen Strafprozeßrecht sind außerdem zu nennen: Nakamura, ZStW Bd. 69, S. 662ff.; Herrmann, ZStW Bd. 79, S. 702ff.; Nose, ZStW Bd. 82, S. 782ff.; ders., Peters-Festgabe, S. 399ff.; Tjong, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Japan, S. 393 ff.; Kamiguchi, ZStW Bd. 96, s. 241 ff. 118

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unter richterlicher Kontrolle: Die Zwangsmaßnahmen, wie z. B. Durchsuchung, Beschlagnahme, Festnahme des Beschuldigten, bedürfen grundsätzlich der schriftlichen Erlaubnis des Richters. Die Untersuchungshaft erfolgt nur aufgrund der Anweisung durch den Richter 123 . Die Befugnisse des ehemaligen Untersuchungsrichters, die zwangsweisen Ermittlungen selbst durchzuführen, wurden nicht auf den Staatsanwalt übertragen. Andererseits faßt man das Gericht als eine neutrale Instanz auf. Die gerichtliche Voruntersuchung wurde abgeschafft, da die inquisitorischen Tätigkeiten des Richters als unvereinbar mit seiner verfassungsrechtlich gebotenen Unparteilichkeit angesehen wurden 124 . Auch die Einsicht des Richters in die Ermittlungsakten vor der Hauptverhandlung wurdeangesichtsder verfassungsrechtlichen Garantie des unparteiischen Gerichts (Art. 37 Abs. 1 jap. Verfassung) abgeschafft. Es ist nämlich nicht erlaubt, bei der Klageerhebung die Ermittlungsakten oder sonstige, möglicherweise ein Vorurteil des Gerichts verursachende Materialien beizulegen oder deren Inhalt anzuführen (§ 256 Abs. 6 jap. StPO) 125 . In der Klageschrift ist die Tat vom Staatsanwalt in der Form des einzelnen "Anklagepunktes" ( = "count") konkret darzustellen(§ 256 Abs. 3 jap. StP0)126 . Diese konkretisierte Darstellung der Tat ist Gegenstand der Angriffs- und Verteidigungstätigkeit der Parteien und kann auf Antrag des Staatsanwalts geändert werden, aber nur soweit, wie die "Identität der Tat" gewahrt bleibt. Die Kraft des "ne bis in idem" erfaßt den gesamten Tatvorgang. Die Beweisbeschaffung ist in aller Regel Aufgabe von Staatsanwalt und Angeklagtem bzw. dessen Verteidiger. Der Ermittlungsgrundsatz ist hinter das Beibringungsprinzip zurückgetreten. Das Gericht muß nämlich grundsätzlich nicht von Amts wegen Beweise ermitteln(§ 298 Abs. 2jap. StPO; vgl. auch§ 312 Abs. 2) 127 . Das Kreuzverhör durch die Parteien(§ 304 Abs. 3 jap. StPO) ist die Regel in der Praxis. Denn da dem Richter die Vorbereitung mit Hilfe der Ermittlungsakten nicht gestattet ist, ist er nicht in der Lage, selbst die Vernehmung zu leiten. Die "Strafprozeßverordnung" ( = die gerichtliche Verordnung zur Regelung des Strafprozesses von 1948), die der OGH gemäß Art. 77 der jap. Verfassung erlassen hat 128 , enthält ausführliche Bestimmungen 123 Zur Festnahme und Untersuchungshaft näher Herrmann, ZStW Bd. 79, S. 708f.; ders., in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 261 ff.; Tjong, Freiheitsstrafe, S. 1385ff.; Kamiguchi, ZStW Bd. 96, S. 243f. 124 Vgl. Herrmann, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 259. 125 Dazu ausführlich Saeki, Das Prinzip der Auschließlichkeit der Anklageschrift, S. 71 ff. 126 Vgl. hierzu eine Darstellung aus früherer Zeit von Nakamura, ZStW Bd. 69, s. 662fT. 127 Theoretische Überlegungen zum Verhältnis von Partei- und Offizialprinzip finden sich bei: Idota, Der Zusammenhang von Parteiprozeß und Offizialmaxime im japanischen Strafverfahren, S. 45 ff. 128 Siehe etwa Kühne, ZStW Bd. 85, S. 1081. Diese Befugnis des Verordnungserlasses ist wichtig für Justizverwaltungstätigkeiten durch den OGH. Nach der japanischen

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über das Kreuzverhör, die 1957 hinzugefügt wurden(§§ 199-2ff.). Das "Hörensagen" darf grundsätzlich nicht als Beweismittel herangezogen werden. Das gilt nicht nur für mündliche, sondern auch für schriftliche Aussagen(§§ 320ff. jap. StPO). Die Wiederaufnahme des Verfahrens(§§ 435 ff. jap. StP0)129 ist in Japan nur zugunsten des Verurteilten zulässig. Zuungunsten des Verurteilten darf sie nach einhelliger Interpretation des Verfassungstextes nicht stattfinden. Art. 39 jap. Verfassung verbietet nämlich - über den Wortlaut von Art. 103 Abs. 3 GG hinausgehend-, jemanden "wegen derselben Straftat wiederholt zur Verantwortung zu ziehen". b) Aber die Ausrichtung auf die möglichst genaue Wahrheitsermittlung scheint im Grunde unverändert geblieben zu sein. Man stellt der "rough justice" der USA die "exakte Justiz" von Japan gegenüber. Es ist in der Tat nicht der Fall, daß der japanische Strafprozeß sich nach dem Krieg wesentlich vom deutschen entfernt und dem amerikanischen angenähert hätte. Die Überzeugung, daß die objektive Wahrheit in bezug auf vergangenes Geschehen für den Menschen prinzipiell zugänglich sei, ist nicht erschüttert worden. Rechtsinstitute, die mit dem Prinzip der materiellen Wahrheit (§ 1 jap. StPO) in Konflikt geraten könnten, wurden deshalb nicht aufgenommen: so z. B. die angloamerikanische Einrichtung des "arraignment" oder der "plea of guilty" (vgl. § 319 Abs. 3 jap. StPO). Der Angeklagte hat somit keine Dispositionsrechte hinsichtlich des Prozeßgegenstandes 130 • Auch das Jury-System wurde nicht (wieder-)eingeführt 131 • Die Staatsanwaltschaft ist als eine objektive Behörde, als "Repräsentant des öffentlichen Interesses", vorgesehen (§ 4 Gesetz über die Staatsanwaltschaft). Verfassung ist der OGH, nicht mehr das Justizministerium, oberstes Organ der Justizverwaltung. 129 Ausführlich Tjong, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Japan, S. 393 ff.; Nose, Peters-Festgabe, S. 399ff. 130 Die jap. StPO kennt nur das vereinfachte Strafverfahren und das Strafbefehlsverfahren. Wenn der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung ein Geständnis ablegt, so kann das Gericht zum vereinfachten Verfahren übergehen (§ 291 -2 jap.StPO). Diese besondere Verfahrensart findet aber in der Praxis selten Anwendung. Das dem deutschen Recht nachgebildete Strafbefehlsverfahren (§§ 461 ff. jap.StPO) wird dagegen rege gebraucht und mit dessen Hilfe 96,7% aller erstinstanzliehen Verfahren erledigt (Hanzai hakusho = Weißbuch Kriminalität 1988, S. 114f.). 131 Das Schwurgerichtssystem wurde in Japan nach der Schwurgerichtsordnung von 1923 (Deutsche Übersetzung von Kusano u.a., in: Japanische Strafgesetze, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 44) praktiziert. Für seinen Mißerfolg gab es mehrere Gründe. Da es u. a. für den Angeklagten ungünstig ausgestaltet war, neigte er dazu, einen Antrag auf ein Schwurgerichtsverfahren nicht zu stellen oder die Verhandlung vor einem Schwurgericht abzulehnen. Die Schwurgerichtsordnung wurde schließlich 1943 suspendiert. Eingehend zum ehemaligen japanischen Schwurgericht Röhl, Fremde Einflüsse, S. 12ff.; Sato, Das Schwurgericht in der Vergangenheit und über seine Wiedereinführung, S. 27 ff.

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Im Ermittlungsverfahren werden die Tatsachen von der Polizei und der Staatsanwaltschaft gründlich erforscht. Nur für den Fall, daß die Schuld des Beschuldigten eindeutig geklärt ist und es eine sichere Wahrscheinlichkeit für die Verurteilung gibt, kommt die Klageerhebung in Betracht. Es bleibt das Hauptanliegen des Ermittlungsorgans, das Geständnis des Beschuldigten zu erlangen, obwohl man eine andere Entwicklung erwartete, nachdem die neue japanische Verfassung und die StPO strengere Regelungen über die Ermittlungstätigkeiten, vor allem über die Vernehmung des Beschuldigten 132 und über die Beweisverbote und die Beweiskraft des Geständnisses, eingeführt hatten (vgl. Art. 38 jap. Verfassung; § 319 jap. StPO). Praktisch sind jedoch fast alle Angeklagten geständig 133 , wobei das nicht nur an der Mentalität der Japaner liegt, sondern auch an der Strenge der Vernehmung 134 • Von den rechtskräftigen Urteilen aller Instanzen sind jährlich etwa 0,005% Freisprüche 135 . Angesichts der sehr hohen Verurteilungsquote kann man schwerlich sagen, daß die "Wahrheit" erst in der Hauptverhandlung vom Richter ans Licht gebracht wird; es ist vielmehr so, daß die vom Staatsanwalt vorher durchgeführte Tatsachenfeststellung nur noch nachträglich vom Richter bestätigt und genehmigt wird. Kühne bezeichnet mit Recht den japanischen Richter als "ein die strafende Entscheidung des Staatsanwalts selbständig konkretisierendes Organ" 136 . Die ursprüngliche Absicht des Reformgesetzgebers, durch die Einführung des Parteiprozesses die Verhandlung vor dem Richter zum Zentrum der Tatsachenerforschung und -feststellung zu erheben, wurde nicht erreicht. Die Klageerhebung ohne die ~öchste Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wird nicht nur als Mißbrauch der Anklagebefugnis durch den Staatsanwalt angesehen, sondern sie kann auch als eine Amtspflichtverletzung die Staatshaftung begründen, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Der Staatsanwalt spielt in der Tat eine "quasi-richterliche" Rolle, wie es oft gesagt wird 137 . Auch das Verbot des "Hörensagens" ist in der Praxis wegen des regen Gebrauchs der Protokolle, die nach jap. StPO nur "ausnahmsweise" beweisfähig sind(§§ 321-328 jap. StPO), von eingeschränkter Bedeutung. 132 Zur polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten im Recht und in der Praxis ausführlich Kamiguchi, ZStW Bd. 96, S. 241 ff. 133 Nach dem Statistischen Jahrbuch der Justiz sind im ordentlichen Verfahren erster Instanz am Landgericht über 90% der Angeklagten geständig. 134 Vgl. dazu N ose, Peters-Festgabe, S. 403ff.; Kamiguchi, ZStW Bd. 96, S. 241 ff. 135 Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 113. Von den erstinstanzliehen Urteilen im ordentlichen Verfahren aus dem Jahre 1986 etwa 0,15% (a.a.O., S. 114f.). 136 Kühne, ZStW Bd. 85, S. 1095. 137 Vgl. hierzu eine eingehende Darstellung der Tätigkeiten des japanischen Staatsanwalts in: Kühne, ZStW Bd. 85, S. 1079ff.; ferner Miyazawa f Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 37ff. Man darf aber auch nicht übersehen, daß in Japan die Klageerhebung durch den Staatsanwalt in der Öffentlichkeit einer Verurteilung gleichkommt und deshalb mit einem hohen "Stigmatisierungseffekt" verbunden ist.

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An die Beweisführung in der Hauptverhandlung wird ein durchaus hoher Anspruch gestellt: Vom Staatsanwalt wird verlangt, dem Richter die Tatsachen zweifellos und eindeutig zu beweisen, nach meinem Eindruck in höherem Maß als im bundesdeutschen Strafverfahren. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß für die nach deutschem Recht mögliche Wahlfeststellung in Japan so gut wie kein Raum bleibt. Das Rechtsmittel zur zweiten Instanz, also die Berufung nach deutscher Terminologie, ist nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus tatsächlichen Gründen zulässig (vgl. §§ 382ff. jap. StPO)l38 . Das Revisionsgericht ( = der OGH) kann zwar grundsätzlich nur Rechtsfragen nachprüfen, aber von Amts wegen auch wegen verfehlter Tatsachenfeststellung das angefochtene Urteil aufheben (§ 411 Nr. 3 jap. StPO). So gesehen ist es nicht verwunderlich, daß das StGB deutscher Prägung und die amerikanisierte StPO zueinander passen können. Früher wurde in der Tat bezweifelt, ob in einem Parteiprozeß subjektive Elemente, wie z. B. der Vorsatz der Hehlerei, überhaupt nachgewiesen werden können 139 • Aber wegen der unverändert gebliebenen Ausrichtung auf die genaue Wahrheitserforschung durch die Vernehmung des Beschuldigten hat sich diese Sorge als weitgehend unbegründet erwiesen. c) Auf der anderen Seite wird der Straftäter mild und tolerant sanktioniert. Die "sanfte" strafrechtliche Kontrolle in Japan hat die internationalen Strömungen der resozialisierungsorientierten Kriminalpolitik gewissermaßen vorweggenommen und durch den Verzicht auf die Übersanktionierung die Wiedereingliederung der Straftäter in die Gesellschaft gefördert 140 . In der Praxis spielt die Verfahrenseinstellung ohne Klageerhebung durch den Staatsanwalt eine große Rolle 141 . Seitdem die StPO von 1922 das schon in der Praxis geltende Opportunitätsprinzip legalisiert hatte 142 , hat der japanische Staatsanwalt rege von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auch bei hohem Verdacht die Anklage fallen zu lassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Einstellung (jetzt § 248 jap. StPO) sind unbestimmt; die Entscheidung ist weitgehend dem Ermessen des Staatsanwalts überlassen, obwohl in der Praxis sich im Laufe der Zeit ein Maßstab, der eine willkürliche Handhabung 138 Die Berufung im japanischen Strafverfahren führt allerdings nach dem Gesetz nicht zur Neuverhandlung der Sache, sondern ausschließlich zu einer Nachprüfung des erstinstanzliehen Urteils; vgl. Tjong, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Japan, S. 400f. Über das Wesen und den Charakter des zweitinstanzliehen Verfahrens bestehen aber Meinungsverschiedenheiten. 139 Vgl. Hirano, Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 274f., 285f.; ders., ZStW Bd. 85, S. 513 f. 140 Vgl. auch M iyazawa, ZStW Bd. 88, S. 841. 141 Vgl. hierzu näher Kühne, ZStW Bd. 85, S. 1086ff. 142 Vgl. Miyazawa, ZStW Bd. 95, S. 1029f.

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ausschließt, entwickelt hat 143 • Auch nach der Klageerhebung kann er bis zum erstinstanzliehen Urteil - ohne Zustimmung des Gerichts - die Klage zurücknehmen (§ 257 jap. StP0) 144 • Die Quote der Verfahrenseinstellungen ohne Klageerhebung im Jahre 1987 beträgt 17% sämtlicher 145 genügend verdächtiger Fälle, sogar 36,5%, wenn man nur die Verstöße gegen das StGB berücksichtigt und dabei von den fahrlässigen Tötungen und Körperverletzungen im Straßenverkehr absieht 146 • Auch bei den schwerwiegenden Straftaten kommt sie in Betracht. So werden z. B. jährlich etwa 5% aller vorsätzlichen Tötungen trotz hinreichender Beweise nicht angeklagt 147 • Im Gegensatz zur Vefahrenseinstellung nach der bundesdeutschen StPO (siehe§ 153a) ist damit keine Auflage verbunden 148 • Allerdings spielt es bei der Entscheidung des Staatsanwalts oft eine entscheidende Rolle, daß der Beschuldigte z. B. dem Opfer Schadensersatz geleistet hat. Die sorgsame Berücksichtigung des Opferinteresses durch den japanischen Staatsanwalt (und auch durch den Richter bei der Strafzumessung) scheint mir die Beteiligung des Verletzten am Strafverfahren weitgehend überflüssig zu machen. Auch die richterliche Strafzumessung kann als durchaus mild und tolerant bezeichnet werden. Unter den gesamten rechtskräftig Verurteilten ist der Anteil der zu Geldstrafen Verurteilten mit 96,6% ( = durchschnittliche Quote von 1983-1987) bei weitem am höchsten 149 • Üb.er 55% der ausgesprochenen 143 Zur Kontrolle der Ermessensausübung bei der Klageerhebung durch den Staatsanwalt in Japan vgl. Herrmann, ZStW Bd. 79, S. 707 f.; ders., in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 259f.; Kühne, a. a. 0., S. 1091 ff. Zur juristischen Konstruktion der fehlenden Prozeßvoraussetzung als gerichtliche Abhilfe für den Mißbrauch der Anklagebefugnis ausführlich Nose, ZStW Bd. 82, S. 782ff. 144 In der Praxis kommt die Zurücknahme der Anklage ziemlich selten vor. 145 Ausgenommen ein Teil der Kleinkriminalität (wie z. B. besonders leichte Vermögensdelikte), die die Polizei aufgrund der Anweisung der Staatsanwaltschaft selbst erledigen kann. 146 Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 110. 147 Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 110. 148 Nach dem Gesetz betreffend die Nachbetreuung von entlassenen Straftäten von 1950 (eine Übersetzung in Auszügen findet sich bei: Bindzus I /shii, Strafvollzug in Japan, S. 159fT.) kann denjenigen, die gemäߧ 248 jap. StPO außer Verfolgung gesetzt worden sind, für einen Zeitraum bis zu 6 Monaten Rehabilitationshilfe gewährt werden. Auch die dabei vorgesehene Unterbringung in einem Fürsorgehaus ist aber nicht mehr als ein Angebot für diejenigen, die weder Wohnung noch Geld, noch eine Hilfsperson haben.Mißverständlich wird dies von Kühne so beschrieben, als ob es sich hier um eine Sanktion handele (in: ZStW Bd. 85, S. 1090f.). Im übrigen wird heute die "Verfolgungsaussetzung auf Bewährung" nirgendwo mehr praktiziert. 149 Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 113. Aber beim Vergleich mit der bundesdeutschen Lage ist wegen der verschiedenen positivrechtlichen Gestaltungen das japanische Recht kennt z. B. das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht - Vorsicht geboten. Zur Geldstrafe ausführlich Nishihara, Geldstrafe, S. 517 ff.

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Freiheitsstrafen werden ausgesetzt 150 . Auch das Strafmaß bewegt sich zumeist an der Untergrenze des Strafrahmens 151 • Die Milde der Strafzumessung kann auch im internationalen Vergleich statistisch nachgewiesen werden 152 • Im übrigen findet sich im japanischen StGB eine eigenartige Bestimmung über die Selbstanzeige (§ 42), die aus dem chinesischen Recht stammt. Danach kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter Selbstanzeige erstattet, ehe die Straftat (oder der Täter) amtlich bekannt geworden ist 153 . Diese milde Sanktionierung scheint im Gegensatz zur Strenge der Wahrheitsennittlung im Verfahren zu stehen. Sie liegt aber einerseits an der Härte der informellen ,.Sanktion", die den Straftäter ohnehin schwer trifft und manchmal auch die Strafverfolgung und die formelle Sanktionierung erübrigt. Bei schwereren Straftaten werden nämlich nicht selten alle Familienangehörigen wegen der ,.Schandtat" eines Familienmitgliedes von der Umwelt isoliert: Sie ziehen um; nicht nur der Täter selbst, sondern auch sein Vater gibt seinen Beruf auf; seine Kinder wechseln die Schulen usw. 154 . Sie werden aber wohlgemerkt nicht so sehr von den anderen dazu gezwungen, vielmehr tun sie es selber aus ,.Schamgefühl" 155 • Andererseits hängt die Milde der formellen Sanktionierung (oder der ,.Mangel an aggressivem Vergeltungswillen ") 156 mit der M entali tät der Japaner zusammen, auf die der Toleranzgedanke des Buddhismus einen unverkennbaren Einfluß ausübte 157 . Gewöhnlicherweise gesteht der Straftäter vor dem Ermittlungsorgan und entschuldigt sich vor dem Gericht. Es ist auch eine geläufige Taktik, sich in der Weise zu verhalten, daß man starke Reue bekundet und vor dem Gericht das tiefste Bedauern ausdrückt, um ein möglichst Vgl. Hanzai hakusho (= Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 114, 121. Der "Strafrahmen als eine unsichtbare Skala aller möglichen Fälle" (Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 60ff.) kommt in Japan bei vielen Strafbestimmungen schwerlich in Frage. 152 Freilich muß man andererseits anerkennen, daß der Vollzug der Freiheitsstrafen in Japan streng und sehr diszipliniert ausgestaltet ist. Vgl. Bindzus I Ishii, Strafvollzug in Japan, S. 46f., 50fT., 57fT. 153 Vgl. Miyazawa, ZStW Bd. 88, S. 829. 154 Siehe die Beispiele in: Miyazawaf Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 23; Miyazawa, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1165. Zur informellen Sozialkontrolle abweichenden Verhaltens in Japan vgl. Kühne, ZStW Bd. 85, S. 1100f.; Miyazawa, MSchrKrim 1977, S. 12ff.; ders., Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S.1162ff.; Miyazawaf Kühne, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 329 ff. Zur japanischen Sozialstruktur vgl. neben der in der Fn. 9 angegebenen Literatur Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 158 ff. 155 Vgl. Doi, Amae- Freiheit in Geborgenheit, S. 58fT.; Kitagawa, Rezeption und Fortbildung, S. 160 Fn. 17; Noda, lntroduction, S. 178 f.; Miyazawa/ Schneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 23. 156 Kühne, ZStW Bd. 85, S. 10991T. 157 Hierzu Hirano, Some Aspects of Japanese Criminal Law, S. 291; Kühne, a.a.O., S.1099f.; Miyazawa, MSchrKrim 1977, S.12; Miyazawa fSchneider, Vergleichende Kriminologie: Japan, S. 41 f. 150 151

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Teil A: Einführung

mildes Urteil zu erhalten. Denn es ist mit der japanischen Mentalität nicht vereinbar, jemanden, der seine "Sünde" bereut und sich entschuldigt, trotzdem hart zu bestrafen 158 • Die japanische Strafjustiz könnte insoweit als "mütterlich" bezeichnet werden, im Gegensatz zur "väterlichen" Strafjustiz in Europa 159 • Die Japaner behalten aber noch die Todesstrafe bei. Ist dies mit der "Mütterlichkeit" der japanischen Strafjustiz vereinbar? Man kann sich vielleicht die Todesstrafe als eine Art von "Sicherheitsventil" vorstellen. Die jährliche Zahl von Verurteilungen und Vollstreckungen ist niedrig. Sie ist seltenen Fällen äußerst grausamen Mordes oder Raubmordes vorbehalten. Von 1983 bis 1987 wurden insgesamt 13 rechtskräftige Todesurteile ausgesprochen 160 • Man ist fast geneigt zu sagen, daß die Todesstrafe in Japan nur noch eine symbolische Funktion habe. Warum kann die Todesstrafe nicht abgeschafft werden, obwohl Japan unter dem Ansteigen der Schwerkriminalität nicht so leidet wie Westeuropa und die USA, sogar in Japan ein ständiger Rückgang der Schwerkriminalität zu verzeichnen ist 161 ? Die Furcht der Bevölkerung, daß ohne die Todesstrafe die ernste Kriminalität gewaltig zunehmen würde, spielt sicherlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch die allgemeine Überzeugung, daß es einzelne Fälle gebe, die so schwerwiegend und grausam seien, daß darauf die Todesstrafe die einzig denkbare Reaktion darstelle, scheint mitbestimmend zu sein. Bei den öffentlichen Umfragen spricht sich die Mehrheit immer für die Beibehaltung der Todesstrafe aus. Die ohnehin hypothetisch bleibende Frage, ob die Abschaffung der Todesstrafe zur Steigerung der schweren Kriminalität führen würde, scheint mir nicht maßgeblich zu sein. Sprechen gewichtige Gründe gegen eine derartige Strafe, muß sie auch dann abgeschafft werden, wenn das eine steigende Kriminalitätsentwicklung mit sich bringen würde. Entscheidend ist hier nicht eine "KostenNutzen-Analyse", sondern eine Wertentscheidung, die wir eigentlich schon getroffen haben: Es handelt sich nämlich um "eine Wahl..., daß wir selbst .. .lieber leiden wollen- unter Verbrechen, unter Korruption, Mord, Spionage, Terrorismus-, als den sehr fraglichen Versuch zu machen, diese Dinge durch die Gewalt auszurotten" 162 • Man darf auch nicht vergessen, daß die Straftat Dazu Doi, a. a. 0., S. 61 ff. Psychoanalytiker Kawai kennzeichnet die japanische Kultur, im Vergleich zur "väterlichen" Kultur der europäischen und amerikanischen Gesellschaft, als "mütterlich". Kawai, Die Pathologie der mütterlichen Gesellschaft: Japan. 160 1983: 1, 1984: 3, 1985: 2, 1986: 0, 1987: 7. Hanzai hakusho (= Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 113. 161 Vgl. zuletzt Kühne/ Miyazawa, MschrKrim 1988, S. 266ff. Im Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 23ff. werden die Kriminalitätsentwicklung und die Aufklärungsquote in Japan mit denen in den USA, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland verglichen. 162 Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, Vorwort, S. III. 158 159

2. Kap.: Das japanische Strafrecht aus rechtsvergleichender Sicht

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niemals ausschließlich dem Täter zur Last gelegt werden kann, sondern die Gesellschaft dafür eine "Mitverantwortung" tragen muß 163 • Auch jetzt sitzen etwa 30 zum Tode Verurteilte in Anstalten 164, die jeden Morgen vor Angst zittern müssen, weil "die" jederzeit kommen können. Ob das im Namen des "Rechts" gerechtfertigt ist, erscheint mir mehr als fraglich.

163 Roxin hat Recht, wenn er schreibt, daß die Todesstrafe dem Schuldprinzip widerspreche: "Da eine Tat niemals ausschließlich der Schuld des Täters zur Last gelegt werden kann, sondern immer auch durch negative Umwelteinflüsse mitbedingt ist, würde es das Maß der Schuld übersteigen, wenn der Staat das Leben des Täters vernichten ... würde". Roxin, in: Einführung in das Strafrecht und Strafprozeßrecht, S. 10, 51. 164 Vgl. Hanzai hakusho ( = Weißbuch Kriminalität) 1988, S. 130.

Teil B

Das systematische Denken in der japanischen Strafrechtsdogmatik 1. Kapitel

Diskussion über das "Systemdenken" I. Problemlage

1. Daß die Merkmale der Straftat in mehrere, aufeinander aufbauende Beurteilungs- und Bewertungsstadien gegliedert werden und diese Wertungsstufen samt ihren Elementen in ihrer Gesamtheit ein geordnetes "System" bilden müssen, ist in der japanischen Rechtslehre allgemein anerkannt 165 . Es steht außer Zweifel, daß das Strafgesetz erst mit einem präzis aufgebauten Deliktssystem seine rechtsstaatliche Garantiefunktion voll entfalten kann 166 . Die Systematisierung der Deliktsmerkmale und der dogmatischen Sätze wurde insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund des Interesses gerückt. Das liberale geistige Klima der Nachkriegszeit, das dem Rechtsschutz des Bürgers vor dem Mißbrauch staatlicher Gewalt große Aufmerksamkeit widmete, begünstigte die "Aufwertung" der Deliktssystematik167. Die primäre Aufgabe der Strafrechtsdogmatik wurde nunmehr darin gesehen, ein vollständiges, in sich schlüssiges und widerspruchsfreies System der Straftat zu errichten. Auch die Tatsache, daß die amerikanische Einflußnahme auf die japanische Strafrechtsdogmatik bisher nur punktuell geblieben ist, scheint ihren Grund darin zu haben, daß es in der amerikanischen Strafrechtswissenschaft an einer entsprechenden Deliktssystematik mangelt 168 . 2. Die Diskussion über die Deliktssystematik in den ersten 20 Jahren der Nachkriegszeit wurde durch die deutsche Strafrechtsdogmatik besonders stark geprägt. Damals gab es geradezu eine Blütezeit der deutschen Strafrechtsdogmatik. Eine parallele Linie der Entwicklung läßt sich ohne weiteres feststellen. Besonders hervorzuheben ist der Einfluß der finalistischen Lehre von der Straftat. Nachdem sie der Handlungslehre die für die Systembildung entschei165 Z. B. Ohtsuka, AT, S. 105 ff.; Hirano, AT I, S. 87; Nishihara, AT, S. 61 !T.; Naka, AT, S. 53f.; Nakayama, AT, S. 109fT., 117ff.; Naito, AT I, S. 135ff.; Ohya, AT, S.134ff. 166 So Dando, AT, Vorwort zur ersten Auflage von 1957. 167 Vgl. hierzu Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1233 ff. 168 Zum rechtskulturellen Hintergrund der fehlenden Systematik in der amerikanischen Jurisprudenz vgl. Großfeld, Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, S. 122 f.

1. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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dende Bedeutung beimaß und in Japan seit Ende der 40er Jahre eine Reihe von namhaften Anhängern gefunden hatte, wurde der Handlungsbegriff auch dort vom Anfang der 50er bis Ende der 60er Jahre als ein Hauptproblem der Strafrechtsdogmatik angesehen und zum Gegenstand einer lebhaften Diskussion gemacht 169 • Das spiegelt sich in der Tatsache wider, daß nach der Gründung der "Japanischen Gesellschaft für das Strafrecht" (1949) innerhalb von 20 Jahren Probleme der Handlungslehre dreimal als Generalthema ihrer Vollversammlung aufgegriffen wurden. Die Stellungnahme zur finalen Handlungslehre wurde ein Hauptanliegen der Strafrechtler 170 • "Wer heute ein Lehrbuch zum AT schreibt, ohne sich mit der finalen Handlungslehre auseinanderzusetzen, vernachlässigt seine wissenschaftliche Aufgabe" - so heißt es im Vorwort des im Jahre 1959 veröffentlichten Lehrbuches von Kimura 171 • Das Augenmerk der Dogmatiker wurde für längere Zeit hauptsächlich auf die - von der deutschen Dogmatik übernommenen - systematischen Probleme gerichtet, die zumeist für das Ob und Wie der Strafbarkeit nicht von unmittelbarem Einfluß sind. Auch wo die Fragen, die praktisch relevant sein können, zum Forschungsgegenstand gemacht wurden, behandelte man sie manchmal in erster Linie aus Interesse an der konsistenten Systembildung. Hinzu kamen Übersetzungs- und Deutungsprobleme bei der Berücksichtigung der deutschen Doktrin. Es kostet viel Zeit und Mühe, dogmatische Lehren des Auslands richtig zu verstehen und in den Kontext des eigenen Rechts zu übertragen. Diese Aufgabe mußte die japanische Strafrechtswissenschaft bewältigen, wenn auch auf Kosten der Orientierung an den praxisrelevanten Sachfragen. 3. Es ist aus heutiger Sicht nicht zu bestreiten, daß aus dieser einseitigen Ausrichtung auf die systematischen Fragen 172 eine gewisse "Praxisfremdheit" der japanischen Strafrechtsdogmatik hervorging. Das veranlaßte Hirano zu einer Kritik am "Systemdenken" 173 . Diese Kritik erfolgte in den 60er Jahren, und dahinter stand ein grundlegender Wandel des juristischen Methodenver169 Vgl. nur Fukuda, Welzel-Festschrift, S. 251 ff. Dort finden sich auch die einzelnen Nachweise. 170 Einige Autoren, u. a. Kimura, suchten im finalistischen Deliktssystem eine Synthese der klassischen und der modernen Strafrechtslehre, zwischen denen in Japan besonders heftig vor dem Zweiten Weltkrieg und auch noch in der Nachkriegszeit gestritten wurde. Diese dogmengeschichtliche Charakterisierung der finalen Handlungslehre findet sich auch bei: Ohtsuka, Die Lehre von der klassischen und modernen Schule im Strafrecht, S. 213f.; Fukuda, AT, S. 20f.; Ohya, AT, S. 37. 171 Kimura, AT, Vorwort. 172 Dazu aus rechtsvergleichender Sicht Miyazawa, Der Sinn der Deliktssystematik, S. 189ff. 173 Insb. sind zu nennen: Hirano, Zukunft und Aufgabe des Strafrechts (1960), wieder abgedruckt bei: ders., Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts, S. 256ff.; ders., Die Funktion des Strafrechts in der Gegenwart (1965), wieder abgedruckt bei: ders., Grundlagen des Strafrechts, S. 93 ff.; ders., Strafrecht, Judikatur, Lehre (1966), wieder abgedruckt bei: ders., Grundlagen, S. 225ff.; ders., AT I, 1972, S. 87ff.

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

ständnisses, der sich vor allem unter dem Einfluß amerikanischen Rechtsdenkens in fast allen Rechtsgebieten vollzog. Die Problematisierung des Systemdenkens durch Hirano löste in der Folgezeit ein lebhaftes Echo in der Diskussion über die Deliktssystematik aus. In diesem Kapitel möchte ich deshalb die Gedanken von Hirano aufgreifen und einer kritischen Betrachtung unterziehen. Der Kern der Gedanken von Hirano läßt sich in folgenden drei Punkten zusammenfassen, wobei diese eng miteinander verbunden sind. Erstens dürfe die Systematisierung der Deliktsmerkmale nicht als Selbstzweck betrieben werden, sondern die Systematik diene als "ein Mittel, den Gedankengang des Richters zu ordnen und seine Entscheidung zu kontrollieren" 174 • Hierbei handelt es sich um eine Antithese zum gängigen Verständnis, daß man im Deliktssystem das Wesen oder die richtige Struktur der Straftat sachgemäß erfassen solle. Sinn und Zweck des systematischen Denkens erschöpft sich nach Hirano vielmehr darin, dem Richter eine Entscheidungshilfe zu bieten, die eine gleichmäßige und gerechte Rechtsanwendung garantiert. Dabei geht Hirano von der in der juristischen Methodenlehre schon zum Durchbruch gelangten Auffassung aus, daß die Gesetzesauslegung keine schlicht erkennende Tätigkeit sei, bei der man einen vorgegebenen, einzig richtigen Gesetzessinn nur zu finden brauche. Vielmehr stelle sie eine "rechtssetzende" Tätigkeit dar, so daß man dabei unter mehreren vertretbaren Interpretationen eine "Auswahl" zu treffen habe. Die Aufgabe der Strafrechtswissenschaft liegt nach Hirano deshalb nicht etwa darin, ganz unabhängig von der Rechtsprechung nach einer angeblich einzig richtigen Auslegung zu suchen, sondern darin, für den Richter einen mehr oder weniger plausiblen Interpretationsvorschlag zu entwickeln und dadurch in die richterliche Rechtsanwendung ein hohes Maß an Rationalität hineinzubringen. Die Strafrechtsdogmatik sei insoweit nichts als eine Technik der "Kontrolle der richterlichen Sozialkontrolle" 175 . Zweitens ist nach Hirano zu diesem Zweck möglicherweise ein "System" vorzuziehen, das zwar systematisch nicht ganz widerspruchsfrei sein mag, aber den zu verfolgenden Gedankengang deutlicher aufzeigen kann. Es gebe auch kein einzig "richtiges" Deliktssystem; man müsse sogar unter Umständen mehrere unterschiedliche Systeme zugleich heranziehen, um die verschiedenen Seiten eines Sachproblems voll ans Licht zu bringen. Man dürfe auch nicht einem Fall ein im voraus gebautes System aufzwingen, sondern man müsse vom konkreten Fall ausgehen und eine sachgerechte Lösung suchen, ohne eine systematische Brille aufzusetzen 176 • Hirano stellte dem herkömmlichen "Systemdenken" ein "Problemdenken" gegenüber 177 •

AT I, S. 88; ders., Strafrecht, Judikatur, Lehre, S. 250. Strafrecht, Judikatur, Lehre, S. 225fT., 236fT., 243fT. 176 AT I, S. 88. 177 Zukunft und Aufgabe des Strafrechts, S. 257; ders., Strafrecht, Judikatur, Lehre, S. 247; ders., AT I, Vorwort und S. 88. 174 175

Hirano, Hirano, Hirano, Hirano,

I. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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Drittens ist nach Hirano die bisherige Dogmatik durch eine "funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts" zu ergänzen. Die Systematik setze zwar "formelle" Schranken der Strafbarkeit. Es genüge aber nicht, bloß auf die Systemkonformität der Bestrafung zu achten. Man müsse vielmehr nach Sachargumenten für oder gegen die Strafbarkeit suchen. Denn das Einsetzen der staatlichen Strafe müsse auch "materiell" begründet und begrenzt werden. Dabei spiele die bisher eher vernachlässigte, rechtspolitische Fragestellung, welche Funktion oder Aufgabe die strafrechtliche Sozialkontrolle in unserer heutigen Gesellschaft übernehmen soll, eine große Rolle. Bei der Problemlösung soll dem rechtspolitischen Argument gegenüber dem rein systematischen Argument ein größerer Stellenwert zuerkannt werden 178 . II. Das Deliktssystem bloß zur KontroUe der richterlieben Entscheidung? 1. Nach Hirano ist die Deliktssystematik ausschließlich dafür bestimmt, richterliche 179 Entscheidungen vorzubereiten und sie auch zu kontrollieren 180 . Nakayama und Naito stimmen ihm zu: Die vorrangige Aufgabe der Straftatlehre liege darin, ein praktisches Schema zur sicheren Feststellung der Straftat zu erarbeiten 181 .

Hirano, Nakayama und Naito ziehen daraus zwei wichtige Konsequenzen: Erstens soll ein System, das zuerst auf der Unrechtsebene die objektiväußerliche Tatseite prüft und erst danach auf der Schuldebene auch die subjektiv-innerlichen Elemente in Erwägung zieht, dem eigentlichen Zweck der Deliktssystematik am besten dienen. Die klassische Trennung von Objektiv und Subjektiv ermögliche eine klare Differenzierung der Prüfungsstadien und gewährleiste damit eine sichere und gleichmäßige Anwendung des Strafrechts182. Zweitens seijene Normentheorie, die die strafrechtlichen Normen als Verhaltensanweisungen verstehen will, für das Deliktssystem als entbehrlich zu erachten. Der "Adressat" der deliktssystematischen Aussagen sei nicht der Bürger, sondern der Richter. Der Konzeption von Bestimmungsnormen, die der personalen Unrechtslehre zugrunde liegt, sei überdies schädlich. Denn der Akzent des Unrechtsurteils werde dann zu sehr auf die subjektiven Elemente verlagert und vom Gedanken des Rechtsgüterschutzes abgekoppelt; die Verwischung der Grenze der Strafbarkeit sei die Folge 183 .

Siehe insb. Hirano, Die funktionale Betrachtungsweise, S. 1 ff. Der angesichts der Rolle des Staatsanwalts im japanischen Strafverfahren naheliegendere Gedanke, daß die Strafrechtsdogmatik sich an der Perspektive des Staatsanwalts orientieren soll, wird in Japan nicht ausdrücklich ausgesprochen. 180 Siehe o. Fn. 174 und 175. 181 Nakayama, AT, S. 117ff.; Naito, AT I, S. 139f.; so auch Maeda, AT, S. 94ff. 182 Hirano, AT I, S. 90; Nakayama, AT, S. 76, 119, 128f.; ders., Eine Revision der subjektiven Unrechtselemente, 1. Teil, S. 52; Naito, AT I, S. 105, 139f., 194. 178

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

2. Ganz abgesehen von der Frage der Durchführbarkeit und Praktikabilität eines solchen Systems, das von einer völligen Trennung der objektiven von den subjektiven Elementen im Unrechtsbereich ausgeht 184, verkürzen Hirano und seine Anhänger m. E. den Sinn und Zweck des Deliktssystems. Es ist zwar seine wichtige Funktion, mit den klar differenzierten Prüfungsstadien eine wissenschaftlich kontrollierte Anwendung des Strafrechts zu gewährleisten 185 • Aber bei der Deliktssystematik geht es nicht nur um diese "grenzensetzende" Funktion. Strafrechtliche Systemkategorien wie Unrecht oder Schuld stellen jeweils eine materielle Wertungsstufe dar. Diese Wertungsstufen müssen imstande sein, in ihrer Gesamtheit die Strafbarkeit materiell, d. h. wertungsgemäß, zu begründen. Die Deliktsmerkmale sind nichts anderes als Begründungselemente der staatlichen Strafe 186 • Auf der Unrechtsebene wird festgestellt, ob der Täter einer an jedermann gerichteten, strafrechtsspezifischen Sollensanforderung der Rechtsordnung zuwidergehandelt hat. Auf der Schuldebene dagegen wird mit Rücksicht auf die Fähigkeiten des Täters geprüft, ob er dieses Unrecht auch in strafrechtlich vorwerfbarer Weise begangen hat. Diese Bewertungsdifferenzierung entspricht keineswegs jener stoffiichen Trennung von Objektiv und Subjektiv. Solange man an dieser stoffiichen Trennung festhält, kann man dem materiellen Gehalt der jeweiligen Wertungsstufen nicht gerecht werden. Dementsprechend hat jede Wertungsstufe im Deliktsaufbau jeweils positive rechtspolitische Funktionen. Was den objektiven verhaltensmaßstäblichen Charakter des Unrechtsurteils angeht, bemerkt Hirsch mit Recht folgendes: "Der Unrechtsbegriff dient dazu, Verhalten der Rechtsgenossen zueinander zu regeln und zu bewerten. Sobald man ihn dieser sozialen Funktion entkleidet, wird auf einen zentralen Teil seines Wesensgehalts verzichtet" 187 . Auch die normentheoretische Fundierung des Deliktssystems, vor allem eine solche der Unrechtslehre, ist m. E. unentbehrlich. Es wird mitunter behauptet, daß es unmöglich sei, die Existenz der Norm exakt nachzuweisen 188 und daß der Begriff der "Norm" mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden könne, so daß das Strafrechtssystem nicht durch das Bekenntnis zu einer Normenkonzeption voll determiniert werden dürfe 189 . Ob und inwieweit diese Aussagen 183 Hirano, AT I, S. 51; Nakayama, Eine Revision der Strafrechtslehren der klassischen und der modernen Schule, S. 99; ders., AT, S. 77ff., 231 f.; Naito, AT li, S. 305f., 317ff. ; ferner Maeda, AT, S. 84, 95f., 111f. 184 Siehe u. Teil C, 2. Kap., II. 185 Auch Nowakowski, der früher eine rein objektive Unrechtslehre vertrat (dazu instruktiv Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 41 ff.), ging von diesem einseitigen Verständnis der Deliktssystematik aus. Vgl. Nowakowski, Das Österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen, S. 39f.; ders., ZStW Bd. 63, S. 307f. 186 So auch Machino, Straftatlehre und Straftheorie, S. 134, 141. 1 8 7 Hirsch, ZStW Bd. 93, S. 271. 188 Vgl. Gössel, Bruns-Festschrift, S. 44; vgl. ferner Armin Kaufmann, Normentheorie, 2. Kap. 189 So Schünemann, Das strafrechtliche Systemdenken, S. 61 ff.

1. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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richtig sind, soll hier dahingestellt bleiben. Man darf jedenfalls nicht ü hersehen, daß erst mit der Heranziehung der Normentheorie klargestellt wird, daß das menschliche Verhalten den Gegenstand des strafrechtlichen Unrechtsurteils darstellt, so daß man stets bedenken muß, was das Recht mit seiner Verhaltensanweisung vom Bürger fordern darf. Nur dadurch könnte nämlich auf der Tatbestandsebene eine zu weitgehende Verhaltens-, Gefahrdungs- und Erfolgszurechnung vermieden werden. Weil das Recht nur auf von Menschen beherrschbare Vorgänge Einfluß nehmen kann und auch der Bürger sein Verhalten am Recht ausrichten können muß, hat sich das Rechtswidrigkeitsurteil an der allgemeinen Struktur menschlichen Verhaltens zu orientieren 190 • Die weitere Frage, ob die allein von der Täterperspektive her beurteilende Unrechtslehre die Gefahr der Vemengung von Unrecht und Schuld sowie der Strafbarkeitsausdehnung mit sich bringt und wie gegebenenfalls dieser Vermengung und Ausdehnung entgegengetreten werden soll, wird im Teil C behandelt. Wenn es sich aber beim Unrechtstatbestand um die Konkretisierung der Verhaltensanweisung für den Bürger handelt, so scheint doch die Einordnung des Vorsatzes in den Unrechtstatbestand, was Hirano und seine Anhänger bestreiten, zwingend zu sein. Denn erst durch die Berücksichtigung der subjektiven Merkmale auf der Unrechtsebene werden die Konturen des strafrechtlichen Unrechts klarer: Der Unrechtstatbestand ist die inhaltliche Beschreibung des gegen ein bestimmtes Verbot (oder Gebot) verstoßenden menschlichen Verhaltens. Menschliches Verhalten kann aber nicht als reiner Kausalvorgang beschrieben werden. Der Wille und die Ziele des Handelnden sind für die Beschreibung seines Verhaltens unverzichtbar 191 . Wie Roxin treffend darlegt, verleiht erst der Vorsatz einem Geschehen begrenzende Konturen 192 • Ohne jegliche Angabe des Willensinhalts des Handelnden würde der Tatbestand uferlos überdehnt und damit auch für die sinnvolle Abgrenzung der Beteiligungsformen untauglich bleiben 193 . 111. "Problemdenken" gegen "Systemdenken"?

1. Das Begriffspaar übernahm Hirano aus der Schrift von Würtenberger "Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft" (1957) 194 • Was Hirano mit der Forderung der Akzentverlagerung vom System- zum Problemdenken meinte, läuft darauf hinaus, daß man nicht in erster Linie über die Systematik, sondern über die "von der heutigen Zeit aufgeworfenen Sachprobleme der Strafrechtswissenschaft" 195 diskutieren soll 196 • Diese Kritik Hiranos war inso190

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Hirsch, ZStW Bd. 93, S. 849; Maurach f Gösse/, AT II, §42 Rdn.18. Vgl. Riede/, Norm und Werturteil, S. 21. Rox in, Kriminalpolitik, S. 21 f.; ders. , ZStW Bd. 80, S. 716f. Vgl. auch u. Teil C, 2. Kap., li, 1. 2.Aufl. 1959, insb. S. 9fT. Würtenberger, Die geistige Situation, S. 5.

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

weit berechtigt, als sich damals das Forschungsinteresse allzusehr auf die dogmatischen Fragen des Allgemeinen Teils konzentrierte und die Probleme des Besonderen Teils und des Sonderstrafrechts sowie die kriminologischen Fragen weitgehend vernachlässigt wurden. Aber ihre Aussagekraft als eine Kritik an der Methodik der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik war bescheiden: Hirano machte nicht klar, was in concreto das Problemdenken im Gegensatz zum Systemdenken bedeuten soll und welche methodologischen Grundgedanken dahinterstecken, und somit blieb das "Problemdenken" bei ihm ein bloßes Schlagwort. Die Gegenüberstellung von System- und Problemdenken 197 scheint mir trotzdem als ein "analytischer Kategorienrahmen" durchaus ergiebig zu sein. Aber was ist das Problemdenken und wie kann es begründet werden? Dem Problemdenken liegt zunächst der Gedanke zugrunde, daß die Interessen- oder . Wertabwägungen, um die es bei der Rechtsentscheidung gehe, nicht in abstracto durch ein Normen- oder Wertsystem festgemacht werden dürften, sondern die Herrschaftsbereiche der kollidierenden Interessen oder Werte erst im Hinblick auf die konkrete Fallgestaltung voneinander abgegrenzt werden könnten. Denn "bestimmte Werte bzw. Regeln" seien in ihrer Geltung an das Vorhandensein bestimmter tatsächlicher Voraussetzungen gebunden" 198 • Am überzeugendsten läßt sich in diesem Zusammenhang das Problemdenken aber argumentationstheoretisch, insbesondere diskurstheoretisch 199 , erklären und begründen: Das Problemdenken (oder das "topische" Denken)200 geht davon aus, daß die Richtigkeit einer Rechtsentscheidung nicht materiell, sondern " prozedural" Siehe die in Fn. 177 angeführten Schriften von Hirano. Vgl. insb. Diederichsen, NJW 1966, S. 697ff.; Zippelius, NJW 1967, S. 2229ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S.119ff., 150; ferner Stratenwerth, SchwZStr Bd. 81 , S. 179 f.; Roxin, ZStW Bd. 80, S. 712 ff. , 726; Arzt/ Weber, LH 1, S. 8, Rdn. 17. Aus der neuerenjapanischen Literatur sind zu nennen: Shoji, Grundgedanken der Straftatlehre, S. 59ff.; H . Uematsu, Problem- und Systemdenken, S. 70 m.w.Nachw.; Eguchi, Problem- und Systemdenken, S. 85ff.; ders., System- und Problemdenken, S. 84f. 198 Coing, Rechtsphilosophie, S. 114. 199 Zur Diskurstheorie juristischer Urteile siehe etwa Alexy, Theorie der juristischen Argumentation; ders., Rechtstheorie, Beiheft 2, S. 177 ff.; ders., Theorie der Grundrechte, S. 498ff.; Kriele, Recht und praktische Vernunft, insb. S. 30-34, 50-65; Arthur Kaufmann, ARSP 1986, S. 425fT.; ders., Maihofer-Festschrift, S. 27fT.; Neumann, Juristische Argumentationslehre, insb. S. 70 ff. jeweils m.w.Nachw. Zur Diskurstheorie in der Philosophie siehe etwa Habermas, Vorstudien und Ergänzungen, S. 104ff., 127ff.; ders., Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 ff.; Apel, Diskurs und Verantwortung, passim. 200 Kritisch aber zur topischen Methode, wie sie Viehweg, in: Topik und Jurisprudenz, versteht, Diederichsen, NJW 1966, S. 697fT.; Larenz, Methodenlehre, S. 140fT., 470; Engisch, Einführung, S. 193ff.; Canaris, Systemdenken, S. 135ff.; Gössel, Peters-Festschrift, S. 53f.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 39ff. jeweils m.w.Nachw. Vgl. demgegenüber die Ausführungen von Kriele, der die Topik als juristische Methode fruchtbar zu machen versucht: Theorie der Rechtsgewinnung, S. 114ff. (5. Kap.). 196 197

1. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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verstanden werden müsse. Sie könne nur in einem - realen oder fingierten kommunikativen Gespräch diskursiv als "Konsens" hergestellt werden. Die Annahme, daß das Gesetz eine klare Lösungsanweisung für alle denkbaren Sachverhalte enthalte, sei verfehlt. Das Gesetz stecke bloß einen mehr oder minder breiten Auslegungsspielraum ab, innerhalb dessen eine Problemlösung wertungsmäßig ausgewählt werden solle. Für die Wertungsfrage gebe es aber keinen materiellen Maßstab, anband dessen eine Antwort mit der intersubjektiv zwingenden Gewißheit gewonnen werden könnte. Das Richtigkeilskriterium könne vielmehr nur die "Plausibilität" der Argumente sein, die im freien, nur durch den vom "zwanglosen Zwang des besseren, weil einleuchtenderen Argumentes" 201 beherrschten Diskurs "konsenserzielend" entwickelt werden. Die Möglichkeit des nach einem Konsens suchenden Diskurses sei deshalb eine unabdingbare Voraussetzung der richtigen, d. h. rational begründeten, Rechtsentscheidung. Ein solcher Diskurs, eine solche Gesprächssituation, entstehe anläßlich einer konkreten "Problem"lösung. Nur wenn man von einem Sachproblem ausgehe und seine Lösung argumentativ zu begründen versuche, entfalte sich der Diskurs. Das Systemdenken könne dagegen nicht nur den Zugang zum ursprünglichen, unmittelbaren Problem verstellen, sondern auch das Zustandekommen des Diskurses hindern und die Konsensbildung schwermachen: Wenn ein Diskursbeteiligter eine Problemlösung begrifflich-deduktiv von einem vorher errichteten System ableite und nur "systematische Argumente" entwickele, so besitze seine Argumentation keine Plausibilität für den anderen, der von einem anderen System ausgehe. Hier sei höchstens ein Theorienstreit zwischen den verschiedenen Systemen möglich, bei dem aber jenes Ausgangsproblem oft aus den Augen verlorengehe. Außerdem könne ein System, wie Hirano schreibt202 , unter der lgnorierung nonkonformer Problemaspekte nur einen Teilaspekt des Problems beleuchten und nicht in der Lage sein, die verschiedenen Seiten des Problems voll ans Licht zu bringen. So mache das System ein unmittelbares Ansetzen am Problem, wie es sich darstellt, unmöglich. 2. Hier ist nicht der Ort, die dort zugrunde gelegte Diskurstheorie auf ihre Haltbarkeit und Konsequenzen hin zu untersuchen 203 • Mir scheint jedenfalls diese diskurstheoretische Begründung des Problemdenkens durchaus vertretbar zu sein. Davon läßt sich jedoch die Entbehrlichkeit eines Systemdenkens nicht ableiten: Erstens kann man ohne jegliche systematiche Orientierung nur schwer an ein Problem herankommen. Man weiß nicht, wie und wo man zur Problemlösung Habermas, Vorstudien und Ergänzungen, S.116, 119,144, 161. Hirano, AT I, S. 88. 203 Kritische Bemerkungen dazu finden sich etwa bei: Dreier, Recht Ideologie, S. 27f., 117, 156, 205f., 278f. 201

202

Moral -

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

ansetzen soll. So dürften die leitenden Wertungsgesichtspunkte von Unrecht und Schuld allemal notwendig sein. Man müßte sich sonst mit einem ungeordneten Tasten von einem Einzelaspekt zum anderen begnügen und könnte den Stellenwert und die Tragweite des Problems im Netz von Problemen nicht einmal erkennen. Zweitens kann auch kein fallbezogener Diskurs zustandekommen, wenn zwischen den Argumentationspartnern nicht einmal ein "Grundkonsens" über gewisse systematische Fragen vorhanden ist. Es ist kaum vorstellbar, daß es z. B. bei der Lösung eines Notwehrfalles zwischen demjenigen, der die Notwehr als einen Rechtfertigungsgrund ansieht, und demjenigen, der sie für bloß entschuldigend hält 204 , immer zu einem Konsens kommen könnte, ohne daß vorher auf die prinzipielle Frage über den Rechtscharakter der Notwehr eingegangen worden ist. Drittens ist das Systemdenken deshalb unverzichtbar, weil jedes Lösungsergebnis mit dem dabei maßstäblichen Wertungsgesichtspunkt einmal in den systematischen Zusammenhang mit den bisherigen (gesetzlichen, richterlichen oder allgemein anerkannten) Lösungen gestellt werden muß, damit überprüft werden kann, ob die Problemlösungen miteinander verträglich sind oder sich nicht gegenseitig widersprechen 205 • Der Grund, der eine Lösung trägt, muß generalisierbar sein: Das entspricht den Geboten der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit206 • Die beste juristische Lösung ist die beste "verallgemeinerungsfähige" Lösung 207 • Durch die Überprüfung der Verallgemeinerungsfähigkeit der Lösungen kann die Dogmatik den Kreis möglicher Lösungsalternativen verkleinern und so die Entscheidung des Rechtsproblems erleichtern. Erst durch die Erkenntnis der Systemzusammenhänge kann man die Tragweite und den Anwendungsbereich der vorliegenden Problemlösung genau festlegen. Wenn man die systematischen Zusammenhänge der Problemlösungen außer acht läßt, kommt es notwendigerweise zur gefühlsmäßigen Fall-zu-Fall-Entscheidung. Die Verallgemeinerung von Fallösungen und der Vergleich dieser untereinander stellt einen wichtigen Schutzwall vor Willkür und gefühlsmäßigen Kurzschlüssen im Einzelfall dar. Eine konsistente Gesetzesanwendung wird erst dadurch möglich 208 • Darüber hinaus ist die Situation denkbar, daß mehrere Systeme 204 Ohkoshi, Zur Notwehr, S. 3ff., legt dar, daß die sehr zurückhaltende Anwendung der Notwehrvorschrift durch die japanische Judikatur darin ihren Grund habe, daß sie, wie Boissonade und die unter dem StG B von 1880 überwiegend vertretene Auffassung, die Notwehr der Sache nach lediglich als einen Schuldausschließungsgrund ansehe. 205 Zur systematischen Überprüfung der Fallösung ausführlich Alexy , Theorie der juristischen Argumentation, S. 322ff., 332. 206 Vgl. dazu Canaris, Systemdenken, S. 16ff. 207 Arzt, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 5. 208 Im gleichen Sinne Stratenwerth, SchwZStr Bd. 81 , S. 179 f.; Zippelius, NJW 1967, S. 2230; Canaris, Systemdenken, insb. S. 40ff., 97ff.; Hassemer, Strafrechtsdogmatik, S. 177f.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 322ff., 326ff.; Koch/ Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 227.

1. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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nebeneinander bestehen, die sämtliche bisherigen Problemlösungen in logisch konsistenter Weise in sich einordnen können. In diesem Fall ist eine Diskussion über die ihnen zugrunde zu legende Systematik unentbehrlich, damit man die Tragweite einer Problemlösung bezüglich der zukünftig auftauchenden Fälle erkennen kann. Viertens können die über die positivrechtlichen Regelungen hinausgehenden Gesichtspunkte erst erzielt werden, nachdem man die systematischen Zusammenhänge der einschlägigen Problemlösungen erkannt hat.

3. Man sollte sich auf der anderen Seite davor hüten, das Systemdenken auf die Spitze zu treiben. Man wird zwar immer auf ein "geschlossenes" System hinstreben müssen und die Widersprüchlichkeil der Ergebnisse oder die Vagheit der verwendeten Begriffe nicht etwa unter dem Vorwand der "Offenheit" des Systems hinnehmen dürfen 209 • Aber ein fertiges und vollständiges System, aus dessen Axiomen alle richtigen Problemlösungen für sämtliche in der Vergangenheit aufgetauchten und in der Zukunft auftauchenden einschlägigen Fälle abgeleitet werden könnten, kann nicht existieren. Die Errichtung eines solchen - wenn auch nur partiellen - Systems wäre frühestens dann in Sicht, wenn wir schon über alle denkbaren relevanten Problemfalle210 und alle zu ihren richtigen Lösungen führenden Wertungsgesichtspunkte sowie die Abwägungsregeln zur Auflösung kollidierender Wertungsgesichtspunkte 211 verfügen würden, was aber auch in ferner Zukunft nicht zu realisieren sein wird 212 • Jedes Deliktssystem kann deshalb nicht mehr als ein vorläufiger Entwurf sein 213 • Die Begriffe im System sollten zwar möglichst konkret und im Idealfall subsumtionsfahig sein. Aber das System muß auch wertausfüllungsbedürftige Begriffe, - nicht durch die Angabe ihrer notwendigen Merkmale abschließend Dazu Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 402f., 419, 426. Zur Bildung von Fallsystemen Hruschka, JZ 1985, S. 7f. 211 Hier wird vorausgesetzt, daß ein solches System Wertungsprinzipien verschiedener methodologischer Höhe, die jeweils bestimmte Lösungen einer Reihe von Fällen begründen können, enthält. Zu den einem Rechtssystem immanenten Prinzipien vgl. Canaris, Systemdenken, S. 41-60; Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Kap., S. 71-157, ferner S. 516ff.; ders., Rechtstheorie 18, S. 405ff.; Dreier, Rechtsbegriffund Rechtsidee, S. 26ff.; ferner Larenz, Methodenlehre, S. 456ff. 212 Zur Unmöglichkeit eines axiomatischen juristischen Systems vgl. etwa Engisch, Sinn und Tragweite juristischer Systematik, S. 91 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, S. 352; Canaris, Systemdenken, S. 20-29 m.w.Nachw.; Schünemann, Das strafrechtliche Systemdenken, S. 6 ff. 213 So insb. Schünemann, Das strafrechtliche Systemdenken, S. 8 ff.; Jescheck, AT, S. 178. Zum "offenen" juristischen System vgl. auch Würtenberger, Die geistige Situation, S. 12f.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 99, 121 f., 145, 150; Larenz, Methodenlehre, S. 166,224,361,435, 467ff.; Zippelius, NJW 1967, S. 2231 ; Canaris, Systemdenken, insb. S. 61 ff. m.w.Nachw.; Coing, Rechtsphilosophie, S. 352f.; Tiedemann, ZStW Bd. 86, S. 303 f. Aus japanischer Literatur etwa Shoji, Grundgedanken der Straftatlehre, S. 67 f.; Kitagawa, Dogmatik und Systematik des Zivilrechts, insb. S. 183ff., 186ff. 209

210

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

definierbare - Typen 214 und gar Generalklauseln bereithalten, um die bisher unbekannten Problemfälle in den Griff zu bekommen und auch wandelbaren Gerechtigkeitsvorstellungen Raum zu geben 215 • Außerdem sind dem System konkretisierungsbedürftige und auch wandlungsfahige Wertungs(-ober- und unter-)prinzipien immanent. Es ist auch immer denkbar, daß die bislang bewährten Rechtssätze oder Wertungsgesichtspunkte angesichts der bisher übersehenen Fallgestaltungen nicht nur konkretisiert und differenziert, sondern auch modifiziert oder gar durch neue ersetzt werden müssen. Jedes neue Problem muß zwar in Kenntnis des vorhandenen Systems diskutiert werden; es kann aber in einer Weise gelöst werden müssen, welche die Modifizierung des Systems mit sich bringt 216 • Es darf auch nicht übersehen werden, daß wandelnde Wertungs- und Gerechtigkeitsvorstellungen zu Überprüfungen und Umgestaltungen der Begriffe und Prinzipien im System zwingen. Darüber hinaus läßt sich die Aufgabe der Systematik in sehr verschiedener Weise bewältigen, so daß zugleich mehrere Systeme bestehen können, welche die bisherigen Problemlösungen nicht nur formal-logisch, sondern auch material-logisch konsistent in sich aufnehmen können. Ein System kann dann auch durch ein anderes ersetzt werden. Über die Systematik darf deshalb nicht in einer Art gestritten werden, als ob es nur ein einziges "richtiges" System gäbe 217 • 4. Zusammenfassend läßt sich sagen: Eine exklusive Alternative zwischen System- und Problemdenken kommt nicht in Betracht. Das Problemdenken darf nicht auf Kosten der Gleichmäßigkeit und Widerspruchsfreiheit der Problemlösungen betrieben werden und nicht zur Fall-zu-Fall-Entscheidung verleiten. Aber andererseits darf das Systemdenken nicht zum Selbstzweck erhoben werden. Das Deliktssystem muß für ein problemorientiert-induktives Denken weiten Raum geben. Es gilt, "die sinnvolle Mitte zwischen Problemdenken und Systemdenken zu finden" 218 •

214 Zum Typus siehe etwa Larenz, Methodenlehre, S. 207 ff., 289 ff., 443fT.; Arthur Kaufmann, Analogie und "Natur der Sache", S. 47ff.; Hassemer, Tatbestand und Typus, insb. S. 111fT.; Gössel, Peters-Festschrift, S. 47 ff. Die Frage, inwieweit die Strafrechtssätze aus (definierbaren) "Begriffen" konstituiert und inwieweit sie (undefinierbare) "Typen" enthalten, mag hier dahinstehen. Auch auf den Streit darüber, ob die Konzeption des Typus überhaupt haltbar ist, kann ich hier nicht eingehen. Kritisch zum Typusbegriff Koch/ Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 73fT., 210. Zur Frage, ob die Lebenserscheinungen unter die Typen nicht "subsumiert", sondern ihnen nur "zugeordnet" werden können, siehe Engisch, Einführung, S. 257. 215 Vgl. hierzu Engisch, Einführung, S. 127f. 216 Schünemann, Das strafrechtliche Systemdenken, S. 14fT. 217 So auch Hirano, AT I, S. 88 ("Es kann durchaus so sein, daß man u. U. mehrere unterschiedliche Systeme heranziehen muß, um die verschiedenen Seiten einer Sache vollständig zu erkennen"); Kashiwagi, AT, S. 92; Naito, AT I, S. 136; Ohya, AT, S. 135. Diese Einsicht scheint sich auch in der bundesdeutschen Rechtslehre durchgesetzt zu haben. Vgl. nur Jescheck, AT, S. 178, 195. 218 Würtenberger, Die geistige Situation, S. 13.

1. Kap.: Diskussion über das "Systemdenken"

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IV. Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts? 1. Nach Hirano 219 bindet das systematische Denken die Ausübung der Strafgewalt nur formell. Es sei nicht in der Lage, die Strafbarkeit mit Sachargumenten materiell zu begründen und auch zu begrenzen. Deshalb müsse das systematische Denken durch rechtspolitische und funktionale Überlegungen ergänzt werden. Dabei ist nach Hirano die Fragestellung von maßgebender Bedeutung, welche Funktion und Aufgabe die strafrechtliche Sozialkontrolle in unserer heutigen Gesellschaft übernehmen soll. Diese "funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts" spiele nicht nur bei der Gesetzgebung, sondern auch bei der Gesetzesinterpretation und den dogmatischen Arbeiten eine große Rolle. Sie soll zum Leitprinzip der "teleologischen Begriffsbildung" erhoben werden220. Die Ausübung der Strafgewalt soll damit nicht nur "systematischformell", sondern auch "funktional-materiell" eingeschränkt werden. Eine wichtige Konsequenz, die Hirano hieraus für die Deliktssystematik zieht, ist der Primat des Erfolgsunwerts in der strafrechtlichen U nrechtslehre: Aufgabe des Strafrechts in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaft, wie sie die japanische Verfassung vorschreibt, liege nicht in der Sicherstellung der Moral oder Sozialethik, sondern ausschließlich im Schutz der Rechtsgüter, und zwar vornehmlich der Individualrechtsgüter. Die Strafe als das einschneidendste Mittel für die Sozialkontrolle dürfe nur als ultima ratio eingesetzt werden, d. h. nur dort, wo sie für den Rechtsgüterschutz unumgänglich sei221 . Moralische oder sozialethische Wertvorstellungen seien überdies zu vage, um als das Kriterium für das Ob und Wie der Strafbarkeit herangezogen zu werden. Von seinem Rechtsgüterschutzgedanken leitet Hirano ab, daß der Wesensgehalt des strafrechtlichen Unrechts in der Rechtsgüterverletzung oder -gefährdung, also im Erfolgsunwert, zu erblicken sei 222 • Diese Auffassung fand bei namhaften Autoren Zustimmung 223 . 2. Gegen die funktionale Betrachtungsweise Hiranos sprechen aber gewichtige Bedenken: Mit kriminalpolitischen Überlegungen ist eine generalklauselartige Unbestimmtheit verbunden, weil dabei nicht nur empirische Analysen, sondern Bewertungen der Tatsachen entscheidend sind, so daß man daraus 219 Insb. Hirano, Die funktionale Betrachtungsweise, S. 1 !T. Zustimmend Naito, AT I, S. 43ff., 105. 220 Hirano, Die funktionale Betrachtungsweise, insb. S. 4. Das Strafgesetz soll nötigenfalls nicht nur einschränkend interpretiert, sondern auch aufgrund des Art. 31 jap. Verfassung für nichtig erklärt werden ( = Die Lehre vom substantive due process). Hirano, Strafrecht, Judikatur, Lehre, S. 232f.; ders., AT I, S. 80fT. Vgl. o. Fn. 13. 221 Siehe Hirano, Die Funktion des Strafrechts in der Gegenwart, S. 101 !T. Auf die strikte Trennung von Strafrecht und Moral durch Hirano war der englische Rechtstheoretiker H. L. A. Hart von großem Einfluß. 222 Hirano, AT I, S. 49fT.; ders., AT II, S. 212 ff.; ders. , Erfolgs- und Handlungsunwert, s. 15fT. 223 Hierzu ausführlich u. Teil C, 1. Kap., II, 1. m.w.Nachw.

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

schwerlich eine konkrete Aussage ableiten kann. Auch ließen sich auf solche Weise miteinander unvereinbare Ergebnisse genauso gut begründen. Man kann z. B. die Notwendigkeit des strafrechtlichen Schutzes des betreffenden Rechtsgutes betonen und für die Strafbarkeit eines Verhaltens plädieren. Man kann sich aber auch auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts berufen und zum umgekehrten Ergebnis, der Straflosigkeit, kommen. Die sog. funktionale Betrachtungweise des Strafrechts dürfte nur eine Sammlung unbestimmter Topoi bieten, mit der man jedes Ergebnis nach Belieben begründen könnte. Außerdem bleibt die rechtspolitische Funktion des Strafrechts auch in empirischer Sicht weitgehend unerforscht 224 . Angesichts dieser Lage würde das Postulat, strafrechtliche Entscheidungen immer an ihren sozialen Folgen zu orientieren 225 , für den Richter- wegen der fehlenden Informationsmöglichkeit - eine Überforderung bedeuten und zudem eine ernste Gefahr für die Rechtssicherheit mit sich bringen 226 . Hirano ist zwar insoweit zuzustimmen, als das Gesetz immer einen mehr oder weniger breiten Interpretationsspielraum beläßt und damit eine in die Zukunft hin offene Entscheidungsanleitung darstellt. Diese Erkenntnis ist inzwischen zum Gemeingut der juristischen Methodenlehre geworden 227 . Aber die Ausfüllung dieses Interpretationsspielraums durch die reinen Folgenerwägungen ohne dogmatische Strukturierung würde zu willkürlichen Rechtsentscheidungen führen. Darüber hinaus könnten durch den Funktionalismus auch die rechtsstaatliehen Grundprinzipien, die in formaler Hinsicht die staatliche Strafbefugnis einschränken, gefährdet werden22s. Es ist andererseits das Verdienst von Hirano, überzeugend klargestellt zu haben, daß es nicht genügt, bloß die formelle Systemkonformität und -Stimmigkeit der Problemlösung zu beachten, sondern daß es vielmehr gilt, die Strafbarkeit mit Sachargumenten materiell zu begründen und zu begrenzen, wobei rechtspolitische Überlegungen die entscheidende Rolle spielen können. Nur darf man nicht übersehen, daß die Systemkatagorien keine lediglich formellen Schranken der Strafbarkeit darstellen, sondern selbst materielle Wertungsstufen sind, dazu bestimmt, in ihrer Gesamtheit die Strafbarkeit zu begründen und zu begrenzen. Auch allen deliktssystematischen Begriffen und 224 Aus diesem Grunde steht Abe, Die Auslegung des Strafrechts, S. 111 , der funktionalen Betrachtungsweise skeptisch gegenüber. Murai kritisiert, daß der Funktionsbegriff Hiranos nicht empirisch fundiert sei; vgl. Vorstudien zur Forschungsmethode des Besonderen Teils des Strafrechts, S. 90fT. 225 Zum Problem der Folgenorientierung Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 227fT. m. Nachw. 226 Einwände gegen die Folgenorientierung finden sich bei: Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik. 227 Vgl. etwa Hassemer, ARSP 1986, S. 202fT. m.w.Nachw. 228 Diese Bedenken gegen die Konzeption Hiranos haben Nakayama und Murai geäußert; vgl. Nakayama, Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts und ihre Probleme, S. 115, 124fT.; Murai, a.a.O., S. 94fT.

2. Kap.: Deliktssystematik in der japanischen Strafrechtsdogmatik

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dogmatischen Theorien liegen, ausgesprochen oder unausgesprochen, bestimmte rechtspolitische Überlegungen zugrunde. Schon die Forderung nach der Systematisierung ist kein Selbstzweck, sondern Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots und von eminent "funktionaler" Bedeutung. Die zumeist verdeckte Rechtspolitik muß erkannt und herausgearbeitet werden; die systematischen Begriffe und Sätze müssen daraufhin überprüft, ergänzt und umgestaltet werden 229 . Allerdings dürfen die rechtspolitischen Überlegungen · die Begriffe nicht ersetzen, sondern sie müssen vorerst sorgfaltig strukturiert, auf die Vereinbarkeit mit positivrechtlichen Wertungen hin überprüft, in möglichst präzise Formulierungen gebracht und aufeinander abgestimmt werden. Wenn keine Klarheit über die Begriffe und Strukturen der kriminalpolitischen Überlegungen besteht, kann von ihrer rationalen Kontrolle keine Rede sein. Die nackte funktionale Betrachtungsweise ohne begriffiiche Bearbeitung und Strukturierung darf in der Jurisprudenz keine Rolle spielen. Ob vom Rechtsgüterschutzgedanken die alleinige Relevanz des Erfolgsunwertes abgeleitet werden kann, bedarf näherer Untersuchung. Auf diese Frage wird im Teil C der Arbeit näher eingegangen werden. 2.Kapitel

Deliktssystematik in der japanischen Strafrechtsdogmatik I. Abriß der histonseben Entwicklung der Deliktssystematik in Japan

1. In den ersten 20 Jahren nach dem Inkrafttreten des geltenden StGB von 1907 war es üblich, die Deliktsvoraussetzungen in die objektiven (äußeren) und die subjektiven (inneren) Elemente einzuteilen. Oba, der repräsentative Vertreter der klassischen Strafrechtslehre damaliger Zeit, gliederte in seinem Lehrbuch (1913) die Deliktsvoraussetzungen in drei Kategorien: "objektive Elemente" (Handlung, Rechtswidrigkeit), "subjektive Elemente" (Täter, Zurechnungsfcihigkeit) und "Verbindungselemente" (Vorsatz, Fahrlässigkeit), auf. Diese Gliederung entsprach im wesentlichen der Systematik Birkmayers, bei dem Oba einen Studienaufenthalt verbrachte und auch promovierte. Makino, der bedeutendste und einflußreichste Vertreter der modernen spezialpräventiven Strafrechtslehre Japans, ging in seinem berühmten Lehrbuch: "Japanisches Strafrecht" (1.Aufl. 1916) von der Zweiteilung der objektiven und der subjektiven Elemente aus; er blieb aber seiner "symptomatischen" Verbrechensauffassung treu und ließ seine Deliktslehre mit den subjektiven Voraussetzungen beginnen230. 229 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein dogmatischer Satz auf einer empirischen Hypothese beruht. 230 Zu den Deliktssystemen von Oba und Makino vgl. Ohtsuka, Die Lehre von der klassischen und modernen Schule im Strafrecht, S. ?Off.

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

2. Eine Anregung zur weiteren Entwicklung der Deliktssystematik war die Lehre von der subjektiven Rechtswidrigkeit, die Miyamoto in seinem Lehrbuch von 1926 entwickelte. Diese auf einer Imperativentheorie beruhende Lehrauffassung veranlaßte seinen Schüler Saeki zu einer Auseinandersetzung mit ihr. Saeki befaßte sich gründlich mit der deutschen Unrechtslehre von Merke/ bis Mezger und kam im Anschluß an Mezger zu einer objektiven Rechtswidrigkeitslehre231. Er widmete sich dann einer eingehendenUntersuchungder normativen Schuldlehre in Deutschland 232 . Diese Konfrontation mit der deutschen Dogmatik in ihrem neuesten Stand brachte die Einsicht mit sich, daß es sich bei der Deliktssystematik nicht um die gegenständliche Einteilung von Objektiv und Subjektiv handelt, sondern um die Wertungsstufen von Unrecht und Schuld, die jener stofflichen Differenzierung nicht immer entspricht. Der Hervorhebung bedarf weiterhin die Übernahme der in Deutschland entwickelten Tatbestandslehre. Die beiden, damals führenden Strafrechtler Japans, Ono und Takigawa, befaßten sich seit Ende der 20er Jahre mit den Tatbestandslehren von Beting, M . E. Mayer und Mezger. Vor allem die eigenständige Tatbestandskonzeption Onos 233 war von großem Einfluß für die spätere Zeit. Ono faßte den Tatbestand als Typus der strafbaren Handlung, d. h. der rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, auf. Er versuchte nicht nur zahlreiche dogmatische Fragen mit Hilfe des Tatbestandsbegriffs zu lösen, sondern ihm auch wichtige verfahrensrechtliche Funktionen zuzuschreiben 234 . Die Auffassung von der "Tatbestandsmäßigkeit" als einer selbständigen Deliktsvoraussetzung lieferte den Autoren der objektivistischen Strafrechtsschule eine starke Stütze und fand schon in der Vorkriegszeit namhafte Anhänger. Die Tatbestandslehre setzte sich in der Rechtslehre nach dem Zweiten Weltkrieg ganz durch. Es war eine bemerkenswerte Erscheinung, daß sich in Japan seit Ende des Krieges das dogmatische Interesse besonders der Bindung der staatlichen Strafgewalt an das Gesetz und damit der Tatbestandslehre zuwandte 235 , während in der bundesdeutschen Rechtslehre die "Renaissance des Naturrechtsgedankens" stattfand und der materielle Gehalt der Rechtswidrigkeit stark in den Vordergrund des Interesses gerückt wurde. Onos Konzeption vom Tatbestand wurde von seinem Schüler Dando übernommen 231 Saeki, Die subjektive und objektive Rechtswidrigkeit (1932), wieder abgedruckt bei: ders., Die Lehre von der Rechtswidrigkeit im Strafrecht, S. 55fT. Auch seine groß angelegte dogmengeschichtliche Untersuchung über die subjektiven Unrechtselemente aus dem Jahre 1937 (wieder abgedruckt bei: ders., Die Lehre von der Rechtswidrigkeit im Strafrecht, S. 209ff.) trug zur Verbreitung der Mezgersehen Lehre in Japan bei. 232 Seine Studien zur normativen Schuldlehre wurden später zusammengestellt und 1947 als Monographie unter dem Titel "Der Gedanke der Zumutbarkeit im Strafrecht" veröffentlicht. 233 Seine Arbeiten über die Tatbestandslehre sind zusammengestellt in: Ono, Die Lehre vom Deliktstatbestand, 1953. 234 Zur Tatbestandslehre Onos ausführlich u. Teil D, 1. Kap., I. 235 Vgl. dazu Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1234f.

2. Kap.: Deliktssystematik in der japanischen Strafrechtsdogmatik

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und ausgebaut 236 • Dieser trug zur Durchsetzung der Tatbestandslehre wesentlich bei. Das dreistufige Deliktssystem237 , das die Straftat in drei aufeinander aufbauende Merkmale - d. h. Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld- gliedert, entwickelte sich in den ersten 15 Jahren der Nachkriegszeit zur herrschenden Auffassung 238 . II. Überblick der heutigen Deliktssysteme239 1. Von der Mehrheit der japanischen Autoren wird eine Unrechtslehre vertreten, die neben den rein objektiven Komponenten auch "personale" Bestandteile anerkennt (Dando, Ohtsuka, Fukuda, Fujiki, Naka, Uchida, Nishihara, Nakano, Kashiwagi, Ohya). Sie besagt, daß sich das strafrechtliche Unrecht nicht im Erfolgsunwert erschöpfe, sondern auch zugleich der Unwert des Verhaltens dabei mitberücksichtigt werden müsse. Diese vermittelnde Position kann aber jetzt nicht mehr als unangefochten bezeichnet werden. Denn eine "neo-objektivistische" Richtung wird seit den 70er Jahren immer stärker vertreten (Saeki, Hirano, Nakayama, Naito, Sone, Maeda) 240 •

a) Die heutige Mehrheit inderUnrechtslehre hat sich unter mehr oder minder starkem Einfluß des personalen Unrechtsbegriffs gebildet, der in Deutschland von Welzel entwickelt worden ist. Diese Unrechtskonzeption wird aber nicht nur auf der Grundlage des "finalen" (Fukuda), sondern auch des "personalen" (Dando und Ohtsuka) und "sozialen" (Nishihara, Nakano, Ohya) Handlungsbegriffs vertreten. Sie ordnet zusammen mit den einzelnen (besonderen) subjektiven Unrechtselementen auch den auf die objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz bereits in den Tatbestand des vorsätzlichen Delikts ein 241 • Beim fahrlässigen Delikt soll die objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeil des Erfolgseintritts schon ein Tatbestandserfordernis sein 242 • Diese Mehrheitsauffassung geht davon aus, daß eine ausschließliche Orientierung am Erfolgsunwert das Deliktsunrecht uferlos ausdehne und es folglich erforderlich sei, auch den Unwert des Verhaltens auf der Unrechtsebene zu berücksichtigen. Dabei wird das Schwergewicht der Unrechtsbeurteilung bewußt auf den Dando, AT, l.Aufl. 1957, 2.Aufl. 1979. Dazu rechtsvergleichend Hünerfeld, ZStW Bd. 93, S. 981 ff.; Jescheck, ZStW Bd. 98, S. 5ff. 238 Zur Entwicklung der Tatbestandslehre in Japan ausführlich u. Teil D, 1. Kap. 239 Hier soll nur ein grober Überblick über die heute vertretenen Standpunkte gegeben werden. Innerhalb der gleichen Meinungsrichtung festzustellende Abweichungen in der Stellungnahme zu Detailfragen werden nicht berücksichtigt. 240 Zum Meinungsstand ausführlich u. Teil C, 1. Kap. m.w.Nachw. 241 Vgl. die Angaben u. Fn. 272. Allerdings unterscheidet Nakano zwischen dem Handlungswillen als Unrechtselement und dem Vorsatz als Schuldelement; vgl. AT, S. 26, 42 f., 47 f. Anm. 10. Hier ist der Einfluß der Lehre Schmidhäusers bemerkbar; vgl. AT, Lb., s. 178f. (7 /36ff.), 203f. (8/26 f.), 391 (10/31). 242 Vgl. die Angaben u. Fn. 304, 476. 236 237

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Teil B: Das systematische Denken in der Strafrechtsdogmatik

Erfolgsunwert gelegt 243, während ihm im personalen Unrechtsbegriff Wetzeis bloß eine "unselbständige" Bedeutung zuerkannt wurde 244 • So wird in Japan der Strafgrund des Versuchs nicht im reinen Verhaltensunwert, sondern in der Rechtsgutsgefährdung durch das Verhalten gesehen ( = die sog. konkrete Gefährlichkeitstheorie) 245 • Des öfteren wird sogar vertreten, daß der Verhaltensunwert nur "unrechtsbegrenzend" zu berücksichtigen sei 246 . Nach der Mehrheitsauffassung liegt die Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld nicht in der Trennung von Objektiv und Subjektiv, sondern im Wertungsunterschied zwischen dem Verstoß gegen das Sollen und dessen Vorwertbarkeit mit Rücksicht auf das individuelle Können des Täters 247 . Innerhalb dieser Mehrheitsmeinung werden gegensätzliche Standpunkte zu den folgenden Fragen vertreten: Erstens ist das Verhältnis von Tatbestand und Rechtswidrigkeit umstritten 248 • Nach der überwiegend vertretenen Auffassung stellt die Tatbestandsmäßigkeit eine selbständige Wertungsstufe vor der Rechtswidrigkeit dar (so Dando, Ohtsuka, Fukuda, Ohya). Auch der "unrechtsneutrale" Tatbestandsbegriff Belings wird erneut befürwortet ( Uchida, Sone). Die Gegenmeinung lehnt diese Differenzierung ab: Die Unrechtsbegründung im Unrechtstatbestand stehe mit dem Unrechtsausschluß durch die Rechtfertigungsgründe auf der gleichen Wertungsebene und folglich könne die Tatbestandsmäßigkeit nicht als eine selbständige Wertungsstufe anerkannt werden (so Naka, Nishihara). Eine konsequente Form dieser Konzeption ist die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, die in Japan insbesondere durch Naka eine ausführliche Begründung erfahren hat. Zweitens läßt sich zum Verhältnis von Tatbestand und Schuld eine Meinungsverschiedenheit feststellen 249 . Ono faßte in seiner Monographie über die Tatbestandslehre den Tatbestand als Typus der strafbaren, d. h. rechtswidrigen und schuldhaften Haridlung, auf. Die tatbestandsmäßige Handlung ist danach eine typenmäßig schuldhafte. Diese Konzeption wurde insbesondere von Dando übernommen, während andere Autoren dem skeptisch gegenüberstehen. b) In neuerer Zeit mehren sich die Anhänger der "neo-objektivistischen" Unrechtsauffassung 250 . Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Von den Autoren der ersten Gruppe (Saeki, Hirano) wird dem klassischen Lehrsystem, Hierzu u. Teil C, 1. Kap., I, 4. We/ze/, Lb., S. 62. Vgl. dazu My/onopou/os, Über das Verhältnis von Handlungsund Erfolgsunwert, S. 11 ff. 245 Vgl. u. Teil C, 2. Kap., I, 1. 246 Vgl. u. Teil C, 1. Kap., I, 4. 247 Hierzu u. Teil C, 1. Kap., I, 2. 248 Hierzu ausführlich u. Teil D, 2. Kap., II. 249 Dazu ausführlich u. Teil D, 2. Kap., III. 250 Dazu ausführlich u. Teil C, 1. Kap., II. 243

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2. Kap.: Deliktssystematik in der japanischen Strafrechtsdogmatik

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das die objektive und die subjektive Tatseite unterscheidet, eine neue positive Bedeutung beigemessen. Sie lehnen die personale Unrechtslehre ab, weil sie in ihrer Überbetonung der inneren Tatseite eine "Vermengung von Strafrecht und Ethik" und eine "Gefahr für die sichere Feststellung der Straftat" sehen. Sie erkennen zwar einzelne (besondere) subjektive Unrechtselemente an. Diese sollen aber nur insofern als unrechtsbegründend in Betracht kommen, wie damit ein Rechtsgutsobjekt (mehr) gefahrdet wird. Vorsatz (beim vollendeten Delikt) und Fahrlässigkeit werden demnach nur als reine Schuldelemente aufgefaßt. Die Autoren der zweiten Gruppe gehen noch weiter und nehmen eine rein objektivistische Position ein (Nakayama, Naito, Sone, Maeda). Sie wissen, daß die personale Unrechtslehre die konsequente Weiterentwicklung der Lehre von den subjektiven Unrechtselementen darstellt. Sie lehnen deshalb ein jegliches subjektives Unrechtselement ab. Die Rechtswidrigkeit bezieht sich danach ausschließlich auf Merkmale der äußeren Tatseite. Die Anhänger dieser neo-objektivistischen Unrechtslehre halten überwiegend den sozialen Handlungsbegriff für den geeigneten Systemoberbegriff (so Saeki, Nakayama, Naito, Sone). 2. Das Wesen der strafrechtlichen Schuld wird von der bisher herrschenden Rechtslehre im sittlichen Vorwurf gesehen, der unter sozialethischen Gesichtspunkten gegen das aufgrund des freien Willens gewählte Verhalten des Täters erhoben werde. Der Maßstab der Schuld soll danach ganz individueller Natur sein (Dando, Ohtsuka, Fukuda, Fujiki, Shoji). Diese Auffassung ist seit den 60er Jahren zum Gegenstand lebhafter Diskussion geworden: Der Anlaß zu diesem Streit war der von Hirano entwickelte utilitaristische Schuldbegriff, der auf dem in der angelsächsischen Philosophie verbreiteten "weichen Determinismus" beruht. In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die von einem hypothetischen Charakter der Willensfreiheit ausgehen und auf normative Anforderungen an den durchschnittlichen Staatsbürger anstelle des Täters abstellen (Saeki, Uematsu, Nishihara, Ohya)2 51 •

2 51 Zum Streit über die Willensfreiheit und den materiellen Schuldbegriff in Japan ausführlich u. Teil D, 2. Kap.

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Teil C

Stellungnahme zum Unrechtsbegriff Im vorhergehenden ist deutlich geworden, daß die Strafrechtsdogmatik in Japan in den letzten 40 Jahren nirgends eine größere Wandlung erfahren hat als in der Unrechtslehre. Die in den 60er Jahren zur vorherrschenden Lehrmeinung gewordene Unrechtsauffassung, die sich unter dem Einfluß der deutschen Doktrin, insbesondere der personalen Unrechtslehre Welzels, herausgebildet hat und beim Unrechtsurteil neben dem Erfolgsunwert auch den Verhaltensunwert berücksichtigen wi1J2 52 , ist in den letzten 20 Jahren von einer (neo-)objektivistischen Position erneut in Zweifel gezogen worden. Diese Kritik hat eine starke Bewegung in die Lehre von der Rechtswidrigkeit gebracht 253 • Im folgenden soll der Stand der noch nicht zur Ruhe gekommenen Diskussion näher vorgestellt und kritisch zu ihm Stellung genommen werden. 1. Kapitel

Der Streit um das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld I. Die bisher herrschende Unrechtslehre 1. Wesen des Unrechts

Nach der bisher herrschenden Unrechtslehre wird der Unrechtsgehalt der Straftat durch die beiden Komponenten Erfolgs- und Verhaltensunwert bestimmt. Das Wesen des Deliktsunrechtes erschöpfe sich nicht in der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung. Sie soll nur dann dasUnrecht konstituieren, wenn sie gegen "sozüilethische Normen" oder "Kulturnormen", die der Rechtsordnung zugrunde liegen 254 , gegen die "staatlich-sozialethischen Normen" 255 oder 252 Die rein subjektiv ausgerichtete Unrechtslehre, die dem Verhaltensunwert die allein das Deliktsunrecht konstituierende Bedeutung beimißt (siehe die Nachweise bei Hirsch, ZStW Bd. 94, S. 240ff.; Jescheck, AT, S. 215; Mylonopou/os, Über das Verhältnis von Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 25ff.), hat in Japan eine fast übereinstimmende Ablehnung gefunden. Siehe z.B. Ohtsuka, AT, S. 317fT.; Fukuda, AT, S.132ff.; Maeda, Studien zur Lehre vom strafwürdigen Unrecht, S. 264fT.; Nomura, Studien zum Versuchsdelikt, S. 137ff. m.w.Nachw.; Kawabata, Die materielle Rechtswidrigkeit, S. 108ff. 253 Zur dogmengeschichtlichen Analyse und Zwischenbilanz dieses Streites siehe die eingehende Darstellung bei Naito, Die Entwicklung der Handlungs- und Erfolgsunwertlehre in der Strafrechtsdogmatik nach dem Krieg, Teil 1 u. 2.

1. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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gegen den staatlich anerkannten Zweck des Soziallebens 256 verstoße, die "Sozialadäquanz" überschreite 257 oder "rechtlich unerträglich" 258 sei. 2. Der normentheoretische Ausgangspunkt

Der Inhalt des Rechtswidrigkeitsurteils wird von der Diskussion zu der Frage bestimmt, ob die Rechtssätze Bewertungs- oder Bestimmungsnorm oder beides sind 259 • Nach der bisher herrschenden Rechtslehre in Japan ist das strafrechtliche Unrecht nicht schon mit der Herbeiführung eines negativ zu bewertenden Sachverhaltes, sondern erst mit dem Verstoß gegen die an jedermann - nicht nur an den Schuldfähigen - gerichtete Bestimmungsnorm erfüllt 260 • Die Strafrechtsnormen sollen also in erster Linie als an alle Menschen gerichtete Imperative verstanden werden 261 • Laut Mezger, der die japanische Strafrechtsdogmatik der.Vor- und Nachkriegszeit entscheidend beeinflußt hat, sollen die Strafrechtsnormen auf der Unrechtsebene als objektive Bewertungsnormen, auf der Schuldebene hingegen als Bestimmungsnormen fungieren 262 • Diese Lehre von der Doppelfunktion der Strafrechtsnormen, die also die Normen in bezugauf die Rechtswidrigkeit allein auf ihre Bewertungsfunktion beschränkt, bietet damit der kausalen Unrechtslehre die theoretische Grundlage. Sie wird in Japan mit dem Argument verworfen, daß das Deliktsunrecht uferlos ausgedehnt werde, wenn man es aufgrund der bloßen Herbeiführung eines wertwidrigen Zustandes annehme. Das Unrecht sei nicht schon mit dem sachlichen Erfolgsunrecht gegeben, sondern es müsse auch das Verhaltensunrecht hinzukommen. Hierbei handele es 254 Dando, AT, S. 170f. (Auf diese Richtung war die Kulturnormentheorie M. E. Mayers von besonderem Einfluß. Vgl. M. E. Mayer, AT, S. 37ff., 173ff.). Auch Uematsu, AT, S. 162 und Nishihara, AT, S. 110, 114ff. heben einen sozialethischen Gesichtspunkt hervor. 255 Ohtsuka, AT, S. 307f. 256 Kimura, AT, S. 245f. 257 Fukuda, AT, S. 132ff., 139ff.; ders. , in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-1, S. 88; Fujiki, AT, S. 78, 126ff., 183ff.; Itakura, Die Handlungs- und die Erfolgsunwertlehre, S. 25ff.; Ohya, AT, S. 258f. 258 Uchida, AT, S. 174. 259 Jescheck, AT, S. 212. 260 Ohtsuka, AT, S. 305ff., insbes. 308ff.; Fukuda, AT, S. 127ff.; Fukuda f Ohtsuka, in: Gespräch, Bd. II, S. 294-302; Nishihara, AT, S. 111 ff.; Shoji, AT, S. 71 ff., 189. Diese Auffassung entspricht der h. L. in der bundesdeutschen Dogmatik. Vgl. etwa Jescheck, AT, S. 213 m.w.Nachw. 261 Besonders deutlich N ishihara, AT, S. 113. 262 Mezger, GS Bd. 89, S. 239ff.; ders., Lb., S. 163 ff. Zur Konstruktion Mezgers ausführlich Saeki, Die subjektive und objektive Rechtswidrigkeit, S. 82 ff. Vgl. auch o. Fn. 231. Wie Mezger aber auch die die personalen Bestandteile des Unrechts anerkennenden Autoren: Dando, AT, S.172; Kimura, AT, S. 238ff.; Naka, AT, S. 82ff. Dagegen zutreffend Nishihara, AT, S. 113 f.

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

sich um ein Unrecht der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungsnorm, die jedermann - ohne Rücksicht auf das persönliche Können des einzelnen angehe. Die Unterscheidung von Unrecht und Schuld entspreche somit der von "Sollen" und "Können" resp. der vom "Allgemeinen" und "Individuellen". Sowohl das Wesen des Unrechts als auch das der Schuld ließen sich zwar als Verletzung der Bestimmungsnorm begreifen, aber der jeweilige Maßstab sei hierbei verschieden: Beim Unrechtsurteil müsse das durchschnittliche Können des Menschen zugrunde gelegt werden, beim Schuldurteil dagegen das persönliche Können des individuellen Täters 263 . 3. Gegenstand und lobalt des Urteils des Verhaltensunwertes

Das ausschließliche Verständnis des Verhaltensunwertes als reiner Intentionsunwert264, das den Akzent des Unrechtsurteils zu sehr auf die subjektive Tatseite verlegt, wird von der japanischen Literatur übereinstimmend abgelehnt und bleibt daher ohne jeden Einfluß 265 . Nach der japanischen Rec~tslehre sollen auch die äußeren Modalitäten des Verhaltens (wie z. B. die Art und Weise der Tatausführung sowie das Tatmittel) in das Urteil des Verhaltensunwertes einbezogen werden 266 . Obwohl hierüber keine Klarheit besteht, kann man eine Anzahl von Gründen dafür anführen, daß bei zahlreichen Deliktsarten auch die ex ante zu beurteilende Erfolgschance mitberücksichtigt werden muß 267 . Der Handlungsunwert ist folglich mit der Verletzung der im gesetzlichen Tatbestand vertypten Verbotsnorm begründet 268 , welche die Vornahme einer objektiv bestimmt gearteten, insbesondere ex ante gefahrliehen Handlung verbietet 269 . 263 Ohtsuka, AT, S. 308ff.; Fukuda, AT, S. 127ff.; ders., in: Gespräch, Bd. I, S. 293fT.; Nishihara, AT, S. 111 ff.; Shoji, AT, S. 71 ff., 280ff. Ähnlich Ohya, AT, S. 260ff. So schon Ono, Die Lehre vom Deliktstatbestand, S. 22 f. 264 Rudolphi, Maurach-Festschrift, S. 54fT.; Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 124f., 313; Lenckner, in: Schönke / Schröder, Vor§§ 13 ff. Rdn. 56; Struensee, JZ 1987, S. 54f. m.w.Nachw. 265 Kritische Stimmen aus der deutschen Literatur: Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 246 mit Fn. 75; ders., ZStW Bd. 94, S. 241 ff., S. 250 Fn. 125; Ga/las, BockelmannFestschrift, S. 155 ff.; Ebert /Kühl, Jura 1981, S. 236; Mylonopoulos, Über das Verhältnis von Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 59ff.; Kratzsch, JA 1983, S. 426f. 266 Ohtsuka, AT, S. 84, 315fT.; ders., in: Gespräch, Bd. I, S. 307fT.; Fukuda, AT, S. 83, 118, 133; ders. , Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, S. 167f.; Fujiki, AT, S. 77, 185; Naka, AT, S. 89f. So auch die bundesdeutsche h. L.; vgl. nur Jescheck, AT, S. 215 f.; ders., in: LK, Vor§ 13 Rdn. 40; Ebert / Kühl, Jura 1981, S. 231 ff. 267 So insbes. Nomura, Studien zum Versuchsdelikt, S. 120fT., 143fT., 239 ff. und passim (er stellt dem ex post festzustellenden Erfolgsunrecht das immer ex ante zu beurteilende Handlungsunrecht gegenüber); ferner Naka, AT, S. 90, 131, 136; Uchida,AT, S. 23. Dagegen wird diese ex-ante-Gefahrlichkeit von Wolter als ein Element des Erfolgsunrechts aufgefaßt; vgl. Objektive und personale Zurechnung, S. 25 f., 82 ff., 94 f., 174, 356f. und passim. 268 Zum Handlungsunwert als Verbotswidrigkeit Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 71 ff., 107.

1. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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Die Elemente des Verhaltensunwertes, aus denen sich die Verhaltensnormwidrigkeit ergibt, lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. Erstens ist die objektive Vermeidbarkeil des deliktischen Erfolges für das Normwidrigkeitsurteil von wesentlicher Bedeutung. Das bedeutet: War eine geschehene Rechtsgutsverletzung für den Durchschnittsmenschen nicht vermeidbar, so fehlt es an der Normwidrigkeit Damit der Erfolgseintritt vermeidbar ist, müssen zumindest die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts und die objektive Möglichkeit des zu seiner Vermeidung erforderlichen Verhaltens vorliegen. Die objektive Vermeidbarkeit ist freilich auch beim vorsätzlichen Unrecht vorauszusetzen, hat dort aber in der Regel keine selbständige Bedeutung270 . Beim Fahrlässigkeitsdelikt ist sie als Sorgfaltswidrigkeitsmerkmal ein Unrechtserfordernis 271 . Zweitens zählen die Elemente, durch die die äußeren und inneren Modalitäten des rechtsgutsverletzenden Verhaltens gekennzeichnet und im Sinne des Bestimmtheitsgebotes konkretisiert werden, zu den Normwidrigkeitsmerkmalen. Neben den im gesetzlichen Tatbestand geschriebenen und den ungeschriebenen äußeren und inneren Tatmerkmalen ist auch der Vorsatz Element des Verhaltensunrechts272, da er für das Ob und Wie der Normwidrigkeit von Bedeutung ist und so auch dem objektiven Tatgeschehen die konkretisierenden Konturen gibt. Drittens ist bei Deliktstatbeständen, bei denen die Täterschaft auf einen bestimmten Personenkreis mit einer Pflichtenstellung beschränkt ist, die Verletzung der Rechtspflicht für das Verhaltensunrecht konstitutiv 273 •

Es herrscht jedoch, wie oben erwähnt, keine Klarheit darüber, ob auch die ex ante zu beurteilende Möglichkeit des Erfolgseintritts, insbesondere beim Versuchsdelikt, zum Verhaltensunrecht oder aber zum Erfolgsunrecht gehört274.

269 Beispielsweise verbietet das Tötungsverbot sinnvoll nur die ex ante lebensgefährliche Handlung. Die gegenteilige Auffassung ist meiner Ansicht nach nicht mit dem Prinzip des Tatstrafrechts vereinbar. 270 Vgl. MaurachfGössel, AT ll, §43 Rdn. 17. 271 Die h. L. in Japan. Siehe die Nachweise u. Fn. 476. 272 Die überwiegend vertretene Auffassung in Japan: Dando, AT, S. 120ff.; Ohtsuka, AT, S. 314; Fukuda, AT, S. 82ff.; ders., Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, S. 149-176 (vgl. auch ders., ZStW Bd. 71, S. 38ff.); Fujiki, AT, S.138; Nishihara, AT, S.154ff.; Naka, AT, S. 97f., 99f.; Ohya, AT, S.172ff. So auch die h.L. in Deutschland; vgl. die Nachweise bei Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor§§ 13ff. Rdn. 53; Jescheck, AT, S. 217. 273 Ohtsuka, AT, S. 84, 316. 274 Jedenfalls erkennt die h. L. in Japan die Unrechtsqualität des Versuchsdelikts erst bei der ex ante zu beurteilenden Gefährlichkeit des Erfolgseintritts an. Ausführlich hierzu u. 2. Kap., I. 1. a).

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff 4. Verhältnis von Erfolgs- und Verhaltensunwert

Nach der bisher herrschenden Rechtslehre hat das Erfordernis des Verhaltensunwertes - nach der objektivistischen, erfolgsorientierten Tradition der Lehre und Rechtsprechung in Japan 275 - die ausschließliche Aufgabe, das durch die kausale Unrechtslehre uferlos ausgedehnte Unrecht auf das nötige Maß einzuschränken. Der Unwert der Verhaltensmodalitäten habe somit also nur noch eine unrechtsbegrenzende Funktion 276 . Das Unrecht des fahrlässigen Begehungsdeliktes sei daher nicht schon mit der Verursachung der Rechtsgutsverletzung, sondern erst mit dem Verstoß gegen die Verhaltensnorm gegeben, die gegenüber jedermann die Vornahme der im Hinblick auf den etwaigen Erfolgseintritt unsorgfältigen Handlung verbietet. Man könnte deshalb von einer "Abhängigkeit des Verhaltensunwertes vom Erfolgsunwert" sprechen. Wo kein Erfolgsunwert, d. h. auch keine Rechtsgutsgefährdung, besteht, soll auch kein Handlungsunwert zu bejahen sein. Der Unwert der Verhaltensweise begründe nicht allein die Strafbarkeit277 • Auch beim untauglichen Versuch werde das strafbare Unrecht erst dann angenommen, wenn die materielle, ex ante zu beurteilende, Gefährlichkeit festzustellen sei. Der zugrundeliegende Gedanke ist der, daß die Aufgabe des Strafrechts nicht in der Aufrechterhaltung der Verhaltensnormen an sich, sondern im Schutz der individuellen Rechtsgutsobjekte liegt, und somit der Erfolgsunwert die äußerste Grenze der Strafbarkeit bilden soll. · II. Die "neo-objektivistische" Richtung 1. Kritik der herrschenden Lehre

a) Kritik der Verhaltensnormentheorie Die neuere objektive Unrechtslehre in Japan geht davon aus, daß das Strafrecht einzig den Schutz der lebenswichtigen, fundamentalen Rechtsgüter des einzelnen, aber nicht den der "sozialethischen Gesinnungs-(Handlungs-)werte"278 bezwecke279. Der bisher herrschenden Unrechtslehre, die von den Kritikern als "Lehre vom Verhaltensunwert" bezeichnet wird 280 , liege der s Vgl. o. Teil A, 2. Kap. III. 2. So Fukuda, AT, S. 132ff.; ders., in: Gespräch, Bd. I, S. 314ff.; Fujiki, AT, S. 76ff.; Nishihara, AT, S.109f., 114ff.; Ohya, AT, S.172f. , 258. Es ist aber fraglich, ob die genannten Autoren dieses Prinzip des unrechtsbegrenzenden Verhaltensunwertes wirklich emstnehmen. 277 Besonders deutlich Nishihara, AT, S. 11 S f. Vgl. auch Ohtsuka, AT, S. 318; ders., in: Gespräch, Bd. I, S. 306ff. 278 Welzel, Lb., S. 4. 279 Hirano, AT I, S. 43ff.; ders., AT II, S. 212ff.; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 16f.; Naito, AT I, S. 43ff., insbes. SO, 107f., 117f.; ders., AT II, S. 298ff., 323; ders., Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 38f.; Nakayama, AT, S. 13; Sone, AT, S. 2, 7ff., 8Sf.; Maeda, AT, S. 6, 72ff. 27

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l. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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Gedanke zugrunde, daß das Strafrecht sich zur Aufgabe machen solle, die sozialethische Ordnung aufrechtzuerhalten und so die einzelnen "zum anständigen Benehmen zu erziehen" 281 . Dies sei aber mit dem Selbstverständnis des Strafrechts in einer pluralistischen Gesellschaft nicht vereinbar. Das Strafrecht unter der Verfassung des Wertepluralismus dürfe nicht deshalb eingesetzt werden, weil ein norm- oder wertwidriges Verhalten begangen worden ist, sondern erst dann eingreifen, wenn ein fundamentales Rechtsgut verletzt oder zumindest gefährdet worden ist. Nicht die Norm- oder Wertwidrigkeit des Verhaltens, sondern allein die verursachte Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung könne daher den Unrechtsgehalt des deliktischen Verhaltens ausmachen282. Dabei legen die Neo-Objektivisten nicht so sehr auf den ex-ante-Gesichtspunkt als vielmehr auf den ex-post-Gesichtspunkt Wert, der die nachträgliche Betrachtungsweise des Richters kennzeichnet 283 . Das entspricht dem durch den Einfluß amerikanischen Rechts gebildeten Gedanken, daß auch die Regeln des Strafrechts nicht als Verhaltensnormen mit Steuerungsfunktion, sondern als erst nachträglich anzuwendende Normen für die staatlichen Verfolgungsorgane, insbesondere für die Richter, aufzufassen seien 284 . Danach soll die Regelung der zwischenmenschlichen Beziehungen außerrechtlichen Verhaltensnormen überlassen bleiben. b) Kritik an der Erweiterung der Strafbarkeit durch die Lehre vom Verhaltensunwert

Nach Ansicht der Objektivisten soll es nicht stimmen, daß die personale Unrechtslehre das durch die kausale Unrechtslehre ausgedehnte Unrecht nur einschränke. Sie dehne vielmehr das Deliktsunrecht in unangemessener Weise aus, indem sie es vom Erfolgssachverhalt abkoppele und die Unrechtsqualität der betreffenden Tat nur aufgrund ihrer sozialethischen Wertwidrigkeit annehme. Der Verhaltensunwert habe dabei nicht eine unrechtsbegrenzende, sondern vielmehr gerade eine unrechtsausdehnende Funktion. 280 Z.B. Hirano, AT I, S. 49ff.; ders., Grundriß, S. 51 ; Nakayama, AT, S. 55f., 77ff., 262f. und passim. Gegen diese Bezeichnung Fukuda ( Ohtsuka, in: Gespräch, Bd. I, S. 303fT. 281 Hirano, AT I, S. 51. 282 Hirano, AT I, S. 43ff., 49ff.; ders., AT Il, S. 212ff.; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 15 IT.; Naito, AT I, S. 47fT., 107 f., 117f.; ders., AT li, S. 300fT., 321 IT.; ders., Die Handlungs- und die Erfolgsunwertlehre, S. 38f.; Nakayama, AT, passim; Machino, Straftatlehre und Straftheorie, S. 146; Sone, AT, S. 7fT., 83ff., 98fT.; Maeda, AT, S. 72ff. Diese neo-objektivistische Unrechtslehre scheint in ihren Grundgedanken vor allem durch Würtenberger und Baumann beeinflußt worden zu sein . Vgl. Würtenberger, Die geistige Situation, S. 47fT., insbes. S. 58fT.; Baumann( Weber, AT, S. 19fT., 103, 259. 283 Vor allem Nakayama1.Naito, Sone und Maeda. 284 Vgl. Maeda, AT, S~84.

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

Dazu Beispiele 285 : aa) Einwilligung und Körperverletzung Das japanische StGB enthält keine dem§ 226a des bundesdeutschen StGB entsprechende Sondervorschrift für die Einwilligung im Rahmen der Körperverletzung. Es wird aber von der Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannt, daß die mit der Einwilligung des Verletzten begangene Körperverletzung gerechtfertigt sein kann. Über die Merkmale und Grenzen der rechtfertigenden Einwilligung besteht dagegen Uneinigkeit. Die bisher herrschende Auffassung, die unter ausdrücklicher Berufung auf die personale Unrechtslehre vertreten wird, will die Tat unter Berücksichtigung aller Tatumstände vom Gesichtspunkt der "sozialen Adäquanz" (Fukuda), der "staatlich-sozialethischen Normen" (Ohtsuka) oder nach "herrschenden Gesellschaftsansichten" (Fujiki) beurteilen286. Dieneuere Rechtsprechung hat hierzu eine ähnliche Position eingenommen287. Als Beurteilungsfaktoren kommen vor allem die näheren Tatumstände wie die Beweggründe und Ziele der Beteiligten sowie das Mittel, die Art und der Grad der Verletzung in Betracht 288 . Nach der bisher herrschenden Auffassung sollen z. B. das Abschneiden eines Fingers des einwilligenden Yakuzas 289 oder Körperverletzungen im Verlaufe sexueller Spiele rechtswidrig sein. Nach den Kritikern leidet diese Ansicht jedoch nicht nur unter der Unbestimmtheit ihres Kriteriums, sondern auch unter der Vermengung von rechtlichen und moralischen Gesichtspunkten. Die Folge sei eine unnötige Strafbar285 Auch über den Strafgrund der Teilnahme ist in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Unrechtslehre lebhaft diskutiert worden. Darauf kann hier aber nicht eingegangen werden, weil der Darstellung der Problemlage eine eingehende Erläuterung der japanischen Teilnahmelehre vorausgehen müßte, was den Rahmen des Themas sprengen würde. 286 Fukuda, AT, S. 166f.; ders. , in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-1, S. 113, 115 f.; Ohtsuka, BT, S. 67ff. m.w.Nachw.; Fujiki, AT, S. 193; vgl. ferner Shoji, AT, S. 270. Demgegenüber stellen auf den Grad des Körperverletzungsangriffs ab: Ohya, AT, S. 280f.; Uchida, AT, S. 156. 287 Beschluß des OGH v. 13.11.1980. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist folgender: A verabredete mit B, C und D die Herbeiführung eines absichtlichen Autounfalls, um die Versicherungsleistung für den durch den Unfall erforderlich werdenden Krankenhausaufenthalt zu erhalten. Der fingierte Autounfall geschah so wie verabredet: B, C und D standen mit ihrem Auto vor einer roten Ampel, hinter ihnen der Wagen von X, der mit dem Vorhaben nichts zu tun hatte. A ergriff die Gelegenheit und fuhr auf den Wagen von X auf, wodurch dessen Auto nach vorne geschoben wurde. Beim Zusammenstoß wurden B, C und D leicht verletzt. X erlitt eine schwere Körperverletzung, die einen zweimonatigen Krankenhausaufenthalt erforderte. Der OGH verneinte hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung gegen B, C und D die Rechtfertigung durch eine Einwilligung. 288 So auch Dando, BT, S. 401 . 289 So ausdrücklich Fujiki, AT, S. 193. Dagegen Shoji, AT, S. 272 Anm. 6.

1. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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keitsausdehnung 290 . Die Gegenmeinung, die aufgrundder objektiven Unrechtslehre vertreten wird, stellt deshalb auf den Grad des Rechtsgutsangriffs ab 291 . bb) Die subjektiven Rechtfertigungselemente, insbesondere der Verteidigungswille bei der Notwehr Auch über das Erfordernis der subjektiven Rechtfertigungselemente herrscht in diesem Zusammenhang ein heftiger Streit. Im Vordergrund steht der Verteidigungswille bei der Notwehr. Eine Handlung, die gegen einen real gegebenen Angriff gerichtet, jedoch nicht in Kenntnis der Lage vorgenommen wird, ist nach der in Japan herrschenden Auffassung wegen vollendeten Delikts zu bestrafen 292 • Die h. L. begründet das Erfordernis des Verteidigungswillens damit, daß die Handlung im Strafrecht neben der objektiven auch die subjektive Seite aufweisen müsse und deshalb erst mit dem subjektiven Verteidigungswillen der Akt des Täters zur" Verteidigungshandlung" werde 293 . Hiergegen wenden sich die Kritiker mit dem Argument, daß das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) der sog. subjektiven Rechtfertigungselemente, wie des Verteidigungswillens, auf den bestehenden sachlichen Erfolgswert der Tat keinerlei Einfluß nehme. Jedenfalls mangele es bei der objektiv vorliegenden Notwehrlage am Erfolgsunwert, und die Tat könne höchstens wegen versuchten Delikts bestraft werden 294 • Wenn die herrschende Unrechtslehre trotzdem ein vollendetes Delikt annehme, so heiße das, daß hier das personale Element unrechtsbegründend wirke. Die Anerkennung subjektiver Rechtfertigungselemente führe dazu, daß der sonst höchstens wegen Versuchs zu bestrafende Täter wegen vollendeter rechtswidriger Tat bestraft werde. Die These der herrschenden Unrechtslehre, daß der Handlungsunwert nur noch eine unrechtsbegrenzende Funktion besitze, sei hier also aufgegeben 295 • 290 Hirano, Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 25ff.; Nakayama, AT, S. 307, 312f.; Naito, AT II, S. 311, 582ff. 291 Vgl. Nachweise u. Fn. 316. 292 Kimura, AT, S. 261; Dando, AT, S. 218; Ohtsuka, AT, S. 338f.; Fukuda, AT, S. 145ff.; Fujiki, AT, S. 165; ders. , in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-1, S. 236f.; Nishihara, AT, S. 208; Nakano, AT, S. 167f., 170 Anm. 5; Shoji, AT, S. 223f.; Kashiwagi, AT, S. 171; Ohya, AT, S. 296ff.; Kawabata, Die Zufallswehr, S. 131 ff.; ders., Der Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt, S. 221 ff.; Sakuma, Der Tatsachenirrtum im Strafrecht, S. 382ff. 293 Ohtsuka, AT, S. 338; Fukuda, AT, S. 145; vgl. ferner Dando, AT, S. 218. Ähnlich schon Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 258. Zugleich wird die Wortfassung des§ 36 Abs. 1 jap.StGB (um ... zu schützen) als Grund angeführt. Nishihara, AT, S. 208; Nakano, AT, S. 167; Kawabata, Die Zufallswehr, S. 132; ders., Der Irrtum übereinen rechtfertigenden Sachverhalt, S. 224; Kashiwagi, AT, S. 171 ; Ohya, AT, S. 295f. 294 So insbes. Hirano, AT II, S. 243; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 41. 295 Vgl. Nakayama, AT, S. 228 Anm. 4; Naito, AT II, S. 311, 343f.; Maeda, AT, S. 85f.

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

cc) Zur sog. Sachwehr296 Nach der bisher herrschenden Unrechtslehre in Japan muß der "rechtswidrige" Angriff als Notwehrvoraussetzung auf einer menschlichen Tätigkeit beruhen, da allein diese dem Rechtswidrigkeilsurteil unterworfen sein könne 297 • So sei im Rahmen der Notwehrvorschrift die Verteidigung weder gegenüber einem Tier, wenn dessen Angriffsich nicht auf die Unachtsamkeit seines Eigentümers zurückführen läßt, noch gegenüber einer Sache gestattet, die von einem Angreifer zum Angriff benutzt wird, ohne daß ihr Eigentümer dies verhindern kann. Nach der ojektivistischen Unrechtslehre wird dagegen auch die Verteidigungshandlung gegenüber einer Sachgefahr ( = "Sachwehr") der Notwehr zugeordnet, da auch ein rechtsgutsverletzender oder -gefährdender "Zustand" "rechtswidrig" sein könne 298 • Dafür spreche auch, daß es in aller Regel für den Angegriffenen nicht möglich sei zu erkennen, ob der Angriff des Tieres auf die Fahrlässigkeit seines Eigentümers zurückgeführt werden kann oder ob der Angreifer sein eigenes Werkzeug gebraucht 299 . Außerdem sei nicht ersichtlich, warum z. B. der Eigentümer eines billigen Hundes dulden muß, daß sein Tier von einem teueren Hund angegriffen und getötet wird, wenn der Angriff nicht zumindest- auf der Unachtsamkeit seines Eigentümers beruht (die Abwehr wird übrigens auch nicht durch Notstand nach§ 37 jap. StGB gerechtfertigt)300 • Die Mehrheitsauffassung müsse hier die Rechtfertigung durch Notwehr sachwidrig ausschließen 301 •

296 Zum richtigen Verständnis dieses Streitpunktes ist wichtig zu wissen, daß die japanische Rechtsprechung (und auch die Lehre) die Notwehrbefugnis sehr restriktiv handhabt. Siehe auch o. Fn. 204. 297 Dando, AT, S. 215ff.; Fukuda, AT, S. 143ff.; Fujiki, AT, S. 163; Nishihara, AT, S. 206; Shoji, AT, S. 220 f.; Naka, AT, S. 133 f.; Uchida, AT, S. 194, 196 Anm. 3; Kashiwagi, AT, S.169f.; Ohya, AT, S. 293ff.; a.A. Ohtsuka, AT, S. 311 Anm. 9, 332f. Diese Mehrheitsauffassung entspricht auch der h. M. in der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. etwa Hirsch, Dreher-Festschrift, S. 211,214 und Jescheck , AT, S. 303jeweils m.w.Nachw. Dagegen allein Spende/, in: LK, § 32 Rdn. 38 ff. 298 Saeki, AT, S. 165f., 200; Hirano, AT Il, 231 f.; Nakayama, AT, S. 272ff.; Naito, AT li, S. 337ff.; Kagawa, AT, S. 147, 162; Sone, AT, S. 50, 88, 110f.; Maeda, AT, S. 257ff. 2 99 Naito, AT Il, S. 338 f. 300 Die japanische Strafrechtsdogmatik kennt die Rechtsfigur des "Defensivnotstandes" nicht, die nach dem bundesdeutschen Recht hinsichtlich der Sachwehr in§ 228 BG B ausdrücklich geregelt ist und bezüglich Gefahren, die von Menschen ausgehen, ohne durch Notwehr gedeckt zu sein, durch§ 34 StGB i.V.m. analoger Anwendung des§ 228 BGB erfaßt wird; vgl. dazu im einzelnen Hirsch, in: LK, § 34 Rdn. 72ff., 82; Jescheck, AT, S. 318ff. Durch die Anerkennung dieser Rechtsfigur ließe sich die neo-objektivistische Kritik hier weitgehend entkräften. 301 Hirano, AT Il, S. 231f.; Naito, AT Il, S. 338; Sone, AT, S. 111.

1. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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dd) Zum strafbaren Versuch Nach Auffassung der Kritiker der Verhaltensnormentheorie läßt sich auch beim Versuch feststellen, daß diese Lehre nicht lediglich eine Einschränkung des Deliktsunrechts mit sich bringe: Dieex-ante-Beurteilung der Unrechtselemente, die für die "Lehre vom Verhaltensunwert" charakteristisch sei, könne durchaus zur Subjektivierung und Ausdehnung des Unrechts führen, wie sich bei der Bejahung der Strafbarkeit des absolut untauglichen Versuchs deutlich zeige 302 • Wenn beim Versuch immer nur die ex-ante-Betrachtung entscheidend sein soll, dann müßte darüber hinaus auch bei Untauglichkeit des Subjektes prinzipiell Strafbarkeit angenommen werden, solange auch der Durchschnittsmensch in der gleichen Tatsituation die Umstände als gegeben ansehe, die im Fall ihres Vorhandenseins seine täterschaftliehe Tauglichkeit begründen würden 303 • ee) Problematik des fahrlässigen Delikts Die in Japan herrschende Fahrlässigkeitslehre, die sich unter dem Einfluß der personalenUnrechtslehre gebildet hat, sieht den Kern des fahrlässigen Unrechts in der Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht und stellt damit nicht nur auf den Kausalprozeß der Erfolgsverursachung, sondern auch auf die Art und Weise des Handlungsvollzuges ab, der auf seine Sorgfaltswidrigkeit hin geprüft werden muß. Die Sorgfaltswidrigkeit als ein Tatbestandsmerkmal ist erst dann zu bejahen, wenn objektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts bestehen 304 . Dies wird mit dem Argument kritisiert, daß dann das Wesenselement des fahrlässigen Unrechts im "Unterlassen" eines gebotenen "maßstäblichen" Verhaltens unbestimmten Inhalts gesehen werden müsse. Das habe aber die Konsequenz, daß das Unrecht des fahrlässigen Delikts vom Erfolgssachverhalt abgekoppelt und die Strafbarkeit dadurch ausgedehnt werde 305 . c) Kritik der Unbestimmtheit der Beurteilungskriterien

Die Kritiker führen außerdem an, daß die herrschende Unrechtslehre sich häufig auf generalklauselartige und noch konkretisierungsbedürftige Begriffe wie "Handlungsunwert", "Sozialadäquanz" oder "sozialethischer GesichtsVgl. u. 2, e); 2. Kap., I, 1, b) m. Nachw. Nakayama, AT, S. 429 Anm. 3; Sone, AT, S. 248; ders., Der untaugliche Versuch, S. 284. Vgl. auch u. 2. Kap., I, 1, a) m.w.Nachw. 304 Dando, AT, S. 121, 309f., 314f.; Ohtsuka, AT, S. 199ff.; Fukuda, AT, S. 118ff.; Fujiki, AT, S. 238ff.; Nishihara, AT, S. 172ff.; Naka, AT, S. 122ff.; Shoji, AT, S. 165ff.; Uchida, AT, S. 128f., 184f.; Kashiwagi, AT, S. 87f.; Ohya, AT, S. 236ff. 30 5 Hirano, AT I, S. 192ff., 200 ff.; ders., Zur Struktur des fahrlässigen Delikts, S. 93 ff., 97f.; Naito, Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 44f.; ders., AT I, S. 172; Maeda, AT, S. 359. 3oz 303

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

punkt" als Beurteilungskriterien berufe. Bei der Lösung konkreter Probleme werde nicht auf das betreffende Rechtsgut oder den Schutzzweck des Gesetzes abgestellt, sondern man orientiere sich an intuitiven Überlegungen, die kaum einer intersubjektiven Überprüfung und Analyse zugänglich seien 306 . d) Kritik der Verwischung von Unrecht und Schuld

Eine weitere Kritik an der "Lehre vom Verhaltensunwert" lautet, daß sie die Unterscheidung vonUnrecht und Schuld verwische. Nach der bisher herrschenden Lehre liegt dieUnterscheidungzwischen Unrecht und Schuld ausschließlich im Beurteilungsmaßstab: Beim Unrechtsurteil soll das durchschnittliche Können des jeweiligen Normadressatenkreises, beim Schuldurteil das persönliche Können des individuellen Täters zugrunde gelegt werden. Die Kritiker sehen hierin einen nur "hautdünnen Unterschied zur subjektiven Unrechtslehre" 307 • Er berge die Gefahr, leicht eingeebnet zu werden. In der Tat neigen einige Vertreter der "Lehre vom personalen Unrecht" beispielsweise dazu, mit der exante-Betrachtung des rechtfertigenden Sachverhaltes einen Teil der Fälle der Putativnotwehr als Unrechtsfrage zu behandeln 308 . 2. Die "Lehre vom Erfolgsunwert"

a) Grundsätzliche Objektivität des Gegenstandes des Unrechtsurteils

Ein sicheres Rechtswidrigkeitsurteil und eine klare Grenzziehung zwischen Unrecht und Schuld ist den Neo-Objektivisten zufolge erst dann möglich, wenn man das Rechtswidrigkeitsurteil zumindest grundsätzlich auf die objektive Tatseite bezieht. Deren Vorliegen oder Nichtvorliegen läßt sich insbesondere im Prozeß eindeutiger feststellen 309 • Die Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung soll das strafrechtlich erhebliche Unrecht ausmachen und die äußerste Grenze der Strafbarkeit bilden. Für die Frage der Rechtfertigung seien die Rechtsgüteroder genauer Interessenahwägungen unter Berücksichtigung aller Umstände, die für die Schutzbedürftigkeit der Interessen von Bedeutung sind, das entscheidende Beurteilungskriterium. Diese seien als Beurteilungskriterium 306 Hirano, AT II, S. 212ff.; Naito, Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 38ff., 46 ff.; ders., Die Entwicklung der Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, Teil2, S. 92f., 98 f.; ders., AT II, S. 300, 303, 306ff., 322; Sone, AT, S. 84, 86. 307 Hirano, AT I, S. 50f.; ders. , AT II, S. 209f.; ders., Grundriß, S. 51; Naito, Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 40f.; ders. , AT II, S. 305; Nakayama, AT, S. 128, 231; Sone, AT, S. 88; Maeda, AT, S. 79f. So schon Saeki, AT, S.174f. So auch in der bundesdeutschen Rechtslehre Baumannf Weber, AT, S. 259. 308 Fujiki, AT, S. 172ff.; Nomura, Studien zum Versuchsdelikt, S. 146f. Anm. 8; Kawabata, Der Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt, passim. 309 Bei Würtenberger, Die geistige Situation, S. 67, steht schon der Satz: " ...der Mangel exakter Beweisbarkeit innerseelischer Vorgänge... gefährdet die Rechtssicherheit des einzelnen und ist mit der Forderung nach Rechtsstaatlichkeit nicht mehr vereinbar".

1. Kap.: Das Wesen des Unrechts und seine Abgrenzung zur Schuld

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relativ klar und objektivierungsfähig. Die äußeren und inneren Tatumstände könnten nur dann als Unrechtselemente angesehen werden, wenn sie "rechtsgutsbezogen" seien 310 . b) Unrechtsrelevanz der Verhaltensmodalitäten

Auch für die Vertreter der Lehre vom Erfolgsunwert ist es selbstverständlich, daß die Art und Weise sowie das Mittel der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung von entscheidender Bedeutung für das Vorliegen des Unrechts sein können. Aber die Verhaltensmodalitäten seien nur insoweit unrechtsrelevant, als sie auf die Beeinträchtigung des betreffenden oder eines anderen Rechtsgutes von Einfluß seien oder wenigstens ihre Rechtsgutsbezogenheit nachweisbar sei. Sie dürften dagegen nicht deshalb für unrechtsrelevant erklärt werden, weil sie die Tat etwa von einem sozialethischen Gesichtspunkt besonders verwerflich erscheinen ließen. Dies sei aber gerade bei der herrschenden Unrechtslehre mitunter der FalJ311 . c) Subjektive Unrechtselemente

Hier gehen auch unter den Vertretern der Lehre vom Erfolgsunwert die Auffassungen auseinander. Hirano erkennt an, daß subjektive Elemente unrechtsrelevant sein können. Man müsse zwar die subjektiven Tatmerkmale zu den Schuldelementen rechnen, solange dadurch dem rechtsgutsverletzenden Charakter der Tat- wie es gerade bei Vorsatz und Fahrlässigkeit der Fall sei- nichts hinzugefügt werde. Aber wenn ein subjektives Element die Gefährlichkeit der Tat noch steigere oder erst begründe, d. h. wenn die Rechtswidrigkeit der Tat (oder ihr Grad) ohne dessen Heranziehung nicht feststellbar sei, so habe man es als Unrechtselement aufzufassen. Das gelte vor allem für die Absicht bei einigen Absichtsdelikten, wie z. B. die Absicht des Inverkehrbringens falschen Geldes, sowie den Vorsatz beim Versuch. Hirano steht aber hierbei der Unrechtsrelevanz der sonstigen subjektiven Tatmerkmale, wie z. B. der inneren Einstellung bei den Tendenzdelikten, skeptisch gegenüber 312 • 310 Hirano, AT I, S. 50f., 90, 122fT.; ders., AT II, S. 212ff.; Naito, Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 38ff.; ders., AT II, S. 305f., 313ff.; Nakayama, AT, S. 77fT., 119, 127fT., 230fT. und passim; Sone, AT, S. 83fT., 98fT., 105fT.; Maeda, AT, S. 54, 76ff. 311 Saeki, AT, S. 175; Hirano, AT II, S. 216; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 28 ff.; Naito, Die Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 42; ders., Die Entwicklung der Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, Teil2, S. 92f.; ders., AT II, S. 315,321, 323f.; Sone, AT, S. 85, 103; ders., Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 112f. 312 Hirano, AT I, S. 122ff.; ders. , Erfolgs- und Handlungs unwert, S. 30fT. Saeki, der zur Verbreitung der Lehre von den subjektiven Unrechtselementen in Japan wesentlich beigetragen hat, betont jetzt den Ausnahmecharakter der subjektiven Unrechtselemente und spricht von der Tendenz der "ungesunden Subjektivierung" der deutschen Dogmatik; vgl. AT, S. 189.

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Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

Nakayama und Naito gehen noch weiter und verneinen die subjektiven Unrechtselemente gänzlich 313 • Sie gehen von der Grundannahme aus, daß die subjektiven Elemente im Prozeß nicht so sicher und eindeutig festgestellt werden könnten und ihre Überschätzung die Gefahr einer willkürlichen Verurteilung in sich berge. Die subjektiven Elemente sollten deshalb "objektiviert" werden, d. h. auf die objektiven Umstände zurückgeführt und durch sie ersetzt werden. Wenn die Tatsachenfeststellung im Prozeß grundsätzlich anhand von objektiven Indizien durchgeführt werden und nicht vom Geständnis des Täters abhängen soll, dann müsse auch das Deliktsunrecht allein aus objektiven Tatumständen konstruiert werden können. Beispielsweise sei der Akt der Geldfalschung mit der Absicht des späteren Inverkehrbringens des falschen Geldes von dem ohne solche Absicht schon äußerlich - und damit durch den objektiven Grad der Gefährlichkeit der Tathandlung- zu unterscheiden. Das Unrecht könne und müsse auch ohne Berücksichtigung der sog. subjektiven Unrechtselemente festgestellt werden 314 . d) Einwilligung und Körperverletzung

Die Vertreter der Lehre vom Erfolgsunwert kritisieren an der herrschenden Einwilligungslehre, daß ihre Beurteilungskriterien, so namentlich "staatlichsozialethische Normen", "Sozialadäquanz" oder "herrschende Gesellschaftsansichten"315, völlig unbestimmt seien und überdies rechtliche und moralische Gesichtspunkte vermengten. Es sollte vielmehr von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit des Handeins ausgegangen und nur auf den jeweiligen Grad des Rechtsgutsangriffs abgestellt werden 316 . Es fehlt aber auch nicht an den Stimmen, welche die gänzliche Straflosigkeit der mit Einwilligung des Verletzten begangenen Körperverletzung befürworten. Als Gründe werden hierzu angeführt, daß das japanische StGB keine dem§ 226a bundesdtsch. StG B entsprechende Sondervorschrift enthält und die Körperverletzung mit Einwilligung(§ 204 jap. StGB) anderenfalls höher als die Tötung mit Einwilligung (§ 202) bestraft werden würde 317.

313 Nakayama, AT, S. 239ff.; ders., Eine Revision der subjektiven Unrechtselemente; Naito, AT I, S. 215ff. Auch Sone, AT, S. 70f., 88ff.; Maeda, AT, S. 81 ff., 297, lehnen die Lehre von den subjektiven Unrechtselementen ab. 314 Nakayama, AT, S. 239ff.; ders. , Eine Revision der subjektiven Unrechtselemente, passim; Naito, AT I, S. 216ff. Ähnlich Uchida, AT, S. 178ff. 31 s Wie o. Fn. 286. 316 Hirano, AT II, S. 253 f.; ders. , Grundriß, S. 60; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 25ff.; Nakayama, AT, S. 312f.; Naito, AT II, S. 582 ff. 317 Saeki, Vorstudien zum Tatbestand, S. 127; ders., AT, S. 219, 221; Maeda, AT,S. 144ff.

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e) Strafgrund des Versuchs

Auch hier kann man innerhalb des neo-objektivistischen Lagers einen Meinungsunterschied konstatieren. Hirano schließt sich der herrschenden "konkreten Gefährlichkeitstheorie" an 318 , die sich an einem ex-ante-Urteil orientiert. Die "konkrete Gefährlichkeit" der Versuchshandlung soll nach der h. M. dann angenommen werden, wenn der Erfolgseintritt unter Berücksichtigung der Tatumstände, die der Durchschnittsmensch gekannt und vorhergesehen hätte, und derjenigen Sondertatsachen, die der Täter selber aus besonderen Gründen gekannt und vorhergesehen hat, als möglich erscheint 319 . Andere Vertreter der objektivistischen Unrechtslehre glauben, daß die herrschende "konkrete Gefährlichkeitstheorie" im Ergebnis der subjektiven Versuchstheorie weitgehend gleichkomme und sie deshalb noch weiter "objektiviert" werden müsse. Sie vertreten demgemäß die "objektive Gefährdungstheorie", die ausdrücklich auf ein ex-post-Urteil abstellt 320 . Danach soll die Tat unter Berücksichtigung aller Umstände - einschließlich der erst nachträglich bekannt gewordenen - auf die Möglichkeit der Erfolgsverursachung hin überprüft werden. Die Strafbarkeit des Versuchs wird erst dann angenommen, wenn ein konkreter individueller Rechtsgutsträger, d. h. ein im Gesetz vorgesehenes Schutzobjekt, wirklich vorliegt. Deshalb sei die gegen ein untaugliches Objekt gerichtete Tat, wie z. B. der Griff des Taschendiebs in die leere Tasche oder der mit Tötungsabsicht vorgenommene Messerstich in die Brust eines nur vermeintlich lebenden Menschen, ohne Ausnahme straflos 321 • Auch bei der Untauglichkeit des Tatmittels wird von den Neo-Objektivisten weitgehend Straflosigkeit angenommen 322 • f) Zum Verteidigungswillen bei der Notwehr

Die Neo-Objektivisten erachten dieses Problem als einen "Prüfstein für die objektive Unrechtslehre" 323 • Solange die objektiven Rechtfertigungsmerkmale gegeben sind, mangele es an einem "rechtswidrigen Erfolg". Bei der Unkenntnis der objektiv vorliegenden Notwehrlage liege deshalb eine Situation vor, die vergleichbar sei mit der des untauglichen Versuchs, d. h. des Versuchs an einem untauglichen Objekt. Wenn man sich in der Versuchslehre der herrschenden AT li, S. 322ff.; Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 37ff. Die h. L. in Japan. Siehe die Nachweise u. Fn. 364. 320 Nakayama, AT, S. 425ff.; Yamaguchi, Studien zum Gefahrdungsdelikt, insbes. S. 150ff.; Sone, AT, S. 243ff.; ders., Der untaugliche Versuch, S. 278ff.; Maeda, AT, s. 186ff. 321 Yamaguchi, Studien zum Gefährdungsdelikt, S. 166ff.; Nakayama, AT, S. 426f.; Sone, AT, S. 245f.; ders., Der untaugliche Versuch, S. 279ff.; Maeda, AT, S. 187ff. 322 Vgl. Nakayama, AT, S. 427 Anm. 5; Sone, AT, S. 246ff.; ders., Der untaugliche Versuch, S. 281 ff. 323 Hirano, AT li, S. 241. 318 319

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konkreten Gefährlichkeitstheorie anschließe und auf ein ex-ante-U rteil abstelle, könne die Tat unter Umständen wegen versuchten Delikts bestraft werden 324 . Die objektive Gefährdungstheorie, welche die Fälle des untauglichen Objekts ohne Ausnahme für straflos hält, kommt dagegen zum Ergebnis der Straflosigkeit32s. 111. Eigene Auffassung 1. Zur grundsätzlichen Richtigkeit der neo-objektivistischen Kritik an der bisher herrschenden Unrechtslehre

Die Einwände, welche die Neo-Objektivisten gegen die bisher in Japan herrschende Unrechtslehre erhoben haben, scheinen in vieler Hinsicht berechtigt zu sein. Die bisherige Unrechtslehre in Japan leidet nämlich an der Unbestimmtheit ihrer Wertungskriterien, der häufigen Heranziehung von Beurteilungsfaktoren, deren Rechtsgutsbezogenheit (oder Bezogenheit auf den Schutzzweck der betreffenden Strafvorschrift) sich nicht nachweisen läßt, sowie der Tendenz zur Erweiterung der Strafbarkeit. Es ist nicht zu leugnen, daß die bisher in Japan herrschende Unrechtslehre mitunter vage und unbestimmte Kriterien heranzieht. Man kann auch nicht bestreiten, daß ihren Vertretern Argumentationen aus dem Bereich der Sozialethik flüssig von den Lippen gehen. Häufig gebrauchte Floskeln, wie "Verletzung der staatlich-sozialethischen Normen" 326 oder "Überschreiten der Sozialadäquanz"327, die das Wesen des strafrechtlich erheblichen Unrechts formulieren sollen, sind nicht nur unklar und konkretisierungsbedürftig, sondern in der Tat auch mit der Gefahr der unzulässigen Vermengung von Recht und Moral verbunden. Außerdem ist darüber kaum eine Verständigung möglich. Solche inhaltsleeren Formeln sollten möglichst vermieden und durch Schutzzweckargumente und Interessenahwägungen ersetzt werden. Mir scheint die generalklauselartige Verwendung der Begriffe "Sozialadäquanz" 328 und "Handlungsunwert" die personale Unrechtslehre in Japan stark diskreditiert zu haben. Beispielsweise ist beim Problem der mit Einwilligung des Verletzten begangenen Körperverletzung die Argumentation der herrschenden Unrechtslehre mit Hirano, AT II, S. 242f.; ders., Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 40f. Nakayama, AT, S. 279fT.; Naito, AT II, S. 343f. So auch Sone, AT, S.114f.; ders., Die Zufallswehr, S. 134fT. (Allerdings nur für die Nothilfe); Maeda, AT, S. 267. 326 Wie o. Fn. 255, 286. Vgl. auch Ohtsuka, in: Gespräch, Bd. I, S. 374f., 378, Bd. II, s. 40fT., 61ff., 68fT., 75ff. 327 Wie o. Fn. 257, 286. Vgl. auch Fukuda, in: Gespräch, Bd. I, S. 360fT., 379f., Bd. II, S. 39, 58ff. 328 In der bundesdeutschen Dogmatik hat sich vor allem Hirsch gegen die schlagwortartige Benutzung des Begriffs der Sozialadäquanz gewandt; vgl. ZStW Bd. 74, S. 78-135; LK, Vor § 32 Rdn. 29; Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 421. Zustimmend jetzt auch Roxin, Klug-Festschrift, Bd. II, S. 303 ff. 324

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der Gefahr verbunden, daß bei relativ harmlosen Körperverletzungen allein wegen der" verwerflichen" Zielsetzungen der Beteiligten der Täter ohne weiteres mit der Kriminalstrafe belegt wird. Darüber hinaus würde dies die Erweiterung des Schutzbereichs des Körperverletzungsdelikts über die körperliche Unversehrtheit hinaus auch auf ein anderes Rechtsgut bedeuten 329 • Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Körperverletzung zur Vorbereitung einer anderen Straftat, wie z. B. zum Zweck eines Betruges gegenüber der Versicherung 330 , begangen wird. Die grundsätzlich freie Disposition über die körperliche Integrität darf nicht von vornherein durch das Erfordernis eines positiven Zwecks eingeschränkt werden 331 • Es muß nur ausnahmsweise von der Schutzbedürftigkeit des Verletzten im Einzelfall ausgegangen werden 332 • Die Vertreter der bisher in Japan herrschenden Unrechtslehre scheuen die Mühe, die Unrechtsrelevanz eines Tatmerkmals mit dem differenzierten Schutzzweck der betreffenden Strafvorschrift zu begründen. Das Rechtswidrigkeitsurteil soll sich zwar auch, wie unten noch näher dargelegt werden soll, auf die Verhaltensmodalitäten und die subjektiven Elemente wie den Vorsatz beziehen, aber nicht etwa deshalb, weil sie für den sozialethischen Sinn des Tatgeschehens relevant wären 333 • Sie brauchen zwar nicht unbedingt direkt die Verletzung oder Gefährdung eines konkreten Schutzobjektes zu betreffen, um beim Rechtswidrigkeitsurteil mit berücksichtigt zu werden, aber ihre Unrechtsrelevanz muß wenigstens mit den Überlegungen zum Rechtsgüterschutz oder Schutzzweck der Strafvorschrift begründet werden 334 • Die Elemente, die keine Rechtsguts- oder Schutzzweckbezogenheit in diesem Sinne haben, dürfen nicht als Unrechtselemente angesehen werden. Sie sind entweder Schuldmerkmale oder Elemente, die keine deliktsrechtliche Bedeutung haben. Darüber hinaus sind die unverkennbaren Tendenzen der herrschenden Unrechtslehre, das Deliktsunrecht aufgrundvon sozialethischen Überlegungen über das erforderliche Maß hinaus zu erweitern, ein Mangel. Auch die ex-anteBeurteilung der Unrechtselemente 335 kann zu einer verfehlten Subjektivierung und Ausdehnung des Unrechts führen, wie es sich bei der Bestimmung des 329 Überzeugend Hirsch, in: LK, § 226a Rdn. 9 m.w.Nachw.; ders., Probleme der Körperverletzungsdelikte, S. 870 f. 330 So der Sachverhalt der erwähnten OGH-Entscheidung v. 13.11.1980 (o. Fn. 287). 331 Hirsch, Probleme der Körperverletzungsdelikte, S. 870f. 332 So insbes. Hirano, Erfolgs- und Handlungs unwert, S. 25 ff. Im übrigen muß auch beim Problem der durch Täuschung herbeigeführten Einwilligung die Rechtsgutsbezogenheil des Irrtums des Verletzten maßgebend sein. Hierzu siehe die rechtsguts- oder schutzzweckorientierte Argumentation von Arzt, in: Willensmängel bei der Einwilligung, insbes. S. 15 ff. 333 So aber z.B. Nishihara, AT, S.110; Ohtsuka, in: Gespräch, Bd. I, S. 309ff. 334 Ähnlich Nakano, AT, S. 28ff. 335 Die Auffassung, daß das Deliktsunrecht grundsätzlich ex ante beurteilt werden soll, hat in Japan insbes. vertreten: Kawabata, Die materielle Rechtswidrigkeit, S. 116ff.; ders., Der Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt, passim.

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strafbaren untauglichen Versuchs zeigt. Leicht möglich ist zudem die Verwischung vonUnrecht und Schuld, wofür die ex-ante-Betrachtung eines rechtfertigenden Sachverhaltes ein Beispiel bietet 336 • Der Erfolgsunwert (die Verletzung oder Gefahrdung des Rechtsguts) stellt nicht mehr als ein unerläßliches Erfordernis bei den Erfolgs- und konkreten Gefahrdungsdelikten dar. Es handelt sich hierbei zwar um einen gewichtigen Teil aller Delikte, aber es gibt daneben zahlreiche Straftaten, die sich mit einem mehr oder minder indirekten Bezug auf das betreffende Rechtsgut begnügen. Dies gilt insbesondere für die abstrakten Gefährdungsdelikte sowie für die Unternehmens- und Vorbereitungsdelikte. Man kann jedoch die ratio legis dieser Straftatbestände durchaus im Rechtsgüterschutz oder in sonstigen rationalen Güterschutzgesichtspunkten suchen, ohne sich dabei auf die Sozialethik oder -moral berufen zu müssen 337 • Daß der Rechtsgutsbegriff338 eines genauen inhaltlichen Maßstabs entbehrt und keine klaren Ergebnisse dafür liefert, welche Verhaltensweisen Gegenstand der Bestrafung sein dürfen, kann redlicherweise nicht bezweifelt werden 339 . Die Rechtsordnung kann nicht alle Handlungen strafrechtlich verbieten, die an sich schützenswerte Interessen in irgendeiner Weise verletzen oder gefahrden. Ein strafrechtlich geschütztes "Rechtsgut" läßt sich vielmehr erst mit Hilfe vielfältiger Interessenahwägungen herauskristallisieren 340 . Auch bei der Rechtfertigungsfrage geht es um Interessenabwägungen. Wird ein als Rechtsgut geschütztes Interesse verletzt, kann dieser Rechtsgutseingriff dann gerechtfertigt werden, wenn dadurch ein anderes, im Hinblick auf die konkrete Fallgestaltung höher zu bewertendes Interesse geschützt wird. Das Beurteilungskriterium für diese kollidierenden Interessen läßt sich nicht als ein abstraktes Prinzip, sondern nur als eine konkrete Abwägungsregel hinsichtlich der jeweils kleineren Fallgruppen Dazu ausführlich u. 2. Kap., I. Die Frage, ob und inwieweit der Schutz der Geltung von Normen die Kriminalisierung eines Verhaltens legitimieren kann, sei hier dahingestellt. Vgl. dazu Jakobs, ZStW Bd. 97, S. 773ff. 338 Darunter verstehe ich den sog. zuständlichen, kausal veränderbaren Rechtsgutsbegriff; vgl. dazu Welzel, Lb., S. 4f. 339 Ausführlich hierzu eine Monographie /tos, Studien zur Dogmengeschichte des RechtsgutsbegrifTs, passim. Siehe ferner Hirano, AT li, S. 216; Uchida, AT, S. 17, 19, 22fT.; Naito, AT I, S. 51fT., 211fT. Instruktiv Amelung, Rechtsgüterschutz; Arzt I Weber, LH 1, S. 2fT., Rdn. 3ff.; Jakobs, AT, S. 30-38 m.w.Nachw. 340 Arzt I Weber, LH 1, S. 3, Rdn. 6; auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 169ff. (§ 11); Amelung, Zur Kritik des kriminalpolitischen Strafrechtssystems von Roxin, S. 88, 92. Bei den meisten Rechtsgütern ist in der sozialen Realität schon ein mehr oder weniger uneingeschränkter Schutz von vornherein undenkbar (vgl. auch Roxin, Klug-Festschrift, Bd. II, S. 307). Außerdem: Der "reine", von den sozialen Zusammenhängen losgelöste Rechtsgutsbegriff wäre nicht in der Lage zu erklären, welche Bedingungen konkret für unser gedeihliches Zusammenleben in der Gesellschaft nötig sein sollen. Vgl. auch Amelung, Rechtsgüterschutz, insbes. S. 4ff., 47ff., 69ff., 246ff., 344fT.; Jakobs, AT, S. 36fT.; ders., ZStW Bd. 97, S. 753. 336 337

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formulieren. Die Abwägung der Interessen ist eine fallbezogene Gewichtung und kann nicht auf ein utilitaristisches Kalkül, das eine mathematisch exakte Lösung garantieren würde, reduziert werden. Das ist aber kein Grund für die Flucht in eine kaum mehr objektivierbare Generalklausel wie die "Sozialethik" oder "Sozialadäquanz". Bei der Lehre vom Erfolgsunwert handelt es sich, so gesehen, um eine verfehlte Bezeichnung341 • Unter "Erfolgsunwert" versteht man üblicherweise nur den Sachverhaltsunwert der konkreten Verletzung oder Gefährdung eines betreffenden Schutzobjekts im Einzelfall. Der Versuch, mit diesem sehr eng gedachten Rechtsgutsbezug den Kern des strafrechtlichen Unrechts zu erfassen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt 342 . Wenn man aber die Lehre vom Erfolgsunwert dahin uminterpretiert, daß sie die Unrechtslehre nicht auf einen wie auch immer zu verstehenden sozialethischen Gesichtspunkt, sondern auf den rationalen Güterschutzgedanken zurückzuführen sucht, ist ihr grundsätzlich beizupflichten. 2. Positive Aspekte der personalen Unrechtslehre

Trotzdem läßt sich nicht bestreiten, daß die personale Unrechtslehre eine Reihe wichtiger Erkenntnisse erbracht hat, die trotz der in vieler Hinsicht berechtigten Einwände der neo-objektivistischen Lehre nicht aufgegeben werden sollten. Darüber hinaus ist es auch durchaus möglich, die Verhaltensnormentheorie, die der personalen Unrechtslehre zugrunde liegt, im rationalen Sinne des Güterschutzgedankens zu rekonstruieren und so für die dogmatischen Fragen fruchtbar zu machen. Nach der Lehre vom Erfolgsunwert ist der Vorsatz allenfalls nur beim versuchten, nicht aber beim vollendeten Delikt unrechtsrelevant. Der eingetretene Erfolg ist in der Tat gleich, ganz unabhängig, ob er vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt worden ist. Wenn man nur auf die schlichte Rechtsgutsverletzung abstellt, so kann der Vorsatz beim vollendeten Delikt kein Unrechtselement sein. Aber die Unrechtsrelevanz des Vorsatzes ist aufgrund des Güterschutzdenkens durchaus rational erklärbar. Das Ziel des Strafrechts ist nicht der Schutz von sozialethischen Gesinnungswerten 343 • Das Strafrecht bezweckt vielmehr den Schutz besonders wichtiger Lebensgüter der Gemeinschaft, kurz den Rechtsgüterschutz. Das geschieht aber nur in der Weise, daß es bestimmt geartete Handlungen durch Verhaltensnormen verbietet (oder gebietet) 344 • Es ist So auch Naito, Handlungs- und Erfolgsunwertlehre, S. 37; ders., AT II, S. 319f. Das räumt auch Hirano- allerdings nur bezüglich der Rechtfertigungsfrage - mit Recht ein; vgl. AT II, S. 215; Erfolgs- und Handlungsunwert, S. 20ff. 343 So aber Welzel, Lb., S. 1 ff. Ähnlich Otto, ZStW Bd. 87, S. SS4ff. Zur Strafrechtslehre Wetzeis vgl. aber auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 273ff. 344 Vgl. Fukuda, AT, S. 4 Anm.l, 134; ders., in: Gespräch, Bd. I, S. 314ff.; Kanazawa, Strafrecht und Moral, S. 81 ff.; Kawabata, Die materielle Rechtswidrigkeit, S. 109f. 341

342

6*

84

Teil C: Stellungnahme zum Unrechtsbegriff

dann naheliegend, daß die strafrechtlichen Nonnen die subjektiv auf einen zu mißbilligenden Erfolg gerichteten Handlungen mit einer stärkeren Akzentuierung verbieten als die Handlungen, die bloß unsargfaltig den Erfolg verursachen. So kann und muß die Vorsatztat aufgrundeiner höheren Verbotswürdigkeit schon auf der Unrechtsebene von der Fahrlässigkeitstat unterschieden werden 345 . Unverzichtbar ist auch jene Einsicht der personalen Unrechtslehre, daß das strafrechtliche Unrecht nicht schon mit der bloßen Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung angenommen werden kann. Sonst würde das Strafrecht sich einseitig an der Opferperspektive orientieren34 etwaiger Unrechtsausschluß > strafwürdiger Schuldtypus > etwaiger Schuldausschluß). So auch Nakayama, AT, insbes. S. 129 Anm. 4, 318, 332. 588 Siehe etwa Ga/las, Lehre vom Verbrechen, S. 43ff.; Jescheck, AT, S. 222, 422ff.; Schmidhäuser, AT, Lb., S. 154f. (6/25), 189f. (8/4), 364ff. (10/1 f.). 589 Dando, AT, S. 123f.; Machino, Die Lehre vom Tatbestand, S. 18, 29; vgl. ferner Ohtsuka, AT, S. 114, 135; Fujiki, AT, S. 74. 590 Dando, AT, S. 124. So auch Ohya, AT, S. 175. 591 Nishihara, AT, S. 136f.; Naito, AT I, S. 187. Dagegen Nakano, AT, S. 58 (Weil der Tatbestand Vorsatz oder Fahrlässigkeit als Schuldelemente enthalte, indiziere die Tatbestandsmäßigkeit selbstverständlich die Schuldhaftigkeit der Tat); Kashiwagi, AT, S. 90f.; Ohya, AT, S. 112f., 142, 146, 175, 253f., 325f. 59 2 Hirano, AT I, S. 128f.

2. Kap.: Tatbestand und andere Deliktsvoraussetzungen

135

Gewichtiger scheint aber der Einwand zu sein, daß die oben genannte Auffassung den Tatbestand mit dem Delitkstypus verwechsele und zu einer undifferenzierten, "ganzheitlichen" Betrachtung der Straftat führe 593 •

593

So Hirano, AT I, S. 98; ders., Um den Begriff des Tatbestandes, S. 24 f.; Naito , AT I,

s. 193fT.

TeilE

Diskussionen in der Schuldlehre t.Kapitel

Art und Umfang der Schuldvoraussetzungen I. AUgemeine Bemerkungen zu den Schuldvoraussetzungen

Eine Differenzierung, wie sie in der bundesdeutschen Strafrechtsdogmatik zwischen Schuldausschließungsgründen und Entschuldigungsgründen vorgenommen wird 594 , findet sich in der japanischen Literatur nicht. Das hängt wohl damit zusammen, daß das japanische StGB keinen "Entschuldigungsgrund" vorzusehen scheint: Der undifferenziert formulierte Notstand nach§ 37 wird von der h. M. insgesamt als Rechtfertigungsgrund angesehen 595 • Auch sind Notwehr- und Notstandsexzeß (§§ 36 Abs. 2 und 37 Abs. 1) als bloße fakultative Strafmilderungs- oder Strafbefreiungsgründe (Absehen von Strafe) geregelt. Ein gewichtiger Teil der japanischen Strafrechtler führt aber die (fakultative) Strafmilderung oder -befreiung beim Notwehrexzeß auf eine Unrechts- und Schuldminderung zurück 596 , wie dies die h. M. in der bundesdeutschen Rechtslehre für den Entschuldigungsgrund des§ 33 des bundesdeutschen StGB tut 597 • Primär aus verfahrensrechtlicher Hinsicht unterscheidet Hirano zwischen "grundsätzlichen Schuldelementen" (Vorsatz und Fahrlässigkeit) und "Schuldausschließungsgründen" wie Schuldunfahigkeit, fehlender Möglichkeit der Unrechtseinsicht und Unzumutbarkeit. Die "grundsätzlichen Schuldelemente" gehören danach zu den "die Straftat bildenden Tatsachen" (§ 335 Abs. 1 jap. StPO) und müssen vom Staatsanwalt immer ohne weiteres bewiesen werden. Das Nichtvorliegen der Schuldausschließungsgründe brauche wie das der Rechtfertigungsgründe erst dann vom Staatsanwalt bewiesen zu werden, wenn von der Seite des Angeklagten ein Beweis, der geeignet ist, das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes vermuten zu lassen, vorgebracht worden ist (vgl.

Siehe etwa Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor§§ 32ff. Rdn. 108ff. m.w.Nachw. Vgl. o. Teil A, 2. Kap., III. 1. b) cc). 590 Dando, AT, S. 221 ; Ohtsuka, AT, S. 342; Fujiki, AT, S. 171 f.; ders. , in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-1, S. 253f.; Kashiwagi, AT, S. 172; Naito, AT II, S. 351 f.; Ohya, AT, S. 301; Sone, AT, S.l17; Maeda, AT, S. 272, 354. 597 Siehe etwa Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 33 Rdn. 2 m.w.Nachw. 594

595

1. Kap.: Art und Umfang der Schuldvoraussetzungen

137

§ 335 Abs. 2 jap. StP0) 598 . Einen sachlichen Unterschied verbindet Hirano mit dieser Differenzierung nicht.

II. Einzelne Schuldvoraussetzungen I. Die Schuldf"ähigkeit

§ 39 Abs. 1 jap. StGB bestimmt, daß die Handlung eines "Geistesgestörten" nicht strafbar ist 599 • Diese "Geistesstörung" wird von der Judikatur dahingehend präzisiert, daß sie die auf einer Geistesstörung beruhende Unfähigkeit bedeutet, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Diese sog. "biologisch-psychologische Methode" wird auch von der Rechtslehre befürwortet. Die quantitativ abgeschwächte Form ist die verminderte Schuldfähigkeit, die das jap. StGB von vornherein als einen obligatorischen Strafmilderungsgrund regelt (§ 39 Abs. 2).

Früher gingen die Auffassungen darüber auseinander, ob die Schuldfähigkeit als eine "Schuldvoraussetzung" oder ein "Schuldelement" zu fassen ist. Aber die ehemals teilweise vertretene Ansicht, daß die Schuldfähigkeit eine unabhängig von der konkreten Tat zu beurteilende allgemeine Fähigkeit einer Person und damit kein Schuldelement, sondern eine Schuldvoraussetzung darstelle 600 , wird jetzt in der Rechtslehre übereinstimmend abgelehnt 601 . 2. Vorsatz und Fahrlässigkeit

Vorsatz und Fahrlässigkeit sind, wie bereits dargelegt (Teil C), nach der überwiegenden Meinung Unrechtselemente. Die beiden Elemente sollen aber nicht gänzlich im Unrechtsbereich angesiedelt sein. Vorsatz und Fahrlässigkeit will man vielmehr zugleich als Schuldelemente auffassen 602 • Sie gehören "eigentlich", "ihrem Wesen nach" zur Schuld603 • Daß die gesetzliche Strafdrohung bei Fahrlässigkeitstaten wesentlich niedriger ist als bei Vorsatztaten, lasse Hirano, AT I, S.102, 159f. So auch Ohya, AT, S.147, 175, 253f., 325f. Außerdem sind nach dem jap. StOB Kinder bis zum vollendeten 14.Lebensjahr (§ 41) sowie Taubstumme(§ 40) schuldunfahig. 600 So aber heute noch Ohya, AT, S. 327. 601 Zum Meinungsstand in der bundesdeutschen Dogmatik siehe Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rdn. 177, der sich ebenfalls ablehnend gegenüber jener Richtung äußert. 602 Zur systematischen Einordnung der Fahrlässigkeit siehe o. Fn. 476. Eine "Doppelstellung" des Vorsatzes im Deliktssystem wird angenommen von: Dando, AT, S. 120ff., 268fT., 309fT.; Fukuda, AT, S. 82fT., 104fT., 118ff., 183ff.; ders., Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, S.177-217; Ohtsuka, AT, S. 178f., 199f., 399f., 412f.; Fujiki, AT, S. 69f., 137fT., 211 f., 233 IT.; Kashiwagi, AT, S. 86ff. Zur bundesdeutschen Rechtslehre siehe die Nachweise bei: Hirsch, ZStW Bd. 94, S. 257. Aus rechtsvergleichender Sicht Hünerfeld, ZStW Bd. 93, S. 999 IT.; Jescheck, ZStW Bd. 98, S. 11 IT. 603 Dando, AT, S. 122f., 249. 598

599

Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

138

sich hauptsächlich auf die Differenz der Schuldhöhe zurückführen 604 • Die von namhaften Autoren angenommene Doppelstellung des Vorsatzes ermöglicht in der Tat eine konsistente Konstruktion, wenn man einerseits, wie die h. L. in Japan, dem Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt eine vorsatzausschließende Wirkung zuerkennt und andererseits die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ablehnt 605 • Zur Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit vertreten die Rechtsprechung und die h. L. die sog. Einwilligungstheorie606 • Eine Minderheit will dagegen auf das Willenselement im Vorsatzbegriff weitgehend verzichten 607 • 3. Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat

Die Lösung des Problems des Unrechtsbewußtseins ist der Rechtslehre überlassen, weil das Gesetz keine eindeutige Regelung enthält: § 38 Abs. 3 jap. StGB bestimmt, daß die "Gesetzesunkenntnis" den Vorsatz nicht berührt, aber zu einer Strafmilderung führen kann. Ein Teil der Literatur608 interpretiert diese Vorschrift dahin, daß die Unkenntnis der betreffenden Strafbestimmung den Vorsatz nicht berühre. Nach anderen Autoren dagegen regelt§ 38 Abs. 3 zwar den Rechtsirrtum. Die dort vorgesehene Strafmilderungsmöglichkeit setze aber voraus, daß die Schuld des Täters unter Umständen gemildert sein könne. Dann widerspreche es der ratio Jegis des § 38 Abs. 3 nicht, auch einen völligen Schuldausschluß anzuerkennen, wenn wegen eines Rechtsirrtums überhaupt kein Schuldvorwurf gegen den Täter erhoben werden könne 609 • In der Literatur vertritt man immer stärker die Schuldtheorie610 • Danach ist die "Schuld" trotzbestehenden Vorsatzes ausgeschlossen, wenn der Täter sein unrechtmäßiges Verhalten ohne Verschulden für rechtmäßig gehalten hat. Die Kriterien der Vermeidbarkeil des Verbotsirrtums sind noch wenig geklärt und erst seit einiger Zeit Gegenstand eingehender Untersuchungen geworden. Aber Dando, AT, S. 123; Uematsu, AT, S. 241. Vgl. o. Teil D, 2. Kap., II. 2. c). 606 Vgl. etwa Dando, AT, S. 273f.; Ohtsuka, AT, S. 182ff., 209; Fukuda, AT, S. 105; Nishihara, AT, S. 159ff. 607 So Hirano, AT I, S. 181 ff.; Naka, AT, S. 109fT. 608 So Dando, AT, S. 288ff.; Ohtsuka, AT, S. 408, 410; Fukuda, AT, S. 193; Saeki, AT, S. 267; Uematsu, AT, S. 263; Uchida, AT, S. 245; Kashiwagi, AT, S. 227f. 609 Hirano, AT II, S. 264ff.; Ohya, AT, S. 350ff. 61 Für die strenge Schuldtheorie Kimura, AT, S. 21 t f., 306ff., 332fT.; Fukuda, AT, S. 185- t 99; ders., Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, insbes. S. 177-265 (Diese Monographie enthält eine ausführliche dogmengeschichtliche Untersuchung über das Problem des Unrechtsbewußtseins); ders., in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 321-325; Nishihara, AT, S. 163 ff., 415-427; Kagawa, AT, S. 218 ff.; Ohya, AT, S. 347ff. Für die eingeschränkte Schuldtheorie Naka, Über die Putativnotwehr, insbes. S. 251- 272; Hirano, AT I, S. 164ff.; ders., AT II, S. 258-270; Sone, AT, S. 175fT., 212fT.; Maeda, AT, S. 340fT. 604 605

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1. Kap.: Art und Umfang der Schuldvoraussetzungen

139

auch die (strenge) Vorsatztheorie, welche die aktuelle Verbotskenntnis als unabdingbare Voraussetzung des Schuldvorsatzes betrachtet, wird nach wie vor vertreten 611 • In dieser Diskussion dürften die Vertreter der Schuldtheorie die überzeugenderen Argumente haben: Insbesondere wäre die Konsequenz der Vorsatztheorie, nach der beim leichtsinnigen Rechtsirrtum sowie beim Rqckfall- und Affekttäter nur Bestrafung im Rahmen der Strafbarkeit des fahrlässigen Delikts oder gar Schuldausschluß gewährt werden müßte, kriminalpolitisch unerträglich 612 • Die sog. eingeschränkte Vorsatztheorie Dandos, nach der die "Möglichkeit'' der Unrechtseinsicht ein Element des Schuldvorsatzes sein soll 613 , wird in Japan mit Recht verworfen, da ein solches "Möglichkeits"element nicht als ein Bestandteil des Vorsatzbegriffs angesehen werden könne 614 . Ob die höchstrichterliche Rechtsprechung an ihrer früheren Ansicht, daß die fehlende Unrechtseinsicht die Strafbarkeit auf keinen Fall berühre, noch weiter festhält, ist zumindest fraglich. Der OGH hat in seinen neueren Entscheidungen die Hoffnung der Rechtslehre auf eine zukünftige Änderung nicht ausgeschlossenöis. 4. Die Zumutbarkeit und ihre Grenzen

Die normative Schuldlehre hat in Japan schon vor dem Zweiten Weltkrieg allgemeine Anerkennung gefunden. Dazu haben u. a. die Arbeiten von Saeki616 beigetragen. Nach der normativen Schuldauffassung liegt das Wesen der Schuld nicht in der subjektiven Beziehung des Täters zur objektiven Erfolgsverursachung, sondern es kommt dabei auf die normative Bewertung des tatbestandlieh-rechtswidrigen Verhaltens als vorwerfbar an 617 • Die Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens wird von der h. L. nicht nur als ein bloßes "regulatives Prinzip", sondern als allgemeiner übergesetzlicher Schuldausschließungsgrund anerkannt. Unabhängig davon, ob eine Rechtsvorschrift besteht, die den Gedanken der Unzumutbarkeit konkretisiert, schließt danach die U nzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens- gegebenenfalls überge611 Ohtsuka, AT, S. 400-412; Uematsu, AT, S. 243ff.; Uchida, AT, S. 244ff., 257; Nakayama, AT, S. 352ff., 370ff.; Kashiwagi, AT, S. 225ff. 6 12 So Fukuda, Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, S. 208 ff. ; ders., in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 323f.; Hirano, AT II, S. 259ff.; Nishihara, AT, S. 417; Ohya, AT, S. 348f. Anm. 1; Maeda, AT, S. 343. 613 Dando, AT, S. 292ff. ; so a uch Fujiki, AT, S. 21 2 ff. Ähnlich Saeki, AT, S. 252ff., 277ff. 614 So Kimura, AT, S. 310; Fukuda, AT, S. 187f.; ders. , Der Irrtum über die Rechtswidrigkeitder Tat, S. 87ff., 195 Anm. 8; Hirano , AT II, S. 263; Kagawa, AT, S. 223; Ohya, AT, S. 349 Anm. 1 (2); Sone, AT, S.177; Maeda, AT, S. 344. 615 Urteil des OGH v. 29.6.1978; Beschluß des OGH v. 16.7.1987. 6 16 Wie o. Fn. 232. 617 So die h. L. in Japan.'

140

Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

setzlieh-die Schuld des Täters aus, was auch für die vorsätzlichen Begehungsdelikte gilt 618 • Diese von der bundesdeutschen Rechtslehre 619 abweichende Lehrmeinung läßt sich teilweise dadurch erklären, daß das japanische StGB den entschuldigenden Notstand, wie ihn§ 35 des bundesdeutschen StGB bestimmt, nicht vorzusehen scheint620 . Über den Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit gehen die Auffassungen auseinander. Es ist umstritten, ob man dabei auf die individuelle Situation und die individuellen Fähigkeiten des Täters621 oder ein hypothetisches durchschnittliches Können abstellen soll 622 oder sogar auch konkrete Erwartungen von seiten der Rechtsordnung mitberücksichtigen müßte 623 • Es findet sich keine höchstrichterliche Entscheidung, welche die Unzumutbarkeit als übergesetzlichen Schuldausschließungsgrund anerkannt und einen Schuldausschluß zugebilligt hat. Im übrigen ist fraglich, wie oft in der gegenwärtigen sozial-wirtschaftlichen Situation ein derart außergewöhnlicher Konfliktfall vorkommen und auch vom Staatsanwalt vor Gericht gebracht werden würde. 2.Kapitel

Der Streit um die WiUensfreiheit und den materiellen Schuldbegriff Unter den Streitpunkten in der Schuldlehre sind Probleme der Willensfreiheit und des materiellen Schuldbegriffs besonders hervorzuheben. Seit Anfang der 60er Jahre gibt es darüber eine Kontroverse von großer Tragweite 624 • Im folgenden werde ich Kernpunkte dieses Streites im einzelnen vorstellen und dazu kritisch Stellung nehmen. 618 Vgl. u.a. Fukuda, AT, S. 205; ders., in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 400fT.; Ohtsuka, AT, S. 416; Saeki, AT, S. 289ff.; Fujiki, AT, S. 223fT.; Nishihara, AT, S. 430; Uchida, AT, S. 252f.; Kagawa, AT, S. 255ff.; Nakayarna, AT, S. 392ff.; Kashiwagi, AT, S. 249ff.; Ohya, AT, S. 361 ff.; Sone, AT, S. 179; Maeda, AT, S. 379. 619 Vgl. etwa Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor§§ 32fT. Rdn. 122ff. m.w.Nachw. 620 Dazu ausführlich vgl. o. Teil A, 2. Kap., III. 1. b) cc). In diesem Zusammenhang ist auch mitzuberücksichtigen, daß das japanische StGB für den Notwehr- und Notstandsexzeß nur die fakultative Strafmilderung und das Absehen von Strafe vorsieht(§§ 36 Abs. 2, 37 Abs. 1 jap. StGB). 621 Dando, AT, S. 305ff.; Ohtsuka, AT, S. 419f.; Shoji, AT, S. 285f., 372fT.; Uchida, AT, S. 253f.; Kagawa, AT, S. 253ff.; Sone, AT, S. 180. 622 Uernatsu, AT, S. 206f.; Fujiki, AT, S. 226; Fukuda, in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 404ff.; Nishihara, AT, S. 430fT.; Maeda, AT, S. 380f. In der Sache auch Hirano, AT II, S. 277f. 623 Saeki, Gedanken der Zumutbarkeit, S. 295-342; ders., AT, S. 290f.; Nakayarna, AT, S. 394fT.; Ohya, AT, S. 365f. 624 Eine knappe Übersicht über die Diskussion bietet Nishihara, Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1240ff.

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

141

I. Problemlage

Das Schuldprinzip, das auch in Japan von der Rechtslehre übereinstimmend anerkannt ist, verbietet, daß die nicht vorwertbare Tat bestraft wird und, wenn eine schuldhafte Tat vorliegt, eine das schuldentsprechende Maß übersteigende Strafe verhängt wird. Das Schuldprinzip betrifft also sowohl das "Ob" als auch das "Wie" der Strafe 625 • Die entscheidende Frage ist dabei aber die Feststeilbarkeit und Meßbarkeit der Schuld. Das Schuldurteil scheint das Vorhandensein der Willensfreiheit als unverzichtbare Voraussetzung zu haben. Ist es nicht so, daß der Schuldvorwurf nur dann Sinn hat, wenn die Fähigkeit, sich frei zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, existiert? Gegen den Täter könnte kein persönlicher Vorwurf gerichtet werden, wenn er zum Zeitpunkt seiner Tat durch physiologische Prozesse oder Motivationszwänge völlig determiniert war und sich nicht anders, nämlich rechtmäßig, hätte entscheiden und verhalten können. Auch das Maß der Schuld müßte sich daran orientieren, inwieweit der Täter eine freie Entscheidungsmöglichkeit hatte. Wer diese- auf den ersten Blick einleuchtend erscheinende - Schuldkonzeption anerkennt, wie dies die bisher herrschende Auffassung in Japan tut, hat sich damit zugleich zur Willensfreiheit und zum Indeterminismus bekannt 626 . In der Tat liegt der bisher herrschenden Schuldlehre ein "relativer Indeterminismus" zugrunde. Er besagt, daß das menschliche Verhalten von Anlage und Umwelt stark beeinflußt, aber nicht vollständig determiniert werde, und es dem Menschen folglich möglich sei, innerhalb eines gewissen - mehr oder weniger großen - Handlungsspielraums aus freiem Willensentschluß "selbstbestimmend" eine mögliche Handlung auszuwählen (Stichwort: "determiniert und determinierend handeln") 627 . Dieses frei gewählte Verhalten begründe einen

625 Siehe nur Hirano, AT I, S. 52; Saeki, AT, S. 233; Nakano, AT, S. 33; Fukuda, AT, S. 171f. Anm. 1; Ohtsuka, AT, S. 380 Anm. 3; Ohya, AT, S. 316, 317 Anm. 4. 626 So auch zuletzt für das bundesdeutsche Strafrecht ausführlich Dreher, Die Willensfreiheit, S. 11 f. 627 Dando, AT, S. 11 f., 32f.; ders., Problem der Willensfreiheit im Strafrecht, S. 217ff., 223ff.; Ohtsuka, AT, S. 45f., 382; Fujiki, AT, S. 81 f. ; Shoji, AT, S. 59ff., 283f., 286f. Fukuda nimmt im Anschluß an Nico/ai Hartmann und Wetze/ zwei verschiedene "Determinationsformen" an. Menschliches Handeln sei dem Kausalgesetz unterworfen. Der Mensch könne die kausale Determination weder aufheben noch abbrechen, aber sie durch die finale (Über-)Determination in eine sinnmäßige Richtung steuern. Im Gegensatz zu We/ze/, in: Lb., S. 142ff., insbes. 148f., meint nun Fukuda, daß auch strafbares Verhalten nicht durch den kausalen Zwang der Motivation voll determiniert sei, sondern es stelle eine finale Überdetermination des kausalen Prozesses nach den eigenen Wertvorstellungen des Täters dar. Fukuda, AT, S. 20; ders., Probleme der gegenwärtigen Schuldlehre, S. 86ff. Diese Ansicht scheint die Wahlmöglichkeit des Täters zwischen den Werten vorauszusetzen. Ich rechne sie deshalb zum Indeterminismus. Im übrigen findet sich eine ausführliche Darlegung und Kritik der Lehre Wetzeis bei: Pothast, Freiheitsbeweise, S. 327 - 359. Sehr kritisch zur Ansicht Hartmanns ebenfalls Pothast, a. a. 0., S. 81 ff., sowie Dreher, Die Willensfreiheit, S. 100ff.

142

Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

sittlichen (moralischen) Vorwurf, der vom sozialethischen Gesichtspunkt aus gegen den Täter erhoben werde. Dieser sittliche Vorwurfmache das Wesen der strafrechtlichen Schuld aus ( = Die Lehre von der sittlichen Schuld) 628 . Auch der Maßstab der Schuld soll ganz individueller Natur sein: Maßgeblich sei, ob und inwieweit der Täter sich hätte individuell anders, d. h. rechtmäßig, verhalten können. So müsse z. B. bei der Bewertung als sorgfaltswidrig beim Fahrlässigkeitsdelikt und beim Urteil über die Zumutbarkeit ein individueller Maßstab angelegt werden 629 . Diese Auffassung der bisher herrschenden Rechtslehre ist vor allem seit den 60er Jahren zum Gegenstand lebhafter Diskussion geworden. Daß die "Lehre von der sittlichen Schuld" wichtige Probleme offenließ und kritische Reflexionen herausforderte, läßt sich nicht bestreiten. Insbesondere Hirano versuchte daher, aufgrunddes in der angelsächsischen Philosophie verbreiteten "weichen Determinismus (soft determinism)" einen neuen Schuldbegriff aus utilitaristischer Sicht zu entwickeln 630 • Im folgenden sollen Probleme der vom (relativen) Indeterminismus ausgehenden Schuldlehre aufgezeigt und die neue, auf deterministischer Basis vertretene Schuldkonzeption und ihre Schwächen dargestellt werden. Ich möchte mich dabei auf diejenigen Streitpunkte beschränken, die mir in jener Debatte besonders wichtig erscheinen. Im Laufe derUntersuchungwird auch eine eigene Stellungnahme zu dieser Problematik abgegeben. II. Die Problematik der bisher herrschenden Schuldlehre 1. Zur Beweisbarkeit der Willensfreiheit

Daß die Willensfreiheit und damit das Anders-handeln-Können nicht Gegenstand wissenschaftlichen Beweises sein können, ist auch in Japan unbestritten. Es ist zwar eine unleugbare Tatsache, daß der Mensch Reue und Verantwortlichkeitsgefühl empfindet. Aber dieses "Freiheitserlebnis" besagt nur, daß er sich für frei hält, nicht, daß er tatsächlich frei ist 631 . 628 So Dando, AT, S. 34fT., 238, 243; Ohtsuka, AT, S. 382; Fukuda, AT, S. 20f., 170f.; Fujiki, AT, S. 79ff. 629 Siehe insbes. Dando, AT, S. 305fT. (zur Zumutbarkeit), 318f. (zur Fahrlässigkeit); ders. , in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-II, S. 284f.; Ohtsuka, AT, S. 414 (zur Fahrlässigkeit), 419f. (zur Zumutbarkeit); Fukuda, AT, S. 184f. (zur Fahrlässigkeit); Fujiki, AT, S. 251 (zur Fahrlässigkeit); Shoji, AT, S. 166ff., 367fT. (zur Fahrlässigkeit), 285 f., 372 ff. (zur Zumutbarkeit). 630 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld (1963), wieder abgedruckt in: ders. , Grundlagen des Strafrechts, S. 3 ff.; ders. , Persönlichkeitsschuld und Tatschuld (1963), wieder abgedruckt in: ders., Grundlagen, S. 31 ff. ; ders., Zur strafrechtlichen Schuld - eine Replik - (1966), wieder abgedruckt in: ders., Grundlagen, S. 61 ff. 631 So Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 20f., 25f. Dagegen

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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Gegen die bisher herrschende Schuldlehre wird deshalb von den Deterministen eingewendet, daß die Willensfreiheit, die mit wissenschaftlich-empirischen Methoden nicht zu beweisen ist, nicht zur Grundlage der strafrechtlichen Haftung gemacht werden dürfe. Weil es im Prozeß jeweils nicht nachweisbar sei, ob der Täter zum Zeitpunkt der Tat die Fähigkeit besaß, sich auch anders zu entscheiden, als er es getan hat, müßten alle Angeklagten nach dem prozessualen Grundsatz in dubio pro reo freigesprochen werden, wenn man die Prämisse der herrschenden Schuldlehre ernst nehme 632 • Um diese Konsequenz zu vermeiden, müsse der auf dem Indeterminismus aufbauende Schuldbegriff aufgegeben und das Strafrecht auf eine andere Grundlage gestellt werden 633 • Dieses Argument scheint mir aber nicht unbedingt durchschlagend zu sein. Denn es kann durchaus so sein, daß die Annahme der Willensfreiheit und des Anders-handeln-Könnens deshalb unentbehrlich ist, weil allein das auf dem Indeterminismus beruhende Schuldprinzip die staatliche Strafgewalt in rechtsstaatlich angemessener Weise einschränken kann. Dann könnte und müßte die Annahme der Willensfreiheit als ein Postulat oder eine "normative Setzung" zum Zweck der Freiheitsgarantie vor dem präventiven Mißbrauch der Strafe vorausgesetzt werden 634 • Darauf ist im folgenden noch zurückzukommen. 2. Der indeterministische Standpunkt und die absolute Vergeltungstheorie

Der auf dem Indeterminismus aufbauenden Schuldlehre wird zweitens vorgehalten, daß sie nur mit der absoluten Vergeltungstheorie vereinbar sei. Wenn der angeblich freie Wille, der die strafrechtliche Verantwortung begründen soll, nicht kausal determiniert werde und sich sogar immer über das Kausalgesetz hinwegsetze, dann könne der ihn betreffende Schuldvorwurf nicht zum Zweck der Verhütung künftiger Straftaten erhoben werden. Da die menschliche Handlung danach nicht durch die kausale Wirkung der Strafe Nishihara, AT, S. 391 ("Eine die Hypothese der Willensfreiheit unterstützende Tatsache"); Shoji, AT, S. 60; Kanazawa, Strafrecht und Moral, S. 78, 109. Vgl. auch Dreher, Die Willensfreiheit, S. 379 ff. ("Die Willensfreiheit, so wie wir sie erleben und erkennen, ist die Wirklichkeit für uns schlechthin. Es gibt für uns keine andere .... Wille und Willensfreiheit... sind ein Teil der von uns erlebten Wirklichkeit." [S. 383]). Dagegen Tiemeyer, ZStW Bd. 100, S. 533. 632 Machino, Straftatlehre und Straftheorie, S. 149. 633 Zur Diskussion in der bundesdeutschen Lehre vgl. die Nachweise bei: Schünemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 160 ff. 634 Vgl. Nakayama, Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts und ihre Probleme, S. 110f.; ders., Die strafrechtliche Schuld und die Willensfreiheit, S.188ff.; ders., Ideologische Grundlagen der Lehre von der Willensfreiheit, S. 238; Naito, AT I, S. 112f.; Sone, AT, S. 154f. Diese rechtsstaatliche Notwendigkeit der Annahme der Willensfreiheit wurde in der bundesdeutschen Rechtslehre vor allem von Roxin in überzeugender Weise begründet. Siehe Roxin, Sinn und Zweck staatlicher Strafe, S. 20ff.; ders., MschrKrim 1973, S. 318ff.

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

beeinflußt werde, sei die Schuldstrafe nicht in der Lage, eine verhaltenssteuernde Funktion zu entfalten 635 • Dazu muß aber bemerkt werden, daß auch die Vertreter des "relativen" Indeterminismus die kausale Beeinflußbarkeit des menschlichen Handeins durchaus anerkennen und nur ihre vollständige (in die kleinsten Einzelheiten gehende) Vorbestimmtheit durch kausale Faktoren abstreiten. Diese Kausalgesetzlichkeit des menschlichen Handelns, die aber die selbstbestimmende Verhaltenswahl nicht ausschließe, sei zu (general- und spezial)präventiven Zwecken einzusetzen 636 • Auch für die irrdeterministische Schuldlehre kann deshalb die Strafe durch kausale Beeinflussung des künftigen Verhaltens bis zu einem gewissen Grad ihre präventive Funktion entfalten637 • Jene Kritik ist mithin nicht zwingend 638 • 3. Kritik des "rein individuellen" Schuldmaßstabs

a) Abgesehen von den oben aufgezeigten Problemen sind gegen das Modell des individuellen Anders-handeln-Könnens, das der bisher herrschenden Schuldlehre zugrunde liegt, ernstliche Bedenken anzumelden. Nach dem Modell des individuellen Anders-handeln-Könnens besitzt z. B. der rückfällige Dieb A, der schon mehrmals wegen Diebstahls verurteilt wurde und bei dem sich die Fähigkeit, der Versuchung zur Begehung weiterer Straftaten zu widerstehen, weitgehend abgebaut hat, einen engeren Handlungsspielraum und trägt deshalb eine geringere Schuld als B, der zum ersten Mal und nur ausnahmsweise straffällig geworden ist 639 . Je mehr die Tat von der kriminellen Einstellung des Täters herrührt, desto geringer müßte demnach die Schuld sein 640 • 635 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 25; ders. , Zur strafrechtlichen Schuld, S. 71; ders., AT I, S. 21 f. 636 Dando, AT, S. 32; ders., Das Problem der Willensfreiheit im Strafrecht, S. 225f. So auch überzeugend Nishihara, AT, S. 393. Hier könnte man sich an den treffenden Ausdruck "plastische Steuerung" erinnern, wie er sich bei Popper, Über Wolken und Uhren, insbes. S. 274-282, findet. 637 In Japan wird die Vereinigungstheorie oder die relative Vergeltungstheorie als die herrschende Straftheorie vertreten. Siehe etwa Ohtsuka, AT, S. 46ff.; Nishihara, AT, S. 433ff.; Ohya, AT, S. 52ff. 638 Übrigens bedeutet für die lndeterministen die (negative) Feststellung der Indeterminiertheil des Willens zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür, die betreffende Person für die Tat verantwortlich zu machen und die Strafsanktion gegen sie zu rechtfertigen. Zur Rechtfertigung der Verantwortlichkeit bedarf es noch eines anderen positiven Urteils: daß dem Täter als dem handelnden Subjekt sein Verhalten und dessen Folgen zugerechnet werden können. Aber im Deliktssystem wird diese Zurechnungsfrage in der Handlungs- und Unrechtslehre beantwortet. 639 Vgl. Hirano , Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 28; ders., Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 40 f. 640 Hirano, Zur strafrechtlichen Schuld, S. 70 f. So auch mit Recht Jescheck, AT, S. 385. Außerdem kritisiert Hirano die indeterministische Schuldlehre folgendermaßen: Die Zunahme der Kenntnisse über kausale Einflüsse auf das menschliche Handeln enge die

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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Diese offenbar unbefriedigende Konsequenz hat Dando vom theoretischen Boden der herrschenden Schuldlehre aus mit Hilfe der Lehre von der sog. "Persönlichkeitsgestaltungsschuld", die eine konsequente Weiterführung der Mezgersehen Lehre von der "Lebensführungsschuld" 641 darstellt, zu vermeiden versucht 642 • Dando geht von der sittlichen Schuldauffassung aus, aber erkennt hinter der Einzeltatschuld die Schuld an, die darin besteht, daß der Täter die in der Einzeltat realisierte (mehr oder minder kriminelle) Persönlichkeit "Schuldhaft" gestaltet hat. Er schreibt, "Die Persönlichkeit, die sich eigentlich auf die Basis der angeborenen Disposition stützt, gestaltet sich immer weiter, indem sich die Erlebnisse im Lebenslauf des Individuums häufen und allmählich niederschlagen .... (Die) Gestaltung der Persönlichkeit (ist) einerseits notwendigerweise durch Anlage und Umwelt bedingt, (hängt) andererseits aber vom selbstbestimmenden ,Ich' ab . ...Der Mensch ist... einerseits ein existentiales Dasein, das, wenn auch innerhalb eines gewissen Spielraumes, sein Verhalten selbst lenken und seine eigene Persönlichkeit spontan weiterzugestalten vermag. ... Kurz, das Individuum kann etwas tun bei der Gestaltung seiner eigenen Persönlichkeit. Mezger hatte recht, als er die Lehre von der Lebensführungssehuld aufstellte. Diese dürfte eher ,Persönlichkeitsgestaltungsschuld' genannt werden, weil es sich dabei nicht um die Lebensführung als solche, sondern um die Gestaltung der Persönlichkeit handelt, die zur betreffenden Straftat geführt hat" 643 • Dem A im obigen Beispiel könne somit neben dem Vorwurf gegen die Tat noch "ein Vorwurf gegen seine verfehlte Persönlichkeitsgestaltung" erhoben werden, soweit A die kriminelle Gewohnheit durch seine vorwerfbare Persönlichkeitsgestaltung erlangt hat. Die Einzeltatschuld des A sei zwar gering. Aber das werde durch die erheblich höhere Persönlichkeitsgestaltungsschuld aufgewogen. Im Endergebnis übernehmeAsogar eine höhere Schuld als B644 • Gegenüber dieser Lehrmeinung sind eine Reihe gewichtiger Einwände vorzubringen, insbesondere wenn sie wie bei Dando als eine allgemein geltende strafrechtliche Schuldkonzeption vertreten wird, die in ihrer Anwendung nicht auf das Problem der Strafschärfung des Rückfalltäters beschränkt sein soll: kontrakausale Freiheit und damit die indeterministische Schuld des Menschen immer mehr ein. Die Strafrechtsdogmatik, die in der kontrakausalen Freiheit des Menschen die Legitimation der Strafe sieht, müsse die Entwicklung der Kriminologie, die das deliktische Verhalten als kausal bedingt ansieht, als eine Bedrohung betrachten; vgl. Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 30; Zur strafrechtlichen Schuld, S. 62. 641 Vgl. etwa Mezger, ZStW Bd. 57, S. 688ff. 642 Dando, AT, S. 35f., 237ff.; ders., Die Lehre von der Persönlichkeitsschuld, S. 100ff.; ders., Das Problem der Willensfreiheit im Strafrecht, S. 217 ff., 223 ff.; ders., in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 277ff. Vgl. auch seinen in deutscher Sprache geschriebenen Aufsatz in: GA 1959, S. 358 ff. Die Lehre Dandoshat weitreichende Konsequenzen, z. B. für das Problem des U nrechtsbewußtseins, auf die hier aber nicht eingegangen werden kann. Wie Dando auch Ohtsuka, AT, S. 382ff., 422f. 643 Dando, GA 1959, S. 358f. 644 Dando, AT, S. 35f., 508; ders., Die Lehre von der Persönlichkeitsschuld, S. 126ff.; ders., GA 1959, S. 359. 10 lda

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

Die Schuldhaftigkeit (und ihr Grad) bezüglich der Persönlichkeitsgestaltung ist erstens schwerlich festzustellen 645 . Man weiß beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaften kaum, welches Verhalten zur Gestaltung welcher Persönlichkeit führen soll. Auch die Gerichte sind schlechterdings nicht in der Lage, die gesamte Lebensgeschichte des Täters aufzurollen und ein sittliches Urteil über seine Persönlichkeitsbildung insgesamt zu fällen. Die Schuldkonzeption Dandos ist zweitens strafrechtssystematisch bedenklich, weil dann der Gegenstand des Schuldvorwurfs über die einzelne Unrechtstat hinaus auch zu den unzähligen (im gesetzlichen Tatbestand nicht niedergeschriebenen) persönlichkeitsgestaltenden Verhaltensweisen erweitert werden würde. Das verstieße gegen das Prinzip, daß der Grund der Strafe die gesetzlich niedergelegte Einzeltat sein muß 646 • Denn daraus folgt, daß die Strafrechtsschuld sich immer auf die konkrete Unrechtstat zu beziehen hat 647 • Darüber hinaus ist der von der Einzeltat losgelöste Schuldbegriff nicht mehr in der Lage, die Proportionalität zwischen Tat und Strafe zu bewahren und damit den präventiven Mißbrauch der Strafgewalt zu verhindern 648 • b) Außerdem führt der "rein individuelle" Schuldmaßstab, der auf das persönliche Anders-handeln-Können abstellt, zu sachwidrigen Ergebnissen, die auch durch Dandos Lehre von der Persönlichkeitsschuld nicht vollständig verhindert werden können: Es ist dem Schuldgrad nach nicht dasselbe, ob die Tat aus tiefem Mitleid oder in großer Verzweiflung begangen worden ist oder ob der Täter aus grundlosem Rachetrieb oder in egoistischer Bereicherungsabsicht gehandelt hat, auch wenn der jeweilige Umstand eine gleich starke motivierende Wirkung auf den Täter entfaltet haben sollte. Der Schuldvorwurf nimmt ab, je mehr die deliktswiderstehende Motivation zum Ausdruck kommt; er steigt dagegen, wenn die kriminelle Energie des Täters sich als stark und hartnäckig erweist. Der Grad der Schuld wird nicht geringer, wenn der Täter sich in einer Tatsituation, in der ein Durchschnittsmensch sich nicht so aufregen würde, sehr erregt oder wenn der Täter sich durch einen psychischen Antrieb, den ein Durchschnittsmensch beherrschen könnte, zu einer Straftat motivieren läßt. Das alles ließe sich nach dem rein individuellen Schuldmaßstab nicht erklären. 645 Vgl. insbes. die durchschlagende Kritik Hiranos, in: Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 36f. 646 /da, Über die verschuldeten Auswirkungen der Tat, Teilt, S. 88 ff., insbes. 91 . Diese Kritik gilt auch für die Lehre von der Lebensführungsschuld; vgl. Baumann I Weber, AT, S. 360; Rudolphi, in: SK, Rdn. 3 f. vor § 19; Horn, in: SK, § 46 Rdn. 44 (Die Lebensführungsschuld müsse schon deshalb ausscheiden, weil Schuld Unrecht voraussetze, aber nicht dargelegt werden könne, wo das Recht eine bestimmte "Lebensführung" geboten oder verboten haben sollte. "Wo Lebensführungsunrecht fehlt, kann es auch keine Lebensführungsschuld geben"); Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 193. 647 /da, a. a . 0 ., S. 82, 88 ff. m.w.Nachw. japanischer und bundesdeutscher Literatur. Vgl. in letzterer etwa die klaren Ausführungen Horns, in: SK, § 46 Rdn. 41 ff. 648 Ga/las schreibt mit Recht, da ß die "Einbeziehung der Lebensführungsschuld" die straflimitierende Funktion des Schuldprinzips "praktisch illusorisch" macht; vgl. ZStW

Bd. 80, S. 7.

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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Es ist deshalb schwerlich zu bestreiten, daß beim Schuldurteil der Frage, welches Verhalten vom hypothetisch gedachten Durchschnittsmenschen unter den gegebenen V mständen erwartet werden könnte, die maßgebliche Bedeutung zukommt, wie dies auch die überwiegende Auffassung in der bundesdeutschen Rechtslehre annimmt 649 • Freilich kann eine Straftat niemals ausschließlich der Schuld des Täters zur Last gelegt werden, sind doch als V rsachen der Kriminalität die negativen Umwelteinflüsse, für die der Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, nicht zu vernachlässigen. Auch die Gesellschaft ist verpflichtet, sie möglichst zu beseitigen und ihren Bürgern "die Freiheit vom Straffälligwerden" zu gewährleisten. In dem Maße, in dem die Gesellschaft diesen Forderungen nicht genügt, verliert sie auch ihre Berechtigung, den Täter einem Strafvorwurf auszusetzen 650 . Die Erhebung eines "sittlichen" Vorwurfs gegen den Straftäter setzt die sittliche Überlegenheit und Makellosigkeit des Staates voraus und ist deshalb fragwürdig 651 • Allerdings kann sich das Recht nicht der Aufgabe entziehen, von den Mitgliedern der Gesellschaft als verantwortlichen Rechtsgenossen wenigstens zu erwarten, durchschnittlichen Anforderungen zu genügen. Die Vertreter der Lehre von der sittlichen Schuld scheinen dieses "Dilemma des Schuldstrafrechts" außer acht zu lassen. Der rein individuelle Schuldmaßstab ist somit nicht anwendbar. Andererseits läßt sich der hypothetische Charakter des Schuldurteils nicht leugnen. Dieser Hypothese kann aber unter konkreten Umständen widersprochen werden: Hier sind extreme Fälle denkbar, in denen man von dem Maßstab des Durchschnittsmenschen gerechterweise nicht mehr ausgehen dürfte. Wenn z. B. der Diebstahlstäter in einem außerordentlich nachteiligen Milieu aufgewachsen ist, 649 Siehe insbesondere die eingehende Darstellung bei: Jescheck, AT, S. 367fT., 385f. m.w.Nachw. Ähnlich- aber mit einer individualisierenden Tendenz- Arthur Kaufmann, Lange-Festschrift, S. 29ff.; ders., Jura 1986, S. 227; Maiwald, Lackner-Festschrift, S. 164ff. Auch in Japan mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, die von einem hypothetischen Charakter der Willensfreiheit ausgehen und auf normative Anforderungen an den durchschnittlichen Staatsbürger anstelle des Täters abstellen; vgl. z. B. Saeki, AT, S. 239; Uematsu, AT, S. t7ff., 200ff.; Nishihara, AT, S. 390ff. (vgl. auch seinen Aufsatz in: Jescheck-Festschrift, Bd. 2, S. 1240ff.); Horiuchi, Die Aufgabe der Schuldlehre, S. 185ff. Ähnlich Ohya, AT, S. 319f.; Maeda, AT, S. 93, 281 ff. 650 Dieser Gedanke, der mir sehr wichtig erscheint, wird in Japan insbesondere von Nakayama, Die strafrechtliche Schuld und die Willensfreiheit, S. 212,225 ff., ausdrücklich geäußert. Hier ist zu erinnern an Nolls Gedanken der "Mitverantwortung", der auch in Japan nicht unbekannt ist; vgl. Die ethische Begründung der Strafe, insbes. S. 16. Auch Stratenwerth schreibt: Kriminalität ist "weithin das Ergebnis sozialer und individueller Zwänge, die für den Betroffenen unausweichlich sind". Die strafende Gesellschaft hat "vielfach auch die Entstehung oder den Fortbestand jener Zwänge zu verantworten", die abweichendem Verhalten zugrunde liegen; vgl. AT, 2.Aufl., S. 22f. 6 51 In diesem Zusammenhang sei auch auf die "Ideologiekritik" des strafrechtlichen Schuldbegriffs verwiesen. Siehe etwa Stratenwerth, AT, 3.Aufl., S. 40; EI/scheid/ Hassemer, Strafe ohne Vorwurf, S. 275 f. ; Hassemer, Alternativen zum Schuldprinzip?, S. 103f.

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

müßte dieser Umstand seine Schuld mindern oder gar ausschließen. Auf diese Weise, d.h. nur zugunsten des Täters, ist die "Umwelt, in der sich die Persönlichkeit so gestaltet hat", bei der Bemessung der Schuld zu berücksichtigenös2. 111. Der "weiche Determinismus" und seine Probleme · I. Zum weichen Determinismus Hiranos

Hirano hält der herrschenden Lehre vor, daß die Strafe nur dann ihre präventive Funktion entfalten könne, wenn menschliches Handeln überhaupt durch die schon gegebenen Bedingungen kausal determiniert werde. Denn nur wenn die Straftaten ihre Ursachen hätten und diese Ursachen sich empirisch ermitteln ließen, könne die Strafe in ihrer Art und Dauer darauf eingestellt und als zusätzliche Ursache zur Verhinderung künftiger vergleichbarer Straftaten eingesetzt werden. Der weiche "Determinismus" Hiranos hält deshalb im Gegensatz zum relativen Indeterminismus daran fest, daß sich menschliches Handeln über das Kausalgesetz keineswegs hinwegsetze, vielmehr dadurch erst prinzipiell erklärbar und auch prognostizierbar sei 653 • Aber Hirano weist die Auffassung der früheren modernen Strafrechtsschule zurück, die auf deterministischer Basis den Schuldbegriffüberhaupt aufgegeben und ihn durch den Begriff der "sozialen Haftung" zu ersetzen versucht hat (z. B. Makino). Er vertritt vielmehr- wie einst Adolf M erke/654 - die Ansicht, daß Freiheit und Determinismus keineswegs unvereinbar seien und die Schuld sogar erst auf deterministischer Basis sinnvoll sein könne 655 • Aber warum soll ein dem Kausalgesetz unterworfenes und damit kausal "determiniertes" Verhalten "frei" und insofern schuldhaftsein können? Hirano weistjenen harten Determinismus oder Fatalismus zurück, nach dem alles, was in unserer Welt geschieht, schicksalhaft determiniert sei und alle unsere Ziele, Gedanken und Anstrengungen keinen Einfluß auf die Vorgänge in der Welt hätten. Gedanken, Gefühle und Anstrengungen beeinflußten den Verlauf der Dinge, sie seien aber ihrerseits 652 Vgl. Dando, AT, S. 36, 241 f. Anm. 5; ders., Die Lehre von der Persönlichkeitsschuld, S. 128; ders., in: Dando (Hrsg.), Kommentar, Bd. (2)-11, S. 278; ders., GA 1959, S. 360. Dies hat aber die Lehre von der Persönlichkeitsgestaltungsschuld auchzuUngunsten des Täters verlangt. Wie der Text nur zugunsten des Täters: Nishihara, AT, S. 399; Ohya, Überblick über die strafrechtliche Schuldlehre, S. 25 f. 653 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 25; ders., Zur strafrechtlichen Schuld, S. 71. Zustimmend Maeda, AT, S. 50.f. 6 ~ Die Lehre von Verbrechen und Strafe, S. 89-102. Er nahm in mancherlei Hinsicht den "weichen Determinismus" vorweg. 655 Hirano beruft sich hier u. a. auf Moritz Schlick, Wann ist der Mensch verantwortlich?, S. 155ff. Die Einwände Pothasts gegen Schlick, in: Freiheitsbeweise, S. 145ff., treffen allerdings nur teilweise die Auffassung Hiranos. Dessen Schuldkonzeption weist übrigens eine große Ähnlichkeit mit der Engischs auf, obwohl beide voneinander unabhängig entwickelt worden sind; vgl. Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, 1963.

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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durch kausale Faktoren vorbestimmt 656 • Dem weichen Determinismus 657 liegt der Gedanke zugrunde, daß das Problem der Willensfreiheit von einem falschen Verständnis der Sprache herrühre. Das Kausalgesetz beschreibe nur die regelmäßige Aufeinanderfolge mehrerer Geschehen und zwinge nicht die Person in irgendeiner Weise zu ihrem Verhalten. Auch die Freiheit des menschlichen Verhaltens bedeute dessen Freiwilligkeit und Ungezwungenheit, sie besage nicht, daß das Verhalten keine kausalen Ursachen habe oder das Kausalgesetz darauf nicht anwendbar sei. Die menschliche Freiheit wäre sonst ein reiner Zufall, der genausowenig wie die schicksalhafte Determination die menschliche Verantwortlichkeit begründen könne. Die Frage sei nur, unter welchen Bedingungen Redeweisen wie "eine Handlung frei vollziehen" oder "freiwillig handeln" berechtigt sein können. Nach einigen Vertretern des weichen Determinismus ist menschliches Verhalten dann frei, wenn es dem Wollen des Handelnden entspringt, und nicht frei, wenn es von außen erzwungen ist. Hirano modifiziert diese Ansicht dahingehend, daß auch die Handlung, die durch innerliche physiologische oder biologische Faktoren (wie z. B. durch physiologische Affekte oder Disposition) bestimmt ist, nicht frei sein könne. Nach seiner Auffassung ist deshalb das Handeln dann frei, wenn seine Ursachen nicht auf außen determinierende Faktoren und auch nicht auf die innerliche physiologische (oder biologische) Schicht, sondern auf die "Persönlichkeitsschicht des Normativ-Psychischen" (d. h. die "durch den Schuldvorwurf beeinflußbare Persönlichkeitsschicht") zurückzuführen sind, vereinfacht gesagt, wenn der Täter seinem Charakter gemäß gehandelt hat 658 • Diese Deutung der "Freiheit" des Menschen soll auch dem alltäglichen Sprachgebrauch entsprechen. Auch wenn die Tat, wie beim Überzeugungstäter, von starkem "Pflichtbewußtsein" herrühre und deshalb in hohem Maße prognostizierbar sei, sehe man die Tat nicht als "unfrei" an 659 • Auch in dem Fall, in dem die kriminelle Neigung stark im Charakter wurzele, könne man die Tat "im Strafrecht als frei behandeln". Kurz: Hirano ist der Meinung, daß man die Tat als strafrechtlich frei ansehen kann, soweit sie der durch den Schuldvorwurf beeinflußbaren Persönlichkeitsschicht - mehr oder weniger - adäquat ist 660 •

Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 22 f. Eine vorzügliche Darstellung des weichen Determinismus findet sich bei Uehara, Über die Willensfreiheit, S. 104ff., der seinerseits einen "weichen Indeterminismus" vertritt. Die verschiedenen Varianten des weichen Determinismus sind ausführlich dargelegt in: Pothast, Freiheitsbeweise, S. 125-175, 379-422. 658 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 19ff.; ders., Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 40; ders., Zur strafrechtlichen Schuld, S. 64 659 Siehe Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 21 . 660 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 20, 28 f.; ders., Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 39 ff. 656

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre 2. Die utilitaristische Schuldauffassung

Es läßt sich aber hier nicht bestreiten, daß damit dem Schuldbegriff ein Inhalt gegeben wird, der von einem vergangenheitsorientierten, sittlichen Vorwurf gegen den Täter, wie ihn die bisher herrschende Lehre versteht, verschieden ist. Nach dem weichen Determinismus ist der Schuldvorwurf erst sinnvoll, wenn sich in der Straftat eine verfehlte normative Einstellung der Täterpersönlichkeit gezeigt hat, m. a. W., wenn die Begehung der Straftat sich auf die durch den Strafvorwurfbeeinflußbare Persönlichkeitsschicht zurückführen läßt, und zwar ganz unabhängig vom individuellen Anders-handeln-Können zum Zeitpunkt der Tat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß das strafrechtliche Schuldurteil nicht die Erhebung eines sittlichen Vorwurfs bedeutet, der sich retrospektiv gegen den Mißbrauch des freien Handlungsspielraums durch den Täter richtet, sondern ein zukunftsorientiertes Mittel der Verhaltenssteuerung durch die Erteilung eines negativen Urteils über die in der Straftat gezeigte, verfehlte normative Einstellung des Täters darstelle ("Du hättest ein rechtstreues Normbewußtsein haben sollen") 661 . Dieser Schuldvorwurf ist eine Verhaltenssteuerungsmaßnahme, die den Täter und die anderen zukünftig "Tatgeneigten" durch Setzen neuer Motive dazu bewegen soll, daß sie in Zukunft in der gleichen Situation anders handeln. Hirano spricht hier sogar von der "Konditionierung"662. Das Kind und der Geisteskranke seien aus dem Anwendungsbereich der Strafe deshalb ausgeschlossen, weil ihr Verhalten durch den Strafvorwurf nicht beeinflußbar sei und für die Verhaltenssteuerung noch geeignetere Maßnahmen denkbar seien. Vergangenheitsorientiert habe der Schuldvorwurf wenig Sinn, weil man vergangenes Verhalten nicht ungeschehen machen könne. Dementsprechend definiert Hirano das Schuldprinzip dahingehend, daß eine Tat nicht bestraft werden dürfe, "wenn die psychischen Elemente fehlen, ohne die sich eine Strafe nicht wirksam entfalten kann" 663 . Auch der Maßstab der Schuld wird nicht im Grad der freien Willensbildung des individuellen Täters, sondern in der "Persönlichkeitsadäquanz" der Tat gesehen. Je mehr die Tat der durch den Strafvorwurfbeeinflußbaren Persönlichkeitsschicht adäquat ist, desto mehr steige die Schuldhöhe und damit das StrafmaßöM. So verdiene der rückfällige Täter, der seine Gesetzestreue weitge661 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 24ff.; ders., Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 39ff.; ders., Zur strafrechtlichen Schuld, S. 64. Vgl. auch ders., ZStW Bd. 85, S. 509f. 662 Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 40. 663 ZStW Bd. 85, S. 509. Siehe auch ders., AT I, S. 52. 664 Hirano, Die Willensfreiheit und die strafrechtliche Schuld, S. 28 f.; ders., Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 39 ff. Diese Schuldkonzeption stellt eine Weiterentwicklung der charakterologischen Schuldauffassung M ezgers dar, die auf die "Persönlichkeitsadäquanz der Tat" abstellte; vgl. M ezger, Lb., S. 259, 272, 275 ff.; ders. , Frank-Festgabe, Bd. I, S. 532ff. So auch etwa Heinitz, ZStW Bd. 63, insbes. S. 71 ff., der Hirano offenbar

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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hend eingebüßt habe, eine höhere Schuld und Strafe, unabhängig davon, ob er schuldhaft seine kriminelle Persönlichkeit gestaltet habe 665 • Dadurch hat der Schuldbegriff einen zukunftsorientierten und utilitaristischen Inhalt bekommen, der auf die Verhütung künftiger Straftaten abstellt. Dabei legt Hirano das Gewicht - m. E. wenig konsequent - auf die Generalprävention. Es soll in erster Linie die Begehung künftiger Straftaten verhütet werden, die in einer vergleichbaren innerlichen und äußerlichen Situation begangen werden können. Die Individualprävention und damit die Resozialisierung des Täters stelle ein modifizierendes oder ergänzendes Prinzip bei der Bestrafung dar 666 • Mit seinem utilitaristischen Schuldverständnis entfachte Hirano eine lebhafte Diskussion, die den Theorienstreit über "Schuld und Prävention" in der bundesdeutschen Rechtslehre 667 teilweise vorwegnahm. 3. Stellungnahme zur Schuldlehre Hiranos

a) Positiver Aspekt des deterministischen Standpunktes

Die Schuldkonzeption Hiranos ist insoweit der bisher herrschenden Lehre überlegen, als sie bei der Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit jene unbewiesene und wohl für immer unbeweisbar bleibende These der kontrakausalen Willensfreiheit und des Anders-handeln-Könnens nicht vorauszusetzen braucht. Denn nach seiner Auffassung kann die strafrechtliche Schuld bejaht werden, wenn sich das betreffende Verhalten auf die Determinanten in der durch den Strafvorwurf beeinflußbaren Persönlichkeitsschicht des Täters zurückführen läßt. Im Gegensatz zur indeterministischen Schuldlehre ist dabei der Rückgriff auf den freien Handlungsspielraum im Augenblick der Tat nicht erforderlich. Ob die Kategorie der (Natur-)Kausalität auch auf die Erklärung der Handlungen Anwendung finden kann oder ob menschliches Handeln nur durch eine nicht-kausale Redeweise zu beschreiben ist 668 , mag hier dahinstehen. Niemand wird jedenfalls bestreiten, daß menschliches Handeln, wenigstens in stark beeinflußte. Auch Ohya befürwortet die charakterologische Schuldauffassung; vgl. AT, S. 319fT.; Überblick über die strafrechtliche Schuldlehre, S. 20fT. 665 Hirano, Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 40ff. 666 AT I, S. 19ff., insbes. 25. 667 Vgl. etwa Roxin, Bockelmann-Festschrift, S. 279ff.; ders., SchwZStr Bd. 104, S. 356 ff.; Jakobs, AT, S. 394 ff.; Schünemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 153 ff. einerseits, Hirsch, in: LK, Vor§ 32 Rdn. 170; ders., Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 417ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor§§ 13 ff. Rdn. 117; Jescheck, AT, S. 193 f., 384f., 431, 432 Fn. 3 andererseits. Die Konstruktion Hiranos kommt der funktionalen Schuldlehre Jakobs insoweit nahe, als jene wie diese das Schuldurteil in radikaler Weise auf präventive Überlegungen zurückzuführen trachtet. Die Einwände, die gegen die Konzeption Jakobs erhoben worden sind, gelten sinngemäß für die Lehre Hiranos. 668 Vgl. dazu Pothast, Freiheitsbeweise, S. 203-249, 350-357.

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

gewissen Grenzen, durch kausale Faktoren bestimmt ist und dabei die durch den Strafvorwurf beeinflußbare Persönlichkeitsschicht des Handelnden als ein Bestimmungsfaktor eine Rolle spielen kann. Die auf dem weichen Determinismus aufbauende Schuldlehre benötigt zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht mehr als diese seinswissenschaftlich prinzipiell mögliche Feststellung. Da findet man in der Tat weder eine Fiktion noch eine "normative Setzung". Es ist nämlich für die Vertreter der auf die Determinanten des menschlichen Handeins abstellenden Schuldlehre nicht nötig, vorauszusetzen, daß jedes menschliche Handeln vom Kausalgesetz vollständig determiniert sei, was ihrerseits eine empirisch unbewiesene Aussage bleibt 669 • Folglich kann die Behauptung, daß auch die "deterministische" Schuldlehre von der unbewiesenen Hypothese der vollständigen Determiniertheil des menschlichen Handeins ausgehe 670 , nicht richtig sein 671 • Es wäre auch verfehlt, die Wahlfreiheit einfach zu postulieren und von Deterministen einen Beweis des Gegenteils zu verlangen 672 • Derjenige, der Personen verantwortlich machen will, müßte schließlich die Berechtigung dazu beweisen 673 • Nur auf deterministischer Basis kann man das Problem der Willensfreiheit als irrelevant für die Sanktionsbegründung erklären. Für den Deterministen handelt es sich bei der indeterministischen Schuldlehre sogar um einen Versuch, das in Zweifel gezogene Strafsystem gegen Kritik immun zu machen und es dadurch zu verewigen 674 • b) Aufgabe des Schuldprinzips?

Gegen die Auffassung Hiranos ist der Einwand erhoben worden, daß die "Schuld" dabei inhaltlich zu einem wertneutralen Haftungsbegriff verwandelt worden sei, insoweit Hirano 675 den Täter für seinen Charakter (d. h. für die normativ beeinflußbare Persönlichkeitsschicht) unbedingt verantwortlich machen will, ohne Rücksicht darauf, durch welche vielfältigen Gründe dieser ausgebildet worden ist, und daß sein Schuldbegriff nicht mehr in der Lage sei, die Verhängung einer staatlichen Strafe zu rechtfertigen 676 • 669 So Dreher, Die Willensfreiheit, passim. Vgl. auch Pothast, Freiheitsbeweise, S. 47fT., 362 ("des Metaphysischen verdächtig"). 670 So aber Naka, Die strafrechtliche Schuld und die Lehre von der Willensfreiheit, S. 54; Kanazawa, Strafrecht und Moral, S. 77fT.; Ohya, AT, S. 319f. Anm. 7. 671 Vgl. auch Lohmann, in: Schuldstrafrecht oder Normatives Maßnahmenrecht, S. 61 f.; Mir Puig, Jescheck -Festschrift, Bd. 1, S. 351. 672 So aber Dando, Problem der Willensfreiheit im Strafrecht, S. 224. 673 Hirano, Zur strafrechtlichen Schuld, S. 70. Vgl. auch Engisch, Die Lehre von der Willensfreiheit, S. 38 f.; Pothast, Freiheitsbeweise, S. 34fT., 381 f. 674 Vgl. Hirano, a.a.O., S. 80. 675 Vgl. Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 42 f. Er verweist hier auf die Darlegung von Heinitz, ZStW Bd. 63, insbes. S. 74ff.

2. Kap.: Streit um Willensfreiheit und materiellen Schuldbegriff

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Genauso wichtig scheint mir aber die damit zusammenhängende Kritik zu sein, daß die straflimitierende Funktion des Schuldprinzips, für die sich auch Hirano entschieden einsetzt, kaum mit seinem Schuldverständnis in Einklang zu bringen sei. Er hält zwar am Gedanken der Tatschuld fest, indem er den Gegenstand des Schuldvorwurfs auf die Einzeltat beschränkt677 . Er spricht hier von der "richtig verstandenen Tatschuld" 678 • Aber wir haben oben gesehen, daß der Schuld durch Hirano ein zukunftsorientierter, präventiver Inhalt gegeben wird. Entscheidend soll dabei sein, ob und inwieweit der Schuldvorwurf für die Verhinderung künftiger vergleichbarer Straftaten erforderlich ist. Kurz: das Ob und Wie der Schuld bestimmt sich für ihn nach präventiven Überlegungen. Nun besagt die Limitierung der Strafe durch das Schuldprinzip, daß man dem präventiven Strafbedürfnis mit Hilfe eines von rein präventiven Überlegungen zu unterscheidenden Gesichtspunktes Schranken setzt. Die Schuld kann die Funktion der Strafzweckbegrenzung nur dann optimal erfüllen, wenn man sie als etwas Andersartiges den Strafzwecken gegenüberstellt 679 • Ein Schuld begriff, der unabhängig von den rein präventiven Überlegungen vergangenheitsorientiert konzipiert wird, ist dafür am besten geeignet680 . Wenn man "Schuld" und "Prävention" nicht als zwei voneinander verschiedene Größen ansieht, dann geht die straflimitierende Funktion des Schuldprinzips verloren 681 • Ist es vielleicht möglich, einen anderen Maßstab für die Straf(maß)begrenzung anzubieten? Hirano verlangt die "Proportionalität zwischen Tat und 676 So Fukuda, Probleme der gegenwärtigen Schuld lehre, S. 88, 90 Anm. 21 ; Nakayama, AT, S. 324, 325 Anm. 5; ders., Die funktionale Betrachtungsweise des Strafrechts und ihre Probleme, S. 111 f.; ders., Ideologische Grundlagen der Lehre von der Willensfreiheit, S. 246f.; Nishihara, AT, S. 394, 400; Kanazawa, Strafrecht und Moral, S. 77ff. 677 Hirano, Persönlichkeitsschuld und Tatschuld, S. 43 f. Vgl. dazu Tokoro, Der Maßstab der Strafzumessung, S. 73; N ishihara, AT, S. 399. 678 A.a.O. , S. 43f. Dagegen Nakayama, Ideologische Grundlagen der Lehre von der Willensfreiheit, S. 246f. 679 So mit Recht Zipf, ZStW Bd. 89, S. 711. 680 Aus der bundesdeutschen Literatur vor allem Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rdn. 170; ders., Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 417ff.; Jescheck, AT, S. 194; Maurach I Zipf, AT II, § 63 Rdn. 1 ff. ; Lackner, StGB, Vor§ 13 Anm. III 4 a; Schünemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 175 ff. Eindringlich zur Frage, ob und inwieweit sich das Schuldprinzip auf ausschließlich utilitaristischer Basis rechtfertigen läßt, Burkhardt, Utilitaristische Rechtfertigung des Schuldprinzips, insbes. S. 63 ff. Das im Text Ausgeführte bedeutet aber nicht, daß die Schuld gänzlich unabhängig von den jeweiligen sozialen Zuständen und ohne Berücksichtigung der Ordnungsfunktion der Strafe ermittelt werden müßte. Die Schuldstrafe muß vielmehr dem Wertempfinden der derzeitigen Rechtsgemeinschaft dazu entsprechen, welche Strafreaktion der Täter wegen der vergangeneo Einzeltat - auch unter Berücksichtigung der Mitverantwortung der Gesellschaftgerechterweise verdient. Nur eine solche Strafe kann sowohl für die Rechtsgemeinschaft als auch für den Täter einsichtig und annehmbar sein und wird auch präventiv optimal wirken. Dazu instruktiv Kunz, ZStW Bd. 98, insbes. S. 828 ff.; vgl. ferner Tiemeyer, ZStW Bd. 100, S. 563ff. 681 Näher dazu !da, Über die verschuldeten Auswirkungen der Tat, S. 92.

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Teil E: Diskussionen in der Schuldlehre

Strafe" 682 • Aber die Proportionalität bleibt als solche solange rein formal und inhaltsleer, bis geklärt ist, welche Größen man zueinander in Verhältnis setzen soll683 • Da Hirano nach dem oben Dargelegten konsequenterweise nicht mehr von der Verhältnismäßigkeit von Schuld und Strafe sprechen dürfte, bliebe ihm nichts anderes übrig, als die Strafhöhe zur Schwere des Unrechts in ein angemessenes Verhältnis zu setzen 684 • Hinzu kommt, daß Hirano in der Unrechtslehre für die alleinige Relevanz des Erfolgsunrechts plädiert. Bei der Proportionalität im Sinne von Hirano müßte es sich folglich um das Maßprinzip eines reinen Erfolgsstrafrechts handeln. Das ist aber zur Straflimitierung völlig untauglich. Dieses Maßprinzip ist nicht einmal in der Lage, hinsichtlich der Strafobergrenze zwischen der vorsätzlichen und der fahrlässigen Tötung zu unterscheiden. Die Liste der Argumente, die für die Undurchführbarkeit einer solchen Konzeption sprechen, ließe sich beliebig verlängern. Der Einwand gegenüber der modernen spezialpräventiven Strafrechtsschule, der darin besteht, daß jemand nötigenfalls trotzdes Bagatellcharakters seiner Tat jahrelang der Freiheit beraubt würde, scheint mir durch die Lehre Hiranos nicht ausgeräumt zu sein 685 • Auch der utilitaristischen Umdeutung des Schuldbegriffs sind Grenzen gesetzt: Wir wissen über die präventiven Wirkungen der Strafe nur wenig, und es würde eine Gefahr für die Rechtssicherheit mit sich bringen, wenn man über das Ob und Wie der Strafe nach präventiven Überlegungen im Einzelfall, d. h. "handlungsutilitaristisch" 686 , entscheiden müßte687 . Wir müssen uns vielmehr grundsätzlich damit begnügen, zu erwarten, daß die retrospektiv festgesetzte Schuldstrafe zukunftsgerichtet, d. h. generalpräventiv und spezialpräventiv, optimal wirken wird 688 • Eine Korrektur im Sinne der Unterschreitung der schuldentsprechenden Strafe ist möglich, wenn wir über ein mehr oder minder gesichertes Erfahrungswissen über die präventive Wirkung der Bestrafung in concreto verfügen. Denkbar ist dabei, daß das abstrakte Interesse an der Generalprävention in gewissen Grenzen hinter das konkrete Interesse an der Vermeidung der Entsozialisierung des Täters zurücktritt. Alle oben genannten Gegenargumente laufen im Grunde auf eine Frage hinaus: Kann und darfman den Täter rein "objektiv", d.h. als ein Objekt von Hirano, AT I, S. 22. Vgl. dazu Arthur Kaufmann, Lange-Festschrift, S. 32f.; ders., Jura 1986, S. 228; Dreher, Die Willensfreiheit, S. 56; Roxin, SchwZStr Bd. 104, S. 363. 684 Somit RechtNakayama, AT, S. 56Anm. 2, S. 84Anm. 3; ders., Grundgedankendes Strafrechts, S. 179 f., 185. 685 So aber Tokoro, Der Maßstab der Strafzumessung, S. 73. 686 Dazu etwa Burkhardt, Utilitaristische Rechtfertigung des Schuldprinzips, insbes. s. 63ff. 687 Vgl. auch Schünemann, Die Funktion des Schuldprinzips, S. 171 ff.; Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 418 f. 688 Vgl. o. Fn. 680. 682

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Lenkung und Konditionierung, ansehen? Das ist die Frage, an der jede rein utilitaristische und nach zukünftigen Nutzen orientierte Strafrechtslehre gescheitert ist 689 •

689 Dazu zuletzt Kunz, ZStW Bd. 98, S. 826fT. Aber um ein gerechtes Bild zu bieten, muß auch darauf hingewiesen werden, daß Hirano zugleich Protagonist eines liberalen Strafrechtsverständnisses ist, indem er die Grenzen strafrechtlicher Sozialkontrolle nachdrücklich betont.

Teil F

Schluß a) Die Darlegungen dürften gezeigt haben, daß die Dogmatik beider Länder durchaus über gemeinsame Begriffsapparate und Argumentationsweisen verfügt. Bei Diskussionen kommen des öfteren vergleichbare oder gar gleiche Argumente und Gegenargumente vor. b) Ein großer Unterschied der Strafrechtswissenschaft beider Länder ist aber in der bisherigen Darstellung noch nicht deutlich zutage getreten. Er beruht auf den verschiedenen "justiz-kulturellen" Hintergründen und betrifft das Verhältnis zwischen der Rechtslehre einerseits und der Gesetzgebung sowie der Rechtsprechung andererseits. Was die Gesetzgebung angeht, so läßt sich der bundesdeutsche Gesetzgeber immer von der Rechtslehre belehren und versucht ständig, die gewonnenen Erkenntnisse der Wissenschaft ins Gesetz zu transferieren. Seine innovativexperimentierende Einstellung beeindruckt immer den außenstehenden Betrachter. Der japanische Gesetzgeber zeichnet sich dagegen durch eine sehr zurückhaltende, viel weniger aktive Tätigkeit aus. In der Rechtslehre Japans herrscht in dieser Hinsicht eine eher resignierte Stimmung. Ähnliches gilt auch für die Judikatur. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Rechtsprechung für Kritik durch die Lehre in hohem Maße empfänglich. Sie ist bereit, sich mit Ergebnissen dogmatischer Arbeiten auseinanderzusetzen 690 • In Japan dagegen besteht besonders im strafrechtlichen Bereich eine gewisse Kluft zwischen Rechtslehre und Gerichtspraxis. Die Judikatur scheint Auseinandersetzungen mit der Rechtslehre eher vermeiden zu wollen. Die Urteilsbegründungen sind meist kurz gefaßt und wirken manchmal autoritär. Sie gehen auf den rechtstheoretischen Streit nicht ein. Ein Literaturnachweis erfolgt nicht. Von einem wechselseitigen Gespräch kann kaum die Rede sein. Die japanischen Richter meinen, so scheint es mir fast, sie würden ihre Autorität verlieren, wenn sie sich durch die Ansicht der Lehre beeinflussen ließen. Das hängt wohl mit folgenden Umständen zusammen: Erstens brauchen die Richter normalerweise keine wissenschaftlichen Theorien zu Hilfe zu nehmen: Sie haben ohnehin in aller Regel die in hohem Maße strafwürdigen und auch strafbaren Fälle vor sich, weil nur für solche Fälle in 690 Aber in diesem Zusammenhang wirdjetzt auch auf das Problem der "Publikationsflut" hingewiesen; vgl. Hirsch, Die Strafrechtsdogmatik nach Welzel, S. 426 f. ; ausführlich dazu Arzt, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann (erscheint demnächst).

Teil F: Schluß

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Japan eine Klageerhebung durch den Staatsanwalt in Betracht kommt. Die Richter sind mit materiellrechtlich zweifelhaften Grenzfallen selten konfrontiert691. Man darf auch nicht übersehen, daß es in Japan kaum wegen Beweisschwierigkeiten zu materiellrechtlichen Problemen kommt. In der bundesdeutschen Praxis ereignet es sich manchmal, daß eine mehrdeutige Tatsachengrundlage unter Anwendung des In-dubio-pro-reo-Prinzips zu einer Fallgestaltung führt, die mit einer subtilen und differenzierten materiellrechtlichen Konstruktion bewältigt werden muß 692 . Das ist in Japan praktisch nicht denkbar. Im Ermittlungsverfahren werden die Tatsachen von Polizei und Staatsanwaltschaft gründlich erforscht. Die Staatsanwaltschaft klagt nur dann an, wenn sie den Sachverhalt eindeutig geklärt hat und eine Verurteilung als sicher ansieht. Praktisch sind fast alle Angeklagten geständig. Zweitens hängt diese Kluft zwischen Lehre und Praxis möglicherweise mit der Juristenausbildung in Japan 693 zusammen. Das erste juristische Staatsexamen hat mit dem Universitätsabschluß nichts zu tun und findet getrennt von der Universitätsausbildung statt. Diese Prüfung ist Voraussetzung für den praktischen Justizdienst, wobei nur 2% der Kandidaten bestehen694 • Andererseits müssen diejenigen an der Hochschule verbleibenden Studenten, die die Universitätslaufbahn einschlagen wollen, frühzeitig eine oder zwei Fremdsprachen erlernen, deren Kenntnisse beim Staatsexamen keine Rolle spielen. Für die akademische Laufbahn wird der Universitätsabschluß für ausreichend erachtet. Das hat zur Folge, daß nur sehr wenigeUniversitätsprofessorendas Referendarexamen abgelegt haben, geschweige denn das Assessorexamen. Eine gewisse Praxisfremdheit der japanischen Universitätslehrer läßt sich nicht leugnen.

Daß die Rechtslehre keinen ständigen Einfluß auf die Judikatur nehmen kann, hängt auch damit zusammen, daß die Richter sehr stark an Präjudizien orientiert sind. Die Rechtsprechung zögert, selbst eine so selbstverständlich gewordene dogmatische Einsicht wie das Fahrlässigkeitserfordernis beim erfolgsqualifizierten Delikt anzuerkennen, obwohl positivrechtlich wenig dagegen spricht695 . Neue rechtliche Entwicklungen gehen, wenn überhaupt, sehr oft 691 Daher kommt auch die absonderliche Erscheinung, daß die japanischen Strafrechtler ihr Fallmaterial nicht in den Gerichtsentscheidungen des eigenen Landes, sondern in den bundesdeutschen Strafrechtslehrbüchern suchen. Darauf hat Miyazawa wiederholt hingewiesen. 692 Dazu Arzt, Der Einfluß von Beweisschwierigkeiten auf das materielle Strafrecht, S. 77ff.; Hillenkamp, Wassermann-Festschrift, S. 864fT. jeweils mit instruktiven Beispielen. 693 Zur Juristenausbildung in Japan siehe Eube/, in: Eubel u. a., Das japanische Rechtssystem, S. 599ff.; Miyazawa, JuS 1982, S. 392ff.; Kigawa, JuS 1988, S. 579f. 694 Im einzelnen Miyazawa, a. a. 0 ., S. 393. 695 Weil die bindende Kraft der Präjudizien groß ist, kommt es sogar vor, daß der Staatsanwalt, der seine "Freiheit" nicht durch eine die Praxis bindende Rechtsprechung verlieren will, u.U. auf die Revision verzichtet, um eine neue Rechtsprechung des OGH zu vermeiden.

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Teil F: Schluß

nicht vom OGH, sondern von Gerichten der unteren Instanzen aus 696 • Aber auch die dortigen Richter sind nicht immer innovativ. Dabei spielt die zentralisierte Personalpolitik eine Rolle. Es kann leicht geschehen, daß ein Richter, der eine "augenfällige", d. h. von der bisherigen Rechtsprechung stark abweichende Entscheidung gefällt hat, auf eine Karriere "auf das Zentrum hin" verzichten und für immer "auf dem Land" bleiben muß. c) Das alles ist jedoch kein Grund für Pessimismus hinsichtlich der japanischen Strafrechtsdogmatik. Die Wirkung der Rechtslehre auf die Praxis, vor allem durch die Juristenausbildung an den Universitäten, ist nicht zu unterschätzen. Die dogmatische Denkweise bestimmt dadurch nicht unerheblich die Praktiker, auch wenn sie im Ergebnis nicht immer mit der Auffassung der Rechtslehre übereinstimmen. Obgleich selten, so findet doch auch eine direkte Einflußnahme statt, wie sich insbesondere bei der Einführung des Vertrauensgrundsatzes im Straßenverkehr durch den OGH gezeigt hat. Darüber hinaus darfman nicht vergessen, daß die Tätigkeit der Dogmatiker, die wissenschaftliche Wahrheit zu suchen, in gewissem Sinne als "Selbstzweck" angesehen werden kann. Ganz unabhängig von ihrem praktischen Gewinn enthält die dogmatische Arbeit einen großen Erkenntniswert(i97. Wer sie nur unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit für die Praxis betrachtet, beraubt sie ihres Ethos, das erst die Wissenschaftlichkeit ausmacht. Das gilt auch für die rechtsvergleichende Untersuchung des bundesdeutschen und japanischen Strafrechts. Ihr Wert reicht weit über den praktischen Nutzen hinaus. Daß die Wissenschaftler beider Länder über gemeinsame Begriffsapparate und Argumentationsweisen verfügen, ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Forschungen der vergangenen Jahrzehnte. Denn der letzte Sinn der wissenschaftlichen Tätigkeiten liegt darin, zu beweisen, daß die Menschen bei allen Differenzen in Herkunft, Lage und Umwelt sich verständigen und gegenseitig voneinander lernen können. Freilich müssen wir noch die Übersetzungsschwierigkeiten bewältigen. Ganz abgesehen davon werden die Menschen über die in den verschiedenen Sprachen enthaltenen Ordnungsschemata unbewußt zu unterschiedlichen Beobachtungen und Bewertungen geführt. Es ist schwer, zu erreichen, daß Menschen, die nicht aus demselben Sprachgebiet kommen, sich voll verstehen. Der Annäherungsversuch sollte aber nicht nur von einer Seite erfolgen.

696 697

Vgl. Dando, Heinitz-Festschrift, S. 45. Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 233.

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