Die geistlichen Orden und Klöster und die Berechtigung ihrer Existenz [Reprint 2021 ed.] 9783112447444, 9783112447437

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Die geistlichen Orden und Klöster und die Berechtigung ihrer Existenz [Reprint 2021 ed.]
 9783112447444, 9783112447437

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Die

geistlichen Orden nnd Klöster und die

Berechtigung ihrer Existenz

in den

westlichen Provinzen des Preußischen Staates.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.

1864.

*Jxe ungemeine Vermehrung der Klöster in den westlichen

Provinzen des Preußischen Staate- zieht in unserer Zeit die all­

gemeine Aufmerksamkeit auf sich.

An vielen Orten setzen sich in

aller Stille männliche und weibliche Orden aller Arten fest und

man gewahrt sie oft erst, wenn ihre umfangreichen Gebäude und Kirchen schon emporrageu.

Vor Allem ist es der Iesuiten-Orden, welcher sich mehr und mehr ausbreitet und deffen großartige Niederlassungen und Er­

ziehungshäuser wir an vielen Orten von Rheinland und West­ falen, namentlich in Paderborn, Münster, Cöln, Aachen, Bonn und

neuerdings in Kloster Laach bei Coblenz erblicken, zu geschweigen von anderen Orten am Rhein wie von Mainz. Es kann hier nicht die Absicht sein, eine Geschichte dieses

Ordens, seiner Tendenzen ittib seiner Aufhebung zu schreiben. Es wird genügen, anzuführen, daß dieser Orden anfänglich zur Bekehrung der Ungläubigen im gelobten Lande gegründet, nach­

dem dieser Zweck an den Umständen gescheitert war, sehr bald, hauptsächlich gegen die Ketzereien der damals auflebenden Refor­ mation sich richtete „als eine gerüstete Schaar, allzeit bereit zu kämpfen für Gottes Statthalter, dem heiligen Vater zu Rom,

1*

4 und für die allein seligmachende römisch-katholische Kirche" und

daß überall, wo der Orden

auftrat,

sich dessen Streben kund

gab, großen Einfluß zu üben, nicht bloß auf die kirchlichen, son­ dern auch auf die staatlichen Verhältnisse der Länder, ans kirch­ liche wie auf weltliche Herrschaft.

Mittel dazu boten ihm seine

feste, geschlossene und konsequent verfolgte Organisation, die großen,

ihm von der Kirche bewilligten Immunitäten und Privilegien, wohin

vor Allem die Befreiung von jeglicher bischöflicher und

pfarrlicher Gewalt und Aufsicht gehört — sein allerdings schwer zu ergründender innerer Zusammenhang mit vielen andern männ­

lichen und weiblichen Orden

und weltlichen Affiliirten, — die

Weltkenntniß, Geschmeidigkeit und Feinheit in der Auffassung und Ausbeutung kirchlicher und weltlicher Verhältnisse, — die Errich­

tung großartiger Schulanstalten, welche es ihm erleichterten, sich

aus der fähigsten Jugend zu recrutiren — die großen ihm zu Gebote stehenden Mittel, welche er aus dem eingeworfenen Ver­

mögen der zum Orden angeworbenen Reichen, aus den Beiträgen seiner bemittelten und einflußreichen Verehrer und Affiliirten und

aus den nicht verschmähten, bis zum Welthandel gesteigerten, Ge­ Alles dieses wußte der Orden mit einem seltenen

werben bezog.

Organisations-Talente zu benutzen und mächtigen Einfluß daraus zu gewinnen.

Bezeichnend ist es für diesen Einfluß, daß man in

Rom den Jesuiten-General, in welchem sich die ganze Regierung des Ordens concentrirt, an welchen theils monatlich, theils vier­

teljährlich über alle Interessen des Ordens, über die Fähigkeiten und die Conduite seiner Glieder, wie über politische Ereignisse

Berichte erstattet werden, welchem alle Angehörige blindlings un­

terworfen und zu jedweder Verfügung gestellt sind, im Volksmunde den schwarzen Papst papa nero nennt, zum Unterschiede von

dem weißgekleideten heiligen Vater papa bianco. Diesem

gewaltigen Einflüsse

eine Reaction

entgegen.

Schon

trat seit langer Zeit überall

im Jahre

1594 wurden

die

5

Jesuiten in Folge eines Attentats auf das Leben Heinrichs IV.,

dessen intellektuelle Urheberschaft ihnen wohl mit Unrecht schuld

gegeben wurde, als Majestätsverbrecher aus Frankreich verwiesen, wußten

sich aber darin zu erhalten und wurden nach wenigen

Jahren wieder darin ausgenommen.

In Rußland erfolgte ihre

Vertreibung dnrch den Czar Peter im Jahre 1719,

aber nach

der ersten Theilung Polens, worin sie sich erhalten hatten, wur­

den sie von der Kaiserin Catharina wieder geduldet.

Aus Por­

tugal wurden sie als Hochverräther unter Einziehung ihrer Güter im Jahre

1759

vertrieben.

In Frankreich

wurden sie durch

eine Königliche Verordnung im Jahre 1764 als eine religions­ widrige, lediglich politische Gesellschaft, deren Zweck nur die Ver­ mehrung ihrer Macht sei, wieder aufgehoben.

Neapel wurden

Ans Spanien und

sie im Jahre 1767 verbannt.

Ihre gänzliche

Aufhebung durch den Papst Clemens XIV. erfolgte im Jahre

1773.

In Preußen behielt Friedrich der Große sie unter dem

Namen Priester des Königlichen Schul-Instituts noch bei, wobei

sie aber ihre Ordenskleidung ablegen und ihre Verfassung auf­ geben mußten,

und

auch dieses Institut wurde durch Friedrich

Wilhelm n. aufgehoben.

Aber alle

diese Schläge konnten den

Orden nicht sprengen, er hielt sich, bis er endlich im Jahre 1814

durch Pius VII. wieder förmlich in seine Rechte eingesetzt wurde

und von da anfing, mit erneuerter Kraft über alle Theile der Erde sich zu verbreiten. Mag man viele der Beschuldigungen, welche man erhob, um

die Aufhebung des Ordens zu motiviren, für unbegründet halten — mag man zugeben, daß dabei' unlautere und selbstsüchttge Mottve, Habsucht und Intriguen concurrirten, — so viel wird zu­

gegeben werden müssen, daß

eine Unverträglichkeit des Ordens

mit weltlichen und staatlichen Zwecken ein Haupt-Mottv darstellt. Denn wie könnte man es sich sonst erklären,

daß in allen Län­

dern, wo man sonst auch die reichsten Klöster und geistlichen

6 Besitzungen ruhig bestehen ließ, gerade gegen diesen Orden sich

überall die nämlichen Vorwürfe und Angriffe wiederholten und überall zu demselben Resultate der Aufhebung führten? Das er­ gibt sich auch, um nur wenige Beispiele hier anzuführen, aus dem

großen Einflüsse, den sie im 30 jährigen Kriege auf die Bildung der Ligue äußerten und wodurch ihnen im Jahre 1629 selbst das

Unrecht gelang, die von den Reichsstädten sequestrirten geistlichen Güter anderer Orden zu deren Nachtheil an sich zu ziehen, —

aus ihrer Herrschaft in dem Iesuiten-Staate Paraguay — und endlich

aus

ihrem Einflüsse auf die weltlichen und staatlichen

Verhältnisse der Schweiz,

welcher nach dem Sonderbundskriege

im Jahre 1847 mit ihrer gänzlichen Vertreibung derartig endete, daß

der Artikel 58 der Verfaffung vom 12. Septsmber 1848

bestimmte:

Der Orden der Jesuiten und die ihm affiliirten Ge­ sellschaften dürfen in keinem Theile der Schweiz Auf­

nahme finden.

Der Jesuiten-Orden kennt keine Familie.

Wer in denselben

tritt, wird von Vater und Mutter, Bruder und Schwester isolirt

und von der natürlichen, herzlichen Liebe zu Eltern und Ange­ hörigen immer mehr abgelöst.

Noch zeigt man im Jesuiten-Pro-

feßhause al Gesu zu Rom den Kamin, in dessen Feuer Ignatius

Loyola die von seiner Familie ankommenden Briefe ungelesen warf. DerJesuiten-Orden kennt kein Vaterland, er erstreckt sich mit gleichen

Zwecken über alle Theile der Erde,

wo er sich festsetzt und die

er ohne alle Rücksicht auf nationalen und staatlichen Zusammen­

hang, lediglich nach seiner universal-monarchischen, festgegliederten Verfassung, in Assistenzen und Provinzen eintheilt.

Sein Selbst­

zweck ist der Orden, mehr noch als die Kirche mit ihren hierar­

chischen Institutionen als die allein beglückende Mutter der Völ­

ker, wofür er streitet, um seinen Einfluß auf dieselbe zu sichern.

Auf die Vernichtung der Feinde der Römischen Kirche waren die

7 tiefen Pläne seines Stifters Ignatius Loyola gerichtet.

Seine

Glieder durchwandern alle Länder und überschreiten durch steten Wechsel in den Anstalten verschiedener Länder die der Nationali­ tät und Einwanderung gezogenen Gränzen staatlicher Zusammen­

gehörigkeit.

Was kümmert den Franzosen, den Belgier, der von

seinem General für die Weltzwecke seines Ordens nach Deutsch­

land befohlen wird, unser deutsches Vaterland? Wir erwähnten oben seines durch die Affiliationen bedingten Einflusses. wandte,

Diese Affiliationen erstrecken sich nicht nur auf ver­

vielleicht unter anderen Namen identische Orden, wie

Vicentiner,

Redemtoristen,

Brüderschaften

Jgnorantiner,

mancher Art,

sowie

auf geistliche

sondern auch auf Laien von den

höchsten bis zu den niedrigsten Schichten des Volkes, welche durch ein Gelübde seinen Zwecken als Coadjutoren, Adjunkte, Afftliirte

oder, wie man sie auch nennt, „Jesuiten in kurzen Röcken" dienst­ bar gemacht werden, und im Stillen,

ungekannt für dieselben

wirken.

Wie einst Ludwig XIV. dem Jesuiten-Orden affiliirt

wurde,

so

zählt derselbe auch noch heute unter Geistlichen und

Laien Tausende von Affiliirten,

und in unseren Provinzen' ist

dem Orden der größte Theil des sogenannten autonomischen Adels dienstbar, dessen Söhne auf dem kleinen Laien-Germanicum (Ritter-

Akademie) zu Bedburg erzogen werden,

welcher den Orden in

jeder Weise unterstützt und dessen Ehen beispielsweise nur nach vorhergegangenen geistlichen Exercitien des heil. Ignatius Loyola

geschlossen werden. wort leugnen!

Mögen seine Mitglieder es auf ihr Ritter­

Wir könnten einige Beweise liefern.

Freilich haben die Jesuiten auch ihre Gegner selbst in der

Kirche, und dazu gehört namentlich ein großer Theil der Pfarr­ geistlichkeit, welche nicht damit einverstanden sein kann, daß ihr

die Seelsorge, wozu sie berechügt und verpflichtet ist, durch Ein­ mischung der Jesuiten entzogen wird, und daß die letzteren einen

überwachenden und bestimmenden Einfluß auf sie erlangen. Aber

8 dieses Widerstreben der Pfarrgeistlichkeit wird machtlos durch die Unterstützung und Begünstigung, welche die Bischöfe den Jesuiten

zu Theil werden lassen, und wie weit sich diese Unterstützung er­ streckt, geht aus einem Beispiele jüngster Zeit hervor.

Der Bischof von Trier ist nämlich, wie wir vernehmen, bei der Staats-Regierung darum eingekommen, daß die dem Staate

gehörige Kirche, welche im Bereiche

des von den Jesuiten zur

Errichtung eines Noviziats angekausten Klosters Laach bei Coblenz liegt,

den Jesuiten

um so mehr zum Gottesdienste eingeräumt

werde, als er beabsichtige die geistlichen Exercitien für seinen ge-

sammten Diöcesan-CleruS dort abhalten zu lassen. Was nun diese geistlichen Exercitien sind, das erfahren wir

neuerdings aus einem Buche,

welches

durch seine Harm- und

Leidenschaftslosigkeit den Stemqel der Wahrheit trägt:

Erinnerungen eines

lings.

ehemaligen Jesuitenzög­

Leipzig, bei F. A. Brockhaus.

1862.

Der Verfasser gibt uns in diesem Buche ein einfaches und

anziehendes Bild seines Jugendlebens in der Familie, in dem Hause eines zelotischen Landpfarrers, der ein sogenanntes kleines Germanicum angelegt hatte, um kindliche Seelen für den Jesui­ ten-Orden vorzubereiten, — dann in dem jetzt aufgelösten Je-

suiten-Collegium zu Freiburg in der Schweiz und endlich in dem

Collegium germanicum der Jesuiten in Rom.

Seine Schilde­

rung ist frei von aller Gehässigkeit, er läßt den Jesuiten die Ehre, die ihnen gebührt,



er greift mit keinem Worte ihre

Sittenreinheit an, er lobt ihre feinen Manieren, ihre Milde und

Leidenschastlosigkeit in der Erziehung, ihre musterhafte Ordnung,

ihr ausgezeichnetes Organisationstalent.

Aber er hebt auch her­

vor, wie diese Eigenschaften dazu angewandt werden, eine unge­

heuere Gewalt über die Geister zu erlangen, römische Herrschaft

zu begründen und sich selbst zu Hauptträgern dieser Herrschaft zu machen.

Er führt nun in diesem Buche aus, wie er selbst sowohl

9

bei seinem Landpastor, als später in Freiburg und Rom diesen geistlichen Exercitien unterworfen gewesen sei, und gibt die Quelle an, woraus er die Darstellung ihres wesentlichen Inhalts schöpft. Es ist das in lateinischer Sprache geschriebene, von dem IesuitenGeneral Roothaan herausgegebene Werk: Exercitia spiritualia 8. P. Ignatii de Loyola cum versione litterali ex autographo hispanico notis illustrata editio altera. Namur 1841. Der Raum dieser Zeilen gestattet es nicht, in die angegebenen Details einzugehen, wir wollen nur kurz angeben, daß unter geistlichen Exercitien jegliche Art verstanden wird, „das eigene Gewissen zu erforschen, zu betrachten, laut oder in Gedanken zu beten und andere näher anzugebende geistliche Verrichtungen vorzunehmen." Sie bestehen aus den in stiller klösterlicher Abgeschiedenheit unter Schweigen, Beten und Kasteien (auch mit Stachelgürteln, Geißeln und Stricken) vorzunehmenden Betrachtungen (contemplationes), Gewissensforschung (examen conscientiae), verbunden mit Beich­ ten, namentlich einer General-Beichte, welche sich über das ganze verflossene Leben erstteckt und dem Genusse der Communion. — Ihre Dauer beträgt eigentlich vier Wochen. Indessen vermögen nur starke Naturen dieses auszuhalten, und deßhalb pflegt die Zeit wohl auch auf geringere Dauer herabgesetzt zu werden. — Während solcher Zeit nun wird von Morgens 5 bis Abends 10 Uhr unter Leitung des Exercitienmeisters betrachtet, gebetet, Messe gehört, über die Betrachtungen und Gewissenserforschungen nach­ gedacht und schriftlich gearbeitet, wozu der Exercitienmeister die Themata angibt, die letzteren corrigirt und bereit ist, die etwaigen Anliegen der einzelnen Uebenden anzuhören und ihnen Rath zu ertheilen. Die Betrachtungen erstrecken sich größtentheils auf die Grundlehren des Christenthums: Sünde, Erlösung, Verdammung und Seligkeit. Die Phantasie wird zunächst mit grausen Schil­ derungen vom Fegefeuer, Hölle und Teufel erregt und gegen das Ende durch Gemälde der himmlischen Seligkeit gehoben, welchem

10 nach die Zerknirschung der General-Beichte und die Communion

das Ganze abschließt.

So wird man denn nach dem Zeugnisse unseres Gewähr smanns schließlich so mürbe gemacht, daß die Jesuiten aus

einem

machen können, was sie wollen. Welche Gelegenheit ist hier dem geistlichen Exercitienmeister

geboten, auf die Ueberzeugungen und Gewissen zu wirken, jede Renitenz

auch

Unterwerfung

gegen

unter

den Orden zu beseitigen und eine blinde die Ansichten

des Ordens von der Kirche

herbeizuführen, wie es denn unter Nr. 13 der Loholaschen Regeln über die Uebereinstimmung mit der Kirche heißt: man müsse das,

was unsern Augen weiß erscheine, mit der Kirche für schwarz

halten: Welch eine Gelegenheit bietet sich da für den Orden, mit Hülfe eines jesuitenfreundlichen Bischofs (und ein solcher kann es

nur sein, der ein solches Verlangen stellt) die in die Exercitien commandirten Pfarrer mürbe und im jesuitischen Sinne glaubenS-

fest, Propaganda für den Orden zu machen und demselben die ganze Diöcesan-Geistlichkeit zu «Muren.

Wie unendlich weitgrei­

fend dadurch der jesuitische Einfluß werden würde, das zeigt ein Blick auf die Einwirkung, welche die Geistlichkeit auf die confessionelle Schule hat.

Wahrlich, es könnte dahin kommen, daß in der

katholischen Jugend eine Unterordnung jedes vaterländischen Ge­

fühls unter die weltumfassenden Zwecke des Ordens bewirkt, der Schwerpunkt jedes nationalen und staatlichen Zusammenhangs in

die Wohnung des Iesuiten-Generals zu Rom verlegt würde.

Gott behüte unsere Diöcesan-Geistlichkeit davor, daß der

Staat durch Bewilligung einer ihm gehörigen Kirche zu solchen Zwecken einem derartigen Treiben,

welches für alles Vaterlän­

dische, insbesondere in einem Staate mit gemischten Confessionen und unter einem protestantischen Herrscher, nur verderblich wirken kann, Vorschub leiste und jeden Rest freier Ueberzeugung und Vaterlandsliebe in seiner vaterländischen Geistlichkeit opfere.

11 Wir knüpfen hieran ein Wort über das, was der Friede der

Confessionen

von

den Jesuiten zu erwarten hat.

Ihre

Missionare, wozu die hervorragensten Redner ausgewählt werden, durchziehen das Land, und der Ruf ihrer Begabung, ihrer Fröm­

migkeit zieht alles Volk an, aufmerksam ihre Predigten zu hören, in der Beichte bei ihnen Trost für die Seele und demnächst reiche Sündenvergebung zu suchen.

Ihre Predigten erstrecken sich an­

fangs über christliche Tugenden, über Mäßigkeit, Keuschheit, Thä­

tigkeit, Fleiß und Pflichttreue.

Wir haben selbst solche Predigten

mit angehört, die sich kaum specifisch christlich, sondern fast nur allgemein sittlich nennen ließen.

Aber später kamen die abwei­

chenden Meinungen auch polemisch an die Reihe.

Die katholische

Kirche wird andern gegenüber apotheosirt, und wir erinnern uns einer Predigt über das Primat Petri und über die Geschichte der

Päpste, welche aller Geschichte in's Gesicht schlug.

Wie aber die

Jesuiten principiell über den Protestantismus denken, das bezeugt noch in unserer Zeit einer ihrer berühmtesten Ordensbrüder, der

päpstliche Theolog Peronne, in seiner Schrift „Protestantismus und Kirche" mit den Worten:

Verbreiter sind

Der Protestantismus und seine

in religiöser Hinsicht das,

was in natürlicher

Hinsicht die Pest ist.

Außer den Jesuiten sind es besonders die Bettelorden, die sich über unsere Provinzen verbreitet haben, die sich stets als

treueste und unbedingteste Werkzeuge für die Weltherrschaft des

Römischen Stuhles erwiesen und wegen ihrer militairisch-monarchischen Verfassung unter einem in Rom wohnenden, nur dem

Papste verantwortlichen General das stehende Heer des Papstes genannt werden; — die Dominicaner, deren ursprüngliche Bestimmung eS ist, gegen die Ketzer zu predigen, denen in Spa­

nien die von ihnen furchtbar gehandhabte Inquisition übertragen

war, auS deren Mitte der berüchtigte Tezel hervorging; — die Franciscaner, welche mit den Dominicanern um Herrschaft

12 und Einfluß streitend mit diesen den Fürsten Gewissensräthe und

RegierungSgehülfen gaben, bis sie durch die Jesuiten verdrängt wurden, — und die schmutzigen Capuziner,

die Cyniker des

Christenthums; — endlich sind es eine Menge Nonnenorden und insbesondere die der strengsten Regel — die Clarissen und Car-

melitessen.

Wir

werden auf die Frage zurückkommen,

ob

die

Existenz aller dieser Orden in unserem Staate dessen Interesse

entspricht.

Für's Erste aber wollen wir uns mit der Beantwor­

tung der Frage beschäftigen:

Welches Recht haben sie, unter uns zu existiren?

Welches

Recht haben sie insbesondere, Kirchen zu besitzen und öffentlichen

Gottesdienst zu halten? Betrachten wir diese Fragen zunächst aus dem Gesichtspunkte der Gesetzgebung aus dem linken Rheinufer.

Wir haben schon

oben bemerkt, daß in Frankreich der Jesuiten-Orden im Jahre 1764 aufgehoben

wurde.

Die Stürme der Revolution gingen

vernichtend auch über die übrigen geistlichen Orden.

Nachdem

das Decret vom 2. — 4. November 1789 alle geistlichen Güter

zum Vortheile des Staates eingezogen hatte, hob das Königliche Patent vom 13.—19. Februar die mönchischen Gelübde (voeux

monastiques) beider Geschlechter auf und erklärte die Orden und Congregationen, in welchen solche Gelübde geleistet würden, für

immer aufgehoben.

Es berechtigte die in den Klöstern und Mai-

sons religieuses existirenden Personen,

dieselben zu verlassen,

dieses vor der Municipalität des Ordens zu erklären, wo denn unverzüglich für eine angemessene Person gesorgt werden solle.

Denjenigen Geistlichen, welche dieses nicht benutzen wollten, soll­ ten Häuser angewiesen werden, in welche sich zurückzuziehen sie gehalten sein sollten.

Ausgenommen waren nur die Anstalten für öffentlichen Un­ terricht und für christliche Milde, Krankenpflege rc. (maisons chargEes dn l’öducation publique, et Etablissements de cha-

13 Auch die Nonnen sollten

rite.)

in

ihren Häusern verbleiben

dürfen.

Das Gesetz vom 15. Fructidor IV. 1. September 1796 für

die neu vereinigten Departements supprimirte im Artikel 4 alle

Klöster, Abtehen und Kanonicate (et gEnEralement toutes les

maisons

ou Etablissements religieux de l’un ou de l’autre

sexe), verordnete deren Räumung binnen 20 Tagen und unter­ sagte von da an das Tragen der Ordenskleider.

Inzwischen traten Unterhandlungen zwischen dem ersten Consul Bonaparte und dem Papste über die Herstellung der katholi­

schen Kirche in Frankreich ein und führten zu dem Concordate

vom 26. Messidor IX. (15. Juli 1801.)



In diesem von

beiden Seiten ratificirten Concordate ist von der Wiederherstellung

der aufgehobenen geistlichen Genossenschaften mit keiner Sylbe die

Rede, und wenn die in Ausführung des Concordats zu demselben erlassenen organischen Artikel im Art. 11 den Bischöfen gestatte­ ten, mit Autorisation des Gouvernements Cathedral-Capitel und

Seminare zu errichten, dagegen

aber aussprach:

Tous autres

Etablissements ecclEsiastiques sont supprimEs, so ist wenigstens gegen

diese Bestimmung seitens der päpstlichen Curie nie ein

Widerspruch erhoben worden. Von großem Interesse sind die glänzenden Vorträge, welche der berühmte Staatsrath Portalis, dem die katholische Kirche für

die Herstellung ihres Cultus in Frankreich so viel verdankt, daß

man ihn sogar als zu nachgiebig angefochten hat,

zur Begrün­

dung der organischen Artikel und zur Widerlegung der gegen sie an­ geregten Zweifel hielt.

Er legt den alleinigen Schwerpunkt des reli­

giösen Unterrichts und der Predigt des Christenthums auf die Bischöfe und Pfarrer.

Er sagt, die religiösen Orden seien nicht

göttlichen Rechts, seien für die Grundregierung der Kirche (gouvernement fondamental de l’Eglise) fremde Institutionen, die Zeit

habe sie unterhöhlt, sie seien nicht nöthig für die Religion, ihr

14

gebührte eS, die Pfarrer zu beschützen, welche des Tages Last Md Hitze zu ertragen hätten, anstatt an deren Seite oder über deren

Häuptern Menschen zu belassen, welche sie unterdrücken könnten. Wohl habe die Ordensgeistlichkeit, seit die Bischöfe zum Nach­

theil ihrer JuriSdicüon und ihres sorglos preisgegebenen CleruS

eS geduldet haben, daß sie sich unabhängig neben die Diöcesanund Pfarrverfassung gestellt, für die römische Curie eine nützliche

Militz ihrer absoluten Gewalt gebildet,

sie sei aber wegen der

schreckerregenden Zustände vor der Revolutton

für die wahre

Wirksamkeit der Kirche nur verderblich gewesen:

Mit Recht habe

daher die Polittk im Einklang mit der Frömmigkeit sich weise nm mit der Regeneratton der Weltgeistlichkeit, d. h. derer beschäftigt,

welche durch UrsprMg und Charakter wahrhaft dem Cultus Vor­ ständen. Und in der That, die Staatsbehörden und die Bischöfe haben ein gleiches Interesse, die Kirche in ihrem ordentlichen geglieder­

ten Zusammenhänge zu erhalten, und nicht zu gestatten, daß eine

unberechenbare und ungreifbare Macht sich neben und über den Diöcesan-Clerus

entgehen,

den

stelle.

PortaliS

Nur dadurch können sie dem Vorwurfe

den

früheren

französischen

Bischöfen

machte, qu’ils ont abandonn6 leur clerg6 avee peu de prsvoyance.

Ganz konsequent war eS daher, wenn,

was

uns

für die

Rheinprovinz zunächst angeht, der Consular-Beschluß vom 20.

prairial Jahres X (9. Juni 1802) für die vier Departements der Saar, der Roer, des Rheins und der Mosel und des Don­

nersberges die Unterdrückung aller der gedachten geistlichen Stif­ tungen, mit Ausnahme der Bisthümer,

Pfarreien,

Cathedral-

Capitel und Seminarien, und weiter der Anstatten für öffentlichen

Unterricht und Krankenpflege, aussprach, die Räumung der be­ treffenden Häuser verordnete und den Geistlichen das Tragen des

Ordenskleides untersagte.

Was nun den Gottesdienst betrifft,

15

so stellt der Art. 9 der erwähnten organischen Artikel den katho­ lischen Cultus unter die Leitung der Bischöfe in ihrer Diöcese und der Pfarrer in ihrer Pfarrei.

mäßheit Art. 19 von

Die letzter« werden in Ge­

den ersteren ernannt, jedoch nur nach

Genehmigung seitens des Staats-Oberhauptes installirt.

Beide

leisten nach Art. 18 und 27 den durch das Concordat vorgeschrie­ benen Eid der Treue gegen das Staats-Oberhaupt.

ernennen

nach

Art. 63

Pfarreien bedienen.

die

Priester,

welche

Die Bischöfe

die Succurfal-

Kein Fremder kann zufolge Art. 32 ohne

Erlaubniß des Gouvernements geistliche Funktionen ausüben und

jede Funktion ist durch Art. 33 jedem, selbst einheimischen Geist­ lichen untersagt, welcher nicht zu einer Diöcese gehört. Was die Kirchen betrifft, so kennt das Gesetz nur erzbischöf­

liche Metropolen, bischöfliche Cathedralen, Pfarrkirchen, Succursalkirchen, Capellen und Annexe, Hauscapellen und Oratorien. Die drei ersten Gattungen wurden vom Staate dem Cultus unter

den Bischöfen eingeräumt resp, zurückgegeben., die vierte Categorie konnte bei großer Ausdehnung und schwieriger Verbindung der Pfarr- oder Succursal-Bezirke unter der Verpflichtung der Ge­

meinden, den Capellan zu dotiren, mit landesherrlicher Genehmi­ gung errichtet werden, — die fünfte in gleichem Falle auf den

Wunsch und auf die Verpflichtung der Meistbesteuerten, für den Unterhalt des Vicars zu sorgen, unter Autorisation des Präfek­

ten, — und für die beiden letzteren bedarf es nach Art. 44 der ausdrücklichen, auf das Gesuch des Bischofs vom Gouvernement ertheilten Erlaubniß.

Wie

strenge dieser

Rechtszustand

der Kirche dem Staate

gegenüber unter dem früheren Kaiserthum in Frankreich aufrecht erhalten wurde, geht daraus hervor, daß, als im ersten Iahr-

zehend dieses Jahrhunderts die Ueberbleibsel der aufgehobenen

geistlichen Genossenschaften den Versuch machten, pseudonym sich wieder zusammen zu thun, der Staatsrath Portalis von dem

16 Kaiser Napoleon den Auftrag zum Entwürfe eines Decrets erhielt:

„um diese Congregationen aufzulösen und den Gerichten den Be„fehl zum Einschreiten „„gegen diejenigen zu ertheilen, welche in

„deren Aufrechthaltung beharren würden.""

Die Absicht

des

„Kaisers, heißt es, gehe nur dahin, die nützliche Institution der

„barmherzigen Schwestern, vorbehaltlich der Prüfung und Geneh„migung ihrer Statuten durch den Staatsrath (worauf sich das

„Decret vom 18. Februar 1809 bezog), zu erhalten, dagegen in „Frankreich keinen andern Klerus und

keine

andern religiösen

„Institutionen anzuerkennen, als die durch das Concordat und

„die organischen Gesetze errichteten und förmlich genehmigten." Unter andern erließ denn anch der Präfekt des Roer-Depar' tements damals eine Verfügung:

„Der Kaiser würde nie die Niederlassung der Jesuiten in „Frankreich erlauben, und seine Absicht gehe dahin, keine andern

„Diener

des

katholischen

Cultus

anzuerkennen,

als die Welt-

„Priester." — So handelte, sich an die Gesetze haltend, die ka­ tholische französische Regierung.

Darf die protestantische Regie­

rung Preußens, vom Gesetze abweichend, sich selbst, ihren prote­ stantischen Unterthanen und dem wahren Interesse ihrer katholischen Geistlichen und Laien das Unkraut über den Kopf wachsen lassen?

So war die Lage zur Zeit der Besitznahme Preußens auf der linken Rheinseite. Auf der rechten Rheinseite hatte der Reichs-Deputations-

Hauptschluß

vom 25. Februar 1803 die

geistlichen Güter den

betreffenden Landesherren als Enffchädigung zugesprochen und im §. 35 bestimmt, daß alle Güter der fundirten Stifter, Abteien und Klöster der freien Disposition der Landesherren zum Behufe

des Aufwands für Gottesdienst, Unterricht und andere gemein­ nützige Anstalten rc. vorbehaltlich der Ausstattung der Domkirchen

überwiesen werden sollten.

17

Im §. 42 wurde bestimmt, daß Frauenklöster nur im Einverständniß mit dem Diöcesan-Bischofe zu secularisiren seien, daß aber die Mannesklöster der Verfügung der Landesherren oder neuen Besitzer unterworfen würden. Beiderlei Gattungen sollten nur mit Einwilligung des Landesherrn Novizen aufnehmen können. Schon dadurch war dem selbstständigen Fortbestände der bestehenden Klöster, weil sie sich nicht zu regeneriren vermochten, das Todes-Urtheil gesprochen, und natürlich war auch dadurch die Errichtung neuer Klöster ausgeschlossen. In Gemäßheit die­ ser Bestimmung verordnete denn auch für das Herzogthum Berg ein churfürstliches Immediat-Rescript de dato München, den 11. September 1803, daß die Aufhebung der in den churfürstlicheu Erbstaaten vorhandenen Stifter, Abteien und Klöster, mit Aus­ nahme der der Krankenpflege gewidmeten, auch auf das Herzog­ thum Berg erstreckt werde. In gleicher Weise erging auch Seitens des Großherzogs von Berg unter dem 11. Aqril 1806 eine landesherrliche Verordnung, wodurch alle im Herzogthum Cleve (rechte Rheinseite) bestehenden männlichen Klöster aufgehoben wurden. Ein kaiserliches Decret vom 17. December 1811 endlich behielt die weiblichen Klöster für Kranken- und Armenpflege aus­ drücklich bei. Daß der Iesuiten-Orden auch in diesen Ländertheilen schon durch die päpstliche Bulle Dominus ac redemtor noster vom 21. Juli 1773 aufgehoben worden war, haben wir bereits an­ geführt. In diesem Rechtszustande übernahm der preux. Staat die katholische Kirche und ihre Rechtsverhältnisse zum Staat bei sei­ ner Besitznahme der westlichen Provinzen im Jahre 1815, und die Bulle de salute animarum vom 16. Juli 1821 änderte daran nur im Betreff der Bischöfe, Domcapitel und Seminarien, sowie der Circumscription der Bisthümer und Pfarreien Einiges 2

18 ab.

Außerdem hat aber die Gesetzgebung daran nicht das

Mindeste geändert.

Darauf allein kommt eS an, — nicht darauf,

was administrative Unkenntniß, Sorglosigkeit und Connivenz zu­ gelassen haben mögen.

Sie können kein Recht schaffen, sie kön­

nen der gesetzlichen Berechtigung des Staates nichts vergeben. Ziehen wir nun aus diesen Prämissen das einfache Resultat,

so geht dieses, wie es uns scheint, unumstößlich dahin: die Klöster (mit Ausnahme der für Krankenpflege bestimmten) und insbeson­

dere die Iesuiten-Anstalten haben auf dem linken Rheinufer der

preußischen Rheinprovinz gar kein Recht, zu existiren und Kirchen zu besitzen; ihre Genossen haben kein Recht zu irgend einer geist­

lichen Function in irgend einer Kirche, — Ausländer können nur mit Genehmigung der Staatsregierung zu geistlichen Functionen zugelassen werden, und den Geistlichen, welche zu keiner Diöcese

gehören, sind die geistlichen Functionen unbedingt untersagt.

Auf

der rechten Seite des Rheins darf kein Kloster (mit Ausnahme

der barmherzigen Schwestern) ohne Erlaubniß der Staatsregie­

rung eristiren und Novizen annehmen. Und was ist nun seitdem in dieser Materie thatsächlich ge­

schehen? Zahlreiche Klöster beider Geschlechter, ohne Rücksicht auf Armen- und Krankenpflege, haben sich seitdem über das Land

verbreitet.

Iesuiten-Collegien und Noviziate, die sich, gestützt auf

ihre päpstlichen Immunitäten, jedem Anschlüsse an die Diöcese weigernd entziehen, sind an vielen Orten entstanden und vermeh­ ren sich von Tage zu Tage;

sie bevölkern sich ungehindert mit

Ausländern aus allen Nationen und entsenden ohne Rücksicht auf

Staatsbürgerthum und Staatsgesetze ihre Missionen in alle Orte und Kirchen des Landes.

Oeffentliche Kirchen oder Kapellen sind zur Benutzung der Orden wie des Publikums an vielen Orten, beispielsweise in Düsseldorf, Köln, Aachen, Bonn, Coblenz erbaut oder eingerichtet

worden.

19 Wer,

wird man uns einwerfen, der Artikel 15 der Ver­

fassung:

Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religions-Gesellschaft, ordnet und verwaltet

ihre Angelegenheiten

selbstständig und

bleibt im Besitz

und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohl­

thätigkeitszwecke bestimmten Anstalten,

Stiftungen und

Fonds,

hat ja für die katholische Kirche, insbesondere auch unter den rheinischen Gesetzen, ein ganz verändertes Rechtsverhältniß einge­

führt und dieses findet seine Gränze nur in Betreff der Klöster

in dem Art. 13 der Verfassung: Die

Religions-Gesellschaften,

sowie

die

geistlichen

Gesellschaften, welche keine Korporationsrechte haben,

können diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen. Wer ist denn die römisch-katholische Kirche, von der der Art. 15 redet? — Wird sie etwa in ihrer Einheit nach außen

durch alle Lande hin durch den Papst repräsentirt, oder in dem

einzelnen Lande durch die Bischöfe?

Die Kirche ist ein dogmati­

sches Institut, welches allerdings in ihren innern Glaubensange­

legenheiten sich in dem Papste oder den Concilien

concentrirt.

Aber die Kirche ist kein Rechtssubject mit dem Rechte des Be­

sitzes.

Als öffentliche geistliche Anstalten (etablissements publics

ecotesiastiques), welche fähig sind, Vermögen zu erwerben und zu besitzen, erkennt das französische rheinische Recht nur die fol­

genden an: 1) die bischöfliche Präbende (la mense episcopale), auch

wohl I’6v6ch6 genannt (Kaiserliches Decret vom 6. No­ vember 1813. Tit II.); 2) die Cathedral- und Collegiat-Capitel (Ebendas. Tit. HI.); 3) die Diöcesan - Priester - Seminarien nebst den damit ver­

bundenen BorbereitungSschulen (Ebendas. Tit. IV.);

20 4) die Fabriken der Dom- und der Pfarrkirchen, sowie der

gesetzlich errichteten Nebenkirchen (chapelles), Kaiser!.

Decret vom 30. December 1809 und Kaiser!. Decret

vom 30. September 1807; 5) die Pfarrstellen (eures), Kaiser!. Decret vom 6. Novem­ ber 1813. Tit. I ;

6) die gesetzlich anerkannten Frauen - Congregationen (congregations ou maisons hospitaliöres de femmes), Kaiser!. Decret vom 18. Februar 1809.

Jedes andere kirchliche Rechtssnbject wird von dem franzö­ sischen Rechte ausgeschlossen. (Vuillefroy Tratte de l’administration du culte catholique. Paris 1842. pag. 275. note e. —

Dalloz Jurisprudence

generale.

Paris

1853. tome XIV.

pag. 713.) Hieran hat die rheinpreußische Gesetzgebung nichts geändert;

namentlich ist es nicht durch die Bulle de salute animarum ge­ schehen, da in derselben keine andern, als die vorgenannten geist­

lichen Anstalten auftreten.

Diese stellen jede in ihrer Art einzelne Rechtssubjecte inner­ halb der von der Staatsgesetzgebung gezogenen Gränzen dar,

deren jedem einzelnen seine besonderen Rechte zugewogen sind, nicht bloß für die Kirchenanstalt in geistlicher, sondern auch für

das damit in Rechten und Pflichten eng verwachsene Laienthum und die bürgerliche Gemeinde in weltlicher Beziehung.

Sie exi-

stiren nur in so weit, als der Staat sie als moralische Personen

anerkennt, und werden nichtig, sobald sie über diese Anerkennung

und deren Gränzen hinausgreifen.

Wie wollte man, um aus der

Civil-Gesetzgebung ein Beispiel zu nehmen, es anfangen, für die

Kirche in abstracto eine Besitzerwerbung zu tranSscribiren, eine Hypothek gegen oder für sie einzutragen? Ueber diese Gränzen hinauszugehen, darf keinem verstattet

werden, und namentlich kann ein Bischof nicht ftir befugt erachtet

21 werden, auf seinen Namen für eine aufgehobene und verbotene,

nicht im Wesen der Kirche begriffene,

sondern

ausdrücklich von

ihr ausgeschiedene und nur ein parashtisches Gewächs an ihrem Stamme bildende Ordensgesellschaft, Vermögen und insbesondere Grundvermögen

zu

erwerben und in Kirchen, die nicht in den

Staatsgesetzen statuirt sind,

Gottesdienst von ihnen halten zu

lassen.

Es wäre überdem eine schmähliche Umgehung des 13. Ver­

fassungsartikels, wenn die Wirkung der Corporationsrechte, welche dieser Artikel durch ein Gesetz bedingt, könnte, daß

Ordens,

und

dadurch

erreicht werden

ein Bischof zum Schein für das Eigenthum eines

der nicht einmal seiner Diöcese unterworfen sein will,

für die daraus für denselben fließenden Vortheile seinen

Namen hergeben wollte. Dafür, daß man sich bei dem Entwürfe und bei der Be­

rathung der Verfassung

unter der römisch-katholischen Kirche,

welche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, also auch wie die

nach Art. 13 nicht mit Coxporationsrechten ausgestatteten Reli-

gionsgesellschasten ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und ver­ waltet, ein besonderes

für sich bestehendes Rechtssubject gedacht

habe, enthalten die stattgefundenen Verhandlungen eben so wenig, als die Worte des Art. 15 selbst. Ergehen

Es kann mithin, da die beim

dieses Artikels bestandene Gesetzgebung,

wie bemerkt,

nicht die römisch-katholische Kirche im Ganzen als Rechtssubject, sondern nur bestimmte, einzelne, mit der römisch-katholischen Re­

ligion zusammenhängende Anstalten als Rechtssubjecte kennt, und da bestehende gesetzliche Anordnungen nur ausdrücklich aufgehoben

und durch andere Gesetzesbestimmungen ersetzt werden könne, nicht angenommen wurden:

Der Art. 15 habe die kein einheitliches

Rechtssubject bildende römisch-katholische Kirche mit einem Schlage und ohne die für eine so tief greifende Aenderung unentbehrlichen

AuSftihrungSbestimmungen in ein derartiges Wesen umgeschaffen,

22 die ganze bisherige Rechtsordnung der Kirche in sich, gegenüber den Territorial-Regierungen

so wie

und dem im höchsten

Grade durch Rechte und Pflichten damit verwachsenen Laienthum vernichtet und jedwede Beziehung dieser Kirche der schranken­

losesten Hierarchie geopfert.

Noch

weniger kann auch darüber,

daß die Absicht nicht dahin gegangen sei, eine so ungeheure Aus­

dehnung zu statuiren, daß die Kirche mit Allem, was damit auch nur in losem und zufälligem Zusammenhänge steht, in ihren ober­ sten Trägern centralisirt und rcpräsentirt werde,

und daß ent­

gegen dem Verbote sowohl der französischen Gesetzgebung, als des Reichs-Deputations-Hauptschlusses auf den Ruf dieser so centralisirten Kirche, als

deren

Angelegenheit auch die, wie er­

wähnt, neben der Kirche stehenden Klöster aus dem Grabe wieder

erstehen

und von der

Kirche

selbstständig

geordnet werden

sollen — der mindeste Zweifel schweben. Als bei Berathung der Verfassung zu Art. 15 ein Verbesse­

rungs-Antrag eingebracht war: — ordnet und verwaltet Ihre inneren Angelegenheiten

selbstständig, die äußern unter gesetzlich geordneter Mit­ wirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinden, da wurde dieser Antrag besonders durch die Betrachtung beseitigt,

daß es eine an Unmöglichkeit gränzende Schwierigkeit sei, unter den wirklich eigenen Angelegenheiten der Kirche die äußeren von den inneren zu scheiden, — daß aber auch dem Staate jedenfalls die Macht und die Befugniß zustehe, bei denjenigen Angelegen­

heiten der Kirche, welche deshalb äußere genannt zu werden pfleg­

ten, weil sie den Staat und seine Interessen mit berührten, seine Stellung in angemessener Weise zu wahren.

Ferner ist zu bemerken:

Wäre es die Absicht gewesen, im

Art. 15 der Verfassung unter den Begriff Kirche und deren An­

gelegenheiten auch die Klöster, welche in dem allgemeinen Land­ rechte als geistliche Gesellschaften bezeichnet werden, zn subsmniren

23

und diese Angelegenheit in die Repräsentation der obersten Trä­ ger der Kirche zu legen, so würde es nicht nöthig gewesen sein,

in dem Art. 13 der Verfassung zu bestimmen: Die Religionsgesellschaften, schaften,

sowie die geistlichen Gesell­

welche keine Corporationsrechte haben, können

diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen.

Denn es hätte dann, den Begriff der Kirche gefaßt wären,

wenn die geistlichen Gesellschaften in

und

ihrer obersten Träger zusammen­

keiner besonderen Corporationsrechte bednrft und

die todte Hand würde in der unbeschränktesten Weise um sich ge­ griffen haben.

Gerade um den Klöstern einen Damyl entgegenzustellen und eine Vermehrung des Eigenthums der todten Hand zu verhüten, war dieser Artikel proponirt.

Ein Redner bemerkte damals, er

fei unnöthig, weil ein so großer Andrang der Klöster nicht gerade

zu besorgen sei.

Dieser Damm hat sich freilich insofern als unwirksam er­ wiesen, als das Eigenthum der geistlichen Gesellschaften auf ein­

zelne Betheiligte oder Gönner derselben geschrieben wird, und nur mittelst Schenkungen

unter Lebenden

oder von Todeswegen auf

Aber hierin liegt nur eine gewisse Un­

andere übergehen kann.

sicherheit des Besitzes, insofern

der Uebergang des Eigenthums

dem Gewissen und der Vorsicht seines jedesmaligen Trägers über­

lassen bleibt und an die Schenknngs- oder Erbschafts-Stempel­ abgabe gebunden bleibt.

Sicherer aber als auf diese Weise wird

der Damm, welchen die oben erwähnten staatlichen Verbotsgesetze solcher Umgehung

der

todten Hand

entgegenstellen und welcher

durch die Verfassung in keiner Weise alterirt wird. Ein verunglückter Versuch würde es ferner sein, die Berech­

tigung der Existenz der Klöster und Orden aus dem Art. 30 der

Verfassung zu deduciren:

24

Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht znwiderlaufen, zu ver­ einigen. Denil der Art. 30 hat bei derartigen Vereinen offenbar etwas ganz Anderes im Auge, als geistliche Gesellschaften, welche nicht wie andere Vereine zu einem vorübergehenden Zwecke zusammen­ treten und nicht in den Personen fortwährend wechseln, sondern zu einen dauernden Zwecke sich in der Art verbinden, daß die Persönlichkeit in Beziehung auf die bürgerlichen Verhältnisse da­ durch vollständig absorbirt wird, während der Orden, in welchen sie tritt, ohne Rücksicht auf die Gränzen des Staates, ein in allen seinen Zweigen einiges Ganzes, welches durch kirchliche Autorität geordnet und bestimmt wird, darstellt. — Daß diese Interpretation richtig ist, ergibt sich aus dem Gesetze vom 11. März 1850 über die Verhütung eines, die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs-und BereinigungSrechteS. Als Religionsgesellschaften endlich, denen der Art. 12 der Verfassung die Vereinigung gestattet, können die Orden und Klöster auch unmöglich betrachtet werden; denn solche unterstellen ein besonderes religiöses Bekenntniß, eine eigene Kirchengemein­ schaft. Die Art. 15 und 16 der Verfaffung zeigen deutlich, daß die Religionsgesellschaften der evangelischen und römisch-katholischen Kirche gegeniibergestellt werden und die Terminologie des allge­ meinen Landrechts, welche die geistlichen Orden und Klöster geist­ liche Gesellschaften nennt, widerlegt es, daß man ihnen den Namen einer Religionsgesellschaft beilegen könne. Nach allem diesem hat daher auch die preußische Verfassung an der bestehenden Gesetzgebung über Orden, Klöster und öffent­ liche Kirchen nicht das Mindeste geändert. Ueberraschend mag es für den Leser sein und überraschend ist selbst für den Schreiber dieses das Resultat gewesen, daß ent-

25

gegen der thatsächlichen, schwächlichen

administrativen Duldung

die Orden und Klöster bei uns keinerlei rechtliche Existenz haben, und daß der Staat berechtigt erscheint, sie sofort aufzulösen, und

die Kirchen, welche weder Cathedralen, salen,

Annexe

oder Capellen

sind,

Pfarrkirchen, Succur-

für den

Gottesdienst

zu

schließen.

Als im Jahre 1849 bei Berathung des Art. 13 der Ver­

fassung der obenerwähnte Redner, welcher noch jetzt eine hervor­

ragende Stelle in der katholischen Abtheilung des Cultus-Ministeriums einnimmt, äußerte: es habe mit dem Art. 13 keine große Noth, weil der Andrang der Klöster nicht so bemerklich sei, war letzteres wirklich der Fall.

da

Etwa 50 Jahre hatte die katho­

lische Kirche in aller Blüthe bestanden, ohne daß sich ein Bedürf­ niß geistlicher Orden und Klöster für sie geltend gemacht hätte. Erst seitdem sind sie allenthalben in den westlichen Provinzen wie

Pilze empor gewachsen, haben Propaganda gemacht, reiche und

fähige junge Leute an sich gezogen, ihre Kirchen dem öffentlichen Gottesdienste eröffnet und die 'Seelsorge, welche das Recht und

die Pflicht der

ordentlichen Pfarrer ist, in den Bereich ihrer

Wirksamkeit gezogen. Und sie werden sich fortschreitend entwickeln, wenn nicht die Hand des Staates mit den Waffen des Gesetzes ihnen entgegentritt.

Daß die gerügte bisherige schwächliche und

principlose Connivenz nicht im Interesse unseres Staates liegt, daß eS seinem Interesse nicht entspricht — sei es das unthätig beschauliche Leben der Klöster und Congregationen,

welches ihm

nützliche Hände entzieht, — sei es die in ihrem Wesen liegende

Polemik gegen andere Confessionen,

welche sich zahlreich,

den

König an ihrer Spitze, in unserem Staate vertreten finden, —

sei es

endlich die Ansammlung eines großen Vermögens in der

todten Hand unter falschem Namen zu begünstigen und eine Miliz für ultramontane Tendenzen, in dem sich immer wieder erneuern­

den Streite zwischen Staat und Kirche sich bilden und bestehen

26 zu lassen, liegt in der Natur der Sache. Glaube man nicht, daß

man dem katholischen Theile der Bevölkerung die politischen Zügel desto straffer halten könne, wenn man ihm die religiösen schießen

Es gibt vernünftige Katholiken genug, denen die Klöster

lasse.

und Orden mit ihrem Treiben verhaßt sind, und die Protestanten im Staate können nur mit Schrecken ein

ihrem Glauben so

äußerst feindliches Element aufleben und sich riesenhast ausbreiten sehen.

Dem Ultramontanismus aber, dessen Begriffsbestimmung

eigentlich darin liegt, daß er sein Vaterland in Rom hat, wird die Gleichberechtigung der Confessionen, die eine Grundbedingung

unseres Staates

ist,

wird die schützende Hand,

welche dieser

gleichmäßig über allen hält, immer ein Dorn im Auge sein. —

Die Erfahrung hat es gelehrt, daß der Ultramontanismus seine Shmpathieen nie auf den preußischen Staat, sondern immer auf Staaten mit katholischer Spitze, wie Oesterreich, richtet, und zur

gedeihlichen Entwicklung unseres, jeder Confession gleiche Rechte zusichernden Staates nicht beitragen kann.

Gerechtigkeit allein,

gleichwägende Gerechtigkeit ist eS,° die den Staat begründet und

erhält und die in politischer wie in religiöser Hinsicht den Streit der Parteien mit dem Staate und unter einander versöhnt und

schlichtet.

Daß das Uebel besteht und gegen die Gesetze besteht, haben wir gezeigt, ■— die Feststellung seines Umfanges müssen wir der staatlichen Aufficht und Statistik überlassen.

Ob sie mindestens

ihre Schuldigkeit gethan hat, die wachsende Neubildung geistlicher

Gesellschaften und die Zahl der in ihnen befindlichen Personen,

insbesondere der zur Umgehung der Indigenatsgesetze und der desfallsigen staatlichen Verbote hin und her wechselnden Auslän­

der zu registriren, wissen wir nicht.

Wir fordern Iedermänniglich und insbesondere die, wie es scheint, nicht allzu eifrig für das Recht des Staates, der Kirche

gegenüber streitende katholische Abtheilung im Cultus-Ministerium

27

auf, uns zu widerlegen und uns einen einzigen RechtStitel für

die Existenz der Klöster und Orden nachzuweisen. Vielleicht ist die Widerlegung, welche das Cultus-Ministerium

zu bieten vermag, in dem von den Kölnischen Blättern mit be­

sonderer Freude begrüßten Erlasse desselben an den Herrn Ober-

Präsidenten der Rheinprovinz

vom

16. September 1862 ent­

halten. — Allein die Gründe

dieses Erlasses sind so

seicht, daß sie

kaum einer Widerlegung bedürfen. Dieser Erlaß verkündet als das Resultat einer stattgefunde­

nen eingehenden Erörterung, daß der Art. 44. der organi­ schen Artikel zur Convention vom 26. Messidor Jahres IX., wonach Hauscapellen nur mit ausdrücklicher Erlaubniß der Staats­

regierung eingerichtet werden dürfen, gleich dem §. 176 Tit. 11, Thl. n. des A.L. R., laut welchem zur Erbauung neuer Kirchen

die Genehmigung des Staates erforderlich ist, vor den bezüglichen Verfassungsbestimmungen gefallen sei. — Es soll nach der Ver­

fassung eine besondere Staatserlaubniß, so weit solche früher aus der staatlich ausgeübten Kirchenhoheit und Kirchenaufsicht abgeleitet

worden, nicht mehr erforderlich und daher von derselben zu abstrahiren sein.

Vielmehr soll nur die solchergestalt den sämmt­

lichen Religionsgesellschaften und ihren Organen freigegebene Er­

richtung gottesdienstlicher Gebäude, sobald und soweit dieselbe mit dem dem Staate vorbehaltenen Rechtsgebiete in Berührung tritt, noch ferner seiner Mitwirkung und Zustimmung bedürfen.

Da­

her soll lediglich noch die bei Bauten in Betracht kommende bau­ polizeiliche

Erlaubniß

und

in sofern

eine

Staatsgenehmigung

nöthig sein, als es sich darum handelt, einem kirchlichen Gebäude die Rechte einer Pfarrkirche zu verschaffen oder die Mittel zum

Bau von Personen,

in deren Interesse das Gebäude errichtet

wird, zwangsweise beizunehmen.

Aus der in diesem Erlasse behaupteten Erlöschung aller staat-

28 lichen Kirchenhoheit nnd Kirchenaufsicht könnte vielleicht auch ge­

folgert werden, daß der Staat sich gleichfalls nicht mehr darum kümmern dürfe, ob die römisch-katholische Kirche oder irgend eine andere Religionsgesellschaft Klöster anlegt, daß er vielmehr nur

den Baumängeln vorzubeugen habe,

wodurch

die Klöster ihren

Bewohnern oder der Nachbarschaft schädlich werden könnten. Der Erlaß beruft sich für seine Behauptungen auf die be­ züglichen Versassungsbestimmungen.

Ohne Zweifel geht dieser

unbestimmte Ausdruck auf die Artikel 15 und 109.

Es wird die

im Art. 15 ausgesprochene Selbstständigkeit der römisch-katholi­ schen Kirche im Ordnen und Verwalten ihrer Angelegenheiten so

aufgefaßt sein,

daß

die kirchlichen Organe

ans dem kirchlichen

Gebiete thun können, was sie wollen, und vom Art. 109 wird

angenommen sein, daß er alle mit dieser statuirten Selbstständig­ keit in irgend einer Art nicht harmonirenden Gesetzesbestimmungen ohne Weiteres ausgelöscht habe. Hierauf ist mit der Autorität unseres höchsten Gerichtshofes

zu erwidern, daß der Art. 15 nichts enthält, als einen allgemei­ nen Grundsatz, und daß ein solcher allgemeiner Grundsatz seiner Natur nach nicht geeignet ist, sofort anwendbares Recht darzu­ stellen

und die bei seinem Erlasse bestandenen,

damit nicht

in

Einklang befindlichen Specialgesetze mit einem Schlage zu beseiti­ gen, daß vielmehr im Art. 15 nur eine Verheißung für die zu­ künftige Gesetzgebung in Kirchensachen erblickt werden kann. Ferner ist zu

erwidern,

daß der Art. 109 nach Zweck und Wortlaut

nichts weniger gethan hat,

als Gesetzesvorschriften,

welche bloß

mit allgemeinen Grundsätzen der Verfassung nicht harmo-

niren, sofort außer Kraft zu setzen.

Diese Auffassung ergibt sich,

wenn man den Beruf einer Verfassungsurkunde und ihre aus diesem Berufe sich nothwendig ergebende Verschiedenheit von einem

zu sofortiger individueller Wirksamkeit bestimmten Gesetze bedenkt,

von selber.

29

ES ist daher auch nicht zu verwundern, daß der höchste Ge­ richtshof Frankreichs in Bezug auf die französische Charte vom

9. August 1830 und der höchste Gerichtshof Belgiens in Bezug auf die belgische Constitution vom 7. Februar 1831 durch wie

derholte Urtheile sich in gleicher Art ausgesprochen haben und

daß dieses ebenfalls von unserem höchsten Gerichtshöfe durch Ur­ theile von 1852, 1854, 1860 und 1863 geschehen ist. dungen 24.301, 27. 375,

2. A. 1.)

und 44.194.

(Entschei­

Rheinisches Archiv 58.

Zu verwundern ist mtr, wie die Warnerstimme dreier

höchsten Gerichtshöfe bei einer Prüfung, die sich selbst eine „ein­ gehende" nennt, hat völlig ungehört und unberücksichtigt bleiben können.

Aber auch dieser Argumente bedürfen wir für unser Thema nicht, da, wie bemerkt, die geistlichen Orden und Klöster nicht die

römisch-katholische Kirche sind und

nicht als eine Angelegenheit

derselben betrachtet werden können, welche sie auch bei der aus­

gedehntesten Interpretation des Art. 15, entgegen den mindestens in dieser Beziehung dadurch nicht aufgehobenen Staats-Verboten

selbstständig zu ordnen hätte. Wenn der Erlaß noch anführt, die organischen Artikel hätten keinen Theil der 1801 mit Rom geschlossenen Convention gebil­

det, seien vielmehr einseitig und unter Widerspruch des römischen Hofes erlassen worden, und deßhalb nicht so anzusehen, als hätte die Convention untrennbar von dem Inhalte dieser Artikel in dem preußischen Staatsverband Aufnahme gefunden, so paßt ein

solcher Grund besser in dem Munde eines Advokaten des römi­

schen Stuhles, als in dem des Organs der preußischen Staats­

gewalt.

Mit demselben Rechte wird sich die Ungültigkeit der auf

die Kirche bezüglichen Bestimmungen des Westphälischen Friedens

behaupten lassen,

die ja bekanntlich

Stuhle nicht anerkannt worden sind. auch durchaus unrichtig.

auch von dem römischen

Der Satz ist aber überdem

Die französische Staatsgewalt, die Bor-

30 gängerin der preußischen auf dem linken Rheinufer, hat die Rechtsgiiltigkeit der organischen Arttkel immer standhaft fest­ gehalten. In dem zur Schaffung eines neuen Rechtszustandes der durch die Revolution gänzlich aufgehobenen kirchlichen Institutionen gegenüber dem Staate zwischen Papst und Erstem Consul ge­ schlossenen Conkordate, welches sich im Wesentlichen auf Herstellung der Diöcesen und Pfarreien beschränkte, wurde der ausdrückliche Vorbehalt gemacht, habita tarnen ratione ordinationum quoad politiam, quas gubernium pro publica Tranquillitate necesaarias existimabit. Auf bett Grund dieses Vorbehaltes wurden die organischen Artikel durch den Staatsrath Portalis unter vollständiger Kennt­ niß des päpstlichen Bevollmächtigten, Cardinals Caprara, bear­ beitet und demnächst mit der Convention: La Convention — enaemble les articles organiques de la dite Convention publicirt. — Es wiederholte sich sodann hier die in dem Verhältnisse zwi­ schen Staat und Kirche so oft und namentlich nach dem Westphälischen Frieden hervorgetretene Erscheinung einer allgemeinen Verwahrung des römischen Stuhles, mit dem Verlangen zweck­ mäßiger Modifikationen der organischen Artikel in einer Allocution vom 24. Mai 1812. Diese Modifikationen wurden aber erst in einer Note des Cardinals Caprara vom 18. August 1803 be­ züglich einiger Artikel fpezialisirt. Nachdem nun der Staatsrath Portalis nachgewiesen hatte, daß die organischen Arttkel kein neues Recht aufstellten, sondern nur eine neue Sanctton der alten Grundsätze der Gallicanischen Kirche enthielten, schwieg der römische Hof, ohne ferneren Widerspruch entgegenzusetzen, — und so blie­ ben die organischen Artikel in Verbindung mit dem Concordate für Staat und Kirche gültiges Recht. Die Allegatton, daß die Krone Preußen niemals darauf verzichtet habe, die aus der Zeit

31 der französischen Regierung überkommenen kirchlichen Einrichtun­

gen nach eigenem Befinden aufzufassen und zu ordnen,

wobei

lediglich die in den älteren Provinzen leitenden Grundsätze maß­ gebend hätten sein können, — führt zu der Frage, wie denn solches gesetzlich geschehen sei?

Auf die bloße Auffassung und

Praxis der Behörden kommt es dabei nicht an, und was die lei­

tenden Grundsätze der älteren Provinzen betrifft, so führt ja der Erlaß selbst an, daß der Art. 44 der organischen Artkel wesent­ lich analog mit dem §. 176 Tit. 11 Thl. H. des A.L.R. sei. Es besteht mithin keine Divergenz zwischen den alten und neuen Provinzen, vvr welcher die letzteren sich beugen müßten.

Ob

aber eine connivente Praxis, welche beispielsweise den durch die

französische Gesetzgebung heilsam

restringirten Unfug der Wall­

fahrten duldete, eine weise sei, ist eine andere Frage. Dieses zur Beleuchtung der „eingehenden Erörterung."

Für unsern Fall, für die geistlichen Orden und Klöster, paßt übrigens ohnehin die Allegation der Nicht-Anerkennung der orga­

nischen Artikel nicht, da wenigstens in dieser Beziehung von der Curie kein Widerspruch erhoben, keine Aenderung verlangt wor­

den ist. Der Erlaß beruft sich

schließlich noch auf die durch aller­

höchste Cabinets-Ordre vom 23. August 1821 publicirte Bulle de salute animarum.

Diese Bulle enthält aber über die Auf­

stellungen des Erlasses nicht das Mindeste, wie dieses auch von 1821 bis nach 1849 von Jedermann, mit Einschluß der zeitigen

Herren Cnltusminister, gefunden worden ist.

Sollte das Cultusministerium sich nicht durch das Angeführte

in der Ansicht erschüttert fühlen, welche es nicht nur im Wider­ sprüche mit unterem höchsten Gerichtshöfe, sondern auch nach ver­

öffentlichten Nachrichten im Widerspruche mit den Bezirksregie­ rungen und dem Oberpräsidium der Rheinprovinz und ohne alle

Concnrrenz des Justizministeriums festhält, so wird dasselbe sich

32 doch sagen müssen, daß die unbeschränkte Zulässigkeit des Baues

von Kirchen und der Errichtung von Klöstern lediglich auf einem ministeriellen Federstriche beruht, und daß eben so leicht ein mi­ nisterieller Federstrich alle diese angeblichen Rechtsexistenzen wie­

der tilgen kann.

Diejenigen aber, welche auf solchen: Böden ihre

Bauten gründen, mögen sich sagen, was von der Zuverlässigkeit

dieses

BodenS zu

halten

ist und mit welcher Sicherheit ihre

Bauten und Einrichtungen der Zukunft entgegensehen.

Kann das Cultus-Ministerium uns keine

besseren Gründe

entgegenstellen, so bleibt unsere vorbegründete Ueberzeugung un­

erschütterlich fest, und mit der Kraft dieser Ueberzeugung mahnen wir unsere oberen Staatsbehörden, aus ihrer vielleicht absichtlich

irregeleiteten Vertrauens-Seligkeit zu erwachen, die in Kraft be­ stehenden Gesetze,

wie

es ihre Pflicht

Frieden unter den Confessionen, wahren.

den

ist, zu

handhaben

wir ernstlich

den

wollen, zu

Thron und Land zu schützen gegen das Umsichgreifen

eines beiden grundsätzlich gleich feindlichen religiösen Fanatismus.

Wir

rufen

ihnen

respublica capiat.

zu:

Videant consules ne quid detrimenti

Im Berlage von Georg Reimer in Berlin ist soeben erschienen: Darstellung der

Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht aus die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln, für Laien und Aerzte,

von Rud. Virchow, Dr. med. et phil. Mit fünf Holzschnitten und einer Tafel. Brosch. 10 Sgr.

Staatsrechtliche Prüfung

der gegen daS

Thronsolgerccht des Augufteniurgschen Hauses erhobenen Einwände. Mit besonderer Berücksichtigung deS Pernice'schen Gutachtens. Nebst einer Beilage: Eine Urkunde aus dem Oldenburgsche» Staatsarchiv. Von

Dr. Hugo HälschnerBesonders abgedruckt aus dem dreizehnten Bande der Prenßischm Jahrbücher. Brosch. 7% Sgr.