Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage: Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648-1679) 9783412217587, 9783412223601

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Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage: Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648-1679)
 9783412217587, 9783412223601

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Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage

EXTERNA Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven Herausgegeben von André Krischer, Barbara Stollberg-Rilinger, Hillard von Thiessen und Christian Windler

Band 6

Tilman Haug

Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648 –1679)

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Les Effets de la puissante Protection du Roy envers ses Alliez: Les Remerciemens des Souverains et Estats à qui il a procuré la Paix et l’Accueil fait par sa Maté au Prince Guillaume de Furstemberg; Copyright: Bibliothèque Nationale de France, Paris. © 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Meinrad Böhl, Leipzig Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier 978-3-412-22360-1

Inhalt

Vorwort  .......................................................................................................................... 

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1. Einleitung  ...............................................................................................................  1.1 Ungleiche Außenbeziehungen und Verflechtung in der Frühen Neuzeit – Forschungsstand und Konzepte  ...............................  1.1.1 Asymmetrische Außenbeziehungen  .. .............................................  1.1.2 Personale Verflechtung und Außenbeziehungen  . . .......................  1.2 Was heißt „Kulturgeschichte des Politischen“?  ......................................  1.3 Methoden und Konzepte  . . ..........................................................................  1.4 Normen und Normenpluralismus  .............................................................  1.5 Vertrauen zwischen Gefühl, Handlungsdisposition und kommunikativem Konstrukt  ......................................................................  1.6 Informationsmedium und „Ort der Verhandlung“ – Die französische diplomatische Korrespondenz als Quelle  .. ...............  1.7 Gliederung und Fragestellung  ................................................................... 

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2. Asymmetrische Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage – Akteure, Netzwerke und Konflikte  ..............................................  2.1 Grundzüge französisch-reichsständischer Beziehungen 1648 – 1679  . . ..  2.1.1 Vom Nürnberger Exekutionstag bis zum Ende der Rheinischen Allianz  .. ..................................................................  2.1.2 Von der Vorbereitung des Niederländischen Krieges bis zum Frieden von Nimwegen  .....................................................  2.2 Zwischenstaatlichkeit? Völkerrechtliche Regelungen, Ungleichheiten und Partizipationschancen  ............................................  2.2.1 Der völkerrechtliche Status der Kurfürsten nach 1648  ...............  2.2.2 Assecuratio pacis? – Die Kurfürsten als Friedensvermittler  ..........  2.2.3 Allianzpolitik, Protektion und Patronage – Frankreich und die Rheinische Allianz von 1658  .........................  2.2.4 Rang, Status und Zeremoniell zwischen Souveränität und Reichspolitik  ...............................................................................  2.2.4.1 Distinktion, Ordnung, Verfahren – Grundlagen symbolischer Kommunikation  ................... 

13 13 18 24 29 34 38 44 51

55 55 55 69 79 79 84 89 100 100

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Inhalt

2.2.4.2 Député plénipotentiaire – Robert de Gravel als Vertreter der französischen Krone auf dem Regensburger Reichstag  .....................................................  105 2.2.4.3 Une chose publique et d’esclat – Die Ambassade Gramonts und Lionnes 1657/58  .........................................  113 2.3 Grenzüberschreitende Patronagebeziehungen – Akteure und Netzwerke französischer Reichspolitik  . . ..........................  121 2.3.1 Diplomatie und Diplomaten der französischen Krone  ..............  121 2.3.1.1 Die zentrale Organisation französischer Außenbeziehungen – Institutionalisierung und Verflechtung  . . ................................................................  121 2.3.1.2 Gesandte als „verflochtene“ Akteure  . . ..............................  131 2.3.1.3 Von der Binnen- zur Außenverflechtung  .......................  146 2.3.2 Außenverflechtung der Krone im Heiligen Römischen Reich – Akteure, Ressourcen, Funktionen, Erwartungen  . . ........  148 2.3.2.1 Das französische „Netzwerk“  . . ...........................................  150 2.3.2.2 Franz Egon und Wilhelm von Fürstenberg  ...................  150 2.3.2.3 Johann Christian von Boineburg und der Mainzer Hof  155 2.3.2.4 Philipp Ludwig von Reiffenberg  ......................................  159 2.3.2.5 Lothar Friedrich von Metternich  .....................................  162 2.3.2.6 „Grenzfälle“ französischer Verflechtung  .........................  165 2.3.2.7 Lokale Netzwerke oder zentral verwalteter Klientelismus?  .. ................................................  170 2.3.2.8 Klienteläres Handeln – Aktivitäten und Erwartungen  174 2.3.2.9 Klienten als Unterhändler – Das Verhältnis von Diplomaten und Klienten  ..................................................  179 2.4 Multiple Loyalitäten und Patronagekonkurrenz  ...................................  192 2.4.1 Fürstendienst und service du Roi  .....................................................  192 2.4.2 Die Habsburger als konkurrierende Patrone  ................................  206 2.4.2.1 Doppelstrategien  ..................................................................  206 2.4.2.2 Uneindeutige Ressourcen, familiäre Versorgung und klienteläre Strategien  ..................................................  215 2.4.2.3 Frankreichbindung ohne Zukunft  . . ..................................  228 2.4.3 Die geistlichen Staaten und ihre mikropolitische Eigenlogik  . . ..  230 3. Vertrauen als Kommunikationsereignis  .. ...........................................................  3.1 „Verwaltetes Vertrauen“ und die personale Struktur frühneuzeitlicher Außenbeziehungen  ......................................................  3.1.1 Der Vertrauensbegriff  . . ......................................................................  3.1.2 Verhandeln und Organisieren  ......................................................... 

247 247 247 250

Inhalt

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3.2 Höflichkeit und Information als Ressourcen der Vertrauensbildung  261 3.2.1 Höflichkeit  .. .........................................................................................  261 3.2.2 Informationen  .....................................................................................  267 3.3 „Beziehungsarbeit“ und „gemeinsame Zukunft“  .. ..................................  270 3.4 Vertrauen zwischen insinuation und normativer Überziehung – Zwei Verhandlungen mit geistlichen Kurfürsten (1657/58 und 1672)  . . ..  281 3.5 Vertrauen und die Grenzen seiner Kommunizierbarkeit  .....................  296 3.6 rien de plus indiciel – Vertrauen durch agonale Kommunikation  ........  301 3.7 Stereotypen, Feindbilder, Fremdwahrnehmungen und ihr Gebrauch   315 3.7.1 Methodische Vorüberlegungen  .......................................................  315 3.7.2 Fremdbilder als Stereotype  .. .............................................................  319 3.7.2.1 Proto-nationale Stereotype  ................................................  319 3.7.2.2 Soziale Stereotype  . . ..............................................................  322 3.7.2.3 Konfessionelle Stereotype  ..................................................  325 3.7.3 Dynastische Feindbilder – Die Darstellung der Habsburger  ....  329 3.7.4 Koexistenz und Kooperation – Habsburgische und französische Diplomaten in direkter Interaktion  ........................  338 3.7.4.1 Varationen und Kontexte des Habsburgerbildes  ...........  338 3.7.4.2 … ce qui ne doit pas entrer en comparaison avec lesdits ministres de Sa Majesté – Zeremonialstreit und Patronagekonkurrenz als inkongruente Konfliktlogiken  346 3.8 Schwellen und Horizonte – Die Grenzen des Vertrauens  .. .................  354 4. Normen und Normenkonflikte  . . .........................................................................  4.1 Das Alte Reich als „Patronagemarkt“  .. .....................................................  4.2 dans un siècle intéressé – Legitimierbarkeit von Eigeninteressen als handlungsleitendem Faktor  . . ................................................................  4.3 Ehrensache? – Grenzüberschreitende Patronage und die Sorge um die Reputation des Königs  ................................................  4.4 il est fascheux d’acheter la justice – Französische „Sicherheitspolitik“ zwischen mikro- und makropolitischen Rationalitäten  .......................  4.5 un petit ministre corrompu – Außenverflechtung als Korruption und Verrat in den Debatten um die Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg 1674  .. ...............................................................  4.5.1 Patronage oder Korruption?  . . ...........................................................  4.5.2 Verfahrensregeln und „Problembewusstsein“ vor 1674  . . ..............  4.5.3 Die öffentliche Debatte um die Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg  . . .............................................................  4.5.4 ex natura et iure dominiy – Der Kaiserhof und der Fall Fürstenberg  . . ........................................................................................ 

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Inhalt

5. Zusammenfassung und Ausblick  ........................................................................  451 6. Bibliografie  .. ...........................................................................................................  6.1 Archivalische Quellen:  ................................................................................  6.2 Gedruckte Quellen:  .....................................................................................  6.3 Sekundärliteratur:  . . ....................................................................................... 

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7. Register  ...................................................................................................................  533

Vorwort

Die vorliegende Studie befasst sich mit Patronage als einer sozialen Praxis, die auf der formalisierten und oft fragwürdigen Beschwörung von ewiger Dankbarkeit beruht. Im „wirk­lichen Leben“ schlug diese Praxis nur allzu oft in ihr Gegenteil um. Umso erfreu­licher ist es, dieser Studie einige Worte aufrichtigen und tief empfundenen Dankes an die Personen und Institutionen vorausschicken zu können, ohne deren Hilfe sie nicht hätte entstehen können. Ich danke zuvorderst meinem Betreuer Christian Windler, der nicht nur die entscheidenden Anregungen für die Bearbeitung dieses Themas gab, sondern der es mit der rechten Mischung aus Ermutigung und aufmerksamer Betreuung sowie aus Freiraum und Vertrauen dem Autor mög­lich machte, die Studie zu einem glück­lichen Ende zu bringen. Barbara Stollberg-Rilinger danke ich herz­lich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Den eben Genannten sowie André Krischer und Hillard von Thiessen bin ich überdies für die Aufnahme in die Reihe der „Externa“ zu Dank verpf­lichtet. Hillard von Thiessen verdankt das Projekt vor allem in seiner Anfangsphase wichtige Anregungen. Ebenso ermög­lichten er sowie Frau Stollberg-Rilinger und Stefan Brakensiek es dem Autor, das Projekt in ihren jeweiligen Kolloquien in Köln, Münster und Essen vorzustellen und diskutieren zu lassen. Mein Dank gilt auch der Gerda Henkel Stiftung, die das Projekt mit einem großzügigen Doktorandenstipendium sowie dessen stets unbürokratischer Handhabung unterstützte. Zu Dank verpf­lichtet bin ich ebenso dem damaligen Direktorengespann des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz, Irene Dingel und Heinz Duchhardt, die dem Autor einen halbjährigen Forschungsaufenthalt an ihrem Institut gewährten. Den Kommentaren und Anregungen meines dortigen „Mentors“ Thomas Weller verdankt die Arbeit ebenso viel wie der freund­lichen und produktiven Atmosphäre am Institut, die sich oft in den Weinstuben der Stadt oder auf den Joggingstrecken am Rhein entlang fortsetzte. Für anregende Diskussionen, Ermutigungen und eine stets freund­liche Aufnahme danke ich meinen Kollegen Julia Schwarz, Andreas Affolter und Nadir Weber im Berner Forschungsprojekt „Verstaat­lichung von Außenbeziehungen“, das vom Schweizer Nationalfonds finanziert wurde und in dessen Rahmen Teile der Arbeit entstanden. Nadir Weber sowie Nadja Ackermann, Corina Bastian, Mona Garloff, Mariko Jacoby, Matthias Köhler, Nikola Mirkovic und Marcus Schönewald haben das Manuskript bzw. Teile davon in unterschied­lichen Phasen gelesen und mit gründ­ lichen Korrekturen und kritischen Kommentaren viel zur Beseitigung von Unrichtigem, Unklarem und Umständ­lichem beigetragen. Hierfür bin ich sehr dankbar. Zu danken habe ich auch den Mitarbeitern der besuchten Archive und Bibliotheken für ihre stets zuvorkommende Hilfe und Beratung. Mit einem großzügigen

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Vorwort

Druckkostenzuschuss unterstützte der Schweizerische Nationalfonds die Veröffent­ lichung der Arbeit. Dorothee Rheker-Wunsch und Julia Beenken vom Böhlau-Verlag betreuten die Entstehung des vorliegenden Buches mit Verständnis, Geduld und professionellem Sinn fürs Praktische. Auch hierfür bin ich sehr dankbar. Dass Nikola Mirkovic, Ole Meinefeld und Lilja Walliser noch ganz kurz vor Abgabe der Manuskriptfassung Zeit und Lebensfreude opferten, um von guten Freunden zu temporären „Leibhilfskräften“ zu werden, ist nicht nur ein weiteres Beispiel für die umstandslosen Rollenwechsel, mit denen sich diese Studie ebenfalls auseinandersetzt, sondern auch eine Geste, für die ich zu tiefem Dank verpf­lichtet bin. Der größte Dank gebührt zum Schluss meinen Eltern, Ursula und Dieter Haug, die nicht nur früh mein Interesse für Geschichte geweckt haben und mein Studium ermög­lichten, in guten und schlechten Phasen für mich da waren, sondern auch die Geduld aufbrachten, den Jungen dann doch noch fertig werden zu sehen, um schließ­lich sein Buch in Händen halten zu können. All dies sollte doch eine Widmung wert sein. Münster, im Oktober 2014

1. Einleitung

Als Fürst Wilhelm von Fürstenberg am 14. Februar 1674 auf einem Feldweg außerhalb der Stadt Köln mit einigen Bewaffneten zu seiner Schwägerin – böse Zungen behaupteten: seiner heim­lichen Mätresse –, der Gräfin von Marck, fuhr, ist er von 9 oder 10 Personen / so kaiserl. Officirer und theils von gutem Stande gewesen / die sich von 3 orten in einem tempo herbey machten / angegriffen worden. Erst­lich legten sie hand an die Zügel der Pferde / und schossen den Kutscher übern Hauffen / an dessen Platz sich einer von den apostrirten Cavaliers setzte. Ein anderer von ihnen rieffe dem Printzen zu: Er sollte sich als ein Kayserl. Gefangener ergeben. Worauf dessen Beysitzer mit ihren Sackpuffern auf die Aggressores Feuer gaben / welche hinwieder auf dieselbe loßbrenneten. Printz Wilhelm sprang aus der Kutsche / und vermeinte in diesem Tumult zu entwischen / ward aber von den Kayser­lichen umringet / und von einem derselben mit aufgezogenem Karabiner gezwungen / wieder hinein zu sitzen. Schließ­lich nahm ein weiterer bewaffneter Reiter mit gezogenem Degen neben Fürstenberg in der Kutsche Platz. Dieser wich ihm nicht mehr von der Seite, bis der Gefangene in das Quartier des kaiser­lichen Regimentes des Marques de Grana überführt war, von wo aus er schließ­lich den langen Weg in die kaiser­liche Haft in den Erblanden antreten musste. Bei dem brutalen Überfall waren drei der kaiser­lichen Soldaten auf der kaum als Feld der Ehre zu bezeichnenden Landstraße zurückgeblieben. So weiß es jedenfalls das Theatrum Europaeum zu berichten. Was war der Grund für ein solches Vorgehen gegen einen Reichsfürsten, kurfürst­ lichen Minister und profilierten Diplomaten wie Fürstenberg? Auch darüber weiß das Theatrum Europaeum Bescheid: Um seiner mit Franckreich gepflogenen gefähr­lichen Verständnisse willen habe man sich des Fürsten Fürstenberg bemächtigen müssen 1. Diese sehr intensiven Verbindungen, ja faktischen Dienstverhältnisse Fürstenbergs waren zum Zeitpunkt seiner Gefangennahme vor allem deshalb so gefähr­lich, weil sie vor dem Hintergrund eines beginnenden Krieges von Kaiser und Reich gegen Frankreich als Akte der Untreue und des Verrats gedeutet werden konnten. Genau dies tat der Hofrat Johann Paul Hocher, der mit dem Verhör des Inhaftierten betraut wurde. Wilhelm könne es drehen und wenden, wie er wolle, es ändere wenig daran, dass er als Reichsfürst, Minister und Kapitular mit dem Röm. Reich g­lichwolln mit solcher Obligation verbunden seye, dass er folgends Euer Kay: May: und dem Röm. Reich trew zu sein habe. Er hätte nie in französische Dienste treten dürfen. Wilhelm von Fürstenberg sah dies etwas anders: Er finde dieses alles nicht für so erheb­lich, und Hochers Argumente stellten für ihn keinen Grund dar, nicht in

1 Theatrum Europaeum XI, 489.

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Einleitung

französischen Diensten zu stehen. Auch die gespannte Situation bewirke nicht, dass er wider Frankreich etwas zu thuen gehabt. Er befinde sich mittlerweile nicht nur seit vielen Jahren in Diensten des französischen Königs, er sei sogar durch Naturalisierung dessen Untertan geworden, sodass er bey sich keine Obligation mehr gegen E: K: M. und dem Röm. Reich gefunden oder erkennet habe. An der Tatsache, dass er sich für französische Dienste entschieden habe, sei der Kaiserhof überdies nicht ganz unschuldig gewesen. Einen Erbschaftsstreit in der Familie habe der Reichshofrat so ungünstig für ihn gesch­lichtet, dass im allein 400 Reichstaller vorbehalten. Dies seye sein ganzes Vermögen gewesen. Dennoch habe er stets verlangt in die Kayl. Dienste zu komben: habe darumb noch Anno 1653 starkh angehalten, seye aber darvon von dem Fürsten von Auersperg und dem damalligen Spanischen Pottschafter dem Castell Rodrigo verhindert worden, da habe er ja nothwendig sein Glükh anderwertig suechen müssen und habe sich in Frankreich begeben. Dort sei er auf einen überaus spendablen Kardinal Mazarin getroffen. Dieser habe ihm motu proprio ein Abbtei von 5000 Cronen ertheilt, ehe er entschlossen gewesen, sich in französische Dienste einzulassen. Diese habe er weder aufgeben wollen noch können, denn die Beneficien weren einmalln zu gross. Überhaupt verstehe er, Fürstenberg, nicht, warum man nun ausgerechnet an ihm ein Exempel statuiere, er hete stets geglaubt, dass solcher sein Handl und Wandl, auch Euer Kay: May: nicht missgefallen haben werde, weilen gegen ine deswegen nie nichts (als nur zuzeiten fliegend und inter pocula) geredtet ­worden, und dass er gesehen, dass E: K: M: auch gegen andere vill Sachen nicht geandet und dass er also geglaubet hat, dass die R[eichs]stände derg­lichen in Crafft irer Freyheyten und Privilegien thuen könten 2. Die Ausführungen Wilhelms von Fürstenbergs geben einen interessanten Einblick in die Sichtweise, die einer der wichtigsten und schillerndsten Diplomaten der Zeit von seinem Tun und von den „Internationalen Beziehungen“, die er mittrug, hatte. Reichszugehörigkeit bedeutete für ihn, dass er gleichzeitig auch Untertan des französischen Königs sein konnte, nicht aber, dass er dem Kaiser zu irgendetwas verpf­lichtet sei. Adelige Akteure konnten ohne Weiteres in den Dienst eines fremden Herrschers treten. Gelder und Güter schufen Verpf­lichtungen, die andere Zugehörigkeiten in den Hintergrund drängen konnten. All dies sei der von allen Beteiligten – inklusive des Kaisers – anerkannte Normalfall. Um sich dennoch abzusichern, berief sich Fürstenberg auf zwei seiner Identitäten gleichzeitig: auf die als französischer Untertan und jene als Reichsstand. Beide gestatteten ihm die Zusammenarbeit mit der französischen Krone. Was sich aus moderner Perspektive wie krude Verteidigungsrhetorik eines in die Bredouille geratenen Abenteurers anhört, verweist tatsäch­lich auf eine

2 Vgl. Gemeinsames Protokoll der Verhöre vom 12. April 1674 zu Vösendorf und vom 19. Mai 1674 zu Wiener Neustadt, in: Spiegel, Fürstenbergs Gefangenschaft, 172 ff.

Forschungsstand und Konzepte

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frühmoderne (außen-)politische Kultur, der die hier vorliegende Studie anhand des Verhältnisses der französischen Krone zu den Kurfürsten von Köln und Mainz nachgehen wird.

1.1

Ungleiche Außenbeziehungen und Verflechtung in der Frühen Neuzeit – Forschungsstand und Konzepte

1.1.1 Asymmetrische Außenbeziehungen Die Geschichte der Außenbeziehungen ist mittlerweile fest in den Kreis der innovationsfreudigen Teildisziplinen aufgenommen worden. In den letzten Jahren hat es in den verschiedensten Bereichen des Feldes eine Reihe wichtiger Neuerungen und Perspektivenwechsel gegeben. Die einstmals so verstaubte Diplomatiegeschichte ist nun einer Vielzahl sozial- und kulturgeschicht­licher Ansätze für eine Geschichte der Außenbeziehungen gewichen 3. Klagen über Konzeptflauten und das selbst verschuldete Ende eines „Primats der Außenpolitik“4 oder der Generalverdacht, Diplomatiegeschichte sei ein Relikt einer rückwärtsgewandten „neorankeanischen“ Geschichtsschreibung 5, sind mittlerweile ähn­lich obsolet wie die einstmals zu Beginn von Studien wie dieser nicht unüb­liche Versicherung, man werde den Leser nicht der töd­lichen Langeweile endloser Rekapitulationen von Verhandlungen aussetzen. Im Zuge der angesprochenen Innovationen ist immer wieder nach den systemischen Bedingungen von Außenbeziehungen und den typologischen Charakteristika außenpolitischer Akteure gefragt worden. Der klassischen Diplomatiegeschichte hatte sich dieses Problem kaum gestellt. Man ging mit einer gewissen Selbstverständ­ lichkeit davon aus, dass zumindest seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts „Staaten“ in einem „internationalen System“ miteinander interagierten 6. Sie wurden als souveräne und prinzipiell gleichberechtigte Gebilde betrachtet. Staat­liche Eliten bzw. Regierungen galten als Akteure, die einem abstrakten Staatszweck verpf­lichtet waren. Dieses implizit vorausgesetzte oder zumindest nicht hinterfragte Modell findet sich in verschiedenen Ausprägungen in politikwissenschaft­lichen Konzepten

3 Einen aktuellen Querschnitt innovativer Beiträge bietet der Sammelband von Thiessen/ Windler (Hrsg.), Akteure in Außenbeziehungen. Ein Überblick über neuere Themenfelder findet sich auch bei Kugeler u. a., Einführung. Viele dieser innovativen Themenbereiche berücksichtigt auch Gantet, Guerre. 4 Hochedlinger, Frühneuzeitforschung. 5 Zum letzten Akt der Polemik vor allem zwischen Hans-Ulrich Wehler, Andreas ­Hillgruber und Klaus Hildebrand vgl. Wehler, „Moderne Politikgeschichte“? 6 So etwa Immich, Geschichte des europäischen Staatensystems

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Einleitung

explizit und systematisch beschrieben. In dem sogenannten „Billardkugelmodell“ werden Staaten etwa als geschlossen handelnde und aufeinander einwirkende Einheiten betrachtet 7. Die Frage nach der Geschicht­lichkeit eines solchen Modells stellt sich hier überhaupt nicht. Vertreter einer „realistischen Schule“ der Internationalen Beziehungen postulierten ein überzeit­liches Modell, dem zufolge Staaten durch praktisch alle Epochen als Konkurrenten in einem nicht durch übergeordnete Prinzipien regulierten internationalen System das Ziel verfolgen, auf Kosten anderer Staaten ihre Machtstellung zu maximieren 8. Verfechter einer sogenannten historischen Soziologie der Internationalen Beziehungen sehen dagegen im Westfälischen Frieden von 1648 die Geburtsstunde eines Modells moderner Staat­lichkeit bzw. zwischenstaat­lichen Handelns. Der Westfälische Frieden wird hier als ein systembildendes Ereignis betrachtet. Der Terminus „Westphalian System“ steht als Chiffre für das gesamte Gefüge moderner Zwischenstaat­lichkeit 9. Die Frage nach der Systembildung bzw. nach für die Gestaltung von Außenbeziehungen grundlegenden systemischen Faktoren wurde jedoch schon vor einigen Jahren in der historischen Frühneuzeitforschung selbst gestellt 10. Grundlegend war etwa Heinz Schillings Modell der vier Leitfaktoren politischen Handelns: Konfession, Dynastie, Staatsräson und Tradition 11. Johannes Burkhardt hat vor allem nach defizitären systemischen Faktoren gefragt, die die Kriegs- und Krisenträchtigkeit der Internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit erklären sollten 12. Im Rahmen solcher Forschungen ist auch das Epochenjahr 1648 für die Formierung eines europäischen internationalen Systems infrage gestellt worden 13. Die Frühneuzeitforschung hat stattdessen nach den Ursprüngen und Funktionsweisen eines solchen Systems bereits vor 1648 gesucht 14. Zugleich ist darauf hingewiesen

7 Zum Billardkugelmodell vgl. Wolfers, Macht und Indifferenz, 360. Zur realistischen Schule vgl. Lehmkuhl, Theorien Internationaler Politik, 71 – 110; Smith, History and International Relations, 61 – 92. 8 Dies hat u. a. zur Verwendung des „Anarchiebegriffes“ geführt, vgl. Bull, Anarchical society. 9 Gross, Peace of Westphalia. Weitgehend affirmativ zu dieser Chronologie Ruggie, Continuity; Krippendorff, Die Erfindung der Außenpolitik. Als historischen Endpunkt der Durchsetzung des modernen Staates begreift den Westfälischen Frieden auch Spruyt, The Sovereign State, 27. 10 Vgl. etwa die grundlegenden Überlegungen bei Krüger, Internationale Systeme, und Duchhardt, Reich in der Mitte, 2 ff. 11 Schilling, Formung und Gestalt. 12 Burkhardt, Friedlosigkeit. 13 Duchhardt, „Westphalian System“. Vgl aus selbstkritischer Sicht der „historischen Soziologie“ auch Krasner, Westphalia and all that, 240 ff. 14 Schulze, Dimensionen, 23 ff. Vgl. auch Schilling, Formung und Gestalt.

Forschungsstand und Konzepte

15

worden, dass auch nach 1648 dezidiert vormoderne Elemente – etwa dynastische oder universalistische Ordnungsvorstellungen – für die europäischen Außenbeziehungen paradigmatisch blieben 15. In diesem Kontext ist auch darauf verwiesen worden, dass sich frühneuzeit­liche Außenbeziehungen in weiten Teilen eher mit einem personalen Beziehungsmodell – etwa als „société des princes“, von der Lucien Bély gesprochen hat – denn als Staatensystem beschreiben lassen 16. Hier konnten auch jüngere Forschungen zur symbolischen Kommunikation ansetzen und auf den hierarchischen Charakter der Fürstengesellschaft verweisen. Souveränität wurde während des Westfälischen Friedenskongresses ein zunehmend zentraler Faktor. In der Praxis wurde sie aber nicht als abstrakter völkerrecht­licher Rang bestimmt, sondern blieb an symbolische Praktiken sozialer Schätzung gebunden, die mehr für die Einbindung von Außenbeziehungen in eine stratifizierte Adels- bzw. Fürstengesellschaft denn in die Strukturen eines Systems prinzipiell gleichberechtigter Staaten sprechen 17. Auch wenn der Faktor Souveränität dazu beitrug, das traditionelle hierarchische Ordnungsmodell der europäischen res publica christiana zu nivellieren, waren dennoch – vor wie nach dem Westfälischen Frieden – deut­liche Macht- und Statusgefälle zwischen den Akteuren prägende Charakteristika der Außenbeziehungen in verschiedenen politischen Räumen Europas. Hierbei gab es interessante semantische und funktionale Parallelen zu asymmetrischen Beziehungen innerhalb von Herrschaftsverbänden. Protection, wie sie der französische König gegenüber geist­lichen Kurfürsten des Reiches oder elsässischen Reichsstädten im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges ausübte, war eine dezidiert asymmetrische völkerrecht­liche Kategorie, die aber auch Sozial- und Rechtsbeziehungen innerhalb eines Herrschaftsverbandes bezeichnete 18. Angesichts der offenkundigen Abhängigkeitsbeziehungen und dem politischen Ungleichgewicht innerhalb des „spanischen Systems“ im Italien des 17. Jahrhunderts wurde gelegent­ lich auch das Verhältnis italienischer Fürsten zum spanischen König als eine Art „Patronage zwischen Fürsten“ beschrieben 19. Insbesondere Fragen nach den Diskursformen und Praktiken dieses Typs von Beziehungen sind für die vorliegende 15 Vgl. vor allem Teschke, Myth of 1648. 16 Vgl. hierzu Bély, Société des princes. Der Begriff selbst bleibt in Bélys Studie jedoch kaum mehr als eine vielversprechende Formel, die weniger analytisch gefasst wird, sondern sich eher über anekdotisch präsentierte Befunde erschließt! 17 Krischer, Souveränität als sozialer Status; Stollberg-Rilinger, Völkerrecht­licher Status und zeremonielle Praxis. 18 Vgl. etwa die Überlegungen von Bodin, Six livres, 101 ff. Zu Protektionsverhältnissen in „reichisch“-französischen Beziehungen vgl. Weber, Frankreich, Kurtrier; Stein, Protection royale. 19 Spagnoletti, Principi italiani.

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Einleitung

Studie von Bedeutung. Übergreifende oder vergleichende Studien, die allgemeinere Züge solcher ungleichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit thematisieren, fehlen aber bislang 20. Die Frage nach Asymmetrien und der Mög­lichkeit „zwischenstaat­licher“ Beziehungen stellt sich in besonderem Maße in Bezug auf die Außenbeziehungen des Heiligen Römischen Reiches und seiner Glieder. Hier standen die Mög­lichkeiten einzelner Fürsten, außenpolitisch zu agieren, unter sehr besonderen Bedingungen. Als Reichsstände waren sie in ein politisches Gefüge eingebunden, dessen Identität nicht nur aus heutiger Sicht schwer rekonstruierbar ist, sondern bereits den Zeitgenossen klärungsbedürftig erschien 21. Ob und wie sich der Reichsverband überhaupt mit staat­lichen Kategorien beschreiben lässt und welche Folgen sich dadurch für den Status der einzelnen Glieder des Reiches ergaben, ist in der Forschung umstritten. Georg Schmidt etwa hat die Koexistenz territorialer Verfasstheit und übergreifender Strukturen im Alten Reich im Sinne eines „komplementären Reichsstaates“ gedeutet. Dieser habe bereits früh eine protonationale „deutsche“ Identität herausgebildet 22. Johannes Burkhardt hat die parallele „Doppelstaat­lichkeit“ von Reich und Territorien als besonders konstitutiv für das Alte Reich beschrieben 23, die sich auch von den Herrschaftskompromissen zwischen Monarch und Adel in den westeuropäischen „composite monarchies“ unterschied 24. Andere Ansätze verzichten gänz­lich auf Staat­lichkeitsbegriffe und haben teilweise schon vor, teilweise in expliziter Absetzung von Georg Schmidt von einem polyzentrischen Reichssystem gesprochen 25. Es war vor allem der Westfälische Frieden, der im Rahmen des Reichsverbandes eigene Außenbeziehungen seiner Glieder zu auswärtigen Herrschaftsträgern formell legitimierte. Artikel VIII des Friedensinstrumentes gestand allen Reichsständen das Recht zu, cum exteris foedera zu schließen 26. Dies wirft eine ganze Reihe von Fragen auf: Welche Folgen ergaben sich daraus für die Reichsstände? In welcher Form konnten welche Akteure nun als „Souveräne“ auftreten? Wie wirkte ihre Einflechtung in den Reichsverband auf ihre Außenbeziehungen zurück? Welche Rolle 20 Vgl. höchstens die Ausführungen bei Schnettger, Kleinstaaten, 612 ff. Wenig Innovatives bieten in dieser Hinsicht die Beiträge in dem Sammelband Langewiesche (Hrsg.), Kleinstaaten in Europa. 21 Dies zeigt etwa die Studie von Burgdorf, Reichskonstitution und Nation. 22 Schmidt, Geschichte des Alten Reichs. 23 Burkhardt, Europäischer Nachzügler. 24 Zum Begriff der „composite monarchy“ vgl. Elliott, Composite Monarchies. 25 Schilling, Das Alte Reich. Zum Reich als „System“ vgl. auch die älteren Beiträge von Press, Das römisch-deutsche Reich, und Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen. Vgl. zur Debatte um die Staat­lichkeit des Alten Reiches den polemischen Beitrag Reinhard, Frühmoderner Staat. 26 APW III, B, 1, 130.

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spielte schließ­lich das mit dem Westfälischen Frieden intendierte Modell einer europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, an dem auch die Reichsstände einen Anteil haben sollten, für die Ausgestaltung von Beziehungen insbesondere zur französischen Krone? Zur Klärung solcher Fragen kann nur eine Analyse der politischen Praxis von ungleichen Außenbeziehungen beitragen. Dies soll im Rahmen dieser Studie anhand der Beziehungen der französischen Krone zu einzelnen Reichsständen im Zeitraum zwischen den Friedensschlüssen von Münster und Nimwegen, d. h. zwischen 1648 und 1679, geschehen. In diesem Zeitraum wurden näm­lich nicht nur die Rahmenbedingungen für reichsständische Außenbeziehungen gesetzt und in der ­Praxis ausgehandelt. Gerade die französischen Beziehungen zu den Reichsständen verdichteten sich in diesem Zeitraum durch das französische Kaiserwahlprojekt von 1657/58 ebenso wie durch die zwischen der Krone und zahlreichen Reichsständen 1658 geschlossene Rheinallianz. Trotz der offenkundigen Erkenntnispotenziale ist nicht nur die Geschichte der Rheinischen Allianz als reichsständisches und zugleich „grenzüberschreitendes“ politisches Projekt in der jüngeren Forschung tendenziell unterbe­lichtet geblieben  27. Generell sind vor allem für die 1650er- und 1660er-Jahre die Beziehungen Frankreichs zu den Reichsständen in den letzten Jahrzehnten weitgehend aus dem Blickfeld der Forschung geraten 28. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit stehen die Beziehungen zu zwei geist­ lichen Kurfürsten im Vordergrund, näm­lich jene zu Kurfürst Max Heinrich von Köln und zu Johann Philipp von Schönborn, dem Reichserzkanzler, Kurfürsten und Erz­bischof von Mainz 29. Die Auswahl rechtfertigt sich in erster Linie durch die zentrale reichspolitische Rolle beider Kurfürsten. Sie waren zugleich tragende Säulen der Rheinallianz und Stützen französischer Reichspolitik. 27 Joachim, Entwickelung. Zur internationalen Dimension vgl. Pribram, Beitrag; unter stark rechts- und verfassungsgeschicht­licher Perspektive Schnur, Rheinbund; vgl. auch Göhring, Kaiserwahl; Schindling, Der erste Rheinbund. Vgl. zum 350-jährigen Jubiläum die Beiträge bei Peters/Duchhardt (Hrsg.), Der Erste Rheinbund (1658). 28 An diesem von Schnettger, Reichsdeputationstag, 345 f., gestellten Befund hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. 29 Vgl. zu Johann Philipp von Schönborn die älteren Monografien von Guhrauer, ChurMainz; Mentz, Johann Philipp von Schönborn; mit Schwerpunkt auf seiner Rolle für den Westfälischen Frieden Wild, Der deutsche Salomo; zu seinem Verhältnis zu Frankreich Badalo-Dulong, Trente ans; zu seiner Kirchenpolitik Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn; zu seiner reichspolitischen Rolle der pointierte Vergleich mit Lothar Franz von Schönborn bei Gotthardt, Friede und Recht, sowie der unmotivierte und erkenntnisarme Zusammenschrieb älterer Literatur bei Brendle, Rolle Johann ­Philipps. Zu Johann Phillips Rolle als „Familienpolitiker“ vgl. Schraut, Haus Schönborn, 15 – 138.

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Darüber hinaus stellten gerade die geist­lichen Staaten innerhalb des politischen „Sonderfalles“ Altes Reich noch einmal einen eigenen Sonderfall dar 30. Ob in ihnen territoriale Staatsbildung unter dem Vorzeichen „intendierter Rückständigkeit“ gewollt in anderen Bahnen verlief als in welt­lichen Territorien, sei dahingestellt 31. Mit den Domkapiteln traten zusätz­lich zu Fürsten und Ständen weitere Akteure auf den Plan, die es in anderen Territorien nicht gab 32. Die territorienübergreifende Rekrutierungsstruktur der Kapitel, ihr hoher Verflechtungsgrad sowie die vielfältigen Rollen von Kapitularen als Geist­liche, Familienmitglieder und gelegent­lich selbst Landesherren schufen zusätz­liche Komplexitäten, die in der vorliegenden Studie immer wieder von Bedeutung sein werden. 1.1.2 Personale Verflechtung und Außenbeziehungen Methodisch ist das oben angesprochene Staatenweltmodell im Zuge der Überwindung nationalstaat­licher Perspektiven auch aus einer anderen Richtung grundsätz­lich kritisiert worden. In der Politikwissenschaft sind bereits seit den 1960er-Jahren Modelle „transnationaler Beziehungen“ entwickelt worden, die sowohl der Relevanz supranationaler Akteure als auch der Beteiligung nicht staat­licher Akteure, etwa sogenannter NGOs, bei der Gestaltung von Außenbeziehungen Rechnung tragen. Sie fassen den Nationalstaat nicht mehr als alleinigen Gestalter von Außenpolitik auf. Ernst-Otto Czempiel hat internationale Politik als politisches Feld definiert, in dem eine Vielzahl von Akteuren in Staatsdiensten oder auf eigene Initiative hin aktiv werden kann 33. Inzwischen wurde auch in der Geschichtswissenschaft das eingangs beschriebene Staatenweltmodell durch transnationale Konzepte abgelöst 34. Jürgen Osterhammel hat für eine „transnationale Gesellschaftsgeschichte“ plädiert, die der Vielzahl von Akteuren, die über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg miteinander interagierten, Rechnung tragen soll 35. Solche Überlegungen sind für die Frühe Neuzeit, in der 30 Vgl. etwa die Beiträge Braun, Die geist­lichen Staaten; dies./Göttert, Der geist­liche Staat. 31 So die umstrittene These bei Hersche, Intendierte Rückständigkeit. 32 Christ, Domkapitel. 33 Czempiel, Internationale Politik. Vgl auch Risse-Kappen (Hrsg.), Transantional Relations. 34 Vgl. etwa die Sammelbände Loth/Osterhammel (Hrsg.), Internationale Geschichte; Budde (Hrsg.), Transnationale Geschichte; Hühn (Hrsg.), Transkulturalität, Transnationalität. 35 Vgl. Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, der dabei auf die Bedeutung politischer Konjunkturen anstelle festgefügter systemischer Strukturen und personaler Netzwerke anstelle starrer Institutionen verweist. Für einen frühneuzeit­lichen Anwendungsvorschlag des Transnationalitätskonzeptes vgl. Krieger, „Transnationalität“.

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nicht nur moderne territoriale Strukturen 36, sondern auch staat­liche, bürokratisch organisierte Institutionen erst im Entstehen begriffen waren, noch weit sinnvoller und dring­licher als für die nachfolgenden Jahrhunderte. Nicht zuletzt deshalb ist in der jüngeren Forschung der Einfluss informeller Akteure und personaler Netzwerke auf die Gestaltung von Außenbeziehungen im Rahmen einer erst allmäh­lichen Professionalisierung der Diplomatie und generellerer „Verstaat­lichungsprozesse“ untersucht worden 37. Der französischen Krone standen wie den meisten anderen europäischen Staatswesen nach 1648 noch keine überwiegend nach bürokratischen Prinzipien arbeitenden diplomatischen Apparate zur Verfügung. Während verschiedent­lich von einem weitgehenden Abschluss des Verstaat­ lichungs- und Bürokratisierungsprozesses frühneuzeit­licher Diplomatie im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert die Rede war 38, deuten jüngere ­Forschungen ­darauf hin, dass die Rekrutierungs- und Dienstverhältnisse frühneuzeit­licher Gesandter auch im frühen 18. Jahrhundert nicht auf verstaat­lichten oder gar bürokratischen Strukturen, sondern noch sehr stark auf Regeln adeliger Soziabilität und der höfischen Gesellschaft beruhten 39. Rekrutierungsmuster von Diplomaten folgten personalen Bindungsverhältnissen. Dies zwang sie einerseits dazu, bei ihrem späteren Handeln nicht nur ihren Gesandtenpf­lichten, sondern auch zahlreichen anderen sozialen Rollen gerecht zu werden. Ebenso unterlag nicht zuletzt auch das Verhältnis zum eigenen Fürsten als Dienstherrn weit mehr adeligen, „patrimonialen“ Normen, als dass es in bürokratische Strukturen eingebettet war. Hillard von Thiessen hat diese Grundzüge der Organisation des frühneuzeit­lichen Gesandtschaftswesens mit dem idealtypischen Konzept einer „Diplomatie vom type ancien“ zusammengefasst, an dem auch die vorliegende Studie immer wieder ihre Befunde orientieren wird 40. Insgesamt ist es so mög­lich, auch einen Prozess der „Staatsbildung nach außen“ in Gestalt eines sich nur langsam „verstaat­lichenden“ Gesandtschaftswesens zu beschreiben 41. Generell hat die Untersuchung der Bedeutung personaler Beziehungen für die politische Kultur der Frühmoderne im Zuge der Rezeption von Modellen aus der sozialwissenschaft­lichen Netzwerkforschung durch die Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erfahren 42. Wolf 36 Zur „Territorialisierung“ der Grenze im frühneuzeit­lichen Frankreich vgl. Nordman, Frontières. 37 Vgl. von Thiessen/Windler, Einleitung. 38 Vgl. etwa Duchhardt, Balance of Power, 24 f. 39 Dies hat insbesondere bereits in den 1990er-Jahren Lucien Bély herausgearbeitet. Vgl. Bély, Espions et ambassadeurs; ders., Méthodes et perspectives. 40 Von Thiessen, Diplomatie vom type ancien. 41 Vgl. auch Gräf, Funktionsweisen. 42 Boissevain/Mitchell (Hrsg.), Network Analysis; Eisenstadt/Roniger, Patrons, Clients; Reinhard, Freunde und Kreaturen.

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gang Reinhard hat das politische Handeln in Netzwerken mit dem Begriff „Mikropolitik“ definiert, verstanden als „mehr oder weniger planmäßigen Einsatz eines Netzes informeller persön­licher Beziehungen zu politischen Zwecken“43. Angelsächsische und französische Forschungen haben gezeigt, welche Bedeutung besonders Patro­nage­beziehungen vor allem in den westeuropäischen Monarchien des 17. Jahrhunderts für die innere Stabilisierung monarchischer Herrschaft – etwa durch die Integration hoffremder Eliten – und den Prozess der Staatsbildung hatten 44. Die Begriffe Mikropolitik und Patronage können bis zu einem gewissen Grade, aber nicht völlig zur Deckung gebracht werden. Ob und wieweit der Begriff Mikro­ politik zusätz­lich zum Patronagekonzept seine Berechtigung hat, ist in der Forschung nicht unumstritten gewesen 45. Hier soll der Begriff „Patronage“ speziell für asymmetrische bzw. von den Akteuren als asymmetrisch bestimmte soziale Tauschbeziehungen verwandt werden 46. „Mikropolitik“ dagegen soll hier als ein Überbegriff für jede politische Kooperation auf der Basis personaler Beziehungen bzw. für sprach­liche Referenzen hierauf gebraucht werden. Solche Beziehungen müssen nicht zwangsweise mit Asymmetrie oder mit Gabentausch verknüpft sein 47. Sie können aber zumindest analytisch von gemeinwohlorientierten oder sich auf staat­liche Kategorien beziehenden Begriff­lichkeiten geschieden werden. Das Konzept „Mikropolitik“ bezeichnet also politische Handlungen oder Denkrahmen, die per se nicht makropolitisch sind, aber auch nicht zwangsweise mit dem Begriff der Patronage zureichend beschrieben werden können. Die von der Erforschung der Binnenverflechtungen ausgehenden Impulse konnten auch bei der Untersuchung der Außenbeziehungen frühneuzeit­licher Herrschaftsverbände wieder aufgenommen werden. Deren Außenpolitik erscheint dann 43 Reinhard, Amici e creature, 312. 44 Vgl. zu Frankreich: Kettering, Patrons, Brokers and Clients; zu den Britischen Inseln: Levy Peck, Court patronage, 75 ff.; Asch, Der Hof Karls I. 45 Reinhardt, Verflechtung, 241 f., hat unter anderem deshalb für den Patronagebegriff optiert, da sich die Logik mikropolitischer Beziehungen nur durch Patronage habe aktivieren lassen und sich der Begriff überdies nicht in der Forschung durchgesetzt habe. 46 Diese Definition folgt der Spezifizierung bei Reinhard, Freunde und Kreaturen, 39 f. Patronage unterscheidet sich funktional (häufig nicht semantisch) von der Freundschaft durch das asymmetrische Verhältnis der beteiligten Personen, wobei Loyalität und Gegenleistungen verschiedener Natur sind und per definitionem nicht die Leistungen des Patrons ausgleichen können; in diesem Sinne hat Denis Richet von „échanges inégaux“ als der Grundlage von patronageförmigem Tausch gesprochen, vgl. Maczak, Diskussionsbericht, 344. 47 Dass die Grenzziehung zwischen Patronage und Freundschaft zwischen tendenziell gleichgestellten hochadeligen Akteuren fließend ist, da weder soziale Asymmetrien noch Tauschverhältnisse eindeutig beschrieben werden können, zeigt etwa Asch, Europäischer Adel, 113 f.

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weniger als Beziehung zwischen Staaten als monolithischen Akteuren, sondern vielmehr als Handeln einer Vielzahl von Akteuren mit verschiedenen Interessen, die auf ebenso vielfältige Art und Weise miteinander verflochten waren 48. Dieser Umstand ist in besonderem Maße für die (außen-)politische Kultur ­Italiens im 17. Jahrhundert erforscht worden 49. Dazu trug nicht zuletzt ein von Wolfgang Reinhard initiiertes Forschungsprojekt bei, in dem die Beziehungen zwischen dem Kirchenstaat unter Paul V. bzw. der Papstfamilie und verschiedenen italienischen und europäischen Höfen und Städten unter der Perspektive personaler Verflechtung untersucht wurden 50. Christian Windler hat die eminente Bedeutung personaler Verflechtung in interkulturellen Beziehungen anhand der Tätigkeit französischer Konsuln im Maghreb im 18. und 19. Jahrhundert beschrieben 51. Ebenso haben Forschungen zur „weib­ lichen Diplomatie“ im 18. Jahrhundert die Rolle personaler Verflechtung hervorgehoben und nach Handlungsspielräumen weib­licher höfischer Akteure parallel bzw. in Konkurrenz zur institutionalisierten Diplomatie bei der Gestaltung von Außenbeziehungen gefragt, die in weiten Teilen immer noch „interhöfische Beziehungen“ waren 52. Über die Frühe Neuzeit hinaus ist selbst für die große Zeit der klassischen Staatenweltdiplomatie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Bedeutung von „Persön­lichkeitsnetzen“ hervorgehoben worden 53. Im Gegensatz zum mediterranen Raum sind personale Verflechtungen in den Außenbeziehungen des Heiligen Römischen Reichs bislang kaum erforscht worden. In einem anderen Kontext hat zwar Friedrich Edelmayer in seiner Studie Söldner und Pensionäre über die Netzwerke Philipps II. nominell mit einem Verflechtungsansatz gearbeitet, aber auf dessen theoretische Vertiefung verzichtet und implizit eine Staatenweltperspektive beibehalten 54. 48 Für das 16. und frühe 17. Jahrhundert trägt etwa das Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen diesem Befund mittlerweile Rechnung, vgl. Schilling, Konfessio­ nalisierung und Staatsinteressen, 107 ff. Schilling geht allerdings davon aus, dass solche Netzwerke sich vor allem anhand konfessioneller Solidaritäten organisierten und vor allem im reformierten Fall Instrumente der Austragung konfessioneller Konflikte waren. 49 Vgl. etwa Osbourne, Dynasty and Diplomacy; Frigo, Introduction, 8 f. 50 Reinhard (Hrsg.), Römische Mikropolitik; Wieland, Fürsten; Mörschel, Buona a­ micitia; von Thiessen, Diplomatie und Patronage. Den hier gängigen Terminus „Außenverflechtung“ hat zuerst Steuer, Außenverflechtung, geprägt. 51 Windler, Diplomatie comme expérience de l’autre. 52 Dade, Pompadour; Bastian, Verhandeln in Briefen. 53 Brechtken, Scharnierzeit. Leider verfolgt der Autor diesen Aspekt nicht mit der wünschenswerten Konsequenz und analytischen Schärfe. 54 Edelmayer, Söldner und Pensionäre. Über die Studie Edelmayers hinaus finden sich eher Anklänge an einen Verflechtungsansatz als seine tatsäch­liche Durchführung.

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Die vorliegende Studie wird dagegen das Verhältnis verschiedener Akteure im Umfeld der Kölner und Mainzer Kurfürsten zur französischen Krone explizit als grenzüberschreitende Patronagebeziehungen untersuchen. Diese sollten die französische Reichspolitik im untersuchten Zeitraum nachhaltig beeinflussen. In der untersuchten Personengruppe sind an prominenter Position vor allem die Brüder Franz Egon und Wilhelm von Fürstenberg zu nennen, die in den Diensten des wittelsbachischen Kurfürsten von Köln, Max Heinrich, standen und als wichtigste Klienten der französischen Krone und Vermittler französischer Reichspolitik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert gelten können 55. Die Fürstenberg erhielten von der französischen Krone für die Unterstützung ihrer Diplomatie im Reich neben Pensionsgeldern zahlreiche geist­liche Benefizien, etwa das Bistum Straßburg, wo Franz Egon 1663 mit französischer Hilfe zum Bischof gewählt wurde. Am Mainzer Hof, dem eine besondere Wichtigkeit zugemessen wurde, befanden sich der zumindest bis 1664 sehr einflussreiche Oberhofmarschall Johann Christian von Boineburg 56 und später der von den Franzosen geförderte Philipp Ludwig von Reiffenberg in einer vergleichbaren Vertrauensstellung 57. Reiffenberg gelang es auch, aufgrund seines Beziehungsnetzes im Reich eine zeitweise Annäherung Frankreichs an den Kurfürsten von Sachsen zu vermitteln 58. Ebenso wurde ab 1663 Lothar Friedrich von Metternich aktiv in das Netzwerk der Krone einbezogen und dann 1670 mit französischer Hilfe zum Koadjutor gewählt 59. Die ältere Forschung war sich der Existenz solcher Beziehungen ebenso bewusst wie der Tatsache, dass solche Kooperationen einzelner Reichsstände und Fürsten­ diener mit der französischen Krone in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts keineswegs in ein konventionelles Modell der Zwischenstaat­lichkeit passten. Konzepte, die es ermög­licht hätten, diese Beziehungen mit an sozialwissenschaft­liche Methoden angelehnten Verfahren systematisch zu analysieren, standen der älteren Geschichtsschreibung aber nicht zur Verfügung und wurden im Falle jüngerer Vgl. Handschuher, Das Reich in Europa, und zum 18. Jahrhundert Schütz, Gesandtschaft Großbritanniens. 55 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg; O’Connor, Negotiator; ders., William Egon von Fürstenberg. 56 Wild, Sturz. Recht ausführ­lich zur politischen Rolle Boineburgs als Beiprodukt früher Leibnizforschung: Guhrauer, Chur-Mainz. 57 Wild, Reiffenberg. 58 Auerbach, La diplomatie française et la cour de Saxe (1648 – 1680), 200 ff. 59 Braubach, Politische Hintergründe; Christ, Lothar Friedrich. Einen tatsäch­lichen Einfluss der Franzosen auf Lothar Friedrichs Wahl und in der Folge auf dessen Politik bestreitet Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, 309. Von kaiser­licher Seite blieb jedoch lange Zeit die misstrauische Wahrnehmung Lothar Friedrichs als eines potenziellen Frankreichfreundes, vgl. Müller, Wien und Kurmainz.

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Arbeiten nicht rezipiert 60 – wenn man von Max Braubachs wenig überzeugendem Versuch, den „politischen Abenteurer“ als ernsthafte Analysekategorie einzuführen, einmal absieht 61. Der Umstand, dass diese Beziehungen nicht nur in klassischen diplomatiegeschicht­lichen Abhandlungen, sondern auch in politischen Biografien verhandelt wurden, verhinderte zumeist zusätz­lich, dass die Anbindungen der Akteure an die französische Krone in größeren Zusammenhängen untersucht werden konnten 62. Die Untersuchung grenzüberschreitender Patronagebeziehungen soll zunächst netzwerkanalytisch vorgehen und abgelöst von einem primären Interesse an biografischen Fakten die Funktionsweisen, die Qualität und die Dichte von Verflechtungsbeziehungen, aber auch das Verhältnis dieser Klientel zum französischen Gesandtschaftswesen und seinen Institutionen analysieren. In diesem Zusammenhang soll auch nach Parallelen und Differenzen zwischen innerfranzösischen Patronage­ netzwerken, die seit den 1630er-Jahren ein zentrales Herrschaftsinstrument der Krone in den Provinzen waren 63, und den Funktionsweisen grenzüberschreitender Patronagebeziehungen gefragt werden. Dass sich Patronagebeziehungen in der Frühen Neuzeit nicht in einem luftleeren Raum zwischen Patron und Klienten abspielten und keineswegs auf eindeutigen Bindungen der Akteure beruhten 64, wird bei der Untersuchung grenzüberschrei 60 „Die Untersuchung ist dipomatiegeschicht­lich angelegt und sie muss es sein, denn das Streben nach Frieden und Sicherheit, den Grundbedürfnissen der deutschen Staatenwelt des 17. Jahrhunderts, wird am ehesten am Quellenmaterial der diplomatischen Geschichte greifbar und begreifbar.“ Decker, Frankreich und die Reichsstände, 23. 61 Braubach kündigte in einer Geschichte und Abenteuer betitelten Studie über Agenten aus dem Umfeld des Prinzen Eugen an, den „Abenteurer“ als seriöse historische Kategorie einführen zu wollen, kam aber unter analytischen Gesichtspunkten über die Feststellung, dass es in der Zeit um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert besonders viele solcher „Abenteurer“-Gestalten gegeben habe, kaum hinaus, vgl. Braubach, Geschichte und Abenteuer, 2 f. 62 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 502. Die Rückbindung an bereits in den 1960erund 1970er-Jahren bestehende Forschungen zu Strukturen politischer Solidaritäten innerhalb Frankreichs im 17. Jahrhundert blieb aus. So spricht Max Braubach in seiner Bilanz der politischen Biografie Wilhelm von Fürstenbergs von dessen „Treue“ zum französischen König als politischer Konstante, ohne sich auf Roland Mousniers zu diesem Zeitpunkt in der französischen Sozialgeschichte bereits aktiv rezipierte Forschungen zum fidélité-Konzept zu beziehen. Zum Modell der fidélité als zentraler Größe frühmoderner politischer Kultur vgl. Mousnier, Les fidélités et les clientèles. 63 Kettering, Patrons. 64 Reinhard, Freunde und Kreaturen, 70 f., weist auf die Normalität „solcher Fülle der einander überlagernden und ergänzenden Beziehungen, bis hin zu dem für Rom wichtigen Sachverhalt, dass man gleichzeitig Klient mehrerer Patrone sein kann“, hin.

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tender Bindungen häufig noch deut­licher als bei Klientelverhältnissen innerhalb eines Herrschaftsverbandes. Eine Analyse solcher Beziehungen muss daher konsequenterweise auch Patronagekonkurrenz und daraus hervorgehende Loyalitätskonflikte, aber auch konkurrierende Handlungslogiken von Akteuren in den Blick nehmen, die aber bislang in Studien zur Außenverflechtung nicht systematisch untersucht worden sind. Eine gründ­liche Untersuchung politischen Handelns in und mit Netzwerken kann frei­lich nicht bei einer reinen Analyse von Personenkonstellationen und deren Funktionen stehen bleiben. Personale Verflechtung und ihre Funktionsweisen müssen auch ausgehend von der sie umgebenden politischen Kultur, vorläufig definiert als historisch wandelbares Ensemble von Diskursen und Praktiken, die „das Politische“ konstituieren, untersucht werden. Das Handeln der Akteure gibt Aufschluss über dahinter stehende Werte und Normenhorizonte und ihre Umsetzung in die Praxis 65. Was jedoch genau politische Kultur bedeutet bzw. wie eine „Kulturgeschichte des Politischen“ auf die hier beschriebenen Sachverhalte hin konzipiert werden kann, soll im Folgenden erörtert werden.

1.2 Was heißt „Kulturgeschichte des Politischen“? Um den Begriff von Kultur zu klären, der der politischen Kultur bzw. einer Kulturgeschichte des Politischen zugrunde liegt, kann auf eine Klassifizierung verschiedener Kulturbegriffe aus theoriegeschicht­licher Perspektive, die der Kultursoziologe Andreas Reckwitz vorgenommen hat, zurückgegriffen werden. Im Folgenden sollen drei dieser typologischen Begriffe herangezogen werden, um den Gegenstand einer Kulturgeschichte des Politischen, wie sie hier für ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage entworfen wird, zu konturieren. Reckwitz unterscheidet unter anderem einen normativen, einen bedeutungs- und wissensorientierten und einen differenzierungstheoretischen Kulturbegriff 66. Hochkulturelle bzw. normative Kulturbegriffe bieten eine Mög­lichkeit der Abgrenzung und Festlegung dessen, was nicht Gegenstand einer Kulturgeschichte des Politischen sein soll. Gegenwärtige Konzepte einer „Kulturgeschichte des Politischen“ grenzen sich näm­lich von einer in politikwissenschaft­lichen Forschungen präsenten, normativ verstandenen „politischen Kultur“ mit hohen oder niedrigen „Standards“ politischer Kommunikation und Interaktion ab 67. Ebenso fassen sie ihren Kulturbegriff dezidiert nicht in einem hochkulturellen Sinne auf, der sich auf 65 Reinhard, Kommentar, 137. 66 Vgl. zum Folgenden Reckwitz, Transformation der Kulturtheorien, 64 ff. 67 So etwa Almond/Verba, The civic culture.

Was heißt „Kulturgeschichte des Politischen“?

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„Kulturgüter“ im Umfeld der „eigent­lichen“ Politik bezieht 68. Kultur ist also nicht als das weiche Beiwerk zu verstehen, das von der harten Politik zu scheiden wäre oder gar eine symbolische Fassade, die den Blick auf die „eigent­liche“ Politik verdeckt 69. Ein wissens- und bedeutungsorientiertes Kulturkonzept liegt vielen neueren Ansätzen einer Kulturgeschichte des Politischen zugrunde 70. Politik wird hier primär als symbolisches und sprach­liches Aushandlungsgeschehen behandelt, in dem „Wirk­lichkeit, Wahrheit und Wissen“, verstanden als „(kulturhistorisch gesprochen) bedeutungshaltige und sinngesättigte Wirk­lichkeit“, produziert werden 71. Ein solches Konzept befasst sich primär mit in Diskursen codiertem Wissen und über symbolische Ordnungen erschließbaren Bedeutungen. Es geht vor allem um die sprach­ liche Verständigung über die Abbildung und situative Herstellung von politischer Wirk­lichkeit durch den Gebrauch symbolischer Zeichen in Ritualen, Zeremonien, aber auch körper­lichen Handlungen wie Gesten, Mimik, Kleidung etc.72 Kultur umfasst dabei keinen festen Gegenstandsbereich im Feld des Politischen. Sie ist hier vielmehr als eine spezifische Perspektive auf das Politische 73, als „kulturelle Brille“ aufzufassen 74. Eine Kulturgeschichte des Politischen begreift Politik daher auch nicht mehr zwangsläufig als institutionalisiertes Geschehen, dessen Bezugspunkt notwendigerweise Staaten und ihre politischen Institutionen sind. Das Politische wird vielmehr als ein diskursiver und symbolisch vermittelter Aushandlungsprozess verstanden, der nicht mehr notwendigerweise institutionalisierte Bezugspunkte braucht 75. Dies bedeutet, dass sich die Akteure anhand bestimmter 68 Auch wenn bestimmte Fassungen einer Kulturgeschichte des Politischen genau dies – bewusst oder unbewusst – suggerieren. Mög­liche Gegenstandsbereiche der Außenbeziehungen werden so umrissen, dass sie sich auf einen harten politischen Kern – Systembildung, Entscheidungsstrukturen im Sinne von high politics – beziehen, aber auch den Transfer von Kulturgütern als „weiches“ Element mit einbeziehen sollen, vgl. Externbrink, Internationale Politik. 69 So etwa Edelman, Politik als Ritual. 70 So etwa Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen. 71 Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen, 107. 72 Über Ernst Cassirers Symbolbegriff koppelt Stollberg-Rilinger, Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, die Dimensionen des Sprach­lichen und des Politischen. Eine Kulturgeschichte der Politik, die den Gebrauch symbolischer Zeichen explizit mit einbezieht, fordert auch Mergel, Überlegungen. 73 Auch die berüchtigten turns innerhalb der Kulturgeschichte können als solche kulturellen Perspektiven bzw. Initiale für Perspektivenwechsel betrachtet werden. Vgl. etwa Bachmann-Medick, Cultural turns, 25 f. 74 Der Metapher einer „kulturgeschicht­lichen Brille“ bediente sich auch Rohe, Politische Kultur, 332. 75 Vgl. Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen; Mergel, Überlegungen. Von sprach­lich und symbolisch vermittelten „claims“ als zentralem Element einer politischen Kultur

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Sinnstrukturen, die in Diskurse und in symbolische Ordnungen eingelassen sind, verständigen und auseinandersetzen. Im Rahmen von solchen Prozessen wird permanent neu ausgehandelt, was sie als Regeln des Politischen begreifen. Der Aushandlungsbegriff muss hier keinesfalls als herrschaftsfreie Kommunikation verstanden werden, sollte aber der insbesondere für die frühneuzeit­liche Staatsbildung unbestreitbaren Tatsache Rechnung tragen, dass Herrschaft selten ohne Beteiligung der Beherrschten mög­lich war 76. Unter dieser Perspektive lässt sich zwar politische Kultur als „das Gefüge der Werte und Einstellungen“ definieren, das „in den Spielregeln des politischen Systems“ zu greifen ist 77. Als solches unterlag sie aber permanent jenen sprach­lichen und symbolischen Aushandlungsprozessen, die das Politische konstituieren. Die Kulturgeschichte des Politischen ist daher mehr als nur eine Perspektive auf die Politik, sondern eine Sichtweise auf diese, die es ermög­licht, den dynamischen Konstitutionsprozess dessen, was das Politische in Bezug auf einen bestimmten historischen Interaktions- und Kommunikationszusammenhang ausmacht, in den Blick zu bekommen. Diese Aushandlungsprozesse beziehen sich auf Sinnstrukturen, die durch die Akteure veränderbar, aber zugleich für sie nicht vollständig verfügbar sind. Sie sind in hohem Maße wandelbar, bleiben aber zugleich so kohärent, dass sie kommunikative Anschlussfähigkeit gewährleisten 78. Eine politische Kultur ist kulturgeschicht­lich betrachtet somit zugleich Voraussetzung, Gegenstand und Ergebnis alltäg­licher Interaktions- und Aushandlungsprozesse. Die Privilegierung diskursiver und symbolischer Ordnungen und Aushandlungsprozesse als konzeptuelle Voraussetzungen einer solchen Kulturgeschichte des Politischen hat für Irritationen und stellenweise stark überzogene Kritik gesorgt. So ist etwa die Befürchtung geäußert worden, solche Ansätze ließen das „Harte“

spricht auch Baker, Introduction, XII. Vgl. zur Bedeutung wandelbarer Symbole und Sprachformen auch die inzwischen klassische Studie zur politischen Kultur der französischen Revolution von Hunt, Symbole der Macht. 76 Vgl. zu dieser Begriffsklärung Frevert, Neue Politikgeschichte, 15. Reinhard, Staatsbildung durch „Aushandeln“, 434, kritisiert den Begriff als Anachronismus, der zu wenig die eingeschränkten Mög­lichkeiten von Verständigung unter den Bedingungen der ständischen Gesellschaft berücksichtigt und sich zu sehr auf die Offenheit des Politischen im Sinne eines rational-choice-Ansatzes stützt. Dass Aushandelbarkeit nicht mit beliebiger Wahlfreiheit verwechselt werden darf, sollte im Rahmen dieser Einleitung deut­lich geworden sein bzw. noch deut­lich werden. Dass der Aushandlungsbegriff aber dennoch unter asymmetrischen Bedingungen von Herrschaft sinnvoll ist, zeigt, stellvertretend für viele Studien, Landwehr, „Normdurchsetzung“. 77 Vgl. Emich, Territoriale Integration, 20. 78 Vgl. in diesem Sinne etwa Hunt, Symbole der Macht, 254 ff.

Was heißt „Kulturgeschichte des Politischen“?

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und Materielle der Politik, ihre Institutionen und Machtmittel, außer Acht 79. Dies wird von solchen Ansätzen aber weder intendiert noch ist es eine ihrer zwangsläufigen Folgen. Poststrukturalistische Sozialtheorien, deren reale oder vermeint­liche Rezeption hier in besonderem Maße in der Kritik steht, bestreiten keineswegs die Wirk­lichkeit politischer Macht und die Materialität von Institutionen und ihren Machtmitteln, sondern heben diese ausdrück­lich hervor 80. Sie beschreiben vielmehr kritisch diskursive Legitimationsstrategien der Begründung politischer Macht und der durchaus „handfesten“ Anwendung ihrer Mittel 81. Auch der Vorwurf, einer so verstandenen Kulturgeschichte des Politischen fehle das theoretische Rüstzeug, um der für jedes politische Verhältnis zentralen Kategorie der Macht Herr zu werden, geht an der Sache vorbei 82. Ein Theoretiker wie Michel Foucault teilt mit seinen Kritikern nicht nur die Annahme, dass Machtbeziehungen universell und für jede gesellschaft­liche Einheit konstitutiv sind 83. Foucault hat in seinen Werken auch nach der Mög­lichkeit der Verdichtung, Materialisierung und Verräum­lichung politischer Macht im Wechselspiel mit den Diskursen gefragt 84. Eine diese Überlegungen ernst nehmende Kulturgeschichte kann einerseits dem Faktor „Macht“ als konstitutiver Grundbedingung des Politischen Rechnung tragen, ihn aber andererseits auch als wandelbare „komplexe strategische Situation“ und mit den spezifischen Mitteln des Historikers erfassbares Konstrukt untersuchen 85. Sie vermag so die komplexe Verzahnung diskursiver und nicht diskursiver Elemente des Politischen in ihren Analysen transparent zu machen. 79 Rödder, Klios neue Kleider, 674 f. Nicht zuletzt der in diesem Kontext viel gescholtene Michel Foucault hat den Begriff des „Dispositivs“ entwickelt, welcher besagt, dass sich Macht um bestimmte Diskurse herum gerade in Institutionen materialisiert und eine beständige wechselseitige Stimulation von „Wissen“ und „Macht“ stattfindet, vgl. Foucault, Der Wille zum Wissen. 80 Für Ernesto Laclau und Chantal Mouffe kann politische Praxis gerade „nicht bloß aus rein sprach­lichen Phänomenen bestehen; […] Sie muss vielmehr die gesamte materielle Dichte der mannigfaltigen Institutionen, Rituale und Praxen durchdringen, durch die eine Diskursformation strukturiert wird“, Laclau/Mouffe, Hegemonie und radikale Demokratie, 160. 81 Vgl. hierzu Stäheli, Poststrukturalistische Soziologien, 33 ff. 82 So etwa die von Hybris und einem stellenweise grotesken Maß an Unkenntnis zeugende Kritik von Kraus/Nicklas, Einleitung, 4. 83 Vgl. Foucault, Subjekt und Macht, v. a. 281, 290 f. 84 Foucault, Wille zum Wissen, 94. 85 Wie dagegen ausgesprochene Kritiker der Kulturgeschichte behavioristische und anthropologische Ansätze integrieren wollen, ohne Gefahr zu laufen, methodisch-­ empirische Standards geschichtswissenschaft­lichen Arbeitens durch eine spekulative „Küchen­anthropologie“ aufzuweichen, bleibt dagegen im Unklaren; vgl. Nicklas, Macht – Politik – Diskurs, 5 ff.

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Zwar kann vor dem Hintergrund der mög­lichen Entkoppelung von institutionellen Zusammenhängen im Prinzip jeder Gegenstand als ein politischer „konstruiert“ und untersucht werden. Dennoch bedarf es bestimmter Regeln, anhand derer erst sinnvollerweise eine solche Perspektive entwickelt werden kann. Es besteht ein gewisser Konsens darüber, dass politisches Sprechen und Handeln sich auf eine überindividuelle, als Kollektiv vorgestellte Entität beziehen sollten. Ebenso sollten sie durch die Mög­lichkeit der bzw. das Streben nach Verknüpfung mit Machtmitteln, nach Verbind­lichkeit im Sinne von „Entscheidungshandeln“ und nach Regelsetzungen definiert werden 86. Die vorliegende Studie geht davon aus, dass im betrachteten Zeitraum Verflechtungsbeziehungen in Abwesenheit fester (zwischen-)staat­licher Strukturen mit Entscheidungshandeln verknüpft und in Bezug auf kollektive Entitäten wirksam wurden. Mikropolitisches Handeln konnte hier in dem eben skizzierten Sinne „politisch“ werden, da Entscheidungen über „das Ganze“ von einer relativ kleinen, über verschiedenste Sozialbeziehungen miteinander verflochtenen Gruppe zumeist adeliger Eliten getroffen wurden 87. Auch die Herstellung politischer Kooperation in Verhandlungen erfolgte in weiten Teilen auf der Grundlage personaler, zumeist oberschichtenspezifischer Spielregeln. Ebenso konnten Praktiken sozialer Schätzung und Hierarchisierung auf die societé des princes übertragen werden und politischen Status „in actu“ symbolisch abbilden oder generieren. Dass Verflechtung und an Ordnungs- und Distinktionspraktiken der ständischen Gesellschaft orientiertes Handeln Entscheidungsrelevanz und Kollektivitätsbezüge besaßen, ist im hier untersuchten Zeitraum evident. In diesem Zusammenhang soll aber auch, die Klassifizierung der Kulturbegriffe nach Reckwitz wieder aufnehmend, Kultur als differenzierungstheoretische Begriff­lichkeit eingeführt werden. Dies ermög­licht es, die Frage zu stellen, wo und unter welchen Umständen mög­licherweise Praktiken der Verflechtung politisches Handeln nicht mehr oder nur noch begrenzt strukturieren bzw. als illegitime Mittel politischen Handelns betrachtet werden konnten. Damit stellt sich für diese Studie, die zum Teil im Rahmen eines Projektes zur „Verstaat­lichung von Außenbeziehungen“ entstanden ist, die Frage nach alternativen makropolitischen, dezidiert „zwischenstaat­lichen“ Normen und Praktiken der Außenbeziehungen. Lassen sich in den französisch-reichsständischen Außenbeziehungen Elemente ausmachen, die 86 Zum Grundkonzept und der Politikdefinition des Bielefelder Sonderforschungsbereiches vgl. http://www.uni-bielefeld.de/geschichte/forschung/sfb584/research_program/ conception.html. Ähn­lich und vor allem unter expliziter Einbeziehung des Entscheidungsbegriffes: Stollberg-Rilinger, Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, 14. Vgl. hierzu auch Mergel, Überlegungen, 587. 87 Auf die „Unentflechtbarkeit“ beider Kategorien verweist nicht zuletzt Reinhard, Kommentar, 142 ff.

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auf einen Ausdifferenzierungsprozess eines politischen Teilsystems hindeuten, das über eigene Normen und Handlungslogiken verfügt bzw. diese für sich in Anspruch nimmt, die sich von jenen der ständischen Gesellschaft und der höfischen Kultur, die sie umgeben, unterscheiden 88? Wie verhalten sich die Ideale einer auf Europa und das Reich bezogenen Friedens- und Gemeinwohlordnung im Gefolge des Westfälischen Friedens zu manipulativen mikropolitischen Praktiken? In welcher Weise können Selbst- und Fremdbeschreibungen, die Außenbeziehungen als Interaktion zwischen geschlossenen staat­lichen Akteuren betrachten, wirksam werden und dabei die „Politikfähigkeit“ mikropolitischen Handelns infrage stellen? Insbesondere der Bielefelder Sonderforschungsbereich zur Neuen Politik­ geschichte geht davon aus, dass die Konstitution des Politischen gerade aufgrund der Tatsache, es mit einem nicht greifbaren Gegenstand zu tun zu haben, permanenten Abgrenzungsprozessen zu „nicht politischen“ Gegenstandsbereichen unterliegt 89. Somit stellt die Frage nach Differenzierung und Grenzziehung keineswegs einen Widerspruch zum offenen und prozessualen Ansatz der Kulturgeschichte des Politischen dar, der weiter oben erläutert wurde, sondern holt diesen erst empirisch ein. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird es allerdings eher um variable und anfechtbare Grenzziehungen gehen, die erst in langfristiger Perspektive zur Ausdifferenzierung eines von eigenen Regeln gesteuerten politischen Systems geführt haben.

1.3 Methoden und Konzepte Eine Kulturgeschichte des Politischen, wie sie eben in ihren Grundzügen skizziert wurde, muss zunächst vor allem als kleinräumiges sprach­lich-symbolisches Geschehen betrachtet werden und gewinnt von dort aus ihre Erkenntnispotenziale 90. Sie muss sich daher explizit als politische Mikrogeschichte verstehen 91, die die auf der Mikroebene entwickelten Ergebnisse auf eine darüber liegende Makroebene bezieht, 88 Vgl. hierzu auch die allgemeineren Überlegungen bei Luhmann, Politik der Gesellschaft, 82 ff. 89 Vgl. hierzu Frevert, Neue Politikgeschichte, 26 f. 90 Vgl Stollberg-Rilinger, Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, 19. Vgl. insbesondere für den Blick auf die kulturelle Dimension von Staatsbildungsprozessen Freist, Staatsbildung, 40 ff. Auch Birgit Emich fordert, dass sich Konzepte politischer Kultur vor allem am politischen Alltag bewähren müssten, vgl. Emich, Frühneuzeit­ liche Staatsbildung, 196. 91 Zum Konzept der Mikrogeschichte vgl. v. a. die „Klassiker“ von Ginzburg, Der Käse und die Würmer, und Levi, Das immaterielle Erbe. Eine konzise Darlegung des Konzeptes der „microstoria“ findet sich bei dems., On Microhistory. Ein gegen die seinerzeit

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um die eigenen Ergebnisse zu kontextualisieren und gegebenenfalls das, was aus makrohistorischer Sicht als vermeint­liche Gewissheit erscheint, infrage stellen zu können 92. Dies macht gerade für kulturgeschicht­liche Fragestellungen besonders fruchtbare Perspektivenwechsel mög­lich. Diese mikroanalytische Methodik stellt aber auch bestimmte Anforderungen an die weiter oben geschilderten methodischen Grundlagen einer Kulturgeschichte des Politischen. Zentrale Untersuchungsperspektive für alle symbolischen und sprach­lichen „Bedeutungsträger“ einer Kulturgeschichte des Politischen ist hier ihre Anpassungsfähigkeit und Wandelbarkeit in „Gebrauchssituationen“ und ihre zumindest partielle Verfügbarkeit durch die Akteure, die sie in strategischer und pragmatischer Absicht einsetzen. Die hier skizzierte Perspektive schließt zum einen an Giddens’ Konzept der Dualität von Struktur und Handlung an: Akteure eignen sich nicht nur konventionalisierte Repertoires des Sag- und Machbaren an, über die sie strategisch und zumindest partiell reflexiv verfügen können 93. Sondern diese bestehen auch aus „Zeichen“, die „zugleich Medium und Ergebnis von Interaktionen“ sind 94. Dies hat zum einen den analytischen Vorteil – dies wird im Folgenden wichtig werden –, Perspektiven darauf zu eröffnen, wie sich identifizierbare strategische Intentionen von Akteuren auf der Mikroebene von Interaktionen äußern können, dabei aber zugleich zur Reproduktion von Kommunikationsstrukturen und gegebenenfalls der sie umgebenden Institutionen beitragen können. Zum anderen soll hier im Anschluss an Pierre Bourdieus Konzept einer „Logik der Praxis“95 auch gezeigt werden, wie die Notwendigkeit, aus bestimmten Situationen heraus innerhalb kurzer Zeitspannen denken und handeln zu müssen, im Unterschied zur Reflexionsebene und der Zeitdimension theoretischen Wissens praktisches „Wissen“ hervorbringt, das aber gerade aufgrund seiner situationslogischen Verstricktheit in die Praxis unaufgelöste Widersprüche, multiple Normenbezüge und andere Ambiguitäten tolerieren kann und muss 96. dominierende Historische Sozialwissenschaft gerichteter, von Clifford Geertz› „dichter Beschreibung“ inspirierter Ansatz findet sich bei Medick, „Missionare im Ruderboot“? 92 So vor allem das Plädoyer für ein sogenanntes „croisement d’échelles“ bei Revel, Micro-analyse. Perspektiven auf das Verhältnis von Makro- und Mikroanalyse jenseits alter, teilweise ideologisch aufgeladener Grabenkämpfe und Mög­lichkeiten der Vermittlung zwischen Makro- und Mikroebene bieten auch die Beiträge im Sammelband von Schlumbohm (Hrsg.), Mikrogeschichte. 93 Giddens, Konstitution der Gesellschaft, 53 ff. und 82 ff. 94 Giddens, Konstitution der Gesellschaft, 54. 95 Vgl. hierzu Bourdieu, Sozialer Sinn, 147 – 179; ders., Praktische Vernunft, 206 – 211. 96 Giddens‘ Theorie der Strukturierung und Bourdieus Logik der Praxis sind in der brillanten Dissertation Köhler, Strategie und Symbolik, bereits in wegweisender Form für

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Die im Münsteraner Sonderforschungsbereich zur symbolischen Kommunikation entstandenen Forschungen haben die Kontextvariabilität und die situative, von Akteursinteressen geleitete Wandelbarkeit symbolischer Ordnungen stets explizit thematisiert. Symbolisches Handeln bedient sich demnach zwar aus einem für eine mög­lichst große Zahl von Akteuren verständ­lichen Zeichenvorrat, ist jedoch weit davon entfernt, das stabile Element in einer ansonsten hochgradig volatilen Umgebung zu sein 97. Es ist vielmehr in hohem Maße kontextvariabel und kann Gegenstand kontinuier­licher Aushandlungsprozesse sein: „Alle elementaren politisch-sozialen Kategorien werden […] durch symbolische Praxis konstituiert, bekräftigt und aufrechterhalten, aber auch angefochten und verändert“98. Bisherige Forschungen zur symbolischen Kommunikation bezogen sich dabei zumeist auf die Darstellung und Herstellung von Rang und Status der Akteure innerhalb geschlossener Verfahren, wie etwa dem diplomatischen Zeremoniell 99. Gerade im Rahmen des Münsteraner Sonderforschungsbereiches sind dieser „expliziten“ Form auch weniger klar abzugrenzende Formen symbolischer Kommunikation zur Seite gestellt worden, die etwa Formen der Höf­lichkeit umfassen. Matthias Köhler hat in seiner Studie zum Friedenskongress von Nimwegen gezeigt, wie sich solche Formen impliziter symbolischer Kommunikation auch außerhalb geschlossener Verfahren bei der alltäg­lichen Interaktion auf einem Friedenskongress mit instrumenteller und sachorientierter Kommunikation beim Finden und Legitimieren von Entscheidungen im Rahmen von Friedensverhandlungen kreuzen konnten 100. Die „Veralltäg­lichung“ der Analyse symbolischer Praktiken kann daher nicht nur die Kontextvariabilität expliziter symbolischer Kommunikation nachverfolgen, sondern auch Grenzbereiche zwischen „symbolischer“ und „instrumenteller“ Kommunikation ausloten. Dies wird für die im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen Fragen von besonderer Bedeutung sein. Die mikroanalytische Perspektive muss sich aber auch auf die sprach­lichen Elemente als den „Trägermedien“ politischer Aushandlungsprozesse richten. Diskurs­ analytische Ansätze hatten in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft Hochkonjunktur 101, was allerdings nicht immer zur größtmög­lichen Klarheit des Diskursbegriffes beigetragen hat 102. Einige diskursanalytische K ­ onzepte eine moderne Diplomatiegeschichte rezipiert worden. 97 So etwa mit Bezug auf das diplomatische Zeremoniell der ältere Beitrag von Roosen, Early Modern Diplomatic Ceremonial. 98 Stollberg-Rilinger, Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, 236. 99 Vgl. etwa Krischer, Reichsstädte. 100 Köhler, Strategie und Symbolik. Zur Unterscheidung symbolischer und instrumenteller Elemente im Rahmen von Verfahren vgl. Stollberg-Rilinger, Einleitung, 12. 101 Vgl. etwa die Beiträge in Eder (Hrsg.), Historische Diskursanalysen. 102 Schöttler, Angst vor dem „linguistic turn“?, zeigt, dass eines der Grundprobleme in der Vermengung des Diskursbegriffes des französischen Poststrukturalismus und der

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sind fest mit einer poststrukturalistischen Ontologie verknüpft, weshalb sie die Autonomie des Diskurses betonen und Akteurs- und Interaktionsperspektiven nicht vorsehen 103. Achim Landwehr sieht dagegen im Diskurs „kein innerwelt­ liches, ontologisches Objekt, sondern einen zu Forschungszwecken hypothetisch unterstellten Strukturierungszusammenhang, der verstreuten Aussageereignissen zugrunde liegt“104. Wenn das Diskurskonzept aber ledig­lich eine solche Ordnung des Sagbaren beschreibt, kann es auch für die Beschreibung intersubjektiver Wirk­ lichkeitskonstruktionen, strategischen Sprachgebrauch und somit für Akteursperspektiven geöffnet werden, wie dies etwa im Rahmen wissenssoziologischer Konzeptualisierungen des Diskursbegriffes vorgeschlagen wurde 105. Diskurse können als sprach­liche Referenzen verstanden werden, mit deren Hilfe sich Akteure einerseits durch den Anschluss an das geteilte Repertoire des Sagbaren verständ­lich machen, dieses jedoch zugleich eigenen Intentionen und der „Logik der Situation“ anpassen können. Damit können sie aber auch aktiv zur Transformation der Ordnung des Sagbaren beitragen 106. Ihnen stehen als agency bezeichnete Handlungsspielräume zur Verfügung, gemäß derer sie Diskurse in sozialen Interaktionen „gebrauchen“, situativ anpassen oder langfristig transformieren können 107. Unter dieser Perspektive sind diskursanalytische Verfahren auch dazu geeignet, nicht nur kollektive Sinn­ strukturen zu erfassen, sondern auch das mikroanalytische Erkenntnisinteresse der Rekonstruktion von Akteursperspektiven im Rahmen einer Kulturgeschichte des Politischen zu bedienen. Stärker akteurszentrierte Perspektiven implizierte traditionell der Diskursbegriff in den Forschungen der Cambridge School der politischen Ideengeschichte bzw. der von ihr inspirierten Forschungen. Diese gehen davon aus, dass Texte und die in ihnen verfolgten Argumentationen ihren historisch-sozialen Kontexten angepasste Gebrauchsformen darstellen, die mehr oder weniger bewusst an zeitgenössische Rezeptionshorizonte angepasst wurden, um ihre Aussageabsichten zu „archäologischen“ Arbeiten Michel Foucaults mit jenem der tatsäch­lich dialogischen und um sprach­liches Verständigungshandeln zentrierten „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas liegt. 103 Foucault, Archäologie des Wissens. Stark an diesem Konzept orientiert bleiben die Überlegungen bei Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. 104 Landwehr, Historische Diskursanalyse, 21. So geht auch der von Rödder, Klios neue Kleider, 680, explizit gegen Landwehr gerichtete Vorwurf ins Leere, dieser behandele den Diskurs gemäß der „Vorstellung einer beinahe ontologischen, jedenfalls handelnden Potenz“. 105 Keller, Wissenssoziologische Diskursanalyse, 127. 106 Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Frings/Marx, Diskurse baden. 107 Dass der „Diskurs“ auch an Ereignisse und Interessenartikulationen zurückgebunden werden kann, postuliert auch Suter, Kulturgeschichte des Politischen.

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erzeugen. Damit wird zugleich eine rhetorisch-pragmatische Funktion rekonstruiert, die die Erzielung bestimmter Wirkungen beim Rezipienten intendiert 108. Der Ansatz bleibt dabei allerdings so stark an ideengeschicht­liche „autorzentrierte“ Positionen geknüpft 109, dass er für eine Analyse des politischen Alltagsgeschehens nur sehr begrenzt taugt. Die deutsche Begriffsgeschichte, wie sie vor allem von Reinhart Koselleck geprägt wurde 110, hat die stärkere Ausrichtung auf die Begriffspragmatik später aufgenommen 111 und im Anschluss an die Cambridge School vehement „gebrauchsgeschicht­liche“ Perspektiven auf die politische Sprache eingefordert 112. Diese haben jedoch den ebenfalls meist ideengeschicht­lichen Fokus solcher Forschungen nur begrenzt erweitert 113. Obwohl die vorliegende Studie keine begriffsgeschicht­liche Tiefenschärfe beanspruchen kann, wird sie die Aufmerksamkeit auch auf die von den Akteuren im politischen Alltag gebrauchten Begriffe und Begriffsfelder lenken 114. Die Arbeit wird die symbolische Kommunikation zum einen in ihrer expliziten Form in zeremonieller Kommunikation zwischen Akteuren in den Blick nehmen, zum anderen aber auch Praktiken impliziter Symbolik und ihre praktischen Folgen. Dabei wird die Frage von Bedeutung sein, wie die Akteure solches symbo­ lische Handeln beobachteten und mit Sinn versahen. In diesem Zuge wird sich die vorliegende Arbeit auf diskursanalytische und historisch-semantische Ansätze stützen. Besonderes Augenmerk wird auf den hier skizzierten Mög­lichkeiten 108 Für eine methodische, gründ­liche und robuste Selbstbeschreibung des Konzeptes vgl. Skinner, A reply to my critics. Vgl. jetzt auch die klassischen Beiträge von Skinner, Pocock und anderen in der Zusammenstellung Mulsow/Mahler (Hrsg.), Die Cambridge School. 109 Vgl. etwa aus Cambridger Perspektive Pocock, Begriff einer Sprache. 110 Vgl. Koselleck, Einleitung. Primordialdebatten zwischen politisch-sozialem Wandel und Sprache hat sich Koselleck später allerdings verweigert, vgl. ders., Sprachwandel. Generell zum Verhältnis diskurs- und begriffsgeschicht­licher Ansätze Busse, Histo­ rische Semantik, 77 – 101 und 166 – 174. 111 Vgl vor allem die wegweisende Studie von Steinmetz, Das Sagbare und das Machbare. 112 Steinmetz, Neue Wege, 17. 113 Vgl etwa die Beiträge Leonhard, Politik, und Papenheim, „Chacun a sa politique“. 114 Ein solches Postulat schließt zum einen an die ältere Kritik an der deutschen Begriffsgeschichte und ihrer Zentrierung auf sogenannte „Höhenkammliteratur“ an, wie etwa die ältere Kritik am unklaren Verhältnis der Begriffsgeschichte zum Begriffsgebrauch in der Sprache des politischen Alltags bei Schulz, Begriffsgeschichte und Argumentationsgeschichte. Es nimmt aber auch jüngste Entwicklungen auf, wie etwa die begriffsgeschicht­liche Perspektive auf die Verwendung von Begriffen in alltäg­licher Interaktion, wie sie jüngst von einem britischen Großprojekt zur Begriffsgeschichte der Frühmoderne entworfen wurde, vgl. Knights, Social and cultural history of keywords and Concepts.

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liegen, diese Ansätze für das Sprachhandeln im politischen Alltag nutzbar zu machen. So sollen rhetorisch-strategische Absichten von Akteuren sichtbar gemacht, aber auch in ihren Rückwirkungen auf Prozesse der Begründung und Rationalisierung von Handeln verdeut­licht werden. Dabei soll auch die an die jeweilige Gebrauchssituation geknüpfte Adaptivität und Wandelbarkeit dieser Sprachformen deut­lich werden.

1.4 Normen und Normenpluralismus Mit solchen Fragestellungen rücken jedoch die angesprochenen Fragen nach den Einstellungen, Normen und Werten, denen die Akteure folgten, in den Vordergrund. Normen sollen hier definiert werden als auf Wertorientierungen gegründete Leitmodelle für praktisches Handeln 115. In vielen „rationalistisch“ orientierten sozialwissenschaft­lichen Forschungen wurde intensiv nach der Rationalität und Funktionalität von Normenorientierungen gefragt. Dabei wurde zumeist impliziert, dass sich Gesellschaften anhand klarer Normen organisieren, die „Profite“ und „Preise“ für die Einhaltung bzw. Übertretung solcher Normen festlegen 116. Auch der Mainstream der deutschen Nachkriegssoziologie hat die Geltung und Befolgung von Normen hauptsäch­lich als mit der Koppelung an gesellschaft­liche Erwartungen verknüpft betrachtet. Normenbefolgung wurde hier vor allem als die Übernahme sozialer Rollen definiert 117. Andere Ansätze gehen davon aus, dass sich verschiedene Normensysteme in einem gesellschaft­lichen Evolutionsprozess zu institutionalisierten „normativen Ordnungen“, die aus der Notwendigkeit, Konfliktfälle verbind­lich zu regeln, hervorgehen, verdichten 118. 115 So werden Normen in einem sozialwissenschaft­lichen Standardwerk als „situationsbezogene Spezifikationen der relativ wenigen allgemeinen soziokulturellen Werte […], die eine Legitimationsfunktion ausüben“, definiert, vgl. Art. „Norm“, in: Handwörterbuch der Soziologie, 616. 116 So etwa die Beiträge in Bicchieri/Jeffrey/Skyrms (Hrsg.), Dynamics of Norms. Einen solchen funktional-rationalistischen Grundkonsens beschreiben auch Hechter/Opp, What we have learned. 117 Vgl. etwa Dahrendorf, Homo Sociologicus, 51; Popitz, Verhaltensorientierung und Verhaltensnormierung. Vgl. auch Luhmann, Normen, 33. 118 Davon gehen vor allem die Forschungen um das an der Universität Frankfurt am Main angesiedelte Großforschungsprojekt zu „Normativen Ordnungen“ aus, vgl. Stemmer, Konstitution der normativen Wirk­lichkeit. Unter dieser Perspektive haben selbst Koryphäen der historischen Soziologie die Frage nach kohärenten geschicht­ lichen normativen Ordnungen wenig gewinnbringend gestellt, so im selben Band ­Wallerstein, In welche(r/n) normativen Ordnung(en). Auch Niklas Luhmann begreift

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Die vorliegende Studie geht allerdings davon aus, dass gerade in der Vor- und Frühmoderne „Normenhierarchien“ und Institutionen zur eindeutigen Entscheidung und Regulierung von Normenkonflikten überaus schwach ausgeprägt waren 119. ­Hillard von Thiessen hat anhand von Sterbe- und Totenbettritualen auf einen strukturellen Dauerkonflikt sozialer, religiöser und gemeinwohlorientierter Normen verwiesen, der soziales Handeln in frühneuzeit­lichen Gesellschaften entscheidend prägte 120. Da sich Normen in vormodernen wie modernen Gesellschaften an relativ stabilen Werten „von langer Dauer“ orientieren und diese aufgrund ihrer Uneindeutigkeit und Weitgefasstheit für eine Gesellschaft integrierend wirken 121, konnten (und können immer noch) über konkurrierende Normengeltungen konfligierende Handlungserwartungen an Akteure herantragen werden. Häufig bewirkte diese Konstellation jedoch gerade nicht „Entscheidungen“ für kohärente handlungsleitende Normen, denen die Akteure in Erfüllung sozialer Erwartungen konsequent folgten 122. Konkurrierende Normenvorstellungen und Erwartungen, aber auch eigene strategische Intentionen bewegten die Akteure oft zum Changieren zwischen verschiedenen handlungsleitenden Normen zur situationslogischen Anpassung dessen, was durch diese postuliert wurde 123. Normen folgten so häufig Aushandlungsprozessen, die darauf verweisen, dass die Normengeltung in der Praxis sich nicht nur nicht an eindeutigen Normenhierarchien orien­ tierte, sondern dass auch die durch Normen definierten Handlungsskripte einem die „Institutionalisierung von Verhaltenserwartungen“ als eine notwendige Auflösung von Normenkonflikten durch die Erzeugung von normativer Eindeutigkeit im Rahmen von Institutionen und ihren Verfahren, vgl. Luhmann, Normen, 45. 119 Wie in der Frühen Neuzeit Gesellschaften in Theorie und Praxis nach Mög­lichkeiten suchten, Institutionen und Handlungsskripte für durch Veränderungen entstehende Normenvielfalt bzw. Normenkonflikte zu finden, skizziert Schulze, Wahrnehmungsmodi. 120 Von Thiessen, Sterbebett. 121 „Es scheint sich in der Tat so zu verhalten, […] dass es den Werten eigen ist, genau definierte Normensysteme, Klassifikationen von Tugenden und Aufzählungen von Rechten und Pf­lichten zu überdauern. Ihre vage Definition trägt viel zu ihrem Erfolg bei, zu ihrer affektiven und emotionalen Kraft, zu den Identifikations- und Mobilisierungsmög­ lichkeiten, die sie einzelnen und Gruppen biete[n]“, Schmitt, Welche Geschichte der Werte?, 23. Ähn­lich zur Integrationskraft und universellen Anschlussfähigkeit übergreifender Wertorientierungen in der ständischen Gesellschaft: Münch, Grundwerte. 122 Von Thiessen, Sterbebett, 635 f. 123 Goffman, Theater, 221 f., hat das „Selbst“ weniger als autonomes Subjekt, sondern vielmehr als die Summe seiner situationsbedingten Rollenübernahmen definiert. Das Phänomen, dass Akteure hier zwischen ganz verschiedenen Handlungsorientierungen schwanken können, hat Burke, Was ist Kulturgeschichte?, 140 ff., im Anschluss an Goffman mit dem Terminus „Okkasionalismus“ bezeichnet.

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dynamischen Prozess der situativen Neugestaltung unterlagen 124. In Situationen latenten Normenkonfliktes, wie etwa in interkulturellen Kontexten, bedurfte es der beständigen Aushandlung hybrider Normen, mithilfe derer sich etwa französische Konsuln im Maghreb im 18. Jahrhundert in einer für alle Beteiligten akzeptablen Weise an lokale soziokulturelle Gegebenheiten anpassen konnten, um Interaktionen mit „dem anderen“ zu ermög­lichen 125. Normen sind allerdings mehr als durch gesellschaft­liche Erwartungen definierte Handlungsanleitungen. Die Thematisierung von Normen durch die Handelnden verweist näm­lich häufig weniger darauf, dass bislang implizit befolgte Handlungsnormen ledig­lich explizit gemacht werden 126. Gerade weil Handeln häufig kein Produkt konsequenter Normenbefolgung ist, wird es oft nachträg­lich und durch Berufung auf Normen gerechtfertigt, rationalisiert und so scheinbar vereindeutigt und mit „Sinn“ versehen. In Situationen, in denen verschiedene Normen Geltung beanspruchen können, versuchen Akteure, wie es wissenssoziologische Ansätze unter Rezeption von Konzepten Erving Goffmans gefasst haben 127, kommunikativ und durch symbolisches Handeln „Rahmen“ zu definieren, anhand derer man Normen instrumentalisiert, um für eigenes oder fremdes Handeln Normengeltungen zu beanspruchen und sich über Handlungserwartungen zu verständigen 128. Daher sind Normen, wie der Ethnologe Simon Roberts treffend bemerkt hat, immer „auch selbst Ressourcen, die man in Konfliktfall einsetzen und letzten Endes beschwören kann, um das Ergebnis zu rechtfertigen“129. Hierfür bedienen sich die Akteure häufig diskursiver und symbolischer Strategien, die gerade das gleichzeitige Befolgen widersprüch­licher Normen und die daraus hervorgehenden Ambivalenzen und Widersprüche kaschieren und verarbeitbar 124 „Die Normenproduktion bleibt […] fließend und ist Gegenstand ständiger Auseinandersetzungen“, vgl. Dinges, Ehre, 438. 125 Zur „Aushandlung“ interkultureller Normen am französisch-maghrebinischen Beispiel vgl. Windler, Diplomatie, 207 ff. und 390 ff. 126 Vgl. etwa Veyne, Brot und Spiele, 33 und 36 f., der darauf verweist, dass zwar die Benennung von Normen auf die Explizitmachung unbewusster Einstellungen hindeutet, jedoch nicht ausschließt, dass Normen und Werte gerade nicht Indikatoren für tatsäch­ liche Handlungsdispositionen sind. 127 Vgl. Goffman, Rahmen-Analyse, sowie die wissenssoziologischen Rezeptionen des Rahmenkonzeptes zur Beschreibung von Normenkonflikten etwa bei Reckwitz, Transformation, 427 f. Vgl. auch Knoblauch, Wissenssoziologie, 201. 128 So zeigt Dinges, Maurermeister, 26, dass Pariser Bürger im 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Konflikten teilweise „sachfremd“ als Ehrkonflikte zu codieren und entsprechende Handlungsweisen zu begründen suchten und dabei „auch ‚moderne‘ Forderungen besitzindividualistischer Art oder solche nach individuellen Freiräumen“ artikulieren konnten. 129 Roberts, Ordnung und Konflikt, 54.

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machen können. Regelrechte „organisierte Heuchelei“ betrieben Reichstagsgesandte im späten 18. Jahrhundert, indem sie regelmäßig die Einheit von Kaiser und Reich rhetorisch beschworen, parallel dazu aber konsequent im Sinne der politischen Autonomie ihrer Dienstherren handelten und so zur weitgehenden Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit des Reichstages beitrugen 130. Frühneuzeit­liche Hoch­ adelige entwickelten „eigensinnige“, selbstdistanzierte Verhaltensstile, um zwischen stark konventionalisierten schichtenspezifischen Verhaltensnormen, Integration in die sich entwickelnden Fürstenstaaten und der Zumutung, adelige Freiheit überhaupt gesellschaft­lichen Normen unterwerfen zu müssen, vermitteln zu können 131. Gerade in der Vor- und Frühmoderne konnten Normenkonflikte häufig noch weniger als heute durch institutionalisierte Ordnungen reguliert wurden. Ebenso definierten Normen nicht immer im Vorhinein festgelegte Handlungsanleitungen, die eindeutige Rollenübernahmen ermög­lichten. Sie brachten vielmehr „normative Unordnungen“ hervor, die häufig widersprüch­lichen Normenorientierungen durch ambivalente Verhaltens- und Kommunikationsstrategien und durch eine nicht immer konsequente Berufung auf Normen parallel oder nachträg­lich Ratio­ nalität und „Sinn“ zu verleihen und in „Zonen tolerierter Differenz“ zu inte­grieren suchten 132. Was folgt aus diesen Erläuterungen für eine spezifisch mikropolitische Perspektive auf Normen? Wie können konfligierende Normen und Werte jenseits der Behauptung, Patronage sei sch­licht die politische Kultur der Frühen Neuzeit gewesen 133, zu Themen einer Kulturgeschichte asymmetrischer Außenbeziehungen und grenzüberschreitender Patronage werden? Zur Annäherung an dieses Phänomen sollen zwei Analyseperspektiven eingenommen werden: Erstens soll nach dem „mikropolitikinternen“ Werte- und Normengerüst, dem „Ethos der Patronage“ gefragt werden 134. Hierbei wird zum einen auf die Auswirkungen der konventionalisierten Diskrepanz zwischen Patronagerhetorik und den tatsäch­lichen Handlungen zwischen Patronen und Klienten eingegangen werden 135. Zum anderen wird danach gefragt werden, wie sich die dem „Ethos der Patronage“ folgenden Bekundungen von Desinteresse und Uneigennützigkeit zu parallel bestehenden, stärker an „marktförmigen“ Logiken orientierten Beschreibungsformen 130 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 279 f. 131 Leonhard/Wieland, Noble Identities, 9 f. 132 Vgl. hierzu die anregenden Überlegungen bei Ortmann, Regel und Ausnahme, 138. 133 So etwa Reinhard, Amici e creature, 331. 134 Vgl. zu diesem Begriff und seinen normativen Implikationen von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 31 und 233. 135 Zur „Semiotik der Dissimulation“ als zentralem Desiderat einer Kulturgeschichte der Patronage vgl. Emich/Reinhardt/von Thiessen/Wieland, Stand und Perspektiven, 260 ff.

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verhielten und wie die Akteure an Eigeninteressen orientierte Verhaltensformen und Diskurse in ihre Erwartungen an mikropolitisches Handeln zu integrieren vermochten. Wie konnten hier verschiedene Schwerpunkte bei der Begründung solcher Beziehungen nebeneinander bestehen? Zweitens wird das Verhältnis von mikro- und makropolitischen Normenorientierungen in den Blick zu nehmen sein. Welche Mög­lichkeiten einer „Koexistenz“ beider Normensysteme bestanden? Mit welchen hybriden oder ambiguitätstoleranten Praktiken konnten die fließenden Grenzräume zwischen „großer“ und „kleiner“ Politik ausgestaltet werden 136? Von noch größerer Bedeutung aber waren Abgrenzungen und Konflikte zwischen makro- und mikropolitischen Normen. Diese werden im Rahmen der vorliegenden Studie einerseits unter den Gesichtspunkten des Verhältnisses von mikropolitischen Beziehungen und den Normen von „gemeinwohlorientierter“ Friedens- und Ordnungspolitik im Gefolge der Bestimmungen des Westfälischen Friedens untersucht. Andererseits werden hier Auseinandersetzungen um die Korruptions- und Verratsvorwürfe, die ab den 1670er-Jahren gegen die Diener und Freunde des französischen Königs erhoben wurden, eine zentrale Rolle spielen.

1.5 Vertrauen zwischen Handlungsdisposition und kommunikativen Konstrukt Vertrauen kann als eine der Grundvoraussetzungen jeder sozialen und politischen Beziehung gelten. Als solche ist es mittlerweile in der Sozialpsychologie, Soziologie und auch den Wirtschaftswissenschaften zu einem etablierten Forschungsobjekt geworden. Erst in jüngerer Zeit haben sich auch vereinzelt kultur- und sozialgeschicht­liche Untersuchungen dieses Gegenstandes angenommen 137. Dass Vertrauen überhaupt eine primär soziale Bezugsgröße ist, stellte im 17. Jahrhundert keine Selbstverständ­lichkeit dar. Confiance bzw. Vertrauen hatte ein breites Bedeutungsspektrum. In Zedlers Universallexicon oder Furetières Dictionnaire figurieren beide Begriffe primär als „Gottvertrauen“, während Vertrauen als Grundlage 136 Dass es im offiziellen Prozedere für Papstaudienzen klare Scheidungen zwischen mikro- und makropolitischen Materien gab, aber bspw. spanische Diplomaten solche Scheidungen nicht stringent nachvollzogen, zeigt von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 162 f. Für das 18. Jahrhundert verweist Dade, Pompadour, 258 ff., darauf, dass geheime mikropolitische Angelegenheiten zwar aus der offiziellen Korrespondenz herausgehalten wurden, jedoch in „privaten“ Briefen an die Minister weiterhin als relevante politische Information verhandelt wurden. 137 Vgl. etwa den Sammelband von Frevert (Hrsg.), Vertrauen.

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sozialer Beziehungen eine klar nachgeordnete Rolle spielt 138. Parallel, gelegent­lich komplementär dazu, wurde übersteigertes Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten problematisiert 139. Der Höf­lichkeits- und Konversationstheoretiker Antoine de Courtin bezeichnete mit dem Begriff fausse confiance nicht etwa enttäuschtes Vertrauen in einen anderen Akteur, sondern ein falsches, rücksichtsloses Vertrauen in die eigenen kommunikativen Fähigkeiten 140. In der vorliegenden Studie wird von politischem Vertrauen die Rede sein. Dieses war unter vormodernen Bedingungen aber primär personales Vertrauen in Beziehungsnetzen zwischen einzelnen Akteuren. Gegenstand der Analyse kann daher nicht, wie dies in den wenigen bisherigen geschichtswissenschaft­lichen Studien der Fall war, Vertrauen in Institutionen oder politische Systeme als Ganze sein 141. Politisches Vertrauen kann in der Frühen Neuzeit von persön­lichem Vertrauen nicht getrennt werden 142. Auch wenn sich die hier vorgenommene Konzentration auf personales Vertrauen selbst auf eine generalisierende Aussage stützt, muss sich eine historisch-empirische Studie, die einen mikrohistorischen Blick auf ihren Gegenstand richtet, einseitigen und schematischen Historisierungen der Vertrauensfähigkeit ganzer Epochen und Kulturen verweigern 143. Vertrauen soll in diesem Kontext auch nicht aus einer makrosoziologischen Perspektive als kollektives „soziales Kapital“ von Gesellschaften oder Gemeinschaften oder als personale Beziehungen in Dichte und Qualität determinierende Vertrauenskultur betrachtet werden 144. Solche Perspektiven sind hier 138 Frevert, Spurensuche, 15 f., stützt sich vor allem auf Zedler, der einem allgemeinen Lemma „Vertrauen“ von vier Spalten, das bereits stark theologisch argumentiert, einen achtspaltigen Exkurs zum „Vertrauen auf Gott“ folgen lässt, vgl. Art. „Vertrauen“, in: Zedler (Hrsg.), Universal-Lexicon, 48, Sp. 19 – 24, bzw. ebd., Art „Vertrauen auf Gott“, Sp. 24 – 32. Auch die von Furetière für seinen Dictionnaire universel gewählten Beispiele verweisen auf die Bedeutung des Gottvertrauens und warnen vor übersteigertem Vertrauen in sich selbst oder die choses du monde, vgl. Lemma „confiance“, in: Furetière, Dictionnaire universel. 139 Frevert, Spurensuche, 16. 140 C’est […] cette confiance, qui se joignant à l’orgueil rend les personnes orgueilleuses inciviles, vgl. Courtin, Nouveau traité, 25. 141 Vgl. Frevert, Spurensuche, 35 ff. und 55 ff. 142 Diese Feststellung gilt überdies gerade im 17. Jahrhundert auch für die Entstehung von „Institutionenvertrauen“ in anderen gesellschaft­lichen Teilsystemen, wie etwa der empirischen Naturwissenschaft, die Vertrauen in die Wahrheit ihrer Ergebnisse zunächst aus der persön­lichen „Vertrauenswürdigkeit“ von Gelehrten zog und dieses erst später in Systemvertrauen transformierte, vgl. hierzu Shapin, Social History of Truth. 143 Prominente Beispiele für solche schematischen Analysen finden sich etwa bei Giddens, Konsequenzen der Moderne, 127 ff., oder auch bei Fukuyama, Trust. 144 Für einen solchen Begriff von Vertrauen als kollektivem „sozialem Kapital“ vgl. etwa Putnam, Bowling alone.

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frei­lich nicht bedeutungslos: Die hier betrachteten Beziehungen wurden von mehrfach verflochtenen Akteuren mit multiplen Loyalitäten getragen. Hieraus ergibt sich aus mikroanalytischer Sicht die Frage nach Akteursstrategien, die Vertrauen auch unter den widrigen Bedingungen einer dissimulationslastigen „low-trust culture“, welche wenig vertrauensfördernde Bedingungen hervorbrachte, mög­lich machten 145. Unter diesen Bedingungen haben auch soziologische Zugänge, die Vertrauen vor allem auf die Erwartung der Einhaltung von Normen und der daran gekoppelten sozialen Rollenerwartungen stützen, nur eingeschränkte Erklärungskraft. Denn unter den hier beschriebenen Bedingungen ist häufig unklar, an welcher „Rolle“ und welchen Normen Klienten ihr Verhalten ausrichteten 146. Ebenso besaß die franzö­ sische Krone als auswärtige Patronageanbieterin gegenüber mehrfach verflochtenen Akteuren nur eine relativ geringe informelle Sanktionsmacht, um Vertrauensbrüche durch moralischen und sozialen Druck oder das Abschneiden von unverzichtbaren Ressourcen zu bestrafen 147. Statt Vertrauen von der Funktionalität solcher sozialen Normen her zu analysieren, soll im Folgenden gezeigt werden, wie Vertrauen in Patronagebeziehungen trotz dieser tendenziell widrigen Bedingungen, der uneindeutigen normativen Rahmen und großen Enttäuschungsrisiken mög­lich war. Mit Blick auf das kulturgeschicht­liche Interesse der Studie ließe sich hier fragen, ob die Konzentration auf personales Vertrauen nicht einen emotional turn erforder­lich machte, der das Erkenntnisinteresse von sprach­lich-symbolischen Aushandlungsprozessen hin zu einer Konzeptualisierung „sozialer Gefühle“ verschiebt. Zweifellos besitzt Vertrauen eine solche psychologisch-emotionale Komponente. Diese bleibt jedoch für die historische Forschung schwer rekonstruierbar 148. Vertrauen soll hier auch nicht im Sinne des durchaus vielversprechenden diskursgeschicht­lichen Ansatzes einer „Geschichte der Gefühle“ rekonstruiert werden 149. Vielmehr steht zu vermuten, dass Vertrauen erst infolge kultureller und semantischer Differenzierungsprozesse, die nach dem hier behandelten Zeitraum wirksam wurden, als von Nutzenerwägungen abgekoppeltes „soziales Gefühl“ thematisiert werden konnte 150. Vertrauen soll im Folgenden nicht als emotionale, sondern als kognitive Disposition verstanden werden. Es ist als solche mit mög­lichst stabilen Erwartungen 145 Ein Kriterien-Set, nach dem sich eine „trust culture“ und deren „Vertrauensfähigkeit“ umschreiben lässt, findet sich etwa bei Sztompka, Trust, 119 ff. 146 Vgl. hierzu Seligman, Problem of Trust, 30 ff. 147 Derartige Ansätze finden sich etwa in der Neuen Institutionenökonomie, vgl. hierzu etwa Arrow, Limits of Organization, 23 f. Vgl. hierzu auch Mauelshagen, Netzwerke des Vertrauens. 148 Ein solcher Versuch findet sich etwa bei Oschema, Freundschaft und Nähe, 25. 149 Frevert, Gefühle in der Geschichte. 150 Vgl. etwa den Abriss zur ideengeschicht­lichen Genese sozialer Gefühle in Frevert, Emotions in history, 143 ff.

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an das Verhalten anderer verknüpft und kann vorläufig mit Georg Simmel „als die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“, definiert werden 151. Wie aber entstehen solche stabilen Erwartungen an künftiges Verhalten? Und wie können sie auch dann aufrechterhalten werden, wenn ihre Erfüllung ungewiss ist oder in bestimmten Situationen sogar zweifelhaft erscheint? An diesem Punkt setzt auch Niklas Luhmanns Vertrauensmodell an. In Abgrenzung zu alltagssprach­lichen Verwendungsweisen ist für Luhmann das Vorhandensein eines Risikos, das der Vertrauende mit seinem Handeln eingeht, definitorische Voraussetzung, um von Vertrauen sprechen zu können. Die Frage ist dann, wie soziales Handeln trotz solcher Risiken mög­lich ist 152. Luhmann definiert hierfür Vertrauen als einen „Modus der Reduktion sozialer Komplexität“, der soziales Handeln ermög­ licht, indem er Akteure von eingehender und zeitaufwendiger Erwartungskontrolle entlastet und „einem Aufschwung zur Indifferenz“ Vorschub leistet 153. Dies kann nun aber nicht so verstanden werden, dass durch ein solches Vertrauen jede Reflexionstätigkeit des Vertrauensgebers zur Kontrolle von Vertrauenserwartungen entfiele 154. Diese findet sehr wohl statt, nur kann sie sich nicht auf sichere Informationen stützen. Um unter diesen Bedingungen dennoch stabile Erwartungen begründen zu können, stützt sich Vertrauen auf „symbolische Implikationen“, auf bestimmte Indizien, anhand derer Verhaltensweisen anderer zu interpretieren sind. Vertrauen bedarf in Ermangelung sicherer Informationen der Kontrolle durch „ein grob vereinfachtes Gerüst von Indizien, die nach Art einer Rückkoppelungsschleife laufend Informationen darüber zurückmelden, ob die Fortsetzung des Vertrauens gerechtfertigt ist oder nicht“155. Es stützt sich hierfür nicht zuletzt auf die soziale Selbstdarstellung des „Vertrauensnehmers“156. Um Vertrauen jedoch zu stabilisieren und gegen mög­liche Enttäuschungen zu immunisieren, müssen solche Interpreta­ tionsleistungen unter bestimmten vertrauensbegünstigenden Bedingungen ablaufen. „Vertrauensnehmer“ müssen über einen bestimmten „Kredit“ verfügen, „in dessen Rahmen auch ungünstige Erfahrungen zurechtinterpretiert oder absorbiert werden können“157. Dafür müssen „vertrauende Systeme“ über Interpretationsschemata verfügen, mithilfe derer man „das Problem der Stabilisierung des Erwartens […] aus der Umwelt in das System verlagert, weil dort andere, wirksamere Formen der

151 Simmel, Soziologie, 393 f. 152 Luhmann, Vertrautheit, 144 ff. 153 Luhmann, Vertrauen, 23. 154 In diesem Sinne etwa die Luhmann-Kritik bei Hartmann, Praxis des Vertrauens, 11. 155 Luhmann, Vertrauen, 31. 156 Luhmann, Vertrauen, 88. 157 Luhmann, Vertrauen, 37.

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Problemlösung zur Verfügung stehen“158. Um die Funktionalität eines solchen Vertrauens zu garantieren, bedarf es allerdings definierter „Vertrauensschwellen“, die den Toleranzbereich von Erwartungsenttäuschungen festlegen 159. Diese Bestimmungen sind für die Frage nach Vertrauen in Patron-Klient-­ Beziehungen, wie sie im Rahmen dieser Studie angegangen wird, von entscheidender Bedeutung. Sie ermög­lichen es, Vertrauen als einen sprach­lich-symbolisch vermittelten Aushandlungsprozess zu begreifen. Hierfür ergeben sich drei Perspektiven, die für die Frage nach der Entstehung und Stabilität von Vertrauen von zentraler Bedeutung sind: Erstens lässt sich Vertrauen auch als eine Frage der Herstellung, Beobachtung und „Decodierung“ sozialer Zeichen zwischen „vertrauensgebenden“ und „vertrauensnehmenden“ Akteuren beschreiben. Zweitens ermög­licht die Rückverlagerung der Erwartungsstabilisierung in das „System“ eine Analyse vertrauensbegünstigender Interpretationsmechanismen, die durch sprach­liche Aushandlungsprozesse der vertrauensgebenden Akteure entstehen. Drittens lässt die Annahme, dass es Vertrauensschwellen gibt, mit deren Hilfe solche vertrauensbegünstigenden Interpretationen kontrolliert werden, auch die Grenzen des Vertrauens in den Blick rücken. Dies ist insbesondere für die Frage nach der Entstehung und Stabilisierung von Vertrauen in einer nur sehr begrenzt vertrauensfördernden diplomatischen Kultur von großer Bedeutung. In der sozialwissenschaft­lichen Patronageforschung ist die Bedeutung von Vertrauen für Patron-Klient-Beziehungen hoch veranschlagt worden. Nicht umsonst hat Shmuel Eisenstadt seine wegweisende Studie mit dem Untertitel „The Structure of Trust in Society“ versehen 160. Auch die historische Patronageforschung hat die Bedeutung von personalem Vertrauen als Beziehungsgrundlage hervorgehoben 161. In Einzelstudien ist die Thematik aber bislang nur begrenzt weiterverfolgt worden. Heiko Droste hat in seiner Untersuchung zu den Diplomaten der schwedischen Krone dem Tausch sprach­licher und schrift­licher Güter bei der Genese und der Stabilisierung von Vertrauen 158 Luhmann, Vertrauen, 87. 159 Luhmann, Vertrauen, 81 ff. 160 Eisenstadt stellte hierbei zwar einige höchst anregende Überlegungen zur Genese und Stabilisierung von Vertrauen an. Sein Hauptfokus blieb dabei aber eher auf makrosoziologische Probleme und Fragestellungen gerichtet, etwa darauf, wie gesellschaft­liche Rahmenbedingungen auf personale Vertrauensbeziehungen zurückwirken und wie sich die Grundlagen kleinräumiger, personaler Vertrauensbeziehungen in komplexen, nicht mehr primär durch Patron-Klient-Beziehungen strukturierten Gesellschaften durch die zunehmende Bedeutung emotionalen Vertrauens transformieren. Überlegungen zur Struktur personalen Vertrauens innerhalb von Patron-Klient-Beziehungen fehlen jedoch weitgehend. Vgl. Eisenstadt, Patrons, 41 bzw. 59. 161 Windler/von Thiessen, Einleitung, 13 f.

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etwa in Form schrift­licher Treuebekundungen zwischen Patron und Klient eine zentrale Bedeutung eingeräumt 162. Im Rahmen seiner Studie überkreuzen sich jedoch verschiedene Konzepte von vertrauensbegründendem Sprach- und Symbolhandeln, sodass die Vertrauensdefinition zwischen beziehungsanknüpfender Kommunikation, inhalt­lichem Mitteilungsmedium und Träger immateriellen sprach­lich-symbolischen Gabentausches schwankt und die Frage, wie solche Kommunikationsweisen in Vertrauen im Sinne Georg Simmels „übersetzt“ werden können, ungeklärt bleibt 163. Hillard von Thiessen hat im Rahmen seiner Studie zu den Beziehungen der spanischen Krone zur römischen Kurie im 17. Jahrhundert gezeigt, wie sich römische Adelsfamilien wie die Colonna durch generationenübergreifende Handlungsketten fest und ohne konkurrierende klienteläre Loyalitäten an die spanische Krone banden 164. Ihre Loyalität fußte auf einem nicht mehr eigens begründungsbedürftigen „Vertrauen aus Vergangenheit“. Enttäuschungsrisiken entfielen damit weitgehend 165. Weniger deut­lich wird allerdings, was die Beständigkeit kurzfristigerer und instabilerer Patronagebeziehungen zwischen der Krone und anderen römischen Adelsfamilien begründete. Die prinzipielle Anerkennung des Rahmens von Patron-­Klient-Beziehungen erklärt näm­lich noch nicht für sich, wie die Erwartung von zufriedenstellender Reziprozität, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau, stabilisiert werden konnte 166. Bei den in der vorliegenden Studie behandelten ­Patronagebeziehungen handelt es sich ausnahmslos um kurzfristig geknüpfte, die sich auf ein „Vertrauen ohne Vergangenheit“ stützten und im Rahmen derer trotz enormer Unsicherheiten auf hohem Niveau Patronageressourcen getauscht wurden. Sie waren, mit Luhmann, nicht ohne „riskante Vorleistungen“ denkbar, bei denen Reziprozität nicht sicher erwartet, sondern nur antizipiert werden konnte 167. Die vorliegende Studie wird sich, zum einen, differenzierter mit der Rolle sprachlich-­ symbolischer Kommunikation bei der Stiftung von Vertrauen in Patro­nage­beziehungen auseinandersetzen und ihre Funktionalität, aber auch ihre Grenzen, für die Genese und die Stabilisierung von Vertrauen in den Blick nehmen. Zum anderen soll sie die sprach­lichen Strategien der „Überziehung“ von Erwartungen und ihrer Vorwegnahme analysieren. Es werden also jene Wahrnehmungs- und Beschreibungsformen im Vordergrund stehen, die es ermög­lichen, auch ohne Fundierung in stabilen Handlungsketten ein längeres Warten auf reziproke Leistungen sowie Irritationen und Enttäuschungen von Erwartungen in einem bestimmten Toleranzbereich zu verarbeiten. 162 Vgl. vor allem Droste, Dienst der Krone, 137 f. 163 Vgl. zu diesen unterschied­lichen, stellenweise widersprüch­lichen analytischen Konzepten Droste, Dienst der Krone, 43, 138 und 254. 164 Von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 233 – 279. 165 Von Thiessen, Vertrauen aus Vergangenheit. 166 Von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 299 ff. 167 Luhmann, Vertrauen, 23.

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Vertrauen wird dabei nicht nur als Handlungsdisposition, die in eine politische Kultur und ihre diskursiven und sozialen Praktiken eingebettet ist, betrachtet. Es kann auch als eine kommunikative Praxis zwischen verschiedenen Akteuren analysiert werden und so zu einem Thema einer Kulturgeschichte des Politischen im oben skizzierten Sinne werden.

1.6 Informationsmedium und „Ort der Verhandlung“ – Die französische diplomatische Korrespondenz als Quelle Hauptsäch­liche Quelle der vorliegenden Studie sollen die in den Archiven des französischen Außenministeriums lagernden Korrespondenzen der französischen Gesandten im Heiligen Römischen Reich mit ihren Prinzipalen sein. Dies hat zum einen forschungspraktische Gründe, die vor allem in der Tatsache begründet sind, dass die Dokumentation dieser Beziehungen vonseiten der im Reich ansässigen Akteure erheb­lich dünner ist. Eine interessante ergänzende Dokumentation stellen für Kurmainz die im Staatsarchiv in Würzburg lagernden Korrespondenzen der Schönborn dar. Im Falle Kurkölns ist jedoch eine solche Dokumentation faktisch nicht vorhanden. Ebenso wenig ergiebig waren die Bestände des Fürst­lich Fürstenbergischen Archives in Donaueschingen. Auch eine konsequente Parallelisierung habsburgisch-kaiser­licher und französischer Sichtweisen auf diese Beziehungen erwies sich als nicht praktikabel, da den kaiser­lichen Vertretern im Reich andere als mikropolitische Kooperationsmög­lichkeiten zur Verfügung standen und sie nach dem untersuchten Material die französische Krone als konkurrierende Patronageanbieterin weniger als Bedrohung für eigene informelle Beziehungen wahrnahmen, als dies umgekehrt ihre französischen Kollegen taten. Dennoch werden in der vorliegenden Studie an vielen Stellen, insbesondere dort, wo von Patronagekonkurrenz oder von der Verurteilung von Verflechtungspraktiken die Rede ist, auch Außenperspektiven auf die französische Außenverflechtung in den Blick genommen werden. Die offiziellen französischen Quellen können überdies in einigen Fällen noch durch Teile der Korrespondenz der Brüder Robert und Jacques de Gravel, die heute in der Bibliothèque Municipale de Versailles liegen, ergänzt werden. Ferner wird immer wieder zeitgenössische politik- und diplomatietheoretische Literatur zur Klärung der Normenhorizonte, vor deren Hintergrund die Akteure miteinander interagierten, herangezogen werden. Die hauptsäch­liche Konzentration auf die französische diplomatische Korrespondenz ermög­licht zum anderen aber nicht nur eine Perspektive auf die Wahrnehmung und die „Steuerung“ von Außenverflechtungsbeziehungen durch die französischen Akteure. Briefe und Korrespondenzen sollen nicht nur als Dokumentation von Praktiken und Wahrnehmungen dienen, an ihnen soll auch deut­lich gemacht werden, wie

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sich Akteure in einem politisch-administrativen System über politische Wirk­lichkeit verständigten und diese untereinander aushandelten. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf das „Geschehen“ in schrift­licher Kommunikation durch Briefe und Korrespondenzen. Dabei wird aber auch deut­lich, wo „blinde Flecken“ der Forschung liegen. Diskursanalytische und kommunikationshistorische Ansätze hatten, wie bereits erwähnt, in den letzten Jahren in der Geschichtswissenschaft und in anderen historisch orien­tierten Disziplinen eine gewisse Konjunktur. Theorie- und Konzeptangebote, die auch das in der Vormoderne zentrale Verbreitungsmedium Korrespondenz mit einbezogen, sind allerdings Mangelware geblieben 168. Viele der jüngeren Forschungen haben Briefe vor allem als „Ego-Dokumente“ untersucht 169. Briefe bzw. Korrespondenzen wurden als „intime“ oder zumindest „private“ Kommunikationsmedien betrachtet, innerhalb derer nach Selbstentwürfen einzelner Akteure gesucht wurde 170. Deswegen haben sie als politische Kommunikationsmedien nur bedingt Aufmerksamkeit erfahren 171. Ebenso wenig haben die meisten philologischen und historischen Forschungen zu Briefen und Korrespondenzen in der Frühen Neuzeit eingehendere theoretische Überlegungen zum Kommunikationsgeschehen in Briefen angestellt. Systemtheoretisch inspirierte Forschungen zur Vormoderne haben sich bislang hauptsäch­lich auf „Kommunikation unter Anwesenden“ mit kleinräumigen Verbreitungsmedien, wie die Stimme oder den Körper, konzentriert 172. Schrift­lichkeit wird dort zwar als ein „Grenzphänomen“ der Anwesenheitsgesellschaft betrachtet. Im Vordergrund stehen bei diesen Überlegungen jedoch Transformationen durch die Drucktechnik und die Medialisierung gesellschaft­licher Kommunikation. Diese werde so weitgehend „ent-ereignet“173, da die unmittelbare Responsivität von Anwesenheitskommunikation entfiele oder durch die Medienöffent­lichkeit „virtualisiert“ werde 174. Die „Leistung“ 168 Konzeptionell und theoretisch wenig weiterführend sind etwa die Überlegungen bei Boutier/Landi/Rouchon, Introduction, 6 – 19. 169 Zum Begriff des Ego-Dokuments vgl. Schulze, Ego-Dokumente. 170 Zum Brief als privatem Medium vgl. etwa Maurer, Briefe, 349. Nicht zuletzt deshalb haben weib­liche Briefeschreiber, von denen man lange Zeit annahm, sie seien in der Vormoderne auf diesen Raum eingeschränkt gewesen, und deren individuelles „self-­fashioning“ ein gewisses Echo in der Forschung gefunden, vgl. etwa Daybell, Women Letter-writers. 171 Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt der Sammelband von Lebrun-Pézerat/Poublan (Hrsg.), La lettre et le Politique, dar. 172 Schlögl, Kommunikation und Vergesellschaftung. Zentral für das systemtheoretische Konzept von Anwesenheitskommunikation vor allem Kieserling, Kommunikation. 173 Vgl.mit allerdings kritischer Perspektive auf Luhmann de Berg, Ereignishaftigkeit des Textes, 41. 174 Vgl. etwa Luhmann, Form der Schrift. Zur „virtuellen“ Folgekommunikation vgl. v. a. Schneider, Beobachtung von Kommunikation. Dass die Entwicklung der Druckmedien

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der Schrift­lichkeit von Briefen und Korrespondenzen für die Kommunikation wird dabei auch im Vergleich zur Ereignishaftigkeit der Anwesenheitskommunikation jedoch nur unzureichend beleuchtet 175. Überlegungen zum Medium Brief (bzw. der Korrespondenz) erklären diesen vor dem Hintergrund seiner „konzeptuellen Münd­lichkeit“ und fragen nach der mehr oder minder defizitären Herstellung „virtueller“ Anwesenheit im Rahmen von Briefen und Korrespondenzen 176. Die Frage, ob Briefe und Korrespondenzen, systemtheoretisch gesprochen, im Vergleich zur Anwesenheitskommunikation komplexere Mög­lichkeiten der „Verarbeitung“ von Themen und der internen Systemdifferenzierung hervorbrachten, bleibt dagegen so gut wie ausgespart 177. Vor dem Hintergrund dieser Forschungslage kommt Corina Bastians Disser­ tation zur Rolle der Korrespondenz zwischen Madame des Ursins am spanischen und Madame de Maintenon am französischen Hof während des Spanischen Erbfolgekrieges ein doppeltes Verdienst zu. Zum einen entwickelt die Autorin ein systemtheo­ retisch inspiriertes Konzept schrift­licher Kommunikation, das die Rekonstruktion und ihrer Öffent­lichkeit in systemtheoretischer Perspektive bedeutet, dass damit alle anderen Kommunikationsmedien massiv an Bedeutung verlieren, ist unter anderem eine Leitperspektive bei Giesecke, Buchdruck in der frühen Neuzeit. 175 Niklas Luhmann deutet zwar an, dass der Brief ereignishafte Elemente rekonstruieren könne, führt dies aber nicht weiter aus, vgl. Luhmann, Schrift, 354 bzw. 358. Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 19 f., misst schrift­licher Kommunikation überhaupt keine ereignishafte Dimension zu, übergeht aber geradezu selbstverständ­lich Briefe und Korrespondenzen. 176 Zur Theorie der konzeptionellen Münd­lichkeit vgl. Koch/Oesterreicher, Schrift­lichkeit und Sprache, 588 ff. Interessante Überlegungen zur „grafischen“ Übertragung von prinzipiell interaktionaler Höf­lichkeit und zeremonieller Statuszuweisung finden sich bei Sternberg, Epistolary Ceremonial. Georg Simmel spricht davon, dass „bei unmittelbarer Gegenwärtigkeit […] jeder Teilnehmer des Verkehrs dem andern mehr als den bloßen Inhalt seiner Worte“ gibt; denn „indem man sein Gegenüber sieht […] und in die mit Worten gar nicht auszudrückende Stimmungssphäre desselben eintaucht, die tausend Nuancen in der Betonung und im Rhythmus seiner Äußerung fühlt, erfährt der logische oder der gewollte Inhalt seiner Worte eine Bereicherung und Modifikation, für die der Brief nur äußerst dürftige Analogien bietet“, vgl. Simmel, Soziologie, 430. 177 Denkbar wäre etwa, gerade aus systemtheoretischer Perspektive, ausgehend von den Überlegungen André Kieserlings anhand einer Korrespondenz mit mehreren Beteiligten danach zu fragen, ob sie nicht die Mög­lichkeit bietet, mehrere Themen gleichzeitig zu verarbeiten und parallele Verständigungsebenen zwischen Akteuren zu etablieren, und so Differenzierungen und erhöhte Komplexität erzeugt, wie sie für Organisa­ tionen typisch, aber in reiner „Anwesenheitskommunikation“ nicht mög­lich sind. Vgl. zur Themenverarbeitung Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 185 ff.; zur Unmög­lichkeit der internen Differenzierung von Interaktionskommunikation vgl. ebd., 35 vgl. dazu jetzt die Überlegungen in Hengerer, Abwesenheit beobachten.

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der spezifischen „Ereignishaftigkeit“ der Briefe ermög­licht 178, zum anderen zeigt sie, dass der Briefwechsel zweier höfischer Akteurinnen alles andere als eine „private“ Korrespondenz war. Die beiden Hofdamen etablierten vielmehr einen eminent politischen Kommunikationsstrang, der ein zentraler Bestandteil des Kommunikationsgeschehens zwischen den Höfen in Versailles und Madrid war. Sie nutzten den Briefverkehr als politisches Informations- oder Verhandlungsmedium, in dem Selbstentwürfe keine persön­lichen „Subjekttechniken“, sondern verschrift­lichtes politisch-strategisches Handeln darstellten. Mithilfe der Korrespondenz konnte Einfluss auf die politische Willensbildung am eigenen oder jeweils anderen Hof genommen werden, was auch Wechselwirkungen mit der offiziellen politischen Korrespondenz einschloss 179. Für die im Rahmen dieser Studie behandelte französische diplomatische Korrespondenz scheinen sich viele Fragen, deren Klärung in dem Fallbeispiel Maintenon – Ursins wichtig waren, zunächst gar nicht erst zu stellen. Dass es sich um „politische“ Korrespondenzen handelt, besagt bereits die Serienbezeichnung, unter der sie im Archiv des französischen Außenministeriums aufbewahrt werden 180. Große Spielräume etwa für die Selbstdarstellung von Gesandten oder die Inszenierung von Fakten und Interaktionssituationen boten sie auf den ersten Blick scheinbar auch nicht. Die Diplomaten Ludwigs XIV ., so Bruno Neveu, waren schließ­lich zur korrekten Information ihrer Prinzipalen verpf­lichtet und hatten schon aus Karriereinteresse guten Grund, „objektiv“ zu berichten 181. Die relative Formlosigkeit der Depeschen und ihre improvisierten Entstehungsbedingungen im politischen Tagesgeschäft machte überdies dies den Anschein, für eine nicht weiter klärungsbedürftige Authentizität und die Unmittelbarkeit des in ihnen Gesagten einzustehen 182. Dies machte diplo­matische Korrespondenz als Gattung einerseits für feinsinnige Philologen oder politische Ideenhistoriker eher uninteressant 183 und lud andererseits auch nicht zu hermeneutischen oder kommunikationstheoretischen Vertiefungen ein. Der Fokus jüngerer Studien zur Geschichte der politischen Kommunikation, die sich auch mit diplomatischer Korrespondenz beschäftigen, liegt eher auf den äußeren Bedingungen regelmäßiger Korrespondenzen, wie der Verstetigung und 178 Vgl. Bastian, Verhandeln in Briefen, 32 f. Hier werden allerdings die Spezifik systemtheoretischer Herangehensweisen im Vergleich zur Handlungstheorie und zum hier verwendeten Diskurskonzept und ihre jeweilige Integrationsleistung für Akteursperspektiven nicht immer völlig deut­lich. 179 Bastian, Verhandeln in Briefen, 154 ff. 180 Tischer, Französische Diplomatie, 52. 181 So etwa Neveu, Correspondances diplomatiques, 47. 182 So etwa die Sichtweise von Sägmüller, Anfänge der diplomatischen Korrespondenz. 183 Boutier/Landi/Bouchon, Introduction, 17.

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Institutionalisierung des Informationsflusses oder den strukturellen Folgen der relativen Langsamkeit politischer Kommunikation in Briefform über weite Distanzen 184. Ansätze, die sich theoretischer mit der „Hermeneutik“ diplomatischer Korrespondenzen beschäftigen, tun dies bestenfalls punktuell 185. In der vorliegenden Studie soll es auch darum gehen, wie diese strukturellen Bedingungen aufs Engste mit der Art und Weise verbunden sind, wie Akteure in vormodernen administrativen Systemen informierten, mitteilten und verstanden. Arndt Brendecke hat in seiner Studie zur Verwaltung des spanischen Kolonialreiches im 16. Jahrhundert gezeigt, dass solche Kommunikationen zum einen von den „epistemischen settings“, die die Bedingungen definieren, unter denen ein administratives System etwas wissen kann, abhängen und zum anderen durch ihre „kommunikativen settings“, das „kommunikative Bedingungsgefüge der Akteure“, beeinflusst werden. Letzterer Begriff beschreibt gerade nicht nur formale Kommunikationsstrukturen und Weisungshierarchien. Er soll den Fokus auf „die Variabilität der Kontexte, der situativen und performativen Bedingungen“ von Kommunikation lenken 186. Legt man dieses Modell zugrunde, können auch in der französischen diplomatischen Korrespondenz zwei analytisch scheidbare, sich aber stets überlagernde Aspekte administrativer Kommunikation ausgemacht werden: Erstens fungierte sie als Informationsmedium, über das große Informationsmengen weitergeleitet wurden und in dem sich die Akteure über den Wahrheitswert von Informationen und Nachrichten und damit über das zur Verfügung stehende administrative Wissen verständigten 187. Dieser Prozess wurde durch beständige „Nachrichtenselektion“ zwischen Gesandten und Zentralen verstetigt 188 und trug zur Steuerung und „Feinjustierung“ von Informationsprozessen bei. So konstituierte er das „epistemische setting“ der zentralen Verwaltung französischer Außenbeziehungen entscheidend mit. Zweitens sollen die Korrespondenzen aber auch im Anschluss an die obenstehenden Überlegungen zu „kommunikativen settings“ betrachtet werden. Unter dieser Perspektive lassen sich zunächst handlungstheoretische, akteurszentrierte Perspektiven für Verständigungsprozesse in der diplomatischen Korrespondenz erschließen. Jean-Claude Waquet hat hierfür ein Konzept der „doppelten Verhandlung“

184 Für die kaiser­lichen Vertreter auf dem Reichstag vgl. Pflüger, Kommissare und Korrespondenzen. Vgl. auch die Überlegungen von Jucker, Gesandte. 185 Vgl. etwa die anregenden Überlegungen zur Verständigung über unsichere Informationen in der umfangreichen Studie von Friedrich, Drehscheibe Regensburg, 344 ff. 186 Brendecke, Imperium und Empirie, 19. 187 Allgemein zur Verfügbarmachung administrativen Wissens als Information vgl. ­Brendecke/Friedrich/Friedrich, Information. 188 Friedrich, Drehscheibe, 322 ff.

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entwickelt 189, in dessen Rahmen der frühneuzeit­liche Diplomat nicht mehr nur als Funktionsträger und Unterhändler an fremden Orten betrachtet wird. Nach Waquet versuchte dieser vielmehr auch, die Bedingungen und Handlungsspielräume seiner eigenen diplomatischen Tätigkeit schrift­lich mit seinen Prinzipalen auszuhandeln. Dabei stützte er sich häufig auf strategisch orientierte, mög­lichst günstige Situationsschilderungen und die Inszenierung seiner eigenen Rolle vor Ort 190. Briefe von Diplomaten sind also nicht reine Informationsinstrumente, sie waren auch als „folgenreiches“ Handeln angelegt, das, an zeitgenössische Rhetorikkonzepte anknüpfend, bestimmte Wirkungen beim Leser intendierte 191. Die Tatsache, dass französische Gesandte auch im Rahmen offizieller Korrespondenz ihren Prinzipalen in verschiedenen Rollen, etwa als Klient oder Verwandter eines Ministers, und somit häufig auch als „Unterhändler in eigener Sache“ entgegentreten konnten, sorgte für eine häufig sehr komplexe Verknüpfung von administrativen und mikropolitischen „Verhandlungsgegenständen“192. Diese Sprech- oder besser Schreibweisen können jedoch nicht einseitig auf opportunistisches Handeln einzelner Akteure reduziert werden. Ralf-Peter Fuchs hat in seiner Studie zu den Normaljahrsverhandlungen während des Dreißigjährigen Krieges auf die Tatsache hingewiesen, dass sich sowohl Gesandte als auch ihre Prinzipalen im Rahmen von Verhandlungen, aber auch in diplomatischem Schriftgut als gemäß bestimmter Wert- und Normenhorizonte handelnde Akteure zu inszenieren suchten. Diesen Selbstbildern widersprechendes Handeln musste gegebenenfalls zurechtinterpretiert werden. Fuchs beschreibt diese Form der Kommunikation vor allem als kurz- und langfristige Investitionen in persön­liches Ehrkapital oder als Referenz an bestimmte normengeleitete Rollenbilder 193. Im Anschluss an diese Überlegungen sollen auch im Rahmen dieser Arbeit solche „selbstbegünstigenden“ 189 Waquet, Verhandeln, 130 f. Der Autor ist sich im Klaren darüber, dass die hier zu analysierende Dimension der Aushandlung in französischen Korrespondenzen nicht umstandslos auf jedes andere Gesandtschaftswesen übertragen werden kann. Im Falle der schwedischen Diplomatie wurden Information und „Selbstdarstellung“ von Gesandten relativ strikt geschieden, vgl. Droste, Dienst der Krone, 169 ff. Im Falle der päpst­lichen Diplomatie herrschte eine signifikante Machtasymmetrie zwischen der kurialen Zentrale und den Nuntien, die sich nicht zuletzt in der Korrespondenz und den Instruktionen an die päpst­lichen Diplomaten niederschlug, vgl. Wieland, Spiegel ihrer Herren, 364 f. 190 Waquet, Introduction, 9 f. Methodisch eher impressionistische Überlegungen zur Selbstdarstellung des „moi“ von Gesandten im 16. Jahrhundert in der diplomatischen Korrespondenz finden sich auch bei Ménager, Lettres d’ambassadeurs. 191 Vgl. Bastian, Verhandeln in Briefen, 32; Droste, Dienst der Krone, 106 f. 192 Vgl. Waquet, Introduction, 14 f. 193 Fuchs, Medium zum Frieden, 35 ff.

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Kommunikationsweisen nicht nur als eigennützige Akteursstrategien, sondern auch als Akte der „Sinnstiftung“ verstanden werden. Hierbei soll es jedoch, anders als bei Fuchs, weniger um normengeleitetes „self-fashioning“ diplomatischer Akteure im Hinblick auf persön­liche Ehre und ein außerhalb diplomatischer Kommunikation stehendes „Publikum“ gehen 194. Es soll vielmehr gezeigt werden, dass selbstbegünstigendes Sprechen und das Ausblenden oder kommunikative Verarbeiten von Widersprüchen einen für den gesamten Kommunikationszusammenhang stabilisierenden Sinn hatten. Dafür wird die Studie an organisationssoziologische Forschungen anschließen, in denen die Organisation gerade nicht als geschlossene Struktur und allein durch funktionale Kommunikationsroutinen geprägter Zusammenhang beschrieben, sondern im Anschluss an Giddens als dynamischer Strukturierungsprozess von Ordnungs- und Interpretationsschemata betrachtet wird 195. Kommunikationsprozesse innerhalb einer Organisation können näm­lich so strukturiert werden, dass sie der Organisation durch selbstbegünstigende Beschreibungsweisen, Ausblendung widersprüch­licher Normenorientierungen und Rationalisierungsleistungen Mög­lichkeiten zur Verfügung stellen, um sich zum Handeln und Entscheiden gewissermaßen selbst zu ermächtigen. Unter dieser Perspektive sollen diese Sprech- bzw. Schreibweisen auch in der vorliegenden Arbeit betrachtet werden. Dabei soll deut­lich werden, dass opportunistische rhetorische Strategien von Gesandten in internen Aushandlungsprozessen nicht notwendigerweise auf Kosten der „Zentrale“ gingen. Die Selbstdarstellung der Diplomaten und diese selbstbegünstigenden Interpretationsschemata der Organisationen sollen, wiederum im Anschluss an Giddens, als sich gewissermaßen gegenseitig ermög­lichende Phänomene dargestellt werden.

194 Zwei Beispiele aus der Soziologie legen den Schwerpunkt eher auf die sozialpsychologischen Stabilisierungsleistungen von selbstbestätigender Kommunikation; dies ist sicher der Fall bei Popitz, Realitätsverlust, der anhand der Langlebigkeit von erwiesenermaßen falschen Prognosen von Weltuntergangssekten das psychologische Bedürfnis nach einer kollektiven Erfahrung (vermeint­licher) Wahrheit in den Vordergrund stellt; vgl. auch die allerdings durchaus gruppenpsychologisch orientierten Ausführungen über den „Klatsch“ („gossip“) bei Elias/Scotson, Etablierte und Außenseiter. 195 Vgl. hierzu Ortmann/Sydow/Windeler, Organisation als reflexive Strukturation. Grundlage ist hier einmal mehr das von Giddens, Konstitution der Gesellschaft, entworfene Konzept der Dualität von Struktur und Handlung. Zu solchen Tendenzen in der neueren Organisationssoziologie im Allgemeinen vgl. überblicksartig Walter-Busch, Organisationstheorien, v. a. 243 – 297. Ausführ­lich zur Rezeption organisationssoziologischer Konzepte siehe Kap. 2.1.2 dieser Arbeit!

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In diesem Kontext wird auch in Anlehnung an das oben skizzierte Konzept sprach­lichen Handelns darauf einzugehen sein, an welchen Codes und Regeln der Selbst- und Fremdbeschreibung sich die Kommunikation orientierte, aber auch, ­welche Anpassungsleistungen und Sinnverschiebungen von den Akteuren vorgenommen wurden, um diese zu kausalen Erklärungsmustern zusammenzusetzen 196. Dabei wird insbesondere Fremd- und Selbstbildern eine herausragende Rolle zukommen. Ein wichtiger Fluchtpunkt dieser Perspektive auf die diplomatische Korrespondenz bleibt jedoch vor allem das mikropolitische Handeln und die Frage nach dem Vertrauen. Gerade aus der eben skizzierten Methodik eröffnen sich Perspektiven auf die „Entschlüsselung“, aber auf auch den Gebrauch jener „symbolischen Implikationen“, auf die sich Vertrauen stützt. Diese wurden näm­lich nicht nur in Kommunikationen der Akteure vor Ort generiert, sondern auch durch Kommunikationen über diese Beziehungen mitstrukturiert 197. Diese orientierten sich wiederum an ihren eigenen Regeln und Strukturen. In diesem Sinne war diplomatische Korrespondenz aber in weiten Teilen vor allem eines: Kommunikation über Kommunikation.

1.7 Gliederung und Fragestellung Insgesamt gliedert sich die Studie in drei Hauptteile: Im ersten Hauptteil der Arbeit sollen die strukturellen Voraussetzungen und Dynamiken der hier beschriebenen Beziehungen beschrieben werden. Eine funktional-organisatorische Perspektive wird hier im Vordergrund stehen. Der Aufbau dieses Hauptteils gestaltet sich wie folgt: Erstens sollen die Bedingungen konkreter Asymmetrie in den Beziehungen zwischen der französischen Krone und den Reichsständen untersucht werden. Hierfür werden nach einem knapp gehaltenen ereignisgeschicht­lichen Überblick die völkerrecht­lichen Voraussetzungen, die Praktiken und Beschreibungsformen dieser Beziehungen, die um die seit dem Westfälischen Frieden zentralen Themen der Friedensgarantie und der Sicherheitswahrung im Reich und in Europa kreisen, sowie die Praktiken der symbolischen Kommunikation untersucht werden.

196 Hier wäre etwa an das Konzept der standard story als konventionalisiertem Erklärungsmuster, das aber auf seine konkreten sozialen und kommunikativen Funktionen hin analysiert wird, zu denken, vgl. Tilly, Stories, 40 ff. Dennoch wird hier selbstverständ­ lich zu fragen sein, welche Darstellungsstrategien besonders wichtig sind, welche „rekonstruktiven“ Elemente sie enthalten, vgl. hierzu Luckmann, Grundformen, 197. 197 So bereits Kettering, Patronage, 851, die ein solches Vorgehen zwar anregt, aber nicht selbst durchführt.

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Einleitung

Zweitens soll in diesem Rahmen die Bedeutung von Patronage- und Verflechtungsbeziehungen erschlossen werden: Dafür wird zunächst (gewissermaßen statt eines konventionellen Institutionenkapitels) die Organisation der französischen Diplomatie, sowohl ihrer internen Verwaltung als auch des Gesandtschaftswesens, unter Verflechtungsaspekten beleuchtet. Drittens wird sich die Studie den Akteuren, Aufgaben und Funktionsweisen von grenzüberschreitenden Patronagebeziehungen zuwenden. Dabei werden auch die Kooperation mit französischen Gesandten und die gelegent­lich fließende Grenze dieser Praktiken zur „offiziellen“ französischen Diplomatie eine wichtige Rolle spielen. Viertens nimmt die Arbeit das Postulat auf, Verflechtungsbeziehungen vor dem Hintergrund konkurrierender Loyalitäten zu untersuchen. Anhand der franzö­sischen Klientel im Reich kann so deren Handeln in Netzwerken in größere Zusammenhänge eingeordnet und das Verhältnis französischer Verflechtung zu anderen Bindungen und Handlungsmotivationen behandelt werden. Der zweite Hauptteil soll stärker eine Wahrnehmungs- und Kommunikationsperspektive einnehmen: Aufgrund der Tatsache, dass Beziehungen nach Frankreich im Reich als uneindeutige und von außen Konkurrenz machende Beziehungen wahrgenommen wurden, werden hier Wahrnehmungen und Kommunikationsprozesse als kulturgeschicht­ liche Grundlagen mikropolitischer Beziehungen in den Blick genommen, die zeigen sollen, wie Vertrauen in dem weiter oben beschriebenen Sinn in diesen Beziehungen mög­lich war. Erstens sollen dafür die in der Einleitung erläuterten kommunikations- und handlungstheoretischen Voraussetzungen der Kommunikation von und über Vertrauen vertieft werden. Ein Schwerpunkt wird dabei auf der französischen diplomatischen Korrespondenz als Darstellungs- und Aushandlungsmedium liegen. Zweitens wird vor allem aus der Perspektive französischer Quellen nach der Beurteilung symbolischer und kommunikativer Praktiken gefragt werden. ­Welche Bedeutung wurde ihnen wann zugemessen? Dabei sollen auch die Rollen von Höf­ lichkeit und der Weitergabe von Informationen geklärt werden. Inwiefern konnten sie Grundlagen für stabile Vertrauensbeziehungen bilden? Drittens sollen Praktiken der Beobachtung von Akteuren innerhalb der eigenen Klientelgruppe in den Blick genommen werden. Die leitende Perspektive wird dabei das Verhältnis von Kommunikationsnormen und Normbrüchen sein. Inwiefern können solche Praktiken zur Stabilisierung und zur Konstruktion von Beziehungen beitragen? Viertens wird auch die Rolle der Wahrnehmung „des anderen“, vor allem jene der politischen Gegner und Konkurrenten aus dem Hause Habsburg, von großer Bedeutung sein. Anhand dieses Befundes können hier Fremdwahrnehmungen in einem konkreten kommunikativen Kontext betrachtet und nach Rückwirkungen auf Fürsten bzw. Klientelbeziehungen gefragt werden.

Gliederung und Fragestellung

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Fünftens werden in diesem Kontext die Grenzen der Tragweite von „Vertrauenskonstruktionen“ thematisiert. Wann und unter welchen Bedingungen brachen Vertrauensbeziehungen zusammen? Inwiefern war der durch diplomatische Korrespondenz konstituierte Kommunikationszusammenhang zur Korrektur und zur Revision eigener selbstreferenzieller und selbstbegünstigender Annahmen in der Lage? In einem dritten Hauptteil soll das Augenmerk auf den Normen asymmetrischer Beziehungen und ihrem Gebrauch liegen. Hier wird nach der Verständigung über die Geltung von Normen in diesen Beziehungen gefragt werden. Unter dieser Perspektive wird auch das Thema Vertrauen im Sinne stabiler, positiver Erwartungen weiter verfolgt werden. Erstens wird dabei das Verhältnis von marktförmigen Tausch- und Beziehungslogiken und der Thematisierung von Eigeninteressen im Verhältnis zur Bedeutung eines „Ethos der Patronage“ untersucht werden. Zweitens werden Ehre und Reputation des französischen Königs als befördernde oder blockierende Faktoren asymmetrischer Beziehungen thematisiert und wird die Frage gestellt werden, inwiefern diese Faktoren den französischen König zur Weiterführung auch von instabilen und unsicheren Beziehungen mit fragwürdigen Reziprozitätserwartungen verpf­lichteten. Drittens soll gezeigt werden, wie von französischer Seite aus mikropolitische Logiken im Vergleich zu makropolitischen Prozessen thematisiert werden konnten. Inwiefern konnten sich hier makropolitische Rationalitäten und mikropolitische Logiken überlagern? Wo und unter welchen Umständen werden deut­liche Abgrenzungen zwischen mikro- und makropolitischem Handeln formuliert. Viertens wird anhand des Beispiels der Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg 1674 geklärt werden, wie und unter welchen Bedingungen sich die Frankreichbindungen von Akteuren als Verrat und Korruption deuten ließen.

2. Asymmetrische Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage – Akteure, Netzwerke und Konflikte

2.1 Grundzüge französisch-reichsständischer Beziehungen 1648 – 1679 2.1.1 Vom Nürnberger Exekutionstag bis zum Ende der Rheinischen Allianz Im Sommer 1653 zeichnete der französische Gesandte auf dem Regensburger Reichstag, François Cazet de Vautorte, ein verheerendes Bild des französischen Einflusses im Alten Reich. Sein Aufhänger hierfür war ein Zeremonialkompromiss mit dem damaligen Kölner Reichstagsgesandten Franz Egon von Fürstenberg, der zu diesem Zeitpunkt wohlgemerkt noch kein französischer Pensionsempfänger und Klient war. Vautorte kam Fürstenberg entgegen: Er bestätigte, den Kurfürsten Max Heinrich künftig als „Altesse“ bezeichnen zu wollen. Dieser habe anschließend diese Regelung dem Botschafter Spaniens angeboten, der sie aber verweigert hat. Aber unser Status ist nicht gleich, denn alles ist für ihn und er hat fast keine Feinde aufgrund seiner übertriebenen Ansprüche. Wir aber haben fast keine Freunde, außer denen, die er uns verschafft, und jenen, die wir uns durch Höf­lichkeit erwerben können, da uns kein anderes Geld zur Verfügung steht 198. Die Zwischenbilanz für die französische Reichspolitik war fünf Jahre nach dem Westfälischen Frieden also eher enttäuschend. Die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Alten Reich hatten sich zwar im Laufe des Dreißigjährigen Krieges erheb­ lich verdichtet, auch hatten die Regelungen des Westfälischen Friedens der Krone theoretisch ein enormes Einflusspotenzial verschafft 199. Dieses konnte sie jedoch zunächst nicht ausschöpfen. Auf dem Nürnberger Exekutionstag, der die Umsetzung 198 Le Comte de Furstemberg a esté satisfait, et l’electeur a tesmoigné qu’il l’estoit aussy au gentilhomme que je luy ay envoyé […]. Il a offert cy devant cet expédient à l’ambassadeur d’Espagne qui l’a refusé. Mais notre condition n’est pas egale, car tout est pour luy, et il n’a presque point d’ennemis que s’est fait par des pretentions trop hautes, mais nous aurons icy presque aucuns amis que ceux qu’il nous fera et ceux qu’il nous pourrons acquérir par civilité n’ayant point d’autre monnoye. Vautorte an Brienne, Regensburg, 3.7.1653 (AMAE, CP, Allemagne 131, fol. 4v). 199 Dotzauer, Macht – Politik – Diplomatie, 338.

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der reichsrecht­lichen Bestimmungen des Westfälischen Friedens regeln sollte, kam es zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Reichsständen, während Frankreich seine Interessen und Schutzzusagen gegenüber den Reichsständen nur äußerst begrenzt durchsetzen konnte 200. Die Lage auf dem Regensburger Reichstag 1653/54 war für die Vertreter der französischen Krone kaum besser, wie das Eingangszitat verdeut­licht. Auch wenn dieses Mal die Konfliktpotenziale zwischen Kaiser und Ständen größer waren, zum Beispiel was konfessionelle Fragen und das Verhältnis zwischen Kaiser, Kurfürsten und Reichstag anging, konnte von einer Zurückdrängung des habsburgischen Einflusses und von einem verstärkten französischen Einfluss im Reich infolge des Westfälischen Friedens zunächst keine Rede sein 201. Potenziale für eine stärkere französische Involvierung hätten die Vorgänge an der Nordwestgrenze des Reiches geboten. Da der Krieg zwischen Frankreich und ­Spanien auf dem Westfälischen Friedenskongress nicht beendet worden war, tobte der spanisch-französische Konflikt weiter und drohte auf die Territorien benachbarter Fürsten überzugreifen 202. Sehr zum Ärger der Reichsstände wurden die Spanier von kaiser­licher Seite weiterhin unterstützt 203. Das von den Wirren der Fronde immer noch geschwächte Frankreich sah sich außerstande, dem in spanischen Diensten stehenden Herzog Franz von Lothringen, der unter anderem die Territorien des Kölner Kurfürsten bedrohte, Einhalt zu gebieten 204. Als dieser dessen Bistum L ­ üttich überfiel, kam erst sehr spät und eher auf Initiative Kurkölns ein Abkommen zur Räumung des Bistums zustande 205. Während des Regensburger Reichstages wurde der Sohn des Kaisers als ­Ferdinand IV. zum römischen König gekrönt. Damit war die habsburgische Sukzession auf dem Kaiserthron mit einem mittlerweile üb­lichen Verfahren gesichert. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war zwar formell eine Wahlmonarchie. Allerdings war es den Habsburgern seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gelungen, den Kaiserthron durch die Absicherung der Thronfolge zu Lebzeiten des Kaisers mithilfe von Königswahlen vivente imperatore für die eigene Dynastie zu sichern.

200 Vgl. Oschmann, Nürnberger Exekutionstag, 491 ff. 201 Vgl. Müller, Regensburger Reichstag, 310 f. 202 Vgl. zum Scheitern eines spanisch-französischen Friedens in Westfalen die umfangreiche Studie von Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster. Zum vergeb­ lichen Ringen um Frieden zwischen den Kronen in den elf Jahren nach Münster vgl. Tischer, Von Westfalen in die Pyrenäen. 203 Von Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, 164 f., zeigt allerdings, dass der Kaiser die Verpf­ lichtungen des Westfälischen Friedens sehr ernst nahm und versuchte, Philipp IV. zu einer das Reich schonenden Kriegführung anzuhalten. 204 Müller, Regensburger Reichstag, 374. 205 Müller, Regensburger Reichstag, 384.

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Als 1654 Ferdinand IV. aber völlig überraschend verstarb, wurde dieses faktische Monopol der Habsburger infrage gestellt. Das Ableben Kaiser Ferdinands III. war aufgrund seines Gesundheitszustandes bereits absehbar und zu einer weiteren vorzeitigen Königswahl kam es bis zu seinem Tod am 2. April 1657 nicht mehr. Dies lag nicht nur daran, dass der für diesen Fall vorgesehene Erzherzog Leopold noch minderjährig war. Ein weiterer Grund bestand auch darin, dass die Kurfürsten im Konflikt mit dem Kaiser, in dem es um die andauernden Kampfhandlungen zwischen französischen und spanischen Truppen in den Süd­lichen Niederlanden sowie um die Unterstützung für den spanischen König ging, diese in ihren Augen viel zu spanienfreund­liche Politik weiterhin entschieden ablehnten. Sie sahen in einer s­ olchen Vakanz des Königstitels eine Chance, politischen Druck auf den Kaiser auszuüben 206. Damit war für die Habsburger eine beunruhigende reichspolitische Situation entstanden. Die inzwischen wiedererstarkte französische Krone sah darin eine günstige Gelegenheit, die Machtverhältnisse im Reich zu ihren Gunsten zu verändern. Kardinal Mazarin, Frankreichs mächtiger Günstlingsminister, sah nun die Mög­ lichkeit, eine Mehrheit der Kurfürsten für eine nicht habsburgische Kaiserwahl im Sinne Frankreichs zu gewinnen. Dies hätte nicht nur eine erheb­liche Erweiterung der Mög­lichkeiten französischer Reichspolitik, sondern auch Vorteile im Krieg gegen die Spanier, eine Schwächung der kaiser­lichen Stellung sowie des von französischer Seite als übermächtig wahrgenommenen spanischen Einflusses im Reich bedeutet 207. Die französischen Könige hatten zuvor schon mehrmals Versuche unternommen, den Habsburgern das faktische Monopol auf die Kaiserkrone zu entreißen. So war 1519 der französische König Franz I. erfolglos gegen den späteren Karl V. als Kandidat für die Kaiserkrone angetreten 208. Gestützt wurden solche Projekte auch durch eine spezifisch französische „Kaiserideologie“, mit deren Hilfe sich die französischen Könige als legitime Erben Karls des Großen darstellten und Ansprüche auf die Kaiserkrone erhoben 209. In der Folge verstärkten die Franzosen ihre Bemühungen um politische Kooperation mit den Reichsständen massiv. Man suchte nun jene amis zu gewinnen, die Vautorte auf dem Regensburger Reichstag so schmerz­lich vermisst hatte. Es scheinet wohl, Frankreich sucht jetzt mehr Deutsche an sich zu ziehen, schrieb der hessische 206 Burkhardt, Vollendung und Neuorientierung, 70. 207 Mit Leopold als Kaiser befürchteten die Franzosen, es künftig mit einem prince d’une maison esclave de toutes les passions du Conseil de Madrid zu tun zu haben. Vgl. hierzu Instruction du Roi pour MM. Les ambassadeurs (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 38v). 208 Winterhager, Das Haus Brandenburg. 209 Zum imperialen Anspruch der französischen Könige ist vor allem die ideengeschicht­ lich zentrierte Studie Haran, Le lys et le globe, zu nennen, ebenso wie Zeller, La candidature;Vast, Des tentatives de Louis XIV; Pillorget-Rouanet, Louis XIV. Candidat au Trône Imperial (1658).

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Minister Krosigk bereits im Jahre 1654210. Auch war man bereit, in härterer Währung als nur mit Höf­lichkeit zu zahlen: Bis zum Ende der Wahlangelegenheit im Jahre 1658 gaben französische Gesandte fast drei Millionen Livres zur Beförderung eines nicht habsburgischen Kaiserwahlprojektes aus 211. Seit 1656 gab es mit Robert de Gravel auch einen französischen Gesandten auf dem Reichsdeputationstag, der versuchte, den Einfluss Frankreichs im Hinblick auf eine künftige Kaiserwahl auszubauen 212. Das Kaiserwahlprojekt scheiterte aber schließ­lich trotz profranzösischer oder vielmehr antihabsburgischer Tendenzen innerhalb des Kurkollegs bereits an der Kandidatenfrage. Die Überlegung, die Kaiserkrone dem französischen König Ludwig XIV. selbst zu verschaffen, scheint eine ledig­lich intern diskutierte Option gewesen zu sein 213. Der französische Wunschkandidat war der Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern. Dieser stand jedoch vor allem aufgrund des dominierenden Einflusses der habsburgischen Faktion an seinem Hof für eine Kandidatur gegen den Sohn des Kaisers, Leopold, nicht zur Verfügung 214. Ein weiterer Prätendent, den zeitweilig vor allem Mazarin selbst favorisierte, war der ebenfalls aus dem Hause Wittelsbach stammende Herzog Philipp Wilhelm von Neuburg 215. Für einige Kurfürsten stellte auch der österreichische Erzherzog Leopold Wilhelm, Statthalter der Niederlande und Bischof von Straßburg, einen geeigneten Kandidaten dar. Mazarin sah in ihm allerdings keine sinnvolle Alternative, da er befürchtete, diese Wahl werde den spanischen Einfluss eher stärken als abschwächen 216. Unter diesen Umständen musste 210 Zitiert nach: Joachim, Entwickelung, 253, Anm. 2. 211 État de la Recette et dépense faites par sieur Gravel, résident pour le Roi en Allemagne pendant les années 1656, 1657 et les cinq premiers mois 1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 216r–225r). 212 Rheindorf, Zur französischen Außenpolitik, 217 f. 213 Preuss, Mazarin. Vgl. auch Gie, Die Kandidatur Ludwigs XIV., 96 f. Preuss und Gie insistieren auf der politischen Unmög­lichkeit dieser Kandidatur, Malettke, Rélations, 242, warnt dagegen davor, die Flexibilität von Mazarins Politik zu unterschätzen. 214 Zum Nichtzustandekommen einer bayerischen Kandidatur vgl. Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 33 ff. Zur Rolle der frankreichfreund­lichen Kurfürstin Henriette Adelaide bei der Beförderung einer mög­lichen Kandidatur ihres Gatten vgl. v. Bary, Henriette Adelaide, 116 – 131. Zur politischen Rolle der Kurfürstin in den Außenbeziehungen vgl. Schwarz, Henriette Adelaїde und die bayerischen Außenbeziehungen. Julia Schwarz, Bern, bereitet zurzeit eine Disseration zu diesem Thema vor. 215 Zur politischen Biografie Philipp Wilhelms von Neuburg vgl. Schmidt, Philipp ­Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Eine Wahl Neuburgs hätte allerdings den unweiger­lichen Bruch mit dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg bedeutet, auf dessen Unterstützung man auf französischer Seite nicht verzichten wollte. 216 Ganz abgesehen davon, dass der Erzherzog als Verfechter der Interessen seines Hauses und Vertrauter Leopolds kein Interesse an einer solchen Kandidatur hatte, vgl. Schreiber, Erzherzog Leopold Wilhelm, 60 f.

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das französische Kaiserwahlprojekt scheitern. Nach einem außergewöhn­lich langen Wahltag wurde schließ­lich im Mai 1658 der habsburgische Kandidat Leopold, König von Böhmen und Ungarn, mit allen Kurstimmen zum Kaiser gewählt 217. Trotz dieses Misserfolgs französischer Reichspolitik endete die Frankfurter Wahlversammlung für die Franzosen mit zwei bedeutenden Teilerfolgen. Zum einen musste der neue Kaiser auf Druck der Reichsstände hin in eine verschärfte Wahlkapitulation einwilligen, die noch einmal entschieden auf dem Verzicht auf eine Unterstützung der Spanier im Krieg gegen Frankreich insistierte 218, zum anderen gelang Frankreich im August 1658 der Abschluss der Rheinischen Allianz mit zahlreichen Reichsständen 219. Diese Allianz unter französischer Beteiligung bildete zugleich den Endpunkt einer Kumulation zahlreicher kleinerer Allianzen, die zunächst als Schutzbündnisse zwischen den einzelnen Reichskreisen geschlossen worden waren 220. So schlossen sich 1650 die Mitglieder des Oberrheinischen Kreises zusammen, 1651 folgte der Kurrheinische Kreis. Im selben Jahr verbündeten sich die braunschweigischen Herzöge. Schweden schloss im Jahr darauf mit Hessen-Kassel und den Braunschweigern in Hildesheim eine Allianz ab. Es handelte sich zunächst um eine rein protestantische Verbindung. Diese gewann jedoch mit dem Beitritt des Mainzer Erzbischofs und Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn im Jahr 1655 eine überkonfessionelle Dimension 221. Frankreich stand diesen Allianzen lange Zeit eher skeptisch gegenüber 222. Hin­ sicht­lich einer mög­lichen profranzösischen Kaiserwahl ging man sogar davon aus, dass sich ein solcher Fürstenbund in diesem Fall eher zu einem Problem entwickeln würde, da auf diese Weise eine starke Opposition gegen einen frankreichfreund­lichen Kaiser entstehen könnte. Mazarin sah einen Beitritt Frankreichs ledig­lich als wenig befriedigende Kompensation für ein mög­licherweise misslingendes Kaiserwahlprojekt. Dementsprechend spielten die Allianzpläne vor und während der Kaiserwahl zunächst eine untergeordnete Rolle 223. Erst mit dem Scheitern des französischen Wahlprojekts trat der Abschluss der Allianz in den Vordergrund. Eine Bedingung war jedoch für Mazarin, dass der Zusammenschluss überkonfessionell bleiben müsse, 217 Pribram, Wahl Leopolds I. Überwiegend anhand von kurbayerischem Quellenmaterial: Heide, Wahl Leopolds I. Vgl. zu den Umständen der Wahl auch Gotthard, Säulen des Reiches, 761 ff. 218 Vgl. zur Wahlkapitulation von 1658 Hollenbeck, „Die Schwächeren“. 219 Erweiterung des ‚Ersten Rheinbunds‘ um Frankreich“ 15.8.1658, in: Duchhardt, Heinz/ Peters, Martin (Hrsg.), http://www.ieg-friedensvertraege.de [26.11.2011]. 220 Joachim, Rheinbund. Zur Bedeutung der Reichskreise für die Entstehung der Allianz vgl. von Aretin, Die Kreisassoziationen. 221 Joachim, Rheinbund, 103. 222 Schnur, Rheinbund, 47 f. 223 Schnur, Rheinbund, 53; vgl. Malettke, Rélations, 250.

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Schweden und Brandenburg darin vertreten seien und die angeb­lichen Friedens­ brüche des Kaisers mit seiner Hilfe gestoppt würden. Um ihre Interessen an Frieden und Sicherheit notfalls militärisch durchsetzen zu können, sollte die Allianz sogar eine kleine Truppe von einigen Hundert Mann aufstellen 224. Unmittelbar vor dem Abschluss waren die Versuche Johann Philipps, einen Frieden zwischen Frankreich und Spanien zu vermitteln, allerdings ebenso gescheitert wie ein Friedensschluss im Nordischen Krieg 225. So waren schließ­lich nur die Schweden, nicht aber das mit ihnen im Krieg liegende Brandenburg in dem Bündnis vertreten 226. Der Nordische Krieg stellte einen Problemfall für die Allianz dar 227. Nicht nur störte sich Frankreich an der Nichtbeteiligung Brandenburgs, auch weigerten sich die Allianzmitglieder, die schwedische Krone trotz der Tatsache, dass sie in diesem Krieg auch gegen die Kaiser­lichen kämpfte, zu unterstützen 228. Für die Allianzmitglieder gab es zunächst nur wenig Grund, für den schwedischen Verbündeten einzustehen, trat dieser doch ziem­lich eindeutig als Aggressor auf. Als der schwedische Gesandte Schnolski die Allianz um Hilfe bat, fand er zwar die Unterstützung Frankreichs, nicht aber jene der an einer Friedenserhaltung interessierten Fürsten und Kurfürsten 229. Hieran wurden erste Interessendifferenzen deut­lich. Die schwedischen und französischen Kronen gedachten den Bund als machtpolitisches Mittel in europäischen Konflikten mit habsburgischer Beteiligung zu mobilisieren, während die Reichsstände eine unbedingte Aufrechterhaltung des Friedens wünschten. Dieses Problem und das damit einhergehende Konfliktpotenzial konnten im Mai 1660 mit dem Frieden von Oliva aufgelöst werden, der für Schweden vergleichsweise günstig ausfiel und an dessen Vermittlung die Franzosen mitwirkten 230. Zusammen mit dem ein Jahr zuvor abgeschlossenen Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien schien sich die europäische Großwetterlage beruhigt und damit auch das Bedrohungsempfinden der an der Allianz beteiligten Stände abgeschwächt zu haben. Dies hatte auf den ersten Blick zunächst paradoxe Folgen: Denn die Friedenssicherung in Europa, an der Frankreich entscheidenden Anteil gehabt hatte, führte 224 Allerdings gibt es bislang keine Forschungen zu den Details dieser militärischen Organisationsform innerhalb der Bundesstruktur. 225 Zum Scheitern der französisch-spanischen Verhandlungen in Frankfurt vgl. immer noch die detaillierte Studie von Valfrey, La diplomatie française. Dass Tischer, Von Westfalen in die Pyrenäen, diese Verhandlungen überhaupt nicht erwähnt, ist eher unverständ­lich! 226 Vgl. zum Beitritt Schwedens zur Allianz Büttner, Schwedens Weg zum Rheinbund 1658. 227 Zum Nordischen Krieg vgl. Kunisch, Der Nordische Krieg; Frost, After the Deluge. 228 Vgl. hierzu Opitz, Österreich und Brandenburg. 229 Vgl. Schnur, Rheinbund, 47. 230 Vgl. zur Vermittlung Frankreichs Bérenger, Réglement de la guerre du nord.

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zunächst keineswegs zu einer größeren Stabilität der Rheinischen Allianz und einer weiteren Intensivierung der Kooperation mit Frankreich. Vielmehr schien nun die Frankreichbindung an Bedeutung zu verlieren. Als Mitte 1660 die Frage nach einer Verlängerung der Allianz, die zum August 1661 auslaufen sollte, virulent wurde, stellten sich erste Schwierigkeiten auch und gerade mit den beteiligten geist­lichen Kurfürsten ein: Max Heinrich von Köln meinte etwa, es müsse nach den europäischen Friedensschlüssen Modifikationen des Allianz­vertrages geben, und weigerte sich zunächst, der Verlängerung zuzustimmen 231. Ebenso wurden jetzt in verschiedener Form neue Sicherheitsprojekte als Alternativen der Rheinallianz diskutiert. Ein weiteres Problem, das im Vorfeld des Reichstages auftauchte, war die erwogene Generalgarantie oder Generalallianz, die einen allianzartigen Zusammenschluss aller Reichsstände mit dem Kaiser zur Garantie des Friedens unter Ausschluss der ausländischen Mächte vorsah. Vor allem Johann Philipp dachte daran, sich mit diesem Mittel dem Zugriff Frankreichs zu entziehen, da ihm die Rheinallianz eine solche Politik nicht mehr zu garantieren schien 232. Auch in Wien machte man sich Hoffnungen, den französischen Einfluss im Reich durch ein solches Sicherheitsprojekt auf Reichsebene eindämmen zu können 233. Obwohl sie immer wieder diskutiert wurden, hatten solche Projekte jedoch keine praktischen Folgen. Ebenso gelang es den Vertretern der französischen Krone, mit allen Bundesgliedern im August 1660 eine Verlängerung abzuschließen. Unter diesem Druck zog auch das zunächst widerwillige Kurköln schließ­lich im Februar 1661 nach. Im selben Jahr wurde der Bund sogar noch durch den Beitritt Vorpommerns, Württembergs, Münsters und Triers erweitert 234. Eine größere Bedrohung für ihre Reichspolitik und für die Stabilität der Rhein­ allianz sahen die Franzosen allerdings in der zur selben Zeit virulent werdenden 231 Schnur, Rheinbund, 48. 232 Schnur, Rheinbund, 57. 233 Gravel wies die Stände darauf hin, sie könnten nicht einfach gänz­lich eigenständig eine Generalgarantie und Generalallianz mit dem Kaiser abschließen, wobei er hier, wie bereits Roman Schnur verdeut­licht hat, die Grenzen zwischen „Völkerrecht“ und „Verfassungsrecht“ verwischte. Die französischen Diplomaten mussten sich in diesen Fragen tatsäch­lich mit reichspolitischen Verfahrensregeln sowie dem konstitutiven Doppelcharakter des Westfälischen Friedens als europäischer Friedensordnung und als „Staatsvertrag“ auseinandersetzen. Sie sahen sich zudem mit dem eben keineswegs erodierten Einfluss der kaiser­lichen Seite in den Reichsinstitutionen konfrontiert, die das institutionelle Gewicht der Allianz zu kompromittieren und die französische Bündnispolitik im Reich zu unterminieren drohten. Vgl. hierzu Klueting, Das Reich und Österreich, 59. 234 Schnur, Rheinbund, 49.

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Frage nach der Zukunft der seit 1655 tagenden Reichsdeputation 235. Der Kaiser plante näm­lich, die Deputation von ihrem angestammten Tagungsort in Frankfurt nach Regensburg verlegen zu lassen. Dies war nicht zuletzt als Gegenmaßnahme gegen den Rheinbund und das reichspolitische Gewicht Johann Philipp von ­Schönborns gedacht 236. Die zur Allianz gehörigen Fürsten sollten nicht gleichzeitig die Reichsdeputation und die Politik des zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt ansässigen Rates der Rheinischen Allianz koordinieren können. Auf die Neuausschreibung der Deputation reagierten jedoch nur die nicht mit Frankreich verbündeten Kurfürsten von Sachsen, Trier und Bayern. Die wichtigsten Mitglieder des Rheinbundes blieben zunächst in Frankfurt, sodass die Regensburger Deputation nicht beschlussfähig war 237. Die französische Krone stand der Translation konsequent ablehnend gegenüber. Die Frankfurter Rumpfdeputation hatte mit dem ebenfalls dort ansässigen Allianzrat eine essenzielle Bedeutung. Man vernachlässigte das Legitimitätsdefizit einer solchen ledig­lich halben Reichsversammlung und unternahm zwischen 1660 und 1662 alles, um die Deputierten in Frankfurt zu halten 238. Dennoch gab es auch unter den Rheinallianzgliedern Bestrebungen, die Frankfurter Deputation zu beenden 239. Dies betraf zunächst vor allem Kurköln, das sich hier, wie schon in der Frage der Verlängerung der Allianz, aus französischer Sicht querstellte. Hierbei dürfte dem Einfluss Franz Egons von Fürstenberg, wie weiter unten zu zeigen sein wird, eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zugekommen sein. Darüber hinaus suchte sich Kurköln aber auch mit den bayerischen Wittelsbachern zu verständigen, welche die grundsätz­lich die habsburgischen Translationspläne unterstützt hatten 240. Zudem war Max Heinrich darüber besorgt, dass ein anhaltender Streit zu einer langfristigen Lähmung der Institutionen des Reiches, vergleichbar mit der Situation vor dem Dreißigjährigen Krieg, führen könnte 241. Johann Philipp von Schönborn war zunächst ein entschiedener Gegner der Translation, wobei allerdings weniger „Bündnistreue“ als das Misstrauen gegenüber dem Kaiser und die durchaus berechtigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der kaiser­lichen Neuausschreibung der Deputation eine Rolle spielten 242. Mit den

235 Schnur, Rheinbund, 47. 236 Klueting, Reich und Österreich, 59. 237 Zu dieser Phase des sogenannten „Translationsstreits“ vgl. Schnettger, Reichsdeputationstag, 269 – 353. 238 Schnettger, Reichsdeputationstag, 345 f. 239 Schnur, Rheinbund, 48 f. 240 Zur Haltung Bayerns vgl. Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 111 ff.; Schnettger, Reichsdeputationstag, 281 und 294. 241 Schnettger, Reichsdeputationstag, 294. 242 Schnettger, Reichsdeputationstag, 302 ff.

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Franzosen war sich der Mainzer Kurfürst und Reichserzkanzler jedoch darin einig, dass eine Translation im Ganzen nicht hilfreich wäre. Bei den überaus komplexen, sich über mehrere Jahre hinziehenden Verhandlungen über eine Verlegung der gesamten Veranstaltung an einen dritten Ort – vorzugsweise Augsburg – wurde jedoch bald auch eine weitere Option diskutiert: Die Deputation sollte durch einen allgemeinen Reichstag ersetzt werden 243. Bei Kurmainz stieß dieser Vorschlag auf wesent­lich größere Gegenliebe als eine wie auch immer geartete Translation. Ein solches Vorgehen bot aus Sicht der Reichsstände die Mög­lichkeit, die negotia remissa – die auf dem Regensburger Reichstag von 1653/54 ungelöst gebliebenen Fragen – erneut zu verhandeln. Damit wurde jedoch auch die Mög­lichkeit einer autonomen reichsständischen Politik, die durch die Rheinallianz gestützt wurde 244, zugunsten einer erneuten kooperativen Politik mit dem Kaiser suspendiert. Aus genau diesem Grund aber lehnte Frankreich auch die Einberufung des Reichstages ab. Die Zusammenkunft von Kaiser und Reich verschärfte aus franzö­ sischer Sicht das Problem des mög­lichen Einflussverlustes im Reich. Zwar griffen die im Rahmen der Allianz gestifteten Solidaritäten zunächst auch nach der schlussend­lichen Einberufung des Reichstages 1662/63 nach Regensburg. Die Franzosen blieben allerdings bei der Ansicht, dass ihnen der Reichstag eher Nachteile eintrug, da auf solchen Veranstaltungen die kaiser­liche Seite in jeder Hinsicht im Vorteil sei 245. Damit hatten sie nicht völlig unrecht: Der Kaiser verstärkte unter dieser Konstellation den Einfluss auf die traditionell ohnehin kaisertreue Fürstenkurie 246. Auch auf lange Sicht sorgte die sich bald einstellende Permanenz des Reichstages, den man später den „Immerwährenden“ nennen sollte, mit dafür, dass der Kaiser seine Präsenz und seinen Einfluss im Reich zementieren konnte 247. Die Initiative für den Reichstag machte zudem deut­lich, dass die Stände die Rheinische Allianz nicht als Alternative zu den bestehenden, auf die duale Struktur von Kaiser und Ständen ausgerichteten Institutionen des Reiches betrachteten, sondern in ihr 243 Schnettger, Reichsdeputationstag, 316 f. 244 Zu dieser Chance der Politik der Reichsdeputation vgl. von Aretin, Das Alte Reich, 211. 245 Dies bestätigt ex negativo der französische Reichstagsgesandte Robert de Gravel, der 1667 dafür plädierte, auf die Auflösung des Reichstages hinzuarbeiten: la continuation de cette assemblée peut plus nuire que servir aux affaires de V. M té, […] la raison montre aussi que dans une pareille assemblée l’on y aura plutost esgard aux intérests des membres qui la composent qu’à ceux des estrangers, que l’Empereur qui en a été chef y aura toujours un très grand crédit et de fort puissantes brigues, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.3.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 208v). 246 Vgl. Press, Kriege und Krisen, 382. 247 So vor allem Schindling, Anfänge, 230.

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wohl eher eine starke Rückendeckung für die Durchsetzung ihrer Ziele auf dem Reichstag erblickten 248. Schon bald jedoch war eine der wichtigsten Motivationen der Kaiser­lichen für einen Reichstag weniger die Zurückdrängung des französischen Einflusses im Reich, sondern vielmehr die Mobilisierung von Geldern und Truppenhilfen für den sich verschärfenden militärischen Konflikt mit dem Osmanischen Reich 249. Bereits 1661 hatte der Kaiser bei den Reichsständen um eine „Türkenhilfe“ nachgesucht. Derartige Ansuchen konnten weder die Reichsstände noch die Vertreter des „Allerchrist­lichen Königs“ offen ablehnen. Umstritten war allerdings, wie diese Hilfe zustande kommen sollte 250. Auf französischer Seite witterte man hinter der kaiser­lichen Türkenhilfe auch einen Versuch, den militärischen Arm der Rhein­ allianz unter kaiser­liche Kontrolle zu bringen, was einen heftigen Disput über die Einordnung der reichsständischen Truppen in die Kommandostruktur der gegen die Osmanen ins Feld geführten Armee verursachte. Insbesondere aus franzö­ sischer Sicht wurde die Unterstellung der Truppe unter die kaiser­liche Generalität als rechtswidrig dargestellt, wobei Gravel hier formalrecht­liche Argumentationen über militärische Erfordernisse gegenüber dem gemeinsamen „Erbfeind“ stellte. Die Kaiser­lichen dagegen bestritten grundsätz­lich die Rechtmäßigkeit einer Rheinbundarmee 251. Es bedurfte erst höchst komplizierter und langwieriger Regelungen, um eine militärische Hilfe der Reichsstände in der Auseinandersetzung mit den Osmanen zu ermög­lichen 252. Solche Schwierigkeiten und die damit einhergehenden Probleme für die Stabilität der Rheinallianz und für die französische Reichspolitik ergaben sich hier aus Rollenkonflikten der Reichsfürsten. Diese waren neben ihrer Einbindung in die Rheinische Allianz mit den Garantiemächten des Westfälischen Friedens auch Angehörige eines hierarchischen Reichsverbandes, in dessen Struktur sie ebenfalls Chancen für ihre sicherheitspolitischen Interessen sahen. Sie sorgten sich um das Funktionieren der Institutionen des Reiches und hatten schließ­lich dem Kaiser bei der Verteidigung des christ­lichen Abendlandes unter die Arme zu greifen. Für die Frankreichbindung der Reichsstände noch stärker destabilisierend wirkten sich allerdings jene Konflikte aus, welche die französische Krone durch die 248 Vgl. etwa Schindling, Anfänge, 35 ff.; von Aretin, Das Alte Reich, 215. 249 Zu den Türkenkriegen in den 1660er-Jahren vgl. Matschke, Das Kreuz und der Halbmond, 353 ff. 250 1661 konnte der päpst­liche Nuntius in Wien in dieser Frage vermitteln. Er schlug dem König vor, in eine Allianz gegen die Türken einzutreten und eine Armee zusammenzustellen, wobei ein Drittel dieser Armee der Kaiser, ein anderes Frankreich und der Papst, das dritte schließ­lich die Reichsfürsten stellen sollten, vgl. Schnur, Rheinbund, 53. 251 Schnur, Rheinbund, 52. 252 Vgl. Schindling, Anfänge, 79.

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beginnende Expansionspolitik im Osten des Königreiches bereits in den frühen 1660er-Jahren selbst schuf. Es gab vor allem drei Konfliktfelder, die eine stärkere Distanzierung der Reichsstände von der Krone bewirkten. Der erste dieser Konfliktbereiche war die Frage nach dem Besitz des Herzogtums Lothringen: Der junge Ludwig XIV. glaubte hierfür eine gangbare Lösung gefunden zu haben, die ganz in seinem Sinne war. Er schloss am 9.2.1662 mit Herzog Franz von Lothringen den sogenannten Montmartre-Vertrag ab. Darin verpf­lichtete sich Franz, einige strategisch wichtige Gebiete an den König abzutreten. Bei seinem Tode sollte er dann den König als seinen Erben einsetzen 253. Dieser gedachte, anschließend das Herzogtum an ein französisches Adelsgeschlecht zu übertragen und in das Königreich zu integrieren 254. Die Reaktion der Reichsstände, auch der eng verbündeten Kurfürsten von Köln und Mainz, fiel äußerst ablehnend aus: Prinz Karl von Lothringen, der um seine Rechte gebrachte Erbe des Herzogtums, versuchte im Reich und am Kaiserhof Unterstützung für eine Revision des Abkommens zu organisieren. Währenddessen bemühten sich Gravel und der neue Außenstaatssekretär Lionne darum, den Rheinbundfürsten zu verdeut­lichen, dass sie keinerlei Grund hätten, sich zu beunruhigen und sich in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einzumischen. Lothringen sei nachweis­lich kein Reichslehen, Prinz Karl solle kein Glauben geschenkt werden. Allerdings nahmen sowohl Johann Philipp von Schönborn als auch Max Heinrich im Sinne des lothringischen Prinzen Stellung 255. Endgültig konnte Frankreich die lothringische Frage erst nach dem Ende der Rheinallianz 1670 mit einer gewaltsamen Annexion des Herzogtums lösen 256. Eine zweite wichtige Angelegenheit, die eine gewisse Sprengkraft für die Beziehungen zwischen Frankreich, dem Reich und dem Kaiser bot, war der Umgang mit dem unter französische Oberherrschaft gekommenen Elsass 257. Besonders umstritten waren die Herrschaftsrechte des französischen Königs über die Reichsstädte der sogenannten Dekapolis. Ein offener Streitpunkt war dabei vor allem die Frage, in welchem Maße der König Souveränitätsrechte ausüben durfte. Die französische Krone interpretierte den Terminus superioritas supremumque dominium in ihrem Sinne als französisches Souveränitätsrecht 258. Kardinal Mazarin hatte noch gezögert, diese Rechte gegenüber den elsässischen Städten geltend zu machen. Der junge 253 Schnur, Rheinbund, 55. 254 Spangler, A Lesson in diplomacy; Parisot, Histoire de Lorraine, Bd. 2, 83 f. 255 Badalo-Dulong, Trente ans, 57 ff. 256 Pesendorfer, Lothringen und seine Herzöge, 71 f. 257 Vgl. hierzu klassisch Livet, L’intendance d’Alsace; Vogler, Politik Ludwigs XIV. im Elsaß und in der Pfalz. 258 Ohler, Zwischen Frankreich und dem Reich. Zur Geschichte der sogenannten Dekapolis als reichsständischem Städtebund vgl. Vogler, Die Elsässische Dekapolis; Bil­lich, La décapole alsacienne.

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Ludwig XIV. dagegen nutzte nach dem Antritt seiner Alleinherrschaft die erstbeste Gelegenheit, die Städte so weit wie mög­lich seiner souveränen Oberherrschaft zu unterwerfen 259. 1661 wollte er das Elsass im Rahmen einer triumphalen Reise inspizieren und dabei seine Souveränitätsansprüche auch symbolisch geltend machen 260. Dafür wurde eine Treueeidsformel vorbereitet, nach der die Städte dem König als protecteur souverain huldigen sollten. Vor allem Johann Philipp von Schönborn protestierte vehement dagegen 261. Es war nicht zuletzt Robert de Gravel – welcher die Stimmung unter den Reichsständen sowie ihren Gesandten und ihren Vertretern bestens kannte –, der sich schließ­lich erfolgreich für ein zurückhaltenderes Vorgehen der französischen Krone und einen Verzicht auf den Treueeid einsetzte 262. Dies blieb auch die offizielle Linie der französischen Politik bis zum Niederländischen Krieg, in dessen Verlauf die Dekapolis-Frage schließ­lich 1673 gewaltsam mit deren Unterwerfung und der Schleifung der Stadtbefestigungen im französischen Sinne gelöst wurde 263. Die Zurückhaltung, die der Gesandte Robert de Gravel der Krone empfahl, hatte auch damit zu tun, dass man Rückwirkungen auf einen dritten Konfliktbereich französischer Expansions- und reichsständischer Friedenspolitik befürchten musste, näm­lich auf die Frage nach dem Status des Burgundischen Reichskreises, in dem auch die französische Krone ihre Territorialinteressen verfolgte, insbesondere gegenüber den der spanischen Krone unterstehenden Territorien in den Niederlanden und der Freigrafschaft Burgund 264. Daher zählte es auch in den 1660er-Jahren zu den wichtigsten Zielen franzö­sischer Reichspolitik, die katholische Monarchie von einer mög­lichen Unterstützung aus dem Reich abzuschneiden 265. Vor allem seit der Mitte der 1660er-Jahre war immer wieder die Rede davon gewesen, die Garantie des Westfälischen Friedens auch auf den Burgundischen Reichskreis auszudehnen 266. Dies versuchte Robert de Gravel 259 Schnur, Rheinbund, 84. 260 Die Reise wurde jedoch verschoben, weil der Kaiser den Regensburger Reichstag einberief und zusätz­lich die Rheinbundfürsten wegen der Türkengefahr unter Druck zu setzen begann. Vgl. hierzu Auerbach, La France et le Saint Empire, 77. 261 Ohler, Zwischen Frankreich und dem Reich, 169 ff. 262 Malettke, Rélations, 270. 263 Malettke, Rélations, 272. Zum vorläufigen Verzicht auf den Eid im Kontext der Auseinandersetzungen um den burgundischen Reichskreis vgl. Ohler, Zwischen Frankreich und dem Reich, 227 f. 264 Schnur, Rheinbund, 88; Malettke, Rélations, 279 f. Zum Burgundischen Reichskreis vgl. Dotzauer, Die deutschen Reichskreise, 390 ff. 265 Als zentrales Motiv benennt dies Malettke, Rôle de l’Allemagne, 178. 266 Vgl. hierzu Dotzauer, Reichskreise, 429 ff. Ähn­liche Initiativen lancierten eigenständige burgundische Gesandte auch auf dem Regensburger Reichstag. Vgl. Schillinger,

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als Gesandter der Krone auf dem Reichstag um jeden Preis zu verhindern 267. Zwar reagierten die Regensburger Deputierten äußerst skeptisch auf die Vehemenz, mit der Gravel solchen Initiativen entgegentrat. Dennoch hatte er Erfolg: Verbind­liche Garantieerklärungen für den Burgundischen Reichskreis kamen nicht zustande 268. Im April 1667 begann Ludwig XIV. schließ­lich, seine auf einer abenteuer­lichen Rechtsgrundlage beruhenden Ansprüche auf Teile des vermeint­lichen Erbes der Königin Maria Theresa im sogenannten Devolutionskrieg mit Gewalt durchzusetzen 269. Damit wurde die Frage, wie Kaiser und Reich mit den von französischen Truppen überrannten Territorien des Burgundischen Kreises verfahren sollten, wieder brennend aktuell 270. Die Kaiser­lichen sowie die Gesandten der Spanischen Niederlande und der Franche-Comté behaupteten, der Reichskreis müsse gemeinsam von Kaiser und Reich verteidigt werden, da die Zugehörigkeit der burgundischen Provinzen zum Reich unstreitig sei und der Westfälische Frieden eindeutig ein Eingreifen vorsehe. Gravel und seine Anhänger hielten dagegen, es handele sich um einen Krieg Spaniens mit Frankreich. Der Frieden regele klar, dass die Reichsstände in einen solchen militärischen Konflikt nicht einzugreifen hätten 271. Die Franzosen konnten sich dabei nicht zuletzt die Langsamkeit des Verfahrensganges auf dem Reichstag zunutze machen. Aber auch die Kaiser­lichen, deren einflussreichster Minister Lobkowitz ohnehin die militärische Konfrontation mit Frankreich um jeden Preis vermeiden wollte, beharrten zwar auf ihren Positionen, betrieben jedoch eine im Ganzen zerfahrene und unentschlossene Politik, die ungeeignet war, das Beratungsverfahren zielführend zu einem Ende zu bringen 272. Zwar hatten sich Kaiser und Reichsstände nicht zu einem Vorgehen gegen die französische Aggression im Devolutionskrieg durchringen können. Die Debatten auf dem Reichstag ließen die französische Krone jedoch allmäh­lich am strate­ gischen Wert der Rheinallianz zweifeln. Die französische Krone betrieb während La Franche-Comté et les enjeux diplomatiques. Die Franche-Comté wurde aufgrund der exponierten Lage des Territoriums schon seit dem frühen 16. Jahrhundert durch eine eidgenössische Neutralitätsgarantie im Kriegsfall geschützt, um deren Erneuerung die Vertreter der burgundischen Stände bei der Tagsatzung nachsuchten. Vgl. Windler, Außenbeziehungen vor Ort, 604 ff. 267 Malettke, Rélations, 265. 268 Malettke, Rélations, 269. 269 Vgl. in Ermangelung monografischer Studien zum Devolutionskrieg Lynn, Wars of Louis XIV., 105 ff. 270 Malettke, Rélations, 280 f. Vgl. hierzu umfassend die klassische Studie Meinecke, Der Regensburger Reichstag und der Devolutionskrieg. 271 Malettke, Rélations, 282 f. 272 Malettke, Rélations, 284 f. Zu Lobkowitz und seiner Rolle im Devolutionskrieg vgl. Wolf, Lobkowitz, 166 f.; Schwarz, The Imperial Privy Council, 289 f.

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des Devolutionskrieges eine ambivalente Politik: Einerseits sollte Gravel die Mög­ lichkeiten, Sonderallianzen mit den einzelnen Fürsten, unter anderem mit Johann Philipp von Schönborn und Max Heinrich von Köln, abzuschließen, sondieren; vor allem Johann Philipp zeigte sich jedoch nicht übermäßig kooperativ. Dennoch schloss er im Herbst 1667 einen für ihn besonders günstigen Subsidienvertrag mit Frankreich ab 273. Andererseits sollte der französische Gesandte dennoch auf eine Verlängerung des Rheinbundes hinwirken. Besonders aufgrund der Widerwilligkeit Schwedens und in der Folge der meisten protestantischen Stände, die überdies untereinander zerstritten waren, ging dies nur sehr schleppend voran 274. Die politischen Mög­lichkeiten des Bundes wurden allerdings von französischer Seite ohnehin nur noch als begrenzt angesehen. Die Verantwort­lichen am französischen Hof gaben sich keine besondere Mühe mehr, den Reichsständen entgegenzukommen. Sie trugen sogar aktiv dazu bei, Gravels Verhandlungen zu untergraben, indem sie unannehmbare Bedingungen formulierten, etwa dass die Verbündeten notfalls das Elsass gegen den Kaiser verteidigen sollten 275. Dass die Verhandlungen um eine förm­liche Verlängerung ins Stocken gerieten, war folg­lich keine Überraschung. Der Mainzer Kurfürst wollte zwar im Oktober 1667 seinem Deputierten angeb­lich Order geben, die Allianz zu verlängern. Dies nahm ihm aber der inzwischen misstrauisch gewordene Gravel nicht mehr ab. Er legte die Verlängerungsverhandlungen auf Eis, was ihrer faktischen Aufgabe gleichkam 276. Die Rheinallianz als bis dato stärkste Verdichtung der Zusammenarbeit zwischen der französischen Krone und den Reichsständen war damit am Ende. Nachdem spätestens die französische Aggression gegen die Spanischen Niederlande 1667 die Furcht vor Frankreich gegenüber dem gemeinsamen Interesse an einer Eindämmung der kaiser­lich-spanischen Hegemonialpolitik hatte in den Vordergrund treten lassen, waren dem Bündnis die gemeinsamen Interessengrundlagen abhandengekommen. Die Partikularallianzen der französischen Krone mit einzelnen seiner Glieder verbargen dies nur sehr notdürftig.

273 Badalo-Dulong, Trente Ans, 109. 274 Schnur, Rheinbund, 93. 275 Schnur, Rheinbund, 94. 276 Schnur, Rheinbund, 96.

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2.1.2 Von der Vorbereitung des Niederländischen Krieges bis zum Frieden von Nimwegen Nach dem Ende des Devolutionskrieges 1668 gerieten die Habsburger zunächst aus dem Hauptfokus der französischen Politik. Die habsburgisch-französische Rivalität, welche die Bündnispolitik und die Klientelbildung im Reich motiviert hatte, schwächte sich nach dem Frieden von Aachen zumindest auf der großen europäischen Bühne ab. Stattdessen rückte für Ludwig XIV. nun ein neuer Gegner ins Visier: die Niederländische Republik. Hinter der Gegnerschaft zu den Niederlanden standen ohne Zweifel auch aus ökonomischen Konflikten gespeiste innerfranzösische Interessen 277. Paul Sonnino hat in seiner minutiösen Studie zur Vorgeschichte des Niederländischen Krieges jedoch gezeigt, dass der „Sonnenkönig“ die auf niederländische Initiative hin entstandene Tripelallianz und deren Rolle bei der für Spanien glimpf­lichen Beendigung des Devolutionskrieges als Angriff auf seine Reputation und sein Herrschaftsverständnis betrachtete. Durch eine militärische Strafaktion gegen die Niederlande sollten diese wiederhergestellt werden 278. Dies war für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts durchaus kein ungewöhn­licher Kriegsgrund 279. Der Hauptschwerpunkt der französischen Diplomatie sollte in den Jahren zwischen 1668 und 1672 auf dem niederländischen Problem liegen. Französischen Diplomaten gelangen in der Tat Meisterstücke der Verhandlungskunst, welche die Niederlande in Europa isolieren sollten. Zunächst gelang es, Karl II. von England aus der im Falle Englands ohnehin eher auf Sand gebauten Tripelallianz gegen Frankreich herauszulösen und sogar zum bewaffneten Eingreifen in den Konflikt zu verpf­lichten. Ebenso konnte Schweden auf eine Neutralität in einem kommenden Konflikt festgelegt werden 280. Die Habsburger traten in dieser Konfliktkonstellation zunächst in den Hintergrund. Zwar wurde schließ­lich zusammen mit dem Niederländischen Krieg auch ein höchst vermeidbarer Krieg gegen das militärisch geschwächte Spanien vorbereitet 281. Allerdings musste einer mög­lichen Solidarität zwischen den Linien des Hauses 277 Vgl. hierzu Malettke, Ludwigs XIV. Außenpolitik, 55 ff. 278 Sonnino, Dutch War; vgl. auch die ältere, gänz­lich um die Person Jean Arnauld de Pomponne kreisende Arbeit Rowen, The Ambassador prepares for War. 279 Wie sehr „Bellizismus“ und Kriegführung als solche Teil des fürst­lichen Selbstverständnisses und herrscher­licher Reputation waren sowie die Außenbeziehungen besonders im späten 17. Jahrhundert entscheidend mitprägten, zeigt vorwiegend am brandenburgisch-preußischen Beispiel Kunisch, La guerre – c’est moi! 280 Vgl. hierzu Pribram, Lisola, 220 – 236; Rowen, Pomponne, 540 f. 281 Vgl. Sonnino, Dutch War, 170, der auch die Rolle des Prince de Condé hierbei hervorhebt.

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Habsburg diesmal kein reichsständischer Riegel vorgeschoben werden. Dies hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass 1668 für die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder virulente Frage nach der spanischen Thronfolge zwischen den Österreichern und den Franzosen eine zwischenzeit­liche Lösung, näm­lich eine Einigung über die Teilung des spanischen Erbes, gefunden werden konnte 282. 1671 erzielte Grémonville, der französische Gesandte in Wien, zudem eine Übereinkunft mit den Ministern Leopolds I. Der Kaiser würde – unter dem Vorbehalt, dass das Reich unversehrt bliebe – nicht in einen Krieg gegen die Niederlande eingreifen 283. Damit war das Reich aber keineswegs zu einer vernachlässigbaren Größe geworden. Die Reichsstände, insbesondere jene im Nordwesten, spielten bei der Vorbereitung eines Krieges gegen die niederländische Republik weiterhin eine gewichtige strategische Rolle. Das Minimalziel der französischen Diplomatie bestand darin, die Niederländer politisch zu isolieren und vom Nachschub an Truppen und Material abzuschneiden 284. Bei den Vorbereitungen eines französischen Überfalls auf die Niederlande allerdings nahmen die beiden hier behandelten Kurfürsten von Köln und Mainz zunächst entgegengesetzte Positionen ein. Kurköln gehörte zu den wichtigsten Unterstützern Frankreichs und wurde sehr bald in vertrag­liche Verpf­lichtungen eingebunden, die dem Kölner Kurfürsten sogar einen Teil der „Kriegsbeute“ zusicherten 285. Einer der hauptsäch­lichen Verantwort­lichen hierfür war Wilhelm von Fürstenberg, der nicht nur seinen Kölner Dienstherren, sondern auch noch eine ganze Reihe anderer Fürsten zu entsprechenden Verträgen mit der Krone bewegen sollte 286. Wie die im Reich zu schließenden Allianzen konkret aussehen sollten, war nicht völlig klar. Fürstenberg selbst bevorzugte ein System von Offensivallianzen. Diese sollten die verbündeten Fürsten direkt als militärisch Beteiligte in den Niederländischen Krieg einbeziehen. Dies barg enorme Vorteile für die beteiligten Fürsten, vorausgesetzt, der Feldzug würde ähn­lich blitzartig verlaufen wie jener gegen die Spanischen Niederlande und die Freigrafschaft Burgund 1667/68. Es war mit hohen Subsidienleistungen zu rechnen, mit deren Hilfe man sich eindrucksvoll bewaffnen konnte. Wilhelm stellte zunächst dem Kurfürsten Max Heinrich für seine Offensiv­ allianz mit Beteiligung Frankreichs und Brandenburgs Subsidien für eine Armee von 8000 Mann in Aussicht. Ebenso offerierte er Rheinberg und Maastricht als Territorialgewinne 287. Unter diesen günstigen Bedingungen sah der Kölner Kurfürst 282 Vgl. zu diesem Abkommen etwa Bérenger, An Attempted Rapprochement; Romain, Hommes de la Paix; sowie Auer, Konfliktverhütung und Sicherheit, 176 f. 283 Vgl. hierzu Spielman, Leopold I., 58. 284 Sonnino, Dutch War. 285 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 167. 286 Einen Überblick über seine Verhandlungen findet sich bei Böhmer, Forschungen. 287 O’Connor, Negotiator, 40.

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keine Schwierigkeit darin, einer Offensivallianz prinzipiell zuzustimmen. Dass ihn die Brüder Fürstenberg, die ihren Herren ohnehin bereits sehr tief in französisches Fahrwasser manövriert hatten, tatsäch­lich zu einer solchen Allianz bewegen konnten, war allerdings alles andere als überraschend. Ein weiterer Bestandteil einer solchen Allianz, mit dem man fest rechnen konnte, war der seit langem mit den Niederländern verfeindete Münsteraner Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen 288. Diese beiden leicht in eine antiniederländische Koalition zu integrierenden Fürsten waren aus geostrategischer Perspektive zwar wichtige Akteure. Es bedurfte allerdings einer größeren Koalition, um den nordwestdeutschen Raum für einen Krieg gegen die niederländische Republik abzusichern. Das zentrale Ziel der Verhandlungstätigkeit Wilhelms von Fürstenberg bestand deshalb darin, den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu einer gegen die Niederlande gerichteten Allianz zu überreden. Die Mög­lichkeiten, Brandenburg zum Eintritt in eine solche Koalition zu bewegen, schienen auf der Hand zu liegen: Seit einiger Zeit befanden sich vor allem brandenburgische Gebiete in der Mark Kleve unter niederländischer Besatzung, welche die Herrschaftsgewalt des Kurfürsten gegenüber den dortigen Ständen erheb­lich einschränkte 289. Friedrich Wilhelm stand allerdings gleichzeitig in engen Beziehungen mit den Niederländern, unter anderem über ein Subsidienbündnis, und dachte daher nicht ernsthaft daran, gegen die Republik in den Krieg zu ziehen 290. Der „Große Kurfürst“ hielt Wilhelm von Fürstenberg und weitere französische Gesandte zwar einige Zeit hin, verwahrte sicher aber schlussend­lich dagegen, Teil einer gegen die Niederlande gerichteten Koalition zu werden 291. Brandenburg fiel in der Folge nicht nur als Bündnispartner für den Niederländischen Krieg aus, es sollte sich bald auch entschieden gegen Frankreich stellen.

288 Vgl. zu von Galen und seiner Beteiligung an der antiniederländischen Koalition Kohl, Christoph Bernhard von Galen. 289 Vgl. hierzu Kaiser, Temps de l’occupation. 290 Opgenoorth, Friedrich Wilhelm, II. Teil, 107 f. und 112 f. Zudem störte sich Friedrich Wilhelm daran, dass die französische Reichspolitik zunehmend auf das Haus Wittelsbach setzte und den in Berlin äußerst unbeliebten bayerischen Kurfürsten F ­ erdinand Maria in einem exklusiven Allianzvertrag an Frankreich gebunden hatte, der Kurbayern in einer geheimen Bestimmung gar die römische Königskrone unter einem französischen Kaisertum sichern sollte. Zu diesem Vertrag vgl. Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 450 f. 291 Zu den erfolglosen französischen Verhandlungen und Friedrich Wilhelms Motiven vgl. Pagès, Le Grand électeur et Louis XIV, 235 ff. Allerdings kam 1670 ein geheimes Abkommen zwischen Frankreich und Brandenburg zustande, das vage ein Eingreifen Brandenburgs im Falle eines französisch-spanischen Konfliktes regelte, vgl. MacKay, Small-Power diplomacy, 202.

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Fürstenberg suchte händeringend nach Alternativen. Einen zunächst bereitwilligen Partner fand er in Philipp Wilhelm von Neuburg. Dies brachte zwar aufgrund der Lage von dessen rheinischen Territorien strategische Vorteile mit sich und integrierte einen alten Verbündeten fester in das französische Lager, schürte aber aufgrund des Dauerkonflikts zwischen Neuburg und Brandenburg eher noch die Gegnerschaft des „Großen Kurfürsten“. Neben Neuburg sollten auch die Welfenherzöge von Braunschweig, Celle und Wolfenbüttel in das französische Bündnissystem integriert werden. Dies erwies sich jedoch ebenfalls als problematisch. Nicht nur stellten sie unannehmbar hohe Subsidienforderungen, während der von ihnen zu erwartende militärische Beitrag im Niederländischen Krieg allein schon aufgrund der Lage ihrer Territorien fragwürdig erschien 292. Darüber hinaus waren sie auch untereinander so heftig zerstritten, dass sie kaum in eine Koalition zu integrieren waren. Zugleich brachen die Welfenherzöge auch noch einen Kleinkrieg mit dem Bischof von Münster vom Zaun, der als französischer Bündnispartner fest eingeplant war 293. Fürstenberg legte im Oktober 1670 einen Zwischenstand seiner Allianzverhandlungen am französischen Hof vor und erfuhr für seine Projekte im Wesent­lichen Zustimmung. Ein Streitpunkt blieb allerdings die Frage, welche Verpf­lichtungen und Kompetenzen die so gewonnenen Fürsten in dem geplanten Bündnissystem erhalten sollten. Fürstenberg selbst bevorzugte wie erwähnt ein System von Offensivallianzen: Je mehr sich allerdings der seit 1669 geplante Krieg verschob, je sicherer die Nichtbeteiligung Brandenburgs wurde und je zerstrittener und dubioser sich die potenziellen Bündnispartner präsentierten, desto mehr zweifelten die französischen Verantwort­lichen daran, ob sie wirk­lich heterogene reichsständische Verbände von ungewisser militärischer Schlagkraft und unter politisch unzuverlässiger Führung aktiv an diesem Feldzug beteiligen wollten 294. Diese politischen und strategischen Erwägungen am französischen Hof hatten aber auch ein handfestes mikropolitisches Fundament: Die Projekte waren zwar weitgehend Initiativen Wilhelms von Fürstenberg, sie wurden aber auch dem Außenstaatssekretär Hugues de Lionne zugeschrieben. Allein schon deshalb lehnte sie der Kriegsminister Louvois ab. Neben dem Austrag von Faktionskämpfen ging es dem Kriegsminister natür­lich auch darum, die französische Armee, welche nach Beendigung des Devolutionskrieges erheb­lich reduziert worden war, wieder auf eine angemessene Größe zu bringen und mög­lichst wenig Geld und Ausrüstung in die Bewaffnung auswärtiger Fürsten zu stecken 295. 292 Vgl. hierzu ausführ­lich Köcher, Geschichte von Hannover und Braunschweig, Bd. 2, 288 ff. 293 Zu diesen Schwierigkeiten vgl. Sonnino, Dutch War, 141 ff. 294 Sonnino, Dutch War, 130 f. 295 Sonnino, Dutch War, 138 ff.; zu Louvois’ Rolle bei der Vorbereitung des Niederländischen Krieges vgl. Corvisier, Louvois, 249 ff.

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Dem Interesse Louvois’ an einer mög­lichst passiven Rolle der deutschen Fürsten kam die Tatsache entgegen, dass sich auch auf der europäischen Bühne Handlungsspielräume ergaben, welche die Tripelallianz endgültig eliminieren konnten: Der Botschafter des Königs in Schweden und spätere Außenminister Simon Arnauld de Pomponne hatte nach Verhandlungen mit dem schwedischen Kanzler Magnus de La Gardie erreicht, dass Schweden im Konflikt mit den Niederlanden im Austausch gegen einen Subsidienvertrag neutral bleiben würde 296. Für dieses diplomatische Manöver brauchte die Krone aber rasch sehr viel Geld, das man bei den Bündnissen mit den Reichsständen einsparen wollte. Bei der endgültigen Entscheidung über die Alternative „Subsidien für Offensivallianzen“ oder „Subsidien für Schweden“ erlitten Fürstenberg und Lionne eine schwere Niederlage, da dem Abschluss des Vertrages mit Schweden Priorität eingeräumt wurde 297. Pomponne sollte in Stockholm großzügige Subsidienangebote unterbreiten, während die Bündnisse mit den Reichsfürsten in Defensivallianzen mit einem erheb­lich geringeren finanziellen Volumen umgewandelt wurden. Es handelte sich nun faktisch um Neutralitätsverträge, die eine Neutralität im Verständnis des 17. Jahrhunderts regelten, also Mög­ lichkeiten der Truppenpassage sowie der Versorgung und Nachschubbelieferung der eigenen Truppen vorsahen. Fürstenberg verhandelte im Juli 1671 zuerst mit Kurköln über ein solches Abkommen 298. Nachdem es ihm zwischenzeit­lich doch noch einmal gelungen war, beim französischen König Unterstützung für seine Offensivallianzen zu mobilisieren 299, stellte sich bald heraus, dass es im Reich kaum noch Unterstützung für seine Projekte gab 300. Nach dem Tod Lionnes 1671 verlor Fürstenberg dann auch noch den wichtigsten politischen Rückhalt für seine Projekte. Ausgerechnet sein und Lionnes Erzrivale Louvois übernahm provisorisch die Amtsgeschäfte des Außenstaatssekretärs. Das Konzept der Offensivallianzen wurde erneut verworfen und auf Neutralitätsabkommen umgestellt. Wilhelm von Fürstenberg gelang es allerdings dennoch, einige wenige Offensiv­ abkommen auszuhandeln, unter anderem mit Max Heinrich von Köln. In diesem Zuge sollte Max Heinrich nun 28.000 Écus pro Monat erhalten, um damit ein ansehn­liches Korps von 8000 Mann aufstellen und ausrüsten zu können. ­Wilhelms 296 Sonnino, Dutch War, 146 f. Zu diesen Plänen, die vor allem ein holländisches durch ein französisches Subsidienabkommen ersetzen sollten, vgl. Rowen, Ambassador, 102 f. 297 Sonnino, Dutch War, 150 f. 298 Köln erhielt 10.000 Écus Subsidien im Monat, eine jähr­liche Gratifikation von 20.000 Écus und immer noch die Herrschaft Maastricht und die Restitution der Festung Rheinberg, vgl. O’Connor, Negotiator, 47. 299 O’Connor, Negotiator, 50; Sonnino, Dutch War, 175; Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 205. 300 Von Aretin, Das Alte Reich, 243.

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nordwestdeutsches Allianzsystem, das einen Teil der militärischen Operationen gegen die Niederländer durchführen sollte, war allerdings inzwischen auf eine sehr kleine „Koalition der Willigen“ zusammengeschrumpft. Mit Brandenburg war nun sogar auf der Gegenseite zu rechnen und die Welfenherzöge sowie Philipp Wilhelm von Neuburg waren „ausgestiegen“. Vergleichbare Verträge wie mit Köln wurden in der Folge nur noch mit den Fürstbischöfen von Münster, Osnabrück und Paderborn abgeschlossen 301. Während Kurköln im Fahrwasser Frankreichs auf Kriegskurs segelte und Bestandteil der ehrgeizigen Koalitionspläne Wilhelms von Fürstenberg war, konnte die kurmainzische Politik Johann Philipps von Schönborn nach dem Ende der Rheinallianz und im Vorfeld des niederländischen Krieges unterschied­licher kaum sein. Dass an eine französische Option für die Sicherheitspolitik des Reiches nicht mehr zu denken war, musste dem Mainzer Kurfürsten spätestens seit dem Devolutionskrieg klar sein. Johann Philipp suchte daher nach neuen Wegen, um den Frieden und die Sicherheit des Reiches zu garantieren: Im Oktober 1668 kam in Limburg ein Bündnis zwischen Mainz, Trier und dem akut durch die französische Expansionspolitik gefährdeten Herzog von Lothringen zustande 302. Ebenso sollten bestehende, aber weitgehend inaktive Bündnisse wie etwa der 1652 erstmals erneuerte Kurverein zu erweiterten Sicherheitssystemen ausgebaut werden. Dies bot zugleich die Chance, den Kaiser über die böhmische Kur an diesem Projekt zu beteiligen 303. Seit 1669 verfolgte Johann Philipp jedoch auch ein Projekt, das den außenpolitischen Handlungsspielraum der Kurfürsten enorm erweitert und dem Bündnisrecht der Reichsstände eine neue Qualität verliehen hätte. Der Mainzer Kurfürst arbeitete näm­lich darauf hin, die Kurfürsten an die ausschließ­lich aus eindeutig souveränen Akteuren formierte Tripelallianz heranzuführen. Im selben Zuge sollte auch der Kaiser bewogen werden, sich um eine Aufnahme in dieses Bündnis zu bemühen 304. Das Projekt scheiterte allerdings. Die französischen Vertragsabschlüsse mit Bayern und Kurköln von 1670 hielten diese Kurfürsten von der Allianz fern. Brandenburg dagegen verweigerte sich diesem Bündnisprojekt ebenso wie einer antiniederländischen Koalition 305. Unterdessen erreichte die expansionistische französische Reichspolitik im Sommer 1670 eine neue Qualität, als die französische Krone ihre territorialen Ansprüche auf das Herzogtum Lothringen mit Gewalt durchsetzte und gegen den ebenso

301 O’Connor, Negotiator, 50; Sonnino, Dutch War, 179. 302 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 151. 303 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 152. Vgl. zu den Erneuerungs- und Reformbemühungen auch Gotthardt, Säulen, 126 ff. 304 Klueting, Reich und Österreich, 64. 305 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 159 f.

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heftigen wie verzweifelten Widerstand lothringischer Truppen das Herzogtum annektierte 306. Dieses offen gewaltsame Vorgehen bedeutete gerade keinen Auftrieb für die Tripelallianzpläne, sondern einen schweren Rückschlag. Die Unterstützung der anderen Kurfürsten schwand rasch angesichts der Befürchtung, dass ihre Territorien in einem Konflikt zwischen Frankreich und den Mächten der Allianz in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Durch die Besetzung Lothringens wurde auch die Limburger Allianz ihres Wertes beraubt 307. Die Hoffnungen Johann ­Philipps, zumindest Mainz und Trier im Windschatten des Kaisers in die Tripelallianz zu führen, erhielten einen weiteren Dämpfer, als sich herausstellte, dass England gegen eine Erweiterung des Bundes auf das Reich zwar prinzipiell nichts einzuwenden hatte, gerade den Kaiser jedoch nicht in die Allianz aufnehmen wollte 308. Dieses Projekt, das die Kurfürsten in ein aus souveränen Akteuren bestehendes und zumindest implizit gegen Frankreich gerichtetes Sicherheitsbündnis führen sollte, unterstrich allerdings die abgekühlten Beziehungen zwischen Frankreich und Kurmainz. Während diese Versuche, die Allianz durch den Beitritt mehrerer Kurfürsten zu erweitern, scheiterten, verfolgte Johann Philipp parallel dazu auf Reichsebene weiterhin Pläne für reichsständische Defensivallianzen unter Einbezug des Kaisers ohne die Beteiligung ausländischer Alliierter. Diese Pläne hatten auch während des Tripelallianzprojektes nie völlig geruht. 1671 sollten bereits bestehende lose Bündnisse zu einem Sicherheitssystem erweitert werden 309. Dieses sollte prinzipiell für alle Reichsstände offen sein, also kein exklusiv kurfürst­lich-kaiser­liches Projekt bleiben 310. Der Erfolg des gesamten Projektes hielt sich aber in engen Grenzen: Zwar gab es ein breites Interesse an der kurmainzischen Initiative, gerade der Kurfürst von Brandenburg jedoch, auf den Johann Philipp im Besonderen gesetzt hatte, hielt das geplante Bündnis – insbesondere hinsicht­lich des militärischen Aspekts – für völlig unzureichend, sodass die Verhandlungen zwischen Johann Philipp und dem brandenburgischen Gesandten Marenholtz erfolglos endeten 311. Die Allianz, die Johann Philipp auf der Marienburg bei Würzburg schließ­lich mit dem kaiser­lichen Gesandten abschloss, blieb unter diesen Umständen ein Torso. Ledig­lich der Kurfürst von Trier trat einige Wochen später dem neuen Bund bei 312. Ebenso war die Bereitschaft der Kaiser­lichen überaus gering, sich tatsäch­lich aktiv an Projekten, die das Risiko eines offenen Konfliktes mit Frankreich bargen, zu 306 Pesendorfer, Lothringen, 71 f. 307 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 160. 308 Vgl. zu diesem Projekt und seinem Scheitern Pribram, Tripleallianz. 309 Vgl. zu diesem gesamten Projekt Landwehr von Pragnenau, Marienburger Allianz. 310 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 164 f. 311 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 169. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm, Teil II, 130 f., gibt allerdings Johann Philipp von Schönborn die Schuld am Scheitern dieser Initiative. 312 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 170; Landwehr von Pragenau, Marienburger Allianz, 588.

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beteiligen. Die vorläufige Einigung auf die Regelung der spanischen Erbfolge 1668 und die im selben Jahr wie die Marienburger Allianz eingegangene Verpf­lichtung, sich in einem französisch-niederländischen Konflikt neutral zu verhalten, ließ den Kaiser­lichen eine dann wohl eindeutig gegen einen potenziellen französischen Aggressor gerichtete Reichspolitik wenig attraktiv erscheinen 313. Der sehr durchwachsene Erfolg eigener Initiativen und die tatsäch­lich näherrückende Gefahr eines Überfalles auf die Niederlande ließen Johann Philipp ab Ende 1671 wieder als besorgten Landesherren, Reichserzkanzler und potenziellen Friedensstifter in Erscheinung treten. Er versuchte es nun mit einer Wiederan­ näherung an die französische Krone 314. Deren politisches Interesse an einer solchen „Versöhnung“ blieb jedoch bestenfalls vage. Die Abwendung des bewaffneten Konfliktes mit den Niederlanden unter kurfürst­licher Vermittlung war für sie ohnehin keine Option. Schon seit 1669 war der König entschlossen gewesen, diesen Krieg zu führen, und hatte seinen Kurs auch gegen skeptische, zeitweise ablehnende Minister wie Lionne und Colbert durchgesetzt. Der Angriff selbst wurde dreimal wegen fehlender diplomatischer und militärischer Voraussetzungen vertagt 315. Dass der Feldzug nun nach Abschluss aller notwendigen Vorbereitungen und mit einer gewaltigen einsatzbereiten Armee im Feld noch einmal abgeblasen werden würde, erschien sehr unwahrschein­lich. Ein mehr oder minder reumütiger Exverbündeter, der sich noch vor Monaten an implizit gegen Frankreich gerichteten sicherheitspolitischen Initiativen versucht hatte, war gewiss nicht die Kraft, die den König und seine Kriegsmaschine aufhalten würde. In dieser Situation erwies sich auch die vor allem auf den jungen Gottfried Wilhelm Leibniz zurückgehende exotische Idee, den Allerchrist­lichen König mit seinen hochgerüsteten Streitkräften Ägypten erobern zu lassen, als wenig hilfreich 316. Dies sollte einem späteren französischen Kriegsherrn vorbehalten bleiben! Zunächst gesprächsbereit war Ludwig XIV . frei­lich, was den Schutz des Reiches im engeren Sinne anlangte. Hier gaben sich der König und seine Diplomaten an die Verpf­lichtungen des Westfälischen Friedens gebunden 317. Die Vorstellungen darüber, wie der Schutz des Reiches zu bewerkstelligen sei, wer eine solche Initiative tragen und wie weit sie gehen sollte, waren jedoch höchst unterschied­lich. Johann Philipp von Schönborn und Philipp Wilhelm von Neuburg schlugen in 313 Wie sehr sich dabei der geheime Teilungsvertrag als Hypothek für die kaiser­liche Reichspolitik erwies, zeigt von Aretin, Das Alte Reich, 241 f. 314 Vgl. hierzu Decker, Frankreich und die Reichsstände, 49; Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 171 ff. 315 Sonnino, Dutch War, 70 – 93 und 132 – 154. 316 Zu Leibniz‘ Ägyptenplan und seinen politischen Hintergründen vgl. Wiedeburg, Der junge Leibniz, Bd. 2, Teilbd. 1, 1 – 101, 129 – 152 und 200 – 349. 317 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 59 f.

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verschiedener Form eine Friedensmediation des Reiches vor 318. Die französische Krone war bereit, den betroffenen Reichsständen entgegenzukommen. Dies lag vor allem daran, dass man auf dem Reichstag ein Gegengewicht zur frankreichfeind­ lichen Politik des Kaisers und Brandenburgs schaffen wollte 319. Französische Diplomaten formulierten mithilfe Wilhelms von Fürstenberg entsprechende Vertragsprojekte, die bewusst an die Tradition der Rheinischen Allianz anknüpfen sollten 320. Die Franzosen begriffen solche Projekte frei­lich eher als Instrumente der weiteren Kriegsermög­lichung und gerieten so in Widerspruch zu den Sicherheitsinteressen der Reichsstände 321. Dies sollte im weiteren Verlauf des Krieges, der keineswegs so schnell beendet werden konnte, wie man dies angesichts der französischen Übermacht und der völligen Überraschung der Niederländer hätte vermuten können, offenkundig werden. Im Laufe des Jahres 1673 verschlechterten sich das Ansehen und die politische Lage Frankreichs im Reich zusehends, als die militärischen Operationen allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz auf das Reich übergriffen. Die Armee Turennes ging mit höchst brutal gegen Kurtrier und die elsässische Dekapolis vor, was auch bei den Verbündeten für größtes Unverständnis sorgte 322. Dagegen war man, diesmal zum Ärger Max Heinrichs und der Fürstenberg, im selben Jahr nicht bereit, kurkölnische Territorien vor der Besetzung durch holländische und kaiser­liche Truppen zu schützen 323. 1673 kam schließ­lich in der Stadt Köln ein Friedenskongress zustande, der den Konflikt beenden sollte. Als Mediatoren fungierten die Schweden. Allerdings arbeiteten sie eng mit einer Reihe neutraler Reichsstände zusammen, die eine neutrale „Dritte Partei“ bildeten und sich in die Friedensmediation auf dem Kongress mit einschalteten 324. Kurmainz und Kurköln waren daran nicht mehr prominent beteiligt. Auch das Bemühen, diese „Dritte Partei“ für französische Interessen zu vereinnahmen, wie es Wilhelm von Fürstenberg versuchte, war nicht von Erfolg 318 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 70 ff. bzw. 120 ff. 319 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 86. 320 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 90 ff. 321 Vgl. die Bemerkung Deckers, dem Entwurf habe der Anspruch zugrunde gelegen, „fürst­liche Libertät und reichsständische Integrität mittels französischer Protektion zu sichern. Andererseits legte eine höchst umstrittene Interpretation einzelner Bestimmungen des Friedensinstruments und ein rigoroses Beharren auf den daraus abgeleiteten Pf­lichten den offensiven Zug einer Politik, die sich der deutschen Friedensordnung für die Durchsetzung eigener Machtziele bediente, bloß“, Decker, Frankreich und die Reichsstände, 107 f. 322 Malettke, Rélations, 340. 323 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 273 ff.; Decker, Frankreich und die Reichsstände, 231 f. 324 Vgl. zum Kölner Kongress Braubach, Fürstenberg, 283 ff.; Ekberg, Failure, 77 ff.

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gekrönt 325. Zum Schluss drohte Max Heinrich, in höchster militärischer Bedrohung seiner Besitztümer, gar das Bündnis mit Frankreich aufzukündigen. Schlussend­lich scheiterten die Friedensverhandlungen allerdings am mangelnden Friedenswillen aller Beteiligten 326. In besonderem Maße trug dazu die Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg durch die Kaiser­lichen im Februar 1674 bei, die in der Einleitung bereits thematisiert wurde und im letzten Kapitel der Studie ausführ­licher behandelt werden wird. Die meisten der immer noch an einer fried­lichen Lösung interessierten Reichsstände machten – trotz des sicht­lichen Grolls gegen die französische Krone – die Kaiser­lichen und ihr Vorgehen gegen Fürstenberg für das Scheitern des Kongresses verantwort­lich. Die Stimmung auf dem Reichstag wurde allerdings innerhalb weniger Wochen immer bellizistischer. Als Turennes Armee mit beispielloser Brutalität die Pfalz verwüstete 327, beschlossen nun auch die am Reichstag vertretenen Stände mit Ausnahme Bayerns eine gemeinsame Militäraktion von Kaiser und Reich gegen die Franzosen. Ob und, wenn ja, in welcher Form dabei ein formaler Reichskrieg erklärt wurde, ist allerdings umstritten 328. Während des Friedenskongresses von Nimwegen gelang es Ludwig XIV. durch eine insbesondere die Reichsfürsten gegenüber dem Kaiser begünstigende Politik, ein wenig von dem verspielten politischen Kapital im Reich wieder wettzumachen 329. Dabei zeichneten sich auch in Ansätzen erneute Versuche einer französischen Klien­telbildung im Reich ab 330. Langfristig kam es jedoch unter Ludwig XIV., der 1681 Straßburg besetzte und in den 1690er-Jahren Kriege von beispielloser Grausamkeit führen ließ, zu keiner Kooperation zwischen der Krone und Fürsten und Kurfürsten des Reiches mehr, die jener in den ersten Jahrzehnten nach dem Dreißig­ jährigen Krieg nahekam 331.

325 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 216 ff. 326 Vgl. hierzu jetzt die neuere Studie von Renaudin, L’ échec. 327 Schindling, Anfänge, 189 ff.; von Aretin, Altes Reich, 261 f. 328 Während Müller, Reichskriegserklärung, eine entsprechende Erklärung der Reichsstände mit einer solchen Kriegserklärung gleichsetzt, zeigt Kampmann, Reichstag und Reichskriegserklärung, dass im Rahmen des Reiches 1674 noch keine spezifischen außenpolitischen Verfahren zur Kriegserklärung zur Verfügung standen und man sich stattdessen an einer Art Achterklärung gegen den französischen König orientieren musste. Wenn man hier von einem Reichskrieg sprechen kann, so kam er nur graduell und ohne spezifische Mittel zustande. 329 Von Aretin, Altes Reich, 270. 330 Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, 17 f. 331 Vgl. zur späten Regierung Ludwigs XIV. Sinkoli, Frankreich, das Reich. Zur Epoche nach dem Siebenjährigen Krieg vgl. Buddruss, Französische Deutschlandpolitik.

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2.2 Zwischenstaat­lichkeit? Völkerrecht­liche Regelungen, Ungleichheiten und Partizipationschancen In der Einleitung ist bereits die Rede davon gewesen, dass der Westfälische Frieden keineswegs als die Geburtsstunde eines „Westfälischen Systems“ internationaler Beziehungen zwischen geschlossenen Staatswesen auf der Grundlage grundsätz­ lich gleichberechtigter Souveränität betrachtet werden kann. Im Folgenden soll es darum gehen, die Funktionsweisen und „Regeln“ von ungleichen Außenbeziehungen unmittelbar nach 1648 am Beispiel des Verhältnisses Frankreichs zu den Kurfürsten zu klären. Dafür werden im Folgenden vier Aspekte dieses Verhältnisses untersucht: Erstens sollen die völkerrecht­lichen Regelungen für den Status der Kurfürsten mit besonderer Konzentration auf die Frage nach ihrem Status als souveräne Akteure in den Blick genommen werden (2.2.1). Zweitens wird gezeigt, wie sich eine Beteiligung der Reichsstände, an der Garantie einer europäischen Friedensordnung auf die europäische Politik, die diese nach dem Westfälischen Frieden immer wieder in Anspruch nahmen, im hier behandelten Zeitraum auswirkte. Dabei wird auch das Verhältnis zwischen einer aktiven Beteiligung an der Aufrechterhaltung einer europäischen Friedensordnung gemeinsam mit mächtigeren souveränen Akteuren und der Zuweisung von klientelären Rollen in dezidiert asymmetrischen Beziehungen zu betrachten sein (2.2.2). Drittens werden die verdichteten Beziehungen zwischen Frankreich und einer Reihe von Reichsständen im Rahmen der Rheinallianz auf das Verhältnis von makround mikropolitischen Beschreibungsformen und Praktiken hin analysiert (2.2.3). Viertens steht schließ­lich die Variabilität von Rollen und Selbstdarstellungsabsichten der französischen Krone im Rahmen symbolischer Kommunikationsakte von franzö­ sischen Gesandten im Alten Reich im Zentrum der Analyse. Dabei werden insbesondere das diplomatische Zeremoniell und Titulaturfragen eine gewichtige Rolle spielen (2.2.4). Das Ziel der Untersuchung ist weniger eine abschließende Klärung des Verhältnisses Frankreichs zu den Kurfürsten. Vielmehr soll gezeigt werden, wie sich die verschiedenen Rollen und Interessenlagen der französischen Krone und der Kurfürsten zueinander verhielten und in stets wandelbare politische Praktiken, sprach­liche Beschreibungsmuster und Formen symbolischer Kommunikation umgesetzt wurden. 2.2.1 Der völkerrecht­liche Status der Kurfürsten nach 1648 Wer im Heiligen Römischen Reich „Souveränität“ besaß und wer nicht, stellte für frühneuzeit­liche Gelehrte wie spätere Historiker gleichermaßen eine schwer zu beantwortende Frage dar. Seit Jean Bodin in seinen Six livres de la République die

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Souveränität bzw. in der im Reich verbreiteten lateinischen Ausgabe die summa postestas oder maiestas dem Kaiser zugewiesen hatte, entbrannte unter den Rechtsgelehrten eine nicht abreißende Debatte darüber, wer tatsäch­lich deren Träger im Heiligen Römischen Reich sei 332. Um sich der Frage nach Souveränitätsrechten und ihren potenziellen Trägern zu nähern, kommt man nicht umhin, beim Westfälischen Frieden als einem bedeutenden Einschnitt sowohl für die europäische Ordnung als auch für die Reichsverfassung anzusetzen 333, wobei beide Ebenen in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen 334. Nach langen und harten Auseinandersetzungen, die auf dem Friedenskongress nicht zuletzt um die Zulassung der Reichsstände geführt wurden, kam es während des Kongresses zu einer entschiedenen Stärkung des völkerrecht­ lichen Profils und der Gewinnung neuer außenpolitischer Partizipationschancen für die Reichsstände. Die Friedenspropositionen von Frankreich und Schweden sahen vor, dass die Reichsstände vollzählig in den Kreis der Frieden Schließenden aufgenommen würden 335. Damit wurde vor allem den widerstrebenden Kaiser­lichen ein zentrales Souveränitätsrecht für die Gesamtheit der Stände abgewonnen: das sogenannte ius belli ac pacis. Frieden mit auswärtigen Mächten konnte fortan also nur unter Partizipation aller Stände geschlossen werden 336. Der Westfälische Frieden regelte somit explizit die prinzipiell mit dem Kaiser gleichberechtigte außenpolitische Partizipation der Stände des Reiches 337. Parallel dazu wurde ihnen nun auch ein Bündnisrecht, das ius foederis, formell zugestanden, das jedem Reichsstand außenpolitische Handlungsspielräume eröffnete. Sie durften sich – unter dem Vorbehalt, dass sich solche Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich richteten – unbeschränkt an zwischenstaat­licher Machtpolitik beteiligen 338. 332 Quaritsch, Souveränität, 70 ff.; vgl. auch die ältere rechtshistorische Arbeit Randelzhofer, Völkerrecht­liche Aspekte. 333 Als Standardwerk kann immer noch Dickmann, Der Westfälische Frieden, gelten. Besonders im Gefolge des 350-jährigen Jubiläums entstand eine Fülle von Sammelwerken zum Westfälischen Frieden, vgl. Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede; Bußmann/Schilling (Hrsg.), 1648, Textband I, 51 – 60; Moorman van Kappen/Wydukel (Hrsg.), Der Westfälische Frieden. Aus französischer Perspektive Bély (Hrsg.), L’Europe des traités de Westphalie. Einen Forschungsüberblick über die Literatur zum Westfälischen Frieden nach dem Jubiläum gibt Duchhardt, Der Westfälische Friede – neue Ansätze. Duchhardt weist allerdings darauf hin, dass eine Gesamtdarstellung, die neuere diplomatiegeschicht­liche Ansätze mit einbezieht, weiterhin ein Desiderat bleibt, vgl. ebd., 26. 334 Vgl. hierzu v. a. Härter, Sicherheit und Frieden. 335 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 163 f. 336 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 147. 337 IPO, Art. XVII, in: APW III, B, 1, 156 ff. 338 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 328.

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In der älteren Historiografie wurde dieses Recht vor allem infolge der negativen Bewertung des Westfälischen Friedens in einer teleologischen nationalstaat­lichen Perspektive als Demontage kaiser­licher Gewalt und „staat­lichen Zusammenhaltes“ gewertet. Die Souveränitätsrechte der Reichsstände hätten den Reichsverband im Ganzen destabilisiert 339. Neuere Forschungen zum Westfälischen Frieden und zum Reich nach 1648 erlauben allerdings eine differenziertere Interpretation des ius foederis. Zunächst muss die tatsäch­liche Neuheit des Rechts, außerhalb des Reiches Bündnisse zu schließen, infrage gestellt werden. Dieses hatten zumindest die Kurfürsten bereits lange vor 1648 in Anspruch genommen 340. Ebenso ist frag­lich, ob dadurch die Reichsstände tatsäch­lich zu Trägern von Souveränität auf Kosten von Kaiser und Reich wurden. Ernst Wolfgang Böckenförde hat darauf hingewiesen, dass die Fürsten und Kurfürsten vor allem auf das Bündnisrecht angewiesen waren, um ihre jetzt recht­lich garantierten Mög­lichkeiten im Rahmen der Reichsinstitutionen überhaupt ausschöpfen zu können 341. Karl Otmar von Aretin hat gezeigt, dass diese Regelung auch im Kontext der Bündnisse von Reichskreisen untereinander betrachtet werden muss. Den Reichsständen wurde dabei weniger untersagt, Bündnisse gegen Kaiser und Reich zu schließen, als sie, positiv gewendet, zum Abschluss von Allianzen im Sinne der Erhaltung des Westfälischen Friedens ermutigt wurden. Das Bündnisrecht muss daher nicht als partikulares Souveränitätsrecht eines Landesherren betrachtet werden, das es ihm ermög­lichte, sich außerhalb des Reichsverbandes zu stellen, sondern „es war so gesehen nicht nur eine Erhöhung der Landeshoheit, sondern Teil eines weitergehenden Verfassungsauftrages, die Verfassung so zu gestalten, dass die Reichsstände neben dem Kaiser eine gleichberechtigte Stellung in der Reichsregierung einnahmen“342. Ronald Asch hat das ius foederis als eine Art erweitertes ständisches Widerstandsrecht gedeutet, das im Ernstfall auch gegen den Kaiser gerichtet werden konnte, ohne die politische Struktur des Reiches mit dem Kaiser an der Spitze grundsätz­lich infrage zu stellen 343. Folgenreich war ebenso die Tatsache, dass der Westfälische Frieden, zumindest in der schwedischen und französischen Interpretation, eine Regelung der Friedens­ garantie vorsah, welche die Reichsstände mit einschloss 344. Auch wenn sich die Vision eines kollektiven Sicherheitssystems im Sinne Richelieus nicht verwirk­lichen ließ 339 So etwa noch die Deutung von Dickmann, Der Westfälische Frieden, 4, der den Frieden noch im Ganzen als „ein nationales Unglück für unser Volk“ sah. 340 Gotthardt, Säulen des Reiches, 741 f. 341 Vgl. Böckenförde, Der Westfälische Frieden. 342 Von Aretin, Kreisassoziationen. 343 Asch, The ius foederis re-examined. 344 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 341, verweist darauf, dass diese Regelung vor allem deshalb machbar war, weil der Terminus consortes entweder nur „Kaiser und Kronen“

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und die französische Gesandtschaft bereits in Münster von ambitionierteren Plänen abgesehen hatte 345, waren den Reichsständen auch recht­liche Verpf­lichtungen bei der Überwachung der Friedenswahrung übertragen worden. Aus rein völkerrecht­ licher Perspektive schienen die Reichsstände mit beacht­lichen Handlungsspielräumen in die Friedensordnung und die europäischen Außenbeziehungen integriert worden zu sein. Es war allerdings kein Zufall, dass jene Friedenspropositionen, mit denen Frankreich und Schweden die Friedensverhandlungen mit dem Kaiser eröffnet hatten, ausgerechnet auf ein Memorandum Hessen-Kassels zurückgingen. Hessen-Kassel war ein protestantischer Reichsstand, der während des Krieges zu einer militä­ rischen und politischen Vormacht des Protestantismus im Reich geworden war. Man suchte nach Gestaltungsmög­lichkeiten insbesondere für die Reichsfürsten, welche die eigene Machtposition widerspiegelten. Ebenso fürchtete Hessen-Kassel, dass in Zukunft ohne einen größeren Einfluss aller Stände eigene konfessionspolitische Interessen gegenüber einem katholischen Kaiser und einem mehrheit­lich katholischen Kurkolleg nicht zur Geltung kommen würden 346. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind allerdings nicht die Reichsstände im Ganzen oder „armierte“ protestantische Reichsfürsten wie Hessen-Kassel, sondern die geist­lichen, also katholischen Kurfürsten von Köln und Mainz. Während der Westfälische Frieden im Endergebnis vor allem für die Reichsfürsten, insbesondere solche vom Format Hessen-Kassels, Erfolg und Machtzuwachs bedeutete, sind die Folgen der in Münster und Osnabrück getroffenen Regelungen für die Kurfürsten als wichtigster ständischer Machtgruppe des Alten Reiches wesent­lich schwerer greifbar 347. Die Rolle kurfürst­licher Politik auf dem Westfälischen Friedenskongress hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Vergleich zu jener der Reichsfürsten ein wesent­lich geringeres Interesse gefunden. Dies lag mög­licherweise daran, dass die Kurfürsten „dem Reichsverfassungsproblem in eigent­lich konservativer Weise“

oder „Kaiser, Kronen und Reichsstände“ bedeuten konnte; vgl. zur Einbeziehung der Reichsstände in die europäische Friedenssicherung jetzt Braun, Friedenssicherung. 345 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 342; Tischer, Französische Diplomatie, 233 f. 346 Die Frage nach der Rolle Hessen-Kassels ist in der Forschung allerdings stärker umstritten: Während Dickmann, Der Westfälische Frieden, 166 f., ihnen die Absicht eines radikalen Umbaus der Reichsverfassung unterstellt, ebenso auch Malettke, Scheffers Gesandtschaft, hat Weiand, Friedensordnung?, gezeigt, dass die Propositionen Frankreichs und Schwedens weit grundsätz­licher und radikaler waren als die eigent­lichen hessischen Forderungen, die keine radikale Revision der Verfassung vorgesehen hätten. 347 Die wichtigste Abhandlung zur Rolle der Kurfürsten auf dem Westfälischen Frieden findet sich in der detaillierten Studie von Becker, Kurfürstenrat.

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gegenüberstanden 348. Die Regelungen des Westfälischen Friedens veränderten ihre Handlungsspielräume und vor allem ihre selbst zugeschriebenen Kompetenzen in einer wesent­lich geringeren Weise als bei den Reichsfürsten. Außenpolitische Partizipationsansprüche an der Seite des Kaisers waren für die Kurfürsten als Körperschaft näm­lich nichts Neues. Ihre praktische Umsetzung hatte frei­lich während des Dreißigjährigen Krieges besonders unter der autoritären Politik Ferdinands II. gelitten, weswegen sich die Kurfürsten ihre Rechte eigens in der Wahlkapitulation für Ferdinand III. 1636 noch einmal bestätigen ließen 349. Während die Aufwertung zu bündnisfähigen und an außenpolitischen Entscheidungen beteiligten Akteuren für die Reichsfürsten tatsäch­lich ein neues Privileg darstellte, leiteten die Kurfürsten Ansprüche auf außenpolitische Teilhabe und auf eine über das Reich hinausreichende ordnungs- und friedenspolitische Kompetenz bereits aus ihrer Selbstbeschreibung als im Kollektiv gleichberechtigte Herrschaftsträger, als „Säulen“ des Reiches, ab 350. Der Westfälische Frieden bestätigte in dieser Perspektive ledig­lich die Herrschaftsansprüche und das Selbstverständnis der Kurfürsten im Rahmen eines sich immer noch universalmonarchisch verstehenden Reiches. Die Regelungen des Westfälischen Friedens „übersetzten“ diese Ansprüche nun in auf europäischer Ebene verbind­liches Völkerrecht. Während des Westfälischen Friedenskongresses gelang es den Kurfürsten allerdings auch, ihre Ansprüche auf Rang und Status als souveräne Akteure auf der europäischen Bühne mit den entsprechenden symbolischen Codes darzustellen. Zunächst erlangten die durch die Zuweisung des Exzellenztitels an ihre Prinzipalgesandten eine augenschein­liche Aufwertung ihrer Stellung im Zeremoniell. Dies schien sie gegenüber den größeren, eindeutig souveränen Potentaten und Republiken wettbewerbsfähig zu machen 351. Diese Form der Anerkennung stellte für sie tatsäch­lich eine bedeutende Innovation im Gefolge des Westfälischen Friedens dar. Die statuspolitische Erfolgsbilanz des Kongresses blieb für die Kurfürsten jedoch nicht ungetrübt. Ein Hauptergebnis des Friedens bestand schließ­lich darin, dass außenpolitische Gestaltungsmög­lichkeiten auf Augenhöhe mit dem Kaiser, die sich die Kurfürsten zuvor durch das spezifisch kurfürst­liche Instrument der Wahlkapitulationen hatten bestätigen lassen, nun formell mit den Reichsfürsten geteilt werden mussten. 348 Albrecht, Kriegs- und Friedensziele, 269. Auch beim ambitionierten Kurfürsten von Brandenburg, der in internationale Zusammenhänge am stärksten involviert war, kann eine der wenigen Fallstudien zur Politik keinen grundsätz­lichen Revisionismus in Bezug auf das Verfassungsgefüge des Reiches feststellen, vgl. Baumgart, Kurbrandenburgs Kongressdiplomatie. 349 Dickmann, Der Westfälische Frieden, 148. 350 Gotthardt, Säulen des Reiches, 742. 351 Becker, Kurfürstenrat, 175 ff.

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Statuspolitisch betrachtet mochten die Gesandten der Kronen und Republiken die Kurfürsten zwar in ihrem neuen, auf europäischer Bühne aufgewerteten Status weitgehend anerkennen. Die „Rückübersetzung“ einer solchen Aufwertung in reichspolitische Mög­lichkeiten der Bestätigung oder gar des Ausbaus kurfürst­licher Präeminenz unter diesen Vorgaben scheiterte jedoch gründ­lich. Bereits während des Kongresses weigerte sich die nachgeordnete Fürstenkurie, den hier getroffenen Regelungen zu folgen 352. Ebenso sollte sich bald zeigen, dass derartige Ansprüche auch gegenüber dem Kaiser auf den Reichstagen nicht durchsetzbar waren 353. 2.2.2 Assecuratio pacis? – Die Kurfürsten als Friedensvermittler Wie bereits erwähnt wurde, sollten die Reichsstände in die Absicherung der europäischen Friedensordnung nach 1648 mit einbezogen werden. Über die Umsetzung solcher Vorgaben und über mög­liche Partizipationschancen der Reichsstände auf europäischer Ebene ist vergleichsweise wenig bekannt. Neuere Forschungen zu den Garantien und Friedenssicherungsbestimmungen haben sich vor allem auf die recht­lichen Rahmenbedingungen und ihr Zustandekommen auf dem Westfälischen Friedenskongress konzentriert. Dabei konnte nicht zuletzt gezeigt werden, wie die weitgreifenden Konzepte Richelieus allmäh­lich von der Friedensagenda verschwanden 354. In der politischen Praxis gewann jedoch das zumindest Kurfürstenkolleg unter der Führung Johann Philipps von Schönborn im Windschatten Frankreichs für kurze Zeit in den 1650er- und 1660er-Jahren doch so etwas wie außenpolitisches Profil, indem es eine gewisse Rolle im Rahmen europäischer Friedensvermittlungsprojekte spielen konnte 355. 1657/58 gelang es Johann Philipp von Schönborn durch eine strategisch geschickte Verknüpfung seiner Rollen als Reichserzkanzler, „Wahlleiter“ und Oberhaupt des Kurfürstenkollegs, die am Frankfurter Wahltag anwesenden Gesandten der Kronen Spaniens und Frankreichs vorläufig mit einem Junktim zwischen der Durchführung der Kaiserwahl und dem Abschluss eines Friedens zwischen den beiden Kronen zu Friedenspräliminarien zu zwingen 356. Zusammen mit anderen ungelösten Konflikten und der Tatsache, dass neben den Kurfürsten 352 Becker, Kurfürstenrat, 183 f. 353 Vgl. etwa zur Durchsetzung der lehnsrecht­lichen Prärogative des Kaisers gegenüber den neuen Repräsentationsansprüchen der Kurfürsten Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 210 ff. 354 Vgl. etwa Braun, Problem der Friedenssicherung. Vgl. auch Tischer, Französische Diplo­matie, 415. 355 Duchhardt, Kurfürst von Mainz. 356 Vgl. Gotthardt, Säulen, Bd. 2, 498; Valfrey, Lionne, 128 f.

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auch spanische, französische, schwedische, päpst­liche und savoyische Gesandte in Frankfurt anwesend waren, wurde der Wahltag, der sonst ledig­lich als Rahmen für die ihres Amtes waltenden Kurfürsten gedient hatte, kurzzeitig zu einem veritablen „Folgekongress“ zehn Jahre nach den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück. Das Theatrum Europaeum fasste dies später folgendermaßen zusammen: die Statt Franckfurt war für diesesmal gleichsamb wie ein Theatrum, oder Schauburg / worauf gantz Europa sein Interesse oder Angelegenheit abhandelte 357. In Frankfurt selbst kam es allerdings nicht mehr zu dem von Johann Philipp angestrebten Friedensschluss. Zumindest die Vertreter Frankreichs sagten aber zu, dass sie diesen unter Vermittlung des Kurfürsten auf einem Kongress in Augsburg verhandeln wollten 358. Spanien und Frankreich einigten sich aber schließ­lich selbst darauf, einen Frieden auszuhandeln, ohne dass die Kurfürsten dabei eine tragende Rolle spielten. Ebenso sollte es keinen Gesandtenkongress in einer Reichsstadt geben, stattdessen fanden die Verhandlungen auf neutralem Grund, auf der in einem Grenzfluss zwischen Frankreich und Spanien gelegenen unwirt­lichen „Fasaneninsel“, statt. Als Unterhändler fungierten die beiden Günstlingsminister Mazarin und Luis de Haro persön­lich. Die Entscheidungen fielen zwischen den beiden Staatsmännern. Weshalb genau die Parteien das Mediationsangebot des Kurfürstenkollegs nicht nutzten, ist nicht völlig klar. Sicher dürfte es ein gewisses Misstrauen gegenüber dem kurfürst­lichen Vermittlungsangebot vonseiten der ansonsten unbedingt friedensbereiten Spanier gegeben haben 359. Denkbar ist auch, dass man die zeitraubende Aushandlung von zeremoniellen Präliminarien wie in Münster und Osnabrück unbedingt vermeiden wollte 360. So schwanden aber auch die politischen Profilierungsmög­lichkeiten der Kurfürsten als Mediatoren eines bedeutenden Friedensschlusses. Zwar reisten mit Wilhelm von Fürstenberg und Johann Christian Boineburg zwei kurfürst­liche Gesandte mit der französischen Delegation nach Saint-Jean-de-Luz. Bei den eigent­lichen Verhandlungen spielten sie aber keine wichtige Rolle, was offenbar durch die Gewährung zeremonieller Ehrenvorrechte kompensiert werden sollte. Ihnen wurden innerhalb der französischen Delegation außerordent­liche Privilegien eingeräumt, wie sie am Hof sonst nur den princes étrangers zustanden 361. Trotz aller zeremoniellen Aufwertung für ihre Gesandten 357 Theatrum Europaeum VIII, 53. 358 Dazu sehr knapp gehalten jetzt Duchhardt, Augsburg statt Bidassao? Zum besonderen Verhandlungsmodus in den Pyrenäen vgl. Rahn, Grenzsituationen, 181 ff. 359 Séré, Paix des Pyrénées, erwähnt die Anwesenheit der kurfürst­lichen Gesandten in den Pyrenäen nicht einmal. 360 Duchhardt, Augsburg, 57 f. 361 On les traite par les officiers de Monseigneur de la mesme sorte que l’on a accoutumé de servir les Princes Estrangères, Il y a un Gentilhomme qui a le soin que touttes les choses se fassent dans l’ordre, deux pages et quatre valets de pied qui sont continuellement à les suivre, et le

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verschwand aber auch der offenbar von der französischen Delegation ventilierte Plan, die Kurfürsten in der Präambel des Friedensvertrages als Vermittler zu erwähnen 362. Statt die Kurfürsten und ihre Gesandten inhalt­lich einzubinden, konnte die französische Krone ihre nunmehr exklusive Kompetenz zur Friedensstiftung gerade gegenüber den Reichsständen als Eigenwerbung und als weitere Verbind­lichkeiten stiftende Ressource in Szene setzen. Sie wurden von der französischen Krone zur Darstellung einer dezidiert asymmetrischen Protektorenrolle gegenüber einzelnen Kurfürsten und Fürsten, wie etwa Kurköln und Neuburg, die von den Kriegshandlungen am meisten betroffen waren, genutzt. Dies galt vor allem für Verhandlungen um besetzte Plätze in Lüttich und das neuburgische Jü­lich, die Mazarin mit größter Entschlossenheit und unter Androhung von Gewalteinsatz zur Räumung bewegt zu haben behauptete 363. Ebenso sei er es gewesen, der dafür gesorgt habe, dass die Spanier sich jetzt selbst an die Fürsten der Allianz wandten, um ihren Friedenswillen zu bekunden 364. Dies sollte zugleich die Bindung der reichsständischen Verbündeten an die französische Krone festigen und, so das Kalkül des Kardinals, die Rheinallianz für weitere Fürsten attraktiver machen 365. Statt den Kurfürsten also inhalt­liche Kompetenzen bei der Aushandlung des Friedens zuzugestehen, wurde diese nicht nur zu einer exklusiven spanisch-französischen Angelegenheit. Sie mussten auch die Verhandlung ihrer eigenen Interessen den Franzosen überlassen und gerieten so in eine Position, in der sich diese als ihre „Interessenmakler“ inszenieren konnten. Die Art und Weise, wie der Frieden mit Spanien geschlossen wurde, festigte so eher asymmetrische Strukturen, die von französischer Seite tatsäch­lich in Richtung von Patron-Klient-Beziehungen zwischen

bonhomme Normand, qui prend garde que la table soit de mieux fournie. Ces Messrs. ont desia eu trois fois audience, Persod an Robert de Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.10.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 320v). 362 Vgl. Melani, Viaggio del Cardinale, 86. 363 Mazarin an Robert de Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 285r). Glaubt man dem Diarium Melanis, gingen beide Initiativen Mazarins direkt auf Bitten Wilhelms von Fürstenberg zurück, reagierten also auf direkte Wünsche des Kurfürsten und auf eigene Interessen seines Beobachters, vgl. Melani, Viagggio del Cardinale, 89. 364 Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE , CP, Allemagne 146, fol. 147v). 365 […] j’espere […] pouvoir réussir dans le dessein que j’ai en cela de servir le S. Duc de Neubourg avec beaucoup de gloire et de réputation pour le Roy que par une si belle action devroit non seulement confirmer ses alliez en Allemagne dans l’affection qu’ils ont pour cette Couronne, mais encore apparement en augmenter le nombre, Mazarin an Robert de Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.9.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 112r).

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Fürsten gedeutet werden konnten, anstatt zumindest den Kurfürsten eine mitgestaltende Rolle bei der europäischen Friedenspolitik zuzugestehen. Die Vermittlungsdienste des Kurkollegs wurden allerdings, wie Heinz ­D uchhardt gezeigt hat, in den frühen 1660er-Jahren von der französischen Krone aktiv genutzt, um in dem verworrenen Konflikt zwischen der Krone und der römischen Kurie zu vermitteln. Der Charakter der Mediation blieb aber auch hier hochgradig ambivalent. Während die Krone angesichts der Beteiligung ihrer engen Verbündeten Kurmainz und Kurköln nicht auf „ehr­liche Makler“, sondern auf eine parteiische Vermittlung als klienteläre Zuarbeit hoffte, nutzte der Kurfürst von Mainz seine Mediatorenrolle eher dazu, gerade nicht als eindeutiger Parteigänger Frankreichs in Erscheinung treten zu müssen 366. Hier wurde zwar tatsäch­lich das Kurkolleg als Vermittler in einem kleineren europäischen Konflikt eingeschaltet. Dies änderte aber nichts daran, dass sich die französische Krone im Grunde Klienteldienste erhoffte, die der Mainzer Kurfürst frei­lich nicht zu leisten bereit war. Die geist­lichen Kurfürsten versuchten dennoch, in ihrer Rolle als Vermittler aktiv zu bleiben. Dies war besonders dort der Fall, wo es um die Erarbeitung einer mög­lichen spanischen Erbfolgeregelung zur Abwendung eines größeren Konfliktes ging. Auf erste, insbesondere von Johann Philipp ausgehende Vermittlungsvorschläge antwortete Robert de Gravel im Januar 1664 nur widerwillig und äußerst ausweichend 367. Auch von der vom Grafen Plittersdorf im Auftrag Johann Philipps durchgeführten Mission zur Vermittlung einer Regelung zwischen Madrid und Paris hielten die Franzosen eher wenig 368. Nach dem Tod Philipps IV. im Jahr 1665 erwachte jedoch zunächst das franzö­ sische Interesse an einer solchen Vermittlung. Der erwiesenermaßen frankreichtreue Wilhelm von Fürstenberg wurde formell als kurkölnischer Gesandter auf eine Mission nach Wien gesandt, um dort aber faktisch als französischer Unterhändler in der spanischen Erbfolgefrage Vorschläge zu unterbreiten 369. Der von Johann P ­ hilipp von Schönborn zeitgleich auf eigene Faust entsandte Freiherr von ­Greiffenclau, der keine Frankreichbindungen besaß, hatte dagegen keine annähernd vergleichbare Funktion 370. Von einer tatsäch­lichen Vermittlung der Kurfürsten kann hier jedoch kaum mehr die Rede sein. Sie wurde von einem kurfürst­lichen Gesandten durchgeführt, der, obwohl formal in kurkölnischem Auftrag unterwegs, als Klient der französischen Krone zugleich auch als deren Unterhändler begriffen wurde.

366 Duchhardt, Kurfürst von Mainz, 11. 367 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 17.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 47r). 368 Vgl. Legrelle, La Diplomatie Française, 105. 369 Vgl. Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 123 ff. 370 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 107.

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Dass es schließ­lich französische und kaiser­liche Diplomaten waren, die 1668 unter strengster Geheimhaltung und ohne jedwede Mediation zu einer vorübergehenden Regelung der spanischen Erbfolge fanden, ist bereits im vorangegangenen Kapitel dargestellt worden. Die kurfürst­liche Mediation in den großen europäischen Konflikten dürfte aber auch in den Hintergrund getreten sein, weil gerade Ludwig XIV . die „ordnungspolitische“ Rolle der europäischen Friedensstiftung, das arbitrium, immer mehr als Macht- und Prestigeressource begriff 371. Diese konnte und wollte man nicht mehr nur mindermächtigen Akteuren überlassen. Dies zeigte sich besonders gegen Ende des hier untersuchten Zeitraumes. Zudem entstand seit dem Ende des Devolutionskrieges eine Konfliktlage, die immer stärker auf eine bewaffnete Auseinandersetzung Frankreichs mit den Vereinigten Provinzen hinauslief. Eine kurfürst­liche Mediation, wie sie Johann Philipp von Schönborn Anfang der 1670er-Jahre den Franzosen anbot, war vonseiten des Königs nun durchaus nicht mehr gefragt. Johann Philipp von Schönborn wurde ausdrück­lich dazu angehalten, sich nicht mit Vermittlungsangeboten in den französisch-niederländischen Konflikt einzumischen 372. Später wurde die Position Ludwigs XIV. im Zuge einer zwischenzeit­lichen Wiederannäherung an Kurmainz und die Reichsstände kurzzeitig aufgeweicht. Er sprach nun davon, Vermittlungsangebote des Kurfürstenkollegs zumindest sondieren zu wollen. Wie wenig Gewicht der König der kurfürst­lichen Mediation als Mittel europäischer Konfliktlösung einzuräumen bereit war, hatte der König seinem Sondergesandten Vaubrun aber schon vorher klargemacht. Man gehe auf das Angebot des Mainzers nur aufgrund der amitié des Königs ihm gegenüber ein, nicht aber aus irgendeiner sach­lichen Notwendigkeit. Dies laufe der réputation des Königs zuwider 373. Die Prüfung von Friedensvorschlägen und die Beteiligung der Kurfürsten an der Lösung eines europäischen Konflikts war hier nur noch ein Zugeständnis an eine ungleiche amitié zwischen Fürsten ohne realpolitische Grundlage. Eine Anerkennung ihrer Kompetenzen als mög­liche Friedensstifter wurde durch eine andere Norm, näm­lich die schon erwähnte Selbstbeschreibung des Königs als arbiter, außer Kraft gesetzt 374.

371 Vgl. hierzu Kampmann, Arbiter, 199 ff. 372 Jacques de Gravel an Louvois, Würzburg, 2.1.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 132r). Vgl. Jacques de Gravel an Louvois, Würzburg, 11.12.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 125r); Jacques de Gravel an Pomponne, Würzburg, 13.2.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 148v). 373 Vaubrun an Robert de Gravel, Mainz, 28.10.1672 (AMAE, CP, Mayence 7, fol. 321). 374 Dass die französische Krone und ihre Vertreter auf dem Kölner Kongress nicht gerade durch übertriebenen Kooperationswillen mit den kurfürst­lichen Komediatoren auffielen, dürfte auch auf die Bedeutung von Ludwigs XIV. arbitrium zurückzführen sein, vgl. Decker, Frankreich und die Reichsstände, 398.

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Die Einbeziehung der Reichsstände in die europäische Friedenspolitik wurde von französischer Seite vorwiegend zu eigenen Zwecken eingesetzt und konnte entweder als klientelpolitisches Instrument gegenüber einzelnen Fürsten dargestellt oder als klienteläre Zuarbeit von den Kurfürsten und ihren Gesandten erwartet werden. 2.2.3 Allianzpolitik, Protektion und Patronage – Frankreich und die Rheinische Allianz von 1658 Die Beziehungen der geist­lichen Kurfürsten von Mainz und Köln zur französischen Krone, die Thema dieser Studie sind, lassen sich kaum von ihrer Eingliederung in die oben erläuterte Rheinallianz, deren wichtigste Stützen beide Kurfürsten waren, ablösen. Wie bereits ausgeführt, ist diesem Bündnis in der neueren Forschung bisher nur punktuell spezielle Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Dies ist ein wenig verwunder­lich, da diese Allianz eines der zentralen sicherheitspolitischen Folgeprojekte nach dem Westfälischen Frieden war, das durch die Beteiligung der Kronen von Frankreich und Schweden gewissermaßen an der Schnittstelle europäischer und ­reichischer Bezüge der Friedensordnung lag. Eine Gesamtdarstellung der Rheinallianz und eine grundsätz­liche Neuinterpretation dieses Bündnisses müssten sich stärker als bisher auf reichsständische Quellen, wie etwa die bis dato noch kaum untersuchten Protokolle des Allianzrates, stützen 375 und sich Fragen nach der Organisation von Bündnisinstitutionen widmen, so zum Beispiel der des gemeinsamen Armeekorps der Allianz. Die vorliegende Studie, die von ausgewählten Fallbeispielen ausgehend asymmetrische Fürstenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage vor allem aus französischer Sicht unter einer sozial- und kulturgeschicht­lichen Perspektive beleuchtet, kann und soll dies frei­lich nicht leisten. Allerdings scheint es für die folgende Darstellung von einer gewissen Bedeutung zu sein, einige grundlegende Konfliktlinien im Rahmen der Allianz und verschiedene Schwerpunktsetzungen ihrer historiografischen Deutung zu skizzieren: Generell besaß die Rheinische Allianz zwei Grundausrichtungen, die sich, wie bereits im vorangegangenen Teilkapitel deut­lich geworden sein dürfte, als nur schwer miteinander vereinbar erwiesen. Erstens war die Rheinische Allianz ein ständisches Friedenssicherungsinstrument, in das die Kronen Frankreichs und Schwedens eingegliedert wurden, um den 375 Die in Wien lagernden Akten des Allianzrates aus dem Bestand des Mainzer Erzkanzlerarchivs enthalten vor allem die Verhandlungsprotokolle des Allianzrates, vgl. HHStA, MEA, Friedensakten 60, 61, 62, 63.

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politischen Handlungsspielraum gegenüber den beim Abschluss des Vertrags als hauptsäch­liche Bedrohung der Friedensordnung wahrgenommenen Habsburgern zu erweitern. Ebenso dürfte die Eingliederung der beiden Kronen Teil einer Art „Containment-Politik“ gegen kriegerische und expansionistische Bestrebungen der Kronen selbst gewesen sein. Zweitens war die Allianz auch ein machtpolitisches Instrument der französischen Krone. Zum einen sollten mithilfe dieses Instruments Garantieleistungen erbracht werden, zum anderen trat dadurch aber auch sehr häufig der Widerspruch zwischen friedenserhaltender und machtpolitischer Ausrichtung des Bündnisses zutage. Beim Abschluss der Allianz war die tendenziell antihabsburgische Perspektive noch eine mehr oder minder unbestrittene gemeinsame Grundlage gewesen. Mög­lichkeiten einer grundsätz­lich klientelpolitischen Vereinnahmung der Allianz und ihrer Glieder gingen daraus nicht hervor. Frankreich behielt die antihabsburgische Perspektive jedoch auch dann noch bei, als sich diese Grundlagen bereits stark verändert hatten und man die französische Krone nicht zu Unrecht als die größte Bedrohung des Friedens betrachtete. Entlang dieser grundsätz­lichen Konfliktlinien verliefen auch, wie Martin Peters gezeigt hat, die unterschied­lichen Schwerpunktsetzungen in der historiografischen Interpretation der Rheinischen Allianz. Diese sind zeitgebunden und lassen sich kaum von mehr oder minder transparenten politischen Affinitäten oder auch nationalen Zugehörigkeiten trennen 376. Die Tatsache, dass es sich bei der Allianz vor allem um ein ständisches Sicherheitsprojekt handelte, hat Ende des 19. Jahrhunderts vor allem Erich Joachim hervorgehoben 377. Dies zielte nicht nur auf eine zeit­typische Distanzierung vom französischen Einfluss im Reich. Die Rheinallianz wurde hier vor allem als ganz und gar nicht kaiserferner Zusammenschluss präsentiert. Wie Joachim hervorhebt, sah der Bund vielmehr Mög­lichkeiten vor, den Kaiser mit einzuschließen 378. Dies spiegelte einen katholischen großdeutschen Nationalismus wider, der (obschon etwas anachronistisch) der 1871 erlangten kleindeutschen Lösung kritisch gegenüberstand 379. Unter ganz anderen Vorzeichen, näm­lich einer Deutung des Alten Reiches als eines grundsätz­lich positiv zu bewertenden interdependenten und subsidiären Systems von Sicherheitspolitik und Friedenserhaltung, stehen modernere Analysen der Allianz. Karl Otmar von Aretin betrachtet die Allianz stärker im Kontext der Reichskreise und der unter ihnen geschlossenen Bündnisse, die auch kleinen und kleinsten Reichsständen ein Forum verschafften, um bei der Friedenssicherung mitzuwirken. Von Aretin hebt dabei allerdings die 376 Peters, Interpretationen des Rheinbundes. 377 Joachim, Entwickelung. 378 Joachim, Entwickelung, 502. 379 Peters, Interpretationen des Rheinbundes, .

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Chancen einer föderativen Ordnung vor dem Hintergrund des bestehenden Verfassungs- und Institutionengefüges stärker hervor als die Rolle des Kaisers 380. Auch Johannes Burkhardt sieht die Allianz und ihre Politik vor allem unter dem Vorzeichen eines friedenserhaltenden Reichspatriotismus 381. Insbesondere in älteren Forschungen wurde die Allianz zumeist als ein französisches Manipulationsinstrument verstanden, das der politischen Steuerung und Kontrolle der Reichsstände diente und als ein Hindernis deutscher Nationsbildung der durch den Westfälischen Frieden herbeigeführten „Zersplitterung“ des Reiches Vorschub leistete 382. Dabei dürfte vor allem die deutsch-französische Erfahrung von Krieg und Rivalität unter nationalistischen Vorzeichen im 19. und im frühen 20. Jahrhundert eine herausragende Rolle gespielt haben. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die während des gesamten 17. Jahrhunderts nicht zuletzt unter Richelieu entworfenen französischen Projekte, das Reich als Lehensverband durch eine stärker föderative Struktur zu ersetzen, mit der Etablierung der Rheinischen Allianz in Verbindung gebracht. Dabei musste der Einschluss fremder Mächte nicht mehr notwendigerweise grundsätz­lich negativ gedeutet werden. Eine solche Interpretationslinie war aber sicher nur vor dem Hintergrund (west-)europäischer Integrations-, Sicherheits- und Friedenspolitik, transnationaler europäischer Institutionenbildung sowie der deutsch-französischen Aussöhnung in den 1950er-Jahren mög­lich 383. In der älteren und ältesten französischen Literatur standen häufig eher unkritisch die Funktionen des könig­lichen Schutzes der Reichsstände und der Garantie des Westfälischen Friedens im Vordergrund 384. Bereits im frühen 18. Jahrhundert sprach ein offenkundig hofnaher Historiker in einem internen Dokument des

380 Von Aretin, Kreisassoziationen. 381 Burkhardt, Vollendung und Neuorientierung, 73. 382 In ausgeprägter Form findet sich eine solche Deutung vor allem bei Wagner, Frankreichs klassische Rheinpolitik. 383 In dieser allerdings bis heute äußerst wirksamen Deutung wird die Allianz vor allem als Chance für eine föderative Friedensordnung gesehen, die im Geiste von Richelieus kollektiven Sicherheitskonzepten steht und der ein zwar machtbewusster, aber dennoch Kooperationschancen eröffnender Pragmatismus des Kardinals Mazarin zugrunde liegt. Fluchtpunkt einer solchen Deutung bleibt frei­lich die Kritik am Expansionismus eines „despotischen“ Ludwig XIV., der solch vielversprechende Ideen zum Scheitern gebracht habe, vgl. Schnur, Rheinbund. 384 Vor allem im frühen 19. Jahrhundert wurden solche Interpretationen, nun vor dem Hintergrund eines anderen Rheinbundes, näm­lich desjenigen aus dem Jahre 1806, als Integrations- und Zivilisationsangebot unter den ideologischen Maßgaben einer zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrten französischen Revolution wieder aufgenommen.

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Außenministeriums der französischen Krone als Stifterin und tragender Kraft der Rheinallianz die Hauptrolle bei der Friedenssicherung zu 385. Die Schwerpunktsetzung bei der Bewertung und Deutung der Allianz unterlag und unterliegt weiterhin „geschichtspolitischen“ Konjunkturen und Prädispositionen. Viele der hier skizzierten Interpretationen lassen sich allerdings tatsäch­lich bereits im politischen Diskurs der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts finden. Was die Rhein­ allianz eigent­lich war und welche Art von Beziehungen sie stiftete, ob sie die Reichsstände bei friedens- und sicherheitspolitischen Initiativen unterstützte oder ob sie sie vor allem für französische Machtpolitik auf Kosten des Reiches instrumentalisierte, war bereits unter den Zeitgenossen Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. So versuchten kaiser­liche Diplomaten frühzeitig, einzelne Reichsstände gezielt von dem Bündnis fernzuhalten und warnten explizit vor der Einmischung Frankreichs und Schwedens sowie der potenziellen Instrumentalisierung der Stände für deren Interessenpolitik. Der kaiser­liche Deputationsgesandte Isaak Volmar versuchte im November 1658, den Landgrafen von Hessen-Darmstadt vom Beitritt zur Allianz abzuhalten, indem er betonte, dass die ausländischen Potentaten […] nichts anders, alß ihrer aigne intentiones zu vermehrung ihres besondern Interesse zu suchen pflegen und dardurch mit der Zeit dem Röm. Reich selbst nit geringe Schmälerung zu beschehen stünde 386. Solche Bedenken konnten selbst bei Mitgliedern der Rheinischen Allianz auf fruchtbaren Boden fallen. Denn während sich die Kurfürsten in Mainz und Köln von der Allianz eigene Gestaltungsspielräume für ihre europäische Friedensund Sicherheitspolitik erhofften, waren die Höfe nordwestdeutscher Fürsten, wie jene der braunschweigischen Herzöge, viel empfäng­licher für solche Bedenken. Die Braunschweiger wussten zwar den regionalen Sicherheitsrahmen zu schätzen, den die Allianz auf Reichsebene bot, befürchteten aber, durch ein Bündnis, das ausländische Potentaten mit einschloss, in für sie unkontrollierbare europäische Konflikte hineingezogen zu werden 387. Die Franzosen dagegen hatten bereits unmittelbar nach dem Ende des Wahltages und dem Abschluss der Allianz ihre Propagandamaschine angeworfen und in Flugschriften die Rheinische Allianz als Vormauer des Friedens anpreisen lassen 388. Die Stiftung solcher Schutzbeziehungen im Alten Reich war eine wichtige Konstante der französischen Reichspolitik bereits lange vor dem 17. Jahrhundert. Es gab seit 385 Vgl. Hintereicher, Rheinbund. Bedauer­licherweise zeichnet die Autorin eher die ohnehin bekannte Ereignisgeschichte anhand des Dokumentes nach, statt sich auf eine diskursanalytische oder „ideologiekritische“ Betrachtung des Textes einzulassen. 386 Volmar an Leopold I., Frankfurt, 16.11.1658 (HHStA, Staatskanzlei, Rep. N 3, pars 3, fol. 45v). 387 Hollenbeck, Und wo bleibt Europa? 388 Vgl. etwa die Anpreisung der Allianz als Vormauer bei Frischmann, Was hat Franckreich, 2.

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dem 16. Jahrhundert einen traditionellen Anspruch auf könig­lichen Schutz gegenüber den Reichsständen, der mit dem Begriff der protection umschrieben wurde 389. Bei diesem im weitesten Sinne völkerrecht­lichen Begriff der „Protektion“ sind noch einmal zwei Formen zu unterscheiden: Die erste Form bestand im Schutz von Herrschaftsverbänden, der Formen territo­rialer und recht­licher Durchdringung mit einschließen konnte 390. Dies war dort der Fall, wo der französische König formell ein droit de protection ausübte, wie etwa in den durch den Vertrag von Chambord 1552 an Frankreich gekommenen ehemaligen Reichsbistümern Metz, Toul und Verdun 391. Auch gegenüber den elsässischen Reichsstädten der sogenannten Dekapolis übte der französische König ein solches Protektionsrecht aus 392. Die zweite Form der Protektion umfasste Schutz- und Garantieerklärungen eines größeren außenpolitischen Akteurs gegenüber einem anderen. Dieser sollte ledig­ lich vor den Repressalien eines äußeren Feindes geschützt werden. Die territoriale und recht­liche Integrität des beschützten Herrschaftsverbandes sollte unangetastet bleiben 393. Jean Bodin hat den „Normenhaushalt“ solcher Schutzverhältnisse bereits im späten 16. Jahrhundert ausführ­lich beschrieben: Protektion ist nichts anderes als der Zusammenschluss und die Allianz zweier Fürsten oder souveräner Herrschaften, in denen einer den anderen als höherrangig anerkennt, […] aber dies bedeutet, dass die kleineren Alliierten die größeren in aller Bescheidenheit anerkennen, […] die Protektion beinhaltet keine Unterwerfung, sondern eher Höherrangigkeit und Ehrenvorrechte 394. Auch wenn Bodins Begriffsdefinitionen aus einer rein völkerrecht­lichen Perspektive eindeutig waren, ließen sich solche Unterscheidungen in der Praxis oft wesent­lich schwerer treffen. In der außenpolitischen Planung Kardinal Richelieus findet sich etwa eine intendierte Verwischung der Elemente von Schutz und territorialer Durchdringung im Rahmen von Protektionsbeziehungen. Richelieu empfahl Ludwig XIII. in einem Memorandum, sich durch Protektionsverhältnisse Zugänge zu benachbarten Territorien zu eröffnen, um diese vor spanischen Repressalien zu

389 Vgl. hierzu allgemein Tischer, Art. „Protektion“; Stein, Protection Royale, 47 – 66, vgl. zur Geschichte des Konzepts jetzt: Babel, „Garde et protection“. 390 Vgl. Stein, Protection royale, 48 ff. 391 Vgl. Petry, „Faire des sujets du roi“. 392 Ohler, Zwischen Frankreich und dem Reich, 50. 393 Diese Unterscheidung mit einer Diskussion der Diskrepanz von Norm und politischer Praxis findet sich bei Stein, Protection royale, 8 f. 394 La protection n’est autre chose, que la confederation & alliance de deux princes, ou seigneuries souveraines en laquelle l’un recognoist l’autre superieur, […] mais c’est à dire que les moindres alliés respectent les plus grandes en toute modestie, […] la protection n’emporte point de subiection, mais bien superiorité, & prerogative d’honneur, Bodin, Six livres, 103.

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„schützen“. Er wies eigens darauf hin, dass man hier mit grande discrétion und einer couverte conduite vorgehen müsse 395. Der Versuch, Protektionsverhältnisse zu errichten, wurde gerade im unmittelbaren Vorfeld des französischen Eintritts in den Dreißigjährigen Krieg zu einem vorrangigen Interesse der Reichspolitik Richelieus 396. So versuchte die Krone in den 1630er-Jahren, mithilfe der Aktivierung von Schutzrechten, etwa gegenüber der Stadt Straßburg, ihren Zugriff auf das Elsass auszubauen 397. Besondere Bedeutung gewann die Protektion Frankreichs gegenüber dem Trierer Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern. Sie wurde schließ­lich zur Hauptursache für den Kriegseintritt Frankreichs im Jahre 1635398. Sötern war sich durchaus im Klaren darüber, dass eine solche Schutzbeziehung auch in Besatzungsherrschaft und territoriale Durchdringung übergehen konnte. Er sorgte sich darum, dass eine formelle Protektion durch die französische Krone, die in seinem Fall mit einer französischen Garnison auf der Festung Ehrenbreitstein verbunden war, seine, hier wohl am besten mit „Landeshoheit“ zu übersetzende, souveraineté stark einschränken konnte 399. Er bestand daher zunächst auf der Verwendung des weniger „belasteten“ Begriffes assistance 400. Protektion stellte in diesen Beziehungen eine völkerrecht­liche Kategorie dar, welche explizit hierarchische und asymmetrische Außenbeziehungen beschrieb. Der Begriff ist gerade für die vorliegende Studie von besonderem Interesse, da er deut­ lich auf die Verzahnung sowohl der Normen als auch der Praxis von „ungleichen Außenbeziehungen“ und Patronage verweist 401. Der Begriff protection bezeichnete

395 La France ne doit penser qu’à se fortifier en elle-mesme […] et s’ouvrir des portes pour entre dans tous les Estats de ses voisins, et les pouvoir garantir des oppression d’Espagne, quand les occasions s’en présenteront, […] ensuite il fault […] s’avancer jusques à Strasbourg […] pour acquérir une entrée dans l’Allemagne; ce qu’il fault faire avec beaucoup de temps, grande discrétion et une douce et couverte conduite, Advis donné au Roy après la prise de La Rochelle pour le bien de ses affaires [13.1.1629], in: Les Papiers de Richelieu I, 25 f. 396 Zu ähn­lichen Bestrebungen im Kontext der französischen Politik in Oberitalien vgl. Externbrink, Le coeur du monde, 10 f. 397 Stein, „Protection royale“. 398 Weber, Frankreich, Kurtrier. 399 Weber, Frankreich, 236 f. Eine ähn­liche Schwierigkeit war im untersuchten Zeitraum bei den Verhandlungen Frankreichs über einen Allianzvertrag mit den sächsischen Herzögen festzustellen: il n’y a que le mot de protection […] qui nous donne de la peine, […] je me donne la hardiesse de demander à Mnd Sr. de Gravel si au lieu dudit mot, il se mettra assistance, Burkersrode an Robert de Gravel, Leipzig, 19.11.1665 (AMAE, CP, Saxe électorale 3, fol. 148r). 400 Zitiert nach Weber, Frankreich, 196. 401 „Diese Form der P[rotektion] basierte auf ähn­lichen Strukturen wie Patronage, wobei beide in den Außenbeziehungen ineinander greifen konnten“, Tischer, „Protektion“, Sp. 471.

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auch Patronageverhältnisse 402. Es beschrieb die Leistungen des Patrons und stellte ein semantisches Gegenstück zum klientelären service dar 403. Ungleiche Beziehungen zwischen der französischen Krone und einzelnen Fürsten des Reiches konnten unter diesen Vorzeichen in besonderer semantischer Nähe zu einer Art „Patronage zwischen Fürsten“ beschrieben werden 404. Dies klang etwa an, als die französischen Gesandten d’Avaux und Longueville in Münster über eine mög­liche engere Allianz mit dem Kurfürsten Maximilian I. von Bayern sprachen. Der König sollte dabei nicht nur die protection von Maximilians Territorien und des bayerischen Teils des Hauses Wittelsbach gewährleisten, vielmehr sollte der Kurfürst auch auf die Gewährung könig­licher Patronage hoffen dürfen und wurde in diesem Kontext wie ein Klient dargestellt, der nach les grâces et la protection de leurs Majestés nachsuchte 405. Gestützt wurde dies durch die Tatsache, dass der bayerische Kurfürst in seinem Schreiben um den Schutz und die amitié der Krone nachsuchte, aber eben auch – komplementär dazu – um jene des Günstlingsministers und könig­lichen „Patronagemanagers“ Kardinal Mazarin 406. Gerade in den Beziehungen zu geist­lichen Reichsständen waren die völkerrecht­ liche und die klienteläre Bedeutungsebene des Protektionsbegriffes häufig schon 402 Vgl. das entsprechende Lemma „Protecteur“ bei Furetière, Dictionnaire: Protecteur se dit aussi d’un patron […]. Cet homme a un puissant patron, un bon protecteur à la Cour; vgl. auch das Lemma „Patron“: [Patron] se dit aussi à la Cour, d’un seigneur sous la protection duquel on se met pour advancer sa fortune. 403 Souvenez vous de temps en temps d’asseurer le Baron de Benneberg et le frère de monsieur l’électeur de Mayence de la protection du Roy et de mon amitié dont ils recevront des marques qui respondront bien aux services qu’ils rendront, Mazarin an Robert de Gravel, Verdun, 16.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 540r); [j]’ay en mon particulier au plus haut point qu’il se peut, tous les sentiments que je dois de Vénération pour sa personne royalle par mes services et sa protection, Mazarin an Madame la Duchesse de Savoie, Paris, 6.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 171r). 404 Verschiedent­lich ist vor allem in Forschungen zu den Außenbeziehungen italienischer Staaten im frühen 17. Jahrhundert die Frage gestellt worden, inwiefern es hier sinnvoll ist, diese als Patronagebeziehungen zwischen Fürsten zu beschreiben, vgl. etwa Wieland, Fürsten, 20 f.; Spagnoletti, Principi italiani. 405 Vgl. Memorandum Ludwigs XIV. für Longueville und d’Avaux, Amiens, 8.6.1647, in: APW II, B, 5.2, 1444; Memorandum Longuevilles und d’Avaux’ für Ludwig XIV., Münster, 17.6.1647, in: APW II, B, 5.2, 1495. 406 Vgl. Maximilian von Bayern an Mazarin, München, 15.5.1647 (AMAE, CP, Bavière 1, fol. 356 f.). Von einer solchen komplementären Doppelbeziehung sprach auch Mazarin gegenüber Johann Philipp von Schönborn, vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 27.4.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 207v). Ebenso bezeugte Mazarin gegenüber Wilhelm von Fürstenberg, dass er seinen Herrn Max Heinrich für einen seiner eigenen meilleurs amis halte, vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Amiens, 18.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 437r).

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deshalb unentflechtbar, weil diese in verschiedenen Rollen, als Landesherren und als Klienten, gegenüber der französischen Krone auftreten konnten. 1670 wurde mit Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid ein Vertrag geschlossen, der diesen einerseits als Landesherrn und Bischof von Speyer im weitesten Sinne unter könig­liche Protektion im oben definierten Sinne stellte, zum anderen aber auch seine persön­lichen Interessen als Mainzer Domherr durch protection in Form einer großzügigen politischen und finanziellen Unterstützung seiner Wahl zum Koadjutor Johann Philipps von Schönborn befördern sollte 407. Die in der jüngeren Forschung geäußerte Annahme, dass das Friedenssicherungsprojekt der Rheinischen Allianz sich in ältere Schutztraditionen unter dem Vorzeichen könig­licher protection einordnete und sie gewissermaßen zu einem Höhepunkt führte, erscheint unter diesen Umständen auf den ersten Blick völlig plausibel 408. Dennoch ist hier eine gewisse Vorsicht geboten, denn rein semantisch findet sich im hier untersuchten Material kaum eine Beziehung der Rheinischen Allianz zum Begriffsfeld und zur Tradition der könig­lichen protection. Im Zusammenhang mit diesem Bündnis wurden viel eher abstrakte, „gemeinwohlbezogene“ Kategorien gebraucht. Man sprach davon, für repos und paix des Reiches verantwort­lich zu sein 409, und berief sich dabei auch immer wieder auf die constitution des Reiches, zu deren Aufrechterhaltung man sich verpf­lichtet sehe 410.

407 Vgl. „Copie du traité conclu et signé au nom du Roi par l’abbé de Gravel et par M. l’évêque de Spire en personne le quatrième de décembre 1670“, abgedruckt in: Braubach, Diplomatie, 78 ff. Die Tatsache, dass es sich um in Form von Verträgen formalisierte Absprachen handelte, muss, wie auch weiter unten gezeigt werden wird, keineswegs als Distinktionsmerkmal zu Klientelbeziehungen aufgefasst werden, da auch diese in schrift­lichen „Leistungsvereinbarungen“ fixiert werden konnten. 408 Vgl. etwa Tischer, Vorgeschichte, . 409 So etwa die Hervorhebung der ardente passion pour l’affermissement du repos de l’Allemagne des Königs in: Ludwig XIV. an Homburg und Robert de Gravel, Paris, 29.4.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 218v). Vgl. auch die Koppelung von Frieden, Freiheit und Freundschaft bei Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.11.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 395v). 410 Den Bezug auf die Wahrung der Reichsverfassung durch den Zusammehalt des Bündnisses hoben die französischen Gesandten regelmäßig hervor, vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 9.8.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 118r). Das Alter und die Ehrwürdigkeit der Reichsverfassung betonte der Sonnenkönig in antihabsburgischer Absicht gelegent­lich selbst, vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 11.1.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 23r). Dieses der Verfassung und den Alten Freiheiten gemäße Handeln konnte sogar gelegent­lich mit dem Begriffsfeld patriot/ patriotique verbunden werden, vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.12.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 304v).

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Die Beziehungen Frankreichs zu Kurfürsten und Fürsten im Rahmen der Rheinischen Allianz konnten zwar semantisch mit dem Freundschaftsbegriff beschrieben werden, nicht aber mit dem der Protektion. Der König versprach bei seinem 1658 vollzogenen Beitritt zur Rheinischen Allianz gegenüber dem Reich sowie seinen Körperschaften und Institutionen, als Bündnisleistung eine bona et stabil [is] amicitia auszuüben 411. Bezugspunkt dieser Beziehungen waren hier abstraktere, korporativ verfasste Akteure und übergreifende, gemeinwohlorientierte Prinzipien, nicht aber Schutzverpf­ lichtungen gegenüber einzelnen Fürsten bzw. deren Territorien und Bevölkerungen. Der Begriff der Protektion scheint dagegen auf personale und „territoriale“ Schutzbeziehungen gegenüber einzelnen Fürsten beschränkt geblieben zu sein. Um solche ungleichen Beziehungen zu bezeichnen, findet sich hier häufig die Begriffskoppelung amitié et protection. Solche Konzepte konnten aber auch und gerade Beziehungen zu einzelnen Fürsten beschreiben, die ebenfalls in den kollektiven Sicherheitsrahmen der Rheinallianz eingebunden waren 412. Dass die Einbindung in die Rheinische Allianz und mit dem Protektionsbegriff bezeichnete Beziehungen als zwei unterschied­liche Modi asymmetrischer Beziehungen betrachtet wurden, verdeut­lichen die Verhandlungen, die 1658 der neuburgische Kanzler Giese mit den französischen Gesandten Gramont und Lionne während des Frankfurter Wahltages führte. Er bestand darauf, dass der König zusätz­lich zur A ­ llianz eine individuelle protection seines Dienstherrn Philipp Wilhelm von Neuburg mit bedeutenden zusätz­lichen finanziellen Leistungen, die als Schuldentilgung getarnt werden sollten, zusagte 413. Bei anderer Gelegenheit konnten solche individuellen und kollektiven Modi asymmetrischer Beziehungen von französischer Seite gegeneinander ausgespielt werden. Dies war der Fall, als 1665 Lothar Friedrich von Metternich als Bischof von Speyer zum ersten Mal bei der französischen Krone um Gewährung von protection seiner Gebiete gegen Übergriffe des Pfälzer Kurfürsten nachsuchte 414. Robert de Gravel reagierte darauf zunächst skeptisch: Nicht nur war es ihm zufolge widersinnig, Protektionsverpf­lichtungen einzufordern, die sich auch gegen die französische Krone selbst richten konnten, sondern im Grunde auch überflüssig, solche 411 Erweiterung des „Ersten Rheinbundes“ um Frankreich, vgl 15.8.1658, in: Duchhardt/ Peters (Hrsg.): http://www.ieg-friedensvertraege.de [26.11.2011]. 412 Vgl. etwa Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 152v); Homburg an Servien, Frankfurt, 24.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 375r). 413 Le Duc s’estant declaré formellement qu’il ne fera jamais ce pas qu’avec deux conditions prealables, l’une d’estre asseuré de la garentie et protection de la France, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 18.8.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 298r). 414 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Saint-Germain-en-Laye, 19.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 97v). Rein recht­lich war dies mög­lich, da § 76 des Münsteraner Friedens dem Speyerer diese Mög­lichkeit zugestand, vgl. APW C, III, 1, 23.

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partikularen Verpflichtungen mit einem Fürsten einzugehen. Schließ­lich sicherte und garantierte die französische Krone ja den Westfälischen Frieden und beteiligte sich zu diesem Zweck ebenso wie der Speyerer Bischof an der Rheinischen Allianz 415. Dieser Verweis fungierte hier als ein Argument, um individualisierte und patronageartige Schutzansprüche, die sich auf könig­liche protection beriefen, explizit zurückzuweisen. Gravel wies aber im selben Zusammenhang auf die in diesem Falle mög­licherweise instrumentalisierbare Mehrdeutigkeit des Protektionsbegriffes hin: Würde man näm­ lich dem Speyerer Bischof für die Exklave Philippsburg eine könig­liche protection zugestehen, könnte dies eine spätere Eingliederung in den Herrschaftsverband der französischen Krone erheb­lich erleichtern 416. Insgesamt lässt sich also zeigen, dass die Schutz- und Garantieleistungen der französischen Krone gegenüber den Reichsständen nach 1648 zumindest nach den Befunden aus der diplomatischen Korrespondenz nicht an das ältere völkerrecht­liche Konzept der Protektion anknüpften, das Beziehungen zwischen der Krone und den Reichsständen in eine gewisse Nähe zu Patronagebeziehungen rückte. Stattdessen wurde in diesen Beziehungen eher von Kollektivakteuren und von gemeinwohlorien­ tierten Normen gesprochen, während der Protektionsbegriff durchaus im Kontext von Beziehungen zu einzelnen Fürsten in patronageartiger Bedeutung gebraucht werden konnte. Je nach Bezugspunkt bestand hier also eine stärker personale oder auf einzelne Territorien gerichtete Beziehungsmodalität, parallel zu einer stärker auf abstrakte Kollektivakteure gerichteten. Diese Doppelung von kollektiven und stärker personalen Beziehungen erschwert es für die hier untersuchten Beziehungen, eine Antwort auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach der Existenz von „Patronagebeziehungen zwischen Fürsten“ zu geben. Handelte es sich in den hier beschriebenen Beziehungen in den 1650erund 1660er-Jahren um eine solche Patronage zwischen Fürsten? Sicher ist, dass in enormem Maße französische Gelder und Subsidien flossen. Ebenso ist gezeigt worden, dass es zumindest partiell von französischer Seite Beschreibungsformen für derartige Beziehungen gab, die sich patronageartiger völkerrecht­licher Kategorien wie etwa jener der protection bedienten oder Beziehungen zu einzelnen Fürsten wie Patronagebeziehungen behandelten. Desgleichen bedeutete für Frankreich der Sicherheitsrahmen der Rheinischen Allianz trotz aller Betonung der Friedenspolitik in vielen Fällen auch „Zuarbeit“ im Rahmen europäischer Machtpolitik, auch wenn dies den Friedenserhaltungszielen der Allianz diametral widersprach. Ohnehin gab 415 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 2.7.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 71v). Diese Skepsis teilte auch der König, vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 2.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 164v). 416 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 2.7.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 72r). Ähn­liche Überlegungen stellte später auch Jacques de Gravel in Mainz an, vgl. Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 3.9.1668 (AMAE, CP, Mayence 9, fol. 246v).

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es bei aller friedens- und gemeinwohlorientierten Rhetorik stets eine unauflösbare Grundspannung zwischen friedenspolitischen Zielen und einem faktischen Verständnis von Bündnissen als klientelpolitischen Instanzen, die nach patronageartigen Regeln abliefen 417. Die Überlagerung bzw. der rasche Wechsel unterschied­ licher politischer Rollen des Königs, der verschiedenen Konstellationen, in denen er sich zum Reich und zu seinen Kurfürsten und Fürsten verhielt, macht es allerdings schwierig, von einer „Patronage zwischen Fürsten“ zu sprechen. Auf einer sachpolitischen Ebene waren die Reichsstände in einen sicherheitspolitischen Rahmen zur Erhaltung des Friedens, aber auch zum Schutz der territorialen Integrität des Reiches eingebunden. Sie entzogen sich französischen Ansprüchen auf klienteläre Gefolgschaft vor allem dann, wenn französische politische Interessen quer zu diesem politischen Rahmen standen. Hinter der Rheinischen Allianz standen sicherheitspolitische Intentionen, die den französischen Akteuren, welche das Bündnis als ein vom König getragenes Friedenserhaltungsprojekt verstanden, entgehen mussten. Die Rheinallianz war ein reichsständisches sicherheitspolitisches Projekt, das prinzipiell eine doppelte Eindämmung vorsah: einerseits die Einhegung der habsburgischen, vor allem der spanischen Gefährdungen des Friedens, andererseits aber eben auch implizit eine Beschränkung der französischen Machtpolitik. Auch auf der Ebene der Semantiken und Diskurse gab es seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts neben dem an traditionelle und individualisierte Schutzbeziehungen geknüpften Begriffsfeld amitié et protection verschiedene Begründungen für Beziehungen, die an die aus dem Westfälischen Frieden hervorgegangenen friedens- und ordnungspolitischen Verpf­lichtungen anknüpften. Diese Begründungen stützten sich auf im weitesten Sinne gemeinwohlorientierte makropolitische Normen und spielten in der politischen Sprache der französischen Korrespondenzen eine zunehmend von mikropolitischen Begründungsweisen autonome Rolle. Die Sicherheitsinteressen gegenüber den Habsburgern, in denen sich französische und reichsständische Interessen teilweise deckten und bei denen ein hohes Maß an Kooperation zu erwarten war, wurden aber wiederum von den Akteuren gar nicht als politische Patronage beschrieben. Genuin patronageförmige Begründungen von „Freundschaften“ zwischen Fürsten beschränkten sich zumeist auf individuelle Beziehungen der Krone zu einzelnen Fürsten. Dies hinderte die französische Krone nicht daran, immer wieder auf der Grundlage der Garantie des Westfälischen Friedens, der bis weit ins 18. Jahrhundert das zentrale Begründungsmuster für französische Interventionen im Alten Reich blieb 418, politische Kooperationen mit den Reichsständen zu suchen, die auf eine 417 Decker, Frankreich und die Reichsstände, 107. 418 Zur legitimatorischen Langlebigkeit der Garantiebestimmungen des Westfälischen Friedens vgl. Externbrink, Staatensystem und kulturelles Gedächtnis.

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faktische Klientelpolitik hinauslaufen konnten. Dennoch veränderte dies die politischen Rahmenbedingungen erheb­lich, da sich patronageartige Fürstenbeziehungen nun nicht mehr umstandslos von ihrem eigenen Normensystem her begründen ließen. Es standen nun vielmehr zwei unterschied­liche „Normensets“ zur Begründung von politischen Beziehungen zur Verfügung, die hybridisiert werden konnten, aber den Akteuren zugleich auch scharfe Grenzziehungen zwischen mikro- und makropolitischem Handeln ermög­lichten. Wie und in welchen Situationen diese Unterscheidung explizit hervorgehoben bzw. wo und unter welchen Umständen sie durch die Akteure unterlaufen wurde, soll in einem späteren Kapitel eingehender untersucht werden. Festgehalten werden kann jedoch, dass die hier untersuchten Beziehungen aufgrund gegensätz­licher politischer Interessen, aber auch der Überlagerung makro- und mikropolitischer Normenorientierungen nicht eindeutig im Rahmen eines impliziten Klientelverhältnisses betrachtet werden können. 2.2.4 Rang, Status und Zeremoniell zwischen Souveränität und Reichspolitik 2.2.4.1 Distinktion, Ordnung, Verfahren – Grundlagen symbolischer Kommunikation Niklas Luhmann hat die stratifizierte Gesellschaft als dominanten Differenzierungstyp vormoderner Gesellschaften und damit auch und gerade der alteuropäischen ständischen Gesellschaft bestimmt. Gesellschaft lässt sich demnach nur denken, „wenn die Gesellschaft als Rangordnung repräsentiert wird und Ordnung ohne Rangdifferenzen unvorstellbar geworden ist“419. Rang, Ehre und Distinktion bildeten die Grundfeiler der ständischen Gesellschaft des früh- und vormodernen Europa 420. Diese mussten durch Praktiken symbolischer Kommunikation stets neu hergestellt werden 421. Was bedeutet in diesem Zusammenhang symbolische Kommunikation? Der Begriff der symbolischen Kommunikation kann einerseits prinzipiell abgegrenzt werden von diskursiv-abstrakter Kommunikation, die auf Verständigung ausgerichtet ist, sowie andererseits von instrumentellem Handeln 422. Bezogen auf den Untersuchungszeitraum, konnten symbolische Handlungselemente in politische und recht­liche 419 Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, 679. 420 Vgl. zur Ständegesellschaft Schulze, Die ständische Gesellschaft. 421 Füssel/Weller, Einleitung. 422 Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation.

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Verfahren integriert werden und so verschiedene Funktionen der Repräsentation politischer Körperschaften wahrnehmen. Sie erfüllten Funktionen der performativen Herstellung von hierarchisch gedachter politischer Ordnung und Wirk­lichkeit sowie der kommunikativen Vermittlung von Konsens und Entscheidung durch symbolische Teilhabe der beteiligten Akteure, d. h. durch eine „unbezahlte zeremonielle Mehrarbeit“423. Die „Leistung“ symbolischer Kommunikation bestand hierbei vor allem darin, dass sie zum einen politische Wirk­lichkeit zeichenhaft verdichten und so „sinnfällig“ machen, aber zugleich auch deshalb eine integrative Wirkung entfalten konnte, weil sie Räume für Ambiguität und Deutungsoffenheit schuf und sogar einen latenten Dissens zwischen den Akteuren mitkommunizieren konnte 424. Als Musterbeispiel für regelhafte symbolische Kommunikation kann das diplo­ matische Zeremoniell betrachtet werden 425. Das Zeremoniell ist dabei jener Ort, an dem nicht weniger als der politisch-soziale Status – die politische „Identität“ – eines Herrschaftsträgers ausgehandelt wurde. Beide waren letzt­lich nicht trennbar von ihrer symbolischen Dar- und Herstellung im Zeremoniell 426. Letzteres kann daher nicht mehr, wie bisweilen in der älteren Literatur geschehen, im Gegensatz zur „eigent­lichen“ Politik als barocke Abstrusität abgetan werden 427. Neuere Forschungen zeigen vielmehr eindring­lich, dass das Zeremoniell nicht ein Randgebiet, sondern vielmehr zentraler Bestandteil des Politischen war 428. Eine Grundbedingung symbolischer Kommunikation zwischen politischen Akteuren in der Frühmoderne ist gerade das grundsätz­liche Fehlen einer scharfen Differenzierung politischer und sozialer Normensysteme mit jeweils eigenen Ordnungsprinzipien. Die Kommunikation von politischem Status koppelte sich daher an symbolisch-performative Ausdrucksformen und eine prinzipiell hierarchische Vorstellung gesellschaft­licher Ordnung. Gerade das verlieh jedoch Konflikten um symbolische Kommunikation in komplex strukturierten politischen Räumen wie dem Alten Reich eine enorme Bedeutung und ein gewaltiges Konfliktpotenzial 429. 423 Stollberg-Rilinger, Einleitung, 14. Zu Performativitätskonzepten in der neueren Kulturgeschichte vgl. Martschukat/Patzoldt, Geschichtswissenschaft und „performative turn“. 424 Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, 499 f. Vgl. auch Schlögl, Symbole in der Kommunikation. 425 Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation; dies., Einleitung, 23. 426 Krischer, Souveränität als sozialer Status. 427 Reiser, Adeliges Stadtleben, 169 ff., der die Relevanz, die Reichstagsgesandte symbolischem Handeln zusprachen, psychologisch zu deuten versucht. 428 Vgl. Krischer, Reichsstädte; May, Zeremoniell in vergleichender Perspektive. Bereits in den 1970er-Jahren Roosen, Early Modern Diplomatic Ceremonial. 429 „Überaus kennzeichnend für die Reichsverfassung ist weiter, daß soziale und politische Ordnung noch nicht voneinander getrennt waren. Eine soziale, ständische, korporative oder dynastische Rationalität war handlungsleitend für die Reichsglieder. Die

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Es war noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein üb­lich, auch Außenbeziehungen als Interaktionen personal vorgestellter Akteure in einer „Fürstengesellschaft“ zu beschreiben 430. Ungleichheit zwischen Herrschaftsträgern und ihren Gesandten wurde als strukturbildendes Element verstanden, das nicht zuletzt die französische Krone im Vorfeld der Friedensverhandlungen in Münster auch erhalten wissen wollte. Den Vorschlag, alle Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress zu egalisieren, wies man in Paris jedenfalls entsetzt zurück 431. Sicher trug der Westfälische Frieden auch zum Ende des hierarchisch strukturierten Respublicachristiana-Modells bei, das Europas Fürsten in einem Ordnungssystem eingegliedert hatte, an dessen Spitze Papst und Kaiser standen. Allerdings blieb das Verhältnis zu solchen Ordnungsvorstellungen auch nach dem Westfä­lischen Frieden ambivalent. Während einerseits „Universalmonarchie“ zunehmend zum Kampfbegriff in den Auseinandersetzungen der europäischen Mächte des 17. Jahrhunderts wurde 432, bestanden andererseits universalistische und hierarchische Ordnungsvorstellungen in den Außenbeziehungen der Frühen Neuzeit auch über das Jahr 1648 hinaus fort 433. Ebenso konnten immer noch traditionelle Konflikte um den hierarchischen Rang in der Fürstengesellschaft – wie etwa der spanisch-französische Präzedenzkonflikt 1661 im Estrades-Watteville-­Streit – so weit eskalieren, dass die Parteien an den Rand einer kriegerischen Auseinandersetzung gerieten 434. Ein um Rang und Präzedenz kreisendes ­Ordnungsdenken, das politische Interaktionen strukturierte, jedoch Beziehungen zwischen ihnen waren nicht anonym und abstrakt wie die der Funktionsträger in (idealtypischen) bürokratischen Organisationen, sondern sie beruhten noch weitgehend auf persön­licher Interaktion, Verwandtschaft, Patronage usw. Persön­liche, dynastische oder korporative Ehre, ‚splendeur‘, ;lustre‘ […] waren die Fluchtpunkte des Handelns“, Stollberg-Rilinger, Zeremonielle Inszenierung des Reiches, 244 f. 430 Bély, Société des princes. 431 Vgl. die entsetzte Reaktion von Anne d’Autriche auf einen entsprechenden Vorschlag des französischen Kongressgesandten d’Avaux: je ne conçois pas comment vous pouvés estre d’advis d’accorder aux Ambassadeurs de tous les Princes qui seront à Munster la conduitte et les tilters qui n’ont esté défféréz qu’aux testes courronnées, Anne d’Autriche an d’Avaux und Servien, Paris, 16.4.1644 (APW II, B, 1, 83). Die Königin bezog sich auf d’Avaux’ Anfrage, ob nicht allen auf dem Kongress eintreffenden Gesandten aus Gründen der Verfahrenserleichterung der gleiche Rang zugestanden werden sollte, vgl. D’Avaux an Anne d’Autriche, Münster, 1.4.1648 (APW II, B, 1, 33). 432 Zum Konzept und zur Problematik der Universalmonarchie im 17. Jahrhundert vgl. auch Bosbach, Monarchia universalis. 433 Vgl. etwa Burkhardt, Die entgipfelte Pyramide. 434 Vgl. zum spanisch-französischen Präzedenzkonflikt Rohrschneider, Das französische Präzedenzstreben, sowie jetzt mit erheb­lich größerem Weitblick Weller, Trés chrétien oder católico?

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auch mit enormem Konfliktpotenzial verbunden war, blieb also auch nach dem Westfä­lischen Frieden bestehen 435. Nach 1648 löste zwar in der Tat das System souveräner Potentaten das unübersehbare Geflecht hierarchisch gestufter Herrschaftspartizipation allmäh­lich ab 436. Das Ordnungsprinzip verschob sich also tendenziell von einer durch Rang und Hierarchie strukturierten Stufenfolge hin zu einer In- bzw. Exklusion durch den Souveränitätsstatus einzelner Akteure. Dieser Souveränitätsstatus musste allerdings weiterhin durch performative und symbolische Akte und Verfahren repräsentiert und hergestellt werden. Gerade für Akteure mit niederem oder uneindeutigem Status, die eben nicht ohne Weiteres als souverän betrachtet werden konnten, war der symbolisch vermittelte Anspruch auf Souveränität das entscheidende Kriterium für den Einschluss in den Kreis der gleichberechtigten Herrschaftsträger 437. Auch wenn einige Akteure aufwendige symbolische Inszenierungen ihres völker­ recht­lichen Status betrieben 438, definierte sich der Souveränitätsstatus eines Akteurs in der Regel über ein einfaches Set symbolischer Kommunikationscodes unter Diplomaten. Es handelte sich um ein konventionalisiertes, weitgehend arbiträres Zeichensystem, das sich um drei hauptsäch­liche Codeelemente herum gruppierte: das Gewähren der „rechten Hand“, die Ableistung der ersten Visiten sowie die Beanspruchung des Exzellenztitels 439. Wie sehr der Souveränitätsstatus durch die Anerkennung und Zuweisung von symbolisch dargestelltem Status durch eindeutig souveräne Akteure abhängig blieb, zeigt gerade das Beispiel der Kurfürsten des Alten Reiches auf den europäischen Friedenskongressen des 17. Jahrhunderts besonders deut­lich. Die Zuweisung des Exzellenztitels an die kurfürst­lichen Prinzipalgesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress konnte durchaus als Element eines „Souveräntitätscodes“ und 435 Entgegen der relativierenden Tendenz bei Schnettger, Rang, Zeremoniell, stellt May, Zeremoniell in vergleichender Perspektive, 273, klar, dass gerade die Vermeidung von Zeremonialkonflikten „nicht die Bedeutung des Zeremoniells“ infrage stellte, „sondern [sie] unterstrich sie vielmehr. Gerade die Tatsache, dass man Verhandlungsverzögerungen fürchtete, zeigt, dass Zeremoniell ein Schlüssel für die Verhandlungen als solches blieb“. 436 Krischer, Reichsstädte, 26. 437 Krischer, Reichsstädte, 27. Vgl. für die symbolische Darstellung republikanischer Souveränität am eidgenössischen Beispiel Maissen, Geburt der Republic. 438 So warteten die niederländischen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress 1645 mit ihrem Einzug so lange, bis die Titulaturfragen letztgültig geklärt waren, um dann aber mit einem besonders prächtigen Einzug in einer geschlossenen Kutsche auch in dieser zeremoniellen Form ihren Status als gleichwertige europäische Mächte darzustellen, vgl. Stiglic, Ganz Münster, 116 ff. 439 Krischer, Souveränität, 8.

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somit als faktische Anerkennung kurfürst­licher Souveränitätsansprüche gedeutet werden 440. Die Beschränkung des Titels auf die kurfürst­lichen Prinzipalgesandten schuf aber Differenzierungen und Spielraum für Ambivalenzen, was eine langfristige symbolische Vereindeutigung kurfürst­licher Souveränität erschwerte 441. Dies wurde deut­lich, als den kurfürst­lichen Gesandten auf den Friedenskongressen von Nimwegen 1674 – 1679 und Ryswyk 1697/98 eine Zuerkennung des „königsgleichen Tractaments“ eindeutig verweigert wurde. Barbara Stollberg-Rilinger hat gezeigt, dass diese symbolische Nichtanerkennung von Status ein wesent­licher Bestandteil der Vorgeschichte des preußischen Königtums war. Sie veranlasste den Kurfürsten von Brandenburg, infolge solcher Statuszurücksetzungen auf Friedenskongressen die Königskrone als das einzige Mittel zur Erlangung einer gesicherten Anerkennung von Souveränität anzustreben 442. Die zeremonielle Anerkennung der Kurfürsten als gleichberechtigte Akteure in den Außenbeziehungen blieb auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fragil und uneindeutig. Im selben Zeitraum nahm aber die Dichte der tatsäch­lichen Interaktionen durch die verstärkte Aktivität der französischen Reichspolitik und den Ausbau diplomatischer Aktivität der Reichsfürsten erheb­lich zu. Besonderen Spielraum für Komplikationen, aber auch für das Ausspielen und Aufrechterhalten von Ambivalenzen und die pragmatische Anpassung an zeremonielle Verfahren bot dabei die Tatsache, dass französische Gesandte verschiedenen Ranges innerhalb von Institutionen des Reiches, etwa den Reichstagen, auf Fürsten, Kurfürsten und deren Gesandte trafen. Gerade der Reichstag sollte seine eigene zeremonielle Logik beibehalten, die sich mit europäischen Entwicklungen nicht zur Deckung bringen ließ. Reichstage boten daher den Kurfürsten keinen Rahmen, um ihre auf europäischer Ebene gewonnenen Statusansprüche vor Kaiser und Reich darzustellen 443. Im Kontext der vorliegenden Studie stellt sich dann aber die Frage, ob und wie sich französische Gesandte als Vertreter eines souveränen Herrschers bei den Institutionen des Alten Reiches präsentieren konnten. In welchem Umfang und auf welche Weise konnten französische Gesandte den spezifisch reichsständischen Repräsentationsmodi mit ihren eigenen Logiken Rechnung tragen? Inwieweit konnten und wollten die französischen Gesandten unter diesen Bedingungen den souveränen Status ihres Oberherren ausspielen?

440 Christ, Exzellenz-Titel. 441 Vgl. Becker, Kurfürstenrat, 169 ff. 442 Stollberg-Rilinger, Honores regii. 443 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 161 f. So trat als kaiser­licher Geschäftsträger ein Prinzipalkommissar auf, der den Kaiser dezidiert als Lehnsherrn vertrat. Zur Rolle des Prinzipalkommissars vgl. Fürnrohr, Vertreter des habsburgischen Kaisertums.

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Zur Beantwortung dieser Fragen sollen im Folgenden zunächst die französische Vertretung auf dem Regensburger Reichstag durch Robert de Gravel sowie anschließend die französische Ambassade von Gramont und Lionne auf dem Frankfurter Wahltag von 1657/58 unter der Perspektive symbolischer Kommunikationsformen in den Blick genommen werden. 2.2.4.2 Député plénipotentiaire – Robert de Gravel als Vertreter der französischen Krone auf dem Regensburger Reichstag Robert de Gravel war bereits seit 1656 als französischer Resident bei der Reichs­ deputation vertreten. Aussagen zur Gestaltung des Zeremoniells oder zum Status der französischen Gesandten im Vergleich zu ihren Kollegen finden sich jedoch weder in der zeitgenössischen diplomatischen Korrespondenz noch in den Denkschriften, welche in den Archiven des Außenministeriums lagern. Überlegungen in diese Richtung stellten die französischen Diplomaten erst im Vorfeld der sich seit dem Frühjahr 1662 ankündigenden Einberufung des Regensburger Reichstages an. Zunächst blieb dabei die Frage offen, welchen Rang der französische Reichstagsgesandte einnehmen sollte und welchen Status die französische Krone der dort anwesenden Gesamtheit der Stände zuweisen wollte 444. Zeitweise war geplant, den Duc de Vitry im Rang eines Ambassadoren und damit in der höchsten, für die Entsendung zu souveränen Akteuren reservierten Gesandtenklasse auf den Reichstag zu schicken 445. Allerdings sollte dies erst nach einer schließ­lich abgesagten Triumphreise des Königs durch das Elsass geschehen 446. In der Zwischenzeit sollte Robert de Gravel die französische Krone am Reichstag vertreten und dort in dem von ihm selbst gewählten Rang eines député plénipotentiaire auftreten 447. Dies war 444 Generell ist wenig über ausländische Reichstagsgesandte und deren Status auf den Reichstagen bekannt. Vgl. zum 18. Jahrhundert Schütz, Gesandtschaft Großbritanniens, 164 ff., und zum 16. Jahrhundert die Bemerkungen bei Aulinger, Bild des Reichstages, 143 ff. 445 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 22.4.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 126r). 446 Vgl. zu diesen Umständen Auerbach, La France et le Saint Empire, 77. 447 Mit der Geschichte und der weiteren Zweckmäßigkeit des Titels setzte sich ein internes Memorandum in den Archiven des Außenministeriums aus den 1750er-Jahren auseinander, vgl. „Sur la vue de donner au Président Ogier le titre de Plénipore. du Roy en l’envoyant en Allemagne pour résider de la part de Sa Majté. auprès de la diette g nale. des électeurs, Princes et etats de l’Empire“ (AMAE, MD, Allemagne 65, fol. 459r ff.). Der Vorschlag für eine „Kompromisstitulatur“ zur Vermeidung von Zeremonialschwierigkeiten war zunächst von Gravel selbst gekommen, vgl. Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 9.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 265r).

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zunächst nur als eine provisorische Rangbezeichnung gedacht. Der Gedanke, später einmal eine ambassade solemnelle auf den Reichstag zu schicken, wurde zunächst keineswegs grundsätz­lich verworfen 448. Die Anreise Gravels sollte sich indes noch bis zum Sommer 1663 verzögern. Zu diesem Zeitpunkt war aber von der Entsendung einer ambassade an den Reichstag keine Rede mehr. Dass der französische Reichstagsgesandte eine Charge innehatte, die später Gefahr lief, sich als Muster ohne Wert zu erweisen, stellte für die Krone im untersuchten Zeitraum zunächst kein größeres Problem dar. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, als das Verhältnis der Krone zu den Reichsständen zunehmend angespannter wurde 449, erwies sich das auf Dauer gestellte Provisorium des député plénipoteniaire als zunehmend fragwürdig, sodass man am französischen Hof über einen neuen Titel für den Reichstagsgesandten nachzudenken begann 450. Die französische Krone erhob nach der Etablierung ihres ständigen Residenten auf dem Regensburger Reichstag keine zeremoniellen Statusansprüche, die auf den eindeutig souveränen Status der französischen Krone verwiesen. Robert de Gravel wählte vielmehr eine Lösung, die der zeremoniellen Logik der Reichsinstitutionen entsprach: Er kooptierte trotz der Tatsache, dass die Kurfürsten ihren europäischen Statusgewinn auf dem Reichstag nicht kommunizieren konnten, den Rang und das tractament seiner kurfürst­lichen Kollegen. Dass die Kurfürsten bzw. ihre Gesandten bisweilen selbst den Ambassadorentitel für ihre Reichstagsgesandten in Anspruch nahmen, wurde von französischer Seite keineswegs offen zurückgewiesen. Robert de Gravel konstatierte später, dass es mög­lich sei, seine kurfürst­lichen Kollegen entweder ledig­lich als Deputierte oder als Ambassadoren zu bezeichnen 451. Auf exakten Statusunterscheidungen beharrten die französischen Diplomaten vor allem, wie weiter unten noch darzustellen sein wird, in Konfliktfällen, in denen ihr eigener Status gegenüber den Gesandten bzw. den Prinzipalkommissaren zur Disposition stand. Interessanterweise konnten solche Unterscheidungen aber auch im Rahmen interner Debatten zwischen französischen Gesandten und ihren Prinzipalen besonders 448 Auch als der König seine Elsassreise bereits zu den Akten gelegt hatte und die künst­ liche Verzögerung einer Abreise Vitrys nichtig geworden war, hieß es, dass manche mög­lichen Verhandlungsmaterien erst nach der Ankunft einer ambassade in Angriff genommen werden könnten; vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-enLaye, 12.8.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 250r). 449 Vgl. hierzu Ulbert, Der Reichstag. 450 „Sur la vue de donner au Président Ogier le titre de Plénipore. du Roy en l’envoyant en Allemagne pour résider de la part de Sa Majté. auprès de la diette gnale. des électeurs, Princes et etats de l’Empire“ (AMAE, MD, Allemagne 65, fol. 459r ff.). AMAE, MD, Allemagne 38, fol. 462r. 451 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 23.12.1666 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 105v).

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stark betont werden. Im Vorfeld der Beschickung des Reichstages 1662 erklärte etwa der Außenstaatssekretär Lionne dem nach Paris gereisten Bruder Robert de Gravels, Jacques, die kurfürst­lichen Reichstagsgesandten könnten niemals den Rang eines ambassadeur beanspruchen. Lionne ging es hier aber offenbar weniger darum, kurfürst­liche Statusansprüche zurückzuweisen. Er zielte vielmehr auf die klienteläre Agenda der Brüder Gravel: Jacques de Gravel hatte näm­lich versucht, bei Lionne zu intervenieren, um seinem zum Reichstag entsandten Bruder den Titel eines ambassadeur zu verschaffen, indem er behauptete, als député plénipotentiaire müsse Robert mög­licherweise einigen selbsternannten kurfürst­lichen Ambassadoren den Vortritt lassen. Lionne kanzelte den jüngeren Gravel mit einer entsprechenden Klarstellung ab 452. Robert de Gravel sollte sich in Regensburg darauf beschränken, von seinen reichsständischen Kollegen und schließ­lich vom Kaiser genau wie ein kurfürst­ licher Gesandter behandelt zu werden. Dies verwies ihn aber umso mehr an die Praxis symbo­lischer Kommunikation auf dem Reichstag. Etwaige Unklarheiten über den Rang des französischen Gesandten lösten sich rasch auf, als Gravel kurze Zeit nach seinem Eintreffen bei einem Empfang des Prinzipalkommissars Guidobald von Thun einen Ehrenplatz am Kopf der Tafel der kurfürst­lichen Gesandten erhielt 453. Während man gegenüber den kurfürst­lichen Gesandten auf zeremonieller Parität insistierte, sollte gegenüber den Emissären der Fürsten die Höherrangigkeit des franzö­sischen Gesandten ausgespielt werden. Die Erlangung eines solchen tractaments konnte Gravel bald als eine erfolgreiche Durchsetzung seiner Statusansprüche an den Hof melden 454. Allerdings weigerte sich im Januar 1664 der in Regensburg anwesende Kaiser Leopold zunächst, Gravels Ansprüche auf Parität mit den Kurfürsten bei dessen erster Audienz anzuerkennen. Gravel erhielt ledig­lich den Empfang eines fürst­ lichen Gesandten. Daraufhin gelang es ihm aber mit der energischen Unterstützung Johann Philipps von Schönborn, eine Wiederholung der Zeremonie durchzusetzen. Diese fand schließ­lich gewissermaßen reichstagsöffent­lich in Anwesenheit

452 Jacques de Gravel an Robert de Gravel, Paris, 17.6.1662 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 33v, 34r). 453 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 30.8.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 178v). Dieses Ereignis betrachteten auch die Zeremonialtraktate des 18. Jahrhunderts als Grundlegung der Anerkennung der zeremoniellen Parität der französischen Gesandten, vgl. „Sur la vue de donner au Président Ogier le titre de Plénipore. du Roy en l’envoyant en Allemagne pour résider de la part de Sa Majté. auprès de la diette gnale. des électeurs, Princes et etats de l’Empire“ (AMAE, MD, Allemagne 38, fol. 460r). 454 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 28.4.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 297r).

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zahlreicher Fürsten und Reichstagsgesandten statt und bestätigte nunmehr Gravels Paritätsansprüche 455. Zeremonialstreitigkeiten mit Fürsten und ihren Vertretern blieben sowohl am Reichstag als auch an den Fürstenhöfen des Reiches während des untersuchten Zeitraumes ein eher seltenes Phänomen. Außenstaatssekretär Lionne vermerkte in einem Schreiben an Gravel, dass es im Vergleich zu den Rangstreitereien, denen sich französische Gesandte an italienischen Höfen aussetzen müssten, im Alten Reich glück­licherweise angenehm wenige solche Konflikte gebe 456. Die Kooptierung des kurfürst­lichen Ranges durch französische Gesandte bei den Reichsinstitutionen blieb in den folgenden Jahrzehnten eine stabile Grundlage der französischen Vertretung im Reich. Dies sollte sich erst im 18. Jahrhundert grundsätz­lich ändern. Besonders ab den 1720er-Jahren sahen sich französische Gesandte auf dem Regensburger Reichstag immer stärker infrage gestellt, sodass auch die französischen Reichstagsgesandten ihr bisheriges tractament zu verlieren drohten 457. Die Diskrepanz zwischen dem eindeutigen französischen Souveränitätsstatus und den außerhalb des Reiches im Verlauf des 17. Jahrhunderts statustechnisch immer stärker marginalisierten Kurfürsten fand ihr Gegenstück in der immer deut­licheren Definition des Reichstages als eines zeremoniellen Raumes, der von den zwischenstaat­lichen „Normalfällen“ auf der europäischen Ebene abgekoppelt war 458. Als angesichts der Akkumulation von Königskronen durch mehrere Kurfürsten zu Beginn des 18. Jahrhunderts – Sachsen, Brandenburg-Preußen und Hannover – weitere Präzedenzstreitigkeiten drohten, stellte das Reichstagsdirektorium ausdrück­lich fest, dass die Anwesenheit von Vertretern gekrönter Häupter weder die kurfürst­liche Präeminenz noch die zeremoniellen Hierarchien innerhalb des Kurkollegs infrage stellten 459. Diese Regelung wurde bis zum Ende des Alten ­Reiches immer wieder bekräftigt 460. 455 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 18v und 19r). 456 Lionne an Robert de Gravel, Paris, 29.6.1670 (AMAE, CP, Allemagne 256, fol. 75v). 457 „Sur la vue de donner au Président Ogier le titre de Plénipore. du Roy en l’envoyant en Allemagne pour résider de la part de Sa Majté. auprès de la diette gnale. des électeurs, Princes et etats de l’Empire“ (AMAE, MD, Allemagne 38, fol. 462v). 458 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 266 f. 459 Vgl. etwa „Extractus Protocolli Collegii Electoralis, den 17ten Julii 1715“ (HHStA, MEA, Reichstagsakten 590, pars 1 [unfoliiert]). Hier wurde zugleich auf ältere Regelungen, näm­lich dasjenige, was zu erhaltung der churfürstl. Prerogation vorhin anno 1702 bereits verg­lichen wurde, verwiesen. 460 Der ausführende Reichstagsdirektor Lincker rügte etwa 1763 ausdrück­lich die Gesandten Hannovers, die als Vertreter des eng­lischen Königs Sonderrechte einforderten, sie

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1716 sollte man gegenüber dem nach längerem kriegsbedingten Fehlen einer französischen Vertretung in Regensburg frisch ernannten französischen Reichstagsgesandten Jacques-Vincent Languet, Comte de Gergy bewusst die auf der europäischen Bühne üb­lich gewordenen Verhältnisse umkehren 461. Das inzwischen mehr­ heit­lich frankreichfeind­liche Kurkolleg forderte, Gergy müsste also den König als ambassadeur vertreten, um von den kurfürst­lichen Gesandten weiterhin gleichrangig behandelt zu werden. Denn der Kaiser, so die Begründung, habe den Kurfürsten ihr Recht auf Botschafter bestätigt 462. Frankreich verweigerte dieses Zugeständnis und entschloss sich, seine Gesandten als ministres ohne Vollmacht in Regensburg auftreten zu lassen. Sie wurden in den folgenden Jahrzehnten zeremoniell zumeist auf das Abstatten und Empfangen von „Höf­lichkeiten“ verpf­lichtet 463. Parellell dazu versuchte man jedoch, ihre einstigen faktischen zeremoniellen Vorrechte wiederherzustellen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme, dass die meisten Außenstehenden die Bedeutung des Zeremoniells und seine Eigenlogik auf dem Reichstag nicht mehr hätten nachvollziehen können oder wollen, zumindest für die zuständigen Mitarbeiter des Außenstaatssekretariats im 18. Jahrhundert als unzutreffend 464. Im Vergleich zu ihren Vorgängern im 17. Jahrhundert sahen sich die commis im Außenstaatssekretariat nun veranlasst, detaillierte Expertisen zu erstellen. Dabei nutzten sie nicht nur die reichhaltige Dokumentation aus der politischen Korrespondenz in den Archiven des Außenministeriums. Ihre Memoranden bedienten sich auch der deutschen Zeremonialrechtsliteratur, um den französischen Sonderstatus auf dem Reichstag zu rechtfertigen 465. Inwiefern diese Memoranden allerdings in

unterhöhlten unnötigerweise die kurfürst­liche Vorrangstellung, die ihnen doch per se bereits zeremonielle Höchstrangigkeit einräumte. Sie könnten so auch reichsfürst­liche Gesandte, deren Prinzipalen Kronen trugen bzw. bald tragen würden, zu vermessenen Forderungen aufstacheln. Vgl. Lincker an Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim, Regensburg, 30.8.1763 (HHStA, MEA, Reichstagsakten 590, pars 1 [unfoliiert]). 461 Zur Person Gergys vgl. Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, 446 f. 462 Vgl. zu diesem Konflikt Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, 104 ff. 463 Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de La Noue allant à Ratisbonne en qualité de ministre du Roi près de l’Empire, Versailles, 1.5.1738, in: Recueil des Instructions XVIII, 187. 464 „Für Außenstehende war das Dickicht der Zeremonialkonflikte undurchdring­lich und ihre zwingende Logik unverständ­lich“, Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 263. 465 Vgl. etwa „Mémoire sur les abus introduits dans le ceremonial tant aux diettes d’election qu’aux Diettes de l’Empire et sur la manière dont ils peuvent et doivent estre reformés“ (AMAE, MD, Allemagne 65, fol. 136r ff.). Französische Reichstagsgesandte des 18. Jahrhunderts wurden darüber hinaus explizit mit der Beschaffung derartiger Informationen betraut, vgl. „Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de La Noue allant

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Informationen für die Gesandten und ihre Prinzipalen transformiert und nutzbar gemacht wurden, bedürfte eigener Untersuchungen. Die Memoranden wiesen zwar auf die Differenz zwischen französischer Souveränität und den in völkerrecht­licher Perspektive eindeutig nachrangigen kurfürst­ lichen Statusansprüchen hin 466. Diese Argumente konnten jedoch nur indirekt und in defensiver Absicht verwendet werden. Der Reichstag behielt ein eigenes zeremonielles Profil. Die Regeln der „europäischen Bühne“ galten hier nur bedingt. Französische Gesandte konnten keinen Status erlangen, der diese Verhältnisse widerspiegelte. Sie argumentierten aber mit diesem Status, um für die Aufrechterhaltung der zuerst von Robert de Gravel erlangten Kooptierung des kurfürst­lichen Status durch den französischen Reichstagsgesandten und gegen die Rückstufung auf den Fürstenrang zu kämpfen. Diese Auseinandersetzungen bedeuteten aber gerade nicht, dass es zu jedem Zeitpunkt die klare Priorität französischer Gesandter gewesen wäre, die Rückstufung auf den Status eines Reichsfürsten zu vermeiden. Zuweilen setzten sie sich sogar genau dafür ein! Zwar war Frankreich auf dem Westfä­lischen Frieden im Gegensatz zur schwedischen Krone die Reichsstandschaft für die elsässischen Gebiete, die das Haus Habsburg abtrat, verweigert worden, sodass man die Rechte des Kaisers im Elsass, nicht aber dessen Sitz und Stimme auf dem Reichstag übernahm. Dem waren in Münster aber harte Auseinandersetzungen vorausgegangen, an deren Ende die Franzosen eher unschlüssig für territoriale Souveränitätsrechte in den ehemals habsburgischen Gebieten optierten 467. Uneingeschränkt glück­lich waren Mazarin und die französischen Gesandten mit dieser Lösung näm­lich nicht: Die Eingliederung eines Gebietes in einen Herrschaftsverband unter dem Vorzeichen der Souveränität mochte zwar Vorteile für den Prozess der territorialen Integration vor Ort mit sich bringen, für spätere reichspolitische Initiativen von französischer Seite stellte sie aber eher ein Hemmnis dar. Bereits 1646, als die Materie noch verhandelt wurde, hatten die französischen Gesandten in Münster in einem Gutachten die Ansicht geäußert, dass der König als Reichsstand viel leichter Bündnisse mit Reichsständen schließen könne, da sich so ein eventuelles Misstrauen gegenüber der französischen à Ratisbonne en qualité de ministre du Roi près de l’Empire“, Versailles, 1.5.1738, in: Recueil des Instructions XVIII, 190. 466 „Mémoire sur les abus introduits dans le ceremonial tant aux diettes d’election qu’aux Diettes de l’Empire et sur la manière dont ils peuvent et doivent estre reformés“ (AMAE, MD, Allemagne 65, fol. 139r). 467 Vgl. Tischer, Französische Politik, 260 ff. Dass die Rechtstitel im Elsass aber ohne die Koppelung an die Reichsstandschaft kaum etwas aussagten und man letzt­lich fast gezwungen war, für eine souveräne Übernahme des Elsass zu optieren, zeigt Matz, Das Elsass, 87.

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Krone erheb­lich leichter reduzieren lasse 468. Vor allem aber war es die Frage einer mög­lichen französischen Kaiserwahl, die dafür sorgte, dass das Projekt einer französischen Reichsstandschaft in verschiedener Form von französischen Diplomaten im Reich auch nach 1648 gelegent­lich neu lanciert wurde 469. Aber auch im Laufe der 1660er-Jahre spielte die Frage einer französischen Reichsstandschaft immer wieder eine Rolle. Sie stellte sich etwa erneut 1662 im Vorfeld des zu gewärtigenden Reichstages. Ludwig XIV. beauftragte Gravel damit, zu sondieren, ob er mög­licherweise nach dem Erwerb des Herzogtums Lothringen doch als Reichsfürst auf dem Reichstag zugelassen werden könnte 470. Zeremonielle Folgeprobleme und die Gefahr einer mög­lichen Rückstufung eigener Gesandter scheinen für die Krone hierbei zweitrangig gewesen zu sein 471. 1669 erschien der Plan einer Reichsstandschaft des Königs – nun über den reichsrecht­lichen Status eines Landgrafen – erneut auf der französischen Agenda. Dafür war man sogar bereit, den Kaiser als Lehnsherren anzuerkennen 472. Bei dieser Entscheidung dürften die Allianzverhandlungen mit Bayern, bei denen noch einmal von einer Kandidatur Ludwigs XIV. für eine mög­liche Kaiserwahl zusammen mit einem römischen König aus dem Hause Wittelsbach die Rede war, eine wichtige Rolle gespielt haben 473. Der französische König hätte so das Kriterium 468 Il y auroit plus de seurete à l’acquisition si l’Alsace est tenue en fief, car de cette sorte l’interest du Roy sera mesle avec l’interest commun de tous les princes et estats de l’Empire, […] si le Roy est souverain en ce pais-là, il sera suspect à tous les voisins, princese, comtes et villes d’Empire. S’il y est en qualité de landgrave d’Alsace, il sera respectée et aymé par eux tous, [Memorandum über Vor- und Nachteile einer Übertragung des Elsass zu Lehen und zu souveränem Besitz], 9.7.1646 (APW II, B, 4, 189). Es handelte sich allerdings nur um eine Überlegung, welche die auch in dieser Frage zerstrittene französische Gesandtschaft vorlegte. Insgesamt gaben die Gesandten auch zu bedenken, souveräne Hoheit über das Elsass sei plus convenable à la dignité et la grandeur de la couronne, Memorandum Longuevilles, d’Avaux’ und Serviens für Ludwig XIV., Münster, 9.7.1646 (APW II, B, 4, 187). 469 Vgl. hierzu v. a. Lehr, Reichsstandschaft, 42 ff. 470 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 28.1.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 41r). 471 Allerdings forderte der König, man müsse darauf hinwirken, die Sitzordnung im Fürstenrat so zu verändern, dass die französischen Gesandten Parität mit den Österreichern beanspruchen könnten, vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 28.1.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 41v). 472 Il [le Roi] veut remettre de nouveau l’Alsace dans la dépendance de l’Empire et ne la posséder à l’avenir que comme un fief, Lionne an Robert de Gravel, Paris, 21.1.1669 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 277v). Frei­lich war der Landgrafentitel selbst wieder im Grunde eine während des Westfä­lischen Friedenskongresses aus verhandlungstaktischen Gründen konstruierte Rechtsfiktion. Vgl. hierzu Repgen, Verhandlungstechnik. 473 Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 404 ff.

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der Reichszugehörigkeit bei der nächsten Kaiserwahl erfüllen können. Allerdings lehnte die Mehrzahl der Kurfürsten und Fürsten diese Initiative des französischen Königs ab und ließ ein entsprechendes, beim Reichstagsdirektorium eingereichtes Memorandum unbeantwortet 474. Die elsässische Landgrafschaft mit dem Reichsfürstenstatus auf dem Reichstag zu vertreten, blieb in den 1650er- und 1660er-Jahren eine Option in der Hinterhand französischer Reichspolitik. Daher blieb aber auch das Verhältnis zur „derivativen“, aus kurfürst­lichen Präeminenzansprüchen hergeleiteten Höchstrangigkeit ambivalent. Eine bedingungslose Koppelung an die „Säulen des Reiches“ in Status- und Zeremonialfragen lässt sich nicht feststellen. Bereits in der Vorbereitungsphase des Reichstages suchte die französische Krone den Kontakt zu der sich formierenden Fürstenpartei auf dem Reichstag 475. Ludwig XIV. betonte explizit, sich Kommunikations- und Kooperationsmög­lichkeiten sowohl mit dem Kurkolleg als auch mit der neu formierten Fürstenpartei offenhalten zu wollen, mög­licherweise aber auch beide Parteien gegeneinander auszuspielen 476. Es war aber gerade jene Fürstenpartei, welche die für die kurfürst­liche Selbstdarstellung so wichtige Präeminenz infrage stellte und eine symbo­lische „Parifikation“ mit dem Kurfürstenkolleg forderte 477. Interessanterweise brachte auch Abraham de Wicquefort die Tendenz zur zeremoniellen Angleichung der Fürsten an die Kurfürsten mit irreführenden Initiativen Gravels und der französischen Krone in Verbindung 478. Solche Überlegungen behielten aber stets reinen Projektstatus. Allerdings zeigt sich hier, wie weiter unten am Versuch, „Souveränität“ und Partizipation als Reichsglied miteinander zu vereinen, noch zu verdeut­lichen sein wird, dass die französische Seite wechselnde „Status-Hybride“ beanspruchte, um Rang und Status der Krone vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen reichspolitischen Interessen in der politischen Ordnung des Alten Reiches darstellbar machen zu können.

474 Lehr, Reichsstandschaft, 58. 475 Zu diesem wenig erforschten Umstand vgl. Gotthardt, Säulen, 776. 476 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 7.6.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 172). 477 Gotthardt, Säulen, 775. 478 Je veux bien croire que M. Gravel, qui a eu le loisir d’estudier les affaires d’Allemagne & qui s’y est appliqué, a peut-être fortifié les pretensions des princes, & leur a representé, qu’ils peuvent se faire rendre tous les honneurs qui sont deus aux souverains, aussi bien que les Electeurs, qui en jouissent comme Princes & comme souverains, Wicquefort, L’Ambassadeur I, 60. Die Absicht, eine weitere Ausweitung der Zuweisung von Souveränitätsrechten auf der europäischen Bühne in Erwägung zu ziehen, stand wohl eher nicht dahinter, wie auch Wicquefort klar erkannte.

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2.2.4.3 Une chose publique et d’esclat – Die Ambassade Gramonts und Lionnes 1657/58 Die Mög­lichkeit solcher Hybridisierungen und Kompromisse war aber auch der Tatsache geschuldet, dass auf dem Reichstag eben kein höchstrangiger Gesandter, kein ambassadeur mit caractère tätig war, der als „Spiegel seines Herren“ diesen direkt vertrat 479. Gravels Titel ließ sich im Rahmen der untergeordneten Gesandtenklasse der envoyés, résidents, plénipotentiaires oder agents verorten. Diese unterschieden sich vom höchstrangigen ambassadeur dadurch, dass sie nicht die Person des Königs, sondern ledig­lich dessen Geschäfte vertraten 480. Was aber geschah, wenn die französische Krone tatsäch­lich höchstrangige Ambassa­doren ins Reich entsandte? Dies war während des untersuchten Zeitraums im Alten Reich nur zweimal der Fall: bei der Ambassade Gramonts und Lionnes während der Kaiserwahl von 1657/58 und später 1670 bei der Mission des Duc de Vitry nach Bayern 481. 1657/58 hob der Günstlingsminister Kardinal Mazarin die symbo­lische Bedeutung der höchstrangigen französischen Präsenz auf dem Kaiserwahltag von 1657/58 hervor. Mazarin sprach davon, dass es sich bei dieser Mission um une chose publique et d’esclat handelte 482. Welche symbo­lischen und völkerrecht­lichen Implikationen die ambassade eines französischen Königs auf einem Wahltag des Alten Reiches für das Verhältnis Frankreichs zu den Reichsständen hatte, ist aber nicht eindeutig zu rekonstruieren. Es unterlag näm­lich nicht nur in der Außenperspektive verschiedenen Interpretationen, sondern war auch stellenweise den französischen Beteiligten nicht immer völlig klar bzw. unter ihnen selbst umstritten. Über zwanzig Jahre nach der Mission Gramonts und Lionnes interpretierte Abraham de Wicquefort als Verfechter kurfürst­licher Souveränitätsansprüche die Ambassade dahin gehend, dass Frankreich wie auch andere europäische Kronen keinerlei Schwierigkeiten hatten, ihre Ambassadoren an die Reichsstände im Allgemeinen zu schicken und auch nicht an das Kurkolleg als Körperschaft. Daraus

479 Allerdings konnte Robert de Gravel bisweilen genau das in Anspruch nehmen. Nachdem ihn die österreichischen Gesandten in Regensburg nach fast fünf Monaten end­lich besuchten, schrieb er, sie seien verpf­lichtet gewesen, de s’acquitter de cette civilité qu’ils devoient a vostre Ma té quoy que je suis le moindre de tous les ministres, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 20.12.1663 (AMAE, CP, Allemagne, fol. 323v). 480 Wicquefort, L’Ambassadeur I, 52 – 69. Kritisch zur praktischen „Machbarkeit“ dieser Unterscheidung äußern sich jedoch Vec, „Technische“ gegen „symbo­lische“ Verfahrensformen, 568, und Krischer, „Ein nothwendig Stück“, 168. 481 Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 493. 482 Mazarin an Servien, Amiens, 1.6.1657, in: Lettres du Cardinal VII, 484.

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versuchte ­W icquefort dann eine Art teilhabender Souveränität der Kurfürsten zu konstruieren 483. Während des Wahltages selbst störten sich insbesondere die in Frankfurt anwesenden österreichischen und böhmischen Gesandtschaften, die den habsburgischen Kandidaten Leopold vertraten, an der Mission der französischen Ambassadoren. Die Anwesenheit fremder Botschafter während der Wahlhandlung sei prinzipiell weder zulässig noch wünschenswert. Es sei vielmehr anzunehmen, daß die Frantzosen das Wahltags wesen, auff alle mittel und wegen zu turbiren werden bemüht sein 484. Man wollte sich daher bemühen, die Franzosen auch mithilfe des Kurfürsten von Sachsen mög­lichst vom Wahlort fernzuhalten 485. Die österreichischen Gesandten Öttingen und Volmar schienen sich allerdings am meisten an dem feier­lichen Einzug der franzö­sischen Gesandtschaft in Frankfurt zu stören. Dieser war nicht nur überaus prächtig und farbenfroh ausgefallen und wegen der immer noch herrschenden Trauerpf­licht für den Kaiser zu einer eher unangemessenen Veranstaltung geraten 486. Der kaiser­liche Vertreter befürchtete auch, die Ambassadoren hätten auf diese Weise einen Präzedenzfall geschaffen und könnten dießen actum pro actu possedorio außdeuten und bey allen wahltäg hinkunfft­lich ein recht drauß machen wölln 487. Entscheidend dafür, dass sich Crane so sehr am Einzug der Gesandten störte, war vor allem die Tatsache, dass es der Rat der Stadt Frankfurt war, der Gramonts und Lionnes Zug vor den Toren abgeholt und in die Stadt geleitet hatte. Dies jedoch war genau jenes symbo­lische Verfahren, das die Kurfürsten als legitime Wahlbeteiligte auswies 488. Wer sich also anläss­lich einer Kaiserwahl vom Frankfurter Rat in die Stadt führen ließ, zeigte damit einen gewissen Anspruch auf Verfahrensbeteiligung an. Neben diesen symbo­lischen Implikationen, die das Auftreten einer franzö­­sischen ambassade anläss­lich der Kaiserwahl hatte, äußerten die kaiser­lichen Vertreter noch 483 Les couronnes n’ont point fait de difficulté d’envoyer leurs Ambassadeurs aux Estats de l’Empire en general, & mesme au College Electoral en corps, Wicquefort, L’Ambassadeur I, 84. Er musste allerdings im selben Zuge eingestehen, dass man auf französischer Seite bislang kein großes Interesse gezeigt hatte, Ambassadoren zu den einzelnen Kurfürsten zu schicken. 484 Crane an Leopold von Ungarn, Frankfurt, 11.8.1657 (HHStA, RK, WKA 18b, fol. 61v). 485 Öttingen und Volmar an Leopold (I.), Frankfurt, 14.8.1657 (HHStA, RK, WKA 18b, pars 1, fol. 69r). 486 Öttingen und Volmar an Leopold (I.), Frankfurt, 18.8.1657 (HHStA, RK, WKA 18a, pars 1, fol. 83r). 487 Crane an Leopold (I.), Frankfurt, 21.8.1657 (HHStA, RK, WKA 18b, pars 1, fol. 85v). 488 […] darauff ist die frantzö­sische legation gar prächt­lich […] ankommen, den Dln.Churfürsten gleich tractirt und von der stadt mitt 3 compagnien zu pferden eingeholet worden, Crane an Leopold (I.), Frankfurt, 21.8.1657 (HHStA, RK, WKA 18a, pars 1, fol. 85r).

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eine weitere Befürchtung hinsicht­lich der zeremoniellen Folgen des Auftretens franzö­sischer Gesandter auf dem Wahltag. Da sich nun bald die Gesandten dreier Könige in der Stadt aufhalten würden, näm­lich diejenigen Frankreichs, Spaniens und des habsburgischen Kandidaten Leopold, König von Böhmen und Ungarn, könnte diese Konstellation aufgrund schwelender Präzedenzstreitigkeiten Zeremonialkonflikten Tür und Tor öffnen. Volmar versuchte daher, den Mainzer Erzkanzler dazu zu bewegen, mit Verweis auf die Goldene Bulle die Präzedenz des Königs von Böhmen von vornherein festzulegen. Er sah sich in seiner Beunruhigung zunächst bestätigt, als Johann Philipp von Schönborn sich weigerte, eine solche Bestimmung zu verfügen 489. Auf franzö­sischer Seite spielten bei der Planung und der Durchführung dieser ambassade all diese aus der Außenperspektive zugeschriebenen Motive aber keine oder bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Der Hauptfokus lag vielmehr auf der spanischen Krone und deren Vertretern. Mazarins Kriegsminister und „außenpolitischer Referent“ Abel de Servien erklärte, primärer Zweck der Gesandtschaft sei es, dass die Gesandten seiner Majestät bei den öffent­lichen Zeremonien, die man abhalten wird, empfangen werden, um eine Art Triumph abzuhalten, wie dies normalerweise die Spanier tun, wenn einem Fürsten aus dem Hause Österreich die Kaiserwürde übertragen wird 490. Primär betrachteten die Verantwort­lichen in Paris die Mission Gramonts und Lionnes im Kontext des dominierenden europäischen Konfliktes zwischen Frankreich und Spanien 491. Das Auftreten einer franzö­sischen ambassade war also eher darauf gerichtet, den intendierten Erfolg einer nicht habsburgischen Kaiserwahl mög­lichst effektvoll öffent­lich und in Anwesenheit von Vertretern des dynastischen Rivalen zu inszenieren. Die „Statuskommunikation“ gegenüber den Reichsständen spielte demgegenüber eine nachrangige Rolle. Auch der Einzug in die Stadt Frankfurt wurde in seiner symbo­lischen Bedeutung für das Verfahren der Kaiserwahl 489 Volmar an Leopold (I.), Frankfurt, 25.9.1657 (HHStA, RK, WKA 18b, pars 1, fol. 90r). 490 […] que les ministres de Sa Ma té. fussent reçeuz dans les ceremonies publiques qui seront faites pour y faire une espèce de triomphe comme font ordinairement les Ministres d’Espagne quand la dignité imperialle est conférée à un Prince de la Maison d’austriche, Servien an Mazarin, Paris, 27.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 282r). 491 Dies lässt sich auch am weiteren Verlauf der ambassade beobachten – insbesondere nach dem Eintreffen des spanischen Gesandten Peñaranda, als die franzö­sischen Gesandten ihre Repräsentation an die der Spanier anpassten und etwa die Ehrenwache für den Prinzipalgesandten, auf die man zunächst hatte verzichten wollen, erst rekrutierten, als klar war, dass der spanische Gesandte eine solche erhalten würde. Dies geht aus einem Schreiben Gravels hervor, der erörterte, wie groß Gramonts Truppe im Vergleich zu jener Peñarandas sein solle und wie diese in der ohnehin überfüllten Stadt unterzubringen sei, vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 11.2.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 191r).

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offenkundig von den franzö­sischen Gesandten nicht voll erfasst. Vielmehr bezog man sich hierbei ebenfalls auf die Spanier. Sie hätten, so behauptete Gramont, vom Rat der Stadt und vom Reichserzkanzler nur gewährt bekommen, was auch die Spanier bei den Wahltagen zuvor hätten tun dürfen 492. Auch mit einer etwaigen Statuszuweisung gegenüber den Kurfürsten hatte die ambassade nur wenig zu tun. Mazarin hielt ein Auftreten der Ambassadoren an den kurfürst­lichen Höfen zwar nicht für überflüssig. Es sei völlig klar, dass man ihnen gegenüber nicht den zeremoniellen Aufwand betreiben müsse, den die Inszenierung der Krone beim Frankfurter Wahltag erfordere. Am Hof des Kölner Kurfürsten, so Mazarin, sollten die Ambassadoren explizit keine Station machen, da dies wiederum trop d’esclat bedeuten könnte 493. Dass Gramont und Lionne dann schließ­lich doch in Heidelberg am Hof des Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig Station machten, wo sie mit statusgemäßem zeremoniellen Aufwand empfangen wurden, stellte eine ausdrück­liche Abweichung von ihren Instruktionen dar, die der Rechtfertigung bedurfte 494. Auch die von Volmar geäußerten Befürchtungen hinsicht­lich mög­licher Präze­ denzkonflikte erwiesen sich als unbegründet. Die Franzosen waren zwar gewillt, ihre ambassade für den symbo­lischen Austrag dynastischer Rivalitäten zu nutzen. Das Gesandtenzeremoniell, das reguläre Kommunikation zwischen ihnen und den Vertretern Spaniens und des Kaisers regelte, hatte man jedoch bei der Planung der ambassade außer Acht gelassen. Gramont und Lionne verfügten zunächst über keine klaren Anweisungen, wie mit den Gesandten des politischen Rivalen umzugehen sei. Es war nicht einmal klar, ob sie überhaupt mit ihnen kommunizieren sollten. Lionne fand Mazarins Instruktionen in diesem Punkt so unklar, dass er nachfragen musste: Sollte er etwa an Volmar sch­licht grußlos vorbeigehen, wenn dieser seine berüchtigten comportances extraordinaires an den Tag legte, wie dies sein Kollege Gramont zu tun beabsichtigte 495? Mazarin gestand ein, die Instruktion in diesem Punkt nicht klar genug formuliert zu haben. Er riet zunächst von offenem Konflikt­ austrag ab 496. Zeremonielle Interaktion mit den habsburgischen Gesandten sollte aber eigent­lich überhaupt nicht stattfinden. Mit den Spaniern sollte man, wie der Kardinal später anordnete, keine formalisierten Kontakte pflegen, ledig­lich bei zufälligen Begegnungen angemessen höf­lich reagieren, das heißt sich Höf­lichkeit erweisen, 492 Gramont an Mazarin, Frankfurt, 28.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 515r). 493 Mazarin an Gramont, Amiens, 1.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 124r); M ­ azarin an Gramont, Stenay, 20.7.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 51. 494 Gramont und Lionne an Mazarin, Rastatt, 11.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 80r). 495 Lionne an Mazarin, Toul, 20.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 482v). 496 Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 46r).

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wenn man sich begegnet, ohne sich gegenseitig zu besuchen. Mit den öster­reichischen und böhmischen Vertretern sollte man hingegen – völlig entgegen den Befürchtungen Volmars – überhaupt keinen Umgang pflegen 497. Die habsburgischen Gesandten bereiteten sich also auf Zeremonialkonflikte vor, die gar nie stattfinden sollten. Ebenso war die Entsendung eines Ambassadoren auf einen Wahltag offenbar nicht als Untermauerung der in Münster und Osnabrück geleisteten partiellen Anerkennung des Souveränitätsstatus der Kurfürsten gedacht. Dies zeigt zugleich, dass symbo­lische Kommunikation aufgrund ihrer strukturellen Deutungsoffenheit gerade im Kontext der frühneuzeit­lichen diplomatischen Kultur Missverständnisse und parallele Wirk­lichkeiten erzeugte 498. In dem präsentierten Fallbeispiel beförderte sie offenkundig Interpretationen von Handlungsabsichten, die von franzö­sischer Seite nicht oder nicht primär intendiert waren. Umstritten waren allerdings auch andere symbo­lische Aspekte der ambassade von Gramont und Lionne. Die franzö­sischen Gesandten betrachteten ihren Einzug in Frankfurt zwar nicht als symbo­lisch manifestierten Anspruch auf Beteiligung am Reich und seinen Verfahren. Dies bedeutete aber nicht, dass man völlig auf Statuskommunikation verzichtete. Allerdings betraf diese nicht nur die Kurfürsten, sondern auch die Positionierung des franzö­sischen Königs zur politischen Ordnung des Reiches. Kardinal Mazarin stattete näm­lich seine Gesandten mit zwei Versio­nen ihrer lettre de créance aus: einer ersten, die eine Standardtitulatur des Königs beinhaltete, sowie einer zweiten, die offenkundig versuchte, das im Westfä­lischen Frieden festgelegte Verhältnis der Krone zum Reich zu revidieren. Der König wurde in diesem Schreiben näm­lich als Prince souverain de l’Empire en Allemagne et en Italie tituliert. Dies implizierte Ansprüche auf souveräne Höchstrangigkeit und zugleich mit anderen Reichsständen gleichberechtigte Reichszugehörigkeit. Letztere wurde offenbar auf der Grundlage von Besitz­titeln der ehemaligen Reichslehen in Metz, Toul und Verdun sowie im elsäs­sischen Sundgau formuliert 499. Die Ambassadoren sollten also in bewusst uneindeutiger Art und Weise einen hybriden Status des Königs zwischen Souveränität und Reichszugehörigkeit darstellen. Hierfür wurde vor allem die Titulatur als symbo­lisches Kommunikationsmedium gebraucht 500. 497 […] c’est-à-dire de se faire civilité en se rencontrant, sans se visiter, Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 11.1.1658, in: Lettres du Cardinal VIII, 260. 498 Vgl. hierzu Schlögl, Symbole, 17 f. 499 „Sur les titres de prince de l’Empire en Allemagne et en Italie ajoutez au titre de Lous par la grace de Dieu Roy de France et de Navare dans le plein pouvoir de Louis 14 du 10 Juillet 1657 pour Messr. de Gramont et de Lionne“ [1741], (AMAE, MD, Allemagne 38, fol. 56v). 500 Die Bedeutung der Titulatur als symbo­lisches Medium sozialer Statuszuweisung ist erst in jüngerer Zeit in ihrer Bedeutung für symbo­lische Kommunikation erfasst worden.

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Auf franzö­sischer Seite war dabei die Rede davon, dass dies den Zweck haben sollte, den König comme un des électeurs in Szene zu setzen 501. Damit dürfte allerdings weniger gemeint gewesen sein, künftig auf jeden Wahltag eine formelle franzö­sische Gesandtschaft entsenden zu dürfen, sondern vielmehr scheint die franzö­sische Krone in diesem Zusammenhang den von den Kurfürsten in Anspruch genommenen Status – souverän und Glied des Reiches – als Stütze für diese „Statusfiktion“ instrumentalisiert zu haben. Um eine vollständige Anpassung an den kurfürst­lichen Status, wie später bei den Reichstagsgesandten, konnte es ihnen frei­lich nicht gehen. Denn gleichzeitig sollten die Ambassadoren die Thronvakanz nutzen, um den gegenüber den Kaiser­lichen umkämpften Anspruch auf den Majestätstitel zu unterstreichen, indem sie sich als sacrae christianissime [sic!] Majestatis plenipotentiarii titulierten 502. Obwohl sie nicht mit den Kaiser­lichen interagieren sollten, erhoben sie dennoch über die Titulatur Anspruch auf mit eben diesen gleichberechtigte Höchstrangigkeit. Der Status des prince souverain stellte also eine Formel für eine wie auch immer geartete Beteiligung des Königs am Reich bei gleichzeitiger Wahrung aller seiner Souveränitätsrechte dar. In dieser Funktion konnte der franzö­sische König zwar nicht als legitim am unmittelbaren Wahlverfahren beteiligt, wohl aber wie eines der Reichsglieder und als solches an allem interessiert […], was dieses berührt […], da er souverän bedeutende Herrschaften innerhalb des Reiches besitzt, dargestellt werden 503. Diese Konstruktion von Status war aber nicht zuletzt durch die konkrete Situation des Jahres 1657/58 motiviert. Denn die Wahl Ludwigs XIV. zum Kaiser war, so unwahrschein­lich sie aus heutiger wie aus damaliger Sicht auch erscheinen mag, eine Option, die Mazarin und seine Gesandten durchaus in Erwägung ziehen mussten, wenn andere nicht habsburgische Kandidaten nicht zur Verfügung stünden 504. Hierfür war aber ein „Nachweis“ der Reichszugehörigkeit des Königs unerläss­lich 505. Vgl. die Überlegungen von Signori, „Sprachspiele“; May, Auseinandersetzungen; Dauser, Kein König ohne Titel. Zu Bern im 18. Jahrhundert Weber, Adelsrepublik. 501 „Sur les titres de prince de l’Empire en Allemagne et en Italie ajoutez au titre de Louis par la grace de Dieu Roy de France et de Navare dans le plein pouvoir de Louis 14 du 10 Juillet 1657 pour Messr, de Gramont et de Lionne“ [1741], (AMAE, MD, Allemagne 38, fol. 58r). Das Memorandum aus dem 18. Jahrhundert zitiert hierbei ein Schreiben Briennes, das sich allerdings nicht mehr in der Dokumentation in den Archiven des Außenministeriums auffinden lässt. 502 Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 9.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 98. 503 […] comme un des membres de l’Empire et comme interessé en cette qualité en tout ce qui le touche […] possedant souverainement des Estats tres considerables dans l’Empire, Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 9.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 97. 504 Vgl. hierzu die Analyse von Malettke, Rélations, 242. 505 Vgl. zu den Bedingungen der Wählbarkeit eines ausländischen Monarchen Duchhardt, Et Germani eligunt.

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Die Zweckdien­lichkeit der durchaus ungewöhn­lichen Titulatur eines prince souverain war allerdings zwischen den Gesandten und ihren Prinzipalen nicht unumstritten. Gramont und Lionne waren wenig angetan von der wohl auf eine Idee des formellen Außenstaatssekretärs Brienne zurückgehenden Titulatur. Sie hielten es für realistischer und zielführender, den König – unter sch­lichter Übergehung der im Westfä­lischen Frieden getroffenen Regelungen – als elsäs­sischen Landgrafen einzuführen, statt Anerkennung für einen derart überkonstruierten Titel zu suchen 506. Tatsäch­lich wurde die Titulatur des Königs von den meisten Kurfürsten eher zur Kenntnis genommen als tatsäch­lich anerkannt. Der Pfälzer Kurfürst sprach von einer nouveauté, die er nur widerwillig zu akzeptieren bereit war 507. Ausschlaggebend war jedoch das Votum Johann Philipps als Reichserzkanzler und Wahlleiter. Gramont und Lionne legten die Tatsache, dass der Kurfürst die Titulatur, die ihm beim Lesen ihres Kreditivs nicht entgangen sein konnte, unkommentiert ließ, bereits als Zustimmung aus 508. Damit sahen sich die Ambassadoren zugleich als Vertreter eines souveränen Herrschers, aber auch eines Reichsstandes legitimiert. Aus der Perspektive der Statuskommunikation kann die Mission Gramonts und Lionnes daher wohl als eine der merkwürdigeren Episoden der Diplomatiegeschichte des 17. Jahrhunderts gelten. Zugleich zeigt sie in umfassender Weise das höchst ambivalente Verhältnis der franzö­sischen Krone zum Reich, das zwischen souveräner Außenperspektive und verschiedenen Entwürfen einer Teilhabe am Reich oszillieren konnte. Die Vielzahl von Identitäten und Beziehungstypen, die parallel zueinander bestanden, macht es nicht ganz einfach, eine Zwischenzusammenfassung zu formulieren. Festgehalten werden kann Folgendes: Erstens traf der Westfä­lische Frieden Regelungen, die der Gesamtheit der Stände europäische Partizipationsmög­lichkeiten sowie den einzelnen Kurfürsten und Fürsten Souveränitätsrechte wie etwa das ius foederis zuwies. Für die Kurfürsten bedeutete dies jedoch eher eine völkerrecht­liche Kodifizierung ihrer traditionellen Herrschaftsansprüche und somit einen weniger bedeutenden Einschnitt als für die übrigen Stände. Immerhin konnten sie in Münster und Osnabrück ihre Ansprüche auf Gleichbehandlung mit anderen eindeutig souveränen Akteuren im Zeremo­ niell durchsetzen, ohne dies allerdings in Statuskonflikten mit dem Kaiser oder den Reichsfürsten nutzbar machen zu können. 506 Gramont und Lionne an Mazarin, Rastatt, 11.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 80v). 507 Gramont und Lionne an Mazarin, „dans le chemin d’Heidelberg“, 19.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 112r). 508 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 3.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 176v).

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Zweitens nahm das Kurfürstenkolleg unter der Führung Johann Philipps in den 1650er- und 1660er-Jahren eine gewisse Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung und Ausgestaltung der europäischen Friedensordnung in Anspruch. Bei den großen Friedensprojekten, wie dem spanisch-franzö­sischen Frieden und den Regelungen zur spanischen Erbfolge, spielten die Kurfürsten aber nur eine sehr untergeordnete Rolle. Auffällig ist, dass die Franzosen sie weniger als „Juniorpartner“ bei europäischen Friedensregelungen, sondern vielmehr entweder als klienteläre Zuarbeiter oder als Ressourcenempfänger darstellten. Drittens waren vor allem die hier im Vordergrund stehenden geist­lichen Kurfürsten im Rahmen der Rheinallianz in ein Sicherheits- und Friedenserhaltungssystem eingebunden, das sich in der franzö­sischen Dokumentation an Friedensund Verfassungsbegriffen orientierte und sich auf Kollektivakteure bezog. Es gab hier keinen Anschluss an ältere, stärker patronageförmige Konzepte könig­licher protection, die im Dreißigjährigen Krieg eine herausragende Rolle gespielt hatten. Parallel dazu wurden aber die Beziehungen zu einzelnen Akteuren durchaus weiter mit dem Protektionsbegriff beschrieben und konnten zumindest aus franzö­sischer Perspektive von ihren Beschreibungsformen her wie „Patronagebeziehungen zwischen Fürsten“ wahrgenommen werden. Viertens sorgten das Zeremoniell und die symbo­lische Statuskommunikation franzö­sischer Gesandter im Reich für eine Offenheit und Ambivalenz im Verhältnis Frankreichs zu den Reichsständen, die es der franzö­sischen Krone bzw. ihren Vertretern erlaubte, verschiedenste politische Intentionen und „Identitäten“ zu vermitteln. Auf dem Regensburger Reichstag nach 1663 mussten sich die Vertreter Frankreichs den Regeln reichsständischer Repräsentation anpassen und kooptierten den Status ihrer kurfürst­lichen Kollegen. Immer wieder stand allerdings die Option im Raum, die Krone als besonders bevorrechtigten Reichsstand auf dem Reichstag zu vertreten. Während der Kaiserwahl beschickte die franzö­ sische Krone den Frankfurter Wahltag mit einer ambassade. Dabei sah die Krone jedoch die Statuskommunikation gegenüber den Ständen und die Beteiligung am Wahltagszeremoniell als zweitrangig an. Hauptfokus war der Dauerkonflikt mit den spanischen und österreichischen Habsburgern. In ihrer Titulatur beanspruchten die Gesandten einen überaus ungewöhn­lichen „Statushybrid“, der souveräne Höchstrangigkeit und auch Ebenbürtigkeit mit dem Kaiser gleichzeitig mit der für eine eventuelle Kandidatur Ludwigs XIV . notwendigen Reichszugehörigkeit darzustellen suchte.

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2.3 Grenzüberschreitende Patronagebeziehungen – Akteure und Netzwerke franzö­sischer Reichspolitik 2.3.1 Diplomatie und Diplomaten der franzö­sischen Krone 2.3.1.1 Die zentrale Organisation franzö­sischer Außenbeziehungen – Institutionalisierung und Verflechtung Es ist dies das zehnte Jahr, in dem ich, wie mir scheint, recht zielstrebig denselben Weg gehe,ohne in meinem Eifer nachzulassen; [indem ich] über alles informiert bin; meinen niedersten Untertanen zuhöre; jederzeit über Anzahl und Beschaffenheit meiner Truppen und über den Zustand meiner Güter Bescheid weiß; in kürzester Zeit meine Befehle für alle ihre Erfordernisse weitergebe; mit den ausländischen Ministern direkt verhandele; Depeschen empfange und lese; einen Teil der Antworten selbst erledige, und einen Großteil der anderen meinen Sekretären überlasse; Einnahmen und Ausgaben meines Haushaltes kontrolliere; mir von jenen direkt Bericht erstatten lasse, die ich mit wichtigen Aufgaben betraut habe; auch meine geheimen Angelegenheiten in die Hand nehme, was niemand vor mir getan hat; die Gnaden nach meinem Ermessen verteile 509. Mit diesen Worten inszenierte sich Ludwig XIV. in seinen Mémoires als alleiniger Entscheidungsträger über alle sowohl makro- als auch mikropolitischen Angelegenheiten seines Königreiches. Die zentrale Institution der franzö­sischen Monarchie, in der der König mit seinen Beratern die in seinen Memoiren skizzierten Entscheidungen traf, war der könig­liche conseil d’en haut. Hier wurden traditionell auch die wichtigsten Entscheidungen über die Außenbeziehungen der franzö­sischen Monarchie getroffen 510. Über die Institution selbst lassen sich allerdings nur begrenzt konkrete Aussagen treffen. Größe und Zusammensetzung des könig­lichen Rates variierten näm­lich im Laufe 509 C’est ici la dixième année que je marche, comme il me semble, assez constamment dans la même route, ne relâchant rien de mon application; informé de tout; écoutant mes moindres sujets; sachant à tout heure le nombre et la qualité de mes troupes, et l’état de mes places; donnant incessamment mes ordres pour tous leur besoins; traitant immédiatement avec les ministres étrangers; recevant et lisant les dépêches; faisant moi-même une partie des réponses, et donnant à mes secrétaires la substance des autres; réglant la recette et la dépense de mon état; me faisant rendre compte directement par ceux que je mets dans les emplois importants; tenant aussi mes affaires secrètes qu’aucun autre l’ait fait avant moi; distribuant les grâces par mon propre choix. Vgl. Mémoires de Louis XIV, 392 f. 510 Zu dieser Institution vgl. Barbiche, Institutions, 291 ff. Vgl. auch die hervorragende Synthese zu dieser Institution unter Ludwig XIV. in einer Studie zum 18. Jahrhundert: Antoine, Conseil du Roi, 43 ff.

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der Zeit erheb­lich. Einige Personengruppen hatten traditionell das Recht auf Beteiligung an den Sitzungen. Das galt etwa für die princes du sang, die Angehörigen von unmittelbar mit dem Königshaus verwandten Hochadelsfamilien 511. Während unter Kardinal Mazarin der Rat mit besonders vielen Personen besetzt war und hier zumeist keine signifikanten außenpolitischen Entscheidungen getroffen wurden 512, beschränkte Ludwig XIV. nach dessen Tod 1661 den Zugang zum Rat radikal. Das „Stammpersonal“ des nunmehr zentralen conseil d’état reduzierte sich weitgehend auf die Staatssekretäre für Krieg, Finanzen und Auswärtiges. Parallel dazu wurden angestammte Zugangsprivilegien etwa für die princes du sang abgeschafft. Teilnahme an den Sitzungen des Rates war nur noch auf explizite Einladung des Königs hin mög­lich. Dies konnte so weit gehen, dass selbst die ministres d’état nicht mehr zwangsläufig berücksichtigt wurden 513. Formell beanspruchte der König mit dem Antritt seiner alleinigen Herrschaft ebenso ein exklusives Recht auf die Kontrolle der Außenbeziehungen der Monarchie. Dies bezeugt die im Jahre 1661 an nahezu alle Gesandten herausgegangene Instruktion des Königs, dass künftig der Hauptteil der diplomatischen Korrespondenz direkt an den König zu adressieren sei 514. Dabei wurden die Korrespondenzen des Königs und des Außenministers im Rat zusammengeführt und auch, soweit sich Entscheidungsprozesse rekonstruieren lassen, im Rat verlesen und analysiert 515. Während formal der König und sein conseil d’état die zentralen Entscheidungen trafen, oblagen deren Details sowie der Großteil der praktischen Organisation der Außenbeziehungen dem hierfür zuständigen Staatssekretariat. Dieses war per Dekret vom 11. März 1626 auf Initiative Kardinal Richelieus erstmals als eine einheit­liche Behörde eingerichtet worden. Damit war ein unter Heinrich IV. etabliertes, umständ­liches System, das Verantwortung für einzelne Länder Europas verschiedenen Ministern übertragen und die Außenpolitik unter diesen aufgeteilt hatte, aufgehoben worden 516. Die Führung der Außenbeziehungen unterstand nun formell einer abgeschlossenen Behörde, Frankreichs erstem Außenministerium. 511 Picavet, Diplomatie Française, 14. 512 Bei einer Sitzung im Jahre 1653 zählte er statt­liche 24 Teilnehmer, vgl. Picavet, Diplomatie, 14. Mazarin verließ sich fast ausschließ­lich auf die Zuarbeit von Abel de S ­ ervien; vgl. zur Kooperation der beiden Ekberg, Abel Servien, Cardinal Mazarin. Vgl. zu den Außenbeziehungen unter Mazarin Treasure, Mazarin, 233 – 265; Laurain-Portemer, Questiones européennes. 513 Barbiche, Institutions, 292; Picavet, Diplomatie, 15. 514 Ein solches Schreiben erreichte natür­lich auch Gravel, vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Fontainbleau, 12.8.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 299r). Vgl. Picavet, Diplomatie, 62. 515 Picavet, Diplomatie, 64. 516 Haehl, Les Affaires Étrangères, 29 ff.

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Es verfügte von Anfang an über einen Stab von commis, die zentrale Aufgaben übernahmen 517. Wie genau die Aufgabenteilung um die Mitte des 17. Jahrhunderts strukturiert war, lässt sich aufgrund des Mangels an Quellen über die Arbeitsweise des Außenstaatssekretariates nicht eindeutig bestimmen. Verstärkte interne Differenzierungsprozesse setzten ohnehin erst gegen Ende der Herrschaft Ludwigs XIV. ein, als der Personalstock anwuchs und sich verschiedene spezialisierte bureaux innerhalb des Staatssekretariats herausbildeten 518. Zumindest für die commis scheint es in den 1650er- und 1660er-Jahren erst ansatzweise definierte Aufgabenverteilungen gegeben zu haben 519. Besonders auffällig war hierbei frei­lich, dass gerade der Posten des commis zur Erfüllung seiner Aufgaben eine gewisse Sachkompetenz voraussetzte. Auf der Ebene der formalen Organisation waren also die außenpolitischen Entscheidungen durch die Struktur und das Verfahren des Staatsrates ganz auf den König als hauptsäch­lichen außenpolitischen Entscheidungsträger zugeschnitten. Das protobürokratisch strukturierte Außenstaatssekretariat übernahm vorwiegend Funktionen der Zuarbeit 520. Die Praxis der Entscheidungsfindung war jedoch komplizierter. Im Zuge der in den letzten Jahrzehnten formulierten grundsätz­lichen Kritik am Konzept des Absolutismus 521 ist auch von dem Bild Ludwigs XIV . als vermeint­lichem absolutistischem Mustermonarchen, der als umfassend informierter Entscheidungsträger auftrat 522, nicht mehr besonders viel übrig geblieben. Für innenpolitische Bereiche, wie den wirtschaft­lichen Ausbau des Landes und viele andere Entscheidungen, lassen sich tatsäch­lich eine weitgehende Indifferenz und das Desinteresse des Königs nachweisen 523. Was außenpolitische Entscheidungen angeht, war die Kritik am Bild Ludwigs XIV . als starkem absolutistischem Monarchen jedoch zumeist eher zurückhaltend 524. Paul Sonnino hat in seiner minutiösen Analyse der 517 Vgl. hierzu die Untersuchung Piccioni, Les premiers commis. 518 Barbiche, Institutions, 230. Zur strukturellen Entwicklung des Außenstaatssekretariats zu Beginn des 18. Jahrhunderts vgl. auch Rule, Colbert de Torcy. 519 Piccioni, Les premiers commis, 17 f. 520 Petitfils, Louis XIV, 524. 521 Vgl. vor allem Henshall, Myth of Absolutism. Vgl. aus der Perspektive der deutschsprachigen Forschung auch die Beiträge in Duchhardt/Asch (Hrsg.), Der Absolutismus – ein Mythos?, sowie Reinhard, Schlußüberlegungen. 522 So etwa noch Bluche, Louis XIV, 167 – 169. 523 Etwa Mettam, Power and Faction, 49 f. 524 Eher schwach fällt etwa die Kritik bei Henshall, Myth, 158 ff., aus. Auch in den neueren Beiträgen zur Debatte um das Konzept des Absolutismus fehlt eine Einbeziehung der Außenbeziehungen und ihrer Organisation. Vgl. etwa Schilling (Hrsg.), Absolutismus, oder die franzö­sische Überblicksdarstellung Cosandey/Descimon, L’absolutisme en France.

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unmittelbaren Vorgeschichte des franzö­sisch-niederländischen Krieges gezeigt, wie sehr es vor allem die Initiative des Königs war, die zum folgenreichen Überfall auf die niederländische Republik führte. Der König setzte sich explizit über die Opposition stärker friedensorientierter Akteure wie Jean-Baptiste Colbert hinweg, um „seinen“ Krieg führen zu können 525. Die Rolle des Königs bei der Formulierung außenpolitischer Entscheidungen kann also nicht einfach heruntergespielt werden. Zu den Kernbeständen des Absolutismusparadigmas gehört auch die Annahme, dass die absolute Monarchie gerade unter Ludwig XIV. entscheidend zur Durchsetzung bürokratischer Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen beigetragen habe. Auch diese These ist im Zuge der Kritik am Absolutismusparadigma und daraus hervorgehender neuerer Forschungen massiv infrage gestellt worden 526. Gerade aufgrund der Struktur personaler Herrschaft in der absoluten Monarchie ließ sich die Arbeit von Institutionen wie den entstehenden Ministerien kaum von der höfischen Politik trennen. Außenpolitische wie auch andere politische Entscheidungen in den Fürstenstaaten der Frühen Neuzeit ließen sich meist nur unter den sozialen und kommunikativen Bedingungen ihres politischen Zentrums, näm­lich des Fürstenhofes, formulieren 527. Auch mächtige Minister wie Louvois, Colbert oder der Außenminister Lionne waren von der Gunst des Königs abhängig. Sie blieben auch mit höfischen Faktionen verflochten, um sich Einfluss in der unmittelbaren persön­lichen Nähe des Königs zu sichern und sich gegen Intrigen zu schützen 528. Sie strukturierten diese sogar bis in die 1680er-Jahre wesent­lich mit 529. Vor allem unter Ludwig XIV . konnten höfische Akteure ohne jedwede formelle Charge entweder außerhalb oder parallel zu protobürokratischen Strukturen Einfluss nehmen. Dies galt auch im Rahmen nicht „operativ geschlossener“ formaler Beratungs- und Entscheidungsverfahren, die sich vor allem aus der völlig an das Belieben des Königs geknüpften Besetzung des conseil d’état ergaben. Vor allem für die Jahre nach 1690 ist ersicht­lich, dass eine Vielzahl von häufig hochadeligen Personen aus der direkten höfischen Umgebung 525 Sonnino, Dutch War. Dass der König durchaus eigenständig außenpolitische Entscheidungskompetenzen wahrnahm, zeigt auch ein Briefwechsel zwischen Hugues de Lionne und Ludwig XIV. aus dem Jahre 1667, während sich Letzterer in die Spanischen Niederlande zu seinen im Devolutionskrieg kämpfenden Truppen begeben hatte, vgl. Picavet, Diplomatie, 56. 526 Henshall, Myth, 46 ff. 527 Vgl. hierzu etwa Duindam, Vienna and Versailles, 48 ff. 528 Vgl. hierzu Horowski, Das Erbe des Favoriten; Duindam, Vienna and Versailles, 245. Solcher Verbindungen bedurften auch scheinbar allmächtige Minister wie Richelieu, vgl. Malettke, Crown, Ministériat, 435. 529 Petitfils, Louis XIV, 519 ff.; Le Roy-Ladurie, Saint-Simon, 185 f.

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nun an Entscheidungsprozessen innerhalb des Rates beteiligt wurde 530. Auch die morganatische Ehefrau Ludwigs XIV., Madame de Maintenon, konnte als wichtige höfische Einflussträgerin während des Spanischen Erbfolgekrieges besonders über den Kommunikationskanal der camerera mayor in Madrid, Madame des Ursins, die franzö­sische Politik gegenüber dem bourbonischen Spanien entscheidend mitgestalten 531. Auch wenn die Öffnung und Erweiterung von informellen höfischen Einflusskanälen eher ein Phänomen der späteren Herrschaft Ludwigs XIV. gewesen zu sein scheint, so lässt sich doch auch in der im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Zeitspanne der Einfluss von Nichtamtsträgern auf die Gestaltung von Außenbeziehungen nachweisen. Dies gilt insbesondere für hochadelige Akteure. Besonders im Laufe der 1660er- und 1670er-Jahre wurde etwa der Marschall Turenne als informeller Ratgeber herangezogen. Zudem verfügte er auch über Korrespondenten und außenpolitische Netzwerke gerade im Heiligen Römischen Reich 532. Hier agierten seine Unterhändler bisweilen parallel zu jenen der franzö­sischen Krone 533. Nach seinem anfäng­lichen Renegatentum in den 1650er-Jahren wurde auch der wichtigste der princes du sang, Louis II. Prince de Condé, in die außenpolitische Entscheidungsfindung etwa im Vorfeld des Niederländischen Krieges mit einbezogen 534. Auch ihm ermög­lichten es umfangreiche Netzwerke in den 1660er- und 1670er-Jahren parallel und komplementär – allerdings nicht mehr in Opposition – zur Krone außenpolitisch aktiv zu werden 535. Im Zusammenhang mit der Absolutismuskritik ist jedoch nicht nur die Autonomie des Behördenwesens gegenüber konkurrierenden Machtstrukturen bestritten worden. Auch das Modernisierungspotenzial und das Ausmaß bürokratischer Strukturen innerhalb des wachsenden Behördenwesens wurden infrage gestellt 536. Derartige Vorbehalte sind auch in Bezug auf das Außenstaatssekretariat, seine Arbeitsweise und seine „Personalpolitik“ im späteren 17. Jahrhundert angebracht. 530 Petitfils, Louis XIV, 340. 531 Bastian, Kammerdame. 532 Picavet, Diplomatie, 18; zu Turenne vgl. Bérenger, Turenne. 533 1657 etwa sollte Turennes Klient de Lorges bei einer Mission ins Reich in Absprache mit Mazarin bei Streitigkeiten zwischen dem Mainzer und dem Pfälzer Kurfürsten vermitteln, vgl. Instruction au Comte de Lorges [März 1657], in: Lettres de Turenne, 527 f. 1668 entsandte Turenne einen gewissen M. Dufort an den bayerischen Hof, der teilweise bei der Koordination der franzö­sischen Pensionspolitik helfen, aber auch Turennes Nichte aufsuchen sollte, vgl. Instructions à Dufort [1668], in: ebd., 599 f. 534 Vgl. hierzu v. a. Sonnino, Dutch War, 71 f. und 170. Zu Louis II Condé vgl. Béguin, Les Princes de Condé. 535 Kühner, Hochadlige Außenverflechtung. 536 Die schärfste Kritik findet sich auch hier bei Henshall, Myth, 161 ff.

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Dies ist schon deshalb der Fall, weil gerade die praktische Kompetenz der Führung von Außenbeziehungen trotz der Reformen Richelieus nicht so eindeutig auf das Außenstaatssekretariat beschränkbar war. 1667 verfügte der König zum ersten Mal offiziell, dass der Außenstaatssekretär die alleinige Kompetenz zur Führung der Außenbeziehungen hatte und sich die Gesandten außer an den König ausschließ­lich an diesen zu wenden hatten 537. Dies schloss jedoch häufig parallele Korrespondenzen mit den Kriegsministern, die mit dem Außenstaatssekretariat ständige Rivalitäten pflegten, ein, etwa wo es um die Kompetenz für Soldatenwerbungen im Ausland ging. Hier ließen sich geregelte Verfahrensgänge nur schwer durchsetzen 538. Generell ist in der jüngeren Forschung statt der Vorstellung einer zunehmenden Bürokratisierung des Behördenwesens vor allem der Faktor personale Verflechtung als Antriebskraft frühmoderner Staatsbildung und Elitenformation in den Vordergrund gerückt 539. Die Rekrutierung von Amtsträgern und die Formation von Eliten folgten klientelären Logiken und nicht modernen bürokratischen Rekrutierungsmustern 540. Personale Verflechtung ermög­lichte in vielen Fällen erst wirksame Herrschaftsausübung, sie führte aber auch dazu, dass Ämter und Chargen zwischen rivalisierenden Faktionen und Familienverbänden aufgeteilt wurden 541.

537 Picavet, Diplomatie, 34. 538 Roosen, Functioning, 328. 539 Reinhard, Freunde und Kreaturen, 36 ff., hat unter Aufnahme von Ansätzen aus der sozialwissenschaft­lichen Netzwerkforschung bei der Untersuchung der Eliten des Kirchenstaates unter Paul V. vier Typen personaler Verflechtung – Verwandtschaft, Freundschaft, Patronage und Landsmannschaft – unterschieden. Eine weit zurückreichende Tradition haben Forschungen zur franzö­sischen Monarchie des 17. und 18. Jahrhunderts, vgl. etwa den Forschungsüberblick bei Beik, Absolutism as Social Collaboration. 540 Dies findet sich in aller Deut­lichkeit für den franzö­sischen Fall in der umfangreichen Studie Frostin, Les Pontchartrain, die die Wurzeln des Staatsdienstes in traditionellen Loyalitäten und patrimonialen Herrschaftsstrukturen ausmacht. Eine grundsätz­ liche, allerdings im Einzelnen nicht immer schlüssige Kritik an der Parallelität von Patron-­Klient-Strukturen und Amtsträgerschaft findet sich bei Hengerer, Amtsträger als Klienten und Patrone. Dass auch eine akademische Elitenausbildung ihre Selektionskriterien so gestalten kann, dass sie zur Reproduktion etablierter Eliten statt zur Implementierung von tatsäch­lichen Leistungskriterien führt, und somit familistische Strukturen perpetuieren und zugleich durch akademische Titel legitimieren kann, ist in Frankreich im späten 20. Jahrhundert auch zu einem Gegenstand kritischer Elitensoziologie geworden, so etwa für die „grandes écoles“ der Fünften Republik, B ­ ourdieu, Noblesse d’État. 541 Zu Richelieu siehe Bergin, Cardinal Richelieu. Vgl auch in jüngerer Zeit zu den Kriegsministern Louvois und Barbezieux Rowlands, The Dynastic State and the Army,

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Verflechtung als Rekrutierungsmodus entsprach auch dem oft noch improvisierten Charakter frühmoderner Staatsbildung. Personale Loyalitäten garantierten – oder sollten dies zumindest tun – vor allem, dass auf der Grundlage von Verflechtungsbeziehungen besetzte Ämter meist in Dankbarkeit gegenüber einem Patron bzw. dem Fürsten weitgehend loyal ausgeübt wurden. Tatsäch­liche Sachkompetenz spielte oft nur eine untergeordnete Rolle 542. Für die Außenminister und ihr Personal sind diese Verflechtungsstrukturen und deren Zusammenspiel mit der Institutionenbildung bislang noch wenig untersucht worden 543. Strukturbildend für die spezifisch „vormoderne“ und nicht bürokratische Form der Institutionalisierung in frühmodernen Monarchien war aber auch die Tatsache, dass viele Ämter der venalité des offices unterlagen, also käuf­lich waren 544. Dies galt auch für das Amt des für die Außenbeziehungen zuständigen ministre d’état. Hier wurden nicht nur Zahlungen an die Krone fällig. Zusätz­lich sicherte ein brevet de retenue dem Amtsvorgänger bzw. dessen Erben eine Übernahmezahlung zu. Mitte des 17. Jahrhunderts war für den Erwerb des Amtes eine Gesamtsumme von etwa 900.000 Livres zu entrichten 545. Ämterkäuf­lichkeit und Patronage sind aus der Perspektive moderner bürokratischer Organisationen zwar gleichermaßen fremdartige Phänomene, scheinen sich aber zunächst grundlegend voneinander zu unterscheiden. Ämterkäuf­lichkeit brachte, anders als Patronage, keine personalen Abhängigkeiten hervor. Wer ein Amt käuf­lich erwarb, war an sich keinem Patron mehr zu Dankbarkeit und Loyalität verpf­lichtet 546. Die Charge des Außenstaatssekretärs war allerdings nicht auf einem „freien Markt“ verfügbar. Der potenzielle Käufer benötigte die Erlaubnis des Königs, um das Amt überhaupt erwerben zu dürfen 547. Der Einfluss des Königs reichte aber noch weiter. Dies zeigte sich bei der endgültigen Übernahme des Amtes durch Hugues de Lionne vom jüngeren Brienne im Jahre 1663. Der König erleichterte diesen Vorgang ganz erheb­lich, indem er nicht nur die Charge exklusiv Lionne zugäng­lich machte, sondern auch, indem er dafür sorgte, dass Lionne nur die signifikant reduzierte Summe von 600.000 Livres zu entrichten hatte, ihm also 27 – 135. Zu den Phélypeaux-Pontchartrain vgl. Chapman, Private Ambition and Political Alliances, und Frostin, Les Pontchartrain. 542 Reinhard, Kommentar, 136. 543 Diese Forschungslücke dürfte jedoch auch einem Mangel an Quellenmaterial zuzuschreiben sein. Entsprechende Angaben liegen ledig­lich für das späte 18. Jahrhundert vor. Vgl. die Ausführungen bei Labourdette, Vergennes, 161 – 189. 544 Zur Ämterkäuf­lichkeit in der Regierungszeit Ludwigs XIV. vgl. Doyle, Venality, 59 f. Zum 17. Jahrhundert vgl. Mousnier, La venalité des Offices. 545 Picavet, Diplomatie, 29. 546 Asch, Der Hof Karls I., 295. 547 Picavet, Diplomatie, 29.

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einen Teil der Kaufsumme erließ 548. Patronageartige Praktiken konnten hier quasi durch die Hintertür wirksam werden. Verflechtungsförmige Dynamiken hatten aber bereits vor dem formellen Kauf der Charge durch Lionne eine wichtige Rolle gespielt. Dieser stellte ledig­lich den Endpunkt einer zwischen zwei Familienverbänden, den Brienne und den Servien/ Lionne, ausgetragenen Rivalität um die Zuständigkeit für die franzö­sischen Außenbeziehungen dar. Brienne gehörte schon früh zu den engsten außenpolitischen Mitarbeitern Mazarins und besaß die formelle Zuständigkeit für die affaires étrangères 549. Für den hier skizzierten Zusammenhang von Verflechtung und Institutionenbildung ist frei­lich besonders wichtig, dass Brienne seinen prädestinierten Nachfolger in seinem eigenen Sohn sah und diesen nach und nach durch die Übertragung von Aufgaben im Staatssekretariat für die Übernahme des Postens qualifizieren wollte. Während die Brienne so über die formalen Machtpositionen im Staatssekretariat verfügten, fanden sie in Abel de Servien und dessen Neffen Hugues de Lionne während der 1650er-Jahre zunehmend einflussreicher werdende Rivalen, deren Macht sich aus der Erfahrung diplomatischer Praxis und dort demonstrierter klientelärer Loyalität speiste. Letzteres war insofern ein gewichtiger Faktor, als dass Loyalität gegenüber dem 1643 installierten Kardinalminister Mazarin ausgerechnet bei einer zentralen Aufgabe der franzö­sischen Diplomatie im 17. Jahrhundert, der Vertretung der Interessen der Krone auf dem Westfä­lischen Friedenskongress zwischen 1644 und 1648, keineswegs ohne Weiteres vorausgesetzt werden konnte 550. Als bedingungslos loyal gegenüber Mazarin erwies sich von den drei Gesandten ledig­lich Servien 551. Sowohl der Duc de Longueville als auch d’Avaux, der in einigen Kreisen des Hofes gerne als „Günstlingminister anstelle des Günstlingministers“ gesehen worden wäre, waren in unterschied­lichem Maße mit der zunächst latenten, später, in der Fronde, offenen Adelsopposition gegen den damaligen Günstlingsminister Kardinal Mazarin verbunden 552.

548 Vgl. „Succession de M. de Lyonne” (AMAE, MD, France 934, fol. 223r/v). Vgl. hierzu auch Cras, La charge de secrétaires d’État, 125; vgl. auch Picavet, Diplomatie, 29. 549 Zur Rolle der Brienne als außenpolitische Zuarbeiter Mazarins vgl. Dethan, Mazarin, 263. 550 Vgl. zu der komplexen Rivalität der franzö­sischen Gesandtschaft auf dem Westfä­ lischen Friedenskongress die detaillierte Herausarbeitung bei Tischer, Franzö­sische Diplomatie, 127 – 155. Serviens Loyalität dürfte sich dabei nicht zuletzt aus der Tat­ sache ergeben haben, dass er von Mazarin für diese Mission berufen wurde, nachdem er unter Richlieu in Ungnade gefallen war, vgl. Duccini, Guerre et paix, 183 ff. 551 Zur Person Serviens jetzt: Duccini, Guerre et paix. Vgl. auch Externbrink, Abel ­Servien; Kerviler, Abel Servien. 552 Tischer, Franzö­sische Diplomatie, 101 ff. und 111. Vgl. dazu auch Sonnino, Mazarins Quest.

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Nach dem erfolgreichen Abschluss des Friedens begann in der Folge Serviens Aufstieg zu einem der zentralen Mitarbeiter bei der Gestaltung der franzö­sischen Außenbeziehungen während der 1650er-Jahre 553. In diesem Zuge wurde auch sein Neffe, der spätere Außenminister Hugues de Lionne mit wichtigen diplomatischen Missionen, wie den Friedensverhandlungen 1656 in Madrid und der Frankfurter Ambassade 1657/58, betraut. Ebenso begleitete er Mazarin 1659 auch zum endgültigen Friedensschluss mit Spanien in die Pyrenäen 554. Die Brienne verloren so auch nach dem Tod Serviens im April 1659 immer mehr an Einfluss auf die Verwaltung der Außenbeziehungen. Dieser Trend und der Aufstieg Lionnes dokumentierte sich im Pyrenäenfrieden, bei dem Lionne federführend wirkte, während Brienne kaum noch politischen Einfluss nehmen konnte 555. Nach Mazarins Tod 1661 gelang es zwar dem älteren Brienne, die Regelung durchzusetzen, dass sein Sohn an den Sitzungen des conseil d’en haut teilhaben und sich so mög­licherweise weiter auf eine spätere Übernahme der Charge seines Vaters vorbereiten konnte. Seine Aufgabe beschränkte sich jedoch auf die Anfertigung protokollartiger Notizen. Einfluss auf Entscheidungen oder auch eine nur konsultative Funktion besaß er nicht 556. Brienne der Ältere behielt zwar bis zu seinem Tod 1663 formell den Posten des Außenministers, nahm jedoch nach 1661 kaum mehr an Ratssitzungen teil 557, sodass Hugues de Lionne bereits zu diesem Zeitpunkt die Verwaltung der könig­lichen Außenbeziehungen oblag. Die Besetzung dieses Amtes folgte also eindeutig familienstrategischen Verflechtungsmustern: Der Neffe des Kriegsministers und wichtigsten außenpolitischen Beraters von Kardinal Mazarin hatte sich gegen den Sohn des nominellen Außenministers durchgesetzt. Hugues de Lionne selbst plante das Amt schließ­lich an seinen Sohn, den Sieur de Berny, weiterzugeben. Als Lionne 1671 starb, verhinderte der König jedoch eine erneute Sukzession des Amtes innerhalb des ­Servien/Lionne-Familienverbandes. Stattdessen wurde Simon Arnauld de P ­ omponne berufen, der ebenfalls zu ermäßigten Preisen das Amt des Außenministers kaufte und den nicht berücksichtigten Berny entschädigen musste 558. Verflechtungsförmige Rekrutierungsmuster für die Staatssekretariate wurden aber keineswegs aufgehoben, sondern ledig­lich unterbrochen. Nachdem Pomponne 1679 in Ungnade gefallen war, fiel das Amt an Charles Colbert de Croissy, den Bruder des mächtigen Finanzministers und Faktionsführers Jean Baptiste Colbert. Nach dessen 553 Cras, Abel de Servien, 597 f. Die Zusammenarbeit Mazarins und Serviens in Fragen der franzö­sischen Außenpolitik in Italien und im Reich dokumentiert Ekberg, Abel Servien, Cardinal Mazarin. 554 Zu Lionnes diplomatischer Karriere vgl. Valfrey, La diplomatie française, 23 ff. 555 Vgl. Dethan, Mazarin, 265. 556 Cras, Charge, 119; Picavet, Diplomatie, 21 f. 557 Picavet, Diplomatie, 15. 558 Zu Pomponne: Delavaud, Marquis de Pomponne; Rowen, Pomponne.

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Tod wiederum übernahm erneut Pomponne kurzzeitig das Amt, um es schließ­lich Charles’ Sohn Colbert de Torcy zu überlassen, der allerdings durch Beteiligung an Ratssitzungen, verschiedene Tätigkeiten im Außenministerium und auch kleine diplomatische Missionen auf seine spätere Tätigkeit von langer Hand vorbereitet worden war. Verflechtung wurde nun durch praktische Qualifikationsmodelle ergänzt 559. Ein solches planvolles „Learning by Doing“ ohne formale Qualifikation konnte allerdings nur vor dem Hintergrund einer langfristigen Familienstrategie funktionieren. Verflechtung blieb als Rekrutierungsmuster für das Amt des Staatssekretärs relevant, auch wenn solche Vorgänge durch die Intervention des Königs, der keine Faktion zu mächtig werden lassen wollte, beschränkt wurden. Inwieweit auch die unteren Chargen des Staatssekretariates verflechtungsförmigen Rekrutierungsmustern folgten, ist aufgrund der unzureichenden Dokumentation und des Fehlens kontinuier­licher prosopografischer Daten kaum eindeutig zu bestimmen 560. Für die mit den operativen Aufgaben befassten Mitarbeiter des Außenstaatssekretariats, die premiers commis, lassen sich unter Richelieu allerdings durchaus solche Verflechtungsstrukturen nachweisen. Unter dem Staatssekretär ­Raymond de Phélypeaux bekam sein Schwager Paul Ardier einen der Commis-­Posten und konnte auch anderweitig mithilfe der Phélypeaux seinen sozialen Aufstieg innerhalb der noblesse de robe fortsetzen 561. Sein Kollege Jean de la Barde, später auch Gesandter in der Eidgenossenschaft, erhielt sein Amt als Folge von buchstäb­lichem Nepotismus: Er war der Neffe von Leon Bouthellier de Chavigny, dem Nachfolger von Phélypeaux an der Spitze des Staatssekretariates 562. Während hier offenkundig verwandtschaft­liche Solidaritäten eine Rolle spielten, können für andere Verflechtungsformen, etwa die gerade bei der Elitenbildung in der franzö­sischen Monarchie des 17. Jahrhunderts besonders zentrale Landsmannschaft, beim Personal des Außenstaatssekretariats keine durchgängigen Muster festgestellt werden 563. Für den im Rahmen der vorliegenden Studie behandelten Zeitraum sind die diesbezüg­lichen Daten zu bruchstückhaft. Allerdings gibt es kaum Anhaltspunkte dafür, dass sich die Rekrutierungsstrukturen signifikant geändert hätten. Selbst wenn einige Faktoren darauf hindeuten könnten, dass es sich bei den commis um stärker 559 Zur Kombination von Patronage und Qualifikation durch Kompetenz am Beispiel Torcys vgl. Gantet, Guerre, 56 f.; Collins, State, 156 ff. 560 Piccioni, Les premiers commis, 110 f., 128 f. Allerdings vermutet bereits Piccioni ein kontinuier­liches Netz verwandtschaft­licher Solidaritäten unter diesen Akteuren, vgl. ebd., 132. 561 Haehl, Affaires, 187. 562 Ebd., 188. 563 Zu dieser Kategorie vgl. Reinhard, Freunde, 37. Zur Relevanz von Landsmannschaft unter der Herrschaft Kardinal Richelieus vgl. Ranum, Richelieu and the Councillors of Louis XIII.

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„bürokratisierte“ Akteure handelte, gibt es für diese Gruppe in der hier behandelten Zeit Indizien, aufgrund derer sich auch ein anderer Befund aufdrängen könnte. Es gab zwar Kontinuitäten und langjährige Karrieren unter mehreren Staatssekretären, allerdings zugleich auch auffällige Personalwechsel, wenn der Posten des Außenministers neu vergeben wurde. Mit dem endgültigen Wechsel von Brienne zu Lionne 1663 etwa wurden auch dessen commis Ariste und Du Fresne entlassen 564. Der dritte commis, Parayre, hielt sich wohl vor allem deshalb im Amt, weil dessen ami, der Père Annat, zu diesem Zeitpunkt Beichtvater des Königs, in seinem Namen intervenierte und Lionne als neuer Außenminister offenbar fürchtete, den potenziell einflussreichen Beichtvater vor den Kopf zu stoßen 565. Die Mög­lichkeit, als commis im Amt zu bleiben bzw. überhaupt erst ins Amt zu kommen, war also durchaus von dem persön­lichen Verhältnis zum Staatssekretär als Patron oder zu bestimmten Akteuren der höfischen Gesellschaft abhängig. Insgesamt gab es also Mög­lichkeiten, über informelle Kontakte auch auf formalisierte Entscheidungsverfahren Einfluss auszuüben. Nepotistische bzw. klienteläre Strategien bei der Besetzung von Posten in der zentralen Verwaltung der Außenbeziehungen der Krone waren dabei von zentraler Bedeutung. Ebenso wurden formelle Regelungen von Verfahrensweisen in Bezug auf die Außenbeziehungen immer wieder umgangen, sodass unklare Entscheidungswege und Parallelstrukturen entstanden. Dies waren Verhältnisse, die nicht den Prinzipien moderner behörd­ licher Organisation entsprechen 566. 2.3.1.2 Gesandte als „verflochtene“ Akteure Zentral für die vorliegende Studie ist nicht zuletzt die Frage nach Verflechtung und Patronage als rekrutierungsrelevanten Faktoren für die außenpolitischen Akteure „vor Ort“, also für die franzö­sischen Gesandten 567. Auch hier ist es allerdings aufgrund des eklatanten Mangels an Forschung, aber auch an archiva­lischer Dokumentation 564 Piccioni, Les premiers commis, 119, 141. 565 Ebd., 105. 566 Ob die polykratische Fragmentierung von Einflussmög­lichkeiten größere Kontrollmög­ lichkeiten für den Herrscher schuf, wie insbesondere die Forschung zu Ludwig XIV. immer wieder behauptet hat, und die Komponente monarchischer Alleinherrschaft gewissermaßen um den Preis stärker bürokratisierter Herrschaft steigerte oder vielmehr ein auch für den König nur noch negativ kontrollierbares Durcheinander zur Folge hatte, bleibt frag­lich, vgl. auch Henshall, Myth, 37. 567 Hier muss zwischen office und commission geschieden werden. Während offices dauerhafte, häufig käuf­liche Posten waren, verwiesen commissions auf spezielle, prinzipiell temporäre Aufträge des Königs, vgl. grundsätz­lich zu dieser Unterscheidung Hinrichs, Fürsten und Mächte, 166.

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schwer, weitreichende Aussagen zu treffen. Prosopografische Untersuchungen zum „diplomatischen Korps“ Mazarins haben nach vor allem Standeszugehörigkeit, jedoch nicht nach für eine Verflechtungsanalyse relevanten Kriterien gefragt 568. Auch wenn verflechtungsförmige Rekrutierungsmuster hier nicht immer eindeutig nachgewiesen werden können, so lässt sich doch grundsätz­lich das enge Verhältnis von Verflechtung und Staatsbildung beobachten, wie es das eingangs erwähnte Konzept der „Diplomatie vom type ancien“ beschreibt. Dieses schließt auch die Annahme ein, dass sich das Verhältnis zwischen Fürsten bzw. Ministern als Dienstherren und den Diplomaten nicht an bürokratischen Mustern orientierte, sondern auch hierfür die Logik der Patronage ein bestimmender Faktor blieb 569. Unabhängig von verflechtungsförmigen Rekrutierungsmustern war bei diesen Dienstverhältnissen noch eine Orientierung an einem „Ethos der Patronage“ vorherrschend, die erst in der Folge allmäh­lich in stärker modern-bürokratischere Dienstverhältnisse überging. Sieht man mit Max Weber unter anderem die regelmäßige monetäre Entlohnung von Amtsträgern als ein typisches Merkmal bürokratischer und nicht mehr patrimonialer Herrschaft an 570, dann ist die Praxis des frühmodernen Gesandtschaftswesens sicher kein besonders gutes Beispiel bürokratischer Modernisierung im Frankreich des Ancien Régime. Formal verfügten zwar die Gesandten über Budgets, allerdings ließen die Zahlungen zumeist sehr lange auf sich warten und waren auch in der Regel knapp bemessen. Klagen von Gesandten über notorischen Geldmangel finden sich sehr häufig in der Kommunikation mit ihren Prinzipalen 571. Dabei stellt sich nicht zuletzt die Frage, wie sich unter diesen Bedingungen ein personell stetig anwachsendes Gesandtschaftswesen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überhaupt aufrechterhalten ließ, wenn die Bedingungen offenkundig so ungünstig waren? Der Diplomatietheoretiker Louis Chamoy de Rousseau schrieb Ende des 17. Jahrhunderts über den diplomatischen Dienst für die franzö­ sische Krone: Die Liebe und die natür­liche Hingabe an den König sorgen dafür, dass man hier bei der Begierde nach dem Ruhm gepackt wird, ihm zu gefallen, und unter dieser Hinsicht findet man stets, wenn es Chargen zu besetzen gibt, eine große Zahl von Leuten, die aus

568 O’Brien, Mazarin’s Diplomatic Corps. 569 Vgl. von Thiessen, Überlegungen, 485. Eine Koppelung von Entwicklung des Gesandtschaftswesens und Bürokratisierung beschreibt bspw. noch die Arbeit von Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, 7. 570 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 554 ff. 571 Picavet, Diplomatie, 85, bezeichnete gar die diplomatische Korrespondenz unter ­Ludwig XIV. über weite Strecken als eine „quémanderie perpétuelle“.

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eigenem Antrieb vorstellig werden, um sich zu bewerben, und man kann daher sagen, dass es kein Land gibt, in dem solche Posten stärker nachgefragt werden 572. Nach Rousseau tat jeder Franzose nichts lieber, als sich Ruhm im Namen des franzö­sischen Königs zu erwerben und in den Dienst der Krone zu treten. Dies sahen frei­lich nicht alle Akteure zu jedem Zeitpunkt der langen Herrschaft ­Ludwigs XIV. genauso: Die Reaktion des Duc de Gramont fiel jedenfalls, glaubt man seinen Memoiren, völlig anders aus, als er von seinem Glück erfuhr, könig­licher Ambassador für den Frankfurter Kaiserwahltag von 1657/58 werden zu sollen. Obwohl er einer der wichtigsten Klienten und Militärführer des Günstlingsministers war, zeigte er sich der Darstellung in seinen Memoiren zufolge offen abgeneigt, eine solche Charge zu übernehmen 573: Da er seit seiner Jugend die Deutschen kannte, mit denen er lange Zeit gedient hatte, wusste er auch, dass man ihnen nicht anders gefallen konnte als durch die Kraft des Prunks, durch beständige Fest­lichkeiten und durch Großzügigkeiten; was man nicht ohne unend­liche Kosten bewerkstelligen konnte, und da es mit seinen Geschäften nicht zum Besten sehe, sei dies die hohe Kunst, im Galopp ins Armenspital zu reiten und sein Haus von Grund auf in Unordnung zu bringen; Also bat er Seine Eminenz [den Kardinal ­Mazarin, T.  H.] untertänigst, bei aller Freundschaft, die er für ihn habe, seine Augen auf eine andere Person zu richten 574. Erst auf die Versicherungen Mazarins hin, die in den Mémoires in ein abgeschmacktes Wortspiel gepackt wurden, für seine Tätigkeit tatsäch­lich angemessen entschädigt zu werden, nahm Gramont den Auftrag des Kardinalministers an 575. Woher kamen diese großen Unterschiede in der Bewertung der Attraktivität des Dienstes für die Krone und die hier in Erscheinung tretenden völlig unterschied­lichen Motivationslagen für die Annahme des Dienstes? Ein Teil der Antwort dürfte darin 572 L’amour et le dévouemnet naturel de la nation pour le Roy font qu’on y est touché de la gloire du désir de luy plaire, et dans cette veue, quand il y a des employs a remplir, on y trouve toujours un grand nombre de gens qui se présentent d’eux mesmes pour les demander, et l’on peut ainsy dire, qu’il n’y a point de pays où ces employs soient plus recherchez, Rousseau, L’idee du parfait ambassadeur, 17. 573 Vgl. Dethan, Mazarin, 233 f. Vgl. zu Gramont auch die ältere Monografie von Lewis, Assault on Olympus. 574 Connoissant de jeunesse les Allemands, avec lequels il avoit servi long-temps, il savoit de reste qu’on ne se mettoit à la mode chez eux et qu’on ne leur plaisoit qu’à force de bombances, des festins continuels et de largesses; ce qui ne se pouvait faire sans qu’il en coutât infinement, et que ses affaires n’étant bien aisées, ce seroit le secret d’aller le grand galop à l’hôpital et de culbuter sa maison de fond en comble; qu’ainsi il supplioit très humblement Son Eminence, par toute l’amitié qu’elle avoit pour lui, de bien jetter les yeux sur un autre sujet, Mémoires de Gramont, 285. 575 Ebd.

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bestehen, dass Rousseau einen normativen Traktat schrieb, der dem König gewidmet war, während Gramont sich in seinen Memoiren auch selbst stilisierte, hier weniger als stets treuer Dienstmann, sondern eher als dem Kardinalminister vertrauter Akteur, der so offen mit ihm sprechen konnte, dass er ohne Weiteres die Ablehnung von Mazarins Auftrag in den Raum stellen konnte. Ebenso muss hier in Rechnung gestellt werden, dass seit dem persön­lichen Herrschaftsantritt ­Ludwigs XIV. das offensive Aushandeln von „Arbeitsbedingungen“ und das Einfordern von zustehenden Geldern an Legitimität verloren hatte, Rousseau also mög­licherweise auch vor dem Hintergrund einer anderen „Kultur“ des Königsdienstes schrieb 576. Viele Gesandte versuchten, während der Herrschaft Ludwigs XIV. die ökonomischen Bedingungen ihrer diplomatischen Missionen durch Aushandlung mitzugestalten. Dabei beabsichtigten sie auch die Gefahr gravierender finanzieller Verluste mög­ lichst gering zu halten. Die Handlungsspielräume dürften, wie im Falle Gramonts, von persön­licher Gunst beim König oder bei einflussreichen Ministern, aber auch vom sozialen Rang abhängig gewesen sein. Dabei konnte auch die Ablehnung einer diplomatischen Charge eine verhandlungsstrategische Option sein 577. Gramonts Ängste vor einem finanziellen Desaster waren prinzipiell nicht unberechtigt: Diplomatische Akteure mussten für ihren Dienst in der Tat häufig eigene Vermögenswerte bzw. auf eigene Faust beschaffte Gelder investieren, um ihren Dienst als Vertreter des Königs angemessen gestalten zu können 578. Neben den hohen finanziellen Risiken konnten für höfische Akteure, die sich auf diploma­ tische Missionen begaben, auch enorme „soziale Kosten“ zu Buche schlagen. Eine Gesandtentätigkeit hielt sie zwangsweise von den verteilungsrelevanten Machtzentren der höfischen Anwesenheitsgesellschaft fern und konnte so Karrieremög­ lichkeiten blockieren oder gar persön­lichen Rivalen Raum für Intrigen geben 579. Die Ambassadoren auf dem Frankfurter Wahltag verlangten vom Kardinalminister daher offen, dafür zu sorgen, dass in ihrer Abwesenheit nicht Intrigen und falsche Gerüchte ihren Ruf schädigten 580. 576 Vgl. hierzu Rowlands, The Dynastic State and the Army, 341. Zum „Kult des Gehorsams“ und der Dienstbereitschaft als kultureller Gegenbewegung unter franzö­sischen Hochadeligen zu den Mazarin-Jahren vgl. Walther, Protest als schöne Pose, 188 f. 577 Roosen, Age, 72 f. Ähn­liche Befürchtungen hatten offenbar auch hochadelige Diplomaten Kaiser Karls VI. im 18. Jahrhundert. Diese wollten sich von der „Interaktionsgesellschaft“ des Hofes als Verteilungszentrum für Gnaden nicht zu lange entfernen, vgl. Pečar, Ökonomie der Ehre, 44 f. Vgl. auch von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 140. 578 So etwa für den Kongress von Nimwegen Köhler, Strategie und Symbolik, 197 f. 579 Vgl. Roosen, Age, 73. 580 Aussy esperons nous qu’on nous rendra la justice a la Cour de considerer qu’il ne s’y pouvoit jusqu’icy faire que cela de nre. part […]. Cependant comme le mauvais succès d’une affaire

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Finanziell hielt sich der unmittelbare „Schaden“ zumindest für Gramont während der Ambassade bei der Kaiserwahl in Grenzen: Korrespondenzen aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass Mazarin gegenüber dem innerhalb seiner Klientel besonders wichtigen und privilegierten Gramont durchaus Wort hielt und ihn vergleichsweise regelmäßig entlohnte 581. Zudem wurden ihm bereits während seiner Mission einige klienteläre Anliegen für seine Familie bzw. für eigene Klienten gewährt 582. Gramont agierte also nicht völlig ohne ein kurzfristiges ökonomisches Sicherungsnetz. Ob die Auszahlung seines Budgets jedoch die Kosten des insbesondere nach der Ankunft der spanischen Gesandtschaft rasant gestiegenen Repräsentationsaufwandes deckte, muss hier frei­lich offenbleiben. Um das Dienstverhältnis von Diplomaten und ihren Prinzipalen zu verstehen, müssen aber ohnehin noch andere als finanzökonomische Kriterien und die unmittelbare individuelle Nutzenmaximierung betrachtet werden. Gesandte mussten im Namen ihres Herrn einen besonders aufwendigen Repräsentationsstil pflegen. Sie verwalteten so das soziale Kapital ihres Herrschers und konnten zugleich – etwa bei großen Kongressen, die auch Schaubühnen einer europäischen Adelsgesellschaft

est toujours suivy de quelques especes de blasme de ceux qui y ont agi par les personnes qui ne sont pas informé du detail, je m’en consoleray en mon particulier fort aisement pourvu que j’en sois pleinement justif ié dans l’esprit de V E dont je ne puis pas douter, Lionne an Mazarin, Frankfurt, 8.1.1658 (AMAE , CP , Allemagne 142, fol. 45v). Zum „Ehrschutz“ als Verpf­lichtung des Fürsten, die zentral war, allein schon, um die Attraktivität des Fürstendienstes aufrechtzuerhalten, vgl. von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 187. 581 Ende 1657 etwa antwortete Servien seinem Neffen Lionne auf einige von ihm formulierte Beschwerden. Daraus geht hervor, dass Gramont, ganz im Gegensatz zu Lionne, einigermaßen regelmäßig seine ihm versprochene Remunerierung erhielt. Servien erklärte seinem Neffen allerdings, dass eine bevorrechtigte Bezahlung des hochadeligen Prinzipalgesandten der Normalfall sei, vgl. Servien an Lionne, Paris, 30.11.1657 (AMAE, CP, Allemagne 139, fol. 217r). Dass Gramont zumindest eine zeitnahe Auszahlung seines Budgets erwarten konnte, zeigt sich in einem Brief des Kardinals an dessen Ehefrau. Nachdem sich diese offensicht­lich im Namen ihres Mannes bei Mazarin über ausbleibende Zahlungen beschwert hatte, sicherte ihr der Kardinal verbind­lich zu, dass die Zahlung sofort auf den Weg gebracht würde. Sollte Mazarin tatsäch­lich schnell gehandelt haben, wären Gramonts Einkünfte nicht viel länger als fünf Wochen im Rückstand gewesen, was eine im Vergleich zu anderen franzö­sischen Gesandten sehr geringe Zeitspanne ist, vgl. Mazarin an Madame de Gramont, A ­ miens, 6.5.1658 (AMAE, MD, France 275, fol. 172r). 582 Dies bezeugen etwa die Danksagungen des Gesandten in einem persön­lichen Schreiben an den Kardinal, vgl. Gramont an Mazarin, Frankfurt, 17.4.1658 ( AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 27r ff.).

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waren – ihr eigenes steigern. Investitionen in die Vertretung des Dienstherrn konnten so auch Investitionen in das soziale Kapital eines Adeligen darstellen 583. Dies konnte sich mit ökonomischen Mög­lichkeiten, die die Gesandtentätigkeit jenseits ihrer exzessiven Kosten bereitstellte, verbinden. Für die spanischen Botschafter im Kirchenstaat des frühen 17. Jahrhunderts hat Hillard von Thiessen gezeigt, dass sie ihre Position in Rom nutzen konnten, um für Verwandte und Klienten lukrative kirch­liche Pfründen einzuwerben 584. Damit waren Kompensationsmög­ lichkeiten in Form von längerfristiger Versorgung des eigenen Familienverbandes und der eigenen Klientel gegeben. Darüber hinaus existierte für die spanischen Gesandten im kurialen Rom Anfang des 17. Jahrhunderts ein inoffizieller Karriereplan, der sie nach ihrer verlustreichen Tätigkeit im kurialen Rom auf den überaus gewinnträchtigen und für eine finanzielle Sanierung geeigneten Posten eines Vizekönigs von Sizilien führte 585. Finanziell attraktive und prestigeträchtige Hofämter sowie Statthalterposten konnten auch hochadelige Botschafter des Kaisers in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Kompensation nach der Beendigung ihres Dienstverhältnisses erwarten 586. Auch für die Diplomaten Ludwigs XIV . lässt sich nachweisen, dass die meisten, nachdem sie von ihren Gesandtschaftsposten zurückgekehrt waren, prestige- und gewinnträchtige Chargen in der könig­lichen Verwaltung oder, je nach Profession des Gesandten, in der Armee oder auch in der gallikanischen Kirche erhielten 587. Für die Existenz regelhafter Karrieremuster fehlen aber stichhaltige Belege. Häufig ging es für die Gesandten wie auch für andere adelige Fürstendiener also ohnehin nicht um zeitnahe und exakte monetäre Entlohnung im Rahmen bürokratischer Dienst- und Remunerierungsverhältnisse 588. Vielmehr wird hier, wie Matthias Köhler anhand der am Frieden von Nimwegen beteiligten Akteure 583 Vgl. hierzu anhand des Kongresses von Nimwegen Köhler, Strategie und Symbolik, 188 ff. Dies konnte sich mit einer Rhetorik des bereitwilligen und riskanten service verbinden. Gesandte stellten es als geradezu erstrebenswert dar, Geld für ihren Herrscher auszugeben, vgl. ebd., 185. 584 Von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 167 f. 585 Von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 139 f. 586 Vgl. Pečar, Ökonomie, 50 f.; Müller, Das kaiser­liche Gesandtschaftswesen, 161 ff. 587 Picavet, Diplomatie, 84. Es nimmt nicht wunder, dass zwei der Gesandten auf dem Westfä­lischen Friedenskongress, Servien und d’Avaux, nach ihrer Rückkehr nach Frankreich mit allerdings sehr unterschied­lich einträg­lichen Posten in der für ihre selbst für frühneuzeit­liche Verhältnisse exzessiven „Selbstbedienungsmentalität“ bekannten könig­lichen Finanzverwaltung bedacht wurden, vgl. Tischer, Franzö­sische Diplomatie, 116 und 126. Zumindest Servien gelang es so, sich und seine Familie eindrucksvoll zu bereichern, vgl. Dessert, Fortune politique; Duccini, Guerre et Paix, 344 ff. 588 Vgl. dazu jetzt Stollberg-Rilinger, Zur mora­lischen Ökonomie des Schenkens.

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verdeut­licht hat, eine Logik des Gabentausches sichtbar 589. Deren typische Kennzeichen sind das Auseinanderziehen der Leistungen und Gegenleistungen, die rhetorische Verschleierung des verpf­lichtenden und eigennützigen Charakters von Gabe und Gegengabe, der Tausch nicht spezifizierter Gegenleistungen sowie damit verbunden die Tatsache, dass gegenseitige Leistungen nicht oder nur p ­ artiell gegeneinander aufrechenbar sind 590. Diese spezifische Form des Gabentausches könnte man im Falle fürst­licher Amtsträger im frühneuzeit­lichen Frankreich als eine adelige „Verdienst- und Gnadenökonomie“ bezeichnen. Diese Bezeichnung kann den eher als Überkategorie für vormoderne Tauschbeziehungen zu verstehenden Begriff „Gabentausch“ für asymmetrische Sozial- und Dienstbeziehungen in frühneuzeit­lichen europäischen Monarchien spezifizieren. Sie ermög­licht es auch, die problematische Gleichzeitigkeit von Reziprozitätserwartungen und deren Verschleierung hinter „Freiwilligkeitsfiktionen“ zu erfassen. Ebenso wird es so mög­lich, die hier getauschten „Ressourcen“ in Anlehnung an zeitgenös­sische Semantiken zu bezeichnen, denn mérite war ein adeliger Grundwert, der die Normen adeligen Königsdienstes, aber auch die hierzu befähigenden ständischen Qualitäten beschrieb 591. Der zentrale zeitgenös­sische Begriff für die hieraus zu gewinnenden Ressourcen war grâce, „Gnade“. Er verwies zugleich auf die Tatsache, dass den Normen zufolge grundsätz­lich kein Anspruch auf eine Entlohnung artikuliert werden konnte 592. Der Terminus „Verdienst- und Gnadenökonomie“ als spezielle Form des 589 Vgl. dazu jetzt in aller wünschenswerten Deut­lichkeit Köhler, Strategie und Symbolik, 201. 590 Klas­sisch zur umfassenden sozialen Funktion des Gabentausches Mauss, Essai. Zur Typologie der Gabentauschökonomie anhand der kaby­lischen Gesellschaft vgl. ­Bourdieu, Praktische Vernunft, 163 ff. Zu Gabentausch und Geschenken als besonderem ökonomischen und sozialen Modus in der Frühen Neuzeit vgl. Davis, The Gift; Alagazi/ Groebner/Jussen (Hrsg.), Negotiating the Gift. Zum Verhältnis von Gabentausch und Patronage vgl. Kirner, Politik, Patronage und Gabentausch. Dass derartige Gabentauschbeziehungen aber nicht nur Reziprozitätserwartungen und ökonomische Exaktheit in Dienstverhältnissen, sondern auch zwangsweise zu entrichtende Leistungen durch „Freiwilligkeitsfiktionen“ zu verschleiern suchten, zeigt anhand von Schutzzahlungen in den franzö­sisch-maghrebinischen Beziehungen Windler, Tribut und Gabe, und anhand der Praxis des sogenannten don gratuit der franzö­sischen Provinzialstände Guéry, Le roi dépensier. 591 Vgl. hierzu vor allem Smith, Culture of Merit, 20. 592 Vgl. zum „Gnadencharakter“ könig­licher Ämter und Würden im Rahmen von Gabentauschbeziehungen Smith, Culture of Merit, 25. Zur Semantik des Begriffes sei erneut auf Furetières Dictionnaire verwiesen. Der Eintrag zur grâce definiert diese etwa als Faveur qu’un Superieur fait à un inferieur sans qu’il ait meritée […]. Grace, se dit aussi des faveurs des Princes […]. Cet Officier a receue bien des graces, bien de dons, Lemma „Grace“, in: Furetière, Dictionnaire.

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Gabentausches soll nicht auf einen grundsätz­lichen Revisionsbedarf für die analytischen Begriffe „Patronage“ oder „Klientelismus“ verweisen, sondern bezeichnet hier ledig­lich die Umstände, unter denen Patronage und ihre Normen im Rahmen des Dienstes für die Krone wirksam wurden. Zu den Spezifika des Patronagebegriffes, die seine analytische Relevanz gegenüber anderen Konzepten ausmachen, gehört es gerade, dass er die Struktur prinzipiell asymmetrischen Tausches, wie sie in der könig­lichen Verdienst- und Gnadenökonomie sichtbar wird, zu erfassen vermag 593. Die Einbettung des diplomatischen Dienstes in eine Verdienst- und Gnadenökonomie war keineswegs der Wirksamkeit eines spezifisch hochadeligen Ethos geschuldet, wohingegen die Beschäftigung niederrangiger Akteure geregeltere Dienst- und Remunerierungsverhältnisse befördert hätte 594. Zumindest im hier untersuchten Fall verhielt es sich eher umgekehrt: Der hochadelige Duc de Gramont hatte als dem Kardinalminister besonders nahestehender ami selbst dafür gesorgt, dass er tatsäch­ lich keine Angst vor dem Armenhaus haben musste und zeitnah für seine Dienste kompensiert wurde. Auch der Duc de Longueville hatte als Prinzipalgesandter auf dem Westfä­lischen Friedenskongress offen und unverblümt seinen Anspruch auf unmittelbare, spezifische Kompensationsleistungen für seine Dienste formuliert 595. Solche Verhandlungsspielräume standen den der in besonderem Maße durch adelige Dienstideale definierten noblesse de robe 596 angehörenden Brüdern Robert und 593 Heiko Drostes Versuch, die Inadäquatheit des Patronagebegriffes für Gabentauschbeziehungen im Rahmen des Fürstendienstes nachzuweisen, vermag daher nicht zu überzeugen, vgl. Droste, Patronage, 583 ff. Vgl. die Kritik bei Emich u. a., Stand und Perspektiven, 254 f. Zu den Familienähn­lichkeiten der Kategorien „Gabentausch“ und „Patronage“ vgl. Kettering, Gift-Giving and Patronage. 594 So, allerdings anhand von Beispielen aus dem späten 18. Jahrhundert, Stollberg-­Rilinger, Ökonomie des Schenkens, 196. 595 Je me promets, Monsieur, que vous aurez agréable de vous souvenir de ce qui me touche, et de considerer qu’en ce que j’ay représenté mon honneur y est autant blesse que mon interest. J’espère que j’y auray une si favorable response, Longueville an Mazarin, Münster, 27.8.1646 (APW II, B, 4, 384). Vgl. auch Tischer, Franzö­sische Diplomatie, 101. 596 Auf den dienstadeligen Charakter des mérite-Konzepts verweist etwa Smith, Culture, 3. Zum häufig umstrittenen, durch eine Kombination aus Ämterkauf, Königsdienst, adeligem Lebensstil und adeligen Distinktionspraktiken hergestellten Adelscharakter der noblesse de robe vgl. Descimon, Nobles de lignage et noblesse de service. Auch wenn Schalk, Valor to Pedegree, generell im 17. Jahrhundert eine Verschiebung von Idealen erworbener Tugend hin zu geburtsständischen Adelsidealen ausmacht, beschreibt die besonders exklusive, aber eben häufig erst wenige Generationen zuvor geadelte Gruppe der ducs et pairs ihre Adelsqualität ebenfalls primär als Kombination aus honneur und mérite, vgl. Labatut, Ducs et pairs, 89 – 97. Trotz der relativen Ähn­lichkeit dieser Dienstideale richteten hochadelige Kreise massive Kritik gegen die als unehrenhafte Parvenus wahrgenommenen „Robins“, vgl. ebd., 141 ff. Zu entsprechenden Distinktionspraktiken

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Jacques de Gravel zumeist nicht zur Verfügung. Sie bekamen die Unwägbarkeiten der Verdienst- und Gnadenökonomie in weitaus reinerer Form zu spüren. Über beide Gravel ist trotz ihrer eminenten Bedeutung für die franzö­sische Reichspolitik bedauer­licherweise relativ wenig bekannt. Gerade die Karriere Robert de Gravels ist nur bruchstückhaft rekonstruierbar. Er taucht zum ersten Mal Anfang der 1650er-Jahre als Sonderbeauftragter im Elsass auf. 1653 war er kurzzeitig Resident in Köln 597. Robert de Gravel und später auch sein Bruder Jacques, der ab 1666 die Stelle eines Mainzer Gesandten übernahm, beklagten ständig ihre finanzielle Misere und das Ausbleiben von Zahlungen. 1662 etwa waren diese für Robert zunächst sechs, dann mehr als neun Monate im Rückstand 598. Im Gegensatz zu Gramont scheint sich Gravel nicht in der allergrößten Gunst Mazarins befunden zu haben 599. Er wurde erst nach dem Amtsantritt Lionnes zu einer respektierten Autorität für reichspolitische Fragen – was allerdings keineswegs zur Regelmäßigkeit seiner Bezahlung beigetragen zu haben scheint 600. Da der „nepotistische“ Aspekt des Gesandtschaftswesens gerade auf weniger bedeutenden Posten häufig ausgeprägter war als irgendwo sonst, konnten hier bisweilen mehrere Generationen von Angehörigen einer Familie einen Posten besetzen 601. Es war somit kein Zufall, dass Robert de Gravel seinem Bruder Jacques 1666 auch den wichtigen Posten als Resident am Mainzer Hof verschaffen konnte. Finanziell blieb die Lage beider Gravel während ihrer Missionen jedoch höchst prekär. Die Bitten Roberts um eine ausreichende Apanage schlug der Kardinalminister sogar ausdrück­lich ab. Im Frühjahr 1660 teilte Mazarin Gravel mit, dass im Moment die Mittel der Krone leider zu knapp seien, um ihm in seiner finanziell angespannten Lage zu helfen. Der Kardinalminister „unterstützte“ Gravel nur mit

und Konflikten zwischen Dienst- und Schwertadel vgl. auch Mettam, French Nobility, 114 – 120. 597 Das Wenige, das wir wissen, findet sich zusammengefasst bei Auerbach, La France, 80 ff., und Badalo-Dulong, Diplomatie française, 11 ff. 598 Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 4.10.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 439v); Robert de Gravel an Colbert, Frankfurt, 10.12.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 543r). 599 Auerbach, Diplomatie, 82, erwähnt nicht nur einige Äußerungen von Kritik an Gravels Amtsführung, die sich in der Korrespondenz allerdings nicht in der von Auerbach behaupteten Grundsätz­lichkeit finden lassen, sondern auch die Tatsache, dass Gravel in Mazarins äußerst umfangreichen Testament nicht erwähnt wird. 600 Allerdings war man bereit, unmittelbar vor dem für den Gesandten der Krone teuren Reichstag die Außenstände der Krone bei Gravel zu begleichen, sçachant bien que vous n’avez pas moyen faire des avances et qu’il ne soit pas juste d’ailleurs de vous laisser en dettes, Lionne an Robert de Gravel, Paris, 3.10.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 214r). 601 So etwa Bély, Espions, 307 f.

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dem eher allgemeinen Ratschlag, auf unnötige Ausgaben zu verzichten 602. Dies hinderte Mazarin frei­lich nicht daran, Gravel, offenkundig zunächst auf dessen Kosten, mit dem Erwerb von Kunstgegenständen auf der Frankfurter Frühjahrsmesse zu beauftragen 603. Mazarin lehnte also nicht nur explizit eine weitere finanzielle Unterstützung ab, sondern forderte von Gravel ungeachtet dessen prekärer finanzieller Lage die Vorstreckung von Mitteln für die eigene Sammelleidenschaft. Gravel mochte ein eher unbedeutender Akteur in der Großklientel des Günstlingsministers gewesen sein, ein Klient war er dennoch – und von einem solchen konnte der Patron eben auch Dienste verlangen, die über die Definition einer formalen Charge weit hinausgingen. Dass es sich hierbei allerdings um die von Sharon ­Kettering beschriebene Praxis handelte, den Patron zu beschenken 604, scheint jedoch unwahrschein­lich. Mazarin bekundete immerhin die Absicht, für die Artefakte (zumindest für die, die ihm auch tatsäch­lich gefielen!) später einmal bezahlen zu wollen 605. Das Beispiel zeigt dennoch, dass für Gravel diplomatische Dienst- und Klientenpf­lichten gegenüber dem Günstlingsminister ineinander übergingen. Der Patron konnte also auch und gerade von sozial niedriger stehenden Gesandten ohne eine zentrale Netzwerkposition finanzielle Vorleistungen verlangen, ohne dass diese eine unmittelbare Kompensation zu erwarten hatten. Wie ausgeführt, gehört es zu den Grundzügen der geschilderten Verdienst- und Gnadenökonomie, dass Klienten von der Krone zeitversetzt und ohne vorweg festgelegte Leistungen entlohnt wurden. Dies geschah auch im Falle der Gravel. Nach fast zehn Jahren teilweise ruinösen Krondienstes von Robert de Gravel sollte ihnen 1665 die lothringische Abtei St. Séphorien bei Metz verliehen werden 606. Gravel sah die Abtei und die zu gewärtigenden Einkünfte aber offensicht­lich weniger als eine einfache Mög­lichkeit an, die operativen Kosten seiner Tätigkeit in Regensburg zu decken, sondern als eine Investition in die Zukunft seiner Familie. Die Abtei sollte formell auch sein Bruder Jacques, der die niederen Weihen besaß, übernehmen. Ferner war ein Teil der Einkünfte an Roberts Sohn Jules zu entrichten 607. Gravel wurde allerdings frühzeitig gewarnt, dass sich die Übergabe der Abtei verzögern könne, weil zur notorischen Langsamkeit der römischen Bürokratie die 602 Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE , CP, Allemagne 146, fol. 146r). 603 Mazarin an Robert de Gravel, Toulon, 11.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 30r). 604 Vgl. hierzu Kettering, Gift-Giving and Patronage, 141. 605 Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 10.9.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 145v). 606 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 11.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 27v); Lionne an Robert de Gravel, St. Germain, 12.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 95r). 607 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 25.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 66r, 66v).

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Tatsache hinzukomme, dass die Beziehungen der Krone zur Kurie nach der Krise des Jahres 1664 noch getrübt waren, sodass für franzö­sische Anliegen mit einer besonders langen Bearbeitungszeit gerechnet werden müsse 608. Gravel und Lionne einigten sich darauf, dass man zunächst im Rom versuchen werde, eine Erlassung der Konfirmationsgebühren für die Übertragung der Abtei zu erreichen. Sollte dies nicht gelingen, werde die Krone die Gebühren der Übertragung an die G ­ ravel übernehmen. Man einigte sich darauf, dass damit alle Außenstände der Krone gegenüber Gravel hinfällig würden 609. Eine exakte finanzökonomische Abrechnungspraxis wurde hier also explizit außer Kraft gesetzt. Wer dabei das „bessere Geschäft“ machte, lässt sich frei­lich nicht mehr rekonstruieren. Finanziell ging die Rechnung der Gravel ohnehin nicht auf: Sie wurden mit einer weiteren Unwägbarkeit nicht monetärer Entlohnung für ihre Dienste konfrontiert, ihre Abtei war näm­lich zunächst alles andere als eine Goldgrube. Sie entpuppte sich als massiv sanierungsbedürftiges Objekt, das erst einiger eigener Investitionen bedurfte, bevor es die versprochenen Einkünfte abwerfen konnte 610. Es war also keineswegs sicher, dass patronageförmiger Gabentausch finanzielle Verluste durch die Verleihung von Patronageressourcen, wie etwa kirch­lichen Gütern, auch tatsäch­lich auffangen konnte. Gerade niederrangige Gesandte konnten neben materiellen Ressourcen aber auch soziales Kapital erwerben. Für Robert de Gravel schlug sich dies darin nieder, dass er 1662 zum Sieur de Marly geadelt wurde 611. 1670 bekam er zudem den prestige­trächtigen Ordre de St. Michel verliehen. Dies war gerade für einen Niederadeligen wie Gravel eine besonders ungewöhn­liche und exklusive Ehre, hatte doch Ludwig XIV. nur wenige Jahre zuvor den seit dem 15. Jahrhundert bestehenden Ritterorden reformiert und dabei eigent­lich hohen Adeligen vorbehalten 612. Eine solche Statuserhöhung frei­lich konnte Gravel gegenüber Lionne und dem König nicht als legitime Entlohnung für eigene Verdienste rechtfertigen oder gar einfordern. Vielmehr vermischte sich in seiner eigenen Darstellung die Steigerung des eigenen sozialen Status mit der Optimierung des service du Roy. So erst konnte die Statuserhöhung als legitimes Anliegen formuliert werden. Er, Gravel, könne näm­lich mit solchen Ehren die Geschäfte des Königs im Reich besser vertreten, da er so gegenüber seinen reichsständischen Kollegen, die Ehrentiteln eine sehr große 608 Lionne an Robert de Gravel, Saint-Germain-en-Laye, 29.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 125r). 609 Je vous suis très obligé des lettres que vous avez la bonté de vouloir écrire à Rome, pour le gratis de bulles: Si on ne l’accorde pas, nous en serons quittes en le payant, Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 13.8.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 141r). 610 Auerbach, Diplomatie, 85. 611 Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 9.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 266r). 612 Vgl. zur Restitution des Ordre de St. Michel die umfassende Studie von Fauconpret, Les chevaliers de Saint-Michel.

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Bedeutung zumaßen, mit viel größerer Autorität auftreten könne 613. Persön­liche Statuserhöhung und Ehrentitel mussten so rhetorisch gar nicht als Kompensation für den Fürstendienst beschrieben werden, sondern konnten mit diesem gewissermaßen verschmelzen. Anhand des Verhältnisses von Mazarin und Robert de Gravel ist bereits deut­lich geworden, dass niederrangige Diplomaten keineswegs besonders hoch in der Gunst ihrer Patrone stehen mussten. Kleinere Gesandtschaftsposten konnten sogar mit Personen besetzt werden, bei denen das gerade Gegenteil der Fall war, die sich also die besondere Ungnade wichtiger Entscheidungsträger durch ungünstige politische und klienteläre Zugehörigkeiten zugezogen hatten. Diplomatische Tätigkeit war dann nicht Folge der Vergabe von Posten nach einem Patron-Klient-Muster. Sondern ihren Einstieg in die Gesandtentätigkeit verdankten sie dann der Tatsache, dass ihr Dienstort ursprüng­lich ein mehr oder minder zwangsweises Exil gewesen war. Dies trifft besonders für zwei franzö­sische Gesandte bei Reichsständen während des hier untersuchten Zeitraums zu: Jean Herauld, Sieur de Gourville, hatte zu den Mitarbeitern und Klienten des Finanzministers Nicolas Fouquet gehört. Mit dessen Sturz und dem Gerichtsprozess gegen ihn verlor auch Gourville seine Posten in der könig­lichen Verwaltung, wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt und begab sich ins Exil 614. Er wählte hierfür den Hof der Herzöge von Braunschweig-Celle. Nach einer kurzzeitigen Rückkehr hatte sich aber bereits der Prince de Condé für Gourville verwandt, sodass Gourville mit der Aussicht auf eine Rückkehr in Gnaden zum Bevollmächtigten der franzö­sischen Krone bei den Braunschweiger Herzögen ernannt wurde 615. Sein Exil wurde in eine Art „diplomatischen Arbeitsdienst“ umgewandelt, wobei Gourville versuchte, sich die Mög­lichkeit einer schnellen Rückkehr nach Frankreich offenzuhalten. Es waren allerdings vor allem Gourvilles enge Beziehungen zu Condé, die ihm diese „Sonderbehandlung“ ermög­lichten 616. Als diplomatischer Agent Condés trat er später auch bei der Vorbereitung des Niederländischen Krieges in Erscheinung 617. Ähn­lich liegt auch der Fall des zwischenzeit­lichen Gesandten der Krone in Lüttich, Charles Bruant de Carrières. Carrières war ebenfalls ein Klient und ehemaliger commis Fouquets gewesen 618. Nach dessen Sturz wurde er seiner Ämter enthoben und musste ebenfalls Verfolgung und Bestrafung im Rahmen des Prozesses gegen Fouquet befürchten. Bruant floh schließ­lich nach Lüttich. Mit dem 613 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 14.4.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 254r). 614 Mémoires de Gourville, 343. 615 Ebd., 361. 616 Zu Gourville als Klient Condés vgl. v. a. Béguin, Princes de Condé, 422 f. 617 Sonnino, Dutch War, 38 f. 618 Vgl. zu seinem Fall etwa Eckersley, Retour.

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Beginn des Holländischen Krieges in den 1670er-Jahren begann er jedoch, seine Dienste dem Kriegsminister Louvois, der auch kurzzeitig die Verantwortung für das Außenstaatssekretariat innehatte, anzubieten 619. Bruant setzte in Lüttich nach eigener Darstellung seinen crédit für die Krone im doppelten Sinne ein – einerseits den durch zahlreiche persön­liche Kontakte vorhandenen sozialen, andererseits den ökonomischen, durch den er in Lüttich Geld verfügbar machen konnte, um unter anderem Ausrüstungsgegenstände für die Armee zunächst auf eigene Kosten erwerben zu können 620. Das von Bruant angestrebte Ziel war ähn­lich wie bei Gourville die Restitution seiner Chargen. Hierfür brachte er im Laufe seiner Tätigkeit als Gesandter eine ansehn­liche Koalition von Fürsprechern zusammen, die neben dem Marschall Luxembourg, Louvois, Pomponne und anderen 621 nicht zuletzt die Brüder Fürstenberg umfasste. Letztere verwandten sich ebenfalls mit Supplikationsschreiben für Bruants Anliegen 622. Franz Egon von Fürstenberg nahm dabei sogar explizit auf den Fall Gourville Bezug und bat um eine vergleichbare Restitution seiner Posten in der könig­lichen Verwaltung 623. Ähn­lich wie bei Gourville war es Bruant zufolge, der sich in seinem Journal auffällig als Kreatur von Louvois inszenierte, Jean-Baptiste Colbert, von dem am meisten Widerstand dagegen ausging. Allerdings ist es auch angesichts der Tatsache, dass Colbert an der Abwicklung von Fouquets Finanzverwaltung beteiligt war 624, und der Rivalität, die er gegenüber Louvois pflegte, nicht unwahrschein­lich, dass er einem engen Vertrauten seines gestürzten Vorgängers und dem jetzigen Klienten eines verfeindeten Ministerkollegen zu schaden versuchte. Bruant jedenfalls musste bis 1676 darauf warten, dass seine Titel restituiert und ihm die Rückkehr nach Frankreich ermög­licht wurde 625.

619 „Journal des employs de Monsieur Bruant de Carrières, conseiller du Roy en ses Conseils, maistre ordinaire en sa chambre des comptes et Résident de Sa Majesté à Liège“ (AN, AP 557, 20/1 – 3, 8). 620 Journal des employs (AN, AP 557, 20, 1). 621 Journal des employs (AN, AP 557, 20, 1). 622 Vgl. Franz Egon von Fürstenberg an Bruant de Carrières, „sur le Camp devant Deventer“, 19.6.1672 (AN, AP 557, 10/3, 1); Franz Egon von Fürstenberg an Louvois [?], „sur le Camp devant Groningen“, 27.8.1672 (AN, AP 557, 10/3, 1). 623 Franz Egon von Fürstenberg an Pomponne, Bonn, 19.12.1672 (AN, AP 557, 10/3, 1). Fürstenberg bat den Außenstaatssekretär, beim König um eine grace entière, comme celle qu’il luy a plu accorder au Sr. de Gourville à la recommandation de Monsieur le prince nachzusuchen. 624 Zu den Hintergründen von Fouquets Sturz und Prozess vgl. Dessert, Fouquet, 242 ff. 625 Colbert war zwischenzeit­lich sogar so weit gegangen, einen Beschluss des könig­lichen Rates über die Rehabilitierung Bruants sch­licht nicht ausführen zu lassen und so dessen Ungnade künst­lich zu verlängern, vgl. Eckersley, Retour, 281.

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Die Gesandtentätigkeit von Akteuren wie Gourville oder Bruant de C ­ arrières führte unter dem Blickwinkel einer Verdienst- und Gnadenökonomie zu einer besonders krassen Asymmetrie zugunsten der Krone. Für diese Akteure war jene Gabe, die als Kompensation für ihre Verhandlungstätigkeit auf dem Spiel stand, nicht mehr und nicht weniger als ihre soziale Existenz innerhalb Frankreichs. Die Ausführungen zum Charakter des Dienstverhältnisses und zur Verflechtungssituation franzö­sischer Diplomaten sollen abschließend noch einmal mit Blick auf das in der Einleitung erwähnte Modell der „Diplomatie vom type ancien“ rekapituliert werden. Inwiefern eignet sich diese idealtypische Kategorie dazu, sich den franzö­sischen Gesandten im Heiligen Römischen Reich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu nähern? Lassen sich diese als Diplomaten vom „type ancien“ beschreiben? Für die hier erläuterten Fallbeispiele müsste die starke Orientierung am hochadeligen, höchstrangigen Ambassador als Leitbild, die das Modell postuliert, noch stärker auf niederrangigere Akteure bezogen werden.Bei den hier behandelten franzö­sischen Gesandten handelte es sich häufig um Akteure von weit weniger herausgehobenem Rang 626. Die Verschiedenheit des Karrieremodells des „Diplomaten vom type ancien“ von dem seiner modernen, in bürokratische Strukturen eingebundenen Konterparts, auf die von Thiessen verweist 627, ist im franzö­sischen Fall eben nicht nur für hochadelige Diplomaten, sondern in besonderem Maße auch für niederrangige, der noblesse de robe angehörige Gesandte feststellbar 628. Gerade darum folgte das Gesandtschaftswesen auch nicht bürokratischen Kompensationsmustern. Dass Patronage und Klientelismus nicht nur als Rekrutierungsmuster fungierten, sondern auch damit verbundene Normen und Praktiken im Rahmen einer Verdienstund Gnadenökonomie den spezifisch vormodernen Denkrahmen für Dienstbeziehungen darstellten, wurde oben erläutert. Eine solche Praxis entsprach dem für die meisten Staaten und Gemeinwesen im späteren 17. Jahrhundert finanziell und organisatorisch Machbaren. Erst nach dem Ende der Regierungszeit ­Ludwigs XIV. in den 1730er-Jahren lässt sich eine größere Regelmäßigkeit der Entlohnung und eine signifikante Zunahme des von der Krone regelmäßig übernommenen Anteils am Budget franzö­sischer Diplomaten feststellen 629. Im 17. Jahrhundert bekamen jedoch gerade sozial unterhalb des Hochadels stehende Angehörige der noblesse de robe „Bürokratiedefizite“ und die riskanten Folgen einer Verdienst- und Gnadenökonomie zu spüren. Die Diensttätigkeit niederrangiger 626 Von Thiessen, Überlegungen, 487. 627 Ebd., 501. 628 Zur Besonderheit des Adelscharakters der noblesse de robe vgl. Haddad, Introduction, 14 f. 629 Bely, Espions, 320.

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Gesandter bewegte sich keinesfalls in stärker geregelten Bahnen. Die Orientierung an dem Wert des mérite und die Mög­lichkeit, sozialen Status zu begründen und zu festigen, verwiesen sie häufig in noch stärkerem Maße an die langfristigen „Profite“ aus sozialem und symbo­lischem Kapital, das sie während ihrer Gesandtentätigkeit erlangten, als dies bei hochadeligen Gesandten der Fall war 630. Aussagen über die Rollen- und Bindungsvielfalt und die Gewichtung verschiedener daraus hervorgehender Verpf­lichtungen franzö­sischer Gesandter, die nach dem Modell der „Diplomatie vom type ancien“ von herausragender Bedeutung waren, lassen sich allerdings anhand der hier analysierten Quellen nur in begrenztem Maße treffen. Dass Diplomaten Ressourcen, über die sie qua Amt verfügen konnten, an sozial nahestehende Akteure vermittelten, lässt sich jedenfalls nicht nachweisen. Allerdings muss hier die Tatsache berücksichtigt werden, dass die meisten diplomatischen Posten außerhalb Roms kaum solche Kompensationsmög­ lichkeiten vor Ort zur Verfügung stellten 631. Stattdessen verstärkte sich wohl eher, wie der Fall der Gravel gezeigt haben dürfte, die Abhängigkeit vom Patron, hier also vom Günstling- bzw. Außenminister, und dessen Gnaden. Nur so war es Robert de Gravel mög­lich, über Adels- und Ehrentitel, die ihm als Kompensation verliehen wurden, symbo­lisches Kapital zu erwerben. Dass jedoch auf kleineren Posten der diplomatische Dienst „in der Familie“ bleiben konnte, wie etwa bei den Gravel, war allerdings sicher ein Anzeichen dafür, dass Gesandte ihr Amt als Ressource für die eigene Familie nutzten. Das Modell der „Diplomatie vom type ancien“ geht auch davon aus, dass nicht nur der Fürst alleiniger Träger der Außenbeziehungen war, sondern auch hochadelige Akteure – oft mit Unterstützung fürst­licher Diplomaten – an den Außenbeziehungen teilhatten. Dies trifft für den in der vorliegenden Studie betrachteten Zeitraum aber nur noch in eingeschränktem Maße zu. Hoch- und Höchstadelige wie Turenne und Condé konnten durch den Einsatz eigener Agenten, aber auch durch eigene Verflechtungsbeziehungen zu ausländischen Höfen bis zu einem gewissen Grad Außenbeziehungen der Krone mitgestalten. Zu Interessenkonflikten mit der Krone allerdings konnten und durften solche Verbindungen seit den 1650er-Jahren, nach dem Ende der Fronde und der Befestigung der absoluten Monarchie, nicht mehr führen 632.

630 Von Thiessen, Überlegungen, 488. 631 Erneut muss auf das Quellenproblem verwiesen werden. Wir wissen aufgrund des weitgehenden Fehlens von Privatarchiven nicht, inwiefern sich diplomatische Akteure im Reich selbst auf eventuelle „broker“-Geschäfte mit reichsständischen Akteuren oder deren Personal einließen. Dass es solche mit franzö­sischer Beteiligung auf dem Westfä­lischen Friedenskongress durchaus gab, zeigt Bosbach, Kosten, 217. 632 Kühner, Hochadelige Außenverflechtung, 77.

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

Ein weiterer Punkt, auf den von Thiessen hinweist, ist das Faktum, dass offizielle Gesandte durch eine Reihe semioffizieller Akteure und Agenten vor Ort ergänzt wurde. Auf diesen Zusammenhang, auf das Verhältnis von franzö­sischen Diplomaten und dieser Gruppe der „Vor-Ort-Akteure“ soll im Folgenden ausführ­lich eingegangen werden. Um jedoch diese Akteursgruppe angemessen und im Kontext der zeitgenös­sischen politischen Kultur betrachten zu können, muss zunächst eine weitere politische Funktion von Patronage und Klientelismus im Frankreich des 17. Jahrhunderts betrachtet werden. 2.3.1.3 Von der Binnen- zur Außenverflechtung Personale Verflechtung spielte nicht nur bei höfischen Faktionskämpfen und der Formierung von Verwaltungseliten eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Ausübung der „Herrschaft vor Ort“ in den Provinzen und Peripherien frühneuzeit­licher Monarchien. Absolutismuskritische Forschungen, vor allem Sharon Ketterings Studie Patrons, Brokers and Clients in Seventeenth Century France, haben gezeigt, dass Strukturen personaler Verflechtung im Frankreich des 17. Jahrhunderts von besonderer Wichtigkeit für die Anbindung der provinziellen Peripherie an das politische Zentrum des Hofes waren 633. Dabei knüpfte die Krone unter Kardinal Richelieu seit den 1630er-Jahren gezielt Verbindungen zu nicht hochadeligen lokalen Notabeln in den Provinzen, die vor Ort Dienste zur Sicherung der Position der Krone übernahmen, was besonders während der Krisen der Fronde in den 1640er- und 1650er-Jahren von besonderer Bedeutung war. Von großem Wert für die Krone war dabei zumeist, dass diese Notabeln lokale Institutionen und regionale Ständeversammlungen zur Konformität mit der Krone bewegen konnten. Dies bezog sich vor allem auf die Zustimmung zu den finanziellen Forderungen der Krone gegenüber diesen Institutionen 634. Für diese Dienste wurden die Klienten vor Ort von der Krone mit materiellen Ressourcen versorgt. Sie konnten neben der eigenen Versorgung auch die Verteilung könig­licher Patronageressourcen in der Provinz beeinflussen. Sharon Kettering führt zur Veranschau­lichung dieses Systems die in der Netzwerkforschung zentrale Figur des „Maklers“ oder „Brokers“ ein. Dieser ist mehr als ein reiner Vermittler von Patronagebeziehungen, da er bis zu einem gewissen Grad die von ihm vermittelten Ressourcen mit kontrollieren kann 635. 633 Kettering, Patrons. Zur Rolle von Herrschaftsvermittlern bei der Integration der 1674 eroberten Franche-Comté vgl. die neuere Studie von Dee, Expansion and Crisis, 61 ff. 634 Kettering, Patrons, 74 f. 635 Zum sozialwissenschaft­lichen Begriff des „Brokers“ vgl. vor allem die Arbeit von ­Boissevain, Friends of Friends. Vgl. Kettering, Brokerage. Andere Publikationen, in denen der Begriff angewendet wird, betonen vor allem die Differenz zwischen inness und betweenness des Brokers und zeigen, dass dieser Kontakte zu sich entwickelnden

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In solchen Klientelsystemen im frühneuzeit­lichen Frankreich nahm der „Broker“ frei­lich seine Maklerfunktion in einem doppelten Sinne wahr: Zum einen setzte er seine vor Ort bestehenden Sozialbeziehungen ein, um Politik im Sinne der Krone zu ermög­lichen. Zum anderen erhöhten sich dadurch seine Chancen auf könig­ liche Patronageressourcen, die er auch an seine eigenen Klienten vor Ort weitergeben konnte. Dabei trat er aus lokaler Perspektive als Verteiler dieser Ressourcen auf und sorgte so für die Reproduktion und die Steigerung seines Sozialprestiges sowie seiner politischen Bedeutung 636. Das System bestand auch nach 1661 und der vermeint­lichen Umformung des Königreiches in den bürokratisch-absolutistischen Staat Ludwigs XIV . weiter. Diese unter den Günstlingministern Richelieu und Mazarin geformten regionalen und lokalen Netzwerke gingen reibungslos über auf die einzelnen Minister Ludwigs XIV., nicht zuletzt auf den vermeint­lichen Musterbürokraten Colbert, der so zu einem zentralen „Großpatron“ wurde 637. Dies führte zu einem Prozess, den Birgit Emich in anderem Zusammenhang als „Politisierung des Klientelismus“ bezeichnet hat 638. Die Minister als Amtsträger könig­licher Behörden besaßen nun umfangreiche Netzwerke, deren Verwaltung und Koordination auch zu den Kernaufgaben der ministeriellen Verwaltung gehörten. Zentralisierungsmaßnahmen, etwa die Einsetzung könig­licher Intendanten, stellten keine explizite Gegentendenz zur informellen Durchdringung der Peripherie durch Klientelnetzwerke dar. Vielmehr kooperierten die „Broker“ und ihre Netzwerke in den meisten Fällen mit den Intendanten 639. Gesteuerte personale Verflechtung kann also als ein wichtiges systemstabilisierendes, integratives Element der absoluten Monarchie betrachtet werden. Durch die Bindung von lokalen Eliten an das höfische Zentrum stellten Patron-Klient-Strukturen ein wichtiges Übergangsphänomen auf dem Weg zum modernen Staat dar, das über weite Strecken des 17. Jahrhunderts häufig den Ausbau von Verwaltungsapparaten begleitete oder sich komplementär zu diesem verhielt. In den 1690er-Jahren scheint allerdings nach dem Ende der Dominanz der ministeriellen „Clans“ eine Umstrukturierung höfischer Einflusspolitik stattgefunden zu haben 640, wobei auch die Bedeutung solcher Netzwerke staat­lichen Institutionen, nicht aber herausgehobene Netzwerkpositionen in der eigenen Gruppe haben musste, vgl. etwa Windler, Beziehungen makeln. Zu einer rollensoziologischen Vertiefung des Begriffes, die allerdings den geschichtswissenschaft­lichen Forschungsstand nicht voll berücksichtigt, vgl. die Studie zu Nordirland von Klein, Regeln der Patronage, 42 ff. 636 Kettering, Clients, 55. 637 Beik, Absolutism and Society, 235. 638 So vor allem in Emich, Bürokratie und Nepotismus, 19 f. 639 Kettering, Patrons, 235. 640 Petitfils, Louis XIV, 515, spricht etwas irreführend von der „vraie prise de pouvoir“ ab den 1690er-Jahren.

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in der Provinz abnahm. Der Hof selbst wurde so immer mehr zum Zentrum der Verteilung von Patronageressourcen und höfische Akteure bestätigten sich verstärkt als Broker für Personen, die könig­liche Patronage zu erlangen suchten 641. Wie oben erwähnt, konnten die Minister Ludwigs XIV. als Großpatrone von Klientelnetzwerken in den Provinzen auftreten. Dies betraf auch den Außenstaatssekretär. Hugues de Lionne unterstand in den 1660er-Jahren, genauso wie seinen Kollegen Colbert und Le Tellier bzw. Louvois, auch eine Reihe von Provinzen. Dies war einer Besonderheit bei der Entstehung der Ministerialbürokratie in Frankreich geschuldet. Ministerien waren näm­lich ursprüng­lich keine Ressortministerien, sondern hatten regional definierte Aufgabenbereiche 642. Zu den Zuständigkeiten des Außenministeriums gehörten vor allem die 1648 neu erworbenen Gebiete des Elsass. Diese befanden sich wegen der Grenzlage und der komplizierten Rechtstitel, über die die franzö­sische Krone verfügte, in einer besonderen Position zwischen Binnen­ verwaltung und Außenbeziehungen. Personale Verflechtung diente hier nicht zuletzt Prozessen der territorialen Integration 643. 2.3.2 Außenverflechtung der Krone im Heiligen Römischen Reich – Akteure, Ressourcen, Funktionen, Erwartungen Im Herbst 1665 fasste der franzö­sische Gesandte am Regensburger Reichstag, Robert de Gravel, eine seiner wichtigsten Erfahrungen als franzö­sischer Gesandter im Heiligen Römischen Reich folgendermaßen zusammen: Ich habe, seit ich in Deutschland bin, bemerkt, dass es keine oder doch sehr wenig Sicherheit in den Bündnissen mit den meisten Kurfürsten und Reichsfürsten gibt, wenn nicht auch die Minister, denen sie in der Hauptsache ihre Geschäfte anvertrauen, gewonnen werden 644. Damit deutete Gravel auf einen für die franzö­sische Reichspolitik prägenden Umstand hin: das Bemühen 641 Kettering, Brokerage. Im Laufe des 18. Jahrhunderts beschäftigten nordfranzö­sische Stände schließ­lich Agenten am Hof, die mit der Krone verhandelten und den „Provinzbroker“ endgültig ersetzten, vgl. die Studie von Legay, Etats Provinciaux. 642 Vgl. Barbiche, Institutions, 176 f. 643 Zum Konzept der territorialen Integration als Ineinandergreifen von Netzwerken, ökonomischen Umverteilungsprozessen und administrativer Institutionenbildung im Rahmen einer Fallstudie anhand des Kirchenstaats im frühen 17. Jahrhundert vgl. Emich, Territoriale Integration. 644 J’ai remarqué depuis que je suis en Allemagne qu’il n’y a point de seureté ou fort peu dans toutes les liaisons qui se font avec la pluspart des électeurs et Princes de l’Empire, si les ministres auxquels ils confient le principal soin de leurs affaires ne sont autant gagnés que les maistres, Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 29.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 275v).

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der franzö­sischen Krone, Einflussträger aus dem Umfeld verbündeter Fürsten des Reiches an sich zu binden. Dies deutet wiederum darauf hin, dass es neben höfischen Einflussnetzwerken, verflechtungsförmiger Elitenbildung und der Integration provinzieller Peripherien durch politischen Klientelismus noch ein viertes Feld frühneuzeit­licher Politik gab, in dem Strukturen von Verflechtung und Patronage eine entscheidende Rolle spielen konnten: die Außenbeziehungen. Dass es sowohl in republikanischen als auch in monarchisch-höfisch geprägten Gesellschaften Personen gab, die von fremden Herrschern und ihren Vertretern Gelder und Güter erhielten, war für einen politischen Theoretiker wie Jean Bodin im späten 16. Jahrhundert eine Selbstverständ­lichkeit. Bodin sah diese explizit als Gaben für einen zu erwartenden service 645. Auch Abraham de Wicquefort begriff den frühneuzeit­lichen Gesandten als einen Vermittler und Verwalter solcher Leistungen im Namen seines Auftraggebers. Auch für ihn stellte dies den Normalfall dar. Er hob insbesondere die Funktion des Informationserwerbs mithilfe solcher Praktiken hervor. Er sah sie implizit ledig­lich dadurch begrenzt, dass der Gesandte keine Verschwörungen gegen den Herrscher oder die Herrschenden an seinem Dienstort befördern dürfe 646. Dies zeigt, dass sich auch frühneuzeit­liche Außenbeziehungen auf Akteure stützten, die durch informelle Gabentauschbeziehungen gebunden waren. Dabei weisen die Techniken informeller Herrschaft und die Führung von Außenbeziehungen strukturelle Ähn­lichkeiten auf. Wolfgang Reinhard hat, vom Beispiel des Kirchenstaates ausgehend, sogar dafür plädiert, die strenge Unterscheidung von „außen“ und „innen“ für die Politik eines Gemeinwesens aufzugeben und von „konzentrischen Zonen“ mit „abnehmender Intensität der politischen, nicht zuletzt auch der finanziellen Interaktion und der mikropolitischen Vernetzung“ zu ­sprechen. Außenbeziehungen umfassen dann ledig­lich den äußersten Bereich solcher Zonen 647. Auch wenn sich der Fall des Kirchenstaates aufgrund der „transterritorialen“ Organisationsstruktur der Kurie zumindest in der katho­lischen Welt in seiner einzigartigen Vielschichtigkeit besonder anschau­lich beschreiben lässt, kann das Modell modifiziert auch auf andere politische Räume angewendet werden. Verflechtungsstrukturen und Patron-Klient-Beziehungen gab es, frei­lich mit reduzierter Intensität, auch in den Außenbeziehungen zwischen der franzö­sischen Krone und den Reichsständen, insbesondere mit den geist­lichen Kurfürsten von 645 Pour […] luy descouvrir tous les secrets, prattiques & négociations de sa République, & empescher de tout son pouvoir qu’on fist rien au preiudice de celuy qui payeroit la pension, vgl. Bodin, Six livres, 871. 646 Quelques autres ambassadeurs […] ne faisoient pas un commerce que le Droit des Gens souffre. Ils ne corrompoient pas les Minister, pour en apprendre des secrets, mais ils faisoient des cabales & des trahisons contre le Prince & entre l’Estat, Wicquefort, L’Ambassadeur I, 100. 647 Reinhard, Außenverflechtung in konzentrischen Zonen, 17.

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Köln und Mainz. Auch hier lässt sich die Frage nach strukturellen Analogien und Unterschieden von binnenpolitischem Klientelismus im Frankreich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und grenzüberschreitenden Patronagebeziehungen stellen. Bevor sich die Untersuchung jedoch den Mechanismen dieser Beziehungen widmen kann, sollen zunächst deren wichtigste im Reich ansässige Akteure in den Blick genommen und ihr jeweiliges Verhältnis als Klient zur Krone kurz skizziert werden. 2.3.2.1 Das franzö­sische „Netzwerk“ Die vorliegende Studie verfolgt zwar ausdrück­lich keinen biografischen, sondern einen stärker analytischen Ansatz. Dennoch sollen im Folgenden die wichtigsten Akteure des franzö­sischen Netzwerkes in kurzen biografischen Profilen vorgestellt und soll dabei in gebotener Kürze auf ihre familiären Hintergründe, die Entstehung und Entwicklung ihrer Frankreichbindung sowie die zu ihrer Aufrechterhaltung eingesetzten Patronageressourcen eingegangen werden. Auf viele der hier rekapitulierten Fakten wird in den folgenden Kapiteln im Kontext sozial- und kulturgeschicht­licher Fragestellungen noch ausführ­licher eingegangen werden. 2.3.2.2 Franz Egon und Wilhelm von Fürstenberg Auf die zentrale Bedeutung der Brüder Franz Egon und Wilhelm von Fürstenberg-Heiligenberg für die franzö­sische Klientelbildung im Reich ist bereits weiter oben verwiesen worden. Die Fürstenberg befanden sich in den Diensten des wittelsbachischen Erzbischofs von Köln Max Heinrich und können als die wichtigsten Klienten der franzö­sischen Krone und Vermittler franzö­sischer Reichspolitik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts betrachtet werden. Traditionell gab es im Familienzweig der Fürstenberg-Heiligenberg parallel eine habsburgische und eine wittelsbachische Diensttradition. In dieser Tradition stehend, kommandierte Franz Egons und Wilhelms Vater, Egon von Fürstenberg, ein bayerisches Regiment 648. Nach dessen Tod 1635 begab sich der älteste Sohn ­Ferdinand Friedrich auf Vermittlung des Kurfürsten Maximilian in kaiser­liche Dienste. ­Maximilian war es auch zu verdanken, dass Wilhelm und Franz Egon unter die Obhut von dessen Bruder Ferdinand, des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, kamen 649. Beide Brüder waren für geist­liche Karrieren vorgesehen. Sie bekamen die traditionell der Familie Fürstenberg zustehenden Präbenden in den Domkapiteln von 648 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 18 f. 649 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 19; zu Ferdinand von Köln, vgl. Förster, Kurfürst Ferdinand.

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Straßburg und Köln. Um im Kapitel aufschwören zu können, mussten sie allerdings ein zweijähriges Studium der Theologie vorweisen können. Wilhelm absolvierte dieses zunächst in Löwen, dann am Collegium Germanicum in Rom. 1648 erhielt er vom Papst eine Dispens, die es ihm gestattete, vor dem Erreichen des dafür geforderten Alters in ein Domkapitel einzutreten 650. Franz Egon von Fürstenberg scheint bereits in jungen Jahren im Dienst des Kölner Kurfürsten rasch Karriere gemacht zu haben. Bereits 1644 ist er als regelmäßiger Teilnehmer an den Sitzungen des Kölner Hofrates nachweisbar. Seit dem Frühjahr 1647 führte er zudem verschiedenste diplomatische Missionen aus. Diese führten ihn zweimal nach Wien, aber auch nach Mainz, nach München und nach Brüssel zum spanischen Statthalter Leopold Wilhelm. Ebenso war er kurkölnischer Gesandter auf dem Reichsexekutionstag 1650 in Nürnberg 651. Als Ferdinand von Köln im Jahre 1650 verstarb, stieg Franz Egon endgültig zum mächtigsten Mann am Hofe des Kölner Kurfürsten auf. Franz Egon wurde Obristhofmeister und Chef des Geheimen Rates und konnte als eine Art Günstlingminister betrachtet werden, der auch in den führenden kurfürst­lichen Regierungsgremien, vor allem der sogenannten Geheimen Konferenz, den Ton angab 652. Dies brachte auch seine kirch­liche Karriere voran. 1655 wurde Franz Egon Domdechant und Propst im renommierten Stift St. Gereon 653. Über Wilhelm von Fürstenbergs Anfangsjahre in Köln ist dagegen relativ wenig bekannt 654. Er nahm zunächst nur unregelmäßig an Sitzungen des kurkölnischen Rates teil. Seit 1653 führte er diverse diplomatische Missionen durch, schien also gewissermaßen die Nachfolge seines Bruders angetreten zu haben. 1655 war er zwischenzeit­lich als Abgesandter auf der Frankfurter Deputation tätig 655. Bis Anfang 1657 war er in die höchsten Regierungsgremien nicht nur in Köln, sondern auch in Straßburg eingerückt. Er war intimus consularius sowohl von Max Heinrich als auch von Leopold Wilhelm in Straßburg 656. Der enorme Einfluss der Brüder in Köln entging auch der franzö­sischen Krone nicht. Mazarin sah sich während der Wirren der Fronde 1651 kurzzeitig gezwungen, beim Kölner Kurfürsten in Brühl sein Exil zu nehmen. Dort scheint er auch von 650 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 19. 651 Engels, Aus den Anfängen, 497; zum Kölner Hofrat unter Max Heinrich, vgl. Buhlmann, Hofrat, 116 ff. 652 Braubach, Minister, 145. 653 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 24. 654 Dass er schon in den 1640er- und 1650er-Jahren einmal als Offizier in franzö­sischen Diensten gestanden hatte, dürfte wohl eine Legende der späteren Flugschriftenpropaganda gegen ihn gewesen sein. Vgl. Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 21. 655 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 22. 656 Ebd., 23.

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der Wichtigkeit Franz Egons von Fürstenberg erfahren zu haben, den er als den favory de cet électeur bezeichnete 657. Fürstenberg versäumte allerdings wegen einer diplomatischen Mission die Gelegenheit, Mazarin persön­lich sprechen zu können, schrieb jedoch Ende des Jahres erstmals an den Kardinalminister, den er seiner Ergebenheit versicherte 658. Mit dem Tod Ferdinands IV. 1654 und der Aussicht, die Kaiserwahl im franzö­ sischen Sinne beeinflussen zu können, verstärkten sich auch die Bemühungen der franzö­sischen Diplomaten um Franz Egon von Fürstenberg. Dessen taktisches Manövrieren zwischen mög­lichen franzö­sischen und bestehenden habsburgischen Bindungen erschwerte allerdings die Zusammenarbeit mit den Franzosen erheb­lich, brachte die Kontakte sogar zweimal gänz­lich zum Erliegen. Die Tatsache, dass sich der Kölner Erzbischof 1655 auf Vermittlung Franz Egon von Fürstenbergs mit den Spaniern verständigt hatte und Fürstenberg nun eine Pension von 3000 Reichstalern einstreichen sollte, ließ Mazarin von einer vertieften Zusammenarbeit mit den ­Fürstenberg zunächst Abstand nehmen 659. 1656 wiederholte man den Versuch, Klientel­bindungen zu den Fürstenberg zu knüpfen, befand sie aber am Ende des Jahres für zu habsburgtreu, um franzö­sische Interessen angemessen vertreten zu können 660. Erst im Laufe des Frankfurter Wahltages sollte sich insbesondere mit Wilhelm von Fürstenberg eine stabile und lang anhaltende fürstenbergische Kooperation mit der franzö­sischen Krone einstellen. Die „Doppelstrategie“ beider Brüder sollte jedoch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, über die 1650er- und 1660er-Jahre hinweg die Bindung der Fürstenberg an Frankreich entscheidend mit prägen. Da beide Brüder Geist­liche waren, gehörten neben Pensionen und Gratifikationen auch kirch­liche Benefizien zu den bevorzugten Patronageressourcen, die ihr Verhältnis zur franzö­sischen Krone stabilisieren sollten. Bereits Anfang der 1650er-Jahre hatte sich Franz Egon erfolglos bei der Regierung der Spanischen Niederlande in Brüssel um geist­liche Güter im süd­lichen Flandern bemüht 661. Im Zuge der Annäherung an Frankreich bat Franz Egon schon 1654 darum, für seine 657 Mazarin an Brienne, in: Lettres du Cardinal IV, 121. 658 Franz Egon von Fürstenberg an Mazarin, Bonn, 26.12.1651 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 115r). 659 Mazarin an Wagnée, 21.4.1655 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 356r). Vgl. Braubach, Pakt, 22. 660 Mazarins Lütticher Gesandter Wagnée beklagte sich in diesem Zusammenhang über die bassesse Max Heinrichs und Fürstenbergs, vgl. Wagnée an Mazarin, Lüttich, 23.11.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 553v). Ebenso unterstellte er Wilhelm, sich auf der Reichsdeputation gänz­lich auf die Seite des Kaisers geschlagen zu haben, vgl. Wagnée an Mazarin, Lüttich, 5.1.1657 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 578r). 661 Engels, Aus den Anfängen, 499.

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noch ausstehenden guten Dienste eine Abtei in der Nähe von Lille verliehen zu bekommen 662. Nach dem kurzzeitigen Abbruch der Beziehungen wurde Franz Egon von Fürstenberg 1656 die Abtei St. Michel de Thiérarche bei Hirson in den Ardennen versprochen. Sie wurde wenig später allerdings an Wilhelm von ­Fürstenberg überschrieben. Die Abtei war das erste Objekt in einer langen Reihe von geist­lichen Krongütern, die beide Fürstenberg im Grenzgebiet zwischen Frankreich und dem Reich erhalten sollten 663. Franz Egon plante darüber hinaus bereits sehr früh, seine Frankreichbindung auszunutzen, um sich mit franzö­sischer Hilfe zum Bischof von Straßburg wählen zu lassen. Mazarin suchte dieses Thema jedoch zunächst nach Mög­lichkeit zu umgehen 664. Er bot Fürstenberg stattdessen das Bistum Metz an, das sich zu diesem Zeitpunkt sogar unter der persön­lichen Administration Mazarins befand und in Friedenszeiten 60.000 Écus an Einkünften abwerfen konnte. Sein Bruder sollte die Abtei St. Arnulf in der Nähe von Metz erhalten, die sich in Mazarins persön­lichem Besitz befand. Zusätz­lich zu diesen Benefizien wies er die Frank­furter Wahltagsgesandten Lionne und Gramont an, den Brüdern 6000 Livres auszahlen zu lassen. Ebenso sollten sie für mög­liche Güterverluste, die Mitgliedern der Familie Fürstenberg durch ihre Frankreichbindung entstehen könnten, mit gleichwertigem Ersatz in Frankreich entschädigt werden 665. Diese Patronageleistungen ließen sich die Fürstenberg ein gutes Jahr später in einem vertragsartigen Abkommen z­ u­sichern. Darin wurde ihnen auch eine franzö­sische Unterstützung für alle geist­lichen Wahlen zugesprochen, bei denen sie kandidieren wollten. Diese Zusage schloss ausdrück­ lich auch das Bistum Straßburg ein. Auffällig ist, dass sich die meisten kirch­lichen Benefizien, die die Krone den Brüdern Fürstenberg zugäng­lich machte, in den neu erworbenen Grenzräumen im 662 Je luy en auray, outre toutes autres, une obligation particulière que je tacheray de remériter aux occasions qu’il me fera naistre par mon service, tant en endroit du Roy que de V re. Eminence, Franz Egon von Fürstenberg an Mazarin, Bonn, 15.8.1654 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 287r). Mazarin antwortete ihm Anfang September, zumindest über die Verfügbarkeit der Abtei Erkundigungen einziehen zu wollen, vgl. Mazarin an Franz Egon von Fürstenberg, Paris, 1.9.1654 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 289r.). 663 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 29 f. Eine vollständige Auflistung dieser Güter bei Huisman, Essai sur le règne, 82, Anm. 1. 664 Offenbar war eine franzö­sische Unterstützung beim Erwerb dieser Pfründe bereits Franz von Lothringen versprochen worden, vgl. Mazarin an Wagnée, La Fère, 7.7.1656 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 410r). Dessen Übertritt in franzö­sische Dienste war zu diesem Zeitpunkt eine Priorität von Mazarins Patronagepolitik, vgl. Spangler, Lesson, 248. 665 Vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 21.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 121 ff.

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Osten des Königreichs: in Flandern, in Lothringen und im Elsass, befanden. Hier waren die Herrschaftsrechte der Krone mit dem Erwerb der Territorien noch keineswegs gesichert. Wie weiter unten noch deut­licher zu zeigen sein wird, konnte die franzö­sische Krone aufgrund der besonderen Rechtslage im Elsass anders als auf kernfranzö­sischem Gebiet über die Vergabe von Benefizien nicht frei verfügen. In Straßburg wurden die Bischofswahlen weiterhin allein durch das fast ausschließ­lich mit Hochadeligen aus dem Reich besetzte Domkapitel entschieden 666. Die Vergabe kirch­licher Benefizien an Klienten wie die Fürstenberg könnte daher auch eine Doppelfunktion gehabt haben, welche die bereits angedeuteten Übergänge von Außenverflechtung und „innerfranzö­sischer“ Patronage im Rahmen der territorialen Integration neu erworbener Gebiete in den franzö­sischen Herrschaftsbereich unterstrich. So konnten nicht nur Reichsangehörige als Klien­ ten im Idealfall langfristig und zuverlässig an die franzö­sische Krone gebunden werden, sondern konnte umgekehrt auch mithilfe ihrer Patronageressourcen der Ausbau könig­licher Macht in einer peripheren Region des Königreiches befördert werden. Die Koppelung beider Funktionen ist im Zusammenhang mit der Wahl Franz Egons zum Bischof von Straßburg besonders augenfällig. Für das Bistum Straßburg galten explizit jene Regelungen des Westfä­lischen Friedens, die den elsäs­sischen Körperschaften franzö­sische Oberherrschaft verordneten, zugleich aber ihre angestammten Freiheiten garantierten 667. Die Franzosen benötigten Vermittler mit entsprechenden Sozialbeziehungen und weitreichenden Verflechtungen im Reich, die auf das mit extraterritorialen Entscheidungsträgern besetzte Kapitel Einfluss nehmen und die Herrschaftsrechte der Krone dort ausbauen sollten. König­liche Patronage stieß hier in eine Lücke, die der Westfä­lische Frieden bei der Zuweisung von Herrschaftsrechten gelassen hatte. Schon 1656 hatte Fürstenberg als Gegenleistung für eine mög­liche franzö­sische Unterstützung versprochen, das Bistum so zu regieren, als stehe es unter direkter franzö­sischer Verwaltung 668. Die Amtsführung Franz Egons trug tatsäch­lich erheb­lich zur Integration des Bistums in den franzö­sischen Herrschaftsbereich und in das gallikanische Kirchensystem bei. Im Jahr 1667 sorgte er dafür, dass das Kapitel für franzö­sische Adelige geöffnet wurde, die nun ein Drittel der Stellen besetzten. Im selben Jahr erfolgte die symbo­lische Unterwerfung des Bistums unter franzö­sische Herrschaft 669. Diese durch beide Brüder 666 Metz, La monarchie française, 167. Zu den franzö­sischen Wahlbeeinflussungen in Straßburg vgl. Livet, L’intendance d’Alsace, 275 ff. 667 Vgl. die Bestimmungen in § 87 IPM, in: APW III, B, 1, 26. 668 […] il veut […] le [l’évêché de Strasbourg] devoir à la France et se tenir dans sa protection comme il dépendoit en effet de Brisak, Wagnée an Mazarin, Lüttich, 26.6.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 515v). 669 Metz, Provision, 167 f.

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Fürstenberg vorangetriebene Integrationsstrategie ermög­lichte schließ­lich 1690 die langfristige faktische Übernahme des Bistums durch das franzö­sische Adelsgeschlecht der Rohan-de Soubise 670. So war die Frankreichbindung der Fürstenberg nicht nur eine grenzüberschreitende Patronagebeziehung, die die franzö­sische Reichspolitik stützte, sie trug auch zur Integration des Elsass in den franzö­sischen Herrschaftsverband bei. 2.3.2.3 Johann Christian von Boineburg und der Mainzer Hof Eine zentrale Stellung in der franzö­sischen Reichspolitik nahmen Hof und Kapitel des Kurfürsten von Mainz ein. Deswegen suchte die franzö­sische Krone hier besonders intensiv nach Kooperationspartnern. Eine besonders wichtige Rolle spielte dabei der Mainzer Oberhofmeister und Ratspräsident Johann Christian von Boineburg 671. Die historische Forschung hat sich tendenziell stärker für Boineburgs Tätigkeit als humanistischer Gelehrter, seine Rolle als Förderer und Mäzen sowie als Herausgeber und Sammler gelehrter Literatur interessiert 672. Dabei rückte Boineburg häufig weniger aufgrund eigener Studien als wegen seiner Rolle als Mäzen des jungen Leibniz in den Blick der Forschung 673. Ebenso stand er auch in besonders engem Kontakt mit dem berühmten und dezidiert frankreichfreund­lichen Rechtsgelehrten Hermann Conring 674. Weniger Interesse fanden seine für die Fragestellung dieser Studie umso wichtigere politische Rolle als mächtiger Minister des Mainzer Kurfürsten Johann ­Philipp von Schönborn in den 1650er- und 1660er-Jahren und seine zeitweise sehr enge politische Zusammenarbeit mit der franzö­sischen Krone. Johann Christian von Boineburg stammte aus mög­licherweise angemaßtem protestantischem hes­sischem Niederadel. Die Familienmitglieder waren traditionell Klienten der hes­sischen Landgrafen 675. Dementsprechend befand sich Johann Christian von Boineburg zunächst in den Diensten des Bruders des Landgrafen von Darmstadt, Johann von Braubach, in dessen Auftrag er sich während des Dreißig­ jährigen Krieges eine Zeit lang in Schweden aufhielt 676. 670 Ebd., 308 f. 671 Vgl. zu seiner Biografie Schrohe, Boineburg. 672 Vgl. etwa die Studie von Ultsch, Boineburg. Ausführ­lich zur umfangreichen Bibliothek Boineburgs Paasch, Bibliothek. 673 Vgl. hierzu in erschöpfender Ausführ­lichkeit Wiedeburg, Der junge Leibniz. Auch die Arbeit von Guhrauer, die nicht zuletzt Boineburg in den Vordergrund stellt, ist zunächst ein Nebenprodukt früher Leibnizforschung, vgl. Guhrauer, Chur-Mainz. 674 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 293; Wild, Sturz, Teil 1, 589 f. 675 Von Lehsten, Die hes­sischen Reichstagsgesandten, 64 f. 676 Wild, Sturz, Teil 1, 588 f.

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In den späten 1640er-Jahren nahm er Kontakt zum Mainzer Hof und zu dem neuen Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn auf, in dessen Dienst er 1653 übertrat 677. In diesem Zusammenhang dürfte auch seine Konversion zum Katholizismus erfolgt sein 678. Boineburg gelang in Mainz rasch eine beeindruckende Karriere. Er wurde Oberhofmarschall und Ratspräsident. Ähn­lich wie Franz Egon von Fürstenberg nahm Boineburg eine günstlingministerartige Stellung ein. Johann Philipp von Schönborn bewahrte sich allerdings eine größere Selbstständigkeit als Max Heinrich in Köln und versuchte, eine Machtbalance zwischen den verschiedenen Akteuren in seiner höfischen Umgebung herzustellen. Im Vorfeld der Kaiserwahl scheint Boineburg zunächst die Wahl eines habsburgischen Kandidaten favorisiert zu haben. Noch 1656 hatte er einen Traktat verfasst, der die Wahl des Habsburgers Leopold rechtfertigen sollte 679. Während des Wahltages bemühten sich allerdings auch die franzö­sischen Gesandten darum, Boineburg für die Interessen der Krone und die Wahl eines nicht habsburgischen Kandidaten einzuspannen. Allerdings irritierte und verärgerte er die franzö­sischen Gesandten zunächst durch seine in ihren Augen widerspruchsvolle und uneindeutige Position zur Kandidatenfrage 680. Anschließend wandelte sich seine Position jedoch sehr stark hin zu einer Annäherung an Frankreich. Dies dürfte nicht nur auf die Patronageangebote der franzö­sischen Krone zurückzuführen gewesen sein, sondern auch auf die aktive Beteiligung Frankreichs an der Aushandlung der Rheinischen Allianz, die im Laufe des Jahres 1658 abgeschlossen wurde. Die Kooperation mit Boineburg gestaltete sich bei diesen Verhandlungen und bei den Erörterungen über einen spanisch-franzö­sischen Frieden überaus eng und sehr zur Zufriedenheit der franzö­sischen Gesandten 681. Auch in den ersten Jahren der Rheinischen Allianz wurde Boineburg zusammen mit Fürstenberg als wichtigster Ansprechpartner bei der Koordination der Politik der Rheinischen Allianz und als Garant franzö­sischen Einflusses in der näheren Umgebung des Mainzer Kurfürsten betrachtet. Diese Frankreichnähe blockierte jedoch andere mikropolitischen Ambitionen Boineburgs, wie etwa die Spekulation auf den Posten des Reichsvizekanzlers am Kaiserhof 682. Ebenso sollte es Boineburg trotz oder gerade wegen seiner Stellung als Günstling des Kurfürsten schwerfallen, seine Position in der höfischen Umgebung des Kurfürsten und gegenüber dem Domkapitel zu festigen. Einen gewissen Rückhalt 677 Ebd., 589. 678 Ebd., 588 f. 679 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 59. Dass dieser Traktat gleichzeitig eine interessante Rechtfertigung von Wahlkorruption war, soll im letzten Kapitel der Arbeit gezeigt werden. 680 Lionne an Mazarin, Frankfurt, 8.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 56v). 681 Wild, Sturz, Teil 1, 597 f.; zur Rolle Boineburgs vgl. auch Joachim, Entwickelung, 244 ff. 682 Vgl. hierzu Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 99 f.

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scheint Boineburg in einem Netzwerk von gelehrten Konvertiten am Mainzer Hof gefunden zu haben, die wohl auch auf seine Initiative hin an den Hof geholt worden waren und dort wichtige Ämter besetzten 683. Diese Personalkonstellation unterstrich auch Johann Philipps irenische Politik und seine ehrgeizigen Pläne zur konfessio­ nellen Aussöhnung mit dem Fernziel einer Kirchenunion 684. Zu dieser Gruppe von Konvertiten und Irenikern gehörten insbesondere Boineburgs Sekretär Johann ­Lincker von Lützewitz sowie die gelehrten Räte und kurfürst­lichen Gesandten Philipp Otto von Herzelles und Heinrich Julius Blom 685. Ein wichtiger politischer Verbündeter Boineburgs war auch der kurfürst­liche Rat, Humanist und Ireniker Johann von Vorburg. Beide standen vermittelt über diese Gruppensolidarität in engen intellektuellen und politischen Beziehungen zueinander 686. Vorburg gehörte zur Würzburger Klientel Johann Philipps von Schönborn. Johann Philipp verwandte ihn vor allem als Gesandten. In dieser Funktion war er unter anderem auch auf dem Westfä­lischen Friedenskongress und später auf dem Reichsdeputationstag tätig 687. Vorburg trug in dieser Funktion auch Johann Philipps habsburgkritische Politik in wesent­lichen Teilen mit 688. Genau deswegen setzte auch Robert de Gravel auf eine enge Zusammenarbeit mit Vorburg 689. Langfristig scheiterte diese Strategie aber nicht zuletzt an dessen vorzeitigem Ableben im Jahre 1660. Innerhalb dieses Netzwerkes von gelehrten Konvertiten und Irenikern am ­Mainzer Hof gab es zwar in Fragen des Friedens und der Rheinischen Allianz eine gewisse Übereinstimmung mit der franzö­sischen Politik. Insgesamt waren die politischen Ausrichtungen jedoch so heterogen und schwankend, dass sie kaum konsequent im Sinne franzö­sischer Einflusspolitik zu nutzen waren. Der ursprüng­ lich frankreichfreund­liche Blom wechselte beispielsweise schon bald auf einen

683 „Interessant ist besonders, dass sich unter ihnen so viele Konvertiten befanden und dass gerade diese gern in Mainzer Diensten verwandt wurden; einer zog wohl den anderen nach sich“, Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 293. 684 Zur Konversionspolitik Johann Philipps im Kontext irenischer Bestrebungen vgl. Veit, Konvertiten, sowie zu den geistesgeschicht­lichen Hintergründen Peterse, Boineburg und die Mainzer Irenik. 685 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 294. 686 Nach Vorburgs Tod gab Boineburg bspw. dessen nachgelassenes Geschichtswerk heraus, vgl. Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 293. 687 Zu dessen Rolle auf dem Friedenskongress vgl. Wild, Der Deutsche Salomo. 688 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 292. 689 Robert de Gravel an Mazarin, Paris, 26.2.1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 40v); Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 27.5.1660 (AMAE , CP, Allemagne 148, fol. 94v).

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habsburgfreund­lichen Kurs über und verließ den kurmainzischen Hof, um später in kaiser­liche Dienste zu treten 690. Auch Boineburg nahm ab 1663, mit Beginn des Immerwährenden Reichstages, wieder Kontakt zu den Kaiser­lichen auf. Er spekulierte erneut auf die Stelle als Reichsvizekanzler am Kaiserhof 691. In diesem Zuge wurde er auch von den Franzosen schließ­lich fallen gelassen. Dies schuf Raum für eine verwickelte Intrige gegen Boineburg, die deut­lich machte, wie fragil seine Gunststellung bei Johann Philipp war und wie wenig dauerhaften Rückhalt er am Mainzer Hof besaß. 1664 stürzte Boineburg schließ­lich über diese Vorgänge und wurde sogar kurzzeitig inhaftiert 692. Erst mit der Hilfe Fürstenbergs und Frankreichs gelang es ihm 1667, an den Mainzer Hof zurückzukehren 693. Er übernahm zwar nicht mehr seine früheren Hofämter, konnte aber doch beim Kurfürsten eine gewisse Einflussposition zurückgewinnen. Dies scheint auch während der kurzzeitigen Wiederannäherung ­Schönborns an Frankreich zu Beginn der 1670er-Jahre eine gewisse Rolle gespielt zu haben 694. Ebenso versuchte er ganz im Sinne Frankreichs, Kurtrier vom Anschluss an Johann P ­ hilipps Tripelallianzprojekt abzubringen  695, und dürfte am Arrangement zwischen den Schönborn und den Metternich bei der Koadjutorwahl 1670 beteiligt gewesen sein 696. Die finanzielle Grundlage von Boineburgs Frankreichbindung war zunächst eine monat­liche Pension von 2000 Livres, die ihm 1658 gewährt wurde. Da Boineburg jedoch bereits ein Jahr später monierte, dass solche Zahlungen als illegitime Praxis ausgelegt werden und seine politischen Mög­lichkeiten einschränken könnten 697, sollte er stattdessen die Einkünfte aus einem Güterkomplex im lothringischen Rethel erhalten 698, die formell als könig­licher don ausgewiesen wurden. Auch hier fällt auf, dass die Quelle auch für Boineburgs Einkünfte in einem Grenzraum des franzö­sischen Königreiches lag. Boineburg bemühte sich im gleichen Zuge darum, eine langfristige Versor­ gungsmög­lichkeit zu schaffen, indem er festlegen ließ, dass die Einkünfte auch über 690 Vgl. zur Wahrnehmung Bloms als frankreichfreund­licher Akteur vgl. Nani an den Rat, Bratislava, 15.8.1659, in: Venetianische Depeschen I, 273. 691 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 111 f.; Wild, Sturz, Teil 1, 79 f. 692 Wild, Sturz, Teil 2, 604. 693 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 277. 694 Jacques de Gravel an Louvois, Mainz, 10.11.1671 (AMAE, CP, Allemagne 11, fol. 109r). 695 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 277. 696 Ebd., 240 f. 697 [Erklärung der könig­lichen Finanzverwaltung über die Versorgung bestimmter Personen am Mainzer Hof ], Toulouse, 18.12.1659 (AMAE, CP, Mayence 5, fol. 39r). 698 Dies hatte Kardinal Mazarin offenbar eindeutig so angeordnet, vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 6.9.1660, in: Lettres du Cardinal IX, 654.

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seinen Tod hinaus an seine Söhne ausgezahlt werden sollten 699. Offensicht­lich sah er hier eine Mög­lichkeit, die Versorgung seiner Nachkommenschaft sicherzustellen, was in diesem Falle eine generationenübergreifende Frankreichbindung befördert hätte. Tatsäch­lich wurden diese Gelder auch nach Boineburgs Tod 1672 von seiner Witwe unter Vermittlung des jungen Leibniz – allerdings erfolglos – eingefordert 700. Boineburgs Frankreichbindung zahlte sich für ihn aber nicht nur materiell, sondern auch in symbo­lischem Kapital in Form von franzö­sischen Ehrentiteln aus. Im Februar 1662 bezeugte er in einem Schreiben nach Paris seine Dankbarkeit für seine Ernennung zum conseiller d’état. Zugleich entschuldigte er sich dafür, diese Würde wohl nur als Sinekure wahrnehmen zu können 701. In der Tat handelte es sich um eine höchst ungewöhn­liche Maßnahme, einen solchen Titel an einen Ausländer, der nicht Untertan des Königs war, zu verleihen. Die Überraschung, die Boineburg über diesen angeb­lich unerwarteten Schritt ausdrückte, lässt sich indes leicht als klienteläre Rhetorik identifizieren. Denn die Idee, ihm ausgerechnet diesen Titel zu verleihen, stammte von niemand anderem als Boineburg selbst und wurde von diesem mit aller im Rahmen klientelärer Rhetorik mög­lichen Vehemenz und sehr zum Missvergnügen des franzö­sischen Gesandten eingefordert 702. 2.3.2.4 Philipp Ludwig von Reiffenberg Philipp Ludwig von Reiffenberg wurde besonders nach dem zwischenzeit­lichen Sturz Boineburgs im Jahre 1664 zu einem Akteur von zentraler Bedeutung für die franzö­ sische Krone. Reiffenberg stammte aus einem alten Reichsrittergeschlecht. Sein Vater Johann Heinrich von Reiffenberg befand sich als Rat und Kämmerer in kaiser­lichen Diensten. Über ihre Verwandtschaft mit der Familie Waldbott-­Bassenheim stieg das Geschlecht in den rheinisch-fränkischen Stiftsadel auf und konnte Ansprüche auf Stellen in den Domkapiteln erheben 703. Dies ermög­lichte es Philipp Ludwig von Reiffenberg auch, in die Domkapitel von Mainz und Trier aufgenommen zu werden. Ob es in der Familie so etwas wie eine ältere Tradition der Frankreichbindung gab, lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Mög­licherweise bezog Reiffenbergs 699 „Écrit donné aujourd’hui par Son Éminence à M. de Benebourg pour assurance de mille écus de revenu que Sa Maté. accorde aud. Baron“, Toulouse, 17.10.1659 (AMAE, CP, Mayence 5, fol. 37r). 700 Guhrauer, Chur-Mainz, 52. 701 Johann Christian von Boineburg an Ludwig XIV., [keine Ortsangabe] 19.2.1662 (AMAE, CP, Mayence 5, fol. 29v). 702 Vgl. Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 18.10.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 549r). 703 Wild, Reiffenberg; Vgl. zur Biografie und Genealogie Reiffenbergs auch Träger, Der letzte Ritter.

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Vater, obwohl zwischenzeit­lich am Kaiserhof tätig, eine kleine franzö­sische Pension. Reiffenbergs Schwester heiratete einen Marquis de Villeneuve, der als franzö­sischer Soldunternehmer im Reich tätig war. Philipp Ludwig von Reiffenberg selbst schien einen Teil seiner adeligen und geist­lichen Sozialisation in Paris oder Orléans durchlaufen zu haben 704. In den 1640er-Jahren beförderte der Versuch der franzö­sischen Krone, Einfluss auf die Personalpolitik in den Domkapiteln von Mainz und Trier zu nehmen, auch die politische Annäherung Philipp Ludwigs von Reiffenberg an die franzö­sische Krone. Bereits 1644 begannen Turenne und der Comte de Courval, die mit ihren Truppen Mainzer Territorium besetzt hielten, nach einem mög­lichen Koadjutor und designierten Nachfolger für den als habsburgfreund­lich geltenden Anselm C ­ asimir Wambolt von Umstadt zu suchen, und fanden in Reiffenberg einen geeigneten Kandidaten 705. Als 1647 ein Nachfolger für Anselm Casimir gewählt wurde, griff man erneut auf Reiffenberg zurück. Die Franzosen mussten jedoch rasch erkennen, dass seine Kandidatur kaum Erfolgsaussichten haben würde, sodass man sich entschloss, Johann Philipp von Schönborn zu unterstützen 706. Durch Reiffenbergs Verwandtschaft mit einem von Frankreichs wichtigsten Verbündeten vor und während des Dreißigjährigen Krieges, dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern, wurde die Zusammenarbeit mit der Krone allerdings weitergeführt 707. Ende der 1640er-Jahre lag Sötern mit seinem Domkapitel in einem heftigen Streit. Ein Großteil der Kapitulare formierte schließ­lich eine Art Gegenkapitel in Köln. Auf franzö­sische Initiative hin wurde Reiffenberg, der fast als einziger Kapitular auf Söterns Seite stand, zunächst Dompropst, wenig später sogar Koadjutor. Von einem regulären Wahlvorgang kann hier jedoch kaum die Rede sein. Selbst Sötern stimmte der Wahl wohl mehr auf franzö­ sischen Druck hin zu 708. Allerdings beschwerten sich die exilierten Kapitulare und warben schließ­lich eine Truppe von Söldnern an, die das Kurfürstentum angriffen und Sötern zwangen, Reiffenbergs Wahl aufzuheben 709. Reiffenberg galt in der Folge immer noch als besonders frankreichfreund­lich. Allerdings pflegte er aufgrund von Territorialstreitigkeiten ein überaus angespanntes Verhältnis zu Johann Philipp von Schönborn. Dieses verschärfte sich noch einmal 704 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 175 f. 705 Vgl. hierzu auch Loewe, Frankreich, 178 f. 706 Selon toutes les apparences Wirtzbourg [ Johann Philipp von Schönborn] sera électeur […] le Baron de Reiffemberg ne se perdra pas, qui n’eût pas esté un mauvais sujet, mais qui n’entre pas en comparaison avec l’autre, Brienne an Longueville, d’Avaux und Servien, Paris, 1.11.1647 (APW II, B, 6, 37); Badalo-Dulong, Diplomatie française, 15 f. 707 Baur, Sötern; Weber, Frankreich, Kurtrier. 708 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 180; Baur, Sötern, 273 f. 709 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 182.

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massiv, als Reiffenberg im Laufe des Jahres 1657 in die Dienste des Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig trat 710. Im Zusammenhang mit der Annäherung Frankreichs an den Mainzer Kurfürsten verschlechterten sich auch die Beziehungen der Krone zu Reiffenberg rapide. Als der Rechtsstreit mit dem Mainzer Kurfürsten schließ­lich fehdeartige Formen annahm, gaben Gravel und Mazarin Reiffenberg die alleinige Schuld hierfür und unterstellten ihm sogar, franzö­sische Soldwerbungen im Reich sabotieren zu wollen 711. Desgleichen wollten Gramont und Lionne seinen negativen Einfluss hinter den zunächst stockenden Verhandlungen mit dem pfälzischen Kurfürsten sehen 712. Erst später kam es während der Vorbereitungen einer mög­lichen Mainzer Koadjutorwahl zu einer zöger­lichen, aber immer noch von franzö­sischem Misstrauen geprägten Wiederannäherung an Reiffenberg 713. 1663 kehrte Reiffenberg schließ­lich unter nicht völlig geklärten Umständen an den Mainzer Hof zurück 714. Hier änderte sich überraschend schnell sein schwieriges Verhältnis zu Johann Philipp. Er wurde bald zu einem seiner wichtigsten Vertrauten. Nach dem Sturz Boineburgs im Jahre 1664 sollte Reiffenberg dessen Position als Hauptkooperationspartner und mikropolitischer Koordinator am Hofe des M ­ ainzer Kurfürsten einnehmen, wobei die Franzosen sehr viel unbegründetes Vertrauen in Reiffenberg vorschossen. Allerdings wandelte sich Reiffenbergs Stellung dahin gehend, dass er jetzt nicht mehr so sehr der Konfident in der ständigen Nähe Johann Philipps war. Das Vertrauen des Kurfürsten zeigte sich nun vielmehr darin, dass er ihm einen zentralen Posten in der Territorialverwaltung des Kurfürstentums gab: die Statthalterschaft des jüngst eroberten Erfurt 715. In dieser Position blieb R ­ eiffenberg jedoch nicht nur einer der wichtigsten Amtsträger seines Kurfürsten, er war auch in seiner Rolle als franzö­sischer Klient von großer Bedeutung. Aufgrund der relativen geografischen Nähe seines neuen Dienstpostens beorderte man ihn als Unterhändler der Krone an den säch­sischen Hof nach Dresden 716. Allerdings begann mit dieser Macht- und Kompetenzfülle zugleich der Abstieg Reiffenbergs: Er führte seine Amtsgeschäfte höchst eigenmächtig und gedachte

710 Ebd., 187. 711 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 31.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 489r); Mazarin bezeichnete Reiffenberg als étordi qui s’est mis mille chimères dans l’esprit, ­Mazarin an Robert de Gravel, Sedan, 8.8.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 211r). 712 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 20.11.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 466r). 713 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 188 f. 714 Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 5.11.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 474v). 715 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 196. 716 Vgl. hierzu Auerbach, La diplomatie française, 200 ff.

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offenbar, den Statthalterpostern zu einer eigenen Machtbasis auszubauen 717. Ebenso verspielte er das Vertrauen der Franzosen durch seine allzu unübersicht­lichen Verhandlungen und seine Annäherung an die habsburgische Partei am D ­ resdner Hof. Gravel stellte Anfang 1667 sarkastisch fest, Reiffenberg sein nun endgültig auf die Seite von Frankreichs Gegnern übergetreten. Sein einziger „Nutzen“ für die Krone bestünde nunmehr ausschließ­lich darin, bei der Gegenseite durch sein erratisches Verhalten heillose Verwirrung zu stiften 718. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bereits ein ebenso abenteuer­licher wie dilettantischer Verschwörungsplan Reiffenbergs gegen Johann Philipp von Schönborn entdeckt worden 719. Reiffenberg wurde eingekerkert und verbrachte, abgesehen von drei kurzen Jahren zwischen 1673 und 1676, den Rest seiner bis ins Jahr 1686 zählenden Tage in Unfreiheit 720. In finanzieller Hinsicht erwies sich Reiffenberg für die franzö­sische Krone als ungewöhn­lich „günstiger“ Klient. Seine ihm 1647 gewährte Pension von 2000 ­Livres wurde nur höchst unregelmäßig ausgezahlt 721. In den 1650er-Jahren ruhten die Zahlungen völlig, und auch nach 1664 scheinen sie nur unregelmäßig wieder aufgenommen worden zu sein. Nach den Erfolgen seiner Mission in Dresden forderte Reiffenberg die ausstehenden Gelder in einem ungewöhn­lich direkten Tonfall bei Ludwig XIV. selbst ein 722. Ob dies seiner Sache genutzt hat, lässt sich aus den in den Archiven des Außenministeriums konsultierten Dokumenten nicht feststellen. 2.3.2.5 Lothar Friedrich von Metternich Eine herausragende Rolle innerhalb der franzö­sischen Klientel spielte auch der Kapitular Lothar Friedrich von Metternich-Burscheidt. Er wurde mit franzö­ sischer Unterstützung Koadjutor und damit designierter Nachfolger Johann P ­ hilipps von Schönborn. Lothar Friedrich war Sohn des kurtrierischen Geheimrates und Oberamtmanns Johann Gerhard von Metternich-Winneberg und der Anna von der Leyen 723. Wie Reiffenberg und Wilhelm von Fürstenberg hatte er einen Teil seiner geist­lichen Ausbildung ebenfalls in Frankreich genossen. In recht jungen Jahren und teilweise 717 Wild, Reiffenberg, Teil 2, 250 ff. 718 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 24.3.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 227r). 719 Wild, Reiffenberg, Teil 2, 260 ff. 720 Ebd., 266. 721 Wild, Reiffenberg, Teil 1, 179. 722 Reiffenberg an Ludwig XIV., Dresden, 27.4.1666 (AMAE, CP, Saxe électorale 3, fol. 181v). 723 Vgl. hierzu auch Dohna, Die ständischen Verhältnisse, 163 f.

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noch während seiner geist­lichen Ausbildung konnte er in den Kapiteln von Speyer (1641), Trier (1645) und Mainz aufschwören 724. Metternichs Kooperation mit Frankreich war recht ungewöhn­lich, da ihn ähn­lich wie die Fürstenberg die metternichsche Familientradition für eine enge Anlehnung an das Kaiserhaus und an Spanien zu prädestinieren schien. Familien- und reichspolitisch nahm er zunächst auch eine radikal andere Position als der von den Franzosen unterstützte Reiffenberg ein. Während des stellenweise gewaltsamen Konfliktes im Trierer Kapitel Ende der 1640er-Jahre stellte er sich entschieden gegen Sötern und Reiffenberg und beförderte später die Wahl seines durchaus nicht frankreichfreund­lichen Schwagers Karl Kaspar von der Leyen zum Koadjutor 725. 1652 wurde er schließ­lich als Nachfolger Söterns zum Bischof von Speyer gewählt. Als Speyerer Territorialherr fand er bald ausreichend Veranlassung, sich enger an die franzö­sische Krone zu binden. Dabei spielte auch sein Interesse an einer Absicherung der von franzö­sischen Territorien umgebenen speyerischen Exklave ­Philippsburg eine Rolle 726. Die franzö­sische Krone war bereit, Metternich in dieser Sache weit entgegenzukommen. Dies rührte nicht zuletzt daher, dass er den franzö­ sischen Gesandten und ihren Prinzipalen als geeigneter Koadjutor bzw. Nachfolger für Johann Philipp von Schönborn erschien und man darüber nachdachte, wie der Speyerer Bischof am besten als franzö­sischer Kandidat bei einer mög­lichen Wahlangelegenheit zu platzieren wäre 727. In dieser Absicht wurde 1663 erstmals zwischen Robert de Gravel und ­Metternich ein Abkommen geschlossen, in dem zugleich dem zukünftigen Kurfürsten eine Pension und eine umfangreiche Unterstützung bei einer Mainzer Koadjutorwahl zugesagt wurden 728. 1670 wurde dieses Abkommen unmittelbar vor der in diesem Jahr tatsäch­lich stattfindenden Wahl eines Koadjutors erneuert. Metternich versicherte, weiterhin die Politik der Krone in allen Reichsversammlungen und an den Höfen anderer deutschen Fürsten unterstützen und seine Gesandten entsprechend instruieren zu wollen. Die franzö­sische Seite versprach die Zahlung von 210.000 Livres und sagte eine umfassende Unterstützung für Metternichs Kandidatur in Mainz zu. Darüber hinaus wurde ihm der

724 Jürgensmeier, Art. „Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid“, 309; Christ, Lothar Friedrich Frhr. v. Metternich. 725 Vgl. zu diesem Konflikt und der Solidarität von der Leyens und Metternichs Christ, Lothar Friedrich, 7 ff. 726 Vgl. Livet, Intendance, 155 f. 727 Vgl. „Projet sur l’élection se pourroit faire dans le Chapitre de Mayence“ [1661] (AMAE, CP, Mayence 5, fol. 273v). 728 Braubach, Politische Hintergründe; Christ, Lothar Friedrich.

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Schutz der Territorien seines Speyerer Bistums und insbesondere der Exklave Philippsburg zugesagt 729. Metternich erwies sich jedoch trotz seiner so gestifteten Bindungen als schwieriger und wenig berechenbarer Klient der franzö­sischen Krone. Als Metternich schließ­lich nach Johann Philipps Tod 1673 Erzbischof und Kurfürst wurde, zeigte sich, dass sich der neue Kurfürst nicht einfach einer Logik der Patronage folgend als dankbarer Klient für die franzö­sische Reichspolitik einspannen ließ. Die Politik Metternichs ließ sich angesichts der Kriegslage in Europa nicht einfach auf profranzö­sischen Kurs trimmen. Vielmehr sah er sich als besorgter Landesherr vor allem verpf­lichtet, zwischen den Kriegsparteien hin und her zu lavieren 730. Ebenso blieb der Bruder des Kurfürsten, Wolff von Metternich, der recht eindeutig die Position der Habsburger unterstützte, ein gewichtiger Einfluss in seiner Nähe. Um die Beziehungen zu Lothar Friedrich aufrechtzuerhalten und im franzö­ sischen Sinne zu beeinflussen, pflegten die Gravel auch zu dessen Speyerer Hofkanzler Quirinus Mertz engen Kontakt 731. Mertz sollte den gut franzö­sischen Kurs des Kurfürsten garantieren und stellte in den Augen der Franzosen ein Korrektiv gegenüber anderen Handlungsmotivationen dar 732. Allerdings könnten die beständigen Versicherungen der Frankreichtreue Metternichs ebenso Teil eines mehrfachstrategischen Verhaltens gegenüber den franzö­sischen Gesandten gewesen sein. Nach dem Herrschaftsantritt Lothar Friedrichs konnte Mertz seine Position in Mainz schlussend­lich zu einer sehr dominanten günstlingsministerartigen Stellung ausbauen, in der er sowohl für kaiser­liche als auch für franzö­sische Gesandte ein unverzichtbarer Ansprechpartner war. Davon profitierte Mertz auch ökonomisch. Von franzö­sischer Seite bekam er eine regelmäßige Pension, die gelegent­lich durch Gratifikationen aufgestockt wurde 733. Der kaiser­liche Gesandte Landsee wurde ebenso angewiesen, Mertz regelmäßige Geldzahlungen zu versprechen 734. 729 Vgl. Braubach, Politische Hintergründe, 65. Interessanterweise planten die beiden Brüder Fürstenberg offenbar auf franzö­sische Initiative hin, dem Speyerer Bischof zusätz­lich 10.000 Taler zu leihen, vgl. Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, 17.12.1670 (AMAE, MD, Alsace 21, fol. 173r). 730 Braubach, Hintergründe, 75 f. 731 Schreiber, Leibniz, 31. 732 Vgl. etwa Jacques de Gravel an Pomponne, Mainz, 6.12.1673 (AMAE, CP, Mayence 14, fol. 167v). 733 Eine Pension scheint ihm erstmals vor der Koadjutorwahl 1670 gewährt worden zu sein, vgl. Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Straßburg, 15.11.1670 (AMAE, CP, Mayence 10, fol. 327v); Louvois an Jacques de Gravel, Versailles, 2.9.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 92r). 734 Leopold I. an Landsee, Graz, 5.10.1673 (HHStA, Staatskanzlei, Rep. N 32, Fasz. 1, fol. 1r).

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2.3.2.6 „Grenzfälle“ franzö­sischer Verflechtung Die franzö­sische Krone verfügte auch über Vermittler und Unterhändler im Reich, bei denen nicht eindeutig zu bestimmen ist, ob sie als Klienten und Pensionäre der Krone vor Ort gelten können oder als diplomatische Agenten 735. Der Status dieser Personen ist ambivalent, da sie verschiedene Rollen einnahmen. Dies konnten sie als doubles emplois gleichzeitig oder an verschiedenen Stellen ihrer Biografie tun. Ein Akteur, bei dem sich in solcher Weise verschiedene Identitäten überschnitten, ist etwa Charles de Poittiers, Comte de Wagnée. Wagnée besaß im vom Kölner Kurfürsten Max Heinrich regierten Bistum Lüttich eine Stelle als Kapitular. 1649 hatte er bei einer Mission noch im Auftrag des Kurfürsten Ferdinand von Köln in Paris dafür gesorgt, dass Frankreich seine Unterstützung für das rebellierende Lüttich einstellte. Ebenso verschaffte Wagnée Kardinal Mazarin, der 1651/52 aus Frankreich fliehen musste, ein vorläufiges Exil in Lüttich 736. Wagnée war bereits vor der Übernahme diplomatischer Tätigkeiten ein buchstäb­licher „Grenzfall“, da er sowohl im Lütticher Domkapitel saß als auch den Posten eines Gouverneurs von Bouillon innehatte. Allerdings gab Wagnée 1654 seinen Posten als Gouverneur auf und trat als Gesandter in franzö­sische Dienste über 737. An der Kontaktaufnahme und der Knüpfung von Beziehungen zu den Fürstenberg hatte Wagnée in dieser Funktion bei allen drei Anläufen einen großen Anteil. Auffällig ist allerdings, dass er bei der Vermittlung dieser Beziehungen stets in seiner Rolle als Gesandter der Krone auftrat. Denn obwohl er ebenso wie die Brüder Fürstenberg in engem Kontakt zu Max Heinrich stand und alle drei im Lütticher Domkapitel saßen, konnte Wagnée diese Beziehungen nicht primär als vor Ort verflochtener Akteur knüpfen. Für seine Aufgaben als Unterhändler schienen seine Lütticher „Standortvorteile“ keine herausgehobene Bedeutung zu haben. Komplex und von multiplen Identitäten und Rollen geprägt war auch die Position von Jacques du Fresne, der in verschiedenen Positionen sowohl für die Krone als auch für den Mainzer Kurfürsten arbeitete 738. Auch über Du Fresnes Biografie ist wenig bekannt. Seit 1649 war er als „Agent“ des Mainzer Kurfürsten in Paris tätig. 1658 scheint er unter unklaren Umständen auf dem Frankfurter Wahltag präsent gewesen zu sein und suchte bei dieser Gelegenheit Kontakt

735 Zur allgemeinen Typologie des Agenten in der Frühen Neuzeit vgl. Keblusek, Introduction. 736 Huisman, Essai sur le règne, 62. 737 Hierauf nahm der Kardinalminister explizit Bezug, vgl. Mazarin an Wagnée, Paris, 6.1.1654 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 272r). 738 Badalo-Dulong, Diplomatie française, 234 ff.

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zum aufstrebenden surintendant Jean-Baptiste Colbert, dem er seine Dienste als Informant anbot 739. Unmittelbar nach der Kaiserwahl kamen ihm seine Kontakte zum Außenminister Brienne zugute, sodass er nun am franzö­sischen Hof den Posten eines commis des affaires étrangères übernahm 740. Während dieser Zeit blieb Du Fresne Agent des Mainzer Kurfürsten, sodass hier die paradoxe Situation entstand, dass ein Funktionsträger des Außenstaatssekretariates zugleich der Vertreter eines auswärtigen Fürsten am franzö­sischen Hof wurde. Zumindest in der Korrespondenz Du Fresnes mit dem Mainzer Kurfürsten, die im Staatsarchiv in Würzburg lagert, finden sich keine Anhaltspunkte, dass Du Fresne hier Einflussmög­lichkeiten für den Kurfürsten geschaffen oder diesem besonders sensible Informationen zugäng­lich gemacht hätte. Seine Berichte während seiner Zeit als commis von 1658 bis 1663 enthalten überproportional viele Höf­lichkeitstopoi, ohne dass Johann Philipp besonders wichtige Informationen exklusiv zugäng­lich gemacht worden wären 741. Eher schien sich Du Fresne umgekehrt von der Fürsprache des zu diesem Zeitpunkt mit Frankreich eng verbündeten Schönborn Vorteile für seine eigenen klientelären Anliegen zu erhoffen 742. In Sachfragen trat er, soweit sich dies aus den Quellen erschließen lässt, nur einmal in Erscheinung, und zwar eindeutig in seiner Rolle als franzö­sischer commis. Er nahm in einem Zeremonialkonflikt zwischen Johann Philipp und der Krone um den Empfang des Duc de Mazarin, den Gouverneur des Elsass, eindeutig im Sinne der franzö­sischen Krone Stellung 743. Im Zusammenhang mit der Ablösung Briennes durch Hugues de Lionne 1663 verlor Du Fresne unter nicht völlig klaren Umständen seinen Posten als commis 744. Wenig später begab er sich an den Hof Johann Philipps, ohne irgendeinen Posten zu bekleiden 745. Die Tatsache, dass Du Fresne mög­licherweise als Folge der Über 739 Du Fresne an Jean-Baptiste Colbert, Frankfurt, 1.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 669v–670r); Du Fresne an Jean-Baptiste Colbert, Frankfurt, 19.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 46r–53r); Du Fresne an Jean-Baptiste Colbert, 27.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 62r–65r). 740 Piccioni, Les premiers commis, 119 ff. 741 Auf chiffrierte, mög­licherweise sensible Informationen verwies Du Fresne nur ein einziges Mal, vgl. Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 28.6.1659 (BStAW, KA Schönborn 2428 [unfoliiert]). 742 Du Fresne an Philipp Erwein von Schönborn, Fontainbleau, 2.11.1661 (BStAW, KA Schönborn 2430 [unfoliiert]); Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 12.4.1662 (BStAW, KA Schönborn 2431 [unfoliiert]); Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 27.4.1663 (BStAW, KA Schönborn 2432 [unfoliiert]). 743 Du Fresne an Lincker, Paris, 13.10.1662 (BStAW, KA Schönborn 2090 [unfoliiert]). 744 Piccioni, Les premiers commis, 121 f. 745 Du Fresne an Johann Philipp, Würzburg, 13.9.1664 (AMAE, CP, Mayence 6, fol. 112r).

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nahme des Außenministeriums durch Lionne seinen Posten eingebüßt hatte, änderte allerdings nichts daran, dass er sich ab 1664 nach dem Sturz Boineburgs als inoffizieller Geschäftsträger für die franzö­sische Krone betätigte 746. 1668 sollte er dann eine ­Mission ins Herzogtum Mecklenburg antreten, um mithilfe der aus dem franzö­ sischen Adelsgeschlecht der Montmorency stammenden Herzogin ein Bündnis auszuhandeln. Allerdings wurde hier bereits deut­lich, dass sich Du Fresne immer mehr als Gefolgsmann des Mainzer Kurfürsten verstand. Auffallend widerwillig schrieb er direkt an den König, er wolle viel lieber in Würzburg bei Johann Philipp bleiben, mit dem ihn eine Freundschaft verbinde, könne aber natür­lich das Angebot, eine mission souveraine zu übernehmen, nicht ablehnen 747. Spätestens 1668, nachdem er Johann Philipps Neffen Franz Georg von Schönborn als Beobachter und Berater auf den Aachener Friedenskongress begleitet hatte 748 und mit dem franzö­sischen Residenten am Mainzer Hof, Jacques de Gravel, in Streit geraten war, kehrte Du Fresne an den franzö­sischen Hof zurück, diesmal als Resident Johann Philipps von Schönborn. Hierbei wurde deut­lich, dass Du Fresne als ehemaliger Bediensteter des Außenstaatssekretariates weder seine Aufgabe als Gesandter im Sinne eines double emploi ausfüllen konnte und wollte noch ihm seine Vertrautheit mit dem franzö­sischen Hof tatsäch­lich privilegierte Interaktionsmög­lichkeiten verschaffte. Stattdessen sah er sich aufgrund der rapiden Verschlechterung des Verhältnisses von Frankreich und Kurmainz immer öfter gezwungen, das Handeln des Mainzer Kurfürsten zu rechtfertigen, was wiederum von Gravel und Lionne äußerst kritisch betrachtet wurde 749. Allerdings suchte Du Fresne hier besonders die Fürsprache G ­ ramonts, von dessen Intervention er sich aufgrund seines guten Verhältnisses zu Johann Philipp während der Kaiserwahl eine Verbesserung der franzö­sisch-kurmainzischen Beziehungen wie auch seiner eigenen Position am franzö­sischen Hof versprach 750. Der Fall Jacques Du Fresne ist aus heutiger Sicht sicher­lich höchst ungewöhn­ lich, da er verschiedene Rollen innehatte, die sich überschneiden konnten. Allerdings wurde Du Fresne so keineswegs zu einem „schillernden“ Akteur. Vielmehr 746 Vgl. etwa Du Fresne an Lionne, Mainz, 1.1.1665 (AMAE, MD, France 2129, fol. 128r–130v). 747 Du Fresne an Ludwig XIV., Erfurt, 16.12.1664 (AMAE, CP, Mayence 6, fol. 225r). 748 Du Fresne an Philipp Erwein von Schönborn, Aachen, 9.4.1668 (BStAW, KA Schönborn 2437, fol. 81r–82v); Du Fresne an Philipp Erwein von Schönborn, Aachen, 8.5.1668 (BStAW, KA Schönborn 2437, fol. 61r–62r). 749 Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 29.10.1670 (BStAW, KA Schönborn 2440, fol. 51r). Ähn­lich spöttisch und gereizt angesichts der abenteuer­lichen Rechtfertigungen Du Fresnes äußert sich Robert de Gravel gegenüber Lionne, Regensburg, 11.10.1670 (AMAE, CP, Allemagne 254, fol. 111v). 750 Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 8.3.1668 (BStAW, KA Schönborn 2437, fol. 79r); Du Fresne an Johann Philipp von Schönborn, Paris, 24.7.1671 (BStAW, KA Schönborn 2440, fol. 61).

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scheint er seinerseits bewusst Grenzen zwischen den durch die jeweilige Rolle umschriebenen Handlungsspielräumen gezogen zu haben. Später, vor allem in der diplomatischen „Eiszeit“ zwischen Frankreich und Mainz, wurde er aber auch durch politische Verwerfungen in seinen Handlungsmög­lichkeiten eingeschränkt, sodass er Mög­lichkeiten, die die Akkumulation verschiedener Rollen bzw. multipler Identitäten hätte bieten können, nicht voll ausspielen konnte. Eher am Rande des um die geist­lichen Kurfürsten und ihre Höfe gesponnenen Netzwerkes stehen zwei weitere Akteure, die aber im Folgenden immer wieder im Zusammenhang mit den Beziehungen der Krone zu den geist­lichen Kurfürsten und zur Rheinischen Allianz in Erscheinung treten und daher hier nicht unberücksichtigt gelassen werden können. Johann Frischmann, über dessen Herkunft und familiäre Verhältnisse kaum etwas bekannt ist, war ein Schüler des Straßburger Humanisten Matthias ­Bernegger, bei dem er eine umfassende humanistische Bildung erhielt 751. Auf Vermittlung von Berneggers Freund Christof Forstner trat er zunächst in württembergische Dienste, wo er als Rat für die Regierung in Mömpelgard arbeitete. Über B ­ erneggers Freunde und Schüler kam Frischmann in den 1650er-Jahren auch in Kontakt mit dem schon erwähnten Kreis von gelehrten Konvertiten in Mainz 752. Obwohl ­Frischmann überzeugter Lutheraner war und wenig mit dem Konvertitentum am Mainzer Hof anzufangen wusste 753, entwickelte sich ein reger Austausch mit dieser Gruppe. Dieser fand während der Kaiserwahl, als Frischmann in Frankfurt anwesend war und panegyrische Schriften über den Mainzer Kurfürsten verfasste, seinen Höhepunkt. Durch seine Publizistik und seine enge Anbindung an den Mainzer Zirkel wurden auch die franzö­sischen Gesandten auf ihn aufmerksam, die ihm eine Pension versprachen und offenbar Schriften bei ihm in Auftrag gaben 754. Frischmann sollte sich aber nicht nur mit der Feder für die franzö­sische Reichspolitik engagieren. Die franzö­sischen Gesandten wollten den inzwischen als frankreichtreu geltenden Straßburger Bürger nun auch zum franzö­sischen Residenten in seiner Heimatstadt machen 755. Zuvor sollte Frischmann noch eine Mission nach Brandenburg ausführen, bei der sich aber herausstellte, dass Frischmanns Loyalität und sein eher theore­ tisches Wissen über die politischen Verhältnisse in Nordeuropa für eine zufriedenstellende Ausführung dieses Auftrages nicht ausreichten. ­Frischmann fungierte

751 Vgl. zu Frischmann Wentzcke, Frischmann. 752 Ebd., 39 f. 753 Ebd., 146. 754 Ebd., 52. 755 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 16.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 16r).

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im Folgenden vor allem als von seinen Mitbürgern bisweilen heftig angefeindeter Straßburger Resident. Er sollte für seine Dienste eine Pension von 4000 Francs erhalten 756. Auch der franzö­sischen Krone diente er weiter als Auftragspublizist, konnte aber auch auf eigene Faust tätig werden. In den 1670er-Jahren geriet er zunehmend unter den Einfluss des Kriegsministers Louvois, für den er, da er bei Pomponne nicht hoch in der Gunst stand, nun zumeist seine Depeschen verfasste und Informationen beschaffte 757. Darüber hinaus war er parallel zum Krondienst für den Prince de Condé als Informant tätig und versuchte offenbar auch, dessen polnisches Königswahlprojekt publizistisch zu unterstützen 758. Ein anderer Akteur, der im Folgenden immer wieder eine Rolle spielen wird, war der Landgraf Georg Christian von Homburg. Homburg war nicht mit den geist­lichen Kurfürsten oder ihren Höfen assoziiert. Er trat sogar, wie weiter unten zu zeigen sein wird, als Gegner der Allianzprojekte der Kurfürsten in Erscheinung. Homburg war in den 1650er-Jahren ohne Zweifel der wichtigste Klient der Krone im Alten Reich. Sein Beispiel bietet nicht nur wichtiges Vergleichsmaterial und hilft dabei, die Handlungsspielräume der Freunde und Diener des Königs auszuloten. Es ist auch für den Kontext des hier Behandelten von besonderem Interesse, weil er zeitweise in Konkurrenz zu der entstehenden Klientel in den geist­lichen Staaten trat. Homburg war ein nachgeborener Sohn eines Zweiges des hes­sischen Herzogshauses. Nach seiner Konversion zum Katholizismus trat er zunächst in spanische Dienste und war als Offizier in den Spanischen Niederlanden tätig. Nachdem er sich mit Erzherzog Leopold Wilhelm, der dort auch Gouverneur war, überworfen hatte 759, trat er auf die Seite Frankreichs über. Obwohl er alles andere als ein erfolgreicher Unterhändler war, blieb er bis zum Eintreffen der franzö­sischen ambassade zusammen mit Robert de Gravel einer der wichtigsten diplomatischen Akteure der Krone. Im Verlauf der Kaiserwahl überwarf er sich auch mit seinen franzö­sischen Auftraggebern, sodass er sich von der franzö­sischen Ambassade allmäh­lich zurückzog. Zwar stand er weiterhin in Kontakt mit den Gesandten der Krone, wurde jedoch nicht mehr aktiv in franzö­sischen Diensten tätig. Er arbeitete später für verschiedene Fürsten des Reiches, unter anderem des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen oder den Münsteraner Bischof Christoph Bernhard von Galen 760.

756 Wentzcke, Frischmann, 73. 757 Ebd., 128. 758 Kühner, Condé, 75. In diesem Zuge beschwerte sich Lionne bei Gravel, dass Frischmann eine überaus geschmacklose, Condé auf eine plumpe Art und Weise heroisierende Flugschrift verfasst habe, vgl. Lionne an Robert de Gravel, Paris, 14.12.1668 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 265v). 759 Hintereicher, Homburg. 760 Ebd., 160 ff.

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Für seine Dienste sprach ihm die franzö­sische Krone eine Pension zu. Diese forderte er aber offenbar häufig vergeb­lich ein 761. Ebenso betätigte er sich als Solddienstunternehmer in franzö­sischem Auftrag, machte hierbei jedoch zumeist aufgrund organisatorischer Mängel Verlustgeschäfte 762. 2.3.2.7 Lokale Netzwerke oder zentral verwalteter Klientelismus? Im Folgenden soll die Frage nach Analogien zwischen Binnenverflechtung in Zentrum-­Peripherie-Beziehungen und Außenverflechtung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch einmal vertieft werden. Ein Befund, der sich hier in organisatorischer Perspektive aufdrängt, ist die Feststellung, dass Diplomaten personale Netzwerke im Auftrag der Krone als deren Patronagebeziehungen knüpften und dabei eher wenige eigenständige Gestaltungsspielräume hatten. Dies bedeutete eine signifikante Veränderung im Vergleich zur Rolle franzö­sischer Diplomaten in den Außenverflechtungsbeziehungen in der Zeit vor 1648. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts konnten Gesandte der franzö­sischen Krone näm­lich noch eigene soziale und ökonomische Kapitalien ausspielen und Netzwerke unterhalten, die sie ebenso als ihre eigenen betrachten konnten. Gelehrte Humanistendiplomaten wie etwa Jacques Bongars, der Gesandte Heinrichs IV. bei den Reichsständen, knüpften eigenständige politische Netzwerke. Dafür instrumentalisierte Bongars nicht nur seine konfessio­ nelle, protestantische Identität 763, sondern versuchte auch, die Gruppensolidarität, die ihn mit anderen, ebenfalls als politische Funktionsträger tätigen Humanisten verband, bei der Anbahnung von Netzwerkbeziehungen nutzbar zu machen. Hierfür spielte insbesondere der Austausch von Kunstgegenständen, Handschriften und Büchern eine wichtige Rolle 764. Häufig konnten so durch gelehrten Austausch geknüpfte Kontakte politisch genutzt werden. Die Netzwerke der Gelehrten waren also polyvalent. Sie waren keine Agenten eines politischen Klientelismus, sondern versuchten eher, bereits bestehende Beziehungen politisch nutzbar zu machen 765. Dies galt bis zu einem gewissen Grade auch noch für Mazarins Diplomaten auf dem Westfä­lischen Friedenskongress. D’Avaux etwa unterhielt eigene Netzwerkbeziehungen unter Aufwendung eigener sozialer und ökonomischer Kapitalien, die er im Konfliktfall auch gegen die eigenen Kollegen auszuspielen bereit war 766. Nach dem Westfä­lischen Frieden gingen die diplomatischen Vertreter anderer Monarchen 761 Homburg an Brienne, Frankfurt, 30.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 145, fol. 384r ff.). 762 Hintereicher, Homburg, 150 ff. 763 Beiderbeck, Religionskrieg, v. a. 86 ff. 764 Kohlndorfer, Diplomatie und Gelehrtenrepublik. 765 Vgl. zur Koppelung von humanistischen und diplomatischen Tätigkeiten die Überlegungen von Rill, Humanismus und Diplomatie, sowie Noflatscher, Sprache und Politik. 766 Tischer, Diplomaten als Patrone und Klienten.

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im Alten Reich, wie etwa der schwedische Gesandte in Hamburg, Johann Adler Salvius, ähn­lich vor. Adler Salvius knüpfte für die schwedische Krone Netzwerkbindungen, die nicht nur mit eigenen ökonomischen und sozialen Ressourcen aufrechterhalten wurden, sondern die er auch als eigene Sozialbeziehungen verstand, die er in den Dienst der Krone stellte 767. Demgegenüber waren franzö­sische Diplomaten im Reich nach 1648 weitgehend auf ihre Funktion als Vermittler und „Kommunikationsrelais“ in Patronagebeziehungen beschränkt, die von der Krone getragen und teilweise sogar in Frankreich selbst und unter Beteiligung des Günstlingministers bzw. von Staatssekretären geknüpft wurden. Im August 1657 vereinbarte etwa Wilhelm von Fürstenberg mit Mazarin persön­lich in Sedan die Konditionen für ein zukünftiges Patronageverhältnis 768. Weder Gramont und Lionne, die zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Weg nach Frankfurt waren, noch Robert de Gravel oder Wagnée beteiligten sich hieran. Sie wurden erst vom Günstlingsminister über die Bedingungen informiert, die Mazarin und Fürstenberg persön­lich ausgehandelt hatten. In diesem Fall konnte der Günstlingminister auch als außenpolitischer Akteur in einer seiner wichtigsten Funktionen in Erscheinung treten: als „Patronagemanager“ des Königs. Mazarin verwies explizit auf die Stellvertreterfunktion, die er in Patronageangelegenheiten für den König einnahm. Er stellte sogar Ressourcen, die sich in seinem eigenen Besitz befanden, der könig­lichen Patronagepolitik zur Verfügung 769. So behauptete er, er habe Wilhelm von Fürstenberg die Abtei St. Arnoulf bei Metz verliehen, die sich in seinem Besitz befand, damit ihm Seine Majestät ein Geschenk mache 770. Wilhelm von Fürstenberg verstand bei einem zweiten Besuch in Frankreich im Mai 1658 denn auch Mazarin als den für die Klientelbeziehungen direkt Verantwort­lichen. Er beschwerte sich später bei den Ambassadoren in Frankfurt, dass der Kardinal mit ihm „nur“ über politische Angelegenheiten gesprochen, den klientelären Anliegen der Fürstenberg, die er Mazarin direkt habe auseinandersetzen wollen, hingegen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe 771. Wilhelm erwartete also vom 767 Droste, Adler Salvius, 91 ff. 768 Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 21.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 121 ff. 769 Auch der Günstlingsminister, der durch die Gunst seines Herrschers große Reichtümer anhäufen konnte, konnte von diesem zur finanziellen Unterstützung der Krone gezwungen werden und mitunter auf enormen Schulden sitzen bleiben, vgl. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 169. 770 […] afin que Sa Ma té. luy en fist un present, Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 21.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 124. 771 Comte Guillaume à son retour ne nous parust point satisfait du peu de temps qu’il avoit eu d’entretenir V. E. et qu’il croyoit que sous prétexte des affaires dont elle estoit surchargé, elle pouvoit avoir evité d’entrer aussy avant qu’ils en eussent besoin dans le discours de leurs intérestz ou pour mieux dire, son frère et luy s’estoient attenduz, que luy représentant à fonds ce

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Günstlingminister, sich auch als „oberster Mikropolitiker“ für seine Bedürfnisse als Klient der Krone zu interessieren. Franzö­sische Gesandte wie Robert de Gravel wurden gegenüber Klienten weitgehend auf ihre Koordinatorenrolle beschränkt. Zusätz­lich wurden sie in ihrer Funktion als „Kommunikationsrelais“ auch von Fürstenberg oder Boineburg umgangen, da diese sich in ihren Rollen als Gesandte auch direkten Zugang zum franzö­sischen Hof verschaffen konnten. Wilhelm von Fürstenberg ließ sich etwa von Mazarin eine Funktion als „offizieller“ Unterhändler der in der Rheinallianz assoziierten Fürsten in Frankreich einräumen 772. Dies verschaffte Wilhelm zu Beginn der 1660er-Jahre eine häufige Präsenz am franzö­sischen Königshof. Gerade die Überschneidung der Rollen von Fürstenberg und Boineburg als Gesandte ihrer jeweiligen Kurfürsten und als Klienten der Krone ermög­lichten ihnen eine direkte Verbindung zum König und zum Günstlingminister als „Patronagemanager“. Wilhelm besaß dadurch häufig sogar einen Informationsvorsprung vor dem franzö­sischen Gesandten, den er vor den Gravel geltend machen konnte, als es um die Personalplanung für eine franzö­ sische Beschickung des einzuberufenden Reichstages ging 773. Gelegent­lich störte sich Gravel auch an dem Umstand, dass er von den Klienten der Krone umgangen werden konnte. Die Tatsache, dass sich Boineburg offensicht­lich am franzö­sischen Hof potente eigene Informationsquellen erschlossen hatte, sah Gravel als Behinderung seiner Tätigkeit vor Ort. Er drängte auf eine stärkere Kontrolle des Informationsflusses an Klienten 774. Diese zentralisierte Trägerschaft der Beziehungen lässt sich nicht nur bei Figuren wie den Fürstenberg, die für die franzö­sische Reichspolitik besonders zentral waren, beobachten, sondern auch bei Agenten wie Johann Frischmann. Zwar trägt die Korrespondenz zwischen Frischmann und Gravel auffällig patronageartige Züge, wie sich an der Inszenierung Frischmanns als dankbarer Klient ersehen lässt. In direktem Anschluss an antike Semantiken beschrieb er sein Verhältnis zu Gravel qu’ils perdent et ce qu’ils hazardent, cela auroit pu obliger V. E. à faire estendre d’advantage les libéralitez du Roy, ce qui pouvoit bien avoir été un des principaux motifs de son voyage, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 13.6.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 162r). 772 Mazarin an Gramont und Lionne, Amiens, 18.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 442v). 773 Jacques de Gravel an Robert de Gravel, Paris, 17.6.1662 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 33v). Fürstenberg informierte Jacques, der ihn in der chambre du Roy antraf, über die Absichten, Robert auch als envoyé nach Regensburg zu entsenden. 774 Vermut­lich handelte es sich bei Boineburgs „Quellen“ um den Agenten mehrerer südwestdeutscher Fürsten Pawel von Rammingen sowie um Jacques Du Fresne, vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.9.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 399r).

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als das von patronus und cliens 775. Allerdings ist in der neueren Patronageforschung immer wieder darauf hingewiesen worden, dass derartige Rhetorik zum Standard­ repertoire der entsprechenden Korrespondenzen gehörte und nicht zwangsweise auf Gabentausch und asymmetrische Abhängigkeitsbeziehungen verweist 776. Tatsäch­ lich hatte der Günstlingminister Kardinal Mazarin „angeordnet“, dass Robert de Gravel den aus dem Umfeld des Mainzer Hofes stammenden späteren Straßburger Residenten Johann Frischmann in den Dienst nehmen und aus einem als extra­ ordinaires bezeichneten Budgetposten, für den bei Frankfurter Bankiers Wechsel eingelöst werden konnten, bezahlen sollte 777. Allerdings scheint Frischmann ausgerechnet in den in seinem eigenen Dienstverhältnis finanziell benachteiligten und ohne privilegierte Beziehungen zum Kardinalminister ausgestatteten Gravel die Hoffnung gesetzt zu haben, seine eigenen finanziellen Interessen zu bedienen. Mit anderen Worten: Gravel sollte als „Patronagemakler“ fungieren und bekam dafür eine Patronrolle zugeschrieben, die er zumindest in der Korrespondenz mit ­Frischmann rhetorisch auch anzunehmen schien 778, faktisch aber „verwaltete“ er ledig­lich eine Klientelbeziehung der Krone. Insgesamt lässt sich also eine deut­liche Parallele zu jenen Patronageverhältnissen ausmachen, die die franzö­sische Krone innerhalb Frankreichs zu lokalen Eliten unterhielt, welche die Integration der Provinz und die Durchsetzung des Machtanspruches der Krone stützen sollten. Die Bindungen, die durch solche Patronage­ leistungen hergestellt wurden, waren auf die franzö­sische Krone bzw. deren Minister ausgerichtet. Diplomaten vor Ort übernahmen ledig­lich organisatorische Funktio­ nen und Vermittlerdienste. 775 Monsieur et très honoré Patron, La coustume d’estrener estant venus des Cliens romains, qui iadis à l'entrée de l'an nouveau envoyèrent des présens à leurs Patrons pour un heureux augure et marque de devoir. C'est la mesme qui m'y oblige à cause de mesme réciporocité et pour la mesme fin, Frischmann an Robert de Gravel, Straßburg, 29.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 438r). Frischmann schenkte Gravel in diesem Zusammenhang ein obskures Wundermittelchen, das auch gegen Krebs helfen sollte! 776 Emich u. a., Stand und Perspektiven, 242. 777 Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 26.2.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 42v). Zum „extraordinaires“-Topf vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 146v). 778 Frischmann an Robert de Gravel, Straßburg, 10.9.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 302r). Gravel scheint daraufhin für Frischmann eine kleinere Summe bei einem Frankfurter Bankier organisiert zu haben, vgl. Robert de Gravel an Frischmann, Frankfurt, 14.10.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 323v). Ähn­liches galt für den fanzö­sischen Agenten in Braunschweig, Desminiers’ Anfrage nach Gravels „Broker“-Diensten, vgl. Desminiers an Robert de Gravel, Hildesheim, 16.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 76r). Zur perspektivischen Austauschbarkeit von Patron- und „Broker“-Rollen vgl. Klein, Regeln, 45.

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Ein eher seltener Fall der Aktivierung eigener, von der Krone unabhängiger Sozial­beziehungen eines franzö­sischen Diplomaten lässt sich dennoch finden, und zwar während der Verhandlungen im Umkreis des franzö­sischen Kaiserwahlprojektes. So begab sich der Duc de Gramont im Dezember 1657 noch einmal in bereits ziem­lich aussichtsloser Mission an den Hof des bayerischen Kurfürsten. Er hoffte hier auf noch bestehende freundschaft­liche Verbindungen, die aus seiner Gefangenschaft in Bayern während des Dreißigjährigen Krieges herrührten. Seine Hoffnungen richteten sich allerdings ausgerechnet auf einen der wichtigsten politischen Gegner des franzö­sischen Kaiserwahlprojektes, den bayerischen Hofmarschall Graf ­Maximilian Kurtz. Dieser sei aber immer noch, so Gramont, ein amy de sa m ­ aison et son obligé 779. Gramont versuchte, die sich aus dieser Freundschaftsbeziehung ergebenden Verpf­lichtungen der Hospitalität auszunutzen, um am bayerischen Hof empfan­gen zu werden, sodass er Ferdinand Maria persön­lich von einer Kandidatur zum römisch-deutschen Kaiser überzeugen konnte. Auf „offizielle“ Kreditivschreiben des Königs wollte er dabei ausdrück­lich verzichten und ledig­lich in seinem Adelsrang auftreten, um einen Zeitverlust durch einen mög­licherweise künst­lich in die Länge gezogenen Akkreditierungsprozess zu vermeiden. Zwar gelang es Gramont, die sich aus alten Freundschaftsbeziehungen zu Kurtz ergebenden Verpf­lichtungen gegen dessen politische Position auszuspielen und seine Aufnahme am ­Münchner Hof zu erwirken. Zu zielführenden Verhandlungen kam es jedoch nicht mehr. Schließ­lich endete auch dieser letzte Versuch, Ferdinand Maria zu einer Kandidatur zu bewegen, erfolglos 780. 2.3.2.8 Klienteläres Handeln – Aktivitäten und Erwartungen Zu den selbstverständ­lichen Erwartungen an Klienten gehörte zunächst die Weitergabe von Informationen an die Krone und an ihre Gesandten vor Ort. „Informieren“ war jedoch keine Tätigkeit, die auf ein besonderes Naheverhältnis verwiesen hätte und die nur von Akteuren geleistet worden wäre, die tatsäch­lich in klientelären Verhältnissen zur franzö­sischen Krone standen. Gravel unterhielt zahlreiche Informationskorrespondenzen mit im ganzen Reich ansässigen Personen, von denen aber die wenigsten als Klienten oder Agenten der Krone bezeichnet werden können 781.

779 Lionne an Mazarin, Frankfurt, 11.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 663v). 780 Zu Gramonts Mission am Münchner Hof vgl. dessen ausführ­liche „Relation du voyage du Maréchal de Gramont“, 22.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 109 – 139). Aus kurbayerischer Perspektive vgl. die kleine Dokumentation in BHStA, K. sch. 6459. 781 Diese ist fast vollständig für die Jahre 1659 und 1660 erhalten und wird in den Bänden 146 und 147 der „Correspondance politique Allemagne“ im Archiv des franzö­sischen Außenministeriums verwahrt.

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Information diente häufig, wie weiter unten gezeigt werden soll, der Anknüpfung und Aufrechterhaltung von Kommunikation. Die Weitergabe von Informationen konstituierte also häufig eine eher unspezifische Beziehung. Darüber hinaus konnte auch aus einem strategischen Interesse an einer bestimmten Situationsdarstellung heraus informiert werden, sodass der „Nachrichtenwert“ solcher Informationen erheb­lich differierte  782. Dies galt auch für die von Klienten zur Verfügung gestellten Informationen. Bei der Kaiserwahl gaben Fürstenberg und Boineburg sowohl den franzö­sischen Gesandten vor Ort als auch deren Prinzipalen „operative Informationen“, die die Tätigkeiten und Entscheidungen von Diplomaten vor Ort bzw. in der Zentrale beeinflussen konnten. Zwar wurden diese Ratschläge als besonders wichtig eingeschätzt 783. Dennoch bemühten sich die Gesandten, wahrschein­liche von unwahrschein­lichen, vermut­lich auf strategische Interessen von Klienten zurückgehenden Informationen zu scheiden 784. Eine unbedingte „Informationshoheit“ über ihre Klienten besaßen die franzö­ sischen Gesandten dennoch nicht. Die „Zentrale“ griff bereitwillig auf Klienten als Informanten zurück, um das in der diplomatischen Korrespondenz vermittelte Wissen zu ergänzen und zu überprüfen. Während des Aufenthaltes Wilhelms von Fürstenberg und Boineburgs am franzö­sischen Hof 1659 erklärte Mazarin, Gravels Berichte aus dem Reich gemeinsam mit den beiden Klienten der franzö­sischen Krone auswerten, überprüfen und erörtern zu wollen, damit wir alle zusammen entscheiden, was am geeignetsten wäre, in der gegenwärtigen Lage zu unternehmen 785. Hier konnten Boineburg und Fürstenberg die durch ihre Gesandtentätigkeit gegebene Präsenz am Hof ausnutzen. Ein zentraler Zweck grenzüberschreitender Klientelbeziehungen war der Funktion der innerfranzö­sischen Klientelnetzwerke sehr ähn­lich: Die amis et 782 Vgl. hierzu allgemein Friedrich, Drehscheibe, 185 ff. 783 Angesichts der Ratschläge, die Wilhelm von Fürstenberg für die Formierung einer franzö­sischen Allianz unter den Reichsständen gab, kommentierten die Gesandten, dass il parloit en véritable serviteur du Roy, vgl. Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 27.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 378r). Der Kardinalminister lobte besonders den Wert von Fürstenbergs Informationen und seine Ratschläge in Bezug auf Johann Philipp von Schönborn, vgl. Mazarin an Lionne, Paris, 10.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 262v). 784 Einige der Informationen über die geist­lichen Fürsten und dieVerhältnisse in verschiedenen Domkapiteln wurden von den Gesandten als unglaubwürdig und eigennützig abgetan, vgl. Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 23.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 137v). 785 […] pour resoudre tous ensemble ce qu’il seroit plus à propos de faire, dans la conjoncture presente, Mazarin an Robert de Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.11.1659, in: Lettres du Cardinal IX, 415.

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

serviteurs der Krone sollten Entscheidungen ihrer Fürsten und, wenn mög­lich, auch die von Reichsinstitutionen im Sinne der franzö­sischen Krone beeinflussen. Hauptsäch­licher Grund für die Einbeziehung der Fürstenberg in das franzö­ sische Netzwerk im Reich war vor allem der enorme Einfluss Franz Egons auf den Kurfürsten Max Heinrich. Franz Egon, der als dessen Favorit und, wie sich Mazarin ausdrückte, maître de sa volonté 786 wahrgenommen wurde, sollte dafür sorgen, dass der Kurfürst sich mög­lichst frankreichfreund­lich verhielt. Die Entscheidungsträger, auf die man sich hier bezog, waren frei­lich nicht Ständeversammlungen und Parlamente, sondern Fürsten, Höfe und Domkapitel. Im Falle Fürstenbergs ließ Mazarin seinen Gesandten Wagnée wissen, dass der Erfolg dieser Form der Politikbeeinflussung entscheiden werde, wie hoch man den Wert der Klientendienste der Fürstenberg zu veranschlagen habe 787. Eine ähn­ lich wichtige Rolle maß man Johann Christian von Boineburg für die Steuerung der Entscheidungen am Mainzer Hof zu. Auch er galt als engster Vertrauter seines Dienstherrn, der seinen crédit einsetzen konnte, um politische Entscheidungen, die im Interesse Frankreichs lagen, herbeizuführen. Robert de Gravel sah in ihm nicht nur einen Vermittler franzö­sischer Interessen gegenüber dem Kurfürsten, sondern auch eine Art „Einflussmultiplikator“, der die aus franzö­ sischer Sicht häufig volatilen politischen Konjunkturen im Rat des Kurfürsten steuern konnte. Ohne Boineburg ließ sich, so Gravel, mit den anderen Räten des Kurfürsten buchstäb­lich kein Staat machen 788. Nach anfäng­lichen Schwierigkeiten während der Kaiserwahl waren gerade die Erwartungen an Boineburg, seinen Herrn sowie andere Fürsten und ständische Institutionen des Reiches steuern zu können, in den folgenden Jahren umso höher. Insbesondere im über et­liche Monate schwelenden Streit um die Verlegung der Frankfurter Reichsdeputation, die von den Franzosen heftig abgelehnt wurde, sollte Boineburg seinen Kredit bei Johann Philipp und anderen Akteuren ausspielen 789. Ebenso wurde seinem Einfluss auf den Kurfürsten und Reichserzkanzler große Bedeutung zugemessen, als es darum ging, die von Karl von Lothringen propagierte Rücknahme des Herzogtums an Frankreich zu verhindern. Von ihm wurde erwartet,

786 Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 50r). 787 Mazarin an Franz Egon von Fürstenberg, Paris, 3.5.1657 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 445v). 788 Sans luy je ne fais point d’estat de tous les autres qui sont dans le conseil de Mond Sr. l'électeur, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 27.5.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 95v). 789 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 1.10.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 335r).

Akteure und Netzwerke franzö­sischer Reichspolitik

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dafür Sorge zu tragen, dass die Gesandten Lothringens keine entsprechenden Propositionen vorbringen durften 790. Während in Kurköln die Position der Fürstenberg stabil und ihr profranzö­sischer Kurs trotz aller Abweichungen anerkannt war, gestaltete sich die Personalsituation am Mainzer Hof unter Johann Philipp häufig wesent­lich problematischer und wechselhafter. Es konnte daher auch zu den Koordinationsaufgaben franzö­sischer Gesandter gehören, mikropolitische Entscheidungen durch ihre Verhandlungstätigkeit zu beeinflussen. Vor allem Robert de Gravel sah sich verschiedent­lich gezwungen, in Personalentscheidungen Johann Philipps im Interesse franzö­sischer Klientelpolitik einzugreifen. Bezeichnend hierfür ist beispielsweise seine Rolle bei der Entfernung des kurmainzischen Rates und Unterhändlers Heinrich Julius Blom aus den Diensten des Kurfürsten. Blom galt zunächst als frankreichfreund­licher Akteur 791. So war er auch unmittelbar vor Abschluss der Rheinallianz zusammen mit Wilhelm von Fürstenberg als Unterhändler an den franzö­sischen Hof zu Mazarin gereist 792. Als Blom jedoch 1659 eine Mission des Kurfürsten in Wien durchführte, nahm er bald auffallend habsburgfreund­liche Positionen ein. Gravel sollte daher dafür sorgen, dass Blom als potenzieller Störfaktor für die franzö­sische Reichspolitik so bald wie mög­lich vom Hof entfernt würde. Er suchte den Kurfürsten davon zu überzeugen, dass Blom gänz­lich von den Kaiser­lichen vereinnahmt worden sei und dass es folg­lich im eigenen Interesse des Kurfürsten liegen müsste, ihn so schnell wie mög­lich loszuwerden 793. Gravel hatte mit seiner Initiative Erfolg. Der Kurfürst erklärte tatsäch­lich, künftig auf Bloms Dienste als Unterhändler verzichten und ihn vom Hof verbannen zu wollen. Dafür ließ er sich zwar in den Augen der Franzosen entschieden zu viel Zeit 794, allerdings erschien der Ausgang dieser Angelegenheit als größtmög­licher mikropolitischer Erfolg 795. 790 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 208r); Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 12.11.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 496r). 791 Der venezianische Gesandte Nani hielt ihn gar für più dipendente da Francia dello stesso Peneburgh [Boineburg], Nani an den Rat, Bratislava, 15.8.1659, in: Venetianische Depeschen I, 273. 792 Mazarin an Gramont und Lionne, 18.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 436r). 793 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 23.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 145, fol. 302r). 794 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 11.7.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 111v). 795 Auf den Fall Blom nahmen etwa Lionne und der König 1662 Bezug, als sie den eigent­ lich eher frankreichfreund­lichen Sekretär Lincker aus Johann Philipps entfernen wollten; in diesem Zusammenhang instruierte der König Gravel folgendermaßen: Continuez a travailler à décréditer Linckern auprés dud. Électeur par le moyen du Baron de Bennebourg. Il serait bon que la fin de son emploi fût comme celle de Blum, puisqu’il tient la

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

Auch dort, wo es um die Neubesetzung von Posten ging, versuchte Gravel, franzö­sischen Interessen Geltung zu verschaffen. So setzte er sich entschieden für die Ernennung Boineburgs zum Mainzer Oberhofmarschall ein. Gravel sah sich hierbei allerdings in ein Geflecht von Faktionskämpfen am Mainzer Hof verstrickt, auf das er selbst nur schwer Einfluss nehmen konnte. Er setzte auf den tendenziell frankreichfreund­lichen Vorburg, der sich in seinem Auftrag denn auch erfolgreich für die Wiedereinsetzung Boineburgs aussprach 796. Inwiefern Gravel aber tatsäch­ lich aktiven Einfluss auf personalpolitische Entscheidungen zu nehmen vermochte, ist schwer eindeutig zu bestimmen. Ebenso engagierte sich Gravel gemeinsam mit Wilhelm von Fürstenberg im Auftrag der Krone für Boineburg, als dieser zeitweise bei seinem Herrn in Ungnade gefallen war 797. Gravel versuchte, mit Argumenten, die ihm Boineburg selbst zuvor an die Hand gegeben hatte, den Kurfürsten von einer Restitution seiner Vertrauensstellung zu überzeugen 798. Personalpolitik war allerdings bei Verhandlungen mit Fürsten eine höchst sensible Angelegenheit, die, wenn überhaupt, nur sehr vorsichtig und zurückhaltend angegangen werden konnte. 1673, kurz nach dem Amtsantritt von Lothar Friedrich von Metternich als neuer Mainzer Kurfürst, hielt es Jacques de Gravel trotz Lothar Friedrichs Verbundenheit mit der franzö­sischen Krone und der großen Chance, die kurfürst­liche Verwaltung personell neu zu gestalten, für geboten, äußerste Zurückhaltung zu wahren. Er wollte ledig­lich Quirinus Mertz, unter demonstrativer Rücknahme seiner Rolle als Gesandter, als sein alter Freund franzö­sische Ämterbesetzungswünsche mitteilen 799.

même conduite, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Frankfurt, 22.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 225v). 796 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 27.5.1660 (AMAE , CP, Allemagne 148, fol. 95r). 797 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 35r–38v). 798 Mazarin an Robert de Gravel, Toulon, 11.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 29v). 799 Je me défendis longtemps de m’expliquer là-dessus pour ne point luy donner lieu de croire qu’on voulut chercher parti d’entrer dans la cognoissance de leurs affaires, […] il me faisoit beaucoup d’honneur de me demander mes pensées que je les luy dirois comme son ancien ami et de la manière que je croyois devoir en user pour le bien du service de M. l’électeur, son maistre, et pour son advantage particulier, Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 25.2.1673 (AMAE, CP, Mayence 12, fol. 260v).

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2.3.2.9 Klienten als Unterhändler – Das Verhältnis von Diplomaten und Klienten Die Außenverflechtungsforschung hat auf ein breites Spektrum der Klientelbildung und der Formen der Instrumentalisierung von Klienten zu makro- und mikro­politischen Zwecken hingewiesen. Was den im Rahmen dieser Studie präsentierten Fall grenzüberschreitender Beziehungen besonders vor dem Hintergrund bisheriger Forschungen hervorhebt, ist die Tatsache, dass Klienten eben nicht nur informelle Funktionen erfüllten und ledig­lich Informanten, „Vermittler“, Zuträger oder „Schmiermittel“ der eigent­lichen Diplomatie waren 800 und Gesandte ledig­lich als deren „Manager“ auftraten 801. Klienten konnten vielmehr aktiv als Unterhändler in Erscheinung treten. Dies konnte unabhängig oder in Kombination mit franzö­sischen Gesandten geschehen. Der profilierteste im Reich ansässige Unterhändler im Auftrag des franzö­ sischen Königs war ohne Zweifel Wilhelm von Fürstenberg. Auf seine Bedeutung als Unterhändler und Organisator von Allianzen im Reich zur Unterstützung und Vorbereitung des niederländischen Krieges wurde bereits hingewiesen. Er übernahm mehrfach Gesandtschaften, etwa nach Berlin, Hannover, Münster oder Düsseldorf. Unterstützt wurde er seit Beginn des Jahres 1672 von dem Jesuiten Antoine Verjus, der per Instruktion ausdrück­lich darauf hingewiesen worden war, dass Wilhelm von Fürstenberg die eigent­liche Führung der Gesandtschaften oblag. Verjus solle diesem zuarbeiten und sich bei allen von ihm selbst durchgeführten Verhandlungen genau mit Fürstenberg absprechen 802. Dies war im untersuchten Zeitraum beileibe kein Einzelfall, der nur auf der Sonderstellung Wilhelms von Fürstenberg beruhte. Bereits in den 1650er-Jahren sind in der Gesandtschaftspraxis Unterschiede zwischen regulären franzö­sischen Gesandten und amis et serviteurs, die sich als franzö­sische Unterhändler betätigten, schwer auszumachen. So lässt sich beispielsweise bei der Vorbereitung der ersten Sondierungsverhandlungen für die Rheinische Allianz im Frühjahr 1657 feststellen, dass Georg Christian von Homburg und nicht Robert de Gravel als formeller Gesandtschaftsführer auftrat. Die nominelle Verantwortung für die Gesandtschaft lag also in den Händen eines reichsständischen Akteurs. Ausschlaggebend war, wie 800 „Informelle Kontakte waren jedoch nicht entscheidend und handlungsleitend, hierfür zeichnete allein die Ebene der offiziellen Beziehungen verantwort­lich. Mikropolitik ersetzte die Institutionen nicht, aber ergänzte und unterstützte sie und konnte mitunter korrigierend wirken. Das Schmiermittel der Mikropolitik wurde gewonnen aus Verflechtung“, Mörschel, Buona Amicitia, 408. 801 Wieland, Spiegel ihrer Herren, 377. 802 Mémoire du Roy à M. le Prince de Furstenberg et à MMs. Verjus et de Gravel, 26.8.1672, in: Recueil des Instructions XVIII, 33. Vgl. zu beider Kooperation auch Braubach, Fürstenberg, 185 ff.

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die Instruktion für diese Mission verdeut­licht, der übergeordnete soziale Rang des Landgrafen. Gravel wurde ausdrück­lich befohlen, jederzeit Respekt und Gehorsam gegenüber Homburg zu bekunden 803. Gravel selbst bekundete anschließend selbst, er verpf­lichte sich, in allem, was diese Mission betreffe, den höheren Rang und die höhere Geburt des Landgrafen anzuerkennen 804. Ebenso konnten Klienten als eine Art „Sprachrohr“ fungieren, indem ihnen münd­liche Anweisungen der Pariser Regierung anvertraut wurden, die sie an franzö­ sische Gesandte vor Ort weitergaben. 1659 wurde Boineburg mit Instruktionen aus Paris zurückgeschickt, während Mazarin in einem Begleitschreiben an Gravel hinzufügte, er solle die Mitteilungen Boineburgs als direkte Anweisungen auffassen: Sie werden dies, was Sie betrifft, ausführen, als ob ihnen die Anordnung direkt zugesandt worden wäre 805. Ein ähn­lich lautender Auftrag war ein Jahr zuvor schon einmal Wilhelm von Fürstenberg erteilt worden 806. Obwohl hier die Grenzen zwischen formellen und informellen Strukturen ­fließend waren, gab es gerade für im Reich ansässige Unterhändler formale Mindest­ qualifikationen, ohne die sie nicht damit rechnen konnten, eine Verhandlungstätigkeit ausführen zu dürfen. Diese bestand in einer besonders „niedrigschwelligen“ Qualifikationsleistung, näm­lich dem Mitführen eines Kreditivschreibens. Ein solches reichte aus, um einen Unterhändler formell zu autorisieren 807. Abraham de ­W icquefort behauptete, solche lettres de créance seien für die Ambassadoren notwendig, da sie ihnen ihren caractère verliehen 808. Rousseau de Chamoy bezeichnete

803 […] de rendre toutefois de respect et d’obéissance, „Seconde Instruction de M. le Prince de Hombourg assisté du S. de Gravel“, Paris, 27.4.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 205v). 804 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 7.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 260r). 805 Vous l’exécuterez en ce qui vous regardez comme l’ordre vous en était adressé directement, Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 16.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 173v). 806 Mazarin an Robert de Gravel, Dijon, 19.11.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 383r). 807 Vgl. zur offizialisierenden Funktion des Kreditivschreibens auch Krischer, Gesandtschaftswesen, 210 f. Wild, Formen und protokollarische Inszenierung, 246, betont, für den Gesandten sei das Kreditivschreiben Voraussetzung gewesen, dass ihn „eine auswärtige Macht […] überhaupt anerkennen und ihm Glauben schenken konnte. Selbst persön­liche Bekanntheit am fremden Fürstenhofe bedeutete noch nicht, dass der Gesandte auch wirk­lich in offiziellem Auftrag unterwegs war“. 808 Les lettres de Creance sont necessaires à l’Ambassadeur, tant parce qu’elles lui donnent le caractère, & le font connoistre au Prince à qui l’envoye. Zwar sei es, so Wicquefort, denkbar, dass ein ministre public nicht über einen solchen Brief verfüge, aber selbst dann bedürfe es eines alternativen Dokumentes, um seine offizielle Stellung zu formalisieren, vgl. Wicquefort, L’Ambassadeur I, 169.

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solche Dokumente gar als eigent­lichen Botschaftertitel und das, was seinen Rang und seinen Auftrag konstituiert 809. Hier zeigt sich deut­lich eine Differenz zwischen modernen und frühmodernen diplomatischen Kulturen. Ein informeller Unterhändler unterschied sich von einem formellen eben keineswegs zwingend durch geografische Herkunft, sozialen Stand oder eine fach­lich qualifizierende Ausbildung, bisweilen nicht einmal durch das Geschlecht 810. Als offizialisierter, formeller Unterhändler konnte (fast) jeder auftreten, der von einem Herrschaftsträger per Kreditiv dazu erklärt und dessen schrift­liche Bestätigung vom Empfängerhof anerkannt wurde. Man müsste hier also von einer Art „niedrigschwelliger Formalität“ sprechen. Dies verweist jedoch auf einen grundsätz­licheren Problemkomplex: Wie soll man in den sich herausbildenden politischen Systemen der Frühen Neuzeit zwischen formellen und informellen Funktionen unterscheiden, wenn diese Unterscheidungen fließend sein konnten und überdies mit an modernen sozialen Systemen entwickelten Analysebegriffen angegangen werden, die sich mit frühmodernen Differenzkriterien nicht immer zur Deckung bringen lassen 811? Allerdings neigen auch moderne soziale Systeme zu fließenden Übergängen zwischen formellen und informellen Praktiken ohne verbind­liche Festlegung ihrer Geltungsbereiche, sodass hier von einer „formality – informality span“ sozialer Praxis gesprochen worden ist 812. Für die frühneuzeit­liche Diplomatie ist jüngst am Fallbeispiel der Princesse des Ursins am spanischen Hof im frühen 18. Jahrhundert ein Kontinuumsmodell mit fließenden Grenzen vorgeschlagen worden 813. Im Folgenden soll allerdings danach gefragt werden, wann und in welchen Situa­ tionen man Unterscheidungen zwischen franzö­sischen Gesandten und im Reich ansässigen Unterhändlern betonte oder gar einforderte und klare Anforderungen nicht nur an die formale Qualifikation, sondern auch an die „Identität“ eines Unterhändlers stellte. Dies war etwa bei den abschließenden Verhandlungen zur Formierung der Rheinischen Allianz in Hildesheim 1659 der Fall 814. Zu den Vorteilen des Einsatzes reichsständischer Klienten zählten franzö­sische Außenpolitiker auch, dass man franzö­sische und reichsständische Interessen so kombinieren konnte, dass die Ersteren weniger in Erscheinung traten, sondern an die diploma­tische Mission eines Reichsstandes gekoppelt wurden. In diesem Sinne hatte Gravel Anfang 1659 809 C’est le sens ordinaire de ces sortes de lettres, et c’est proprement le titre de l’Ambassadeur et ce qui establit son rang et sa mission, Rousseau, Parfait Ambassadeur, 26. 810 Vgl. hierzu Bastian, Kammerdame, 275 f., die in Bezug auf Formalität und Geschlecht­ lichkeit von einem „flexiblen Umgang mit Referenzsystemen“ spricht. 811 Vgl. hierzu den anregenden Beitrag von Bauer, Informalität. 812 Misztal, Informality, 96 f. 813 Vgl. auch die Überlegungen bei Bastian, Verhandeln in Briefen, 424 f. 814 Vgl. Zu diesen Verhandlungen Schnur, Rheinbund, 45 f.

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hervorgehoben, dass er Boineburg als mainzischem Unterhändler in Hildesheim auch die Verhandlungen zur Durchsetzung der Interessen der Krone anvertraut habe. Er, Gravel, wolle bei diesen Verhandlungen über die zukünftigen militärischen Strukturen der Rheinallianz gar nicht selbst als franzö­sischer Interessenvertreter in Erscheinung treten, um den mög­lichen Vorwurf der Schweden sowie anderer Reichsstände zu vermeiden, dass die Franzosen zu eigensinnig an den Interessen der anderen Glieder des Bundes vorbei handelten 815. Im selben Zusammenhang machte Gravel allerdings wenig später auf ein mit dieser Herangehensweise verknüpftes Problem aufmerksam. Weil eine unübersicht­ liche Interessenlage zu befürchteten sei, erschien es Gravel nun nicht mehr angemessen, Boineburg zugleich in mainzischen und in franzö­sischen Diensten verhandeln zu lassen. Er forderte nun explizit die Entsendung einer personne de la part du Roy, um die Interessen des Königs zu vertreten 816. Dies zeigt zugleich, dass in bestimmten Situationen sehr wohl eine deut­liche Trennlinie zwischen franzö­sischen und nicht franzö­sischen Unterhändlern gezogen wurde. Dabei ging es weniger um die Unterscheidung „offiziell“ und „nicht offiziell“, sondern eher darum, dass in diesem Falle die „Herkunft“ eines Akteurs aus Frankreich eine loyale und glaubwürdige Verhandlungsführung garantieren sollte. Auch bei der Kaiserwahl von 1657/58 scheint die Option, in den Verhandlungen die eigenen Klienten vor Ort als Unterhändler einzusetzen, nicht im Interesse franzö­sischer Reichspolitik gelegen zu haben. Dies zeigte sich vor allem im Vorfeld der Kaiserwahl, die von franzö­sischer Seite mit einer formellen ambassade beschickt werden sollte. Mazarin betonte, dass es sich hierbei um eine chose publique et d’esclat 817 handele, die franzö­sisches Personal erfordere. Diese Bestimmung richtete sich in diesem Falle vor allem gegen Georg Christian von Homburg, der offensicht­lich hoffte, den Posten selbst übernehmen zu können. Zwar kann man sich vorstellen, dass Mazarin und Servien angesichts der pein­lichen Fehler Homburgs in der Vergangenheit für die anstehende Kaiserwahl das Schlimmste befürchteten. Dies war allerdings nicht das Problem, das sie erörterten. Vielmehr verwies der Kardinalminister darauf, dass es bei einem Ereignis wie der Kaiserwahl grundsätz­lich unangemessen 815 Il estoit plus à propos de laisser agir en cela M. de Benebourg et les autres ministres des princes confédérez que de m’en mesler trop fort, par ce que Ms Bjernklou et Snolski qui sont generalement assez soupçonantes croirent que nous ne songent qu’à nos intérêts, sans avoir égard à leurs, je m’entretiens avec eux et leur fais tousiours connoistre que le Roy ne pouvant absolument disposer de la Ligue, il falloit s’en tenir aux conditions du traité et s’accorder à ce qui seroit jugé raisonnable de tous les Princes confederez, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 14.2.1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 66 r/v). 816 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 25.2.1659 (AMAE , CP, Allemagne 144, fol. 90v). 817 Mazarin an Servien, Amiens, 1.6.1657, in: Lettres du Cardinal VII, 484.

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und nachteilig sei, einen vor Ort vernetzten Ambasssadoren zu beschäftigen: Die meisten Kurfürsten und die anderen, mit denen man zu verhandeln haben wird, trügen sehr viel mehr Skrupel und Umsicht, ihre Gedanken über die gegenwärtigen Angelegenheiten einem deutschen Fürsten zu eröffnen, als das gegenüber einem Amtsträger seiner Majestät der Fall wäre 818. Mazarin sprach dabei zwei generelle Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Klienten als Unterhändler an: Zum einen konnten deren Verflechtungsbeziehungen mit reichsständischen Gesandten und deren Prinzipalen auch als Hindernis für bestimmte Verhandlungen betrachtet werden, während aus Frankreich kommende Unterhändler höhere Erfolgschancen hatten, da sie gerade nicht aus demselben sozialen und politischen Umfeld stammten wie ihre Verhandlungspartner und so als „nicht verflochtene Akteure“ eher sensible und vertrau­liche Materien verhandeln konnten. Vertrauen gegenüber Verhandlungspartnern ließ sich dann gerade nicht durch soziale Nähe und Verflechtung, sondern durch Distanz und Nichtverflochtenheit stiften, da nur so der Eindruck von Neutralität und Diskretion vermittelt werden konnte. Zum anderen wird an diesem Beispiel deut­lich, dass nicht alle idealtypischen Funktionen des Gesandten – informer, négocier, réprésenter – durch vor Ort ansässige Klienten übernommen werden konnten 819. Während näm­lich „Information“ zum Kerngeschäft der Klienten gehörte und auch Verhandlungen von ihnen selbst übernommen werden konnten, war es für sie kaum mög­lich, im Rahmen einer ambassade das Kriterium der „Repräsentativität“ zu erfüllen. Ebenso konnte die Entsendung im Reich ansässiger Unterhändler in bestimmten Fällen auch als mangelnder Respekt gegenüber dem Empfängerhof gedeutet werden. So lehnte etwa Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1670 Wilhelm von Fürstenberg, der ja formell in Diensten Kurkölns stand und Untertan des Kaisers war, als Gesandten dezidiert ab. Es entspreche nicht seinem mérite, mit einem im Reich ansässigen Unterhändler verhandeln zu müssen 820. Umgekehrt konnte allein 818 La plupart des électeurs et autres, avec qui l’on aura à traicter, apporteroient bien plus des scrupules et de circonspection à s’ouvrir de leurs pensées sur les affaires presentes avec un prince allemand, qu’ils ne feroient avec des ministres de Sa Ma té, Mazarin an Servien, Amiens, 1.6.1657, in: Lettres du Cardinal VII, 484. Servien hatte zuvor betont, dass es Ärger geben könnte, wenn man Homburg bei der Kaiserwahl nicht angemessen berücksichtige, vgl. Servien an Mazarin, Paris, 27.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 280 r). 819 Zu dieser Dreiheit vgl. Callières, Manière. 820 Si Votre Majesté veut faire à l’advenir traitter avec M de Brandenbourg, il est très nécessaire que ce soit par la voye de quelque ministre qui soit entièrement à elle non par celle d’aucun Prince de l’Empire, par ce que ledit électeur s’est persuadé que par cette dernière voye, on ne luy donneroit pas tout le mérite qu’il seroit dûb à l’inclination qu’il auroit de s’unir entièrement à vostre Majesté, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 28.8.1670 (AMAE, CP, Allemagne 254, fol. 49 v).

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die Tatsache, dass eine personne de la part du Roy entsandt wurde, bereits als ein bedeutsamer Akt aufgefasst werden. In diesem Sinne wurde etwa die Bitte um Entsendung eines franzö­sischen Residenten an den säch­sischen Hof von franzö­ sischer Seite als gute Gelegenheit gedeutet, die Verbindung Sachsens und Frankreichs zu intensivieren 821. Auch dort, wo der Einsatz von Klienten als Unterhändler den Handlungsspielraumräume der franzö­sischen Diplomatie legitimerweise erweitern konnte, konnten gerade solche von Paris aus verordneten engen Kooperationsbeziehungen zwischen franzö­sischen Gesandten und im Alten Reich ansässigen Klienten zu Spannungen und Konflikten führten. Die sicht­liche Antipathie zwischen Robert de Gravel und Georg Christian von Hessen-Homburg führte auch zu Verleumdungen Gravels und schlug sich schließ­lich in gegenseitiger Obstruktion nieder. So behinderte Gravel offenbar absicht­lich die Anwerbung von Söldnern für ein Kontingent, das der Landgraf im Auftrag der Krone zusammenstellen sollte, indem er die Auszahlung der entsprechenden Bezüge an Georg Christian blockieren ließ 822. Noch schärfer, näm­lich in Form gegenseitiger Denunziationen, trugen 1668 am Mainzer Hof Jacques de Gravel und der zwischen kurmainzischen und franzö­sischen Diensten changierende Jacques Du Fresne ihre Gegensätze aus. Ursprüng­lich hatte vor allem Robert de Gravel nach Boineburgs Sturz den Einsatz des „Doppelagenten“ Du Fresne in Mainz entschieden befürwortet 823. Als jedoch 1666 mit Jacques de Gravel ein franzö­sischer Resident an den Hof berufen wurde, kam es zu Spannungen zwischen beiden 824, die schließ­lich eskalierten: Gravel beschwerte sich über die zunehmenden Schwierigkeiten, die er habe, mit dem Mainzer Erzbischof in Kontakt zu treten, und unterstellte Du Fresne, gegen ihn zu intrigieren, indem er Johann Philipp und seinem Bruder falsche Informationen zuspiele 825. Besonders interessant ist hier allerdings, wie Gravel und Du Fresne mit der Formalität bzw. Informalität ihrer diplomatischen Funktionen umgingen: Gravel sprach Du Fresne keineswegs jedwede diplomatische Verpf­lichtung ab. Vielmehr unterstellte er ihm im Gegenteil, seiner angeb­lichen Informationspf­licht, die er als guter Franzose, der an einem fremden Hof lebt, gegenüber der Krone habe, nicht nachzukommen 826. Du Fresne dagegen beanspruchte gerade keine diplomatische Funktion im Auftrag der Krone. Er schrieb zwar an Lionne, die kurmainzisch-­französischen Beziehungen seien zu wichtig, als dass man sie einem derart inkompetenten Gesandten wie 821 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 16.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 171v). Vgl. auch Auerbach, La diplomatie française, 200 f. 822 Hintereicher, Georg Christian, 152. 823 Robert de Gravel an Lionne, Würzburg, 21.2.1665 (AMAE, CP, Allemagne 194, fol. 68r). 824 Badalo-Dulong, Trente Ans, 235. 825 Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 16.6.1668 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 160r). 826 Ebd.

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Jacques de Gravel überlassen könne 827, er bot sich dabei jedoch auch nicht selbst dafür an. Auch die Vernachlässigung seiner Informationspf­licht spielte Du Fresne herunter. Er habe derartige Tätigkeiten nur als provisorischer Geschäftsträger der Krone übernommen, dafür stünde ja jetzt ein Resident zur Verfügung. Ebenso stellte Du Fresne seine Handlungsspielräume, die er ohne formelle Charge habe, als äußerst eng dar 828. Lionne schließ­lich, obwohl selbst nicht gerade ein Förderer von Du Fresne, setzte seinen Residenten mit der Information unter Druck, dass er Johann Philipp angeboten habe, Gravels Posten an Du Fresne zu übertragen und diesen gewissermaßen zu „offizialisieren“, sollte es Gravel nicht gelingen, mög­lichst rasch die Beziehungen zum Mainzer Kurfürsten zu normalisieren 829. Der Einsatz von Klienten als Unterhändler barg aber auch Schwierigkeiten, die grundsätz­licher waren als solche Rivalitäten. Bisweilen scheinen die Interaktionsvorteile von einheimischen Klienten auf franzö­sischer Seite gehörig überschätzt worden zu sein. Das Geschäft des Unterhändlers im Alten Reich erforderte Grundkenntnisse recht­licher und politisch-kultureller Rahmenbedingungen. Nicht jeder im Reich ansässige Klient erfüllte diese Voraussetzungen in dem Maße, wie dies bei den bereits in relativ jungen Jahren als kurkölnische Gesandte tätigen F ­ ürstenberg der Fall war. Auch wenn Klienten im Reich ansässig waren oder im Idealfall über personale Beziehungen an ihren Einsatzorten verfügten, bedeutete dies nicht, dass sie zwangsweise mit dem Verfassungsgefüge des Reiches und den Spielregeln seiner politischen Kultur zureichend vertraut waren. Hieran scheiterten nicht zuletzt die Verhandlungen Johann Frischmanns mit dem Kurfürsten von Brandenburg 830. Frischmann war Straßburger Bürger, besaß jedoch aufgrund der verbreiteten Ablehnung der Elsasspolitik des Königs ein schlechtes Image in der Reichsstadt. Allerdings verfügte er über gute Kontakte zu einzelnen Ratsmitgliedern. Ebenso konnte er seine Beziehungen zu südwestdeutschen Fürstenhöfen für Verhandlungen im Namen der Krone einsetzen 831. Seine Verhandlungen mit dem Brandenburger Kurfürsten 1659 scheiterten jedoch nicht allein an dessen Skepsis gegenüber der Mission Frischmanns, sondern auch an Frischmanns unangemessener Reaktion auf verschiedene Vorwürfe, die ihm vom Kurfürsten persön­lich

827 Du Fresne an Lionne, Würzburg, 22.12.1668 (AMAE, CP, Mayence 7, fol. 198r). 828 Du Fresne behauptete, er habe nur einmal einem Gespräch zwischen dem Kurfürsten und Wilhelm von Fürstenberg beiwohnen dürfen, habe hieraus aber keine relevanten Informationen ziehen können, denn, so Du Fresne, que pouvoit faire un tiers aussi foible, porté que je le suis entre un électeur et un prince, Du Fresne an Lionne, Würzburg, 18.4.1669 (AMAE, CP, Mayence 7, fol. 215r). 829 Lionne an Jacques de Gravel, Paris, 7.3.1669 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 272v). 830 Zu Frischmann vgl. Wentzcke, Frischmann. 831 Wentzcke, Frischmann, 29 ff.

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gemacht wurden 832. Ferner geht aus seinen Briefen hervor, dass er auch die Bedeutung seiner Funktion als könig­licher Resident in Straßburg nicht voll erfasste. Als etwa Straßburger Bürger sein Haus angriffen, musste Robert de Gravel Frischmann erklären, dass die angemessene Reaktion auf Akte des Vanda­lismus gegen sein Haus darin bestehe, von der Straßburger Bürgerschaft Schadenersatz und eine förm­liche Entschuldigung für diesen Angriff auf einen Vertreter des Königs zu fordern – und nicht in der Bitte um eine Erhöhung seiner Bezüge, um die Reparatur der eingeworfenen Fenster zu bezahlen 833! Damit schien Frischmann spezifische Negativerwartungen gegenüber gelehrten, nicht adeligen Akteuren zu bestätigen. Mit den diplomatischen Qualitäten hochadeliger Akteure, deren Sozialisation und Verflechtung mit politischen Eliten sich als Interaktionsvorteil hätten erweisen können, sah es aber nicht zwangsläufig besser aus. Der Misserfolg von Homburgs Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn im Auftrag der franzö­sischen Krone über ein mög­liches antihabsburgisches Kaiserwahlprojekt dürfte nicht zuletzt auf Homburgs frappante Unkenntnis der Verfassung des Reiches zurückzuführen sein. Diese äußerte sich etwa in dem wahnwitzigen Vorschlag, Reichsstädte von franzö­sischen Truppen besetzen und unter den Kurfürsten verteilen zu lassen. Als Unterhändler pflegte Homburg auch einen reich­lich inadäquaten Verhand­ lungsstil. Mit den Normen angemessenen Verhandelns stand der Landgraf, der zuvor als spanischer Offizier gedient hatte, offenbar auf Kriegsfuß. Er glaubte, den Mainzer auf eine definitive Zustimmung zu einem Kandidaten bei der Kaiserwahl festnageln zu müssen. Dies wurde jedoch von Schönborn als beleidigend und gegen die Reichsverfassung verstoßend aufgefasst. Ein solches Verhalten, warnte Robert de Gravel, gefährde die Reputation des Königs bei den Reichsständen 834. ­Mazarin selbst vermutete, Homburg habe offenkundig seine Instruktionen nicht richtig interpretiert. Er solle sie sich bei seiner nächsten Mission vom Herzog von Neuburg erklären lassen 835. Der Landgraf selbst scheint seinen Misserfolg allerdings nicht gründ­lich reflektiert zu haben. Im Gegenteil: Er behauptete einige Monate später bei der Vorbereitung neuer Verhandlungen mit dem Kurfürsten wieder, man 832 Quand il vit ma modération parmi le déplaisir que je montrais au visage, il se leva de la table, et étant tous deux long-temps debout ensemble, sans parler un mot l’un et l’autre (ainsi l’un regardait l’autre, comme les mécontents ont la coutume de faire), il me dit enfin, allez vous en conferer avec Schwerin, et s’en retira d’abord de la tente, pour aller à un autre, Generalbericht Frischmanns, 20.9.1659, in: Urkunden und Actenstücke II, 226. 833 Vgl. Robert de Gravel an Frischmann, Frankfurt, 13.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 420v); Frischmann an Robert de Gravel, Straßburg, 4.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 391v). 834 Robert de Gravel an Mazarin, Straßburg, 8.1.1656 (AMAE, CP, Allemagne 133, fol. 16r). 835 Mazarin an Robert de Gravel, Januar 1656 (AMAE, CP, Allemagne 133, fol. 20r).

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müsse mög­lichst offensiv und direkt vorgehen 836. Neuburgs Nachhilfeunterricht in Sachen Diplomatie hatte offenbar wenig gefruchtet. Homburg schien gerade aufgrund seiner Identität als Hochadeliger die Bedeutung jener Verfahren, die zur Legitimation als Unterhändler notwendig waren, zu unterschätzen und die Mög­lichkeit, als Hochadeliger mit Fürsten auf informellem Wege verhandeln zu können, entschieden überzubewerten. So geriet er 1656 am Münchener Hof in die pein­liche Situation, keine Kreditive zur Authentifizierung als franzö­sischer Unterhändler vorweisen zu können. Ferdinand Maria, der ohnehin nicht übermäßig an Verhandlungen interessiert war, die um eine bayerische Kandidatur für die Kaiserkrone kreisten, fiel es nicht schwer, Homburg auflaufen zu lassen. Er behauptete, ohne Kreditiv könne sich praktisch jeder als franzö­sischer Unterhändler ausgeben 837. Hochadelige Verhaltensstile und Sozialbeziehungen waren also keineswegs zwangsweise Faktoren, die Verhandlungskompetenz garantierten oder gar jenseits formeller Verfahren Türen öffneten. Ein weiterer wichtiger Umstand, der Klienten in ihrer Rolle als Unterhändler beeinflussen konnte, war die Tatsache, dass sie nie ihre sozialen und politischen Verflechtungsbeziehungen im Reich oder ihre Rolle als Mitglied eines Familienverbandes ausblenden konnten. Bei Wilhelm von Fürstenberg konnten sich seine Tätigkeit als franzö­sischer Unterhändler und seine Rolle als Mitglied des fürstenbergischen Familienverbandes sehr direkt miteinander verbinden. Wilhelm wollte sich näm­lich seine Verhandlungen zur Vorbereitung des Niederländischen Krieges für den Erfolgsfall direkt durch materielle Leistungen „vergelten“ lassen. Es gab ein Abkommen darüber, dass, wenn es ihm gelänge, seinen Herrn Max Heinrich in die Koalition zur Unterstützung des bevorstehendenKrieges eintreten zu lassen, die Krone nicht nur dem Kurfürsten die Festung Rheinberg, sondern auch Franz Egon von Fürstenberg die Herrschaften Daelem, Fauquemont und Rolduc übertragen werde 838. Der Anspruch auf diese Patronageleistungen ist insofern von besonderer Bedeutung, als es sich um Güter handelte, über welche die Krone noch nicht verfügte. Sie mussten erst während des bevorstehenden Feldzuges erobert werden. Mit anderen Worten: Die Fürstenberg ließen sich für ihre Verhandlungstätigkeit als franzö­sische Unterhändler an der zu erwartenden „Kriegsbeute“ beteiligen 839. Die 836 […] il faut parler nettement et clairement […] parler franchement par forme de discours, Homburg an Robert de Gravel, [keine Ortsangabe] 19.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 287r). 837 „Des Landgrafen Georg Christian von Hessen Homburg in Namen der Kron Frankreich am Chrurbayerischen Hof gehabte Negotiation wegen einer kunftigen Wahl eines Römischen Königs“ (BHStA, K. sch. 1636 [unfoliiert]). 838 Wilhelm Egon von Fürstenberg an Lionne, Köln, 16.6.1671 (AMAE, CP, Cologne 7, fol. 95r). 839 O’Connor, Negotiator, 40; Sonnino, Dutch War, 88 f.

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Mikropolitik eines Familienverbandes koppelte sich hier direkt an die bellizistische Makropolitik der franzö­sischen Krone. Zwei Jahre zuvor hatte Wilhelm von Fürstenberg keine Skrupel gezeigt, den Preis seiner Dienste als Unterhändler für ein Abkommen mit Bayern, das wiederum über die Kontakte seines am kurbayerischen Hof tätigen Bruders Hermann Egon von Fürstenberg bewerkstelligt werden konnte, bewusst nach oben zu treiben, indem er die diffusen Pläne Johann Philipps für eine Kurfürstenunion mit Anbindung an die Habsburger, die sich gegen Frankreich stellen könnte, zur realen Gefahr aufbauschte 840. Umstandslos gestand Wilhelm gegenüber seinem Bruder Hermann Egon ein: Man muss sich notwendigerweise […]solcher Manöver bedienen, um ein bisschen seinen Wert zu steigern und bei ihnen mit den Sachen Erfolg zu haben, die man von ihnen begehrt 841. Dabei dürfte er vor allem auf die Ausbezahlung einer Summe von 40.000 Talern gesetzt haben, mit der er hoffte, für den Heiligenberger Zweig der Familie die Insel Mainau erwerben zu können 842. Eine verwickelte Koppelung makro- und mikropolitischer Interessen lässt sich auch bei den Verhandlungen Philipp Ludwigs von Reiffenberg, die er zusammen mit dem kursäch­sischen Rat und zeitweiligen Reichstagsgesandten Burkersrode am säch­sischen Hof führte, feststellen. Auch hier traten Reichsangehörige als offizielle, bevollmächtigte Unterhändler auf, die einen Bündnisvertrag Sachsens mit der franzö­sischen Krone aushandeln sollten 843. Gegenstand der Absprachen waren in diesem Falle jedoch auch die Unterhändler selbst. Denn eine Bedingung für den Abschluss eines solchen Vertrages war für die Franzosen, dass der Kurfürst seine bisherigen Berater, die Brüder Frisen, die als prohabsburgische Störfaktoren wahrgenommen wurden, aus seiner näheren Umgebung entferne und einen neuen Rat zusammenstelle. Zu dessen Mitgliedern sollten mit Burkersrode und Reiffenberg die Unterhändler der franzö­sischen Krone selbst zählen 844. Diese bereiteten also bereits während ihrer Verhandlungen mit den Sachsen die Übernahme der Rolle als kursäch­sische Amtsträger vor. Reiffenberg changierte somit gleich mehrfach 840 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 159. 841 Il faut de necessité se servir […] de pareilles adresses pour se faire un peu valoir et pour reussir aux choses que l’on desire d’eux, Wilhelm von Fürstenberg an Hermann Egon von Fürstenberg, Paris, 15.7.1669, in: Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 2, 89. 842 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 161 f. 843 Auerbach, Diplomatie, 216. 844 L’advantage que pouvoit revenir de l’establissement dud. Conseil au bien public, à Vre. Majesté et à la Maison de Saxe ne consistoit point dans la quantité des Ministres qui y seront employez, qu’il suffiroit qu’il fut composé d’abord de […] M. le Baron de Reifenberg, qui veut estre le directeur, du Baron de Bourquersrode, qui auroit cette direction en son absence, Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 4.3.1666 (AMAE, CP, Mayence 8, fol. 43 r, 43 v). Vgl. Wild, Reiffenberg, 247.

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zwischen verschiedenen Rollen und Identitäten. Als franzö­sischer Einflussmakler war er zunächst zum Unterhändler an einem fremden Hof bestimmt worden, um dann auf Grundlage seiner Verhandlungen nach Beendigung seiner diploma­ tischen Mission dort eine weitere „Position“ einzunehmen. Dazu sollte es frei­lich nie kommen. Der neue Rat blieb weitgehend wirkungslos und hielt in dieser Konstellation nur sehr wenige Sitzungen ab. Reiffenberg hatte eine beeindruckende, aber letzten Endes instabile mikropolitische Machtakkumulation geschaffen, über die er schließ­lich stolperte. Während hier mikro- und makropolitische Interessen weitgehend ineinandergriffen, erwiesen sie sich für den Unterhändler Georg Christian von Homburg als besonders dysfunktional und konfliktträchtig. Dies wird an Homburgs enger Bindung an den Herzog Philipp Wilhelm von Neuburg besonders deut­lich. Beide waren weitläufig verwandt und Georg Christian sah sich offensicht­lich in einem besonders engen Loyalitätsverhältnis zu Neuburg 845. Neuburg selbst war ein mög­ licher, von den Franzosen durchaus in Erwägung gezogener Kandidat für ein nicht habsburgisches Kaiserwahlprojekt, auch wenn ihm nie große Chancen eingeräumt wurden, bei einer solchen Wahl tatsäch­lich erfolgreich sein zu können. Mazarin und Servien blieben aber in der Kandidatenfrage bei der Kaiserwahl in hohem Maße flexibel und pragmatisch. Die Wahl Neuburgs wurde nie kategorisch ausgeschlossen 846. Während man sich auf franzö­sischer Seite jedoch diese Option ledig­ lich offenhielt, favorisierte Homburg eindeutig Philipp Wilhelm und optierte in seiner Korrespondenz immer wieder für die Unterstützung einer neuburgischen Kandidatur, auch als eine solche auf franzö­sischer Seite schon längst nicht mehr als bevorzugte Option gehandelt wurde 847. Dies brachte ihn in starken Gegensatz zu den geist­lichen Kurfürsten, die sich darauf geeinigt hatten, für Ferdinand Maria als Kandidaten stimmen zu wollen, sollte sich dieser zur Verfügung stellen. Wenn sich dies als nicht mög­lich erweisen sollte, wollte man – auch gegen den Widerstand Frankreichs – versuchen, den habsburgischen Erzherzog Leopold Wilhelm zum Kaiser zu wählen. Neuburg spielte in ihren Überlegungen keine Rolle. Offenkundig wurden die Schwierigkeiten mit Homburg, als sich die franzö­ sische Krone bemühte, parallel zur Kaiserkandidatenfrage erste Allianzprojekte mit den immer wieder durch den franzö­sisch-spanischen Krieg in Mitleidenschaft gezogenen rheinischen Fürsten zu verhandeln. Homburg war im Frühjahr 1657 instruiert worden, diese Verhandlungen zu leiten 848. Allerdings stellte sich bald 845 Hintereicher, Homburg, 66; Schmidt, Philipp Wilhelm, 101. 846 Malettke, La France et l’Empire, 242. 847 Homburg warb offen für die Unterstützung einer Kaiserkandidatur Neuburgs, vgl. Homburg an Servien, Frankfurt, 24.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 375v). 848 Seconde Instruction de M. le Prince de Hombourg assisté du S. de Gravel, Paris, 27.4.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 201 – 206r); Mazarin an Robert de Gravel,

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heraus, dass die Annäherung an Kurmainz, die an diese Verhandlungen gekoppelt und zu diesem Zeitpunkt von der Kaiserwahlangelegenheit kaum zu trennen war, mit einem weiteren Vorhaben Homburgs kollidierte: der Aushandlung eines franzö­sischen Subsidienbündnisses mit dem Herzog von Neuburg. Dieses hätte es ­Philipp ­Wilhelm ermög­licht, eine große, im Ernstfall auch für franzö­sische Zwecke einsetzbare Armee aufzustellen 849. Der Mainzer Kurfürst riet davon im Interesse der Friedensstiftung entschieden ab 850. Homburg vertrat gegenüber Servien eine gegenteilige Position: Es sei von größter Dring­lichkeit, schnell das Partikularbündnis mit Neuburg abzuschließen 851. Homburgs Intentionen waren deut­lich zu erkennen: Er versuchte nicht nur, die Interessen des Herzogs von Neuburg zu solchen der franzö­sischen Reichspolitik zu machen, ebenso betätigte er sich zur gleichen Zeit eher erfolglos als Soldunternehmer 852, hätte also selbst von einem mit franzö­ sischem Geld armierten Herzog von Neuburg profitieren können. Diese Interessenlage brachte Homburg schließ­lich dazu, dass er sich ­nunmehr entschieden gegen die geist­lichen Fürsten, insbesondere Johann Philipp von ­Schönborn, zu wenden begann, die just zur selben Zeit eine Schlüsselfunktion für die franzö­sische Reichspolitik bekamen. Nun, da die franzö­sische Politik seinen eigenen Interessen und denen seines Freundes und Verwandten zuwiderlief, sabotierte Homburg jene Verhandlungen regelrecht, für die er die Gesandtschaftsführung übertragen bekommen hatte. Dem Mainzer unterstellte er politische Planlosigkeit. Seine Allianzprojekte seien im Gegensatz zu einer Allianz mit dem Neuburger bloße Papiertiger. Er betreibe eine zwie­lichtige, opportunistische, auf Täuschung und finanziellen Gewinn gerichtete Politik 853. Homburgs Aversion richtete sich aber auch gegen die neuen potenziellen Klien­ten der Krone, wie Johann Christian von Boineburg, dessen unklare Haltung er besonders brandmarkte 854, und gegen die Brüder Fürstenberg, die er ebenso der Täuschung und der Geldgier bezichtigte 855. Homburg zögerte nicht, einen Keil zwischen die Fürstenberg und Frankreich zu treiben. Als Franz Egon nach München reiste, um als franzö­sischer Unterhändler auf die Wahl Ferdinand Marias hinzuarbeiten, ließ Homburg ventilieren, im Falle einer solchen Wahl hätten die Franzosen gar nicht

Paris, 27.4.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 207r–209r). 849 Vgl. hierzu Schmidt, Philipp Wilhelm, 200 f. 850 Robert de Gravel an Servien, Frankfurt, 25.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 303v). 851 Homburg an Servien, Köln, 5.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 328r). 852 Hintereicher, Homburg, 150 ff. 853 Homburg an Servien, Frankfurt, 24.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 375v, 376r). 854 Homburg an Robert de Gravel, [keine Ortsangabe] 19.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 287v). 855 Homburg an Mazarin, Köln, 12.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 329r).

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die Absicht, die Fürstenberg mit könig­lichen Gnaden zu bedenken 856. Offenkundig versuchte der Landgraf auch, Konkurrenten um die Patronage der Krone aus dem Weg zu räumen. Allerdings war der Homburger in der Zwischenzeit nicht zuletzt aufgrund solcher Manöver von franzö­sischer Seite weitgehend kaltgestellt worden 857. Insgesamt gab es also eine ganze Reihe von produktiven Überschneidungen, aber auch von Konfliktfeldern zwischen direkt dem König unterstehenden, als einseitig loyal betrachteten Unterhändlern und solchen, die auch über soziale Verflechtungsbeziehungen innerhalb des Reiches verfügten. Die formalen Qualifikationsleistungen waren aufgrund schwach ausgeprägter Unterscheidungsmerkmale zwischen „offizieller“ und „inoffizieller“ bzw. „formeller“ und „informeller“ Diplomatie relativ leicht zu erfüllen. Von exakten und konstanten Rollenaufteilungen zwischen Gesandten und Klienten konnte hierbei keine Rede sein. Zur Qualifikation genügte ein zumeist unaufwendiges verschrift­lichtes Verfahren, der Austausch von Kreditiv und Rekreditiv. Dieses Verfahren konnte im Grunde für jeden durchgeführt werden, den die franzö­sische Krone als Unterhändler für geeignet hielt und den der Empfängerhof als solchen anerkennen wollte. Allerdings konnte nur ein Untertan des Königs diesen andernorts formal repräsentieren. Die Repräsentationsfunktion eines Gesandten umfasste auch Bereiche, die so sehr formalisiert waren, dass sie nicht wie Verhandlungskompetenzen in einem simplen verschrift­lichten Verfahren übertragen werden konnten. Man setzte solche personnes de la part du Roy auch und vor allem mit Blick auf den „Empfänger“ ein, da hier Nichtverflochtenheit als Statusanerkennung, aber vor allem auch als „vertrauensstiftende“ Qualifikation erachtet wurde. In der Praxis konnten sich Klienten einerseits als geschickte Unterhändler erweisen, die eigene Netzwerke im Sinne der Krone für deren Zwecke nutzbar machen konnten und Regeln der Diplomatie perfekt beherrschten. Andererseits muss auch auf dysfunktionale Effekte hingewiesen werden, die mit einer solchen Praxis einhergehen konnten. Kooperationsbeziehungen zwischen Diplomaten und Gesandten konnten in offene Rivalitäten umschlagen. Die Mög­lichkeit „politisch-kultureller Vermittlungsleistung“ durch Vernetzung vor Ort konnte sich als trügerisch erweisen. Vertrautheit mit der politischen Kultur und ihren Handlungsformen konnte nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden. Klienten konnten sich vor konfligierende Loyalitäten und Interessen gestellt sehen, die wiederum ihre Tätigkeit als franzö­ sische Unterhändler unterminierten. 856 Noch im September 1657 sah Mazarin hier deut­lichen Klärungsbedarf, da das Verhältnis zu den Fürstenberg immer noch durch die Verleumdungen Homburgs getrübt war, vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Verdun, 15.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 251r). 857 Hintereicher, Homburg, 142.

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Die hier bereits gestreifte Problematik multipler Loyalitäten und deren Folgen für die franzö­sische Klientelpolitik sollen im folgenden Kapitel noch weiter vertieft werden.

2.4 Multiple Loyalitäten und Patronagekonkurrenz 2.4.1 Fürstendienst und service du Roi In seiner Studie zu den Außenbeziehungen Hessen-Kassels konstatiert H ­ olger Thomas Gräf für den von ihm untersuchten Fall, dass es bereits in den 1620erund 1630er-Jahren ein funktionierendes diplomatisches Korps gegeben habe, das sich sowohl durch Professionalität, die die Gesandten Hessen-Kassels im Collegium Mauritianum, einer Art frühneuzeit­licher „Diplomatenschule“, erworben hatten, als auch durch eine exklusive Loyalität gegenüber dem Landesherrn auszeichnete. Mög­licherweise konkurrierende Bindungen – etwa an die Landstände – entfielen 858. Im untersuchten Fallbeispiel scheint gerade die spezifisch calvinistische Form von „transterritorialer“ Politik in der Frühen Neuzeit und der Einsatz landfremder Akteure die alleinige Kontrolle des Fürsten über seine Außenbeziehungen und die Entstehung einer „verfürst­lichten“ Diplomatie mit einem eindeutig loyalen, frühbürokratischen diplomatischen Korps befördert zu haben 859. Aber wie repräsentativ ist dieser Fall für die diplomatischen Vertretungen anderer Reichsstände im 17. Jahrhundert? Hessen-Kassel war in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges in besonders hohem Maße in das Kriegsgeschehen verwickelt, unterhielt für seine Mög­lichkeiten ein beacht­liches Heer und konnte als eine protestantische Vormacht auf dem Boden des Reiches gelten. Dass man den daraus hervorgehenden Bedarf an Gesandten mit nach zeitgenös­sischen Maßstäben professionellen Akteuren decken konnte, stellt allerdings eine singuläre Konstellation dar 860. Sie ist weder repräsentativ für die diplomatische Kultur im Alten Reich noch war sie in der Lage, neue Standards zu setzen. Dies wird besonders deut­lich, wenn man sich die diplomatischen Vertreter anderer Reichsstände in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nicht zuletzt auch

858 Gräf, Außenpolitik, 343. 859 Im Gegensatz dazu hat Wieland, Spiegel ihrer Herren, 366 f., darauf hingewiesen, dass das landsmannschaft­lich heterogene diplomatische Personal der römischen Kurie die Gefahr potenzieller Illoyalität barg. 860 Gräf, Außenpolitik, 342.

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jene der hier behandelten geist­lichen Kurfürsten von Köln und Mainz ansieht. In diesem Fall ist es zunächst schwierig, überhaupt ein distinktes „diplomatisches Korps“ auszumachen. Diplomatische Vertreter besaßen näm­lich oft die höchsten Chargen am Hofe geist­licher Fürsten bzw. saßen in deren Domkapiteln 861. Dies änderte sich erst allmäh­lich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als sich mit der Verstetigung des Reichstages ein spezifischer Typus von über sehr lange Zeiträume vom Hof abwesenden Reichstagsgesandten herausbildete 862. Dennoch oder gerade deshalb blieben Gunst und persön­liches Vertrauen des entsendenden Fürsten über das gesamte 17. und 18. Jahrhundert hinweg zwei der Hauptgrundlagen der Rekrutierung solcher Gesandter 863. In den 1650er- und 1660er-Jahren gab es dagegen kaum spezialisierte Gesandte. Das Gesandtenpersonal des Reichsdeputationstages und des frühen Regensburger Reichstages bestand aus häufig wechselnden Räten 864. Mit den Brüdern Fürstenberg bzw. mit Boineburg und Vorburg waren es häufig Günstlinge, die für die Kurfürsten von Köln und Mainz diplomatische Missionen zu den Reichsinstitutionen oder auch ins Ausland unternahmen. Zentrale Rekrutierungsmechanismen für die Gesandten von Reichsständen waren immer auch Formen von Verflechtung. Auf die Bedeutung von Gunst und „Freundschaft“ des Fürsten wurde bereits hingewiesen. Allerdings war die Bindung des Fürstendieners an seinen Dienstherren nur eine von mehreren, sodass sich für die Gesandten oft Gemengelagen von Loyalitäten ergaben. Besonders deut­lich wird das wiederum im Falle der Brüder Fürstenberg als Funktionsträger der wittelsbachischen Kurfürsten von Köln. Die weitverzweigte Familie Fürstenberg gehörte seit dem späten 15. Jahrhundert traditionell zum Klientelverband der Habsburger in Süddeutschland, wo ihre Mitglieder als lokale Herrschaftsvermittler die Autorität des Kaiserhauses stützten, ihren kaiser­lichen Patronen Klientendienste leisteten und ihre Ressourcen und Beziehungsnetze in den Dienst des Kaiserhauses stellten. Eine ganze Reihe solcher prohabsburgischer Familien trug so dazu bei, dass Schwaben langfristig eine Domäne habsburgischer Autorität im Reich blieb 865. Dieses Verhältnis zum Kaiserhaus sollte sich in den frühen 1620er-Jahren noch intensivieren, als im Zuge der Verleihung von enteigneten Gütern protestantischer Adeliger an kaisertreue katho­lische Familien im Reich 866 die niederösterreichische Herrschaft Weitra sowie einige kleinere Herrschaften in Böhmen in den Besitz 861 Duhamelle, Héritage collectif, 182. 862 Von Lehsten, Die hes­sischen Reichstagsgesandten, 541 ff. 863 Von Lehsten, Reichstagsgesandte, 538. 864 Zum Profil der Gesandten auf dem Reichsdeputationstag vgl. Schnettger, Reichsdeputationstag, 60 f. 865 Press, Patronat und Klientel, 37. 866 Vgl. zu dieser Praxis Mac Hardy, War, Religion and Court Patronage, 58 f.

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der Fürstenberg-Heilgenberg gelangten 867. Somit waren jene Familienmitglieder, die diese Güter erbten, auch Untertanen und Vasallen des Kaisers in seiner Rolle als erbländischer Landesherr. Aber auch in traditionell habsburgtreuen Familienverbänden wie den Fürstenberg gab es abweichende Loyalitäten. Einige Angehörige dieser süddeutschen Klientel Habsburgs gingen Klientelbindungen mit den bayerischen Wittelsbachern ein, die zumindest als latent konkurrierende Patrone in Süddeutschland auftraten. Dieses Verhalten scheint von den Kaiser­lichen weitgehend toleriert worden zu sein 868. Im Falle der Familie Fürstenberg beruhten Doppelloyalitäten gegenüber den Habsburgern und den Wittelsbachern weniger auf dem kurzfristigen Ausnutzen von Gelegenheiten durch einzelne Akteure. Sie waren Teil einer regelrechten, generationenübergreifenden Familienstrategie, die für einzelne Familienmitglieder – von einer kurzen und für die Familientradition folgenlosen franzö­sischen Episode eines Grafen Wilhelm von Fürstenberg im 16. Jahrhundert abgesehen 869 – entweder habsburgische oder wittelsbachische Dienste vorsah 870. So war bereits Franz’ und ­Wilhelms Vater Egon nach einigen Jahren in Köln als Oberst in die Armee ­Maximilians von Bayern eingetreten. Die Tatsache, dass Familienmitglieder zeitgleich in bayerischen und österreichischen Diensten standen, war in den 1620erund 1630er-Jahren umso weniger ein Problem, als Habsburger und ­W ittelsbacher während des Dreißigjährigen Krieges über weite Strecken politisch und militärisch eng zusammenarbeiteten. So ist es auch nicht verwunder­lich, dass nach dem Tod Egons von Fürstenberg 1635 dessen minderjährige Söhne später sowohl in habsburgische als auch in wittelsbachische Dienste traten. Während der älteste Sohn ­Ferdinand Friedrich es am Kaiserhof bis zum Reichshofrat brachte, schickte man den jüngsten, Hermann Egon, nach München an den Hof des bayerischen Kurfürsten Maximilian. Franz Egon und Wilhelm wurden in die Obhut des Kölner Erzbischofs F ­ erdinand, Kurfürst Maximilians Bruder, gegeben. Durch den Übertritt 867 Ernst Münch, Geschichte des Hauses und Landes Fürstenberg, Bd. 4, 19. Vgl. zur Herrschaft Weitra Knittler, „Mehrers ein Fürstenthumb“. Mit Wratislaw von Fürstenberg gelangte ebenfalls in den 1620er-Jahren ein Fürstenberg zu enormem Einfluss in der Umgebung des Kaisers. Zu Wratislaw von Fürstenberg in österreichischen Diensten vgl. Schwarz, The Imperial Privy Council, 232 f. 868 Lupke-Niederich, Habsburgische Klientel, 148. Zur Patronagekonkurrenz der Wittelsbacher und Habsburger vgl. Press, Patronat und Klientel, 38. 869 Vgl. hierzu die biografische Studie von Wagner, Graf Wilhelm von Fürstenberg. Reminiszenzen an diese Episode sucht man jedoch in der Kommunikation zwischen den Fürstenberg und der franzö­sischen Krone vergeb­lich. Entweder war man sich dieser Episode nicht bewusst oder man verdrängte sie aufgrund des abrupten und wenig rühm­lichen Endes von Fürstenbergs Frankreichbindung. 870 Vgl. Braubach, Wilhelm Egon, 15 ff.

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in den geist­lichen Stand konnten sie auch aufgrund der traditionell engen Verbindungen zwischen dem Straßburger und dem Kölner Kapitel hoffen, von ihren Straßburger Präbenden, die ihnen Anwartschaften auf Kapitularstellen sicherten, profitieren zu können. Bei der „Besetzungsoption“ für diese Stellen handelte es sich um eine weitere fürstenbergische Familientradition 871. Dieser kurze Überblick über die traditionellen Beziehungsstrukturen der Familie Fürstenberg verweist auf verflechtungsförmige Aspekte von Dienstverhältnissen, die man nicht nur im Alten Reich, sondern auch, wie das vorangegangene Teilkapitel verdeut­licht haben sollte, anderswo im frühneuzeit­lichen Europa findet. Fürstendienst und Verflechtung ließen sich hier wie dort strukturell kaum voneinander trennen. Hinzu kam bei den Brüdern Fürstenberg allerdings, dass sie vor dem Hintergrund traditioneller, quasi erb­licher Dienst- und Patronageverhältnisse agierten. Diese Strategie schloss Mehrfachbindungen und multiple Loyalitäten gerade mit ein. All dies hatte Konsequenzen für die Praxis des Fürstendienstes. Dies zeigt etwa eine Episode aus der Frühzeit von Franz Egons kurkölnischer Gesandtentätigkeit, bei der die traditionelle Bindung an das Kaiserhaus mit seinen Pf­lichten als Gesandter für den damaligen Kurfürsten Ferdinand konfligierte. Fürstenbergs traditionelle und weitgehend akzeptierte Doppelbindung trat in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges, als Bayern zunehmend die Verständigung mit Frankreich suchte, aus dem bislang eher latenten Konfliktverhältnis heraus. 1644 schloss Maximilian I. auch im Namen Ferdinands von Köln einen Waffenstillstandsvertrag mit Schweden und Frankreich ab. Als infolgedessen die Truppenkontingente des Westfä­lischen Reichskreises demobilisiert werden sollten, was man in Wien unbedingt verhindern wollte, versuchte Franz Egon, über eine Geheimkorrespondenz mit kaiser­lichen Truppenführern diese Anordnung zu unterlaufen 872. Franz Egons Loyalität gegenüber dem Kölner Kurfürsten war also keineswegs bedingungslos. Offensicht­lich konnte sie durch Bindungen an das Kaiserhaus als traditionellem Patron der Familie überlagert werden. Allerdings handelte Franz Egon hier auch familienstrategisch. Denn sein Engagement verband er mit der Forderung an die österreichische Generalität, die Teildemobilisierung des österreichischen Regimentes seines Bruders Ferdinand Friedrich rückgängig zu machen 873. Von den Kaiser­ lichen bekam Fürstenberg spätestens 1647 eine Pension von etwa 2000 Reichstalern zugesprochen. Die Spanier scheinen ihm zum selben Zeitpunkt mit Unterstützung des Straßburger Bischofs und Statthalters der Spanischen Niederlande, Erzherzog Leopold Wilhelm, eine Pension von 1500 Livres garantiert zu haben 874. Dem 871 Braubach, Wilhelm Egon, 24; Clauss, Die Straßburger Domherren. 872 Engels, Aus den Anfängen, 481. 873 Ebd., 482. 874 Ebd., 499.

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­ erhältnis zum Kölner Kurfürsten tat dies aber anscheinend keinen Abbruch. Zwar V wurden Fürstenberg für spätere Missionen Sekretäre zur Seite gestellt, die eine allzu eigenmächtige Verhandlungsführung verhindern sollten. Doch schien ihm der Kurfürst so weit zu vertrauen, dass er Fürstenberg die Verwaltung Kurkölns überließ, als er sich in Lüttich aufhielt 875. Franz Egon von Fürstenberg war also bereits vor seiner Bindung an Frankreich in mehrfache Loyalitätsverhältnisse verstrickt, die in Konflikt miteinander geraten konnten. Mit ähn­lichen Loyalitätskonflikten waren auch die kurmainzischen Gesandten auf dem Westfä­lischen Friedenskongress konfrontiert. Johann Philipp von Schönborn verfügte näm­lich zunächst nur über die von seinem Vorgänger „ererbten“ Gesandten Schenkherr und Reigersberger, die in engen Beziehungen zum Kaiserhaus standen und zum großen Ärger Johann Philipps den recht habsburgnahen Kurs Anselm Casimirs von Wambold weiterverfolgten 876. Frei­lich ging es hier weniger um generationenübergreifende Patronagebeziehungen, sondern wohl um wesent­ lich jüngere Verflechtungsbeziehungen. Dass sich diese als Konfliktquelle erweisen konnten und den Kurfürsten in seinen Handlungsspielräumen beschnitten, dürfte wohl in einem für die geist­lichen Wahlmonarchien inner- und außerhalb des Alten Reiches typischen Strukturproblem seine Ursache haben: Die politische Ausrichtung und klienteläre Strukturen konnten sich mit der Wahl eines neuen Fürsten rasch ändern, was Konflikte mit dem bereits vorhandenen diplomatischen Personal provozieren konnte 877. Für die Gesandten der geist­lichen Kurfürsten galten also Rekrutierungs- und Verflechtungsmuster, die im Vergleich zum eingangs skizzierten Beispiel Hessen-­Kassel und dessen weitgehend loyalen Gesandten kaum unterschied­licher sein konnten. An dieser Stelle scheint es lohnenswert, kurz noch einmal auf den Typus des „Diplomaten vom type ancien“ einzugehen. Reichsständische Gesandte, die sich häufig in komplexen sozialen und politischen Beziehungsgeflechten befanden, scheinen geeignet zu sein, Tragweite und Grenzen dieses Modells auszuloten. Ganz im Sinne des Konzeptes der „Diplomatie vom type ancien“ war über die gesamte Frühe Neuzeit hinweg die professionelle Qualifikation kein allein ausschlaggebendes Kriterium für den Erhalt einer Gesandtenstelle. Ebenso lässt sich die enorme Bedeutung sowohl der Logik der Patronage und anderer Formen der Verflechtung als auch traditioneller Dienstverhältnisse beobachten. Gerade das Dienstverhältnis der Fürstenberg gegenüber Kurköln war das Produkt einer erb­ lichen Diensttradition, die die gleichzeitige Bindung an ein weiteres Herrscherhaus 875 Ebd., 488. 876 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 265 f. 877 Zu diesen Problemen für die Diplomatie der Kurie unter Paul V. vgl. von Thiessen, Außenpolitik, 62; Wieland, Spiegel ihrer Herren, 367.

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ermög­lichte. Besonders eindring­lich und weit deut­licher als bei den franzö­sischen Konterparts zeigt sich hier allerdings die Bedeutung von Mehrfachbindungen sowohl in Bezug auf die Mög­lichkeit, sich dadurch Handlungsspielräume zu eröffnen, als auch hinsicht­lich der aus ihnen resultierenden Verpf­lichtungen, etwa der Versorgung eigener Familienmitglieder. Hessen-Kassel mit seinem loyalen Korps von Unterhändlern und seinen semiprofessionellen Rekrutierungsstrukturen erscheint in dieser Perspektive eher als Sonderfall. Zu den Schlüsselqualifikationen von Gesandten gehörten häufig die Gunst und das Vertrauen des Fürsten. Dies änderte aber nichts daran, dass viele Gesandte im 17. Jahrhundert häufig ihre Loyalitäten und ihre Dienstherren wechselten oder verschiedene Dienst- und Loyalitätsverhältnisse gleichzeitig unterhielten. Die Perpetuierung des Reichstages seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheint durch die häufig verwendete mehrfache Stimmführung von Gesandten diesen Prozess eher verfestigt und intensiviert zu haben. Die außergewöhn­liche Entwicklung des Regensburger Reichstags eröffnete den Gesandten allerdings gerade wegen der dauerhaften räum­lichen Distanz zum Heimathof, des politischen „Eigenlebens“ des Reichstages und der Praxis der mehrfachen Stimmführung enorme Handlungsspielräume und Patronagemög­lichkeiten parallel zum Fürstendienst. Die besondere Struktur des Reiches und seiner Institu­ tionen konservierte bis zu deren Ende ein besonderes Exemplar des Diplomaten vom type ancien, der einerseits zu seinem Fürsten in einem patronageartigen Verhältnis stand, andererseits aber multiple Loyalitäten für eigene Zwecke nutzen konnte 878. Insbesondere wegen der Orientierung des idealtypischen Modells der „Diplomatie vom type ancien“ an höchstrangigen Gesandten souveräner Herrschaftsträger müssten für die Analyse der reichsständischen Diplomaten Modifikationen vorgenommen werden. Zumindest differenziert werden muss auch die Annahme, dass der hohe Adel die Trägerschaft der Diplomatie weitgehend monopolisiert habe und dass seine spezifischen Verhaltensstile hier dominierten. Sozial lässt sich bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts bei den reichsständischen Gesandten etwa eine weitgehende Parität zwischen adeligen und nicht adeligen Akteuren feststellen 879. Die hier beschriebenen Rahmenbedingungen und (potenziellen) Loyalitätskonflikte bezogen sich allerdings allesamt auf das politische Gefüge innerhalb des Alten Reiches. Wie aber verhielt es sich, wenn reichsständische Gesandte franzö­sische Klienten wurden? Wie man die Frankreichbindung der Fürstenberg zu bewerten hatte, war zumindest für die deutsche Historiografie des 19. und weiter Teile des 878 Vgl. hierzu vor allem von Lehsten, Reichstagsgesandte, 537 ff. 879 Die Zahl der adeligen Reichstagsgesandten erhöhte sich allerdings, da sich auf dem Regensburger Reichstag auch durch die beschleunigte Aufnahme in Ritterkurien „Veradeligungschancen“ boten, vgl. von Lehsten, Reichstagsgesandte, 539.

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20. Jahrhunderts vollkommen klar: „Unter solchen Werkzeugen der franzö­sischen Politik, solchen Verräthern an deutscher Ehre und deutschem Namen stehen allen oben an die Brüder Franz Egon und Wilhelm Egon von Fürstenberg-Heiligenberg“, schrieb Leopold Ennen in seiner Geschichte Kurkölns 880. Und noch für Max ­Braubach bedurfte der „merkwürdige Pakt zweier deutscher Grafen, die als solche dem Reich und zudem als Minister dem Kurfürsten von Köln verpf­lichtet waren, mit einer fremden Krone keines weiteren Kommentars“881. Braubachs Einschätzung, die vor allem auf modernen Vorstellungen von staat­licher Zugehörigkeit und Bürokratie und Verwaltung fußt, aber auch, wie weiter unten zu zeigen sein wird, zeitgenös­ sische Polemik gegen die Fürstenberg aufnimmt, ist wenig weiterführend. Dabei war der älteren Historiografie durchaus bewusst, dass es sich bei der Frankreichbindung der Fürstenberg um einen in seinem Ausmaß vielleicht besonders eklatanten Fall, ansonsten aber im Grunde um politisches Alltagsgeschehen handelte 882. Und im Falle Max Heinrichs konnte dies auch auf „schwache“ Fürsten und deren mangelnde Durchsetzungskraft zurückgeführt werden. Allgemein vorherrschend war jedoch das Bild einer sich im „barocken“ Alten Reich auf einem spektakulären Tiefststand befindenden (normativ verstandenen) politischen Kultur. Man stimmte darin überein, es mit einem mora­lisch bedauer­lichen, jedoch weitverbreiteten und und von Zeitgenossen akzeptierten Strukturphänomen zu tun zu haben. Betroffen waren nicht nur „schwache“ Fürsten, sondern eben auch solche vom Format eines Johann Philipp von Schönborn oder eines Max Emanuel von Bayern 883. Denkhintergrund solcher Deutungen war frei­lich die Annahme, dass das Alte Reich an mangelnder Staats- und Nationsbildung gekrankt habe, was dem franzö­sischen „Erbfeind“ umfangreiche Mög­lichkeiten der Einflussnahme eröffnet habe. Auch auf die Gefahr hin, nationalistischen Ballast mit einer Art transnationaler Voreingenommenheit zu vertauschen, ermög­licht eine genauere Analyse eine andere Perspektive auf solche grenzüberschreitenden Beziehungen: Tatsäch­lich war die Frankreichbindung der Fürstenberg für den Kurfürsten völlig transparent und ist in dieser Form auch explizit von ihm akzeptiert worden. Dies zeigt etwa ein Schreiben des Kurfürsten an seinen „Chefunterhändler“, der sich zu dieser Zeit in Paris befand. Max Heinrich bekundete darin, dass er auch nach der Naturalisierung Wilhelms in Frankreich, die ihn nominell zum franzö­sischen Untertanen gemacht hatte, selbstverständ­lich weiterhin auf seine treuen Dienste setze. Rhetorisch drehte 880 Ennen, Frankreich und der Niederrhein, 156 f. 881 Braubach, Pakt, 41. 882 Treitschke, Deutsche Geschichte, 20 f., betrachtete etwa die sogenante „Pfaffengasse“ am Rhein als „ein Gewirr winziger Staaten, unfähig jeder ernsthaften Kriegsrüstung, durch das Gefühl der Ohnmacht zum Landesverrate gezwungen“. 883 Max Emanuel gestattete seinen Räten ausdrück­lich die Annahme franzö­sischer Pensionen, vgl. Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 171.

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Max Heinrich den Spieß sogar um: Er hoffe, der franzö­sische König finde es dennoch nicht schlecht, dass Sie ihre Dienste für mich weiterführen, gleichsam für einen Fürsten, der ihm mehr verpf­lichtet ist als jeder Franzose durch Pf­licht und Geburt 884. Die Doppel­ loyalität Wilhelm von Fürstenbergs wurde also vom Kurfürsten, der sich selbst in einem engen Verhältnis zu Frankreich befand, keineswegs infrage gestellt oder als illegitim betrachtet. Dies jedoch als Folge persön­licher Führungsschwäche Max Heinrichs oder als rein strukturelle Dysfunktionalität zu betrachten, greift entschieden zu kurz: Vielmehr wäre es angebracht, nach den funktionalen Hintergründen einer solchen Praxis zu fragen. Sie war näm­lich gerade für kleinere Fürsten ein Mittel, sich politische Vertretungen in einer sich sowohl auf europäischer als auch auf Reichsebene wandelnden „zwischenstaat­lichen“ Umwelt überhaupt ökonomisch leisten zu können. Dies war gerade bei längeren Gesandtschaften nicht einfach. Daher hatte es auch, wie Franz Bosbach gezeigt hat, auf dem Westfä­lischen Friedenskongress ein umfangreiches System der „kooptierten“ Finanzierung von Gesandtschaften gegeben 885. Solche Zahlungen kamen näm­lich nicht nur den Interessen der chronisch unterfinanzierten Gesandten entgegen, sie dienten auch der Entlastung ihrer mindermächtigen Prinzipale. Diese waren häufig noch weniger in der Lage, ihre Gesandten regelmäßig zu entlohnen, als mächtigere Potentaten. Die Annahme fremder Gelder oder das Einwerben von Ressourcen durch Gesandte am Dienstort erleichterte ihnen nicht zuletzt das Unterhalten diplomatischer Vertretungen. Für Gesandte blieb dabei stets das Risiko, irgendwann unter Umständen der Korruption bezichtigt zu werden 886. Allerdings konnte das Transparentmachen solcher Verbindungen gegenüber dem Dienstherrn – vorausgesetzt natür­lich, es wurde akzeptiert – gewissermaßen als Garantie für die Legitimität solcher Geldtransfers betrachtet werden 887. Auch der säch­sische Reichstagsgesandte Burkersrode, der einen Bündnisvertrag zwischen Sachsen und Frankreich aushandeln sollte, gab gegenüber Robert de Gravel an, er müsse noch mit seinem Herrn abklären, ob er 884 […] ne trouve pourtant pas mauvais que vous me continuez vostre service, comme à un Prince qui est plus à luy que ne savoit estre aucun François par le debvoir de la naissance, Max Heinrich an Wilhelm Egon von Fürstenberg, Bonn, 12.1.1665 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 280r). 885 Bosbach, Kosten, 212 f. 886 Anhand des spanisch-römischen Beispieles zeigt Hillard von Thiessen, dass weniger die Tatsache, dass Gesandte sich selbst und ihre Verwandten und Klienten mit am Dienstort erlangten Ressourcen versorgten, problematisch war, sondern vielmehr, dass sie an denselben Gütern wie ihre Dienstherren interessiert sein konnten. Diesbezüg­liche Konflikte konnten zu Korruptionsvorwürfen und Sanktionen gegen die Gesandten führen, vgl. von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 182 ff. 887 Bosbach, Kosten, 213.

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tatsäch­lich die für einen erfolgreichen Abschluss von der franzö­sischen Krone gewährten Gratifikationen annehmen dürfe 888. Gerade im Falle Kurkölns lässt sich diese Tendenz zur anteiligen Finanzierung von Gesandtschaften deut­lich beobachten. Max Heinrich bat bereits 1657 um Unterstützungszahlungen für seine Gesandtschaft auf dem Kaiserwahltag 889. Aufschlussreich für diese Praxis ist auch ein Schreiben des kurkölnischen Gesandten Johann von Aldenhofen an Robert de Gravel aus dem Jahr 1662. Aldenhofen teilte mit, der Kurfürst wünsche die Rückkehr Wilhelms von Fürstenberg, um ihn auf den bevorstehenden Regensburger Reichstag schicken zu können. Man wisse um den Eifer und die besondere Mühe, mit denen sich besagter Herr für den Königsdienst eingesetzt hat, hoffe aber gerade daher, der König stimme seiner Entsendung an den Reichstag zu 890. Franzö­sische Verflechtung wurde hier nicht nur nicht problematisiert, Personalentscheidungen wie jene, die Fürstenberg auf einen mög­ lichen Reichstag zu schicken, wurden den Franzosen gerade durch den Verweis auf Wilhelms gute Dienste für Frankreich als besonders günstig für ihre eigenen politischen Interessen verkauft. (Dies war in diesem Fall frei­lich eine „inoffizielle“ Interessenvertretung, denn wie schon bei der Reichsdeputation blieb auch für den Reichstag Johann von Aldenhofen der eigent­liche kurkölnische Gesandte.) Doch damit nicht genug: Aldenhofen erklärte auch, es sei der ausdrück­liche Wunsch des Kurfürsten, dass Herr Graf Wilhelm […] vollständige Satisfaktion erlange, was jene Dinge betrifft, die er sich von der Großzügigkeit und der Gnade seiner Majestät verspricht 891. Der Kurfürst ließ also dem Gesandten des Königs erklären, dass er weiter auf die klienteläre Versorgung seines eigenen Ministers durch den franzö­sischen König hoffe, und machte dies auch zur Bedingung für seine eigene Zufriedenheit. Der Kurfürst nahm also offenbar nicht nur keinen Anstoß an der franzö­sischen Verflechtung seiner Minister, sondern setzte sich geradezu als Patronagevermittler für sie ein. 888 Burkersrode an Robert de Gravel, Dresden, 8.11.1665 (AMAE, CP, Saxe électorale 3, fol. 140r). 889 Mazarin an Lionne und Gramont, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 52r); Auch der Kurfürst von Bayern ließ offenbar um eine franzö­sische Unterstützung für Gesandtschaftskosten als Bedingung für eine mög­liche Kandidatur nachsuchen, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 15.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 890 […] zèle et ardeur particulière avec ledit Sieur s’est toujours employé pour le service de Sa Majesté, Johann von Aldenhofen an Robert de Gravel, Frankfurt, 2.4.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 112r). 891 […] que M. le Comte Guillaume […] obtienne satisfaction entière en ce qu’il se promet de la générosité et grâce de Sa Majesté, Johann von Aldenhofen an Robert de Gravel, Frankfurt, 2.4.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 112v).

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Aus der Sicht mindermächtiger Fürsten schränkte ein verflochtenes „diplomatisches Korps“ außenpolitische Handlungsmög­lichkeiten keineswegs ein, sondern erweiterte diese erheb­lich. Neben einer ganzen Reihe von anderen Interessen waren Patronageleistungen zugleich auch eine zentrale Beziehungsgrundlage für die asymmetrischen Beziehungen zwischen der Krone und den Reichsfürsten. Wenn mit Wilhelm von Fürstenberg einer seiner wichtigsten Diplomaten mit einflussreichen Kreisen des franzö­sischen Hofes verbunden war und dort Kredit genoss, war es ja nicht zuletzt Max Heinrich, der hiervon profitieren konnte, etwa in Form der Vermittlung von Subsidien bzw. der Bewerkstelligung von deren Auszahlung oder der Rückgabe von durch franzö­sische Truppen besetzten Territorien des Kurfürsten. Wilhelm konnte seine Beziehungen und die Tatsache, dass er sich aufgrund seiner Gesandtentätigkeit für die Rheinallianz häufig am franzö­sischen Hof aufhielt, auch dazu nutzen, die materiellen Interessen seines Kurfürsten effektiv zu vertreten. Dabei kamen ihm auch seine hervorragenden Beziehungen zum franzö­sischen Außenminister Hugues de Lionne zugute 892. Zum Beispiel waren dem Kölner Kurfürsten Subsidien von 20.000 Livres jähr­lich zugestanden worden. Was die Auszahlung solcher finanzieller Verpf­lichtungen anging, galt die franzö­sische Krone jedoch nicht als besonders zuverlässig. Umso bemerkenswerter ist es, dass es Wilhelm von Fürstenberg gelang, zumindest in den 1660er-Jahren einen regelmäßigen Fluss dieser Zahlungen in voller Höhe zu gewährleisten, die er bisweilen auch persön­lich in bar nach Köln brachte 893. Von derartigen Leistungen war der Kölner Kurfürst, vor allem, was zentrale Anliegen wie die Aufstellung einer eigenen Armee und die Bauarbeiten an seiner Residenz in Brühl anging, umso mehr abhängig, als den 892 Zu deren engem Verhältnis vgl. Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 36. Allerdings zeigt Paul Sonnino, dass Fürstenberg während der Vorbereitung des Niederländischen Krieges seine Allianzen zunächst ohne Lionne, der dem Feldzug kritisch gegenüberstand, vorbereitete. Ebenso musste Lionne seine amitié gegenüber Fürstenberg zurückstellen, als deut­lich wurde, dass sich nicht alle von Fürstenbergs Plänen tatsäch­lich zum politischen und militärischen Vorteil der Krone umsetzen ließen. Vgl. Sonnino, Dutch War, 118. 893 Im Dezember 1659 wies Mazarin Fouquet an, dem sich in Paris aufhaltenden Wilhelm von Fürstenberg so schnell wie mög­lich die dem Kölner Kurfürsten zustehenden Summen auszuzahlen, vgl. Mazarin an Nicolas Fouquet, Toulouse, 8.12.1659, in: Lettres du Cardinal IX, 434. Auch 1662 folgte der Aufforderung Wilhelms kurz vor seiner Abreise, ihm die 20.000 Livres des Kurfürsten auszahlen zu lassen, bereits wenige Tage später eine Bestätigung Lionnes, der Auftrag werde in spätestens drei Tagen ausgeführt werden, vgl. Lionne an Fürstenberg, Saint-Germain-en-Laye, 5.7.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 134r). Ebenso bemühte sich Wilhelm, allerdings weniger erfolgreich, darum, die vom Kurfürsten neu aufgestellten Truppen mit franzö­sischen Geschützen auszustatten, vgl. Lionne an Wilhelm von Fürstenberg, undatiert [September 1662] (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 159r).

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kurkölnischen Ständen ein außergewöhn­lich weites Budgetrecht zustand, welches die freien Verfügungsmög­lichkeiten des Kölner Kurfürsten stark einschränkte 894. Ohne multiple Loyalitäten und Netzwerkbeziehungen von Gesandten, die ein Dienstverhältnis selbstverständ­lich überlagern konnten, wäre dies wesent­lich problematischer gewesen. Wilhelms Klientelbeziehungen waren also durchaus auch für den Kurfürsten operationalisierbar und konnten in seinen Dienst gestellt werden. Ex negativo bestätigt auch Abel de Servien den Befund, dass mög­lichst enge Verflechtungsbeziehungen der Unterhändler zum franzö­sischen Hof die Position ihrer Auftraggeber in der Regel enorm verbesserten. Servien behauptete gegenüber Mazarin im Zusammenhang der Vertragsverhandlungen mit Karl Ludwig von der Pfalz 1657, die zum Teil über dessen am franzö­sischen Hofe ansässige Schwägerin Anna von Gonzaga liefen: Die Erfahrung hat verschiedent­lich […] gelehrt, dass die ausländischen Fürsten, die keine Verbindungen und Beziehungen in Frankreich haben, weder so schwer zu leiten noch zu finanzieren sind wie die anderen 895. Durch Verflechtungsbeziehungen an fremden Höfen konnten sich Gesandte von Fürsten also auch Informationsvorsprünge und Kontaktmög­lichkeiten verschaffen, die sie in den Dienst ihrer eigenen Fürsten stellten und die eben nicht nur deren makropolitischen, sondern vor allem ihren mikropolitischen Interessen entgegenkamen und die deswegen nicht nur toleriert wurden, sondern ausführ­lich erwünscht sein konnten. Zugleich kam Max Heinrich die Strategie der Brüder Fürstenberg entgegen, gewissermaßen mit verteilten Rollen zwischen Habsburg und Frankreich zu lavieren, da auch Franz Egons verbliebene Kontakte zum Kaiserhof in den Dienst des Kölner Kurfürsten gestellt werden konnten. Dies nahmen auch außenstehende Beobachter so wahr 896. Die Toleranz der Mehrfachbindungen seiner Amtsträger ist also weniger auf Max Heinrichs mangelnde politische Umsicht und die dysfunktionale politische Kultur des Alten Reiches zurückzuführen, sondern darauf, dass die mehrfachen klientelären Bindungen der Fürstenberg auch ihm selbst nutzten. 894 Vgl. Hartmann, Geld als Instrument, 23. 895 L’expérience […] fait cognoistre en diverses rencontres que les Princes estrangères qui n’ont point d’alliances ny d’habitudes en France, ne sont pas si difficilles à ménager ny à conduire que les autres, Servien an Mazarin, Meudon, 9.7.1657 (AMAE, CP, Palatinat 6, fol. 287r). Später vermuteten auch Gramont und Lionne, die die Verhandlungen in Heidelberg zu Ende führen sollten, dass Anna von Gonzaga den Kurfürsten zu den in ihren Augen exorbitanten Subsidienforderungen veranlasste, vgl. Gramont und Lionne an Mazarin, „dans le chemin d’Heidelberg“, 19.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 108r). 896 Der braunschweigische Gesandte Witte bemerkte 1660 etwa, dass, wenn die beiden Herren Grafen von Fürstenberg die Sache also führen, dass der eine beim kaiser­lichen, der andere beim franzö­sischen Hofe faveur und avantage suche, auch der Kölner Kurfürst von beiden Seiten diversi effectus haben könne, zitiert nach Köcher, Geschichte von Hannover und Braunschweig, 297, Anm. 3.

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Aus einem Reservoir von Gesandten mit unterschied­lichen Loyalitäten konnte auch Johann Philipp von Schönborn Nutzen ziehen. Johann Philipp verfügte etwa mit Sebastian Meel über einen tendenziell habsburgfreund­lichen Gesandten, dessen Entsendung nach Regensburg Ende 1663 als ein Versöhnungssignal an die Habsburger gedeutet werden konnte 897. Im selben Sinne ließe sich umgekehrt sogar spekulieren, ob der Mainzer Kurfürst seinen Gesandten Boineburg im Jahr darauf stürzen ließ, weil unter anderem dessen demonstrative Habsburgnähe die Unterstützung der franzö­sischen Krone für die kurmainzische Militäraktion gegen Erfurt infrage gestellt hätte, und gerade nicht aus dem Grund, dass er selbst prinzipiell keine Akteure mit tendenziell prohabsburgischer Ausrichtung in seiner Umgebung geduldet oder sich an Boineburgs Frankreichbindung gestört hätte. Die mikropolitische Verflechtung von Gesandten stellte also keineswegs ein grundsätz­liches Problem dar, das die Gesandten in unlösbare Loyalitätskonflikte oder gar in den Verdacht der Korruption gebracht hätte. Ganz im Sinne des Modells der „Diplomatie vom type ancien“ gibt es sogar einen enormen Grad an Kooperation und Konsens hinsicht­lich der Verflechtungen der Gesandten mit anderen Herrschaftsträgern seitens ihrer reichsständischen Dienstherren, da diese von solchen Konstellationen selbst etwa in Form einer besseren Ausgangsposition für künftige Verhandlungen oder durch finanzielle Entlastung bei der Aufrechterhaltung kostspieliger Gesandtschaften profitieren konnten. Fürstendienst muss allerdings, wiewohl er für äußere Beeinflussung und Überlagerung von Loyalitäten offen war, als eine Art „primäre Loyalität“ aufgefasst werden, die im Konfliktfall nicht vernachlässigt werden konnte. Hillard von Thiessen hat für die römische Kurie im frühen 17. Jahrhundert festgestellt, dass es bestimmte politische Themenbereiche gab, auf die Außenverflechtung keinen legitimen Einfluss haben durfte 898. In den hier behandelten Fallbeispielen können zwar weniger eindeutige Grenzen gezogen werden. Klar ist jedoch, dass Max Heinrich und Johann ­Philipp von Schönborn, die die Rheinallianz initiiert hatten, auch auf die Einbindung Frankreichs gesetzt hatten, nicht nur, um ein Gegengewicht zu den Habsburgern zu schaffen, sondern auch, um das Reich vor potenzieller franzö­sischer Aggression und Expansionsstreben zu schützen. Einige reichspolitische Initiativen der Krone konnten daher auch von ihren treuesten Klienten nicht mitgetragen werden. Der Versuch etwa, im sogenannten Montmartre-Vertrag von 1662 das Herzogtum Lothringen aus dem Reichsverband ausscheren zu lassen und Frankreich anzugliedern, wobei der Prätendent Karl von Lothringen auf alle Erbansprüche verzichten sollte, war inner- und außerhalb Frankreichs höchst umstritten 899. Im Reich stieß der Vertrag nicht nur auf die Ablehnung der Kaiser­lichen, 897 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 293 ff. 898 Von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 386. 899 Spangler, Lesson, 225 ff.

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sondern auch auf den Widerstand selbst jener Kurfürsten, die mit Frankreich verbündet waren. Sie argumentierten, Lothringen sei seit jeher ein Bestandteil des Reiches und könne nicht einfach in die franzö­sische Krondomäne überführt werden 900. Dies wirkte auch auf das Verhalten des franzö­sischen „Musterklienten“ Wilhelm von Fürstenberg zurück. Selbst er vertrat vehement die Position, Lothringen gehöre fest zum Lehnsverband des Reiches und könne gar nicht durch einen Akt wie den Montmartre-Vertrag an Frankreich übertragen werden. Wilhelm erstellte sogar ein entsprechendes Gutachten, das den Anspruch der franzö­sischen Krone auf Lothringen klar widerlegte 901, wofür er von Lionne heftig kritisiert wurde 902. Allerdings handelte Wilhelm hier nicht nur im Sinne seines Dienstherrn Max Heinrich konträr zu franzö­ sischen Interessen, sondern mög­licherweise auch aus persön­licher Verbundenheit mit Karl von Lothringen. Beide waren offenbar durch eine nicht näher zu klärende amitié miteinander verbunden 903. Wilhelm setzte sich nicht nur im Rahmen seiner Mög­ lichkeiten als Kölner Gesandter für Karls Ansprüche auf sein lothringisches Erbe ein. Er versuchte auch, wiederum gegen den ausdrück­lichen Willen des Königs, eine Ehe des Prinzen Karl mit Madame de Montpensier zu arrangieren 904. Mög­licherweise kamen hier also ergänzend verwandtschaft­liche oder freundschaft­liche Solidaritäten hinzu, die die Loyalität Wilhelms gegenüber der franzö­sischen Krone einschränkten. Ähn­lich verhielt es sich beim Translationsstreit. Im vorangegangenen Kapitel ist bereits darauf hingewiesen worden, dass es sowohl für Köln als auch für Mainz reichs- und hauspolitische Gründe gab, auf die kaiser­lichen Pläne zur Verlegung der Deputation bzw. auf eine Einberufung des Reichstages einzugehen. Auf franzö­ sischer Seite hingegen konnte man sich besonders Franz Egons von Fürstenberg Kooperation mit den Kaiser­lichen in der Translationsfrage einzig und allein aufgrund mikropolitischer Manipulation durch den Kaiserhof erklären 905. Die ­Haltung 900 Schnur, Rheinbund, 55 f. 901 Vgl. das zusammenfassende Dossier „Écrits que le Comte Guillaume de Furstemberg a envoyé au Comte Egon, son frère, touchant l'affaire de Lorraine“ (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 141r–145r). 902 Lionne an Wilhelm Egon von Fürstenberg, 21.8.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 153v). 903 Montpensier vermutete in ihren Memoiren hinter diesem Engagement eine parenté à la Maison de Lorraine seitens der Fürstenberg, die hier aktiviert würde,wobei nicht nachzuweisen ist, von welchem Verhältnis hier die Rede ist, vgl. Mémoires de Mademoiselle de Montpensier, 365. 904 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 52. Zur Abneigung des Königs gegen eine solche Verbindung vgl. Spangler, Lesson, 237. 905 Il changea à son retour du blanc au noir, sur ces espérances et belles promesses qu’on luy avoit donnée dans cette Cour là d’appuyer plusieurs desseins qu’il avoit dont jusques ici il n’a ressenti aucun effect, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 23.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 228r).

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Max Heinrichs von Köln zwang aber auch den „gut franzö­sischen“ Wilhelm von ­ ürstenberg dazu, eine uneindeutige Position einzunehmen. Er versicherte in Paris, F gegen die Verlegung der Reichsdeputation zu arbeiten, schrieb aber gleichzeitig, wie ein kopiertes Schreiben zeigt, an Boineburg, um sich mit diesem über die Notwendigkeit der Translation zu verständigen 906. Als die Entscheidung für den Regensburger Reichstag gefallen war, mahnte ­Boineburg schließ­lich Gravel, dass man hier den reichspolitischen Entscheidungsverfahren folgen müsse. Da man wohl einstimmig für die Einberufung des Reichstages entscheiden werde, sei auch er, Gravel, gezwungen, dieser Maßnahme zuzustimmen. Boineburg verweigerte hier nicht nur offen klienteläre Gefolgschaft, sondern forderte von Gravel, sich der Autorität der Beschlüsse von Reichsgremien zu unterwerfen 907. Hier war es die politische Logik der konsensualen Entscheidung, die der „Reichs­ politiker“ Boineburg den Erwartungen der franzö­sischen Krone entgegenhielt. Bei den franzö­sischen Klientelbeziehungen handelte sich also um vielfach kompromittierte Bindungen. Besonders zuspitzen konnte sich dies in Verhandlungs­ situationen, in denen Klienten zwischen verschiedenen Rollen changieren mussten. Dies war etwa der Fall, als Wilhelm von Fürstenberg 1669 an den brandenbur­gischen Hof reiste, um dort – diesmal im Auftrag des Kölner Kurfürsten – über die Restitution des Kurvereins von 1652 zu konferieren. Dieses Projekt bot aus franzö­sischer Sicht gewisse Gefahrenpotenziale, da es über die böhmische Kur den Einschluss des Kaisers vorsah. Wilhelm konnte auch in diesem Fall nicht einfach den Verhandlungsauftrag seines Kurfürsten übergehen. Er präsentierte das Projekt aber, darin sicher seiner Rolle als franzö­sischer Klient gerecht werdend, in Berlin offenbar absicht­lich so unenthusiastisch und so wenig vertrauenerweckend wie mög­lich, sodass die Verhandlungen über diese Angelegenheit ziem­lich schnell versandeten 908. Franzö­sische Klienten wie Fürstenberg oder Boineburg changierten also keineswegs nur mit vorwiegend von mikropolitischen Interessen geleiteten Überlegungen zwischen den Antagonisten Habsburg und Bourbon. Beider Verhalten wurde auch durch ihre Verpf­lichtung gegenüber ihren Fürsten und deren reichspolitischen Interessen sowie – im Falle des Translationsstreits – durch die Orientierung an institutionellen Normen und Verfahren geleitet. Franzö­sische Verflechtung und Mikro­politik im Allgemeinen waren für franzö­sische Klienten also durchaus 906 Wilhelm von Fürstenberg an Johann Christian von Boineburg, Paris, 22.12.1660 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 78r). Zur uneindeutigen Position Wilhelms vgl. auch Schnur, Rheinbund, 49. 907 Je serois maintenant obligé de tenir une autre conduite pour agir de concert avec les autres députez et ne leur pas donner soupçon que la France seule veuille retenir à Francfort la de. Assemblée, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 4.10.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 431 v). 908 Vgl. Gotthardt, Säulen, Bd. 1, 137 f.

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handlungsleitende Faktoren, verbanden sich aber auch mit Loyalitätsverhältnissen gegenüber dem eigenen Fürsten und makropolitischen Rationalitäten oder überlagerten diese. 2.4.2 Die Habsburger als konkurrierende Patrone Eine Hypothek für alle grenzüberschreitenden franzö­sischen Patronagebeziehungen im Reich war die vom Haus Habsburg und seinen Vertretern ausgehende Patronage­ konkurrenz. In der Tat hatte gerade das Kaiserhaus gewichtige „Standortvorteile“, die man gegenüber der festen, dauerhaften Etablierung einer franzö­sischen Klientel in Stellung bringen konnte, auch wenn diese unmittelbar nach dem Westfä­lischen Frieden noch nicht so klar in Erscheinung traten, wie sich das Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts darstellte 909. 2.4.2.1 Doppelstrategien Wie bereits im vorangegangen Teilkapitel dargestellt wurde, standen die Fürstenberg zu den Kaiser­lichen in traditionellen, generationenübergreifenden Beziehungen. Diese Bindungen beeinflussten nicht nur die Praxis ihres Fürstendienstes, sie erwiesen sich auch zunächst als Hemmnis für dauerhafte und stabile Patro­nagebeziehungen zur franzö­sischen Krone. In den 1650er-Jahren scheiterten franzö­sische Versuche, dauerhafte Beziehungen zu den Fürstenberg aufzubauen, zweimal daran, dass sich in ihren Augen Franz Egon von Fürstenberg im Ernstfall zu sehr als habsburgischer Klient gebärdete. Ähn­liche Hemmnisse bestanden auch gegenüber anderen Akteuren: Herzog Philipp Wilhelm von Neuburg, der ebenfalls aus einem traditionell aufs Engste mit den Habsburgern verbündeten Geschlecht stammte, reagierte auf die ersten franzö­sischen Patronageangebote 1654 zunächst ähn­lich wie Franz Egon von Fürstenberg. Die gesammelte franzö­ sische Korrespondenz landete rasch in Kopien auf dem Schreibtisch des Reichsvizekanzlers Ferdinand Kurtz 910. Auch die Tatsache, dass es in den 1660er-Jahren gelang, mit Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid einen Akteur aus dem Hause Metternich in die franzö­ sische Klientel miteinzubeziehen, musste aus franzö­sischer Sicht zunächst als eher unwahrschein­liche Entwicklung erscheinen, galten die Metternich doch als traditionell spanienfreund­liches Geschlecht. Dies verdeut­licht ein Gutachten über die 909 Zum Ausbau kaiser­licher Macht im Alten Reich nach dem Westfä­lischen Frieden vgl. Press, Kaiser­liche Stellung. 910 Schmidt, Philipp Wilhelm, 90 f.

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Trierer Kapitulare aus dem Jahr 1650, das für Lothar Friedrichs Onkel Damian Heinrich von Metternich-Burscheidt vermerkt: Dieser ist ein anständiger Mann ohne übertriebenen Ehrgeiz, aber er ist ein Metternich, das heißt den Spaniern ergeben 911. Traditionsgestützte Bindungen zu den Habsburgern konnten also Loyalitätsverhältnisse zu anderen Akteuren überlagern und eröffneten den Ersteren gewisse Handlungsspielräume 912. Dies war allerdings nicht zwangsweise der Fall. Die ­Fürstenberg konnten den Verweis auf „Anciennität“ und „Traditionalität“ auch dazu nutzen, um in ihrer Rolle als Fürstendiener politischen Dissens zu kommunizieren und zu rechtfertigen. Franz Egon von Fürstenberg etwa riet dem kaiser­lichen Gesandten Volmar unter Verweis auf die alte Loyalität und Treue seiner Familie gegenüber dem Kaiserhaus dazu, auf die Kandidatur des Erzherzogs Leopold, später König von Ungarn und Böhmen, dann schließ­lich 1658 Kaiser, zu verzichten 913. Anciennität von Bindungen stiftete nicht bereits für sich genommen Loyalitäten, sondern konnte auch für andere Zwecke instru­ mentalisiert werden. Neben solchen „Traditionsressourcen“ verfügten die Habsburger aber auch über eine breite Palette an Patronagemitteln, die neben finanziellen Leistungen vor allem Posten am kaiser­lichen Hof und in der Verwaltung, aber auch das nicht unumstrittene kaiser­liche Reservatrecht der Standeserhöhung umfasste 914. Gerade für Akteure mit günstlingministerartigem Status wie Boineburg oder die Fürstenberg führte dies dazu, dass sie sich nicht wie ihre westeuropäischen Konterparts exklusiv an ihre Fürsten banden 915. Sie strebten angesichts der politischen Struktur

911 Celuy-cy est un bonhomme sans aucune ambition, mais il est Metternick, c’est a dire donné aux Espagnols, Noms des Chanoines de Treves qui ont voix au chapitre, 18.3.1650, in: Recueil des Instructions XXVIII, 22. 912 Dass solche traditionellen Bindungen an das Kaiserhaus nicht nur über neue Loyalitäten, sondern auch über konfessionelle Grenzen hinweg potenziell mobilisierbar waren, zeigt das Beispiel der zur hohenzollerschen Klientel gehörenden, aber ebenfalls aus einer habsburgischen Familientradition kommenden Familie Sayn-Wittgenstein, vgl. Neugebauer, Konfessionelle Klientelpolitik. 913 Isaak Volmar an Ferdinand III., Frankfurt, 7.6.1655 (HHStA, RK, WKA 17a, pars 3, fol. 70v). Einer ähn­lichen Argumentationsfigur bediente sich Fürstenberg später, als er sich bei Leopolds Günstling und Minister Graf Porcia darüber beschwerte, dass der Kaiserhof seine Verdienste und die seiner Familie offenbar nicht so hoch schätze, dass man es ihm erspare, mit dem ungeliebten Isaak Volmar zu verhandeln, vgl. Franz Egon von Fürstenberg an Porcia, Mainz, 15.6.1657 (HHStA, KA 143, pars 2, fol. 157r.). 914 Zur Bedeutung der Standeserhöhung für den Ausbau kaiser­licher Macht vgl. Press, Kaiser­liche Stellung, 200 f. 915 Zum europäischen Phänomen des Günstlingministers vgl. Elliott/Brockliss (Hrsg.), World of the favourite.

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des Reiches und der vergleichsweisen Ressourcenarmut der meisten Kurfürsten und Fürsten häufig parallel die Patronage des Kaisers an 916. Als die Fürstenberg im Laufe des Jahres 1657 fest in die franzö­sische Klientel im Reich eingegliedert wurden, offerierten ihnen die Vertreter Spaniens und des Kaisers auf dem Wahltag dennoch habsburgische Gnaden. Gramont und Lionne wussten Anfang Oktober 1657 von offres très considérables zu berichten, die man an die beiden Brüder herangetragen hatte. Der spanische Unterhändler Augustin Mayer habe ihnen, so stellte es Wilhelm zumindest selbst dar, 100.000 Gulden in bar angeboten 917. Ob sich dies jedoch überhaupt auf das traditionelle Verhältnis der Fürstenberg zu den Habsburgern bezieht und die offerierten Zahlungen als konkurrierende Patronageleistungen betrachtet werden müssen, ist allerdings frag­lich. Vor der Kaiserwahl war in den Korrespondenzen der Kaiser­lichen von Leistungen für die Fürstenberg und andere wichtige Akteure im Umfeld der Kurfürsten die Rede gewesen, denen dauerhafte traditionelle Patronagebeziehungen zugrunde lagen 918. Diese wurden auch noch im Sommer 1657 in den Instruktionen der österreichischen Wahltagsgesandten ausführ­lich behandelt. Neben finanziellen Transferleistungen in Form von sogenannten Römermonatsassignationen, bei denen Matrikularbeiträge von Reichsständen in Teilen an die Minister der Kurfürsten fließen sollten, ging es auch um kirch­liche Benefizien, wie etwa die Abteien Murbach und Lüders im Elsass, Stablo-Malmedy in der Eifel oder gar um eine Koadjutorie in dem zu dieser Zeit noch von Erzherzog Leopold Wilhelm regierten Bistum Straßburg 919. Diese Ressourcen schienen tatsäch­lich auf längerfristige Beziehungen angelegt, handelte es sich doch um Gnaden, die längerfristig Einkünfte abwarfen und denen eine größere Bindekraft zugeschrieben werden konnte als kurzfristigen, rein monetären Leistungen. Auf dem Frankfurter Wahltag wurde jedoch ziem­lich schnell deut­lich, dass die Fürstenberg als Gesandte des Kölner Kurfürsten nur widerwillig einer habsbur­ gischen Kaiserwahl zustimmen und makro- und mikropolitisch eng mit den Franzosen zusammenarbeiten würden. Auffällig ist, dass von langfristigen Ressourcen, die auf Dauerhaftigkeit angelegt waren, ziem­lich bald keine Rede mehr war, sondern 916 Zu dieser Differenz des Typus des Günstlings im Alten Reich zum westeuropäischen „Normalfall“ vgl. Kaiser/Pečar, Reichsfürsten und ihre Favoriten, 17 f. 917 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 9.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 310r); Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 22.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 210v). 918 Bereits 1655, als die Loyalität der Fürstenberg zunehmend unsicher wurde, begann man sich in Wien Gedanken über einen angemessenen recompens für sie zu machen, vgl. Ferdinand III. an Isaak Volmar, Pressburg, 13.6.1655 (HHStA, RK, WKA 17b, fol. 108r). 919 Instruktion Leopolds von Ungarn für Graf Öttingen und Isaak Volmar, Prag, 23.6.1657 (HHStA, RK, WKA 18a, pars 2, fol. 86v, 87r).

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nur noch von einmaligen Zahlungen. Der Wahlkandidat Leopold erklärte seinen Gesandten hierzu Folgendes: Dem Chur Cöllnischen Gesandten Graff Egon von Fürstenberg wollet ihr von meinetwegen ebener gestalt die versicherung geben, daß wan er es sowol bey Chur.Trier […] als bey seinem herren dem Churfürsten zu Cölln dahin bringen wirdt, das beden Ihr Ch. Dln. auf meine Persohn ihr votum electorale geben […] Ich ihme Grafen von Fürstenberg, streb­lich nach erfolgter wahl auf mich, und also selbigem tag noch die zu diesem endt in Franckfurth schon in parato liegenden einmahl hundertausend gulden baren auszahlen lassen wolle 920. Die Angebote an Fürstenberg schienen hier also gerade nicht die Funktion gehabt zu haben, das eigent­liche Patron-Klient-Verhältnis zum Kaiserhaus wiederherzustellen und die Fürstenberg aus ihren franzö­sischen Loyalitäten zu lösen. Sie waren festgelegte monetäre Entlohnungen für einzelne, benennbare Leistungen. Diese wurden in der österreichischen Korrespondenz explizit als von dauerhaften Verflechtungsbeziehungen abgekoppelt betrachtet. Ebenso betonte der zukünftige Kaiser Leopold, wie wichtig die Tatsache sei, dass er tatsäch­lich einstimmig gewählt werde, gerade angesichts der politischen Situation und der Tatsache, dass eine habsburgische Kaiserwahl dieses Mal umstrittener war als je zuvor. Um jedoch eine Wahl nach Konsens- und nicht nach Majoritätsprinzip zu ermög­lichen, sollten auch die wichtigsten Einflussträger an den Höfen der in Opposition zu einer Wahl Leopolds stehenden Kurfürsten gewonnen werden 921. Die Zahlungen wurden so eindeutig als zweckorientierte finanzielle Transaktion und nicht als Leistung in einem Patron-Klient-Verhältnis ausgewiesen. Zumindest im unmittelbaren Kontext der Kaiserwahl wurden jene Ressourcen, die auf eine längerfristige Patronagebeziehung hindeuteten, nicht mehr erwähnt. Zudem wäre zu fragen, ob es gerade im Rahmen von Veranstaltungen wie den Wahltagen gewissermaßen verfahrensspezifische Ressourcentransfers gab, die nicht zwangsläufig mit der Patronagepolitik des Kaiserhauses zusammenhängen mussten. So berichtete der venezianische Gesandte am Wiener Hof, Nani, im März 1658, man habe allen Kurfürsten für die Kaiserwahl ein großes Geldgeschenk versprochen. Das gelte auch für den Kölner und seinen Minister Franz Egon von Fürstenberg. Nani wies darauf hin, dass eine Kaiserwahl in jedem Falle eine sehr kostspielige Angelegenheit sei und allen wichtigen kurfürst­lichen Amtsträgern unabhängig von Gesinnung und Verdiensten Geld mitunter auch in abuso zumindest versprochen

920 Leopold (I.) an Öttingen und Volmar, Prag, 26.8.1657 (HHStA, Staatskanzlei, Rep. N 3, pars 2, fol. 70v). 921 Die Bedeutung der einstimmigen Wahl unterstrich Leopold noch einmal in einem eigenen Schreibe an Lobkowitz, vgl. Leopold (I.) an Lobkowitz, Prag, 27.8.1657 ( HHStA, Staatskanzlei, Rep. N 3, pars 2, fol. 74v).

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würde 922. Die Kaiserwahl war zudem eine jener politischen Veranstaltungen, bei denen sich auch Akteure mit Geldleistungen für Handlungen bedenken ließen, die sie mit hoher Wahrschein­lichkeit ohnehin ausgeführt hätten 923. Fürstenberg kassierte solche Gelder also bedingt durch seine Rolle als Wahltagsgesandter, nicht als angestammter Klient des Kaiserhauses. Die Aussichten auf eine dauerhafte Reaktivierung von Fürstenbergs Kaisertreue stellten sich für die Kaiser­lichen denn auch eher bescheiden dar. Franz Egon von Fürstenberg versicherte zwar dem Kaiser seine unverbrüch­liche Treue und gelobte, zu dem hochlöbl. Hauß österreich yederzeit […] underthenigste devotion zu üben 924. Leopold selbst, der solche Treuebekundungen allgemein zur Kenntnis nahm, äußerte sich jedoch in einem Brief an Reichsvizekanzler Kurtz äußerst skeptisch über Fürstenbergs Haltung 925. Allerdings konkurrierten die Habsburger auch abseits von solchen eher insti­ tutionalisierten Ressourcentransfers wie bei der Kaiserwahl um die Patronage der Fürstenberg und versuchten sie, die Frankreichtreue der Brüder nachhaltig zu kompromittieren. Dabei spielten die eben erwähnten, durchaus auf Langfristigkeit angelegten Gnaden eine herausragende Rolle. Die Brüder legten hierbei opportunistische Verhaltensmuster an den Tag, die einer klientelären Doppelstrategie folgten, bei der Franz Egon Kooperationsbereitschaft mit den Habsburgern signalisierte, während Wilhelm seine unverbrüch­liche Frankreichtreue zur Schau stellte. Solche Formen familienstrategischen Verhaltens findet man auch im frühneuzeit­lichen Kirchenstaat als Reaktion auf Patronagekonkurrenz zwischen Habsburgern und Bourbonen. Durch eine ähn­liche Rollenverteilung konnten auch Angehörige der römischen Adelsfamilie Orsini im frühen 17. Jahrhundert sowohl der spanischen als auch der franzö­sischen Krone zugleich klientelär verbunden sein 926. Die Rollentrennung der Brüder Fürstenberg war zwar riskant, erwies sich mittelfristig aber doch als überaus effizient und erfolgreich. Das Schema trat schon 1656 zutage, als Franz Egon für seine franzö­sischen Klienteldienste die lothringische Abtei St. Michel de Thiérarche erhalten sollte. Franz Egon insistierte darauf, dass die Abtei nominell nicht ihm, sondern seinem Bruder überschrieben würde. Seine Begründung hierfür wäre eigent­lich dazu geeignet gewesen, gründ­liches Misstrauen hervorzurufen: Er, Franz Egon, sei, so ließ er Wagnée mitteilen, willens, mit aller Kraft in den Dienst des Königs zu treten. Dies sei aber nur mög­lich, 922 Nani an den Rat, Wien, 6.3.1658, in: Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe I, 112. 923 Roosen, Functioning, 320. 924 Franz Egon von Fürstenberg an Ferdinand Kurtz, Frankfurt, 26.1.1658 (HHStA, RK, WKA 19a, pars 3, fol. 170r). 925 Leopold (I.) an Ferdinand Kurtz, Czernitz, 10.2.1658 (HHStA, RK, WKA 19b, pars 1, fol. 52r). 926 Metzler, Pensionspolitik und Familienstrategien, 58 ff.

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wenn die Spanier sich nicht vor ihm als einem Mann in Acht nehmen, der die Interessen Frankreichs völlig übernommen hat. Würde die Abtei auf seinen Bruder überschrieben, könne er umso mehr vor den Spaniern sein Engagement für Frankreich verstecken 927. Trotz der eher fadenscheinigen Erklärung stellte dies offensicht­lich keinen Grund dar, den Transfer der Abtei auch nur infrage zu stellen. Franz Egon wollte sich den Habsburgern gegenüber nicht offen diskreditieren, bestand also auf einem Transfer der Abtei an seinen Bruder. Wilhelm, der durch keine allzu großen Patronageinteressen an die Habsburger gebunden war, sollte damit den Ruf des erklärten Frankreichfreundes auf sich ziehen und so offen franzö­sische Ressourcen für die Familie einwerben. Diesem Grundmuster entsprechend gestaltete sich das Verhalten der ­Brüder gegenüber der franzö­sischen Krone. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit versuchte Wilhelm, sich als treuer Unterstützer Frankreichs zu inszenieren, dem es immer wieder gelinge, seinen weniger gefestigten Bruder im franzö­sischen Sinne zu disponieren, und der ohnehin die treibende Kraft im Verhältnis der Fürstenberg zu Frankreich sei. Im Jahre 1660 erwies sich nicht nur aufgrund der Initiativen Franz Egons von Fürstenberg ausgerechnet Kurköln, das einer der wichtigsten Initiatoren der Rhein­ allianz gewesen war, als größtes Hindernis bei deren Verlängerung. Ebenso tat sich nun wie auch in den beiden darauffolgenden Jahren der ältere Fürstenberg immer wieder durch seinen für die franzö­sischen Akteure irritierenden Einsatz für die Verlegung des Reichsdeputationstages von Frankfurt nach Regensburg hervor. Die Mög­lichkeit, dass Köln der habsburgischen Position im Translationsstreit folgen und die Rheinallianz nicht verlängern würde, wurde bereits im Frühjahr 1660 von Franz Egon von Fürstenberg in Wien persön­lich erörtert. Dass er diese Gelegenheit auch zu nutzen gedachte, um über habsburgische Gnaden für sich und seine Familie zu verhandeln, zeigt Fürstenbergs im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Grafen Porcia geführte Korrespondenz 928. Fürstenberg verlangte etwa eindeutige Zusagen hinsicht­lich der Übertragung der Klöster Stablo und Malmedy 929. Sowohl im Zusammenhang mit der Nichtverlängerung der Rheinallianz als auch mit den verschiedenen Verhandlungen Franz Egons um die Translationsfrage zwischen 1660 und 1662 versicherte Wilhelm den franzö­sischen Gesandten und ihren Prinzipalen offensicht­lich immer wieder glaubhaft, dass das Verhalten seines Bruders unbedenk­lich sei, dass es sich um missverständ­liche Interpretationen handeln

927 Si les espagnols ne se gardent pas de luy comme d’un homme qui a espousé les interests et le party de la France […] cacher autant plus aux Espagnols son engagement à la France, Wagnée an Mazarin, Lüttich, 26.5.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 510r). 928 Zur Person Porcias vgl. Spilman, Leopold I., 36 f.; Probszt-Ohstorff, Die Porcia, 110 ff. 929 „Memorial für den Obristhofmeistern Herrn Graf Portia“ [21.5.1660] (HHStA, KA 143, pars g, fol. 243r). Vgl. zur Geschichte dieser Abteien Baersch, Malmedy und Stablo.

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müsste und dass es keine vernünftigen Gründe gebe, die für einen Seitenwechsel seines Bruders sprächen 930. Es handelte sich hierbei um taktische Manöver, bei denen der eindeutig frankreichtreue Fürstenberg „Flankenschutz“ für das Verhalten seines Bruders leistete. Damit waren die Fürstenberg überaus erfolgreich 931. Mazarin war der Meinung, Franz Egon habe sich ledig­lich bis zu einem bestimmten Punkt in Wien von der kaiser­lichen Seite vereinnahmen lassen 932. Zwar artikulierte auch Robert de Gravel gelegent­lich den Verdacht, es könne sich um ein Spiel mit verteilten Rollen handeln, wie man das für gewöhn­lich tut, aber auch für ihn war entscheidend, dass Wilhelm letzt­lich ein endgültiges changement seines Bruders zu unterbinden wissen würde 933. Die Tatsache, dass Franz Egons Verhalten als gelegent­liche Abweichung wahrgenommen wurde, die durch die Präsenz seines frankreichtreuen Bruders korrigiert werden konnte, machte die opportunistischen Verhaltensweisen Franz Egons aus franzö­sischer Sicht vorhersehbar. Diese belasteten die Beziehungen zwar, ließen sie jedoch nicht zusammenbrechen. Franz Egons unstetes Verhalten dürfte jedoch auch damit zusammengehangen haben, dass seine Annäherungen an das Kaiserhaus des öfteren ins Stocken gerieten, weil Leopold und seine untereinander zerstrittenen Minister im Spannungsfeld verschiedener Interessen und Faktionskämpfe häufig nur eine zerfahrene und inkonsequente Reichspolitik formulieren konnten 934. So verliefen auch die von Fürstenberg unterstützten Projekte im Sande. Zugleich wurde aber auch auf habsburgischer Seite an der Ernsthaftigkeit und der Verbind­lichkeit von Franz Egons Annäherung an den Kaiserhof gezweifelt 935. Auch Porcia war im Sommer 1660 zunächst 930 Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, Heiligenberg, 8.11.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 167r–171r). 931 Il n’y a aucun lieu de douter que M. le Comte Guillaume ne le remette entièrement dans le bon chemin lorsqu’ils seront ensemble. Vgl. auch Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 11.7.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 111v). Derselben Meinung war auch der Kardinalminister, vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Bayonne, 15.6.1660, in: Lettres du Cardinal IX, 618. 932 […] jusques à un certain point, Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 19.10.1660, in: Lettres du Cardinal IX, 662. 933 […] comme il se pratique ordinairement, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 27.5.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 92v). 934 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 101. 935 Auch gemäß der Einschätzung des Nuntius Carlo Caraffa waren der Kaiser und ­Porcia Fürstenberg gegenüber äußerst skeptisch. Ebenso wenig nahmen die Spanier in Brüssel Franz Egons Versuche zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit als dauerhafte Option ernst: Seine neuer­liche Verhandlungsbereitschaft im Namen des Kölner Kurfürsten solle nur dazu dienen, dass die Spanier den Fürstenberg die Herrschaft Kerpen verleihen, an seiner eher ablehnenden Position gegenüber den Habsburgern

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nicht nachhaltig von den Avancen Franz Egons von Fürstenberg beeindruckt und brach offenbar von sich aus zwischenzeit­lich sogar die Korrespondenz ganz ab 936. Allerdings war Franz Egons Rolle in den politischen Planspielen des Wiener Hofes damit nicht erledigt. Im Herbst 1660 hatte Wilderich von Walderdorff – als neuer Reichsvizekanzler und aufgrund seiner Stellen in den Kapiteln von Mainz und Trier ziem­lich gut mit den Verhältnissen in der Germania sacra vertrauter Akteur 937 – den Auftrag, besonders im Kurfürstenkolleg Mög­lichkeiten für eine Translation im habsburgischen Sinne zu sondieren. Zu seinen Ansprechpartnern gehörte auch Franz Egon von Fürstenberg. Allerdings äußerte sich auch Walderdorff – wiederum gegenüber Porcia – nicht besonders optimistisch über Fürstenbergs Kooperationsbereitschaft und Zuverlässigkeit. Dessen Position in puncto Nichtverlängerung der Rheinallianz sei viel uneindeutiger, als er dies selber darstellte. Gegen eine solche Verlängerung habe er sich bestenfalls halbherzig ausgesprochen, außerdem sei er jetzt gerade dabei, das Translationsprojekt des Kaiserhauses zu torpedieren, da nun nicht mehr von der vom Kaiser ausgeschriebenen Regensburger Deputation, sondern von einer solchen Veranstaltung in Nürnberg die Rede sei. Ferner sei seine Haltung nicht besonders vertrauenerweckend, weil man wisse, dass sein Bruder Wilhelm parallel in Paris über dieses Thema verhandele 938. Zu weiteren Patronageleistungen für Fürstenberg äußerte sich Walderdorff daher äußerst zurückhaltend. Immer wieder habe zwar Graf Egon von Fürstenberg begehrt[,] ihme einzuzahlen, was ihm versprochen, Walderdorff aber habe ihn immer wieder abgewiegelt. Er glaube, dass nicht gewiss­lich ist, das er dergestalt sich gegen Franckreich declariret, sodass keine sachen von ihme zu verhoffen seien. Seine Gesamtbeurteilung beider Fürstenberg war entsprechend negativ. Er nannte sie gar gefährlige lüth 939. All dies verhinderte aber nicht, dass Fürstenberg weiterhin Ressourcen für sich einwerben konnte und zumindest temporär immer wieder Situationen herstellte, in denen es mög­lich schien, habsburgische Loyalitäten wieder zu reaktivieren. Die Abtei Stablo-Malmedy ging tatsäch­lich 1660 in seinen Besitz über. Von der habsburgischen Unterstützung bei der Erlangung weiterer Benefizien wird gleich noch die Rede sein. 1664 machte der Kaiser schließ­lich von einem seiner wichtigsten Reservatrechte Gebrauch und erhob das Haus Fürstenberg-Heiligenberg in den Rang von würde sich aber wohl kaum etwas ändern. Vgl. Carlo Caraffa an Rospigliosi, Wien, 20.8.1661, in: Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe I, 717, bzw. Caracena an Philipp IV., Brüssel, 23.3.1661, in: Correspondance la Cour d’Espagne IV, 694. 936 Dies geht aus einem etwas zerknirschten Schreiben Fürstenbergs an Porcia hervor, vgl. Franz Egon von Fürstenberg an Porcia, Brühl, 18.8.1660 (HHStA, KA 143, pars g, fol. 260r). 937 Zur Person Walderdorffs vgl. Jürgensmeier, Walderdorff. 938 Walderdorff an Porcia, Mainz, 10.9.1660 (HHStA, KA 143, pars h, fol. 299r). 939 Walderdorff an Porcia, Mainz, 10.9.1660 (HHStA, KA 143, pars h, fol. 300r).

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Reichsfürsten – eine nicht nur kostenneutrale, sondern auch besonders manifeste Ehre, die zugleich die herausragende Rolle des Kaisers als Gnadenverteiler im Reich unterstrich 940. Allerdings war diese Konstellation wohl nur aufgrund des Funktionierens der fürstenbergischen Doppelstrategie denkbar. Immerhin stieg der Heiligenberger Zweig der Familie jetzt in einen sozial exklusiven Kreis von allerhöchstem Rang auf 941. Das Vorgehen war aber insofern ungewöhn­lich, als Standeserhöhungen seit den 1650er-Jahren gezielt als Mittel gebraucht wurden, um besonders treue Anhänger des Kaisers zu belohnen. Dadurch sollte nicht nur die kaiser­liche Klientel im Reich ausgebaut werden. Ebenso konnten so besonders treue Habsburganhänger auf dem Reichstag die kaiser­liche Position im Fürstenkollegium weiter stützen 942. Diese Motivation kann bei der Standeserhöhung für die Fürstenberg jedoch kaum eine Rolle gespielt haben. Gerade im Fall Fürstenberg bestand auch die Gefahr, durch eine solche Politik innerhalb der eigenen Anhängerschaft Irritationen zu schaffen. Dass die Standeserhöhung als Mittel aktiver Patronagekonkurrenz mit dem prinzipiell meritokratischen Sinn dieser Praxis im Falle der Fürstenberg in Konflikt geraten konnte, zeigten die Beschwerden Friedrich Wilhelms von Brandenburg gegenüber dem kaiser­lichen Gesandten in Berlin Johann von Goess, den er mehrmals cum aliqua indignatione fragte, was den Kaiser nur bewogen habe, für so viel übles, als sie bei aller Gelegenheit […] thun, ihnen solche Gnad zu erweisen 943. Da eine kaiser­liche Dokumentation der Hintergründe dieses Vorganges fehlt, bleibt die Motivation für die Standeserhöhung der Fürstenberg ein nicht eindeutig klärbarer Vorgang 944. Auch wenn die Standeserhöhung keine nachhaltig positiven Konsequenzen für das Verhältnis der Habsburger zu den Fürstenberg hatte, blieben die Öster­ reicher und Spanier offenbar dennoch zunächst dabei, sich als konkurrierende Patrone zu gebärden. Diesbezüg­liche Informationen stammen allerdings vor allem aus Wilhelm von Fürstenbergs franzö­sischer Korrespondenz, weswegen diese 940 Tatsäch­lich hatte Franz Egon bereits 1655 noch unter anderen Vorzeichen dem österreichischen Deputationsgesandten Isaak Volmar gegenüber den Wunsch geäußert, seine Familie für zu erwartende Dienste den Habsburgern gegenüber in den Rang von Reichsfürsten zu erheben. Die Standeserhöhung war also keine völlige Eigeninitiative des Kaisers, sondern nahm ältere Pläne der Fürstenberg wieder auf. Vgl. Steiner, Brüder Fürstenberg, 31. 941 Ob sich durch eben diese herausgehobene Position zugleich Kontroll- und Ein­ dämmungsmög­lichkeiten ergeben sollten, wie Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, 313, vermutet, sei dahingestellt. 942 Press, Stellung, 200 f. 943 Johann von Goess an Leopold I., Berlin, 1.9.1667, in: Urkunden und Actenstücke X, 330. 944 Vgl. auch das Urteil von Klein, Erhebungen, 145.

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Ausführungen wohl mit einem gewissen Vorbehalt zu genießen sind. Im Februar 1666 behauptete Wilhelm etwa, der niederländische Gouverneur Castel-Rodrigo habe ihm selbst das Bistum Gent und seinem Bruder die Kardinalspromotion, eine Gratifikation von 100.000 Livres sowie eine Kommendatarabtei im Königreich Neapel versprochen, wenn wir ein bisschen weniger franzö­sisch sein möchten 945. Ein Jahr später, als sich Fürstenberg nominell als kurkölnischer Gesandter in Wien aufhielt, deutete Lobkowitz ihm gegenüber an, dass ihn auch der Kaiser mit Bistümern im Reich oder gar mit dem Kardinalshut versehen könnte, wobei Lobkowitz auch an die traditionellen Patronagebindungen der Fürstenberg zum Kaiserhaus erinnerte 946. Hieran zeigt sich überdies – vorausgesetzt, Wilhelms Schilderungen geben zumindest den Kern der Sache wahrheitsgemäß wieder –, dass die Habsburger auch Wilhelm von Fürstenberg in ihr Kalkül mit einbezogen. Es ist allerdings schwer zu rekonstruieren, ob gerade in diesen Fällen von habsburgischer Seite überhaupt eine konsistente, einheit­liche Politik betrieben wurde. Leopolds I. Ministerriege war bekannt­lich äußerst heterogen und von zahllosen Rivalitäten untereinander geprägt. 2.4.2.2 Uneindeutige Ressourcen, familiäre Versorgung und klienteläre Strategien Die Fürstenberg wurden nicht zuletzt aufgrund der eben geschilderten Strategien in der älteren Historiografie zumeist als habgierige und verantwortungslose Opportunisten dargestellt 947. Ziel der vorliegenden Studie ist es nicht, derartige Werturteile zugunsten positiverer Einschätzungen zu korrigieren. Vielmehr zieht sie Sinn und Zweck derartiger Urteilstypen in Bezug auf ihren Gegenstand grundsätz­lich in Zweifel. Die mikropolitische Mehrfachstrategie der Fürstenberg muss allerdings sehr wohl in einem breiteren sozialen und politischen Kontext betrachtet werden. In diesem Zusammenhang muss etwa darauf hingewiesen werden, dass die Brüder als Angehörige eines Familienverbandes handelten. Ziem­lich bald versuchten Franz Egon und Wilhelm ihre unmittelbare Verwandtschaft an franzö­sischer Patronage zu beteiligen, vor allem ihren in bayerischen Diensten stehenden Bruder 945 […] si nous voulions être un peu moins français, Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, Lüttich, 24.2.1666 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 510r). 946 […] faire des grâces aussi considérables qu’à quelques de mes parens, Wilhelm von ­Fürstenberg an Lionne, Wien, 24.1.1667 (AMAE, CP, Autriche 23, fol. 176v). 947 „Die Brüder Fürstenberg leitete von Anfang an ein starkes Selbstgefühl, ein verzehrender Ehrgeiz für die eigenen Personen sowohl als auch für ihre ganze Familie, der Wille, jede Gelegenheit und Mög­lichkeit zu ergreifen, um den eigenen Besitz zu vermehren und sich so in die Lage zu versetzen, ein fürst­liches Leben zu führen, um vor allem aber auch politisch aufzusteigen, Ansehen und Macht zu gewinnen“, Braubach, Pakt, 19.

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Hermann Egon, der auch einen Großteil des Heiligenberger Familienbesitzes innehatte. Für ihn baten sie 1657 um die nicht unerheb­liche Summe von 40.000 Livres, die als Ersatz für die wahrschein­lich jetzt ausbleibende Rückzahlung eines doppelt so hohen, angeb­lich von Hermann Egon dem Kaiser gegebenen Kredites deklariert wurde. Da Hermann Egon jedoch angesichts der angeschlagenen Finanzverhältnisse der Heiligenberger wohl kaum zu einem solchen finanziellen Kraftakt in der Lage gewesen sein dürfte, scheint es sich eher um eine Kaschierung der „Gewinnbeteiligung“ Hermann Egons gehandelt haben 948. Die ungewöhn­liche Höhe dieser Summe für jemanden, der der franzö­sischen Reichspolitik zwar geneigt war, jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keinen großen Einfluss am bayerischen Hof ausüben konnte, dürfte sich auch daraus erklären, dass Hermann Egon das eigent­liche Familienoberhaupt der Heiligenberger Linie war, den Großteil des Familienbesitzes innehatte und im Gegensatz zu seinen geist­lichen Brüdern Nachkommen hatte, in deren Versorgung man investieren musste. Die Beteiligung Hermann Egons an franzö­sischen Patronage­ressourcen blieb jedoch zunächst ein unvollendetes Projekt. Vielmehr wurden die Beträge erneut innerhalb der Familie umgelegt. Im April 1658 wünschten die Fürstenberg ausdrück­lich, dass dieses Geld zurückbehalten und für eine mög­liche Kandidatur Franz Egons in Straßburg verwandt würde 949. Ihr Handeln bezog sich auf den gesamten Familienverband, damit aber auch auf an den franzö­sischen Klientelbeziehungen vorübergehend oder gänz­lich unbeteiligte Akteure. Die Kooperation von Familienmitgliedern mit der franzö­sischen Krone scheint sich während der 1650er- und 1660er-Jahre nicht negativ auf die übrigen Mitglieder der Heiligenberger Linie ausgewirkt zu haben. Vor allem der jüngere Bruder Hermann Egon hätte durch Maßnahmen gegen den väter­lichen Besitz, besonders die in den österreichischen Erblanden gelegenen Güter, geschädigt werden können 950. Die Gefahr war vor allem deshalb nicht von der Hand zu weisen, da Hermann Egon nach 1662 am bayerischen Hof massiv an Einfluss gewann und selbst als offener Parteigänger Frankreichs in Erscheinung trat 951. Schädigende Maßnahmen wurden gegen die Fürstenberg jedoch während der 1650erund 1660er-Jahre nie ergriffen. Vielmehr gelang es Hermann Egon beispielsweise offenbar ohne größere Schwierigkeiten, noch im Jahr 1666 am Wiener Hof für die Söhne seines vier Jahre zuvor verstorbenen Bruders Ferdinand Friedrich Apanagen auszuhandeln 952. Seine politisch konträre Position verhinderte also keineswegs die

948 Münch/Fickler, Fürstenberg, Bd. 4, 54. 949 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 17.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 32v). 950 Mazarin an Gramont und Lionne, Sedan, 21.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 123. 951 Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 163 f. 952 Münch/Fickler, Geschichte des Hauses Fürstenberg, Bd. 4, 58.

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Wahrnehmung von Familieninteressen gegenüber den Habsburgern als den traditionellen Patronen der Familie. Auch auf die Karriere des in österreichischen Diensten verbliebenen Bruders Ferdinand Friedrich hatte das Verhalten seiner jüngeren Brüder keinerlei negativen Einfluss. Er blieb auch unter Leopold I. Mitglied im Hofrat und nahm auch weiterhin seinen Rang als kaiser­licher Regimentsoberst ein. Die Ehe mit einer Tochter aus der einflussreichen Familie Schwarzenberg, durch die er auch bedeutende Erbansprüche erwarb, band ihn sogar noch stärker an das Kaiserhaus 953. Dennoch scheint auch er von den fürstenbergischen Mehrfachbindungen mitprofitiert zu haben. Die großzügigen Angebote, die 1657/58 von habsburgischer Seite den F ­ ürstenberg gemacht wurden, berücksichtigten näm­lich auch den ältesten Bruder 954. Aus der Korrespondenz Fürstenbergs mit Porcia geht hervor, dass Franz Egon die Verbindungen zu den Habsburgern auch zu nutzen gedachte, um die ökonomische und soziale Position seines kaisertreuen Bruders in Wien zu verbessern. Im Zuge der Kaiserwahl hinderte ihn die Tatsache, dass er eigent­lich primär an einer auch gegen das Kaiserhaus gerichteten Allianz arbeitete, nicht daran, bei Porcia darauf zu insistieren, dass man seinem Bruder ein heimgefallenes Reichslehen und das nächste frei werdende Gouvernement in den Erblanden überlassen möge 955. 1660 forderte er parallel zu seinen eigenen Interessen an der Abtei Stablo-Malmedy auch, dass Ferdinand Friedrich für seine Verdienste den Habsburgern gegenüber mit dem Orden vom Goldenen Vlies ausgezeichnet würde, wofür sich Porcia in Madrid verwenden sollte 956. Dieser ausschließ­lich fürstenbergische Familieninteressen betreffende Punkt wurde sogar von Franz Egon auf die mit dem Mainzer Sebastian Meel gemeinsam erarbeitete Verhandlungsagenda für die im Frühjahr 1660 virulenten Fragen der Verlegung der Reichsdeputation und der Suspension der Rheinischen Allianz gesetzt 957. Die Strategie der Fürstenberg war also äußerst weitläufig und bezog sich auf die gesamte Familie. Franz Egon konnte sogar versuchen, die durch die Doppelstrategie entstehenden Handlungsspielräume in den Dienst seines ganz und gar dem Kaiserhaus loyalen älteren Bruders zu stellen. Indem er den eigenen Familienverband an seinen Gewinnchancen teilhaben ließ, entsprach Fürstenbergs Verhalten durchaus 953 Münch/Fickler, Geschichte des Hauses Fürstenberg, Bd. 4, 23. 954 Instruktion Leopolds von Ungarn für Graf Öttingen und Isaak Volmar, Prag, 23.6.1657 (HHStA, RK, WKA 18a, pars 2, fol. 86v). 955 „Memorial für Ihrer königl Mayt. Obristhoffmeister Herrn Graff Porcia, wegen herrn Graff Ferdinand Friedrich von Fürstenberg“, Juli 1658 (HHStA, KA 143, pars g, fol. 176v). 956 Franz Egon von Fürstenberg an Porcia, Baden, 21.5.1660 (HHStA, KA 143, pars g, fol. 238r). 957 „Memorial für Ihre kayl Majestät Obristhofmeister Herrn Grafen Porcia nahmens der Churmaintz. und Cölln. gesandtschafft wegen des pasquilannten Johann Augustin Pastoryi um deßen inhaltt und betrachtung“ (HHStA, KA 143, pars g, fol. 246r, 246v).

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den zeitgenös­sischen Normen 958. Die Brüder waren hier also weder Diplomaten, die ihre Kompetenzen in eindeutig korrupter Weise überschritten, noch ausschließ­lich an eigener Gewinnmaximierung orientierte „Einzelspieler“, sondern Akteure, die den Standards einer familistischen Ethik folgten 959. Ein weiterer struktureller Hintergrund, der bei der Analyse der fürstenbergischen Mehrfachstrategien berücksichtigt werden muss, ist die Tatsache, dass es sich bei den hier betroffenen Patronageressourcen oft gar nicht um Güter handelte, über die ein Patron allein voll verfügen konnte. Gerade bei den kirch­lichen Benefizien an der west­lichen Peripherie des Reiches, auf die die Fürstenberg vor allem spekulierten, war zumeist mehr als ein Akteur an ihrer endgültigen Vergabe beteiligt. Dies bringt einen weiteren wichtigen Akteur ins Spiel, der bei den mikropolitischen Interessen von Klerikern und Dienstmännern von Kirchenfürsten nicht vernachlässigt werden darf: die römische Kurie. Das Verhältnis der Kurie zu Frankreich war in den 1650er- und 1660er-Jahren nicht unproblematisch. Mit Alexander VII. saß einmal mehr ein spanienfreund­licher Pontifex auf dem Heiligen Stuhl. Dies hatte auch Auswirkungen auf die päpst­liche Diplomatie und ihr Verhältnis zu Frankreich und seinen Verbündeten und Klienten im Reich. Bereits bei der Kaiserwahl von 1657/58 gerieten Fürstenberg und der Kölner Nuntius Giuseppe de Sanfelice aneinander. Sanfelice warf ihm offen Partei­lichkeit vor und desavouierte die von Fürstenberg vorgeschlagene kurfürst­liche Friedens­ initiative 960. Darüber hinaus betrachtete ihn Sanfelice als notorischen Störenfried, Franzosenfreund und Opportunisten 961. Um allerdings einem seiner mikropolitischen Fernziele, dem Bistum Straßburg, näherzukommen, musste Franz Egon auch die Kooperation mit den Vertretern der Kurie suchen. Dies war mit Sanfelice, der sich dem offen verweigerte, aber nicht zu machen. Franz Egon konnte sich also fast sicher sein, dass er mit einem miserablen Verhältnis zu einem der Nuntien und einer tendenziell frankreichfeind­lichen Kurie als franzö­sischer Klient in Bezug auf die Einwerbung kirch­licher Benefizien nicht viel Gutes zu erwarten hatte. Dies stellte ein gravierendes Problem dar, denn die franzö­sische Krone konnte ihm zwar mehr oder minder aus eigener Kompetenz das Bistum Metz verleihen. Zur Bestätigung des Aktes bedurfte es jedoch immer noch einer päpst­lichen Konfirmation. Da der Weg über den Kölner Nuntius blockiert war, versuchte Fürstenberg den Wiener Hof als Vermittlungsinstanz einzuschalten. 958 Von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 120 f. 959 Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 1, 165, verweist darauf, dass die korrupte Geldgier der Fürstenberg „ein klein wenig gemildert erscheint durch die Vielköpfigkeit der Familie“, und schwächt so das vernichtende Werturteil ein wenig ab. 960 Vgl. dazu die Schilderung des Nuntius in Sanfelice, Diario, 281 f. Vgl. auch Franzen, Franzö­sische Politik, 196 ff. 961 Franzen, Franzö­sische Politik, 197.

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Franz Egon klagte darüber, dass man ihn nicht nur wegen der Demission seines Vorgängers im Domkapitel nicht anerkenne, sondern dass ihm auch die Kurie bei der Konfirmation Schwierigkeiten bereite. Darum bat er Porcia, eine Vermittlung des Wiener Nuntius einzuleiten, und auch darum, selbst bei der Kurie in seinem Namen zu intervenieren 962. 1659 verschärften sich die Spannungen zwischen der Kurie und den geist­lichen Reichsständen noch einmal, wobei wiederum Franz Egon von Fürstenberg im Zentrum stand. Im sogenannten Indultenstreit hatte Alexander VII . die bislang unproblematische Praxis, die deutschen Kirchenfürsten über die Vergabe von Benefizien entscheiden zu lassen, infrage gestellt und so insbesondere die geist­lichen Kurfürsten wie auch die Fürstenberg gegen sich aufgebracht 963. Noch zwei Jahre später beschwerte sich der Nuntius Caraffa in Wien, dass der Kölner Erzbischof, bestimmt unter dem Einfluss Fürstenbergs stehend, skandalöse Ideen und Vorurteile am Heiligen Stuhl vorbringen lasse 964. 1662 spitzte sich zudem das Verhältnis des Allerchrist­lichen Königs zu Rom im Zuge der sogenannten „Korsenaffäre“ krisenhaft zu. Dabei handelte es sich um die Folgen eines Zwischenfalles, der sich im selben Jahr in Rom ereignet hatte. Angehörige der kor­sischen Garde des Papstes hatten den franzö­sischen Gesandten in Rom, den Marquis de Créqui, und sein Gefolge überfallen. Ludwig XIV. nahm den Vorfall zum Anlass, um vom Papst eine manifeste und demütigende Entschuldigung, unter anderem in Form der Errichtung einer monumentalen „Schandpyramide“ in Rom, sowie politische Zugeständnisse an Frankreich in Oberitalien und hinsicht­lich seiner Herrschaftsrechte in den lothringischen Bistümern Metz, Toul und Verdun zu fordern. Da Rom zunächst nicht bereit war, einzulenken, brachen die Beziehungen zwischen Frankreich und der Kurie zwischenzeit­lich völlig ab 965. Der König zog seinen Botschafter aus Rom ab, ebenso wurde der Nuntius aus Frankreich ausgewiesen 966. Das Klima zwischen Frankreich und der Kurie war also denkbar schlecht. Ludwig XIV. gedachte auch, den Konflikt mit dem Papsttum auf Reichsebene fortzusetzen. 1662 projektierte er einen stärkeren Zusammenschluss der gallika­nischen Kirche mit der Reichskirche, was vor allem dazu gedacht war, einen Prestigeerfolg über das Papsttum durch die Proposition eines solchen Projektes auf dem Reichstag

962 „Memorial für Ihrer Kayl. Mt. Obristhofmeister Herrn Grafen von Porcia“, Juli 1658 (HHStA, KA 143, pars g, fol. 172r, 172v). 963 Jürgensmeier, Johann Philipp, 262. 964 […] concetti scandalosi et progiuditali alla S. Sede, Caraffa an Rospigliosi, Wien, 20.8.1661, in: Nuntiaturberichte I, 716. 965 Sonnino, Louis XIV’s View, 29 – 53. Zur sogenannten Korsenaffäre vgl. auch Karsten, „Nepotismum discussurus“. 966 Blet, Les Nonces du Pape, 38.

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zu erringen 967. Vor allem von Kurköln und den Fürstenberg versprach sich der König hierbei Unterstützung, schließ­lich pflegten diese ja ebenfalls ein eher unterkühltes Verhältnis zur Kurie. Daher dachte Caraffa bereits frühzeitig daran, Fürstenberg durch die beschleunigte Konfirmation von Franz Egons Abtei Stablo-Malmedy von einem diesbezüg­lichen Engagement abzubringen 968. 1662 starb Erzherzog Leopold Wilhelm, der auch das Bistum Straßburg und die beiden elsäs­sischen Abteien Murbach und Luders innegehabt hatte. Auf die Vorgänge bei der von Frankreich unterstützten Wahl Franz Egons von Fürstenberg zum Bischof von Straßburg soll im folgenden Teilkapitel genauer eingegangen werden. Das Ergebnis war die einstimmige Wahl Franz Egons von Fürstenberg zum neuen Bischof im Januar 1663. Dies war zunächst eine klare Niederlage für die öster­reichischen Habsburger, die mit Erzherzog Karl Joseph einen eigenen Kandidaten präsentiert hatten. Es war nicht gelungen, nach dem Tod Leopold Wilhelms die überaus reiche und strategisch wichtige Pfründe an ein weiteres Mitglied des Kaiserhauses weiterzugeben. Ebenso schien die Wahl zunächst ein überdeut­liches Zeichen der Frankreichtreue Franz Egons darzustellen. Robert de Gravel behauptete, es müsse schon keine Höf­lichkeit und keine Anerkennung auf der Welt mehr geben, wenn Fürstenberg jetzt nicht eindeutig auf franzö­sischer Seite stehe 969. Gravel sollte sich irren: Weder führte die Wahl Fürstenbergs zum Bischof zum Ende der fürstenbergischen Doppelstrategie noch grenzten sich die Habsburger nach dieser Niederlage von den Fürstenberg in stärkerem Maße ab. Im Gegenteil bemühten sich die Kaiser­lichen offensicht­lich gerade jetzt, beim päpst­lichen Nuntius am Kaiserhof, Carlo Caraffa, die Bischofswahl Franz Egons mit österreichischer Hilfe bei der Kurie konfirmieren zu lassen und die dafür in Rom fälligen Gebühren erheb­lich zu reduzieren. Dies sollte vor allem dazu dienen, dass sich Franz Egon auf dem im selben Jahr einzuberufenden Reichstag nicht allzu offen profranzö­sisch verhielt. Deshalb hielt man es für wichtig, dass es nicht die Franzosen waren, denen Fürstenberg seine Konfirmation verdankte 970. Die Wahl Franz Egons mit franzö­ 967 Zu diesen Plänen vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 30.12.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 563r). Vgl. Sonnino, Louis XIV’s View, 44. 968 […] lo tener sodisfatto con la confermatione dell’abbadia, Caraffa an Rospigliosi, Wien, 11.11.1662, in: Levinson, Nuntiaturberichte I, 742. Dass sich Franz Egon mit Rücksicht auf die noch ausstehende Konfirmation in Stablo bei der Propagierung eines derartigen Projektes wohl zurückhalten würde, sahen allerdings auch die Franzosen als ein Problem, vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 31.12.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 563v). 969 […] plus de politique ni de recognoissance au monde, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 28.1.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 28r). 970 Der Kaiser habe vor, de vederli consolato non meno con la confermatione della chiesa di Argentina, che con la retentione de canonicato e suoi benefitti e con qualche riduttione della

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sischer Hilfe würde damit durch eine Konfirmation mit österreichischer Unterstützung ergänzt und damit die Verleihung der Pfründe Straßburg bis zu einem gewissen Grade „umgewidmet“ werden 971. Die Vertreter der Kurie in Deutschland hatten in diesem Falle also ein ganz ähn­ liches Interesse wie die Habsburger daran, die Frankreichbindung der Fürstenberg zu neutralisieren. In der Tat schien die Vermittlung Caraffas und der Öster­reicher Erfolg gehabt zu haben. Im Juni desselben Jahres berichtete Robert de G ­ ravel, Fürstenberg sei inzwischen von einem zwischenzeit­lichen Aufenthalt in Rom zurückgekehrt, wo es ihm gelungen sei, die Konfirmation seiner Wahl zu erwirken. Zugleich verwies Gravel mit der Bemerkung, dass man erst jetzt, nach der Bestätigung aus Rom, den Beitritt des Bistums Straßburg zur Rheinallianz vorantreiben könne, indirekt darauf, dass die kaiser­lich-kuriale Initiative mit der zwischenzeit­ lichen Blockade dieses Projektes zumindest einen Teilerfolg verbuchen konnte 972. Dass es eine deut­liche Übereinstimmung der Interessen von Kaiser und Kurie in Bezug auf die Fürstenberg und die Abschwächung von deren Frankreichbindung gab, zeigt vor allem eine eng mit der Straßburger Bischofswahl verbundene Episode aus dem Jahr 1664. Seit dem 16. Jahrhundert wurden in aller Regel neu gewählte Bischöfe von Straßburg auch in den beiden im Elsass gelegenen Abteien Murbach und Luders zu Äbten gewählt. Dementsprechend hatte auch Erzherzog Leopold Wilhelm diese Position innegehabt 973. Nach dessen Tod 1662 wollte zunächst ­Wilhelm von Fürstenberg die Abteien übernehmen. Dieses Vorhaben scheiterte aber, denn statt seiner wählten die Mönche überraschend mit Columban von Andlau einen der Ihren zum Abt 974. Zwei Jahre später jedoch richteten offensicht­lich der Nuntius und die Kaiser­lichen im Zusammenspiel ein neues Angebot bezüg­lich der beiden Abteien nunmehr an Franz Egon von Fürstenberg. Man war jetzt bereit, Andlau zum Verzicht zu bewegen und entsprechend zu entschädigen, um dann Franz Egon von Fürstenberg die Abteien zu überlassen 975.

tassa, Carlo Caraffa an Rospigliosi, Wien, 31.3.1663, in: Nuntiaturberichte I, 752 f. 971 Zum Einfluss von Kaiser und Papst auf die tatsäch­liche Einsetzung von Bischöfen im Reich vgl. Schnettger, Bischofswahlen, 216 f. 972 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.6.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 107v). 973 Metz, Provision, 96; Gatrio, Abtei Murbach, 409 f. 974 Wilhelm zeigte sich empört und bezeichnete die freie Abtwahl in Murbach als eklatanten Verstoß gegen das kanonische Recht, vgl. Wilhelm von Fürstenberg an Lionne (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 174r). 975 Gatrio, Abtei Murbach, 410 f., macht deut­lich, dass der Transfer von kaiser­licher Seite angeregt wurde und man zugunsten Franz Egons auf den eigenen Kandidaten, Erzherzog Karl Joseph, verzichtete.

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Auch hinter diesem Vorhaben stand die Absicht, diese Benefizien vor allem als habsburgische bzw. päpst­liche Ressourcen zu transferieren, um den Einfluss der Franzosen auf Fürstenberg einzudämmen. Das Problem, das sich hierbei stellte, war allerdings, dass man angesichts der komplexen territorialen Rechte im Elsass auch die Zustimmung des franzö­sischen Königs benötigte. Diese hatten die Fürstenberg frei­lich selbst zu beschaffen. Auch hier lag es also in der komplexen Natur der einzuwerbenden Ressource, dass verschiedene Patrone gleichzeitig mobilisiert werden mussten. Genau das erwies sich jetzt als Problem, denn der König verweigerte seine Zustimmung 976. Inzwischen befanden sich die Beziehungen zwischen Rom und Paris näm­lich auf einem absoluten Tiefpunkt. Ludwig XIV . verstand das Vorgehen der Kurie gegenüber den Brüdern Fürstenberg von vornherein als Angriff auf seine Reputation und seine Hoheitsrechte. Er glaubte, in dieser Lage keine Zugeständnisse machen zu können, und erklärte es für einen assez signalé préjudice, wenn sich die römische Kurie in seinen Hoheitsgebieten als absolute Oberherrin über die Verteilung zweier Abteien aufspiele 977. Ebenso nahm er die Avancen der Kurie als gezieltes Manöver gegen seine Klientel im Reich wahr. Die Strategie der Kurie bestehe wohl darin, so mutmaßte Ludwig, dass man ihn zwinge, seine Zustimmung zu dem Transfer zu verweigern, so würde sie mich dazu bringen, Diener, die mir im Reich nütz­lich sein könnten, und vielleicht sogar die Zuneigung und die Verbundenheit des Kurfürsten von Köln zu verlieren 978. Die Krone lehnte nicht nur den Transfer der beiden elsäs­sischen Abteien ab. Sie unterstützte auch den Abt Columban von Andlau gegen ihren eigenen Klienten Franz Egon von Fürstenberg. Dies führte sogar zu einem kurzzeitigen Bruch mit den Fürstenberg, die in dieser Situation mit der Partei des Kaisers und des Papstes assoziiert und als Gegenspieler wahrgenommen wurden, gegen die Vorkehrungen zu treffen seien 979. Dieser Konflikt entschärfte sich erst Ende des Jahres, als auch 976 Ludwig XIV. an Franz Egon von Fürstenberg, Paris, 23.5.1664 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 248r). 977 […] maistresse absolue de la collation des deux abbayes, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 22.5.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 284r). 978 […] elle me feroit perdre des serviteurs qui me peuvent estre utiles dans l’empire et peut estre mesme l’affection et l’attachement de l’électeur de Cologne, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 22.5.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 282v). 979 Il ne seroit pas possible à leur ordre de le maintenir dans la possession où il estoit sans l’appuy et la protection du Roi, vu que des trois puissances par lesquelles toute l’Europe estoit gouverné présentement: le Roy, le Pape et l’Empereur […]; ces deux derniers estoient déclarés contre luy en faveur de M. l’evesque de Strasbourg, Charles Colbert an Lionne, Breisach, 25.6.1664 (AMAE, MD, Alsace 20, fol. 213r). Zuvor hatte Colbert Anstalten getroffen, eine mög­liche eigenmächtige Inbesitznahme der Abtei durch Fürstenberg von

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die Querele zwischen der franzö­sischen Krone und dem Papst zugunsten Frankreichs beigelegt wurde und der Nuntius wieder nach Frankreich zurückkehren konnte. Ludwig gestattete jetzt auch die Übergabe der Abteien an Franz Egon von Fürstenberg, betonte jedoch, er sehe dies als großzügige Gabe seinerseits, die er Fürstenberg ausschließ­lich für seine wertvollen Vermittlerdienste beim Kölner Kurfürsten zukommen lasse 980. Ähn­liches lässt sich aber nicht nur bei geist­lichen Benefizien feststellen: So gehörten zum „Ressourcenportfolio“ der Kaiser­lichen unter anderem auch Ämter am Wiener Hof. Von besonderer Bedeutung war dabei der Posten des Reichs­ vizekanzlers 981. Da es sich aber formell nicht um einen Posten in der kaiser­lichen Verwaltung handelte, sondern um ein Amt des Reiches, konnte auch hier nicht ein Akteur alleine über dieses verfügen. Der Kaiser und der Mainzer Kurfürst hatten gemeinsam über die Besetzung der Stelle zu entscheiden 982. Dies führte nach dem Tod des Reichsvizekanzlers Ferdinand Kurtz 1659 zu Konflikten. Johann Philipps Nachfolgekandidat war näm­lich niemand anderer als Johann Christian von B ­ oineburg. Eine Wahl, die die Österreicher nach den Ereignissen der Kaiserwahl und aufgrund der Tatsache, dass sie Boineburg als eindeutig franzö­sischen Klienten ansahen, nicht akzeptieren wollten. Die Angelegenheit ist nicht besonders gut dokumentiert. Es lässt sich aber feststellen, dass ausländische Beobachter am Kaiserhof vermerkten, die Personalie Boineburg sei vom Kaiser mit aller Entschiedenheit und brüsker Unhöf­lichkeit abgelehnt worden. Carlo Caraffa zufolge galt er als Pensionär Frankreichs und dem Kaiserhaus nicht gewogen 983. Johann Philipps Vorschlag sei con termini molto risoluti vom Kaiser abgekanzelt worden. Auch dem Venezianer Nani zufolge hielt man Boineburg für einen offenen und eindeutigen Parteigänger Frankreichs, weswegen er dem Kaiser als abhorrito gelte 984. Nachdem von habsburgischer Seite der für Johann Philipp unannehmbare Isaak Volmar vorgeschlagen worden war, einigten sich Leopold und Johann Philipp schließ­lich auf den Mainzer und Trierer Kapitular Wilderich von Walderdorff 985. Walderdorff war nicht durch Gegnerschaft zu den Habsburgern aufgefallen, besaß aber auch kein profranzö­sisches Profil wie Boineburg, obwohl er als Würzburger

Straßburg aus unbedingt zu verhindern, vgl. Charles Colbert an Lionne, Breisach, 11.6.1664 (AMAE, MD, Alsace 20, fol. 209v). 980 Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 92. 981 Seeliger, Erzkanzler. 982 Vgl. hierzu Seeliger, Erzkanzler, 154 ff. 983 […] pensionario di Francia e mal affetto all’augusta casa, Caraffa an Rospogliosi, Wien, 12.4.1659, in: Nuntiaturberichte I, 672. 984 Nani an den Rat, Wien, 5.4.1659, in: Venetianische Depeschen I, 229. 985 Zur Person Wilderich von Walderdorffs vgl. Jürgensmeier, Walderdorff.

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Gesandter 1644 im Auftrag Johann Philipps eine diplomatische Mission in Paris ausgeführt und dabei franzö­sische Gratifikationen erhalten hatte 986. Mazarin und Robert de Gravel fanden diesen Personalvorschlag hingegen völlig inakzeptabel und sprachen von einer habsburgischen Intrige und davon, dass Walderdorff innerhalb von Tagen zu einer Marionette des spanischen Botschafters Fuente in Wien werden würde 987. Walderdorff wurde aus franzö­sischer Sicht aber auch deswegen zu einem Problemfall, weil er trotz seines Aufstiegs zum Reichs­ vizekanzler und seiner weitergehenden kirch­lichen Karriere, die ihn 1669 schließ­ lich auch zur Übernahme des Bistums Wien führte 988, seine Verbindungen nach Mainz und damit zum Reichserzkanzler beibehielt. Daher wurde er vom Kaiserhof auch des Öfteren, vor allem zu Beginn der 1660er-Jahre, als Unterhändler eingesetzt. Allerdings weichte auch auf franzö­sischer Seite im Laufe der 1660er-Jahre die strikte Ablehnung jedweder Kooperation mit Walderdorff zugunsten einer pragmatischeren Haltung gegenüber dem Reichsvizekanzler auf 989. Johann Christian von Boineburgs Position gegenüber Frankreich und den Habsburgern war im untersuchten Zeitraum beständigen Verschiebungen unterworfen. In den Jahren unmittelbar vor der Kaiserwahl von 1657/58 hatte er sich in relativer Nähe zu den Habsburgern positioniert 990. Durch die Vorgänge auf dem Frankfurter Wahltag fand er sich aber in eine klare Gegnerschaft zu den österreichischen und vor allem den spanischen Habsburgern gedrängt, was seine scheinbar eindeutige Frankreichbindung zunächst festigte. In einem Brief an Philipp Wilhelm von ­Neuburg wenige Wochen nach dem Wahltag berichtete Boineburg, er sei froh, dass er sich nun nicht mehr durch Peñarandas Nachstellungen bedroht fühlen müsse. Zugleich verwies er darauf, dass – im Unterschied zu Franz Egon von Fürstenberg – wegen seiner Unterstützung der franzö­sischen Sache sämt­liche österreichischen und spanischen Zahlungen ausgeblieben seien, und musste konstatieren, es sei für ihn also ein magerer Wahltag gewesen 991. 986 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 299. 987 Mazarin an Robert de Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 281v); Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 6.1.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 9r). 988 Jürgensmeier, Walderdorff, 171. 989 Später, als Walderdorffs Position in Wien immer schwächer wurde, traten Gravel und Walderdorff wieder in Kontakt und begannen einen commerce de lettres, vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.11.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 136v). 990 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 59. 991 Boineburg an Philipp Wilhelm von Neuburg, Frankfurt, 20.8.1658 (BHStA, K. bl. 60/26, fol. 23r). Auf den Zahlungsausfall während des Wahltages wies auch der brandenburgische Gesandte Brandt anläss­lich der Mission Boineburgs und Fürstenbergs 1659 hin: Es seien des Herrn Boineburgs und des Grafen von Fürstenbergs Privatinteressen hierunter

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Boineburgs Frankreichorientierung war jedoch keineswegs so eindeutig, wie sie zunächst schien: Boineburg gab näm­lich seine Spekulation auf den Posten des Reichsvizekanzlers nie ganz auf und sorgte damit immer wieder für Irritationen 992. Gerade zu Beginn des Regensburger Reichstages ab 1663 konkretisierten sich diese Pläne. Zu diesem Zweck näherte er sich auch wieder explizit den Kaiser­lichen an. Er verhandelte nun mit den kaiser­lichen Ministern Auersperg und Porcia auch über den Posten des Reichsvizekanzlers 993. Ende 1663 begannen Gravel und Lionne schließ­lich ernsthaft an seiner Loyalität zu zweifeln. Gravel hatte sich für die Ablösung des an den Reichstag gesandten habsburgfreund­lichen Sebastian Meel stark gemacht und Johann Philipp schließ­lich dazu gebracht, Meel durch Boineburg zu ersetzen 994. Gravels Verhältnis zu Boineburg änderte sich allerdings rasch, als ­Boineburg intensiveren Kontakt zum Kaiserhof suchte. Gravel berichtete nicht nur davon, sondern auch von verschiedenen Verhandlungen Boineburgs mit dem spanischen Unterhändler Spinola y Rojas, bei denen es unter anderem um eine Schutzgarantie für den burgundischen Reichskreis gegangen sein soll 995. Zudem beschuldigte er Boineburg, am Misslingen seiner ersten Audienz beim Kaiser schuld zu sein. Bald wurde Boineburg von den Franzosen fallen gelassen. Man bemühte sich aktiv, seine Diskreditierung in Mainz voranzutreiben 996. In Kombination mit anderen Faktoren setzte dies dann allerdings im Verlauf des Jahres 1664 eine fatale Ereignisspirale in Gang, da Boineburg zugleich in Abwesenheit Opfer einer ganzen Serie von Intrigen am Mainzer Hof wurde 997. Einer der ausschlaggebenden Punkte, der dann zum endgültigen Sturz Boineburgs und seiner Verurteilung führte, war sicher die Tatsache, dass die Franzosen sich ostentativ weigerten, ihn weiter in einer zu betrachten, wobei Boineburg soviel zu erhalten suchet, als er von spanischer Seiten auf einem Brete hätte gezählet nehmen können, wenn er sich auf die franzö­sische Promessen nicht verlassen hätte, Brandt an Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Paris, 5./15.11.1659, in: Urkunden und Actenstücke V, 658 f. 992 Zwischenzeit­lich war sogar von einem Tauschgeschäft zwischen Boineburg und Walder­dorff die Rede; vgl. Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 30.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 237r). 993 Wild, Sturz, 80. 994 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 25.10.1663 (AMAE, CP, Allemagne 155, fol. 150r). 995 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 20r–21v). Der ebenfalls am Reichstag anwesende Wiener Nuntius Carlo Caraffa wollte gar erfahren haben, dass Porcia ihm zusätz­lich die enorme Summe von 12.000 Gulden habe zukommen lassen, vgl. Caraffa an Rospigliosi, Regensburg, 8.1.1664, in: Nuntiaturberichte I, 765. 996 Robert de Gravel an Lionne Regensburg, 17.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 37r); Lionne an Robert de Gravel, Paris, 25.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 71r). 997 Wild, Sturz, 95 f.

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führenden Position am Mainzer Hof zu akzeptieren. Diesmal brauchte jedoch Johann Philipp tatsäch­lich ihre volle Unterstützung, um die Stadt Erfurt einnehmen zu können. Johann Philipp meinte, auf die Wünsche des franzö­sischen Hofes reagieren zu müssen, sodass diesem letzt­lich die finale Entscheidung über Boineburgs Schicksal zukam 998. Aber auch ohne die Intervention Frankreichs war Boineburgs Situation am Mainzer Hof problematisch genug. Sein Sekretär Bertram hatte ein Tagebuch geführt, das zahlreiche Eigenmächtigkeiten und Indiskretionen Boineburgs dokumentierte 999. Dies dürfte Johann Philipp, der anders als etwa Max Heinrich und andere Reichsstände stärker auf die Kontrolle seiner Gesandten setzte, auch zu den drastischen Maßnahmen gegenüber Boineburg motiviert haben 1000. B ­ oineburg verschwand aber nur temporär von der Bildfläche und es waren nicht zuletzt franzö­sische Bemühungen, die mit zu seiner Wiedereinsetzung in die Dienste des ­Mainzer Kurfürsten führten. Gerade die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen des „patron switching“ ­Boineburgs und dem der Fürstenberg verdeut­licht, dass für die Beschreibung des komplexen Phänomens Patronagekonkurrenz Handlungsspielräume für multiple Loyalitäten von Klienten, Beziehungskonstellationen um Netzwerkbindungen herum, also gewissermaßen „Netzwerkumwelten“ in die Analyse mit einbezogen werden müssen. Boineburg verfügte weder auf habsburgischer noch auf franzö­sischer Seite über jene Handlungsspielräume, die den Brüdern Fürstenberg zur Verfügung standen. Boineburg war nicht Teil eines weitverzweigten hochadeligen Familienverbandes, mit dessen Hilfe eine ambivalente Klientelstrategie mög­lich gewesen wäre. Die Fürstenberg konnten sich durch die in verschiedener Form mobilisierbare Ressource Tradition, ihre Familienstrategie und ihre Positionierung in den habsburgischen und franzö­sischen Netzwerken große Handlungsspielräume verschaffen. Der sozial niedriger stehende und weniger weitläufig verflochtene Boineburg, dem keine Familienstrategie zur Verfügung stand, mit der das Setzen ambivalenter Signale mög­lich war, hatte in den 1650er- und 1660er-Jahren seine Handlungsspielräume

998 Ob sich dies indes so eindeutig verhielt, darf allerdings bezweifelt werden. Zumindest kann angenommen werden, dass man zumindest in der Umgebung des Königs kurzzeitig den Überblick über die Angelegenheit verlor und man es ganz Johann Philipp überlassen wollte, ob man Boineburg künftig fallen lassen wolle oder nicht, vgl. ­Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Fontainbleau, 18.7.1664 (AMAE, CP, Allemagne 173, fol. 29v). Man zog sogar in Erwägung, dass man Boineburg seine Pensionen doch noch auszahlen müsse, wenn sich Johann Philipp doch nicht dazu durchringe, Boineburg endgültig vom Hof zu entfernen, vgl. Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Vincennes, 15.8.1664 (AMAE, CP, Allemagne 173, fol. 63v). 999 Wild, Sturz, 88 ff. 1000 Dies hebt Schnettger, Reichsdeputationstag, 55, hervor.

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für das Ausnutzen von Patronagekonkurrenz offensicht­lich schneller und mit drastischeren Konsequenzen ausgereizt als die Brüder Fürstenberg. Bei den Fürstenberg unterschieden sich aber nicht nur Adelsrang und Familien­ konstellation. Sie agierten auch in einem anderen höfischen Umfeld. Boineburg sah sich am Mainzer Hof mit Problemen konfrontiert, die für viele Favoriten von Fürsten charakteristisch waren: Er besaß eine exklusive Vertrauensstellung zum Kurfürsten, war aber selbst nicht nur von vergleichsweise niedriger Abkunft und zugleich auch noch Konvertit. Besonders bei Angehörigen des Domkapitels, einer Adelsgruppe mit traditionellen Ansprüchen auf Herrschaftsbeteiligung, hatte ein Favorit wie Boineburg, der sich zusätz­lich durch angeb­liche Eigenmächtigkeiten beim Kapitel unbeliebt gemacht hatte, einen schweren Stand 1001. Desgleichen hatte Boineburg zwar eine günstlingministerartige Stellung inne, dennoch ließ sich Johann Philipp nicht von seinem Günstling steuern, sodass Konkurrenten und Gegnern des mächtigen Favoriten breite Handlungsspielräume verblieben 1002. In dieser Hinsicht hatten die Fürstenberg weit bessere Karten: Nicht nur war Max Heinrich für sie leichter zu handhaben, auch gab es in Kurköln keine bedeutenden Konkurrenten, mit denen sich die Fürstenberg konfrontiert sahen. Kommunikationsräume für Intrigen entfielen ohnehin weitgehend, da aufgrund des bisweilen einsiedlerartigen Lebensstiles Max Heinrichs von einem höfischen Umfeld in Bonn kaum eine Rede sein konnte 1003. Den einzigen latenten Konkurrenten am Kölner Hof hatten die Fürstenberg in Kanzler Peter Buschmann, den Franz Egon zu Beginn der 1670er-Jahre aus dem Amt beförderte 1004. Davor scheint zwischen Buschmann und den Fürstenberg eine Art Nichtangriffspakt bestanden zu haben. Dass der Konflikt nie offen ausbrach, könnte auch daran gelegen haben, dass die Fürstenberg auch für Buschmann eine franzö­sische Pension eingeworben und ihn so indirekt an den Verflechtungsbeziehungen mit der franzö­sischen Krone beteiligt hatten 1005.

1001 Entsprechende Beschwerden des Domkapitels gegen Boineburg verzeichnet Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 165. 1002 So beklagt Mentz zwar das „Favoritenunwesen“ am Mainzer Hof, betont aber, dass sich der Mainzer Kurfürst nicht von seinen Räten steuern ließ, vgl. Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 265 bzw. 267. 1003 Vgl. hierzu auch Winterling, Hof, 3. 1004 Braubach, Minister, 146 f. 1005 Vgl. hierzu Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 23.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 127r).

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2.4.2.3 Frankreichbindung ohne Zukunft Diese Analyse der Handlungsspielräume von franzö­sischen Klienten bezieht sich allerdings vor allem auf die 1650er- und frühen 1660er-Jahre. Mit dem Ende der 1660er-Jahre gingen die Akzeptanz der fürstenbergischen Mehrfachstrategie und die Politik der habsburgischen Patronagekonkurrenz hingegen allmäh­lich zu Ende. Die Wahrnehmung Wilhelms von Fürstenberg hatte sich im Laufe des Jahres 1667 offenbar eindeutig zum Negativen gewandelt, als der österreichische Gesandte Graf Franz von Wicka seinem Kaiser entschieden davon abriet, sich auf das Angebot des in Paris weilenden Wilhelm von Fürstenberg, zwischen Frankreich und den Habsburgern im Devolutionskrieg zu vermitteln, einzulassen. Vielmehr sei es ratsamer, sich vor seiner Persohn und dergleichen Leuthen vorzusehn alß solche zu employieren 1006. Dieser Meinung schloss sich Leopold an und instruierte Wicka, er solle Fürstenberg nicht allzuvile vertraun und fürsichtig mit Ihme umbgangen. Ebenso verlangte er von Wicka, sich in nichten vel approbandi vel improbandi einzulassen sondern nur passive zu verhalten und in allem dich in defectu instructionis zu endschuldigen 1007. Franz Egon von Fürstenbergs immerhin ambivalente Haltung scheint vonseiten der Kaiser­lichen noch etwas länger als Basis für mög­liche Kooperation aufgefasst worden zu sein. Dies zeigt sich in den Instruktionen für den Hofrat Emmerich von Walderdorff (der Bruder des damaligen Reichsvizekanzlers), der an den Höfen verschiedener Kurfürsten und Fürsten über eine mög­liche Aufstockung der Türkenhilfe verhandeln sollte. In Köln wurde er angewiesen, sich auch der Vermittlung Franz Egons zu bedienen, dessen Vielvermögenheit beim Kölner Kurfürsten der Verhandlungssache wohl zustaten kommen könte 1008. Dass aber auch der Rest zumindest des Heiligenberger Zweiges der Familie nicht mehr mit habsburgischer Patronage bei gleichzeitiger Anlehnung an Frankreich rechnen konnte, zeigte sich zu Beginn der 1670er-Jahre, als Hermann Egon von Fürstenberg einen Erbschaftsstreit unter österreichischer Vermittlung verloren hatte. Ebenso verweigerte man den Heiligenbergern den Kauf der Insel Mainau von der dort ansässigen Deutschordenskommende. Das welt­liche Familienoberhaupt Hermann Egon sei daher mit der kaiser­lichen Patronagepolitik gar ybel zufriden, wie der österreichische Gesandte in München, Königsegg, zu berichten wusste 1009. Auch das, was Wilhelm von Fürstenberg 1671 über seine Stellung am Kaiserhof und die Stimmung im Reich gegenüber den Fürstenberg zu sagen wusste, zeigt sehr 1006 Wicka an Leopold I., Paris, 7.10.1667 (HHStA, Staatskanzlei, StA-F 24, pars 5, fol. 3v). 1007 Leopold I. an Wicka, Wien, 3.11.1667 (HHStA, Staatskanzlei, StA-F 24, pars 5, fol. 46r). 1008 [Instruktion für Emmerich von Walderdorff ], 23.6.1668 (HHStA, RK, Weisungen in das Reich 5, fol. 4v). 1009 Beschreibung des churbayerischen Hofes, ediert in: Doeberl, Bayern und Frankreich, Bd. 2, 9.

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deut­lich, dass die Fürstenberg nicht mehr damit rechnen konnten, von den Habsburgern umworben zu werden. Stattdessen beschwerte sich Fürstenberg über die Komplotte und Intrigen, die die Parteigänger des Hauses Österreich und die Feinde des Königs ohne Unterlass gegen meine Brüder und meine ganze Familie unternehmen 1010. Der Kaiser betreibe nun explizit Patronagepolitik gegen ihn, bei der sogar Freunde und Verwandte gegen seine Interessen mobilisiert würden. So sei den Kölner Kapitularen, ja selbst Verwandten im Reichshofrat, wie dem Grafen Königesegg und ­Froben Maria von Fürstenberg-Meßkirch, nahegelegt worden, sie sollten ihn in nichts unterstützen, was Würden in den Kirchen Kölns oder Straßburgs angeht 1011. Dass jedoch für Wilhelm von Fürstenberg alles noch viel schlimmer kommen sollte und er 1674 wegen Korrup­ tion und Verrat an Kaiser und Reich gefangengesetzt wurde, davon war bereits in der Einleitung die Rede und wird in einem eigenen Kapitel vertieft werden. Hier soll mit einem kurzen Ausblick auf die langfristige Perspektive franzö­sischer und habsburgischer Verflechtung im Alten Reich geschlossen werden. Franzö­sische Patronage war für keine der betroffenen Familien ein zukunftsträchtiges oder gar traditionsbildendes Modell. Dies könnte allerhöchstens mit Abstrichen für die mit den Fürstenberg eng verwandten La Marck gelten. Wilhelms Neffen aus diesem Hause bekamen später auf dessen Initiative hin Kommandos über Regimenter im franzö­sischen Heer 1012. Ebenso erwirkte Wilhelm von Fürstenberg für sie eine Naturalisierung in Frankreich, wobei sie allerdings Angehörige des westfä­lischen Reichsgrafenkollegiums blieben 1013. Auf lange Sicht konsolidierte sich die Stellung der österreichischen Habsburger als Patrone des fürstenbergischen Familienverbandes mit dem Erstarken kaiser­ lichen Einflusses in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nach dem Aussterben der Fürstenberg-Heiligenberg waren die Seitenlinien Meßkirch und Stühlingen im frühen 18. Jahrhundert fester in das habsburgische Klientelsystem im Süden des Reiches integriert als je zuvor 1014. Dass der Name Fürstenberg jemals ein Synonym 1010 […] complots et intrigues que les partisans de la maison d’Austriche et les ennemis du Roy font sans cesse contre mes frères et toute ma famille, Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, Köln, 29.4.1671 (AMAE, CP, Cologne 7, fol. 63v). Wie noch ausführ­licher weiter unten analysiert werden wird, gehörte der Verweis auf die erklärte Gegnerschaft der habsburgischen Seite zu den festen Bestandteilen klientelärer Selbstdarstellungsstrategien. 1011 […] ne favoriser en aucune chose pour les dignitez des eglises de Cologne et de Strasbourg, Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, Köln, 16.6.1671 (AMAE, CP, Cologne 7, fol. 94v); Wilhelm von Fürstenberg an Lionne, Köln, 6.6.1671 (AMAE, CP, Cologne 7, fol. 84r). 1012 Zu den de la Marck als einer solchen Ausnahmeerscheinung vgl. Arndt, Das Niederrheinisch-Westfä­lische Reichsgrafenkollegium, 320 f. 1013 „Naturalisation pour les Comtes de la Marck avec congé de tenir bénéfices et dispenses de résider“, Dezember 1688 (AMAE, CP, Allemagne, Petites Principautés 77, fol. 19r). 1014 Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, 239 – 308.

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für die Kooperation mit dem franzö­sischen „Erbfeind“ war, wollten die Angehörigen des Geschlechtes im 18. Jahrhundert denn auch mög­lichst aus der Familienmemoria getilgt sehen 1015. Die im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wachsende Attraktivität des Kaisers als Patron für kleine und kleinste Reichsstände wirkte auch auf die heterogene Gruppe der Reichsritterschaft und somit auch auf den rheinischen und fränkischen Stiftsadel zurück 1016. Langfristig intensivierten näm­lich auch die Schönborn ihre Bindung an die Habsburger und konnten nicht zuletzt dadurch eine dominante Stellung unter den fränkisch-rheinischen Stifterfamilien mit einem mächtigen und weitverzweigten Klientelsystem erlangen 1017. Auch heirats- und familien­politisch fand eine verstärkte Annäherung des rheinisch-fränkischen Stiftsadels an den erbländischen Hochadel statt 1018. In diesem Fahrwasser erlangte schließ­lich auch Johann Christian von Boineburgs Sohn Philipp Ludwig nicht nur die Position des Reichsvizekanzlers, die seinem Vater verwehrt geblieben war, sondern auch den Titel eines Reichsgrafen 1019. Auch Quirinus Mertz, der als Günstling Lothar Friedrichs von Metternich von den Kaiser­lichen umworben worden war, erhielt nicht nur von den Kaiser­lichen geradezu in letzter Minute, zwei Tage vor dem Tod „seines“ Kurfürsten und einzigen Förderers, einen Adelstitel, mit dem er sich nunmehr stolz Dr. Quirinus Mertz von Quirnheim nennen durfte. Auch gelang es später seinem Sohn Dr. Johann Wilhelm Mertz, am Wiener Hof Karriere zu machen 1020. Während sich franzö­sische Patronage in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht dauerhaft etablieren konnte, stand die habsburgische Konkurrenz im Zuge der Festigung der Stellung des Kaisers gegenüber den Reichsständen bis weit ins 18. Jahrhundert hinein gefestigter als je zuvor da. 2.4.3 Die geist­lichen Staaten und ihre mikropolitische Eigenlogik Ein weiteres wichtiges Feld franzö­sischer Patronagepolitik waren Wahlangelegenheiten in den geist­lichen Staaten des Alten Reiches. Sie sollen Gegenstand des folgenden Teilkapitels sein. Eine umfassende Untersuchung über franzö­sische Wahlbeeinflussung in geist­ lichen Staaten und franzö­sische „Reichskirchenpolitik“ in der Frühen Neuzeit ist 1015 Mauerer, „Egoniden“. 1016 Sutter, Kaisertreue. 1017 Schröcker, Patronage des Lothar Franz von Schönborn; Schraut, Haus Schönborn, 139 – 161. 1018 Duhamelle, Héritage, 158 f. 1019 Brodbeck, Philipp Wilhelm zu Boineburg. 1020 Schreiber, Leibniz, 31.

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bislang ein Forschungsdesiderat geblieben 1021. Dass dieses auch im Rahmen der vorliegenden Studie nicht behoben werden kann, versteht sich von selbst. Genauer untersucht wurde ledig­lich ein spektakuläres und überaus folgenreiches geist­liches Wahlprojekt, an dem einer der Protagonisten der vorliegenden Studie an zentraler Stelle beteiligt war: Es handelte sich um den Versuch, Wilhelm von F ­ ürstenberg 1689 kurz nach dem Tod Max Heinrichs von Köln zum Erzbischof und Kurfürsten wählen zu lassen. Die Wahl liegt außerhalb des in der Studie abgehandelten Zeitraumes und wird hier nicht eigens noch einmal abgehandelt 1022. Im hier untersuchten Zeitraum waren geist­liche Wahlen kein unwichtiger Gegenstand einer Klientelpolitik, deren wichtigste Akteure in geist­lichen Staaten angesiedelt waren. Besonders die Fürstenberg hatten gleich zu Beginn der mit Frankreich aufgenommenen Beziehungen deut­lich gemacht, dass geist­liche Benefizien und dafür notwendige Wahlhilfen zu jenen Leistungen gehörten, die sie sich von der Bindung an die franzö­sische Krone versprachen. Dazu gehörte für sie auch die Erlangung des Bistums Straßburg 1023. Allerdings waren die Mög­lichkeiten der franzö­sischen Krone hier begrenzt. Unabhängig von ihren im Westfä­lischen Frieden gewonnenen Herrschaftsrechten im Elsass wählte weiterhin das Domkapitel, das ausschließ­lich mit hohen Adeligen aus dem Reich besetzt war, den Straßburger Bischof 1024. Nach dem Tod Leopold Wilhelms unterstützte die Krone Fürstenberg als aussichtsreichen und mit Abstrichen profranzö­sischen Kandidaten gegen den habsburgischen Erzherzog Karl Joseph, der die habsburgische Sukzession im Bistum sicherstellen sollte. Zwar konnte die franzö­sische Administration im Elsass dabei vor allem jene Kapitulare, die vor Ort begütert waren, unter Druck setzen. Ebenso dürfte die Einrichtung eines franzö­sischen Fonds von mehr als 28.000 Livres der Wahl Fürstenbergs nicht gerade geschadet haben 1025. Um aber Kontrolle über das Bistum erlangen und damit die franzö­sischen Herrschaftsrechte im Elsass ausbauen zu können, bedurfte es der Mobilisierung von Beziehungsnetzen im Reich. Nur so konnte auf das mit extraterritorialen Entscheidungsträgern besetzte Kapitel wahlentscheidender Einfluss ausgeübt werden. Einer der wichtigsten Impulse für die Wahl Franz Egons war die Tatsache, dass Wilhelm von Fürstenberg, der rastlos für 1021 Auf dieses Desiderat weist Sinkoli, Bischofswahl von Osnabrück, 40, im Rahmen einer eigenen Fallstudie zur Osnabrücker Bischofswahl 1698 hin. Neben den im Folgenden zitierten Fallstudien kann für die 1680er-Jahre ledig­lich noch der kleine Aufsatz von Wunder, Konstanzer Bischofswahl 1689, zitiert werden. 1022 Die Kölner Wahl von 1689 ist en détail vor allem von O’Connor, Negotiator, untersucht worden. Vgl. auch Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 421 ff. 1023 Das stipulierte ja das Abkommen der Brüder mit der franzö­sischen Krone, vgl. ­Braubach, Pakt, 30. 1024 Vgl. Metz, Monarchie française, 167. 1025 Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 31.12.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 568r).

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die Wahl seines Bruders gearbeitet hatte, am Mainzer Hof Boineburg und den Kurfürsten veranlassen konnte, dem im Straßburger Kapitel sitzenden Grafen Truchsess nahezulegen, seine Stimme Franz Egon von Fürstenberg zu geben, obwohl sie dem zunächst nicht allzu wohlwollend gegenüberstanden 1026. Als innerfranzö­sische Angelegenheit war die Gewinnung der wichtigsten Kirchen­pfründe des Elsass für die Franzosen also nicht zu handhaben. Politischer Druck und finanzielle Zuwendungen waren noch keine ausreichenden Mittel. Die Bischofswahl ließ sich nicht einfach durch Geld und Patronageversprechen kaufen. Es bedurfte explizit der Tätigkeit Wilhelms von Fürstenberg als Beziehungsmakler im Reich. Die Wahlhilfe für Franz Egon zeigt aber auch, welch eminente Bedeutung der Zugriff auf Klientelbeziehungen und auf weitverzweigte Beziehungsnetze hatte, die in diesem Falle das fürstenbergische Wahlprojekt sicherten. Allerdings dürften gerade hier auch im Reich verbreitete Vorbehalte gegen die habsburgische Kirchenpolitik und die Befürchtung, das Bistum könne sich in eine habsburgische Erbpfründe zur Versorgung von Erzherzögen aus der zweiten Reihe verwandeln und die Wahlfreiheit der Kapitulare könne eingeschränkt werden, eine Rolle gespielt haben 1027. Bischofswahlen im Alten Reich gelten in der Geschichtsschreibung geradezu als Musterbeispiele von exzessiver Korruption oder, um in der Terminologie verfahrensspezifischer Devianz zu bleiben, von „Simonie“. Hubert Wolf etwa schildert die im Alten Reich gängigen Begleitumstände geist­licher Wahlen mit barocker Farbigkeit. Neben barem Geld bot man Kapitularen „Schmuck, Juwelen und Gold für deren Damen, scheute […] sich nicht[,] die Mätresse einzuschalten. Man habe alles „aufgeboten, um einen Domkapitular zu bestechen“1028. Diese Schilderung bedarf jedoch der Differenzierung. Zwar dürften spirituelle oder mora­lische Qualitäten eines Kandidaten selten entscheidende Kriterien für dessen Wahl gewesen sein. Unstreitig ist auch, dass hier Geld und andere Ressourcen flossen. Frag­lich ist aber, ob gerade dies tatsäch­lich ausschlaggebend war. Silvia Schraut hat davon gesprochen, dass bei der Besetzung von Bistümern im Alten Reich verschiedene „Teilmärkte“ existierten. Die Marktmetaphorik verweist hier gerade nicht auf Käuf­lichkeit und freie Verfügbarkeit, sondern eher darauf, dass die meisten Domkapitel von ständisch exklusiven 1026 […] quoyqu’ils ne fussent trop favorables auparavant, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 21.12.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 376v). Zu den Grafen von Truchsess im Klientelnetz der Schönborn vgl. Schröcker, Patronage, 85. Die Bedeutung weitreichender Klientelbeziehungen für die Reichskirchenpolitik der Schönborn hat auch Karsten, Familienglanz, hervorgehoben. Zu der eminenten Bedeutung von Verflechtungsbeziehungen für das Wahlverhalten in deutschen Domkapiteln im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit vgl. Fouquet, Das Speyerer Domkapitel, 203 ff. 1027 Vgl. hierzu auch Schnettger, Bischofswahlen, 251. 1028 Wolf, Simonie, 104 f.

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Adelsgruppen besetzt waren, die sich die Kapitularsstellen gegenseitig zugäng­lich machten 1029. Es gab zum einen Kapitel, in denen hochadelige Gruppen dominierten und die auch überregionale Anziehungskraft ausübten. Dies war etwa in Köln und Straßburg der Fall, wo die Fürstenberg eine angestammte Präsenz hatten. Zum anderen gab es solche, in denen niederadelige Akteure zumeist aus einer überschaubaren Zahl von in einer Region ansässigen, überwiegend reichsritterschaft­lichen Familien dominierten. Diese sicherten sich einen exklusiven Zugang zu Kapitularsstellen und damit natür­lich auch zu Bischofsämtern. Dies war etwa in den nordwestdeutschen, süddeutschen, vor allem aber den rheinisch-fränkischen Bistümern der Fall 1030. Zum „Teilmarkt“ dieser rheinisch-fränkischen Bistümer gehörten auch die aufgrund der Kurstimmen eminent wichtigen Erzbistümer Mainz und Trier. Christophe Duhamelle hat in einer umfassenden Studie zum rheinisch-­ fränkischen Stiftsadel gezeigt, dass die zentrale Ressource für Macht- und Einflussbeziehungen, wie sie sich vor allem in der Besetzungspolitik der Kapitel niederschlugen, verwandtschaft­liche Verflechtung unter den einzelnen Familien bzw. deren Verdichtung zu „Allianzfeldern“ war 1031. Diese Beziehungen wurden zumeist durch eine ausgeklügelte Heiratspolitik geknüpft, wobei aufgrund des relativ beschränkten, nur zögernd erweiterten Kreises der heirats- und „allianzfähigen“ Familien Verflechtungsbeziehungen in alle Richtungen bestanden. Vor allem signifikante Verdichtungen durch Heiraten zwischen verschiedenen Familien waren die Konsti­ tuenten eines solchen Allianzfeldes 1032. Es war daher für auswärtige Akteure bzw. deren Gesandte häufig nicht einfach, Wahlen innerhalb dieser von verwandtschaft­ licher Verflechtung geprägten Kapitel durch Bestechungszahlungen oder Patronageleistungen zu beeinflussen. Erschwerend kam für die franzö­sische Seite die Protektionspolitik gegenüber Kurtrier während des Dreißigjährigen Krieges hinzu. Der wichtigste Verbündete Frankreichs im Reich, der letzten Endes auch den Vorwand für das Eingreifen Frankreichs in den Dreißigjährigen Krieg geliefert hatte, war der Trierer Erz­bischof ­Philipp Christoph von Sötern 1033. Sötern hatte jedoch innerhalb der Gruppe rheinisch-­ fränkischer Stiftsfamilien eine Außenseiterposition inne und war nur unzureichend in solche Allianzfelder integriert 1034. Diese relative Isolation dürfte dazu beigetragen haben, dass Sötern enger als die meisten Kirchenfürsten vor und nach ihm mit 1029 Schraut, Bischofswahl. Vgl. zur Personalstruktur der Domapitel des frühneuzeit­lichen Reiches die umfangreiche Studie Hersche, Domkapitel. 1030 Braun/Göttmann, Der geist­liche Staat, 82. 1031 Duhamelle, L’Héritage collectif, 98 f. 1032 Duhamelle, Héritage, 112 ff. 1033 Weber, Frankreich und Kurtrier. Umfassend zur politischen Biografie Söterns vgl. vor allem Baur, Sötern. 1034 Duhamelle, Héritage, 89.

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der franzö­sischen Krone verbunden war 1035. Ebenso trug Sötern dazu bei, dass seine Außenseiterposition in einen offenen Konflikt umschlug, indem er zahllose Güter konfiszierte und dem eigenen, im Vergleich zu den etablierten Familien eher bescheidenen Familienvermögen zuschlug 1036. Die so entstandene Missstimmung gegen Sötern eskalierte schließ­lich in einer vom Domkapitel boykottierten Koadjutorwahl. Kandidat Söterns und der Franzosen war dabei der für die spätere franzö­sische Klien­ telpolitik zumindest zeitweise unumgäng­liche Philipp Ludwig von Reiffenberg 1037. Die Empörung über dessen Wahl mündete schließ­lich in geradezu bürgerkriegs­ artige Zustände, die bis zum Tode Christoph Philipp von Söterns anhielten 1038. Die wichtigsten Gegner Söterns waren vor allem die aufs Engste in einem Allianzfeld verflochtenen Familien von der Leyen und Metternich 1039, wobei Letztere wiederum gerade in den 1650er-Jahren in verdichtete verwandtschaft­liche Beziehungen mit den Schönborn traten 1040. Zwar konnten in den 1650er- und 1660er-Jahren die ­Schönborn sowie auch Lothar Friedrich von Metternich in franzö­sische Klientelpolitik mit einbezogen werden. Generell allerdings war die Verbindung Frankreichs und Philipp von Söterns eine Hypothek für franzö­sische Klientelpolitik unter den rheinischen Stiftsfamilien. Insbesondere das Verhältnis zu Kurtrier und zum Kurfürsten Karl Kaspar von der Leyen blieb durch die Allianz Frankreichs mit Sötern nachhaltig getrübt. Noch unmittelbar vor Ausbruch des Niederländischen Krieges 1672 konstatierte etwa der franzö­sische Gesandte Feucquières während seiner Mission, die von der Leyen seien Feinde des verstorbenen Kurfürsten Zetteren [sic!], an den die Erinnerung hier verhasst ist, was zweifellos dazu beigetragen hat, diesen ganzen Hof an die Seite der Österreicher zu treiben 1041. Dass Feucquières die Konsequenzen aus dem Fall Sötern zugleich auf die Kaiser­ treue Triers bezog, ist allerdings symptomatisch für die Sicht franzö­sischer Diplomaten auf die geist­lichen Staaten des Alten Reiches. Sicher betrieb Kurtrier unter Karl Kaspar von der Leyen eine relativ kaisernahe Politik. Dieses jedoch als Folge 1035 Das wirkte sich sogar familienpolitisch aus, da er sich während seiner Amtszeit mit dem lothringischen Gouverneur Marolles verschwägerte, vgl. Pillorget, La France et l’électorat de Trèves, 10. 1036 Baur, Sötern, Bd. 2, 377 ff. 1037 Wild, Reiffenberg, 182 f. 1038 Baur, Sötern, Bd. 2, 331 – 349. 1039 Sötern hatte 1648 von der Leyen, Metternich und Eltz zu „Feinden der Landschaft“ erklären lassen, vgl. Baur, Sötern, Bd. 1, 272 f. 1040 Lehnen, Karl Kasper von der Leyen. Zur engen Bindung beider Familien vgl. D ­ uhamelle, Heritage, 169 f. 1041 Ils estoient ennemis du défunt électeur Zetteren, dont la mémoire est ici odieuse, ce que sans doute a contribué à jeter toute cette Cour à côté de l’Autriche, Feucquières an Ludwig XIV., Koblenz, 20.5.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 58v).

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unbedingter Kaisertreue zu sehen, greift zu kurz 1042. Auch in der hier vor allem thema­tisierten Personalpolitik hatte der Kaiser im 17. Jahrhundert auf die Entscheidungsprozesse selbst nicht mehr Einfluss als jeder andere von außen eingreifende Akteur. Zwar hatte bei jedem Wahlvorgang eine kaiser­liche Wahlgesandtschaft ein formales, konsultatives Votum, was vor allem im 18. Jahrhundert im Rahmen eines inzwischen stark formalisierten Verfahrens zur symbo­lischen Inszenierung der Oberhoheit des Kaisers über die Germania sacra genutzt wurde 1043. Deren Votum begleitete jedoch die Wahl eher und wurde meistens erst abgegeben, wenn die Wahlentscheidung unter den Beteiligten schon längst ausgehandelt worden war 1044. Der Ausgang der meisten geist­lichen Wahlen im Alten Reich lässt sich nicht auf den Einfluss mächtiger äußerer Akteure herunterbrechen. Das gilt auch für die Fälle, wo sie im Spannungsfeld des habsburgisch-bourbonischen Konfliktes stattfanden. Schon in den 1970er-Jahren hat René Pillorget für eine umfassende Analyse der Beziehungen von Stiftsadeligen plädiert, um mikro- und makropolitisches Handeln in geist­lichen Staaten zu erklären, ohne externen Faktoren wie dem habsburgischfranzö­sischen Gegensatz zu starkes Gewicht zu geben 1045. Gerade diese bipolare Sichtweise blieb jedoch für die franzö­sische Politik in den geist­lichen Staaten im untersuchten Zeitraum prägend. Als 1661 aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes Johann Philipps eine baldige Neuwahl des Erzbischofs wahrschein­lich wurde, erstellte Robert de Gravel ein Gutachten über die mög­lichen Kandidaten. Bereits damals entschied man sich für Lothar Friedrich von Metternich als bevorzugten franzö­sischen Kandidaten. Dieser könne, obwohl er als Metternich prinzipiell habsburgtreu sei, durch verschiedene Mittel, insbesondere durch franzö­sische Zugeständnisse in Bezug auf die Festung Philippsburg, an Frankreich gebunden werden 1046. Bei Gravels Analyse der Machtverhältnisse im Domkapitel fällt auf, dass der personalen Verflechtung der Domherren untereinander und den daraus hervorgehenden mikropolitischen Folgen nur eine untergeordnete Rolle beigemessen wird. Stattdessen werden die vier mög­lichen Kandidaten Wolfgang Heinrich von M ­ etternich, dessen Bruder Lothar Friedrich von Metternich, Wilderich von ­Walderdorff und Philipp Ludwig von Reiffenberg zunächst daraufhin analysiert, welches Verhältnis sie zur Krone bzw. zu den Habsburgern pflegen. Wolfgang Heinrich von ­Metternich etwa ist in der Sicht des Memorandums ein eingefleischter, nicht kompromiss­fähiger

1042 Lehnen, Beiträge, 14. 1043 Christ, Praesentia Regis. 1044 Schraut, Bischofswahl, 120. 1045 Pillorget, Louis XIV and the Electorate of Trier, 116. 1046 Vgl. zur recht­lichen Besonderheit der an Frankreich verpfändeten Festung Philippsburg Livet, Intendance, 153 ff.

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Habsburgfreund und würde daher wohl von den Kaiser­lichen unterstützt werden. Sollten sie aber zu dem Schluss kommen, dass er kein mehrheitsfähiger Kandidat ist, würden sie Walderdorff oder aber allen Vorbehalten zum Trotz eben doch Lothar Friedrich favorisieren 1047. Lothar Friedrich von Metternich hingegen, so argumentiert das Memorandum habe eine solide profranzö­sische Disposition. Vor allem aber stehe fest, dass, wenn der Kaiserhof seinen Bruder favorisiere, die Kaiser­lichen vermut­lich alles in ihrer Macht Stehende gegen ihn unternehmen würden. Allein schon deswegen, so antizipiert die Denkschrift, werde der S ­ peyerer Bischof höchstwahrschein­lich selbst um die Unterstützung Frankreichs bitten 1048. Hier wurde dem zu erwartenden Wahlvorgang also gewissermaßen eine habsburgisch-bourbonische Konfliktlogik übergestülpt. Die „Kampfkandidatur“ eines habsburgischen gegen einen franzö­ sischen Kandidaten wurde für eine sehr wahrschein­liche Option gehalten. Dass dies, sieht man vom Beispiel Triers in den 1640er-Jahren einmal ab, in einem durch umfassende verwandtschaft­liche Solidaritäten und Allianzfelder strukturierten Umfeld eher unwahrschein­lich war, wurde in die Überlegungen nicht mit einbezogen. Im Gegenteil hielt man es sogar für denkbar, dass die Brüder Metternich mit franzö­sischer bzw. habsburgischer Unterstützung im Rücken gegeneinander antraten. Die Bedeutung familialer Solidaritäten und planvoller Familienstrategien wurde zugunsten des Einflusses äußerer Faktoren konsequent unterschätzt 1049. Dies wurde deut­lich, als es unter bereits veränderten Umständen tatsäch­ lich zur Wahl Lothar Friedrichs von Metternich zum Koadjutor im Jahre 1670 kam 1050. Inzwischen hatten sich näm­lich die Beziehungen Frankreichs zu Lothar ­Friedrich von Metternich signifikant verdichtet. In einem 1663 geschlossenen Abkommen waren Lothar Friedrich bereits eine franzö­sische für eine Wahl zum Koadjutor gegeben sowie finanzielle Hilfen zugesagt worden 1051. Dieses Abkommen blieb allerdings geheim, um das Verhältnis zu den Schönborn nicht zu gefährden. Johann Philipp hatte jedoch im Laufe der 1660er-Jahre selbst Pläne geschmiedet, um seine eigene Nachfolge zu regeln. Diese schlossen eine Koadjutorwahl seines Neffen Franz Georg von Schönborn ein, was jedoch vor allem auf franzö­sischer

1047 Projet sur l’élection qui se pourroit faire dans le Chapitre de Mayence [1661] (AMAE, CP, Mayence 4, fol. 275v). 1048 Projet sur l’élection qui se pourroit faire dans le Chapitre de Mayence [1661] (AMAE, CP, Mayence 4, fol. 275v). 1049 Dass franzö­sische Gesandte für verwandtschaft­liche Solidaritäten bei solchen Wahlvorgängen im 18. Jahrhundert wesent­lich sensibler waren, deutet Dohna, Domkapitel von Trier, 58, an. 1050 Zu dieser Wahl vgl. vor allem Braubach, Koadjutorwahl; Jürgensmeier, Johann Philipp, 311 ff.; Christ, Lothar Friedrich, 17 ff. 1051 Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 15.10.1668 (AMAE, CP, Mayence 9, fol. 252r).

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Seite auf offene Ablehnung stieß 1052. Vorentscheidend für die Tragfähigkeit des schönbornschen Projektes und die Unterstützung des Kapitels, die hierfür notwendig war, sollte die Wahl des Domkustos 1668 sein. Das Ergebnis, die Wahl Ingelheims, sprach aus franzö­sischer Sicht klar gegen die Partei Schönborns. Jacques de Gravel feierte dies als einen Triumph franzö­sischer Klientelpolitik 1053. Ebenso erklärten sich beide Gravel die zunehmende Entfremdung der gesamten Familie ­Schönborn von der franzö­sischen Krone mit deren Einflussnahme auf das Domkapitel 1054. Die Ansicht aber, dass es sich hierbei um eine konfliktträchtige und zwischen den Metternich und den Schönborn umstrittene Wahl gehandelt habe, bei der die Franzosen entscheidenden Einfluss gehabt hätten, ist in der Forschungsliteratur zu Recht bestritten worden 1055. Zwei Jahre später wurde dann tatsäch­lich ein Koadjutor gewählt. Zur Wahl standen zunächst Lothar Friedrich von Metternich, Franz Georg von Schönborn sowie Wilderich von Walderdorff. Wiederum beschrieb Gravel die Wahl als eine Spannungs- und Konfliktsituation. Eine eigenständige habsburgische Partei gab es hier allerdings nicht, denn die kaiser­liche Unterstützung für Wilderich von Walderdorff blieb aus 1056. Auch die Annahme, die Brüder Wolfgang Heinrich und Lothar Friedrich von Metternich könnten ihre habsburgische bzw. franzö­sische Klientelzugehörigkeit über die familienstrategische Relevanz des Koadjutorieprojektes stellen, erwies sich als völlig abwegig. Vielmehr schienen die Metternich ihre unterschied­lichen Ausrichtungen nun familienstrategisch zu nutzen. Wolf gang Heinrich von Metternich versuchte, über seine Korrespondenz mit dem kaiser­ lichen General Marques de Grana den Kaiserhof von der Habsburgtreue seines Bruders zu überzeugen 1057, nicht zuletzt, um eine kaiser­liche Unterstützung für Walderdorffs Kandidatur zu verhindern. Die Strategie der Metternich ging auf: Nicht nur unterstützte die kaiser­liche Wahlgesandtschaft Metternich. Auch nach Lothar Friedrichs Herrschaftsantritt 1673 sahen die Kaiser­lichen im neuen Kurfürsten zunächst keinen Frankreichanhänger. Vielmehr spielte der Kaiser selbst auf 1052 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 21.4.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 263r). 1053 Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 3.9.1668 (AMAE, CP, Mayence 9, fol. 248r); Jürgensmeier, Johann Philipp, 309, weist dagegen darauf hin, dass eine solche Perspektive verdeckt, dass der kaisertreue Ingelheim aus franzö­sischer Sicht eigent­lich keine besonders gute Wahl war. 1054 Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 4.11.1668 (AMAE, CP, Mayence 9, fol. 266v). 1055 Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, 306. 1056 Braubach, Koadjutorwahl, 73; Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, 313. 1057 Metternich an Grana, Mainz, 17.11.1670 (HHStA, KA 148, pars 1, fol. 232v); Metter­ nich an Grana, Mainz, 28.11.1670 (HHStA, KA 148, pars 1, fol. 249r); Metternich an Grana, Mainz, 8.12.1670 (HHStA, KA 148, pars 1, fol. 260r).

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die traditionelle Bindung der Metternich vor allem an die spanischen Habsburger an, die diese seiner Meinung nach nun kapitalisieren sollten. Der neue Kurfürst sei näm­lich einer von Metternich […] jezo wär Zeit, dass Spanien ihne cultiviren thäte 1058. Während der habsburgisch-bourbonische Konflikt hier keine mikropolitische Relevanz hatte, beobachtete Gravel aber schon seit 1668 eine krisenhafte Zuspitzung des Konfliktes zwischen den Schönborn und den Metternich. Die wichtigste Stütze für Metternichs Projekte sei daher, so schloss Gravel, nunmehr die franzö­ sische Krone 1059. Diese Perspektive war jedoch eine sehr einseitige. Sie sah näm­ lich über Verflechtungsbeziehungen in den geist­lichen Staaten und die durch sie entstehenden Handlungsspielräume konsequent hinweg. Ein unüberbrückbarer Konflikt zwischen den Schönborn und den Metternich bestand näm­lich zu keinem Zeitpunkt. Gerade in den 1650er- und 1660er-Jahren waren auch die Schönborn durch Mehrfachheiraten in verdichtete Beziehungen mit den Metternich getreten 1060. Das heißt nicht, dass die beiden Familien über die Wahl eines Koadjutors nicht in Gegensatz zueinander geraten konnten. Allerdings hatte die Tatsache, dass es hier Allianzfelder mit spezifischen Heiratsverdichtungen und generell unter den Stifts­ adeligen ubiquitäre Verwandtschaftsverhältnisse gab, besondere Konsequenzen für die Struktur und den Austrag solcher Konflikte. Allianzfelder stifteten nicht nur Solidaritäten, sie sorgten auch für die Deeskalation und Abmilderung von Konflikten, etwa durch familienstrategische Arrangements, die zugleich das Verteilungsgleichgewicht innerhalb der gesamten Adelsgruppe berücksichtigen sollten 1061. Dies deutet beispielsweise der Bericht des kurmainzischen Sekretärs Bertram über seine Erinnerungen an die Ereignisse am Mainzer Hof seit dem Herrschaftsantritt Johann Philipps an. Nachdem die Wahl Metternichs unvermeid­lich geworden sei, habe sich Schönborn entschlossen, den Loth. Frid. zum Coadjutor zu machen, umb denselben pro protectione suae familiae zu gewinnen 1062. Verdichtete Allianzfelder wie jenes zwischen den Schönborn und den Metternich schienen den Familien die Mög­lichkeit der Moderation von Konflikten und der Aushandlung von langfristig wirksamen familienstrategischen Kompromissen zu geben. Die Verteilung von 1058 Leopold I. an Pötting, Wien, 22.2.1673, in: Privatbriefe II, 302. 1059 Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 15.10.1668 (AMAE, CP, Mayence 9, fol. 254r). 1060 Jürgensmeier, Johann Philipp, 307; Duhamelle, Héritage, 170. 1061 „Le jeu des factions est donc à la fois structuré, motivé et relativisé par les relations familiales. Les figures de l’alliance, par le jeu des réciprocités et des circulations qu’elles incarnent, contribuent au premier chef à cet équlibre général“, Duhamelle, Héritage, 173. Dies scheint auch die vom rheinisch-fränkischen Niederadel beherrschten Stifter wesent­lich von der römischen Wahlmonarchie und dem Strukturphänomen der „postpontifikalen Krise“ zu unterscheiden, die zu einem regelhaften Konflikt zwischen der Familie des Papstes und jener seines Vorgängers führte. 1062 Wysocki, Denkschrift über den Mainzer Hof, 169.

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Ressourcen musste unter diesen Bedingungen also gar nicht im Modus des Konfliktes, den die Franzosen unterstellten, stattfinden, sondern konnte zwischen den untereinander verflochtenen Familienverbänden konsequent ausgehandelt werden. Franzö­sische Patronage war unter diesen Bedingungen also sicher nicht das für die Wahl Metternichs ausschlaggebende Moment. Im Gegenteil: Unter den Bedingungen eines denkbar breiten Konsenses für Metternich hatte Jacques de Gravel sogar Schwierigkeiten, seinen eigenen distinkten mikropolitischen Beitrag überhaupt noch darstellen zu können. Er lief sogar Gefahr, auf den letzten Metern vor der Wahl Lothar Friedrichs aus der unwahrschein­lichen Koalition von dessen schönbornschen, franzö­sischen und habsburgischen Unterstützern gedrängt zu werden. Gerüchte zirkulierten, die franzö­sische Krone habe längst beschlossen, sich von Lothar Friedrich abzuwenden und eine Gegenpartei aufzubauen, sodass Jacques de Gravel in der entscheidenden Phase den Zugang zu Lothar Friedrich zu verlieren drohte 1063. Eine gewisse Grundlage hatten diese Behauptungen darin, dass Gravel tatsäch­lich im Laufe des Jahres 1670 mit Johann Hugo von Eltz eine potenzielle Alternative zu Metternich sondiert hatte. Eltz wurde zwar nie als Mainzer, dafür aber später als Trierer Koadjutorkandidat in Erwägung gezogen 1064. Besagte Trierer Koadjutorwahl war ein Projekt, das sich unmittelbar an die Mainzer Wahl anschloss. Ende 1670 bereitete sich näm­lich auch Karl Kaspar von der Leyen auf die Wahl eines Koadjutors vor. Von der Leyens Wunschkandidat war sein Neffe Johann Hugo von Orsbeck 1065. Da die Fronten zwischen Frankreich und von der Leyen inzwischen massiv verhärtet waren, arbeiteten die Franzosen auf eine andere Lösung hin. Sie versuchten, Johann Hugo von Eltz als mög­lichst frankreichfreund­lichen Koadjutor zu installieren. Auch hier wurden die franzö­sischen Diplomaten mit der mikropolitischen Eigenlogik von Personalentscheidungen in den geist­lichen Staaten konfrontiert. Jacques de Gravel bemühte sich, in Mainz bzw. Würzburg bei den auch im Trierer Kapitel vertretenen Kapitularen Unterstützung für Eltz zu mobilisieren. Gerade bei Lothar Friedrich von Metternich als gegenüber Frankreich vermeint­lich verpf­lichtetem, frischgebackenem Koadjutor stießen ­Gravels Pläne jedoch auf offene Ablehnung 1066. Zwar versicherte sein Kanzler 1063 L’un des chanoines m’a dit que M. de Mayence sçachant qu’ils venoient disner chez moy, il a fait appeller ce matin tous ceux de son parti pour les exhorter à tenir ferme pour M. l’évesque de Spire dans la crainte à ce que led. Chanoine croyoit que je ne leur fisse quelques propositions en faveur d’un autre, Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 6.12.1670 (AMAE, CP, Mayence 10, fol. 386r). Ähn­lich: Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 16.12.1670 (AMAE, CP, Mayence 10, fol. 387r). 1064 Vgl. Braubach, Koadjutorwahl, 70. 1065 Zur Person Orsbecks vgl. Schorn, Orsbeck. 1066 Ce prince ne s’est jamais caché de la volonté, qu’il avoit de servir l’Él. de Trèves en cette affaire, tant par ce que il y estoit engagé depuis long temps, qu’à cause des avantages, qui en renvoient

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

­ uirinus Mertz, dass man bedauere, Gravel in dieser Sache nicht weiterhelfen zu Q können. Man werde aber in jeder anderen Angelegenheit den franzö­sischen König vollauf unterstützen 1067. Die schon angesprochenen verwandtschaft­lichen Bindungen der von der Leyen und der Metternich und die die daraus hervorgehenden Solidaritäten machten es unmög­lich, Metternich gegen eine Koadjutorwahl im Sinne von der Leyens zu mobilisieren. Mikropolitische Vorgänge in den vom rheinisch-­ fränkischen Stiftsadel dominierten Domkapiteln ließen sich nicht durch Einflüsse von außen entgegen verwandtschaft­lichen Solidaritäten manipulieren. Ähn­liche Schwierigkeiten ergaben sich überraschenderweise auch mit einem alten Bekannten, der inzwischen wieder Teil der franzö­sischen Klientel war: Johann Christian von Boineburg. 1668 hatte ihn Johann Philipp von Schönborn an den Mainzer Hof zurückgeholt, wo er zwar zunächst nicht wieder in seine Ämter eingesetzt wurde, jedoch seinen Kredit bei Johann Philipp wiederherstellen konnte 1068. Gravel und Wilhelm von Fürstenberg waren an seiner Wiedereinsetzung nicht völlig unbeteiligt. Allerdings hatte sich Boineburgs Status bereits im Jahr seiner Rückkehr an den Mainzer Hof signifikant verändert: Seit 1668 war er näm­lich mit dem Mainzer Erzbischof verschwägert! Trotz oder gerade wegen stark endogamer Tendenzen suchten die rheinisch-fränkischen Stiftsfamilien ihre familienpolitischen Mög­lichkeiten durch Heiraten „nach oben“ und „nach unten“ zu erweitern 1069. Dazu dienten auch Verbindungen mit weniger bedeutenden niederadeligen Familien, wie eben den – aus eher zweifelhaftem hes­sischem Adel stammenden – Boineburg 1070. Johann Christians Tochter Sophie heiratete Melchior Friedrich von Schönborn 1071. Zwar hatte Boineburg in der Frage der Mainzer Koadjutorwahl Metternich, vor allem aber Jacques de Gravel versichern lassen, dass er weiter zu seinen bereits 1663 gemachten Zusagen für eine Unterstützung Metternichs stehe und dass die neue Verbindung, zu der seine Zustimmung zu geben ihn seine Reputation verpf­lichtet habe, ihn nicht dazu gebracht habe, auch neue Interessen zu heiraten 1072. Zur Probe aufs E ­ xempel à toute sa famille, Jacques de Gravel an Louvois, Würzburg, 10.10.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 98r). 1067 Jacques de Gravel an Lionne, Würzburg, 21.3.1671 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 329v). 1068 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 276. 1069 Zur Variation der endogamen Heiratsstrategien seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vgl. Duhamelle, Héritage, 151 f. 1070 Boineburg stammte aus einem bürger­lichen Geschlecht mit einer bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden hes­sischen Diensttradition, vgl. von Lehsten, Reichstagsgesandte, 314. Den Adelstitel führte Boineburg lange Zeit aus eigenem Recht, in die hes­sische Ritterschaft wurde er erst 1663 offiziell aufgenommen, vgl. ebd., 71. 1071 Schraut, Haus Schönborn, 99. 1072 […] la nouvelle alliance à laquelle sa réputation l’avoit obligé de donner les mains ne luy avoit pas fait espouser de nouveaux interestz, Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 15.10.1668

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für diese Behauptung kam es aufgrund des ausgebliebenen Konfliktes zwischen Schönborn und Metternich letzt­lich aber nicht mehr. Boineburg hatte noch eine weitere Tochter, Charlotte, mit dem ebenfalls aus einer Stiftsadelsfamilie stammenden Freiherrn Johann Friedrich von Orsbeck verheiratet 1073. Boineburgs neue verwandtschaft­liche Bindungen führten allerdings dazu, dass auch er in die Solidaritäten, die zwischen den führenden Familien von der Leyen, Metternich und Schönborn bestanden, mit einbezogen wurde. Zwar war er später bereit, in franzö­sischem Auftrag Karl Kaspar von der Leyen entschieden von einem Anschluss der Kurfürsten an die Tripelallianz abzuraten 1074. Dass er sich gegen seinen jetzigen Schwager Johann Friedrich von Orsbeck, den Bruder Johann Hugos, stellen und sich für das eltzsche Wahlprojekt aussprechen würde, erwartete allerdings nicht einmal mehr Jacques de Gravel 1075. Dem franzö­sischen Gesandten wurde bald klar, dass es wohl kaum mög­lich wäre, mit Eltz einen frankreichfreund­ lichen Koadjutor zu installieren. Er riet dem König in der Folge explizit davon ab, sich weiter gegen die inzwischen ziem­lich einvernehm­liche Stimmung im Kapitel für Orsbeck zu stellen. Der König laufe vielmehr Gefahr, seine Reputation durch wenig sinnvolle Opposition gegen eine bereits im Voraus entschiedene Wahl aufs Spiel zu setzen 1076. So wurde schließ­lich Johann Hugo von Orsbeck einstimmig vom Trierer Domkapitel zum Koadjutor gewählt 1077. Auch wenn Wahlen in den geist­lichen Staaten des Heiligen Römischen ­Reiches nach von äußeren Einflüssen größtenteils unabhängigen mikropolitischen Mechanismen entschieden wurden, ließen sich diese Prozesse nicht völlig von externen Faktoren abkoppeln. Es gab verschiedenste Gründe für Domkapitulare mit Wahl­ ambitionen, mit auswärtigen Gesandten zu kooperieren. Bereits im vorangegangenen Teilkapitel ist darauf verwiesen worden, dass es sich bei geist­lichen Benefizien im Kontext des Reiches nicht um „einfache“ Ressourcen handelte, über die ein Patron allein verfügen konnte. Ein mikropolitischer Kompromiss in einer wahlberechtigten Akteursgruppe war näm­lich aufgrund des kostspieligen römischen Konfirmationsprozesses in einigen Fällen buchstäb­lich nur die „halbe Miete“. Im Fall der Wahl Metternichs ist es daher nicht abwegig, zu vermuten, dass die aus dem mit

(AMAE, CP, Mayence 9, fol. 253r). 1073 Schorn, Orsbeck, 14. Vgl. auch Pillorget, Jean-Hugues d’Orsbeck. 1074 Mentz, Johann Philipp, Bd. 2, 277. 1075 Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Straßburg, 27.12.1670 (AMAE, CP, Mayence 10, fol. 409v). 1076 Dies versuchte Gravel in einer längeren Depesche seinem Dienstherren zu erklären, vgl. Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Würzburg, 15.1.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 135r). 1077 Schorn, Orsbeck, 18.

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

der franzö­sischen Krone geschlossenen Vertrag zu gewärtigenden Gelder in dieses Verfahren investiert werden sollten 1078. Das binäre Konfliktschema Habsburg – Bourbon wurde zwar insbesondere von den franzö­sischen Diplomaten massiv überschätzt. Es konnte aber von den Kapitularen oder ihren Fürsprechern in ihre Selbstdarstellungsstrategien mit einbezogen werden, um für eigene personalpolitische Anliegen bei den Vertretern der großen Mächte zu werben. Exemplarisch dafür soll im Folgenden eine Mitteilung der schönbornschen Partei an den Kaiserhof vor der Wahl des damaligen Würzburger Bischofs Johann Philipp von Schönborn zum Mainzer Erzbischof im Jahr 1647 stehen. Johann Philipps Gesandter Wilderich von Walderdorff schrieb nach Wien, Schönborn sei entschlossen, so zu handeln, dass man spüren sole, das man […] daß subiect welches gut frantzö­sische gülte […] omnibus viribus zu hindern entschlossen were. Ganz im Gegensatz zu dem hier angesprochenen Philipp Ludwig von Reiffenberg sei sich Schönborn darüber im Klaren, dass er als künftiger Erzkanzler dem kayser unter die arme greifen und seine reflexion auf die conservation völig richten muß undt derselbige als manus dextra nothwendig guth keysrisch sein müßte 1079. Hier konnten die Akteure in den geist­lichen Staaten in strategischer Absicht dem Dualismus zwischen den europäischen Dynastien eine Bedeutung zuweisen, die er in dieser Form für sie zumeist nicht hatte. Insgesamt lässt sich zeigen, dass die Beziehungen der franzö­sischen Krone im Alten Reich sehr wechselhaft und instabil waren. Dies hatte verschiedene politische Ursachen: Erstens gab es einen Konflikt zwischen den makropolitischen Interessenlagen der franzö­sischen Krone und der mit ihnen verbündeten Kurfürsten und Fürsten. Diese waren nicht immer völlig zur Deckung zu bringen. Regelmäßig gerieten hier makropolitische fürst­liche Interessen, aber auch die patronageförmigen Loyalitäten der Fürstendiener gegenüber ihren Herren mit den Interessen der Krone in Konflikt. Klienten wie die Fürstenberg und Boineburg verstanden sich primär als Fürstendiener und konnten sich aus franzö­sischer Sicht entweder offen deviant verhalten oder nach spezifischen Ausweichstrategien suchen. Zweitens sind Patronagekonkurrenz und andere externe mikropolitische Faktoren zu nennen: So machte sich die Tatsache bemerkbar, dass das Alte Reich über eine monarchische Spitze mit enormen mikropolitischen Ressourcen verfügte. Dies wirkte auch auf andere mikropolitische Beziehungen zurück. Obwohl 1078 So etwa Jürgensmeier, Johann Philipp, 314. 1079 Walderdorff an Ferdinand III., Münster, 12.11.1647 (HHStA, RK, GWA Moguntia 3, fol. 94r). Zu dieser Positionierung Johann Philipps im Vorfeld der Wahl vgl. Loewe, Frankreich, 186 f.

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die Habsburger in den Jahrzehnten unmittelbar nach dem Westfä­lischen Frieden von dem direkten Einfluss auf kleinere Reichsstände, den sie Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausüben sollten, noch relativ weit entfernt waren, so kamen ihnen doch zwei strukturelle Bedingungen entgegen, die wiederum negativ auf franzö­sische Patronagebeziehungen zurückwirken konnten: zum einen die Anciennität von traditionellen Patronagebindungen. Diese schufen Mög­ lichkeiten der Überlagerung von Dienstverhältnissen und auswärtigen Klientelbindungen, dienten im Falle makropolitischer Konflikte aber auch als rhetorisches Muster für die Begründung von Dissens. Zum anderen stand den Kaiser­lichen aber auch ein reichsoberhauptspezifisches Ressourcenportfolio zur Verfügung, das eben nicht nur die Verleihung von Geldern und Gütern ermög­lichte, sondern auch Standeserhöhungen und prestigeträchtige Stellen am Kaiserhof, etwa die Position des Reichsvizekanzlers, enthielt. Die so entstehenden Mög­lichkeiten von konkurrierender Patronage und ihrer Nutzung durch Akteure wie die Brüder Fürstenberg können allerdings nicht gänz­ lich auf individuelle Nutzenmaximierung reduziert werden. Gerade an kirch­lichen Benefizien wird deut­lich, dass sie auf einer Vielzahl von Verfügungs- und Verteilungsrechten beruhten, sodass in manchen Fällen die Orientierung an mehreren Patronen geradezu strukturnotwendig war. Ebenso lässt sich am Beispiel der Fürstenberg zeigen, dass diese im Rahmen einer familistischen Ethik agierten und sich darum bemühten, Ressourcen für den gesamten Familienverband einzuwerben, wobei selbst uneingeschränkt habsburgtreue Verwandte von den durch Mehrfach­ strategien bei anderen Patronen wie der franzö­sischen Krone eingeworbenen Ressourcen profitieren sollten. Zu jenen Ressourcen, die Klienten Handlungsspielräume für mehrfachstrategisches Handeln verschaffen konnten, gehörten aber auch erweiterte Bindungen an Netzwerke, sowie aus sozialem Rang und politischem „standing“ hervorgehende Ressourcen. Drittens fallen hier die mikropolitischen Eigenlogiken der geist­lichen Staaten des Alten Reiches ins Gewicht. Insbesondere bei Wahlvorgängen zeigte sich, dass der Dualismus zwischen Habsburg und Bourbon, nach dem franzö­sische Diplomaten auch mikropolitische Konflikte interpretierten, Personalentscheidungen innerhalb der geist­lichen Staaten nur sehr eingeschränkt strukturierte. Mikropolitisches Handeln orientierte sich hier stark an den Allianzkonstellationen verschiedener Familien, die höchstens indirekt auf makropolitische Parteibildung verwiesen. Die verdichteten Allianzfelder ermög­lichten es auch, Verteilungskonflikte im Rahmen derartiger Solidaritäten etwa durch längerfristige Familienstrategien zu entschärfen. So interpretierten die franzö­sischen Diplomaten offensicht­lich wesent­lich mehr Konflikt zwischen den Metternich und den Schönborn in die Frage einer Koadjutorschaft hinein, als tatsäch­lich vorhanden war. Während solche durch verdichtete Verwandtschaftsbeziehungen geschaffenen Allianzfelder klienteläre Loyalitäten stellenweise explizit aushebelten, konnten Akteure in den geist­lichen Staaten aber

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Akteure, Netzwerke und Konflikte

auch gegenüber fremden Gesandten bewusst und in strategischer Absicht Wahlangelegenheiten in makropolitische Konflitkschemata einordnen und so aktiv irreführende Wahrnehmungen befördern. Die Analyse asymmetrischer Außenbeziehungen, vor allem aber die Untersuchung grenzüberschreitender Patronagebeziehungen hat verdeut­licht, dass die franzö­sische Krone im Reich über äußerst instabile und unsichere Beziehungen verfügte. Viele Kurfürsten und Fürsten des Reiches waren, sieht man von Subsidienleistungen ab, über eine Allianz mit Frankreich verbunden, deren gemeinsame politische Grundlage zunehmend schwand und schließ­lich zerbrach. Klienten der Krone balancierten zwischen verschiedensten Loyalitäten und Bindungen oder verfolgten ihre eigene mikro- und makropolitische Agenda. Franzö­sischen Diplomaten war es somit zwar gelungen, ein dichtes Netz personaler Beziehungen im Heiligen Römischen Reich zu knüpfen. Angesichts multipler Loyalitäten blieb es jedoch bisweilen frag­lich, was sie von ihren Klienten erwarten konnten. Der Einfluss franzö­sischer Patronage und die Handlungsspielräume, die diese Bindungen für die franzö­sische Reichspolitik eröffneten, sind schwer eindeutig zu bestimmen. Darauf hat auch die jüngere Forschung zur Geschichte des Reiches in den Jahrzehnten nach dem Westfä­lischen Frieden immer wieder hingewiesen 1080. War die Bildung einer aus Fürsten und Fürstendienern bestehenden franzö­sischen Klientel im Heiligen Römischen Reich also (vielleicht von dem Fall Wilhelm von F ­ ürstenberg abgesehen) vor allem ein teurer Fehlschlag? Wie immer man darüber aus der Perspektive des Historikers urteilen mag: Die franzö­sischen Diplomaten und ihre Prinzipale betrachteten ihre Versuche, eine franzö­sische Klientel im Reich zu formen, über den Großteil des hier untersuchten Zeitraumes hinweg keineswegs als scheiterndes bzw. fehlgeschlagenes Unterfangen. Sie sahen die Gruppe der amis et serviteurs du Roy trotz aller Irritationen als zuverlässig genug an, um immer wieder auf ihre Dienste und ihre Unterstützung zurückzugreifen und sie auf einem hohen Niveau, etwa als Gesandte, in den service du Roy einzubinden. Warum und unter welchen Bedingungen konnten die franzö­ sischen Gesandten und ihre Prinzipale aber der Meinung sein, dass sie trotz aller abweichenden Loyalitäten und opportunistischen Mehrfachstrategien ihrer Klienten über funktionierende grenzüberschreitende Patronagebeziehungen verfügten, die der franzö­sischen Reichspolitik wichtige Dienste leisten konnte? 1080 Winfried Dotzauer zählt zwar den Aufbau einer franzö­sischen Klientel im Reich zu den wichtigsten Grundlinien franzö­sischer Reichspolitik nach 1648, stellt allerdings fest, dieser Prozess sei disparat und kaum kontinuier­lich verlaufen, vgl. Dotzauer, Macht, 336. Anton Schindling streitet die Existenz einer franzö­sischen Klientel im Reich weitgehend ab, vgl. Schindling, Reichstag, 235, Anm. 3. Matthias Schnettger hält franzö­sische Klientelbildung nach 1648 im Reich für im Wesent­lichen „auf Sand gebaut“, vgl. Schnettger, Reichsdeputationstag, 352.

Multiple Loyalitäten und Patronagekonkurrenz

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An dieser Stelle gelangt die Studie zu einer ihrer hauptsäch­lichen Problemstellungen: Wie ist Vertrauen in derart unsicheren und hochgradig instabilen Beziehungen, wie sie in diesem ersten Hauptteil beschrieben wurden, überhaupt mög­lich? Zur Beantwortung dieser Frage müssen einerseits die sprach­lichen und symbo­lischen Mittel untersucht werden, anhand derer sich „vertrauensgebende“ und „vertrauens­ nehmende“ Akteure ihrer Kooperationsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit versicherten, andererseits jene, derer sich die „Vertrauensgeber“, also franzö­sische Gesandte und ihre Prinzipale, bedienten, um sich über die Rechtfertigung von Vertrauen und die Funktionalität von Patron-Klient-Beziehungen zu verständigen.

3. Vertrauen als Kommunikationsereignis

3.1 „Verwaltetes Vertrauen“ und die personale Struktur frühneuzeit­licher Außenbeziehungen 3.1.1 Der Vertrauensbegriff „Vertrauen“ ist eine ebenso zentrale wie unterforschte Ressource in v­ ormodernen Patronagebeziehungen. In der Einleitung ist der Vertrauensbegriff mit Georg S ­ immel „als die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“1081 definiert worden. Vertrauen ist nach dieser Definition wesent­lich mit der Erwartung an das Verhalten anderer verknüpft, das selbst wieder handlungsbegründend ist. Aber auf welche Grundlage lassen sich solche Erwartungen stellen? Hierfür lassen sich verschiedene Aspekte benennen: Heinrich Popitz zufolge braucht jede Gesellschaft Vertrauen in erwartbare Verhaltensregelmäßigkeiten ihrer Mitglieder, um zukünftiges soziales Handeln zu ermög­lichen. Dies können aber nicht irgendwelche beliebigen Erwartungen sein, sondern solche, die auf bestimmten verbind­lichen Verhaltensnormen gründen, und die daher „desiderativ erwartet“ werden. Die soziale Funktion von Vertrauen stützt sich dabei auf die Erwartung an die Einhaltung gesellschaft­licher Normen 1082. Solchen normenzentrierten Zugängen entgegengesetzt sind rationalistische Definitionen von Vertrauen, deren prominenteste von James Coleman stammt. Ihr zufolge kann Vertrauen als eine Art Wette auf reziprokes Verhalten beschrieben werden. Ein rational handelnder Akteur sollte diese dann „abschließen“, „wenn die Chance zu gewinnen relativ zu der Chance zu verlieren größer ist, als das Ausmaß des Verlustes (falls er verliert) relativ zum Ausmaß des Gewinns (falls er gewinnt)“1083. Vertrauen ist hier vor allem das Ergebnis einer ratio­ nalen Kosten-Nutzen-Rechnung. Auch im Rahmen wirtschaftswissenschaft­licher 1081 Simmel, Soziologie, 393 f. 1082 Popitz, Verhaltensorientierung, 76 ff. 1083 Coleman, Grundlagen, 125. Vgl. in diesem Sinne auch die konsensuale Minimaldefinition von Vertrauen als „a particular level of the subjective probability with which an Individual assesses that another agent or group of agents will perform a particular action, both before he can monitor such action (or independently of his capacity ever to be able to monitor is) and in context in which it affects his own action. When we say we trust someone or that someone is trustworthy, we implicitly mean the probability that we will perform an action that is beneficial or at least not detrimental to us

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Vertrauen als Kommunikationsereignis

Ansätze ist Vertrauen etwa als „kalkulatorisches Vertrauen“ beschrieben worden, mit dem ökonomische Akteure agieren können 1084. Vertrauen gilt hier vor allem als Faktor, der wirtschaft­liche Beziehungen in angemessener Zeit und vor allem zu vertretbaren „Transaktionskosten“, die bei jeder ökonomischen Beziehung anfallen, ermög­licht, etwa dergestalt, dass er eine aufwändige umfassenden Erhebung von Informationen über mög­liche Geschäftspartner unnötig macht. Andererseits bedarf ein solches Vertrauen aber gerade einer Fundierung in informellen, durch soziale Normen organisierten Strukturen 1085. Soziale Handlungsfähigkeit durch die Koordination von Erwartungen macht auch Niklas Luhmann in seiner zuerst 1968 erschienenen kurzen Monographie „Vertrauen“ zur Grundlage einer Begriffsbestimmung. Vertrauen erlaubt nach L ­ uhmann soziale Komplexität zu reduzieren und generiert damit erst die Handlungsfähigkeit von Akteuren bzw. Systemen 1086. In Abgrenzung zu alltagssprach­lichen Verwendungsweisen des Begriffes koppelt Luhmann den Vertrauensbegriff an die Frage, wie und wann vertrauensvolles Handeln, trotz des Vorhandenseins von Risiken, die der Vertrauende mit diesem Handeln eingeht, als sinnvoll erachtet werden kann 1087. In diesem rational kalkulatorischen Aspekt und was die Bedeutung von risikobereitem Vertrauen betrifft, liegen auch gewisse Familienähn­lichkeiten zwischen rationalistischen und systemtheoretischen Ansätzen 1088. Vertrauen muss bei Luhmann als eine Disposition verstanden werden, die unauflösbar zwischen Glauben und Wissen steht. Sichere Informationen über den Anderen kann es nicht geben. Der Vertrauensgeber kann ledig­lich Anhaltspunkte ausmachen, die Vertrauen seinerseits rechtfertigen können oder nicht. Vertrauen muss also unsichere Informationen „überziehen“ und als zureichend gesichert annehmen können. Als Ersatz für sichere Informationen stützt sich Vertrauen auf die Kontrolle durch „ein grob vereinfachtes Gerüst von Indizien, die nach Art einer Rückkoppelungsschleife laufend Informationen darüber zurückmelden, ob die Fortsetzung des Vertrauens gerechtfertigt ist oder nicht“1089. Es stützt sich dabei auf „symbo­lische Implikationen“ bestimmte Codes, die Kontrollmechanismen ermög­lichen. Personen, denen man vertraut, verfügen zugleich über einen gewissen „Kredit, in dessen Rahmen auch is high enough for us to consider engaging in some form of cooperation with him, bei Gambetta, Can we trust, 217. 1084 Ripperger, Ökonomik des Vertrauens. 1085 Arrow, Limits of Organization, 23. Zur Anwendung derartiger neo-institutionalistischer Annahmen in einer geschichtswissenschaft­lichen Fallstudie, vgl. Gorißen, Preis des Vertrauens. 1086 Luhmann, Vertrauen, 25. 1087 Ders. Vertrautheit, 144 ff. 1088 In diesem Sinne analysiert sie auch Preisendörfer, Vertrauen als soziologische Kategorie. 1089 Luhmann, Vertrauen, 31.

„Verwaltetes Vertrauen“

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ungünstige Erfahrungen zurechtinterpretiert oder absorbiert werden können“1090. Die Rede von der „Reduktion sozialer Komplexität“ durch Vertrauen bedeutet nicht, dass die vertrauensgebenden Akteure von der Infragestellung und Neubegründung von Vertrauen enthoben wären. Die „Rationalität“ solcher Urteile beschränkt sich dabei allerdings selbst. Im „Vertrauensmodus“ werden näm­lich solche Analysen vorwiegend in einem Rahmen vorgenommen, in dem sich die Interpretationsfreiheit beschränkt, Misstrauen suspendiert, und bevorzugt vertrauens­begünstigende Urteile abgegeben werden Die Interpretationsbedürftigkeit von sozialem Handeln verschwindet keineswegs mit dem Vertrauen. Allerdings werden die Interpretationen von den Erwartungen her vorgenommen und agieren in dieser Weise selektiv 1091. Dies schafft wiederum Spielräume für die Akzeptanz von ambivalentem oder gar abweichendem Handeln von „Vertrauensnehmern“. Ein solches Vertrauen schafft wesent­lich weitere Handlungsspielräume als dies aufgrund eines fragileren, normativ aufgeladenen Vertrauens mög­lich wäre 1092. Allerdings kann dies sinnvollerweise nur in einem Rahmen geschehen, der zugleich über klare, individuell definierte „Schwellen“, die das Handeln eines Akteurs nicht überschreiten darf, begrenzt wird 1093. Vertrauensgeber müssen also erkennen können, wenn Grenzen der erwartbaren Abweichungen überschritten werden Wie lassen sich diese eher abstrakten Bestimmungen konkretisieren? Im Folgenden sollen anhand einer Analyse der franzö­sischen diplomatischen Korrespondenz zum einen jene „symbo­lischen Implikationen“ in den Blick genommen werden, anhand derer Annahmen und Prognosen über das Verhalten von Vertrauensnehmern gemacht wurden, zum anderen soll danach gefragt werden, wie die Vertrauensgeber das ­Setzen eigener Vertrauenssignale reflektierten. Eng damit verbunden soll auch gezeigt werden, unter welchen Bedingungen, anhand welcher symbo­lischer Praktiken und mit welchen sprach­lichen Mitteln in der Korrespondenz abweichendes, potentiell Misstrauen erregendes Verhalten von Akteuren so beobachtet werden konnte, dass es innerhalb des eingeräumten „Kreditrahmens“ verarbeitet und ein Umschlagen in Misstrauen verhindert werden konnte. Schließ­lich wird auch der Stellenwert und die Funktion von Vertrauensschwellen als Kontrollmechanismus für Vertrauensbeziehungen in den Blick genommen werden. Vertrauen kann dabei im Sinne des in der Einleitung skizzierten kulturgeschicht­ lichen Ansatzes auch als symbo­lische und diskursive Praxis beschrieben werden. In der Einleitung war bereits die Rede davon gewesen, dass politisches Vertrauen in der Frühen Neuzeit meist mit personalem Vertrauen gegenüber einzelnen Akteuren identisch war. Zugleich konnte gezeigt werden, dass Fürstenbeziehungen zwischen 1090 Ebd. 1091 So vor allem Möllering, Nature of Trust, 415 f. 1092 Luhmann, Vertrauen, 87. 1093 Ebd., 81.

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personalen und auf Kollektivakteure bezogenen Rahmen hin-und herschwankten. Eindeutig personal ausgerichtete grenzüberschreitende Patronagebeziehungen folgten den Entwicklungen des politischen Klientelismus innerhalb Frankreichs, insofern, als dass sie immer stärker auf die Krone ausgerichtet wurden. Dies führte dazu, dass solche Netzwerkbindungen nicht mehr von den Gesandten vor Ort, sondern durch Akteure am franzö­sischen Hof, d. h. den Günstlingminister bzw. dessen Nachfolgern im Außensstaatssekretariat, getragen wurden. Patronagebeziehungen konnten so zum Gegenstand einer zentral geführten Außenpolitik werden. Ob und unter welchen Bedingungen Vertrauen in personale Akteure mög­lich war, wie die eigene Vertrauensfähigkeit nach außen vermittelt werden und wie Vertrauensbeziehungen gestiftet werden konnten, war daher auch gewichtige Themen diplomatischer Korrespondenz zwischen der Zentrale und Diplomaten vor Ort. Personales Vertrauen trat so gewissermaßen als ein „verwaltetes Vertrauen“ in Erscheinung. Vertrauen oder Misstrauen waren unter diesen Bedingungen keine Folgen „einsamer Entscheidungen“, sondern Ergebnisse eines Aushandlungsprozesses unter den „Vertrauensgebern“. 3.1.2 Verhandeln und Organisieren Die diplomatische Korrespondenz, wie sie in der Einleitung und eben noch einmal charakterisiert wurde, war nicht zuletzt eine Dokumentation solcher von der Krone „verwalteter“ und von ihren Diplomaten vor Ort „gemanagter“ Vertrauensbeziehungen. Für eine Studie zu den diskursiven und symbo­lischen Aspekten der Stiftung von Vertrauen stellt sie eine ideale Quelle dar. Alle in einer administrativen Korrespondenz kommunizierten Beobachtungen und Informationen müssen allerdings im Kontext der epistemischen und kommunikativen settings einer Institution betrachtet werden. Korrespondenz ist kein Medium, in dem vorbehaltlos „objektiv“ kommuniziert wird. Die damit verbundenen Probleme und Konflikte waren auch den Zeitgenossen nicht völlig fremd. Dass Gesandte in einen Konflikt zwischen der Pf­licht zur Aufrichtigkeit gegenüber dem Dienstherren einerseits und klientelärem Opportunismus, sowie rhetorischen oder höfischen Konventionen andererseits, geraten konnten, wurde in der Traktatliteratur über die gesamte Frühe Neuzeit hinweg diskutiert. Das Problem scheint also fast so alt zu sein, wie das ständige Gesandtschaftswesen selbst. Zumindest legen dies Überlegungen von Macchiavelli und anderen politischen Theoretikern der Renaissance nahe, die zu durchaus verschiedenen Ergebnissen kamen 1094. François de Callières 1094 Vgl. etwa die kurze Analyse des diesbezüg­lichen Schrifttums von Machiavelli, Tasso und Panfilio Persico bei Waquet, Vérité.

„Verwaltetes Vertrauen“

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thematisierte dieses Problem noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Dissimulation war für ihn ein legitimes Mittel der Verhandlung mit fremden Herrschern. Seinem eigenen Fürsten gegenüber sei der négociateur aber zu vorbehaltloser Aufrichtigkeit verpf­lichtet 1095. Im späten 17. Jahrhundert forderte Abraham de Wicquefort vom idealen Diplomaten in der Kommunikation mit seinen Prinzipalen einen konse­ quenten „Mut zur Wahrheit“. Gerade schlechte Nachrichten oder ungünstige Prognosen habe der Gesandte umso freimütiger und bereitwilliger mitzuteilen, da solche Informationen aufgrund der zu erwartenden Folgen von besonderer Bedeutung wären 1096. Damit sollte eine opportunistische „Informationsökonomie“ von Gesandten gegenüber ihren Prinzipalen verhindert werden. Diese in der Traktatliteratur formulierten Normen deckten sich mit dem, was auch in der diplomatischen Praxis von Diplomaten gefordert wurde. Kardinal Mazarin hielt etwa seine Untergebenen explizit dazu an, bei ihren Berichten keine Rücksichten auf soziale und institutionelle Hierarchien zu nehmen 1097. Die Forderung nach umfassender und mög­lichst „rücksichtsloser“ Information konnte auch direkt in Instruktionen einfließen 1098. Bisweilen wurde sie auch von Gesandten als Aufhänger für eigene Offenheit gegenüber ihren Prinzipalen genommen 1099. Grundsätz­lich verbaten sich also auch in der Praxis Fürsten und Minister einen opportunistischen Umgang ihrer Gesandten mit Informationen. Vielmehr wurden gerade im Frankreich Ludwigs XIV. Gesandte wie auch andere könig­liche Amtsträger zur minutiösen, mög­lichst umfassenden Informationsbeschaffung angehalten 1100. 1095 Waquet, Callières, 146 f. 1096 L’Ambassadeur ne doit point disitinguer entre les bonnes & les mauvaises nouvelles, lorsque son Maistre y est interessé, qu’un avis donné à propos est de la dernière importance, à causes des suites que les mauvais succès avoir, Wicquefort, L’Ambassadeur II, 106. 1097 Dethan, Mazarin, 227. 1098 So wandte sich Ludwig XIV. 1681 an seinen Gesandten Sebeville am Kaiserhof, mit dem Hinweis: Au lieu de se flatter d’une vaine espérance d’acquérir du mérite auprès de S M en embellissant leur récit ou leurs avis aux dépens de la vérité, ils doivent être persuadés que ce n’est qu’en s’y attachant exactement qu’ils peuvent mériter l’honneur de son estime; Mémoire pour servir d’Instruction au Sieur Marquis de Sebeville, allant de la part du Roi, envoyé extraordinaire, vers l’Empereur, 6.10.1681, in: Recueil des Instructions I, 89. Den Mut zur Korrektur von Fehlinformationen musste auch die erwähnte päpst­ liche Instruktion einfordern: sarà anche necesserario che quando non si verifichi alcuna nova gia scritta, o che dall’evento contrario allo scritto, s’habbia a ritrattare per seguitare il filo, e perchè n’apparischi la verità, contentarsi di confessare l’errore co’l dire se ben si scrisse con le passate etc. hora si scrive, Repgen, Diplomatik, 768. 1099 Pour dire à vray mes petits sentiments avec la mesme liberté que feu M gr le Cardinal m’avoit-il commandé de le faire en toutes choses, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 12.6.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 243v). 1100 Bély, Espions, 112 ff.

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In dieser Zeit wuchsen denn auch diplomatische Korrespondenzen zu gewaltigen, kaum noch zu bewältigenden Informationssammlungen an 1101. Aber auch wenn eine solche allumfassende Informiertheit ein zentraler Bestandteil der Selbstinszenierung Ludwigs XIV. war 1102 und die Behauptung, über umfassende Information zu verfügen, ein wesent­lich älterer traditioneller Bestandteil einer zumeist dezisionistisch motivierten Rhetorik zur Behauptung fürst­licher Autorität war 1103, waren gerade Außenstaatssekretariate auf beständige Nachrichtenselektionen und die Klassifizierung und Bewertung der Relevanz bestimmter Informationen durch ihre Gesandten angewiesen, um das gewaltige Aufkommen von Informa­ tionen von bisweilen nur schwer zu bestimmendem „Nachrichtenwert“ bewältigen zu können 1104. Die päpst­lichen Nuntien wurden etwa in den 1630er-Jahren angewiesen, verschiedene „Marker“ für den Wahrheitsgehalt bestimmter Informationen zu verwenden 1105. Dies sollte die Einordnung von Informationen erleichtern und führte zu einer permanenten Folgekommunikation um die Einordnung bestimmter Informationen und der Gesamtlage vor Ort 1106. Gerade hier boten sich aber für die Gesandten vor Ort Anknüpfungspunkte für opportunistische Situationsschilderungen und besonders günstige Darstellungen ihrer eigenen Rolle, die den angesprochenen Normen des Informierens widersprechen konnten. Diesem Umstand ist in neueren franzö­sischen Forschungen Rechnung getragen worden. Jean-Claude Waquet hat die Tätigkeit frühneuzeit­licher Diplomaten als Prozess einer „double négociation“ beschrieben. Gesandte waren zumeist mit zwei parallelen Formen des Verhandelns befasst: Zum einen führten sie face-to-face-Verhandlungen mit Verhandlungspartnern vor Ort und ihren Prinzi­palen, zum anderen befanden sie sich in einen Prozess schrift­licher Verhandlung mit dem eigenen Fürsten 1107. Diplomatische Korrespondenz kann somit als eine Art verschrift­lichtes internes Verhandlungsmedium betrachtet werden. Dass diese Prozesse des Verhandelns oder besser Aushandelns gegenüber den eigenen 1101 Vgl. Roosen, Functioning, 324. 1102 Smith, „Our Sovereign’s Gaze“. 1103 Zur Bedetung der Formel vom vollständigen Wissen (entera noticia), vgl. Brendecke, Imperium, 73 – 86. 1104 Zur Nachrichtenselektion vgl. Friedrich, Drehscheibe, 325 ff.; Bély, 251 ff. Eine allgemeine Näherung an das Phänomen des „information overload“ aus frühneuzeit­licher Perspektive findet sich bei Behrisch, Zu viele Informationen! 1105 sarà bene che il secretario vada verificando gli avvisi prima di scriverli e perché non tutti so possono verificare, e pur bisogna alle volte scriverli, avertirà, di farlo con termine dependente dal detto altrui, cioè, „qua dicono“, „di colà avvisano, s’avvisa, si dice etc. co’l disimpegno del nuntio, Repgen, Diplomatik, 768. 1106 Friedrich, Drehscheibe, 248 f. 1107 Vgl hierzu jetzt Waquet, Verhandeln, 130 f.

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Auftraggebern häufig opportunistische Darstellungsweisen von Diplomaten einschlossen, die zumeist deren Geschick und Kontrolle der Lage vor Ort herausstellen sollten, erscheint nicht zuletzt aufgrund der Untrennbarkeit „professioneller“ Rollen und klientelärer Identität frühneuzeit­licher Gesandter plausibel 1108. Wie Kapitel 2 des vorangegangen Hauptteils deut­lich gemacht haben sollte, waren Gesandte nicht nur als Amtsträger der Krone aus „professionellen“ Motiven um eine gute Amtsführung bzw. deren effektvolle Darstellung gegenüber ihren Prinzipalen bemüht, sondern als in eine Ehr- und Verdienstökonomie eingebundene Akteure oder auch Klienten ihres Prinzipalen um ihre soziale Existenz besorgt. An diese Perspektive anschließend soll im Folgenden gezeigt werden, wie franzö­ sische Gesandte Interaktionen vor Ort darstellten, wie sie Situationskontrolle suggerierten und wie sie versuchen konnten, eigene Handlungsspielräume vor Ort etwa durch die Verfügbarmachung von Patronageressourcen zu erweitern. Dabei erwies sich nicht zuletzt die Tätigkeit von Gesandten als „Patronagemakler“ als Gegenstand interner Verhandlungen. Gesandte wie Wagnée bemühten sich näm­lich, die von ihnen im Namen und im Auftrag der Krone vermittelten Klientelbeziehungen als besonders stabil darzustellen 1109. In Situationen, in denen das in solche Beziehungen gesetzte Vertrauen trotzdem kollabierte, standen die Gesandten als Mittler in der Verantwortung und mussten um eigene Patronageressourcen fürchten 1110. Kommunikationsprozesse von Gesandten und Prinzipalen lassen sich aber weder auf objektives Informieren noch auf solche durch die strategischen Intentionen von Gesandten motivierte Aushandlungstätigkeiten reduzieren. Ausschlaggebend war auch, im Rahmen welcher Figurationen und welcher Kommunikationsstrukturen innerhalb politisch-administrativer Systeme ihre Informationen rezipiert wurden und unter welchen Bedingungen sich das von Gesandten erhobene Wissen überhaupt in Entscheidungshandeln übersetzen ließ 1111. Robert de Gravel etwa wies 1661 kurz nach dem Antritt der Alleinregierung Ludwigs XIV gegenüber dem 1108 Vgl. von Thiessen, Switching Roles. 1109 Dies kommt etwa in der Fehleinschätzung der Loyalität der Fürstenberg die Wagnée vornahm zum Ausdruck. Vgl.Wagnée an Mazarin, Lüttich, 25.12.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 569r – 571r). 1110 Kardinal Mazarin verbat sich nach dem zweiten Zusammenbruch der Beziehungen zu den Fürstenberg etwa höf­lich aber bestimmt, die beständigen Interventionen von Wagnées Bruder wegen der für seine Vermittlungsdienste vorgesehenen Ressourcen. Vgl. Mazarin an Wagnée, Compiègne, 18.9.1656 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 415r). 1111 Ob es begriff­lich und forschungspraktisch sinnvoll ist, den Wissens- und Informa­ tionsbegriff so strikt voneinander zu scheiden, wie dies Brendecke / Friedrich / ­Friedrich, Information, 30 vorschlagen, sei dahingestellt, dennoch schärft die Unterscheidung von „totem“ Wissen und Information als „auf Begründung der Entscheidung und Handlung hinlaufende Weltrepräsentation“ oder „in Hinsicht auf eine Aufgabe verfügbares

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Außen­staatssekretär Hugues de Lionne auf die spezifischen Schwierigkeiten der könig­lichen Elsaßpolitik hin. Der König setze seine Glaubwürdigkeit als Protektor und Friedenswahrer der Reichsstände und ihrer Freiheiten aufs Spiel, wenn er nun Souveränitätsrechte wie den Treueeid der elsäs­sischen Reichsstädte auf den franzö­ sischen König zu offensiv einforderte 1112. Damit stieß er zwar bei Lionne, der die Verhältnisse im Reich bestens kannte, auf offene Ohren. Allerdings musste dieser eingestehen, dass er selbst nur begrenzte Handlungsspielräume sehe, seine und die Ansichten Gravels im könig­lichen Rat gegen den latenten Rivalen Jean-Baptiste Colbert aber auch gegen den höchsten Entscheidungsträger, gegen den König selbst, durchzusetzen. Er wies Gravel an, ein fundiertes und durchstrukturiertes Memorandum zu schicken, das ledig­lich die Situation objektiv schildere. Dies solle es ihm, Lionne, ermög­lichen, seine Argumente für Verhandlungen mit seinen Kollegen und dem Souverän so zu präsentieren, dass sie in Entscheidungshandeln übersetzt w ­ erden konnten  1113. Das Vor-Ort-Wissen des Gesandten musste also paradoxerweise erst als „neutral“ inszeniert und in ein wirkungsverstärkendes Medium gebracht werden, um ihm im könig­lichen Rat Geltung verschaffen zu können 1114. Entscheidungen auf der Grundlage von Informationen konnten also sehr wohl von internen Kommunikationsdynamiken und der Bereitschaft, bestimmte Informationen überhaupt verarbeiten zu wollen, abhängig sein 1115. Das Verhältnis von politisch-administrativen Systemen zur Außenwelt und den Mög­lichkeiten und Realitäten der Sammlung, Verarbeitung und Verfügbarkeit von Informationen unterlag (und unterliegt!) aber häufig noch grundsätz­licheren Ambivalenzen. Zwar wird in diesen Systemen versucht, Strukturen zu verankern und Normen Geltung zu verschaffen, die die regelmäßige Versorgung mit relevanten Informationen von hohem Nachrichtenwert garantieren sollen. Die Forderung nach mög­lichst umfassender, mög­lichst „relevanter“ Information steht jedoch, wie der Soziologe Dirk Baecker mit Bezug auf moderne Organisationen bemerkt hat, unter der Bedingung, dass die Verarbeitung solcher Informationen implizit durch einen bestimmten „Überraschungsgrad, den sie [die Organisationen] für sich selbst Wissen“ den Blick für die Bedingtheit der Verfügbarkeit von Wissen in einer Organisation. 1112 Robert de Gravel an Lionne, 16.7.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 102r). Zur Debatte um die Durchsetzung könig­licher Souveränitätsrechte in der sogenannten Dekapolis vgl. Ohler, Zwischen Frankreich und dem Reich, 165 ff. 1113 Lionne an Robert de Gravel, Fontainbleau, 16.7.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 375r). 1114 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Nantes, 5.9.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 211r). 1115 In gewisser Weise ist dies der Ausgangspunkt eines Klassikers der modernen Organisationssoziologie, Cyert / March, A behavioral theory, 107 ff.

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für zumutbar halten“ begrenzt und reguliert wird. Informationen dürfen selbst nur so verarbeitet werden, dass sie Grundmuster der Selbstbeschreibung und Grundlagen des Handelns einer Organisation nicht grundsätz­lich in Zweifel ziehen 1116. Damit stellt sich aber nicht nur die Frage, was politisch-administrative Systeme im Rahmen ihrer kommunikativen Bedingungsgefüge wissen können, sondern auch – vereinfacht gesagt – was sie überhaupt wissen wollen! Die Forderung nach umfassender und aufrichtiger Information kann unter diesen Bedingungen auch von bestimmten impliziten Selbstbeschreibungsmustern einer Organisation unterlaufen werden. Solche Strukturen lassen sich auch in den hier zu beschreibenden Kommunikationsprozessen finden: Gesandte verhandelten näm­lich nicht nur mit ihren Prinzipalen um bestimmte Wirk­lichkeitsdeutungen, sondern „konstruierten“ diese häufig gemeinsam im Konsens über bestimmte Beschreibungen eigenen Tuns. An solchen Sprech- bzw. Schreibweisen waren Gesandte wie Prinzipale gleichermaßen aktiv beteiligt, weil, wie weiter unten erläutert werden wird, für beide das Sprechen über mög­lichst umfassende Kontrolle nicht zuletzt für die Selbstzuschreibung von Entscheidungsfähigkeit von Bedeutung war. Betrachtet man Korrespondenz ledig­lich als „Verdoppelung“ der face-to-face-Verhandlungen des Gesandten vor Ort, greift dies nicht nur zu kurz, da es der spezifischen Medialität der Gattung Korrespondenz nicht gerecht wird. Es legt auch zu sehr den Focus auf das strategische Einzelinteresse des Gesandten und vernachlässigt mög­liche „kollektive Intentionalitäten“ hinter bestimmten „Konstruktionen“ von Wirk­lichkeit  1117. Neben stärker handlungstheoretischen, an strategischem Handeln von Gesandten orientierten Perspektiven auf diplomatische Korrespondenz soll daher im Folgenden zusätz­lich noch eine weitere kommunikationstheoretische Sichtweise eingenommen werden 1118. Hierfür soll auf Ansätze aus der neueren Organisationssoziologie zurückgegriffen werden. Diese sind insgesamt in den Geschichtswissenschaften bislang eher schwach rezipiert worden 1119. Dies mag auch daran liegen, dass sich o­ rganisationssoziologische 1116 Vgl. zu diesen Überlegungen Baecker, Gezielte Information, 61. 1117 Vgl. hierzu Searle, Soziale Konstruktion, 36 f. Searles grundsätz­liche ontologische Scheidung von „Ich“- und „Wir-Intentionen“ ist vor allem als analytische Annahme sinnvoll, da sie klar macht, dass etwa kollektive Organisationsprozesse mehr sind als addierte „Einzelintentionen“. 1118 Dies bedeutet natür­lich keineswegs, dass beständige, mitunter mehr oder wenig latent konflikthafte Aushandlungsprozesse und zweckgerichtetes Organisationshandeln völlig voneinander getrennte Ebenen sind, vielmehr hängen die Handlungsspielräume der (ver)handelnden Akteure selbst vom Gelingen zweckgerichteter Organisationsprozesse ab. Dies verdeut­licht Esser, Soziologie, Bd. 5, 280. 1119 Hier muss der Sammelband von Haas / Hengerer (Hrsg), Im Schatten der Macht, hervorgehoben werden. Am Beispiel der Implementation der preußischen Reformen im frühen 19. Jahrhundert greift auch Haas, Die Kultur der Verwaltung, diesen Ansatz

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Konzepte und ihre Implikationen sich zunächst an modernen, „operativ geschlossenen“, hierarchischen Organisationen orientierten 1120. Diese setzen rein funktionale Hierarchien und die Beschränkung ihrer Mitglieder auf ihre Rollen als Funktionsträger innerhalb einer Organisation voraus 1121. Solche Strukturen lassen sich so in der Vormoderne zumeist nicht finden 1122. Neuere soziologische Ansätze betrachten Organisationen allerdings weniger als monolithische, hierarchisierte Gebilde, sondern heben stärker die kommunikative und prozesshafte Dimension des „Organisierens“ hervor 1123. Statt als feste Struktur kann eine Organisation auch im Anschluss an Anthony Giddens als „Strukturierung“ beschrieben werden. Dies schließt auch interne Aushandlungsprozesse mit ein, die sich nicht per se nach der formalen Ordnung der Organisationen und ihren offiziellen Kommunikationsroutinen richten (sich aber in informellen Aushandlungsprozessen daran orientieren können). Gemeinsame Interpretationsschemata können reproduziert, aber auch immer wieder verändert und neugestaltet werden 1124. Eine solche als Prozess und Strukturierungsgeschehen vorgestellte Organisation kann dynamische Aushandlungsprozesse, wie sie das Konzept der „double négociation“ auf. Mit besonderer Hervorhebung von Prozessen der Absicherung und Legitimation von Entscheidungshandeln Krischer, Das Problem des Entscheidens, 51 ff. 1120 Kieserling, Selbstbeschreibung von Organisationen, 229 etwa sieht das spezifische Profil der Organisation sich erst in der Moderne durch ihre Selbstbeschreibung als zweckgerichtete Hierarchie in sich ansonsten völlig anders beschreibenden Teilsystemen der modernen funktional differenzierten Gesellschaft herausbilden. Dies sei in älteren Differenzierungsstufen nicht mög­lich gewesen sei. 1121 Vgl. Luhmann, Funktionen und Folgen. 1122 Eine auch auf vormoderne Strukturen übertragbare Grunddefinition der Organisation, die um die lose definierten Faktoren Formalität, Hierarchie, zeit­liche Dauer, materielles Substrat d. h. Räum­lichkeit oder „Ört­lichkeit“ der Organisation kreist, entwirft Acham, Funktion und Genese, 36 f. Wenig weiterführend ist dagegen der Versuch eines historischen Konzeptes der Organisation bei Baecker, Epochen der Organisation. 1123 So bemerkt etwa Bruno Latour, dass in der Moderne Organisationen als „Akteure einer gewaltigen Größenordnung“ erscheinen. „Ihre Größe muss für die Modernen daher von Ursachen herstammen, die absolut über die kleinen Kollektive der Vergangenheit hinausgehen. Aber wenn wir uns im Konzern IBM bewegen […] verlassen wir nie das Lokale. Wir sind immer in Interaktionen mit vier oder fünf Personen […] Setzen sich die Makro-Akteure also aus Mikro-Akteuren zusammen? Besteht IBM aus einer Reihe lokaler Interaktionen? Ist die Rote Armee ein Aggregat aus Gesprächen in der Offiziersmesse? Das Ministerium ein Berg kleiner Zettel?“ Latour, Wir sind nie modern gewesen, 160. 1124 Ortmann, Organisation als reflexive Strukturation, 316 f. Ortmann beruft sich hierbei vor allem auf Anthony Giddens’ Theorie der Strukturierung, vgl. Giddens, Konstitution der Gesellschaft, 67 ff.

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beschreibt, mit einschließen. Allerdings lässt sich so auch noch eine erweiterte Perspektive auf das Funktionieren des gesamten „Organisationsprozesses“ gewinnen. Der amerikanische Soziologe Karl Weick hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass ein wichtiges Ziel der Organisation die „Beseitigung von Mehrdeutigkeit” ist. Dies ist im Wesent­lichen als „interpersoneller Prozess” zwischen Organisationsgliedern zu verstehen, die einen Konsens über die von ihnen wahrgenommene Wirk­lichkeit aushandeln 1125. Es geht dabei nicht nur um Schemata der Interpretation des Handelns Anderer und der „Außenwelt“, sondern auch um die Wahrnehmung und Konstruktion der eigenen Rolle im Verhältnis zur Umwelt. Eine häufige Konsequenz hiervon sind Diskrepanzen zwischen Kommunikations- und Verständigungsweisen, die Organisationen nach innen und nach außen pflegen, und dem, was tatsäch­lich in ihnen entschieden und ausgeführt wird. Dies hat Weick mit dem auch in anderen Kontexten in der Soziologie geläufigen Begriff der „losen Koppelung“ beschrieben 1126. Das Bestehen solcher Kommunikationsmuster muss nicht ausschließ­lich als dysfunktional bewertet werden. Gerade in nur unvollständig kontrollierbaren Kontexten spielt die Selbstbeschreibung der Organisation und die Konstruktion ihrer eigenen Umwelt „als Resultat der eigenen Entscheidungsgeschichte“ eine zentrale Rolle. Als wichtige Funktion von Kommunikation innerhalb einer Organisation hat Niklas Luhmann den Prozess der „Unsicherheitsabsorption“ bezeichnet 1127. Organisa­tionen müssen sich intern immer wieder selbst ihrer eigenen Entscheidungsfähigkeit versichern und zum Entscheiden ermächtigen 1128. Allerdings erzeugt jede noch so kleine Entscheidung weitere Unsicherheiten, die ebenfalls über solche Kommunikationsmuster absorbiert werden müssen 1129. Um diese Funktion zu erfüllen sind aber bestimmte Repertoires an Deutungsmustern, Selbst- und Fremdbeschreibungen erforder­lich, die situativ verwandt und neu verknüpft werden können 1130. Sie können so einerseits die Suggestion von Handlungsfähigkeit und Kontrolle und andererseits selbstbestätigende Situationsanalysen produzieren, so, „dass die meisten Gegenstände in Organisationen aus Mitteilungen, Bildern, Mythen und Interpretationen bestehen, welche allesamt beträcht­lichen Spielraum für Definition und Selbstbestätigung lassen“ 1131.

1125 Weick, Der Prozess des Organisierens, 206. 1126 Weick, Prozess, 163 ff. und 264. 1127 Luhmann, Organisation und Entscheidung, 183 und 216. 1128 Luhmann, Organisation, 186 f. 1129 Luhmann, Organisation, 187. 1130 Vgl. hierzu Czarniawska-Joerges / Joerges, How to control things, die zeigen, dass Organisationsmitgliedern hierfür zumeist ein überaus breites Spektrum an vorgefertigten Deutungsmustern zur Verfügung steht. 1131 Weick, Prozess, 226.

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Rekursive Weltdeutungen stellen der Organisation Sinnstrukturen zur Verfügung, die es ihr ermög­lichen, die Wahrnehmung von Informationen aus ihrer Umwelt zu verarbeiten und sich selbst als handlungsfähige Akteure innerhalb dieser Umwelt zu beschreiben 1132. In Organisationen werden, wie Günter Ortmann zugespitzt formuliert hat, „Fiktionen“ produziert, die gerade schwer kontrollierbare Umwelten durch sprach­liche Prozesse mit der Illusion realer Kontrolle überziehen 1133. Dabei können auch Formen „organisierter Heuchelei“ und der Rekurs auf bestimmte Deutungsmuster Informationsschwierigkeiten, Selbstwidersprüche und Rationalitätslücken nach außen aber auch nach innen für die an Entscheidungsprozessen beteiligten Akteure überdecken 1134. Selbstbegünstigende Beschreibungen eigener Informationsund Entscheidungsleistungen können dazu dienen, den Umgang mit den Grenzen ihrer Rationalität und der Kontrolle der Umwelt zu ermög­lichen 1135. Die Stabilität einer solchen „organisierten Heuchelei“ und eine bisweilen erstaun­ liche Gleichförmigkeit von interner und externer Kommunikation kann noch durch einen anderen Umstand befördert werden: diplomatisches Schriftgut war nicht zwangsweise nur für den internen Gebrauch bestimmt. Instruktionen und Teile der Korres­ pondenz konnten in verschiedenen Kontexten zugäng­lich und öffent­lich gemacht waren. Instruktionen von Gesandten waren z. B. häufig am Dienstort vorzuweisen oder gar in Teilen bereits für die Öffent­lichkeit bestimmt 1136. Ebenso konnten Teile der diplomatischen Korrespondenz fremden Fürsten, Ministern oder anderen Gesandten zugäng­lich gemacht werden 1137. Auch dies war ein Grund dafür, warum diplomatische Akteure sowohl in äußeren als auch über weite Strecken in der internen Kommunikation Werte und Wertorientierungen des eigenen Handelns in den Vordergrund stellten und somit Spielräume für organisierte Heuchelei schufen 1138. Korrespondenzen können also stets auch implizit einen unspezifischen „dritten“ Leser miteinbeziehen 1139. 1132 Dies ist ein wesent­licher Teil dessen, was nach Karl Weick Prozesse des „sense making“ innerhalb der Organisation ausmacht, vgl. Weick, Sensemaking in organizations, 18 f. Vgl. in diesem Sinne auch Peter Mannings Grunddefinition organisationaler Kommunikation: „The redundancy of organizational communication, in part produced by routine ways of responding to a central or core stimulus in a message or set of messages, and in part by patterns of interpretation made by organizations members […] permits concerted collective action”, Manning, Organizational Communication, 9 f. 1133 Günter Ortmann, Als ob, 49 f. Ortmann orientiert sich dabei lose an der Sprechakt-­ Theorie. 1134 Vgl. Brunsson, The Organization of Hypocrisy. 1135 Vgl. hierzu etwa die Überlegungen bei Meyer / Rowan, Institutionalized Organizations. 1136 Von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 44. 1137 Vgl. etwa Bély, Espions, 481 ff.; Friedrich, Drehscheibe, 172 f. 1138 Fuchs, Normaljahrsverhandlungen, 127. 1139 Zur spezifischen „Trialogizität“ des Briefes, vgl. Bastian, Verhandeln in Briefen, 33.

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Diese Transparenz diplomatischen Schriftgutes musste sich aber keineswegs auf einen relativ kleinen Kreis von bei Verhandlungen für gewöhn­lich Anwesenden beziehen. Im Rahmen von Editionen und Ähn­lichem konnte es auch einer breiteren politischen Öffent­lichkeit zugäng­lich gemacht werden 1140. Über die potentielle Öffent­lichkeit ihrer diplomatischen Kommunikationen verständigten sich auch die franzö­sischen Diplomaten untereinander: Nach dem 1658 in Frankfurt keine Lösung des franzö­sisch-spanischen Konfliktes mög­lich gewesen war, erschien eine kaiser­liche Aktenedition, die den Franzosen die Schuld dafür in die Schuhe schob 1141. Dies wollte Mazarin auf keinen Fall so stehen lassen. Er gedachte daher, eigenes Material publizieren zu lassen, welches das Gegenteil beweisen sollte 1142. Der gelehrte Mainzer Hofkanzler und Neu-Klient Johann Christian von ­Boineburg sollte damit beauftragt werden, seine Kontakte zu mobilisieren, um einen geeigneten Übersetzer und einen Verleger für eine deutsche Übersetzung dieser Edition zu finden 1143. Häufig versicherten sich die Akteure auch gegenseitig, dass ihre Kommunikation untereinander aufrichtigen Absichten und richtigen Werthaltungen entspreche, man diese daher nicht nur veröffent­lichen könne, sondern dies sogar tun solle. Gravel behauptete etwa, eine Veröffent­lichung der Schreiben Gramonts und Lionne in Bezug auf die Friedensfrage sei vorteilhaft für den Krondienst, weil die Schreiben, die die Herren Ambassadoren erstellt haben […] in Bezug auf den Frieden sehr gut fundiert und voll von einer Vernunft sind, auf die es fast nichts zu entgegnen gibt 1144. Die Art und 1140 Vgl. hierzu etwa Fuchs, Normaljahrsverhandlungen, 126 ff. Zur Rolle der Publizität von Verhandlungen im Kontext des Westfä­lischen Friedens Heuser, Franzö­sische Korrespondenzen. Zur Rückwirkung käuf­licher gedruckter und damit prinzipiell öffent­lich zugäng­licher auf einen „Informationsmarkt“ zugäng­lichen Schrifttums vgl. Bosbach, Gedruckte Informationen. Zum Frieden von Nimwegen Köhler, Strategie und Symbolik, 113 ff. Zur Öffent­lichkeitspolitik um den Frieden von Utrecht vgl. ausführ­lich Bély, Espions, 235 – 243 und 262 – 286. 1141 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 15.10.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 348v). 1142 Nous faisons imprimer à Paris un recueil de tout ce qui s’est passé en la diète sur la matière de la paix genérale où nous serons plus fidelles, Mazarin an Robert de Gravel, Dijon, [November 1658] (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 363r). 1143 Mazarin an Robert de Gravel, Dijon, [November 1658] (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 363v). Dem Bericht Gravels zufolge zeigte sich Boineburg überaus angetan von dem Projekt und erklärte sogar, selbst die deutsche Übersetzung besorgen zu wollen. Vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 2.12.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 421v). 1144 Advantageux pour le service du Roy parce que les escrpits que Messieurs les ambassadeurs ont donnez […] touchant la paix sont très bien fondez et remplis de raison auxquells il n’y a presque point de répliquer, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 15.10.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 351r). Dies hielt später auch Johann Frischmann allerdings in

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Weise wie korrespondiert wurde, diente also auch dazu, Selbstbilder der franzö­ sischen Diplomaten und ihres Tuns später nach außen kommunizieren zu können. Gleichzeitig fand hier eine selbstbestätigende und so selbst wieder handlungs- und entscheidungsfördernde Verständigung darüber statt, dass die Dokumentation eigenen Tuns problemlos publiziert werden konnte, man also mit den eigenen auch nach außen hin kommunizierten Normen konform handelte. Thema des vorliegenden Hauptteiles soll allerdings das Schreiben über personales Vertrauen zu einzelnen Akteuren sein. Gesandte und ihre Prinzipale hatten sich häufig mit der Vertrauenswürdigkeit von Klienten und Fürsten im Reich auseinandersetzen. Dieses Vertrauen musste eben nicht nur zwischen den Vertrauenden in direkten Kommunikation vermittelt und dargestellt, sondern auch unter den „Vertrauensgebern“, in diesem Fall also franzö­sischen Diplomaten und ihren Prinzipalen ausgehandelt und „konstruiert“ werden. Vertrauensbeziehungen zu personalen Akteuren und die Analyse von Kommunikationsstrukturen einer frühmodernen Organisation sind keineswegs Gegenstandsbereiche, die sich ausschließen. Da außenpolitische Klientel-Beziehungen, wie im vorangegangenen Hauptteil gezeigt wurde, zunehmend von der Krone getragen wurden, stellten sie einen Gegenstand der zentralen Verwaltung von Außenbeziehungen und ein wichtiges Thema diplo­ matischer Korrespondenz dar. Dies geschah frei­lich zumeist in jenen Teilen der Korrespondenz, die gerade nicht für eine spätere Veröffent­lichung bestimmt und häufig durch Chiffrierungen „gesichert“ waren. Um diesen Themenkomplex gründ­lich zu untersuchen sollen zunächst verschiedene Interaktions- und Beobachtungssituationen aus der Perspektive franzö­sischer Diplomaten betrachtet werden: In den folgenden Teilkapiteln soll es zunächst darum gehen, wie franzö­sische Diplomaten in Verhandlungen und in anderen Formen der „Kommunikation unter Anwesenden“ Zeichen für Vertrauen wahrnahmen bzw. wie sie selbst versuchten, solche zu setzen. Dabei sollen zunächst zwei Typen symbo­lisch-sprach­licher Ressourcen in den Blick genommen werden: Höf­ lichkeit und Information (3.2.1 und 3.2.2). Anschließend soll gefragt werden, wie die Akteure symbo­lisches Handeln interpretierten, das auf das Signalisieren oder Herstellen ­sozialer Kooperation und auf die Stiftung von Vertrauen gerichtet war (3.3.1 und 3.3.2). Welcher Grad von Verbind­lichkeit kam solchen Handlungsweisen zu? In welcher Form konnten die Akteure hier von Vertrauensstiftung sprechen? Anschließend wird die Frage gestellt werden, wie franzö­sische Diplomaten eigene Vertrauensbereitschaft und Vertrauensfähigkeit in face-to-face-Situationen sprach­lich Bezug auf Korrespondenzen zwischen der Krone und einzelnen Fürsten des Reiches, die man dem public en géneral zugäng­lich machen sollte, für eine sinnvolle Maßnahme. Vgl. Frischmann an Robert de Gravel, Straßburg, 20.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 86r).

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und symbo­lisch zu vermitteln versuchten? Mit welchen Mitteln wird hier Vertrauen zu einem Gegenstand sozialer Interaktion gemacht? Lässt sich Vertrauen gar als strategische Ressource in und durch den richtigen Gebrauch bestimmter Kommunikations- und Handlungsformen herstellen? Daraufhin sollen die Grenzen dieser Praxis der Vertrauensherstellung in der diplomatischen Kultur beschrieben werden. Erwartungskoordination für Vertrauen im Sinne Georg Simmels hatte sich daher häufig an anderen Sprech- und Handlungsweisen, häufig dem geraden Gegenteil von Höf­lichkeit, zu orientieren (3.6). Dabei kann ebenso gezeigt werden, dass das Stiften von Vertrauen bzw. das Sprechen darüber, nicht vom Gebrauch von Fremdund Feindbildern getrennt werden können (3.7). Das so gestiftete Vertrauen konnte sich zwar als bemerkenswert stabil erweisen, wurde aber auch durch sich allerdings immer wieder verschiebende Vertrauensschwellen korrigiert (3.8).

3.2 Höf­lichkeit und Information als Ressourcen der Vertrauensbildung 3.2.1 Höf­lichkeit Ohne höf­lich zu sein, konnte ein frühneuzeit­licher Diplomat seiner Arbeit nicht nachgehen: Er müsse zurückhaltend, höf­lich und ehrenhaft mit allen sein 1145, er brauche ein Auftreten, das stets offen, gefällig, höf­lich und angenehm ist, geschickte und schmeichelnde Manieren, die viel dazu beitragen, sich die Zuneigung jener zu erwerben, mit denen er verhandelt 1146. Dies waren Anforderungen, die etwa François de Callières an den idealen Diplomaten stellte. Ähn­liche Bedeutung maß Abraham de Wicquefort bereits Jahrzehnte zuvor Formen der Höf­lichkeit zu. Befreundete Fürsten setzten ihre Ambassadoren zur Erhaltung dieser Freundschaften ein, um Höf­lichkeiten auszutauschen über die guten oder schlechten Begebenheiten, die ihnen widerfahren 1147. Während hier Höf­lichkeit und die an sie gekoppelten Praktiken die Freundschaft zwischen Fürsten stützten, war sie auch für den Ambassadeur als sozialen Akteur unerläss­lich. Der Ambassador, der den Damen und jenen mit denen er keine Auseinandersetzungen hat, Höf­lichkeiten erweist, macht deut­lich, dass sich sein Herr in seiner Wahl nicht 1145 Doux, civil & honnête avec tout le monde; François de Callières, De la manière de négocier avec les souverainse diert in: Waquet, L’art de négocier, 238. 1146 Un abord toujours ouvert, doux, civil, agréable, des manières aisées et insinuantes qui contribuent beaucoup a acquérir les inclinations de ceux avec qui on traite, Callières, La Manière, 188. 1147 Pour se faire de civilités sur les bonnes ou mauvaises rencontres qui leur arrivent, Wicquefort, Ambassadeur I, 2.

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getäuscht hat und dass sein Diener so gut zu leben wie zu verhandeln versteht 1148. Das was hier zumeist mit dem Wortfeld civil, civilité bezeichnet wurde, erfüllte für Gesandte also unter anderem folgende Funktionen 1149: andere Akteure für sich gewinnen, Beziehungen zwischen Fürste pflegen und anzeigen und eigene höfische „Gesellschaftsfähigkeit“ jenseits der Verhandlungspraxis und der Rolle als Funktions­träger demonstrieren. In modernen soziololinguistischen und interaktionssoziologischen Theorien wird Höf­lichkeit als soziale Praxis beschrieben, die sich bis zu einem gewissen Grade mit den ihr im 17. Jahrhundert zugeschriebenen Zwecken deckt. Nach Penelope Brown und Steven Levinson handeln alle an Interaktionen beteiligten Akteure kultur- und epochenübergreifend in irgendeiner Form strategisch und an spezifischen Rationalitäten orientiert. Jeder Akteur verfügt dabei über ein als „face“ bezeichnetes Sozialkapital 1150. Alle direkten Kommunikationsakte stellen theoretisch eine Bedrohung dieses „face“ dar und werden entweder so gestaltet, dass diesem kein Schaden entsteht oder es durch Adressatenerhöhung aktiv aufgewertet wird. Brown und Levinson stützen ihr Modell hauptsäch­lich auf eine universelle Disposition der „emotionalen Bedürfnisbefriedigung“ und argumentieren so letzten Endes anthropologisch und psychologisch 1151. Erving Goffman (auf den sich Brown/Levinson nicht zuletzt berufen) hat dagegen der gesellschaft­lichen und beziehungsstiftenden Funktion höf­licher Interaktionen wesent­lich größeres Gewicht gegeben 1152. Neben dem Schutz fremder und eigener Images, die in Interaktionen potentiell bedroht sein können und durch „avoidance strategies“ bewahrt werden müssen, spielen bei Goffmann auch „Zuvorkommenheitsrituale“ eine herausragende Rolle, „durch die das Individuum den Empfängern zeigt, was es von ihnen hält und wie es in der beginnenden Interaktion handeln wird“1153. Hierbei verbinden sich die zentralen Funktionen der Darstellung von „image“ mit der Koordination von Erwartungen für spätere 1148 L’Ambassadeur qui fait civilité aux dames & à ceux qui n’ont point de competence avec luy fait connoistre, que son maistre ne s’est point trompé en son choix &que son ministre ne scait aussy bien vivre qu’il scait négocier, Wicquefort, L’Ambassadeur II, 4. 1149 vgl. hierzu den problemorientierten, methodisch reflektierten Überblick bei Chartier, Civilité. 1150 Brown / Levinson, Politeness. 1151 Vgl.etwa die Hervorhebung des „desire for approval“ in Brown / Levinson, Politeness, 62 ff. 1152 Diese drücken sich in Kommunikationsformen aus, die in Goffmans metaphorischer Terminologie als „Zeremoniell“ oder „Ritual“ bezeichnet werden, hier aber gerade nicht isolierte herausgehobene symbo­lische Kommunikationssequenzen bezeichnen, vgl. Goffman, Interaktionsrituale, 70 f. 1153 Goffman, Interaktionsrituale, 79.

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Interaktion. Der Sinn der Höf­lichkeit aus interaktionssoziologischer Perspektive besteht, wie auch jüngere Höf­lichkeitstheorien bestätigen, weniger in der für eigene Zwecke instrumentalisierbaren psychologisch verstandenen Funktion von Adressatenerhöhung und Adressatenschutz, sondern vielmehr darin, dass er den Akteuren erlaubt, über ihre Beziehungen zueinander zu kommunizieren und diese Kommunikationsgrundlage zu stabilisieren oder zu modifizieren 1154 – in diesem Sinne kann auch, wie weiter unten gezeigt werden soll, unhöf­liches Verhalten unter Umständen zweckrational sein. Eine geschicht­liche Dimension der Praxis von Höf­lichkeit fehlt jedoch zumeist in diesen soziologischen und soziolinguistischen Ansätzen der Höf­lichkeitstheorie 1155. Gerade die Frühe Neuzeit kann jedoch als eine überaus produktive und gerade für das sprach­liche und symbo­lische Repertoire an Höf­lichkeitsformen in Europa wahrschein­lich die entscheidend prägende Zeit betrachtet werden. Dem hat eine Reihe historisch orientierter philologischer und linguistischer Forschungen vor allem aus dem deutschen Sprachraum bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren Rechnung getragen 1156. Insbesondere die Entstehung höfischer Gesellschaften als Verdichtung von Interaktionen an einem „point of contact“ erzeugte für die Akteure einen Bedarf an „kommunikativen Umwegen“1157. Höf­lichkeit konnte verschiedene Funktionen entfalten: So galt etwa in der höfischen Adelsgesellschaft die Norm prinzipieller Unmitteilbarkeit direkter Eigeninteressen. Diese konnten nur durch die konventionalisierte Indirektheit höfischen Sprechens zeitgenös­sischen Normen gemäß kommunizierbar gemacht werden 1158. Höf­lichkeit konnte aber auch ganz im Sinne Goffmans als Ausweich- und Konfliktvermeidungsstrategie fungieren. Während die ästhetische Stilisierung von Lebensformen etwa für Baldassare Castiglione nicht ohne eine Verknüpfung mit politisch-mora­lischen Wertvorstellungen und gegebenenfalls der Beratung des Fürsten durch den Höfling denkbar war, beschrieben die Theoretiker des 17. Jahrhunderts den Fürstenhof immer mehr als generell für den einzelnen Höfling gefähr­liches Terrain. Interaktion mit dem Fürsten und

1154 Vgl. hierzu vor allem Watts, Politeness, 142 ff. 1155 Brown und Levinson beanspruchen für ihr Modell eine kulturübergreifende und überzeit­liche Verbind­lichkeit, während Goffman seine Analysen vor allem anhand empirischer Studien zur britischen und US-amerikanischen Nachkriegsgesellschaft entwickelt. Eine historische Perspektive auf soziolinguistische Forschungen zur Höf­ lichkeit mit deut­licher Kritik an Brown und Levinson fordern dagegen Culpeper / Kádár, Historical (Im)politeness. 1156 Vgl. vor allem Beetz, Frühmoderne Höf­lichkeit; Göttert, Konversationsideale; Hinz, Rhetorische Strategien; Braungart, Hofberedsamkeit. 1157 Vgl. Elias, Die höfische Gesellschaft. 1158 Schlögl, Hof, 218.

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anderen Höflingen wurde zunehmend als potentiell image- ja existenzgefährdend wahrgenommen und erforderte ausgefeilte Kommunikationsformen 1159. Niklas Luhmann hat die Entwicklung höfisch-adeliger Interaktionsformen in „Alteuropa“ in den Kontext der grundlegenden Transformation der stratifizierten, vom Adel dominierten zu einer funktional-differenzierten Gesellschaft gestellt. Während Interaktionen adeliger Oberschichten zunehmend die Fähigkeit einbüßten, für alle gesellschaft­lichen Teilbereiche strukturierend zu wirken 1160, entstand eine höfische Kultur „raffinierter“ Umgangs- und Konversationsformen. Diese schlossen nach Luhmann aber gerade das Politische als Themenfeld aus 1161. Luhmanns Modell wird dabei aber weder der Tatsache gerecht, dass funktional-differenzierte Strukturen wie das Behördenwesen sich häufig mit unklaren Trennlinien zur höfischen Gesellschaft entwickelten 1162, noch berücksichtigt es die eminent politische Rolle des Adels und der höfischen Gesellschaft. Der Hof war gerade keine Instanz der Entpolitisierung des Adels, sondern ein „Ort der Entscheidung“ und zwar nicht nur über die Verteilung sozialer und ökonomischer Ressourcen, sondern auch über politischen Einfluss und ganz konkretes politisches Handeln 1163. Dies galt insbesondere dort, wo es um den Kontakt zwischen Höfen bzw. Staatswesen ging 1164. Die höfische Gesellschaft und ihre Kultur blieben daher bis weit ins 18. Jahrhundert der Rahmen, welcher die „Diplomatie vom type ancien“ entscheidend prägte 1165. Dies wirkte auch auf Kommunikationsformen frühneuzeit­licher Diplomatie zurück. Ohne Höf­lichkeit und an Techniken höfischer Konversation orientiertes Sprachhandeln waren Diplomatie und diplomatische Verhandlung weder in der normativen Selbstbeschreibung der Traktatliteratur zum Gesandtschaftswesen noch in der Praxis denkbar. Wie sich diese Koppelung auch auf die Arbeitsweise 1159 Über diesen Bedeutungswandel ausgehend von einer Wirkungsgeschichte des Klassikers von Baldassare Castiglione vgl. Burke, The fortunes of the Courtier, 119 ff. Vgl. auch Asch, Höfling als Heuchler?, 194 f. 1160 Luhmann, Interaktion in Oberschichten. Das Modell hat in der frühneuzeit­lichen Hofforschung Winterling, Hof, 168 f. adaptiert. 1161 Zur Trennung von Politik und conversation vgl. Luhmann, Interaktion in Oberschichten, 119 ff. 1162 Dies wird selbst von einer eindeutig systemtheoretisch inspirierten Frühneuzeitforschung so gesehen, vgl. Schlögl, Hof, 206 f., der den Befund Luhmanns aufnimmt, aber auch auf praktische Probleme der Trennung beider Kommunikationsformen verweist. 1163 Vgl. etwa Asch, Introduction, 17 f. 1164 Hier sei erneut auf das Beispiel der Einbindung höfischer Akteurinnen in außenpolitische Entscheidungsprozess bei Bastian, Verhandeln in Briefen, verwiesen. 1165 Vgl. von Thiessen, Überlegungen, 497. Ein Modell höfischer Diplomatie mit Focus auf weib­liche Akteure skizziert auch Bastian, Kammerdame, 275 f.

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franzö­sischer Gesandten im Alten Reich in der Mitte des 17. Jahrhunderts auswirkte, soll in den folgenden Kapiteln anhand von Fallbeispielen rekonstruiert werden. Frühneuzeit­liche Höf­lichkeit besaß jedoch in der Perspektive der Zeitgenossen zwei ihr zugrunde liegende Zweckausrichtungen, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander standen 1166. Erstens, fungierte sie im oben geschilderten Sinne als ein Instrument der Anknüpfung von Kommunikation und der Koordination von Erwartungen an spätere Interaktionen. Auf diese Weise sollte eine elementare Beziehungsebene zwischen Akteuren hergestellt werden. Höf­liche Praxis verwies auf die Vertrautheit mit Kommunikationsnormen, auf die soziale Anerkennung des Adressaten und auf die Bereitschaft, elementare Kooperation zu suchen. Letzteres konnte sich frei­lich auf die Aufrechterhaltung der Kommunikation bzw. die Herstellung späterer Folgekommunikation beschränken, ohne in verdichtete soziale Kooperation überzugehen 1167. Sie war vor allem „Kommunikation über Kommunikation“. „Überexplizitheit“ in der Form von bewusster Übertreibung und sozialer „Theaterarbeit“ waren dabei bevorzugte Stilmittel 1168. Zweitens, wurde der Höf­lichkeit eine rhetorisch-strategische Dimension zugesprochen, die an höfische Konversationsideale anschloss 1169. Frühneuzeit­liche Konversationstheorien tendierten zu einem strategischen Verständnis von Kommunikation, das die Mög­lichkeit einschließt, durch rhetorisch-strategische Mittel Andere zu steuern und zu bestimmten Einsichten und Handlungen zu bewegen 1170. Höflich­ keit, Anmut und Klugheit wurden zu Kommunikationsidealen stilisiert, weil sie die größte technische Effizienz für die Beförderung eigener Zwecke in Inter­aktionen zu versprechen schienen 1171. Von zentraler Bedeutung war hier nicht zuletzt der 1166 Diese Typologie orientiert sich in Grundzügen an jener, die Köhler, Höf­lichkeit, 379  f., vornimmt. 1167 Vgl. hierzu Beetz, Höf­lichkeit, 113 ff. 1168 Vgl. Beetz, Höf­lichkeit, 151 f. und 163. 1169 Wenn hier im Folgenden von rhetorisch-strategischen Aspekten der Höf­lich­keits­ kommunikation die Rede ist, dann ist sich der Verfasser bewusst, dass die Theoretiker der Diplomatie ihre Schilderung der Verhandlungspraxis häufig als Gegenmodell zur „Redekunst“ beschrieben. „Rhetorik“ soll in unserem Zusammenhang auch vielmehr als analytischer Begriff allgemein auf Techniken der kommunikativen Überzeugung verweisen, während das von der Traktatliteratur konstruierte Gegenmodell mit der zeitgenös­sischen Semantik der Redekunst als „Oratorik“ bezeichnet werden muss, vgl. hierzu Feuchter / Helmrath (Hrsg.): Politische Redekultur. Dass sich allerdings „rhetorische“ Überzeugungsstrategien der „Oratorik“ und der Konversationsrhetorik von ihrem psychologischen Konzept her kaum unterschieden, zeigt der überblicksartige Beitrag von Kopperschmidt, Oratorik. 1170 Vgl. hierzu vor allem Göttert, Konversationsideale, 15; Chartier, Civilité, 21 ff. 1171 Wandlungen des Ideals traten erst im späten 18. und im 19. Jahrhundert auf, vgl. G ­ öttert, Konversationsideale, 200.

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aus der Rhetorik übernommene Begriff der insinuation, der vor allem Formen der unmerk­lichen, subtilen Überredung bezeichnete 1172. Dieser Aspekt von Höf­lichkeit war auch fester Bestandteil frühneuzeit­licher Verhandlungstheorie. Hier sollten die Formen der Adressatenerhöhung und der subtilen Mitteilung durch „konventionalisierte Indirektheit“ in mög­lichst direkte Handlungsfolgen übersetzt werden. Dies verdeut­licht die Schilderung von Verhandlungstechniken in der diplomatischen Traktatliteratur Diese sollten sich im Wesent­ lichen an den Techniken höf­licher Konversation orientieren. Wicquefort resümierte etwa für sein Kapitel zu den Regeln guten Verhandelns zunächst die Grundregeln der Konversation des honnête homme: Zentrale Fähigkeiten waren eine umfassende Aufmerksamkeit und eine „Kunst des guten Zuhörens und des guten Antwortens“. Dies ließ sich für Abraham de Wicquefort umstandslos auch auf den Bereich der politique übertragen. Ein Gesandter habe sich bei Fürsten­audienzen und formellen Verhandlungen so zu verhalten, wie bei anderen Gesprächen ohne einen offiziösen Rahmen 1173. Von einer oratorischen und sich ausschließ­lich auf Argumentationen stützenden Gesprächstechnik riet Wicquefort explizit ab. Es wäre kontraproduktiv, das Gegenüber mit argumentativem Zwang statt durch sanfte Gewalt überreden zu wollen 1174. Während für Wicquefort der Aspekt der diplomatischen Verhandlung noch gegenüber zeremoniellen Materien eine untergeordnete Rolle spielte und münd­ liche Verhandlungsführung gleichwertig neben schrift­licher abgehandelt werden konnte 1175, gewann das Feld der münd­lichen diplomatischen Verhandlung in den folgenden Jahrzehnten in der Traktatliteratur stärker an Kontur und wurde dort immer mehr als ein eigenes Praxisfeld beschrieben 1176. François de Callières hob sehr viel stärker als seine Vorgänger die Eigenständigkeit dieses Teils diplomatischer ­Praxis hervor 1177. Auch Callières setzte auf die Überzeugung des Gesprächs-

1172 So definiert Furetière den Begriff allgemein als action par laquelle quelque chose entre doucement dans une autre und verweist auf die Übertragbarkeit der allgemeinen Definition auf die Rhetorik, l’insinuation est une des grandes parties de l’Orateur, Lemma, insinuation, in: Furetière, Dictionnaire. 1173 La Morale n’a ici pour object que la conversation, & tasche de former un honneste homme: mais il me semble qu’on peut estendre la Maxime jusques à la Politique, Wicquefort, L’Ambassadeur II, 28. 1174 […] ce flux de bouche fait mal au coeur, c’est donner la question à l’esprit, que d’entreprendre de l’entraisner par force au lieu de le ramener par une violence douce&insinuante, W ­ icquefort, L’Ambassadeur II, 33. 1175 Wicquefort, L’Ambassadeur II, 35. 1176 Vgl. Waquet, Orator, 117 f. 1177 Waquet, Callières, 81.

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partners im Rahmen rhetorischer Kommunikationstechniken 1178. Er ging davon aus, dass Politik innerhalb der Société des Princes vor allem vom Entscheidungshandeln personaler Akteure abhängig sei. Die Mög­lichkeit politischer Einflussnahme werde durch Kooperationsanreize aber auch Manipulation auf der Grundlage personaler Beziehungen ermög­licht  1179. Dafür muss Höf­lichkeit aber nicht nur taktvoll und situationsangemessen sein. Sie kann und soll auch auf Formen manipulativer insinuation zurückgreifen, die Verhaltenssteuerung und Kontrolle bewirken 1180. Höf­lichkeit war also nicht nur ein Mittel der Ermög­lichung, Thematisierung und „Feinjustierung“ von Kommunikation, sondern sollte auch als art de plaîre durch die Stimulierung psychologischer Grundbedürfnisse kontrollierende Festlegung des Gegenübers auf Kooperation bewirken. In der frühneuzeit­lichen Verhandlungstheorie relativiert sich auch bis zu einem gewissen Grade sowohl bei Callières als auch bei Wicquefort die in modernen Konzepten der Verhandlung gängige idealtypische Trennung zwischen den Modi von verständigungsorienter Argumentation („arguing“) und strategischem Handeln zur Erlangung eigener Vorteile („bargaining“)1181. Nicht nur sind die Verhandlungsabsichten des négociateur primär strategisch-manipulativ, eine eigenständige argumentative Sacherörterung, die von der Ebene des strategischen Überzeugungshandeln zu trennen wäre, scheint hier überhaupt nicht vorgesehen zu sein 1182. 3.2.2 Informationen Bei der folgenden Analyse soll aber nicht nur das Repertoire „eindeutig symbo­ lischer“ Kommunikationsformen, also Höf­lichkeit im engeren Sinne, einbezogen werden. Vielmehr wird es auch um den symbo­lischen Gebrauch von zunächst einmal nicht-symbo­lischen Kommunikationsformen gehen. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Informationen. Folgt man Barbara Stollberg-Rilingers Unterscheidung zwischen symbo­lischer, instrumenteller und verständigungsorientierter 1178 Zum Ideal des „honnête homme“, vgl. Höfer / Reichhardt, Art. „Honnête homme, Honnêté“, „honnêtes gens; Scheffers, Höfische Konvention. 1179 Waquet, Callières, 109 f. 1180 Waquet, Callières, 143 f. 1181 Zur nicht unproblematischen Unterscheidung von „arguing“ und „bargaining“ vgl. die Beiträge in Niesen / Herborth (Hrsg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit. In neueren Studien zur Kulturgeschichte der Außenbeziehungen ist das Konzept vor allem von Köhler, Strategie und Symbolik, 343 – 428 und Fuchs, Medium, 127 ff. produktiv aufgenommen worden. Vgl. auch die zeitgeschicht­liche Rezeption des Konzeptes bei Lehmkuhl, Entscheidungsprozesse. 1182 Waquet, Callières, 144.

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Kommunikation 1183, würde man „Informieren“ mit Recht als instrumentelle Kommunikationsform einordnen. Die Weitergabe von Information konnte aber auch eine der Höf­lichkeit vergleichbare oder sich komplementär zu ihr verhaltende symbo­lische Funktion haben. Informationen, die auf gleiche Ansichten hindeuteten, konnten eine Beziehung untermauern oder zu deren Herstellung gebraucht werden und ermög­lichten konfliktfreie Folgekommunikation 1184. Wie zentral das Tauschen und Weitergeben von Informationen für die Praxis diplo­matischer Soziabilität war, haben gerade jüngere Arbeiten zur reichsständischen Diplomatie deut­lich gezeigt. Susanne Friedrich konnte in ihrer umfassenden Studie zum Informationssystem des Immerwährenden Reichstages zeigen, dass der Tausch von Informationen omnipräsent war und ein geradezu selbstverständ­liches Komplement höf­licher Interaktionsrituale darstellte 1185. Daniel Legutke hat in seiner Studie zu den reichsständischen Gesandten in den Niederlanden darauf hingewiesen, dass der Tausch von Informationen eine zentrale Funktion für die Stiftung von personalen Bindungen innerhalb einer diplomatischen community unter Gesandten an einem bestimmten Ort hatte 1186. Ähn­lich wie für Höf­lichkeit lassen sich aber auch für den Gebrauch von Informationen Aspekte der Kommunikationsanknüpfung und der Herstellung von inhalt­licher Kooperation unterscheiden. Informationen wurden nicht nur zur Etablierung einer elementaren Beziehungsebene an Interaktionspartner herausgegeben, sondern auch deswegen, weil man sich Gegenleistungen erhoffte, die wiederum einen strategischen Mehrwert haben sollten. Callières empfahl zum Beispiel seinem négociateur durch die gezielte Herausgabe von Informationen „Vertrauenszeichen“ (marques de confiance) zu setzen. Der Tausch von Information sollte eigene Vertrauensbereitschaft signalisieren, vor allem aber eine Vertrauenswürdigkeit suggerieren, 1183 Vgl. zu dieser Unterscheidung Stollberg-Rilinger, Symbo­lische Kommunikation, 497 f. 1184 Dies beschreibt Bastian, Verhandeln in Briefen, 338 als kommunikatives „Einschwingen“, mit dem sich Akteure einer übereinstimmenden inhalt­lichen Ausgangslage versicherten und gleichzeitig Mög­lichkeiten für inhalt­liche Anschlusskommunikation schufen. Vgl. allgemein zur Rolle von Information als Stiftung gemeinsamer Kommunikationsgrundlagen Zwierlein, Discorso und Lex Dei, 213. Zwierlein ordnet dies allerdings einem mittelalter­lichen „Denkrahmen“ zu, der sich in veränderter Form im „neuzeit­lichen“ Denken erhalten habe. Dieser Aspekt fehlt dagegen weitestgehend in den Beiträgen des thematischen Sammelbandes von Brendecke / Friedrich / Friedrich (Hrsg.), Information in der Frühen Neuzeit. 1185 Vgl. auch Friedrich, Drehscheibe, 172 ff., die allerdings die kommunikativen Felder, in denen Information gebraucht werden kann, begriff­lich nicht klar konturiert. Ähn­lich zum Gesandtschaftswesen der eidgenös­sischen Orte im Spätmittelalter Jucker, Vertrauen, 209 f. 1186 Vgl. Legutke, Diplomatie als soziale Institution, 310 f.

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die strategisch ausgenutzt werden sollte. Dabei war es frei­lich wichtig, darauf zu achten, dass man mehr in Erfahrung brachte als man preisgab 1187. Von „echtem“ gegenseitigem ­Vertrauen konnte unter dieser Perspektive frei­lich keine Rede sein. Die Herausgabe von Informationen war vorwiegend Mittel zum Zweck und sollte eine einseitig manipulierbare Vertrauenshaltung für einen reziproken, aber ungleichen „Informationstausch“ schaffen. Auf solche Praktiken ungleichen Informa­ tionstausches hat auch Lucien Bély am Beispiel des Friedenskongresses von Utrecht hingewiesen 1188. Für den strategischen Gebrauch von Informationen war es wichtig, dass der Gesandte eigene Informationen so inszenierte, dass ihr vermeint­licher Mehrwert für das Gegenüber besonders deut­lich wurde. Dies war nicht zuletzt dadurch mög­lich, dass man sensible Informationen an einen Interaktionspartner en confiance weiterleite. Eine Praxis, die überdies auch das gerade Gegenteil intendieren konnte, näm­lich die unmittelbare Weiterleitung solcher Informationen 1189. Im Folgenden sollen nun beide idealtypisch herausgearbeiteten Funktionen der Höf­lichkeit sowie des Tausches von Informationen – Kommunikationsermög­lichung und rhetorisch-strategische Manipulation – und ihr Verhältnis zueinander anhand von Fallbeispielen aus der diplomatischen und sozialen Praxis der im Rahmen dieser Studie behandelten Akteure in den Blick genommen. Dabei wird danach gefragt werden, welche Mög­lichkeiten der Erzeugung von Kooperation und Vertrauen den oben erläuterten Praktiken von den beteiligten Akteuren zugeschrieben wurden und in welchem Maße sie in der Lage waren, solche Erwartungen zu erfüllen. Welche Bedeutung hatten die Repräsentationen einseitiger Manipulation und Kontrolle von Akteuren und Gesprächssituationen? Waren sie ledig­lich Produkte der Verhandlungstheorie? Oder waren diese Dispositionen im Schreiben über Verhandlungen in der diplomatischen Praxis als Denk- und Beschreibungshintergrund präsent? 1190. Hierzu werden aus franzö­sischer Perspektive sowohl die Vermittlung eigener Intentionen und als auch die Beobachtung fremder Handlungsdispositionen aus der Perspektive franzö­sischer Gesandter betrachtet werden.

1187 Callières, Manière, 239. 1188 Bély, Espions, 112 ff. 1189 Friedrich, Drehscheibe, 160 f. 1190 Dies legt anhand franzö­sisch-italienischer Fallbeispielen im 17. und 18. Jahrhundert Waquet, Orator, 119 ff. nahe, der aber zugleich auf die Grundspannung von Kontrolle und Weiterführung von Kommunikation verweist.

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3.3 „Beziehungsarbeit“ und „gemeinsame Zukunft“ Höf­lichkeit als Technik der Kommunikationsermög­lichung schafft die elementaren Voraussetzungen für jede weitere Kommunikation. Dies gilt gerade für sprach­lich vermittelte Höf­lichkeitsformen, wobei hier vor allem an das Kompliment gedacht werden kann. Der inhalt­liche Aussagewert eines Komplimentes ist daher sekundär. Wer jemanden komplimentiert macht schließ­lich keine konstative Aussage über sein Gegenüber 1191. Diese Funktion höf­lichen Sprechens lässt sich zunächst für die Ebene der Verhandlung und Interaktion zwischen den Akteuren in ihren sozialen Identitäten als Unterhändler und „Außenpolitiker“ beschreiben. Komplimente und andere civilités waren feste Bestandteile jeder diplomatischen Kommunikation. Darauf verweist allein schon die Tatsache, dass der inhalt­lichen Verhandlung zwischen Gesandten Komplimente und Höf­lichkeitsrituale vorangestellt werden mussten. Abraham de Wicquefort betrachtete zum Beispiel Komplimente und Visiten als für jedes weitere Verhandlungsgeschehen wichtige Bekundungen von respect gegenüber den Verhandlungspartnern bzw. dem Hof, an den der Botschafter entsandt worden war. Darauf konnte nicht verzichtet werden, ohne massive Irritationen auszulösen. Er verwies allerdings auch darauf, dass solche „Routine“-Komplimente von jedem inhalt­lichen Geschehen abgekoppelt wären: Die Komplimente der Ambassadoren haben keine Folgen, solange sie simple Komplimente sind 1192. Die Praxis der Höf­lichkeit war weitgehend diplomatisches Routinehandeln. Sie hatte eine „atmosphärische“ Funktion, die die elementaren Voraussetzungen für spätere Kooperationen schaffen konnte 1193. Eine vergleichbare Funktion hatten höf­liche Sprechweisen aber auch in Situationen, in denen sich die Akteure im weitesten Sinne als Patrone und Klienten gegenübertraten. Auch die fidelité-Semantik, die die Kommunikation zwischen Klienten und Patronen prägte, verwies näm­lich zunächst nur darauf, dass es einen Grundstock an sozialer Kooperation gab und dass Folgekommunikation mög­lich war 1194. Diese Form der Kommunikation ermög­lichte es den Sprechern bzw. Schreibern auch, sich als mit gängigen Sozial- und Kommunikationsnormen vertraut darzustellen. Geht man davon aus, dass „Patronagekommunikation“ eine spezifische Form der 1191 „Mit Komplimenten teilen sich Kommunikanten keine Informationen über die Welt mit, sondern über ihre situationsspezifische Beziehung und generelle Einstellung zum andern. Wichtiger als was gesprochen wird, ist daß gesprochen wird“, Beetz, Frühmoderne Höf­lichkeit, 139. 1192 Les compliments des ambassadeurs ne font point de conséquence, lorsque ce sont que des simples compliments;Wicquefort, L’Ambassadeur I, 256. 1193 Anhand von brief­licher Kommunikation beschreibt dies Bastian, Verhandeln in Briefen, 184. 1194 Herman, Language of Fidelity, 14 f.

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Höf­lichkeit im oben beschriebenen Sinne war, so können konventionalisierte Kommunikationsformen auch hier auf das Einhalten bestimmter Grundregeln verweisen und der Koordination von Erwartungen an Folgekommunikation dienen. Übertreibungen und bewusste Anleihen bei sakralen Sprechweisen waren auch hier standardisierte, überexplizite Ausdrucksformen, um weitgehend unverbind­liche Mitteilungen über Kooperationsbereitschaft zu vermitteln 1195. „Patronagekommunikation“ muss daher nicht primär auf nutzenmaximierende Motive von Akteuren zurückgeführt werden, die in strategischer Absicht Dinge sagten, die sie nicht meinten 1196. Genau wie an elementare Formen der Höf­lichkeit werden an die Patronagerhetorik keine Aufrichtigkeitsanforderungen hinsicht­lich des Gesagten herangetragen, sodass die „Wahrheit“ von Aussagen in diesem Modus der Kommunikation prinzipiell kein relevantes Kriterium ist 1197. Wenn sich etwa franzö­sische Adelige in der Frühen Neuzeit regelmäßig unkonditionierter Solidarität und Unterstützung versicherten, so schufen sie damit weniger die Erwartung, dass sie später auch genauso handelten, sondern zeigten vielmehr, dass sie auf der Grundlage geteilter Normen und Werte, hier etwa der hochadeligen largesse, kommunizierten 1198. Die Tatsache, dass bestimmte Sprechakte stattfanden, ermög­lichte eine gegebenenfalls „kontrafaktische“ Stabilisierung eines Kommunikationszusammenhanges. Dies bedeutete nicht zwangsläufig, dass die „Gewichtigkeit“ von Semantiken der Ehre, Treue und Freundschaft den Kommunikationsprozess so auflud, dass sie unwillkür­lich die Erwartung erzeugten, dass den Worten entsprechende Taten folgen müssten oder sie gar auf aufrichtigen Emotionen zu beruhen hätten 1199. Dadurch wären in der Tat solche Formen der Kommunikation obsolet und langfristig sinnlos geworden. Die hier beschriebenen Sprechweisen dagegen konnten gerade kontrafaktische Stabilisierungsleistungen von besonderer Langlebigkeit hervorbringen, eben weil sie geteilte Werthaltungen als Kommunikationsgrundlagen beschworen und dabei zugleich von realen Handlungserwartungen entlasteten 1200. 1195 Ebd., 18 f. 1196 So etwa der Grundtenor der Kritik bei Smith, No More Language Games. 1197 Heiko Droste erkennt dies im Prinzip an, indem er davon ausgeht, dass höf­liche „Schmeichelei“ auch als solche identifiziert und nicht unter Täuschungsverdacht gestellt wurde, verbaut sich die Fruchtbarkeit dieses Befundes jedoch, wenn er im selben Zug, den Kommunikationsbegriff auf seine Funktion als Verständigung reduziert und schließt: „Wenn der Adressat davon ausgehen musste, dass das im Brief im Gesagte nicht auch das Gemeinte sein konnte, dann war dieser Brief sinnlos, die Kommunikation misslungen“, Droste, Dienst der Krone, 103. 1198 Vgl. Kühner, Freundschaft im franzö­sischen Adel. 1199 Vgl. Asch, Europäischer Adel, 116. 1200 Besonders deut­lich wird dies etwa an der von Aloys Winterling in seiner Studie zum römischen Kaiser Caligula beschriebenen „doppelbödigen Kommunikation“ über den

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Was bedeutete dies für die hier leitende Frage nach dem Vertrauen? Inwiefern ließ sich so Vertrauen kommunizieren und herstellen? Die Praxis der Höf­lichkeit unter Diplomaten oder der Austausch von civilités zwischen Patronen und Klienten war sicher nicht als Grundlage von Vertrauen im Sinne Georg Simmels zu verstehen. Höf­lichkeit kommunizierte zwar elementare Voraussetzungen von Kooperationsbereitschaft, das Einhalten sozialer Grundregeln und diente in dieser Hinsicht der Koordination von Erwartungen an Folgekommunikation 1201. Für soziale und politische Kooperation oder gar die Aufnahme von materiellen Tauschbeziehungen, also „praktisches“ Handeln im Sinne der Definition Georg Simmels, war Höf­lichkeit eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung. Die Akteure konnten allerdings durchaus auch auf die zeitgenös­sische Semantik von „Vertrauen“ zurückgreifen, um höf­liche Praktiken und die Beziehungsebene, auf die sie verwiesen, zu beschreiben. Robert de Gravel behauptete bei einem Treffen mit dem kaiser­lichen Prinzipalkommissar Thun im Sommer 1663 auf dem Regensburger Reichstag, sich mit diesem in jeder Hinsicht confidemment unterhalten zu haben. Thun habe ihn selbst bestens komplimentiert und den König dabei auch in Anwesenheit anderer Gesandter immer wieder gelobt. Hier wurde also in Bezug auf gelungene Höf­lichkeitsrituale über Vertrauen gesprochen. Von der Stiftung von Vertrauen über die unmittelbare Interaktionssituation hinaus konnte indes keine Rede sein. Gravel blieb näm­lich gegenüber Thun durchaus misstrauisch, da ihm bekannt sei, dass Thun auch mit den meisten anderen Akteuren von vergleichbarem Rang ähn­lich verfahre 1202. Vertrauensbegriffe konnten aber auch in Bezug auf den Tausch von Informationen gebraucht werden. Franz Egon von Fürstenberg schrieb im September 1657 an den bayerischen Oberhofmeister Maximilian Kurtz, er schicke hirbey in Vertrawn, was wir gestern gleich bey unserem Aufbruch von den Herrn Deputierten zu Frankfurth für Brief empfangen […] daß ich solchs zu erhaltung

Herrschaftskonsens des römischen Prinzipats. Während der Senat und vor allem der Kaiser eine Rhetorik gebrauchten, die die Fiktion einer Senatsherrschaft aufrechterhielten und die Rolle des Princeps vor diesem Hintergrund definiert wurde, festigte sich vor diesem Hintergrund die unangefochtene Macht des Princeps. Dysfunktionalitäten entstanden, wenn einzelne Akteure, wie etwa Kaiser Caligula, den Konsens bewusst und mit Blick auf Systemveränderung manipulierten und forderten, die Rhetorik müsse sich der Realität anpassen. Sie ergaben sich aber nicht aus systemischen Schwierigkeiten mit der Diskrepanz von Rhetorik und „Wirk­lichkeit“ der politischen Kommunikation. Diese definierte bis weit ins 3. Jahrhundert hinein den formellen Herrschaftskonsens, vgl. Winterling, Caligula. 1201 Zu diesem Verhältnis von Höf­lichkeit und Vertrauen, vgl. Beetz, Höf­lichkeit, 172. 1202 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.10.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 215v).

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guten Vertrawens und correspondentz ahn einen sicheren freundt communicir 1203. Neben der hier ebenfalls thematisierten „Vertrau­lichkeit“ einer Mitteilung verweist „Vertrauen“ auch auf die Weiterführung einer Kommunikation, die auf regelmäßigen Visiten oder eben der Führung „guter Korrespondenz“ beruhte. Gerade im Falle von Fürstenberg und Maximilian Kurtz dürfte Vertrawn weder politische Kooperation geschweige denn eine freundschaft­liches Nahverhältnis bezeichnet haben. Während der Kaiserwahl bezichtigten sich beide gegenseitig der Lügenhaftigkeit, Kurtz bezeichnete Fürstenberg gar als einen Bettler 1204. Auch wenn die Akteuren prinzipiell Höf­lichkeit als soziales ­Routinehandeln zur Ermög­lichung von Folgekommunikation betrachteten, gab es dennoch Interpretationsspielräume hinsicht­lich der Bezüg­lichkeit höf­licher Praxis und der „Reichweite“ von mög­licher Folgkommunikation. Diese konnten sich situationsabhängig verändern und waren häufig Gegenstand von Aushandlungsprozessen sowohl von Akteure vor Ort als auch von Diplomaten und ihren Prinzipalen. Unklarheiten konnten bei Gesandten etwa hinsicht­lich der Frage bestehen, auf wen sich Höf­lichkeit überhaupt bezog. Dies konnte auch zu einem Gegenstand der Aushandlung zwischen Gesandten und ihren Prinzipalen werden. Dies lässt sich anhand der Interpretation von Vorkommnissen am Mainzer Hof aus dem Jahre 1668 verdeut­lichen. Johann Philipp von Schönborn hatte einige für den franzö­ sischen Gesandten äußerst bedenk­liche Beziehungssignale gesetzt. Jacques de Gravel bekam etwa kein fauteuil mehr am Tisch des Kurfürsten zugewiesen. Dies beschwor in seinen Augen die Gefahr herauf, dass der Vertreter des franzö­sischen Königs auf den Status des Gesandten eines Reichsfürsten zurückgestuft wurde 1205. Außenstaatssekretär Lionne wollte sich allerdings sicht­lich nicht auf diese Interpretation einlassen. Er war primär an einer Verbesserung des zunehmend schlechter werdenden Verhältnisses zu Kurmainz interessiert. Daher stellte er sogar seinen eigenen Residenten gegenüber dem Mainzer Kurfürsten zur Disposition, um die Mög­lichkeiten weiterer Kooperation nicht völlig zum Erliegen kommen zu lassen 1206. Ebenso war es Gravels Konkurrenten am Mainzer Hof, Jacques Du Fresne, gelungen, in Paris zunächst seine Version der Dinge und vor allem entsprechende Beschwerden Johann Philipps über den franzö­sischen Residenten in Mainz zu Gehör zu bringen 1207.

1203 Franz Egon von Fürstenberg an Maximilian Kurtz, Dinkelsbühl, 10.9.1661 (BHStA, Kasten schw., 16650, fol. 182r). 1204 Vgl. Heide, Kaiserwahl, 43, Anm. 2. 1205 Jacques de Gravel an Lionne, Würzburg, 28.1.1668 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 264r). 1206 Lionne an Jacques de Gravel, Paris, 7.3.1669 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 272v). 1207 Vgl. Du Fresne an Lionne, Würzburg, 3.12.1668 (BStAW, KA Sch., fol. 59r).

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Dementsprechend reagierte der Außensstaatssekretär: Er unterstellte in einem Brief an den in Regensburg weilenden Robert de Gravel, dessen Bruder habe die Konflikte am Mainzer Hof selbst unnötigerweise provoziert. Er sei beim Mainzer Kurfürsten in Ungnade geraten, weil er sicht­lich zu sehr fixiert auf das Zeremoniell (trop roide pour le cérémonial) sei. Damit meinte Lionne aber gerade nicht das Zeremoniell als völker- und gesandtschaftsrecht­liche Kategorie, sondern die persön­lichen, in den Augen Lionnes völlig überzogenen Erwartungen des Gesandten an die ihm zustehenden Bezeugungen von Höf­lichkeit: man hat mir gesagt […] dass er diesem Fürsten viel Ärger bereitet hat wegen zeremonieller Haarspaltereien mit Anderen, da er sich ständig darüber beschwert, weder angemessen noch im richtigen Verhältnis zu seinem Rang berücksichtigt zu werden, und da er darauf achtet, wenn er dem Kurfürsten auf Reisen folgt, ob man einem Anderen ein etwas besseres Zimmer als das seine gibt, und dergleichen Bagatellen 1208. Lionne akzeptierte nicht, dass sein Resident am Mainzer Hof Höf­lichkeiten oder Unhöf­lichkeiten so interpretierte, dass sie „zeremonielle“ Aussagen über den Status des Königs waren 1209. Er sollte sich auf sein „Kerngeschäft“ als Resident ohne formale caractère konzentrieren. Höf­lichkeit und deren Veränderungen waren das persön­liche Problem des Gesandten. Dies war frei­lich nur mög­lich, da es sich bei Jacques de Gravel um einen niederrangigen Gesandten handelte und nicht um einen Ambassadoren, der seinen Herren in personam vertrat. Dieser Typus von Stellvertetung eröffnete aber gerade für die Reichsstände produktive Ambivalenzen. Dissens und Verhandlungsbedarf waren, wie André Krischer anhand des Kölner Hofes im 18. Jahrhunderts gezeigt hat, gegenüber niederrangigen Gesandten seitens der Kurfürsten symbo­lisch kommunizierbar, da dies aufgrund ihres Status nicht zur Eskalation eines Rangkonfliktes und zum Kommunikationsabbruch führen musste, der franzö­sischen Krone aber dennoch die Behandlung ihrer Gesandten zumeist wichtig genug war, um hierauf reagieren zu müssen 1210. 1208 On m’a dit […] qu’il a fait beaucoup de peine à ce Prince pour des pointilles de cérémonies avec d’autres, se plaignant tousjours de n’estre pas assez considéré ny aveq proportion à son caractère et prenant garde quand il suit l’électeur en ses voyages, si on donne une chambre à un autre une peu meilleure que n’est la sienne et ainsi de semblables bagatelles, Lionne an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 26.10.1668 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 254r). 1209 Allerdings entschuldigte sich Lionne wenig später indirekt, indem er zugab, dass er nun nicht mehr der Meinung sei, Gravel habe selbst zur Krise der franzö­sisch-mainzischen Beziehungen beigetragen, vgl. Lionne an Robert de Gravel, Paris, 21.1.1669 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 276r). 1210 Auf diesem Umstand verweist anhand des kurkölnischen Hofes im 18. Jahrhundert, Krischer, Ambassaden, 169. Ähn­lich zeigt auch Köhler, Strategie, 239 ff., wie die unangemessene Behandlung von Gesandten in ihren Rollen als honnêtes hommes auf ihre Prinzipalen bezogen werden und diese zur Reaktion zwingen konnte.

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Die Zuschreibung der „Reichweite“ von Höf­lichkeit konnte auch sehr vom augenblick­lichen Status der Beziehungen abhängen. Dies lässt sich etwa an der Kommunikation von Verhandlungspartnern auf Friedenskongressen ablesen. Höf­ lichkeiten zwischen verfeindeten Parteien waren für die in Friedensverhandlungen erforder­liche kooperative Kommunikation durchaus „folgenreich“, zeigten sie doch, dass signifikante Beziehungsveränderungen und schlussend­lich Frieden prinzi­ piell mög­lich waren. In diesem Fall konnten sogar bloße Förm­lichkeiten, wie etwa Begrüßungskomplimente eine Rolle spielen 1211. Auch in den asymmetrischen Beziehungen zwischen Frankreich und den geist­ lichen Kurfürsten hatten Praktiken der Höf­lichkeit nicht zu jedem Zeitpunkt denselben Aussagewert und beförderten nicht immer dieselben Interpretationen. Dies zeigte sich vor allem an den franzö­sisch-mainzischen Beziehungen im Vorfeld des franzö­sischen Überfalls auf die Niederländische Republik Ende 1671 bis Anfang 1672. In den Jahren zuvor hatte dieses Verhältnis insbesondere mit der Auflösung der Rheinallianz und dem Aachener Frieden stark gelitten 1212. Nun wurden jedoch gegenseitige Bemühungen um eine Wiederannäherung spürbar. Johann Philipp von Schönborn ließ bei Gravel anfragen, ob die franzö­sische Krone unter Umständen bereit sei, den einstmals abgebrochenen regelmäßigen Tausch von Informationen wieder aufzunehmen 1213. Im Rahmen der kooperativen Beziehungen, die Frankreich und Kurmainz einst gepflegt hatten, wäre ein solcher commerce von Informationen nicht der Rede wert gewesen 1214. Vor dem Hintergrund des beschädigten Verhältnisses beider Seiten handelte es sich aber eben um keinen beliebigen routineartigen Kommunikationsakt, den man ohne weiteres initiieren konnte. Dies verdeut­lichten nicht zuletzt die ersten Reaktionen auf den Vorstoß des Kurfürsten: Louvois, der nach dem Tod Lionnes den vakant gewordenen Posten des Außenstaatssekretärs vorübergehend übernommen hatte und nicht unbedingt für ausgeprägtes understatement bekannt war 1215, erklärte zunächst, eine solche Ehre habe der Mainzer Kurfürst für sein Verhalten in der Vergangenheit sch­licht nicht verdient. Käme man ihm jetzt in dieser Form entgegen, könne dies gar zum Schaden des Königs gereichen 1216. Diese 1211 Vgl. Köhler, Höf­lichkeit, 387 f. 1212 Mentz, Johann Philipp, Bd. 1, 146 ff; Badalo-Dulong, Trente Ans, 130 – 152. 1213 Jacques de Gravel an Louvois, Mainz, 7.11.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 106v). 1214 Für Veit von Seckendorff, war der Austausch von notificationes dort selbstverständ­ liche Praxis, wo Verwandtschafft und Vertrauligkeit etwas grösser wären, vgl. Seckendorff, Teutscher Fürsten-Staat, 175 f. 1215 Zu Louvois vgl. die politischen Biographien von Corvisier, Louvois. 1216 Sa Ma té est trop bien informée de tout ce qu’il fait négocier dans l’Empire pour les interests et les advantages de gens qui n’en sont point membres et dont la conservation n’importe rien à celle de l’Empire, ce qui faisoit juger Sa Ma té que sa confiance seroit très mal placée en la personne du E lr. et que bien loin qu’elle en pût tirer aucun fruit, elle luy seroit nuisible,

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anfäng­liche Ablehnung zeigte also, dass solche für gewöhn­lich als routinemäßig zu betrachtenden Kommunikationsakte in einer krisenhaften Phase der Beziehung zweier politischer Akteure keine folgenlose Selbstverständ­lichkeit waren. In dieser Situation war es offensicht­lich an Johann Philipp, den ersten Schritt zu tun. Merk­lich in Gang kam eine Verbesserung der Beziehungen näm­lich erst, als Jacques de Gravel in den folgenden Monaten eine sicht­liche Steigerung des Aufkommens an Höf­lichkeit ihm gegenüber wahrnahm. Er wurde nun, im Gegensatz zu den Jahren zuvor, wieder regelmäßig zu allen geist­lichen Akten des Erzbischofs gebeten, häufig zum Abendessen eingeladen und dabei an prominenter Stelle platziert, ja sogar mit Jagdtrophäen beschenkt 1217. Gravel fasste dies nun gerade im Vergleich zum vorangegangenen Verhalten des Kurfürsten als offenkundiges Signal für die signifikante Verbesserung der politischen Beziehungen auf. Dieser Deutung stimmte nun auch der ursprüng­lich skeptische Louvois voll zu 1218. Als schließ­lich der neue Außenstaatssekretär Pomponne seinen Dienst antrat und Johann Philipp ihm besonders höf­liche Komplimente ausrichten ließ, war man von franzö­sischer Seite überzeugt, auch den von Mainz gewünschten Informationskommerz ohne Schwierigkeiten wieder aufnehmen zu können 1219. Die Übergabe von Informationen durch Jacques de Gravel am Mainzer Hof im Zuge der zwischenzeit­lichen Wiederannäherung an den Kurfürsten 1672 wurde so zu einem Mittel, mit dem die franzö­sische Seite die Bereitschaft zur Restituierung der ehemals engen politischen Beziehungen anzeigte. Ebenso wird deut­lich, dass Höf­lichkeit und Informationen so zu symbo­ lischen Gütern werden konnten, die sich gegeneinander austauschen ließen. Auf die primär symbo­lische Bedeutung des Flusses von Informationen, insbesondere solcher, die sich auf das aktuelle politische Geschehen bezogen, verwies Johann ­Philipp in diesem Kontext selbst. Er behauptete explizit, dass es ihm vor allem darauf ankäme, dass er diese Informationen direkt von der franzö­sischen Krone erhalte 1220. Über ihren „Nachrichtenwert“, ob man sie genauso gut durch eigene Informanten oder gar über veröffent­lichtes Schriftgut hätte einholen können, darüber lassen sich hier keine Aussagen treffen. Wichtig war dem Kurfürsten jedoch, dass überhaupt Informationen ­ ouvois an Jacques de Gravel, St. Germain-en-Laye, 24.11.1671 (AMAE, CP, MayL ence 11, fol. 116r). 1217 Jacques de Gravel an Louvois, Würzburg, 26.12.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 130r). 1218 Louvois an Jacques de Gravel, St.Germain-en-Laye, 8.1.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 133r); Jacques de Gravel an Louvois, Würzburg, 30.1.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 144v). 1219 Pomponne an Jacques de Gravel, „au Camp de Merck“, 14.6.1672 (AMAE, CP, ­Mayence 11, fol. 226r). 1220 Il tesmoigne y prendre beaucoup plus de plaisir d’une ligne qu’on luy communique par les ordres du Roy où les vostres, que toutes les cognoissances qu’il peut tirer d’ailleurs, Jacques de Gravel an Pomponne, Würzburg, 29.5.1672 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 219v).

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flossen. Die politischen Folgen dieses Versuches der Verbesserung von Beziehungen waren jedoch stark eingeschränkt. Mehr als halbherzige positive Signale gegenüber einer kurmainzischen Mediation im Konflikt mit den Niederlanden seitens der franzö­ sischen Krone gab es kaum 1221. Die implizit gegen Frankreich gerichtete Marienburger Allianz im selben Jahr ließ sich auch nicht verhindern. Dass höf­lichen Praktiken unter bestimmten Umständen mehr Gewicht als das einer reinen Kommunikationsroutine zugeschrieben werden konnte, lässt sich aber auch in anderen Kontexten und aus nicht-franzö­sischer Perspektive beobachten: Während seines Aufenthaltes in Mainz versuchte der kaiser­liche Gesandte Landsee zwischen 1673 und 1675 explizit das Verhältnis des Kaisers zum neuen Kurfürsten und Erzbischof Lothar Friedrich von Metternich zu verbessern und vor allem den Einfluss seines franzö­sischen Konkurrenten Jacques de Gravel auf den Kurfürsten zurückzudrängen 1222. Dies geschah aber zu einem Zeitpunkt, als sich die Beziehungen zwischen Frankreich sowie Kaiser und Reich auf Kriegskurs bzw. seit Februar 1674 in der Situation eines tatsäch­lichen Reichskrieges befanden. Während viele franzö­sische Gesandte das Reich verlassen mussten, blieb Jacques de Gravel zum Ärger Landsees und entgegen seiner Bemühungen zunächst vor Ort: Der Kurfürst wollte in einer für seine Territorien militärisch bedroh­lichen Situation offensicht­ lich nicht auf „seinen“ franzö­sischen Gesandten verzichten 1223. Auch der höf­liche Umgang mit dem Gesandten hatte sich nicht verändert. Landsee ließ keine Gelegenheit aus, sich über diesen „Missstand“ zu beklagen, und erregte sich darüber, dass Ihro churfürstl. Gnd. sowohl als theils deren ministri immerdar mit dem Abbé Gravel gar zu große familiaritet gebrauchen 1224. Schon Landsees Wortwahl deutet darauf hin, dass er mehr als nur symbo­lisches Routinehandeln zwischen Kurfürst und Gesandtem witterte. „Familiäre“ Verhältnisse verwiesen näm­lich bereits auf die Mög­lichkeit des Verzichtes auf Formalitäten in der Interaktion 1225. Höf­lichkeit lief aber für den kaiser­lichen Gesandten in einer Situation, in der sich Kaiser und Reich im Krieg mit Frankreich befanden, eben nicht auf formalisierte Kommunikation trotz Konflikt hinaus, sondern stand unter dem Generalverdacht, auf eine verborgene, vertrau­liche und für die Interessen von Kaiser und Reich potentiell bedroh­ liche Inhaltsebene zu verweisen. Dies führte seitens des kaiser­lichen Gesandten zu 1221 Vgl. hierzu Decker, Frankreich, 120 ff. 1222 Dies sprach seine Instruktion offen an, vgl. Leopold I. an Landsee, Graz, 5.10.1673 (HHStA, Rep. N 33, pars 1 fol. 1r). Zur Landsee-Mission, vgl. Müller, Wien und Kurmainz. 1223 Landsee an Leopold I., Mainz, 13.5.1674 (HHStA, Rep. N 33, pars 1, fol. 121v). 1224 Landsee an Leopold I., Mainz, 27.4.1674 (HHStA, Rep. N 33, pars 1, fol. 110r). 1225 Vgl. Zedler, Universal-Lexicon, 40, Art. Stylus Familiaris spricht davon, dass familiärer Umgang unter guten freunden üb­lich sei, man könne seine Gedancken durch eine deut­liche adäquate Worte [sic!] ausdrücken.

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Irritationen, die in „normalen“ Rivalitätssituationen wohl nicht entstanden wären. So störte sich Landsee bereits daran, dass Lothar Friedrich Gravel in einer geheimen Audienz empfangen habe, und dieser sich eben eine stundt bey Sr. churfürstl. Dlt. sich aufgehalten und ihn auf befehl seines Königs aller freundtschafft versichert hete. Über das, was tatsäch­lich verhandelt wurde, wisse er nichts genaues, verspreche sich aber, so Landsee besorgt, nichts Gutes 1226. Als Gravel auf Initiative Landsees schließ­lich doch abreisen musste, störte sich letzterer noch daran, dass man offensicht­lich die Aufrechterhaltung einer Korrespondenz vereinbart hatte – wiederum ein kommunikativer Routineakt, der jedoch in der Situation des Reichskrieges nur schwer akzeptiert werden konnte 1227. „Relationalität“ war also ein Faktor, der die Zuschreibung der Intentionen und der Folgen von Höf­lichkeit stark beeinflusste. Rasche Steigerungen des Niveaus von Höf­lichkeit oder auch nur das Funktionieren von höf­lichem Routinehandeln in „beschädigten“ Beziehungen gaben Anlass für weitergehende Projektionen auf der Inhaltsebene. Ebenso konnte in Situationen, in denen von bestimmten Akteuren Abgrenzung und Konflikt geradezu gefordert wurden, jede noch so unverbind­liche Höf­lichkeit bereits als ein zu verbind­liches Beziehungssignal mit mög­licherweise weitreichenden Verweisen auf eine Inhaltsebene verstanden werden. Unklarheiten konnten aber auch über das Verhältnis von kommunikations­ermög­ lichender und strategisch-manipulativer Höf­lichkeit bestehen. Kommunikationsakte, die nur der Schaffung einer gemeinsamen Kommunikationsgrundlage dienen sollten, konnten dann entgegen der Normen durchaus unter Motivverdacht geraten. Ein solches mög­liches Missverständnis ergab sich etwa bei der ersten Begegnung Robert de Gravels mit Guidobald von Thun, dem kaiser­lichen Prinzipalkommissar auf dem Regensburger Reichstag. Dass beide später ein vergleichsweise kooperatives Verhältnis zueinander entwickeln sollten, war bei ihrer ersten Begegnung noch keineswegs absehbar. Gravel beschrieb zunächst einen typischen Beginn: Diese erste Visite verlief sowohl von meiner als auch von der anderen Seite ausschließ­lich in Komplimenten. Das Treffen wurde jedoch rasch und unerwartet politisch aufgeladen: Nach dem Essen, zu dem er mich geladen hatte, handelte er von den aktuellen Angelegenheiten. Thun sparte nicht mit Lob für die franzö­sische Krone, sprach sich für die franzö­ sische Türkenhilfe aus und bezog auch als Erzbischof und Vertreter eines habsburgischen Herrschers im Streit zwischen Frankreich und der Kurie erstaun­lich klar Position für die franzö­sische Krone 1228. Der Prinzipalkommissar äußerte sich dabei

1226 Landsee an Leopold I., Mainz, 2.6.1674 (HHStA, Rep. N 33, pars 1, fol. 128r). 1227 Landsee an Leopold I., Mainz, 4.1.1675 (HHStA, Rep. N 33, pars 2, fol. 11r). 1228 Cette première visite ne se passa presque qu’en compliments de ma part et d’autre […] après Diner où il m’avoit convié, il se mit à des affaires de temps, Robert de Gravel an ­Ludwig XIV., Regensburg, 19.7.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 132r).

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aber so unerwartet und in den Augen Gravels offenbar überzogen frankreichfreund­ lich, dass er dies nicht als positives Beziehungssignal, sondern vor allem als Irritation wahrnahm. Er witterte ein Täuschungsmanöver, das ihn mög­licherweise dazu bringen sollte, sich unvorteilhaft über den Kaiser zu äußern. Gravel wies Thuns Kommunikationsangebote zurück, indem er eine Ausweichstrategie wählte und nur höchst allgemein über die guten Intentionen des Königs für das Wohl des Reiches sprach 1229. „Kommunikationsanknüpfung“ konnte also auch daran scheitern, dass sie vom Gegenüber als taktisches Manöver wahrgenommen wurde. Missverständ­lich praktizierte bzw. falsch verstandene Höf­lichkeit erfüllte hier gerade nicht die Funktion, zumindest elementares Vertrauen zu schaffen, sondern erzeugte im Gegenteil Misstrauen, das Folgekommunikation vorerst blockierte. Prinzipale, Gesandte und Klienten konnten aber auch in verschiedener Form Unklarheiten zwischen Höf­lichkeit auf einer Beziehungsebene und inhalt­licher Kommunikation zum Gegenstand aktiver Aushandlungsprozesse machen. Dabei konnte es aber gerade in Hinblick auf Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein, dass Aussagen, die mög­licherweise auf tatsäch­liche Kooperation verweisen konnten, so beobachtet und interpretiert wurden, dass sie nichts weiter darstellten als Höf­lichkeit. Gegenüber ihren Prinzipalen unterstellten etwa Gramont und Lionne während der Kaiserwahl den spanischen Agenten Saria und Mayer äußerste Naivität und Inkompetenz. Diese würden näm­lich aus unverbind­licher, höf­licher Kommunikation mit Johann Philipp von Schönborn weitergehende Schlüsse über die politischen Absichten des Mainzer Kurfürsten ziehen. Sie fassten offensicht­lich ernsthaft Komplimente als vertrag­liche Verpf­lichtungen auf. Dabei habe sie der Kurfürst, so stellten es zumindest die Gesandten dar, doch offensicht­lich nur durch einige schöne Worte hingehalten 1230. Vergleichbar sind Robert de Gravels Reaktionen auf die bereits angesprochenen Verhandlungen Franz Egon von Fürstenbergs in Wien im Jahr 1660. Er erklärte, dass man den kolportierten Aussagen Fürstenbergs, die letzt­lich auf eine Kehrtwende Kurkölns in der Frage der Verlegung der Reichsdeputation und bei der Verlängerung der Rheinallianz hinausliefen, keine allzu große Bedeutung beimessen dürfe. Die Aussagen Franz Egons müssten vielmehr als reiner Akt der Höf­lichkeit gewertet werden: Es war einfach, irgendeine Gefälligkeit an dem Ort zu äußern, an dem er jetzt 1229 Il me seroit encor difficille de juger selon ce qui ce Prince m’a dit vient de coeur ou s’il a peut estre fait dessein de me faire parler. Je luy ai tousiours respondu aveq beaucoup de retenue m’estant contenté de luy bien expliquer les bonnes intentions de Vre. Majesté pour tout ce qui regarde le bien de l’Empire sans luy vouloir rien dire d’ou il avoit pu croire que l’on auroit voulu de la part de V. Ma té decréditer les actions de l’Empereur pour en tirer advantage, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 19.7.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 132v). 1230 Lionne an Mazarin, Frankfurt, 27.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 340v).

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ist. Meiner Meinung nach wird er nicht weiter gehen wollen 1231. Hier wollte Gravel aber nicht seine Prinzipalen überzeugen, sondern mit Johann Christian von Boineburg ein Mitglied der franzö­sischen Faktion im Reich. In anderem Zusammenhang war es Franz Egon von Fürstenberg selbst, der versuchte, Versicherungen über bereits bestehende makro- und mikropolitische Kooperationen als reine Höf­lichkeit darzustellen. Im Mai 1658 versicherte er näm­lich dem eigens nach Bonn gereisten kaiser­lichen Gesandten Graf Czernin, dass man seine Bekundungen über zukünftige Zusammenarbeit mit Frankreich, die er Gramont und Lionne auf dem Frankfurter Wahltag gegeben habe, nicht allzu ernst nehmen dürfe. Dass man ihn als Frankreichfreund wahrnehme, führte Fürstenberg auf die Überinterpretation höf­licher Sprechweisen zurück. Es sei schließ­lich bekannt, dass man in Verhandlungen eben derartige Zusicherungen mache, ohne dass dies konkrete Folgen zeitige. Die Verhandlungen mit den franzö­sischen Gesandten habe man schließ­lich nicht verhindern können. Man hätte ihm dabei finanzielle Angebote gemacht, die für ihn aber ohne Bedeutung seien. Franz Egon verstieg sich sogar zu der zu diesem Zeitpunkt bereits sch­lichtweg falschen Behauptung, überhaupt kein Geld von der franzö­sischen Krone angenommen zu haben 1232. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass höf­liche Praktiken für die Bildung und Aufrechterhaltung von Vertrauen unerläss­lich, aber nicht hinreichend waren. Auf politisches Vertrauen als solide Handlungsbasis konnten sie weder verweisen, noch dieses performativ herstellen. Sie verwiesen auf die Mög­lichkeit von Folgekommunikation und späterer Kooperation. Höf­lichkeit war deutungsoffen und bewegte sich auf einem relativ niedrigen Niveau von Verbind­lichkeit und Festlegung. Dies machte sie zu einem besonders geeigneten Medium, Kommunikationsgrundlagen auch ohne „inhalt­lich“ vertiefte Beziehungen herzustellen. Genau dieser Aspekt machte sie jedoch für die Anzeige und Herstellung von Erwartungssicherheit, wie sie für Vertrauensbeziehungen essentiell waren, für sich genommen ungeeignet. Diese Deutungsoffenheit führte zudem zu Unklarheiten in Bezug auf Reichweite, Bezüg­lichkeit und Folgen von Höf­lichkeit. Vier Faktoren konnten hier für Unklarheiten und Missverständnisse sorgen, aber auch Deutungskonflikte und Unentscheidbarkeiten hervorbringen: Der erste dieser Faktoren war insbesondere im Falle von Gesandten das Problem unklarer Referenzen. Bezogen sich bestimmte

1231 il a été bien aise de tesmoigner quelque complaisance dans le lieu où il est et ma pensée n’est pas qu’il ait voulu passer plus avant, Robert de Gravel an Boineburg, Frankfurt, 8.6.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 285v). 1232 Czernin an Leopold (I.), Bonn, 23.3.1658 (HHStA, RK, WKA 19b, pars 2, fol. 107r). Vgl. zur Mission Czernins auch Steiner, Stellung, 83.

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Praktiken auf den Herrscher und waren Elemente des Zeremoniells oder waren sie ledig­lich auf die Person des Gesandten gerichtetet civilités? Der zweite Faktor, der die Deutung von Höf­lichkeit beeinflusste, war Relationalität, d. h. die Tatsache, dass sich die Zuschreibung der Reichweite von Höf­lichkeit mit dem Status der Beziehungen bestimmter Akteure zueinander veränderte. Der dritte Faktor war der Umstand, dass Höf­lichkeit in bestimmten Situationen statt als Kommunika­ tionsanknüpfung wie ein strategisches Mittel interpretiert werden konnte. Zu guter Letzt konnten alle Akteure mit sehr verschiedenen Interessen daran arbeiten, sich die Ambiguität von Höf­lichkeitskommunikation zunutze zu machen, um für die eine oder andere Partei mög­liche „verstörende“ Aussagen über vertiefte Kooperation ganz bewusst als im unverbind­lichen und deutungsoffenen Modus der Höf­lichkeit geäußert darzustellen. Hier bot schließ­lich die Unbestimmtheit von Höf­lichkeit Anschlüsse für strategisches Handeln zur Rechtfertigung und zur Selbstdarstellung.

3.4 Vertrauen zwischen insinuation und normativer Überziehung – Zwei Verhandlungen mit geist­lichen Kurfürsten (1657/58 und 1672) Wie bereits angedeutet gehörte auch die Stiftung von Vertrauen als Handlungsdisposition zu den zentralen Aufgaben des frühneuzeit­lichen Gesandten. Fallbeispiele aus der Praxis der franzö­sischen Diplomatie im frühen 17. Jahrhundert, etwa den Verhandlungen des auch in der Traktatliteratur immer wieder als „Musterdiplomaten“ hervorgehobenen Gesandten Heinrichs IV. in Rom, Arnaud d’Ossat, zeigen deut­ lich, dass auch hier Unterhändler die Herstellung von handlungsermög­lichender ­confiance et asseurance gegenüber seines Verhandlungspartnern kommu­nizieren sollten 1233. Anhand des Beispiels von d’Ossat hob auch Abraham de Wicquefort die Stiftung von confiance und assurance als zentrale Aufgabe eines jeden Ambassa­doren hervor 1234. François de Callières machte ebenfalss Vertrauen zur zentralen Ressource seines négociateur. Er entwarf verschiedene Mög­lichkeiten, sich ein solches zu „erarbeiten“. Dafür sollte sich der Unterhändler zum einen auf seine „Kernkompetenzen“ in den Sprach- und Verhaltensstilen des honnête homme verlassen, aber eben auch, wie weiter oben erläutert, Information in manipulativer Absicht einsetzen 1235. 1233 Vgl. Waquet, Orator, 121. 1234 Vgl. Wicquefort, Ambassadeur II, 66. 1235 Le moyen de réusir […] est d’acquérir l’estime, l’amitié et la confiance du prince et de ceux qui y sont en crédit. Il faut pour cela qu’en travaillant à leur plaire, il s’applique avec soin à leut ôter tous les soupçons&les ombrages qui pourroient l’en éloigner, qu’il les persuade de ses bonnes intentions à leur égard, Callières, Manière, 239.

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Gerade Verhandlungen mit mindermächtigen Fürsten waren besonders für Callières’ Konzept der Verhandlung von Bedeutung. Der Fürst war Callières zufolge in besonderem Maße der Gefahr von Manipulation durch überzogene Adressatenerhöhung ausgesetzt, stand er doch unter einem rollenbedingten Zwang zu einer für seine Reputation unerläss­lichen „Ehrliebe“. Dies machte ihn in den Augen Callières’ für manipulative Schmeichelei besonders empfäng­lich 1236. Die diplomatische Theorie orientierte sich, wie weiter oben erläutert wurde, stark an den zeitgenös­sischen Konversationsidealen des honnête homme, die die Technik höf­licher Konversation als ein strategisches Mittel der Überzeugung betrachteten und das mög­lichst weitgehende emotionale Verstrickung schaffen sollte 1237. Im Folgenden soll anhand konkreter Fallbeispiele aus den Beziehungen Frankreichs zu den geist­lichen Kurfürsten im Alten Reich gefragt werden, mit welchen kommunikativen Mitteln im Rahmen von Verhandlungen Vertrauen und Kooperation hergestellt werden konnten. Knüpfte die diplomatische Praxis an die weiter oben beschriebenen strategischen Kommunikationsideale an? Oder erforderte die Logik der Praxis völlig andere Strategien? 1238 Dafür sollen im Folgenden zwei Fallbeispiele untersucht werden: Erstens, die Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn vor und während der Kaiserwahl, die zunächst von Robert de Gravel, später von Gramont und Lionne geführt wurden. Hier ging es vor allem darum, den Mainzer Kurfürsten für eine nicht-habsburgische Kaiserwahl zu gewinnen. Ebenso sollte die Kooperation in Fragen des Friedensschlusses zwischen Spanien und Frankreich und in Bezug auf Sicherheitsgarantien für die Reichsstände sichergestellt werden. Zweitens, die Verhandlungen zwischen dem franzö­sischen Sondergesandten Isaac de Pas, Marquis de Feucquières, der die Haltung der rheinischen Kurfürsten unmittelbar vor Beginn des Niederländischen Krieges abklären bzw. im Sinne der Krone beeinflussen sollte, mit Johann Philipp und dessen Kollegen Karl Kaspar von der Leyen. Analysen der Verhandlungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts verweisen auf ein erheb­lich weiteres Repertoire an Verhandlungsstilen, das weit über die Bindung an honnête homme-Ideale und Callières’ bewusst simplifizierende Kommunikations­ theorie hinausging 1239. Verhandlungsstile konnten auch nicht bestimmten Akteurs 1236 Waquet, Callières, 118 f. 1237 Die Traktatliteratur im 17. und 18. Jahrhunderts positionierte sich dabei frei­lich teilweise bewusst abseits der diplomatischen Praxis. Callières ging es ja nicht um eine Bestandsaufnahme des Gängigen. Er verstand seine Abhandlung als Angebot zur Korrektur einer von ihm als dysfunktional beschriebenen Praxis. Vgl. Waquet, Callières, 86 f. 1238 Köhler, Strategie und Symbolik, 37. 1239 Dies bestätigt auch Jean-Claude Waquets stichprobenartige Analyse der Verhandlungspraxis verschiedener franzö­sischer Gesandter in Italien während des 17. und

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gruppen oder gar Einzelpersonen zugeschrieben werden. Diplomatische Verhandlung war eine Praxis, die aus verschiedenen Praktiken und Verhaltensstilen bestehenden „Repertoires“ zusammengesetzt war. Akteure konnten bzw. mussten situations- und adressatenabhängig zwischen diesen changieren 1240. Dies war auch im Rahmen der Verhandlungen mit Johann Philipp von ­Schönborn der Fall. In seinen Unterredungen mit dem Kurfürsten vor der Kaiserwahl griff Robert de Gravel nicht nur auf Schmeichelei und einen art de plaîre zurück. ­Gravel berichtete, er habe feststellen können, dass die von ihm geäußerte Behauptung, in Wien mache man sich allenthalben über die von den Kurfürsten vorgetragenen Friedens und Allianzpläne lustig und halte sie für bedeutungslose Streiche mit der Feder, Johann Philipp in besonderem Maße zu treffen schien. Entgegen seinem sonst eher sanftmütigen Temperament sei er zornig geworden, habe mehrmals den Kopf geschüttelt, mit der Hand auf den Tisch gehauen und gedroht, er werde dafür sorgen, dass sich die Scherze der Österreicher schon bald in Reue verwandelten 1241. Zwar setzte Gravel auch hier bei der „Ehrliebe“ des Kurfürsten an, um seine Verhandlungsinteressen zu befördern und suchte nach Mög­lichkeiten zur emotionalen Verstrickung seines Verhandlungspartners. Kooperation sollte hier aber nicht mit einer art de plaire, sondern mit offener Provokation, die mit subtiler Insinuation wenig zu tun hatte, hergestellt werden 1242. 18. Jahrhunderts, die deut­lich zeigt, dass trotz des „Leitfossils“ höf­licher Konversation Verhandlungsformen in hohem Maße situationsabhängig zwischen feier­lichen, informellen, geselligen oder aggressiven Stilen variierten, vgl. Waquet, Orator, 126. 1240 Zum Begriff des Verhaltensstils vgl. Dinges, Historische Anthropologie. Zum Verhaltensstil als Kategorie zur Beschreibung geschicht­licher politischer Praxis vgl. Engels, „Verhaltensstil“. Zum komplementären Verhältnis von „Praxis“ und „Praktiken“ vgl. die handlungstheoretischen Überlegungen bei Reckwitz, Toward a Theory of Social Practices, 251 f. 1241 Je ne sçaurois pu m’empescher de remarquer particulièrement à Monseigneur, la colere dans laquelle Monsr. L’électeur si mist lorsque je luy dis que l’on passoit dans la Cour de Vienne ­jusqu’à la mocquérie, que l’on parloit publiquement en termes de dérision des avis qu’ilz avoient donnés à l’Empereur en disant qu’il ne falloit pas laisser de faire ses affaires et que l’on en seroit quitte pour des coups de plumes qui ne feroient point de mal […] quoyque Mon Sr électeur soit d’un tempérament assez froid et d’un humeur fort modéré, il ne laissa pas de tourner la teste et en frappant sur la table de dire [...] d’une façon que je n’avois pas remarqué qu’il n’en iroit pas ainsi que l’on n’en seroit pas quitte pour de coups de plumes et que l’on y apporteroit des remédes si puissans que la dérision pourroit bien enfin tourner en repentir, Robert de Gravel an Servien, Frankfurt, 25.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 302r, 302v). 1242 Die Reaktion des Kurfürsten muss auch keineswegs als gelingende emotionale Verstrickung gedeutet werden. Vielmehr können derartig heftige emotionale Ausbrüche als traditionelle Reaktionsmuster auf die Infragestellung von Ehre gedeutet werden. Vgl. hierzu Althoff, Empörung.

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Dass man die Schaffung von Kooperationsanreizen und von Vertrauen, die über die unbestimmten Mög­lichkeiten, sich im Medium Höf­lichkeit über Beziehungen zu verständigen, hinausgingen, für mög­lich hielt, war ein zentrales Motiv in den Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn 1657/58. Mazarin appellierte, um die Formulierung einer mög­lichst scharfen habsburgkritischen Wahlkapitulation voranzutreiben, an das Verhandlungsgeschick des Duc de Gramont gegenüber dem Mainzer Kurfürsten: Sie müssen dem Mainzer mehr Vertrauen und Freundschaft bezeugen als jemals zuvor […] das wird ihn in seinen guten Absichten bestätigen 1243. Ähn­liche Absichten der kommunikativen Erzeugung von Vertrauen hatte bereits im September 1657 Robert de Gravel gegenüber Johann Philipp verfolgt. Er beschrieb jene Mittel, mit denen er dies zu erreichen gedachte, allerdings etwas ausführ­licher: Gravel hielt es für ratsam, dem Kurfürsten alles vorzustellen, von dem ich glaubte, dass es Eindruck auf seinen Geist machen könnte 1244. Sein Vorgehen dabei beschrieb er folgendermaßen: Zuerst bezeugte ich ihm, dass Eure Eminenz seine Weisheit und Festigkeit kenne, und ein derartiges Vertrauen in seine Aussagen gefasst habe, die er mir gegenüber getan hatte, dass nichts in der Welt es ihr [Seiner Eminenz] verwehren könnte, dass seine kurfürst­ liche Hoheit bisher ja habe sehen können, welchen Wert man seinen Ratschlägen beimesse, da der König sie befolgt habe, den Gang seiner wichtigsten Angelegenheit verändert und seine Armeen gemäß der guten Ratschläge seiner Hoheit habe handeln lassen 1245. Vertrauen war also hier zu einem zentralen Gegenstand des Sprechens über die Beziehungsebene geworden. Gravel lobte aber nicht nur die Standfestigkeit des Mainzer Kurfürsten und unterstellte ihm eine prinzipielle Vertrauensfähigkeit. Vielmehr sprach er davon, dass eine confiance des Königs gegenüber dem Mainzer Kurfürsten bereits bestehe. Vertrauen war hier explizit Thema der diplomatischen Kommunikation. Die Behauptung, man sehe den Anderen als vertrauenswürdig an oder es bestünden bereits signifikante Vertrauensbeziehungen, konnte dabei als ein Ansatzpunkt für deren tatsäch­liche „Herstellung“ fungieren. Dies hat aber nun weniger damit zu tun, dass die Behauptung, der Mainzer Kurfürst besitze das Vertrauen des Königs eine besonders schmeichelhafte „Ehre“ für 1243 Il faut que vous tesmoigniez plus de confiance et d’amitié que jamais à M. de Mayence […] cela le confirmera dans ses bonnes intentions, Mazarin an Gramont, Paris, 24.3.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 86r). 1244 De luy représenter tout ce que je crus pouvoir faire impression dans son esprit, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 3.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 531v). 1245 Je luy témoignois premièrement que V Emc connoisse sa sagesse et fermeté, avoit pris une telle confiance sur toutes les parolles qu’il m’avoit donnés que rien au monde ne pouvoit estre capable de la luy oster que Son altesse électorale avoit vu jusques ici l’état que l’on avoit fait de ses conseils, le Roy les ayant suvis, ayant changé la disposition de ses plus importantes affaires et fait agir ses armées selon les bons avis de Son Altesse électorale, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 3.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 531v).

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den Mainzer Kurfürsten sein sollte, um so an fürst­liche „Ehrliebe“ zu appellieren. Es reichte vielmehr in diesem Kontext nicht aus, über Vertrauen zu sprechen, sondern es bedurfte konkreterer Leistungen, um Gravels Behauptungen zu bestätigen und zu untermauern: Informationen. Mazarin wies seine Gesandten an, Johann Philipp über den Verlauf der gescheiterten Verhandlungen in Madrid im Jahre 1656 sowie über den Stand gegenwärtiger Präliminarien für Friedensverhandlungen aufzuklären. Dabei ging es auch um für die franzö­sische Reichspolitik und die Interessen des Reichserzkanzlers sensible Themen und neueste, noch völlig offene Entwicklungen, wie etwa die Frage der Restitution des Herzogtums Lothringen 1246. Der Gebrauch von Informationen unterscheidet sich in diesem Zusammenhang von dem im vorigen Teilkapitel erläuterten. Auch hier sollte die Weitergabe von Informationen Vertrauenssignale vermitteln: Sie besaßen aber keine reine Komplementärfunktion zur beziehungsanknüpfendem Höf­lichkeit 1247. Dies zeigte sich schon daran, dass man es hier mit durchaus wertvollen und exklusiven Informationen zu tun hatte. Die Übergabe von Information diente einerseits dazu, confiance von franzö­sischer Seite unter Beweis zu stellen. Sie sollten das Vertrauensverhältnis zum Kurfürsten gewissermaßen vorwegnehmen, den Kurfürsten in Vertrauensbeziehungen „ver­ stricken“. Diese Form des Gebrauchs von Information durch den Kardinalminister und seine Gesandten entsprach einer Art „riskanter Vorleistung“ für Vertrauensbeziehungen 1248. Die Weitergabe solcher Informationen stellte ein tatsäch­liches eigenes Risiko dar oder konnte zumindest als solches inszeniert werden 1249. Die Gesandten sollten dies unterstreichen, indem sie davon sprachen, dass deren Bekanntwerden reale, mög­licherweise einengende Handlungsbindungen der Krone für einen späteren Friedensschluss mit Spanien erzeugen würde 1250. Es gehörte zum Kalkül Mazarins, die Verwicklung des Kurfürsten in diese „vorgeschossene“ Vertrauensbeziehung so zu inszenieren, dass Gegenleistungen 1246 Zur Frage der Zukunft Lothringens in den spanisch-franzö­sischen Friedensverhandlungen, vgl Valfrey, Lionne, 14 ff.; Séré, Paix, 511 f. 1247 Mazarin an Gramont und Lionne,Verdun, 15.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 250v). 1248 Vgl. zum Konzept der riskanten Vorleistung, Luhmann, Vertrauen, 23 f. 1249 Dass es bei Mazarins „Informationspolitik“ tatsäch­lich nicht um eher beliebige Informationen ging, ließ sich schon daran erkennen, dass Mazarin und seine Gesandten gelegent­lich Verbitterung über Johann Philipps allzu freimütigen, wenig „vertrau­lichen“ Umgang mit diesen Informationen äußerten. Bei seinen Bemühungen, sich als Mediator eines Friedens zwischen der spanischen und der franzö­sischen Seite einzuschalten, hatte der Mainzer Kurfürst auch gegenüber den Spaniern auf diese Informationen zurückgriffen. Vgl. Lionne an Mazarin, Frankfurt, 12.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 61v); Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 8.4.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 93r). 1250 Mazarin an Gramont und Lionne, Metz, 20.10.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 286v).

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unausweich­lich werden sollten. Dies betraf zunächst die Tatsache, dass dem Kurfürsten so die Pf­licht zur Geheimnisverwahrung nahegelegt werden konnte. Kardinal Mazarin schrieb: Wenn man sich ihm mit so viel Freimut geöffnet hat, so war dies wie gegenüber einem Freund seiner Majestät, für den sie keine Zurückhaltung hat und von dem sie weiß, dass sie ihr Geheimnis anvertrauen kann, ohne zu fürchten, dass ihre Feinde davon Kenntnis nähmen und ihre Vorteile daraus ziehen könnten 1251. Noch deut­licher wurde dies im Februar 1658, als Gramont und Lionne beschlossen, die internen Debatten über eine mög­liche Visite bei Lobkowitz oder Leopold (I.) und deren Folgen gegenüber dem Mainzer Kurfürsten offen zu legen und seinen Rat zu suchen, um ihn durch dieses Vertrauen umso mehr zu verpf­lichten, es uns gegenüber genauso zu tun und uns getreu Wort zu halten, dass zwischen ihm und den Österreichern nichts geschehen wird, von dem er uns keine Kenntnis gibt 1252. Der Akt des Informierens verband instrumentelle und symbo­lische Aspekte, indem er nicht nur wie im Rahmen elementarer Höf­lichkeit Folgekommunikation herstellen, sondern Vertrauen für praktische Kooperation vorschießen sollte. Die Weitergabe von Informationen stellte also eine riskante Vorleistung dar, die beiderseitiges Vertrauen vorwegnehmen sollte. In diesem Zuge konnte Vertrauen so inszeniert werden, dass man dem Kurfürsten suggerierte, direkt zumindest beratend an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Hier wurde die Erwartung von ähn­lichen Gegenleistungen für „Vertrau­lichkeit“ also explizit gemacht. Zugleich verdeut­lichte Mazarin, dass sich seine „Informationspolitik“ nicht nur auf die Schaffung einer von der Inhaltsebene zu scheidenden Beziehungsebene bezog. Sie sollte auch inhalt­liche Handlungsabsichten glaubwürdig erscheinen lassen. Nichts, so Mazarin, unterstreiche die Wahrhaftigkeit des Friedenswillens so sehr wie die Überlassung solcher Informationen 1253. Gerade anhand der Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn in den 1650er-Jahren wird deut­lich, dass Strategien der Herstellung von Vertrauen und Verbind­lichkeit mehr als nur rhetorisch-strategische Manöver im Grenzbereich von symbo­lischen und instrumentellen Kommunikationsformen waren. Der Versuch, Johann Philipp vom franzö­sischen 1251 Lorsqu’on s’est ouvert à luy avec tant de franchise, ça a été comme à un ami de Sa Ma té pour lequel elle ne veut point avoir de réserve et qui elle sait bien qu’elle peut déposer son secret, sans craindre que ses ennemis avoient aucune connoissance pour en tirer leurs advantages, M ­ azarin an Gramont und Lionne, Metz, 20.10.1657 (AMAE, MD, France, 272, fol. 286v). 1252 De l’obliger d’autant plus par cette confiance à en user de mesme a nostre egard et nous tenir fidelement la parole qu’il nous a donné qu’il ne se passera rien entre luy et les ­Autrichiens dont il nous donne pas de connoissance, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 19.2.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 207r). 1253 Outre que vous luy pourrez faire valoir cette nouvelle confiance que S M prend en luy […] il est bon que S. A. El. soit informée de la vérité, puisqu’elle est tout à nostre avantage, Mazarin an Gramont und Lionne, Verdun, 15.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 250v).

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Vertrauen in ihn in der Hoffnung auf Gegenseitigkeit zu überzeugen, war vielmehr zwangsweise auf eine Koppelung mit der Inhaltsebene von Verhandlungen einerseits und mit der politischen „Wirk­lichkeit“ außerhalb des unmittelbaren Verhandlungsgeschehens andererseits verwiesen. Dies diente zugleich dazu, den Eindruck von Vertrauenswürdigkeit und bereits bestehender bzw. einseitig initiierter Kooperation zu bestätigen und zu untermauern. Vor allem während der Verhandlungen im Vorfeld des Wahltages von 1657 zeigte die franzö­sische Krone auch eine außergewöhn­lich voraussetzungslose Bereitschaft zur politischen Kooperation mit dem Mainzer Kurfürsten. Im Vorfeld der Kaiserwahl flossen dabei tatsäch­lich Empfehlungen des Kurfürsten in konkretes politisches Handeln der Krone ein 1254. Der mainzische Ratschlag, eine militärische Drohkulisse gegen Trier zu errichten, wurde ebenso ernsthaft aufgenommen, wie der Plan ein Offensivbündnis mit dem Herzog von Neuburg zugunsten von Defensivallianzprojekten aufzugeben, die später in die Rheinallianz münden sollten 1255. Dies galt aber besonders für das Eingehen auf Friedensinitiativen des Kurfürstenkollegs. Schon im September 1657 sollten Gramont und Lionne eindeutige Zeichen in Richtung dieser kurfürst­lichen Friedensinitiative gegenüber Johann Philipp setzen, indem sie eine promesse authentique für deren Annahme auf franzö­sischer Seite abgaben und sich auf die Aushandlung eines solchen Friedens unter kurfürst­licher Vermittlung unmittelbar nach der Wahl festlegten 1256. Weitere Überzeugungsarbeit sollten Gramont und Lionne leisten, indem sie eigene Friedenspropositionen an das Kurfürstenkolleg übermittelten. Entsprechende Vorschläge seien so abgefasst, so versicherten sich die franzö­sischen Akteure untereinander, dass sie das aufrichtige Interesse der Krone an einer Beendigung des Krieges mit der katho­lischen Monarchie demonstrierten und keinerlei Ansprüche auf Territorialgewinne formulierten. Mazarin hob vor allem die Bescheidenheit und die Sach­lichkeit dieser Vorschläge hervor, die die Spanier irritieren müssten. Weitere Selbstverstrickung sollte entstehen, indem man die Vorschläge auch einer politischen Teilöffent­lichkeit – dem Kurfürstenkolleg – zugäng­lich machte. So könne man, wie der Kardinal hervorhob, nicht mehr an der Aufrichtigkeit des

1254 J’ai une telle confiance en la capacité et sincerté de M l’électeur de Mayence que sur ce que vous m’avez escrit de sa part, j’ai répondu, et réponds tous les jours au Roy que tout se passera à son contentement, puisque Sa Ma té ne fait que suivre aveuglement les Conseils que led Sr électeur luy donne sur toutes choses, que Mrs ses Ambassadeurs en useront de mesme, réglant leur conduite en la manière que S A El leur dira estre nécessaire, Mazarin an Robert de Gravel, Stenay, 2.8.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 200r). Zur außergewöhn­lich vorbehaltlosen Kooperation mit dem Mainzer Kurfürsten, vgl. Ekberg, Formulation, 326. 1255 Mazarin an Robert de Gravel, La Fère, 23.6.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 132r). 1256 Mazarin an Gramont und Lionne,Verdun, 15.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 255r).

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franzö­sischen Friedenswillens zweifeln 1257. Dies korrespondierte mit einer tatsäch­ lichen Akzeptanz der Friedensinitiative des Kurfürstenkollegs von franzö­sischer Seite. Dabei wurde sogar ein Friedenskongress in Augsburg ins Auge gefasst 1258. Inhaltsebene und Beziehungsebene wurden hier für die Stiftung von politischem Vertrauen aneinander gekoppelt. Zugeständnisse auf der Inhaltsebene konnten näm­lich auch auf der Beziehungsebene jenes Vertrauen stiften, das wiederum auf Kooperation auf der Inhaltsebene zurückwirken konnte. Ralf-Peter Fuchs hat anhand der Präliminar-Verhandlungen zum Prager Frieden von 1635 gezeigt, wie hierbei sach­liche und beziehungsstiftende Elemente ineinandergreifen konnten. Einseitig gegebene aber auch ausgetauschte inhalt­liche Zugeständnisse konnten auch als „Vertrauensangebote“ gelesen werden, die später auf eine weitergehende sach­liche Verständigung zurückwirken konnten 1259. Das in diesen Verhandlungen immer wieder thematisierte Vertrauen hatte eine bemerkenswerte Funktion: Es ging hier gerade nicht um höf­liche „Sprachspiele“ von begrenzter Verbind­lichkeit, die mit einer Semantik von Vertrauen beschrieben wurden. Vielmehr wurde hier Vertrauen zunächst scheinbar unbegründet vorgeschossen und äußerte sich auch in folgenreichen Leistungen, mit denen sich die franzö­sische Krone durchaus einem kalkulierten Risiko aussetzte. Die franzö­sischen Diplomaten beabsichtigten durch diese symbo­lischen und „sach­lichen“ Leistungen Situationen herzustellen, in denen sich ihre Interaktionspartner reziproken Leistungen und damit einer „Verstrickung“ in Vertrauensbeziehungen nicht entziehen konnten. Niklas Luhmann hat dieses Phänomen mit dem Begriff der „supererogatorischen Leistung“ bezeichnet. Dieser beschreibt Leistungen, die Gegenleistungen geradezu erforder­ lich machen 1260. Dies gilt neben der Logik des Gabentausches, die Dankbarkeit und die Pf­licht zur Gegenleistung einschließt, auch für Vertrauen. Dieses kann quasi selbst als „Gabe“ inszeniert werden, für die wiederum reziproke Leistungen in Form von Vertrauen eingefordert werden konnten. Vertrauen musste sich auf „normative Überziehung“, auf die Normeneinhaltung des Anderen und die Erwartung, dieser 1257 J’ay ésté fort satisfait de voir le papier que vous avez donné au Collège électoral. Il contient toutes les raisons qui peuvent faire connoistre plus démonstrativement à tout le monde les bonnes et sincères intentions du Roy, non seulement pour le repos de l’Empire, mais pour celuy de toute la chrestienté, et il est conçue en des termes si modestes que l’on ne pourra pas dire avec raison qu’il ait esté fait avec un esprit remply de vanité pour ses prospérités, Mazarin an Gramont und Lionne, Calais, 22.7.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 202r). 1258 Duchhardt, Augsburg; Séré, Paix, 288 f. 1259 Fuchs, Normaljahrsverhandlungen, 138 f. Fuchs verknüpft hier allerdings diese Operationen mit einem norm- und wertorientierten Vertrauensbegriff, der aber zugleich gegen Schluss nicht ganz passend auf die eigent­lich rationalistischen Ansätze James Colemans bezogen wird. 1260 Luhmann, Vertrauen, 55 f.

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werde ein dergestalt als Gabe verteiltes Vertrauen „zurückerstatten“, verlassen. Dies sollte Kooperation auf der Grundlage eines gegenseitigen Tauschprozesses schaffen. Damit verließen sich die franzö­sischen Diplomaten bei ihren Vertrauensangeboten jedoch auf „Vorschüsse“ an Vertrauen und Kooperation, die mittels für sie selbst riskanter Leistungen vermittelt wurden 1261. Dass aus der face-to-face-Interaktion mit Verhandlungspartnern alleine keine zureichende „symbo­lische Kontrolle“ von Reziprozitätserwartungen mög­lich war, soll weiter unten gezeigt werden. Ebenso war normative Überziehung zwar unerläss­lich, es war aber gar nicht immer klar, welche Normen eigent­lich gelten sollten. Von völlig anderen Voraussetzungen geht das zweite hier behandelte Beispiel aus: 1672, während des lange geplanten Überfalls der Armee Ludwigs XIV . auf die Niederländische Republik, war das Verhältnis zu den geist­lichen Kurfürsten von Mainz und Köln wie zu zahlreichen anderen Reichsständen problematisch geworden. Wie oben dargestellt, hatte es auch im Konflikt mit den Niederlanden Vermittlungsversuche Johann Philipps von Schönborn gegeben, die jedoch von Ludwig XIV. zunächst mit Verweis auf sein Recht auf Krieg mit auswärtigen Mächten unter Verschonung der Gebiete des Reiches abgewiegelt oder zumindest nicht ernsthaft weiterverfolgt worden waren. In dieser Situation wurde 1672 Isaac de Pas, Marquis de Feucquières 1262, als Sondergesandter an die Höfe der rheinischen Kurfürsten entsandt, um sie vom Friedenswillen des Königs und seinen guten Absichten gegenüber den Reichsständen zu überzeugen. Insbesondere im Falle Triers gab es noch eine militärisch-strate­­ gische Überlegung, auf die die Mission Feucquières’ ebenfalls abzielte: Im Sinne des sehr weiten frühmodernen Begriffes von „Neutralität“ wollte man sich näm­lich die Mög­lichkeit einräumen lassen, den Rhein und die Mosel auf kurtrierischem Gebiet zur Versorgung der eigenen Truppen nutzen zu können 1263. Die Voraussetzungen, unter denen Feucquières seine Verhandlungen aufnehmen sollte, hatten sich allerdings im Vergleich zu jenen der Jahre 1657/58 stark verändert: Während Frieden und Friedensvermittlung zur Beendigung des franzö­sischspanischen Konfliktes in den 1650er-Jahren tatsäch­lich wichtige und erwünschte 1261 Dass ein solches Vorgehen, näm­lich grundsätz­lich kooperationsbereit zu sein und auf die Kooperation anderer zu setzen, unter spieltheoretischer Perspektive den größtmög­ lichen Gewinn abwirft und sich langfrisitg durch an diesem Erfolgsmodell orientierte „Evolution“ gegen Destruktion durch nicht-kooperative Strategien „immunisieren“, also die Voraussetzungen für Reziprozitätserwartungen graduell sicherer machen kann, zeigt Axelrod, Evolution der Kooperation. 1262 Cuer, Pomponne, Feucquières. 1263 Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672], (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 40r–50v).

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Optionen franzö­sischer Außenpolitik waren und gerade das Kurfürstenkolleg unter für Frankreich günstigen Bedingungen ein Profil als Mediationsinstanz zu gewinnen begann, war, wie weiter oben dargestellt, der Niederländische Krieg ein von franzö­sischer Seite offen intendierter, sorgfältig geplanter militärischer Konflikt. Kurfürst­liche Vermittlung war keine ernstzunehmende Option mehr und von Seiten des Königs daher nicht erwünscht. Politische Bedeutung für die Krone hatten nun vor allem jene Reichsstände, die in Wilhelm von Fürstenbergs „Koalition der Willigen“ militärische Beiträge leisteten oder deren Territorien als Etappen für die Versorgung und die Logistik der kämpfenden Truppe vorgesehen waren 1264. In dieser Situation sollte den rheinischen Kurfürsten von franzö­sischer Seite klar gemacht werden, dass der gigantische Militärschlag gegen die Niederländer voll und ganz mit der Westfä­lischen Friedensordnung konform war und dem Reich und den rheinischen Kurfürsten trotz der Tatsache, dass sich die Kriegshandlungen in unmittelbarer Nähe ihrer Territorien abspielen würden, keinerlei Gefahr drohte. Feucquières hatte also keine einfache Aufgabe zu bewältigen. Die Tatsache, dass er nicht gerade mit vollen Händen ins Rheinland reiste, machte es ihm nicht eben leichter. Feucquières war instruiert worden, die guten Absichten des Königs zwar so überzeugend wie mög­lich zu vermitteln, dabei jedoch vor allem mit eher allgemeinen Topoi zu operieren und keine genauen Erklärungen abzugeben 1265. Was war dann aber noch an „Verhandlungsmasse“ vorhanden, mit dem man an das Wohlwollen der betroffenen Fürsten hätte appellieren, sie zur Konformität bewegen oder bei ihnen gar „Vertrauen“ in die Absichten der Krone hätte hervorrufen konnte? Vor allem gegenüber Johann Philipp verwies die Instruktion des Gesandten auf den bereits erwähnten, wieder aufgenommenen Informationstausch, den Jacques de Gravel zuvor in die Wege geleitet hatte. Feucquières hatte dazu nun wenig mehr zu erklären, als dass man diesen fortsetzen werde 1266. Auf die Tatsache, dass die Aufnahme dieses commerce wohl eher Teil kommunikationsermög­lichender Höf­lichkeitspraktiken war, ist oben bereits eingegangen worden. Mit der „Informationspolitik“ Mazarins während der Kaiserwahl hatte dies nicht viel zu tun. Die einzige Verhandlungsressource von politischem Gewicht, von der auch in der Instruktion die Rede war, stellte die Exekution der sogenannten Heilbronner

1264 Decker, Frankreich, 87 ff. 1265 L’intention de Sa Majesté est qu’il évite d’entrer en aucun détail sur ce sujet, qu’il s’en renferme seulement dans des termes generaux, Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 41v.). 1266 Mémoire pour servir d’instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 47r).

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Sentenz dar 1267 – der von der Krone vermittelten Entscheidung im Wildfangstreit mit den Pfälzern 1268. Der Verlauf der weiteren Verhandlungen zeigte jedoch, dass Feucquières weder Kompetenzen noch überhaupt ausreichende Informationen über irgendwelche verbind­lichen Zusagen hinsicht­lich der Sentenz besaß. Er war auch hier gezwungen, sich mit sehr vagen Erklärungen zu behelfen 1269. Der franzö­sische Sondergesandte hatte also kaum politische Handlungsspielräume. Nicht zuletzt deshalb ist in der Forschung die Frage gestellt worden, warum man Feucquières diese Mission überhaupt durchführen ließ 1270. Für Vertrauensangebote, wie sie seine Vorgänger während der Kaiserwahl formuliert hatten, standen Feucquières also weder symbo­lische noch politisch-inhalt­liche Ressourcen zur Verfügung. Dafür berief sich die Instruktion nun darauf, dass die Krone als vollkommen konform mit den Bestimmungen des Westfä­lischen Friedens handelnde Akteurin glaubwürdig dargestellt werden konnte. Hier bediente sich die Instruktion aber im Wesent­lichen bei typischen, nur wenig angepassten Selbstbeschreibungsrepertoires. Zusammen mit dem Verhandlungsgeschick Feucquières’ wurde dies als erfolgversprechende Strategie betrachtet: Obwohl er selbst einige der Höfe, an die er gesandt wurde, weniger günstig gesonnen vorfinden könnte, so steht zu vermuten, dass er dort die Gefühle verändert, oder wenigstens, dass man nicht offen gegen Vorschläge, die derartig gerecht und vorteilhaft für die Sicherheit Deutschlands sind, vorgehen werde 1271. Hier wurde zwar politisch argumentiert, jedoch mit einem so niedrigen Grad an eigener Festlegung, dass sich kaum Folgekommunikation geschweige denn eine Kooperation auf der Sachebene daran anschließen ließ. Vertrauen oder zumindest der Abbau von Misstrauen sollte schon durch die „Richtigkeit“ der Argumentation hergestellt werden 1272. Dies war auch der Fall, als an anderer Stelle von den zu gewärtigenden Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn die Rede 1267 Mémoire pour servir d’Instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 47r). 1268 Zum Wildfangstreit vgl. Brunner, Wildfangstreit. 1269 Feucquières an Pomponne, Koblenz, 20.5.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 58v). 1270 Pillorget, L’électorat de Trèves, 136. 1271 Quand mesme il trouveroit quelqu’un des Cours où il est envoyé peu favorablement disposé, il est à croire qu’il y feroit changer les sentiments, ou qu’au moins on ne pourroit pas combattre ouvertement des propositions si équitables et si advantageuses pour le repos de l’Allemagne, Mémoire pour servir d’instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 42v). 1272 Mémoire pour servir d’instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 45v).

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war: Wenn ­Feucquières alle vorbereiteten Argumente für die Legitimität des Krieges gegen Holland und dessen Konformität mit dem Westfä­lischen Frieden vortrage, sei dies bereits ein schlagkräftiger Beweis der Zuneigung Seiner Majestät für Ruhe und Ordnung in Deutschland 1273. Auf dieser Basis sollte Feucquières auch an die alte Freundschaft zwischen Frankreich und Kurmainz appellieren und seiner Überzeugung Ausdruck geben, dass diese durchaus in ihrer früheren Form wieder aufleben könnte 1274. Komplementär zu diesen wenig greifbaren Argumenten wurde allerdings hier die Tatsache, dass der König überhaupt über einen Unterhändler mit den rheinischen Kurfürsten kommunizierte, für sich genommen als vertrauensbegünstigende Leistung dargestellt: Besagter Kurfürst wird sich durch diese Mitteilung, die direkt von Seiten Seiner Majestät kommt, verpf­lichtet fühlen müssen. Da man zumindest bislang mit der Haltung Kurtriers immerhin zufrieden gewesen sei, schloss ein diesbezüg­ licher Abschnitt der Instruktion folgendermaßen: besagter Sieur de Feucquières wird ihn dazu bewegen, dies in Zukunft fortzusetzen, indem er ihm das Wohlwollen, das Seine Majestät ihm dadurch gewährt, vor Augen führt 1275. Mit ganz leeren Händen stand der franzö­sische Sondergesandte allerdings dann doch nicht da. In der Instruktion an Feucquières hieß es auch, seine Reise möge dazu dienen, den Kurfürsten von Mainz vollkommen in eine Lage zu bringen in Zukunft die guten Gnaden seiner Majestät zu verdienen, wie er dies in der Vergangenheit getan hat 1276. Damit war auch die finanzielle Dimension der Beziehungen zwischen Frankreich und den geist­lichen Kurfürsten angesprochen. In der Tat sollte Feucquières für den Mainzer Hof und die Familie Schönborn eine Reihe von Patronageangeboten

1273 Preuve bien effective de l’affection de Sa Ma té pour le repos de l’Allemagne, Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 46v). 1274 Mémoire pour servir d’instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 47v). 1275 Led. électeur devra se sentir obligé de cette communiquation qui luy vient directement de la part de Sa Ma té. […] Led. Sr. Feucquières l’engagera à la continuer à l’avenir en luy f­ aisant paroistre le gré que Sa Ma té luy en fait, Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de ­Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 45v). 1276 Son voyage serve à remettre tout à fait le Sr. électeur de Mayence dans le dessein de mériter à l’avenir ainsy qu’il en avoit fait par le passé, les bonnes graces de Sa Ma té, Mémoire pour servir d’instruction au Sr de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 48r).

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präsentieren 1277. Offensicht­lich kam Feucquières’ Versuch, Vertrauen in den König herzustellen, nicht ohne eine gewisse finanzielle Grundlage aus. Ob man dabei aber an eine langfristige Wiederaufnahme klientelartiger Beziehungen dachte, ist eher frag­lich. Zudem wurde Feucquières angehalten, sich so unkonkret und ausweichend wie nur mög­lich zu äußern 1278. Die franzö­sische Krone war nicht mehr bereit, dem Kurfürsten mit Kooperationsangeboten entgegenzukommen, die ihn in irgendeiner Form an franzö­sischer Politik partizipieren ließen. Dennoch war Feucquières’ Mission, folgt man seinen Instruktionen, tatsäch­lich als ein Versuch gedacht, Handlungsdispositionen von Akteuren direkt zu beeinflussen, gegebenenfalls zu verändern und so tragfähiges Vertrauen zu stiften, das nicht zuletzt der Absicherung franzö­sischer Kriegführung in den Niederlanden dienen würde. Grundsätz­liche Kooperationsbereitschaft seitens des Königs und die Bekundungen seiner affection wurden dabei selbst wie eine rhetorisch-strate­gische Ressource gehandhabt. Leistungen, die Kooperationsanreize auf der Inhaltsebene geboten hätten, wie dies etwa während der Kaiserwahl der Fall war, standen Feucquières nicht zur Verfügung. Einiges spricht allerdings dafür, dass diese stark simplifizierende Betonung rhetorisch-strate­gischer Aspekte von Höf­lichkeit und Konversation und die Überbewertung der eigenen Selbstbeschreibung in der Instruktion auch mit den weitergehenden Veränderungen der Rahmenbedingungen franzö­sischer Reichspolitik im Vorfeld des Niederländischen Krieges zusammenhing. Die Versuche, jene Reichsstände, die das militärische Vorgehen gegen die Niederlande nicht ohnehin bereits aktiv unterstützten, auf franzö­sischer Seite zu halten, waren zumeist halbherzig, zerfahren und von franzö­sischer Seite mit völlig unrealistischen Erwartungen an klienteläre Zuarbeit überfrachtet 1279. Die Zerfahrenheit der Reichspolitik der Krone kritisierte gerade Wilhelm von Fürstenberg, frei­lich nicht ohne im weitesten Sinne eigene Interessen zu verfolgen: Statt Gelder in unausgegorene Allianzen zu stecken, sollten sie näm­lich vor allem an Kurköln und die bayerischen Wittels­bacher ­fließen  1280. Finanzielle Ressourcen, die institutionalisierte Kooperation etwa in Form von neuen an der Rheinallianz orientierten Bündnissen hätten festigen können, standen aber kaum noch zur Verfügung 1281. Unter diesen Umständen erscheint es durchaus plausibel, dass die für die franzö­ sischen Außenbeziehungen Verantwort­lichen die kommunikative Herstellbarkeit

1277 Ebd., fol. 48v. 1278 Ebd. 1279 Decker, Frankreich, 91 f. 1280 Wilhelm Egon von Fürstenberg an Pomponne, Köln, 13.1.1673 (AMAE, CP, Cologne 10, fol. 83v). 1281 Decker, Frankreich, 102.

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von Vertrauen mit einseitig selbstbegünstigenden Argumenten überbewerteten und von der kontrafaktischen Annahme ausgingen, Kooperation in Verhandlungen könnte in höf­licher Kommunikation tatsäch­lich steuernd und manipulativ gebraucht werden, ohne dies an wirkungsvolle riskante Vertrauensleistungen und politische Zugeständnisse knüpfen zu können. Man schrieb sich so auf der Grundlage ohnehin vorhandener selbstbestätigender Sprechweisen Handlungsfähigkeit und die Herstellung von Kooperation auf einer weitgehend kostenneutralen Grundlage zu. Statt den Kurfürsten mit riskanten „teuren“ Kooperationsangeboten entgegenzukommen, verließ man sich auf die eigene Argumentation und die positiven Effekte von deren Vermittlung. Feucquières’ Verhandlungen wirken so wie ein Musterbeispiel dessen, was weiter oben mit dem Begriff der „organisierten Heuchelei“ beschrieben wurde. Die Instruk­tion zeigt, dass die Franzosen just in der Situation, in der sie einen Angriffskrieg vom Zaun brachen, die Selbstdarstellung als Friedensgaranten durch ihre Verhandlungstaktik und die Argumentation mit den Friedensnormen besonders unterstrichen. Die Instruktion hob die Sachhaltigkeit und die Erwartungen an die Wirksamkeit dieser Argumentation auch deswegen umso mehr hervor, weil keine Mög­lichkeiten zur Verfügung standen, sie mit signifikanten eigenen Vertrauens- und Koopera­tionsleistungen zu untermauern. Dass sich das Verhältnis der Krone zu den Reichsständen verändert und eine auf die franzö­sische Sicherheitsgarantie für das Reich gestützte Verhandlungsstrategie nach dem Devolutionskrieg, der Annexion Lothringens und mit einer gigantischen kriegsbereiten franzö­sischen Armee im Feld weniger glaub – und vertrauenswürdig erschien als je zuvor, war ein zusätz­liches Erschwernis, das in der Instruktion Feucquières’ aber konsequent ignoriert wurde. Mit den kommunikativen Folgeproblemen, die die Ausführung einer solchen Instruktion mit sich brachte, musste Feucquières vor Ort frei­lich alleine fertig werden. Seine Instruktion mochte zu Recht die Vorhersage treffen, dass niemand an den Höfen in Mainz oder Koblenz der Position des Königs widersprechen könnte. Verbind­liches hinsicht­lich der Haltung der rheinischen Kurfürsten zur Militäraktion gegen die Niederlande ließ sich ihnen aber auch nicht entlocken. In dieser Hinsicht gab es offenbar auch wenig „Verhandlungsmasse“ zwischen Feucquières und seinen Prinzipalen. Mit Johann Philipp von Schönborn kamen keine Gespräche zustande, die auch nur in die Nähe der Prognosen von Feucquières’ Instruktion kamen. Vielmehr musste der Sondergesandte Folgendes berichten: All das, Sire, wurde mit einer großen Bekundung von Freude und von Respekt für Eure Majestät aufgenommen, aber indem er nur leicht seine eigenen Interessen streifte […] verfiel er bald in Unverbind­ lichkeiten 1282. Ähn­lich unbefriedigend verliefen Feucquières’ Verhandlungen auch in 1282 Tout cela, Sire, fust reçu avec grande démonstration de joye et de respect pour V M. mais passant assez legèrement sur ses interests particuliers […] il tomba bientost sur les généraux,

Zwei Verhandlungen mit geist­lichen Kurfürsten (1657/58 und 1672)

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Trier. Karl Kaspar von der Leyen verhielt sich zwar dem Sondergesandten gegenüber ausgesucht höf­lich, sparte sich allerdings nicht den Hinweis, so freund­lich wie jetzt sei der König nicht immer mit ihm verfahren. Feucquières wunderte sich darüber, dass sich der Kurfürst zwar auf der einen Seite in direkten Verhandlungen so überaus frankreichfreund­lich äußerte, zugleich aber angeb­lich für Flugschriften verantwort­ lich zeichnete, die den franzö­sischen König scharf kritisierten 1283. Es verwundert also nicht, dass die Verhandlungen Feucquières auf ihrer überaus schwachen Grundlage keine konkreteren Festlegungen zur Folge hatten. Im Folgenden sollen die Befunde dieses Kapitels kurz zusammengefasst werden: Neben einer rein kommunikationsanknüpfenden Wirkung wurde „Höf­lichkeit“ zumindest den zeitgenös­sischen Konversationsnormen zufolge auch die Fähigkeit zugeschrieben, Vertrauen in einseitig manipulativer Absicht kommunikativ herstellen zu können. In der diplomatischen Praxis konnten sich die Akteure zwar gelegent­lich auf den instrumentellen Gebrauch solcher Praktiken zur Herstellung von vertiefter Kooperation und Vertrauen durch sprach­lich-symbo­lischen Leistungen beziehen. Ihnen war allerdings klar, dass für diese Zwecke Handlungsformen vonnöten waren, die mög­licherweise eigene Festlegungen kommunizierten. Genau hier war jedoch Höf­ lichkeit unabhängig von der konstitutiven Rolle, die ihr die diplomatische Theorie zumessen mochte, in realen Verhandlungen kein praktikables Mittel. Die Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn im Umfeld des Kaiser­ wahltages 1657/58 haben gezeigt, dass zur Herstellung von Vertrauen riskante Vorleistungen notwendig waren, für die sich vertrau­liche Informationen als instrumentelle wie als symbo­lische Ressourcen einsetzen ließen. Das Überlassen solcher Informationen sollte die eigene Vertrauenshaltung glaubhaft machen, indem man sich im Vorgriff selbst auf vertiefte Kooperation festlegte. Ähn­liches galt für die Art und Weise, in der politisch-inhalt­liche Zugeständnisse mit Blick auf die Rückwirkungen auf die Beziehungsebene „vorgeschossen“ wurden. Dadurch wurden zugleich Reziprozitätserwartungen mitkommuniziert, die jedoch an das Risiko der „normativen Überziehung“, also der unsicheren Erwartung geknüpft waren. Um Kooperation und Vertrauensbeziehungen herzustellen, musste man sich also selbst bis zu einem gewissen Grade in sie „verstricken“. Prinzipiell ähn­liche Annahmen galten auch bei den Verhandlungen im Vorfeld des Niederländischen Krieges, als sich die franzö­sische Krone den Einsatz „teurer“ Ressourcen, wie exklusive Informationen oder politisch-inhalt­liche Zugeständnisse Feucquières an Ludwig XIV., Mainz, 2.6.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 60r). 1283 Feucquières an Pomponne, Koblenz, 20.5.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 57r); Feucquières an Pomponne, Koblenz, 29.5.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 59r).

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nicht mehr leisten konnte. Auch wenn die Tatsache, dass man überhaupt auf Veranlassung des Königs verhandelte, wie eine symbo­lische Ressource gebraucht wurde, so blieb es dennoch unerläss­lich, sich auf einer argumentativen Ebene kooperationsbereit zu präsentieren, auch wenn dies weniger auf der Grundlage von tatsäch­lichen Kooperationsangeboten als durch die argumentative Bekräftigung von Normen geschah, die man im Zuge des Niederländischen Krieges gerade grob verletzte, man also „organisierte Heuchelei“ durch die Verdeckung von Normenkonflikten betrieb.

3.5 Vertrauen und die Grenzen seiner Kommunizierbarkeit Was die Herstellung von Vertrauen und Kooperation anging, waren die Verhandlungen der Jahre 1657/58 zwar insgesamt erfolgreicher als die von Anfang an nicht besonders hoffnungsvolle Mission Feucquières’. Generell blieb dem Versuch, Vertrauen durch rhetorisch-strate­gische Mittel herzustellen, nur ein begrenzter Erfolg beschieden. In vielem blieb es hier letzt­lich bei der Formulierung von „Vertrauensangeboten“, bei der sich für die franzö­sischen Akteure nur schwer kontrollieren ließ, ob sie angenommen wurden. Hier soll aber auch in den Blick genommen werden, welche normativen und kommunikativen Rahmenbedingungen sich als mög­liche Hindernisse und Hypotheken für die Herstellung von Vertrauen durch „normative Überziehung“ oder verschieden Kontrollmechanismen erwiesen. Auf die Ambivalenz von Vertrauen als auf stabilen Reziprozitätsannahmen beruhendes Konzept einerseits, und als strate­gische zum eigenen politischen Vorteil ausbeutbare Ressource andererseits ist bereits verwiesen worden. Grundsätz­lich kann „normative Überziehung“ nur dann funktionieren, wenn die Verpf­lichtung zum Vertrauen als Gegenleistung durch ein eindeutiges Normensystem festgelegt ist und informelle Sanktionsmechanismen greifen, die die Akteure zur Konformität mit diesen Normen bewegen. Beide Voraussetzungen sind aber, wie bereits in anderen Zusammenhängen angedeutet wurde, bei der Stiftung grenz­ überschreitender Beziehungen im Rahmen einer sowohl von Normenpluralismus als auch multiplen Identitäten und Loyalitäten gekennzeichneten diplomatischen Kultur alles andere selbstverständ­lich. Dadurch schwächen sich auch entsprechende Kontrollmechanismen für Vertrauen ab. Häufig ist etwa davon die Rede, dass auf Vertrauen beruhende Sozialbeziehungen auch deshalb stabil blieben, weil Vertrauensbrüche, die Reputation eines Akteurs bei der Nicht-Einhaltung von bestimmten Erwartungen gefährden und seine Fähigkeit für weitere soziale Interaktion zur Disposition stellen 1284. Dieser Mechanismus kann jedoch nur begrenzte Wirk 1284 Vgl. etwa in Anlehnung an Überlegungen aus der Neuen Institutionenökonomie, Gorißen, Preis, 104 f.

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samkeit entfalten, wenn in Situationen konkurrierender politischer Normen nicht eindeutig ist, welches Verhalten reputationsschädigend ist bzw. welcher potentielle Reputationsschaden schwerer wiegt. Auf das Reputationsargument verwiesen zwar auch gelegent­lich die franzö­ sischen Diplomaten, um sich über Erwartungen zu verständigen. Mazarin verwies etwa darauf, dass der Mainzer Kurfürst seine Reputation in Hinblick auf weitere Kooperation gefährden könne, wenn er sich zu sehr auf von den Franzosen als bedenk­lich angesehene Verhandlungen über Friedensgarantien mit dem Hause Habsburg einlasse 1285. Diese Argumentationsweise hatte jedoch Grenzen, auf die der Kardinalminister von seinen Diplomaten hingewiesen wurde. Dies galt etwa für die während des Kaiserwahltages geäußerte Ansicht Mazarins, dass verschiedene Akteure an den Höfen des Mainzer und des Trierer Kurfürsten so sehr hommes de bien seien, dass sie diesen Ruf wohl nicht aufs Spiel setzen würden, indem sie die effronterie besäßen, franzö­sische Gelder nicht zurückzugeben, wenn sie keine Gegenleistung erbrächten 1286. Gramont und Lionne warnten jedoch explizit davor, sich auf ein solches Kalkül der Akteure zu verlassen und rieten dazu, die ausbezahlten Gelder lieber abzuschreiben, allein schon deshalb, um sich nicht weitere Interaktionsmög­lichkeiten durch die Rückforderung abzuschneiden 1287. Ebenso konnten zeitgenös­sische Normensysteme, die zwischen Simulation und Dissimulation, zwischen offener Lüge und anderen Formen der Unwahrheit feine Unterschiede setzten, uneindeutiges und täuschendes Kommunikationsverhalten in einem sehr weiten Rahmen tolerieren 1288. Diese Normen flossen auch in die Diplomatietheorie ein. Abraham de Wicquefort behauptete etwa, der parfait ambassadeur dürfe sich auf keinen Fall der offenen Täuschung bedienen und als Schurke (fourbe) und Lügner (menteur) in Erscheinung treten. Er riskiere sonst crédit und confiance zu verlieren. Sicher aber sei er nicht verpf­lichtet, alle seine Gedanken preiszugeben, 1285 Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE , CP, Allemagne 146, fol. 152v). 1286 Mazarin an Lionne, Paris, 10.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 261r). 1287 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 30.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 153r). 1288 Zur frühneuzeit­lichen Kultur der Dissimulation vgl. Snyder, Dissimulation; Cavaillé, Dis-simulations. 14 ff. gibt einen scharfsinnigen Überblick über die Grundlinien der zeitgenös­sischen Unterscheidung zwischen beiden Bereichen, insistiert jedoch dennoch darauf, beide analytisch als einen Komplex von „Dis/simulation“ behandeln zu können. Einen weiter gefassten Überblick über eine frühneuzeit­liche Kultur der Täuschung unternimmt van Houdt, Word Histories. Als Mög­lichkeit, die Kluft zwischen einem sich ausdifferenzierenden politischen System mit eigenem Normen und der immer noch für Selbstbeschreibungen wichtigen Bindung an universalistische Moralkonzepte zu überbrücken, deutet diese Unterscheidung Luhmann, Ehr­lichkeit der Politiker, 164.

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und es ist ihm erlaubt, oder gar für ihn erforder­lich diese manchmal zu verschleiern 1289. Anschließend mobilisierte Wicquefort erneut das Vorbild Arnauld d’Ossats, um den Unterschied zwischen Lüge und Unwahrheit in der diplomatischen Kultur zu exemplifizieren 1290. So entstanden Spielräume, um mit verschiedensten, mög­ licherweise widersprüch­lichen Anforderungen umgehen zu können. Ein Vertrauen, das sich auf „normative Überziehung“ stützte, konnte sich so allerdings als problematisch erweisen. Dies machte die „Erwartungskontrolle“ in Vertrauensbeziehungen überaus problematisch. Die Differenzierungen zwischen verschiedenen Formen von unwahren Aussagen konnten aber auch auf Kommunikationsformen unter Anwesenden zurückwirken. Höf­liche aber „unaufrichtige“ Sprechweisen entlasteten ja gerade von dem Problem, sich auf Angebote politischer und sozialer Kooperation festlegen zu müssen. Insbesondere das Verhalten Johann Christians von Boineburg während der Kaiserwahl von 1657/58 machte deut­lich, wie Vertrauen hier an die Grenzen seiner „Kommunizierbarkeit“ stieß: Gravel machte bereits im Sommer 1657 darauf aufmerksam, dass es unmög­lich sei, aus den Aussagen Boineburgs in direkten Unterhandlungen Schlüsse über das zu ziehen, was er tatsäch­lich denke, da er sein Verhalten gemäß der Personen ausrichtet, mit denen er spricht, und jedes Mal völlig verschiede Reden hält, zum einen so, zum anderen so, sodass man überhaupt kein Urteil treffen kann 1291. Anfang 1658 konstatierte Lionne sehr ähn­liche Schwierigkeiten mit dem „proteischen“ Verhalten des Mainzer Hofkanzlers 1292. Civilités und andere komplementäre Praktiken waren nicht nur „Schmiermittel“ und Erleichterung von Kommunikation, sondern konnten sich auch als eine Hypothek oder Blockade für verdichtete Kooperation erweisen, da sie kaum zu bewältigende Unklarheiten über die Verbind­lichkeit und die „Aufrichtigkeit“ des Gesagten bestehen ließen. Höf­liche Kommunikation unter 1289 Il n’est pas obligé de découvrir toutes ses pensées & il luy est permis, ou plutost nécessaire de les déguiser quelquefois, Wicquefort, Ambassadeur, II, 65. 1290 Il n’a point fait de tort à sa réputation & j’ose y ajouster sans faire le casuiste: autre chose […] est de nier une vérité & autre chose de mentir […] il faut considérer, que Dossat, en déguisant la vérité, n’offensoit personne […] qu’il manquast à sa parole, ou qu’il ne dist point la vérité, ce qui n’est pas mentir, sinon dans une signification assés impropre, Wicquefort, Ambassadeur, II, 66. 1291 Il soit assez difficile de cognoistre les véritables sentimens de ce dernier ménageant sa conduite selon les personnes avec lesquelles il parle et tient des discours si différendz tantost à l’un, tantost à l’autre, que l’on ne sçauroit qu’avec peine asseoir aucun jugement, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 31.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 491v). 1292 Un homme de si peu de foy on doit croire que le manquement viendrait […] du défaut d’une liberté qui explique les paroles qu’il donne d’une mode toute singulière se changeant en toutes formes comme un Protée, Lionne an Mazarin, Frankfurt, 8.1.1658 (AMAE, CP, Alle­ magne 142, fol. 46v).

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Anwesenden war weder geeignet, Signale zu produzieren, mit denen franzö­sische Gesandte Vertrauen als stabile reziproke Beziehung herstellen konnten, noch ließ sich Vertrauenswürdigkeit durch sie zureichend überprüfen und kontrollieren. Die franzö­sischen Gesandten blieben aber nicht nur Aussagen, sondern auch nonverbalen Signalen von Akteuren gegenüber äußerst skeptisch. Entgegen der immer wieder in manchen Forschungen zu Friedenskongressen geäußerten Ansicht, dass es unter politischen Akteuren allgemein verständ­liche mimisch-gestische Codes gegeben habe, über die man sich der „wahren“ Intentionen und Gefühle eines Akteurs versichern konnte 1293, lassen sich in den hier untersuchten Fallbeispielen keine solchen Indikatoren für Handlungsabsichten finden, die zu vertieftem Vertrauen führen konnten. Nach einem weiteren Gespräch mit Boineburg berichtete Lionne etwa, er habe zwar den Eindruck gewonnen, dass Boineburg mit einer sehr zufriedenen Miene die Unterredung beendet habe: Nichtsdestoweniger werde ich daraus schließen, eher nichts Gutes davon zu erwarten 1294. Auch unmittelbar vor der Wahl Lothar Friedrichs von Metternich zeigte sich, dass franzö­sische Gesandte emotionalisierte Kommunikationsweisen keineswegs in eindeutige Signale übersetzen oder diese als implizit klare Mitteilungen interpretieren konnten: Dass der Mainzer Domherr Eltz unvermittelt in Tränen ausbrach und sich von der Großzügigkeit des Königs gegenüber Metternich gerührt zeigte und ebenfalls seine volle Unterstützung für den Speyerer Bischof versprach, verstand Jacques de Gravel nicht als Beweis ehr­licher Freude und aufrichtiger Frankreichfreundschaft. Er verdächtigte Eltz ganz anderer Motive: Die Tränen könnten in Wahrheit auf schlecht kaschierte Frustration über die eigenen gescheiterten Wahlabsichten hindeuten oder von Eltz‘ Ärger darüber zeugen, den siegreichen ­Metternich nicht schon vorher unterstützt zu haben 1295. Auf emotionalisierte Bekundungen von Affinität reagierte der franzö­sische Gesandte skeptisch und irritiert, stellte sie gar unter Motivverdacht. Als besonders wirksames Signal für Handlungsdispositionen sah er sie also nicht an. Insgesamt deuten diese Schwierigkeiten, Vertrauen unter Anwesenden herzustellen oder zu kontrollieren, aber auch darauf hin, dass bei der Frage nach der Genese von stabilem Vertrauen in einer höfisch-diplomatischen Kultur Begriff­ lichkeiten wie „face-to-face“-Gesellschaft, „Anwesenheitsgesellschaft“ oder „Präsenzkultur“, die der Frühmoderne als Epochensigna zugeschrieben werden, an ihre 1293 Vgl. Bély, Espions et ambassadeurs, 443 ff. Etwas modifiziert, aber dennoch von der Annahme einer direkten Übersetzbarkeit von Gestik in „Emotionalität“ bzw. „Intention“ ausgehend argumentiert Brunert, Nonverbale Kommunikation. 1294 Neantmoins je conclurras plutost a n’en rien espérer de bon, Lionne an Mazarin, Frankfurt, 12.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 61r). 1295 Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 6.12.1670 (AMAE, CP, Mayence 10, fol. 381v, 382r).

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Grenze stoßen können 1296. Die Analyse der Praxis des Vertrauens lässt auch die in diesem Zusammenhang bisweilen schematisch der Vormoderne zugeschriebene Unterstellung, dass hier face und andere Formen der Körper­lichkeit ein privilegiertes „Trägermedium“ für die Herstellung von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit waren, ins Leere laufen 1297. Wenn jedoch die Praktiken der Kommunikation und die „Dysfunktionalität“ der hier gebrauchten Normen solche Probleme für die Herstellung und Stabilisierung von Vertrauensbeziehungen aufwerfen, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien in einer solchen diplomatischen „low trust-culture“, in der eindeutige Vertrauenssignale nicht in Anwesenheitskommunikation produziert werden konnten und die Gefahr gegenseitiger Täuschung stets nahelag, für Vertrauensstiftung notwendige Signale überhaupt generiert werden konnten. Die im weitesten Sinne philosophische und anthropolo­gische Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts reagierte auf einen offenkundigen Bedarf an Techniken der Authentifizierung, der Aufhebung und des Durchschauens der höf­lichen „Verstellungskunst“1298. Claudia Benthien und Steffen Marthus haben im Rahmen einer literaturwissenschaft­lichen Rekonstruktion des frühneuzeit­lichen Konzeptes von „Aufrichtigkeit“ darauf hingewiesen, dass Aufrichtigkeit immer der rhetorischen Markierung und gewissermaßen ihrer eigenen Stilisierung bedurfte 1299, ohne frei­ lich dabei selbst die Gefahr der Unaufrichtigkeit und der Täuschung im Rahmen potentiell manipulativer Höf­lichkeit, zu deren diskursivem Repertoire ja nicht zuletzt der Verweise auf Aufrichtigkeit gehörte, zu beschwören. Matthias Köhler hat am Beispiel des Nimweger Friedenskongresses gezeigt, wie sich solche Kommunikationsprobleme auf der Inhaltsebene diplomatischer Verhandlungen bewältigen ließen. Im Gegensatz zu Verfahren besitzen Verhand­lungen keine institutionalisierten Mechanismen zur Stiftung von Verbind­lichkeit 1300. Die Verhandelnden auf dem Friedenskongress in Nimwegen schufen jedoch „Hand­ lungs­verstrickung“ und damit eine Kontrollierbarkeit von Aussagen über Handlungsabsichten, indem sie die hierfür notwendigen Vorgehensweisen und Signale 1296 Vgl. etwa Schlögl, Kommunikation unter Anwesenden. Für ein literatur- und kultur­ wissenschaft­liches Präsenzkonzept, vgl. Gumbrecht, Diesseits der Hermeneutik, 69 – 76. 1297 Frevert, Spurensuche, 52; Giddens, Konsequenzen, 103 unterscheidet etwa zwischen vormodernen „gesichtsabhängigen“ und modernen „gesichtsunabhängigen“ Vertrauenstypen. Moderne psycholo­gische Konzepte, die Emotionalität, Expressivität und Vertrauen aneinander koppeln kritisiert dagegen Hartmann, Praxis, 21. 1298 Vgl. hierzu anhand von Beispielen aus der deutschen Frühaufklärung Geitner, Sprache der Verstellung, 124 ff. 1299 Benthien / Marthus, Einleitung, 7. 1300 Zu den strukturellen Differenzen der Herstellung von Verbind­lichkeit in Verfahren und Verhandlungen vgl. Vollmer, Akzeptanzbeschaffung.

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aus der Anwesenheitskommunikation in verschrift­lichte Medien „auslagerten“ und etwa über schrift­liche Propositionen miteinander verhandelten 1301. Ebenso konnten ihre Prinzipalen Handlungsabsichten in Flugschriften veröffent­lichen und so Festlegungen und Kontrollen für die Verhandlungsführung von Diplomaten herstellen. In beiden Fällen musste man also auf andere Medien und andere „Kommunikationsräume“ umsteigen, um Aufrichtigkeit und Verbind­lichkeit von Aussagen zu kommunizieren 1302. Ähn­liches gilt in gewisser Weise auch für das auf der Beziehungsebene angesiedelte Vertrauen zwischen den Akteuren: Wenn direkte münd­liche und zeichenhafte Kommunikation unter Anwesenden keine verläss­lichen Indizien für Vertrauen stiften konnten, welche „Kommunikationsräume“, Medien und sprach­liche Codes waren dann dazu in der Lage?

3.6 rien de plus indiciel – Vertrauen durch agonale Kommunikation Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Jervis unterscheidet in seiner bereits 1969 erschienenen wegweisenden Studie zu Kommunikationsformen in der modernen Außenpolitik zwischen zwei Formen von Verbind­lichkeit politischer Zeichen: „Signals“ und „Indices“. Unter ersteren versteht Jervis Äußerungen oder Handlungen, die einem für alle Beteiligten verständ­lichen Code folgen und bestimmte Handlungsabsichten anzeigen, jedoch nicht unbedingt täuschungsresistente Zeichen darstellen. „Indices“ dagegen bezeichnen Handlungen und Äußerungen, „believed to be inextricably linked to the actor’s capabilities or intentions“, Täuschung kann hier zumindest als sehr unwahrschein­lich angenommen werden 1303. Verwendet man diese Kategorien, so dürfte es nicht schwerfallen, in den oben erläuterten Kommunikationsformen solche signals auszumachen. Kommunikation von Akteuren in schrift­licher und in münd­licher Form konnte, wie oben dargestellt, auch in der Sicht der Akteure für sich genommen noch kein handlungsermög­lichendes Vertrauen im Sinne Georg 1301 Vgl. Köhler, Verhandlungen, Verfahren, 417 ff. Ex negativo bestätigte dies auch die franzö­sische Krone während der Verhandlungen auf dem Westfä­lischen Friedenskongress. Schrift­liche Verhandlungen lehnte man man aus verschiedenen Gründen ab, da sie zu früh zu weitgehende Festlegungen schufen. Les déclarations que l’on faict par escript engagent trop, ce qui n’arrive pas quand les instances se font de vive voix, parce que […] on peut se relascher sans déchet de réputation, Memorandum Ludwigs XIV. für d’Avaux und Servien, 1.1.1645, in: APW II, B, 2, 3. 1302 Köhler, Verhandlungen, 424 f. 1303 Jervis, Logic of Images, 18.

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Simmels herstellen. Die Rolle von Höf­lichkeit in diplomatischer Kommunikation war zumindest ambivalent, sie hatte eine kommunikationsermög­lichende Funktion, ohne dass man aus ihr weiterreichende Schlüsse hätte ziehen können. Während gerade in höf­licher Kommunikation die Gefahr der Nicht-Kommu­ nizierbarkeit von Handlungsabsichten bestand, wurden besonders negative Modulationen und Veränderungen von Höf­lichkeit aufmerksam beobachtet. Dass Konventionsbrüche im Rahmen des regulierten und völkerrecht­lich relevanten Zeremoniells zu heftigen Konflikten führen konnten, ist evident. Aber auch und gerade bei weniger explizit regulierten Formen symbo­lischer Kommunikation waren solche Konflikte mög­lich 1304. Allerdings konnte ihnen eine bedeutende indikatorische Funktion zugeschrieben werden. Dabei mussten Höf­lichkeitsnormen noch nicht einmal soweit verletzt werden, dass sie in konfrontative Sprech- und Verhaltensweisen umschlugen. Nachdem sich Ende der 1660er- und zu Beginn der 1670er-Jahre die einstmals engen Beziehungen zwischen Frankreich und Kurmainz stark abgekühlt hatten, wollten Jacques de Gravel und der inzwischen wieder in Gnaden des Kurfürsten stehende Boineburg nach dem Tode Lionnes diese Situation zu ändern. Man schlug Johann Philipp vor, der neue Außenstaatssekretär Pomponne könnte bei seiner Reise von seinem Botschafterposten in Stockholm nach Paris einen Zwischenstopp in Würzburg einlegen, um dort vom Mainzer Erzbischof empfangen zu werden. Johann Philipps Antwort auf diesen Vorschlag war in den Augen der franzö­sischen Diplomaten geradezu beleidigend unenthusiastisch: Er antwortete mir kühl, dass er, da er in Erfahrung gebracht habe, dass M. de Pomponne ein anständiger Mann sei (das sind seine Worte), es ihm angenehm wäre, seine Bekanntschaft zu machen. Auch Louvois deutete Johann Philipps Äußerungen als völlig unangebrachte, inakzeptable termes généraux und erklärte, dass unter diesen Bedingungen der neue Außenminister auf gar keinem Fall beim Mainzer Kurfürsten Station machen würde 1305. So ließ sich auch mit dem Unterbieten von Höf­lichkeitsstandards „symbo­lische Politik“ machen, die auf Handlungsdispositionen eines Akteurs verwies 1306. Denn 1304 Daß auch die erst-angefuehrten und gemeinen Höfligkeiten/ gegen diejenige/ mit denen man solche lange gepflogen/ oder die darzu von neuem Anlaß geben/ niemlas unterlassen werden/ denn dadurch achten sich dieselben personen beschimpffet/ und wird ohne gnugsame Ursache Mißgunst erwecket; Seckendorff, Teutscher Fürsten-Staat, 175 f. 1305 Il me repliqua froidement, qu’ayant appris que M de Pomponne estoit [...] un homme de bien (ce sont ses paroles) il auroit été bien aise de faire cognoissance avec luy, Jacques de Gravel an Louvois, Mainz, 10.11.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 109v); Louvois an Jacques de Gravel, St.Germain-en-Laye, 27.11.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 117r). 1306 Wilhelm von Fürstenberg erklärte etwa während der Wahlversammlung des Straßburger Domkapitels, die 1663 seinen Bruder zum Bischof wählen sollte, dass seiner Meinung nach ein schwaches Kompliment ledig­lich en termes généraux für den

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der Bruch von Höf­lichkeitskonventionen erforderte in jedem Falle die Aufmerksamkeit franzö­sischer Gesandter. Robert de Gravel sah sich etwa Anfang 1665 verpf­lichtet, eine irritierende Episode aus Regensburg zu berichten: Der Mainzer Kurfürst habe ihm näm­lich empfehlen lassen, nicht mehr selbst an den Hof des Kurfürsten zu kommen, sondern hierfür seinen Bruder einzusetzen, um, wie sich der kurmainzische Gesandte Johannes Hettinger vielsagend ausdrückte, einen ombrage zu vermeiden. Hettinger setzte hinzu, es handele sich um eine „Empfehlung“ des Kurfürsten, nicht um seinen ausdrück­lichen Wunsch 1307. In dieser Form blieb für Gravel höchst unklar, was die gut gemeinte Warnung vor einem ombrage zu bedeuten hatte: Handelte es sich etwa um ein freund­lich formuliertes „Hausverbot“ für seine Person? Und wessen Misstrauen sollte hier nicht erregt werden? Etwa jenes der Habsburger? Zwar behalf sich Gravel mit Erklärungen, die den Vorfall mög­ lichst unerheb­lich erscheinen lassen sollten 1308, sah sich gegenüber seinen Prinzipalen aber offenbar verpf­lichtet, darauf zu reagieren. Damit gerieten allerdings Kommunikationsformen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die in der normativen Literatur zum Gesandtschaftswesen hochgradig ambivalent bewertet wurden. Abraham de Wicquefort als zeitgenös­sischer Theo­ retiker der Diplomatie etwa, der nicht nur Regeln für völkerrecht­lich relevante explizite symbo­lische Kommunikation, sondern auch und gerade für den Bereich der informelleren civilité zu formulieren suchte, blieb in dieser Frage widersprüch­lich. Einerseits war unhöf­liches Verhalten unter Diplomaten, auch und gerade ­solcher verfeindeter Monarchen und Gemeinwesen tun­lichst zu vermeiden. Grundregeln der Höf­lichkeit hätten unbedingt und an jedem Ort zu gelten. Er verg­lich die Begegnung verfeindeter Gesandter bei Verhandlungen mit der von Söldnern in einer neutralisierten Stadt. Wenn diese in einer solchen Situation nicht aufeinander losgingen, so müsse es Gesandten als sozial ungleich höher stehenden Akteuren

kaiser­lichen Wahlgesandten Königsegg in Straßburg bereits vorentscheidend für die Wahl seines Bruders gewesen sei. Daher müsse man sich definitiv keine Sorgen über den Ausgang der Wahl machen. Auch sei seine, Wilhelms, Anwesenheit vor Ort nicht mehr unbedingt vonnöten. Vgl. Wilhelm Egon von Fürstenberg an Robert de Gravel, Molsheim, 8.1.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 554r). Zur symbo­lischen Bedeutung des Empfanges des kaiser­lichen Wahltagsgesandten im 17. Jahrhundert, vgl. Christ, Praesentia Regis, 27 ff.; Schraut, Bischofswahl, 132 f. 1307 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 1.2.1665 (AMAE, CP, Allemagne 194, fol. 10v). 1308 Gravel versuchte einem negativen Eindruck unter anderem mit der Beobachtung zu entgegnen, dass Johann Philipp sich demonstrativ mit ihm in Gegenwart der kaiser­ lichen Vertreter in Regensburg unterhalten habe. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 1.2.1665 (AMAE, CP, Allemagne 194, fol. 11r).

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gelingen, höf­lich und ohne Konfrontationen miteinander umzugehen 1309. Andererseits mussten Ambassadoren im Auftrag ihres Herren auch in der Lage sein, dessen Interessen und dessen Ehre, wo dies nötig war, durch eine liberté de parole, die auch unhöf­liche, ja aggressive und agonale Verhaltensweisen einschließen konnte, verteidigen zu können 1310. Gerade im Rahmen von Friedenskongressen gehörten, wie Matthias Köhler gezeigt hat, unhöf­liche und konfrontative Praktiken zum instrumentell einsetzbaren Handlungsrepertoire unter Gesandten 1311. Auf den Wahl- und Reichstagen konnten und mussten sogar Fürsten, die in ihrer Ehre angegriffen wurden, selbst zur Tat schreiten. Eine Proposition, die der bayerische Gesandte Öxle während des Frankfurter Wahltages verlas, hatte etwa die handfeste Folge, dass ihm der Pfälzer Kurfürst ein Tintenfass entgegenschleuderte, weil er die Verlesung einer kurbayerischen Erklärung zu dessen umstrittener Kurwürde als unerträg­lichen Angriff auf das Andenken seines Vaters und damit auch auf seine Ehre auffasste 1312. Derartige Formen der Unhöf­lichkeit in konfrontativer, „agonaler“ Kommunikation und die Inszenierung von „Nicht-Kommunikation“ ließen sich aber auf Umwegen auch für die Herstellung und Stabilisierung von Vertrauen in asymmetrischen Fürstenbeziehungen und grenzüberschreitenden Patronageverhältnissen instrumentalisieren 1313. Wie die Beobachtung und Produktion von als eindeutig aufgefassten Zeichen für politisches Vertrauen funktionieren konnte, lässt sich besonders während einer zwischenzeit­lichen Krise im Verhältnis der franzö­sischen Krone zu den Brüdern Fürstenberg zeigen: Im Herbst 1657, als sich allmäh­lich abzeichnete, dass das franzö­sische Vorhaben, einen nicht-habsbur­gischen Kandidaten wählen zu lassen, mit kaum lösbaren Schwierigkeiten verbunden war, kündigte Kardinal Mazarin an, dass man in diesem Falle auch an die Brüder Fürstenberg keine Gelder auszahlen oder kirch­liche Benefizien verleihen werde. Die Tatsache, dass die Krone Geld in klientelpolitische Operationen investiert hatte, die zu keinem Ergebnis geführt hatten, war für Mazarin weniger ein ökonomisches Problem, als vielmehr eines der könig­lichen Ehre und Reputation. Der Kardinal war sich zwar bewusst, dass das 1309 il ne lui doit pas refuser les civilités que l’on fait à des personnes indifférentes. Les officiers & soldats de partis contraires font cesser leurs hostilités dans un lieu neutre; c’est pourquoy il semble que l’Ambassadeur, qui a certes quelque chose de plus noble&de de plus relevé que le soldat, ne doit pas en user avec plus d’incivilité, Wicquefort, L’ Ambassadeur I, 369. 1310 Wicquefort, L’ Ambasadeur II, 73 ff. 1311 Köhler, Höf­lichkeit, 391  ff. 1312 Vgl. Karl Ludwig von der Pfalz an die Raugräfin, Frankfurt, 9.5.1658, in: Schreiben des Kurfürsten Karl Ludwig, 71. 1313 Der Begriff „agonale Kommunikation“ wird hier aus historisch-anthropolo­gischen Untersuchungen über die Streitkultur des frühneuzeit­lichen Dorfes übernommen. Vgl. Walz, Agonale Kommunikation.

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Zurückziehen von könig­lichen grâces für inzwischen verdiente Klienten wie die Fürstenberg weitere Beziehungen lahmlegen konnte. Er insistierte aber darauf, dass das Verteilen könig­licher Gnaden ohne damit verbundene politischen Ziele erreichen zu können, der politischen Reputation des Königs, der sich auf einer europäischen Bühne exponierte, weit abträg­licher war, als die Ungerechtigkeit, Klienten nicht das ihnen Versprochene zu leisten 1314. In der Folge griffen jedoch in der Kommunikation zwischen dem Kardinal und seinen Gesandten die zu Beginn dieses Hauptteils geschilderten Mechanismen „doppelter Verhandlung“ und „Unsicherheitsabsorption“ in den franzö­sischen Korrespondenzen ineinander. Erst dies hatte zur Folge, dass die franzö­sische Krone ihre neugeknüpften Patronagebeziehungen im Alten Reich nicht bereits vorzeitig abbrach. Als sich die Aussichtslosigkeit des franzö­sischen Kaiserwahlprojektes in den folgenden Wochen zuspitzte, verlangten im Dezember 1657 Gramont und Lionne entschieden, von der Koppelung von Patronageleistungen an den Erfolg der Kaiserwahl Abstand zu nehmen, um zu vermeiden, dass die Fürstenberg wieder in das habsbur­gische Lager überwechselten. Denn man sei in jedem Falle vor Ort von der Kooperation der Brüder abhängig 1315. Mazarin erklärte sich wenig später tatsäch­lich dazu bereit, die Beziehungen aufrechtzuerhalten und fortzuführen. Allerdings unter einer Bedingung: die Fürstenberg sollten ihre Opposition gegen eine habsbur­gische Kaiserwahl klar und eindeutig zur Schau stellten 1316. Bereits wenige Tage später konnten die Gesandten berichten, dass Wilhelm von Fürstenberg vor der Öffent­lichkeit des Mainzer Hofes nicht nur eine hitzige Diskussion mit dem spanischen Unterhändler Saria vom Zaun ­gebrochen hatte, die diesen blass wie eine Leiche zurückließ. Auch Johann Philipp von Schönborn gegenüber erklärte Fürstenberg demonstrativ, nicht nur auf jeden Fall verhindern zu wollen, dass sein Herr Max Heinrich von Köln dem habsbur­gischen Kandidaten Leopold seine Kurstimme gebe, sondern auch dass er lieber bis zum letzten die Böswilligkeit der Österreicher haben wollte, zusammen mit der Freundschaft Frankreichs, als dass der franzö­sische König sich mit Recht darüber beschweren könne, dass es ein Fehler gewesen sei, ihn in dieser Angelegenheit einzusetzen 1317. Diese Verhaltensweisen erfüllten 1314 Mazarin an Lionne und Gramont, Paris, 6.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 185v). 1315 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 11.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 658r). 1316 Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 17.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 224). 1317 Aussi pâle qu’un mort […] la mauvaise volonté des austrichiens avec l’amitié de la France, que si le Roy très chrestien pouvoit avec raison se plaindre de luy qu’on l’eut engagé mal à propos en cette affaire, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 27.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 375r, fol. 376r).

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voll und ganz Mazarins Forderung nach einer vollständigen Abgrenzung gegenüber den Habsburgern. Mazarin stellte fest, es kann nichts Aussagekräftigeres geben als Fürstenbergs Worte gegenüber Johann ­Philipp. Damit erreichte man aber nicht nur zusätz­liche Sicherheit über Fürstenbergs Frankreichtreue. Fürstenbergs Aktion konnte von den franzö­sischen Diplomaten auch als sichtbarer Akt gewertet werden, der potentiellen Schaden am Ansehen der Krone ausgleichen, ja sogar als symbo­ lische Leistung von eigenem Wert, als Inszenierung des Königs als P ­ atron betrachtet werden konnte. Fürstenbergs Verhalten, so Mazarin, sei insgesamt nicht nur nütz­lich (utile) sondern auch ruhmreich (glorieux) für den König. Daher könne Fürstenberg auch ohne einen tatsäch­lichen Erfolg bei der Kaiserwahl mit Patronage­ressourcen belohnt und so in weitere Klientelbeziehungen integriert werden 1318. Schon Monate zuvor hatte Servien den Eigenwert dieser Inszenierungen für den König festgestellt. Es sei vorteilhafter für den König, ein oder zwei Freunde weniger zu haben, die auch wenn sie weniger einflussreich seien, sich wagemutig für den König erklärten, als eine Vielzahl von einflussreicheren, die zwischen zwei Gewässern schwimmen 1319. Insgesamt wurde also nicht nur Fürstenbergs Vertrauensfähigkeit unter Beweis gestellt, auch Mazarin und seine Diplomaten hatten „genug gesehen“, um sich über die durch Normen- und Interessenkonflikte bewirkte Blockade könig­licher Patronage hinwegzusetzen und als vertrauensgebende Akteure auftreten zu können. Mit solchen Inszenierungen konnten Klienten aber nicht nur Vertrauensfähigkeit in widrigen Situationen stimulieren, sondern auch bestehendes Misstrauen in für Kooperation zureichendes Vertrauen verwandeln. Dies zeigte sich gegenüber dem zunächst als besonders wankelmütig und erratisch wahrgenommenen Johann Christian von Boineburg. Für eine symbo­lische Vereindeutigung seines Verhältnisses zu Frankreich konnte der Mainzer Hofkanzler sorgen, indem er 1658 in der antichambre des schon designierten Kandidaten Leopold einen lautstarken Disput mit dem Grafen Schwarzenberg vom Zaun brach, sodass ihm schließ­lich von diesem beschieden wurde, man werde ihm in Zukunft überhaupt keine Mitteilungen mehr weitergeben, ihm also auch Formen höf­licher sozialer Praxis verweigern 1320. 1318 Mazarin an Lionne, Paris, 10.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 262r). 1319 Je veux dire par là qu’il est plus avantageux au Roy d’avoir un amy ou deux quoyque moins considerables, qui se declarent hardiment, que d’en avoir plus grand nombre et plus puissans qui veuillent tousjours nager entre deux eaux, Servien an Mazarin, Meudon, 4.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 188v). 1320 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 16.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 16v); Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 30.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 69r). Informationsaustausch war Bestandteil von Höf­lichkeitsritualen unter Gesandten, Informationsverweigerung kann auch als Höf­lichkeitsverweigerung und manifester Kontaktabbruch gelesen werden, vgl. Friedrich, Drehscheibe Regensburg, 172.

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Dezidiert unhöf­liche und nicht normenkonforme Kommunikation hatte hier also die Funktion, Vertrauenswürdigkeit ex negativo zu bestimmen 1321. Die franzö­sischen Gesandten plädierten nun dafür, Boineburgs Bindungen an die Krone mög­lichst schnell durch die Auszahlung versprochener Pensionen zu festigen 1322. Boineburg konnte also durch konfrontative Kommunikation mit den Kaiser­lichen jene Vertrauenswürdigkeit erwerben, die er zuvor gegenüber den franzö­sischen Vertretern nicht hatte vermitteln können, gerade weil kein Unterschied in seinem Verhalten gegenüber habsbur­gischen und franzö­sischen Gesandten feststellbar gewesen war. Neben solchen demonstrativen Akten der Kommunikationsverweigerung beobachteten franzö­sische Diplomaten aber auch offenkundig misslingende Verständigung, für die sie die habsbur­gische Seite verantwort­lich machten. Diese letztere Form scheiternder Kommunikation hatte für die Franzosen eine mit agonalen Kommunikationsstilen vergleichbare Aussagekraft. Auch dies machte für die franzö­ sischen Diplomaten die Unmög­lichkeit einer erfolgreichen Kooperation mit den Habsburgern deut­lich. Verständigung und Kooperation konnte dabei bereits an elementaren Voraussetzungen der Kommunikation scheitern. Dies galt etwa für die Frage, wie man sich gegenseitig titulieren sollte: Dies wurde im Jahr 1665 deut­lich, als eine Verständigung zwischen dem Herzog von Neuburg, den die Krone als ihren Verbündeten und Klienten betrachtete, und dem Gouverneur der spanischen Niederlande, Castel-­ Rodrigo, bereits an Problemen der Titulatur und damit überhaupt der Initialisierung von gegenseitiger Statuskommunikation scheiterte 1323. Offensicht­lich hatte Castel-Rodrigo Anspruch darauf erhoben, wie der Neuburger als altesse betitelt zu werden. Dies, hier waren sich Gravel und der König einig, stellte eine Vermessenheit dar, die dem Neuburger wohl verdeut­licht haben sollte, wie wenig Wert man in Brüssel und Madrid auf seine Person legte 1324. Im Rahmen der Kaiserwahl war es aber vor allem das Auftreten des spanischen Gesandten Peñaranda, das in den Augen der Franzosen per se jede gelingende Kommunikation verunmög­lichte und Kurfürsten und Klienten der Krone enger an das franzö­sische Lager binden müsste. Mazarin wusste aus dem Bericht eines 1321 Dies geschah überdies in der antichambre an einem für Höf­lichkeit eigent­lich prädestinierten sozialen Ort und fungierte als eine Art „zeremonielle Entweihung. Vgl. zu diesem Begriff Goffman, Interaktionsrituale, 95. 1322 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 16.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 16v). 1323 Vgl zur Titulatur allgemein Signori, „Sprachspiele“, die Fallstudien zum Westfä­lischen Frieden bei May, Auseinandersetzungen; Dauser, Kein König, sowie zu Berner Oberschichten im 18. Jahrhundert Weber, Adelsrepublik. 1324 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 2.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 165r).

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Informanten vom maßlos arroganten und bewusst provokativen Verhalten des spanischen Gesandten gegenüber Johann Philipp von Schönborn zu berichten 1325. Eine stark zugespitzte Schilderung ihrer Unterredungen findet sich in den Memoiren des Duc de Gramont. Peñaranda habe bei den Unterredungen ständig provokativ mit Hut und Degen hantiert, worauf der Kurfürst selbst mit extremer Unhöf­lichkeit auf die Provokationen Peñarandas reagiert habe, indem er diesem erklärte, dass er so über Indianer in Mexiko, nicht aber über einen deutschen Fürsten verfügen könne 1326! Ob sich die Episode tatsäch­lich in dieser extremen Form zugetragen hat, lässt sich aus den archiva­lischen Quellen nicht ersehen. Das Verhältnis zwischen Johann Philipp und dem spanischen Gesandten war allerdings wohl tatsäch­lich kaum noch zu retten. So berichteten Gramont und Lionne etwa, dass der Mainzer Kurfürst demonstrativ den Schutz der Gesandten vor dem Spanier suchte und darum bat, regelmäßig mit Gramont und Lionne im Quartier der franzö­sischen Gesandtschaft dinieren zu dürfen, da er sich in seinem eigenen vor den Nachstellungen Peñarandas fürchten müsse 1327. Bereits zuvor war man darüber informiert worden, dass die Spanier auf Veranlassung Peñarandas so weit gegangen seien, den Kurfürsten zum prince ennemi zu erklären, und dass man dessen Gesandte für eine eventuelle Friedensvermittlung nicht nach Spanien reisen lassen werde 1328. Gramont und Lionne sahen darin eine äußerst günstige Gelegenheit, den derart brüskierten Mainzer fest im franzö­sischen Lager zu integrieren und dauerhaft an die franzö­sische Krone zu binden 1329. Auch gegenüber dem kurmainzischen Wahltagsgesandten Sebastian Meel war es der franzö­sischen Darstellung zufolge Peñaranda, der das klare Signal für Nicht-­ Beziehung setzte. Eine schrift­liche Friedensproposition des Mainzer Erzkanzlers, die Meel überbrachte, gab Peñaranda demonstrativ ungelesen und nicht paraphiert

1325 Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 17.4.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 98r). 1326 Vgl. die für die gesamten Memoiren typische pointierte und farbige Schilderung Gramonts: L’électeur, fatigué et outré de tant d’impertinences, sortit de son naturel doux et patient, et conclut par lui dire que, comme il savoit qu’il étoit président des Indes, il pouvoit sortir de chez lui pour aller au Mexique gouverner ses Indiens à sa mode […] quant aux Allemands, il n’en gouverneroit jamais aucun, parce qu’ils étoient nés trop sages pour être dirigés par un Espagnol, Mémoires de Gramont, 304. 1327 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 30.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 69). 1328 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 23.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 58r). 1329 Il nous semble que nous en sommes d’autant plus obligez à bien traitter led. Électeur non seulement par gratitude, mais par intérest afin de le fortifier […] on pourra tirer de grands avantages de toutes façons, si on peut attacher invariablement aux intérests du Roy le premier électeur d’Empire, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 23.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 54r).

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zurück. Anschließend stellte er den Mainzer Gesandten Sebastian Meel bloß, indem er ihm in Anwesenheit anderer Gesandter den Rücken zuwandte und zwar ohne ihm die geringste Höf­lichkeit erwiesen zu haben, weder für ihn persön­lich noch für seinen Herren. Die franzö­sischen Diplomaten dachten sogar daran, den Vorfall noch über die Öffent­lichkeit des Wahltags hinaus bekannt zu machen, da Gramont und Lionne anregten, ihn in einem Pamphlet zu thematisieren 1330. Das Ereignis konnte also nicht nur die Unwahrschein­lichkeit habsbur­gisch-mainzischer Kooperation verdeut­lichen, sondern auch als Aufhänger dienen, um den für die franzö­sische Selbstdarstellung wichtigen Topos des Friedensunwillens der Spanier einer breiteren lesenden Öffent­lichkeit vor Augen zu führen 1331. Der „vertrauensrelevante Code“, den franzö­sische Diplomaten besonders aufmerksam beobachteten, um Aussagen über die Tragfähigkeit von personalem Vertrauen machen zu können, war also gerade die Übertretung höf­licher Konventionen. Dabei sind jene Kommunikationsräume, denen hier eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird, gar nicht eigene Verhandlungs- und Interaktionssituationen, sondern solche zwischen Klienten bzw. verbündeten Fürsten und dem politischen Gegner. Unhöf­liches, agonales Verhalten konnte als Indikator für Vertrauen fungieren, vorausgesetzt es war gegenüber potentiell konkurrierenden Patronen und politischen Rivalen zu beobachten. Es ist allerdings deut­lich, dass franzö­sische Diplomaten hierbei vor allem die Beobachtung von Anwesenheitskommunikation im Auge hatten. Unhöf­liche schrift­ liche Kommunikationen, „böse Briefe“, konnten zwar auch Konfrontation und Konflikt dokumentieren und in bestimmten Fällen geradezu „eingefordert“ werden 1332. Als Maßnahme zur Stiftung von tragfähigem Vertrauen reichten sie jedoch nicht aus: Gramont und Lionne erklärten zu dem geharnischten Schreiben, das die Brüder Fürstenberg im Herbst 1657 an den bayerischen Hofkanzler Maximilian Kurtz in München aufgesetzt hatten: Wir halten von diesem Brief nur so viel, wie er tatsäch­lich wert ist, da ihnen ja stets ein Ausweg bleibt, um sich vor den Österreichern zu rechtfertigen […] als dass sie verpf­lichtet sind, nach außen allen Eifer für den Dienst an ihrem Herrn unter Beweis zu stellen 1333. Offensicht­lich waren die Gesandten der Ansicht, 1330 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 9.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 206v, 207r). 1331 Zu Veröffent­lichung von diplomatischen „Interna“ als Mittel von Information und Propaganda vgl. auch Friedrich, Drehscheibe, 187. Für die sich verbreiternde politische Öffent­lichkeit des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts vgl. Gestrich, Absolutismus. 1332 So forderte Mazarin geradezu von Johann Philipp von Schönborn, sich mit einem scharfen Schreiben an den Kaiser zu wenden und dessen Unterstützung für die Spanier zu tadeln, vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 31.1.1659 (AMAE,CP Allemagne 146, fol. 29v). 1333 Nous ne pensions de cette lettre que pour ce qu’elle vaut en effet puisqu’il leur reste toujours un échappatoire pour s’en justiffier envers les autrichiens […] qu’ils sont obligés de témoigner

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dass sich die Fürstenberg in schrift­licher Kommunikation leichter auf die Rolle als Fürstendiener zurückziehen und so den Akt der Konfrontation entwerten konnten 1334. Feindschaft und misslingende Kommunikation blieben jedoch, auch ohne dass diese symbo­lisch vermittelt und in Akten agonaler Kommunikation beobachtet wurden, ein zentrales Kriterium, anhand dessen die Vertrauenswürdigkeit einzelner Akteure beurteilt werden konnte. Besonders in den Anfangsstadien von Klientel-­ Beziehungen gehörte es zu den Aufgaben der mit deren Anknüpfung und Koordination betrauten Gesandten, mög­lichst sichere Informationen über die Haltung der Habsburger gegenüber solchen Klienten einzuholen. Die Tatsache, dass seinen Informanten zufolge Georg Christian von Homburg nicht nur versucht habe, spanische Truppen zur Desertion zu bewegen, sondern auch von Castel-Rodrigo als diabolus bezeichnet worden sei, beeindruckte selbst Robert de Gravel, der ansonsten die Fähigkeiten und die Haltung Homburgs nicht besonders hochschätzte 1335. Ähn­ liche Informationen holte Wagnée über Franz Egon von Fürstenberg ein. Wagnée konnte etwa die Tatsache ins Feld führen, dass sich die Spanier über Fürstenberg beschwerten, und dass selbst sein Bruder Ferdinand Friedrich als Reichshofrat in Wien die Abneigung der Kaiser­lichen zu spüren bekomme 1336. Gelegent­lich konnten solche Einschätzungen sogar mit Originaldokumenten belegt werden. So gelangte man etwa an ein Schreiben von Porcia an Maximilian Kurtz, das Boineburg und die Fürstenberg als völlig von den Franzosen vereinnahmt darstellte 1337. Dieser Umstand öffnet jedoch auch für die Frage nach der Herstellung von Vertrauen eine weitere Dimension: Um die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers festzustellen bzw. die eigene Vertrauensfähigkeit erst bestimmen zu können, bedurfte es der Mitbeobachtung eines außerhalb der Vertrauensbeziehung stehenden Dritten. Insbesondere in einer von Patronagekonkurrenz geprägten politischen Umwelt en apparence toute sorte d’ardeur pour le service de leur maitre, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 14.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 196v). 1334 Der Verdacht der franzö­sischen Gesandten wird sogar bis zu einem gewissen Grade bestätigt, da sich Fürstenberg nur wenig später für seinen harschen Tonfall zu entschuldigen versuchte, vgl. Franz Egon von Fürstenberg an Maximilian Kurtz, München, 3.10.1657 (BHStA, K. sch. 12468, fol. 22r). 1335 Robert de Gravel an Mazarin, Straßburg, 27.8.1655 (AMAE, CP, Allemagne 132, fol. 381r). 1336 Wagnée an Mazarin, Lüttich, 12.12.1656 (AMAE, CP, Liege 2, fol. 563r); Wagnee an Mazarin, Lüttich, 25.12.1656 (AMAE, CP, Liege 2, fol. 569v, 570r). Wenig später stellten sich diese Informationen allerdings als falsch bzw. lange veraltet heraus. Ob sie in diesem Kontext von Fürstenberg und anderen manipuliert wurden, lässt sich allerdings nicht mehr feststellen. 1337 Porcia an Maximilian Kurtz, Oktober 1661 (Kopie) (AMAE , CP , Autriche 18, fol. 242r–243r).

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können Patron-Klient-Beziehungen eben nicht gemäß dem klas­sischen dyadischen, sondern eher anhand eines triadischen Beziehungsmodells beschrieben werden 1338. Solche triadischen Beziehungsmodelle wurden in asymmetrischen Sozialbeziehungen zumeist eher in Hinsicht auf die Figur des „brokers“ als Vermittler und „Makler“ von Patron-­Klient-Beziehungen thematisiert. Hier soll jedoch noch eine weitere Figur eines Dritten eingeführt werden, der explizit nicht Teil der eigenen Gruppe der eigenen Gruppe sein kann: der politische Gegner und Konkurrent 1339. In einem vorangegangen Teilkapitel ist bereits von Patronagekonkurrenz als Störfaktor für das Funktio­nieren von Patronagebeziehungen von einer solchen Dreier-Konstellation unter anderen Gesichtspunkten die Rede gewesen. Der Dritte als politischer Gegner und Konkurrent in Patron-Klient-Beziehungen wurde auch bei den hier geschilderten Ver­suchen, tragfähiges Vertrauen über Akte agonaler Kommunikation zu „konstruieren“, miteinbezogen. Er ist allerdings hierbei in den eigent­lichen sozialen Prozess nur insoweit integriert, als dass gerade deut­lich werden soll, dass er für die Angehörigen der eigenen Gruppe keine Rolle als sozialer Interaktionspartner spielen kann 1340. Die beschriebenen symbo­lischen Akte der Abgrenzung waren zwar für die Verständigung über Vertrauen unter den franzö­sischen Diplomaten und ihren Prinzipalen unerläss­lich. Sie stellten jedoch oft nicht das her, was sie vorgaben herzustellen, näm­lich die Geschlossenheit einer Klientelgruppe und den Ausschluss von mikropolitischer Konkurrenz. Denn während mit den hier beschriebenen symbo­lischen Akten aus der Perspektive franzö­sischer Akteure ein hinreichendes, handlungsermög­lichendes Vertrauen herstellbar war, so erwies sich in Wirk­lichkeit die symbo­lische Herstellung und Manifestation von Nicht-Kommunikation als höchst trügerisch. Auf diesen Umstand ist auch im Rahmen anderer Forschungen eingegangen worden. Während Nicht-Kontakt, Unhöf­lichkeit und performative Abgrenzung etwa in Forschungen 1338 Zur Figur des Dritten und seine Rückwirkung auf interpersonale Beziehungen, vgl. v. a. Simmel, Soziologie, 124 – 159. Einen Überblick über soziolo­gische und philosophische Theorien des Dritten findet sich bei Fischer, Der Dritte. Dieses Konzept ist zur Zeit in den deutschsprachigen Sozial und Kulturwissenschaften in Mode gekommen, was vor allem an den allerdings sehr heterogenen und weit über die Analyse personaler Beziehungen hinausgehenden Sammelbänden Eßlinger (Hrsg.), Die Figur des Dritten, sowie Bedorf (Hrsg.), Theorien des Dritten, abzulesen ist. 1339 Konkurrenz und Feindschaft als spezifisch triadisches Modell, das weit über dyadische Freund-Feind-Logiken hinausgeht, analysieren in dieser Form auch in einer soziolo­gischen Typologie der Koalition Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht, 188. Frei­lich ist in deren Perspektive der „Dritte“ hier der Koalitionspartner, während der „Feind“ als „Zweiter“ in Erscheinung tritt. 1340 Bühl, Einleitung, 47 f.

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zu den römisch-toskanischen Beziehungen im frühen 17. Jahrhundert als tatsäch­liche und dauerhafte Konstituierungen und Darstellungen von Freund-Feind-­Beziehungen gedeutet worden sind 1341, konnte jüngst am Beispiel der Verhandlungen zum Nimweger Frieden gezeigt werden, dass die beschriebenen Kommunikationen ohnehin eher temporär abbrachen, als zwangsweise in die Dynamik von „Ehrenhändeln“ abzugleiten. Sie waren eher bewusst eingesetzte strate­gische Kommunikationsstile, die zwar temporär eine konflikthafte Eigen­dynamik entwickeln konnten, insgesamt jedoch nur zeitweilig zur Nicht-Verständigung führten 1342. Auch in den hier untersuchten Fallbeispielen brachen entgegen der in den franzö­sischen Korrespondenzen formulierten Erwartung die Kontakte zwischen den Vertretern Habsburgs und den frankreichfreund­lichen Klienten keineswegs völlig ab. Dies konnte weder im Interesse der Klienten gelegen haben, noch entsprach es der Vielfältigkeit von Kontakten und Bindungen gerade von im Reich ansässigen Akteuren. Franzö­sische Diplomaten dagegen beobachteten diese Vorgänge nach einem stark vereinfachten Schema. Ostentative Nicht-Kommunikation mit den Habsburgern bedeutete für Mazarin und seine Diplomaten, dass mög­liche Klienten auf eine enge, eindeutige Zusammenarbeit mit der franzö­sischen Krone angewiesen seien. Sie sahen in diesem Zusammenhang im Grunde keine Alternative zum Schema des „Ehrenhändels“. Darüber hinaus konnten auch auf franzö­sischer Seite mikro- und makropolitische Zielsetzung quer zueinander stehen und gegebenenfalls in Widerspruch zueinander geraten. Johann Philipp von Schönborn hatte 1657/58 die Wahlversammlung durch das Junktim von Kaiserwahl und Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und Spanien in die Länge gezogen, pochte also auf eine franzö­sisch-habsbur­gische Verständigung und hatte den Kurfürstenrat als Vermittlungsinstanz eingeschaltet, was von franzö­sischer Seite auch befördert wurde 1343. Dies wiederum führte aber zu Widersprüch­lichkeiten: Die Franzosen betrachteten einerseits Nicht-Kommunikation ihrer Klienten mit der Gegenseite als Vertrauensindikator und mikropolitische Grundlage für funktionierende Klientelbeziehungen. Andererseits war aufgrund der auch von der franzö­sischen Seite erwünschten Friedensvermittlung des Kurfürstenrates, an der Fürstenberg oder Boineburg in ihren Rollen als kurfürst­liche Gesandte beteiligt waren, dies auf der makropolitischen Ebene weder machbar noch unbedingt wünschenswert 1344. Dennoch blieb die Beobachtung agonaler Kommunikation aus franzö­sischer Perspektive weit mehr als nur eine Momentaufnahme für die kurzfristige Schaffung 1341 Wieland, Fürsten, Freunde, Diplomaten, 494 f. 1342 Köhler, Höf­lichkeit, 396; Dinges, Ehrenhändel. 1343 Vgl. hierzu Duchhardt, Kurfürst, 3 ff. 1344 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 11.6.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 150v).

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von Vertrauensbeziehungen. Gerade in Vertrauenskrisen konnte der Rückgriff auf sie stabilisierend wirken. Dies zeigte sich, als es im Verlauf des Jahres 1659 zu Irritationen des Verhältnisses zu Johann Philipp von Schönborn kam: Dieser hatte eine Gesandtschaft mit dem bislang als eher profranzö­sisch in Erscheinung getretenen mainzischen Gesandten Heinrich Julius Blom an der Spitze nach Wien beordert. In Wien selbst signalisierte Blom die Bereitschaft zu einer Verständigung über sicherheitspolitische Materien mit großen Zugeständnissen an den Kaiser 1345. Mazarin war zwar durchaus beunruhigt über solcherlei unerwartete Irritationen, stellte aber schließ­lich fest, eigent­lich habe Johann Philipp zu häufig si publiquement seine Unterstützung der franzö­sischen Krone zum großen Ärger der Habsburger demonstriert. Sich tatsäch­lich mit den Habsburgern wieder verständigen zu wollen, das bedeutete, seine Maßnahmen schlecht zu treffen 1346. Auch wenn die Verhandlungen zu Irritationen führten, reichte dies nicht hin, den Kredit Johann Philipps bei der franzö­ sischen Krone zu erschüttern. Stattdessen suchte man den eingangs beschriebenen Kommunikationsmustern folgend nach Erklärungsmustern für Johann Philipps Verhalten, die das bestehende Vertrauen unangetastet ließen. Der kurmainzische Versuch, eine Verständigung anzubahnen, wurde etwa als naive Fehleinschätzung der Handlungsspielräume des Mainzers gegenüber dem Kaiserhaus betrachtet, nicht aber als Illoyalität oder opportunistischer Seitenwechsel 1347. Schließ­lich einigte man sich auf das auch aus frankreichfreund­lichen Kreisen des Mainzer Hofes lancierte Interpretationsangebot, die Unstimmigkeiten seien die Folge des eigenmächtigen Handelns des Gesandten Blom gewesen, den Gravel nun gegenüber Johann ­Philipp so weit wie mög­lich diskreditieren sollte 1348. Hier zeigte sich, wie sehr sich die Wahrnehmung von Gegnerschaft schließ­lich auch als resistent gegenüber anderen von diesem Schema abweichenden Beobachtungen erweisen und Vertrauen gerade in Krisensituationen stabilisieren konnte. Der Wahrnehmung Johann Philipps als habsburgfeind­lichem und frank­reich­ freund­lichem Kurfürsten tat die ganze Episode auch mittelfristig keinen Abbruch. Bereits im Jahr darauf rekurrierte Gravel wieder angesichts der Frage einer von franzö­sischer Seite unerwünschten Verlegung des Reichsdeputationstages aus Frankfurt auf die Behauptung, Johann Philipp habe sich durch seine vorangegangenen Verhaltensweisen bei den Habsburgern zu sehr verhasst gemacht, als dass

1345 vgl. Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Bd. 1, 97 f. 1346 Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE , CP, Allemagne 146, fol. 153v). 1347 Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 4.8.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 96r). 1348 Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 14.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 171v).

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beide in dieser Sache ernsthaft kooperieren könnten 1349. Von der kurzen Krise aus dem Vorjahr war nun keine Rede mehr. Zusammenfassend soll hier noch einmal rekapituliert werden, was ein solches Vertrauen in die Wirksamkeit agonaler Kommunikation für die franzö­sische Diplo­ maten „leistete“: Erstens verließ man sich nicht mehr allein auf Kommunikationsakte zwischen „anwesenden“ franzö­sischen und reichsständischen Akteuren. Vielmehr wurde die Beobachtung von Kommunikationsakten mit einem dritten Akteur, näm­lich den Vertretern des Hauses Habsburg, miteinbezogen. Vertrauen war so kein dyadisches, sondern ein triadisches Konstrukt. Zweitens wurden so bisweilen kontrafaktische und widersprüch­liche Verständigungsweisen zwischen Diplomaten mög­lich, in denen auch abweichendes, scheinbar Vertrauen enttäuschendes Verhalten verarbeitet werden konnte. Ein solches Vertrauen schuf also Spielräume für seine eigene Enttäuschung und sicherte so seine Nachhaltigkeit und „Widerstandsfähigkeit“. Um zu verstehen, wie solche triadischen Konstruktionen Vertrauen trotz offenkundiger Gegenanzeigen stabilisieren konnten, muss allerdings noch näher darauf eingegangen werden, wie sich die franzö­sischen Gesandten diesen dritten Akteur, die Maison d’Autriche, genau vorstellten und warum die eben erläuterten „Repräsentationen“ von Gegnerschaft und Nicht-Kommunikation als Vorlagen für die Konstruktion von Vertrauensbeziehungen herangezogen werden konnten, auch wenn sich dies nicht zwangsweise mit der viel komplexeren Wirk­lichkeit deckte. Um zu erklären, wie solche selbstbegünstigenden Erklärungen mög­lich waren, sollen im Folgenden Fremd- und Feindwahrnehmungen in den hier untersuchten franzö­sischen Korrespondenzen in den Blick genommen werden. Welche Bedeutung hatten diese? Wie wurden sie verwendet?

1349 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 36r). Zum „Translationsstreit“ ausführ­lich Schnettger, Deputationstag, 269 ff.

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3.7 Stereotypen, Feindbilder, Fremdwahrnehmungen und ihr Gebrauch 3.7.1 Methodische Vorüberlegungen Die Analyse von Fremdwahrnehmungen ist in der Geschichte der Außenbeziehungen im Zuge der kulturgeschicht­lichen Erneuerung des Feldes in jüngerer Zeit stärker in den Vordergrund gerückt 1350. Für die „reichisch“-franzö­sischen Beziehungen hat Klaus Malettke bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren auf die Bedeutung der gegenseitigen Perzeption für Außenpolitik und Diplomatie verwiesen 1351. Sven Externbrink hat daran anschließend in seiner Studie zur Vorgeschichte des renversement des alliances solche Fremdwahrnehmungen in engem Bezug zu Entscheidungshandeln betrachtet. So vielversprechend sich diese Koppelung ausnimmt, birgt sie doch die Gefahr, von einer einfachen Übertragung von Wahrnehmungen in Entscheidungsprozesse auszugehen, ohne die zu Beginn dieses Hauptteiles beschriebenen Kommunikationsstrukturen, denen außenpolitische Entscheidungen unterliegen, zu berücksichtigen. Externbrink konzentriert sich weitgehend auf die Analyse von Denkschriften und postuliert methodisch eine Art „deskriptiven Impressionismus“1352. Dieses Vorgehen läuft jedoch Gefahr, den Ablauf konkreter Entscheidungsprozesse, die Aushandlung von Wirk­lichkeit und die Selektivität von Wahrnehmungen gerade aus dem Blick zu verlieren. Denn so lässt sich zwar „das“ Bild des Anderen aus verschiedenen Bildpunkten rekonstruieren, es bleibt aber ungeklärt, wie und in welchen Situationen die Teilelemente dieses Bildes für Verständigungs- und Entscheidungsprozesse mobilisiert werden. „Perzeption“ und „Entscheidung“ werden so im Grunde wieder entkoppelt. Ebenso tendieren solche Perzeptionsanalysen dazu, makropolitische Themen wie „allgemeine Landeskunde“, Verfassung, Militär, Ökonomie zu privilegieren. Diese scheinen aber tatsäch­lich erst seit dem späteren 18. Jahrhundert unangefochten zentrale Leitkategorien politischer Wahrnehmung zu sein. In den Jahrzehnten zuvor standen häufig Kenntnisse von Charakterzügen, aber auch personalen Verflechtungen 1350 Niedhardt, Selektive Wahrnehmung. 1351 Vgl. v. a. Malettke, Frankreich, Deutschland. 1352 Konzeptuell ist es zwar an sich hilfreich wenn „den Äußerungen der Diplomaten und den Autoren von Denkschriften viel Raum gegeben wird“, problematisch wird es aber, wenn „das deskriptive Element einen Vorrang vor dem analytischen erhält. Das in dieser Studie rekonstruierte Deutschlandbild setzt sich, vergleichbar dem Aufbau eines Gemäldes der Impressionisten aus einer Vielzahl von einzelnen Punkten zusammen, die den oben beschriebenen Quellen entnommen und zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden müssen“, Externbrink, Friedrich der Große, 18.

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und Interdependenzen einflussreicher personaler Akteure im Vordergrund. Sie wurden von Zeitgenossen als Grundlage für politische Entscheidungen begriffen. Diese sollte man als Diplomat nicht nur kennen, sondern im Idealfall auch für den Fürstendienst operationalisieren können 1353. Jörg Ulbert stellt in seiner Arbeit zum Deutschlandbild franzö­sischer Diplomaten im frühen 18. Jahrhundert fest, dass diese Art von Information offenbar noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als wichtiger betrachtet werden konnte als etwa Wissen um finanzielle und militärische Ressourcen 1354. Arno Strohmeyer entwirft ein umfassenderes, auf den ersten Blick sozial- und kulturwissenschaft­lich gründ­licher erarbeitetes Konzept von Fremdwahrnehmungen 1355. Zunächst scheint sein Ansatz die Vorteile von methodischer Fundierung und Breite einerseits sowie einer pragmatischen Ausrichtung im Sinne der Operatio­ nalisierbarkeit theoretischer Konzepte in der historischen Forschung andererseits zu verbinden. Im Gegensatz zu den stark deskriptiven Forschungen Malettkes und seiner Schüler betont Strohmeyer vor allem die Rolle topischer Fremdbeschreibungen und geht auf die in der Forschung gängige methodische Unterscheidung von Feindbild und Stereotyp ein. Generell werden Stereotype definiert als Sprechweisen über den Anderen, die ihm aus einem Repertoire an vorgeprägten Bildern Eigenschaften zuweisen. Ein Grundmuster von Stereotypisierung besteht darin, einem Anderen negative Eigenschaften zuzusprechen, die häufig mit positiv besetzten „Autostereotypen“ korrelieren 1356. Feindbilder führen dieses Muster noch weiter und aggregieren verschiedene negative Stereotype zu einem geschlossenen Perzep­ tionszusammenhang. Sie benutzen dann negative stereotypisierte Zuweisungen mit einer invarianten Stabilität und Regelmäßigkeit. Dem Feindbild wird vor allem in Krisensituationen eine Funktion der gegen Andere abgrenzenden Stabilisierung eigener Gruppenidentität zugeschrieben 1357. 1353 Roosen, Functioning of Ambassadors, 316 f. 1354 „Überraschenderweise“, bemerkt Ulbert, würden „jedoch der Wirtschaft, dem Handel oder der Demographie Österreichs in den Denkschriften“, wenig Aufmerksamkeit geschenkt, auch „aus heutiger Sicht grundlegende Informationen, wie die Einkünfte und Ausgaben des Kaisers oder die Stärke seiner Armee“, würden nur vereinzelt berücksichtigt, vgl. Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, 155. Diese Feststellung führt Ulbert allerdings nicht dazu, sein überwiegend auf Makrostrukturen gerichtetes Erkenntnisinteresse zu modifizieren. 1355 Strohmeyer, Einleitung. 1356 Vgl. Art. „Stereotyp“, in: Handwörterbuch der Soziologie, 842 f. 1357 Niedhardt, Selektive Wahrnehmung. Vgl. zur Definition von „Feindbild“ auch Bernhardt, Voraussetzungen, 13 f. In der historischen Forschung hatten diese Kategorien ihren Platz bislang aber vor allem in der Geschichte kollektiver nationaler Identitätsbildungen im 18. und 19. Jahrhundert. Vgl. etwa die Beiträge in einschlägigen Sammelbänden

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Allerdings führt Strohmeyer hierbei zwei verschiedene Ansätze in einem System zusammen, die sich bei näherer Betrachtung gegenseitig ausschließen. Fremdbilder können sich näm­lich nicht einerseits nach dualen semantisch und topisch feststehenden Mustern organisieren und dabei unreflektiert selbstbezogene Sinnhorizonte reproduzieren 1358 und zugleich in strate­gischer Absicht in bestimmten Darstellungsformen authentifizierend oder apologetisch instrumentalisiert oder aber in Interaktionen vor Ort modifiziert werden 1359. Methodisch und „ontolo­gisch“ müssen hier vielmehr zwei verschiedene Modelle auseinandergehalten werden. Einerseits können Fremdbilder als wirk­lichkeitsresistente, invariante Wahrnehmungsstruktur betrachtet werden, die jede weitere Fremdwahrnehmung determinieren. Dies würde Diplomaten gewissermaßen zu Gefangenen ihrer vorgefertigten und invarianten Wahrnehmungsmuster machen. Eine solche Auffassung überträgt Muster topischer Fremdbeschreibung, wie sie etwa aus der Forschung zu frühneuzeit­lichen Reiseberichten bekannt sind 1360, auf andere alltäg­lich mit dem Fremden befassten Akteure. In der Konsequenz müsste dann statt nach Fremdwahrnehmung eher nach den Tiefenstrukturen von „Wahrnehmungsverweigerung“ gefragt werden 1361. Das andere Forschungsparadigma der Wahrnehmung und des Umganges mit dem Fremden, das von dem obigen aber zu scheiden ist, findet sich in neueren Studien zur interkulturellen Diplomatie, so etwa Christian Windlers Studie zu den franzö­sisch-maghrebinischen Beziehungen im 18. Jahrhundert. Diese wirft ein völlig anderes Licht auf die Fremderfahrungen frühneuzeit­licher franzö­sischer Diplomaten: Kulturen werden hier nicht als geschlossene Entitäten betrachtet, die sich fremde Umwelten nur überlagert durch die ständige Reproduktion eigener, selbstbezüg­licher Bedeutungsgefüge erschließen können. Stattdessen können solche Bedeutungen in Interaktionsprozessen eben nicht nur reproduziert, sondern auch verändert und angepasst werden 1362. Diplomaten handeln in sogenannten „third spaces“ Normen zur neuesten Geschichte von Hahn / Hahn, Nationale Stereotypen. Explizit wird der Publizistik dabei eine herausragende Rolle zugemessen. Dies ist auch der Fall bei den Beiträgen in Aschmann (Hrsg.), Das Bild „des Anderen“. 1358 Strohmeyer, Einleitung, 29 f. Dies formuliert Strohmeyer vor allem im Anschluss an die Überlegungen bei Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik. 1359 Strohmeyer, Einleitung, 26 f. 1360 Vgl. hierzu etwa Nolde, Andächtiges Staunen. 1361 Reinhard, Historische Anthropologie. Ebenso: Burschel, Das Eigene und das Fremde. Als eher apart kann wohl die Behauptung Michael Levins betrachtet werden, dem zu Folge, die negativen Wahrnehmungen der Italiener durch spanische Diplomaten zur Entstehung antiitalienischer Stereotype in Spanien beigetragen habe, vgl. Levin, Agents of Empire, 203. 1362 Windler, Diplomatie comme expérience de l’autre. Eine Reihe ähn­licher Forschungen liegen inzwischen für den Kontext europäischer Außenbeziehungen vor. Vgl. etwa zu

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der Interaktion mit dem kulturell fremden Anderen situativ neu aus und können in der Folge auch Wahrnehmungen und Beschreibungen daran anpassen 1363. Allerdings können Interaktionssituationen auch das performative Ausspielen eigener kultureller Identitäten verlangen 1364. Ebenso wird hier die Präsenz von Stereotypen und Feindbildern keineswegs grundsätz­lich zugunsten „wirk­lichkeitsadäquaterer“, an lokalem Wissen orientierter Wahrnehmungen bestritten. Erstere konnten insbesondere in der diplomatischen Korrespondenz rhetorisch-strate­gischen Darstellungsformen zugeführt werden. Sie stellen den Akteuren ein Set an verschiedenen Wahrnehmungsformen und Darstellungsweisen zur Verfügung, die rhetorisch-strate­gisch gebraucht werden können. Wahrnehmungsmuster können dann aber eben nicht für sich genommen bereits als perzeptions- und handlungsleitend beschrieben werden. Ausgehend von den oben angestellten Überlegungen zum „kommunikativen setting“ franzö­sischer Diplomaten und der Dynamik von Kommunikation in Organisationen, erscheint es zunächst plausibel, auch Stereotypen und Feindbilder im Sinne des zweiten Grundmodelles zu untersuchen und ihre strate­gische Gebrauchssituationen, etwa für die angesprochene Herstellung von Vertrauen in der „internen Verhandlung“ der Korrespondenz zu erweisen. Ebenso ließe sich vermuten, dass Wahrnehmungsformen von Diplomaten im Sinne der Abwicklung von Enttäuschungen gebraucht wurden. Wie der „Gebrauch“ solcher Wahrnehmungsformen aussieht, ob Regelmäßigkeiten der Instrumentalisierung bestimmter Diskurse feststellbar sind und wie sie sich gestalten, und wo die Grenzen des rhetorisch-strate­gischen Nutzens von Feindbildern und Stereotypen sind, soll im Folgenden erörtert werden.

Wahrnehmungs- und Interaktionsformen monarchischer Gesandter in der republikanisch verfassten Eidgenossenschaft ders., Diplomatie als Erfahrung. Die Wahrnehmung des Zeremoniells als „transterritoriales“ universell verständ­liches Kommunikationsmedium in den spanisch-han­sischen Beziehungen verdeut­licht Weller, Andere Länder, andere Riten? Ähn­liche Verhältnisse, die auf eine Relativierung substantieller Fremdheit hindeuten, lassen sich in einer „ad-hoc-Gesellschaft“ wie jener der Gesandten und ihres Personals auf dem Nimweger Kongress feststellen. Vgl. Köhler, Strategie und Symbolik, 72 und 421. 1363 Zum Begriff der „third spaces“, vgl. Bahba, Location of Culture. 1364 Windler, Diplomatie, 554 ff.

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3.7.2 Fremdbilder als Stereotype 3.7.2.1 Proto-nationale Stereotype Das 17. und 18. Jahrhundert gelten gemeinhin als eine Zeit, in der sich immer stärker Wahrnehmungen nationaler Eigenheiten konturieren und eine größere Bedeutung für die Darstellung des Anderen gewinnen 1365. Diese Strömungen lassen sich vor allem in der zeitgenös­sischen Literatur seit dem 17. Jahrhundert ausmachen 1366. Ob aber solche an entstehende nationale Identitäten geknüpfte Wahrnehmungsmuster auch in das Alltagsschriftgut der diplomatischen Korrespondenz einflossen, ist, um es vorwegzunehmen, zumindest frag­lich. Eine reguläre und sinnstiftende Form der Verwendung von „ethnischen“ oder „(proto)nationalen“ als spezifisch „deutsch“ markierten Stereotypen ist zumindest im Rahmen der vorliegenden Studie kaum auszumachen. Dies stimmt durchaus mit Befunden anderer Forschungen zur Fremdwahrnehmung im Reich tätiger franzö­sischer Diplomaten in der Frühen Neuzeit überein. Eindeutig zu diesem Ergebnis kommen etwa Studien zum deutsch-franzö­sischen Verhältnis im 18. Jahrhundert. Als Ursache hierfür wird die ideengeschicht­liche „Evolution“ der europäischen Aufklärung angeführt. Diese hätte empirische und weniger stereotypisierte Betrachtungen des Anderen ermög­ licht 1367. Diese Befunde werden auch durch die Ergebnisse bislang eher punktueller Untersuchungen zu den Wahrnehmungsweisen franzö­sischer Diplomaten im Reich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestätigt 1368. Die schwache Präsenz stereotyper Darstellungsformen in den Gesandtenberichten deutet auf eine für die franzö­sische Diplomatie im gesamten Ancien Régime feststellbare Kontinuität hin. Dies schloss frei­lich den Gebrauch solcher Stereotypen als Zuschreibung von Verhaltensmustern oder anderen angeb­lich typisch deutschen Zügen nicht aus. Diese sind aber zumeist in zweierlei Hinsicht unspezifisch: Zum einen lässt sich keine 1365 Schulze, Entstehung des nationalen Vorurteils. Speziell mit deutsch-franzö­sischem Bezug nach 1648 Braun, Von der politischen zur kulturellen Hegemonie, 203 – 219. Ausgewogener und mit Hinweis auf die Tatsache, dass nationale Wahrnehmungen nur eine von verschiedenen Formen der Identifizierung von Zugehörigkeiten waren Schaub, Le sentiment national. 1366 Nach „Imagologien“, die die Konstruktion nationaler Identitäten anhand solcher topischen Fremdbilder miteinbeziehen, fragt der Sammelband von Florack (Hrsg.), Nation als Stereotyp. 1367 Externbrink, Friedrich der Große, 29; Ulbert, Deutschlandpolitik, 352 f. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts als besondere Konjunktur für empirisch gesättigte Fremdbeschreibungen und außergewöhn­liche „interkulturelle Kompetenz“ beschreibt für den außereuropäischen Kontext vor allem Osterhammel, Entzauberung Asiens. 1368 Beiderbeck, Feindbilder; Tischer, Fremdwahrnehmung.

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diskursive Regelhaftigkeit ihres Gebrauches herausstellen, zum anderen scheint es frag­lich, ob sie überhaupt einem spezifizierbaren Repertoire von Stereotypen zugeschrieben werden können. Wenn etwa Gramont und Lionne von Mazarin zusätz­ liche finanzielle Ausstattung für ihre Frankfurter ambassade einforderten, um das eigene prunkvolle Auftreten finanzieren zu können und erklärten, dies sei wichtig, weil sich die Deutschen durch Äußer­lichkeiten beeindrucken ließen, argumentierten sie dann tatsäch­lich mit einem spezifizierten Stereotyp 1369? Eine solche Behauptung scheint fast zu allgemein zu sein, um als nationale“ Eigenheit in Betracht zu kommen. Ferner lässt sich eine Wiederholung dieser Koppelung von „deutsch“ und „oberfläch­lich“ in dieser Form im Rahmen der untersuchten Korres­pondenz kein weiteres Mal finden. Eher an deutsche Stereotype anzuschließen scheint die Einschätzung des Königs über Vertragsverhandlungen mit Lothar Friedrich von Metternich: Sie wissen, dass die beste Art und Weise mit den Deutschen zu verhandeln ist, offen zu ihnen zu s­ prechen, und keine Umstände zu machen, ihnen frei heraus zu erklären, was man von ihnen begehrt und was man beansprucht 1370. Dies deutet auf ein Stereotyp spezifisch deutscher Unkompliziertheit und Naivität hin, eine in diesem Fall positiv besetzte, stereo­ typisierte Wahrnehmungsweise 1371. Darauf wurde auch vereinzelt verwiesen, etwa wenn von einer bonne foye allemande die Rede war. Als ein Indikator für eine generelle Vertrauensfähigkeit deutscher Klienten konnte dies frei­lich nicht betrachtet werden 1372. Auf dieses Stereotyp konnten sich auch Klienten wie Franz Egon von Fürstenberg berufen. Dieser beschrieb sich gelegent­lich gegenüber Vertretern der Krone mit einem Germanizismus als red­licher teutscher bruder 1373. Für die Wahrnehmung von Akteuren und deren politischen Handlungsdispo­ sitionen schienen Stereotypisierungen jedoch nur eine geringe Bedeutung zu haben. 1369 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 96v). 1370 Vous savez que la meilleure manière de negotier avec les allemans est de leur parler franchement et ne faire nulle difficulté de leur declarer hardiment ce qu’on desire d’eux et ce que l’on en prétend, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 2.1.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 6r). 1371 Darauf verweist auch Tischer, Fremdwahrnehmungen, 268. 1372 Diese stereotype Zuschreibung wurde, dort wo sie von franzö­sischer Seite aufgerufen wurde, näm­lich zumeist vermisst, sodass ihr im untersuchten Material wohl eher eine allerdings nur sporadisch feststellbare Funktion der Enttäuschungsabwicklung zukam. So etwa Mazarin an Robert de Gravel, Bayonne, 26.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 93r). 1373 Franz Egon von Fürstenberg an Robert de Gravel, Bonn, 12.9.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 389r); Franz Egon von Fürstenberg an Lionne, Bonn, 26.6.1664 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 256r).

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Gesandte konnten sie sogar als „Informationssurrogat“ in Ermangelung handfesterer Evidenzen markieren. So schrieb Robert de Gravel etwa 1665 über die mit Frankreich immer noch verbündeten Schweden, diese seien hochmütige Leute, provozierend, die sich mehr ihren Eigeninteressen hingeben als jedes andere Volk der Welt, und die sich etwas darauf einbilden, dass sie fähige Politiker sind. Allerdings gestand Gravel im selben Zug ein, dass er aufgrund der schon seit längerer Zeit eingeschlafenen Kontakte mit dem schwedischen Gesandten Schnolski keine genauen Kenntnisse von der augenblick­lichen Haltung der Schweden habe und markierte damit selbst seine aus reinen Stereotypisierungen gewonnene Einschätzung als vage und auf einem Mangel an „besserem Wissen“ beruhend 1374. „Protonationalen Stereotypen“ fehlen aber nicht nur in mög­licherweise entscheidungsrelevanten Situationsanalysen. Sie sind auch dort nicht vorhanden, wo sie in diplomatischen Korrespondenzen in apologetischer Absicht hätten verwendet werden können, um eigene Fehlschläge oder als falsch erwiesene Lageeinschätzungen mit bekannten und erwartbaren Erklärungsmustern verarbeiten und erklären zu können 1375. Der schwach ausgeprägte Gebrauch von Stereotypen deutet nicht zuletzt darauf hin, dass kulturelle Fremdheit und Distanz zwischen den Akteuren auch durch eine als übergreifend und von allen Akteuren geteilt betrachtete diplomatische Kultur relativiert werden konnte 1376. Dies könnte auch erklären, warum Stereotype vorwiegend dann zur Abwicklung von Enttäuschung instrumentalisiert wurden, wenn sie sich auf Akteure bezogen, die sich nicht problemlos in diesen Rahmen integrieren ließen. Dies war etwa der Fall, wenn gescheiterte Kommunikationen in interkulturellen Beziehungen etwa im Maghreb oder in Konstantinopel thematisiert wurden. Zu ähn­lichen Zwecken konnten etwa in den eidgenös­sisch-franzö­sischen Beziehungen auch Stereotypen, die auf politisch-kulturelle Fremdheit verwiesen, verwandt werden 1377.

1374 Gens haut à la main, défians, intéressés plus que nation du monde et qui se piquent d’estre habiles politique [...] lesquels j’ay fondé sur le peu de connaissance que j’ay de leurs maximes, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 25r, 24v). 1375 Strohmeyer, Einleitung, 35 f. 1376 Zur europäischen diplomatischen Kultur als gemeinsamem Referenzrahmen der Akteure auf dem Friedenskongress von Nimwegen, vgl. Köhler, Strategie, 393 ff. und 425 f. Die Rolle verbind­licher Formen symbo­lischer Kommunikation im Europa des 16. Jahrhunderts unterstreicht Weller, „Spanische Servitut“. Vgl. zur diplomatischen Kultur auch Scott, Diplomatic culture. Ebenso, wenn auch ohne detaillierte Kenntnis frühneuzeit­licher diplomatischer Praxis, Cross-Davis, The European Diplomatic Corps. 1377 Vgl. z. B. Windler, Diplomatie als Erfahrung, 42 f.; Köhler, Strategie, 425 f.

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3.7.2.2 Soziale Stereotype Das Konzept der „Diplomatie vom type ancien“ verweist auf die vorwiegend adelige Trägerschaft frühneuzeit­licher Diplomatie und die damit einhergehenden adeligen Kultur- und Kommunikationsformen 1378. In diesem Kontext ist allerdings darauf h ­ ingewiesen worden, dass es noch zu Beginn des 17. Jahrhundert das Alternativmodell einer von gelehrten, bürger­lichen Diplomaten getragenen diplomatischen Kultur gab 1379. Das Alte Reich zeigte in dieser Hinsicht ein gewisses Beharrungsvermögen und vollzog den in den großen europäischen Monarchien im frühen 17. Jahrhundert deut­lichen Trend zur exklusiven personellen und kulturellen „Veradeligung“ der Diplomatie langsamer und unter komplizierteren Umständen als anderswo in Europa. Um 1648 lässt sich rein quantitativ betrachtet etwa eine Parität adeligen und gelehrten Personals in Diensten der Reichsfürsten feststellen 1380. Die Herkunft der franzö­sischen Gesandten war unterschied­lich: Die Brüder Gravel und Lionne entstammten der noblesse de robe, einer Schicht des Dienstadels, die sich aber stets „nach oben“, zum Hochadel der noblesse d’epée hin orientierte. Andere wie der Duc de Gramont, der aus einem sehr alten Adelsgeschlecht stammende Marquis de Feucquières oder der Comte de Wagnée gehörten tatsäch­lich dem franzö­sischen Hochadel an. Es war gerade diese Gruppe, die sich explizit eine eigene aus hochadeligen Tugenden gespeiste politische Führungskompetenz zuschrieb, die sie z. B. dezidiert von akade­mischem, gelehrtem Herrschaftswissen abhoben 1381. Derartige Tendenzen gab es aber auch und gerade im franzö­sischen Dienstadel  1382. Konnte dies stereotypisierende Beschreibungs- und Argumentationsweisen befördern, bei denen man den Sozialstatus der betroffenen Akteure thematisierte? Zumindest gelegent­lich wurden auch derartige, mit sozialen Stereotypen versetzte Wahrnehmungsmodi von franzö­sischen Diplomaten im Sinne von „Enttäuschungsabwicklung“ gebraucht. Dies bezog sich beispielsweise auf die Art und Weise, wie Robert de Gravel seine gelehrten reichsständischen Kollegen in Regensburg im Zusammenhang mit einer der wohl am gründ­lichsten gescheiterten reichspolitischen Initiative der franzö­sischen Krone beschrieb: der Auflösung jenes Regensburger

1378 Von Thiessen, Überlegungen, 488. Zur Verbind­lichkeit von adlig-höfischen Kommunikationscodes über hochadlige Standeszugehörigkeit hinaus vgl. auch Weller, Spanische Servitut. 1379 Von Thiessen, Überlegungen, 495 f. 1380 Lupold von Lehsten, Reichstagsgesandte, 535 f. verweist allerdings darauf, dass Reichstagsgesandte ihre Chargen auch zum Erwerb von Adelstiteln nutzen konnten. 1381 Jouanna, Le dévoir de la révolte, 24 ff. 1382 Vgl. hierzu Descimon, Épreuves de noblesse.

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Reichstages, den man später als den „Immerwährenden“ bezeichnen sollte 1383. Gravel führte dieses Scheitern und das Fortbestehen des Reichstages auf eine dysfunktionale Diskussions- und Entscheidungskultur zurück 1384. Dies verknüpfte Gravel mit einem Stereotyp gelehrter Pedanterie. Die Räte, so Gravel, zögen mit ihrem Hang, Debatten zu führen, bei denen es einzig und allein darum gehe, Recht zu behalten, Entscheidungsverfahren unnötig in die Länge: Man erregt sich über akademische Haarspaltereien, die überhaupt nichts zur Sache selbst beitragen […] Die Gemüter der Herren Doktoren erhitzen sich und ein jeder macht es zur Ehrensache, bei seiner Meinung zu bleiben, aus dem alleinigen Grund, dass er als fähiger als die anderen erscheinen möchte. Zudem vertrat der chronisch unterfinanzierte Gravel offensicht­lich die Vorstellung, dass gelehrte Gesandte aufgrund ihrer typischen Sparsamkeit und Knausrigkeit den Reichstag noch sehr lange durchhalten könnten 1385. Solche ökonomischen Stereotype, die sich auf gelehrte, bürger­liche Akteure bezogen, verwandten zumindest einmal auch Gramont und Lionne während der Kaiserwahl. Die beiden Ambassadoren gebrauchten diese aber eher um die vermeint­liche Käuf­lichkeit nicht-adeliger Gesandter zu begründen: Im Frühjahr 1658 behaupteten sie, es gebe mög­licherweise eine letzte Chance, Ferdinand Maria von Bayern doch noch von einer Kandidatur bei der Kaiserwahl zu überzeugen. Der Weg dazu sollte ausgerechnet über den bayerischen Wahltagsgesandten Dr. Johann Georg Öxle führen, der bislang als besonders vehementer Anhänger des Kaisers in Erscheinung getreten war 1386. Öxle sei aufgrund seiner Abkunft und seiner mutmaß­lich bescheidenen Verhältnisse als docteur sicher bereit, einen großen franzö­sischen Geldbetrag anzunehmen und sich dann im Sinn der Krone für eine Kandidatur seines Herren auszusprechen. Allerdings markierten die Gesandten auch hier die relative Unwahrschein­lichkeit dieser Annahme, indem sie darauf hinwiesen, dass sie diese Option ledig­lich durchdachten, um keine Mög­lichkeit,

1383 Vor allem Anfang 1667 spekulierte der franzö­sische Gesandte darüber, wie der Reichstag am einfachsten aufzulösen sei. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.3.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 208r). 1384 Die aus seiner Sicht enervierende Langsamkeit des Entscheidungsprozesses schildert der franzö­sische Gesandte anschau­lich im Zusammenhang mit der Initiative, den franzö­sischen König als Reichsfürsten anerkennen zu lassen. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.9.1668 (AMAE, CP, Allemagne 249, fol. 22r, 22v). 1385 L’on embarasse seulement par des subtilités d’école et qui ne font rien de tout à l'affaire même […] les esprits de Mrs les docteurs s’echauffent et chacun d’eux fait un point d’honneur de soutenir son opinion par la seule raison qu’il veut paroistre plus habile homme que les autres, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 19.12.1669 (AMAE, CP, Allemagne 250, fol. 279v, fol. 280r). 1386 Zu Öxle, vgl. Fürnrohr, Kurbaierns Gesandte, 25 ff.

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die für das franzö­sische Kaiserwahlprojekt verfahrene Lage doch noch zu wenden, auszulassen 1387. Insgesamt fehlt auch bei solchen sozialen Stereotypisierungen eine Verdichtung zu wiederkehrenden diskursiven Mustern. Darüber hinaus konnten einzelne Elemente sozialer Stereotypisierungen auch so verwendet werden, dass sie Sinnzusammenhänge ergaben, in denen von einer positiven Besetzung des Adelig-Seins und der Abwertung bürger­lich-gelehrter Akteure nicht oder nur bedingt die Rede sein konnte: Dies lässt sich beispielsweise bei der Neuausrichtung franzö­sischer Netzwerkbeziehungen am Mainzer Hof nach dem Amtsantritt des neuen Erzbischofs und Kurfürsten Lothar Friedrich von Metternich feststellen. Insbesondere Johann Philipps Neffe, Georg Melchior von Schönborn, hatte hier, laut Gravel, um seinen Platz zu kämpfen. Um seinen Einfluss zu steigern, plante er, den Favoriten und engsten Ratgeber des neuen Kurfürsten, Quirinus Mertz, durch eine Intrige bis zu einem seiner Geburt und seinen mérite angemessenen Grad sinken zu lassen, wie sich Schönborn offenbar ausdrückte 1388. Gravel hob allerdings hervor, dass Schönborns Initiative trotz seines eigenen adeligen mérite wohl nicht sehr vielversprechend sei. Mertz hingegen wurde eine viel größere Konstanz, Vernünftigkeit, aber auch eine treue Bindung an die Krone unterstellt, die allerdings auch – und hier riss auch Jacques de Gravel die Diskursfigur des vor allem ökonomisch interessierten bürger­lichen Akteurs an – durch dessen Hoffnung auf die könig­lichen grâces gestützt werde 1389. Dass aber in gelehrten reichsständischen Diplomaten entgegen ständisch geprägter Argumente gerade die zuverlässigeren Partner gesehen werden konnten, machte Gravel angesichts der Erörterung einer geplanten mainzischen Gesandtschaft an den Kölner Kongress 1673 deut­lich. Er werde zwar zustimmen, sollte man den jungen Schönborn oder einen anderen Frankreich gewogenen Stiftsadeligen hierfür vorsehen. Allerdings werde er auch darauf insistieren, dass diesem ein docteur zur Seite gestellt werde, denn, so meinte G ­ ravel: Die Leute von Stand sowohl aus dem Kapitel, als auch die welt­lichen, sind zu einer ­solchen Aufgabe nicht in der Lage oder sind zu unbeherrscht 1390. Ein eindeutig negativer, den eigenen, sozial höheren Stand privilegierender Gebrauch bürger­lich-gelehrter 1387 Nous ne doutons pas que pour gaigner une somme qui peut faire la fortune d’un docteur comme luy, il n’escrive aux meilleurs termes que nous pouvons desirer pour se faire venir le pouvoir d’opiner en nostre faveur, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 30.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 89r). 1388 Le faire un peu descendre jusqu’à un degré proportionné a sa naissance et son mérite, Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 25.3.1673 (AMAE, CP, Mayence 13, fol. 349r). 1389 Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 25.3.1673 (AMAE, CP, Mayence 13, fol. 350r). 1390 Les gens de qualité soit du chapitre, soit séculiers ne sont pas capables d’une pareille commission, ou sont trop passionnez, Jacques de Gravel an Pomponne, Mainz, 15.12.1673 (AMAE, CP, Mayence 14, fol. 192v).

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Stereotype lässt sich nicht feststellen. Es war im Gegenteil vereinzelt sogar mög­lich, einer bestimmten Gruppe von Adeligen per se politische Kompetenzen abzusprechen. Im Ganzen war der soziale Rang einzelner Akteure für die Zuschreibung von Kooperations- oder Vertrauensfähigkeit von keiner herausragenden Relevanz. Hierfür müsste sicher auch die Tatsache veranschlagt werden, dass einzelne Akteure einer bürger­lich-gelehrten Kultur angehörten, die sich in bestimmten Aspekten von der adeligen unterscheiden mochte, dass es darin aber keine fundamentalen Unterschiede zur primär durch die stratifizierte Adelsgesellschaft geprägten politischen Kultur des Alten Reiches gab. Trotz seiner komplizierten und in Teilen fremdartigen Struktur wurde das Alte Reich von franzö­sischer Seite immer noch als Bestandteil der europäischen Société des Princes wahrgenommen und die Vertreter der Kur- und Reichsfürsten entsprechend zugeordnet 1391. Aus der Perspektive eines monarchischen Gesandten in gänz­lich fremdartigen, näm­lich republikanisch strukturierten Gemeinwesen konnte dies völlig anders aussehen. Neuere Studien deuten in der Tat darauf hin, dass die Fremdartigkeit der politischen Kultur und der Entscheidungsmechanismen etwa in der Eidgenossenschaft tatsäch­lich in sozial stereotypisierende Beschreibungsweisen überführbar war 1392. 3.7.2.3 Konfessionelle Stereotype Der Faktor „Konfession“, so Heinz Schilling, gehörte vor allem für die Zeit vor 1648 zu den wichtigsten Antriebskräften der Internationalen Beziehungen 1393. Auch wenn dieser außenpolitische Leitfaktor zumindest von franzö­sischer Seite bereits beim Eingreifen der Krone in den Dreißigjährigen Krieg an der Seite Schwedens gegen das katho­lische Habsburg zwangsweise eine untergeordnete Rolle spielte, blieben, wie vor allem jüngere Forschungen gezeigt haben, konfessionelle Handlungsmotivationen und Handlungsmuster in der Politik des späteren 17. und 18. Jahrhunderts präsent 1394. Es liegt daher nahe, nach der Rolle konfessioneller Wahrnehmungen und damit einhergehender Stereotypisierungen bei der Einschätzung von Akteuren und außenpolitischen Situationen im hier untersuchten Zeitraum zu fragen. Hier ist vorauszuschicken, dass sich diese Studie aufgrund ihrer Fokussierung auf die geist­ lichen Kurfürsten vor allem mit Personen katho­lischer Konfession, unter ihnen einige hochrangige Kleriker, beschäftigt, die auf ausnahmslos ebenso katho­­lische 1391 Godefroy, Céremonial de France, 581 ff. 1392 Windler, Ohne Geld, 114. 1393 Schilling, Formung und Gestalt, 31 f. 1394 Vgl. die Beiträge in Onnekink (Hrsg.), War and Religion after Westphalia; Thompson, Britain, Hanover. Zur ambivalenten Rolle konfessioneller Argumente im 18. Jahrhundert von katho­lischer Seite vgl. bereits Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg.

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franzö­sische Unterhändler trafen. Auch wenn – wie oben angeführt – einige der Klienten und Pensionäre am Mainzer Hof Konvertiten waren, blieb man in konfessioneller Hinsicht also weitgehend „unter sich“. Im Alten Reich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es aber drei Konfessionen: katho­lisch, lutherisch, reformiert. Gerade bei der Rheinallianz hatten es die franzö­sischen Gesandten mit einem explizit überkonfessionellen Projekt zu tun, das nicht nur protestantische Reichsstände, sondern die schwedischen Krone als protestantische Vormacht Europas miteinbezog. Deswegen soll im Folgenden nach der Bedeutung des Faktors Konfession für die Beziehungen der franzö­sischen Krone zu den Reichsständen und nach der Wahrnehmung von einzelnen Akteuren unter konfessionellen Gesichtspunkten gefragt werden. Auch hier kann allerdings bereits vorausgeschickt werden, dass solchen konfessionellen Wahrnehmungs- und Argumentationsmustern kaum eine strukturierende Funktion für die Verständigung franzö­sischer Diplomaten untereinander zukam. Vor allem in den 1650er- und 1660er-Jahren ist Konfession weder ein signifikanter Faktor bei der Zuschreibung von Handlungsmotivationen einzelner Akteure, noch bei der Verarbeitung von Enttäuschungen durch negative Konnotationen von konfessionellen Zugehörigkeiten. Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass die franzö­sische Reichs- und Bündnispolitik einen dezidiert überkonfessionellen Charakter haben sollte. Insbesondere Mazarin und seine Diplomaten erachteten es als extrem wichtig, Protestanten und Katholiken gleichermaßen in ihre Bündnispolitik miteinzubeziehen und so katho­lischen Unilateralismus zu vermeiden. In diesem Sinne stilisierte sich auch Robert de Gravel noch Mitte der 1660er-Jahre nach der Einberufung des Reichstags als neutraler Vermittler, der jede Parteinahme in konfessioneller Hinsicht zu vermeiden hatte, gerade in Situationen, in denen etwa die konfessionellem corpora des Reiches untereinander zerstritten waren 1395. Besonders ausgeprägt war dieser konfessionspolitische Zug aber während der Mazarin-Jahre: Vor allem gegenüber Johann Philipp von Schönborn, dem hauptsäch­ lichen Vertreter einer überkonfessionell motivierten Friedenspolitik, ließ es Kardinal Mazarin als ein auch spezifisch franzö­sisches Interesse darstellen, dass ein mög­ licher Fürstenbund im Reich vor allem überkonfessionell sein müsste 1396. Auch in der unmittelbaren Folge des Abschlusses der Rheinallianz 1658 wollte man so viel Bereitschaft zur überkonfessionellen Kooperation an den Tag legen wie mög­lich. Eine solche Haltung wurde aber von Mazarin und seinen Diplomaten gerade nicht als Novum oder als einseitiger Abschied von konfessioneller Politik betrachtet. Im Gegenteil, Mazarins Ansicht war insofern pragmatisch, als dass er davon ausging, 1395 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 29.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 272v). 1396 Mazarin an Robert de Gravel, Sedan, 8.8.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 94.

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dass, wenn nicht Frankreich eine solche Politik initiiere, eine andere protestantische oder auch katho­lische Macht die Situation für sich nutzen würde 1397. Dass sich die Krone gerade vor der endgültigen Beendigung des spanischfranzö­sischen Krieges in den Pyrenäen nicht auf konfessionelle Wahrnehmungsund Handlungsweisen festlegen wollte, hatte aber auch mit der pragmatischen, englandfreund­lichen Politik Mazarins im gesamteuropäischen Kontextes des Konfliktes mit der spanischen Monarchie zu tun 1398. Es gehörte zu dem weiter unten noch zu erläuternden antihabsbur­gischen Feindbilddiskurs, den Spaniern blinden konfessionellen Rigorismus, aber zugleich auch Bigotterie und Doppelzüngigkeit in religiösen Fragen zu unterstellen 1399. Dementsprechend verwehrte sich Mazarin gegen die von spanischer Seite erhobenen Vorwürfe, sich mit Protestanten gegen die Vertreter der wahren Religion verbündet zu haben. Solche Vorwürfe nannte er einen falschen Vorwand von Religion und Frömmigkeit, um gutmütige Leute zu überzeugen, die in ihrer Einfältigkeit nicht den Grund der Dinge erkennen. Die Spanier wären unter für sie günstigen Umständen genauso bereit, mit Protestanten zu kooperieren. Im Übrigen sei es nur die aggressive Politik Spaniens gewesen, die ihn zur Allianz mit Cromwells England genötigt habe 1400. Die angeb­liche besondere Rücksichtslosigkeit der Spanier im Umgang mit Protestanten sah die franzö­sische Seite dagegen als einen Zug, den man kapitalisieren konnte. So sollte etwa 1657 der Kurfürst von der Pfalz mit dem Hinweis auf den spanischen Protestantenhass unter anderem davon überzeugt werden, nicht stärker mit den Habsburgern zu kooperieren 1401. Mit dem Ende der Rheinallianz 1668 änderte sich jedoch auch der konfessionelle Aspekt der Bündnispolitik der franzö­sischen Krone, die jetzt in viel stärkerem Maße Partikularallianzen mit überwiegend katho­lischen Fürsten suchte. Es war vor allem 1397 Mazarin an Robert de Gravel, Montlieu, 12.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 90v). 1398 Vgl. Laurain-Portemer, Questions européennes. 1399 Rohrschneider, Tradition und Perzeption. 1400 Un faux prétexte de religion et de piété pour surprendre de bons gens quy dans leur simplicité ne voyent pas les fonds des choses, Mazarin an Servien, Calais, 2.7.1658 (AMAE, MD, France 275, fol. 319v). 1401 Interessanterweise besaß Mazarin hierbei jedoch offenbar eine gewisse konfessionelle Sensibilität, da er der Meinung war, ein solches Argument könne besser vom schwedischen Gesandten und franzö­sischen Pensionär Mathias Björnklou vorgebracht werden als von einem katho­lischen franzö­sischen Unterhändler. Der Unterschied zwischen Karl Ludwigs calvinistischer und Björnklous lutherischer Konfession fiel für den Kardinal nicht weiter ins Gewicht. Vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Stenay, 13.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 390v). Zur Person Biörnklous vgl. Droste, Im Dienst der Krone, 380. Bei anderer Gelegenheit zog Mazarin den spanischen Protestantenhass gar ins Lächer­ liche, etwa wenn er sich über Peñaranda lustig machte, der in einem Wutausbruch den Mainzer Hof als eine Bande von Konvertiten und Lutheranern bezeichnet hatte. Vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Calais, 22.7.1658, in: Lettres du Cardinal VIII, 528.

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Robert de Gravel, der den konfessionsübergreifenden reichspolitischen Prinzipien der Politik der Mazarin-Jahre folgend, immer wieder vor katho­lischem Unilateralismus in der franzö­sischen Reichspolitik warnte 1402. Dies verhinderte allerdings nicht, dass er von Lionne, der einst Mazarins überkonfessionelle Reichs­politik genauso entscheidend mitgestaltet hatte, instruiert wurde, ausgerechnet in den Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn über eine neue Partikularallianz stärker auf die gemeinsame katho­lische Identität zu verweisen. Gravel sollte die mög­lichen Vorteile für die katho­lischen Reichsstände als Argument in die Bündnisverhandlungen ansprechen, um ihn bei der Ehre zu packen und ihn am Gelingen der Absichten Seiner Majestät zu interessieren, die so sehr zum Wohl und zum Vorteil aller katho­lischen Stände sind 1403. Weiter verstärkt wurde die Tendenz, gegenüber den geist­lichen Kurfürsten auch konfessionelle Argumente in Verhandlungen einzubringen, schließ­lich in den 1670er-Jahren mit der Zuspitzung des Konfliktes zwischen Frankreich und den Niederlanden. So beauftragte etwa der König Feucquières als seinen Sondergesandten bei den rheinischen Kurfürsten 1672 in den Verhandlungen das Gute, das der Religion durch den Erfolg der Waffen seiner Majestät zukommt herauszustreichen. Dies sollte offenkundig auch der Rechtfertigung der unmittelbar bevorstehenden Militäraktion gegen die Niederländische Republik dienen. Die Instruktion insistierte aber zugleich, es solle nicht der schäd­liche Eindruck entstehen, der König führe einen Religionskrieg gegen die Protestanten im Allgemeinen 1404. Der Verweis auf konfessionelle Zugehörigkeiten und das Wohl der katho­lischen Religion erwies sich allerdings (wie die gesamte Mission) als wenig hilfreich, um die Beziehungen zu Kurmainz oder Kurtrier zu verbessern. Karl Kaspar von der Leyen wies die konfessionelle Argumentation sogar explizit zurück und erklärte, eine solche Rhetorik halte er für eine Sprechweise, die nicht zur gegenwärtigen Situation passt 1405. Insgesamt spielte der Verweis auf den Faktor Konfession und dessen kommunikative Instrumentalisierung weder als Stereotyp in interner Kommunikation noch in Verhandlungen eine herausragende Rolle. Stattdessen bezog sich das Sprechen über Konfessionalität in den Korrespondenzen überwiegend auf die Selbstzuschreibung 1402 Gravel empfahl in keinem Fall nur Partikularallianzen mit katho­lischen Fürsten abzuschließen. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.1.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 208r). 1403 Pour le piquer d’honneur et d’intéresser de faire réussir les intentions de sa Majesté si conformes au bien et à l’advantage des tous les estats catholiques, Lionne an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 27.7.1668 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 220v). 1404 Mémoire pour servir d’instruction au Sr. de Feucquières, Gouverneur de Villes et Citadelles de Verdun, envoyé de la part de Sa Maté vers quelques Princes d’Allemagne [Mai 1672] (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 47v). 1405 Une habitude de parler qui ne convient pas à l’occasion présente, Feucquières an Pomponne, Koblenz, 20.5.1672 (AMAE, CP, Allemagne 262, fol. 56r).

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überkonfessioneller Kooperationsbereitschaft und die Wahrnehmung als konfessio­ nell pragmatischer Akteur. Dies ließ sich zudem mit dem antihabsbur­gischen bzw. antispanischen Stereotyp des falschen religiösen Rigorismus’ verbinden, dem sich umso deut­licher ein positiv besetztes Autostereotyp entgegensetzen ließ. Die Bilanz der Suche nach regelmäßigen Verwendungsweisen von Fremdstereotypen, die sich auf (proto)nationale Eigenheiten, Konfession oder soziale Herkunft bezogen, fällt bescheiden aus. Sie scheinen von franzö­sischen Diplomaten nur punktuell und ohne diskursive Verdichtungen gebraucht worden zu sein. Kaum etwas deutet darauf hin, dass es sich hierbei um für die interne diplomatische Korrespondenz relevante Wissens – und Argumentationsformen handelte. In Einzelfällen können solche stereotypisierenden Darstellungsweisen sogar als niedrig bewertete Information in Ermangelung „besseren Wissens“ markiert werden. Dies verweist auch darauf, dass derartiges Wissen bei der Klassifizierung von Informationen, die zu den zentralen Aufgaben der Diplomaten gehörte, keinen besonders hohen Stellenwert hatte. Insgesamt zeigt sich hier, dass stereotype Fremdbilder, wie wir sie beschrieben haben, kaum als Bestandteile in eine außenpolitische Kultur integriert wurden. Zieht man zusätz­lich die in III. 2. erarbeiteten Ergebnisse heran, so müsste im Gegenteil darauf hingewiesen werden, dass allgemeine anthropolo­gische und psycholo­gische Wissensbestände eine wesent­lich wichtigere Rolle spielten. 3.7.3 Dynastische Feindbilder – Die Darstellung der Habsburger Die vorangegangenen Analysen haben gezeigt, dass befreundete Fürsten, Klienten und Pensionäre in aller Regel nicht durch vorgeformte, stereotypisierte Wissensformen wahrgenommen wurden und diese auch keine herausgehobenen Formen der Abwicklung von Enttäuschung darstellten. Dies dürfte auch darauf zurückführen sein, dass die Akteure vor dem Hintergrund einer geteilten diplomatischen Kultur mit relativ hoher Interaktionsdichte handelten, in der „kulturelle Andersartigkeit“ im Sinne der eben analysierte Stereotypen nur sehr begrenzt plausibel gemacht werden konnte. Die Annahme eines gemeinsamen Regelsystems und die Unterstellung einer geteilten Rationalität führte aber nicht zwangsläufig dazu, dass der wahrschein­lichste Modus kommunikativer Enttäuschungsabwicklung die Unterstellung war, dass Akteure aufgrund individueller Fehlleistungen ihre Interessen nicht erkennen könnten, sich diesen aus irrationalen Motiven entzögen, nicht der Kraft des (angeb­lich) besseren Argumentes folgten oder als individuelle Akteure prinzipiell für alle Gesandten gültigen Normen von Vernunft oder Moral verletzten 1406. 1406 Köhler, Strategie und Symbolik, 405 f. und 408 f.

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Einer Akteursgruppe wurden solche Fehlleistungen und Regelübertretungen näm­lich besonders häufig unterstellt: Dem Haus Habsburg sowie seinen Vertretern und Anhängern. Statt die „nationale“, konfessionelle oder ständische Identität von Akteuren zu thematisieren, ging es im weitesten Sinne um die Zugehörigkeit zu einer Dynastie bzw. deren Höfen und den daran angeschlossenen Klientelverbänden. In diesem Zusammenhang waren die verwendeten Fremd- und Feindbilder also dynastischer Natur zu sein und wurden mit Bezug auf das Haus Habsburg und deren feste Anhängerschaft formuliert 1407. Im Unterschied zur in den letzten Jahren boomenden Forschung zum historischen Konzept der „Freundschaft“ ist der Komplementärbegriff der Feindschaft wesent­lich schlechter erforscht 1408. Ob dies damit zusammenhängt, dass mit Carl Schmitt und dessen Diktum „die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind“ eine der in diesem Zusammenhang unumgäng­ lichen theoretischen Referenzen nicht mehr völlig vorbehaltlos zitierfähig ist, sei dahingestellt 1409. Für Schmitt machte die Fähigkeit, Menschen und Ressourcen um Freund-Feind-Unterscheidungen herum zu organisieren, das Wesen des Politischen vor allen anderen auf Gemeinschaften bezogenen Unterscheidungen aus und stellte die Wirkung von Feindwahrnehmungen für die eigene Gruppe in den Vordergrund 1410. In jüngster Zeit ist dagegen weniger die gemeinschaftsstiftende Exklusionsfunktion von Feindschaft, sondern eher ihr Charakter als dynamische soziale Beziehung hervorgehoben worden 1411. Die Tatsache, dass die zentralen „Feindbegriffe“ für das Haus Habsburg als Kollektivakteur zumeist la Maison d’Autriche oder la Cour de Vienne bzw. la Cour de Madrid waren, verweist darauf, dass sich politische Identität und die Zuschreibung Feindschaft an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Fürstenhaus koppelte bzw. darauf, dass sie sich über Amtsträgerschaft an einem Hof und damit verbunden Zugehörigkeit zu einem Personen- und Klientelverband darstellte. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein blieben politische Freund-Feind-Unterscheidungen in

1407 Dies entsprach der Kategorie der „Dynastie“ als einem politischen Leitbild im 17. Jahrhundert, vgl. Kampmann (Hrsg.), Habsburg-Bourbon-Oranien. 1408 vgl etwa die Sammelbände von Deschamps (Hrsg.), Varieties of friendship; Lochman (Hrsg.), Discourses. 1409 Schmitt, Begriff des Politischen, 26. 1410 Ebd., 37. 1411 Aus der Perspektive der Frühneuzeitforschung dazu jetzt die Beiträge von Jancke u. a., Editorial. Dies verdeut­licht am Beispiel frühneuzeit­licher Gelehrter v. a. Kühn, Feindschaft in der Gelehrtenkultur. Stark im Allgemeinen verbleibt dagegen Hölscher, Feindschaft.

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den europäischen Außenbeziehungen in weiten Teilen an den Gegensatz Habsburg-Bourbon geknüpft 1412. Bislang ist in den erstaun­lich wenigen Forschungen zum gegenseitigen habsbur­gisch-­ bourbonischen Feindbild vor allem von dezidierten Makrofaktoren die Rede gewesen. Hervorgehoben wurden dabei insbesondere die Einstellung zur Religion, zu Krieg und Frieden und zur Universalmonarchie 1413. Insbesondere im Vorfeld der Kaiserwahl lässt sich noch ein weiteres Charakteristikum dieses habsbur­gischen Feindbildes beobachten. Sein „Gravitationszentrum“ war vorwiegend Spanien, weniger Österreich und der Kaiser, die eher als spanisch dominierte Akteure begriffen wurden. Das Reich war häufig eher ein Nebenschauplatz des spanisch-franzö­sischen Konfliktes 1414. Dabei wurden von franzö­sischer Seite jedoch auch Sprechweisen verwendet, die sich an der berüchtigten leyenda negra orientierten 1415. Sie bezog aber auch populäre antispanische Feindbilder, die im Alten Reich in der Zeit des Dreißig­jährigen Krieges zirkulierten, mit ein 1416. Vor allem 1657/58 war der von franzö­sischer Seite als übermächtig wahrgenommene spanische Einfluss im Reich, der mit dem habsbur­gischen Kaisertum assoziiert wurde, ein wichtiges Element der franzö­sischen Wahrnehmung und Beschreibung des dynastischen Rivalen. So wurde etwa in den Instruktionen für Gramont und Lionne die Ablehnung der Wahl Leopolds mit dem Hinweis versehen, mit diesem als Kaiser müsse man befürchten, es künftig mit einem prince d’une maison esclave de toutes les passions du conseil de Madrid zu tun zu haben 1417. Dem spanischen Botschafter in Wien, Fuente, käme ein derartig großer Einfluss zu, dass er ohnehin die gesamte Personalpolitik des Kaiserhofes dominiere und ein faktisches Ernennungsrecht für die Vertreter des Kaisers in Anspruch nehme 1418. Nicht einmal Beobachtungen von Konflikt zwischen der österreichischen und der spanischen Seite, die der Wirk­lichkeit der vielbeschworenen Einheit der casa de Austria vermut­lich eher nahe kamen, konnten in dieser Situation die Wahrnehmung eines übermächtigen spanischen Einflusses abmildern. Mazarin ging etwa davon aus, dies werde die spanischen Klienten am Wiener Hof nur noch mehr anstacheln, auf Konformität mit Madrid zu drängen 1419. 1412 So etwa Ulbert, Österreichische Habsburger. 1413 Rohrschneider, Perzeption, 265 – 280; Babel, Frankreichs Gegner. 1414 Für die Wahrnehmung im Dreißigjährigen Krieg, vgl. Rohrschneider, Perzeption. 1415 Zur europäischen Dimension der leyanda negra vgl. etwa Pollmann, Eine natür­liche Feindschaft; Reinhard, „Eine so barbarische und grausame Nation“; Edelmayer, „Leyenda negra“. Antispanische Feindbilder in ihrer Identitätsstiftungsfunktion speziell für Frankreich thematisiert auch Bell, Cult of the Nation, 101 ff. 1416 Vgl. Schmidt, Spanische Universalmonarchie. 1417 Instruction du Roy pour MM. Les ambassadeurs (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 38v). 1418 Mazarin an Robert de Gravel, La Fère, 17.6.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 354v). 1419 Mazarin an Robert de Gravel, La Fère, 23.6.1657 (AMAE CP Allemagne 137, fol. 364r).

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In den hier untersuchten Quellen lässt sich auch das während des Dreißigjährigen Krieges und im Umfeld des Westfä­lischen Friedens zentrale rhetorische Element der Friedensunwilligkeit und -unfähigkeit der habsbur­gischen, insbesondere der spanischen Verhandlungspartner finden. Zumeist ging es mit der Betonung eigenen Friedenswillens, sowohl in der Außen- als auch der Innendarstellung einher. Diese Argumentation war auch bei dem nächsten gescheiterten Versuch auf dem Frankfurter Wahltag einen franzö­sisch-spanischen Friedensschluss zustande zu bringen, überaus präsent 1420. Die besonderen Umstände – die Koppelung an den gleichzeitigen Abschluss von Schutzallianzen mit den Reichsständen und die Tatsache, dass das Kurfürstenkolleg als Körperschaft einer der Mediatoren für diesen Friedensschluss sein sollte – ließen eine solche franzö­sische Selbstdarstellung umso opportuner erscheinen. Die Darstellung der friedensunwilligen Spanier konnte nicht nur mit der eigenen Friedensbereitschaft kontrastiert werden, sie ermög­lichte auch die gängigen Diskursfiguren in Zusammenhang mit den zu schließenden Allianzen zu setzen. Die franzö­sischen Diplomaten hoben immer wieder hervor, dass die Spanier vor allem nicht bereit seien, eine kurfürst­liche Mediation anzunehmen und dass Peñaranda insbesondere die Initiativen Johann Philipps als nicht praktikabel hinstellte 1421. Dagegen hätten sie, die Gesandten der Allerchrist­lichsten Königs, die Aufrichtigkeit des Friedenswillens auch den Kurfürsten gegenüber signalisiert, indem man diese Ini­tia­ tive des Kollegs befürworte 1422. Auch auf dem Frankfurter Wahltag wurde also das bereits in Münster geläufige Schema, eigene Friedensinitiative mit der struktureller Friedensunfähigkeit und Bellizität der anderen Seite zu kontrastieren, durchgespielt. Ein ähn­liches Schema wurde aber auch auf den bereits erreichten Friedensschluss von Münster und Osnabrück übertragen. Dies geschah hier allerdings mit einem deut­lichen Schwerpunkt bei den österreichischen Habsburgern. Während die Franzosen sowohl in der äußeren „Propaganda“ als auch in den internen Korrespondenzen der Krone die Rheinallianz, vor allem als alliance du Roy, und in diesem Rahmen vor als Garantieinstanz der Rechte und Interesse der Reichsstände betrachtete, war man sich darüber einig, dass die Habsburger den Frieden in jeder 1420 Dies konnten die franzö­sischen Gesandten leicht daran festmachen, dass der spanische Gesandte der kurfürst­lichen Mediation wesent­lich feindseliger gegenüberstand als sie selbst. Vgl. hierzu Valfrey, Lionne, 121 – 133; Duchhardt, Augsburg statt Bidassao; ders. Kurfürst, 3 f. 1421 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 9.8.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 262r, 262v). Zur Skepsis der spanischen Gesandte, vgl. Séré, Paix des Pyrenées, 311 f. 1422 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 19.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 213r). Im Gegenzug bekundete Mazarin allerdings immer wieder sein Misstrauen gegenüber der römischen Kurie als weiterer Vermittlungsinstanz und zweifelte die Unpartei­lichkeit des Papstes als europäischer pater communis entschieden an. Vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 17.4.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 98v).

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Hinsicht vor allem als Störfaktor und als schäd­lich für Macht und Prestige der ­Maison d’Autriche ansahen 1423. Auf die Unterstellung, die andere Seite wolle gar keinen Frieden, folgte in den Jahrzehnten nach dem Frieden, der Generalverdacht, die Gegenseite lehne den nun end­lich erreichten Frieden im Grunde ab 1424. Noch stärker auf die politischen Verhältnisse im Alten Reich zugeschnitten und speziell an der Rivalität mit den Kaiser­lichen orientiert war etwa die Unterstellung, dass die Kaiser­lichen die Reichsverfassung permanent verletzten, und die libertés germaniques weitgehend zu eliminieren versuchten. Militärische Rüstungen des Kaisers im Zusammenhang mit dem habsbur­gisch-schwedischen Konflikt um Polen deutete Mazarin beispielsweise als Vorbereitungsmaßnahme für die langfristige Errichtung einer kaiser­lichen „Despotie“ über die Reichsstände 1425. Bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist die Tatsache, dass es auch eine „mikropolitische“ Perspektive des antihabsbur­gischen Feindbilddiskurses gab, die für die Thematik der vorliegenden Studie von besonderer Bedeutung ist. Diese Sprechweisen waren in der franzö­sischen Korrespondenz vor allem dort präsent, wo von mög­licher Patronagekonkurrenz die Rede war. Grundsätz­lich wurden die Habsburger als ungerechte, „blinde“ Gefolgschaft fordernde Patrone dargestellt, denen die Reichsstände alle anderen politischen Interessen unterzuordnen hätten. Habsbur­gische Mikropolitik stünde so häufig gegen jede politische Vernunft und hebelte die ständischen Freiheitsrechte aus 1426. Daneben hob man aber auch die 1423 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 24.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 65v); Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 1.2.1665 (AMAE, CP, Allemagne 194, fol. 17v); Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St.Germain-en-Laye, 7.1.1667 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 8r). 1424 Vgl. hierzu von Aretin, Kreisassoziationen, 175, der für die 1650er Jahre starke Gegensätze in der Bewertung des Friedens zwischen Spaniern und Österreichern verzeichnet. 1425 Mazarin an Robert de Gravel, Avignon, 29.3.1660, in: Lettres du Cardinal IX, 562, spricht vom Fernziel eines commandement despotique im Reich, nach dem der Kaiser strebe. 1426 Die Wendung suivre aveuglement zur Beschreibung widervernünftiger Gefolgschaft, die ständische Freiheiten, die Verfolgung legitimer Interessen und den Verfassungsrahmen des Reiches gefährde, findet sich konstant in der diplomatischen Korrespondenz, vgl. etwa als Erklärung für die Ablehnung des eben nicht blind gehorsamen Boineburg als Reichsviezekanzler Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 11.5.1659 (BM Versailles, Ms. 48., fol. 1r). Die Ernennung Walderdorffs wurde dagegen als blinder Gehorsam gegenüber den Habsburgern contre son propre intérest et au préjudice mesme de son autorité verurteilt, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 27.5.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 95v). Als Kampfbegriff zur Zurückweisung der Haltung der Habsburger findet sich diese Wendung auch im Zusammenhang mit dem Translationsstreit, vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 12.12.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 188v), vgl. auch Copie d’une lettre que j’ai écrite à M. le Baron de Bennebourg sur la lettre de M. l’électeur de Cologne, Frankfurt, 17.6.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 395v).

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Dysfunktionalität innerhalb dieser habsbur­gischen Patronagepraxis selbst hervor. So wiesen franzö­sische Diplomaten etwa im Umfeld der Kaiserwahl von 1657/58 häufig darauf hin, dass die Maison d’Autriche weder willens noch in der Lage sei, als zuverlässige Verteilerin von Gnaden aufzutreten. Mazarin hob sogar das Beispiel des in spanische Dienste getretenen Prince de Condé hervor, um zu zeigen, wie wenig es sich für Klienten lohnte, sich auf spanische Patronagepolitik einzulassen 1427. In diesem Zuge wurde in der franzö­sischen Korrespondenz auch die notorische finanzielle Unzuverlässigkeit der Habsburger thematisiert. Als der Mainzer Kurfürst im Frühjahr 1658 immer noch nicht, wie angekündigt, auf hohe Summen ausgestellte österreichische Wechsel zurückgegeben hatte, argumentierten die Gesandten, dass dies nicht nur keine Bedeutung für die politische Haltung Johann Philipps habe, sondern dass sich diese Wechsel aufgrund der notorisch schlechten Finanzlage aller habsbur­gischen Höfe wahrschein­lich nicht einmal einlösen ließen 1428. Das Feindbild des ungnädigen und finanziell unzuverlässigen Patrons ließ sich während der Kaiserwahl sogar mobilisieren, um das notwendige Vertrauen für eine hochgradig riskante Operation herzustellen: die Beschäftigung eines Doppelagenten. In den Berichten Gramonts und Lionnes während der Kaiserwahl tauchen immer wieder Berichte über eine mit dem Decknamen l’amy bezeichnete Person und deren Aktivitäten auf. L’amy war für die Franzosen von besonderer Bedeutung, da er sowohl bei Johann Philipp von Schönborn als auch bei Peñaranda und der spanischen Gesandtschaft ein und ausging. Die franzö­sischen Gesandten konnten sich von ihm nicht nur nütz­liche Informationen versprechen, sondern auch die wirkungsvolle Stiftung von Dissens zwischen Kurmainz und den Vertretern der Katho­lischen Monarchie  1429. Wie aber konnten sich die franzö­sischen Diplomaten der Dienste einer Person sicher sein, die regelmäßig mit ihrem schärfsten Konkurrenten zu Abend aß? Hinter l’amy verbarg sich Graf Franz Ludwig von Nassau. Robert de Gravel, der die franzö­sische Gesandtschaft begleitete, übernahm die Aufgabe, diesen bei Mazarin als geschworenen Feind der Spanier „einzuführen“. Er konstruierte die Geschichte von Nassaus Verhältnis zu den Spaniern so, dass sie die mikropolitischen Feindbild-Elemente überzeugend integrierte: Nassau habe als Obrist in spanischen Diensten gestanden und auf eigene Kosten ein Regiment angeworben und nach Flandern geführt. Dort sei er bei einem Gefecht in ihren Diensten schwer verwundet worden. Die Spanier hätten anschließend ohne jede Begründung sein 1427 Mazarin an Gramont und Lionne, Paris, 17.4.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 101r). 1428 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 14.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 107v). 1429 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 93r); Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 23.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 127v).

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Regiment aufgelöst. Man habe ihm daraufhin immer wieder versprochen, ihm ein neues Regiment zu geben, jedoch den Worten keine Taten folgen lassen, sondern ihn stattdessen mit schönen Versprechungen hingehalten und ihn auf seinen Kosten sitzen lassen, sodass er sich schließ­lich in die Obhut des Mainzer Kurfürsten begeben musste 1430. Die Undankbarkeit der Spanier, ihr abweisendes Verhalten und ihre Unfähigkeit, Gnaden für einen verdienten Offizier zu organisieren, hätten schließ­ lich bei dem verärgerten und enttäuschten Grafen den verständ­lichen Wunsch nach Rache genährt 1431. Das mikropolitische Feindbild lieferte den Gesandten so die „diskursiven Bausteine“, um eine derart riskante Operation wie die Beschäftigung eines Doppelagenten gegenüber ihrem Dienstherrn zu rechtfertigen. Ein weiteres wichtiges mikropolitisches Feindbild-Element, das in den Korres­ pondenzen immer wieder auftauchte, war die Unterstellung, dass die Kaiser­lichen und die Spanier politische Kooperation mit der franzö­sischen Krone, gleich in welcher Form und mit welcher Intensität, nicht duldeten. In dieser Beziehung verhielten sich alle Angehörigen der Maison d’Autriche unversöhn­lich und rachsüchtig, sie seien unfähig zu vergeben (incapable de pardonner)1432. Konkret bedeutete dies, dass sich franzö­sische Gesandte und ihre Prinzipalen darüber verständigten, dass Personen, die einmal mit den Franzosen zusammengearbeitet hätten, sich dadurch bereits jede weitere Mög­lichkeit der Kooperation mit dem Haus Österreich verbaut hätten. Dieses Feindbildelement konnte in verschiedenen Kommunikationszusammenhängen gebraucht werden. Zum einen war es ein Mittel, mit dem sich Diplomaten untereinander und wechselseitig der Vertrauenswürdigkeit von Klienten versicherten. Dabei wurde hervorgehoben, dass dies auch eine selbstverständ­liche Einsicht für Fürsten und Klienten sein müsse. Dies galt etwa für die von Mazarin während der bereits angesprochenen „Vertrauenskrise“ von 1659 geäußerte Vorstellung, dass der Mainzer Kurfürst eigent­lich wissen müsse, dass er bereits viel zu eng mit den Franzosen kooperiert habe, als dass die Kaiser­lichen tatsäch­lich eine ernsthafte Zusammenarbeit mit ihm zur Friedenssicherung auch nur in Erwägung zögen 1433.

1430 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 11.2.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 187r, 187v). 1431 Il sçavoit fort bien les moyens de rendre le change et se vanger à quelques prix que ce fust du mespris que l’on avoit fait de ses services et rendre aux Espagnolz d’aussy mauvaises offices qu’il en avoit reçue, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 11.2.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 188r). 1432 Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 12.11.1659 (AMAE CP Allemagne 146, fol. 288r); Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 15.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 237r). 1433 Vgl. etwa Mazarin an Robert de Gravel, Toulouse, 22.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 153r).

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Darüber hinaus wurden sie aber auch gegenüber Klienten in „disziplinierender“ Absicht artikuliert, etwa wenn Lionne Wilhelm von Fürstenberg vorhielt, dass sein Bruder, der wie oben dargestellt, österreichische Patronageressourcen suchte, doch genau wissen müsse, dass die Kaiser­lichen nicht die Absicht hätten, sich mit ihm wieder zu versöhnen 1434. Allerdings konnten sich auch franzö­sische Klienten dieses Feindbild für ihre rhetorisch-strate­gischen Zwecke zu Eigen machen. Ende 1657 mobilisierte Wilhelm von Fürstenberg gegenüber den franzö­sischen Gesandten genau dasselbe Feindbildelement, um die Ansprüche der Fürstenberg auf die von den Franzosen in Aussicht gestellten kirch­lichen Benefizien zu untermauern. ­Wilhelm von Fürstenberg verwies darauf, wie viel „soziales Kapital“ des Familienverbandes, näm­lich plusieurs siècles de service beim Kaiserhaus sie wegen der kürz­lich geknüpften Frankreichbindung verspielt hätten, sodass sie legitimerweise jetzt auf die Gewährung von franzö­sischen Benefizien angewiesen seien und daher nun auf die Hilfe der franzö­sischen Krone zählten 1435. Es war nicht zuletzt dieses immer wieder verwendete Feindbildelement, das den Kontext für die im vorangegangenen Teilkapitel dokumentierten Beobachtungen manifester Unhöf­lichkeit und Nicht-Kommunikation und der von den franzö­sischen Diplomaten gefolgerten dauerhaft wirksamen Aufkündigung von politisch-sozialen Beziehungen verstanden werden konnte. Derartige Fremdbeschreibungen konnten aber auch dazu genutzt werden, um das Gefahrenpotential bereits vorhandener habsbur­gische Patronagekonkurrenz zu entschärfen. Dabei konnte in Übereinstimmung mit dem Bild vom „schlechten Patron“ behauptet werden, die Österreicher beabsichtigten gar nicht die Wiederaufnahme bzw. die Stiftung tatsäch­licher Klientel-Beziehungen. Frankreichfreund­ liche Akteure, so die Argumentation, könnten näm­lich gar nicht dauerhaft wieder in kaiser­liche Gnaden kommen. Habsbur­gische Patronageangebote an eigene ­Klienten stellten deshalb gar keine beziehungsgefährdenden Konkurrenzsituationen dar. Patronagekonkurrenz wurde eher als Mittel einer besonders subtilen Intrige präsentiert. Mit dieser Argumentation wurde etwa auf die Gefahr reagiert, Johann Christian von Boineburg könne die an ihn herangetragenen Angebote, den Posten des Reichsvizekanzlers zu übernehmen, akzeptieren und so eindeutig in die kaiser­ liche Klientel überwechseln. 1662 als dies im Zuge der Vorbereitungen auf eine mög­liche Koadjutorwahl in Mainz virulent wurde, behauptete Gravel, es handele sich im Grunde um ein Manöver, Boineburg politisch kaltzustellen. In Wirk­lichkeit

1434 Lionne an Wilhelm Egon von Fürstenberg, Fontainbleau, 10.8.1661 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 105v). 1435 Lionne an Mazarin, Frankfurt, 11.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 658r); Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 13.11.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 431v).

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plane man, ihm ledig­lich die Charge des Vizekanzlers zu überlassen, ohne ihm aber politischen Einfluss einzuräumen. Damit würde er weitgehend marginalisiert werden, da er auch für die Habsburger außerhalb der Nähe Johann Philipps wertlos sei 1436. Gestützt wurde diese Auffassung noch durch die wiederkehrende Behauptung, dass die notorisch zerstrittenen Minister Leopolds I. zur Solidarität untereinander überhaupt nicht in der Lage seien. Boineburg, so konstatierte Gravel, wäre den hier vorherrschenden Intrigen sch­licht nicht gewachsen 1437. Mit derselben Argumentation wurden zwei Jahre später auch die Kontakte Boineburgs zu den Ministern Porcia und Auersperg abgetan, die dieser geknüpft hatte, um Mög­lichkeiten für die angesprochene Übernahme des Reichsvizekanzlerpostens auszuloten 1438. Gerade bei den mikropolitischen Aspekten dynastischer Feindbilder ist ebenso wie bei den wesent­lich weniger regelhaft gebrauchten Fremdstereotypen hinsicht­ lich der Frage ihrer Spezifizität aber Vorsicht geboten. Wie weiter oben erwähnt, fehlt es generell an Studien über die Praxis und die kommunikative Bewältigung von Patronagekonkurrenz und der daraus hervorgehenden Konflikte, anhand derer man folgern könnte, ob es sich hier um den Gebrauch spezifischer Feindbilder oder eines Sets allgemeiner Topoi in Bezug auf Patronagekonkurrenz handelt. Generell ist der Gebrauch von Feindbildern in der Forschung häufig als Ausdruck „echter“, von den Akteuren internalisierter und subjektiv empfundener Feindschaft gedeutet worden. Gerade im Kontext der eingangs angestellten Überlegungen ist die mit Verweis auf die Übereinstimmung von Außendarstellungen etwa in Propagandaschriften und diplomatischer Korrespondenz formulierte Annahme, dass alle Beteiligten in internen Kommunikationsprozessen das äußerten, was sie „wirk­lich dachten“ problematisch 1439. Ebenso sollten Fremdbilder auch nicht als invariante und habitualisierte Determinanten der Praxis von diplomatischen Akteuren betrachtet 1436 Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 12.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 288v); Lionne an Wilhelm Egon von Fürstenberg, Fontainbleau, 10.8.1661 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 105v). 1437 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 29.1.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 46v). 1438 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 23r). Dass dies umso mehr der Fall sei, weil Leopolds Minister einen Mann vom geistigen Format Boineburgs fürchteten, betonte Gravel ein paar Monate später. Vgl. Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 13.11.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 142r). 1439 Rohrschneider, Perzeption, 262; Kampmann, Diskussionsbericht, 236. Dass es hier zwischen verschiedenen Aussageebenen zu unterscheiden gilt, verdeut­lichen nicht zuletzt organisationssoziolo­gische Studien. „Ideologien“ müssen sich keineswegs habitualisieren. Vgl. etwa die Unterscheidung zwischen „subjective“, „perceived“, „objective ideology“ bei Brunsson, Irrational organization, 28 f. .

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werden 1440. Sie können vielmehr in ihren jeweiligen Gebrauchssituationen auf ihren strate­gischen Wert hin untersucht werden. Dies trifft auch auf den Gebrauch von Feindbildern in internen Korrespondenzen zu. Derartige Feindbilder können auch als nach innen, auf den Organisations­ prozess und auf die Selbstdarstellung der diplomatischen Akteure bezogene Strategie betrachtet werden, die vor allem mit dem Gebrauch mikropolitischer Feindbilder der eigenen Klientelpolitik eine große Erfolgswahrschein­lichkeit beimessen und gleichzeitig die überall lauernde Gefahr der Patronagekonkurrenz durch die Vertreter der habsbur­gischen Häuser herunterspielen sollte. Während es sich etwa für Carl Schmitt bei den für den Zusammenhalt einer Gruppe konstitutiven Feindschaften gerade „nicht um Fiktionen und Normati­ vitäten, sondern um die seinsmäßige Wirk­lichkeit und die reale Mög­lichkeit dieser Unterscheidung“ handelte 1441, wurden sie hier eher als diskursive Repertoires mit wechselnden Schwerpunkten kontextabhängig und situativ eingesetzt 1442. Feindschaftskonstruktionen müssen in den jeweiligen Kommunikationssituationen verortet werden. In Bezug auf die Organisation der franzö­sischen Klientel im Reich und dem Sprechen über Vertrauen in der diplomatischen Korrespondenz wurden die Habsburger als abwesende Dritte dargestellt. Die Zirkulation von Feindbildern konnte dann nicht nur gewissermaßen zur „Disziplinierung“ der eigenen Klientelgruppe und zur Codierung klientelärer Anliegen verwendet werden, sondern erzeugte vor allem innerhalb des kommunikativen Settings der franzö­sischen diplomatischen Korrespondenz tragfähiges Vertrauen zur Führung asymmetrischer Beziehungen 3.7.4 Koexistenz und Kooperation – Habsbur­gische und franzö­sische Diplomaten in direkter Interaktion 3.7.4.1 Varationen und Kontexte des Habsburgerbildes Die im vorangegangenen Teilkapitel untersuchten Verwendungsweisen von Feindbildern hatten eine kommunikative Funktion in Bezug auf die Kohäsion der Gruppe der eigenen amis et serviteurs. Eine solche Bestimmung von Feindbildern als „diskursiven“ Gebrauchsgütern, mit deren Hilfe franzö­sische Diplomaten zu selbstbegünstigenden Einschätzungen ihrer Rolle in Klientelbeziehungen kamen und die Klienten und Diplomaten in rhetorisch-strate­gischer Absicht kommunizieren konnten, lässt sich 1440 In Bezug auf die päpst­lichen Nuntien Burschel, Das Eigene; Reinhard, Historische Anthropologie. Methodisch nicht völlig kohärent Strohmeyer, Einleitung. 1441 Schmitt, Begriff, 28 f. 1442 Vgl. hierzu vor allem die Überlegungen bei Jancke u. a., Editorial.

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frei­lich nur rechtfertigen, wenn gezeigt werden kann, dass es tatsäch­lich Varianzen und kontextabhängige Wandlungen von Beschreibungen des politischen Gegners gibt. Daher soll in den folgenden beiden Teilkapiteln gezeigt werden, unter welchen Umständen solche Modifikationen und Verschiebungen der Darstellungen der Habsburger mög­lich waren. Dass es sich beim habsbur­gisch-franzö­sischen Gegensatz um ein Strukturmoment der europäischen Außenbeziehungen handelte, das bis zum berühmten renversement des alliances bestehen blieb, ist bekannt 1443. Allerdings hat gerade die franzö­sische Forschung in den letzten Jahren verstärkt darauf hingewiesen, dass das Bild eines konstanten und monolithischen Gegensatzes zwischen der franzö­sischen und der spanischen Monarchie so nicht haltbar ist, sondern vielmehr Raum für Verschiebungen und temporäre Kooperation bot 1444. Dies war nicht zuletzt der Fall bei zwei großen Projekten bourbonisch-habsbur­gischen „Appeasements“: dem Pyrenäenfrieden von 1659 und in seiner Folge formulierten Projekten zur beiderseitigen Kooperation und Friedenserhaltung, sowie beim zwischen der franzö­sischen Krone und dem Kaiser geschlossenen kurzlebigen Vertrag über die Aufteilung des spanischen Erbes von 16681445. Besonders der Pyrenäenfrieden schuf Perspektiven für eine Relativierung des spanisch-franzö­sischen Gegensatzes. Führte man diesen Gegensatz und seine Unauflösbarkeit auf dem Westfä­lischen Friedenskongress von Münster auf Habitua­ lisierungen von Feindbildern zurück, dann bliebe ungeklärt, warum genau dieselben Akteure sich 1659 in den Verhandlungen, die zum Pyrenäenfrieden führten, auf eine Lösung des Dauerkonfliktes verständigen konnten. Bemüht man in diesem Kontext noch einmal Heinz Schillings System der Leitfaktoren Internationaler Beziehungen, so wird der Faktor „Tradition“, der auch die Reproduktion dynastischer Konflikte und entsprechender Feindbilder mit umfasst 1446, durch andere Elemente, die der Logik des Faktors „Dynastie“ entsprachen, überlagert 1447. Dieser spielte bereits in den Friedensangeboten, die von der spanischen Krone seit dem zweiten Halbjahr 1658 mit gegebener Vorsicht lanciert wurden, eine wichtige Rolle. Denn relativ bald war auch von der Heirat der spanischen Infantin Maria Theresia mit Ludwig XIV. die Rede. Dies erschloss für alle beteiligten Akteure dynastische Mög­lichkeiten, die den Friedensschluss wahrschein­licher machten 1448. Unter diesen Bedingungen war es schließ­lich auch mög­lich, Rahmen 1443 Zum renversement des alliances, vgl. Schilling, Renversement des alliances. 1444 vgl. etwa die Studie von Haan, L’ amitié entre princes. Auf lebhafte Transferprozesse aus stärker ideengeschicht­licher Perspektive verweist Schaub, La France espagnole. 1445 Vgl. zu diesem Vertrag Auer, Konfliktverhütung; Romain, Hommes de la Paix. 1446 Schilling, Formung, 22 f. 1447 Séré, Paix. 1448 Séré, Paix, 564 f. Ein solches Projekt, das Spanien die Abtretung lothrin­gischer Gebiete ohne Gesichtsverlust ermög­lichen sollte, war schon einmal in Münster diskutiert

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bedingungen für Verständigung zu schaffen und die vorher noch unüberbrückbar scheinende Rhetorik der Feindschaft zu durchbrechen und sie durch eine solche der Freundschaft und des „universellen Friedens“ zu ersetzen 1449. Auch wenn Europa bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts von einem dynastisch strukturierten Dauerkonflikt Habsburg-Bourbon geprägt war, bot gerade die Logik dynastischer Politik zugleich über Heirats- und Familienpolitik auch Chancen zur zumindest temporären Beilegung dieses Konfliktes. Die beim Friedensschluss und den Hochzeitsfeier­lichkeiten anwesenden Personen, wie der Frankfurter Bankier und franzö­sische Agent Persod, beobachteten während der auf den Frieden folgenden Hochzeit des jungen Königs mit der Infantin erstaun­liche Vorgänge, die den spanisch-franzö­sischen Dauerkonflikt wie inexistent erscheinen ließen: Es gibt nichts, was so verwunder­lich ist, wie sich das Getümmel der Franzosen und der Spanier anzusehen, es scheint als seien sie alle aus demselben Volk, die einen wetteifern mit den anderen darum, wer dem anderen mehr Höf­lichkeiten erweist und wer mehr Vertrautheit zur Schau stellt 1450. Diese dynastische Union hatte zumindest kurzfristig einige höchst erstaun­liche politische Entwicklungen und Neu-Ausrichtungen des habsbur­gisch-bourbonischen Verhältnisses zur Folge. In Madrid begann sich wenig später näm­lich eine an der Verständigung mit Frankreich orientierte Faktion herauszubilden, zu deren prominentesten Köpfen ausgerechnet der bislang als besonderer Frankreichfeind wahrgenommene Peñaranda zählte 1451. Nach dem Friedensschluss in den Pyrenäen stand zumindest bis Mitte der 1660er-Jahre immer wieder eine Art franzö­sisch-spanisches „Doppelarbitrium“ als Instrument der Friedenswahrung und als Mög­lichkeit europäischer Ordnungspolitik im Raum. Über die konzeptuellen Hintergründe und den praktischen Einfluss solcher Tendenzen ist wenig bekannt. Der Tod Philipps IV. 1665 und wenig später der Devolutionskrieg dürften solchen Ansätze jedoch schon bald den Boden entzogen haben 1452. Politische Wirksamkeit allerdings scheinen solche Konzepte im Rahmen des Projektes einer spanisch-franzö­sischen Vermittlung vor allem vor dem Friedensschluss von Oliva gehabt zu haben 1453. Zu diesem Zweck sollte der damaligen Intendant des Elsass, Charles Colbert, den Bruder von Jean-Baptiste, der als Marquis de worden, vgl. Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden, 141 ff. 1449 Vgl. hierzu Haan, Paix des Pyrenées. 1450 Il n’y a rien d’admirable comme de voir le meslange des François et des Espagnols, on diroit qu’ils sont tous de mesme nation et de mesme humeur, les uns envient sur les autres à qui se rendra plus de civilitez et à qui se témoignera plus de familiarité, Persod an Robert de ­Gravel, Saint-Jean-de-Luz, 12.10.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 320r). 1451 Stradling, Europe and the Decline of Spain, 160 f.; Storrs, Resilience, 162 ff. 1452 Kampmann, Arbiter, 201. Ähn­lich bereits Braubach, Versailles und Wien, 9 f. 1453 Vgl. hierzu Bérenger, Règlement, 338 ff. Zum Großen Nordischen Krieg vgl. Kunisch, Der Nordische Krieg.

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­ roissy 1679 selbst Außenminister werden sollte 1454, nach Wien reisen. Sein wichC tigster Ansprechpartner in Wien sollte dabei ausgerechnet der Marqués de Fuente sein. Dies war in verschiedener Hinsicht höchst ungewöhn­lich: zum einen hatte sich der Schwerpunkt der antihabsbur­gischen Problemwahrnehmungen zwischenzeit­ lich verschoben, sodass man jetzt eher die Minister Leopolds I. als hinder­lich für einen solchen Friedensschluss ansah, während man den spanischen Gesandten als potentiellen Kooperationspartner auffasste 1455. Diese Darstellung entsprach durchaus nicht dem Bild der Spanier als per se „friedensunfähigen“ Akteuren. Zum anderen schloss Mazarin von seinen Erfahrungen mit dem spanischen ersten Minister Luis de Haro, den er nun als ami beschrieb, auf Fuente, der Haro nahe stehe, und für Mazarin folgerichtig auch als ein freund­lich gesonnener ehr­licher Vermittler erscheinen musste 1456. Bereits im September 1659 hatten sich Mazarin und Haro in den Pyrenäen auf die Einschaltung Fuentes’ zur Beendigung des österreichisch-schwedischen Konfliktes verständigt 1457. Damit war aber einer jener Akteure, der in den das Reich betreffenden Korrespondenzen bislang stets als hinterhältiger Manipulator dargestellt worden war, jetzt zum wichtigsten Ansprechpartner bei der Einleitung eines von beiden Kronen angeregten Friedensprozesses geworden. Colberts Verhandlungen in Wien gestalteten sich allerdings problematischer, als sich Mazarin dies vorgestellt hatte. Die Verständigung zwischen Fuente und Colbert kam näm­lich nur sehr schwer in Gang. Colbert nahm das außergewöhn­ lich wortreiche aber für die Anknüpfung von Kommunikation wenig hilfreiche Komplimentierverhalten des Spaniers als wenig vertrauenerweckend wahr. Dies bestätigte sich für Colbert insofern, als dass Fuente offenbar zunächst gar keinen Mediationsbedarf sah, sondern größtenteils die Friedensvorschläge der Öster­reicher unterstützte 1458. Ebenso ließ Fuente zum großen Ärger Colberts sehr lange auf sich warten, bis er bereit war, Colbert Gespräche mit den Ministern Leopolds zu ermög­ lichen und wichtige Informationen weiterzugeben 1459. Recht schnell stellten sich nun wieder Kommunikationsroutinen ein, die an die alten Feindseligkeiten in diesen Beziehungen erinnerten. In der Tat schien hier die Interaktion 1454 Zur Biographie Colbert de Croissys existieren keine Einzeldarstellungen. Vgl. höchstens Livet, Colbert de Croissy et la diplomatie française, 182 ff. 1455 Mazarin wies Colbert explizit dazu an, Fuentes mit einer entière confiance zu begegnen. Vgl. Mazarin an Charles de Colbert, Toulon, 10.2.1660 (AMAE, CP, Autriche 18, fol. 23v). 1456 Mazarin an Charles de Colbert, Toulon, 10.2.1660 (AMAE, CP, Autriche 18, fol. 26v). 1457 Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 12.9.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 113v). 1458 Charles de Colbert an Mazarin, Wien, 20.3.1660 (AMAE, CP, Autriche 18, fol. 72v). 1459 Charles de Colbert an Robert de Gravel, Wien, 20.3.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 168r).

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vor Ort hinter der von den politischen Führungen beider dynastischer Akteure formulierten Kooperationsbereitschaft zurückzubleiben. Der Friedensprozess kam schließ­lich doch in Gang, weil, so stellte es jedenfalls Gravel dar, die österreichischen Minister nun doch begriffen hätten, dass sie sich zu Zugeständnissen bereitfinden mussten, um einen Frieden zu schließen 1460. Die kommunikativen Dissonanzen zwischen Colbert und Fuente hatten keine langfristig negativen Wirkungen. Gegenseitiges Misstrauen war hier keine Grundeinstellung mehr, die Verständigung unmög­lich machte. Abgesehen von diesen atmosphärischen Irritationen ist es aber insgesamt sehr auffällig, dass gerade die Wahrnehmung des spanischen Botschafters kontext- und adressatenabhängig stark variieren konnte. Dies führte zu einer erstaun­lichen Paralle­ lität gänz­lich unterschied­licher Beschreibungen ein und desselben Akteurs. Denn während der Kardinal eine lobende Empfehlung Fuentes als Vermittler gegenüber Colbert aussprach und in ihn bereits während der Verhandlungen mit Haro in den Pyrenäen für den nordeuropäischen Friedensprozess große Hoffnungen setzte, war die Darstellung Fuentes und der Spanier eine völlig andere, wenn von Reichspolitik und dem habsbur­gisch-reichsständischen Verhältnis die Rede war. In der Korrespondenz mit Gravel bestätigte Mazarin näm­lich das Bild des spanischhabsbur­gischen Intriganten und Manipulators Fuente. Dieser werde den von der franzö­sischen Krone abgelehnten Reichsvizekanzler Wilderich von Walderdorff vereinnahmen und steuern. Während einerseits in Bezug auf die Verhandlungen in den Pyrenänen und in Oliva die Spanier als vertrauenswürdig beschrieben wurden, setzte man andererseits in Bezug auf die Reichs(mikro)politik im Zusammenhang mit der eigenen Klientel zeitgleich mit antihabsbur­gischen Feindbildern arbeitende Kommunikationsroutinen umstandslos fort 1461. Während Mazarin Colbert instruierte, auf Fuentes Vermittlerdienste zurückzugreifen, blieb in der Korrespondenz mit Gravel das Bild des spanischen Gesandten als großer Manipulator stets präsent. Dabei konnten die oben geschilderten Elemente dysfunktionaler Kommunikation bei den Wiener Verhandlungen auch wieder in reichsinterne Kommunikationszusammenhänge zurücktransferiert werden. Dies wird etwa an einer Episode deut­lich, die Colbert auch an seinen Kollegen Gravel in Frankfurt weitergab: Offenbar hatte sich Fuente näm­lich besonders daran gestört, dass sich die zeitgleich am Kaiserhof anwesenden Gesandten von Köln und Kurmainz in die Verhandlungen miteinschalteten. Der spanische Gesandte äußerte sich daher abfällig über diese Beteiligung der Kurfürsten. Man solle sich nicht einbilden dass, wenn die Kronen

1460 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 17.4.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 82r); Charles de Colbert an Robert de Gravel, Wien, 7.4.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 216v), vgl. auch Bérenger, Règlement. 1461 Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 12.11.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 281v). Zur Person Walderdorffs, vgl. Jürgensmeier, Walderdorff.

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Spanien und Frankreich keinen Frieden vermitteln könnten, dies dann ausgerechnet durch die Supplikationen von Untertanen zu bewerkstelligen sei 1462. Gravel ließ es sich nicht nehmen, derartiges inkriminierendes Material gegenüber den eigenen Verbündeten und Klienten zu nutzen: Gegenüber Aldenhofen und Wilhelm von Fürstenberg schürte er grundsätz­liches Misstrauen gegenüber Spanien und dem Kaiserhaus 1463. Dass dahinter eine strate­gische Absicht stand, machte Gravel aber selbst in einem Schreiben an den zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Amtsträger fungierenden Hugues de Lionne deut­lich: Ich habe deut­lich erkannt, dass man davon profitieren sollte, und dass man, indem man es ihnen übermittelt […], umso besser die Fürsten an Frankreich binden kann, als dass sie allen Grund haben, entsetzt und alarmiert durch eine Rede zu sein, die sie mit nicht mehr und nicht weniger bedroht als dem Verlust ihrer Freiheit 1464. Antihabsbur­gische Polemik und der Gebrauch von Feindbildern waren also durchaus situations-, adressaten-, und themenabhängig. Sie waren dabei als variable sowohl nach innen als auch nach außen gerichtete Strategien und Verständigungsmittel zu verstehen, die den im vorangegangenen Teilkapitel aufgewiesenen Mechanismen entsprechen. Ein weiterer Modus, durch den sich Feindbilddiskurse relativieren konnten, waren Vor-Ort-Arrangements, die fried­liche Koexistenz zwischen Akteuren aus eigent­lich verfeindeten Lagern ermög­lichten. Einen solchen Typ von Beziehung stellt etwa das Verhältnis Robert de Gravels zum kaiser­lichen Prinzipalkommissar Guidobald von Thun dar. Robert de Gravel pflegte zum Vertreter des Kaisers in Regensburg nach anfäng­lichem Misstrauen ein kollegiales und langfristig konfliktfreies Verhältnis, das auf Übereinstimmungen und Kompromissen beruhte. Sachpolitisch kam Thun franzö­sischen Positionen weit entgegen. So vertrat er etwa nachdrück­ lich die Ansicht, der Wiener Hof sollte Geld und Truppenhilfe der Franzosen im Konflikt mit den Türken bereitwillig annehmen 1465. Auch in ansonsten potentiell konfliktträchtigen Fragen des Zeremoniells herrschte zwischen beiden Einigkeit. Schließ­lich war es, wie oben dargestellt, niemand anderer als Thun, der Gravel bei 1462 Si l’interposition des deux couronnes ne procuroit point la paix à l’Allemagne, les remonstrances des suiects (parlant des électeurs et des princes) envers leur souverain ne l’obtiendroient pas, Charles de Colbert an Robert de Gravel, Wien, 24.3.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 184r). 1463 Robert de Gravel an Wilhelm Egon von Fürstenberg, Frankfurt, 24.5.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 277r). 1464 J’ay bien reconnu qu’il en falloit profiter, et que l’insinuant aux uns et aux autres […] d’unir d’autant plus les Princes à la France, qu’ils ont subject d’estre scandalisés et allarmés d’un discours qui ne les menace pas moins que de la perte de leur liberté, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 26.5.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 274v). 1465 Zur unabhängigen Position Thuns in dieser Frage, vgl. Schindling, Reichstag, 73 ff. und 78.

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einer Feier­lichkeit zuerst einen akzeptablen Rang an der Tafel der Kurfürsten verschaffte und damit dessen zeremonielle Sonderstellung auf dem Reichstag bestätigte. Umgekehrt erkannte Gravel Thuns höheren Rang ohne Schwierigkeiten an, sodass zeremonielle Konflikte zwischen beiden ausbleiben. Grundsätz­lich war der Prinzipalkommissar zwar ein Beauftragter des Kaisers, typischerweise achtete der Kaiserhof darauf, dass es sich um einen hohen geist­lichen Würdenträger handelte, der auch von nicht dezidiert kaiserfreund­lichen Reichsständen anerkannt und akzeptiert wurde. Ein solches Profil hatte auf dem Reichsdeputationstag nach 1655 auch der Bischof von Worms, Hugo Eberhard Cratz von Scharffenstein 1466. All dies traf auch auf Guidobald von Thun als Erzbischof von Salzburg zu. So ist es nachvollziehbar, dass am ehesten ein solcher Prinzipalkommissar ein kollegiales Verhältnis zum franzö­sischen Gesandten herstellen konnte. Gravel beschrieb den Prinzipalkommissar in keinem seiner Berichte anhand gängiger antihabsbur­gischer Feindbilder. Er hob sogar hervor, dass Thun auch gegen Provokateure im eigenen Lager wie den sich wortradikal gebärdenden öster­ reichischen Gesandten Johannes Crane vorging. Crane hatte behauptet, er könne sich gut vorstellen, dass die Franzosen irgendwann das elsäs­sische Philippsburg mit einer Kriegslist im Handstreich nähmen. Thun distanzierte sich ausdrück­lich von dieser Provokation und brachte, wie Gravel berichtete, Crane zum Schweigen: der Erzbischof begann mit den Schultern zu zucken und verlangte, um die Unverschämtheit des Herrn Doktor zu beenden lachend, dass man trinke 1467. Thun wurde also keineswegs als Exponent einer in anderen Zusammenhängen als aggressiv wahrgenommenen habsbur­gischen Reichspolitik beschrieben. An der ansonsten fast ausschließ­lich negativen Wahrnehmung anderer habsbur­gischer Vertreter in Regensburg änderte dies allerdings nichts. Ebenso blieb das habsbur­gische Feindbild dort erhalten, wo es sich auf den Kaiser, seinen Hof und seine Regierung bezog. Gravel mobilisierte sogar die Vorstellung intriganter Verhältnisse am Kaiserhof und des ungünstigen Einflusses der Spanier, um aus den internen Spannungen zwischen Thun, dem Kaiserhof und den Vertretern der spanischen Monarchie eine Opposition zwischen dem wohlgesonnenen Prinzipalkommissar und dem allseits bekannten Intrigengeflecht an den habsbur­ gischen Höfen zu konstruieren. Dies zeigt sich besonders deut­lich an der Wahrnehmung der Mission des spanischen Agenten Spinola y Rojas auf dem Regensburger Reichstag 1468. Rojas’ Agenda umfasste unter anderem eine Garantieerklärung der

1466 Schnettger, Reichsdeputationstag, 47. 1467 Led. Archévesque commença à hausser les épaules et pour arrester l’impertinence du docteur, demanda à boire en riant, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.9.1663 (AMAE, CP, Allemagne 155, fol. 103r). 1468 Vgl. zur Person die Monographie von Miller / Spielman, Rojas y Spinola.

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Reichsstände für den burgundischen Reichskreis, was die längerfristigen Expansionsabsichten der franzö­sischen Krone in der Franche-Comté hätte blockieren können. Angeb­lich hatte Rojas dafür neben dem spanischen auch ein kaiser­liches Kreditiv erhalten. Damit stellte man Thun aber einen Unterhändler zur Seite, der in dieser Form nicht legitimierbar sei und die Autorität und die Reputation des Prinzipalkommissars untergrabe 1469. Gravel und der König selbst spekulierten sogar darüber, ob und wie man Thun gegen diesen klaren Rechtsbruch seines eigenen Hofes unterstützen könne 1470. Auch unter Verwendung mikropolitischer Elemente des antihabsbur­gischen Feindbildes konnte man Thun als ein Opfer der notorisch ungerechten habsbur­gischen Patronagepolitik darstellen. Der Kaiser habe Thun näm­lich für seine Dienste das Bistum Trient versprochen, dieses aber nun aber zu dessen großer Enttäuschung an den Kardinal Harrach vergeben 1471. Franzö­sische Diplomaten verständigten sich in diesen Fällen also regelmäßig über gegen das Haus Habsburg ins Feld geführte Argumente, um Kooperation und Solidarität mit einem Vertreter des Kaisers zu begründen und zu ermög­lichen. Die Tatsache, dass Gravel und Thun auf dem Reichstag ein kooperatives und kollegiales Verhältnis zueinander hatten, führte nicht nur zu keiner grundsätz­lichen Revision habsbur­gischer Feindbilder, sondern bisweilen zu ihrer Bestätigung und Intensivierung, wenn in den Korrespondenzen von dieser Kooperation und deren mög­liche Instrumentalisierung die Rede war. Die obigen Ausführungen lassen aber deut­lich werden, dass es trotz regelmäßig verwendeter Feindbilder funktionierende, weitgehend konfliktfreie Koexistenz zwischen den Vertretern des Kaiserhauses und der Bourbonen geben konnte und Mög­ lichkeiten bestanden, traditionale Misstrauensverhältnisse aufzubrechen. Dennoch konnten parallel dazu Feindbilder stets auch als diskursive Ressourcen mobilisiert und verschiedenen Darstellungsabsichten insbesondere gegenüber Klienten und Verbündeten im Reich zugeführt werden konnten.

1469 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 194, fol. 25v). 1470 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 23.4.1665 (AMAE, CP, Allemagne, 194, fol. 168r); Ludwig XIV. an Robert de Gravel, 28.8.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 247v). 1471 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 23.7.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 107r). Auch nach dem Tode Harrachs wurde Thun zu seiner sicht­lichen Verärgerung wiederum nicht mit der Fürsprache des Kaisers für Trient bedacht. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 17.1.1668 (AMAE, CP, Allemagne 248, fol. 22r).

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3.7.4.2 … ce qui ne doit pas entrer en comparaison avec lesdits ministres de Sa Majesté – Zeremonialstreit und Patronagekonkurrenz als inkongruente Konfliktlogiken Dass die Beziehungen Frankreichs zu den Reichsständen und den Habsburgern aufeinander verwiesen, war schon anhand der Betrachtung der antihabsbur­gischen Feindbilder deut­lich geworden. Sie sollten, nach außen kommuniziert, auf die eigene Klientelgruppe zurückwirken, zugleich entfalteten sie in internen Verhandlungen ihre Wirkung, um eigene „Vertrauensressourcen“ immer wieder neu zu mobilisieren. Eine solche triadische Struktur lässt sich aber auch dort feststellen, wo die Kommunikation von Vertretern der franzö­sischen Krone mit jenen der Habsburger in Bezug auf das Verhältnis zur eigenen Klientel betrachtet wurde. Anhand des Verhältnisses der franzö­sischen Ambassadoren zum späteren Kaiser Leopold und dessen Vertreter auf dem Wahltag von 1657/58 kann dieses verdeut­licht werden. So beschreibt der Duc de Gramont in seinen Memoiren folgende Episode: Als Fürst Lobkowitz in Frankfurt ankam, schickte er jemanden, um Marschall Gramont und Herrn de Lionne eine Aufwartung zu machen, und ihnen seine Ankunft mitzuteilen. Dies ist eine gebräuch­liche Förm­lichkeit zwischen Leuten, die sehr gut miteinander auskommen. Sie entdeckten aber, dass es sich eher um eine Falle als um eine Höf­lichkeit handelte, denn hätten sie dieses Kompliment angenommen, hätte dies zu ihrem Besuch geführt, und folg­ lich zu einer guten Korrespondenz mit ihm. Da aber die offensicht­liche Grundlage ihrer Ambassade nichts anderes war, als die Beschwerden gegen den verstorbenen Kaiser und gegen den König von Ungarn selbst wegen aller Verletzungen des Vertrages von Münster, für die sie Rechenschaft forderten, ebenso wie Abhilfe für die Zukunft, so hätte ihnen der Fürst Lobkowitz mit allem Recht vorhalten können, dass er nicht wisse, worüber sich die Vertreter des franzö­sischen Königs eigent­lich beschweren könnten, lebten sie doch in bester Freundschaft mit jenen des Königs von Ungarn 1472. Zwar ließen sich die Gesandten vermittelt durch den Abbé de Buti Lobkowitz’ Vorschläge für zeremoniellen Umgang der beiden Parteien berichten, sahen sich aber in ihren Befürchtungen weitgehend bestätigt: der Visitenkommerz hätte letzt­lich 1472 Le Prince de Lobkowitz arrivant à Francfort envoya visiter le maréchal de Gramont et M. de Lyonne, et leur donner part de son arrivée: formalité accoutumée entre des gens qui sont fort bien ensemble; Mais ils découvrirent que c’étoit plutôt un piége [sic!] qu’une civilité, car s’ils eussent recu ce compliment, il attiroit leur visite, et par conséquent toute bonne correspondance avec lui. Mais comme toute leur ambassade n’avoit d’autre fondement apparent que des plaintes contre le feu Empereur et même contre le roi de Hongrie, pour toutes les infractions faites au traité de Munsters dont il venoient demander raison du collége [sic!] électoral, aussi bien qu’un remède pour l’avenir, le prince de Lobkowitz leur eût pu représentet avec grande raison qu’il ne savoit pas de quoi les ministres du roi de France, qui vivoient en toute amitié avec ceux de roi de Hongrie, se pouvoient plaindre de lui, Mémoires de Gramont, 301.

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auch eine Audienz beim König von Böhmen und Umgarn erzwungen, was zu diesem Zeitpunkt als kompromittierend für die Haltung, die die franzö­sische Krone den Reichsständen und insbesondere dem Kurkolleg gegenüber zu kommunizieren versuchte, betrachtet werden konnte 1473. Aus diesem Beispiel wird zunächst deut­lich, dass symbo­lische Kommunikation im Rahmen des Zeremoniells nicht als „Einbahnstraße“ zur Reproduktion von Status oder gar zur mög­lichen Steigerung fürst­licher Ehre und Reputation gesehen werden kann. Vielmehr wird hier deut­lich, dass die franzö­sischen Gesandten die Implikationen aufwertender zeremonieller Kommunikation für die eigene „Zielgruppe“, also die Reichsstände, zu unterbinden suchten. Vordergründig hätte dieser Austausch von Visiten für die Ambassadoren einen zeremoniellen Maximalerfolg bedeutet, hätte er doch bestätigt, dass auch die Vertreter Habsburgs der faktischen Anerkennung und Legitimierung der franzö­sischen Ambassade durch die Kurfürsten und nicht zuletzt durch die Frankfurter Bürgerschaft folgten. Gerade das hätte allerdings – aus franzö­sischer Perspektive – die Glaubwürdigkeit der Ambassade und die angestrebte Kooperation mit den Reichsständen und ihren Vertretern in Frage stellen können. Hier muss auch kein Gegensatz von symbo­lischer Kommunikation und strate­ gischen, realpolitischen Interessen konstruiert werden. Die „Beschwerden“, von denen Gramont sprach, waren näm­lich im öffent­lichen Rahmen eines „Diktaturverfahrens“ auf der gleichzeitig ebenfalls in Frankfurt stattfindenden Reichsdeputation vom Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler vorgelesen, veröffent­licht und somit als legitime Verhandlungsmaterie anerkannt worden. Dies konnte von franzö­sischer Seite für sich genommen bereits als enormer eigener symbo­lischen Erfolg bzw. Misserfolg der Habsburger betrachtet werden 1474. Gegenläufige Signale, die die Ernsthaftigkeit der franzö­sischen Forderungen gegenüber den Reichsständen in Frage stellten, wären hier fehl am Platz gewesen. Auch wenn Lobkowitz‘ Ansinnen höf­lich aber bestimmt zurückgewiesen wurde, sah man sich an eine Logik der Verdeut­lichung von Nicht-Kommunikation gebunden, die den Kommunikationsweisen, welche man selbst von den Reichsständen erwartete, recht ähn­lich waren. Im Juli 1658 verschwanden aber diese Blockaden für die Kommunikation mit den Kaiser­lichen: Gramont und Lionne erklärten nun nicht nur, dass es ihre Pf­licht sei, einen neu gewählten Kaiser zu besuchen, sondern, dass sie dies als Ehre auffassten 1475. 1473 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 19.2.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 207v, fol. 215r). 1474 Schnettger, Reichsdeputationstag, 153 f. Zum symbo­lisch-kommunikativen Aspekt der Diktatur und seiner performativen Hervorbringung politischer Materien vgl. F ­ riedrich, Drehscheibe, 128. 1475 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 21.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 244r).

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Ebenso konnte nun jene ausdrück­liche Statuszuerkennung, auf die man im Interesse der Darstellung der eigenen Glaubwürdigkeit durch zeremonielle Nichtkommunikation verzichtet hatte, unter anderen politischen Bedingungen unproblematisch in Anspruch genommen und unterstrichen werden. Allerdings war damit auch eine Erklärung für die eigenen amis notwendig geworden. Die Gesandten erklärten, dass die politische Basis für Kontaktverweigerung und den agonalen Kommunikationsstil inzwischen entfallen sei: Die Rheinallianz war so gut wie abgeschlossen und vor allem hatte man jetzt von Leopold jene robuste Wahlkapitulation bekommen, die die österreichische Hilfe für die Spanier kappte und den Reichsständen Schutz zugestand 1476. Die Tatsache, dass die habsbur­gische Partei im Kurkolleg einen Streit darüber vom Zaun brach, ob die franzö­sischen Ambassadoren den neuen Kaiser überhaupt besuchen dürften, erwies sich für die Ambassadoren sogar als dankbar. Dies gab ihnen nicht nur die Gelegenheit, noch einmal ihre Stellung zu unterstreichen. Es schloss zugleich ein sichtbares Zeichen für den Erfolg franzö­sischer Klientelpolitik ein, da nun Wilhelm von Fürstenberg als kurkölnischer Gesandter eine vehemente Verteidigung der zeremoniellen Rechte der franzö­sischen Ambassadoren gegenüber seinen kaiser­lich gesinnten Kollegen vornahm 1477. Diese Beispiele verdeut­lichen, dass die Ambassadoren mit einer situativ stets neu zu verhandelnden Beziehung zwischen kommunikativen Absichten gegenüber der eigenen Klientel-Gruppe und Ansprüchen auf Statuszuweisung gegenüber anderen eindeutig souveränen Akteuren befasst waren. Dass man sich zunächst nicht von den habsbur­gischen Gesandten empfangen ließ, hatte nichts mit generalisiertem Misstrauen oder der Vermeidung von Zeremonialkonflikten, sondern mit situationsbedingter Selbstdarstellung gegenüber Partnern und Klienten zu tun. Die Tatsache, dass die zeremonielle Ordnung auch noch nach 1648 extrem umkämpft war, führte dazu, dass franzö­sische Diplomaten die eigene Position gegenüber dem Kaiser als virtueller Spitze der europäischen Hierarchie, aber auch der katho­lischen Monarchie als Statuskonkurrentin miteinbeziehen mussten. Dies konnte aber nicht nur wie eben geschildert mit anderen symbo­lischpolitischen Darstellungsabsichten konfligieren. Es konnte auch die zeremonielle Kommunikation mit den Reichsständen, insbesondere den Kurfürsten, vor bestimmte Probleme stellen. Vor allem aber war die Mög­lichkeit, die zeremonielle Aufwertung von kleineren Reichsständen entweder als „Ressource“ für patronageförmige Kooperation oder in Konkurrenzbeziehungen einzusetzen, äußerst beschränkt. 1476 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 21.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 242v). 1477 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 21.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 244r).

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Die Vorstellung, dass politische Freundschaften und mit einer Patronagesemantik beschriebene Außenbeziehungen auf das zeremonielle Verhältnis der Partner zurückwirken müsste, hatte beispielsweise Abraham de Wicquefort als eines von vielen Argumenten aufgefahren, um zu erläutern, warum man den Princes d’Allemagne zeremonielle Parität zugestehen solle. Wicquefort hob fidélité, mérite und générosité deutscher Fürsten und Fürstinnen während des Dreißigjährigen Krieges hervor und leitete daraus Forderungen nach einer Aufwertung und Angleichung des zeremoniellen Status der deutschen Fürsten an souveräne Akteure ab 1478. Im 18. Jahrhundert beklagte ein franzö­sisches Memorandum, dass „natür­liche“ völkerrecht­liche Prinzipien durch eine angeb­lich zu bereitwillig als Ressource für Patronagekonkurrenz genutzte Gewährung von zeremoniellen Souveränitätszeichen auf dem Westfä­ lischen Friedenskongress ausgehöhlt worden sei 1479. Forschungen zum Westfä­lischen Friedenskongress haben jedoch gezeigt, dass den franzö­sischen Gesandten zeremonielle Zugeständnisse an kleinere Akteure nicht leicht fielen, auch wenn sie primär politische „Freunde“ und strate­gische Kooperationspartner unter den Kurfürsten des Reiches betrafen 1480. Bei der Gewährung des bedeutenden Exzellenztitels für die kurfürst­lichen Prinzipalgesandten in Münster, die nicht zuletzt ein Zugeständnis war, um dem Duc de Longueville den Titel „Altesse“ zu verschaffen 1481, zögerten die Gesandten sehr lange, bis man tatsäch­lich bereit war, den Kurfürsten entgegenzukommen 1482. Besonders auffällig ist die Tatsache, dass die Franzosen den Exzellenztitel erst zugestanden, als auch die kaiser­lichen Gesandten dasselbe taten 1483. Dies, so führte der Außenstaatssekretär Brienne aus, könne man näm­lich erst jetzt tun, ohne dass die Reputation des Königs Schaden erleide und ohne, dass man uns unterstellen könnte, dies zu umstandslos zu machen, da wir ja darin mit dem

1478 Wicquefort, L’Ambassadeur I, 42. 1479 Mémoire sur les abus introduits dans le ceremonial tant aux diettes d’election qu’aux Diettes de l’Empire et sur la manière dont ils peuvent et doivent estre reformés (AMAE, MD, Allemagne 65, fol. 136r ff.). 1480 Becker, Kurfürstenrat, 176 f. 1481 Christ, Exzellenz-Titel, 93. Im selben Zuge wurde beraten, ob man nicht auch auf diese Art und Weise dem immer noch virulenten Problem des nicht gewährten Majestätstitels für den franzö­sischen König abhelfen könne, indem man diese Titulatur gegen die Gleichberechtigungswünsche der Kurfürsten eintauschte. Vgl. [Memorandum Serviens betr. den Rang der kurfürst­lichen Gesandten], Münster, 21.1.1645, in: APW II, B, 2, 83. 1482 Franz Wilhelm von Wartenberg etwa, der vor allem im Namen Bayerns und Kölns für eine Statuserhöhung plädierte, wurde von den Gesandten der franzö­sischen Krone hingehalten, die seinen Wünschen nach zeremonieller Aufwertung mit großer Skepsis begegneten. Vgl. Diarium Wartenberg, in: APW III, C, 3 1, 74 ff. 1483 Christ, Exzellenz-Titel, 100.

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Exempel des Kaisers übereinstimmen. Dieser Umstand hinderte Brienne frei­lich nicht daran, seine Gesandten zu beauftragen, sie sollten – unrichtigerweise – suggerieren, der Schritt sei erst infolge einer franzö­sischen Initiative und einer entsprechenden Erklärung an die Kaiser­lichen erfolgt 1484. Dies deutet darauf hin, dass es zwischen den großen, eindeutig souveränen Mächten eine Dynamik gab, mög­lichst wenig eigene Initiative zur zeremoniellen Aufwertung kleinerer Akteure zu ergreifen, um diesen nicht mehr Status und Ehre zukommen zu lassen als andere souveräne Konkurrenten bereit waren, zuzugestehen. Auch bei zeremoniellen Begegnungen mit kleineren, mindermächtigen Akteuren mussten die entsprechenden Verhaltensweisen der Gesandten anderer eindeutig souveräner Akteure mitbeobachtet werden. An dieser Praxis änderte sich auch nach den in Münster und Osnabrück geschaffenen zeremoniellen Tatsachen wenig. Dies galt jedenfalls für die sich verdichtenden Beziehungen Frankreichs zu den geist­lichen Kurfürsten seit den 1650er-Jahren. Gramont und Lionne ließen sich etwa erst mehrere Wochen nach ihrer Ankunft in Frankfurt von Johann Philipp von Schönborn empfangen. Der Empfang verlief zur größten Zufriedenheit beider Gesandter, allerdings verwiesen sie darauf, dass dieser deshalb erst so ungewöhn­lich spät habe stattfinden können, weil man sehr genau habe abklären müssen, dass man exakt genauso wie die spanischen Gesandten bei der Königswahl 1653 empfangen werde 1485. Auch bei der geplanten Begegnung mit den Kurfürsten während der schlussend­ lich abgesagten Reise Ludwigs XIV . durch das Elsass 1661/1662 hatte es einige Differenzen darüber gegeben, wie überhaupt ein solches Treffen gestaltet werden könnte 1486. Generell boten solche Begegnungen bereits unter reichsständischen Akteuren Konfliktpotentiale, da latente Rangkonflikte bei diesen Zusammenkünften akut zu werden drohten 1487. Auch Robert de Gravel nahm dieses Problem wahr und warnte, dass eine gemeinsame Sitzordnung während eines Gastmahles kaum zu lösende Rangkonflikte nach sich ziehen könnten. Daher sei es am einfachsten, sich während eines Jagdausfluges zu begegnen und bei dieser Gelegenheit auch zugleich eine Mahlzeit am besten im Stehen einzunehmen 1488. 1484 On ne se peut pas empescher de leur rendre les mesmes honneurs que ceux qu’ilz recevront des ministres de l’Empereur […] sans qu’on nous puisse accuser de le faire avec trop de facilité, puisque nous y sommes conviez par l’exemple de l’Empereur, Brienne an d’Avaux und Servien, Paris, 28.1.1645, in: APW II, B, 2, 85. 1485 Gramont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 3.9.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 176r). 1486 Zu den Hintergründen, vgl. Auerbach, France, 75. 1487 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 164 beschreibt dieses Problem anhand eines nicht-stattfindenden Empfanges für den päpst­lichen Nuntius auf dem Regensburger Reichstag 1653. 1488 Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 23.12.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 602v)

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Franzö­sische Außenpolitiker und Diplomaten sahen bei einer solchen Begegnung aber vor allem Schwierigkeiten, die den Rang des franzö­sischen Königs betrafen: Johann Philipp sprach sich für einen Empfang aus, der ihm und seinen Mit-­ Kurfürsten ziem­lich weitreichende zeremonielle Privilegien gegenüber dem König einräumte. Ihm zufolge sollten er und seine Mit-Kurfürsten bedeckten Hauptes vor dem König erscheinen dürfen. Der Mainzer reklamierte, dies folge strikt dem gegenüber dem Kaiser gehandhabten Zeremoniell 1489. Gravel störte sich jedoch an diesen Regelungen. Seiner Meinung nach war dieses Zeremoniell übertrieben aufwertend für die Kurfürsten: Diese Art des Traktamentes, so Gravel, kann nach meiner Meinung in keiner Weise mit dem in Frankreich üb­lichen und mit der Handhabung gegenüber allen anderen Fürsten Europas übereinstimmen 1490. Von einem Interesse an der zeremoniellen Aufwertung auch der verbündeten Kurfürsten im Rahmen einer solchen Begegnung kann also keine Rede sein. Der König und Lionne ordneten schließ­lich an, dem bekannten Schema zu folgen: Robert de Gravel wurde angewiesen, die Stichhaltigkeit der von Johann Philipp vorgebrachten Zeremonialansprüche genau zu prüfen. Man sei nicht bereit, Zugeständnisse gegenüber dem Mainzer Kurfürsten zu machen, die nicht exakt dem Zeremoniell des Kaisers bei vergleichbaren Anlässen entsprächen 1491. Das Beispiel des Kaisers hatte also auch Gültigkeit für die Begegnung des Königs mit den Kurfürsten. Dabei überging man sogar jene Sammlungen von Präzedenzfällen, die ursprüng­lich genau für die Entscheidung solcher Streitfälle angelegt worden waren: Denis de Godefroys Cérémonial de France verzeichnete näm­lich eine Begegnung Ludwigs XIII. mit dem Pfälzer Kurfürsten, bei der letzterer seinen Hut aufbehalten hatte 1492. Auch in den Jahrzehnten nach dem Westfä­lischen Frieden wurden zeremo­nielle Zugeständnisse an mindermächtige Bündnispartner massiv erschwert, da man auch stets dynastische Konkurrenten mitbeobachtete. Man kann also sicher nicht wie Günter Christ von einer tatsäch­lichen „Solidarität“ unter eindeutig souveränen Akteuren sprechen 1493. Eher müsste hier wohl von inkongruenten Konfliktlogiken die Rede sein, die es verunmög­lichten, Konkurrenzen und Rivalitäten in zeremonielle Aufwertung für eigene Verbündete und Kooperationspartner zu übersetzen. Dynastische Konkurrenzverhältnisse zu den Habsburgern waren also auch in Bezug auf die eigene Gruppe von Verbündeten handlungsbindend und konnten

1489 Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 20.11.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 583r). 1490 à mon opinion ne se peut accorder en façon quelqu’onque à la manière de France, et aveq l’usage qui s’observe avec tous les autres Princes de l’Europe, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 23.12.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 602r). 1491 Lionne an Robert de Gravel, Paris, 29.3.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 113r). 1492 Denis de Godefroy, Céremonial de France, 591. 1493 Christ, Exzellenztitel, 93.

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zu Konflikten führen. Unter diesen Umständen waren symbo­lische Aufwertungen eine nur widerwillig und unter größter Vorsicht eingesetzte Ressource. Mikropolitische Handlungslogik und zeremonielles Konkurrenzdenken konnten also offenbar nur schwer aufeinander bezogen werden. Dies zeigt sich auch an den Zeremonialstreitigkeiten zwischen kaiser­lichen und franzö­sischen Vertretern auf dem Regensburger Reichstag. Denn unabhängig von dem im ersten Hauptteil beschriebenen Zeremonialkompromiss der franzö­sischen Reichstagsgesandten konnte sich bei entsprechenden Konflikten mit den Habsburgern sehr wohl die Notwendigkeit einstellen, den eigenen exklusiven Souveränitätsanspruch auch auf dem Reichstag auszuspielen. Solche Konflikte blieben zunächst dank des vergleichsweise kooperativen Verhältnisses, das Gravel und Thun zueinander pflegten, aus. Unter Thuns Nachfolger David zu Weißenwolf gestaltete sich dieses Verhältnis aber wesent­lich konfliktreicher. Weißenwolf setzte seine Ansprüche auch gegenüber den Vertretern der Kurfürsten durch, so dass er das Darreichen der rechten Hand des franzö­sischen Gesandten forderte 1494. Gravel weigerte sich, solche Zugeständnisse zu machen, und bezog sich auf für die europäischen Bühne gängige Referenzsysteme, um seine Weigerung zu begründen: der Titel Prinzipalkommissar sei näm­lich ein lehensrecht­ licher und kein souveräner völkerrecht­licher Rang 1495. Desgleichen argumentierte er, dass ­Weißenwolf im Gegensatz zu seinem Vorgänger nur einen provisorischen Titel innehabe 1496. Ferner machte er geltend, dass man Thuns prinzipiellen Vorrang auch wegen dessen sozialem Rang als Reichsfürst und Erzbischof akzeptiert habe. Davon könne bei Weißenwolf keine Rede sein 1497. Die Tatsache, dass schließ­lich die Gesandten des Kurfürsten von Brandenburg angeb­lich durch die Anerkennung von Weißenwolfs Ansprüchen einen Präzedenzfall geschaffen hätten, so Gravel, sagt nichts über mich aus, da ihr Herr in einer Abhängigkeit zum Kaiser steht, die sie mög­licherweise verpf­lichtet, dem Kaiser und seinen Vertreter solche Ehrbezeugungen durch die Ihren leisten zu lassen, was jedoch nicht auf besagte Minister Seiner Majestät bezogen werden darf 1498. Zeremonieller Konflikt mit den Vertretern des Kaisers führte hier also auch zu einer vorläufigen Aufhebung der Orientierung des 1494 Zu Weißenwolf, vgl., Fürnrohr, Vertreter, 88. 1495 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 8.11.1668 (AMAE, CP, Allemagne 249, fol. 82v). 1496 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 12.7.1668 (AMAE, CP, Allemagne 248, fol. 200v). 1497 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 8.11.1668 (AMAE, CP, Allemagne 249, fol. 82v); Lionne an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 27.7.1668 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 220v). 1498 ne fait rien pour moy, leur maistre ayant une dépendance de l’Empereur qui les oblige, peut estre de faire rendre cette défferance à l’Emperereur et à ses ministres par les leurs, ce qui

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franzö­sischen Reichstagsgesandten am Status kurfürst­licher Gesandter. Stattdessen berief sich Gravel jetzt auf die Souveränität der Krone als eindeutiges Differenzkriterium. Der Bezug auf reichsständische und europäische Repräsentationsordnungen wurde in Konflikten mit den Vertretern des dynastischen Rivalen vertauscht. Die franzö­sischen Gesandten übernahmen dann sogar Argumentationsformen, die sie in anderen Kontexten als typisch habsbur­gischen „Despotismus“ bloßstellten: Die Kurfürsten seien ledig­lich abhängige Lehensträger des Kaisers. Offenkundig weichte der Konflikt mit den Österreichern also auch die Kooptierung kurfürst­lichen Status’ zur eigenen Positionierung und daraus hervorgehende Solidaritäten auf. Dabei wurde auf Referenzsysteme der „europäischen Bühne“ zurückgegriffen, was auch eine eindeutige Entsolidarisierung mit der Gruppe kurfürst­licher Gesandter einschließen konnte. Nach diesen Erörterungen erscheint eine ausführ­lichere Zwischenzusammenfassung angebracht, um die hier gemachten Befunde im Kontext des gesamten Hauptteils zu verorten: Erstens wurde zunächst methodisch zwei Arten, Fremdwahrnehmungen zu analysieren, unterschieden. Zum einen Annahme, dass Fremdwahrnehmungen gemäß kultureller Grundmuster in weitgehend invarianter Form reproduziert werden und neben anderen Faktoren handlungsleitend wirken können, und der Vermutung, dass sie zwar auf der Grundlage von Interaktionen veränderbar sind, gleichzeitig aber auch bewusst rhetorisch-strate­gisch nutzbar zu machende Repräsentationen des Anderen darstellen. Zweitens wurden für die Frühe Neuzeit charakteristische stereotype Elemente von Fremdbildern, hier (proto)nationale Identität, Konfession und soziale Stereotype untersucht. Für diese lassen sich in der untersuchten Korrespondenz weder regelhafte Muster, noch ein strate­gischer Gebrauch etwa im Sinne von Enttäuschungsabwicklung nachweisen. Statt kollektiver stereotypisierter Identitätszuschreibungen boten Personenverbände wie die habsbur­gischen Dynastien, ihre Höfe und ihre Klientel einen bevorzugten Ausgangspunkt für Feindbildkonstruktionen. Drittens verständigten sich franzö­sische Diplomaten und ihre Prinzipale bei der Beschreibung ihrer Beziehungen zur eher labilen franzö­sischen Klientelgruppe durch den Gebrauch makro – und mikropolitischer habsbur­gischer Feindbilder. Ein solcher Gebrauch von Feindbildern ermög­lichte jene triadischen Vertrauenskonstruktionen unter franzö­sischen Diplomaten, die im vorangegangenen Hauptteil beschrieben wurden. Darüber hinaus konnten sie aber auch zur Stärkung der Gruppenkohäsion gegenüber Klienten bzw. von diesen zur Aushandlung der von ihnen beanspruchten Patronageressourcen verwendet werden. ne doit pas entrer en comparaison avec lesd. ministres de Sa Ma té., Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 6.9.1668 (AMAE, CP, Allemagne 249, fol. 17r).

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Viertens, lässt sich zeigen, dass es sich bei diesen Feindbildkonstruktionen nicht um unwandelbare aus einem völlig geschlossenen Perzeptionszusammenhang heraus reproduzierte Wahrnehmungsmuster handelt, sondern um modifizierbare Repräsentationen. Dies verdeut­lichen Beispiele direkter Begegnungen franzö­sischer und habsbur­gischer Diplomaten. Gerade hier wird die strate­gische Dimension des Gebrauches von Feindbildern deut­lich, da diese kontext- und adressatenabhängig variieren konnten. Fünftens, lässt sich anhand von Aspekten symbo­lischer Kommunikation verdeut­ lichen, dass die franzö­sischen Diplomaten nicht in der Lage waren, auf dem Feld der symbo­lischen Kommunikation kohärente Abgrenzungen zu den Habsburgern bei gleichzeitiger mikropolitischer Solidarität mit der eigenen Klientel-Gruppe aufrechtzuerhalten. Gerade hier blieb man an das konflikthafte, aber im Medium des Zeremoniells regulierte Verhältnis zu den Habsburgern gebunden. Zeremonielle Zugeständnisse an die Reichsstände konnten aufgrund dieses Zusammenhanges nur unter großen Schwierigkeiten und auf der Grundlage von Gegenseitigkeit unter den höchstrangigen Akteuren als politische Ressourcen genutzt werden.

3.8 Schwellen und Horizonte – Die Grenzen des Vertrauens Angesichts der Beschreibungen von Vertrauenskrisen und der Mög­lichkeit ihrer Verarbeitung stellt sich im Zusammenhang mit solchen internen Aushandlungsprozessen die Frage, unter welchen Bedingungen Vertrauensbeziehungen, kollabieren konnten. Niklas Luhmann zufolge bedarf Vertrauen nicht nur der Stabilisierung durch selektive Wahrnehmungen und Reduktion von Komplexität. Damit diese Mechanismen funktionieren können, müssten zudem „Vertrauensschwellen“ als Grenzbestimmungen verwendet werden, bei deren Überschreiten Vertrauen notwendigerweise in Misstrauen umschlägt. Nur wenn diese von den vertrauensgebenden Akteuren antizipiert werden, ist es überhaupt denkbar, dass sie Vertrauen in dem hier beschriebenen Sinne gewähren können 1499. Solche Vertrauensschwellen wurden im Rahmen der hier beschriebenen P ­ raxis eines „verwalteten Vertrauens“ in den Korrespondenzen immer wieder explizit gemacht. Entscheidungen über das Ende von Vertrauensbeziehungen konnten von 1499 „Nicht jede Unstimmigkeit weckt Zweifel an den vertrauten Zügen der Umwelt, nicht jede Enttäuschung zerstört das Vertrauen. Eben deshalb muss es aber eine Grenze geben, wo diese Absorptionskraft endet, wo Vertrautheit oder Vertrauen abrupt in Misstrauen umschlagen […] Die Generalisierung von Vertrautheit und Vertrauen, das Überziehen der jeweils vorhandenen Information, beruht auf der Festlegung von Grenzen, die Schwellencharakter haben und deren Überschreiten eine umso krassere Neuorientierung auslöst“, Luhmann, Vertrauen, 82.

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den Diplomaten sehr wohl antizipiert werden. Dies betraf etwa das Verhältnis zum Mainzer Kurfürsten und Reichserzkanzler im Vorfeld der Kaiserwahl. Für den Fall, dass man sich in dem Eindruck getäuscht sähe, dass dieser definitiv keinen habsbur­ gischen Kandidaten zu wählen gedachte, schrieb Mazarin 1657: das Vertrauen endet dann auch von unserer Seite und man wird andere Maßnahmen ergreifen 1500. Lionne reflektierte später, als der beschworene Fall tatsäch­lich eingetreten war, selbst das Problem der vertrauensbegünstigenden Perspektive in der internen Korrespondenz. Man habe viel zu lange favorables interprétations für das Verhalten des Kurfürsten gelten lassen, was sich nun ändern müsse 1501. Auch während der weiter oben beschriebenen Krise des Verhältnisses zu Johann Philipp von Schönborn in der zweiten Jahreshälfte 1659, als sich Heinrich Julius Blom als kurmainzischer Gesandter in undurchschaubarer Mission am Kaiserhof aufhielt, vermochten zwar, wie oben beschrieben, Verweise auf Johann Philipps Feindschaft mit den Kaiser­lichen und daran angeschlossene vertrauensbegünstigende Interpretationen die Vertrauenskrise zu überbrücken. Allerdings vertraute der Kardinalminister keineswegs völlig naiv auf das aus seiner Sicht politisch rationale Handeln des Mainzer Kurfürsten. Parallel dazu machte er näm­lich jene Vertrauensschwellen, die die Grenzen des mög­lichen Vertrauens markierten, explizit. Sollte sich herausstellen, dass Blom in Wien tatsäch­lich über eine umfassende Friedensgarantie verhandelte, so sah Mazarin eine Beendigung des Vertrauensverhältnisses vor: Wenn nach den Aussagen, die der Herr Kurfürst eindeutig dem König gegeben hat und die das Gegenteil besagen, es anders kommt, sähe der König sehr wohl, dass es besagter Kurfürst ist, der das genauso möchte […] und hätte folg­lich keinen Grund mehr, ihm zu trauen oder ihn weiter mit Gnaden zu bedenken 1502. Mazarin antizipierte also die Mög­lichkeit, dass der Mainzer dem Kaiser Zusagen machen könnte, die so désobligeant für die Krone wären, dass die Beziehungen beendet werden müssten. Gerade die politische Sicherheit, die der eben geschlossene Pyrenäenfrieden bot, schien die Entschlossenheit, die Beziehungen zum Mainzer Kurfürsten im Ernstfall zu beenden, wirkungsvoll zu unterstreichen, denn, so Mazarin: durch diesen Frieden befindet sich der König mehr als je zuvor in der Lage, seine Freunde zu unterstützen, und jene die Folgen spüren zu lassen, die Seine Majestät enttäuschen wollen 1503. Dass es nicht soweit 1500 Mazarin an Servien, Peronne, 6.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 248v). 1501 Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 23v). 1502 Car si après les parolles que M. l’électeur a données positivement au roy du contraire, il en arrivoit autrement Sa Ma té. verroit bien que c’est ledit électeur qui l’auroit voulu de la sorte […] et ainsy n’auroit plus de sujet de se fier à luy ny de luy continuer les graces, Mazarin an Robert de Gravel, Bayonne, 26.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 94r). 1503 Le Roy, par cette paix se trouve plus en estat qu’il n’a jamais esté de soustenir ses amis et de se ressenitr de ceux qui voudraient desobliger Sa Ma té., Mazarin an Robert de Gravel, St. Jean de Luz, 4.8.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 96v).

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kommen musste, dass sich Kurmainz und der Kaiserhof weder in Fragen der Generalgarantie des Westfä­lischen Friedens noch im schwelenden Translationsstreit eine Einigung erzielten, ist bereits oben erwähnt worden. Anhand solcher Befunde lassen sich aber zugleich die oben gemachten Aussagen zur Verständigung über Vertrauen und das Problem einseitig vertrauensbegünstigender Interpretationen präzisieren. Hier deutet sich ein kommunikatives Muster an, bei dem sich die „Organisation“ bzw. die Akteure, die sie tragen, darüber verständigen, Vertrauen in Misstrauen umschlagen zu lassen, wenn bestimmte Ereignisse eintreten. Damit wird eigene Entscheidungsfähigkeit suggeriert und die Mög­lichkeit offen gehalten, Vertrauen jederzeit zu entziehen und aufzuheben. Auf diese Art und Weise wird zugleich ein Rahmen für die Reichweite weiterer Vertrauenszuschreibungen formuliert, die den oben genannten Mustern folgen können. Das Formulieren von Vertrauensschwellen kann also selbst als eine Form von Unsicher­ heitsabsorption für organisiertes Vertrauen verstanden werden. Das Benennen solcher Schwellen erweiterte dann Handlungs- und Entscheidungsmög­lichkeiten. Ein funktionsfähiges Instrument der Kontrolle, mit dem Vertrauensbrüche sanktionierbar geworden wären, war es aber häufig gerade nicht. Insofern könnte man hier eher von „Vertrauenshorizonten“ als von Vertrauensschwellen sprechen. 1658 etwa beendete Mazarin von sich aus die Vertrauenskrise gegenüber dem Mainzer Kurfürsten während der Kaiserwahl, indem er behauptete, der Kurfürst stehe jetzt unter Zugzwang und könne es sich kaum erlauben, Frankreich mit seinem Verhalten noch einmal zu enttäuschen 1504. Das Überschreiten einer einmal gesetzten Vertrauensschwelle führte also keineswegs zum Ende einer Vertrauensbeziehung, sondern konnte weitere neue selbst­ affirmative Beschreibungsfomen hervorbringen. Das Setzen von Schwellen bzw. Horizonten ermög­lichte das Eingehen gewisser Risiken in Vertrauensbeziehungen gerade deshalb, weil sich Vertrauen und das Weiterführen von Klientelbeziehungen an zukünftige Entscheidungen über Vertrauen und Misstrauen verwiesen, die so aber nie getroffen wurden. Ihre Antizipation diente dazu, Unsicherheiten zu kompensieren und Kontrolle zu suggerieren. Dies zeigt zugleich, dass diese internen Kommunikationsprozesse sich nicht nur auf angeb­lich bewährtes Wissen und erwiesene Informationen stützten, die alle in Beobachtungen gescheiterter Kommunikation, Zuschreibung von Interessen oder Feindbildern und ihren komplementären Selbstbeschreibungen zu finden sind. Auch der Verweis auf eigene zukünftige Handlungsmög­lichkeiten kann Kontrollfunktionen entfalten und so die Vertrauensbereitschaft stärken. Dies bedeutet natür­lich nicht, dass Vertrauensbeziehungen umfassend resistent gegen äußere Beeinträchtigungen gewesen wären und Kontrollmechanismen, die 1504 Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 12.1.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 12v).

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Vertrauen in Misstrauen umschlagen ließen, grundsätz­lich nicht greifen konnten. Vertrauen konnte in bestimmten Fällen sehr wohl in offenes Misstrauen und eine Entscheidung zur Beendigung von Beziehungen umschlagen. Eine solche Situation stellte sich etwa im Zusammenhang mit dem Sturz des Mainzer Hofkanzlers ­Boineburg im Jahre 1664 ein. Dieser hatte sich in über zehn Jahren in der Position eines faktischen Günstlingsministers nicht nur einige Feinde an Hof und Kapitel geschaffen, sondern auch durch eine sehr eigenmächtige Amtsführung, die durch eine Intrige ans Licht kam, seinen Dienstherrn provoziert 1505. Ausschlaggebend für den zunächst ungebremsten Sturz Boineburgs dürfte aber wohl eine Serie von für die franzö­sischen Diplomaten tatsäch­lich untragbarer Provokationen – das Anstreben des Reichsvizekanzlerpostens in Wien, die Zusammenarbeit mit dem spanischen Unterhändler Spinola y Rojas, sowie die angeb­liche Verantwortung für den zunächst unangemessenen Empfang Gravels beim Kaiser – gewesen sein 1506. Nachdem die Beziehungen zu Boineburg für die franzö­sische Seite nicht länger tragbar waren, einigten sich Lionne und Gravel darauf, dass man nun viel stärker auf Boineburgs Konkurrenten und den neuen einflussreichsten Vertrauten des Kurfürsten, den Domherren Philipp Ludwig von Reiffenberg setzen müsse 1507. Dessen probité und bonne foy seien, so Gravel, bestens bekannt 1508. Gravel und Lionne waren sogar bereit, Reiffenberg einen „Vertrauensvorschuss“ zu geben, als sie akzeptierten, dass dieser nebenbei spanische Gelder annahm, um, wie er selbst behauptete, zum Schein das Vertrauen Spinola y Rojas‘ zu gewinnen 1509. Dies ist umso erstaun­licher, da in den Jahren zuvor Reiffenberg wahrschein­lich der Letzte gewesen wäre, dem man Rechtschaffenheit und Ehr­lichkeit zugeschrieben hätte. Sowohl Gravel als auch Lionne hatten während der Kaiserwahl immer wieder Reiffenberg als einen durch seine Habgier, Geltungssucht und Eigensinnigkeit getriebenen notorischen Querulanten beschrieben 1510. Bei Reiffenberg zeigte sich überdies, dass solche Akte der Neustiftung von Vertrauen in der diplomatischen Korrespondenz sich im 1505 Wild, Sturz, Teil 1, 601 f. 1506 Wild, Sturz, Teil 2, 92; Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 20r). 1507 Wild, Reiffenberg, 193. 1508 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Regensburg, 25.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 57v). 1509 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 31.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 94r). 1510 Dementsprechend war er bei der Kaiserwahl in den franzö­sischen Berichten mehr als schlecht weggekommen. Bei den Planungen für eine Koadjutorwahl in Mainz fünf Jahre später sah man ihn als skrupellosen, wenn auch mög­licherweise nütz­lichen Intriganten an. Vgl. „Projet sur l’élection se pourrait faire dans le Chapitre de Mayence“ [1661] (AMAE, CP, Mayence 5, fol. 273r–277v); Mémoire du Roy pour servir

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diplo­matischen „Alltag“ schnell wieder relativierten und sich in ein eher kalkulierendes Vertrauen verwandelten. Seinem Bruder gegenüber riet Gravel jedenfalls wieder zu großer Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber Reiffenberg 1511. Auch gegenüber dem König schlug Gravel bald einen „sach­licheren“ Ton an, was die Vertrauenswürdigkeit Reiffenbergs anging: Ich glaube, Sire, dass man ihm vertrauen kann […] es wäre nicht schlecht, zurückhaltend vorzugehen, hinsicht­lich aller anderen Angelegenheiten, in denen er versuchen könnte, zu intrigieren 1512. Dies verweist wiederum darauf, dass vorläufige Zuschreibungen von „aufrichtigem“ Vertrauen auch ein strate­gisches Mittel innerhalb eines internen Verständigungsprozesses über personale Beziehungen sein konnten, die die Stiftung oder Neu-Stiftung von Vertrauensbeziehungen begleiten, aber keinesfalls der „Wirk­lichkeit“ der späteren Vertrauensbeziehung entsprechen mussten. Die Beschreibung personaler Beziehungen und die Charakterisierung personaler Akteure spielte eine enorme Rolle als außenpolitisch relevante Information, ihre „Aufzeichnung“ durch diplomatische Korrespondenz konnte allerdings in einem eklatanten Konflikt zur „ad-hoc-Konstruktion“ solcher Vertrauensbeziehungen geraten. Die Vorteile eines verschrift­lichten „Speichermediums“ wie der Korrespondenz konnten gerade für die Organisation von personalen Beziehungen nicht immer nutzbar gemacht werden. Unter dem Druck, schnell neue Klientel-Beziehungen stiften zu müssen, wurden wie im Falle Reiffenbergs effektive Gegenanzeigen gezielt ausgeblendet, ja sogar auf frei erfundene Einschätzungen und Informationen zurückgegriffen. Diese Situation erzeugte offenbar Bedarf nach einem kurzfristigem „Vertrauen ohne Vergangenheit“. Aber auch im Falle Boineburgs erwies sich das Ende der Vertrauensbeziehung nicht als dauerhaft: das Verdikt über Boineburg und das Misstrauen ihm gegenüber wurden auf franzö­sischer Seite überraschend schnell revidiert. Im November 1664 begannen Gravel, später auch Lionne und der König, über eine Wiederaufnahme des Vertrauens- und Patronageverhältnisses zu Boineburg nachzudenken 1513. d’instruction au Sieur Gravel en cas de vacance de l’électorat de Mayence, in: Recueil des Instructions XXVIII, 27. 1511 Instruction pour mon frère s’en allant trouver Monsieur l’électeur de Mayence, in: Recueil des Instructions XXVIII, 32. 1512 Je crois, Sire, que l’on peut se fier à luy […] il n’y aura point de mal d’aller avec retenue pour les autres affaires dans lesquelles qu’il peut estre chercheroit d’intriguer, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 24.5.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 61v, 62r). 1513 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 13.11.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 142r). Der Plan wurde tatsäch­lich im Jahr darauf zunächst unter hoher Geheimhaltung aufgenommen. Vgl. Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 18r); Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germainen-Laye, 26.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 105v).

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Bereits Anfang 1665 wurde dem gerade erst aus der Gefangenschaft des Kurfürsten entlassenen Boineburg, dem von Johann Philipp auferlegt worden war, nicht mehr in die Dienste irgendeines Fürsten zu treten, wieder ein Teil seiner franzö­sischen Pension ausgezahlt 1514. Gravel, Lionne und der König, die Boineburg jede Integrität und Klientelfähigkeit abgesprochen und das Verhalten Boineburgs als destruktiven Vertrauensbruch betrachtet hatten, beschworen jetzt näm­lich eine Art „antizyk­lische Klientelpolitik“. Dabei wurde ausgerechnet vom geschassten Boineburg exklusive Dankbarkeit gegenüber dem franzö­sischen König erwartet, sollte er später vom Kurfürsten wieder in Gnaden aufgenommen werden 1515. Vertrauensschwellen schienen in den hier beschriebenen Fällen eher temporär regulierend zu wirken, ihre langfristige Wirkung erscheint aber frag­lich. Darüber hinaus führte das häufig improvisierte Changieren von Selbst- und Fremd­ beschreibungen und der leitenden Normen bei der Beurteilung von Klienten dazu, dass gerade der Vorteil der Verschrift­lichung und Bewahrung von diplomatischer Korrespondenz in den Archiven bei der „Verwaltung“ von personalen Beziehungen nicht immer nutzbar gemacht werden konnte. Stattdessen konnte verschüttetes bzw. ungerechtfertigtes Vertrauen auch durch Vergessen, Umdeuten oder gar Erfinden von Informationen hergestellt werden. Es bleibt noch festzuhalten, dass auch das Beobachten und Interpretieren von Vertrauenssignalen, wie es oben beschrieben wurde, insofern Grenzen hatte, als dass es nur in Situationen mög­lich war, in denen es einen tatsäch­lichen Bedarf an verdichteten Vertrauensbeziehungen gab. Als sich die Beziehungen zwischen Frankreich und Kurmainz ab der Mitte der 1660er-Jahre zusehends verschlechterten und nach dem Ende der Rheinallianz zunehmend in generalisiertes Misstrauen umschlugen, hatten solche Signale kaum noch vertrauensstabilisierende Wirkung. Als von Seiten des kurmainzischen Reichstagsgesandten im Herbst 1668 noch einmal die Verlängerung der Rheinallianz vorgeschlagen wurde, vermochte Gravel dies nicht mehr als ein tatsäch­lich positives Zeichen aufzufassen und konnte sich auch nicht zu einer aktiven Unterstützung dieses zumindest vordergründig sehr entgegenkommenden mainzischen Vorschlages entschließen. Er fragte nach neuen Instruktionen, wie er sich in dieser Sache zu verhalten habe 1516. Wie grundsätz­lich die Vertrauensfähigkeit des Mainzer Kurfürsten herabgestuft worden war, machte im Jahr darauf Lionne explizit: Der König stimmt völlig mit dem Grundsatz überein, den Sie über das Verhalten des Herrn Kurfürsten von Mainz aufgestellt haben, dass es darin nur zwei Motivationen 1514 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 19r). 1515 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 26.6.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 105v). 1516 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.10.1668 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 56v).

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gibt, die ihn gegenüber der Krone sich haben wohlverhalten lassen, die Furcht und das Interesse, und dass man sich selbst täuscht, wenn man hofft, dass er jemals sein Vorgehen ändern könnte 1517. Grundlagen für ein positives Vertrauensverhältnis gegenüber Kurmainz sahen die für die franzö­sische Außenpolitik Verantwort­lichen also kaum noch. Gleichzeitig wurde hier eine Situation beschrieben, in der dem Mainzer keine anderen Motive mehr unterstellt wurden, also auch nicht mehr erwartet wurde, dass positivere Zeichen für Vertrauen auf etwas anderes hindeuten könnten. Alle anderen Wahrnehmungen wurden im Nachhinein für Selbsttäuschung erklärt. Die einzigen Grundlagen für Zusammenarbeit beruhten nur noch auf Drohungen und dem, was Lionne allgemein das „Interesse“ bezeichnete. Was franzö­sische Diplo­maten darunter verstanden und welche Rolle dieser Begriff für asymmetrische Fürstenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage spielte, soll unter anderem Thema des folgenden dritten Hauptteils dieser Studie sein. Zuvor sollen allerdings die Befunde dieses Hauptteiles noch einmal zusammengefasst werden: Erstens ist die Kategorie „Vertrauen“ ein zentraler Gegenstand der Organisation von immer noch weitgehend auf der Grundlage von als personalen Beziehungen verstandenen Außenbeziehungen. Dafür wurden normenzentrierte, rationalistische und mit Niklas Luhmann komplexitätsreduzierende und kommunikative Aspekte des Vertrauens skizziert. Zweitens wurde im Rahmen dieser Studie Vertrauen als verwaltete und organisierte Größe analysiert, über die sich „vertrauensgebende“ Akteure, hier franzö­sische Gesandte und ihre Prinzipale im Rahmen politisch-administrativer Systeme verständigten. Diese Kommunikationsprozesse können nur unter Berücksichtigung von deren Kommunikationsstrukturen und Wahrnehmungsschemata beschrieben werden. Drittens konnten Formen von face-to-face-Interaktionen von franzö­sischen Diplo­maten mit ihren reichsständischen Konterparts in verschiedenen Hinsichten auf „Vertrauen“ verweisen: Zum einen gibt es hier Formen ritualisierter Höf­lichkeit, die jedoch nur ein elementares Vertrauen, näm­lich in „die gemeinsame Zukunft“ der regelgerechten Kommunikation beider Partner zu errichten vermag. Dies ist allerdings eine Form von Vertrauen, die nicht voll dem Simmel’schen Differenzkriterium der Herstellung einer zuverlässigen Grundlage für praktisches Handeln entspricht. Allerdings führt gerade die Offenheit solcher Kommunikationsformen

1517 Le Roy convient entièrement du principe que vous establissez sur la conduite de Monsieur l’électeur de Mayence qu’il n’y a jamais que deux motifs qui l’ayent fait bien agir à l’esgard de cette Couronne, la crainte et l’interest et que l'on se tromperoit soi même d’espérer qu’il puisse jamais changer de procéder, Lionne an Robert de Gravel, St.Germain-en-Laye, 13.5.1669 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 307r/v).

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und ihre Wahrnehmung vor verschiedenen Hintergründen zu einer enormen Deutungsoffenheit hinsicht­lich der Herstellung von Kooperation und Vertrauen. Diese Unklarheiten befördern wiederum interne Verhandlungen unter franzö­sischen Diplo­maten, können aber auch Deutungskonflikte zwischen den Vertretern der Krone und ihren Klienten hervorbringen. Viertens ließ sich anhand der Mikroanalyse von zweier Verhandlungen mit geist­ lichen Kurfürsten zeigen, dass die franzö­sischen Diplomaten Vertrauen als Grundlage dauerhafter Kooperationsfähigkeit für durch sprach­liches Handeln herstellbar hielten. Dafür griff man jedoch kaum auf Konzepte strate­gischen Sprachhandelns aus der zeitgenös­sischen Konversations- und Verhandlungstheorie zurück. Vielmehr flossen dort einerseits Informationen, die als „riskant“ und besonders vertrau­lich dargestellt wurden, sowie Zugeständnisse auf inhalt­licher Ebene, die auf die Beziehungsebene zurückstransferiert werden. Vertrauen erscheint hier selbst als Gabe, als „supererogatorische Leistung“, die die franzö­sischen Diplomaten zunächst zu kooperativem Handeln zwang, um eine Verstrickung in Vertrauensbeziehungen und Reziprozität unausweich­lich zu machen. Dieses Schema blieb im Prinzip auch dort erhalten, wo es eigent­lich keine signifikanten Kooperationsangebote zu machen gab. Man unternahm hier, wie das Beispiel der Verhandlungen Feucquières’ zeigt, den Versuch, über selbstbegünstigende Argumente inhalt­liche Kooperation zu suchen. Normenkonflikte wurden dabei sowohl nach außen als auch nach innen kaschiert. Fünftens bleibt ein solches Handeln für sich genommen aber immer ein „Vertrauensangebot“, dessen „Erfolg“ sich nicht allein auf der Ebene der Beobachtung von face-to-face-Kommunikation feststellen lässt. Anwesenheitskommunikation stellt in der hier beschriebenen diplomatischen Kultur kein zureichendes Mittel der Erwartungskontrolle zur Verfügung. Ferner erweist sich ein auf eindeutige Normerwartungen gegründetes Vertrauen in einer von multiplen Loyalitäten, Normenpluralismus und geringer Sanktionsmacht einzelner Akteure geprägten Umwelt als problematisch. Sechstens ist es für die Frage nach der Stabilisierung von Vertrauensbeziehungen sinnvoll, nach anderen „Kommunikationsräumen“ und nach anderen Codes zu fragen. Zunächst lässt sich feststellen, dass die Abweichung von Höf­lichkeitscodes und die Beobachtung von Unhöf­lichkeit, ein große Rolle spielten. Von besonderer Bedeutung für die Stiftung von Vertrauen ist frei­lich erst die Tatsache, dass solche agonalen Interaktionsformen gegenüber gegnerischen Akteuren, also Vertretern des Hauses Habsburg wahrgenommen wurden. Diese wiederum wurden als deut­ liche Zeichen für eine profranzö­sische Haltung interpretiert. So können Vertrauensbeziehungen konstruiert werden, die weitgehend auf desiderative Normenerwartungen verzichten und die Enttäuschungsresistenzen für Vertrauen entstehen lassen. Dies eröffnet zudem eine triadische Dimension der Genese von Vertrauen in Patronage­beziehungen, die dieses an die Beobachtung von agonaler Kommunikation mit einem „Dritten“ knüpft.

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Vertrauen als Kommunikationsereignis

Siebtens stellt sich die Frage, welche Rolle Fremd- und Feindbilder bei der Beobachtung von Klienten und Kommunikation spielen. Während eine relative Irrelevanz stereotyper Fremdbilder, die sich auf die eigenen Klienten bezogen, festgestellt wurde, lässt sich doch ein ausgeprägtes vornehm­lich dynastisches, antihabsbur­gisches Feindbild beobachten. Dieses hatte sowohl in seinen makro- und mikropolitischen Ausformungen in gewisser Weise eine katalysatorische Wirkung. Die Analyse des Gebrauches antihabsbur­gischer Fremdbilder in der Korrespondenz macht klar, warum agonale Kommunikation mit den Habsburgern und sichtbare Gegnerschaft gegenüber den Habsburgern so gut dafür geeignet waren, auf der franzö­sischen Seite Vertrauen zu schaffen. Zugleich konnte Patronagekonkurrenz als „falsches“, intrigantes Kooperationsangebot heruntergespielt werden und förderte so selbstbegünstigende Interpretationen der Tätigkeit franzö­sischer Diplomaten. Achtens ist es wahrschein­lich, dass es sich bei solchen Feindbildern um Gebrauchsformen handelte, die auf strate­gische Zwecke in interner Kommunikation gerichtet werden konnten, nicht aber um invariante Wahrnehmungsformen. Dies lässt sich schon daran ersehen, dass erheb­liche Varianzen dieser Wahrnehmungsformen in Bezug auf direkte Begegnungen mit habsbur­gischen Diplomaten mög­lich waren, wobei zugleich der „Gebrauchswert“ antihabsbur­gischer Feindbilder gegenüber der eigenen Klientel verdeut­licht werden konnte. Ebenso kann in diesem Zusammenhang aber noch eine weitere triadische Dimension der franzö­sisch-reichsständischen Beziehungen gezeigt werden: Die konflikthafte Beziehung zwischen habsbur­gischen und franzö­sischen Gesandten ließ sich gerade nicht in zeremonielle Zugeständnisse gegenüber den eigenen Parteigängern umsetzen, da man im Verhältnis mit den habsbur­gischen Vertretern an eine zeremonielle Konfliktlogik gebunden war, die temporäre „Entsolidarisierung“ mit der eigenen Klientel geradezu unerläss­lich machte. Neuntens wurde die Frage nach den Vertrauensschwellen und damit nach den Grenzen von Vertrauen thematisiert. Es konnte gezeigt werden, dass in den Korrespondenzen Vertrauensschwellen bzw. Vertrauenshorizonte eine große Rolle spielten, die die Reichweite vertrauensbegünstigender Interpretationen zunächst zu begrenzen schienen. Allerdings kann dies selbst weniger als Garantie „kontrollierten Vertrauens“ sondern eher als zusätz­liche Technik betrachtet werden, mit der die franzö­sischen Diplomaten wiederum eigene Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit generieren konnten, indem sie sich selbst an zukünftige Entscheidungen über Vertrauensbeziehungen verwiesen. Anhand des Sturzes von Boineburg im Jahre 1664 lässt sich allerdings zeigen, dass es bestimmte Punkte gab, an denen Vertrauensbeziehungen zusammenbrechen konnten. Dass daraufhin mit Reiffenberg ein notorisch unzuverlässiger Kantonist zunächst als unkonditioniert vertrauenswürdig betrachtet wurde, und auch Boineburg in die franzö­sischen Klientel durch eine „antizyk­lische“ Klientelpolitik reintegriert werden konnte, zeigt jedoch auch, dass Informationen und negative Erfahrungen nach dem Ende von Vertrauensbeziehungen bei deren Neuformierung gezielt ausgeblendet und „vergessen“ werden konnten.

4. Normen und Normenkonflikte

In den vorangegangenen Hauptteilen sind die hier untersuchten asymmetrischen Außenbeziehungen und grenzüberschreitenden Patronageverhältnisse zunächst in ihren strukturellen Bedingungen beschrieben worden. Im zweiten Teil wurden Wahrnehmungsweisen und Kommunikationsstrategien in den Blick genommen. Dabei konnte gezeigt werden, wie in diesen Beziehungen längerfristig stabiles Vertrauen generiert wurde. Dieser letzte Hauptteil wird teilweise den thematischen Schwerpunkt des vorangegangenen Hauptteiles, näm­lich die Frage nach Vertrauen, wieder aufnehmen und die Frage nach seiner „Konstruktion“ durch die Gesandten und ihre Prinzipalen als vertrauensgebende Akteure vertiefen. Mit diesen Fragen wird sich die Studie im Folgenden unter der Perspektive der diesen Beziehungen zugrundeliegenden Normen auseinandersetzen. Im Vordergrund steht die Frage, wie die Verwendung bestimmter Normen und ihrer Semantiken zu Vertrauen und Erwartungssicherheit beitragen konnte und wie diese in internen Kommunika­ tionsprozessen verarbeitet wurden. Dabei werden zunächst mikropolitikinterne Normen und Normenkonflikte betrachtet (4. 1, 4. 2). Anschließend soll auf Konstel­ lationen, die im weitesten Sinne das Verhältnis von mikro- und makropolitischen Aspekten zueinander betreffen, fokussiert werden. Dabei wird zunächst die Frage im Vordergrund stehen, inwiefern grenzüberschreitende Patronage als Mittel könig­ licher Ehrsteigerung betrachtet werden kann aber auch welche Schwierigkeiten die Koppelung von könig­licher Ehre an die Rolle als Patron birgt (4. 3). Anschließend soll das Verhältnis zwischen mikro- und makropolitischer Rationalitäten und die Mög­lichkeit von Übergängen zwischen beiden aus franzö­sischer Perspektive beleuchtet werden (4. 4). Zum Schluss wird es im Rahmen der Rekonstruktion zeitgenös­sischer Debatten um die Frage gehen, inwiefern franzö­sische Mikropolitik als Korruption und Verrat betrachtet werden konnte. Hierbei wird vor allem die Debatte um die Rechtmäßigkeit der Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg in der Außenperspektive der Kaiser­lichen und der politischen Publizistik im Vordergrund stehen (4. 5).

4.1 Das Alte Reich als „Patronagemarkt“ Langfristige auf „Anciennität“ beruhende Handlungsketten zwischen Patronen und Klienten waren in der Frühen Neuzeit der Idealfall von Patronagebeziehungen. Derartige Tauschverhältnisse konnten häufig auch Unterbrechungen des Ressourcenflusses über einen längeren Zeitraum hinweg überstehen. Es ist aber verständ­ lich, dass derartige Konstellationen besonders in politischen Räumen, die von

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Normen und Normenkonflikte

Patronagekonkurrenz geprägt waren und in denen Klienten relativ große unabhängige Handlungsspielräume besaßen, nicht besonders häufig anzutreffen waren. Dies schloss das Bestehen solcher Patronagebeziehungen, auch über die Grenzen von Herrschaftsverbänden hinweg, keineswegs aus. Dies galt etwa für die exklusiv an den spanischen König gebundene Familie Colonna im Kirchenstaat des frühen 17. Jahrhunderts 1518 oder für über Generationen hinweg frankreichtreue innerschweizerische Magistratsfamilien, die ihre Bindungen auch noch beibehielten, als die franzö­sische Krone als Verteilerin von Patronageressourcen während der franzö­ sischen Religionskriege zwischenzeit­lich entfiel und Spanien-Mailand ihren Platz eingenommen hatte 1519. Auch ohne die Fundierung in solchermaßen traditionsgestützten Bindungen war es der franzö­sischen Krone gelungen, innerhalb Frankreichs, wenn nicht als monopolistische, so doch als bedeutendste und zunehmend unangefochtene Verteilerin von Patronageressourcen aufzutreten. Im ersten Hauptteil dieser Studie wurden nicht nur entsprechende Ergebnisse älterer Forschungen rekapituliert, sondern es konnte auch gezeigt werden, dass etwa bei der Organisation des franzö­sischen Gesandtschaftswesens traditionelle Elemente einer auf Langfristigkeit, ja sogar Transgenerationalität angelegten Verdienst- und Gnadenökonomie intakt blieben. Ihre Züge traten gerade dort, wo sie im Sinne der franzö­sischen Krone und ihrer erst im allmäh­lichen Wachstum begriffenen bürokratischen Verwaltungsstrukturen genutzt werden konnten, besonders deut­lich hervor. Im Alten Reich um die Mitte des 17. Jahrhunderts fand die Krone dagegen ganz andere mikropolitische Bedingungen vor. Grenzüberschreitende Patronagebeziehungen waren häufig überaus volatil und brachten kaum vollständige Abhängigkeiten einzelner Akteure hervor. Franzö­sische Klienten und Pensionäre changierten, wie im ersten Hauptteil aufgezeigt wurde, zwischen verschiedenen Rollen als Fürstendiener, traditionellen Anhängern des Hauses Habsburg, Domkapitularen oder Mitgliedern ihres Familienverbandes und besaßen insbesondere der franzö­sischen Seite gegenüber große Handlungsspielräume, da diese weder über traditions­gestützte noch exklusive Abhängigkeitsbeziehungen verfügte. Die franzö­sische Krone fand hier eine Konstellation vor, die in der jüngeren Forschung gelegent­lich als „Patronage­ markt“ bezeichnet worden ist 1520. 1518 von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 233 ff. 1519 Windler, Ohne Geld, 116. 1520 Diese Bezeichnung für die Geschäftsmäßigkeit von Bindungen orientiert sich zunächst an den Forschungen Sharon Ketterings, vgl. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 207. Als zentrale Kategorie für die Beschreibung von grenzüberschreitenden Patronage­beziehungen figuriert der Begriff bei von Thiessen / Windler, Einleitung, 12. Die Geschichtsschreibung der Frühen Neuzeit verwandte ihn vor allem für den Prozess der Zentralisierung von Patronageressourcen am Hof, was diesen wiederum in

Das Alte Reich als „Patronagemarkt“

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Was hat man sich unter einem solchen „Patronagemarkt“ vorzustellen? Generell umschreibt der sozialwissenschaft­liche Marktbegriff die Ökonomisierung von Tauschprozessen und die nach nutzenmaximierenden Prinzipien gesteuerte Freiwilligkeit sozialer Bindungen 1521. Dies hat oft auch die Reduktion gegenseitiger sozialer Beziehungen auf einzelne Aspekte der sozialen Identität der beteiligten Akteure und auf vereinzelte Handlungsfelder zur Folge 1522. Vor allem dieser letzte Aspekt der „Marktmetaphorik“ ist für Außenverflechtung besonders kennzeichnend, da Patronage­beziehungen durch Mehrfachloyalitäten und Patronagekonkurrenz ja gerade eindeutige und „vollständig integrierte“ Patron-Klient-Verhältnisse ausschließen. Dies bedeutet nicht, dass franzö­sische Diplomaten von sich aus Beziehungen, die auf kurzfristigen marktförmigen Interaktionen beruhten, erwartet oder gar befördert hätten. Sie strebten vielmehr langfristige Bindungen an, die auch sie für den Idealfall von Patronagebeziehungen hielten. Aus diesem Grunde zogen sie auch die Verleihung permanenter Benefizien der Zahlung kurzfristigerer Geldmittel vor. Als sich Franz Egon von Fürstenberg 1654, vor die Wahl gestellt, ob er von der franzö­ sischen Krone lieber eine große Geldsumme oder eine Abtei wollte, für die Abtei entschied, lobten der Kardinal und sein Lütticher Gesandter Wagnée diese Entscheidung. Materielle Ressourcen wie die Abtei schienen stärker auf Langfristigkeit und Stabilität von Beziehungen zu verweisen. Denn, so Wagnée, in diesem Falle habe man ja den Vorteil, dass ein solches Benefizium immer in seinen Händen bleibt, wie eine gesicherte Entlohnung für seinen Eifer 1523. Als zu Beginn der 1660er-Jahre des Öfteren die Frage nach der Wahl eines Koadjutors in Mainz im Raum stand, drängte Robert de Gravel Lionne und den König dazu, sich langfristig durch das frühzeitige Ausbezahlen franzö­sischer Gelder Loyalitäten und damit Stimmen im

einen „market place where all kinds of grants, privileges and offices were haggled over“, verwandelte. Vgl. Asch, Introduction, 17. Dass die Konzentration von Patronagemacht am Hof Höflinge zu „private entrepreneurs“ machte, betont Maczak, Aristocratic Household, 320. 1521 Vgl. kritisch zur Omnipräsenz der sozialwissenschaft­lichen Marktmetapher Bluhm / Malowitz, Märkte denken. 1522 Klas­sisch hierfür etwa die Weiterführung von Gedanken Max Webers und Georg Simmels bei Bahrdt, Die moderne Großstadt, 58 ff. Demnach steht die Konstellation eines Marktes nicht nur für die Ökonomisierung von Tauschverhältnissen, sondern – im Vergleich zu kleinräumigeren Konstellationen – vor allem für die Mög­lichkeit von durch „unvollständige Integration“ gekennzeichneten Sozialbeziehungen. Dass eine solche Entkoppelung von stärker anonymen Marktrelationen und Normen personaler Beziehungen keineswegs zwangsläufig ist, sondern, dass Übergänge bestehen können, zeigt aus historisch-anthropolo­gischer Sicht Muldrew, Interpreting the Market. 1523 demeure tousjours dans ses mains comme un gage assuré de son zèle, Wagnée an Mazarin, Lüttich, 26.5.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 509v).

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Normen und Normenkonflikte

Mainzer Domkapitel zu sichern 1524. Der Gesandte argumentierte hierbei auch mit ökonomischen Nutzenerwägungen für die langfristige Anlage von Beziehungen: Wenn sich diese Angelegenheit noch zwei weitere Jahre hinzieht, dann werden viertausend écus, die an Ort und Stelle zum Einsatz kommen, mehr bewirken als wenn man bis zum Äußersten wartet, wenn man die Geister, die dann schon in einer anderen Verpf­lichtung stecken, nur mit sehr viel mehr Mühe und sehr viel größeren Ausgaben zurückholen kann 1525. Aber auch die im Idealfall größere Langfristigkeit solcher Verhältnisse verwandelte sie nicht in tatsäch­lich exklusive Beziehungen. Die „Marktförmigkeit“ von Patron-Klient-Beziehungen bedeutete also keineswegs das Ende langfristigerer Handlungsketten. Allerdings waren diese komplexer, von größerer Erwartungsunsicherheit geprägt und für die franzö­sischen Diplomaten schwerer kontrollierbar. Aus den wesent­lich „volatileren“ und multipolaren Beziehungskonstellationen ergaben sich daher Praktiken und Beschreibungsformen von Beziehungen, die sich geradezu gegenteilig zu den Normen einer gabentauschartigen Verdienst- und Gnadenökonomie verhielten. So lässt sich etwa feststellen, dass die unspezifische Zeitspanne zwischen Gabe und Gegengabe in solchen außenpolitischen Klientelbeziehungen nach Mög­lichkeit gerade entfallen sollte 1526. In der Anfangszeit der Rheinischen Allianz wies die franzö­sische Krone gegenüber ihren Klienten im Reich sogar eine für ihre Verhältnisse ungewöhn­lich strenge

1524 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 4.10.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 438v). 1525 Quand cette affaire traisneroit encore deux ans ce ne seront que quatre mille esceus, qui feront plus d’effect estant employés en temps et lieu que quatre fois autant si l’on attend l’extremité où l’on ne pourra ramener les esprits qui seront peut estre entré en quelque engagement qu’avec bien de peine et une despense beaucoup plus grande, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 5.11.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 474v). Mit ähn­lichen Argumenten für die Langfristigkeit von Beziehungen operierten auch Gramont und Lionne in Frankfurt. Gebe man einem Neffen des Mainzer Kurfürsten einen Posten bei der könig­lichen Garde, sei dies effizienter als Gratifikationen zu verteilen. Es handele sich dann um un attachement qui dure et où il y a plus de sûreté pour le Roy qu’à une grâce passagère, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 17.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 35r). 1526 Das schloss frei­lich nicht aus, dass gerade in politischen Räumen, in denen die „Zahlungsdisziplin“ von Patronageanbietern chronisch schlecht war, große Verzögerungen von Gabe und Gegengabe Beziehungen oft langfristig stabil hielten. Mit einem „Ethos der Patronage“ hatte dies aber eher am Rande zu tun. Grund dafür war meist sch­licht Mangel an liquiden Ressourcen. Die Erwartung noch auszuzahlender Gelder und Güter beförderte eine Aufrechterhaltung von Loyalitäten in der Erwartung, dass derartige Verbind­lichkeiten doch irgendwann erstattet werden könnten. Vgl. etwa Windler, Ohne Geld, 121.

Das Alte Reich als „Patronagemarkt“

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Zahlungsdisziplin auf 1527. Die Leistungen, auf die sich Franzosen und Reichsstände dabei geeinigt hatten, waren im völligen Gegensatz zu den Patronagebeziehungen der Krone gegenüber ihren Diplomaten an strikte Terminvorgaben gebunden: Für die Auszahlung von Pensionsgeldern waren zwei fixierte Zahlungsperioden vorgesehen, die mit der Frankfurter Frühjahrs- und die Herbstmesse übereinstimmten. Wurden diese Verpf­lichtungen nicht eingehalten, konnten Klienten selbst bei kurzen Überschreitungen dieser Fristen franzö­sische Diplomaten unter Druck setzen 1528. Mit pünkt­lichen Zahlungen erhöhte sich allerdings auch in den Augen der Franzosen die Mög­lichkeit der Steuerbarkeit von Klienten. Das galt insbesondere dann, wenn die vorgesehenen Termine mit zu gewärtigenden Entscheidungen und Ereignissen zusammenfielen. Im September 1663 kam das Herannahen der Frankfurter Herbstmesse für Robert de Gravel gerade recht. Er war im höchsten Maße unzufrieden mit dem an Stelle Boineburgs als kurmainzischem Gesandten nach Regensburg gekommenen Sebastian Meel. Er versprach sich vor allem von der pünkt­lichen Auszahlung entsprechender Gelder am Mainzer Hof zu profitieren, da Boineburg unmittelbar nach Erhalt seiner Gelder umso bereiter sei, für Meels Ablösung zu sorgen und nach Mög­lichkeit selbst nach Regensburg zu kommen 1529. Zugleich wurde von franzö­sischer Seite die Exaktheit und Pünkt­lichkeit der geleisteten Zahlungen zu einer Referenz, mit der man die eigene Vertrauenswürdigkeit aber auch die Legitimität der Erwartung von Gegenleistungen begründete. Diese brachte kein anderer als der junge „Sonnenkönig“ selbst zum Ausdruck. Nachdem er im Herbst 1661 die Auszahlung aller franzö­sischen Gelder an Johann 1527 Wilhelm von Fürstenberg gelang es, einen regelmäßigen Fluss dieser Zahlungen in voller Höhe zu gewährleisten, was die Tatsache mit einschließen konnte, dass er diese Gelder sogar gelegent­lich selbst in bar aus Frankreich mitbrachte. Im Dezember 1659 etwa wies Mazarin Fouquet an, dem sich in Paris aufhaltenden Wilhelm von Fürstenberg so schnell wie mög­lich die dem Kölner Kurfürsten zustehenden Summen auszuzahlen. Vgl. Mazarin an Nicolas Fouquet, Toulouse, 8.12.1659, in: Lettres du Cardinal IX, 434. 1662 folgte der Aufforderung Wilhelms kurz vor seiner Abreise, ihm die 20.000 livres des Kurfürsten auszahlen zu lassen, bereits wenige Tage später eine Bestätigung Lionnes, der Auftrag werde in spätestens drei Tagen ausgeführt werden, Lionne an Wilhelm von Fürstenberg, St. Germain-en-Laye, 5.7.1662 (AMAE, CP, Cologne 3, fol. 134r). 1528 So etwa Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 4.10.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 439); Robert de Gravel an Ludwig XIV., Mainz, 17.10.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 309v). 1529 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.9.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 189v). Zuvor hatte Gravel bereits die Ansicht geäußert, dass man in Regensburg wesent­lich bereitwilligere Klienten pünkt­lich zur Eröffnung des Reichstages vorfinde, wenn tatsäch­lich alle Gelder zur Messe ausbezahlt würden. Vgl. Robert de Gravel an Lionne, Mainz, 26.8.1662 (AMAE, CP, Allemagne 153, fol. 363r).

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Normen und Normenkonflikte

Philipp und seinen Bruder veranlasst hatte, erklärte er: Diese Pünkt­lichkeit der Zahlungen selbst solch bedeutender Summen, für die ich zweimal im Jahr sorgen muss, gibt mir Anlass, mir im Gegenzug alle Standhaftigkeit, die ich wünschen kann, im Verhalten des Herrn Kurfürsten zu versprechen, von dem ich erfahre, dass er erneut vom Vizekanzler Walderdorff im Namen seines Herrn angegangen wird 1530. An diesem Zitat kann zudem noch ein weiterer den Normen einer Gnaden- und Verdienstökonomie widersprechender Aspekt verdeut­licht werden. Der franzö­sische König verwies nicht nur selbst auf den Faktor ponctualité. Zusätz­lich beschrieb er sich selbst als zu diesen Zahlungen explizit verpf­lichtet. Dies zeigt, dass die normative Fiktion des prinzipiell unverpf­lichtbaren Fürsten der Vormoderne, die nicht zuletzt die Struktur der gabentauschartigen Verdienst- und Gnadenökonomie mit ausmachte und vor allem die Kommunizierbarkeit von Ansprüchen an den Herrscher stark einschränkte, hier explizit aufgehoben wurde 1531. Die Mög­lichkeit der Verpf­lichtbarkeit des Herrschers ging einher mit einer stärkeren Formalisierung solcher Verbind­lichkeiten. Hierbei zeigt sich nicht nur, dass sich nicht alle Patronagebeziehungen auf informelle Strukturen stützen mussten, ebenso wurde eine weitere charakteristische Funktionsweise der Verdienst- und Gnadenökonomie revidiert. Es ging nicht mehr um unspezifizierte Leistungen und nicht explizierbare Ansprüche auf „Gnaden“. Stattdessen wurden die gegenseitigen Leistungen nun zumindest für zentrale Klientel-Beziehungen durch verschrift­lichte Abkommen exakt geregelt. Im Juni 1658 wurden die gegenseitigen Beziehungen und Verpf­lichtungen in einem in der Forschung als „Vertrag“ oder „Pakt“, in den Quellen aber als obligation réciproque bezeichneten Schriftstück fixiert 1532. Es handelte sich hierbei um keinen Vertrag im eigent­lichen Sinne. Vielmehr bestand das Abkommen in einer Zusammenfügung zweier Dokumente: einer Erklärung der Brüder Fürstenberg, in der diese ihre Ergebenheit und die Unterstützung der franzö­sischen Interessen garantierten, und einem Dokument, in dem Gramont und Lionne im Namen des Königs spezifische „Gnaden“ für die Fürstenberg versprachen. Konkret ging es dabei um die Verleihung des Bistums Metz für Franz Egon und die 1530 Cette ponctualité de payement de sommes mesmes si considérables auxquelles j’ay à pourvoir deux fois l’année me donne lieu de me promettre en eschange toute la fermeté que je puis désirer dans la conduite de M. l’électeur que j’apprens avoir été encore attaqué de nouveau par Vice-Chancellier Waldendorf au nom de son maistre, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 1.10.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 331v, fol. 332r). 1531 Droste, Patronage als Kulturform, 585. Für die Selbstbeschreibung des spanischen Königs als Patron ist diese These für das frühe 17. Jahrhundert bereits deut­lich widerlegt worden. Vgl. vor allem Emich u. a., Stand und Perspektiven, 255; von Thiessen, Patronageressourcen, 17. 1532 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 17.4.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 30v). Vgl. Braubach, Pakt, 37.

Das Alte Reich als „Patronagemarkt“

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Abtei St. Arnoulf für Wilhelm nebst Erstattung von mög­lichen kriegsbedingten Einkünfteausfällen aus diesen Gütern, die Erstattung von Kosten für die Einsetzung in die Abteien in Rom, wofür pauschal 40.000 Livres veranschlagt wurden, sowie Unterstützung für die nächste Bischofswahl, bei der sie antreten konnten und gleichwertigen Ersatz für mög­liche Güterverluste in den Erblanden 1533. Die Bedingungen dieses Abkommens scheinen weitgehend von den Brüdern „diktiert“ und von den Gesandten mehr oder weniger direkt übernommen worden zu sein 1534. Eine solche verschrift­lichte Festschreibung einer Patronagebeziehung stellte keinen Einzelfall dar. Schrift­liche Abkommen gab es auch mit dem Speyerer Bischof Lothar Friedrich von Metternich, der damit frühzeitig für den Fall einer Vakanz des Mainzer Erzbistums als Vertreter franzö­sischer Interessen gewonnen werden sollte 1535. Der König empfahl, den Bischof formal für die franzö­sischen Interessen zu verpf­lichten, was dann 1663 in einen „Klientelvertrag“ mündete, der sieben Jahre später unter anderen Umständen und für den Speyerer zu verbesserten Konditionen erneuert wurde 1536. Ohnehin war schrift­liche Fixierung von Patronagebeziehungen für sich genommen keine Innovation. Gerade im Alten Reich hatte die formale Festschreibung von Patron-Klient-Verhältnissen in einem formalen Rahmen durch sogenannte Haus- und Öffnungsverträge eine längere Tradition. Derartige Abkommen hatten im 16. Jahrhundert nicht zuletzt Mitglieder der Familie Fürstenberg mit dem Kaiser­haus abgeschlossen 1537. Auch im Frankreich des 16. und frühen 17. Jahrhunderts lässt sich die schrift­liche Fixierung von „Freundschafts-“ und Klientelbindungen nachweisen 1538. Die Bewertung solcher „Patronageverträge“ blieb auf franzö­sischer Seite bis zu einem gewissen Grade ambivalent: Verschrift­lichte Abkommen über Patronage­ leistungen erweiterten auch die franzö­sischen Handlungsspielräume hinsicht­lich der Kontrolle von Gegenleistungen. Diese konnten jetzt unmissverständ­lich und explizit eingefordert werden. Kardinal Mazarin verdeut­lichte etwa gegenüber dem pfälzischen Gesandten in Paris, Pawel von Rammingen, dass das von Gramont und Lionne 1657 geschlossene Subsidienabkommen mit seinem Dienstherrn die 1533 AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 190r–193v. Der „Vertrag“ findet sich (in deutscher Übersetzung) abgedruckt, bei Braubach, Pakt, 38 ff. 1534 Braubach, Wilhelm Egon, 42. 1535 Vgl. zu diesem Verhältnis Braubach, Politische Hintergründe. 1536 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 2.1.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 6r). 1537 Lupke-Niederich, Struktur und Funktion, 345 ff. 1538 Jouanna, Le devoir de révolte, 78 f. Auch im Schottland des 16.und frühen 17. Jahrhundert waren derartige schrift­lichen Verpf­lichtungen üb­lich. Vgl. auch Wormald, Lords and Men. Im schottischen Fall werden die Machtverhältnisse jedoch durch den Grad der verschrift­lichten Verpf­lichtung zwischen Patron und Klient reproduziert, vgl. hierzu auch Maczak, Ungleiche Freundschaft, 135.

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Einhaltung von exakten Gegenleistungen zwingend verlangte. In aller Schärfe wies Mazarin hier die Charakteristika einer Gabentauschökonomie mit Verweis auf das Bestehen vertrag­lich fixierter Beziehungen explizit zurück: Der Subsidienvertrag sei contractus non par gratia. Es könne daher nicht angehen, dass der Pfälzer Kurfürst nur unregelmäßig seinen Teil der Abmachung erfülle. Im Gegenteil: Die Verpf­lichtungen müssen gegenseitig sein 1539. Es könne auch keine Unklarheiten und Spielräume hinsicht­lich des Umfanges und der Regelmäßigkeit der Leistungen in einer dergestalt geregelten Beziehung geben. Mazarin pochte auf den Wortlaut des Vertrages und forderte Pawel auf: Machen Sie sich die Mühe, die Bestimmungen des Vertrages durchzulesen. Sie werden dort nicht wirk­lich servitium arbitrium finden. Das könnte auch niemals die Absicht des Königs sein 1540. Andererseits stand gerade Mazarin dieser Art von Abkommen nicht ohne eine gewisse Skepsis gegenüber. Ein solcher „Vertrag“ – soweit man davon sprechen kann – machte die versprochenen Vorgänge zwar nicht justiziabel. Schließ­lich hatten gerade die Fürstenberg auf gegenseitiger Geheimhaltung bestanden 1541. Dennoch sah Mazarin das Abkommen als eine für die Krone einengende Festlegung. Sollte es nicht mög­lich sein, alle versprochenen „Gnaden“ exakt und vertragsgemäß bereitzustellen, dann, so der Kardinal, diente ihnen solches als Vorwand, um zu behaupten, wir hätten ihnen etwas verweigert, was wir ihnen versprochen hätten, […] also wären sie an diese Vereinbarung nicht gebunden 1542. Im Vorfeld des Vertrages mit dem Speyerer Bischof 1663 hatte Ludwig XIV. selbst noch einen anderen Einwand: Er befürchtete, dass ein Vertragsangebot bereits im Vorfeld Misstrauen kommunizieren und der im vorangegangenen Hauptteil beschriebenen Norm der Vermittlung eigener Vertrauensbereitschaft kollidieren konnte. Der König gab zu bedenken, dass die Forderung nach einem Schriftstück […] zu sehr schockieren oder von besagtem Bischof schlecht aufgenommen werden könnte. Man möge daher warten, bis der Speyerer Bischof eine solche Regelung von sich aus anbiete 1543. Allerdings war zugleich deut­lich, dass die Akteure selbst die Regulierung und Verschrift­lichung von Leistungen im Rahmen eines Vertrages nicht zwangsläufig 1539 Les obligations doivent estre réciproques, Mazarin an Pawel von Rammingen, Poittiers, 3.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 84r). 1540 Prenez la peine de lire les termes du traité, vous n’y trouverez pas à la vérité servitium arbitrium, aussi ne peut ce estre jamais l’intention du Roy, Mazarin an Pawel von Rammingen, Poittiers, 3.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 84r); Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 14.3.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 60v). 1541 Braubach, Pakt, 40. 1542 Cela leur servist de prétexte pour dire que nous avions manqué à ce que leur avoit esté promise, et […] ainsy ils devroient estre dispensés de cet engagement, Mazarin an Gramont und Lionne, Calais, 21.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 482r). 1543 la demande d’un escript […] puisse trop choquer et estre mal pris dudit évesque, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 2.1.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 5v).

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in radikaler Opposition zu einem „Ethos der Patronage“ betrachteten. Beide Elemente konnten als komplementäre Faktoren dargestellt werden. So sprach etwa Robert de Gravel davon, dass Lothar Friedrich in seiner Treue zum König bestätigt werden würde, nicht nur durch die Bindungen an besagten Vertrag, sondern auch durch die eigene Haltung und durch die Anerkennung, die er durch die Gerechtigkeit und die Gnaden, die er von Seiner Majestät erhalten wird 1544. Die regulierte „geschäftsmäßige“ Vertragsbeziehung sowie die aus den Tauschverhältnissen hervorgehende Dankbarkeit sollten in diesem Falle also ineinandergreifen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die franzö­sischen Diplomaten im Alten Reich zwar nach längerfristiger Kooperation mit Fürsten und Klienten suchten, es hier jedoch zumeist mit Klienten zu tun hatten, die in die verschiedenste stellenweise konfligierende und sich überlagernde Loyalitäten besaßen. Franzö­sische Diplomaten waren auf einem regelrechten „Patronagemarkt“ tätig, auf dem „Loyalitätsanteile“ einzelner Akteure in unvollständig integrierten sozialen Beziehungen erworben werden konnten. Unter diesen Bedingungen entfielen die gabentauschartigen Strukturen einer Verdienst- und Gnadenökonomie. Stattdessen beschrieben sich insbesondere die Franzosen als zu gelegent­lich sogar in vertrags­artigen Abkommen festgeschriebenen spezifizierten Leistungen verpf­lichtet, die idealerweise zu einem festgesetzten Termin geleistet wurden.

4.2 dans un siècle intéressé – Legitimierbarkeit von Eigeninteressen als handlungsleitendem Faktor In der jüngeren Patronageforschung hat es mit teilweise enormer Schärfe geführte Debatten darüber gegeben, welche Bedeutung die Kommunikations- und Selbstbeschreibungsformen der an Patronagebeziehungen beteiligten Akteure, die häufig um die Begriffsfelder „Ehre“, „Treue“ und „Freundschaft“ kreisten, für die „Wirk­ lichkeit“ dieser Beziehungen hatte 1545. Weite Teile der Forschung gehen davon aus, dass eine solche Rhetorik vor allem evidente Eigeninteressen der Akteure verschleiert

1544 Non seulement par les liens dudit traitté, mais aussi par la propre inclination et par la recognoissance qu’il aura de la justice et graces qu’il recevra de Sa Ma té, Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 29.5.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 69r). 1545 Vgl. etwa Forschungsüberblick über Debatten in der franzö­sischen Patronageforschung bei Haddad, Noble Clienteles. Mitte der 2000er Jahre ist eine ähn­liche Debatte in der deutschsprachigen Forschung geführt worden. Vgl. Droste, Patronage als Kulturform, Emich u. a., Stand und Perspektiven.

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hätte 1546. Dem wurde allerdings entgegengehalten, dass eine solche Annahme ihrem Untersuchungsgegenstand eine moderne, anachronistische Unterstellung aufnötige, näm­lich, dass die Akteure tatsäch­lich primär materielle Eigeninteressen verfolgt hätten. Dagegen würde der Eigenwert sprach­lich-symbo­lischer Güter im Vergleich zu rein funktionalen und materiellen Aspekten unterschätzt 1547. Ebenso entstünden durch die Verwendung solcher sprach­lichen Formen sehr wohl Handlungsbindungen, denen sich Adelige in kleinräumigen relativ geschlossen Umfeldern mit intensiver sozialer Kontrolle nicht einfach entziehen konnten 1548. Dass die meisten der in der vorliegenden Studie beschriebenen Klientelbindungen um die Verfolgung von Eigeninteressen aber auch um mit traditionellen Normen übereinstimmende klienteläre Strategien, etwa die Versorgung der eigenen Familie kreisten, dürfte bereits aus dem ersten Hauptteil deut­lich geworden sein. Hier soll aber keinesfalls ein grundsätz­liches Plädoyer für eine Seite dieser Forschungsdebatte gegeben werden. Vielmehr müssen stets die mikropolitischen Strukturen und die kommunikativen Rahmenbedingungen solcher Beziehungen berücksichtigt werden. Sharon Ketterings Studie zur politischen Integration der Provinzen der franzö­sischen Monarchie durch Patron-Klient-Beziehungen verweist, wenn auch nicht systematisch, auf äußere Rahmenbedingungen der „Versach­lichung“ von Klientel-Beziehungen zuungunsten normativ stärker aufgeladener Konzepte. Sie betont darauf, dass bei den Patronagebeziehungen zwischen Zentrum und Peripherie nicht zuletzt aufgrund des größeren räum­lichen Abstandes zwischen den Beziehungspartnern Semantiken von Treue, Freundschaft und der Ehre eine wesent­lich geringere wirk­lichkeitsgestaltende Bedeutung zukam 1549. Dieser Befund dürfte auch für die meisten grenzüberschreitenden Patronagebeziehungen zutreffen. Dass sich dies im Falle von Nahbeziehungen im Rahmen der exklusiveren Kreise des franzö­sischen Hochadels gerade unter den spezifischen Bedingungen der räum­lichen Verdichtung von Kommunikation am Hof anders verhielt, erscheint aber ebenso plausibel 1550. Desgleichen konnten in traditionsgestützten, generationsübergreifenden Beziehungen, die als solche besonders stabil waren, solche Wertsetzungen einen stärker handlungsbindenden 1546 Vgl. Kettering, Patronage, 850. Vgl. auch die ältere Arbeit von Harding, Anatomy of a Power Elite. 1547 So etwa die klientelismuskritische Studie von Neuschel, Word of Honour, 197 f. Um einen Ausgleich beider Positionen bemüht sich Jouanna, Réflexions. 1548 Asch, Europäischer Adel, 116. 1549 Kettering, Patrons, 65. 1550 Vgl. Asch, Europäischer Adel, 117. Vgl. hierzu auch Silver, Friendship and Trust, 288. Die Konfliktträchtigkeit anspruchsvoller Verhaltensnormen in sozialen Nahbeziehungen betont anhand seiner Analyse der kaby­lischen Gesellschaft auch Bourdieu, Sozialer Sinn, 341 ff.

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Charakter entfalten und mög­licherweise den Verfolg materieller Interessen weniger in den Vordergrund treten lassen als dies bei den kurzfristig geknüpften, offenkundig stark zweckorientierten Beziehungen, die Kettering beschreibt, der Fall war 1551. Hinzu kam noch, dass in Außenverflechtungsbeziehungen Doppel- und Mehrfachbindungen ohnehin gang und gäbe waren und ein ausländischer Fürst, der einer unter mehreren Patronageanbietern war, eine geringere Sanktionsmacht gegenüber Klienten hatte, die seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich entzogen waren. Dies ermög­lichte ihnen größere Handlungsspielräume, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen 1552. Wenn in der Patronageforschung über Eigeninteressen der Akteure debattiert wurde, ging man zumeist entweder implizit davon aus, dass die Akteure als „homines oeconomici“ einem überzeit­lichen Handlungsschema folgten oder es wurde grundsätz­lich bestritten, dass Interessen für vormoderne Akteure als dominante und von anderen Faktoren trennbare Handlungsmotivationen begriff­lich fassbar waren. Beide Herangehensweisen lassen jedoch die historische Dimension des Konzeptes „Interesse“ außer Acht. Statt entweder die Geschichte des ökonomischen Denkens als radikalen und abrupten Bruch zwischen einer vormodernen gemeinwohlorientierten „moral economy“ bzw. einem adelig geprägten „Ethos der Patronage“ und einem an Nutzenmaximierung orientiertem ökonomischen Denken zu beschreiben oder umgekehrt den „homo oeconomicus“ als überzeit­liche Größe zu begreifen, sollte die Tatsache ernst genommen werden, dass das moderne ökonomische Denken sowie dessen Semantik und dessen spezifisches Subjektivitätskonzept durch längerfristige Transformationsprozesse mög­lich geworden sind, deren Wurzeln sich im 16. und 17. Jahrhundert finden lassen 1553. Dies gilt gerade für eine so zentrale Begriff­lichkeit wie jene des Interesses. Der Begriff stellte zwar den Dualismus von Vernunft und Leidenschaft, der die traditionelle praktische Philosophie prägte, auf den Kopf, indem er Interesse als „vernünftige Leidenschaft“ konzipierte 1554. Allerdings war das Konzept vor der Sattelzeit nirgends so ausgearbeitet, dass es eine schlüssige Revision traditionaler Vorstellungen von mora­lischer und ökonomischer Ordnung ermög­licht hätte. Es trat, wie es die „Geschicht­lichen Grundbegriffe“ formulierten, „mehr als Medium von Orientierungsversuchen, denn als souveräner, durchstrukturierter Begriff der Orientierung“ in Erscheinung. Gerade diese Offenheit und relative begriff­liche Unklarheit dürften jedoch zu der enormen Rezeptivität des Konzeptes in der politischen und sozialen

1551 Vgl. zu diesen Überlegungen auch Kettering, Patrons, 21. 1552 Vgl. hierzu auch Emich u. a., Stand und Perspektiven, 257. 1553 Vgl hierzu Plumpe, Geburt des „homo oeconomicus“. 1554 Fisch / Koselleck / Orth, Artikel „Interesse“, 318.

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Sprache des späteren 17. Jahrhunderts beigetragen haben 1555. Begriffsgeschicht­liche Analysen standen bislang vor allem unter der Perspektive der unmittelbaren Vorgeschichte des ökonomischen Liberalismus, wobei vor allem die praktische Philosophie des 17. Jahrhundert und andere vor allem ideengeschicht­lich relevante Texte im Zentrum der Analyse standen 1556. Winfried Schulze hat schon in den 1980er-Jahren anhand humanistischer Traktate gezeigt, wie bereits im frühen 16. Jahrhundert vor dem Hintergrund frühkapitalistischer Tendenzen in oberdeutschen Reichsstädten Konzepte der Validierung des „Eigennutz“ entstehen konnten, die sich von den Regeln einer mora­lischen Ökonomie und gemeinwohlorientiertem „kommunalistischen“ Normen absetzten und bereits in sehr vielem an Mandevilles berühmte Bienenfabel erinnerten 1557. Ansätze für eine „Gebrauchsgeschichte“ des Konzepts, die über zeitgenös­sische Theoriedebatten hinaus die Wirkmächtigkeit des Konzepts im sozialen, politischen und ökonomischen „Alltag“ berücksichtigen, fehlen aber bislang weitgehend 1558. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit die Thematisierung des Begriffes „Interesse“ Eingang in die sprach­liche Praxis ungleicher Sozialbeziehungen in der ständischen Gesellschaft fand. Dies ist nicht zuletzt deshalb so problematisch wie spannend, da gerade in Frankreich Beschreibungen von adeligen Freundschafts- und Dienstverhältnissen immer wieder auf die Begriffsfelder von générosité und liberalité rekurrierten, die als Gegenkonzept zu „unadeligem“ primär nutzenorientierten, „interessiertem“ Verhalten verstanden wurden. Hier vermischte sich eine adelige Verdienst- und Gnadenökonomie mit der Selbstzuschreibung von exklusiver „Beziehungsfähigkeit“ und der Idealisierung adeliger Freiheit und Unabhängigkeit von ökonomischen Nutzenerwägungen 1559. Gerade mit Bezug auf die Normen von Freundschafts- und 1555 Vgl. insbesondere zur Rezeption Henri de Rohans Gunn, „Interest will never lie“. Zur Bedeutung des Konzeptes insbesondere in eng­lischen Predigten des 17. Jahrhunderts vgl. Johnson, Friendship. 1556 Hirschmann, Passions and the Interests. 1557 Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Zu Gemeinwohlbegriffen in der FNZ vgl. Münkler / Bluhm (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn. Zum Normensystem des Kommunalismus und seiner unter dem Begriff „Hausnotdurft“ zusammengefassten Gemeinwohlorientierung gemeind­licher Ökonomie, vgl. Blickle, Kommunalismus, 106 ff. Klas­sisch zum Begriff der „moral economy“ Thompson, Plebeische Kultur und mora­lische Ökonomie. Vgl. hierzu auch Fontaine, L’économie morale, v. a.  310 – 335. 1558 Vgl etwa Lazzeri, Introduction, 239 f. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang allerdings eine jüngere Studie zu privaten Vertragsnehmern der spanischen Krone, in der gezeigt wird, dass sich die könig­liche Verwaltung von dem Gewinnstreben dieser Akteure eine optimierte Verwaltungspraxis versprach. Vgl. Damler, Imperium contrahens, 504 f. 1559 Smith, Culture of Merit, 30 ff. Besonders charakteristisch für diese Haltung waren adelige Handelsverbote. Vgl. zur deutschen Diskussion um diese Praktiken, Stollberg-Rilinger,

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Patronagebeziehungen konnte Interesse als eine Art „Anti-Wert“ betrachtet werden. Es umfasste ein weites Feld von Normbrüchen und hatte eine dezidiert beziehungsdestabilisierende Konnotation, während die Hervorhebung uneigennützigen „Desinteresses“ in der Sprache der Patronage eine herausragende Rolle spielte 1560. Im Folgenden werden anhand der diplomatischen Korrespondenz „gebrauchs­ geschicht­liche“ Aspekte des Interessenbegriffes in der sprach­lichen Praxis grenzüberschreitender Patronagebeziehungen rekonstruiert. Dabei soll gezeigt werden, wie „Eigeninteressen“ für franzö­sische Diplomaten, die über solche Beziehungen sprachen, begriff­lich fassbar waren und welche Folgen die Wahrnehmung dieser Handlungsdispositionen für die Gestaltung dieser Beziehungen hatte 1561. Frei­lich ist dabei zu berücksichtigen, dass aus der Präsenz des Quellenbegriffes „Interesse“ noch keine automatischen Rückschlüsse auf „Eigeninteresse“ als moderne analy­ tischer Kategorie getroffen werden dürfen 1562. Vielmehr sollte eine quellengestützte Skizze des Gebrauches des Begriffes zur Klärung der Frage beitragen, wo Übereinstimmungen und wo mög­liche Unterschiede zwischen beiden bestehen. In den hier untersuchten franzö­sischen Korrespondenzen ist eine Semantik von intérêt und avantage bei der Beschreibung mög­licher Handlungsmotivationen überaus präsent. In der Instruktion für Gramont und Lionne sprach Mazarin in einer Randnotiz etwa davon, dass es unumgäng­lich sei, viel Geld bei der kommenden Kaiserwahl zu investieren, schließ­lich lebe man in einem siècle interessé 1563. Ohne negative Wertungen, sondern eher mit der Erwartung, es mit einem durch Nutzen­ erwägungen motivierten Akteur zu tun zu haben, bezeichnete der Kardinal im Juli Handelsgeist und Adelsethos. Allerdings darf gleichzeitig nicht übersehen werden, dass gerade im franzö­sischen Adels des 17. Jahrhunders die Wahrnehmung und der Verfolg von Eigeninteressen fester Bestandteil einer adeligen „culture of ambition“ war. Ebenso mussten Gewinnstreben und Profitorientierungen nicht zwangsweise als Einschränkung adeliger Freiheit wahrgenommen werden, sondern konnten als Mög­lichkeit von deren Aufrechterhaltung verstanden werden, vgl. hierzu Dewald, Aristocratic Experience, 172 f. 1560 Emich u. a., Stand und Perspektiven, 254 f. Diese Wertung könnte allerdings auch ein ursprüng­lich spezifisch spanisches Phänomen sein, das Eingang in andere Sprachen gefunden hat. Dies deutet Fuchs, Artikel „Interesse“, Sp. 482 an. 1561 Ähn­liche Forderungen hat Droste, Patronage als Kulturform, 563, an die Patronageforschung herangetragen, diese jedoch in seinen eigenen Forschungen nicht konsequent aufgenommen. 1562 Zur Relevanz der Unterscheidung von Quellen- und Analysebegriffen vgl. Koselleck, Begriffsgeschicht­liche Probleme, 373 f. 1563 Il soit avantageux de laisser croire au monde qu’il y a toujours grande abondance de l’argent en France, par ce que cette croyance est ce que peut le plus porter les esprits à désirer l’amitié de Sa Ma té. dans un siècle intéressé, Instruction du Roy à M. M. de Gramont et de Lionne (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 27v).

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1657 Franz Egon von Fürstenberg als fort fin naturellement très intéressé 1564. Dass man eine solche Handlungsdisposition als zuverlässiger bewerten konnte als Erwartungen an adelige Ehrenhaftigkeit und man angesichts der ersten Erfahrungen mit der Doppelstrategie der Fürstenberg gar nicht erst annahm, dass das Ideal hochadeliger fidelité für sie eine verpf­lichtende Handlungsmotivation sei, zeigt ein Kommentar Mazarins zu dem erwähnten Abkommen mit den Fürstenberg. Er erwartete gar nicht erst, dass die Brüder par un principe d’honneur handeln würden. Stattdessen verwies Mazarin darauf, dass sich die Fürstenberg mit den versprochenen Patronage­ ressourcen durch ein Geflecht von Interessen an Frankreich gebunden hätten. Sie würden sich, so prognostizierte der Kardinal, allein schon deshalb an ihre Zusagen halten, weil sie nicht alle Güter, die sie in Frankreich haben könnten, aufs Spiel setzen würden 1565. Entgegen der eben beschriebenen zeitgenös­sischen Normen geschah dies offensicht­lich aus der Sicht der Franzosen außergewöhn­lich offen und deut­ lich. Ebenso war ihnen zu diesem Zeitpunkt völlig bewusst, dass Franz Egon von Fürstenberg Verbindungen zu spanischen und österreichischen Gesandten unterhielt. Es sei sehr wahrschein­lich, dass er trotz aller Treuebekundungen gegenüber der Krone mit Fuente, dem spanischem Botschafter am Kaiserhof, konferiere, um die Vorteile in Erfahrung zu bringen, die er erlangen könnte 1566. Allerdings gab es bestimmte Strategien der Situationsanalyse, die das Eigeninteresse der Fürstenberg nicht nur kontrollierbar machten, sondern es zu einem Fundament für Vertrauen werden ließen. So konnte man für den Fall des Erfolges eines wittelsbachischen Kaiserwahlprojektes eine langfristige Koppelung der politischen Interessen der Krone und der fürstenber­gischen Familieninteressen postulieren. Sollte der Herzog von Neuburg, den Mazarin trotz seiner schwachen Stellung im Reich persön­lich wohl am liebsten als Kaiser gesehen hätte, tatsäch­lich gewählt werden, dürften die Fürstenberg, die ja Freunde und Verwandte des Neuburgers seien, mit den höchsten Posten und Würden eines dergestalt neu aufgestellten Reiches ausgestattet werden. Dasselbe galt in den Augen der franzö­sischen Gesandten auch für eine Wahl des bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria. Würde dieser Kaiser werden, so schrieben Gramont und Lionne im Oktober 1657, hätte dies wohl den Sturz von dessen prohabsbur­gischen Hofkanzler Maximilian Kurz zur Folge, die Fürstenberg würden dann mit einem wittelsbachischen Kaiser wohl die mächtigsten Minister dieses neuen Reiches werden 1567. 1564 Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 50v). 1565 [Ils] ne voudroient point hasarder tout le bien qu’ils auroient en France, Mazarin an G ­ ramont und Lionne, Calais, 21.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 482r). 1566 pour reconnoistre les advantages il pourroit tirer, Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 50v). 1567 les plus autorisés ministres de ce nouvel Empire, Mazarin an Wagnée, La Fère, 22.6.1657 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 482r). Ebenso spekulierte Mazarin zu diesem Zeitpunkt,

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Die Unterstellung, dass Akteure größtmög­liche Nutzenmaximierung anstrebten, verbunden mit dem Vorwurf an den politischen Gegner, dieser sei unfähig oder unwillig, „konkurrenzfähige“ Patronageressourcen zur Verfügung zu stellen, bildete einen charakteristischen Zug der Selbsteinschätzung der franzö­sischen Position in der Patronagekonkurrenz um Akteure wie die Brüder Fürstenberg. So konnten etwa die franzö­sischen Ambassadoren 1657 unter Verweis auf franzö­sische Patronageressourcen und die Vorteile, die ein antihabsbur­gisches bayerisches Kaiserwahlprojekt sowohl für die Fürstenberg als auch für die Krone hätte, Interessenkongruenzen konstruieren, die vor allem das uneindeutige Changieren der Brüder zwischen den Habsburgern und den Franzosen für die Gesandten „kontrollierbar“ machte. Sie mussten zwar eingestehen, dass das Verhalten der Fürstenberg nicht so eindeutig sei, wie dies zu wünschen war, konstatierten aber: Wir glauben allerdings, dass sie interessegeleitete Leute sind, die sich eine beträcht­liche Belohnung von dieser Angelegenheit versprechen, zu welcher Seite sie sich auch wendet. Auf dieser Grundlage wünschen sie die Erhebung des Bayern vor allen anderen Dingen, nicht so sehr, um den Gefühlen ihres Herren entgegenzukommen, als wegen der beträcht­lichen Belohnung, die Frankreich ihnen versprochen hat. Dass die Fürstenberg Kontakt zur Gegenseite hatten, bestritten die Gesandten nicht. Wahrschein­lich hätten sie die Angebote des spanischen Agenten Augustin Mayer auch gar nicht zurückgewiesen, so die Gesandten, sondern haben sie zweifelsohne akzeptiert und alles Mög­liche versprochen. Entscheidend für die franzö­ sische Haltung war jedoch, dass Gramont und Lionne erklärten, sie seien nichts desto trotz überzeugt […] dass sie eher die Österreicher als uns täuschen werden, wegen des oben genannten Grundes des größeren Vorteiles, den sie gegenüber allem, was das Haus Österreich für ihre Familie tun möchte, zu haben glauben 1568. Allerdings gebrauchten Gramont und Lionne diese Einschätzung des Interesses der Fürstenberg bewusst so, dass es nicht bedingungslos die franzö­sische Position bestätigte. Sie gestanden näm­lich sehr wohl ein, dass es, wenn die Option einer für Frankreich günstigen Kaiserwahl wegfalle, sehr wohl denkbar wäre, dass sich die Brüder wieder den Habsburgern zuwendeten. Daher müssten sie in jedem Falle durch franzö­sische Gelder unterstützt werden. Die Gesandten schlugen daher vor, den Brüdern Fürstenberg hohe Geldzahlungen zu versprechen. Hier einer tatsäch­lich quantitativen Marktlogik folgend empfahlen die Gesandten, den Fürstenberg Angebote zu unterbreiten, die

dass ein wittelsbachischer Kaiser Fürstenberg sogar den Kardinalsrang verschaffen könnte, vgl. Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 52v). 1568 Nous […] sommes persuadés qu’ils tromperont plutost les Autrichiens que nous, par la r­ aison […] du plus grand avantage, qu’ils voient à avoir Bavière Empereur qu’à tout ce que la ­Maison d’austriche veut faire pour leur famille, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 14.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 194v).

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jene der Österreicher um ein Drittel überstiegen 1569. Aus ähn­lichen Überlegungen heraus hatten die Gesandten den Fürstenberg bereits einige Tage zuvor die von Mazarin zugesagten Gratifikationen in bar auszahlen lassen 1570. Entgegen der Kommunikationsnormen der Patronage bedienten sich hier auch die Klienten keiner „Verschleierungsrhetorik“ für anderweitig nicht artikulierbare Eigeninteressen. Franz Egon von Fürstenberg machte gegenüber den franzö­sischen Gesandten ungewöhn­lich deut­lich, dass ihm sehr viel an der Verfolgung seiner eigenen Interessen liege, schließ­lich habe er nicht gezögert, dem Grafen Wagnée zu sagen, dass die gegenwärtige Lage seinen Angelegenheiten entgegenkomme und dass er dazu gänz­lich entschlossen sei 1571. Ebenso versicherte Fürstenberg den franzö­sischen Gesandten seine Treue zum franzö­sischen König, indem er seine Interessen transparent machte und ihnen vorrechnete, welche Vorteile sich für ihn durch die Unterstützung der franzö­sischen Krone eröffneten. Immerhin könnten er und sein Bruder sich nun Hoffnungen auf das Bistum Straßburg, die Unterstützung einer Kandidatur in Hildesheim, ja sogar – nach dem Ableben ihres Dienstherren Max Heinrich – in Köln machen. Aufgrund dieser Gewinnchancen (nicht etwa aus voraussetzungsloser Treue) sähen sie sich zur Kooperation mit Frankreich geradezu verpf­lichtet. Franz Egon von Fürstenberg versicherte Lionne, wenn sie uns auch nur das Geringste, was man von ihnen wünscht, verweigern, müssten sie – mit einem Germanizismus formuliert – chelmes infâmes sein 1572. Dies zeigt, dass auch die Selbstbeschreibungen von Klienten sich der Aufwertung von Eigeninteressen anpassen und die Einschätzung ihrer Interessen durch die franzö­sischen Diplomaten antizipieren konnten. Solche Selbstdarstellungen von Klienten als von eigenen materiellen Interessen geleitete Akteure konnten von ihnen aber auch eingesetzt werden, um offen zu erklären, auf welchen Handlungsfeldern sie nicht im Sinne der franzö­sischen Krone handeln 1569 Nous croyons comme nous avons dit qu’ils tourneroient court en faveur des Autrichiens, à moins que la France n’augmenta de beaucoup la grace qu’on leur a destiné, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 14.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 138, fol. 195v). 1570 Gramont und Lionne an Mazarin, 9.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne, 136, fol. 171v). 1571 Pas hésité de dire au Comte Wagnée que la conjoncture présente estoit propre à faire ses affaires et qu’il y estoit tout à fait résolu, Mazarin an Gramont und Lionne, Stenay, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 50r). Auch für Klientelbeziehungen zwischen Zentrum und Peripherie konnten Eigeninteressen jedoch, wie Sharon Kettering gezeigt hat, je nach Stellung des Klienten entgegen der zeitgenös­sischen Norm der Dissimulation von Interesse recht offen formuliert werden. Die Provinzial-broker Oppède und Régusse “were motivated by private interest, which they were frank in avowing”, Kettering, Patrons, 54. 1572 Qu’on les tienne pour des chelmes infâmes s’ils nous manquent en la moindre chose qu’on désirera d’eux, Lionne an Mazarin, Frankfurt, 14.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 83v, 84r).

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konnten oder wollten. Johann Philipp von Schönborn etwa machte im Frühjahr 1658 gegenüber Gramont und Lionne gar kein Geheimnis daraus, dass er auch spanische Gelder angenommen habe. Zwar verwies er darauf, dass es sich um alte Schulden aus der Zeit der Wahl Ferdinands IV. zum römischen König im Jahr 1653 handelte. Er gab den Gesandten aber zu verstehen, dass er seine Zustimmung zur Wahl Leopolds I. als ein eigenes, von anderen reichspolitischen Angelegenheiten abgetrenntes Handlungsfeld betrachtete. Er habe daher für seine Unterstützung der Wahl des habsbur­gischen Kandidaten völlig zu Recht Gelder erhalten, denn er habe dem Haus Österreich ein recht schönes Geschenk gemacht, indem er ihnen die Kaiser­krone gegeben habe. Er könne daher von den Habsburgern eine gewisse angemessene Erkennt­lichkeit erwarten 1573. Die Interessen-Semantik und die Mög­lichkeit, durch sie verschiedene Handlungsfelder abzustecken, konnten aber auch dazu führen, dass zwischen der generellen Ausrichtung politischer Loyalitäten und ökonomischer Nutzenmaximierung geschieden wurde. Dies war vor allem von Bedeutung, wenn es unvermeid­lich war, dass bestimmte Akteure von allen Seiten Gelder und Güter annahmen. So wurde zum Beispiel im Jahre 1664 bekannt, dass Philipp Erwein von Schönborn, der Bruder des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp, sowohl von den Spaniern als auch von den Franzosen Geld annahm. Robert de Gravel konnte er allerdings versichern, dass es „ledig­lich“ finanzielle Interessen waren, die ihn dabei motivierten: Der Herr von Schönborn hat bei Gott und seiner Seele geschworen, dass weder er noch besagter Kurfürst irgendein Abkommen mit irgendjemandem eingegangen sei. Er wollte ledig­lich einen kleinen Gelegenheitsprofit daraus ziehen, wie er dies für gewöhn­lich tue, ohne damit den Interessen seiner Majestät Abbruch zu tun 1574. Der franzö­sische Gesandte kam zwar nicht umhin, sich über die bassesse der meisten Akteure am Hofe des Kurfürsten zu wundern. Allerdings entstand seiner Meinung nach durch die Aktivitäten Philipp Erweins kein Schaden für die franzö­sische Krone 1575. Hier zeigte sich zugleich, dass die Wahrnehmung von ökonomischen Interessen zwar als rationales, nutzenmaximierendes Verhalten eingeschätzt werden konnte. Gerade bei der Trennung von ökonomischen und politischen Handlungsdispositionen konnte die Einschätzung von Interesse aber auch in eine andere Richtung nuanciert werden. Gravel erklärte, man könne auch Schönborn weiterhin vertrauen. 1573 Il faisoit un assez beau présent à la maison d’austriche en leur donnant la Couronne impériale […] quelque reconnoissance proportionné, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 85r). 1574 M. de Scheneborn a juré sous Dieu et son ame que ny luy ny led. électeur n’avoient pris aucun engagement avec personne qu’il avoit seulement tiré quelque petit profit de l’adresse comme il practiquoit ordinairement. Mais que c’estoit sans faire préjudice aux interests de V. M., Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 15.5.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 34r). 1575 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 6.2.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 113v).

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Er sei zwar extrem habgierig, allerdings gehe mit dieser Habgier auch Furchtsamkeit, Initiativlosigkeit und nicht zuletzt die zu manipulierende Angst, franzö­sische Gelder zu verlieren, einher 1576. Interesse von Akteuren war also nicht nur eine durchgehend rationale Handlungsdisposition. Es konnte auch als eine manipulierbare irrationale Leidenschaft dargestellt werden. 1660 riet Robert de Gravel dazu, dem Bruder des Mainzer Kurfürsten eine Gratifikation von 20.000 écus nicht auszuzahlen, sondern diese an das Wohlverhalten seines Bruders zu knüpfen. Dies sollte dazu führen, dass Philipp Erwein versuchen werde, seinen Bruder wieder auf einen frankreichfreund­lichen Kurs einzuschwören: Die Furcht, ein so gutes Stück zu verlieren wird auch besagten Herrn von Schönborn, der von seiner Natur her sehr habgierig ist, wieder auf Linie bringen 1577. Das eigennützige Verhalten Schönborns wurde hier nicht als rationalitätssteigernde Disposition beschrieben. Es beruhte eher auf irratio­ nalen Leidenschaften und Begierden, was aber aus franzö­sischer Sicht Spielräume für Manipulation eröffnete. Aus diesen Beispielen wird deut­lich, welche enorme Bedeutung die Semantik von „Interesse“ und „Vorteil“ für die Konstruktion von Vertrauen in tendenziell instabilen Kooperationsbeziehungen hatte. Wichtig in unserem Zusammenhang ist dabei die Tatsache, dass das beim anderen beobachtete oder diesem zumindest unterstellte Interesse als Indikator für erwartetes Verhalten gelten konnte. Für die Aushandlung von Vertrauensbereitschaft unter den „Vertrauensgebern“, also franzö­ sischen Diplomaten und ihren Prinzipalen, wie sie im vorangegangenen Hauptteil erläutert wurden, bot der Interessebegriff ein zentrales rhetorisches Instrument. Gerade in den besonders volatilen, multipolaren Beziehungskonstellationen, in die die franzö­sischen Patronagebeziehungen eingebettet waren, entstanden so gewissen Spielräume für die Enttäuschung von Vertrauen, innerhalb derer es trotzdem stabil blieb. Die Behauptung, dass näm­lich Akteure trotz gewisser Unsicherheiten und einigen Erwartungsenttäuschungen letzten Endes doch ihren Interessen folgten und mit der franzö­sischen Krone konform handelten, schuf Mög­lichkeiten, Enttäuschungen mit zu erwarten und Unsicherheiten im Rahmen eines durch Schwellen bzw. Horizonte abgegrenzten Toleranzbereiches zu absorbieren. Dies wäre mit einem stark normativ aufgeladenen Vertrauensbegriff, der sich an voraussetzungsloser fidelité orientierte, nicht machbar gewesen 1578. So war es auch mög­lich, die Unsicher 1576 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 30.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 72v); Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 31.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 93r). 1577 L’appréhension de perdre un si bon morceau feroit redresser ledit Sr. de Schönborn, lequel de son naturel est fort avide, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 36v). 1578 Das Sich-Verständigen über Erwartungen entspricht dem von Luhmann diskutierten Mechanismus der Stabilisierung von Vertrauen aufgrund von unsicheren Erwartungen,

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heiten, die durch uneindeutiges Handeln der Akteure entstanden, zu bewältigen, indem man verschiedene Handlungsfelder voneinander trennte. Dadurch konnten zwar Handlungsketten unterbrochen und beeinträchtigt werden, man konnte allerdings davon ausgehen, dass aufgrund der Interessenlage der Akteure auf der franzö­sischen Seite ein akzeptabler, vertrauensrechtfertigender „Loyalitätsanteil“ verblieb. Das Sprechen über „Interesse“ und „Vorteil“ erwies sich so als überaus nütz­lich für die Bewältigung von Erwartungsunsicherheit in multipolaren PatronKlient-­Beziehungen. Es konnte nicht nur kurzfristige Beziehungen ermög­lichen, sondern schuf auch das Vertrauen für langfristige Kooperation trotz der Mög­lichkeit abweichender Loyalitäten und beständiger Patronagekonkurrenz. Die verbreitete Verwendung einer Semantik von „Interesse“ und „Vorteil“ bedeutete allerdings nicht, dass die gabentauschartigen Normen von Patronagebeziehungen und deren spezifische Sprachformen keine Bedeutung mehr gehabt hätten. Sie blieben in der diplomatischen Korrespondenz weiterhin präsent. In diesem Zusammenhang konnte das semantische Feld von „Interesse“ und „Vorteil“ weniger als Mög­lichkeit der Genese von Vertrauen in das argumentative Repertoire der Diplomaten ein­fließen, sondern das Gegenteil, näm­lich deviantes, Misstrauen erweckendes Verhalten beschreiben und erklären. So charakterisierte etwa Robert de Gravel Franz Egon von Fürstenberg angesichts von dessen dubiosen Verhandlungen mit dem Wiener Hof im Jahre 1660 als inconstant, variable et intéressé 1579. Ebenso konnte übersteigertes und fehlgeleitetes Eigeninteresse als ein Topos gebraucht werden, mit der Angehörige der Klientel des politischen Gegners beschrieben wurden. Gravel bezeichnete beispielsweise den Reichsvizekanzler und Mainzer Kapitular ­Wilderich von Walderdorff nicht nur als verschlossen und unehr­lich, sondern auch als habgierig und über die Maßen seinem Interesse hingegeben 1580.

„diese sind, so paradox das erscheinen mag, psycholo­gisch stabiler. Bei ihnen wird näm­lich das Gegenteil gleich mit erwartet, ohne dass die Erwartungen deswegen aufgegeben würden. Das Erwarten wird dadurch, dass es einen Widerspruch in sich hineinnimmt, gegen äußere Widerlegung abgesichert, muss aber intern diesen Widerspruch aushalten und verarbeiten können“, Luhmann, Vertrauen, 87 f. Zum Vergleich von „Normen“- und „Schwellenvertrauen“ vgl. ebd., 31. Luhmann hat im Übrigen dem historischen Konzept von „Interesse“ bei der Abschätzung von Handlungsmotivationen und des Kalkulierens von Risiken im Rahmen von Vertrauensbeziehungen eine zentrale Rolle eingeräumt. Vgl. ders. Vertrautheit, 154. 1579 Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 15.6.1660 (AMAE, CP, Allemagne, 148, fol. 92r). 1580 Le Vice-Chancellier Walderdorf est […] dissimulé, couvert […] dit rarement ce qu’il pense, porté à son intérêt outre mesure, avare, „Projet sur l’élection qui se pourrait faire dans le Chapitre de Mayence“ [1661] (AMAE, CP, Mayence 4, fol. 273v).

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Der Rekurs auf die Normen der Patronage konnte aber auch als eine Strategie genutzt werden, um ungerechtfertigtes Vertrauen in Akteure mit Verweis auf die Erwartung an adelige Verhaltensnormen zu entschuldigen. Dies tat z. B. Mazarins Lütticher Resident, der Comte de Wagnée: Franz Egon von Fürstenberg hatte zu Beginn seiner Beziehungen zur franzö­sischen Krone gleich zweimal – 1655 und 1656 – auf für die Franzosen inakzeptable Art und Weise seine Klientelbindungen zur habsbur­gischen Seite reaktiviert. Wagnée argumentierte beide Male gegenüber Mazarin, er habe nicht ahnen können, dass Fürstenberg zur höchsten Illoyalität und Arglist, die sich in einem Menschen seines Rangs und seiner Berufung finden könnten, in der Lage sei. Es handele sich um eine Falschheit, die keinen Platz in der Seele von Leuten haben kann, die derartig viel Ehre besitzen 1581. Als Fürstenberg im Jahr darauf sein Manöver wiederholte, verwies Wagnée erneut auf die Adelsqualitäten Fürsten­ bergs. Dass er sich nicht an seine Treuebekundungen halte, sei absolute Arglist, derer ich eine Person von Geburt nicht für fähig gehalten hätte 1582. Wagnée sprach dabei völlig kontrafaktisch und ohne Fundierung in seiner früheren Korrespondenz von selbstverständ­lichen Erwartungen an normenorientiertes Handeln. Sie dienten hier vor allem der Enttäuschungsabwicklung. Diese Sprechweisen tauchten dort auf, wo Interesse keine Erwartungen mehr strukturieren konnte und zumindest vorübergehend nicht mehr dazu in der Lage war, Uneindeutigkeiten und Enttäuschungen zu absorbieren 1583. Die apologetische Funktion des Verweisens auf solche Normen war in diesem Falle aber nicht zuletzt für Wagnée selbst von strate­gischer Bedeutung. Er wurde schließ­lich für seine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit Fürstenbergs von Mazarin heftig kritisiert und mit einer vorläufigen Suspendierung seiner eigenen Patronageressourcen bestraft. Eine ähn­liche Bewertung von klientelärem Interesse lässt sich auch bei der vorläufigen Beendigung der Klientelverhältnisse zu Boineburg von franzö­sischer Seite ab 1664 beobachten. Eine Argumentation mit den Eigeninteressen von Klienten, aus deren Verfolg sich Kongruenzen von Interessen konstruieren ließen, wich nun ihrer Verurteilung als für den service du Roy disqualifizierender Handlungsdisposition: intérest propre et l’avarice reichten bei Boineburg, so mokierte sich Gravel, ­jusqu’aux intrailles. Er sei sch­licht nicht in der Lage, sich um irgendein Prinzip der Ehre, der 1581 Puisse estre capable de la plus haute desloyauté et perfidie qui se puisse trouver en une personne de son rang et de sa profession […] une fausseté qui ne peut trouver place dans l’ame des personnes qui ont tant […] d’honneur, Wagnée an Mazarin, Lüttich, 10.4.1655 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 449v, fol. 450r). 1582 Une perfidie absolue je ne croyois pas une personne de naissance capable, Wagnée an ­Mazarin, Lüttich, 25.8.1656 (AMAE, CP, Liège 2, fol. 532r). 1583 Der Begriff „Enttäuschungsabwicklung“ wird hier entlehnt bei Luhmann, Normen, 40, der ihn aber eher als dauerhafte Normenbekräftigung gegenüber Anderen, nicht als ambivalentes Kompensationsinstrument versteht.

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Freundschaft oder der Erkennt­lichkeit gegenüber anderen zu kümmern. Auch sei der Mainzer Hofkanzler nicht fähig, einer zentralen Klientenpf­licht nachzukommen, die jetzt gewissermaßen nachträg­lich eingefordert wurde: Dankbarkeit (gratitude)1584. Da Boineburg nicht bereit sei, eine solche in Form von Loyalität und entsprechenden Gegenleistungen zu bezeugen, stehe ihm auch die genérosité des Königs nicht mehr zu 1585. Boineburg sei zwar eine überaus fähige Person, allerdings machten ihn Anmaßung, Ehrgeiz und Habgier für Klienteldienste unbrauchbar 1586. Damit wurden im Falle Boineburgs teilweise wortwört­lich jene Normen klientelären Verhaltens nachträg­lich eingefordert bzw. deren Ausbleiben beklagt, die von den franzö­sischen Diplomaten und ihren Prinzipalen in anderen Argumentationszusammenhängen ausdrück­lich für verzichtbar erklärt wurden. Wie sehr die ambivalente Bewertung von Interesse auf bestimmte kommunikative Erfordernisse reagierte, lässt sich aber ebenfalls am Fortgang des Falles ­Boineburg rekonstruieren. Die Franzosen nahmen nicht nur die Pensionszahlungen an den Mainzer Hofkanzler wieder auf und förderten seine Rückkehr an den Mainzer Hof. Ende 1671 sah Jacques de Gravel Boineburgs Eigeninteresse wieder explizit als positive Grundlage für mikropolitische Kooperation an: Denn, da er von Natur aus interessegeleitet ist, könnte man die guten Intentionen, die ich bei ihm bemerkt habe, die er angefacht durch die Aussicht auf irgendeine Wohltat Seiner Majestät jetzt hat, recht weit führen 1587. Interesse schien hier also wieder als rationale, erwartbare und sehr wohl zum service du Roi befähigende Disposition.

1584 Je vous advoue que je ne sçaurois digérer une pareille ingratitude quoy que je m’en sois déffié il y a desia quelque temps, selon que je me suis donné l’honneur de mander à Sa Majesté que j’appréhendois son arrivée, Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 6.2.1664 (AMAE, CP, Allemagne 188, fol. 114r). Voyant une si grande lâcheté et une ingratitude pareille à celle-là, après avoir recu tant de bénéfices de V. Ma té., Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 20v). 1585 De songer par aucun principe d’honneur, d’amitié ou de reconnaissance à d’autres, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 4.1.1664 (AMAE, CP, Allemagne 172, fol. 21r). Ähn­lich beschwerte sich auch Mazarin über den schwedischen Gesandten und franzö­ sischen Pensionär Mathias Biörnklou, der seiner Meinung nach zu enge Beziehungen zu den kaiser­lichen Diplomaten pflege und dabei nulle marque d’amitié sincère, nulle gratitude zum Ausdruck bringe. Vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Dijon, 24.11.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 412r). 1586 De présomption, d’ambition et d’avarice, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 31.7.1664 (AMAE, CP, Allemagne 189, fol. 154v). 1587 Car comme il est naturellement interessé, les bonnes intentions que je crois avoir remarqué, qu’il a maintenat estant échauffés par l’espérance de quelque bienfait de V Ma té, le meneroient bien loing, Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Würzburg, 28.11.1671 (AMAE, CP, Mayence 11, fol. 122r).

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Ein weiterer Argumentationsmodus, in dem auf Patronagenormen und ihre Semantik zurückgegriffen und opportunistisches und an den eigenen Interessen und ökonomischem Gewinnstreben orientiertes Denken verurteilt wurde, betraf die Zurückweisung von aus franzö­sischer Sicht unangemessenen Forderungen von Patronage­leistungen. Auch wenn die franzö­sischen Diplomaten Eigeninteressen und ihre Artikulation als funktional oder auch manipulierbar beschrieben, gab es doch eine gewisse Tendenz, zumindest Auswüchse opportunistischen Verhaltens, vor allem taktische Manöver zur Erlangung von Patronageressourcen, einzudämmen. Die Gespräche zwischen Robert de Gravel, Johann Philipp von Schönborn und Boineburg im ersten Halbjahr 1660 waren etwa von intensiven Auseinandersetzungen darüber geprägt, in welcher Höhe dem Mainzer Kurfürsten Pensionszahlungen der franzö­sischen Krone zustanden 1588. Während der Kurfürst und sein Hofkanzler ausstehende Gelder reklamierten, kam der franzö­sische Gesandte nach eingehender Überprüfung der Abrechnungen der vorangegangenen Jahre zu dem Schluss, dass es sich bei den vermeint­lichen Außenständen keineswegs um Schulden, sondern um einmalige gratifications des Königs gehandelt habe. Der Mainzer Kurfürst täte gut daran, wenn er all dies auf das Gutdünken und die Großzügigkeit seiner Majestät zurückführte. Gravel ging aber noch weiter: Der Kurfürst dürfe grundsätz­lich keine Gratifikationen einfordern, diese seien näm­lich eine reine Gnade, genau wie alles andere, was seiner Majestät beliebt, ihm zukommen zu lassen 1589. In dieser Situation stellte Gravel seinen Dienstherrn als höchst freiwilligen Verteiler von grâces dar. Die Normen der Gnadenökonomie wurden bewusst und in strate­gischer Absicht hervorgehoben, während die Selbstzuschreibung von Verpf­lichtung und Spezifizierbarkeit von Leistungen ebenso bewusst in den Hintergrund gestellt wurden. Besonders deut­lich wurde dies in Fällen, in denen Klienten im Verdacht standen, Verhandlungen mit dem politischen Gegner zu nutzen, um die Verteilung franzö­ sischer Patronageressourcen quasi zu erzwingen: Boineburg hatte offenbar bei Gravel anfragen lassen, ob es die Krone akzeptieren könnte, wenn er von den Kaiser­lichen eine Summe von 8.000 écus annähme. Ludwig XIV. gab sich indigniert und verwies darauf, dass er ein solches Verhalten nicht als angemessene Verhaltensweise ihm 1588 Vgl. Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 24.5.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 227r). 1589 Remettoit tout cela au bon plaisir et à la générosité de Sa Ma té […] une pure grace aussy bien que tout le reste qu’il plaisoit a sad. M té de luy faire fournir, Robert de Gravel an Lionne, Frankfurt, 28.6.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 255v). Mit ähn­licher Schärfe hatte Gravel Ansprüche auf Subsidiengelder, die der schwedische Gesandte ­Biörnklou gestellt hatte, zurückgewiesen. Man schulde der schwedischen Krone überhaupt nichts. Alle Gelder, die man ihnen bezahle, entsprängen der pure générosité des Königs. Vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.11.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 403r).

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gegenüber als Herrscher und Patron betrachtete und vermutete dahinter finanziell motivierte Verhandlungstaktik: Dieses sind bei mir sehr schlechte Mittel, um Gnaden zu erlangen 1590. Der König lobte Gravel ausdrück­lich dafür, Boineburg noch einmal dessen Abhängigkeit von der Großzügigkeit der Krone verdeut­licht zu haben. Allerdings musste diese Position zugleich relativiert werden. Der König erklärte näm­lich, er wolle auf ein Votum Gravels warten, ob man sich eine solche Haltung gegenüber dem für die franzö­sische Reichspolitik enorm wichtigen Hofkanzler langfristig überhaupt leisten könnte. Der König wies zwar seinen Gesandten ausdrück­lich an, Boineburg weiterhin die Unangemessenheit seiner Haltung zu verdeut­lichen und ihm gegenüber la guerre à l’oeil zu betreiben. Zugleich gab aber er zu bedenken, dass meine Partei ohne Zweifel einen Nachteil erleidet, wenn man die Zuneigung und die Bindung des Barons verliert angesichts seiner Fähigkeit und der großen Kenntnis aller Angelegenheiten des Reiches, die er besitzt 1591. Dass es in solchen Fällen aber vor allem um die Außendarstellung des Königs als freiwilligen und keineswegs „erpressbaren“ Verteiler von Gnaden ging, der sicht­ lich nicht den Mechanismen eines Patronagemarktes unterworfen war, und weniger um eine prinzipielle Ablehnung interessegeleiteter Verhaltensweisen und stärker „marktförmiger“ Strukturen, hatte der König bereits einige Monate im Zusammenhang mit den für Boineburg vorgesehenen Patronageressourcen verdeut­licht. Boineburg hatte sich stark unzufrieden darüber gezeigt, dass die Auszahlung von Renditen aus einem Güterkomplex im lothrin­gischen Rethel, die man ihm anstatt von Pensionen gewährt hatte, sich ausgerechnet aufgrund des Widerstandes des könig­lichen Rechnungshofes verzögerte. Der König ordnete an, Boineburg übergangsweise eine kleinere Summe auszahlen zu lassen, um ihm, auch wenn dies nicht völlig wahr ist, anzuzeigen, dass ich diese Entscheidung nicht aus irgendeiner Furcht heraus getroffen habe, dass er sich von meinen Interessen entfernen könnte, sondern ledig­lich, um ihm zu danken und ihn von der Unannehm­ lichkeit zu befreien, die ihm die Weigerung meines Rechnungshofes, sein Geschenk zu registrieren, bereitet hat 1592. 1590 Ce sont de fort mauvais moyens aveq moy pour obtenir des graces, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 6.9.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 268r). 1591 Mon parti recevroit sans doute un désadvantage de perdre l’affection et l’attachement dud. Baron, vu son habilité et la grande connoissance qu’il a de toutes les affaires de l’Empire, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 6.9.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 268v). 1592 De luy tesmoigner comme il n’est pas entièrement vray, que j’aie pris cette resolution en veu d’aucune crainte, qu’il se puisse jamais détacher de mes interests, mais seulement pour le gratifier, et tirer de l’embarras, qui lui donnoit le refus de ma chambre des Comptes d’enregistrer son don, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St.Germain-en-Laye, 12.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 218r).

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Hier insistierte der König, man müsse solche Patronageleistungen als reines Gutdünken und eigenen guten Willen und eben gerade nicht als strate­gische Transaktion zur Verhinderung eines mög­lichen Seitenwechsels darstellen. Trotz des prinzipiellen Beharrens auf Patronagenormen und der „Freiwilligkeitsfiktion“, der solche Formen des Gabentausches zugrunde lagen, sah man sich dennoch gezwungen, den Interessen eines so bedeutenden Klienten wie Boineburg nachzugeben. Es musste den Gesandten und ihren Prinzipalen vor allem darum gehen, akzeptable Formen der Außendarstellung hierfür zu finden. Ähn­lich verhielt es sich mit der Beurteilung der klientelären Doppelstrategie der Fürstenberg. Auch wenn man diese wohl oder übel akzeptieren musste, störte sich Robert de Gravel im Sommer 1662 explizit daran, dass Franz Egon von ­Fürstenberg seine multiplen Loyalitäten gegenüber der Krone zu seinem Vorteil auszuspielen versuchte. Fürstenberg versuchte offenbar, die Patronage des Königs durch Drohungen mit einem Seitenwechsel und andere Druckmittel zu erlangen. Er legt dieses Verhalten an den Tag, um Seine Majestät entweder zu verpf­lichten, ihm das Bistum Straßburg zufallen zu lassen, indem man das dafür nötige Geld zur Verfügung stellt, oder ihm eine neue Gratifikation zu geben 1593. Der König würde so offenkundig und im Widerspruch zu Patronagenormen „marktförmigen“ Mechanismen unterworfen. Stattdessen müssten die Benefizien seiner Majestät […] ihnen aus seiner puren Großzügigkeit zukommen. Sie seien Zeichen seines könig­lichen Wohlwollens und sollten jenen vorbehalten bleiben, die diese auch verdienten. Keinesfalls dürften die Fürstenberg könig­liche Gnaden als Folgen ihrer Wechselspiele und ihrer interessegeleiteten Intrigen erhalten 1594. Hier handelte es sich aber eher um eine Klarstellung des „Soll-Zustandes“. Denn im selben Zug musste Gravel zugeben, dass alle Versuche, derartiges Verhalten zu sanktionieren, kaum Aussicht auf Erfolg hätten. Gravel konnte die übermäßige Verfolgung von Eigeninteressen durch die Fürstenberg zwar verurteilen, musste aber eingestehen: Man wird immer interessegeleitete Personen benötigen, mit denen es schwer ist etwas Solides und Gesichertes aufzubauen 1595. Ludwig XIV. selbst begnügte sich in diesem Falle damit, seinem Gesandten diese Bestätigung der Normenebene zu überlassen. Er selbst gab sich wesent­lich pragmatischer: Wenn Fürstenberg nun 1593 Il tiendroit cette conduite là pour obliger Votre Majesté ou à luy faire tomber l’évesché de Strasbourg en fournissant la dépense qui sera nécessaire pour venir à boute, ou à luy donner quelque nouvelle gratification, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 23.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 228v). 1594 Les bienfaits de Votre Majesté leur doivent venir de sa pure générosité, marques de sa royalle bienveillance ; effets de leurs changemens et de leurs intrigues intéressés, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 23.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 229r). 1595 Il faudra toujours dependre des personnes intéressés,il est difficile de pouvoir establir ­quelque chose de solide et d’assuré, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 23.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 229v).

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einmal so sehr interessegeleitet sei, dann dürfte es schwer fallen, ihn seine Natur ändern zu lassen 1596. Der König griff selbst auf die positive Bewertung von interessegeleitetem Verhalten und die Konstruktion gegenseitiger „win-win-Situationen“ zurück. Er sehe näm­lich keine Schwierigkeit darin, Ausgaben für Angelegenheiten zu tätigen, aus denen ich einen Vorteil ziehe, er vermöge seine [Fürstenbergs] Haltung besser ausnutzen als es die Österreicher tun können 1597. Ludwig XIV. konnte angesichts solcher opportunistischer Verhaltensweisen allerdings auch wesent­lich schärfere Töne anschlagen und auf der Durchsetzung seiner über patronagemarktartiger Strukturen stehenden Position beharren. Dies belegt seine Haltung gegenüber dem Grafen von Nassau. Dieser habe sich nach Madrid begeben und spreche, so vermutete der König, dort ganz offen von seiner unbedingten Habsburgfreundschaft. Der König hielt es für offensicht­lich, dass er böswillig gegen sein eigenes Empfinden spricht, wobei er glaubt, dass er sich bezahlen lassen kann, um seine Sprache zu ändern […]. Das ist nicht der Weg, den man bei mir wählen darf, um Gnaden zu erlangen. So martia­lisch wie unkonkret verkündete der König seine Absicht, derart opportunistisches Verhalten zu sanktionieren: Ich werde ihn sehen lassen, dass ein König wie ich lange Hände [!] hat, und dass man ihn nicht ungestraft verärgert 1598. Dies zeigt aber zugleich auch, dass die Bewertung von interesse- und vorteilsorientiertem Verhalten von Klienten nicht zuletzt davon abhängig war, welche Position eine Person in einem Netzwerk einnahm. Die Sanktionsbereitschaft gegenüber Personen, die sich opportunistisch verhielten und die für das franzö­sische Netzwerk weit weniger zentral waren, konnte durchaus offensiv ausfallen. Insgesamt ergeben sich verschiedene Funktionen und Folgen des Gebrauches der Semantik von „Interesse“ und „Vorteil“. Aus der Zuschreibung interessegeleiteten Verhaltens ließen sich verschiedene Konsequenzen ziehen: Für Mechanismen der Vertrauensbildung nahm Interesse eine zentrale Stellung ein, da es sich in mehrerlei Hinsicht einsetzen ließ. Es ermög­lichte, Erwartungen an politisches Handeln und Nutzenmaximierung miteinander zu verknüpfen und vereinfachte so die Festlegung von Erwartungen. Dies kann bei unübersicht­lichen Sozialbeziehungen mit multiplen Loyalitäten als eine zentrale Funktion begriffen werden. Andererseits konnten 1596 Si fort intéressé, [...] de luy faire changer sa nature, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 9.8.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 245v). 1597 Faire la dépense aux choses dont je retire de l’avantage [...] prévaloir de son humeur plus que ne feroient les Autrichiens, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 9.8.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 246r). 1598 qu’il parle avec malice contre son propre sentiment, croyant de se faire acheter pour changer de langage, ce n’est pas là la voie qu’il faut tenir avec moy, pour en tirer des grâces; je luy ferai voir, qu’un Roy comme moi a les mains longues, et qu’on le fasche pas impunément, Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 22.4.1662, (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 127r).

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politisches und ökonomisches Interesse aber auch als getrennte Handlungsfelder dargestellt werden. Damit ermög­lichte es die Verwendung des Konzeptes zugleich, hinter uneindeutigem Verhalten Interessen auszumachen, die die Risiken, welche Mehrfachloyalitäten boten, steuerbar erscheinen ließen. Vertrauen, das sich mithilfe einer Semantik von „Interesse“ und „Vorteil“ artikulierte, eröffnete so Spielräume, die dessen begrenzte Enttäuschung mit einkalkulierten, es aber so im Ganzen stabi­ lisierten. Interesse und Vorteil konnten dabei einerseits Grundlage für die Unterstellung von rationalem nutzenmaximierendem Handeln sein, andererseits aber auch als zu manipulierende Dispositionen thematisiert werden. Neben dieser „positiven“ Wertung von Interessenbegriffen können sie aber auch andere kommunikative Funktionen haben, so zum Beispiel die Abwicklung von Enttäuschung, die nachträg­lich die Einhaltung von Normen einfordert, die einem spezifisch adeligen „Ethos der Patronage“ entsprechen. Ebenso konnten franzö­sische Gesandte und ihre Prinzipale interessegeleitetes Verhalten in strate­gischer Absicht verurteilen, und die Normen einer gabentauschartigen Verdienst- und Gnadenökonomie hervorheben, wenn es darum ging, allzu offensiv formulierte Forderungen von Klienten zu begrenzen.

4.3 Ehrensache? – Grenzüberschreitende Patronage und die Sorge um die Reputation des Königs Michael Rohrschneider hat jüngst die Reputation des frühneuzeit­lichen Fürsten neben den von Heinz Schilling ausgemachten Faktoren Konfession, Dynastie, Staatsräson und Tradition als eine Art fünfte „bewegende Kraft“ der Gestaltung internationaler Beziehungen bestimmt 1599. Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Reputation des Fürsten ist z. B. häufig von der Darstellung des Fürsten im Hofzeremoniell oder gar Kriegführung als Mittel der Steigerung des eigenen Ruhmes die Rede gewesen 1600. Ehre und Ruhm des Fürsten konnten aber auch innerhalb von fremden Herrschaftsverbänden inszeniert werden. Dies gehörte mit zu den Aufgaben eines Gesandten. Solche Inszenierungen konnten sich in einigen Fällen in sichtbaren Materialisierungen äußern, etwa wenn römische Adelsfamilien demonstrativ das Wappen eines Herrscherhauses an ihren Residenzen anbrachten 1601. Ebenso wurden in der Eidgenossenschaft Sakralbauten von fremden 1599 Rohrschneider, Reputation. Die anderen vier Faktoren stammen von Schilling, Formung, 22 ff. 1600 Vgl. etwa Kunisch, La guerre – c’est moi. 1601 Metzler, Pensionspolitik, 60.

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Gesandten mit Stiftungen bedacht, die den Ruhm ihres jeweiligen Herrschers in Szene setzen und so dauerhafte Räume fürst­licher Inszenierung schaffen sollten 1602. Neben solchen „architektonischen“ Darstellungsformen konnte auch das Sichtbarmachen der personalen Anhängerschaft eines auswärtigen Herrschers etwa im Rahmen bestimmter Zeremonien im Ausland genutzt werden. Dies war im frühneuzeit­lichen Kirchenstaat etwa bei der Übergabe des sogenannten Zelters der Fall, der die formelle Lehnshoheit des Papstes über das Königreich Neapel symbolisierte. Hier fungierte die spanische Klientel als personale „Verfügungsmasse“ des katho­lischen Königs und seiner Vertreter, die während eines zeremoniellen Aktes den Einfluss und die Patronagemacht des spanischen Königs in Rom verdeut­lichen sollten 1603. Derartige Mög­lichkeiten zur öffent­lichen Inszenierung des Königs im Rahmen von Festivitäten oder Zeremonien boten sich franzö­sischen Gesandten im Alten Reich aufgrund des Fehlens regelmäßiger Anlässe hierfür eher selten. Vereinzelte Gelegenheiten gab es aber dennoch: Eine solche war beispielsweise der überaus prächtige Einzug der franzö­sischen Ambassadoren beim Frankfurter Wahltag 1657/58. Dieser sollte die Rolle, die die Franzosen bei dieser Gelegenheit zu spielen gedachten, vor allem mit Blick auf die Rivalität mit den Habsburgern hervorheben 1604. Auch hier spielte zumindest ein Klient der Krone eine herausgehobene Rolle: Georg Christian von Homburg komplettierte mit seinem Gefolge nicht nur den äußerst prachtvollen Einzug der franzö­sischen Ambassadoren in Frankfurt im August 1657. Er sorgte auch dafür, dass die Frankfurter Bürgerschaft mit bunten Fähnchen in den Farben des Königs den Einzug begleitete 1605. Auch in anderen Zusammenhängen scheint es für die franzö­sische Politik von nicht unerheb­licher Bedeutung gewesen zu sein, Frankreich und den König bei Fest­lichkeiten in Szene zu setzen. Dies war auch bei den Feier­lichkeiten der Fall, die Robert de Gravel 1661 anläss­lich der Geburt des Dauphin abhalten ließ 1606. „Symbolpolitisch“ besonders auffällig wurden kaiser­liche „Hoheitszeichen“, etwa die anläss­lich der Kaiserwahl 1602 Vgl. hierzu vor allem Windler, Allerchrist­liche und Katho­lische Könige. Vgl. zum römischen Kontext Erben, Paris und Rom. 1603 Von Thiessen, Außenpolitik, 46. 1604 Theatrum Europaeum VIII, 47. Zur Rolle solcher Inszenierungen des Königs im Ausland als Teil der „PR-Strategie“ Ludwigs XIV. vgl. Burke, Fabrication, 162 ff. 1605 Vgl. hierzu Hintereicher, Homburg, 134. Der österreichische Gesandte Johannes Crane insistierte beim Frankfurter Rat auf dem Verbot der bunten Fähnchen durch den Frankfurter Rat. Vgl. Johannes Crane an Leopold (I.), Frankfurt, 11.8.1657 (HHStA, WKA, Fasz. 18b, pars. 1, fol. 60v, 61r). 1606 Relations de ce qu’il s’est passé à Francfort pour la naissance de Monseigneur le Dauphin, Frankfurt, 27.11.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 592r–593r). Vgl. hierzu auch Auerbach, Saint Empire, 82.

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üb­lichen Weinfontänen des Brunnens am Frankfurter Römer, zu diesem Anlass von den Franzosen übernommen 1607. Bei solchen Veranstaltungen waren auch Frankreichanhänger oder zumindest Akteure, die als solche in Szene gesetzt wurden, beteiligt. Dies war etwa der Fall bei einem prächtigen Umzug, den Gravel 1665 in Regensburg zum Fest des heiligen Ludwig organisierte 1608. Gravel kam frei­lich nicht umhin, für die Finanzierung dieser Veranstaltung den Außenminister um eine Aufstockung seiner Bezüge zu bitten. Der wichtigste Ausgabeposten, den Gravel dabei geltend machte, verweist darauf, dass bei dieser Gelegenheit weniger die engste Anhängerschaft des franzö­ sischen Königs sichtbar gemacht werden konnte, sondern eher mehr oder weniger frankreichfreund­liche Akteure in eine frankreichbezogene symbo­lisch-politische Inszenierung eingebunden wurden: Er gab an, er habe Thun und den Bischof von Regensburg eigens dafür bezahlen müssen, damit diese in der Stadt blieben, um an der Veranstaltung teilzunehmen 1609. Unter ähn­lichen Voraussetzungen fand die bereits erwähnte Verleihung des Ordre de St. Michel an Robert de Gravel Anfang 1670 statt. Hier handelte sich um eine spezifische franzö­sische Veranstaltung, die den Regeln einer besonders könignahen Gruppe folgte, aber in einem reichischen Setting abgehalten wurde. Dementsprechend stellte Gravel die Verleihungszeremonie vor allem als seltene Gelegenheit dar, Ehre und Ruhm des Königs am Ort der wichtigsten Institution des Reiches in Szene zu setzen zu können 1610. Gravel bat sogar darum, ihm eine schrift­liche Instruktion für den Ablauf einer solchen Verleihungszeremonie zuzusenden und dabei die aufwändigste in Frankreich gängige Variante zu wählen 1611. Ferner dürfte es kein Zufall sein, dass man sich um eine solche „außerplanmäßige“ Inszenierung der Ehre des Königs und seines Vertreters am Regensburger Reichstag zu einem Zeitpunkt bemühte, als sich bereits neue Zeremonialstreitigkeiten mit dem kaiser­lichen Prinzipalkommissar abzeichneten. Bezeichnenderweise blieben die 1607 Zum „Weinbrunnen“ als spezifisch kaiser­liches Symbol vgl. Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 188. 1608 Lionne an Robert de Gravel, Paris, 11.9.1665 (AMAE, CP, Allemagne 211, fol. 154v). 1609 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 7.10.1665 (AMAE, CP, Allemagne 195, fol. 231v). 1610 So schrieb Gravel etwa über die Zeremonie und die „Performance“ des Herzogs von Mecklenburg: Il n’a rien oublié pour y bien faire paroistre la dignité et la grandeur de Votre Majesté dont il a fait une grande gloire de représenter la personne dans cette action publique […] la plus grande joye, que j’en ay eu intérieurment que je n’ay point fait paroistre a été de avoir vu un acte si solemnel et celèbre au service de Votre Majesté, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 15.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 251, fol. 186r, 186v). 1611 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 13.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 253, fol. 32r).

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kaiser­lichen Vertreter der Zeremonie fern 1612. Auch bei diesem Ereignis war die Beteiligung von Anhängern der franzö­sischen Krone von großer Bedeutung. So nahm Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg eine wichtige, wenn auch nicht vollständig rekonstruierbare Stellung als „Steigbügelhalter“ und damit offensicht­lich als Stellvertreter des franzö­sischen Königs bei dieser Zeremonie ein 1613. Christian Ludwig kam nicht zuletzt über seine aus dem Hause Montmorency stammende Gattin eine gewisse Bedeutung für die franzö­sische Reichspolitik zu 1614. Ob er zu diesem Zeitpunkt als zentrale Größe in der könig­lichen Klientel gelten konnte, darf allerdings bezweifelt werden. Nur wenige Tage vor der Zeremonie hatte Gravel jedenfalls erklärt, die Anwesenheit des Mecklenburgers in Regensburg sei politisch gänz­lich überflüssig und gleichgültig 1615. Auch die meisten anderen Akteure, die die Zeremonie begleiteten, waren eher keine zentralen Bestandteile des franzö­sischen Netzwerkes 1616. Insgesamt suchte man zwar nach Mög­lichkeiten der Inszenierung des Königs und seiner „Freunde“ in herausgehobenen politischen Räumen des Alten Reiches. Es war in diesem Rahmen aber vor allem wichtig zu zeigen, dass der König bzw. seine Vertreter überhaupt eine Anhängerschaft mobilisieren konnten. Die Frage, ob es sich bei den beteiligten Akteuren tatsäch­lich um den „harten Kern“ der franzö­sischen Partei handelte oder nicht, spielte dabei offenbar eine eher untergeordnete Rolle. Fürstenberg, Boineburg oder Metternich waren an derartigen Inszenierungen eher selten beteiligt 1617. Fürst­liche Reputation und Ehre hatte neben der Sichtbarmachung von Patronage­ macht und Gefolgschaft noch auf eine andere Art und Weise eine gewisse Bedeutung für die mikropolitische Gestaltung ungleicher Außenbeziehungen und grenz­ überschreitender Patronagebeziehungen. In dem eingangs erwähnten Text erläutert

1612 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 15.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 251, fol. 186r). 1613 Robert de Gravel an Ludwig XIV., 15.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 251, fol. 186r). Ebenso fungierte Mecklenburg als „Doppelgänger“ des Königs bei der Abnahme des Aufnahmeeides vgl. Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 13.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 253, fol. 32r). Zur Funktion des parrain bei dieser Zeremonie vgl. Auerbach, Saint Empire, 86. 1614 Reinhardt, Les Relations internationales. Zur Rolle der Frankreichbindung Christian Ludwigs vgl. auch Joost, Zwischen Hoffnung und Ohnmacht, 106 ff. 1615 Robert de Gravel an Lionne, Regensburg, 15.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 251, fol. 186r). 1616 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 15.1.1670 (AMAE, CP, Allemagne 251, fol. 186v). 1617 Metternich war allerdings eher unauffällig bei einer wesent­lich kleineren bescheideneren Feier anläss­lich der Geburt des zweiten Sohnes des Königs 1668 in Mainz anwesend. Vgl. Jacques de Gravel an Lionne, Mainz, 25.8.1668 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 158v).

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Michael Rohrschneider den Begriff fürst­licher „Reputation“ anhand von Kardinal Richelieus Testament politique. Hierbei wird vor allem die Verläss­lichkeit und Treue gegenüber Bündnispartnern als ein besonderer point d’honneur des ­Fürsten hervorgehoben 1618. Nicht völlig deut­lich wird in diesem Kontext die Tatsache, dass Richelieu vor allem über das Verhältnis asymmetrischer Bündnispartner spricht. Richelieu zufolge riskierte der mächtigere Bündnispartner bei derartigen Bindungen von seinem inferioren Gegenüber übervorteilt zu werden, da dieser mög­licher­ weise seinen Nutzen seiner Ehre vorzieht. Dies verhindere jedoch nicht, dass sich der mächtigere Bündnispartner aus Gründen der Ehre avec réligion an seine Zusagen zu halten habe: Die Reputation ist für einen großen Fürsten so wichtig, dass man ihm gegenüber keinen Vorteil anführen kann, der seinen Verlust wettmacht, wenn er sich nicht an die Bindungen durch seine Worte und Treu und Glauben hält 1619. Richelieu machte die Fähigkeit, als zuverlässiger Protektor und Patron gegenüber kleineren Fürsten auftreten zu können, zu einem zentralen Bestandteil fürst­licher Reputation. Das galt ausdrück­lich auch dann, wenn kein unmittelbarer politischer Nutzen oder gar Täuschung zu erwarten war. Die Reputation eines Fürsten kann in dieser Sicht bei der Gestaltung asymmetrischer Außenbeziehungen auch als eine autonome, von unmittelbaren politischen Nutzenerwägungen abgelöste Größe betrachtet werden 1620. Auch die jüngere Patronageforschung hat neben den funktionalen Faktoren auch den symbo­lischen, ehrsteigernden Effekt einer Klientelbildung für Herrschaftsträger etwa in neu erworbenen Territorien herausgearbeitet 1621. Dies lässt sich nicht nur innerhalb von Herrschaftsverbänden feststellen, sondern war, wie Studien zur römischen Mikropolitik gezeigt haben, auch für die Praxis der Außenverflechtung von Bedeutung 1622. Auch in den hier untersuchten Beziehungen spielte die Bindung von Patronage­ leistungen an die Ehre und die Reputation des Königs eine wichtige Rolle. So stellten die Brüder Gravel könig­liche Patronage als Mittel der Steigerung könig­licher gloire dar, um nach der 1670 erfolgten Wahl Lothar Friedrichs von Metternich zum 1618 Rohrschneider, Reputation, 336. Zur normativen Rolle der „fidelité“ als Vertagstreue des franzö­sischen Königs im Zeitalter Ludwigs XIV. vgl. Kampmann, Arbiter, 210. 1619 Probablement estimera son utilité préférable à son honneur, la réputation est si importante à un grand prince qu’on ne lui sauroit proposer aucun avantage qui puisse compenser la perte qu’il feroit, s’il manquoit aux engagements de sa parole et de sa foi, Richelieu, Testament politique, 354 f. 1620 Kampmann, Pax honesta, 148 ff. 1621 „Status und Prestige der Herrschaft ließ sich immer auch an der klientelären Durchdringung des Herrschaftsbereiches festmachen und war so ein nicht wegzudenkendes Element des sich absolut verstehenden Herrschers“, Reinhardt, Macht und Ohnmacht, 364. 1622 Von Thiessen, Außenpolitik, 146.

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Mainzer Koadjutor die reputationssteigernde Nebenwirkung der Unterstützung des Königs hervorzuheben. Robert etwa schrieb: Es ist ganz und gar wichtig für ihren [Seiner Majestät] Ruhm […], dass besagter Bischof nur ihr gegenüber die einzige Verpflichtung hinsicht­lich der Erhebung hat. Man nimmt es im Reich so wahr, dass er von seiner Seite seit langer Zeit unterstützt wurde und dass, ungeachtet des Wechselspiels des Mainzers, diese es sich nicht nehmen ließ, ihm die Ehre seiner Protektion zukommen zu lassen 1623. Der Hinweis, dass es sich hierbei um die Meinung der meisten Beobachter im Reich handelte, zeigt auch, dass die Antizipation eventueller Korruptions- und Manipulationsvorwürfe hier überhaupt keine Rolle spielte. Im Gegenteil: Es war der könig­lichen gloire zuträg­lich, wenn der Einfluss der Krone in solchen Wahlverfahren besonders sichtbar wurde und sie ihre Fähigkeit unter Beweis stellte, ihren Klienten derartige Vorteile zu verschaffen. Die Steigerung der Reputation der Krone als Verteilerin von Patronageressourcen stellte aber nicht nur einen Nebeneffekt der funktionalen Nütz­lichkeit franzö­sischer Mikropolitik dar, sondern war in den hier untersuchten Verhältnissen auch ein Faktor, aus dem von unmittelbaren Nutzenerwägungen abgekoppelte Handlungsbindungen hervorgehen konnten. Dies zeigt einmal mehr das Beispiel des Landgrafen von Homburg: Mitte der 1650er-Jahre war er der erste und einzige eindeutig frankreichtreue Klient und Unterhändler von hochadeligem Rang in den Diensten der Krone gewesen. Um die Jahresmitte 1657, kurz vor der Einberufung des Frankfurter Wahltages, hatte er inzwischen nicht nur bereits eine Reihe von blamablen Auftritten als franzö­sischer Gesandter abgeliefert, sondern begann jetzt auch noch, nach eigenem Gutdünken die Verhandlungen zur Kandidatenfrage und zu den Bündnissen mit den geist­lichen Kurfürsten zu führen. Die Bestellung einer franzö­sischen ambassade nach Frankfurt sollte Homburg aber schließ­lich einer verantwort­lichen Position als Gesandter berauben. Dies bedeutete zwar die Ausschaltung eines Risikofaktors, dennoch gab es unter den franzö­sischen Diplo­ maten Bedenken, ob es politisch klug sei, so mit dem Landgrafen zu verfahren: Zwar befürchtete Abel de Servien nicht, dass Homburg die franzö­sischen Dienste quittieren und künftig mit sensiblen Informationen zur franzö­sischen Reichspolitik zu den kaiser­lichen oder spanischen Rivalen überlaufen könnte. Dafür schien sein eigenmächtig provozierter Bruch mit der spanischen Krone drei Jahre zuvor als zu gravierend 1624. Das Problem lag für Servien an einem ganz anderen Punkt: Sein Beispiel (wenn er nicht zufrieden wäre) könnte andere Fürsten abschrecken, die Kenntnis 1623 Il est tout à fait important à sa gloire […] que led. evesque n’ait qu’a elle la seule obligation de la promotion, l’on s’aperçoit assez dans l’Empire qu’il est soustenu de sa part depuis longtemps et que nonobstant le changement de M. de Mayence, elle n’a pas laissé de luy continuer l’honneur de sa protection, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 11.9.1670 (AMAE, CP, Allemagne 254, fol. 79r). 1624 Hintereicher, Homburg, 54 ff.

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von dem Eifer genommen haben, mit dem er sich exponiert hat 1625. Die Krone könnte also Schaden an ihrer Reputation als Patronin und Protektorin nehmen, wenn man einen Klienten wie Homburg für alle wahrnehmbar einfach fallen ließe. Servien empfahl daher, den Landgrafen zumindest mit einem anderen emploi considérable auszustatten 1626. Dies konnte frei­lich nicht verhindern, dass sich Homburg durch eine eigenmächtige Reise nach Paris im November 1657 schließ­lich selbst aus aktiven franzö­sischen Diensten beförderte 1627. Doch auch nach Homburgs keineswegs konfliktfreiem Abschied von der Frankfurter ambassade im Jahre 1657 hielt ­Mazarin seine Unterstützung immer noch für eine wichtige Aufgabe der franzö­sischen Krone. So unterstützte er entgegen der gravierenden und sicher nicht unberechtigten Bedenken Gravels den Landgrafen durch eine für Homburg günstige franzö­sische Vermittlung in einem Streit zwischen der Darmstädter und der Homburger Linie des hes­sischen Herrscherhauses 1628. Es war nicht zuletzt Homburg selbst, der die Reputation der Krone als Verteilerin von Gnaden in seine Korrespondenz mit der franzö­sischen Krone einfließen ließ und sie zur Aushandlung von Patronageressourcen zu instrumentalisieren versuchte. Dies verdeut­licht ein höchstwahrschein­lich an Brienne gerichtetes Schreiben aus dem Jahre 1659. Homburg beklagte darin, dass man ihm trotz seiner erwiesenen Treue zum franzö­sischen König weder seine Pension auszahle, noch ihm einen Posten im franzö­sischen Heer bereitstelle. Um seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen, appellierte Homburg an die mikropolitische Reputation der Krone im Reich. Er behauptete, er könne diese als sicht­lich zufriedener Klient des Königs nicht nur enorm steigern, sondern dadurch auch aktiv Werbung für franzö­sische Klienteldienste machen: Die Großzügigkeit Seiner Majestät und Seiner Eminenz mir gegenüber […] und die Wohltaten, die ich mir von seiner Größe verspreche, werden als Beispiel und als Motivation dienen, andere dazu anzustacheln, in seinen Dienst zu treten 1629. Verzichtete man aber darauf, würde sich die franzö­sische Krone zugleich 1625 Son exemple (s’il n’estoit pas content) pourroit dégouster beaucoup d’autres princes qui ont eu cognoissance de la chaleur avec laquelle il s’est exposé, Servien an Mazarin, Paris, 27.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 280v). 1626 Servien an Mazarin, Paris, 27.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 280v). 1627 Hintereicher, Homburg, 141. 1628 Mazarin an Robert de Gravel, Gergeau, 28.6.1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 274r); Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.9.1659 (AMAE, CP, Allemagne 145, fol. 168r). Zu dieser Vermittlungslösung vgl. Mazarin an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Toulouse, 2.12.1659 (AMAE, CP, Hesse 3, fol. 626r). 1629 La générosité de Sa Ma té. et de Son Eminence en mon endroit […] et les bienfaitz que je me promets de leur grandeur, serviront d’exemple et de motif pour inciter les autres à se mettre dans leur service, Homburg an Brienne, Frankfurt, 30.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 145, fol. 384v).

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einen gravierenden Imageschaden einhandeln, indem man den Landgrafen, der doch immer wieder Mazarin und die Krone in die höchsten Höhen gelobt hatte, jetzt fallenlasse: Sähe man mich von seiner Eminenz im Stich gelassen, hätte alle Welt guten Grund, mit dem Finger zu zeigen und zu sagen, so begeistert ist man also für den Prinzen von Homburg, der uns sagte, dass nur Frankreich ihn belohnen könne, das ist der Dienst, den man ihm erweist, dafür, dass man sich nur Frankreich anvertrauen könne, dass es nur Frankreich sei, dass Großzügigkeiten für Fremde bereitstellte 1630. Auch wenn die Reputation des Königs als Patron und Protektor hier ein gewisses Eigengewicht besaß, mit dem sich mikropolitische Ressourcen mobilisieren ließen, konnte sie keineswegs immer voraussetzungslos und konfliktfrei als von anderen politischen Nutzenerwägungen und Handlungslogiken entkoppelbare Größen betrachtet werden. Das Beispiel der franzö­sischen ambassade bei Kaiserwahl 1657/58 verdeut­licht, dass der Fall deut­lich komplexer liegt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass diplomatische „Welttheater“, wie sie Kongresse und durch die Verknüpfung einer Reihe von Umständen auch der Frankfurter Wahltag darstellten, auf der einen Seite Mög­lichkeiten der Zurschaustellung herrscher­licher Reputation boten, auf der anderen Seite diese aber auch in Gefahr bringen konnten.1631 Beim Frankfurter Wahltag konnten näm­lich auch Reputation und Ehre des Königs in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn das franzö­sische Vorhaben einer nicht-habsbur­gischen Kaiserwahl scheiterte. Daher achtete man beispielsweise auch darauf, dass die aus franzö­sischer Sicht durchaus denkbare Option einer Wahl des franzö­sischen Königs zum Kaiser innerhalb der eigenen „Faktion“ nicht allzu deut­lich artikuliert wurde 1632. Die Krone unterließ es ebenso bewusst, den in publizistischen Werken immer wieder in Text und Bild formulierten Anspruch der franzö­sischen Könige auf den Kaiserthron bei einer der wenigen Gelegenheiten, die dies zu einer realpolitischen Option hätten machen können, offensiv propagandistisch in Szene zu setzen 1633. 1630 Tout le monde n’auroit-il pas doresnavant grand grand subject de monstrer au doigt, si l’on me voyoit abandonné de Son Éminence et de dire, on est si passioné de Prince d’Hombourg qui nous disoit qu’il n’y avoit que la France qui pust recompenser, le service qu’on luy rendoit qu’il n’y avoit que la France à l’on se peut fier, qu’il n’y avoit que la France qui eust de largesses pour les ­estrangers, Homburg an Brienne, Frankfurt, 30.12.1659 (AMAE, CP, Allemagne 145, fol. 385r). 1631 Zur Theater-Metapher vgl. Weller, Kein Schauplatz der Eitelkeiten. 1632 So wies Mazarin Gravel an, er solle Boineburg ermahnen, sich vorerst mit dem Ausspruch, man werde wohl demnächst einen Louis V als Kaiser haben, zurückzuhalten, wenn man nicht sicher sein könne, dass diese Sache auch gelänge. Vgl. Mazarin an Robert de Gravel, Stenay, 13.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 391v). Zu den diesbezüg­lichen Bemerkungen Boineburgs vgl. Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 1.5.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 249v). 1633 Ledig­lich eine um diese Zeit in Frankfurt zirkulierende anonyme Flugschrift mit dem Titel Manifeste des Français aux princes Electeurs assemblés pour l’élection d’un Empereur à Francfort,

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Das erklärte politische Ziel der franzö­sischen ambassade war bekanntermaßen auch nicht die Erhebung des franzö­sischen Königs zum Kaiser, sondern primär eine nicht-habsbur­gische Kaiserwahl. Gerade dies schuf jedoch eine Koppelung von Reputation und Erfolg des Kaiserwahlprojektes seitens der franzö­sischen Krone, die ihre mikropolitischen Handlungsspielräume massiv einzuschränken drohte. Im Vordergrund standen dabei gerade nicht rational-ökonomische Überlegungen, auch wenn die Gesandten mit dem Verweis auf die gespannte Finanzlage der Krone zu einer umsichtigen Ausgabenpolitik angehalten wurden 1634. Wesent­lich problema­ tischer als solche rational-ökonomischen Überlegungen war aber die Tatsache, dass kostspieliges mikropolitisches Handeln im Rahmen eines makropolitischen Fehlschlages nicht mehr als Steigerung, sondern gerade als Gefährdung der Reputation des Königs betrachtet werden konnte. Im vorangegangen Hauptteil ist bereits die Rede davon gewesen, dass Mazarin im Falle des absehbaren Scheiterns des franzö­ sischen Kaiserwahlprojektes keine franzö­sischen „Gnaden“ verteilen wollte. Dieser Vorsatz war weniger finanziellen, als die Reputation der Krone betreffenden Überlegungen geschuldet. Mazarin riskierte damit zwar, die franzö­sischen Patronagebeziehungen abzubrechen, bevor sie überhaupt richtig geknüpft waren. Er erkannte auch selbst, dass ein solches Handeln sowohl im Widerspruch zu den Normen der Patronage als auch zur Rationalität mikropolitischen Handelns stand, und gab offen zu, es sei zweifellos nicht gerecht gegenüber Fürstenberg, dass ein Mann sein Mög­ lichstes getan hat, um dem König zu dienen und er es unter allen Umständen in einer Angelegenheit in guten Glauben fortführte […] und sich mächtige Feinde gemacht hat, dass dieser dann gänz­lich der Früchte seiner Dienste beraubt würde, weil diese nicht von einem günstigen Erfolg gekrönt waren. Allerdings stellte der Kardinal fest, dass in dieser Situation die Prioritäten anders lagen: Für den Fall, dass die Wahl nicht nach den Wünschen seiner Majestät gelingen sollte, das heißt, dass das Haus Österreich nicht von der Kaiserwürde ausgeschlossen werden würde […] wäre es ein äußerstes Unglück und eine sehr große Schande, wenn sich in der Folge herausstellte, dass der König exzessive Ausgaben getätigt hätte, um sich dafür ledig­lich das Missvergnügen erworben zu haben, seine Feinde dorthin gelangen zu sehen 1635. Wir sähen uns, so der Kardinal, sehr dem Spott der Leute ausgesetzt, sähe man zur selben Zeit den König von Ungarn oder warb eher bedächtig für die Vorteile eine franzö­sischen Kaisertums. Ein Exemplar findet sich in: AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 768 – 781. Vgl. hierzu Malettke, Rélations, 243. 1634 Der König erwarte von seinen Gesandten, qu’ils se conduiront avec toute la detention et le ménage possible, se souvenant de l’état présent des affaires et des finances de Sa Ma té., Instruction du Roy à M. M. de Gramont et de Lionne (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 27v). 1635 En cas que l’élection ne réussisse pas selon le désir de Sa Ma té., c’est à dire que la maison d’Autriche ne soit pas exclue de la dignité imperiale […] ce seroit un dernier malheur et une très grande honte, si dans la suite il se trouvoit que le Roi eût fait une excessive dépense pour

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den Erzherzog [Leopold] als Kaiser und den Grafenvon Fürstenberg als Bischof von Metz 1636. Später konkretisierte Mazarin, der sicht­liche Misserfolg der Kaiserwahl könnte vor allem von den Habsburgern und ihren Anhängern propagandistisch ausgeschlachtet werden. Man könnte etwa behaupten, dass alles Geld der Krone nichts an der allgemeinen Zustimmung für das Haus Österreich im Reich habe ändern können 1637. Dass solche Befürchtungen durchaus einen realen Hintergrund haben konnten und nicht etwa nur vorgeschobene Argumente eines um Ausgabensenkung bemühten Günstlingsministers waren, verdeut­lichen auch Beobachtungen von anderen Diplomaten: Der brandenbur­gische Gesandte in Frankreich, Christoph von Brandt, schrieb seinem Dienstherren, dass die Franzosen die Bedeutung der Rheinallianz (an der der Große Kurfürst zunächst kein Interesse hatte 1638) überbewerteten, um den durch die gescheiterte Kaiserwahl entstandenen Prestigeverlust zu kaschieren. Eigent­lich halte man näm­lich in Paris selbst nicht viel von der Allianz, man mache nur so viel Geschreies davon, damit man gedenken solle, dass die Franzosen zu Frankfurt ein grosses Werk gestiftet und ihr schön Geld nicht umsonst verzehret haben 1639. Selbst die Bildung einer Klientel in einem fremden Herrschaftsverband musste also nicht zwangsläufig als Prestigeerfolg gewertet werden. Es war ebenso denkbar, dass die Verfehlung von makropolitischen Prioritäten, an die man sich gebunden sah, die Reputation des Königs derart kompromittierte, dass mikropolitische Überlegungen einschließ­lich der Norm der Bindung des Fürsten an diesbezüg­liche Zusagen ausgeblendet werden konnten. Wie bereits im vorangegangen Hauptteil angedeutet wurde, waren es nicht zuletzt Verhandlungsleistungen der Gesandten gegenüber ihren Prinzipalen, die es ermög­lichten, dass symbo­lische Leistungen etwa in Form von „agonaler Mehrarbeit“ sowohl als verläss­liche Vertrauensindikatoren wie auch als Prestigeerfolge n’acheter que les déplaisirs d’y voir élever ses ennemis, Mazarin an Lionne und Gramont, Paris, 6.10.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 185v). 1636 Nous nous exposions fort à la raillerie du monde si on voyoit en même temps le Roy ­d ’­Hongrie ou l’archiduc Empereur, et le C de Furstemberg évêque de Metz, Mazarin an Lionne und Gramont, Paris, 17.12.1657 (AMAE, CP, Allemagne 140, fol. 224r). Schon zuvor hatte der Kardinal die Befürchtung geäußert, die gesamte Gesandtschaft würde sich in eine burlesque verwandeln, erreiche man seine Ziele trotz des gewaltigen finanziellen Aufwandes nicht. Vgl. Mazarin an Servien, Stenay, 22.7.1657, in: Lettres du Cardinal VIII, 62. 1637 Mazarin an Lionne, Paris, 19.1.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 27r). 1638 Brandenburg sollte der Allianz erst 1663 beitreten, vgl. hierzu Schmidt-Rösler, Der späte Beitritt Brandenburgs. 1639 Brandt an Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Paris, 15.11.1659, in: Urkunden und Actenstücke V, 658.

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des Königs gewertet wurden und so die von Mazarin angesprochenen Reputa­ tionsschwierigkeiten ausgleichen konnten. Die Gesandten sahen bei der „Erfolgsbindung“ der franzö­sischen Patronagepolitik vor allem praktische Probleme, die ihre Arbeit behindern konnten. Sie versuchten daher während der ganzen Mission einschließ­lich deren Vorbereitung immer wieder, die Bedingungen, unter denen Gelder verteilt werden sollten, neu auszuhandeln. Gramont versuchte etwa die von Mazarin postulierte Bindung an den Erfolg des Gesamtprojektes zu lockern, indem er darauf verwies, dass man an einen mög­lichst umfangreichen Personenkreis Gelder auszahlen müsse. Dabei verwies Gramont darauf, dass es bestimmte Anlässe gibt, bei denen man etwas aufs Spiel setzen muss 1640. Das Ausgeben von Geld ohne unmittelbare mikropolitische Erfolge und das Risiko von „Fehlinvestitionen“ waren also für Gramont unvermeid­lich, wollte man handlungsfähig bleiben. Die Gesandten machten bei ihrer Forderung nach der Gewährung von Patronage und der Auszahlung von Geldern an Klienten nicht nur die Aufrechterhaltung der eigenen Handlungsfähigkeit geltend. Sie knüpften vielmehr ihrerseits die Einhaltung von Zusagen über Patronageleistungen an die Erhaltung und Steigerung könig­licher Reputation. Lionne hielt es 1658 für erforder­lich, darauf hinzuweisen, dass man zu allen Zusagen gegenüber den Fürstenberg auch deshalb stehen müsse, da es von der Gerechtigkeit und der Größe des Königs zeugt, dass er dieses Haus gerecht behandelt, wenn man seine Glaubwürdigkeit im Reich bewahren möchte 1641. Jahre später, 1668, versuchte Robert de Gravel mit ähn­lichen Argumenten seinen Dienstherren von der Idee einer Suspendierung aller Zahlungen an die Fürsten der auslaufenden Rheinischen Allianz, zu denen sich die Krone verpf­lichtet hatte, abzubringen. Auch er argumentierte, dass die unkonditionierte Auszahlung der versprochenen Gelder und vor allem die Einhaltung von finanziellen Verpf­lichtungen unweiger­lich mit der Reputation des Königs verbunden seien, denn es ist extrem wichtig für den Ruhm des Königs und den Erhalt seines großen Kredits, den er sich in Deutschland erworben hat, dass die Freunde und Verbündeten seiner Majestät gänz­lich von der Verläss­lichkeit der könig­lichen Worte überzeugt bleiben 1642. 1640 Il y a de certaines occasions où l’on se trouve obligé de hazarder, Gramont an Mazarin, Toul, 29.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 480v). Vgl. fast identisch formuliert: Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 31.7.1657 (AMAE, CP, Allemagne 137, fol. 492r). 1641 Il est de la justice et de la grandeur du Roy de traiter bien cette maison, si on veut conserver crédit en ce pays, Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.1.1658 (AMAE, CP, Allemagne 142, fol. 16v). Auch die Übernahme Frischmanns in franzö­sische Dienste begründeten die Gesandten mit dem Argument, dass man aufgrund von dessen Feindschaft gegenüber den Österreichern zu diesem Schritt mora­lisch verpf­lichtet sei. Vgl. Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 19.7.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 235r). 1642 Il importe extrèmement à la gloire du Roy et au maintien du grand crédit qu’il s’est acquis en Allemagne, que les amis et alliez de Sa Ma té. demeurent entiérement persuadé de l’infaillibilité

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Bei der Frage nach der Koppelung von makropolitischem Erfolg an Ehre und Reputation des Herrschers war aber nicht ausschließ­lich die Ehre desselben betroffen. Es war fester Bestandteil der Verdienst- und Gnadenökonomie, dass Gesandte durch ihre kostspielige und ökonomisch riskante Tätigkeit als Diplomaten auch eigene Ehre akkumulieren konnten 1643. Dies kompensierte unmittelbare finanzielle Verluste, die so gewissermaßen „in Ehre aufgewogen werden konnten“. Ein solches symbo­lisches Kapital konnte später in andere „Kapitalsorten“ konvertiert werden und so wiederum langfristige, oft generationenübergreifende „Gewinne“ ermög­ lichen. Was aber geschah, wenn dieses System, das auf langfristiger Kompensation und der Umwandelbarkeit von Ehre und Verdienst beruhte, an den Zielsetzungen der Krone zu scheitern drohte? Was war, wenn die Gesandten im Falle eines politischen Misserfolges weder für den König, noch für sich selbst Ehre einwerben konnten, ja diese sogar zu schädigen drohten, wenn sie Geld in ein scheiterndes Projekt investierten? Auch dieses Problem war während des Frankfurter Kaiserwahltages Gegenstand interner Verhandlungen im Rahmen der diplomatischen Korrespondenz. Mazarin bemühte sich trotz der enormen symbo­lischen Aufladung der Mission von Anfang an, die Gefahr der Unehre für den König von einem potentiellen Ehrschaden seiner Gesandten zu entkoppeln. Mazarin teilte Gramont mit: In jedem Falle können Sie nach Ihrer Verhandlung gar nicht schlecht dastehen, da doch alle Welt derart von dem Glauben eingenommen ist, dass das Reich zu sehr in der Hand des Hauses Österreich ist, um es ihm jemals entreißen zu können 1644. Gelänge die Mission nicht, würde also nur geschehen, was ohnehin jedermann erwartete. Hätten die Gesandten aber doch den Erfolg, den Mazarin ihnen selbstverständ­lich zutraute, dann wird ihnen das Publikum den Ruhm zusprechen, eine Sache erlangt zu haben, die man für nahezu unmög­lich gehalten hätte 1645. Auch als sich eine nicht-habsbur­gische Kaiserwahl ziem­lich eindeutig als unrealistische Option erwiesen hatte und bereits große Summen an Akteure vor Ort geflossen waren, schützte Mazarin weiterhin die Ehre seiner Gesandten. Der König sei vollauf zufrieden mit den Leistungen Gramonts und Lionnes, die mit allem nur erdenk­lichen Eifer und mit Klugheit

de sa parolle royalle, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 5.7.1668 (AMAE, CP, Allemagne 248, fol. 190v). 1643 Vgl. anhand des Kongresses von Nimwegen Köhler, Strategie und Symbolik, 197 f. 1644 À tout événnement vous ne sçauriez mal sortir de votre négociation, car tout le monde est si prévenu de la créance que l’Empire est trop affermy dans la Maison d’austriche pour l’en pouvoir faire sortir, Mazarin an Gramont, Peronne, 2.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 243r). 1645 Le public vous donnera la gloire d’avoir fait une chose que l’on croyoit presque impossible, Mazarin an Gramont, Peronne, 2.9.1657 (AMAE, MD, France 272, fol. 243v).

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und Geschick­lichkeit gehandelt hätten 1646. Nicht untypisch für das um militärischen Mut kreisende Gepräge der zeitgenös­sischen adeligen Verdienstethik beschrieb der Kardinal die „Verwegenheit“ des Zieles der Mission und den Einsatz der Gesandten hierfür mit einer kriegerischen Metapher: Dieser Plan, behaupte ich, war ungefähr so, als wollte man eine große Flotte mit zwei oder drei Brigantinen bekämpfen 1647. Die Meinung des Königs und seines Günstlingsministers verhinderte aber nicht, dass der Einsatz der Gesandten bei der Kaiserwahl umstritten blieb. Einige dieser Kritiken der franzö­sischen Gesandtschaft bei der Kaiserwahl als gigantischer Ressourcenverschwendung lassen sich zweifellos konkreten Darstellungsinteressen zuordnen. Brienne, der in den 1650er-Jahren seinen institutionellen Einfluss über die Verwaltung der franzö­sischen Außenbeziehungen sukzessive an den Servien-Lionne-„Clan“ verloren hatte, urteilte etwa in seinen Memoiren über die Mission Gramonts und Lionnes folgendermaßen: Ihre Reise war höchst überflüssig, sie taten nichts weiter, als unnötig viel Geld auszugeben 1648. Gramont dagegen rechtfertigte später in seinen Memoiren explizit die enormen Kosten seiner erfolglosen diplomatischen Mission. Er tat dies, indem er gerade bei der Reputation des Königs ansetzte. Diese sei näm­lich gerade durch die Freigebigkeit und die Gastfreundschaft der Gesandten gesteigert worden. Dies war vor allem dort der Fall gewesen, wo es den Ambassadoren gelungen war, bei Festivitäten und Gastmählern, die vor allem im Rahmen von Veranstaltungen wie dem Wahltag wichtige Öffent­lichkeiten darstellten, eine breite Anhängerschaft des Königs in Szene zu setzen. Hierbei zeigten die Gäste bereits durch ihre Anwesenheit eine prinzipiell profranzö­sische Haltung, konnte diese doch bis zu einem gewissen Grade bereits als sozial verpf­lichtend gegenüber dem Gastgeber betrachtet werden und so auf soziale und politische Affinitäten verweisen 1649. Ebenso konnte Gramont in 1646 Mazarin an Gramont und Lionne, Vincennes, 27.1.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 31r). 1647 Ce dessein dis-je, auroit été fort approchant de celuy de vouloir battre une grande flotte avec deux ou trois Brigantines, Mazarin an Gramont, Vincennes, 27.1.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 31v). Zur militärischen Wurzel adeligen Ehrverständnisses vgl. Smith, Culture of Merit, 37 f. 1648 Leur voyage fut fort inutile, et ils ne firent que dépenser beaucoup d’argent mal à propos, Mémoires de Brienne, 236. 1649 Das Theatrum Europaeum VIII, 432 nennt eine eindrucksvolle Liste von Gästen, die auch die Fürstenberg miteinschloss. Zur Bedeutung des Festes als Raum für diplomatische Kommunikation und Soziabilität,vgl. Windler, Diplomatie, 24 f. Zum Fest als Manifestation sozialer Verbundenheit der Gäste mit dem Gastgeber in der Frühen Neuzeit vgl. Karsten, Künstler und Kardinäle, 212. Gastmähler als prominente Ort patronaler Soziabilität in der Kultur des franzö­sischen Adels vgl. Jouanna, Devoir de révolte, 75 f.

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seinen Memoiren die Fest­lichkeiten, die mit enormem Aufwand für die Frank­ furter Bürgerschaft abgehalten wurden, als manifesten Prestigeerfolg des Königs darstellen. Gramont schilderte diese aber gleichzeitig als symbo­lische Niederlagen der Habsburger, denn die Frankfurter Bürger hätten die Großzügigkeit und die Freigebigkeit des Königs und diejenige Gramonts gewissermaßen in Seh- und Hörweite zu den Residenzen des späteren Kaisers und seines Onkels Erzherzog Leopold Wilhelm gelobt 1650. Dabei hob Gramont nicht nur explizit seine Fähigkeit hervor, durch kostspielige largesses die Reputation des Königs zu steigern. Er unterstrich auch explizit die Unterschiede zwischen adeligem Prestigekonsum im Auftrag seines Herrschers und einer reinen ökonomischer Rationalität. Nur ersterer sei für die Reputation des Königs im Ausland zuträg­lich: Dieses macht den Unterschied aus zwischen einem, wenn es für den Ruhm seines Herrn sein muss, höfischen, prachtliebenden, freigiebigen Botschafter […] zu einem anderen, der sich um nichts sorgt als um ein sparsames Leben, um seine häus­lichen Angelegenheiten nicht durcheinander zu bringen 1651. Mit diesem Bild des großzügigen und höfisch-soziablen, adeligen Verhaltensstilen folgenden Diplomaten kontrastierte Gramont des Öfteren in seinen Memoiren die spanischen Gesandten, die nicht nur durch Arroganz und Unhöf­lichkeit ihren und ihrer Auftraggeber Kredit verspielten, sondern auch durch Knausrigkeit und lächer­liche, unangemessen spär­ liche Geschenke an die Kurfürsten und ihre Gesandten auffielen 1652. Für die Zusammenfassung der eben erarbeiteten Ergebnisse muss aber festgehalten werden, dass die symbo­lische Bedeutung einer Klientel in einem fremden Herrschaftsverband für die Ehre des Fürsten Probleme, die aus deren Ineffizienz hervorgingen, keineswegs zwangsweise aufhob. In durch den teilweise noch aktiv kriegerisch ausgetragenen habsbur­gisch-bourbonischen Dauerkonflikt besonders symbo­lisch aufgeladenen Handlungskontexten, wie der franzö­sischen Ambassade anläss­lich der Kaiserwahl von 1657/58, konnte die Tatsache, dass die franzö­sische Krone aufwendige Bindungen unterhielt, zunächst nicht per se als Prestige-­Gewinn, 1650 l’on n’entendoit que des voix tumulteuses qui crioient de toutes leurs forces: Vivent le roy de France et son ambassadeur, le maréchal de Gramont, qui nous régale si bien avec tant de profusion et de magnificence! Il ne faut bouger de chez lui et ne jamais aller chez les autres, où il n’y a ni plaisirs, ni largesses, ni grâces à obtenir. Ce sont les discours que le peuple tenoit à quarant pas du logis du roi de Hongrie et de l’Archiduc, Mémoires de Gramont, 306. 1651 La différence d’un ambassadeur courtois, accourt, libéral quand il le faut être pour la gloire de son maître […] d’avec un autre qui ne songe qu’à vivre de ménage pour ne pas déranger ses affaires domestiques, Mémoires de Gramont, 306. 1652 Gramont machte sich etwa darüber lustig, dass die beiden ungeschickten spanischen Agenten Saria und Mayer allen Ernstes der pfälzischen Kurfürstin ein aus zwei Paar Seidenstrümpfen bestehendes Geschenk gemacht hätten, vgl. Mémoires de Gramont, 290.

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sondern zumindest nach Meinung des Kardinalministers selbst wieder als reputationsschädigend angesehen werden, wenn sie nicht von klaren makropolitischen Erfolgen begleitet wurde. Eine Ehrsteigerung durch den symbo­lischen Wert von Patron-­ Klient-Beziehungen ließ sich also nicht notwendigerweise von der Funktionalität solche Beziehungen abkoppeln. Hierzu bedurfte es, wie weiter oben dargestellt, der Überzeugungsarbeit von Gramont und Lionne und der „agonalen Mehrarbeit“ von Klienten in Interkation mit dem politischen Gegner, um den potentiellen Reputa­ tionsschaden auszugleichen oder zumindest als tragbar darzustellen. So wird allerdings auch deut­lich, dass die Frage, was der könig­lichen Reputation schadete oder nützte, was ein point d’honneur war und was nicht, keineswegs grundsätz­lich festgelegt war. Sie unterlag ebenfalls situationsabhängigen Definitionen und konnte zu einem Gegenstand interner Verhandlungen von Gesandten mit ihren Prinzipalen werden.

4.4 il est fascheux d’acheter la justice – Franzö­sische „Sicherheitspolitik“ zwischen mikro- und makropolitischen Rationalitäten Johann Frischmann diente der franzö­sischen Krone nicht nur als Resident in der Reichsstadt Straßburg und gelegent­lich als diplomatischer Agent gegenüber einzelnen Reichsständen. Er war neben anderen Akteuren auch für die publizistische Außendarstellung franzö­sischer Reichspolitik zuständig 1653. 1662 hatte er eine allerdings anonym publizierte Schrift mit dem Titel Deß Königs in Franckreich friedhaltendes Gemüth aufgesetzt 1654: Frischmanns Darstellung zufolge war die Stiftung von Vertrauen und Freundschafft bei seinen Nachbarn eines der Hauptziele der Reichspolitik des franzö­sischen Königs 1655. Freundschaft und Vertrauen hatten in diesem Zusammenhang allerdings nichts mit der mikropolitischen Dimension personaler Beziehungen zu einzelnen Fürsten und Fürstendienern zu tun. Sie bezogen sich auf die an abstrakten, „gemeinwohlorientierten“ Normen orientierten Verpflichtungen des Königs gegenüber „dem Reich“ als Kollektivakteur, wie sie aus dem Westfä­ lischen Frieden hervorgingen. Der Wille des franzö­sischen Königs, den Westfä­lischen Frieden aufrechtzuerhalten, sei, so Frischmann, reichskundig. Das versuchte Frischmann mit Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit zu belegen: Die Gesandtschaft der franzö­sischen Krone auf dem Frankfurter Wahltag 1657/58 zeichne nicht nur mitverantwort­lich 1653 Zur frankreichfreund­lichen Publizistik Frischmanns, vgl. Wentzcke, Frischmann, 92 ff. 1654 [Frischmann], Friedhaltendes Gemüth. 1655 Ebd., 5.

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für eine strenge Wahlkapitulation, die dem Kaiser die Hände für weitere Friedensbrüche binde. Darüber hinaus hätten die Gesandten die Rheinische Allianz, eine genaue Friedens-Verbuendtnuß mit den Benachbarten vornembsten Reichs-Staenden/ als eine Schutzmaur deß Friedens auffgerichtet/bißhero verweitert/und taeg­lich verstärcket/ dadurch sie den Frieden im Teutschen Reichs mit grosser Sorgfalt fortgesätzet 1656. Ganz allgemein sei das leitende politische Prinzip des Königs und seines Staates Nutzen […] Treu und Glauben bey seinen Bundesgenossen im Teutschen Reich zu erhalten/in dem er sie bey ihren Rechten und Freyheiten erhält/nach Inhalt der Reichs-Satzungen/ und deß Friedensschluß/welchen die Staende deß Reichs mit Ih.Kön.Maj. gemein haben 1657. Dafür nehme er sogar handfeste politische Nachteile für seine europäische Machtpolitik in Kauf 1658. In der Außendarstellung der Krone war also die Erhaltung des Westfä­lischen Friedens, die Eindämmung von Friedensbrüchen durch den Kaiser sowie damit verbunden die Wahrung der ständischen Rechte und Freiheiten vorrangiges Ziel franzö­sischer Reichspolitik. Dies war jedoch nicht nur die Rhetorik von Propagandaschriften. Auch in der Sprache der diplomatischen Praxis verständigten sich die Akteure über makropolitische Bezugsrahmen, die sich eher auf die Reichsstände und das Reich und seine Verfassung als Kollektivakteure oder abstrakte Größen bezogen, anstatt einzelne akteursbezogene Beziehungen und ihre mikropolitische Logik in den Vordergrund zu stellen. Semantisch waren hier zum einen die Wortfelder von paix und repos im Rahmen der europäischen Dimension franzö­sischer Friedenspolitik von entscheidender Bedeutung. Zum anderen war hier immer wieder von libertés oder der constitution die Rede, womit sich der Anspruch auf Bewahrung reichsständischer Libertät gegenüber dem Kaiser verband. Im Folgenden soll das Verhältnis von im weitesten Sinne gemeinwohlorientierten politischen Normen und Werten, die sich auf die Erhaltung des Friedens im Sinne sicherheitspolitischer Maßnahmen des Westfä­lischen Friedens bzw. die Erhaltung des Verfassungszustandes des Reiches bezogen, zu genuin mikropolitischen Normen, die im weitesten Sinne einem „Ethos der Patronage“ und deren spezifischer Form von Gabentauschlogik entsprachen, zueinander geklärt werden. Hier muss zunächst vorausgeschickt werden, dass die Akteure selbst die Unterscheidung zwischen solchen makro- und mikropolitischen Normensetzungen nicht immer so scharf zogen, wie sie sich aus einer modernen analytischen Perspektive darstellt. Vielmehr konnten auch dezidiert mikropolitische Operationen von einer gemeinwohlorientierten Semantik begleitet werden.

1656 Frischmann, Friedhaltendes Gemüth, 4. 1657 Ebd., 5. 1658 Ebd., 3.

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Dies war etwa bei dem geheimen Abkommen zwischen der franzö­sischen Krone und Lothar Friedrich von Metternich im Jahre 1670 der Fall, in welchem letzterem nicht nur die Protektion der Krone, sondern auch Pensionsgelder und die volle Unterstützung bei seiner Wahl zum Mainzer Koadjutor zugesichert wurden. Es sei die Verpf­lichtung, die die westfä­lischen Friedensverträge dem König auferlegt haben, sich für die Angelegenheiten des Reiches zu interessieren und über alles zu wachen, was die Bewahrung seines Friedens und seiner Ruhe betrifft, die ihn zur Unterstützung Lothar Friedrichs von Metternichs veranlasste, eines Fürsten, der mit dem König die Ziele der Ruhe der Christenheit, der Bewahrung besagter Verträge (d. h. der Friedensverträge von Münster und Osnabrück) und nicht zuletzt wahrhafter Sicherheit des Reiches gemeinsam habe 1659. Was folgte, war ein „Patronagevertrag“, der einerseits exakt gegenseitige Verpf­lichtungen regelte, unter Artikel fünf aber auch festhielt, Lothar Friedrich solle ganz allgemein dieselben Absichten, die Seine Majestät für den Erhalt der Christenheit, für die Bewahrung der katho­lischen Religion und für das Wohl seines Vaterlandes hat, unterstützen 1660. Mikro- und makropolitische Aspekte schlossen sich hier also keineswegs gegenseitig aus, sondern griffen zumindest in der Formulierung des Abkommens ineinander. Im Folgenden sollen aber nun Kommunikationssituationen im Vordergrund stehen, in denen die Akteure explizit Grenzen zwischen mikro- und makropoli­ tischem Handeln und Handlungsbegründungen zogen, und mög­liche strate­gische Orientierungen hinter diesen Abgrenzungen in den Blick genommen werden. Wenn die franzö­sischen Außenpolitiker und ihre Gesandten darauf beharrten, der Verfassung des Reiches gegenüber einer als „verfassungsfeind­lich“ deklarierten habsbur­gischen Reichspolitik Geltung zu verschaffen, war dieser Bezug nicht zwangsweise nur schlagwortartig oder bezog sich auf eine weitgehend „imaginierte“ Verfassung. Solche Bezüge konnte von den franzö­sischen Diplomaten durchaus vor dem Hintergrund enormer formaljuristischer Expertise gebraucht werden. Schon seit einiger Zeit haben Forschungen zur Wahrnehmung des Alten Reiches 1659 L’obligation où les traités de Westphalie ont mis le Roy de s’intéresser aux affaires de l’Empire et par conséquent de veiller à tout de qui peut concerner la conservation de son repos et de sa tranquillité […] elle a jugé d’autant plus nécessaire d’avoir l’oeil à ce qui se passé aujourd’hui dans le chapitre de Mayence où on delibère d’élire un coadjuteur à l’Archevêché, qu’elle sait qu’il est extrêment important qu’une pareille dignité tombe sur une personne dont les intentions s’accordent avec celles de Sa Majesté, et qui aient pour le principal but le repos de la Chrétienté, le maintien de la Religion Catholique, la conservation des susdits traits et par là, la veritable sûreté de l’Empire, Copie du Traité conclu et signé au nom du Roi par l’abbé de Gravel et par M l’Évêque de Spire en personne de le quatriène de décembre 1670, abgedruckt in: Braubach, Koadjutorwahl, 78. 1660 Les mêmes intentions que Sa Majesté pour le repos de la Chrétienté, pour le maintien de la Religion Catholique et pour le bien de sa patrie, Copie du Traité, 79.

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in Frankreich darauf hingewiesen, dass gerade in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts systematisch Wissen über die Verfassung und das öffent­liche Recht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gesammelt wurde 1661. Die für das franzö­sische Außenstaatssekretariat angefertigten Schriften des Rechtsgelehrten Théodore de Godefroy enthielten z. B. detailliertes Wissen über die Institutionen des Heiligen Römischen Reiches 1662. Guido Braun hat im Rahmen einer Studie zum Wissen über das Alte Reich im Frankreich des Ancien Régime zeigen können, dass franzö­sische Gesandte und ihre Prinzipale sowie Rechtsgelehrte und Intellektuelle keineswegs uninformiert über die Verfassung des Reiches waren oder ein allgemeines Desinteresse an diesen Materien bestanden hätte 1663. Ebenso konnten solche Wissensbestände in reichspolitische Auseinandersetzungen wie etwa die Verhandlungen zum völkerrecht­lichen Status des Elsass miteinfließen 1664. Das Vorhandensein und bestimmte Formen der Nutzbarmachung eines solchen Wissens lassen sich auch für die in der vorliegenden Studie untersuchten Beziehungen festhalten. Dies lässt sich in besonderem Maße am sogenannten Translationsstreit, der sich über Monate und Jahre erstreckenden Auseinandersetzung über die Verlegung der Reichsdeputation von Frankfurt an einen anderen Ort ersehen. Mazarin bzw. Lionne und ihre Gesandten durchdrangen die Komplexität der diesbezüg­lichen Verfahrensfragen mit einer durchaus eindrück­lichen Präzision 1665. Sie waren sehr genau darüber informiert, dass es unter formalrecht­ lichen Gesichtspunkten nicht mög­lich war, dass der Kaiser eine Reichsdeputation einfach an einen neuen Ort ausschrieb 1666. In diesem Punkt hatte die Inszenierung des franzö­sischen Königs als Wahrer und Garant der Verfassung des Reiches also durchaus eine recht­liche Fundierung. Die Orientierung an verfassungsrecht­lichen Normen und das durchaus breite Wissen über die Verfassungspraxis des Reiches nutzten die Franzosen jedoch bewusst nur sehr selektiv und zu strate­gischen Zwecken. Dieser Aspekt wird in Studien zur

1661 Vgl. Malettke, Frankreich, Deutschland, 169 – 235. 1662 Vgl. Malettke, Perzeption des Deutschen Reiches. 1663 Braun, Connaissance. 1664 Vgl. Braun, Connaissance, 712 ff. 1665 Dies hat allein anhand des edierten Materials arbeitend auch Schnettger, Reichsdeputation, 348, festgehalten. 1666 La Députation à Ratisbonne n’est pas une chose possible et cela conforment à la parole qu’il a donnée au Roy de ne jamais souffrir qu’elle fit tirée de Francfort ou elle doit être par les constitutions de l’Empire, Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 7.3.1659, fol. 57r). In diesem Sinne stellten die Brüder Gravel später ihre durchaus fundierten Argumente gegen eine Translation in einem Dokument zusammen, Jacques de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 26.7.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 399v).

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Wahrnehmung des Alten Reiches und seiner Rechts- und Verfassungsformen nicht immer zureichend berücksichtigt 1667. Robert de Gravel lehnte jede Form der Lösung der Translationsfrage entgegen der reichspolitischen Linie der Krone und ihrer verfassungsrecht­lichen Argumentation strikt ab. Andere Normenorientierungen war er nicht bereit anzuerkennen. Das galt auch für den letzt­lich gegen das franzö­sische Interesse ausfallenden Konsens oder für Mehrheitsentscheidungen der Stände in dieser Frage 1668. Es ging Gravel aber hier keineswegs nur ums makropolitische Prinzip, sondern spezifisch um die Ablehnung habsbur­gischer Mikropolitik: Die Anerkennung von Mehrheiten in der Fürsten- bzw. der Kurfürstenkurie der Deputation bedeutete für Gravel zugleich die Anerkennung von Manipulationen durch die Kaiser­lichen 1669. Daher sah er es als die Pf­licht des Reichserzkanzlers an, eine Entscheidung für die Translation zu blockieren. Man hätte, so der Gesandte, sonst das Missvergnügen, sich gleichsam verpf­lichtet zu sehen sozusagen durch die Mehrheit der Stimmen allem zuzustimmen, was dem Kaiser nur gefällt 1670. Gravel beharrte auch dann noch auf solchen Argumentationsformen, als die Lösung der Translationsfrage durch die Berufung des Reichstages nach Regensburg schon längst beschlossene Sache war und ihn Boineburg im Herbst 1662 darauf hinwies, dass nach der Ausschreibung des Reichstages ein so breiter Konsens über die Verlegung der Deputation bestehe, dass Gravels Beharren auf der franzö­sischen Position vonden anderen Deputationsgesandten als Normbruch betrachtet werden könnte 1671. Das Wissen um Rechtsnormen machte also nicht immer eine wirk­lich­keits­ adäquatere Politik mög­lich. Es wurde vielmehr auch genutzt, um sich selbst in strate­gischer Absicht blind für die Regeln politischer Entscheidungsprozesse zu stellen. Dabei konnte dieses Wissen aber auch ganz bewusst gegen eine als illegitim betrachtete habsbur­gische Mikropolitik gewendet und so selektiv und bestimmten Selbst- und Fremdbildern gemäß gebraucht werden 1672. 1667 Studien wie Malettke, Deutschland, Frankreich, oder Braun, Connaissance, können zwar eindrucksvoll nachweisen, wie immer größeres Wissen über das Alte Reich angesammelt wurde, beleuchten aber nicht ausreichend dessen praktische Anwendung. 1668 Vgl. zur Mög­lichkeit der Majoritätsentscheidung auf den Reichstagen Sikora, Formen des Politischen. 1669 Mazarin an Robert de Gravel, Bayonne, 26.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 96v). 1670 l’on aura le déplaisir de s’avoir obligé également, c’est à dire par la pluralité des voix de donner les mains à tout ce qu’il plaira à l’empereur, Robert de Gravel an Wilhelm von Fürstenberg, Frankfurt, 24.3.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 180r). 1671 Vgl. etwa Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 16.7.1661 (AMAE, CP, Allemagne 150, fol. 380v). 1672 Hier kann noch einmal auf die Unterscheidung von „Wissen“ und „Information“ bei Brendecke / Friedrich / Friedrich, Information als Kategorie, 30, verwiesen werden.

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Auch in anderen Kontexten verband sich in der diplomatischen Korrespondenz die „Klarstellung“ solcher Normenhorizonte mit der Thematisierung politischer Rivalen und ihrer politischen Praktiken. Mikropolitik und Patronage wurden in diesem Kontext unter Ausblendung eigenen mikropolitischen Handelns als illegitime Mittel dargestellt, mit denen „die Anderen“ arbeiteten. Als 1672 im Vorfeld des niederländischen Krieges eine Delegation der Generalstaaten nach Wien geschickt wurde, erklärte Gravel, dass es wohl evident sei, dass die ohnehin korrupten österreichischen Minister von den niederländischen Gesandten bestochen und zu einer Intervention im Interesse der Holländer gebracht werden sollten. Ein Vorhaben, das selbstverständ­lich auch die Gesandten der Katho­lischen Monarchie am Wiener Hof mit Geld zu unterstützen gedachten: Die alten und die neuen Feinde des franzö­sischen Königs waren in dieser Sicht gleichermaßen korrupt und arbeiteten mit ihren Praktiken nun gegen die Krone 1673. Der Vorwurf illegitimer Mikropolitik spielte jedoch vor allem in Bezug auf die kaiser­liche Reichspolitik eine wichtige Rolle. Zu Beginn des Regensburger Reichstages, der entgegen franzö­sischen Interessen zustandegekommen war, hatte Robert de Gravel erklärt, es gebe im Reich ein bedenk­liches Ausmaß an habsbur­gischer Verflechtung. Diese sei einerseits Folge generationenübergreifender Patronagebindungen, die der franzö­sische Gesandte als eine Unsitte, die sich über einen langen Zeitraum hinweg etabliert hat, und die man auch nur mit viel Mühe überwinden kann, bezeichnete. Daneben gäbe es aber auch erst in jüngerer Zeit gestiftete, hauptsäch­ lich auf großen Geldzahlungen beruhende Verbindungen, die Gravel rundheraus als corruption bezeichnete. Glück­licherweise hätte der von der franzö­sischen Krone garantierte Westfä­lische Friede, so Gravel, die Mög­lichkeit geschaffen, derartige politische Fehlentwicklungen künftig zu korrigieren 1674. Gravel griff also auf bewährte makropolitische Sprechweisen zurück, um die Bekämpfung derartiger „Missstände“ anzukündigen. So grundsätz­lich verurteilten die habsbur­gische Patronagepolitik allerdings nicht alle franzö­sischen Gesandten zu jedem Zeitpunkt. Gramont und Lionne deuteten den letztend­lichen reichspolitischen Erfolg ihrer Gesandtschaft unmittelbar nach dem Frankfurter Wahltag in eine andere Richtung: Zu ihrer Erfolgsbilanz zählten sie näm­lich, dass man die Vertreter Habsburgs dazu gezwungen habe, auf einem „Patronagemarkt“ tätig zu werden. Gramont und Lionne berichteten unter Berufung auf den 1658 aus spanischen Diensten zur franzö­sischen Gesandtschaft „übergelaufenen“ Pater Augustin Mayer, dass eine von Peñarandas größten Schwierigkeiten darin 1673 Robert de Gravel an Ludwig XIV., 22.8.1672 (AMAE, CP, Allemagne 261, fol. 31r). 1674 Un abus qui s’est introduit par un long espace du temps et qui ne se corrige aussy qu’aveq beaucoup de peine, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.3.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 64r).

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bestand, dass es offenbar keinen einzigen Minister eines Kurfürsten oder Fürsten des Reiches gegeben habe, der kein Geld verlangt hätte und ihm nicht ernsthaft angedroht hätte, dass er den Franzosen dienen würde, wenn man ihm keines gäbe. Dies habe, so betonten die Gesandten, auch Minister betroffen, deren Familien den Habsburgern über Generationen hinweg gedient hätten. Peñaranda sei folg­lich – wie er sich selbst ausdrückte – dazu gezwungen gewesen, alle zu kaufen und Verräter zu bezahlen 1675. Die Tatsache, dass die Habsburger auf einem Patronage­markt selbst durch generationenübergreifende Bindungen gebundene Akteure „zurückkaufen“ mussten, reichte in diesem Falle, um sich selbst und den Kardinal der Effektivität der franzö­sischen Reichspolitik und des politischen Erfolges der Frankfurter ambassade zu versichern. Die Abgrenzung eigener makropolitischer Rationalität gegen das illegitime Handeln des politischen Gegners ließ sich auch auf das Schreiben über Patronagekonkurrenz um Klienten und damit also auch auf eigenes mikropolitisches Handeln übertragen. Franzö­sische Diplomaten und ihre Prinzipalen konnten sich untereinander so über diese Praktiken der Patronagekonkurrenz verständigen, dass deren mikropolitische Rationalität hinter makropolitischen Überlegungen verschwand. Immer dann, wenn Franz Egon von Fürstenberg in ihrer Perspektive gegenüber dem Kurfürsten Max Heinrich die Interessen des Kaisers vertrat, wurde betont, dass es sich selbstredend um von purem Gewinnstreben geleitete mikropolitische Manipulation handelte. Sein Bruder Wilhelm von Fürstenberg dagegen wurde nicht als Manipulator, sondern ledig­lich als Mahner an die Gebote politischer Vernunft dargestellt. Demgemäß veränderte sich auch das Bild des Kurfürsten. Während er näm­lich unter habsbur­gischem Einfluss stehend als schwach und leicht steuerbarer Fürst dargestellt wurde, erschien er, sobald er von Wilhelm von Fürstenberg „beraten“ wurde, als autonom entscheidender und den Interessen des Gemeinwohls gemäß regierender Monarch. Als solcher konnte er von selbst erkennen, wie sehr Franz Egon von Fürstenberg dem gemeinen Besten schadete 1676. Dies unterstreicht die weiter oben schon angedeutete These, dass antihabsbur­ gische Feindbilder bestimmten Selbstdarstellungen und damit intendierten Kommunikationsabsichten angepasst wurden. Während mikropolitische Feindbilder Kaiser­liche und Spanier als schlechte Patrone zeichneten, konnten ihnen in anderen 1675 Qui ne luy ait demandé de l’argent et considérablement menacé que si on ne luy en donnoit, il serviroit les françois […] comprar todos y comprar traydores, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 18.8.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 311r). 1676 Il faut distinguer, en ce rencontre, les sentiments interieurs de M. l’electeur de Cologne, ceux du Comte Egon et ceux du Comte Guillaume […] pour l’Electeur, il n’a nullement change, dans l’effect, ses maximes, mais est seulement abusé par les apparences et la plausibilité des raisons que luy allegue le comte Egon comme toutes justes et convenables au bien public et à celuy de l’Empire, Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 19.10.1660, in: Lettres du Cardinal IX, 662.

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Kontexten auch vorgehalten werden, überhaupt Mikropolitik zu betreiben und dabei jene Ziele, die ihnen im Rahmen makropolitischer Feindbildmotive unterstellt wurden, voranzutreiben. Dass sich franzö­sische Gesandte intern gerade im Zusammenhang mit der Rheinischen Allianz regelmäßig über Kollektivakteure und über abstrakte, gemeinwohlorientierte Normen und Zielsetzungen im Rahmen der Rheinallianz verständigten und sich dabei von den habsbur­gischen Praktiken abgrenzten, versperrte ihnen aber nicht grundsätz­lich die Mög­lichkeit, sich in bestimmten Situationen über mikropolitische Motive der Allianzpolitik und entsprechende Normenorien­tierungen zu verständigen. Vor allem in Situationen, in denen die Rheinische Allianz und deren reichspolitische Ziele als Grundlage franzö­sischer Reichspolitik zur Disposition standen bzw. zur Disposition zu stehen drohten, war es sehr wohl mög­lich, die Allianz zwischen Frankreich und verschiedenen Reichsständen als System personaler Beziehungsgeflechte zu interpretieren. Dabei wurde dann die mikropolitische Rationalität des Bündnisses transparent gemacht und auch auf eine entsprechende Semantik der Patronage zurückzugriffen. Als im Sommer 1659 nach dem Pyrenäenfrieden zwischen Spanien und Frankreich für Robert de Gravel sowie für einige Reichsstände die Zukunft der Rheinischen Allianz vorübergehend ungewiss erschien, hob der franzö­sische Gesandte in einem Schreiben an Mazarin hervor, was er für den größten Vorteil, den man seit langer Zeit in Deutschland gehabt hat hielt: Nachdem [Seine Majestät] so viel Geld eingesetzt hat, bei dem der hauptsäch­liche Ertrag, den sie daraus gezogen hat, in der Freundschaft und der bonne union der Kurfürsten und Fürsten, die sie zusammensetzen, bestand, […] sind diese dadurch verpflichtet, sich an die Interessen Frankreichs anzuschließen 1677. Gravel beschrieb die Beziehungen zu den deutschen F ­ ürsten, die im Rahmen der Rheinischen Allianz gestiftet worden waren, hier als „do-ut-des“-Handlungsketten, über die Geld gegen Loyalität getauscht wurde. Diese dürften, so Gravel, nicht einfach abgebrochen werden. Gravel deutete die Allianz hier also nicht als Instrument zur Durchsetzung makropolitischer Schutz- und Garantieleistungen der franzö­sischen Krone, sondern als aus asymmetrischen Tauschbeziehungen bestehendes Gebilde und rückte sie damit in die Nähe von „Patronagebeziehungen zwischen Fürsten“1678. Entgegen den sonst gängigen Verständigungsweisen und ihrer politisch gemeinwohlorientierten Semantik 1677 [Sa Majesté] ayant employé tant d’argent dont le principal fruit qu’elle en a retiré consiste dans lad. Alliance et dans l’amitié et la bonne union des électeurs et des Princes qui la composent, lesquels […] sont obligés par-là de se tenir attachez aux Intérestz de la France, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 29.6.1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 303r). 1678 Dies ist in der Patronageforschung öfter diskutiert worden, vgl. Wieland, Fürsten, 20. Vgl. zum „spanischen System“ im Italien des 16. und 17. Jahrhunderts Spagnoletti, Principi. Deut­liche Skepsis gegen eine Übertragbarkeit des Modells auf das Feld der Außenpolitik findet sich dagegen bei Maczak, Diskussionsbericht, 355 f.

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rückte der franzö­sische Gesandte explizit die Tatsache in den Vordergrund, dass die Beziehungen zwischen der Krone und den Gliedern der Rheinallianz die mikropolitische Manipulation von Entscheidungen erleichterten. Dies wurde auch als ein Mittel dargestellt, sich gegen die habsbur­gische Mikropolitik gewissermaßen mit deren eigenen Mitteln zu wehren: Man ist in der Lage, viel einfacher diese Herren dahin zu bringen, Entscheidungen zu treffen, die mit den Interessen des Königs in den Angelegenheiten des Reiches übereinstimmen, und indem man diese Verständigung pflegt, ist es einfacher, alle Schläge, die uns treffen könnten, abzuwenden, und den Kaiser daran zu hindern, über alle Fürsten des Reiches zum Nachteil Frankreichs zu gebieten, wie er dies stets getan hat 1679. Mazarins Antwort auf Gravels Schreiben fiel zwiespältig aus. Zunächst unterstützte er inhalt­lich voll und ganz die Position seines Gesandten: Gravels Fürsprache im Sinne der Weiterführung der Allianz über den franzö­sisch-spanischen Frieden hinaus sei gar nicht notwendig gewesen. Man werde die Beziehungen allein schon deswegen weiterführen müssen, damit die Österreicher und die Spanier nach einem franzö­sischen Rückzug aus der Allianz nicht die Gelegenheit ausnutzten, um die alliierten Fürsten zurück in das habsbur­gische Lager zu holen 1680. Zugleich wies er aber seinen Gesandten darauf hin, dass er mit der Art und Weise, die Politik der Allianz zu beschreiben, ein heikles Thema berührt habe. Derartige Verständigungsweisen müssten in jedem Falle intern bleiben, während man den in der Allianz assoziierten Fürsten gegenüber vor allem auf die gängigen makropolitischen Normenorientierungen, die Tatsache, dass man gemeinsam den Frieden und das Gemeinwohl aufrechterhalte, zu verweisen hätte 1681. Acht Jahre später, 1667, verwandte Gravel, der die Rheinallianz weiterhin unbedingt erhalten wissen wollte, sehr ähn­liche Argumente für das Bündnis 1682. Diesmal allerdings rannte der franzö­sische 1679 On est en État de disposer plus facilement ces Msrs. à prendre les résolutions qui s’accordent aux intérestz du Roy dans les autres affaires de l’Empire et cultivant cette bonne intelli­ gence il est plus facile de destourner tous le coups qui nous peuvent arriver et empescher l’­Empereur de disposer de tous les Princes de l’Empire comme il a toujours fait au préjudice de la France, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 29.6.1659 (AMAE, CP, Allemagne 144, fol. 303v). 1680 Mazarin an Robert de Gravel, Haye, 7.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 81v). 1681 Faites donc vos diligences pour cela en toutes rencontres vous y conduisant en sorte que ces Messieurs croyent que c’est purement par leur interest et non par le nostre que nous embrassons ces sentiments, Mazarin an Robert de Gravel, Châteauneuf, 10.7.1659 (AMAE, CP, Allemagne 146, fol. 86r). 1682 Noch einmal verwies Gravel auf die historische Leistung der Allianz, die eine lange Tradition habsbur­gischen Einflusses im Reich und einer damit einhergehenden deutschen Frankreichfeindschaft habe beenden können. Bedeutsam waren für Gravel aber in diesem Zusammenhang noch andere Aspekte: Die Allianz habe etwa end­lich eine

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Gesandte keine offenen Türen ein. Vielmehr nahmen jetzt die Verantwort­lichen in Paris das Scheitern der Rheinallianz bewusst in Kauf, um einen Umbau des Bündnissystems forcieren zu können. Strenge Unterscheidungen zwischen makro- und mikropolitischen Normenorientierungen lassen sich aber nicht nur in der internen Korrespondenz, sondern auch in Verhandlungssituationen zwischen franzö­sischen und reichsständischen Akteuren finden. Auch hier konnten die franzö­sischen Diplomaten auf makropolitischen Handlungsbegründungen insistieren. Derartige Argumentationsformen sind interessanterweise gerade dort besonders präsent, wo die Akteure die mikropolitischen Konditionen solcher Beziehungen aushandelten. Robert de Gravel griff häufig auf makropolitische Sprechweisen zurück, um jener Tätigkeit nachzugehen, mit der er nur zu oft befasst war: mit dem Abweisen und Herunterhandeln finanzieller Forderungen von Reichsständen und ihren Gesandten. Als beispielsweise der neubur­gische Deputationsgesandte Winckelhausen kurz vor der Ratifizierung der Rheinischen Allianz eine Reihe von zusätz­lichen Geldforderungen stellte, konterte Robert de Gravel folgendermaßen: Diese Allianz, in welche der König mehr wegen des Wohls des Reiches und des Interesses der verbündeten Fürsten eingetreten ist als wegen seines eigenen, ist für den König nicht dermaßen dringend […], dass man sie zu diesen grausamen und abstoßenden Bedingungen erkaufen muss 1683. Gravel verdeut­lichte hier also, wer seiner Meinung nach im Rahmen dieses neuen Bündnisses von wem abhängig war. Zugleich bestand Gravel darauf, dass Maßnahmen, die der Garantie von Frieden und Sicherheit des Reiches dienten, außerhalb einer mikropolitischen Logik zu stehen hätten. Ähn­lich hatte Mazarin bereits auf die finanziellen Forderungen des Trierer Kurfürsten reagiert, der die Rückzahlung angeb­licher Schulden aus der Zeit Heinrichs IV. forderte. Der Kardinalminister lehnte dies ab und instruierte seine Gesandten, die Rolle der Krone bei der Formulierung der Wahlkapitulation Leopolds I. herauszustellen. Diese sei schließ­lich eine überkonfessionelle Handlungseinheit zu schaffen vermocht, die es zuvor nicht gegeben hatte und die man jetzt auch auf keinen Fall mit Partikularallianzen ausschließ­lich mit katho­lischen Ständen aufs Spiel setzen dürfe. Daraus ergäben sich so Gravel nicht nur politisch-rationale Vorteile für den König, sondern auch eine Steigerung von gloire und Reputation des Königs. Besonders wichtig und interessant für die Rolle der Krone im Reich war allerdings Gravels Feststellung, dass die Rheinische Allianz dem König die Mög­lichkeit gebe, faktisch als Glied des Reiches aufzutreten, ohne eines zu sein und sich mit entsprechenden Pf­lichten zu belasten, Robert de Gravel an Ludwig XIV., Regensburg, 13.1.1667 (AMAE, CP, Allemagne 227, fol. 125v). 1683 Cette alliance dans laquelle le Roy entroit plus pour le bien de l’Empire et pour l’interest des Princes confédérez, que pour le sien propre ne pressoit pas tellement le Roy, […] s’il falloit l’acheter avec des conditions si rudes et si désobligéantes, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 2.12.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 425v).

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Angelegenheit, die primär den Kurfürsten zur Wahrung von deren Rechten diente, so der Kardinal. Man werde daher nicht auf weitere Forderungen von einzelnen Akteuren eingehen 1684. Es sei, so betonten Gramont und Lionne an anderer Stelle, nicht zu akzeptieren und im höchsten Maße ärger­lich, Gerechtigkeit zu kaufen 1685. Über derartige Normengeltungen konnten sich die franzö­sischen Gesandten aber auch innerhalb ihrer eigenen Korrespondenzen verständigen und so zugleich eigenes mikropolitisches Handeln verschleiern. Dies war nicht zuletzt dort der Fall, wo sich trotz der Widerwilligkeit, im Zusammenhang mit dem Allianzprojekt Geld auszugeben, mikropolitisches Handeln nicht vermeiden ließ. Im August 1658 schlug beispielsweise der neubur­gische Kanzler Giese Gramont und Lionne eine Abmachung vor, um den endgültigen Abschluss der Rheinallianz erheb­lich beschleunigen: Man müsse nur dem Herzog von Neuburg eine zusätz­liche individuelle Schutzzusicherung geben, vor allem aber die Zahlung einer großen Geldsumme gewähren, die Giese, ebenso wie der Kurfürst von Trier, als Begleichung von Schulden aus der Zeit Heinrichs IV. deklariert wissen wollte. Schließ­lich, so Giese, wasche eine Hand die andere 1686. Gramont und Lionne wollten und k­ onnten diese ziem­lich offenen Forderungen Gieses nicht ablehnen: Wir entschlossen uns sofort, da wir den Abschluss unserer Bündnisse im Blick hatten und sahen, dass man ohne dies erneut auseinandergehen würde, ein wenig das Gefühl, das wir angesichts eines derart abstoßenden Vorgehens hätten haben müssen, verbergen, indem wir uns vorbehielten, dieses erst zu äußeren, nachdem sie [die Bündnisse, T. H.] unterzeichnet sind 1687. Es war für die Gesandten also durchaus von Bedeutung, ihrem Prinzipalen gegenüber klarzustellen, dass die Forderung Gieses prinzipiell ablehnungswürdig war, dass also, was die Rheinallianz und die Verantwortung der Krone für die Freiheiten der Reichsstände anging, ausschließ­lich makropolitische, gemeinwohlorientierte Normen von Bedeutung waren. Diesen konnte man eben nur in diesem speziellen Fall keine Geltung 1684 Il ne seroit pas juste que Sa Ma té achetast une Capitulation qui regarde la sûreté du repos de l’Allemagne, Mazarin an Robert de Gravel, Paris, 20.3.1658 (AMAE, MD, France 277, fol. 83r). 1685 Il est fascheux d’acheter la justice qui nous est deue, et que quand nous l’aurions entierement obtenu, il y auroit encore beaucoup de gens qui ne laisseront pas de soustenir que nous n’avons rien fait, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1.5.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 91v). 1686 Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 18.8.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 300r). 1687 Nous nous resolusmes sur le champ ayant une visée à la conclusion de nos ligues et voyant bien que sans cela on se séparoit encore sans rien, faire de dissimuler un peu le sentiment que nous devions avoir d’un proceder si desobligeant, nous reservant à le faire paroistre apres qu’elles seroient signees, Gramont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 18.8.1658 (AMAE, CP, Allemagne 141, fol. 300v).

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verschaffen. Auch anderer Stelle markierten die Gesandten gegenüber ihren Prinzipalen diese Abweichung zwischen makropolitischer „Norm“ und mikropolitischer Abweichung 1688. Der Gebrauch makropolitischer Diskurse verwies in den eben geschilderten Verhandlungskontexten allerdings weniger auf einen tatsäch­lichen makropolitischen Primat in der franzö­sischen Reichspolitik. Sie sollten vielmehr der Verbesserung der franzö­sischen Position in den Verhandlungen um die mikropolitischen Grundlagen asymmetrischer Außenbeziehungen dienen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch ein ambivalentes Verhältnis zum Begriff des Interesses und der Figur der Interessenkonvergenz feststellen. An den genannten Beispielen lässt sich näm­lich zeigen, dass die Betonung von im weitesten Sinne gemeinwohlzentrierten Normen gerade mit der Entkoppelung von franzö­sischen und reichsständischen Interessen einherging. Die franzö­sischen Diplomaten behaupteten häufig, mit ihrer Reichspolitik vor allem fremden, reichsständischen Interessen zu dienen, ohne eine eigene Notwendigkeit für ein solches Handeln zu sehen. Der König wurde hier in der Rolle des weitgehend interesselosen Garanten von Frieden und Sicherheit für die in der Rheinischen Allianz assoziierten Reichsstände inszeniert. Dies war eine wiederkehrende rhetorische Figur. Gravel vertrat dies etwa in einem sehr ähn­lichen Zusammenhang gegenüber den hes­sischen Gesandten 1689 oder später dem Kölner Kurfürsten gegenüber, als dieser beabsichtigte, seine Gesandten auf die vom Kaiser nach Regensburg berufene Deputation zu entsenden 1690. Bei diesen Argumentationsformen und der Behauptung, es handelte sich um ein einseitiges Entgegenkommen der Krone, spielte jedoch auch die Tatsache eine Rolle, dass die franzö­sischen Diplomaten ein explizites Interesse daran hatten, den 1688 Noch deut­licher wird diese interne Rückversicherung makropolitischer Normengeltungen über mikropolitische Vorgehensweisen hinaus in einem Schreiben Robert de Gravels im Herbst 1658: Johann Christian von Boineburg hatte beim franzö­sischen Gesandten angefragt, ob man nicht auch Philipp Erwein von Schönborn, den Bruder des Kurfürsten mit einer Pension bedenken könne. Dieses Ansuchen konnte Gravel erfolgreich abschlagen. Gravel verwies darauf, dass die Beförderung der Angelegenheiten der Krone, von der Boineburg gesprochen hatte, vor allem auf die Erhaltung der Sicherheit und der Freiheit der Reichsstände hinausliefen. Zumindest sei dies die Antwort, die er darauf hätte gebe können und müssen. Tatsäch­lich begnügte sich Gravel aber mit der sch­lichten Feststellung, der König könne im Augenblick nicht noch mehr Geld für seine Verbündeten im Reich ausgeben, als er dies ohnehin schon tue, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 1.10.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 338r). 1689 Les affaires estant dans l’état où elles se trouvent, auiourd’huy son Altesse y avoit plus d’interest que sad. Ma té. qui ne le regardoit que comme le seul moyen que les Princes de l’Empire avoient de mettre leurs estats à couvert, Robert de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 21.11.1658 (AMAE, CP, Allemagne 143, fol. 400v). 1690 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 23.7.1662 (AMAE, CP, Allemagne 152, fol. 227v).

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asymmetrischen Charakter der Beziehungen zu unterstreichen. Ihre Bundesgenossen sollten daher auch mög­lichst eindeutig um den Schutz der franzö­sischen Krone ­bitten müssen. Auf diese Erwartung verwies etwa Robert de Gravel in seiner Antwort auf den Vorschlag Johann Frischmanns, seiner Wahlheimat Straßburg sowie den übrigen elsäs­sischen Reichsstädten den Eintritt in die Rheinallianz anzubieten. Es sei nicht Sache der Krone, einzelnen Reichsständen den Beitritt zur Allianz nahezulegen. Diese müssten vielmehr als Bittsteller um die Gewährung der Aufnahme in das Bündnis nachsuchen: Mir scheint, es liegt bei ihnen, diesen Vorteil zu suchen, wie ein Steuermann wohl verpf­lichtet wäre, den Schutz einer Zuflucht zu suchen, die er vor Augen hat, wenn ein Unwetter aufzieht […]. Es entspräche meiner Meinung nach weder der Würde des Königs noch meinem eigenen Interesse, jenen Vorschlag zu unterbreiten, von dem Sie mir berichtet haben 1691. Auch bei den kaum noch erfolgversprechenden Verhandlungen um die Verlängerung der Allianz im Jahre 1667 forderte der Außenstaatssekretär Hugues de Lionne, dass die Reichsstände von sich aus um die Verlängerung der Allianz bitten müssten 1692. Dieses von der franzö­sischen Krone bevorzugte „Handlungsskript“ ließ sich allerdings nicht immer in politische Wirk­lichkeit übersetzen. Dies verdeut­lichen die Umstände, unter denen Kurtrier der Rheinischen Allianz beitrat. Auch der Trierer Kurfürst sollte eigent­lich um die Aufnahme in die Allianz bitten 1693. Eine solche Prozedur wurde jedoch durch den Umstand verkompliziert, dass der tendenziell habsburgfreund­liche Karl Kaspar von der Leyen wenig Interesse daran hatte, in die Allianz einzutreten. Schließ­lich wurde Robert de Gravel entgegen anderslautender Vorstellungen instruiert, alles zu tun, damit Trier der Allianz beitrete 1694. Es bedurfte aber schließ­lich eines vermeint­lichen Angriffes auf die Reputation des Königs, um den Beitritt Triers zur Allianz auf franzö­sischen Wunsch hin zu forcieren: Die Tatsache, dass der Trierer Domscholaster Metternich bei einer im Auftrag des Kurfürsten unternommenen Mission zuerst in Madrid und dann erst in Paris seine Aufwartung gemacht hatte, wurde bewusst skandalisiert, um den Trierer Kurfürsten im Gegenzug zum Beitritt zur Allianz zu zwingen 1695. Aber auch unter diesen 1691 Il me semble que ce seroit à elles de rechercher cet advantage comme un Pilote seroit obligé de se mettre à couvert d’un azile qu’il aurait devant les yeux voyant venir la tempeste […] il ne seroit à mon opinion ny de la dignité du Roy ou mon interest particulier de faire la proposition dont vous me parlez, Robert de Gravel an Frischmann, Frankfurt, 11.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 147, fol. 69r). 1692 Lionne an Robert de Gravel, St. Germain-en-Laye, 14.1.1667 (AMAE, CP, Allemagne 232, fol. 12r). 1693 Mazarin an Robert de Gravel, Toulon, 11.2.1660 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 29r); Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Paris, 1.10.1661 (AMAE, CP, Allemagne 148, fol. 333r). 1694 Pillorget, La France et l’électorat de Trèves, 124. 1695 Ebd., 125.

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Beitrittsbedingungen musste die franzö­sische Krone entgegen den kommunizierten Selbstbildern dem Trierer Kurfürsten mikropolitisch weit entgegenkommen: Der widerwillige Beitritt Karl Kaspar von der Leyen wurde diesem mit einem Abkommen „versüßt“, das ihm nicht nur beträcht­liche Subsidien und Pensionen, sondern auch eine Restitution seiner alten Metropolitanrechte in den unter franzö­sischer Verwaltung stehenden Bistümern Metz, Toul und Verdun zugestand 1696. Hier wurde aber zugleich deut­lich, dass sich die Selbstbilder der franzö­sischen Krone in Bezug auf die Rheinische Allianz nicht immer aufrechterhalten ließen. Die Allianz war eben kein Mittel der selbstlosen Vertretung „sicherheitspolitischer“ Interessen vorwiegend der reichsständischen Akteure. Sie war eine Instanz, über die man von franzö­sischer Seite aus Einfluss zu suchen gedachte, wofür der Gebrauch mikropolitischer Mittel unerläss­lich war. Makropolitischer Anspruch und mikropolitische Wirk­lichkeit klafften hier also deut­lich auseinander. Die im Rahmen dieses Kapitels angesprochene Privilegierung makropolitischer Normenorientierungen konnte in den grenzüberschreitenden Patronagebeziehungen aber auch von Klienten aufgenommen und gegenüber der Krone und für eigene letzt­lich mikropolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Johann Christian von Boineburg verwehrte sich z .B. gegen den Vorwurf opportunistischen klientelären Handelns, als er sich gegenüber Jacques de Gravel zu seiner gescheiterten Bewerbung um den Posten des Reichsvizekanzlers erklärte. Es hätte sich keineswegs um einen Versuch gehandelt, sich den Kaiser­lichen als Klient andienen zu wollen. Er insistierte vielmehr, dass der Reichsvizekanzler ein Bediensteter des Reiches sei. Es handelte sich schließ­lich um keine Stelle, über die der Kaiser frei verfügen könnte und die ihren Inhaber zur Treue gegenüber dem Haus Österreich verpf­lichtete. ­Boineburg verweigerte sich in dieser Situation explizit einer mikropolitischen Logik. Er erklärte vielmehr, überhaupt niemandes créature zu sein. Zwar versicherte er emphatisch, er bleibe stets unverbrüch­lich den Interessen des Königs und jenen eurer Eminenz verbunden. Diese Treuebekundung nahm aber dezidiert den Umweg über die Bekräftigung makropolitischer Normen: Boineburg betonte ausdrück­lich, er sei der franzö­sischen Partei nur beigetreten, weil er gefunden habe, dass sie dem Wohl des Reiches, den gemeinen Interessen und jenen seines Herren im Besonderen entgegenkäme 1697. 1696 Ludwig XIV. an Robert de Gravel, Fontainbleau, 12.8.1661 (AMAE, CP, Allemagne, fol. 299r). Der Vertrag findet sich in AMAE, CP, Trèves 2, fol. 43r–47v. Zu den äußerst komplexen Herrschaftsrechten in den lothrin­gischen Bistümern und ihrer politischen Instrumentalisierbarkeit durch die Krone vgl. Repgen, Salvo iure. 1697 Il me répondît que l’affaire ne pressoit nullement. L’empereur ayant déclaré ouvertement qu’il n’acceptoit point un homme pour vice-chancellier de l’empire lequel étoit créature de la France dont il avoit suivi aveuglement le parti du temps de l’élection, que ce qui donnoit à l’empereur plus d’aversion de sa personne étoit que comme durant ce temps là ses ministres et ceux d’Espagne ne l’ont pû gagner ni par leurs belles paroles, ni par leurs grand offres ni par

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Boineburg wehrte sich also gegen seine Vereinnahmung als franzö­sischer Klient, die langfristig seine weiteren mikropolitischen Interessen blockierte und an der ja die Übernahme des Reichsvizekanzlerpostens gescheitert war. Er versuchte offenbar nicht zuletzt Handlungsspielräume für eine mikropolitische Doppelstrategie auszuloten. Dies geschah allerdings auf eine Art und Weise, die für die franzö­sische Selbststilisierung eigener gemeinwohlorientierter, makropolitischer Handlungsbegründungen anschlussfähig war. Wie lassen sich diese Ergebnisse nun zusammenfassen? Aus den obigen Ausführungen wird deut­lich, dass die franzö­sische Krone und ihre Gesandten versuchten, ihr Handeln im Rahmen der Garantieleistungen des Westfä­lischen Friedens und damit verbunden der Bewahrung der Verfassung des Reiches und der reichsständischen Freiheiten als frei von mikropolitischen Manipulationen zu beschreiben – auch wenn es „Notfälle“ gab, in denen ein solcher Verständigungscode durchbrochen werden musste. Dies geschah unter Anschluss an, aber auch unter Anpassung von bereits bekannten antihabsbur­gischen Feindbildern: Vor allem den Kaiser­lichen wurde das illegitime Ausspielen von mikropolitischem Einfluss vorgeworfen, den es durch die Durchsetzung makropolitischer Normen zu bekämpfen gelte. Solche Verständigungsweisen ließen sich auch auf das Schreiben über mikropolitische Praktiken wie etwa Patronagekonkurrenz übertragen. Makropolitische gemeinwohlorientierte Normen konnten von franzö­sischen Gesandten aber auch in Verhandlungen mit verbündeten Reichsständen bzw. deren Gesandten mobilisiert werden. Die strate­gische Intention hinter diesem Normengebrauch war allerdings oft genug eine dezidiert mikropolitische: Man versuchte sich als unberechtigt und überhöht angesehenen Geldforderungen zu entziehen, indem man auf gemeinwohlorientiertes Handeln und den Verzicht auf politische Partikularinteressen verwies. Im nun folgenden letzten Kapitel wird die bislang ausschließ­lich franzö­sische Perspektive auf die Normen makro- und mikropolitischen Handelns durch die Perspektive der Kaiser­lichen und der entstehenden Öffent­lichkeit ergänzt und gezeigt, wie Patronagepraktiken als Korruption und Verrat problematisiert werden konnten. leurs menaces. Ils croient y pouvoir bien moins réussir lorsqu’il sera établi dans une charge qui dépend immédiatement de l’Empire et non de l’Empereur et dont il pourra se servir s’il veut au préjudice de la maison d’Autriche. Qu’il faisait entendre à tout le monde que l’on ne se tromperoit pas à Vienne dans l’opinion qu’on y avait de la conduite qu’ayant de la conscience et de l’honneur, il ne feroit jamais rien pour quelque avantage qu’il en pût retirer, qui peut choquer l’un ou l’autre qu’il ne desavoueroit jamais qu’il n’eut joint le parti de la France parce qu’il a trouvé conforme au bien de l’Empire et des interestz communs et à ceux de son maistre en particulier. Il me chargea ensuite d’assurer que quelque parti qu’il peut prendre il demeureroit toujours inviolablement attaché aux interests du Roy et à ceux de V. E, Jacques de Gravel an Mazarin, Frankfurt, 7.6.1659 (BM Versailles, Ms. 48, fol. 3r–4v).

Außenverflechtung als Korruption und Verrat

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4.5 un petit ministre corrompu – Außenverflechtung als Korruption und Verrat in den Debatten um die Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg 1674 Die Ereignisse der Jahre 1673/74 verschärften die massiv antifranzö­sische Stimmung im Reich durch die Invasion von Ludwigs XIV . Armeen im Rheinland und der Pfalz noch einmal gewaltig. Diese Stimmung ermög­lichte auch ein Einschreiten der Kaiser­lichen gegen ­Wilhelm von Fürstenberg. Auf diesen konzentrierte sich ja gewissermaßen die Ablehnung der Kaiser­lichen. Man machte ihn nicht nur für die Verstrickung des Reiches in den niederländischen Konflikt mitverantwort­lich. Vor allem störte man sich an seinem Auftreten auf dem Kölner Kongress, als er versuchte, Teile der neutralen Fürstenpartei für die franzö­sische Krone zu gewinnen und somit die Pläne des Kaisers, die Reichsstände in einen „Reichskrieg“ gegen Frankreich zu führen, störte und verzögerte. Infolge der massiv verschärften antifranzö­sischen Stimmung im Reich kam es tatsäch­lich 1674 zur faktischen Erklärung eines „Reichskrieges“ gegen Frankreich. Im Oktober desselben Jahres wurde auf dem Reichstag ein Mandat gegen ­Wilhelms Bruder Franz Egon erlassen, der sich seit Jahren überwiegend in Frankreich aufhielt 1698. Hierbei konnte man sich eindeutig auf jene „kumulative Reichskriegserklärung“ stützen, die den franzö­sischen König zum Reichsfeind erklärte und den Krieg zwischen Reich und Frankreich besiegelte. Der Reichstag erklärte Franz Egon nun zum Treuebrecher gegenüber Kaiser und Reich. Im Zuge dessen wurden ihm Sitz und Stimme auf dem Reichstag, die er als Reichsfürst besaß, aberkannt. 1677 wurden schließ­lich die Besitzungen der Familie, die sich mittlerweile in den Händen seines Neffen Anton Egons von Fürstenberg befanden, vorübergehend sequestriert 1699. Besonders die Gefangennahme Wilhelm Egon von Fürstenbergs sorgte allerdings unter den Zeitgenossen für weit mehr Aufsehen als man auf kaiser­licher Seite vermutet hatte. Dies zwang die Kaiser­lichen, den Coup gegen Fürstenberg eingehend zu rechtfertigen. Im Folgenden sollen diese Strategien aber auch die Argumente, die Fürstenbergs Frankreichbindung rechtfertigten, und die Normen, derer sich beide Seiten bedienten, näher untersucht werden. Hierfür werden zunächst grundsätz­liche begriff­liche Überlegungen sowohl aus der Quellen- als auch aus der Analyse-Perspektive zu Korruption und Verrat angestellt (4.5.1). Anschließend soll kurz geklärt werden, in welchem Maße die im Rahmen dieser Studie untersuchten Akteure bereits vor der Gefangennahme Fürstenbergs ein „Problembewusstsein“ hinsicht­lich der Patronage und der Manipulation von Wahlverfahren besaßen 1698 Das Mandat ist abgedruckt in: Theatrum Europaeum XI, 589 – 591. 1699 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, 330.

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(4.5.2). Daraufhin wird vor allem anhand der quasi-offiziellen Rechtfertigung für den Coup gegen Fürstenberg in den Flugschriften Lisolas untersucht werden, wie und anhand welcher Normen Fürstenbergs Frankreichbindung als Korruption und Verrat problematisiert wurde (4.5.3). Abschließend soll danach gefragt, wie sich die beteiligten Akteure selbst untereinander über die causa Fürstenberg auseinandersetzten und welche Probleme es bereitete, Fürstenberg als korrupten „Reichsverräter“ politisch und juristisch dingfest zu machen (4.5.4). 4.5.1 Patronage oder Korruption? Der Gang der bisherigen Untersuchung hat gezeigt, dass in den Außenbeziehungen der franzö­sischen Krone im Heiligen Römischen Reich auf verschiedenen Ebenen in großem Maße Patronageressourcen flossen und dass es für diese Praxis durchaus einen weiten Toleranzrahmen gab. Mit Frankreich verbündete Fürsten wie Max Heinrich von Köln gestatteten ihren Gesandten und Ministern nicht nur explizit die Annahme von Pensionen und anderen finanziellen Leistungen, sie unterstützten sogar ihre Bediensteten darin, die Auszahlung solcher Gelder zu fordern. Die Habsburger reagierten auf die franzö­sischen Praktiken in den 1650er- und 1660er-Jahren zunächst mit konkurrierender Patronage. Im Folgenden soll näher auf den bereits angesprochenen Wahrnehmungswandel franzö­sischer Reichspolitik und dessen Konsequenzen eingegangen werden. Unter welchen Bedingungen und mit Verweis auf welche Normen konnten diese zuvor weithin akzeptierten Verflechtungsbeziehungen nun als Korruption und Verrat thematisiert werden? Hier soll zunächst auf den Begriff der Korruption genauer eingegangen werden. Der Quellenbegriff corruption und seine Äquivalente in anderen Sprachen bezeichnen nur bedingt das, was heute gemeinhin unter Korruption verstanden wird. Das Wort umschrieb zunächst einen rein physika­lisch zu verstehenden Zerfallsprozess. Im übertragenen Sinne konnte es aber auch mora­lischen Verfall und Niedergang bezeichnen. Von einer so verstandenen corruption konnten auch soziale Beziehungen und Gemeinschaften betroffen sein. Der Begriff stand daher in enger Wechselwirkung mit dem Terminus décadence 1700. Die hauptsäch­ liche moderne Bedeutung des Begriffes war in der zeitgenös­sischen Semantik zweitrangig vor jener der „Verderbung“ und des Zerfalls sozialer Verhältnisse mit den daran angeschlossenen Assozia­tionsfeldern körper­lichen Verfalls und

1700 Auf dieses Verhältnis konzentriert sich hauptsäch­lich der Artikel von Gembicki, Corruption.

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sexueller Exzessivität 1701. Auch wenn weder Furetières Dictionnaire noch Zedlers Universal-­Lexicon den Begriff als Substantiv mit deviantem Gabentausch assoziierten, kannten doch beide das Verb corrompre bzw. corrumpiren in dieser Bedeutung. Korruption wird heute allerdings auch als ein analytischer sozialwissenschaft­licher Begriff gebraucht. Die sozialwissenschaft­liche Korruptionsforschung orientierte ihre Konzepte an jenen Gesellschaftssystemen, auf die sie anwendbar sein sollten. Dies waren und sind zumeist west­liche Demokratien, aber auch Entwicklungsländer, in denen Korruptionsbekämpfung zu den Anliegen west­licher Entwicklungspolitik zählt (auch wenn dies oft genug die Verstrickung west­licher Regierungen und Unternehmen mit entsprechenden Wirtschaftsinteressen in lokale Korruptionssysteme einschließt)1702. Der „Standardtyp“ solcher Korruptionskonzepte war und ist dabei das sogenannte „public interest centered model“, dessen Definition von Korruption im Wesent­lichen um die Formel: „Missbrauch eines öffent­lichen Amtes zu privaten Zwecken“ kreist 1703. Um seine Erklärungskraft entfalten zu können, setzt es allerdings ein modernes, im Idealfall demokratisches Gesellschaftssystem mit einer entwickelten Bürokratie, einem an diesem Modell orientierten Amtsverständnis und einer ausdifferenzierten Unterscheidung zwischen den Begriffen „privat“ und „öffent­lich“ voraus. Für die Beschreibung von deviantem ökonomischen und politischen Verhalten in Gesellschaftsordnungen, in denen eine solche eindeutige Unterscheidung in dieser Form (noch) nicht existiert, haben „public interest“-Modelle unter Umständen einen normativen, jedoch kaum einen analytischen Wert. In Bezug auf diese Kontexte wird Korruption daher häufig gemäß eines „marktorientierten Modells“ beschrieben, das öffent­liche Ämter als Besitz und Einnahmequelle von Akteuren versteht. Diese finanzieren sich und häufig auch die Kosten ihrer Funktionsausübung aus der Amtsträgerschaft selbst. Es ist des Öfteren darauf hingewiesen worden, dass ein solches Modell nicht nur auf in Entwicklungsländern vorfind­liche Strukturen 1701 Zedler, Universal-Lexicon, Sp. 1373, definiert corrumpiren als verderben, verführen, verwüsten, bestechen, schmieren, so von demjenigen gesagt wird, die [sic!] die Richter beschencken, und auf andere Gedancken bringen, it. schwächen, beschlafen, schänden. Für das Franzö­ sische: Furetiere, Dictionaire, Lemma „corrompre“ spricht von corrompre unter anderem als gagner, suborner, attirer quelqu’un dans son party, l’empescher de faire son devoir. Le Gouverneur de cette place s’est laissé corrompre par argent […] les cageolleries de ce galant ont este capables de corrompre cette fille. Für eine historisch-semantische Analyse anhand franzö­sischer Wörterbücher, die primär auf den Verfall von Loyalität und sozialen Zugehörigkeiten verweist, vgl. Génaux, Mots de la corruption, 517 ff. 1702 Solche Interessen werden auch von NGOs wie etwa „Transparency International“ gestützt; vgl. etwa die Programmatik der Organisation unter http://www.transparency. de/Ueber-uns.44.0.html. 1703 Heidenheimer, Terms, 10.

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zutreffe, sondern auch auf die politische Kultur der Frühen Neuzeit anwendbar sei 1704. Dieser Tatsache hat die Frühneuzeit-Forschung – die vorliegende Studie eingeschlossen – eher durch das Aufgreifen von durch die Sozialanthropologie inspirierten Konzepten von „Patronage“ und „Klientel“ als durch die Verwendung eines solchen marktförmigen Korruptionsbegriffes Rechnung getragen. Die Orien­ tierung an letzeren Modellen tendiert bei allen analytischen Vorteilen allerdings dazu, aufgrund des Fehlens „moderner“ Strukturbedingungen, vor deren Hintergrund von Korruption gesprochen werden kann, solche Praktiken als unumstrittenen Normalfall zu betrachten 1705. Debatten über als illegitime Korruption wahrgenommene Praktiken gab es bekannt­lich aber auch in vor- und frühmodernen Gesellschaften. Dies hat nicht zuletzt eine gegenwärtig vor allem im deutschsprachigen Raum sprunghaft wachsende historische Korruptionsforschung aufgezeigt 1706. Die Behauptung, dass es Korruption in der Frühen Neuzeit eigent­lich nicht gegeben habe, weil sie aufgrund „unmoderner“ Strukturen und entsprechender Normensysteme nicht beschreibbar gewesen sei, kann daher mittlerweile als obsolet gelten 1707. Neuere sozialwissenschaft­liche Überlegungen zum Begriff der politischen Korruption treffen sich teilweise mit Ansätzen der historischen Korruptionsforschung. Ernesto Garzón Valdés hat darauf hingewiesen, dass Korruptionsvorwürfe vor allem im Hinblick auf konkurrierende Normensysteme formulierbar sind 1708, ohne dass hierfür die Strukturbedingungen moderner Gesellschaften mit ihren relativ klaren Scheidungen zwischen öffent­lichen und privaten Interessen und Praxisfeldern vorhanden sein müssen. Sie können theoretisch auch unter völlig anderen normativen und strukturellen Voraussetzungen innerhalb ganz verschiedener Gesellschaftsordnungen erhoben werden 1709. Solche Überlegungen kommen den Interessen einer historischen Korruptions­ forschung durchaus entgegen. Schließ­lich fragt diese unter mög­lichster Vermeidung anachronistischer Perspektiven nach gesellschaft­lichen Normensystemen und deren Wandel, ohne sich starr an den Korruptionstheorien der Moderne zu 1704 Noack, Korruption, 17. 1705 So etwa van Klaveren, Erscheinung der Korruption. 1706 Eine „Leistungsschau“ des in den letzten Jahren boomenden deutschsprachigen Forschungszweiges bieten folgende Sammelbände: Karsten / von Thiessen (Hrsg.), Nütz­ liche Netzwerke; Engels / Fahrmeier / Nützenadel (Hrsg.), Geld Geschenke – Politik; Grüne / Slanicka (Hrsg.), Korruption; Asch / Emich / Engels (Hrsg.), Integration. 1707 Darauf hat vor allem in Kritik zu Konzepten, die Korruption in der Vormoderne entweder als inexistent, weil gemäß zeitgenös­sischer Normen nicht beschreibbar, oder eben aufgrund ihrer allgemeinen Akzeptanz als omnipräsent bewertet wurden, bereits Waquet, De la corruption, 25 f., hingewiesen. 1708 Garzón Valdés, Korruption, 119. 1709 Ebd., 117.

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orientieren. Moderne Definitionen sind folg­lich nur dann für die historische Korruptionsforschung wertvoll, wenn sie zeitgenös­sischen Handlungslogiken und Diskursen angepasst werden 1710. Jens Ivo Engels hat dafür plädiert, Korruption in der histo­rischen Forschung als eine reine Zuschreibungskategorie zu betrachten. Korruption bezeichnet ihm zufolge Praktiken, die von Zeitgenossen als illegitim oder deviant verurteilt wurden 1711. Engels hat in diesem Zusammenhang aber auch darauf hingewiesen, dass frühmodernen Gesellschaften auch hier teilweise konfli­ gierende soziale und politische Normen zur Verfügung standen, die eindeutige Urteile erschwerten und bestimmte Praktiken heftigen Deutungskonflikten aussetzten 1712. Neben einem werthaften „Ethos der Patronage“ und dem Verständnis von Amtsträgerschaft als finanzieller Teilhabe konnte es ein konkurrierendes Set von Normen geben, das diese Praktiken in Frage stellte und ihnen Ideale der guten Regierung, der gerechten, „mora­lischen“ Ökonomie und des gemeinwohlorientierten Handelns, wie sie etwa im vorangegangenen Teilkapitel bereits beschrieben wurden, entgegensetzen konnte 1713. Sicher­lich konnten diese Normen in einzelnen Fällen auch die langfristige Durchsetzung von Gesetzgebungen und politischen Verfahren zur Bekämpfung von Korruption und damit Transformationsprozesse einer politischen Kultur begleiten und befördern 1714. Unter den Bedingungen des frühneuzeit­lichen „Normenpluralismus“ konnten häufig nur partiell und situationsabhängig mehr oder weniger eindeutige Grenzen zwischen legitimen und illegitimen Praktiken gezogen werden. Die Bewertung vieler umstrittener mikropolitischer Praktiken dürfte dauerhaft ambivalent und 1710 Schuller, Probleme, 388. 1711 Engels, Politische Korruption, 326 f. Dies kann sowohl kurzfristige Bestechungspraxis, aber auch lang andauernde, gar traditionell fundierte Patronagebeziehungen betreffen, die dann als „verflechtungsförmige Korruption“ beschrieben werden. Im Gegensatz zu dieser „kommunikativen“ Definition fasst bspw. Pfister, Politischer Klientelismus, 55 f. Korruption funktional als Herstellung kurzfristiger Kooperationen durch Bestechungsgelder auf. 1712 Engels, Politische Korruption, 326. 1713 So etwa das in den Bielefelder Sonderforschungsbereich eingelassene Projekt „Politische Korruption in der Frühen Neuzeit: Praktiken und Diskurse im deutsch-eng­lischen Vergleich (1550 – 1750 / 1800)“, vgl. die entsprechende Projektbeschreibung, http:// www.unibielefeld.de/geschichte/forschung/sfb584/project/phase3_b17_abstract.html. [23.5.2011]. Zur Semantik von „bottom-up“-Korruption frühneuzeit­licher württember­ gischer Amtsträger und Günstlinge, vgl. Grüne, Politische Korruption. 1714 Gegenwärtig läuft unter der Leitung von Simona Slanicka an der Universität Bern ein Forschungsprojekt, das oligarchische Amts- und Wahlkorruption in den Stadtrepubliken Bern und Venedig in dieser Perspektive vergleicht. Vgl. Den Beschrieb des Projektes unter : http://www.hist.unibe.ch/content/forschungsprojekte/korruption_ in_bern_und_in_venedig_1400_1700/index_ger.html.

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situationsabhängig verschiedenen Deutungsperspektiven unterworfen gewesen sein. Häufig können jedoch bestimmte Ereignisse und Zuspitzungen von Konflikten zu unterschied­lichen „Konjunkturen“ von Normengeltung führen, ohne langfristige Wandlungen einer politischen Kultur zu bewirken 1715. Es gab also nicht notwendigerweise eine fixe Grenzlinie zwischen legitimen und illegitimen Praktiken, sondern vielmehr verschiebbare Grenzräume mit beweg­lichen Konfliktzonen, in denen Kämpfe um die normative Deutungshoheit über bestimmte Praktiken ausgetragen werden konnten. Vormoderne Korruptionsdiskurse bauen daher auch häufig nicht konsequent auf definierten Gegennormen auf oder kritisieren grundsätz­lich Praktiken der Verflechtung. Sie können auch von Akteuren gebraucht werden, die in anderen Zusammenhängen eine kritisierte Praxis akzeptierten oder sich gar von ihr Profite versprachen. Häufig stellten sie näm­lich interessegeleitete Reaktionen auf empfundene Benachteiligungen innerhalb eines Patronagesystems dar 1716. Das Sprechen über Korruption verweist in der Frühen Neuzeit also nicht notwendigerweise auf systemische Alternativen. Stattdessen artikulierten sich Korruptionsdiskurse häufig so, dass sie die Grundlagen eines prinzipiell akzeptierten mikropolitischen Verteilungssystems gerade nicht in Frage stellten 1717. Sie konzentrierten sich häufig auf Einzelfälle von exzessivem mikropolitischem Handeln 1718. Die bereits angesprochene, über politische und soziale Zusammenhänge hinausweisende Semantik ermög­lichte es dabei zugleich, systemische Strukturen durch individualmora­lische Zuschreibungen von grundsätz­licherer Infragestellung abzuschirmen 1719. Vorwürfe politischer Korruption tauchten häufig im Zusammenhang mit Herrschaftswechseln bzw. Neuausrichtungen von Machtstrukturen in einem politischen System auf 1720. Dies war nicht nur in Wahlmonarchien wie dem Kirchenstaat beim 1715 Peck, Court Patronage, 185 ff. zeigt bspw. dass es im jakobitischen England zwar ein massives Einschreiten gegen Korruption gab, dass aber die damit betrauten Akteure selbst Gelder einstrichen. 1716 So unterscheiden Asch / Emich / Engels, Einleitung, 22 f. zwischen „taktischer Korruptionskommunikation“, die universalistische Normen zumeist mobilisiert, um Ansprüche auf Ressourcenverteilung zu kommunizieren, und „strate­gischer Korruptionskommunikation“, die in grundsätz­licherer Form Systemkritik formuliert. 1717 Vermittels frühneuzeit­licher Korruptionsdiskurse konnte „die politische Systemfrage bearbeitet werden, ohne sie in riskanter Weise tatsäch­lich explizit zu stellen. So blieb Raum für neue Elitenkompromisse im modifizierten Rahmen der hergebrachten Herrschaftsordnung“, vgl. Grüne, Anfechtung und Legitimation, 423. 1718 So etwa von Thiessen, Der entkleidete Favorit, 147, der darauf verweist dass die mangelnde Abwägung zwischen gemeinwohlorientierten und sozialen Normen ein Hauptmotor frühneuzeit­licher Korruptionsvorwürfe war. 1719 Vgl. vor allem Waquet, De la corruption, 116 f. 1720 Vgl. etwa den vergleichenden Beitrag zur Kritik des Günstlingssystems von ­Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz.

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Herrschaftsantritt eines neuen Pontifex und seines Kardinalnepoten der Fall 1721. Korruptionsvorwürfe brachte auch das Ende des „Systems Mazarin“ in Frankreich im Jahre 1661 hervor. Diese trafen vor allem den mächtigen Finanzminister N ­ icolas Fouquet. Auch hier verband sich die Abwicklung der Herrschaft eines Günstlingsministers mit einer Anklage und einer Verurteilung wegen Korruption und illegitimer Bereicherung im Amt, die als unmäßig, ja „kleptokratisch“ empfunden wurden. Aber auch hier ging es um die Neuverteilung von Macht und Einfluss innerhalb der Regierung und des komplexen Finanzsystems der franzö­sischen Monarchie. Treibende Kraft hinter den Anschuldigungen gegen Fouquet war näm­lich Jean-Baptiste Colbert, der die längste Zeit das jetzt als korrupt verurteilte System an entscheidender Stelle mitgetragen hatte. Colbert löste Fouquet schließ­lich als leitender surintendant des finances ab. In dieser Position war er aber keinesfalls jener absolutistische Musterbürokrat, als der er in der älteren Forschung betrachtet wurde 1722. Er war nicht nur an der Weiterführung und am Ausbau von Fouquets Systems beteiligt, sondern konnte sich, seiner Familie und seiner Klientel Posten und enorme Reichtümer verschaffen 1723. Die Maßnahmen gegen Fouquet verwiesen also nicht auf langfristige systemische Veränderungen der Regierungs- und Verwaltungspraxis der franzö­sischen Monarchie. Dennoch wurden Fouquets Sturz und seine Verurteilung zu einem Fanal für die Inszenierung der personalen Alleinherrschaft des jungen Königs Ludwigs XIV. und seiner vermeint­lichen persön­lichen Kontrolle über alle seine Regierungsgeschäfte 1724. Außenverflechtung und das Gesandtschaftswesen waren in der Frühen Neuzeit ebenfalls höchst anfällig für Korruptionsvorwürfe. Durch die Tatsache, dass es hier zumeist um mög­liche Manipulationen in den Beziehungen zwischen zwei Gemeinwesen bzw. Fürsten zugunsten auswärtiger Interessen ging, waren die mög­lichen Konfliktpotentiale und Spannungsfelder noch gewichtiger, da hier stets auch der Verdacht des Verrates artikuliert werden konnte. Ähn­lich wie Korruption scheint also auch „Verrat“ ein höchst variables Deutungsmuster zu sein, das als Instrument politischer Mobilisierung gebraucht wurde 1725. 1721 Als im Kirchenstaat der 1640er Jahre nach dem Tod Urbans VIII. auch das System des Kardinalnepoten Antonio Barberini zusammenbrach, griffen nach einem langen Pontifikat jene Regeln, die die neue und die alte Papstfamilie unweiger­lich in einen Konflikt miteinander brachten. Im Falle der Abwicklung des Barberini-Systems wurden dabei auch Korruptionsvorwürfe an den Kardinalnepoten erhoben. Der Nepotismus als solcher stand hier nicht zur Disposition. Er schuf zwar zwangsläufig strukturelle Verteilungskonflikte, blieb aber weiterhin systemnotwendig, vgl. Köchli, Nepoten. 1722 Vgl. hierzu bspw. Mousnier / Antoine (Hrsg.), Un nouveau Colbert. 1723 Vgl. vor allem Dessert, Argent, 279 ff. 1724 Dessert, 1661. 1725 Vgl. hierzu etwa die programmatische Umschreibung einer entsprechenden Sektion des Mainzer Historikertages 2012, http://hsozkult.geschichte.huberlin.de/tagungsberichte/

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Normen und Normenkonflikte

Im Unterschied zur gerade im deutschsprachigen Raum florierenden Korruptionsforschung ist der „Verrat“ als eine Kategorie politischer Devianz wesent­lich schlechter erforscht worden. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass sozial- und politikwissenschaft­liche Analysebegriffe, die mit der Kategorie des Verrats nicht selbst in irgendeiner Form polemisch umgehen, kaum zur Verfügung stehen 1726. Für den Verrat gibt es jedoch eine Reihe von zeitgenös­sischen Begriffen des römischen Rechts, die ihn anders als Korruption, in relativ klaren juristischen Kategorien beschreibbar machen, näm­lich als crimen laesae maiestatis oder als perduellio. Der Trennung beider Kategorien liegt selbst wieder ein Differenzierungsprozess zugrunde, der den „Kern“ des Verratsbegriffes, im Sinne der willent­lichen Verursachung von Schaden am Souverän bzw. am Gemeinwesen, von Vergehen wider die Person des Souveräns trennt 1727. Dieser Differenzierungsprozess blieb aber höchst unvollständig, da sich auch der eigent­liche Verratsbegriff nicht nur bis weit über die Frühe Neuzeit hinaus, zumindest in den Monarchien, nie von der Person des Souveräns ablösen ließ 1728 und mit dem Verrat am Träger von Herrschaft zugleich stets jene gött­liche Ordnung mitangegriffen wurde, auf die sie sich stützte 1729. In der Praxis ließ sich so nahezu jede den Interessen des Souveräns widersprechende Handlungsweise als Verrat umschreiben und bot ein entsprechendes Potential der Aufladung. Dass die Verflechtung von Untertanen mit äußeren Herrschaftsträgern auch Verratsvorwürfen Tür und Tor öffnete, die sich jedoch ähn­lich wie bei Korruption nicht auf durchgängige Ordnungsvorstellungen bezogen, ist offenkundig. In der frühneuzeit­lichen Eidgenossenschaft wurden immer wieder wegen der Verflechtung einheimischer Eliten mit ausländischen Mächten Vorwürfe wegen korrupter und verräterischer Praktiken laut. Dies war besonders ausgeprägt in protestantischen Gebieten, in denen sich seit dem 16. Jahrhundert ein wirkmächtiger Antikorruptionsdiskurs etabliert hatte, der um ein „Ideal des Nicht-Verflochtenseins“ kreiste 1730. Daran anschließend erließen viele Orte Regelungen, die es Einzelpersonen unmög­lich machen sollten, von ausländischen Pensionszahlungen zu profitieren 1731. id=4439&count=4478&recno=244&sort=datum&order=dow-n. Für 2015 ist das Erscheinen des Sammelbandes Krischer (Hrsg.), Verrat, angekündigt. 1726 Charakteristisch hierfür ist hierfür etwa die sich „zeitkritisch“ verstehende Diktion der klas­sischen Studie Boveri, Verrat aus den 1950er Jahren. 1727 Vgl Lieberwirth, „Crimen laesae maiestatis“, Sp. 650. Dieser Differenzierungsprozess verbindet sich auf dem Gebiet des Alten Reiches vor allem mit dem Werk des Rechtsgelehrten Benedikt Carpzov, vgl. die ältere Arbeit Tietz, Perduellio. 1728 So bereits Boveri, Verrat, 142. 1729 Schnabel-Schüle, Majestätsverbrechen, 37. 1730 Zum Ideal des „Nicht-Verflochtenseins“ vgl. Emich u. a., Stand und Perspektiven, 263 f. 1731 Vgl. hierzu: Suter, Korruption oder Patronage?; Windler, Ohne Geld. Speziell für den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Groebner, Gefähr­liche Geschenke.

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Unter den Bedingungen höfischer Politik in einem monarchischen Staatswesen waren derartige Verflechtungen und Ressourcentransfers zwar generell weniger problematisch. Aber auch hier gab es Fälle, in denen Außenverflechtung kriminalisiert wurde. Sie standen häufig im Zusammenhang mit Machtkämpfen zwischen höfischen Faktionen. Die Mobilisierung bestimmter Normenkonzepte und ihre politische und recht­liche Umsetzung waren aber auch hier häufig inkonsequent, widerspruchsvoll und von begrenzter Dauer. Im Jahre 1698 wurde etwa der schwedische Minister Niels Bielke wegen Hochverrates und der Annahme von franzö­ sischen Pensionsgeldern verurteilt. Die juristischen Grundlagen hierfür waren eher fadenscheinig. Sie beruhten auf zuvor äußerst lax gehandhabten Regelungen und einem hauptsäch­lich auf Bielke gemünzten allgemeinen Pensionsverbot, das nur sehr inkonsequent gehandhabt wurde 1732. Korruptionsvorwürfe konnten allerdings auch die Arbeit der Gesandten von Fürsten oder Republiken vor Ort betreffen. Sie mussten nicht nur Beziehungen zur höfischen Gesellschaft des aufnehmenden Hofes knüpfen, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Ebenso wurde auch die Vermittlung von Patronageressourcen an Freunde und Verwandte weitgehend akzeptiert. Allerdings folgte dies häufig impliziten Regeln, deren Nicht-Beachtung in Korruptionsvorwürfen münden konnte 1733. Auf die weitgehende Akzeptanz von Ressourcen- und Informationstransfers zwischen reichsständischen Gesandten und fremden Fürsten wurde bereits verwiesen. Erstere machten diese Praktiken gegenüber ihren Dienstherren häufig transparent. Dies hatte nicht zuletzt eine legitimitätsstiftende Funktion. Im Umkehrschluss deutet die Geheimhaltung von Transfers auf mög­licherweise zu gewärtigende Korruptionsvorwürfe hin 1734. Die Unterscheidung zwischen Verheim­lichung und Transparenz von Gabentausch diente auch in anderen Kontexten als Indikator für legitime oder illegitime Gabentauschpraktiken. Hieran haben sich auch neuere sozialwissenschaft­liche Forschungen bei der Suche nach Korruptionsdefinitionen orientiert 1735. Ebenso ist bereits erläutert worden, dass die Akzeptanz der Annahme 1732 Hatton, Presents and pensions, 110 ff. 1733 Spanische Botschafter bei der Kurie im frühen 17. Jahrhundert konnten zum Beispiel nicht ohne die Intervention der Krone und schon gar nicht gegen anderweitige Personalinteressen der Krone ein Kardinalat für eine bestimmte Person einwerben, vgl. von Thiessen, Patronage und Diplomatie, 174 ff. Auch eng­lische Gesandte wie der Earl of Strafford unter Elisabeth I. oder John Digby, Earl of Bristol, unter Jakob I. fielen wegen Informationen, die sie unter unklaren Umständen an die Spanier weitergaben und Geldern, die sie hierfür kassierten, in Ungnade. Vgl. Leimon / Parker, Treason and Plot. 1734 Bosbach, Kosten, 212. 1735 Vgl. – mit teilweise jedoch eher intransparenter Argumentationsführung – Bluhm, Macht. Vgl. die historische Parallele bei Groebner, Gefähr­liche Geschenke, 238 ff.

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von Geldern und Gütern nicht notwendigerweise auf die individuelle Schwäche einzelner Fürsten oder eine generelle Krise der politischen Kultur zurückzuführen ist. Kurfürsten und Fürsten des Reiches akzeptierten diese Praktiken, weil sie ihnen die Aufrechterhaltung eines Gesandtschaftswesens ermög­lichte und ihre Position gerade gegenüber den Geldgebern entscheidend verbesserte. Daran wird auch deut­lich, dass ein mit Begriff­lichkeiten aus der Neuen Institutionenökonomie für die sozialwissenschaft­liche Korruptionsforschung entwickeltes Principal-Agent-­ Client-Modell (kurz: PAC), das von einer einseitigen Manipulation zuungunsten des Prinzipals ausgeht,1736 nicht umstandslos für eine historische Korruptionsforschung nutzbar gemacht werden kann, die den Anspruch hat, die Bedingungen frühneuzeit­licher Staatsbildungsprozesse ernst zu nehmen 1737. Für die hier untersuchten außenpolitischen Handlungsspielräume mindermächtiger Akteure erweist sich das Modell als wenig aussagekräftig: Der Prinzipal (Fürst) wurde durch die Transaktionen von Agent (Gesandten) und Klient (auswärtige Macht) näm­lich keinesfalls zwangsweise geschädigt. 4.5.2 Verfahrensregeln und „Problembewusstsein“ vor 1674 Nachdem im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde, dass Praktiken der Verflechtung auch und gerade im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen als Korruption und Verrat problematisiert werden konnten, soll im Folgenden kurz nach mög­lichen Legitimitätsproblemen von Außenverflechtung im Reich vor den Ereignissen der 1670er-Jahre gefragt werden. Anhand welcher Normen war es mög­ lich, die Legitimität von Außenverflechtung anzuzweifeln? In welcher Form stellte sich den beteiligten Akteuren dieses Problem überhaupt? Insgesamt scheint dieses Thema für alle Beteiligten ledig­lich eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Gerade in Bezug auf Wahlverfahren im Alten Reich gab es zwar Regulierungen, die die äußere Beeinflussung von Wahlen verhindern sollten. Diese wurden jedoch kaum konsequent durchgesetzt. Dies lag nicht zuletzt an Problemen der exakten Interpretation von Regeln, die sich etwa bei der Frage nach Bestechungen und Einflussnahme auf Verfahren stellten. Besonders offenkundig war dies bei der Kaiserwahl. Zwar war im wichtigsten Wahlgesetzgebungswerk, der Goldenen Bulle Karls IV. aus dem Jahre 1356, für die Kurfürsten eine Eidesformel vorgesehen, die klare Verhältnisse zu schaffen schien. Die Königs- bzw. Kaiserwähler mussten schwören, dass sie weder Absprachen eingegangen seien, noch Bezahlungen

1736 Graeff, Prinzipal-Agent-Klient-Modelle. 1737 So etwa Suter, Korruption, 187 f.

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oder Belohnungen angenommen hätten 1738. Allerdings war dies für viele Zeitgenossen so deutungsoffen formuliert, dass die verschiedensten Interpretationsmög­lichkeiten hinsicht­lich der Beeinflussung durch Bestechung oder Patronagepraktiken offen blieben 1739. Eine Abhandlung mit dem Titel De electione Regis Romanorum aus dem Jahre 1655 formulierte gar die Auffassung, dass die Gelder an die Kurfürsten und ihre Minister nicht nur nicht die Verfahrensregeln unterminierten, sondern die faktische Notwendigkeit, diese Zahlungen zu leisten, gerade konstitutiv für den Charakter der freyen Wahl in einer Wahlmonarchie und die Nicht-Existenz einer habsbur­gischen Erbherrschaft waren. Wahlbestechung war in dieser Sicht daher kein zu vermeidendes Übel. Sie war jene Praxis, mit der sich eine freie Wahlmonarchie ihrer Existenz als solche versicherte 1740. Autor des Traktates war niemand anderer als Johann Christian von Boineburg, der zu diesem Zeitpunkt einer der voraussicht­lichen Hauptprofiteure einer mög­licherweise zwischen verschiedenen Kandidaten umstrittenen Kaiserwahl war! 1657 stellte der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig die Regelungen der Goldenen Bulle allerdings gegenüber den franzö­sischen Gesandten sehr wohl als ein Hemmnis für verbind­liche Zusagen über seine Stimme bei der Kaiserwahl dar. Er äußerte gegenüber Gramont und Lionne die Befürchtung, wenn er franzö­sische Gelder annehme, könnten ihn seine Kollegen mit Verweis auf die Goldene Bulle seiner erst 1648 wiedergewonnenen und nicht unumstrittenen Privilegien berauben, denn dieses Versprechen in den Worten, in denen es formuliert wurde, könnte ausreichen, ihn aus dem Kurkolleg zu jagen“1741. Von besonderem Interesse ist hier vor allem die Reaktion der franzö­sischen Gesandten: Sie betrachteten nicht nur das Kaiserwahlverfahren als keineswegs generell mikropolitikfrei und unmanipulierbar. Sie waren auch, wie im vorange­gangenen Teilkapitel gezeigt wurde, sehr wohl in der Lage, mikropolitisches Handeln als illegitim zu verurteilen – vorausgesetzt, es kam von habsbur­gischer Seite oder konnte dieser zumindest unterstellt werden. Im Gegensatz dazu gab es aber offensicht­lich kaum ein „Problembewusstsein“ für eigene Praxis. ­Gramont und Lionne sahen in Karl Ludwigs Argumentation mit den Bestimmungen der „Goldenen Bulle“ kaum 1738 iuro ad hec sancta dei ewangelia […] vocemque meam et votum seu electionem prefatam dabo absque omni pacto, stipendio precio vel promisso seu quocumque modo talia valeant appellari, Quellen zur Verfassungsgeschichte, 335. 1739 Zur Ambivalenz und Wiedersprüch­lichkeit des Begriffes der freien Kaiserwahl, vgl. Gotthardt, Säulen, 501 ff. 1740 [ Johann Christian von Boineburg] De electione Regis Romanorum […] Diatribe [1655] (BHStA, K. schw. 3735, fol. 87 ff.) 1741 Cette promesse aux termes qu’elle est conçue, suffiroit pour le faire chasser du collège électoral, Gramont und Lionne an Mazarin, „dans le chemin d’Heidelberg“, 19.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 105r).

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mehr als eines jener taktischen Verhandlungsmanöver, die sie dem Pfälzer Kurfürsten ohnehin permanent unterstellten 1742. Seine Bedenken taten sie inhalt­lich als grundlos ab 1743. Bestenfalls hielten es die franzö­sischen Gesandten für ein Problem der eingesetzten Mittel: Sie mutmaßten, dass es dem Pfälzer Kurfürsten darum gehe, irgendein ehrenhaftes Deckmäntelchen für einen Tauschhandel – Geld gegen Kurstimmen – zu finden 1744. Daher dachten sie etwa über eine Finanzierung seiner Armierungsprojekte als eine sinnvolle Maßnahme nach. Allein die Verteilung von Geld, so räsonierte Servien, wird schwer­lich einen Kurfürsten gewinnen können 1745. Allerdings reagierten die Franzosen hier eher auf von der „Empfängerseite“ her formulierte Bedenken wegen mög­licher Korruptionsvorwürfe. Eine eigenständige Motivation, zumindest den Anschein von Korruption zu vermeiden, gab es offensicht­lich nicht. Noch deut­licher lässt sich dies am Verhältnis der franzö­sischen Diplomaten zu den Verfahrensregeln geist­licher Staaten zeigen. Auch in den Domkapiteln des Alten Reiches wurden formelle Regelungen getroffen, die Bestechungszahlungen im Rahmen geist­licher Wahlen untersagten. Diese Praxis bezeichnete das Kirchenrecht als Simonie 1746. Das Übertreten dieser Regelungen war jedoch üblich. Zwar hat Hubert Wolf für das Ende des 17. Jahrhunderts ein „wachsendes Unrechtsbewusstsein“ und verstärkte Geheimhaltungspraxis konstatiert 1747. Ebenso gab es im späteren 17. Jahrhundert Fälle, in denen gerade die franzö­sische Krone aus taktischen Gründen ihre Unterstützung für Wahlkandidaten mit dem Argument zurückzog, man wolle unbedingt vermeiden, in den Geruch der Simonie zu kommen 1748. Auf die Praxis franzö­sischer Wahlbeeinflussung in den 1650er- und 1660er-Jahren traf dies allerdings nicht zu. Zwar schrieb Robert de Gravel 1663, man müsse das erste Abkommen mit Lothar Friedrich von Metternich, das unter anderem eine offene franzö­sische Unterstützung für seine Bischofswahl vorsah, unter allen Umständen geheim halten. Allerdings spielte hier die Vermeidung von Simonie keine Rolle. 1742 Gramont und Lionne an Mazarin, „dans le chemin d’Heidelberg“, 19.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 104r, fol. 111v). 1743 Gramont und Lionne an Mazarin, „dans le chemin d’Heidelberg“, 19.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 105v, fol. 106r). 1744 Quelque honnête couverture, Servien an Mazarin, Paris, 7.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 67v.). 1745 Pourra malaisément gagner un électeur, Servien an Mazarin, Paris, 11.8.1657 (AMAE, CP, Allemagne 136, fol. 65r). 1746 Vgl. Wolf, Simonie, 101 f.; Feine, Besetzung, 88 ff. 1747 Wolf, Simonie, 102. 1748 Dies war etwa der Fall beim überraschenden Rückzug der franzö­sischen Krone in von der Unterstützung eines ursprüng­lich aus der Eidgenossenschaft stammenden Kapitulars Reding als Kandidat für die Konstanzer Bischofswahl 1689 der Fall, vgl. Wunder, Konstanzer Bischofswahl, 389.

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Gravels Warnung hatte vielmehr eindeutig mikropolitische Gründe. Geheimhalten wollte man die Regelung näm­lich vor allem vor den Schönborn. Problematisch war näm­lich die Tatsache, dass sich die franzö­sische Krone über den Kopf des Erzbischofs hinweg auf eine Position bezüg­lich seiner Nachfolgeregelung festlegte 1749. Die von Gravel vorgeschlagene Lösung dieses Problems ist jedoch bezeichnend für die Tatsache, dass mög­liche institutionelle Verbote als Schranken für die Praxis franzö­ sischer Mikropolitik überhaupt keine Rolle spielten. Gravel näm­lich riet dazu, den Teil des Vertrages zu veröffent­lichen, der Lothar Friedrichs Entschädigung bezüg­ lich der franzö­sischen Besatzung in Philippsburg regelte. Dies konnte, so Gravel, nicht nur von der mög­licherweise für die Beziehungen zum gegenwärtigen Mainzer Kurfürsten unvorteilhaften Vertragsbestimmung ablenken, sondern trage auch zur Steigerung der könig­lichen gloire bei 1750. Aus franzö­sischer Sicht konnte es aber auch noch aus anderen Gründen von Vorteil sein, dass Ressourcentransfers gerade nicht diskret behandelt, sondern so sichtbar wie mög­lich gemacht wurden. Mazarin zeigte sich beispielsweise 1656 erfreut, dass man mit der schlechterdings schwer geheim zu haltenden Verleihung einer Abtei an Franz Egon von Fürstenberg die Frankreichbindung einzelner Akteure als franzö­sische Klienten vor aller Augen dokumentieren könne, damit weder Zweifel noch Skrupel in den Geistern bleiben, […] glaube ich, dass man greifbare öffent­liche Zeichen setzen sollte […], dass die Leute sehen mögen, dass es weder in ihm selbst etwas Österreichisches in der ganzen Bindung gibt, die er eingehen wird, noch etwas, das nicht franzö­sisch ist 1751. Geheimhaltung oder Legitimierung durch Umformung von Ressourcen aus Rücksicht auf politische Verfahrensregeln und zur Prävention von Korruptionsvorwürfen spielte hier nicht nur keine Rolle. Die Sichtbarkeit von Gabentauschbeziehungen war als Festlegung von Seiten eines Klienten und als sichtbare symbo­lische Manifestation eines patronagepolitischen Erfolges explizit wünschenswert.

1749 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.3.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 58v). 1750 Robert de Gravel an Ludwig XIV., Frankfurt, 10.3.1663 (AMAE, CP, Allemagne 157, fol. 61v). 1751 Afin qu’il ne reste aucun doute ni aucun scrupule dans les esprits, j’estime qu’on doit donner des marques réelles publiques […] que le monde voye qu’il n’y a rien en luy d’Austrichien, ni rien qui ne soit pas françois dans l’entière liaison qu’il procurera, Mazarin an Wagnée, Paris, 28.3.1656 (AMAE, CP, Cologne 2, fol. 400r).

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4.5.3 Die öffent­liche Debatte um die Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg Die Tatsache, dass im Reich seit den späten 1660er-Jahren eine zunehmend anti­ franzö­sische Stimmung aufkam, spiegelte sich auch in der zeitgenös­sischen Publizistik wider. Begleitet wurde dieser Stimmungswandel näm­lich von einer ganzen Reihe antifranzö­sischer Flugschriften, die seit Beginn der 1670er-Jahre in größerem Umfang im Reich zirkulierten 1752. In solchen Schriften konnte auch die Rolle der franzö­sischen Diplomatie und deren mikropolitische Praxis thematisiert werden. In einem weit verbreiteten Traktat mit dem Titel Machiavellus Gallicus aus dem Jahre 1675 etwa wurden die franzö­sischen Residenten an den Höfen des Reiches als Spione und Manipulateure dargestellt. Sie „kauften“ Minister, um sie zu Vertretern franzö­sischer Interessen zu machen oder versuchten wenigstens, dem einen oder anderen von ihnen mit güldenen Kuchen den Mund nur so weit zu sperren / damit er wenigst wo nicht vor / doch auch nicht gegen das frantzö­sische Interesse reden mögte 1753. Treuen und unbestech­lichen Fürstendienern, die sich nicht von franzö­sischem Geld beeindrucken ließen, drohte allerdings, so der Machiavellus Gallicus, ein tra­gisches Los. Die Vertreter der franzö­sischen Krone versuchten dann näm­lich, einen solchen treuen Ministrum als einen geschwornen Feind zu ruiniren / oder wenigst an grösserer fortun und seinem Aufnehmen zu hindern 1754. Interessanterweise richteten sich hier die Korruptionsvorwürfe gar nicht primär an Personen von zweifelhafter Integrität und Loyalität wie die Brüder Fürstenberg. Es waren eher die franzö­sische Diplomatie und ihre Methoden, die mit aller Deut­ lichkeit abgelehnt wurden. Desgleichen wurde „Korruption“ als illegitime mikropolitische Praxis nicht nur als Vorteilsnahme durch Amtsträger präsentiert. Vielmehr bemühte sich der Autor des Traktates auch hervorzuheben, dass Akteure, die sich auf franzö­sische Verflechtungsbeziehungen einließen, selbst persön­lich nur die größten persön­lichen Nachteile davon hätten. Ihre Vorteilsnahme schlage näm­lich in aller Regel bald in Erpressung durch die franzö­sischen Geldgeber um, wann solcher fremdbder Potentanten corrumpirte ministri hernach nicht flugs alles thun wollen / was die Frantzosen träumen […] so wird ihnen gedrohet / sie selbst zu verrathen / und ihre Brieff denen Principalen zu zeigen 1755. Ebenso mache man zwar heim­liche tractaten. Nur 1752 Vgl. hierzu die umfassende neuere Analyse dieser Publizistik Schillinger, Pamphlétaires allemands, sowie Wrede, Das Reich und seine Feinde, 324 – 545. Für ältere Beiträge zu dieser Thematik vgl. Haller, Deutsche Publizistik; Gillot, Règne de Louis XIV.; Meyer, Flugschriften. 1753 Machiavellus Gallicus, 25. 1754 Ebd. 1755 Ebd. Dass eine solche Verflechtung legitimiert, ja sogar gewünscht sein kann, zieht der Autor verständ­licherweise nicht in Betracht.

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behielten sich die Franzosen vor, wenn es ihnen opportun erschien, so denen Interessirten / und der gantzen Welt bekanntzumachen, umb denjenigen / so den Frantzosen darinn getrauet / verhaßt und suspect machen. Darüber hinaus handele es sich bei den franzö­sischen Geldern um bisweilen auch falsche Juwelen und fallsch Gold. Dies sei allerdings bil­lich /dann auff falsche Treu / gehört falscher Lohn 1756. Hier wird also nicht nur einseitig die Verantwortung für korrupte Praktiken auf der „Täterseite“ gesucht. Ebenso werden die Korruptionsvorwürfe keineswegs ausschließ­lich von den Normen der Amtsträgerschaft und des Fürstendienstes her formuliert. Sie vermischten sich vielmehr mit mikropolitikbezogenen Feindbildern, wie sie in ähn­licher Form auch von franzö­sischen Diplomaten gegenüber den Habsburgern verwendet wurden. So lassen sich in den vorangegangenen Passagen etwa die bereits bekannten Motive der unaufrichtigen und intriganten Patronage und der Unwilligkeit bzw. Unfähigkeit, Klienten angemessen mit Ressourcen zu versorgen, wiederfinden. Die Vorwürfe verwiesen hier also eher auf ein ziem­lich diffuses Konzept franzö­sischer Manipulation als auf ein an Amtsträgeridealen orientiertes Korruptionsverständnis, das die Tatsache des Amtsmissbrauches zum eigenen Vorteil problematisierte. Der Machiavellus Gallicus ging aber in diesem Kontext noch weiter und nahm auch die dynastische Politik der Krone ins Visier: Franzö­sische Prinzessinnen und hochadelige Töchter würden mit Reichsfürsten verheiratet, um dann durch ihre Verschwendungssucht die Territorien auszuplündern. An die Vorwürfe der mikropolitischen Manipulation lagerten sich hier also auch noch protonationale Stereotypen und misogyne Diskursfiguren an, die auf das weite Assoziationsfeld der eingangs beschriebenen Korruptionssemantik verwiesen 1757. Ebenso wurden in diesem Kontext, Korruptionsvorwürfe nicht nur mit dem illegitimen und schäd­lichen Hereinfließen von Geldern, sondern auch mit dem manipulierten Abfließen eigener Güter, also mit einer Art „Ausbeutung durch Außenverflechtung“ assoziiert 1758. Diese Artikulation von Korruptionsvorwürfen und die vehemente Abgrenzung zum west­lichen Nachbarn im Rahmen einer publizistischen Öffent­lichkeit fügten sich zwar im Großen und Ganzen in langfristige Prozesse der Bildung einer deutschen Identität. Die spezifische „Leistung“ dieser Medien für proto­nationale Diskurse und ihre Mög­lichkeit, inhalt­liche Innovationen hervorzubringen, ist allerdings umstritten. Neuere Studien konnten zeigen, dass die Polemik gegen die Person Ludwigs XIV. ein dominanter Zug in dieser Form der Publizistik war, der frankophoben Diskursen 1756 Machiavellus Gallicus, 24. 1757 Was der König durch sich oder seine Residenten nicht verrichten kan, darzu gebraucht er […] junge frantzö­sische Weiber/ die er bald diesem bald jenen König oder Fürsten an den Halß hencket / umb die Consilia zu penetrieren und zu verwirren / factiones zu machen / alles in Unruhe zu setzen / oder wenigst/ wan es wohl abgehet / durch Pracht und Muthwil / die Land-Kammern außzulehren, Ebd., 26. 1758 Vgl. hierzu auch Schillinger, Pamphlétaires, 390 ff.

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eine neue Qualität verlieh. Allerdings diente sie eher als Verstärker und Katalysator altbekannter Stereotypen wie etwa der Bedrohung der teutschen libertät 1759. Inwiefern sich die Deutung von „Außenverflechtung“ als Korruption und die Anklage gegen einzelne Akteure als Verräter, oder mit zeitgenös­sischem Vokabular, Teutschlinge und teutsche Frantzosen, Innovationen des patriotischen Diskurses in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts darstellten, bedürfte einer eigenen Untersuchung 1760. Im Folgenden sollen aber weniger allgemeine Debatten über Patriotismus, Reichsverrat und die Wahrnehmung von „Reichsverrätern“ im Allgemeinen im Vordergrund stehen als vielmehr spezifisch die publizistisch ausgetragene Debatte um die Legitimität bzw. Illegitimität des kaiser­lichen Vorgehens gegen Wilhelm von Fürstenberg. Dafür muss zunächst ein weiteres konstitutives Moment der Herausbildung politischer Öffent­lichkeiten in der Frühen Neuzeit hervorgehoben werden: In kritischer Absetzung zu Jürgen Habermas’ holzschnittartigem Konzept „repräsenta­ tiver Herrschaftsöffent­lichkeit“1761 haben eine Reihe von Studien gerade für das Alte Reich darauf hingewiesen, dass es im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert eine durchaus signifikante „politikbeobachtende“ Öffent­lichkeit gab 1762, in der Gelehrte und Publizisten politisches Tagesgeschehen kommentierten 1763 oder gar Untertanen ihren Anliegen gegenüber der Obrigkeit öffent­liches Gewicht zu verschaffen suchten 1764. Erst in jüngerer Zeit ist dem Umstand wieder mehr Raum eingeräumt worden, dass die zentralen Akteure politischer Öffent­lichkeit in der Frühen Neuzeit häufig nicht „Politikbeobachter“ außerhalb des Geschehens waren, sondern die politisch Handelnden selbst bzw. in ihrem Auftrag agierende Publizisten 1765. Diese reagierten auf eine sich ausdifferenzierende politisch interessierte und sich selbst artikulierende Öffent­lichkeit, die die Obrigkeiten verstärkt zu elaborierteren Legitimierungen eigenen politischen Handelns veranlassten 1766. 1759 Schmidt, Das Alte Reich, 216 ff.; 1760 Martin Wrede geht davon aus, dass einerseits Motive der Kritik an der Uneinigkeit des christ­lichen Abendlandes aus der Türkenpublizistik des 16. Jahrhunderts und alamodische Kulturkritik andererseits in der Auseinandersetzung mit Ludwig XIV. in einem zuvor unbekannten Ausmaß politisch aufgeladen wurden. Vgl. Wrede, Das Reich und seine Feinde, 414 f. 1761 Habermas, Strukturwandel, 60 ff. 1762 Vgl. Schlögl, Politik beobachten. 1763 Gestrich, Absolutismus und Öffent­lichkeit. Vgl. auch den jüngeren Beitrag Freist, Öffent­lichkeit und Herrschaftslegitimation sowie die eher allgemeineren Überlegungen bei Richter, „Prädiskursive Öffent­lichkeit“ und Körber, Vormoderne Öffent­lichkeiten. 1764 Vgl. etwa Würgler, Modernisierungspotential. 1765 Vgl. dazu Burgdorf, Diskurs. 1766 Inwiefern sich Erwartungen dabei verschoben ist aber nicht ganz klar. So verweist Repgen, Öffent­lichkeit auf das Interesse an mög­lichst „ungefilterter“ Information,

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In diesen Zusammenhang ordnet sich auch die Debatte über die Legitimität bzw. Illegitimität von Wilhelms Aktivitäten in franzö­sischen Diensten und des Einschreitens der Habsburger gegen ihn ein 1767. Da die Aktion gegen Fürstenberg kontroversere Reaktionen hervorgerufen hatte, als dies von den Verantwort­lichen in Wien offenbar erwartet worden war, wurde der kaiser­liche Rat und Gesandte François de Lisola mit der öffent­lichen Rechtfertigung des kaiser­lichen Coups beauftragt. Lisola selbst stammte aus der Franche-Comté und war als Diplomat in verschiedener Form in habsbur­gischen Diensten tätig gewesen. Er war unter anderem kaiser­licher Gesandter in Brandenburg, bei den niederländischen Generalstaaten und Sondergesandter des Kaisers am spanischen Hof gewesen 1768. Wilhelm von Fürstenberg war er in seiner Funktion selbst des Öfteren persön­lich begegnet und hatte kein gutes Haar an ihm gelassen. In seiner Korrespondenz hatte er ihn unter anderem mit einem Häretiker verg­lichen 1769. Lisola hatte sich bereits im Devolu­ tionskrieg in Flugschriften gegen die franzö­sische Politik gewandt, war also in puncto antifranzö­sischer Publizistik kein unbeschriebenes Blatt 1770. 1674 versuchte er zunächst, eher knapp gefasst, den kaiser­lichen Coup mit kasuistischer Argumentation als durch die Übertretung eines kaiser­lichen Avocatorialmandates gerechtfertigt und als gesandtschaftsrecht­lich unbedenk­lich darzustellen. Fürstenberg sei schließ­lich zum Zeitpunkt seiner Gefangennahme nie als Gesandter anerkannt worden 1771. Dies war allerdings ein zentraler Streitpunkt, an den auch die heftige Kritik am österreichischen Vorgehen anschloss, die etwa der schwedische Gesandte Esaias Pufendorf höchstwahrschein­lich im franzö­sischen Auftrag formulierte 1772. Lisola sah sich gezwungen, einen weiteren, diesmal etwas umfangreicheren Traktat mit dem programmatischen Titel Detention de Guillaume, Prince de Furstenberg, nécessaire pour maintenir l’authorité de l’empereur la tranquilité de l’empire et pour procurer une paix juste, utile et nécessaire vorzulegen. Lisolas Schrift bediente sich zweier Argumentationsstränge, die sich immer wieder miteinander verbinden sollten: Zum einen versuchte Lisola sein formalrecht­liches Argument, Fürstenberg während Pröve, Ius ad bellum, am Beispiel von Begründungen militärischer Gewalt nachzuweisen sucht, dass die obrigkeit­liche Publizistik immer elaboriertere Stil- und Argumentationsformen annahm, da sie auf wachsende Ansprüche eines politisch interessierten Publikums zu reagieren hatte. 1767 Zu dieser Debatte Strohmeyer, „Aller Rebellionen Ausgang“. 1768 Vgl. Zur Person Franz von Lisolas, vgl. Baumanns, Das publizistische Werk, 289 ff.; Pribram, Lisola. 1769 Lisola an Grana, Den Haag, 26.1.1672 (HHStA, KA 148, fol. 397r). 1770 Lisola, Bousclier d’Estat. Vgl. Baumanns, Das publizistische Werk, 165 ff. 1771 Vgl. Lisola, Lettre. 1772 So etwa die Publikation einer Bittschrift des schwedischen Residenten Esaias ­Pufendorf. Vgl. Ders., Abschrifft.

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sei als Gesandter nicht anerkannt worden und habe daher nie einen entsprechenden Schutz genossen, auf eine breitere Grundlage zu stellen. An den sach­lichen Problemen dieser Argumentation änderte jedoch auch die größere Ausführ­lichkeit Lisolas wenig. Sie stand weiterhin auf tönernen Füßen. Die meisten Gesandten auf dem Kölner Kongress hatten Fürstenberg näm­lich als solchen anerkannt 1773. Das schloss auch Lisola selbst ein. Er hatte sich von Fürstenberg unter anderem eine erste Visite abstatten lassen, was diesen zu einem durch das Gesandtschaftszeremoniell legitimierten Teilnehmer des Kongresses machte 1774. Es bedurfte eines eigenen Traktates, in dem Lisola umständ­lich und wenig glaubwürdig behauptete, die Visite sei auf eine bösartige Täuschung Fürstenbergs zurückzuführen 1775. Zum anderen argumentierte Lisola, und dies ist für das Erkenntnisinteresse dieses Kapitels von besonderer Bedeutung, auch auf einer politisch-mora­lischen Ebene. Dabei ging er auch auf jene Normen ein, denen Gesandte bzw. Amtsträger im Allgemeinen zu folgen hätten. In diesem Zusammenhang unterzog Lisola vor allem Fürstenbergs Rollenvielfalt heftiger Kritik. Durch dessen sich widersprechende Rollen als kaiser­licher Lehnsmann, kurkölnischer Minister, franzö­sischer Unterhändler und Oberst ergäbe sich näm­lich sch­licht eine Unvereinbarkeit der Chargen in der Person des Fürsten Fürstenberg 1776. Da die Kurfürsten unter Umständen Arkana des Reiches wahrten, seien sie, so Lisola, verpf­lichtet, diplomatische Vertreter einzusetzen, die ausschließ­lich ihre eigenen Fürsten als Dienstherrn anerkannten, ohne eine verdächtige fremde Abhängigkeit 1777. Damit war Fürstenberg in der Darstellung Lisolas nicht nur rein faktisch nicht als Gesandter auf dem Kölner Kongress legitimiert gewesen. Er habe sich vielmehr durch eine solche Gemengelage von Rollen und Identitäten a priori für jedwede diplomatische Tätigkeit disqualifiziert. Diese dubiose „Identitätspolitik“ sowie generell die Zusammenarbeit F ­ ürstenbergs mit der franzö­sischen Krone bezeichnete Lisola mit Begriffen aus dem Wortfeld corrompre / corruption. Wenn Fürstenberg hier als petit ministre corrompu beschrieben wurde 1778, so spiegelt sich dabei die bereits angesprochene vielschichtige Semantik von corruption wider. Lisola bediente sich etwa der Metaphorik des vergifteten, also auch phy­sisch „korrupten“ (politischen) Körpers, um die Folgen der franzö­ sischen Praktiken für das Reich zu beschreiben. Durch das Geld und die politischen 1773 O’Connor, Negotiator, 65. 1774 Vgl. Krischer, Souveränität, 9. 1775 „Copey der Rechtfertigung“, vgl. hierzu auch Baumanns, Das publizistische Werk, 295. Zu diesen und anderen juristischen Widersprüch­lichkeiten vgl. auch Strohmeyer, Rebellionen, 72. 1776 Incompatibilité des charges en la personne du prince de Furstemberg, Lisola, Détention, 52. 1777 D’égaler le serviteur au maistre, Lisola, Détention, 40. 1778 Le droit des gens permet-il à un Souverain de faire des intrigues et des cabales chez son voisin, d’y former des factions et de corrompre les ministres?, Lisola, Détention, 8 bzw. ebd. 14.

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Machenschaften Frankreichs habe sich sich das Gift soweit in den Venen verbreitet, dass der ganze Körper von Krämpfen geschüttelt wird 1779. Sie schädigten den „Reichskörper“ als Ganzes, da der partikulare Nutzen Einzelner hier über das allgemeine Interesse des Reiches gestellt würde. Dies führe zur unkontrollierten Ausbreitung von Einzel­ interessen bestimmter Personen – les inclinations particulieres des uns oder les nécessités domestiques des autres – und zu massivem gegenseitigen Misstrauen im Reich 1780. Für Lisola war die Frankreichbindung Wilhelms von Fürstenberg auch deswegen unter keinen Umständen zu rechtfertigen und als désertion zu verurteilen 1781. Die Situation des Krieges verschärft die Lage ledig­lich, da Fürstenberg verpf­lichtet gewesen wäre, ins Reich zurückzukehren. Seine Weigerung, dies zu tun, mache ihn zum criminel, wofür er nun riskiere, mit dem Tode zu bezahlen 1782. Man könne zwar zugestehen, dass Fürstenberg an einen fremden Hof gegangen sei, um dort das Glück zu suchen, das ihm in seinem Land nicht günstig war 1783. Fürstenberg hätte allerdings grundsätz­lich nicht in franzö­sische Dienste treten dürfen: Denn da der franzö­sische König seit jeher eifersüchtig auf die grandeur des Hauses Habsburg gewesen und im Übrigen gefähr­licher sous le nom d’ami denn als erklärter Feind sei, hätte Fürstenberg gar nicht für den franzö­sischen König tätig sein und eine fortune erwerben können, ohne damit zunächst Kaiser und Reich massiv zu schaden. Ihm hätte klar sein müssen, dass die Franzosen ihn nur kauften, um ihnen als Makler beim Erwerb der Freiheit Deutschlands zu dienen 1784. Fürstenberg habe gewissermaßen als „Köder“ der Franzosen fungiert, man musste einen Deutschen beschäftigen, der, indem er den guten und aufrichtigen Mann mimte, die anderen ins Boot holte 1785. Damit wurden nicht nur die wesent­lich komplexeren politischen Hintergründe und Motiva­tionen franzö­ sischer Verflechtung in den 1650er- und 1660er-Jahren stark simplifiziert, indem man sie zur Folge einer politischen List erklärte. Ebenso hätte es zu keinem Zeitpunkt eine Legitimität von Frankreichbindungen geben können.

1779 Le venin s’est tellement coulé dans ses veines, que tout le corps est devenu hectique, Lisola, Detention, 45 f. 1780 Lisola, Détention. Erneut sei hier auf die diskursive Parallelität zur Koppelung des Verfolgens von Eigen- vor Gemeininteressen durch „korrupte“ Praktiken an den Verfall des „Gemeinnutz“ im oberdeutschen kommunalen Kontext verwiesen. Vgl. Groebner, Gefähr­liche Geschenke, v. a. 184 ff. 1781 Lisola, Détention, 40. 1782 Ebd., 50. 1783 Rechercher la fortune, qui ne luy estoit trop favorable en son pais, Lisola, Détention, 46. 1784 [...] Ne l’ont achetté, qu’afin de leur servir de courtier en l’acquisition de la liberté de l’Allemagne, Lisola, Détention, 43. 1785 Il falloit y employer un Allemand, qui en faisant l’homme de bien et sincere fist entrer les autres dans la nave, Lisola, Détention, 44.

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Wilhelms Unterstützung der Franzosen wurde bei Lisola also grundsätz­lich als Verrat am Reich dargestellt. Damit scheint zunächst seine Schrift Teil eines Diskurses zu sein, der sich durch Abgrenzung nach außen an „proto-nationaler“ Identitätsstiftung beteiligte. Zwar eröffnete auch Lisola „deutsch-franzö­sische Fronten“, beklagte den Ausverkauf der libertés allemandes oder verwies auf Fürstenbergs Verfehlungen gegenüber seiner patrie, der er sentiments de charité schuldig sei 1786. Allerdings ist hier nicht nur zu beachten, dass der patria-Begriff in der Frühen Neuzeit vieldeutig war und keineswegs zwangsweise auf proto-nationale Bezugsgrößen verwies 1787. Hier lag auch gar nicht der zentrale Fluchtpunkt von Lisolas Polemik gegen ­Fürstenberg als Reichsverräter und korruptem Fürstendiener. Lisolas Schrift bediente sich zwar eines bestimmten Konzeptes von Reichspatriotismus. Dabei handelte es sich weniger um eine „reichsdeutsche“ Identitätskonstruktion im Sinne eines „frühmodernen Staates der deutschen Nation“. Die „reichspatriotische“ Perspektive Lisolas auf die Vergehen Fürstenbergs ist vielmehr eine sehr stark dynastische, die eine auf personalen Bindungen beruhende Loyalität gegenüber dem Reichsoberhaupt in den Vordergrund stellte. „Vaterlandsliebe“ hätte sich aus Sicht Lisolas etwa aus den seit Generationen an Angehörige der Familie verliehenen Hofämtern und ihren daraus gezogenen Reichtümern und der unverdienten Gnade des Reichsfürstentitels ergeben müssen 1788. Lisola ging es nicht nur um die generationenübergreifenden Dienstsverhältnisse und Patronagebindungen zum Kaiserhaus. Er führte vor allem prominent die Feudalbeziehungen des Hauses Fürstenberg gegenüber den Habsburgern ins Feld, um Wilhelms Verhalten zu diskreditieren. Dabei war nicht nur von adeliger Lehenstreue gegenüber dem Kaiser als hierarchischer Spitze des Reiches die Rede, sondern auch davon, dass die Fürstenberg gegenüber den Habsburgern als erbländischen Landesherren durch ihre im frühen 17. Jahrhundert erworbenen Besitzungen in Niederösterreich und Böhmen direkt lehenspf­lichtig waren 1789. Er [Fürstenberg] hat einen Eid geleistet […] dergestalt, dass er durch dieses Mittel gleichsam Erbvasall und Untertan des Territoriums wurde, der dem Kaiser durch mehr als einen Eid verbunden war 1790. Die Thematisierung dieses Verhältnisses bot für Lisola eine zusätz­liche Stützung seines Argumentes, dass es nicht erst der jetzt zwischen Frankreich und dem Reich 1786 Ebd., 41. 1787 Zur Vieldeutigkeit des Patriotismusbegriffes und seiner Referenzen vgl. etwa von Friedeburg (Hrsg.), „Patria“ und „Patrioten“. Krieger, Patriotismus in Hamburg, zeigt, dass sich auch noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der „patria“-Begriff auf kommunale Gemeinschaften anwendbar war. 1788 Lisola, Détention, 42. 1789 Zu den fürstenber­gischen Besitzungen in den Erblanden vgl. Knittler, „Fürstenthumb“. 1790 Il a fait hommage […] tellement que par ce moyen il est comme vassal hereditaire et sujet du territoire, obligé à l’Empereur par plus d’un serment, Lisola, Detention, 42.

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herrschende Krieg gewesen sei, der Fürstenbergs Bindung an die franzö­sische Krone delegitimiere. Schon während der Kaiserwahl hätte Fürstenberg nicht gegen seinen Lehnsherren agieren dürfen 1791. Lisola hob also weniger protonationale Identifikationsformen mit Kaiser und Reich als vielmehr gerade das archaischste Element, das Fürstenberg an die Kaiser und Reich band, näm­lich die Beziehungen zwischen Lehensherr und Vasall hervor, um Fürstenbergs Frankreichbindung zu brandmarken 1792. Mit einer dezidiert dynastischen Perspektive auf den Gegensatz zu Frankreich schloss auch der Traktat. Lisola hob die universalmonarchische Legitimität der habsbur­gischen Kaiserherrschaft und deren sakrale Bedeutung hervor. Diese werde vom franzö­sischen Monarchen ledig­lich imitiert und angemaßt. Dabei ging Lisola sogar so weit, die Salbung der franzö­sischen Könige im Vergleich zur natür­ lichen Autorität der Kaiser als chimärischen und nichtssagenden Akt abzutun 1793. Protonationalstaat­liche Selbstidentifikationen und der Ausschluss eines „teutschen Franzosen“ aus einer imaginierten „nationalen Gemeinschaft“1794 standen in Lisolas Schrift also gar nicht so sehr im Vordergrund. Das hier präsentierte Reich war kein „frühmoderner Staat der deutschen Nation“1795. Vielmehr wurde es als ein vielfältiges, sowohl durch feudale als auch personale, vor allem um das Reichsoberhaupt herum zentrierte Bindungen, aber gleichwohl als ein durch bestimmte leitende Vorstellungen und Mythen konstituiertes Geflecht traditionaler Beziehungen präsentiert. Lisolas Reichspatriotismus ist primär im Rahmen eines die Person des Reichsoberhauptes glorifizierenden „Kaiserpatriotismus“ zu betrachten 1796, der mit den von Peter Burke analysierten „PR -Strategien“ zur Verherr­lichung Ludwigs XIV . vergleichbar ist 1797. Dies konnte mit der Hervorhebung einer proto-nationalen 1791 Lisola, Detention, 62. 1792 Lehensbeziehungen können in der Frühen Neuzeit mit einem gewissen Recht als „primäre Loyalitäten“ betrachtet werden. So etwa für das 16. Jahrhundert Roll, Reichsregiment. 13 f. Zur konstitutiven Rolle von Lehensverhältnissen während der gesamten Geschichte des Alten Reiches vgl. dies. Archaische Rechtsordnung. Zur Bedeutung der Lehensbindungen an den Kaiser im Alten Reich vgl. auch Stollberg-Rilinger, Reich als Lehnssystem. 1793 Lisola, Detention, 64 f., spricht von den rares qualités d’esprit, qui sont plutost naturelles que acquises par la simple onction exterieure d’un peu d’huile appliqué aux épaules, quoy que pour cette considération mêmes il n’en devoit parler qu’avec un très profonde respect, puis que l’onction ’attire même sur les Roys méchans, dont nous avons un si illustre exemple en Saul. 1794 Wrede, Feindbilder, 537. 1795 Vgl. Schmidt, Altes Reich, sowie noch stärker „modernisierungstheoretisch“ zugespitzt Lau, Teutschland. 1796 Vgl. Schumann, Die andere Sonne. 1797 Vgl. hierzu Burke, Fabrication.

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„teutschen“ Identität einhergehen, ließ sich jedoch gerade im Falle von Schriften, die im eindeutigen Auftrag des Kaisers verfasst wurden, nicht von einer Perspektive entkoppeln, die den Reichsverband als Geflecht von traditionalen Lehensabhängigkeiten in den Vordergrund rückte und auch auf die Bedeutung dynastischer Zugehörigkeiten verwies 1798. Die kaiser­liche Polemik nahm im Falle Fürstenbergs in dieser Form aber gerade noch nicht die spätere Entwicklung des deutsch-franzö­ sischen Antagonismus unter nationalistischen Vorzeichen vorweg. Eine solche stark auf personalen habsbur­gischen Loyalitäten beruhende Perspektive konnte sich nicht nur Lisola, der als Franc-Comtois im weitesten Sinne Reichsangehöriger, aber zugleich Untertan der spanischen Krone war, leicht zu Eigen machen 1799. Ähn­liche Diskursfiguren findet man auch in den vom Reichstag gegen Franz Egon von Fürstenberg erlassenen Mandaten. Der Erlass gegen diesen strich den Kampf um die teutsche libertät heraus und insisierte, dass sich Fürstenberg nicht auf franzö­sischem Boden hätte aufhalten dürfen. Franz‘ Egons Vergehen wurden jedoch im selben Zuge als Versuch der Dismembration zwischen des Reichs höchstem Ober-Haupt / und dessen getreuen Mitgliedern, als Vergehen an seinem von Gott vorgesetzten Oberhaupt und damit als Angriff auf das Reich als gött­lich legitimierte Lehensordnung mit dem Kaiser an der Spitze beschrieben 1800. Ebenso beruhten die Maßnahmen gegen die Fürstenberg auf einem „Reichskrieg“ gegen Frankreich, der sich noch gar nicht schlüssig als außenpolitisches Faktum beschreiben und von Zwischenstaat­lichkeitsdiskursen her begründen ließ. Man blieb dabei auf jene Verfahren angewiesen, mit denen man auch gegen „Rebellen“ und andere innere Feinde von Kaiser und Reich einschritt 1801. Erst im unmittelbaren Vorfeld der unter anderem durch Wilhelm von Fürstenberg ausgelösten Krise 1688/89 gelang es, das Reich angesichts der Bedrohungen von außen abseits traditioneller Modelle als geschlossenen Sicherheitsrahmen zu beschreiben und ein eigenes Verfahren zur Erklärung eines Kriegszustandes gegen einen äußeren Feind zu etablieren 1802. Lisolas Schrift zeigt deut­lich, dass sich Verrats- und Korruptionsvorwürfe auch vor dem Hintergrund traditionaler Herrschaftsordnungen formulieren ließen. Korruption war hier vor allem ein Problem erodierter Sozialbeziehungen und versagter Loyalitäten vor dem Hintergrund eines komplexen Geflechtes traditioneller personaler Bindungen. Der daran angeschlossene Vorwurf des „Reichsverrates“ bezog sich in diesem Kontext weniger auf ein territorial umgrenztes Gebilde oder die 1798 Schumann, Die andere Sonne, 147. 1799 Pribram, Lisola, 7 ff. 1800 Theatrum Europaeum XI, 533. 1801 Kampmann, Reichstag und Reichskriegserklärung, 48 f. 1802 Vgl. dazu jetzt Kampmann, Neues Modell.

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Mobili­sierung von Staat­lichkeitsdiskursen. Die Kriminalisierung der fürstenber­ gischen Außenverflechtung war vielmehr von Lehensbeziehungen zum Kaiser als Landesherr und Reichsoberhaupt unentflechtbar und wurde vor allem als eine „archaische“ Form von Verrat, als Bruch der Lehenstreue und als „Felonie“ beschrieben. 4.5.4 ex natura et iure dominiy – Der Kaiserhof und der Fall Fürstenberg Ganz ähn­liche Begründungen der Gefangennahme Fürstenbergs spielten auch in der internen Korrespondenz eine wichtige Rolle. Ähn­lich wie Lisola in seinen Traktaten bediente sich beispielsweise der Kaiser einer zweisträngigen Argumentation, um seinen auf dem Kölner Kongress verbliebenen Gesandten gegenüber zu begründen, warum man Fürstenberg gefangengenommen habe. Auf der einen Seite stand auch für Leopold fest, dass Fürstenberg niemals – weder als Gesandter irgendeines Fürsten noch als Reichsstand aus eigenem Recht – eine Position eingenommen habe, die seine Anwesenheit auf dem Kölner Kongress legitimiert hätte 1803. Gesandtschaftsrecht­liche Fragen, die bei der öffent­lichen Begründung der Aktion gegen Fürstenberg eine so herausragende Rolle gespielt hatten, erklärte der Kaiser jedoch explizit für zweitrangig. Selbst für den hypothetischen Fall, dass Fürstenberg als Gesandter legitimiert gewesen wäre, gesetzt, daß auch alle diese und noch mehrer neben qualiteten bey ihme wehren so thäte doch die qualitet der Erbunder­ thanen, Lehns- und Landtmanns solche […] völlig aufheben 1804. Entscheidender als solche gesandtschaftsrecht­lichen Überlegungen waren für den Kaiser also seine eigenen Vollmachten als Lehnsherr gegenüber Fürstenberg. Dieser habe die qualitet sonder­lich eines erbunderthan also besessen. Diese sei mit der geburth der Person dergestalt mitgegeben […], daß Sie durch kein anderen Characteren, wer der auch seye […] aufgehebt oder dadurch einem Erbunderthan erlaubt werden könne, wieder seines Erbherrn oder Erblandesfürstens Person oder dessen Stants etwas widerwerttiges oder feindt­liches anzuthun. Folg­lich stehe es ihm, Leopold, schon ex natura et iure dominy et superioritatis zu, gegen seinen aufsässigen Vasallen einzuschreiten 1805. Das Reich als eine „deutsche Identitätsgemeinschaft“ spielte in den Überlegungen des Kaisers sicht­lich nicht die geringste Rolle. Nicht einmal auf die Auslegemög­lichkeiten des römischen Rechts, mit denen man Fürstenberg eines „Majestätsverbrechens“ am Kaiser als Reichsoberhaupt bezichtigen konnte, ging der Kaiser ein. Stattdessen

1803 So ist er Printz auf keinem solchen Fürstenstandt das Votum und sessionem in Comitys hat, weniger aber ein interessirter Principal in diesem Krieg, Leopold I. an Fischer und Lisola, Wien, 25.2.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 1, fol. 46r). 1804 Leopold I. an Fischer und Lisola, Wien, 25.2.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 1, fol. 46v). 1805 Leopold I. an Fischer und Lisola, Wien, 25.2.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 1, fol. 45v).

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argumentierte er ausschließ­lich aus seiner Position als kaiser­licher Lehns- und erbländischer Landesherr. Lisola und sein Gesandtschaftskollege Fischer in Köln warnten den Kaiserhof jedoch davor, dass die Gefangennahme Fürstenbergs eine besorgniserregende Situation geschaffen hätte. Die kaiser­lichen Diplomaten in Köln hatten ohnehin aufgrund des von ihnen vermittelten Eindruckes, dass sie es darauf angelegt hätten, den Kölner Kongress zu torpedieren, keinen einfachen Stand 1806. Die reichsständischen Gesandten forderten eine Bestätigung der ihnen gegebenen Sicherheits­ garantien, so dass die Neutralität deß hießigen Orths […] gegen Chur-Fürsten Ständten aufrecht pleiben könne 1807. Zwar könne man, so Fischer und Lisola, tatsäch­lich nicht davon ausgehen, dass Fürstenberg ein legitimer Gesandter gewesen sei. Die Aktion des Kaisers sei also rechtens aber politisch ungeschickt gewesen, habe sie doch bei den meisten in Köln anwesenden Diplomaten und ihren Prinzipalen den Eindruck erweckt, der Kaiser habe hinsicht­lich der Schutz- und Neutralitätszusagen für den Kongressort sein Wort gebrochen. Die Gesandten forderten, dass man sich zum Vorgehen gegen Fürstenberg erklären müsse, denn mittlerweile sei die sach in ein solchen standt khomben, daß man wegen dieses incidentis nit mehr unthetig sein darff 1808. Die Kaiser­lichen sprachen aber nicht nur untereinander über Fürstenberg und die Legitimität seiner Gefangensetzung, sie setzten sich auch direkt mit dem Gefangenen auseinander. Davon zeugt ein während Fürstenbergs Gefangenschaft in der Wiener Neustadt erstelltes Verhörprotokoll. Das Verhör führte der österreichische Hofkanzler Johann Paul von Hocher persön­lich. Wilhelm von Fürstenberg selbst gab eine recht offensive Rechtfertigung seiner selbst ab: Durch eine ungünstige Erbteilung mit seinen Brüdern, die überdies auch noch der Kaiserhof vermittelt habe, sei sein Vermögen Anfang der 1650er-Jahre auf gerade einmal 400 Taler zusammengeschrumpft. Dennoch habe er stets verlangt in die Kayl. Dienste zu komben […] seye aber darvon von dem Fürsten von Auersperg und dem damalligen Spanischen Pottschafter dem Castell Rodrigo verhindert [worden]1809. Dergestalt von intriganten Günstlingen und fremden Gesandten ausgebremst, habe er ja nothwendig sein Glükh anderwertig suechen müssen. Die franzö­sische Krone habe sich als wesent­ lich großzügigere Verteilerin von Gnaden erwiesen. Kardinal Mazarin habe ihm motu proprio ein Abbtei von 5000 Cronen ertheilt und zwar wie er nur einmal mit ime 1806 Zum Ende des Kölner Kongresses, vgl. Renaudin, Échec. 1807 Fischer an Leopold I., Köln, 18.2.1674 (HHStA, Rep. N, 61, pars 1, fol. 92v). 1808 Fischer und Lisola an Leopold I., Köln, 1.3.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 1, fol. 88v). 1809 Spiegel, Wilhelm Egon, 171. Schon zuvor hatte Fürstenberg offenbar den österreichischen Gesandten in Paris Wicka damit konfrontiert, dass er im Gegensatz zu seinem Bruder nie in habsbur­gischer Gunst gestanden habe. Vgl. Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 16.

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geredet. Die Feind­seligkeiten, mit denen er in Wien konfrontiert gewesen sei, heten ime bey Frankreich desto mehr Credit gemacht und so grosse Beneficia vom König zuwegen gebracht. Fürstenberg stellte grenzüberschreitende Patronage als weitgehend unproblematisch dar. Er argumentierte scheinbar unbeirrt aus einer mikropolitischen „marktorientierten“ Perspektive: Die franzö­sische Krone hätte ihm eben jene Mög­lichkeiten geboten, die ihm der Kaiserhof verweigert hätte. Von dem gravierenden Vorwurf, Kaiser und Reich verraten zu haben, distanzierte sich Fürstenberg in aller Deut­lichkeit. Allerdings tat er das zunächst nicht, indem er seine Frankreichbindung als Reichsangehöriger rechtfertigte. Er gab vielmehr an, in Frankreich naturalisiert und so Untertan des franzö­sischen Königs geworden zu sein. Daher habe er bey sich keine Obligation mehr gegen E: K: M. und dem Röm. Reich gefunden oder erkennet 1810. Ein solcher Akt der Naturalisierung, war innerhalb Frankreichs ein während der Zeit Ludwigs XIV. formalrecht­lich geregelter Akt der Eingliederung einer Person in den Untertanenverband 1811. Für Abraham de Wicquefort bestand darin eine Mög­lichkeit, kontroverse Praktiken wie die diplomatische Repräsentation durch vor Ort ansässige Personen und somit von faktischen Untertanen eines fremden Herrschers, die auch Lisola angriff, in legitime Bahnen zu lenken 1812. Er behauptete, man könne sehr wohl seinen souverain wechseln. Habe man einmal einem neuen Oberherren einen Treueid geschworen, sei man diesem allein verpf­lichtet. Der vorherige Souverän dagegen verliert mit der Jurisdiktion alle anderen Rechte 1813. Wicquefort knüpfte den Übertritt eines Unterhändlers in einen anderen Untertanenverband aber an die Bedingung, dieser müsse, mit der Zustimmung oder mit der stillschweigenden Erlaubnis des Souveräns des Geburtsortes geschehen 1814. Er musste allerdings nicht nur zugestehen, dass es sich dabei um eine umstrittene Praxis handelte 1815. Es ist auch leicht einsichtig, dass eine solche Erlaubnis des „Souveräns“ im Falle eines kurfürst­lichen Gesandten ein problematisches Kriterium war, das mehr Fragen aufwarf als es beantwortete. Wicquefort selbst wollte seine Ausführungen, trotz gewisser Überschneidungen mit Fürstenbergs Rechtfertigungen, nicht als

1810 Gemeinsames Protokoll, 172. 1811 Vgl. Sahlins, Unnaturally French. Die juristischen und sozialen Folgen des Aktes blieben in der Praxis oftmals höchst unklar. Dies lässt sich in Untersuchungen zur lokalen Gesellschaft eines Grenzraumes wie der Stadt Straßburg nachweisen. Vgl. Sonkajärvi, Qu’est-ce un étranger? 1812 Vgl. Lisola, Détention, 1813 Perd avec la jurisdiction tous les autres droits, Wicquefort, L’Ambassadeur, I, 142. 1814 Avec le consentement, ou avec la permission, expresse ou tacite, du souverain du lieu de naissance, Wicquefort, L’Ambassadeur, I, 142. 1815 Wicquefort, L’Ambassadeur, I, 139.

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Legitimation für dessen Verhalten verstanden wissen. Vielmehr erklärte Wicquefort diese Angelegenheit für so komplex, dass er hierzu keine Stellung beziehen könne 1816. Wilhelm von Fürstenberg selbst schien es nach den Verhören mit Hocher nicht mehr für opportun gehalten zu haben, seinen Rechtsstatus als franzö­sischer Untertan anzuführen. Dies zeigt deut­lich eine längere Supplikationsschrift, die Fürstenberg nach den Verhören an den Hofkanzler übersandte, und in der er zwar Punkt für Punkt seine Rechtfertigungen wiederholte, jedoch auf das Argument, Untertan der franzö­sischen Krone zu sein, verzichtete 1817. Fürstenberg reagierte mit seiner Rechtfertigungsrede gegenüber Hocher jedoch offensicht­lich nicht ad hoc auf dessen Vorwürfe. Nahezu wortgleich hatte ­Fürstenberg näm­lich schon einmal im August 1667 gegenüber dem kaiser­lichen Botschafter in Paris, Franz von Wicka, seine Frankreichbindung gerechtfertigt. Vergleicht man die Reaktionen Wickas und Hochers auf Fürstenbergs Rechtfertigungen miteinander, wird deut­lich, wie sehr der Krieg gegen Frankreich die leitenden Normenbezüge verschoben hatte. Wicka betrachtete es näm­lich eher als unklug und unbesonnen von Fürstenberg, sich vom Kaiserhaus loszusagen. Wenn man ihm Gelder versprochen und nicht ausgezahlt habe, könne es sich ja ebenso um Schlamperei oder ein Missverständnis bei der Hofkammer gehandelt haben, was man ohne größere Schwierigkeiten hätte klären können. Ebenso erinnerte Wicka Fürstenberg an Normen adeligen Verhaltens. Eine Standesperson dürfe ihre Loyalitäten nicht an finanziellen Interessen ausrichten. Dies bedeutete, sich wie ein Söldner – intentione mercenarii – zu verhalten 1818. Weitere Aussagen Fürstenbergs, etwa dass ihm mittlerweile 2000 franzö­sische Taler lieber seien als dieselbe Summe von den Kaiser­lichen, oder auch, dass er sich bei anderer Gelegenheit gegenüber dem kaiser­lichen Botschafter für frantzö­sisch declariret habe, ließ dieser sowohl Fürstenberg als auch seinem Dienstherrn gegenüber unkommentiert 1819. Wicka hielt nicht eben große Stücke auf Fürstenberg und mokierte sich des Öfteren über dessen anmaßendes Auftreten und seine Absicht, eine eigenständige Vermittlerrolle zwischen Frankreich, Kaiser und Reich spielen zu wollen 1820. Von

1816 Wicquefort, L’Ambassadeur, I, 159. 1817 Wilhelm von Fürstenberg an den Wiener Kapuziner-Guardian, Neustadt, 3.9.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 2, fol. 225r–228r). 1818 Wicka an Leopold I., Paris, 13.8.1667 (HHStA, St-A, Frankreich Berichte 24, pars 4, fol.13v). 1819 Wicka an Leopold I., Paris, 14.10.1667 (HHStA, St-A, Frankreich Berichte 24, pars. 4, fol. 6v). 1820 Wicka an Leopold I., Paris, 28.10.1667 (HHStA, St-A, Frankreich Berichte 24, pars 4, fol. 39r); Wicka an Leopold I., Paris, 8.11.1667 (HHStA, St-A, Frankreich Berichte 24, pars 5, fol. 11v).

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„Reichsverrat“ oder Korruption war dabei jedoch nicht die Rede 1821. Wicka beließ es bei Vorwürfen, die Fürstenbergs Unklugheit betrafen sowie bei der Ermahnung, adeligen Verhaltensnormen zu folgen. Völlig anders frei­lich fiel 1674 die Gegenrede Hochers aus: Ihm zufolge verbiete bereits die Familientradition der Fürstenberg, dass ein Sohn von so treuen und mit wirk­licher Pf­licht zugethan gewesten Eltern dem Kaiser den Rücken kehre. Wilhelm hätte sich vor allem als ein geborner Erbunderthan und Vasall zu verstehen, was ihm nicht erlaube, die Treue zum Reichsoberhaupt und Landesherrn aufzukündigen 1822. Feudalverhältnisse hatten für Hocher aber noch weitere Implikationen. Die Tat­sache, dass er aus fürst­lichen Stiftern und Lehen des Röm. Reiches zu Cölln und Strassburg […] Beneficien geniesse, verpf­lichte ihn auch folgends Euer Kay: May: und dem Röm. Reich trew zu sein 1823. Wilhelm habe sich als Abt und Domherr auch als Lehensträger und unverbrüch­liches Glied des Reiches zu verstehen. Ein Dienst­herrenwechsel oder gar ein Übertritt in den franzö­sischen Untertanenverband waren dezidiert illegale und illegitime Akte. Es widersprach eben nicht nur einem Adels-Ethos und den Maßgaben sozialer und ökonomischer Vernunft, kaiser­liche Dienste gegen franzö­sische einzutauschen, sondern es handelte sich um das kapitale Vergehen des Lehnstreuebruches, der Felonie und damit einhergehend auch um „Verrat“ an Kaiser und Reich 1824. Fürstenberg zeigte sich in seiner Antwort hierauf – nicht ganz zu Unrecht – von derartigen Vorwürfen irritiert: Er habe bislang den Eindruck haben müssen, dass solcher sein Handl und Wandl, auch Euer Kay: May: nicht missgefallen haben wird, da sie der Kaiser lange Zeit weder bei ihm noch bei anderen sanktioniert habe. Im Widerspruch zur Hervorhebung seiner Identität als franzö­sischer Untertan, der nicht für Verrat an Kaiser und Reich bestraft werden konnte, berief sich Fürstenberg im selben Zuge nun auch auf reichsständische Privilegien, um sich zu rechtfertigen und

1821 Wenngleich Wickas Position zur Frage, ob die Allianz Kurkölns mit Frankreich tatsäch­lich den Bestimmungen von IPO / IPM §8 entspräche, etwas deut­licher diese politische Dimension konturierte. Vgl. Wicka an Leopold I., Paris, 8.11.1667 (HHStA, St-A, Frankreich, Berichte 24, pars 5, fol. 12r). 1822 Gemeinsames Protokoll, 172. Durch ihre Besitzungen in Niederösterreich und Böhmen waren die Fürstenberg den Habsburgern als erbländische Landesherrn lehenspflichtig. Vgl Tumbült, Fürstentum Fürstenberg, 125. Zur Person Johann Paul Hochers. Vgl Noflatscher, Freundschaft im Absolutismus. 1823 Gemeinsames Protokoll, 173. 1824 Zum Begriff vgl. Illmer, Treuebruch. Der Autor geht allerdings nicht nur ausschließ­lich von Gesetzestexten aus, sondern empfiehlt allen Ernstes auch dem NS-Regime das Felonierecht als historisches Vorbild für die Sanktion von „Volks-, Partei-, und Rasse­ verrat“!

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verwies auf das ius foederis 1825, als er erklärte, er habe geglaubt, dass R[eichs]stände derg­lichen in Crafft irer Freyheyten und Privilegien thuen könten 1826. Das Verhör legte aber auch weitere Inkonsistenzen der von den Kaiser­lichen gegenüber Fürstenberg erhobenen Vorwürfen frei: Obwohl sich Hocher und Lisola durch regelmäßige Korrespondenzen in der Fürstenberg-Frage miteinander abstimmten 1827, unterminierte Hocher während des Verhörs interessanterweise die formalrecht­liche Argumentationsgrundlage der Aktion gegen Fürstenberg. Hatte die Außendarstellung des Falles seitens der Kaiser­lichen und ein großer Teil der Argumentation Lisolas darauf aufgebaut, dass es sich bei Fürstenberg noch nie um einen legitimierten Gesandten gehandelt haben könne, insistierte Hocher nun auf dem genauen Gegenteil: Er konstruierte einen Konnex zwischen dem Dienst am Kurfürsten von Köln und darüber vermittelt jenem an Kaiser und Reich. Fürstenberg habe sich so auch in seiner Funktion als Abgesandter von Chur Cölln als eines mit Pf­licht Euer Kay: May: und mit dem Röm. Reich verbundenen Churfürsten nicht in franzö­sische Dienste begeben dürfen 1828. An der Frage, ob Fürstenberg Gesandter war oder nicht, schieden sich nicht nur die Einschätzungen politischer Publizisten, sondern paradoxerweise auch der Vertreter des Kaiserhauses. Löste sich insgesamt das Problem der Legitimierbarkeit der Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg schon mehr schlecht als recht, so standen die Kaiser­lichen vor einer weiteren gewichtigen Frage: Was sollte überhaupt mit dem gefangenen Fürstenberg geschehen? Fürstenberg wurde zwar verhört. Welchem Zweck diese Maßnahme dienen sollte, blieb jedoch unklar. Hocher sollte ledig­lich Fürstenberg befragen und ihrer kayl mayt. auch seine über eines und anders Jhurament aussagen gehorsamb­lich hinterbringen  1829. An einer recht­lichen Klärung des Falles schien man von kaiser­licher Seite kein größeres Interesse zu haben. Während der gesamten immerhin fünf Jahre andauernden Gefangenschaft Fürstenbergs sollte es nie zu einer Anklage oder zu einem Prozess gegen denselben kommen. Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren: Fürstenberg selbst kam die Idee eines Gerichtsverfahrens sogar entgegen. Er forderte ein solches explizit ein und wollte dafür keinen Geringeren als den Rechtsgelehrten und frankreichfreund­lichen Publizisten Hermann Conring als Verteidiger benennen 1830. Fürstenbergs Motivation dafür war nicht ganz unverständ­ 1825 Artikel VIII des IMO/IPO gestand allen Reichsständen das Recht zu cum exteris foedera zu schließen. Vgl. APW III, B, 1, 130. 1826 Gemeinsames Protokoll, 173. 1827 Baumanns, Lisola, 322. 1828 Gemeinsames Protokoll, 172. 1829 [Anweisung an Johann Paul Hocher, das Verhör Wilhelms von Fürstenberg betreffend], Wien, 11.4.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars 2, fol. 107r). 1830 Z. B. O’ Connor, Negotiator.

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lich: Die recht­liche Grundlage für seine Gefangennahme war leicht als fragwürdig zu entlarven, während er als Gefangener ohne Prozess völlig handlungsunfähig war und den Heiligenbergern durch das Vorgehen der Kaiser­lichen der unmittelbare Ruin drohte. Der Schaden, den Fürstenberg durch seine zwangsweise Untätigkeit befürchtete, ging weit über den ökonomischen Verlust hinaus. Er betonte, dass der zustandtt in welchen ich mich befinden […] nicht allein meiner zeith­licher fortuna gantz nehmben sondern auch meine öhr [sic!] in compromis stellen thätte 1831. Den Ehr- und Reputationsverlust stellte er sogar als hauptsäch­liche Motivation für einen Prozess dar: Es sei ihm lieber, dass Leben zu lassen, als zu verlieren sein Ehr und guten Namben also beflekter zu lassen 1832. Ein Gerichtsverfahren hätte der Gefahr des Ehrverlustes mög­licherweise Abhilfe schaffen können. Formell ließen sich Verrat an Kaiser und Reich mit der Reichsacht ahnden, indem man vor dem in Wien sitzenden Reichshofrat einen entsprechenden Prozess führte. Seit dem Tod Rudolfs II. im Jahre 1612 wurde dieses Rechtsmittel kaum noch angewandt. In der Zeit danach gab es bis zum Ende des Heiligen Römischen R ­ eiches nur noch genau drei solcher Verfahren – eines davon wurde gegen Friedrich II. von Preußen geführt und blieb denkbar folgenlos 1833. Der Kaiser konnte auch ohne den Reichshofrat ein Achtverfahren eröffnen. Von dieser Mög­lichkeit hatte man vor allem beim Vorgehen gegen Wallenstein während des Dreißigjährigen Krieges Gebrauch gemacht. Dieses einseitige Vorgehen hatte allerdings gehörige Spannungen zwischen Kaiser und Reichsständen zur Folge 1834. Nicht zuletzt deshalb wurde mit der Wahlkapitulation Kaiser Ferdinands III. 1636 das Verfahren schließ­lich so modifiziert, dass die Zustimmung aller Kurfürsten vor der Verfahrenseröffnung eingeholt werden musste 1835. Dies war aber nicht nur wegen Fürstenbergs Dienst­herrn Max Heinrich problematisch, der einem Prozess, bei dem es um Leib und Leben seines Ministers ging, hätte zustimmen müssen. Selbst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, wahr­ lich kein Freund Fürstenbergs, ließ dem Kaiser über seinen Gesandten Krockow von einem weitergehenden gericht­lichen Verfahren gegen Fürstenberg abraten. Er befürchtete eine langfristige Blockadehaltung Frankreichs bezüg­lich weiterer Friedensverhandlungen, sollte Fürstenberg tatsäch­lich der Prozess gemacht werden 1836. Wenn Wilhelm von Fürstenberg einen Prozess wünschte, so hatte er dabei jedoch zunächst nicht unbedingt ein Verfahren vor der Gerichtsbarkeit des Reiches 1831 Wilhelm von Fürstenberg an Hocher, Neustadt, 26.10.1674 (HHStA, Rep. N 61, pars. 2, fol. 253r). 1832 Spiegel, Gefangenschaft, 170. 1833 Landes, Achtverfahren, 164 f. 1834 Kampmann, Reichsrebellion, 170 ff. 1835 Kampmann, Reichsrebellion, 214 ff. 1836 Friedrich Wilhelm von Brandenburg an Krockow,Potsdam, 24. Mai 1674. Urkunden und Actenstücke XIII, 624.

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im Sinn. Er berief sich auf seine Identität als Kleriker und verlangte an die Kurie ausgeliefert zu werden oder einen Prozess vor einem geist­lichen Gericht 1837. Diese Auffassung entsprach auch jener der Vertreter der römischen Kurie. Vor allem der Wiener Nuntius Albizzi verwehrte sich gegen die Idee eines wie auch immer gearteten Prozesses gegen Fürstenberg als Reichsverräter oder treubrüchigen Vasallen. Obwohl er selbst kein Frankreichfreund war und auch kein profranzö­sisches Pontifikat repräsentierte, vertrat er die Ansicht, dass Fürstenberg durch seinen Status als Inhaber geist­licher Chargen gar keiner kaiser­lichen Gerichtsbarkeit unterstehen könne. Man müsste daher generell von der Vorstellung eines etwaigen Prozesses vor dem Reichshofrat absehen 1838. Stattdessen versuchte auch Albizzi, Fürstenbergs Auslieferung an den Papst zu erlangen 1839. Allerdings ist unklar, wie nachdrück­ lich der Nuntius dieses Ansinnen tatsäch­lich verfolgte und inwiefern er für die Untätigkeit der Kaiser­lichen mitverantwort­lich gemacht werden kann 1840. Aus der Korrespondenz Albizzis geht jedoch deut­lich hervor, dass die franzö­sische Krone über die Kurie den Druck auf den Kaiserhof zu erhöhen versuchte, um ein juristisches Vorgehen gegen Wilhelm zu vermeiden und seine Gefangenschaft zu beenden. Die Franzosen dachten dabei nicht zuletzt daran, Wilhelm zum Kardinal zu befördern, um die „Hemmschwelle“ für jedes weitere Vorgehen des Kaisers gegen Fürstenberg sehr hoch anzusetzen 1841. Es war schlussend­lich die schützende Hand des franzö­sischen Königs, die Wilhelm von Fürstenberg 1679 aus der kaiser­lichen Gefangenschaft half: Bei den Friedensverhandlungen in Nimwegen koppelten die Franzosen sogar ursprüng­lich den Beginn der Verhandlungen an eine Freilassung Fürstenbergs 1842. Die Brüder Fürstenberg baten schließ­lich selbst auf Veranlassung des Königs, dass Wilhelms Gefangenschaft die Verhandlungen nicht weiter blockieren möge 1843. Die Freilassung Wilhelms und die Restitution des Hauses Fürstenberg blieben jedoch zentrale Friedensforderungen an den Kaiser, die es Ludwig XIV . erlaubten, die

1837 Gemeinsames Protokoll, 174. 1838 Albizzi an Nerli, Wien, 10.6.1674, in: Nuntiaturberichte II, 169. Der Nuntius wiederholte seine Auffassung gegenüber Hocher einige Wochen später, vgl. Albizzi an Nerli, Wien, 28.10.1674, in: Nuntiaturberichte II, 172. 1839 Albizzi an Nerli, Wien, 16.6.1675, in: Nuntiaturberichte II, 181. 1840 Spiegel, Gefangenschaft, 135 f. hält seinen Einfluss für eher marginal und kann auch keine Unterstützung des Papstes erkennen. Wolf, Lobkowitz, 398 hält dagegen die Intervention Albizzis ausschlaggebend für die anhaltende Suspension eines juristischen Vorgehens gegen Fürstenberg. 1841 Albizzi an Nerli, Wien, 15.3.1676, in: Nuntiaturberichte II, 184. 1842 Vgl. Höynck, Nymwegener Friedenskongress, 21 ff. 1843 Vgl. Spiegel, Gefangenschaft, 94 ff; Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, 303.

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Wirkmächtigkeit seiner Protektion eindrucksvoll unter Beweis zu stellen 1844. Fürstenberg hatte seine Freilassung schlussend­lich dem franzö­sischen König und seinen Diplomaten zu verdanken. Der Frieden von Nimwegen verschaffte Wilhelm von Fürstenberg nicht nur die Freiheit, sondern regelte auch die vollständige Wiederherstellung des sequestrierten Familienvermögens und die Wiederherstellung der Ehre des Hauses Fürstenberg. Der Friedensvertrag von Nimwegen stellte näm­lich fest, dem Haus Fürstenberg seien statu[s], fama, dignitates zu restituieren 1845. Dass sich Fürstenberg als Verräter und „korrumpierter“ Minister schlussend­ lich nicht beikommen ließ, lag aber, soviel dürfte deut­lich geworden sein, nicht nur daran, dass er mächtige Freunde (im weitesten Sinne) hatte. Vielmehr verdeut­licht sich am Fall Fürstenberg ein generelleres Problem der Sanktionierung von Korruption und Verrat: Es war nicht immer klar, welche recht­lichen Verfahren für die Sanktionierung solcher Vergehen überhaupt anwendbar waren. Dies blieb auch dann der Fall, wenn „verflechtungskritische“ Normen mobilisiert werden konnten, denen zuvor keine handlungsleitende Funktion eingeräumt worden war. Am Vorgehen gegen Fürstenberg als korrupten Verräter ließ sich zunächst durchaus ersehen, dass ein allgemeiner Krieg von Kaiser und Reich gegen den franzö­sischen König die Handlungsspielräume von Akteuren mit multiplen Identitäten und Loyalitäten zwischen Frankreich und dem Reich erheb­lich einschränkte. Dies führte zu jener Unvereinbarkeit der Chargen, von der Lisola gesprochen hatte, und konnte sogar in Gewalt umschlagen. Wilhelms problematische Identitätspolitik führte zwar dazu, dass sein Verhalten als Verrat und Korruption problematisiert wurde, allerdings erschwerte gerade die Gemengelage von Identitäten auch eine entsprechende Sanktionierung. Die Kaiser­lichen mussten zunächst mit einiger Mühe und nicht ohne Widersprüche das Argument entkräften, Fürstenberg hätte in seiner Rolle als Gesandter nicht für solche Vergehen belangt werden dürfen. Fürstenberg selbst konnte sich mit Unterstützung von verschiedener Seite als Kirchenmann gegen das Vorgehen des Kaisers und dessen Jurisdiktion wehren. In Wien mochte man versuchen, über Fürstenbergs Rolle als Lehensmann einen „Hebelpunkt“ in diesem Identitätengeflecht zu finden und vor allem die spezifisch franzö­sische Identität Fürstenbergs als Klient und naturalisierter Untertan nicht anerkennen. Ludwig XIV . und seine Diplomaten verschafften der letzteren jedoch schlussend­ lich entscheidendes Gewicht. Der Fall Fürstenberg zeigt, wie sehr die Mög­lichkeiten, einerseits Außenverflechtung als Korruption und Verrat zu diskursivieren und sie andererseits in einer vormodernen Rechtsordnung als Delikte fassbar zu machen und zu sanktio­nieren, 1844 Höynck, Nymwegener Friedenskongreß, 67 f., 117. 1845 Vast (Hrsg.), Grands traités, 110.

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auseinanderklaffen konnten. Er wirft jedoch auch ein Licht auf vor- und frühmoderne Konzepte von Korruption und Verrat. Entsprechende Vorwürfe an Wilhelm von Fürstenberg rekurrierten kaum eindeutig auf „zukunftsweisende“ Elemente. Im begrenzten Rahmen klang hier ein Amtsträgerverständnis an. Verweise auf das Reich als eine abgegrenzte protonationale Gemeinschaft ließen sich in Lisolas vom Kaiserhof autorisierter Publizistik aber nicht vom Verständnis des Reiches als Geflecht traditionaler Feudal- und Dienstverhältnisse abgetrennt denken und spielten in der internen Auseinandersetzung um den Fall Fürstenberg schließ­lich gar keine Rolle mehr. Sie zeigen vielmehr, dass Korruptions – und Verratsvorwürfe auch und gerade vor dem Hintergrund traditionaler und personal verstandener Loyalitätsbeziehungen und feudaler Rechtsordnungen formuliert werden konnten. Die normative Überordnung und die Verurteilung von mikropolitischem Handeln beruhten nicht notwendigerweise auf diesen makropolitischen Gegenprinzipien, sondern auch auf der Überordnung und situativen Neu-Bewertung von personal verstandenen Herrschaftsbeziehungen, die sich von Außenverflechtungsbeziehungen durch ihren formaleren Charakter und ihre Stützung durch Tradition unterschieden. Dies ermög­lichte es, Legitimitätsreserven zu mobilisieren, anhand derer von Korruption und Verrat gesprochen werden konnte. Die Ergebnisse dieses letzten Hauptteils sollen im Folgenden zusammengefasst werden: Erstens organisierte sich die franzö­sische Klientelbildung im Alten Reich gemäß eines Patronagemarktes, der die Regeln einer Verdienst- und Gnadenökonomie mit den sie kennzeichnenden Zügen geradezu in ihr Gegenteil verkehrte: Der Pünkt­lichkeit von Zahlungen wurde ein besonderer Stellenwert zugemessen und der franzö­sische König beschrieb sich als zu bestimmten Zahlungen verpf­lichtet. Ebenso regelten schrift­liche Abkommen exakt Umfang und Art der Leistungen in Klientelbeziehungen. Solche „Patronageverträge“ konnten von der franzö­sischen Seite einerseits als einengend beschrieben werden, boten jedoch auch eine gewichtige Argumentationsgrundlage zum Einfordern von exakten Gegenleistungen. Zweitens spielte eine Semantik von „Interesse“ und „Vorteil“ eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion von Vertrauen in diesen „unvollständig integrierten“, stärker marktförmigen Patronagebeziehungen. Dabei erwies sich Interesse als ein hochflexibles Konstrukt: Durch die Unterstellung von Interessen bzw. Interessenkonvergenzen und die Koppelung politischer und ökonomischer Interessen wurde es mög­lich, in hochvolatilen Klientelbeziehungen Spielräume für die Enttäuschung von Vertrauen zu schaffen. Dies galt paradoxerweise aber auch für deren Entkoppelung. Drittens Während der Verweis auf Interessen das „Ethos der Patronage“ und dessen Semantik zurückdrängen konnte, wurden dessen Normen regelmäßig „mobilisiert“, wenn entweder Klientelverhältnisse zusammenbrachen und man im Sinne einer internen Enttäuschungsabwicklung „ex post“ normative Erwartungen an das Verhalten von Klienten formulierte oder wenn exorbitante Forderungen oder

Außenverflechtung als Korruption und Verrat

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opportunistische Strategien zur Erlangung von Patronageressourcen von Fürsten oder Klienten eingeschränkt werden mussten. In diesem Falle wurde „interessiertes“ Verhalten als deviant verurteilt. Viertens gab es nicht es nicht nur Varianzen in Bezug auf mikropolitische Normengeltungen. Ebenso konnten sich auch Konflikte zwischen makro- und mikropolitischen Normen ergeben. Ein solcher Bereich, in dem dies der Fall war, stellten Ehre und die Reputation des Königs dar. Zwar konnte eine Klientel in einem fremden Herrschaftsverband in der Regel neben der funktionalen mikropolitischen Effizienz auch als ein Mittel betrachtet werden, die Reputation des Königs zu steigern. Andererseits konnten außenpolitische Ereignisse wie die Kaiserwahl aber mit einem derartigen politischen „Erfolgsdruck“ aufgeladen werden, dass ineffizientes mikropolitisches Handeln der Reputation des Königs schadete. Beide Auffassungen des Verhältnisses von Mikro­ politik und könig­licher Reputation konnten zum Gegenstand interner Verhandlungen werden. Neben der Erweiterung von Handlungsspielräumen vor Ort hoben Gesandte den reputationssteigernden Effekt von großzügiger könig­licher Patronage auch deshalb hervor, weil sie nicht zuletzt um ihr eigenes Ehrkapital besorgt waren. Fünftens entstanden vor allem beim Sprechen und Schreiben über die sicherheitsund verfassungspolitischen Ziele der franzö­sischen Reichspolitik Kommunikationsräume, die von franzö­sischer Seite immer wieder ausdrück­lich als mikropolitikfrei markiert wurden. Dies folgte jedoch einerseits antihabsbur­gischen Feindbildern und deren Funktionalität für interne und externe Kommunikation, konnte andererseits aber auch als rhetorisch-strate­gische Ressource in das Aus- bzw. Herunterhandeln von mikropolitischen Leistungen miteinfließen. Allerdings konnten diese Normen nur inkonsequent gebraucht werden, da sich auch hier interessegeleitetes mikropolitisches Handeln und entsprechende Deutungsmuster eigenen Tuns oft nicht umgehen ließen. Sechstens konnte nach einem einleitenden Teilkapitel über das Verhältnis von prinzipiell legitimierter Patronage und ihrer „Kehrseite“, dem Vorwurf der Korruption, gezeigt werden, dass gerade die antifranzö­sische Stimmung der 1670er-Jahre und vor allem der Reichskrieg gegen Frankreich Vorwürfe gegen die korrupten Praktiken franzö­sischer Gesandter und gegen Wilhelm von Fürstenberg hervorbrachten. Diese konnten jedoch einerseits zwischen mikro- und makropolitisch motivierten Figuren der Verurteilung schwanken, andererseits wurden die Vorwürfe von Korruption und Verrat weniger vor dem Hintergrund moderner Staat­lichkeits- und Amtsträgerschaftsnormen formuliert, sondern anhand einer durch personale und traditionale Bindungen, vor allem Lehensverhältnissen, geknüpften Einheit von Kaiser und Reich. Siebtens gebrauchten auch die kaiser­lichen Amtsträger bei ihrem Vorgehen gegen Fürstenberg ähn­liche Verweise auf Korruption und Reichsverrat und argumentierten mit den Lehensbindungen Fürstenbergs. Das Vorgehen gegen Fürstenberg

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Normen und Normenkonflikte

stand jedoch vor einer Reihe gravierender Schwierigkeiten: Neben seiner juristisch schwachen Begründung traf es auch auf die mangelnde Akzeptanz der Reichsstände. Ebenso boten Fürstenbergs multiple Identitäten, die zu seiner Gefangennahme geführt hatten, diesem auch die Chance, als immuner Gesandter, als welt­licher Gerichtsbarkeit entzogener Geist­licher und nicht zuletzt als Protegé des mächtigsten Potentaten Europas und großen Gewinner des Nimweger Friedenskongresses wieder freizukommen, ohne je vor Gericht gestanden zu haben.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Die vorliegende Untersuchung ging von zwei grundsätz­lichen Annahmen über ihren Gegenstand, die Beziehungen zwischen der franzö­sischen Krone und den geist­ lichen Kurfürsten von Mainz und Köln in den Jahrzehnten zwischen dem Westfä­ lischen Frieden und dem Frieden von Nimwegen, aus. Erstens die Tatsache, dass sich an ihm die Wandlungsprozesse aber auch Kontinuitäten von Strukturen und Beschreibungsformen asymmetrischer Außenbeziehungen in der Folge des Westfä­ lischen Friedens, der immer noch gemeinhin als Wendepunkt für die Geschichte der europäischen Außenbeziehungen gilt, besonders gut zeigen lassen. Die Beziehungen eigneten sich hervorragend,um zu zeigen, welche Handlungsspielräume diesen Kurfürsten als Akteure, die im Gefolge des Westfä­lischen Friedens eine gewisse Aufwertung bis hin zur partiellen Anerkennung von Souveränitätsrechten auf europäischer Bühnen erfahren hatten und in der Rheinallianz als einem Projekt zur Beförderung der Friedensordnung involviert waren, tatsäch­lich zukamen. Zweitens wurde das Beispiel gewählt, weil sich hier eben nicht nur die Beziehungen zwischen Fürsten in den Blick nehmen ließen. Vielmehr gab es eine ganze Reihe von Reichsangehörigen, die in den Diensten der franzö­sischen Krone tätig waren und deren Verhältnis zur franzö­sischen Krone sich als „grenzüberschreitende Patronagebeziehungen“ oder Außenverflechtung beschreiben lassen. So ließ sich die Anwendbarkeit dieser Kategorie im Rahmen der asymmetrischen Außenbeziehungen des Alten Reiches überprüfen. Der erste Hauptteil konzentrierte sich zunächst auf Beziehungen und Beziehungsstrukturen. In einem ereignisgeschicht­lichen Abriss wurden die wichtigsten Grundzüge und Problemlagen der franzö­sisch-reichischen Beziehungen im hier untersuchten Zeitraum geklärt. Anschließend wurde vor allem nach dem Status dieser Beziehungen als asymmetrische Außenbeziehungen gefragt. Dabei wurden zunächst die völkerrecht­lichen und statuspolitischen Folgen des Westfä­lischen Friedens erörtert. Der Westfä­lische Frieden war für die Kurfürsten unter dieser Perspektive eher ein Teilerfolg. Die in Westfalen getroffenen Regelungen brachten für die Kurfürsten vor dem Hintergrund ihres traditionellen Selbstbildes als Akteure, die im Kollektiv gemeinsam mit dem Kaiser herrschten, eher die völkerrecht­liche Neu-Kodifizierung von bereits auf Grundlage der „Reichsverfassung“ in Anspruch genommener Privilegien, die nun aber mit den Reichsständen vor dem Westfä­lischen Frieden geteilt werden mussten. Die zeremonielle Anerkennung der Souveränität der kurfürst­lichen Prinzipalgesandten schuf Spielräume für Ambivalenz, die den Vertretern der „großen Mächte“ in Nimwegen und Rijswyck die spätere Aberkennung dieses Status ermög­lichen sollten, während diese Privilegien zugleich innerhalb des Reiches weder gegenüber

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Zusammenfassung und Ausblick

den Reichsfürsten noch gegenüber dem Kaiser, der auf den Reichstagen seine Stellung als Lehnsherr ausspielte, dauerhaft geltend gemacht werden konnten. Was die vor und nach dem Westfä­lischen Frieden immer wieder theamtisierte Einbeziehung der Reichsstände in eine europäische Ordnungs- und Friedenspolitik anging, so konnte sich das Kurkolleg in den 1650er- und 1660er-Jahren mit Unterstützung Frankreichs tatsäch­lich bei der Sch­lichtung europäischer Konflikte betätigen. Diese friedens- und ordnungspolitische Rolle hatte jedoch enge Grenzen. Frankreich und Spanien verzichteten etwa auf die kurfürst­liche Mediation und regelten ihre Konflikte in den Pyrenäen lieber selbst. Die kölnischen und mainzischen Gesandten waren ledig­lich privilegierte Zaungäste. Zudem nutzte Mazarin während der Friedensverhandlungen seine alleinige Verhandlungskompetenz, um den Spaniern abgerungene Zugeständnisse wie klienteläre Ressourcen an die Bündnispartner im Reich zu verteilen, statt diese als friedenspolitische Partner anzuerkennen. Weitere kurfürst­liche Friedensinitiativen in den 1660er-Jahren wurden dagegen als kliente­ läre Zuarbeit im Sinne franzö­sischer Interessen begriffen, während ein kurfürst­ liches Friedensprojekt in der Frühphase des niederländischen Krieges nur noch als beschwichtigende Reverenz an die amitié des Mainzer Kurfürsten geprüft wurde, ohne diesem irgendeine politische Relevanz zuzumessen. Anschließend konnte in Bezug auf die Rheinische Allianz gezeigt werden, dass die franzö­sische Krone gerade hier eindeutig gemeinwohlorientierte makropolitische Semantiken hervorhob, die an übergreifende Garantieverpf­lichtungen des Westfä­lischen Friedens anschlossen, während die Leitkategorie der protection, an die sich patronageartige Beziehungsformen anlagern konnten, und die ein wichtiges „Leitmotiv“ asymmetrischer Außenbeziehungen gegenüber den Reichsständen vor dem Westfä­lischen Frieden gewesen war, in den Hintergrund trat. Protection bezeichnete in diesem Kontext fast nur noch mikropolitisch orientiertes Handeln in Beziehungen zu einzelnen Fürsten außerhalb oder parallel zur Rheinischen Allianz. Die Sprache asymmetrischer Außenbeziehungen transformierte sich so dahingehend, dass nun ein wirkmächtiger gemeinwohlorientierter, ordnungspolitischer Diskursund Begriffszusammenhang parallel zu einer stärker klientelär orientierten Logik zur Verfügung stand, der aber von dieser immer wieder überformt werden sollte. Status- und Rangbestimmungen in Außenbeziehungen wurden auch durch symbo­lische Kommunikation etwa im diplomatischen Zeremoniell vermittelt und neu hergestellt. Anhand einer Analyse der symbo­lischen „Statuskommunikation“ während Robert de Gravels Reichstagsgesandtschaft und der ambassade Gramonts und Lionnes auf dem Kaiserwahltag ließ sich veranschau­lichen, wie völkerrecht­ licher Status von franzö­sischen Gesandtschaften repräsentiert und dargestellt wurde. Gravel konnte die Höherrangigkeit und Souveränität des franzö­sischen Königs in Regensburg nicht ausspielen, sondern musste erst durch die Kooptierung des Status seiner kurfürst­lichen Kollegen für die Krone akzeptable Repräsentationsformen innerhalb der zeremoniellen Ordnung des Reiches finden. Parallel dazu wurde

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allerdings verschiedent­lich die Idee diskutiert, den König aufgrund seiner Rechte im Elsass und in Lothringen als Reichsfürst mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag vertreten zu lassen. Bei der ambassade auf dem Kaiserwahltag trat die zeremonielle Statuskommunikation gegenüber den Reichsständen zugunsten eines vor allem auf die Kaiser­lichen und die Spanier gerichteten symbo­lischen „Triumphalismus“ in den Hintergrund. Der Status des Königs wurde bewusst uneindeutig und hybrid gewählt, da er als potentieller Kaiserkandidat als souverän und reichzugehörig zugleich dargestellt werden sollte. Hierfür bezog man sich ebenfalls auf den völkerrecht­lichen Status der Kurfürsten. Insgesamt zeigt die Analyse dieser asymmetrischen Beziehungen und ihrer Kommunikationsformen die Ambivalenz und die Wandelbarkeit des Verhältnisses der franzö­sischen Krone zum Reich und seinen Gliedern. Sie beteiligte diese als Partner an europäischen Friedensinitiativen, erwartete dabei aber vor allem kliente­ läre Zuarbeit. Sie agierte als Patronin gegenüber einzelnen Fürsten und mit dem Anspruch, Frieden und Ordnung des gesamten Reiches zu wahren. In symbo­lischer Statuskommunikation verdichtete sich das uneindeutige, bisweilen hybride zwischen Anspruch auf Teilhabe am Reich und Souveränität und dynastischer Handlungs­ logik changierende Verhältnis des franzö­sischen Königs zum Alten Reich. Während die asymmetrischen Beziehungen zwischen Fürsten so aber nur eingeschränkt auf einem klientelären Handlungs- und Beschreibungsrahmen beruhten, steht die Bedeutung von Patronagepraktiken für die Staatsbildung und Herausbildung administrativer Eliten innerhalb Frankreichs außer Frage. Dies galt auch für die Verwaltung der Außenbeziehungen und das franzö­sische Gesandtschaftswesen. Die Studie hat hier gewissermaßen statt eines herkömm­lichen „Institutionenkapitels“ das Verhältnis von mikropolitischer Verflechtung und Institutionenbildung in der Verwaltung franzö­sischer Außenbeziehungen in den Blick genommen. Dabei konnte gezeigt werden, dass der „diplomatische Dienst“ keinem bürokratischen Modell folgte, sondern offenkundig an mikropolitische Rekrutierungs- und Entlohnungsmuster gekoppelt war. Dienst- und Remunerierungsverhältnisse entsprachen Patronageverhältnissen im Rahmen des Krondienstes, die hier unter dem Begriff „Verdienst- und Gnadenökonomie“ zusammengefasst wurden. Dies erzeugte je nach Rang und persön­licher Nähe zu Entscheidungsträgern unterschied­lich große und unterschied­lich offen formulierte Ansprüche auf Kompensationsleistungen durch die Krone. Diplomaten agierten daher gegenüber ihren Prinzipalen auch als Klienten in eigener Sache. Sie mussten finanzielle Engpässe überwinden, während zugleich kostenaufwändige Klienteldienste, wie etwa der Erwerb von Kunstgegenständen, von ihnen erwartet wurden. Die Gravel klagten über notorische Finanznot und mussten auf „Gnaden“ der Krone wie etwa die Verleihung einer Abtei hoffen. Allerdings waren auch Kompensationsleistungen in symbo­lischem Kapital, wie etwa Standeserhöhungen oder die Aufnahme in den Ordre de St. Michel mög­lich. Statt zunehmend

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bürokratischer Dienstverhältnisse scheint das Erstarken der franzö­sischen Krone zumindet gegenüber niederrangigen Gesandten mittelfristig zu einer Festigung „patrimonialer“ bzw. patronageförmiger Dienst- und Entlohnungspraktiken mit verstärkten klientelären Abhängigkeiten geführt zu haben. Patronageverhältnisse banden aber auch die franzö­sische „Faktion“ im Alten Reich an die Krone. Anders als ihre Vorgänger im frühen 17. Jahrhundert, die durch eigenes soziales, kulturelles oder ökonomisches Kapital getragene Netzwerke in den Dienst der Krone stellten, „betreuten“ und koordinierten die Gesandten diese Akteursgruppe nurmehr ledig­lich im Auftrag der Krone. Ein solcher zentral verwalteter „politischer Klientelismus“ stellt eine auffällige Parallele zu jenen Klientel­ netzwerken dar, mit deren Hilfe die Krone die Integration peripherer oder neu erworbener Territorien innerhalb Frankreichs betrieb. Was die franzö­sische Klientelbildung im Reich besonders hervorhebt, ist vor allem die Tatsache, dass im Reich ansässige Klienten nicht nur informelle Informantenund Vermittlertätigkeiten übernahmen, sondern auch vergleichsweise umstandslos über „niedrigschwellige“ Qualifikationsmechanismen als franzö­sische Unterhändler offizialisiert werden konnten. Diese Konstellation konnte zu gravierenden Schwierigkeiten führen, wenn Klienten während ihrer Missionen ihre eigene klienteläre Agenda gegen die franzö­sische Krone ausspielten oder sich in offen ausgetragene Rivalitäten mit ihren franzö­sischen Kollegen verstrickten. Deut­liche Grenzen der Einsatzmög­lichkeiten von Klienten als Unterhändler markierte vor allem die Tatsache, dass sie keine repräsentativen Aufgaben übernehmen konnten. Ebenso lässt sich anhand der Kaiserwahl zeigen, dass man sich von franzö­sischen Gesandten de la part du Roy als unverflochtenen und neutralen Akteuren eine deut­lich vorteilhaftere Ausgangslage für Verhandlungen versprach. Bereits bei der Analyse der Untersuchung der Unterhändlertätigkeit von Klien­ ten stellten sich die multiplen Loyalitäten und die Rollenvielfalt als Störfaktoren heraus. Die franzö­sische Klientelbildung im Reich sah sich mit verschiedenen strukturellen Schwierigkeiten konfrontiert. So lag die primäre Loyalität von Fürstendienern, die als franzö­sische Klienten in Erscheinung traten, stets bei ihren jeweiligen Fürsten. Trotz eines hohen Maßes an Interessenkonvergenz zwischen der franzö­sischen Krone und den Gliedern der Rheinischen Allianz gab es grundsätz­ liche Konflikte bereits vor der Krise der späten 1660er- und der 1670er-Jahre, etwa um die franzö­sischen Ansprüche auf das Herzogtum Lothringen, was punktuell auch die Loyalität von dezidiert frankreichtreuen Akteuren wie etwa Wilhelm von Fürstenberg in Frage stellte. Eine weitere Hypothek für das Funktionieren franzö­sischer Netzwerke war die habsbur­gische Patronagekonkurrenz, die sich zum einen auf traditionale Bindungen, zum anderen auf die Attraktivität habsbur­gischer Ressourcen, etwa in Form von Standeserhöhungen oder Hofämtern stützen konnte. Akteure wie die Brüder ­Fürstenberg aber auch die Familie Metternich konnten mithilfe von Doppelstrategien

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sowohl Frankreich als auch der franzö­sischen Krone gegenüber Kooperationsbereitschaft signalisieren. Eine genauere Analyse dieser Praktiken hat für die Brüder Fürstenberg verdeut­licht, dass es hier um weit mehr ging als um eine Gewinn­ maximierungsstrategie zweier besonders habgieriger Individuen. Sie waren, darin Vorgaben einer zeitgenös­sischen Ethik folgend, um die Versorgung ihrer Verwandten bemüht. Dies galt auch für jene Familienangehörigen, die im Gegensatz zu ihnen uneingeschränkt treu in den Diensten des Kaisers standen. Insbesondere während des franzö­sisch-päpst­lichen Konfliktes der 1660er-Jahre war es zudem für klerikale Akteure wie die Fürstenbergs kaum mehr mög­lich, Benefizien in den franzö­sischen Grenzräumen zu erhalten, ohne gleichzeitig mit der Krone, dem Kaiserhaus und der Kurie zu kooperieren. Ein beeinträchtigendes Moment stellten auch die besonderen Verwandtschaftsverhältnisse sowie die kleinräumige konsensuale Personalpolitik in den geist­lichen Staaten des Alten Reiches dar. Diese konnten auswärtige Klientelbindungen überlagern und machten besonders Personalentscheidungen sowie Wahlhandlungen in den geist­lichen Staaten für die franzö­sische Diplomatie schwer kontrollier- und steuerbar. Da die zumeist kurzfristig geknüpften Patronagebeziehungen der franzö­sischen Krone im Reich durch Unwägbarkeiten wie multiple Loyalitäten oder unklare Normengeltungen geprägt waren, rückte für die Studie die Frage ins Zentrum, wie Vertrauen in diesen Beziehungen mög­lich war und wie es vermittelt und hergestellt werden konnte. „Vertrauen“ wurde hier als kognitive Disposition verstanden und mit Georg Simmel als „die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“, definiert. Dies kann es nur leisten, wenn es durch die Reduktion sozialer Komplexität den Akteuren Handlungs­ sicherheit ermög­licht. Für die Erörterung von Vertrauen stand vor allem die Frage im Vordergrund, welche „symbo­lischen Implikationen“ für die Herstellung von handlungsermög­lichendem Vertrauen für zureichend gehalten wurden, ebenso mit welchen Mitteln „Vertrauensgeber“ Irritationen und Enttäuschungen von Vertrauen verarbeiten konnten. Hierfür wurde diplomatische Kommunikation als Prozess „doppelter Verhand­ lung“, einerseits zwischen Diplomaten vor Ort und ihren Gesprächspartnern betrachtet, andererseits als Verhandlungs- und Aushandlungsprozess zwischen Diplomaten und ihren Prinzipalen durch die diplomatische Korrespondenz. Neben dieser akteurszentrierten, handlungstheoretischen wurde parallel dazu auch eine kommunikationstheoretische auf den Organisationsprozess gerichtete Perspektive eingenommen. An organisationssoziolo­gische Modelle anknüpfend konnte gezeigt werden, wie Selbstwahrnehmungen und Fremdzuschreibungen die Wahrnehmung von Akteuren und politischen Realitäten verzerren konnten. Dies muss jedoch weniger auf subjektive oder kollektive habitualisierte Wahrnehmungsmuster zurückgeführt werden. Vielmehr ermög­lichte es Kontrollillusionen und handlungsbefähigende Sinnzuschreibungen in politisch-administrativen Systemen, die in schwer

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kontrollierbaren Umwelten eine zentrale Bedeutung für deren Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit haben. Die Bedeutung von reduzierter Komplexität und von Rationalitätsfassaden verstärkte sich im Kontext eines solchen „verwalteten Vertrauens“ eher noch. Unter diesen Voraussetzungen wurde die Herstellung und Darstellung von Vertrauen zwischen den Akteuren untersucht. Es wurde zunächst nach der Rolle sprach­ lich-symbo­lischer Kommunikationsformen bei der Herstellung von Vertrauen gefragt. Hierbei ging es vor allem um Höf­lichkeit, die unter Diplomaten unerläss­lich war, um grundsätz­liche Kommunikationsbereitschaft anzuzeigen. Parallel dazu wurde auch die Rolle von Informationen als sprach­lich-symbo­lischer Ressource beleuchtet. Durch ihre Bedeutungsoffenheit und die Mög­lichkeit, sich nicht festlegen zu müssen, war Höf­lichkeit prinzipiell geeignet, sich über Beziehungen zu verständigen. Auch die standardisierte Kommunikation zwischen Patronen und Klienten muss vor allem vor diesem Hintergrund gelesen werden und darf hier nicht mit Elementen diskursiv-verständigender Kommunikation oder einer ­Praxis sprach­ lich-symbo­lischen Tausches vermengt werden. Durch die Mög­lichkeit, sich nicht festlegen zu müssen, konnte Höf­lichkeit einerseits als integrierendes Medium zur Kommunikationsanknüpfung fungieren, war aber andererseits durch seine Unbestimmtheit ungeeignet, Vertrauen bzw. Vertrauenswürdigkeit über eine elementare Ebene hinaus zu kommunizieren. Höf­lichkeit wurde daher zumeist als konventionalisiertes Routinehandeln wahrgenommen. Anhand von Fallbeispielen konnte jedoch auch gezeigt werden, wie Höf­lichkeit gerade bei der Kommunikation unter verfeindeten Akteuren bzw. bei solchen, die es sein sollten, nicht als Routinekommunikation, sondern als Projektionsfläche für vertiefte inhalt­liche Kooperation betrachtet werden konnte. Ebenso stellte die Praxis der Höf­lichkeit Diplomaten vor das Problem, auf welche soziale Rolle des Gesandten sich diese überhaupt bezog. Überzogene und als „unwahrschein­ lich“ wahrgenommene Höf­lichkeit konnte überdies zum paradoxen Effekt der Nicht-Kommunikation führen. Daran anschließend stellte sich die Frage, wie Akteure dann versuchten, hand­ lungsermög­lichendes Vertrauen und Kooperation im Rahmen von Anwesenheitskommunikation herzustellen. Die frühneuzeit­liche Diplomatietheorie idealisierte im Anschluss an zeitgenös­sische Kommunikationstheorien vor allem ein Konzept instrumenteller und einseitiger Herstellbarkeit von Kooperation und Vertrauen durch Höf­lichkeit und manipulative Kommunikation. Anhand von Verhandlungen mit den geist­lichen Kurfürsten wurde jedoch deut­lich, dass man zwar semantische Referenzen an derartige Kommunikationsideale findet. Dennoch bedurfte es, wie die Verhandlungen mit Johann Philipp von Schönborn 1657/58 zeigten, einer Vorwegnahme von Vertrauensbeziehungen, die mit eigenen riskanten Vorleistungen und der Erwartung auf Gegenseitigkeit verbunden waren. Gerade bei den Verhandlungen mit Kurmainz kam der Weitergabe von sensiblen Informationen in

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dieser Hinsicht eine besonders wichtige Rolle zu. Diese sollten zur Geheimniswahrung und zum reziproken Tausch von Informationen verpf­lichten. Ebenso war es wichtig, konkrete Kooperationsangebote auf der Inhaltsebene zu formulieren, die wieder auf die Beziehungsebene zurückwirken konnten. Vertrauen konnte also nicht einseitig manipuliert werden, sondern war häufig an die eigene Verstrickung in Kooperationsbeziehungen gekoppelt. Dabei blieb es zumindest im Prinzip auch dann, wenn keine politischen, finanziellen oder informationellen Ressourcen von Gewicht zur Verfügung standen. Dies verdeut­lichen die Verhandlungen des Marquis de Feucquières mit den geist­lichen Kurfürsten im Jahre 1672. Da hier kaum reale Kooperationsmög­lichkeiten bestanden, schien man nun auf organisierte Heuchelei zurückzugreifen. Statt verbind­liche Angebote zu formulieren, verdeckte man sowohl nach innen als auch nach außen die Tatsache, dass man Selbstzuschreibungen, die sich an den friedens- und ordnungspolitischen Normen des Westfä­lischen Friedens orientierten, durch die eigene Bellizität aufs Spiel setzte. Insgesamt zeigt die Analyse der kommunikativen Herstellung von Vertrauen, wie hier die Logik der Praxis ihre Autonomie vor den instrumentellen Normen des Verhandelns behielt. Das Problem der Gesandten der franzö­sischen Krone bei diesen Verhandlungspraktiken bestand jedoch darin, zum einen derartige Praktiken vorwiegend in der Kontrolle von Erwartungen. Aus direkter Kommunikation Indizien über Vertrauenswürdigkeit von Akteuren zu ziehen, erwies sich für die franzö­sischen Gesandten als schwierig. Im Gegensatz zu anderslautenden Annahmen waren körper­liche Gesten oder „face“ keine verläss­lichen Indikatoren für die Absichten eines Akteurs, sondern standen unter offenkundigem Motivverdacht. Aufgrund von multiplen Loyalitäten, pluralen Normen und der Mög­lichkeit, Kooperation durch dissimulative höf­liche Praktiken konfliktfrei und normenkonform zurückzuweisen, blieben franzö­sische Offerten makro- und mikropolitischer Kooperation häufig „Vertrauensangebote“, bei denen sich nicht direkt überprüfen ließ, ob Akteure sie annahmen bzw. ob es diese Akteure überhaupt wert waren, dass ihnen diese Angebote unterbreitet wurden. Um solche Kontrollen herzustellen, räumte man anderen symbo­lischen Codes und anderen „Kommunikationsräumen“ eine zentrale Bedeutung ein. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Akteure zum einen Unhöf­lichkeit als besonders aussagekräftige Praxis auffassten, die als Konventionsbruch Schlüsse über die Vertrauenswürdigkeit von Klienten zuließ. „Einfache“ Anwesenheitskommunikation musste durch die Beobachtung von Kommunikation gegenüber Dritten ergänzt werden. Hierbei kam der Praxis der Unhöf­lichkeit eine besondere Bedeutung zu, da die agonale Kommunikation eigener Klienten gegenüber der Gegenseite als besonders aussagekräftig für Vertrauen gelten konnte. Obwohl dies häufig punktuelle Inszenierungen von Gegnerschaft waren, die kaum zum dauerhaften Abbruch von Beziehungen führten, wurden sie jedoch von den franzö­sischen Diplomaten während Krisen in eigenen Klientelverhältnissen als vermeint­lich eindeutige Zeichen für Vertrauen gewertet, indem man sich in

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den Korrespondenzen auf die Wahrnehmung von irreversiblen Konflikten festlegte. Daher wurden in der diplomatischen Korrespondenz „Rationalitätsfassaden“ konstruiert, die entweder alternative Mög­lichkeiten ausblendeten oder den Wirk­ lichkeitskonstruktionen widersprechende Informationen nicht als Widerspruch verarbeiteten, indem sie nicht in Anschlusskommunikation umgesetzt oder durch Hilfserklärungen eliminiert wurden. Dies ermög­lichte eine Vertrauensgrundlage, die sich in bestimmten Grenzen als resistent gegen Widersprüche und Gegenanzeigen erwies. Eine solche Überprüfung eigener Erwartungen stützte sich aber gerade nicht auf dyadische Konstellationen, sondern sie war insofern triadisch, als dass sie sich an die Beobachtung von Kommunikation mit einem Dritten, näm­lich dem dynastischen Rivalen aus dem Hause Habsburg koppelte. Nach der Klärung dieser Kommunikationsstrukturen, erwies es sich als unerläss­ lich, die Rolle von Fremdwahrnehmungen und Feindbildern auszuleuchten, über die sich Diplomaten untereinander sowie mit ihrer Klientel verständigten. Hierbei konnten zwei Grundzüge herausgearbeitet werden. Erstens konnte das weitgehende Ausbleiben stereotypisierter Wahrnehmungsmuster in Bezug auf „Ethnizität“, Konfession oder sozialen Rang von bestimmten Akteuren festgestellt werden. Zweitens konnte dagegen die Bedeutung dynastischer Feindbilder in Bezug auf die Habsburger, deut­lich herausgearbeitet werden. Feindbilder bezogen sich nicht nur auf makropolitische Themen, wie das vermeint­liche Streben nach Universalmonarchie, Friedensunwilligkeit und religiöse Bigotterie, sondern auch auf mikropolitische Feindbilder, die den Habsburgern einerseits grundsätz­lich eine ungerechte, blinden Gehorsam einfordernde Patronagepraxis, ohne Toleranz für Abweichungen aufgrund makropolitischer Rationalität unterstellten und andererseits ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit, angemessene Gnaden an ihre Klienten zu verteilen, betonte. Dies entsprach jedoch gerade nicht subjektiven, habitualisierten Wahrnehmungen von Akteuren oder invarianten, „wirk­lichkeitsresistenten“ Deutungsmustern. Im Anschluss an organisationssoziolo­gische Erklärungsmodelle sollte vielmehr plausibel gemacht werden, wie vor dem Hintergrund einer Reichspolitik, die sich auf eine Zurückdrängung vermeint­licher habsbur­gischer Übermacht und Despotie berief, die permanente Aktivierung eines antihabsbur­gischen Feindbildes eine hohe diskursive Regelhaftigkeit der Feindbilder erzeugen konnte. Feindbilder blieben vor allem deshalb stabil, weil sich jene Situationen, aus denen heraus sie aktiviert wurden, aus franzö­sischer Sicht über einen langen Zeitraum hinweg permanent wiederholten und ihr Gebrauch aus franzö­sischer Sicht eine für den eigenen Kommunikationszusammenhang stabilisierende Funktion erfüllte. Dass solche Feindbilder aber gerade nicht unwandelbar waren und situationsabhängig verändert werden konnten, verdeut­lichte die Analyse von Interaktionen, Verhandlungen oder zeremonieller Kommunikation mit habsbur­gischen Gesandten. Gerade die Beschreibung der Verhandlungen im Vorfeld des Friedens von Oliva

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konnte die Situations- und Kontextabhängigkeit der Geltung von Feindbildern in besonderem Maße verdeut­lichen, da hier einerseits scheinbar feste habsbur­gische Feindbilder aufgebrochen und umgruppiert wurden, zum anderen aber Ereignisse und Wahrnehmungen, die in Verhandlungen vor Ort folgenlos blieben, in Bezug auf die franzö­sische Reichspolitik als Bestätigung von Feindbildern verarbeitet und in bewusster strate­gischer Absicht innerhalb der eigenen Klientelgruppe kommuniziert wurden. Abschließend wurde nach den Grenzen der kommunikativen „Konstruktion“ von Vertrauen gefragt. Für Niklas Luhmann spielen „Vertrauensschwellen“, unterhalb derer günstige Interpretationen auch für deviantes Verhalten formuliert werden können, bei deren Überschreiten aber Vertrauen in Misstrauen umschlägt, eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung von Vertrauensbeziehungen. Zwar thematisierten die franzö­sischen Gesandten und ihre Prinzipalen in ihrer Korrespondenz Bruchpunkte für Vertrauensbeziehungen. Man antizipierte dabei aber häufig Entscheidungen, die letzt­lich nie getroffen wurden. Dies fungierte unter organisationssoziol­gischer Perspektive als ein stabilisierendes Moment. Denn die implizite Entscheidung für die Fortsetzung von Vertrauen war umso leichter zu treffen, je deut­licher die Mög­ lichkeit vor Augen stand, dieses Vertrauen an einem klar definierten Punkt wieder zurückzunehmen. Statt von „Vertrauensschwellen“ muss hier also eher von „Vertrauenshorizonten“ gesprochen werden. Dort, wo es zum tatsäch­lichen Zusammenbruch von Klientelbeziehungen kam, konnten diese, wie am Beispiel Boineburgs und Reiffenbergs gezeigt wurde, unter gezielter Ausblendung oder Umdeutung der „Vergangenheit“ jener Beziehungen wieder aufgenommen werden. Dass Korrespondenzen ein verschrift­lichtes „Gedächtnis“ der Organisation bereitstellten, spielte hier ebenso wenig eine korrigierende Rolle, wie die Tatsache, dass sich dieselben Akteure auf die Neustiftung von Vertrauen verständigten, die es einst in Misstrauen hatten umschlagen lassen. Im dritten Hauptteil wurde schließ­lich der bereits in der Einleitung problematisierte Themenkomplex pluraler Normenorientierungen bei der Begründung franzö­sischer Reichspolitik sowohl auf mikro- als auch auf makropolitischer Ebene in den Blick genommen. Auf mikropolitischer Ebene lassen sich zunächst für die hier analysierten Außenverflechtungsbeziehungen grundsätz­liche Abweichungen von Patronageidealen feststellen, die die Verdienst- und Gnadenökonomie der franzö­sischen Gesandten strukturierten. Statt der Aufrechterhaltung einer „Freiwilligkeitsfiktion“ und normativen Aufladung von Zeitabständen zwischen Gabe und Gegengabe wurde nun die termingerechte pünkt­liche Auszahlung von Patronageressourcen von allen Akteuren, auch vom prinzipiell nicht-verpf­lichtbaren König als Beziehungsgrundlage akzeptiert. Statt der Akzeptanz nicht spezifizierbarer Gegenleistungen und der Konvertierbarkeit von Ressourcen, konnten Leistungen und Gegenleistungen zwischen Patronen und Klienten nun sogar schrift­lich fixiert werden. Diese Praxis wurde

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aus franzö­sischer Perspektive durchaus ambivalent bewertet: Zum einen konnten exakte Erwartungen an Reziprozität aus solchen Ressourcentransfers formuliert werden, zum anderen sah man Spielräume für das Aus- und Herunterhandeln von Patronageleistungen schwinden. Eine besondere Rolle spielte dabei auch die Untersuchung die Semantik von Interesse und Vorteil, wobei vor allem nach deren konkreten Gebrauchssituationen gefragt wurde. Der Begriff Interesse/intérêt besaß in Bezug auf im weitesten Sinne adelige Sozialbeziehungen dezidiert beziehungsdestabilisierende Implikationen und wurde als „Anti-Wert“ betrachtet. Es zeigt sich jedoch auch, dass das Interesse-­ Konzept im Zuge seiner generellen Aufwertung in der Mitte des 17. Jahrhunderts für das Schreiben über grenzüberschreitende Patron-Klient-Beziehungen von einer grundsätz­lich orientierenden und stabilisierenden Bedeutung war. „Interesse“ konnte in den hier beschriebenen Beziehungen als sprach­liches Mittel der Koordination von Erwartungen und als Zuschreibung von Handlungsmotivation verwandt werden. Dies erzeugte wiederum Erwartungssicherheit und ermög­lichte den hier verhandelten Vertrauensbeziehungen eine gewisse Krisenresistenz. Eigeninteressen der Akteure wurden als dominierende Handlungsmotivation hinter ambivalenten oder gar devianten Verhaltensweisen thematisiert. So entstanden Toleranzspielräume für die Enttäuschung von Vertrauen, die über eine Koppelung an das „Ethos der Patron­age“ nicht mög­lich gewesen wären. Die Semantik und das Normengefüge der Patronage und die entsprechend negativen Deutungen der Kategorie „Interesse“, die mit diesen verbunden waren, verschwanden damit aber keineswegs endgültig aus dem sprach­lichen Repertoire franzö­sischer Diplomaten. Sie kehrten vor allem in jenen Situationen zurück, in denen das Vertrauen zu Klienten durch das Überschreiten von Schwellen tatsäch­ lich vorübergehend erschöpft war und diente in diesen Fällen der kommunikativen Abwicklung von Enttäuschung. In diesem Rahmen wurde gewissermaßen retrospektiv die Übertretung von „Regeln“ der Patronage skandalisiert. Daneben konnten solche Normenorientierungen aber auch im Rahmen der Einschränkung überzogener klientelärer Forderungen nutzbar gemacht werden, wobei darauf verwiesen wurde, dass Klienten sämt­liche Leistungen allein könig­licher générosité verdankten und keineswegs Ansprüche stellen könnten. Als eine weitere Leitnorm wurden auch die Ehre und der Ruhm des franzö­ sischen Königs in ihrer Rückwirkung auf das Eingehen von Beziehungen in den Blick genommen. Zwar konnte das Sichtbarmachen klientelärer Zugehörigkeiten einen ehrsteigernden eigenen Wert darstellen, ebenso wie das Einhalten der Zusagen von Patronageversprechen und andere politischen Leistungen zu einer Frage fürst­licher Reputation gemacht wurden. Allerdings zeigte sich besonders während der Kaiserwahl, dass insbesondere Mazarin im von politischer und ökonomischer Rationalität abgekoppelten Ausschütten von Patronageleistungen ein Problem sah. Solche Nutzenerwägungen waren hier aber selbst wieder an Ehre und Unehre

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des Königs gekoppelt. Diese wurden zu einem prominenten Verhandlungsgegenstand zwischen Gesandten und ihren Prinzipalen, wobei vor allem erstere, auch um Handlungsspielräume vor Ort aufrechtzuerhalten und um aus ihrer Tätigkeit soziale, ökonomische und symbo­lische Profite für sich selbst ziehen zu können, auf einer Koppelung von könig­licher Reputation an Großzügigkeit und „Zahlungsmoral“ bestanden. Anschließend wurde das Verhältnis makro- und mikropolitischer Normenreferenzen anhand des Verhältnisses friedens- und ordnungspolitischer Normen zu mikropolitischen Handlungslogiken untersucht. Hierbei konnte festgestellt werden, dass zwar ein Nebeneinander beider Referenzen mög­lich war, von franzö­ sischer Seite aber häufig deut­liche Abgrenzungen von makro- zu mikropolitischen Handlungsformen dort vorgenommen wurden, wo es um die Gegenüberstellung eigenen Tuns mit jenem der Habsburger ging. In dieser Sicht wurde der habsbur­ gisch-bourbonische Gegensatz unter Ausblendung der eigenen Verflechtungspraxis auf die Alternative illegitimes mikropolitisches versus friedenserhaltendes gemeinwohlorientiertes politisches Handeln zugespitzt. Mikropolitisches Handeln wurde hier gewissermaßen zum Kampf- und Abgrenzungsbegriff stilisiert. Die Behauptung eines Primates makropolitischen Handelns konnte von franzö­sischer Seite aber auch aus handfesten mikropolitischen Gründen mobilisiert werden, näm­lich dann, wenn überzogene finanzielle Forderungen zurückgewiesen werden sollten. Anhand des Beispiels der Gefangennahme Wilhelms von Fürstenberg ist zum Schluss die Frage nach der Delegitimation von auswärtigen Verflechtungsbeziehungen gestellt worden. Hier wurde deut­lich, unter welchen Umständen und unter Verwendung welcher Deutungsmuster Fürstenbergs franzö­sische Verflechtung als deviantes Verhalten, als Korruption und Verrat gebrandmarkt wurden. Aus franzö­sischer Perspektive hielt man die eigenen Verflechtungspraktiken, kaum überraschend, für völlig unbedenk­lich. Zunächst akzeptierten auch die Kaiser­ lichen die Frankreichbindung Fürstenbergs und bedachten sie bestenfalls mit Kritik an unadeligem Verhalten. Dies änderte sich im Laufe der 1670er-Jahre im Zuge des „Reichskrieges“ gegen Frankreich grundlegend. Wilhelms Bindungen an die franzö­sische Krone wurden nun unter veränderten Vorzeichen als Verrat an Kaiser und Reich, Bruch von Lehenstreue und Korruption aufgefasst. Die Vorwürfe gegen Fürstenberg standen nicht nur aufgrund der zweifelhaften Rechtsgrundlage auf wackeligen Füßen. Sie ließen sich auch, wie eine genaue Analyse von Flugschriften zeigt, kaum auf einen Punkt bringen, von dem aus die Praktiken der Fürstenbergs konsistent als deviant beschrieben werden konnten. Besonders auffällig ist hier sowohl bei den im Auftrag des Kaiserhofes verfassten Traktaten François de Lisolas, als auch bei den Verhören und den Prozessvorbereitungen gegen Fürstenberg, dass die Vorwürfe gerade nicht vor dem Hintergrund eines als „frühmodernem Staat der Deutschen“ betrachteten Reiches formuliert wurden. „Reichspatriotische“ Referenzen ließen sich vielmehr kaum von Bezügen auf

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die Einbettung in feudale und klienteläre Beziehungsgeflechte, sowie von der sakral begründeten Autorität und Höchstrangigkeit des Kaisers trennen. Gerade das Argument, dass die Lehenstreue Fürstenbergs als primäre Loyalität zu gelten habe, wurde auch von den Kaiser­lichen in der internen Korrespondenz gebraucht und explizit über die völker- und gesandtschaftsrecht­liche Argumentation gegen seine Gefangennahme gestellt, um die Legitimität der Aktion zu begründen. Die gegen Fürstenberg erhobenen Korruptions- und Verratsvorwürfe verwiesen somit weniger auf eine modernisierungstheoretisch relevante Aufwertung zwischenstaat­licher oder territorialer Normen. Vielmehr griffen sie gerade auf besonders „archaische“ Referenzen zurück. Die Tatsache schließ­lich, dass es zu keinem Prozess gegen Fürstenberg kam, zeigt auch, wie schwierig es war, Rechtsverfahren in Gang zu setzen, mithilfe derer man Fürstenbergs Verhalten hätte sanktionieren können. Erstens waren Reichsachtverfahren derart verkompliziert worden, dass sie ohne Zustimmung der Kurfürsten formell nicht mehr zu führen waren, zweitens bot Wilhelm von Fürstenberg jenes Geflecht von Identitäten, das ihn in der Situation des beginnenden Reichskrieges in seine prekäre Lage gebracht hatte, auch die Mög­lichkeiten, sich durch die Berufung auf Identitäten als Gesandter, als Kirchenmann und schließ­lich als schutzbefohlener Untertan und Diener des franzö­sischen Königs einem Prozess zu entziehen. Zum Schluss sollen an dieser Stelle noch einmal zwei Aspekte, die für die Studie von besonderer Bedeutung waren, hervorgehoben werden. Der erste bezieht sich auf die hier stets mitverhandelten Fragen nach der „Staat­ lichkeit“ bzw. „Verstaat­lichung“ von Außenbeziehungen. Im Rahmen der Studie konnte nicht nur die Omnipräsenz von mikropolitischer Kooperation als Grundlage politischen Handelns deut­lich gemacht werden. Was auffällt ist auch, dass die makro­politischen Bezugspunkte der franzö­sischen Akteure weniger staat­liche Gebilde, sondern eine rivalisierende Dynastie, näm­lich die Maison d’Autriche war. Es konnte gezeigt werden, wie die Habsburger gewissermaßen als „dynastischer Dritter“ als heraufbeschworene politische Gefahr aber auch als mikropolitischer Konkurrent in den hier beschriebenen Beziehungen stets präsent blieben. Damit waren jedoch sowohl auf der mikro- als auch der makropolitischen Ebene Dynastien sowie ihre durch komplexe personale Machtstrukturen geprägten Höfe und politische Klienteln zentrale Referenzen. Diese dynastische Logik strukturierte in auffälliger Weise die Fremd- und Selbstbeschreibungen der hier untersuchten franzö­sischen Akteure. Dass man nur allzu bereit war, auf derartige Deutungsangebote zurückzugreifen und dabei auch andere mikropolitische Faktoren übersah, ist im Rahmen der Analyse franzö­ sischer Einflussnahme auf Wahlvorgänge in geist­lichen Staaten deut­lich geworden. Dies bedeutet aber auch, dass sich, wie im Laufe der Studie gezeigt wurde, das Interesse an der Wahrnehmung des Anderen im Rahmen einer Kulturgeschichte der Außenbeziehungen sich weniger an spezifisch nationalen oder konfessionellen Identitäten orientieren, sondern Affinitäten und Zugehörigkeiten zu Höfen, Dynastien und „Faktionen“ in den Blick nehmen sollte. Inwiefern man es aber

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dann noch mit spezifischen nur bestimmten Akteur zuschreibbaren stabilen Wahrnehmungselementen zu tun hat, wie etwa den hier regelmäßig aktivierten Feindbildern, oder sch­licht mit einer zeitgenös­sischen Logik der Kommunikation von Konflikt oder Solidarität, müsste in Einzelstudien geklärt werden. Hier könnte in der Tat die weitere Analyse der „interhöfischen“ Beziehungen zwischen den großen dynastischen Akteuren, den „Normalfällen“ europäischer Außenbeziehungen, neue Perspektiven eröffnen. Auch die Delegitimierung mikropolitischen Handelns konnte, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde, sich gerade nicht eindeutig der Aktivierung staat­licher oder territorialer Rahmensetzungen, die Außenverflechtung und multiple Loyalitäten als Verrat und Korruption in Erscheinung treten ließen, bedienen. Sie erfolgte, indem man verschiedene Ebenen dynastischer Zugehörigkeit, die Kategorien Untertänigkeit, Lehnsabhängigkeit und quasi-erb­liche Diensttradition hervorhob. Auch dort, wo mikropolitische Grundlagen von Außenbeziehungen aktiv kritisiert wurden, bedeutete dies nicht, dass die Akteure auf „zwischenstaat­liche“ oder territo­ riale „Alternativen“ in einem modernen Sinne zurückgriffen. Die Herausforderung bei der Untersuchung solcher Prozesse liegt dort, wo es darum geht, systematisch Denk- und Handlungskategorien „großer Politik“ herauszuarbeiten, die sich jenseits des modernen Staates und jenseits von Modernisierungsperspektiven bewegen und häufig selbst auf Beziehungen beruhen, die sich häufig weniger funktional als von ihrem Formalisierungsgrad und ihren Potentialen zur normativen Aufladung von anderen „patronagenahen“ Beziehungen unterschieden. Die Studie hat auch gezeigt, dass Akteure bzw. jene Institutionen, die für die Gestaltung Außenbeziehungen verantwort­lich waren, nicht im Rahmen eines nach bürokratischen Regeln organisierten Staatsdienstes agierten. Die hier präsentierten Fallbeispiele haben nicht nur verdeut­licht, dass die franzö­sischen Gesandten im Rahmen einer patronageartigen Verdienst- und Gnadenökonomie handelten, sondern auch, dass das franzö­sische Gesandtschaftswesen und die reichische Klientel der Krone im behandelten Zeitraum zu einem grenzüberschreitenden Unterhändlernetzwerk amalgamieren konnten. Die Trennung zwischen informellen Klienten und formellen Gesandtenrollen waren äußerst schwach ausgeprägt. Diese schwache Trennung zwischen „offiziell“ und „inoffiziell“ und der Mangel an Bürokratie deutet aber keineswegs auf die „Schwäche“ zentraler Institutionen hin. Stattdessen wurde die Krone bzw. deren Minister zu Trägern und Verantwort­lichen von Patron­agebeziehungen. Gesandte unterhielten Netzwerke nicht mehr auf der Basis eigener Kapitalien und stellten sie ledig­lich in den Dienst der Krone, wie dies im behandelten Zeitraum in Schweden noch der Fall war 1846. Stattdessen übernahm die Krone nun direkte Verantwortung für in ihrem Namen gestiftete Beziehungen, in 1846 Droste, Dienst der Krone, 238 f.

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dem sie diese im Rahmen einer „Politisierung des Klientelismus“ zu Gegenständen eines administrativen Systems machte. Dies führt auf den zweiten Aspekt, der hier abschließend hervorgehoben werden soll. Dieser betrifft die Tatsache, dass der Gebrauch von Normenreferenzen und Fremd- und Feindbildern nicht auf Werthaltungen und mentale Strukturen rückführbar ist, sondern von strate­gischen Intentionen der Akteure und situationslo­gischen Erfordernissen eines Kommunikationszusammenhanges her betrachtet werden muss. Dies wirkt sich direkt auf einen der zentralen Gegenstände dieser Studie aus: näm­lich Vertrauen. Zu Beginn der Studie war die Rede davon gewesen, dass politisches Vertrauen in der Frühen Neuzeit zumeist persön­liches Vertrauen bedeutete. Dies wird auch von dieser Studie bestätigt. Das Besondere an den hier untersuchten Fällen aber besteht darin, dass das Vertrauen im Rahmen eines administrativen Systems „verwaltet“ wurde. Damit verband sich auf eine komplexe Art und Weise die Logik personaler vor Ort gestifteter Beziehungen mit jener der Kommunikation in einer entstehenden staat­lichen Organisation. Personale Vertrauensbeziehungen müssen ohnehin um ihrer Stabilität willen bis zu einem gewissen Grade in der Lage sein, Irritationen oder abweichendes Verhalten zu tolerieren. Im Falle eines solchen „verwalteten Vertrauens“ kommen hierbei die Interessen der Verwaltenden ebenso wie die Strukturen des administrativen Kommunikationszusammenhanges als zentrale gestaltende Faktoren für Beziehungen vor Ort hinzu. Dies erklärt auch bis zu einem gewissen Grade das Changieren zwischen kooperativen „Vertrauensstilen“ und solchen, die auf „teuren Signalen“ durch die (vermeint­liche) Selbstgefährdung von Klienten oder der Konstruktion von übereinstimmenden Interessen beruhten. Dies führt hier zu einer höchst interessanten Konstellation, da auch ohne „staat­liche“ Außenbeziehungen, die von einem bürokratischen administrativen System getragen wurden, bestimmte Kommunikations- und Handlungslogiken von administrativen Systemen, die selbst auf mikropolitischer Grundlage funktionierten, auf personale Beziehungen der Akteure vor Ort zurückwirken konnten. Zu Beginn der Studie war die Rede davon gewesen, dass eine Kulturgeschichte des Politischen ihren Untersuchungsgegenstand als ein permanentes Aushandlungsgeschehen betrachtet. Politische Kulturen sind Ergebnisse und Objekte vielfältiger Aushandlungsprozesse, die im Einzelnen nur im tagespolitischen Alltagsgeschehen verfolgt werden können. Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Studie einerseits anhand der Begründung mikropolitischer Beziehungen, die zwischen marktförmigen und adeligen Normenreferenzen schwanken konnten, andererseits anhand der Tatsache, dass mikropolitisches Handeln auch unter bestimmten Bedingungen von im weitesten Sinne makropolitischen Logiken her in Frage gestellt werden konnte, verdeut­licht werden. Ebenso konnte gezeigt werden, dass Fremd- und Feindbilder einen wichtigen „Gebrauchswert“ sowohl für die Kommunikation von Gesandten und ihren Prinzipalen als auch für Aushandlungsprozesse innerhalb der eigenen Klientelgruppe hatten. Sie waren ein wichtiger Bestandteil jener „doppelten Aushandlung“,

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bei der sich die Kommunikation diplomatischer Akteure vor Ort immer wieder mit der gemeinsamen „Konstruktion“ von politischer Wirk­lichkeit verband. Man hat folg­lich die diplomatische Korrespondenz zwischen Gesandten und ihren Prinzipalen nicht nur als Quelle zur Rekonstruktion von Kommunikationsprozessen vor Ort, sondern auch als Medium von deren Beobachtung zu lesen. Als solches wurde sie aber selbst wieder von den Beziehungen von Gesandten und Prinzipalen und den systemischen Erfordernissen des Kommunikationszusammenhanges, in dem sie agierten, strukturiert. Normenreferenzen und Fremdbilder dienten hierbei einerseits strate­gischen Intentionen und erfüllten andererseits zugleich organisationale Sinnstiftungsfunktionen. Berücksichtigt man diese hochspannenden Interdependenzen, dann könnte sich für die Bearbeiter künftiger Studien zur Kulturgeschichte der Außenbeziehungen tatsäch­lich jenes Gefühl einstellen, dem einst Gordon Craig Ausdruck verlieh 1847: das Vergnügen, diplomatische Korrespondenz zu lesen!

1847 Craig, Pleasure of Reading.

6. Bibliografie

6.1 Archiva­lische Quellen: Paris, Archives du Ministère des Affaires étrangères (AMAE): Série Correspondance politique (CP): Allemagne: 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 155, 157, 171, 172, 173, 188, 189, 190, 191, 194, 195, 196, 197, 198, 192, 211, 213, 214, 222, 223, 226, 227, 228, 229, 232, 248, 249, 250, 253, 254, 256, 257, 260, 261, 262, 264, 265, 266, 277, 278, 279, 280 Allemagne, Petites Principautés: 77 Autriche: 18, 20, 21, 23 Cologne: 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 12, 13 Liège: 2, 3 Mayence: 4, 5, 6, 7, 8, 9 10, 11, 12, 13, 14 Palatinat: 6 Trèves: 3, 4 Saxe électorale: 3 Série Mémoires et Documents (MD): Allemagne: 38, 65 Alsace: 15, 19, 20, 21 France: 272, 273, 274, 277, 292, 293, 294, 295, 415, 416, 932, 934, 2128, 2129,2130, 2133 Paris, Archives Nationales (AN): Archives Personelles (AP): 557 (Bruant de Carrières) Versailles, Bibliothèque Municipale (BM): Manuscrits (Ms.): 48, 49 Wien, Haus, Hof- und Staatsarchiv (HHStA): Kriegsakten (KA): 143, 148 Mainzer Erzkanzlerarchiv (MEA): Reichstagsakten: 590

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Bibliografie

Reichskanzlei (RK): Geist­liche Wahlakten (GWA): Moguntia 3 Wahl- und Krönungsakten (WKA): 17b, 18a, 18b, 19a, 19b Weisungen in das Reich: 5 Staatskanzlei: Geheimregistratur der österreichischen Staatskanzlei, Repertorium N (Rep. N): 3, 33, 61 Staatenabteilung, Berichte aus Frankreich (StA-F): 24 Würzburg, Bayerisches Staatsarchiv (BStAW): Schönbornsches Korrespondenzarchiv (KA Schönborn): 2090, 2428, 2430, 2431, 2432, 2437, 2440 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BHStA): Kasten blau (K. bl.): 60/26 Kasten schwarz (K. sch.): 1636, 3735, 6459, 9349 1 – 2, 12468, 16650

6.2 Gedruckte Quellen: Acta Pacis Westphalicae (APW): Serie II, Abteilung B, Die Franzö­sischen Korrespondenzen, Bd. 1: 1644, bearbeitet von Ursula Irsigler unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy, Münster 1979. Serie II, Abteilung B, Die Franzö­sischen Korrespondenzen, Bd. 2: 1645, bearbeitet von Franz B ­ osbach unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter Mithilfe von Rita Bohlen, Münster 1986. Serie II, Abteilung B, Die Franzö­sischen Korrespondenzen, Bd. 4: 1646, bearbeitet von Clivia Kelch-Rade und Anuschka Tischer unter Mithilfe von Michael Rohrschneider und unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy, Münster 1999. Serie II, Abteilung B, Die Franzö­sischen Korrespondenzen, Bd. 5.2: 1646 – 1647, bearbeitet von Guido Braun unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und Achim Tröster, unter Mithilfe von Antje Oschmann am Register, Münster 2002.

Gedruckte Quellen:

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Serie II, Abteilung B, Die Franzö­sischen Korrespondenzen, Bd. 6: 1647, bearbeitet von Michael Rohrschneider unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter Mithilfe von Rita Bohlen, Münster 2004. Serie III, Abteilung B, Verhandlungsakten, Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden 1, Urkunden, bearbeitet von Antje Oschmann, Münster 1998. Serie III, Abteilung C, Diarien, Bd. 1: Diarium Chigi 1639 – 1651, 1. Teil: Text, bearbeitet von K ­ onrad Repgen, Münster 1984. Serie III, Abteilung C, Diarien, Bd. 3.1: Diarium Wartenberg 1644 – 1648, 1. Teil: 1644 – 1646, bearbeitet von Joachim F. Foerster, Münster 1987. Abschluss der Rheinallianz und der Beitritt Frankreichs, 15.8.1658, in: Duchhardt, Heinz/Peters, Martin (Hrsg.), http://www.ieg-friedensvertraege.de [26.11.2013]. Bodin, Jean, Les six livres de la république. Avec L’Apologie de René Herpin, Paris 1583 (Reprint: Aalen 1977). Callières, François de, De la manière de négocier avec les souverains, ediert in: Waquet, Jean Claude, L’art de négocier en France sous Louis XIV, Paris 2005. „Copey der Rechtfertigung des Herrn Baron de Lisola, wegen einer Visite, so er Printzen W. zu Cölln gegeben“, abgedruckt in: Diarium Europaeum, Bd. 30, Frankfurt am Main 1675, 424 – 427. Correspondance la Cour d’Espagne sur les affaires des Pays-Bas au XVIIe siècle, Bd. 4: Précis de la Correspondance de Philippe IV (1647 – 1665), hrsg. v. Henri Lonchay u. a., Brüssel 1933. Courtin, Antoine de, Nouveau traité de civilité, qui se pratique en France parmi les honnêtes gens, Paris 1671. Frischmann, Johann Jakob, Was hat Franckreich bey dem Wahl-Tag gethan? Antwort: Franckreich hat bey dem währenden Deputations und Wahl-Tag des Teutschlandes Fried und Ruhe gesucht befördert erhalten befestigt, [Erscheinungsort unbekannt] 1658. Ders., Deß Königs in Franckreich friedhaltendes Gemüth mit den Ständen des Teutschen Reiches. Allen widrigen Argwohn, Reden und Schrifften entgegengesetzt, [Erscheinungsort unbekannt] 1662. Furetière, Antoine, Le dictionnaire universel d’Antoine Furetière, Paris 1694 (Reprint: Paris 1978). Godefroy, Denis de, Céremonial de France, Cramoisy 1649. Godefroy, Théodore, Description d’Alemagne, hrsg. u. bearbeitet von Klaus Malettke, Münster 2010. Les grands traités du règne de Louis XIV., Bd. 2, hrsg. v. Henri Vast, Paris 1898.

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A

Albizzi, Mario  446 Aldenhofen, Johann von  200, 343 Alexander VII, Papst (Fabio Chigi)  218, 219 Annat, François, SJ  131 Andlau, Columban von  221f. Anselm Casimir von Wambold, Erzbischof und Kurfürst von Mainz 196 Ardier, Paul  130 Aretin, Karl Otmar von  81 Ariste, Jean  131 Asch, Ronald G.  81 Auersperg, Johann Weikhard, Fürst von  12, 225, 337, 440 Avaux, Jean d’, Comte de Mesmes  95, 128, 170 B

Bély, Lucien  15, 269, Baecker, Dirk  254, Barde, Jean de la  130 Bastian, Corina  46 Benthien, Claudia  300, Bernegger, Matthias  168 Berny, Marquis de  129 Bertram, Konstantin von  226, 238 Bielke, Niels, Graf von  425 Blom, Heinrich Julius  157, 177, 313, 355 Bodin, Jean  79, 149

Böckenförde, Ernst Wolfgang  81 Boineburg, Johann Christian  22, 85, 155 – 159, 161, 167, 172, 175, 176, 178, 180, 182, 190, 193, 203, 205, 207, 223 – 227, 230, 232, 240 – 242, 280, 298, 299, 302, 306f., 310, 312, 336, 337, 362, 357 – 359, 367, 382 – 386, 391, 406, 415f., 427f., 459 Boineburg, Philipp v.  230, Boineburg, Charlotte v.  241, Boineburg, Sophie v.  240, Bongars, Jacques  170, Bosbach, Franz  199 Bourdieu, Pierre  30 Bouthillier de Chavigny, Leon  130 Brandt, Christoph von  397, Braubach, Johann von (Hessen-)  155, Braubach, Max  23, 198, Brendecke, Arndt  48 Brienne de Loménie, Henri-Auguste, Comte de  119, 127 – 129, 131, 166, 349, 350, 394, 400 Brown, Penelope  262, Bruant de Carrières, Louis de  142f., 144 Burkersrode, Johann Friedrich von  188, 199 Burkhardt, Johannes  14, 16, 91 Buschmann, Peter  227 Buti, Abbé de, französischer Agent  346

534 C

Callières, François de  250, 261, 266f., 268, 281f., Caraffa, Carlo  219 – 221, 223 Castel-Rodrigo, Emmanuel de Moura Cortereal, Marques de  215, 307, 310 Castiglione, Baldassare  263 Chamoy de Rousseau, Louis de  132f., 180 Christian Ludwig I., Herzog zu Mecklenburg 391 Christoph Bernhard von Galen, Bischof von Münster  71, 169 Christ, Günter  351 Colbert, Jean-Baptiste de  76, 124, 129, 143, 147, 148, 166, 254, 423 Colbert, Charles de Croissy  129, 341f. Colbert de Torcy, Charles  130 Coleman, James  247 Condé, Prince de, Louis II.  125, 145, 169, 334 Conring, Hermann  155, 444 Courtin, Antoine de  39 Courval, Charles-Christophe, Vicomte de 160 Craig, Gordon  465 Crane, Johannes  114, 344 Cratz von Scharffenstein, Eberhard, Bischof von Worms  344 Créqui, Charles II, Duc de  219 Czempiel, Ernst-Otto  18 Czernin, Humprecht Johann, Graf von 280 D

Droste, Heiko  43

Register

Du Fresne, Jacques  131, 156f., 165 – 168, 184, 185, 273 Duchhardt, Heinz  87 Duhamelle, Christophe  233 E

Eisenstadt, Shmuel Noah  42 Elisabeth Angélique de Montmorency, Herzogin zu Mecklenburg  167, 391, Eltz, Johann Hugo von  239, 241, 299 Emich, Birgit  147 Engels, Jens Ivo  421 Ennen, Leopold  198 Externbrink, Sven  315 F

Ferdinand II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  83 Ferdinand III. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  57, 83, 445 Ferdinand IV., Römischer König  57, 152, 379 Ferdinand von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln  150, 151, 190, 194 Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern  58, 174, 187, 323, 376 Feucquières, Isaac de Pas, Marquis de  234, 282, 289, 291 – 296, 328, 457 Fischer, Johann  440 Foucault, Michel  27 Fouquet, Nicolas, Vicomte de Vaux  142, 423 Forstner, Christof  168 Friedrich, Susanne  268

535

Register

Friedrich II., König von Preußen  445 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg  71, 183, 185, 214, 352 Frischmann, Johann  168f., 172f., 185, 186, 402f., 414 Franz I., König von Frankreich  57 Franz Nikolaus, Herzog von Lothringen  56, 65 Frisen, Carl von  188 Frisen, Heinrich von  188 Fuchs, Ralf-Peter  49, 50, 288 Fuente, Juan, Marques de  224, 331, 341 – 343, 376 Fürstenberg-Heiligenberg, Graf Egon von  150, 194 Fürstenberg-Heiligenberg, Anton Egon, Fürst von  417 Fürstenberg-Heiligenberg, Ferdinand, Graf Friedrich von  195, 217, 310 Fürstenberg-Heiligenberg, Franz-Egon, Graf, später Fürst von, Bischof von Straßburg  55, 62, 143, 150 – 156, 165, 176, 178, 185, 187, 190, 194 – 196, 198, 202, 204, 206 – 210, 215 – 228, 231, 232, 272f., 279, 280, 304, 310, 320, 365, 368, 376 – 378, 381, 382, 386, 387, 398, 408, 417, 429, 430, 438, Fürstenberg-Heiligenberg, Hermann von, Graf, später Fürst von  188, 194, 208, 216f., 228, Fürstenberg-Heiligenberg, Wilhelm Graf, später Fürst von, später Kardinal  11 – 12, 70 – 72, 73f., 77, 78, 85, 87, 150 – 155, 158, 162, 165, 171, 172, 175, 179, 180, 183, 185, 188, 190, 195, 198, 200 – 202, 204, 205, 208, 210 – 216, 220,

225 – 229, 231, 232, 240, 244, 290, 293, 304 – 306, 312, 336, 343, 363, 348, 369, 377, 391, 396, 398, 408, 417, 430, 432, 433 – 448, 449, 454, 461, 462 Fürstenberg, Wilhelm, Graf von  194 Fürstenberg-Meßkirch, Froben Maria, Graf von  229 G

Galen, Christoph Bernhard von, Bischof von Münster  71, 72 Gergy, Jacques-Vincent, Comte de  109 Giddens, Anthony  30, 50, 256 Giese, Franz von  97, 412 Godefroy, Denis de  351 Godefroy, Théodore de  405 Goess, Johann von  214 Goffman, Erving  36, 262, 262 Gonzaga, Anna von, Herzogin von Clèves-Nevers 202 Gourville, Jean Herault, Sieur de  142 – 144, Gräf, Holger Thomas  192, Gramont, Antoine III., Duc de  97, 105, 113 – 117, 119, 133 – 135, 138, 153, 161, 167, 171, 174, 208, 259, 279, 280, 282 – 284, 286, 287, 297, 305, 308, 309, 320, 322, 323, 331, 334, 346, 347, 350, 368, 369, 375 – 377, 379, 398 – 400, 402, 407, 412, 427f., 452 Grana, Otto-Heinrich Caretto, Marques de  11, 237 Gravel, Robert de  45, 58, 64, 66, 68, 97, 98, 105 – 107, 111, 113, 138 – 142, 145, 148, 157, 161 – 163, 171 – 182, 184, 186,

536 199, 200, 205, 212, 220, 221, 224, 225, 235, 253, 254, 259, 272, 274, 278f., 280, 282 – 285, 298, 303, 307, 310, 313, 321, 323, 326, 328, 334, 336, 337, 342 – 345, 350 – 353, 357 – 359, 365, 367, 371, 379 – 382, 384 – 386, 389, 390, 394, 398, 406, 407, 409f., 411, 413, 414, 428f., 452, 453f. Gravel Jacques, Abbé de  45, 107, 138 – 142, 145, 167, 178, 184, 185, 237 – 240, 273f., 275 – 278, 290, 299, 302, 324, 383, 415, 453f. Gravel, Jules de  140 Greiffenclau, Friedrich von  87 Grémonville, Jacques Brethel de  70 H

Haro, Luis de Luis Méndez de Haro y Guzmán, 85, 341, 342 Heinrich IV., König von Frankreich  122, 170, 281, 411, 412 Herzelles, Philipp Otto von  157 Hettinger, Johannes  303 Hocher, Johann Paul  11, 440 – 442, 443 Homburg, Georg Christian, Landgraf von (Hessen-)  169f., 179, 180, 182, 184, 186, 187, 189, 190, 310, 389, 393f. I

Ingelheim, Anselm Franz von  237 J

Jervis, Robert  301

Register

Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen 169 Johann Philipp von Schönborn, Erzbischof und Kurfürst von Mainz  17, 59 – 62, 65, 68, 74 – 76, 84, 85, 87, 88, 107, 115, 119, 120, 155, 157, 158, 160 – 163, 166, 167, 176, 177, 186, 188, 190, 198, 203, 223, 224, 226, 235, 236, 238, 240, 242, 273f., 275 – 277, 279, 282 – 285, 286f., 289 – 291, 294f., 297, 302, 305, 306, 308, 312, 313, 326, 328, 334, 347, 350, 351, 354 – 356, 358, 359, 379, 384 K

Karl II., König von England  69 Karl IV., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 426 Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien  57 Karl V., Herzog von Lothringen 65, 74, 176, 203, 204 Karl Kaspar von der Leyen, Kurfürst und Erzbischof von Trier  163, 235, 239, 241, 282, 295, 297, 328, 412, 414f. Karl Joseph von Habsburg, Erzherzog, 220, 231 Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz  116, 161, 202, 427 Kettering, Sharon  140, 146, 372, 373 Köhler, Matthias  31, 136, 300, 304 Königsegg, Leopold Wilhelm, Graf von 229 Koselleck, Reinhart  33 Krischer, André  274

537

Register

Krockow, Matthias von  445 Krosigk, Adolf Wilhelm von  56 Kurtz, Ferdinand von, Graf  58, 206, 210, 223 Kurtz, Maximilian von, Graf  174, 272f., 309, 310 L

La Gardie, Magnus Gabriel de  73 Landsee, Johann Dietrich  164, 277f. Landwehr, Achim  32 Legutke, Daniel  268, Leibniz, Gottfried Wilhelm  76, 155, 159 Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  57 – 59, 70, 107, 114, 115, 156, 207, 209, 210, 212, 215, 223, 228, 279, 286, 305, 306, 331, 337, 341, 346, 348, 379, 411, 439 Leopold Wilhelm von Habsburg, Erzherzog, Bischof von Straßburg und Statthalter der Spanischen Niederlande  58, 151, 169, 189, 195, 208, 209, 220, 221, 224, 231, 397, 401 Le Tellier, Michel  148 Levinson, Steven  262 Leyen, Anna von der  162 Lincker von Lützewitz, Johann  157 Lionne, Hugues de  72, 73, 76, 105, 107, 108, 113, 115 – 117, 119, 124, 127 – 129, 131, 141, 161, 166, 171, 184, 185, 201, 204, 208, 225, 254, 259, 273f., 275, 279, 280, 282, 286, 287, 297 – 299, 302, 305, 308, 309, 320, 322, 323, 328, 331, 334, 336, 343, 346, 347, 350, 351, 355, 357 – 360, 365,

368, 369, 376 – 379, 398 – 400, 402, 405, 407, 412, 414, 427f., 452 Lisola, François de  418, 433 – 440, 441, 444, 447, 448, 461 Lobkowitz, Adam Wenzel, Fürst von  67, 215, 286, 346, 347 Longueville, Henri II., Duc de,  95, 128, 138, 349 Lothar Friedrich von MetternichBurscheidt, Bischof von Speyer, später Erzbischof und Kurfürst von Mainz  22, 96, 97, 162 -164, 178, 207, 230, 234 – 240, 242, 277f., 299, 320, 324, 369, 371, 391, 392f., 404, 428f. Louvois, François Michel Le Tellier, Marquis de  72, 73, 124, 143, 148, 169, 275, 276 Ludwig XIII., König von Frankreich  93, Ludwig XIV., König von Frankreich 48, 58, 65 – 67, 69, 76, 78, 88, 111, 112, 118, 120 – 125, 133, 134, 136, 141, 147, 148, 162, 219, 220, 222, 223, 240, 251 – 253, 289, 339, 345, 350, 351, 359, 367f., 370, 383 – 387, 391, 392, 394, 396, 413, 417, 423, 431, 437, 446, 447 Luhmann, Niklas  41, 43, 100, 248f., 257, 264, 288, 354, 360, 391, 394, 396, 459 Luxembourg, François-Henri de Montmorency-Bouteville, duc Luxembourg 143 M

Macchiavelli, Niccolò  250 Maintenon, Françoise d’Aubigné, Marquise de  40, 47, 125

538 Malettke, Klaus  315, 316 Marck, Katharina Charlotte von Wallendrodt, Gräfin von  11 Marenholtz, Konrad Askanius von  75 Maria Theresia, spanische Infantin, später Königin von Frankreich  339 Marthus, Steffen  300 Max Emanuel, Kurfürst von Bayern  198 Max Heinrich von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln  17, 22, 55, 61, 62, 65, 68, 70, 73, 77, 78, 150, 151, 156, 165, 176, 187, 198 – 205, 226 – 228, 231, 305, 378, 408, 418, 445 Maximilian I. , Herzog, später Kurfürst von Bayern  150, 194, 195 Mayer, Augustin  208, 279, 407 Mazarin, Jules, Cardinal de, 12, 57 – 59, 65, 85 – 87, 95, 110, 113, 116 – 118, 122, 128, 129, 132 – 135, 138, 139f., 142, 147, 151 – 153, 161, 165, 166, 170 – 173, 175 – 177, 182, 183, 186, 189, 202, 212, 224, 251, 259, 284 – 286, 287f., 290, 297, 304 – 307, 313, 326 – 328, 331, 334, 335, 341, 342, 355, 356, 365, 369f., 375, 376, 382, 394 – 399, 402, 405, 409f., 429, 440, 459 Mazarin, Armand Charles de La Porte, Duc de  166 Meel, Sebastian  203, 217, 225, 308, 309, 367 Mertz, Johann Wilhelm von  230, Mertz, Quirinus  164, 178, 230, 240 Metternich-Burscheidt, Damian Heinrich von 207 Metternich, Wolfgang Heinrich von  164, 178, 206f., 235, 237, 414

Register

Metternich-Winneberg, Johann Gerhard von 162 Montpensier, Anne Marie Louise d’Orléans, Duchesse de  204 N

Nani, Giovanni Baptista 209f., 223 Nassau, Franz Ludwig, Graf von  334, 387 Neuburg, Philipp Wilhelm, Herzog von  58, 74, 76, 186f., 189, 190, 206, 224, 287, 307, 376, 412 Neveu, Bruno  47 O

Öttingen-Wallerstein, Ernst Graf von  114 Öxle, Dr. Johann Georg  304, 323 Orsbeck, Johann Friedrich von  241 Orsbeck, Johann Hugo von  239, 241 Ortmann, Günter  258 Ossat, Arnaud d’ 281, 299 Osterhammel, Jürgen  18 P

Parayre, frz. Commis im Außenstaatssekretariat 131 Rammingen, Pawel von  369 Phélypeaux, Raymond de  130 Philipp Christoph von Sötern, Erzbischof und Kurfürst von Trier, 94, 160, 163, 223, 233f. Peñaranda, Gaspar de Bracamonte y Guzman, Conde de  224, 307, 308, 332, 334, 340, 407f.

539

Register

Pillorget, Réné  235 Plittersdorf, Graf von  87 Pomponne, Simon Arnauld de  73, 129, 130, 143, 169, 276, 302 Porcia, Johann Ferdinand, Graf später Fürst von  211 – 213, 217, 219, 225, 310, 337 Popitz, Heinrich  247 Pufendorf, Esaias  433 R

Reckwitz, Andreas  24, 28 Reiffenberg, Philipp Ludwig von  22, 159 – 163, 188, 234, 235, 242, 357f., 362, 459 Reigersberger, Nikolaus Georg 196 Reinhard, Wolfgang  20, 21, 149 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Duc et Cardinal de  82, 84, 122, 126, 146, 147, 392 Roberts, Simon  37 Rohrschneider, Michael  388, 392 S

Salvius, Johann Adler  171 Sanfelice, Giuseppe de  218f. Saria, Tomas de  279, 305 Schenkherr, Gerhard von Waldenburg, genannt 196 Schilling, Heinz  16, 325, 339, 388 Schmidt, Georg  16 Schmitt, Carl 330, 338 Schnolski, Georg Hansson  60, 321 Schönborn, Franz Georg von  167, 236

Schönborn, Melchior Friedrich  240, 324 Schönborn, Philipp Erwein von  379f. Schraut, Silvia  232 Schulze, Winfried  374 Schwarzenberg, Johann Graf, später Fürst von 306 Servien, Abel de  115, 128, 129, 182, 189, 190, 202, 306, 393f. Simmel, Georg  41, 43, 247, 261, 272, 302, 455 Sonnino, Paul  69, 123 Spinola y Rojas, Christoph de  225, 344f., 357 Stollberg-Rilinger, Barbara  104, 267 Strohmeyer, Arno  316, 317 T

Thiessen, Hillard von  19, 35, 43, 136, 144, 146, 203 Thun, Guidobald von, Erzbischof von Salzburg  107, 272, 278f., 343, 344f., 352, 390 Truchsess-Waldburg, Grafen von  232 Turenne, Henri de la Tour d’Auvergne, Vicomte de  77, 78, 125, 145, 160 U

Ulbert, Jörg  316 Ursins, Marie-Anne de La Trémoille Princesse des  46, 125, 181 V

Valdés, Ernesto Garzón  420

540 Verjus, Antoine de  179 Villeneuve, Marquis de  160 Vitry, François-Marie, Duc de  105, 113 Volmar, Isaak  114, 115, 117, 207, 223 Vorburg, Johann von  157, 178, 193 W

Wagnée, Charles de Poittiers, Comte de  165, 171, 176, 210, 236, 253, 310, 322, 365, 378, 382 Walderdorff, Emmerich von  228

Register

Walderdorff, Wilderich von  213, 223, 224, 235 – 237, 242, 342, 368, 381 Waquet, Jean-Claude  49, 252, Weber, Max  132, Weick, Karl  257, Weißenwolf, David zu  352 Wicquefort, Abraham de  112, 113f., 149, 180, 251, 261, 266, 267, 270, 281, 297, 303, 349 Wicka, Graf Franz von  228, 442f. Winckelhausen, Heinrich von 411 Windler, Christian  21, 317 Wolf, Hubert  232, 428

EXTERNA GESCHICHTE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN IN NEUEN PERSPEKTIVEN HERAUSGEGEBEN VON ANDRÉ KRISCHER, BARBARA STOLLBERG-RILINGER, HILLARD VON THIESSEN UND CHRISTIAN WINDLER BISHER ERSCHIENEN

BD. 4 | CORINA BASTIAN VERHANDELN IN BRIEFEN

BD. 1 | HILLARD VON THIESSEN,

FRAUEN IN DER HÖFISCHEN DIPLOMA-

CHRISTIAN WINDLER (HG.)

TIE DES FRÜHEN 18. JAHRHUNDERTS

AKTEURE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN

2013. 497 S. GB.

NETZWERKE UND INTERKULTURA LITÄT

ISBN 978-3-412-21042-7

IM HISTORISCHEN WANDEL 2010. VIII, 546 S. 6 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-20563-8

BD. 5 | CORINA BASTIAN, EVA KATHRIN DADE, HILLARD VON THIESSEN, CHRISTIAN WINDLER (HG.) BD. 2 | EVA KATHRIN DADE

DAS GESCHLECHT DER DIPLOMATIE

MADAME DE POMPADOUR

GESCHLECHTERROLLEN IN DEN

DIE MÄTRESSE UND DIE DIPLOMATIE

AUSSENBEZIEHUNGEN VOM

2010. X, 338 S. GB.

SPÄTMITTELALTER BIS ZUM

ISBN 978-3-412-20480-8

20. JAHRHUNDERT 2014. 316 S. 2 S/W-ABB. GB ISBN 978-3-412-22198-0

BD. 3 | MATTHIAS KÖHLER STRATEGIE UND SYMBOLIK

BD. 6 | TILMAN HAUG

VERHANDELN AUF DEM KONGRESS

UNGLEICHE AUSSENBEZIEHUNGEN

VON NIMWEGEN

UND GRENZÜBERSCHREITENDE

2011. XII, 531 S. GB.

PATRONAGE

ISBN 978-3-412-20771-7

DIE FRANZÖSISCHE KRONE UND DIE GEISTLICHEN KURFÜRSTEN (1648–1679) 2015. 544 S. GB.

HC575

ISBN 978-3-412-22360-1

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

ANNETTE GERSTENBERG (HG.)

VERSTÄNDIGUNG UND DIPLOMATIE AUF DEM WESTFÄLISCHEN FRIEDENSKONGRESS HISTORISCHE UND SPRACHWISSENSCHAFTLICHE ZUGÄNGE

Münster und Osnabrück waren in den Jahren von 1643 bis 1648 Schauplätze bedeutender europäischer Verhandlungen. Räumlich und zeitlich entstand hier ein »Verdichtungsraum«, in dem sich die kommunikativen Formen der Diplomatie nicht nur abbildeten, sondern neu konfigurierten. Dieser Dynamik widmen sich die Beiträge des Bandes. Sie beleuchten aus Sicht eng aufeinander bezogener historischer und linguistischer Teildisziplinen in quellennahen Analysen Stand und Entwicklung der sprachlichen Ausdrucksformen auf dem Westfälischen Friedenskongress: die Rolle der Einzelsprachen und ihre Konkurrenz, Entstehungsbedingungen und Erschließung der Quellen und die Funktionen ihrer sprachlichen Gestaltung. 2014. 298 S. 4 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-21004-5

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar