Die gegenwärtige Krisis in der alttestamentlichen Kritik: Ein Bericht [Reprint 2021 ed.] 9783112466308, 9783112466292

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Die gegenwärtige Krisis in der alttestamentlichen Kritik: Ein Bericht [Reprint 2021 ed.]
 9783112466308, 9783112466292

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Die gegenwärtige Krisis in der alttestsmentlichen Kritik Lin Erricht von

Johannes Dahfr ssfarrrr in Freirachdorf

Girhru 1914 Vrrlsg von KlfrrL Töprlmsnn (oorm. I. Kicker)

Ueber die gegenwärtige Krisis in der alttestamentlichen Kritik soll ich Ihnen berichten. Gibt es denn eine solche? Wenn man die beiden deutschen theologischen Encyklopädien aufschlägt, die Haucksche Realencyklopädie und das Sammelwerk „Die Religion in Geschichte und Gegenwart", so findet man da keine Silbe über eine Krisis. In dem im vorigen Jahre er­ schienenen Ergänzungsbande zu jener Encyklopädie schreibt D. Strack in dem Artikel „Pentateuch", es seien zwar in den letzten Jahren manche Schwächen in den herrschenden Hypothesen nachgewiesen worden, aber seines Erachtens werde von diesem Widerspruch die Berechtigung der gegenwärtigen Quellenanalhse nicht berührt; und in dem anderen Sammelwerk, in dem der Artikel „die Mosesbücher" von D. Bertholet ver­ faßt ist, wird überhaupt nichts von dem neuerlichen Widerspruch gegen die herrschenden Ansichten der alt» testamentlichen Literarkritik gemeldet, ja es wird die darauf bezügliche Literatur überhaupt gar nicht ange­ führt. So ist denn noch vielerwärts die Meinung verbreitet, daß die alttestamentliche Kritik, speziell be­ züglich der Quellenscheidung, zu gesicherten Ergebnissen geführt habe. — D a s ist ja freilich von den verschieden­ sten Seiten anerkannt, daß auf einem andern Gebiete der alttestamentlichen Kritik schon seit einer Reihe von Jahren sich ein Umschwung in den bis dahin herr­ schenden Ansichten vollzogen hat. Die Wellhausensche Ansicht von dem Verlaufe der Geschichte Israels, die Entwicklungsreihe: Nomadenreligion, Bauernreligion, Prophetenreligion, Gesetzesreligion, mußte sich unter dem Drucke der Tatsachen Umänderungen gefallen lassen; die Ergebnisse der Ausgrabungen im Orient sprechen zu laut gegen jenes Schema. Daß die Bezeich-

— 4 — nungen „Nomadenreligion" und „Bauernreligion" den Tatsachen nicht gerecht wurden, zeigten die Funde von Teil el Amarna und die Ausgrabungen im Heiligen Lande, man lernte dadurch Kulturzustände der dama­ ligen Zeiten kennen, die weit höher waren, als man gemeiniglich annahm. Daß aber auch die Reihenfolge: erst Propheten, dann Gesetze zu Unrecht angenommen, bewies der zu Susa gefundene Hammurabi- Codex mit seinen Gesetzen aus Abrahams Zeit. So sind denn im Laufe der letzten Jahre immer mehr Forscher von Well­ hausens Auffassung abgerückt. Eine sehr interessante Aeußerung darüber hat ganz neuerdings D. Gunkel getan; er schreibt nämlich in dem Artikel „Julius Well­ hausen" in dem Sammelwerk „Die Rel. in Gesch. und Geg.": „Neuerdings aber sind in steigendem Maße Bedenken, auch von wissenschaftlicher Seite her, laut geworden: das Gesamtbild sei ohne Rücksicht auf die Geschichte des übrigen Orients entworfen und, obwohl die orientalischen Entdeckungen in letzter Zeit in un­ geahnter Weise gestiegen seien, nicht in genügender Weise umgearbeitet worden; die Schule habe sich, be­ sonders in ihren jüngeren Vertretern immer mehr in eine zuerst notwendige und heilsame, jetzt aber immer unfruchtbarer werdende Literarkritik vergraben; dabei sei die religionsgeschichtliche Betrachtung, die gerade Wellhausen und seine älteren Freunde so glänzend be­ gonnen hätten, und noch mehr die literaturgeschicht­ liche vor der literarkritischen zurückgetreten;über­ haupt sei die Schule mittlerweile alt und unproduktiv geworden: die Jüngeren und Jüngsten begnügten sich, das längst Gesagte zu wiederholen. Wie sich aber auch dieser wissenschaftliche Streit, der gegenwärtig erst in seinen Anfängen steht und durch kein Machtwort der Schule erledigt werden kann, entscheiden wird, sicher­ lich bleibt die durch Wellhausens Namen bezeichnete Epoche eine der bedeutsamsten und vielleicht die glän­ zendste, welche die alttestamentliche Wissenschaft je er­ lebt hat; und es wird das Bestreben, auch der Gegner der Schule in Zukunft sein müssen, kein Körnchen Wahrheit, das von ihr entdeckt worden ist, wieder zu verlieren. Wellhausen selbst hat sich seit längerer Zeit vom A. T. zurückgezogen und sich mit arabistischen und neutestamentlichen Untersuchungen beschäftigt." Je mehr man aber die Unrichtigkeit der Position

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betr. des Geschichtsverlaufs Israels zugeben mußte, um so mehr behauptete man, daß die Richtigkeit der Er­ gebnisse der Quellenscheidung über allen Zweifel er­ haben sei. Daß der Pentateuch, resp, der Hexateuch aus den Quellenschriften Jahwist, Elohist, Deuteronomium, Priesterkodex zusammengesetzt sei, und daß die anderen Bücher des Alten Testaments in analoger Weise eine Zusammenarbeitung aus parallel berichtenden Quellen­ schriften seien, galt bis vor kurzem als sicherstes Ergeb­ nis der alttestamentlichen Forschung. Und nun wankt auf einmal auch dieses stolze Gebäude, auch da ist eine Krisis hereingebrochen, und darüber habe ich Ihnen näheres zu berichten. Die gegenwärtig übliche Quellenschcidung geht aus von der Tatsache, daß der Pentateuch, wie er uns in dem jetzigen hebräischen Text vorliegt, an vielen Stellen hinsichtlich der Reihenfolge und des Zusammen­ hangs Schwierigkeiten bietet, die schon Goethe veran­ laßt haben, von der höchst traurigen unbegreiflichen Re­ daktion des Pentateuchs zu reden. Das ist nnn aber nicht erst eine Beobachtung der letzten 150 Jahre, schon Kirchenvätern ist diese Tatsache aufgefallen. So sagt Augustin von dem Verhältnis von Gen. 35, 9 ff. zu Gen. 28, wo beide Male die Entstehung des Namens Bethel berichtet wird: Iterum factum est, quod factum fuerat, an iterum commemoratum? Geschah hier noch einmal, was schon geschehen war, oder wird's nur zum zweiten Mal erwähnt? Mangelnder Fortschritt der Handlung und sogenannte Doppelberichte, das ist's vor allem, was den Anlaß zur Annahme von parallel be­ richtenden Quellenschriften, die nun ineinandergear­ beitet vorliegen, gegeben hat. Zwei sich widersprechende Schöpfungsberichte, zwei verschiedene Flutberichte, zwei unvereinbare Erzählungen über Josephs Kommen nach Aegypten, zwei stark differierende Berichte über die Berufung des Mose sollen so verschiedenen Quellen­ schriften entstammen. Um diese Quellenschriften nun aber nachweisen zu können, mußte man Kriterien, Er­ kennungszeichen, Quellenscheidungsmittel haben, und als solche benutzt man seit Astrucs Zeiten die beider: Gottesbezeichnungen Jahweh und Elohim und seit Ilgen die beiden Namen des dritten Patriarchen, Jakob und Israel. Schon diese Heranziehung des doppelten Na­ mens des dritten Patriarchen als zweites Kriterium

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durch Ilgen war ein Notbehelf, und sie geschah, um einem Mangel der Astrucschen Hypothese abzuhelfen. Denn für die ersten zwei Drittel der Genesis scheint ja ein regelmäßiger Wechsel der Gottesnamen vorzu­ liegen, und der hätte sich ja möglicherweise so erklären lassen können, wie Astruc unb seine Nachfolger ange­ nommen; aber nun wird im letzten Drittel der Genesis mit Ausnahme der Kapitel 38 und 39 nur Elohim als Gottesbezeichnung gebraucht; die Beschaffenheit des Textes von Kapitel 37 an ist aber genau so wie die der vorhergehenden Kapitel, uns treten da dieselben Schwie­ rigkeiten entgegen; durch einen Wechsel der Gottes­ namen werden sie aber nicht erklärt, so erfolgte denn die Anwendung des Patriarchennamens als Hilfsmittel für die Analyse dieser Kapitel. Außer an diesem verschiedenen Gebrauch der ge­ nannten Namen soll man die angeblichen Quellen­ schriften noch an anderen sprachlichen Unterschieden erkennen können. Schon Ilgen hat die beiden Bezeich­ nungen für Magd (amah und schifchah) als weitere Kriterien benutzt, und Eichhorn macht daraus aufmerk­ sam, daß in den Nachrichten von der Noachischen Flut die Abschnitte, welche Gott mit dem Namen Jehovah belegen, eine Phraseologie haben, von der in den Ab­ schnitten mit Elohim gar keine Spur vorkommt. Daß D. Strack lange Listen der Wörter, die die einzelnen Quellenschriften unterscheiden sollen, in seiner Ein­ leitung zusammengestellt hat, wird Ihnen bekannt sein. Nicht überflüssig ist es aber, darauf hinzuweisen, daß diese sprachlichen Unterschiede immer nur eine ganz sekundäre Rolle gespielt haben. Ja, wenn diese Wörter in jedem Kapitel vorkämen, dann könnte man sie den beiden Namenskriterien gleichstellen, aber nun kommen sie in der Regel nur hier und da vor, man kann sie gelegentlich wohl mal in einem Kapitel anwenden, um das in zwei angebliche Quellenberichte aufzulösen, aber nicht wie Jahweh und Elohim, Jakob und Israel als ein durchlaufendes Kriterium, als einen Ariadne­ faden von Anfang bis zu Ende. Bon den bisher genannten sprachlichen und Na­ menskriterien ist nun aber eine zweite Reihe von Ei­ gentümlichkeiten zu unterscheiden, die nach heutiger Auffassung auch ein Beweis für ursprüngliche Quellen­ schriften sein sollen, die aber doch Wohl in Zukunft an-

— 7 — derS gedeutet werden müssen. Man glaubt nämlich, daß die angeblichen Quellenschriften sich auch dadurch von einander unterscheiden, daß uns in ihnen verschiedene Be­ trachtungsweisen der Geschichte, verschiedene Auffassun­ gen des Verhältnisses zur Gottheit, überhaupt verschie­ dene Ideen entgegentreten. Aus dem Buche des Jahwisten atme ein ganz anderer Geist als aus dem des Elohisten, aus dem Deuteronomium, aus dem Priesterkodex. Was an dieser Auffassung richtig ist, werden wir hernach sehen. Ich fasse kurz zusammen, daß die gegenwärtig herrschende Anschauung der Literarkritik bezüglich der Entstehung der alttestamentlichen Bücher die ist, daß aus verschiedenen parallel berichtenden Quellenschriften, die sich durch Sprachgebrauch und Betrachtungsweise von einander unterscheiden, die Doppelberichte ent­ stammen und so die Unstimmigkeiten des Textes zu er­ klären sind. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist nun jüngst energisch bestritten worden; D. Klostermann, der das schon seit Jahren getan, steht nicht mehr allein. In erster Linie gelten jetzt die Angriffe den Quellenschei­ dungsmitteln. Hinsichtlich der Namenskriterien wird behauptet, daß sie ganz wertlos sind, hin­ sichtlich der sprachlichen, daß sie von ganz minimaler Bedeutung sind, hinsichtlich des Krite­ riums, das sich auf die Ideen, die Betrachtungs­ weise gründet, macht sich jetzt eine Auffassung bemerk­ bar, die bestreitet, daß dadurch ehemals selbständige Quellenschriften nachgewiesen werden können, die aber doch diesem Kriterium für das Verständnis der Ent­ stehungsgeschichte der Mosesbücher eine nicht unwichtige Bedeutung beimessen zu müssen glaubt. über die sprachlichen Verschiedenheiten in den Hexateuchquellen hat Kräutlein 1908 eine wichtige Un­ tersuchung veröffentlicht, und auch D. Greßmann hat darüber in seinem neuen „Mose" ein sehr bemerkens­ wertes Urteil gefällt. Beide stimmen darin überein, daß die Beweiskraft des Sprachgebrauchs bei der Armut des Hebräischen und bei den geringen Resten der erhaltenen Literatur ganz gering ist. Aus den Tabellen Kräutleins geht hervor, daß nur bei P eine sich von den anderen Quellenschriften charakteristisch unterscheidende Aus­ drucksweise vorliegt, daß aber der Sprachgebrauch nicht ein Unterscheidungsmittel zwischen J und E sein könne.

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Bei der Unterscheidung der angeblichen Quellenschrift des Jahwisten von der des Elohisten hängt alles von den beiden Namenskriterien ab. Wie steht's nun da­ mit? Da lassen Sie mich Ihren Blick ganz kurz auf die Geschichte der Benutzung dieser Kriterien lenken und daraus ein paar Tatsachen hervorholen, die gewöhnlich nicht erwähnt werden und daher wenig bekannt sind. Sie wissen, daß nach heutiger Auffassung der Jahwist den Namen Israel, der Elohist den Namen Jakob ge­ brauchen soll. Bei Ilgen aber, dem wir die Anwendung dieses Kriteriums verdanken, ist es umgekehrt; nach ihm gebraucht der Jahwist den Namen Jakob und der Elohist den Namen Israel und — es ging auch so! Andere alttestamentliche Forscher haben den Gebrauch des Patriarchennamens noch anders auf die angeblichen Quellenschriften verteilt. Ja, es hat eine Zeit ge­ geben, wo gleichzeitig auf Deutschlands Universitäten bezüglich dieses Quellenscheidungsmittels einander di­ rekt Widersprechendes gelehrt wurde, indem nach Nöldeke in seinen „Untersuchungen" 1869 P Jakob und E Israel schreibt, während in der im selben Jahre herausgegebenen 8. Auflage von de Wette's Einleitung als Kennzeichen P'S Israel angegeben ist, dieser Name aber als Kriterium zwischen J und E stillschweigend übergangen wird. Warum kann man nun aber mit diesem Namen alles beweisen? Weil jede Auffassung mit zu vielen Ausnahmen sich abfinden mutzte. Einer meiner Kritiker hat mir auf diese meine Feststellung hin geantwortet, es sei wenig wissenschaftlich, aus dem Umstande, daß die Kritiker über eine Frage zu verschie­ denen Urteilen gekommen seien, weitgehende Schlüsse zu ziehen. Aber meine Herren, hier handelt es sich garnicht bariint, daß in den Resultaten keine Einheit­ lichkeit erzielt ist, sondern darum, daß dasselbe Mittel Entgegengesetztes beweisen soll. Und ein Mittel, mit dem man das kann, ist wertlos. Noch weniger bekannt als diese verschiedene Auffassung von Jakob und Israel ist ttun aber der Umstand, daß derselbe Ilgen auf Grund des Gebrauchs der Gottesnamen die Urgeschichte der Genesis nicht, wie es heutzutage üblich ist, auf den Jahwisten und den Priesterkodex, sondern auf den ersten und auf den zweiten Elohisten verteilt. Der Jahwist beginnt bei Ilgen erst bei Kapitel 12. Wie er dazu kam, werden wir gleich sehen. Hier stelle ich fest, daß.

— 9 — wenn man die Geschichte der Pentateuchkritik verfolgt, auch bei der Genesis zu gelten hat, was für die Bücher Exodus bis Numeri D. Greßmann mit bezug auf die Sicherheit in der Verteilung der verschiedenen Berichte auf die verschiedenen Quellenschriften bekennt: in vielen Fällen sind die Sigla J und E weiter nichts als Eti­ ketten, die man beliebig vertauschen darf. So ergibt sich uns aus der Geschichte der Pentateuchkritik, daß die Quellenscheidungsmittel unsichere Führer sind. Kann uns diese Tatsache schon stutzig machen und uns einen Zweifel an der Richtigkeit der üblichen Quellenanalyse einflößen, so wird dieser Zweifel noch er­ heblich vermehrt, wenn wir sehen, wie wenig sich die Quellenkritik, die sogenannte höhere Kritik, um die Textkritik oder niedere Kritik gekümmert hat. Man sollte es kaum für möglich halten, daß man Jahweh und Elohim, Jakob und Israel als zuverlässige Führer betrachtet hat, ohne sich um die Geschichte des Textes ge­ kümmert zu haben, ohne sich die Frage vorzulegen: Steht denn heute noch überall derselbe Name wie vor 2300 Jahren. Derjenige hebräische Text, den wir heute haben, ist doch nicht der älteste und nicht der einzige. Die alten Bibelübersetzungen, die griechische, lateinische und syrische und noch eine Reihe anderer, gehen doch alle auf hebräische Texte zurück; merkwürdigerweise ist nun bis vor kurzem nur ganz vereinzelten Forschern (zuerst Ilgen, daher seine abweichende Quellenschei­ dung) der Gedanke gekommen, auch sie bei der Quellen­ analyse zu Rate zu ziehen. Natürlich hat das einen Grund. Und der Grund ist der, daß die Handschriften unseres jetzigen hebräischen Textes selbst von einander nur sehr geringe Abweichungen zeigen. Da hat man denn geglaubt, auf die Heranziehung der anderen Texte verzichten zu dürfen, und ohne weitere Prüfung den jetzigen hebräischen Text in unserer Frage für den ältesten gehalten. Noch einen weiteren Entschuldigungs­ grund gibt es für diese Unterlassungssünde. Wer flüch­ tig die Lesarten der Uebersetzungen durchgeht, dem tritt, besonders bei der griechischen, solch ein Wirrwarr von Varianten entgegen, daß man gegen die ganze Uebersetzung von Mißtrauen erfüllt wird. Denn die Uebersetzungen sind uns in Handschriften erhalten, die sehr häufig im Gebrauch der Gottesnamen weit ausein­ andergehen. Will man die Versionen für die Text-

— 10 tritt! nutzbar machen, so mutz man zunächst ihre Hand­ schriften gruppieren, muß etwaige spätere Rezensionen zu ermitteln suchen; man muß weiter sehen, welche Va­ rianten aus Rechnung der Abschreiber kommen, und was ursprünglich in der betreffenden Uebersetzung ge­ standen hat. Dann gilt's zu untersuchen, ob eine etwaige Abweichung der Uebersetzung eine absichtliche Aende­ rung der Uebersetzer ist, oder ob sie schon in dem ihnen vorliegenden hebräischen Texte gestanden hat. Ist letz­ teres der Fall, dann ist noch sestzustellen, ob dieser hebräische Text älter ist als der gewöhnliche hebräische, oder ob er eine jüngere Stufe repräsentiert. Für jeden dieser Fälle gibt es Beispiele; es gibt z. B. griechische Bibelhandschriften, die liederlich geschrieben sind, deren Varianten also für die Textkritik wertlos sind; auch in guten Handschriften kommen Schreibversehen vor. Es gibt Uebersetzungen, die absichtlich die Gottesnamen verändert haben, die arabische Uebersetzung, die überall allahu hat, und aramäische Uebertragungen mit ständigeni Jahweh. Das alles ist nicht ursprünglich. Bei der wich­ tigsten Uebersetzung, der Septuaginta (LXX), ist es nach Ermittelung der ältesten Textgestalt nicht ohne weiteres klar, ob ihre Abweichungen, die hinsichtlich der Gottes­ namen sehr beträchtlich sind, auf Rechnung der Ueber­ setzer oder des zu Grunde liegenden Hebräers kommen. Gegenüber der früheren Auffassung, nach der die Ab­ weichungen den Uebersetzern zur Last fallen sollten, gewinnt jetzt mehr und mehr die Auffassung an An­ hängern, daß die LXX uns einen älteren Gebrauch der Gottesnamen bewahrt hat. Die Hauptunterschiede zwischen diesem griechischen und dem hebräischen Pentateuch bestehen darin, daß erstens der Grieche viel häufiger Elohim hat als Jahweh. Sie alle kennen eine darauf bezügliche Stelle. Röm. 4,3 heißt es: Was sagt denn die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Die zitierte Stelle aber, Genesis 15,6, lautet: Abram glaubte dem Herrn. Im Hebräer steht Jahweh; Paulus aber, der die LXX be­ nutzt, sagt o &eog. Was man an solchen Stellen gegen die LXX anführt, sind meistens doktrinäre Erwägungen. 0 &eog soll von den Übersetzern gebraucht sein, nm das hochheilige Tetragramm, den Namen Jahweh, zu vermeiden, aber das tun die Übersetzer doch schon damit, daß sie für Jahweh xtiQiog (der Herr) sagen. Oder o »sog soll in

— 11 — apologetischer oder missionarischer Tendenz für Jahweh von der LXX eingesetzt sein. Nun haben wir aber auch an ein­ zelnen Stellen bei andern Zeugen, z. B. in der syrischen Uebersetzung, „Gott" sür Jahweh, da spielt jene Tendenz doch keine Rolle. Wo aber Syrer und Grieche in ihrer Ab­ weichung vom Hebräer übereinstimmen, da darf man eine hebräische Grundlage der Abweichung annchmen. Ein zweiter Unterschied zwischen Hebräer und Grieche ist der, daß die LXX viel häufiger den Doppelnamen Jahweh Elohim xvQtog o &to$ hat als der jetzige hebräische Text, und zwar speziell in der Urgeschichte bis zum Schlüsse von Kapitel 9. Bis dahin kommt nur dreimal in der LXX xvqio§ — Jahweh vor, sonst wechselt immer o &eo$ und xvqioq o Diese mir geglückte Beobachtung, die ich 1903 veröffentlicht habe, hat D. Kittel veranlaßt, zuzugeben, daß in Gen. 2—10 allerdings die Gottesbezeichnung des jetzigen hebräischen Textes für die Quellenscheidung wenig entscheidend ist. Ein drittes, das uns beim Studium der griechischen Handschriften auffällt, ist das, daß gewisse Handschriftcngruppen, die uns die Bearbeitungen der LXX durch Lucian und Hesychius am Ende des 3. christlichen Jahrhunderts erhalten haben, einen Gebrauch der Gottesnamen zeigen, der weder mit dem der ursprünglichen LXX noch mit dem des jetzigen Hebräers stimmt, sondern ganz eigenartig ist und jedenfalls beweist, daß Redaktionen mit den Gottesnamcn vorgekommen sind. Da das Bestreben jener beiden Revisoren aber dahin ging, den griechischen Text dem ihnen bekannten Hebräer anzu­ gleichen, so besteht die Wahrscheinlichkeit, daß diese Redak­ tionen in den Gottesnamen ihre Ursache in abweichenden hebräischen Texten haben. Nach dem Material, das in dieser Beziehung vorgelegt worden ist, hält es auch D. Sellin für erwiesen, daß die Gottesnamen variable Elemente des Textes sind. Sie werden sich erinnern, daß besonders Johannes Lepsins im Reiche Christi 1903 diesen Satz for­ muliert hat. Wir haben nun zuerst gesehen, daß im letzten Drittel der Genesis die Gottesbezeichnungen kein genügendes Kriterinm für die Zuweisung der sogenannten Doppelberichtc an besondere Quellenschriften sind; wir haben weiter ge­ sehen, daß für die Urgeschichte jetzt auch D. Kittel sie ein nur wenig entscheidendes Kriterium nennt; und endlich gibt es nun in den dazwischen liegenden Kapiteln, wenn man nur diejenigen Varianten der Übersetzungen berücksichtigt, die

von einer Mehrzahl derselben bezeugt werden, so viele Stellen, an denen entweder der jetzige hebräische Text sicher falsch

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oder die ursprüngliche Lesart unsicher ist, daß auch von Kap. 11—36 die Gottesnamen als Kriterium der Quellenscheidung einfach wertlos sind. In der englischen Zeitschrift „Expositor" Dezember 1913, habe ich die einzelnen Stellen besprochen. Ganz kurz möchte ich noch, ehe wir von dem Zeugnis der Übersetzungen Abschied nehmen, erwähnen, daß auch über den Gebrauch der Gottesnamen in der Vulgata jüngst von einem katholischen Gelehrten in einer irischen Zeitschrift eine Untersuchung veröffentlicht worden ist. Infolge der Untersuchungen aber, die in Deutschland und Holland, in England und Amerika über die ab­ weichenden Lesarten der Uebersetzungen inbetrefs der Gottesnamen veröffentlicht worden sind, kommt all­ mählich, langsam freilich, aber sicher, die Grundlage der üblichen Quellenscheidung ins Wanken. Von deut­ schen Forschern hat D. Greßmann in der „Deutsch. Lit.-Zeitung" vom 17. Mai 1913 zugestanden: „Außer­ halb der Genesis muß man sowieso auf den Leitfaden der Gottesnamen verzichten, weil kein ständiger Wechsel vorhanden ist; aber auch innerhalb der Genesis ist die Ueberarbeitung der Gottesnamen, wie ich überzeugt bin, stärker gewesen, als man bisher hat einräumen wollen. Vielleicht wäre es besser, die Namen „Jahwist" und „Elohist" ganz zu vermeiden, falls man eine bessere und einfachere Bezeichnung der Quellen finden könnte." Ganz ähnlich sagt D. Löhr in den „Geisteswissenschaf­ ten" 1913, Heft 10, Seite 266: Mit den neueren Un­ tersuchungen „ist ein unzweifelhafter Mangel unserer seitherigen Quellenkritik aufgedeckt. Man hat nämlich höchst naiv unseren massoretischen als den ursprüng­ lichen Text der Quellenschriften angesehen und voll­ ständig außer Betracht gelassen, daß bei (und selbst nach) Fertigstellung des großen hexateuchischen Schrift­ werkes an dessen Text mancherlei Aenderungen vorge­ nommen sind . . . Damit scheint auf den ersten Blick die Annahme einer jahwistischen Quellenschrift abgetan. Allein das scheint nur so . . . Was fortan beseitigt werden müßte, ist etwas rein äußerliches, der bislang gebrauchte Name der beiden Quellen, nicht sie selbst." Und endlich noch ein drittes Zeugnis von dem jüngst Heimgegangenen Professor Westphal im jüngsten „Theol. Jahresbericht", wo es heißt: „An der Hand der LXX, die mit • ihren vielen Handschriftengruppen ein guter Prüfstein für eine sich allmählich vollziehende Ent-

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Wickelung des Textes ist, können wir erkennen, daß an dem ursprünglichen Texte der Gottesnamen im Laufe der Zeit mehrfach Veränderungen vorgenommen sind, und daß es ursprünglich viel mehr Elohimstellen ge­ geben hat als int heutigen massoretischen Texte zu finden sind." D. Sellin, der den Gottesnamen noch eine gewisse Bedeutung für die Quellenanalyse zuschreibt, gibt als Hauptgrund dafür an, daß im Pentateuch selbst eine zwiespältige Tradition über das Alter des Jahwehnamens vorliege, indem dieser Name nach Gen. 4, 26 seit den Tagen des Enos gebraucht, nach Ex. 3 da­ gegen erst seit Mose bekannt sein soll. Diese Tradition ist aber im wahrsten Sinne des Wortes zwiespältig, denn es gibt für sie eine höhere Einheit. Die Schwie­ rigkeit löst sich so, daß der Satz Gen. 4,26 b sich nicht auf den unmittelbar vorhergehenden Halbvers mit Enos bezieht, sonders auf das ganze Kain-Kapitel. Im Lande Kains fing man an, Jahweh anzurufen. Das stimmt aber völlig mit der Angabe im Exodus überein, nach der Moses bei den Kenitern, bei Jethro in Midian, den Namen Jahweh kennen lernt. So liegen im Penta­ teuch in der Beziehung keine sich widersprechenden Tradi­ tionen vor; auf Gen. 4,26 kann man sich für die Rich­ tigkeit der Quellenscheidung, speziell für den Gebrauch des Jahwisten, nicht mehr berufen. Nicht bloß in Deutschland wankt der Boden unter den Füßen der Quellenschriften-Hhpothese, ebenso in der englischsprechenden Welt. Der Alttestamentler von Cambridge, Prinzipal Dr. Skinner, hat mein Buch „Textkritische Materialien zur Hexateuchfrage" im Expositor mit einer Kritik von etwa 130 Seiten bedacht und auf jede Weise versucht, die übliche Hypothese zu retten. Trotzdem muß er aber zugeben, daß die Folge der neueren textkritischen Untersuchungen die ist, daß das Vertrauen in die Ursprünglichkeit des massoretitischen Textes erschüttert ist. Und ebenso sprechen sich jetzt führende englische Zeitschriften aus. Es ist das Verdienst des Londoner Rechtsanwalts Wiener, immer wieder auf die Notwendigkeit einer systematischen Text­ kritik hingewiesen zu haben. Bon seinen Werken ist eins jetzt unter dem Titel „Wie steht's um den Penta­ teuch?" in deutscher Uebersetzung im Verlage von Deichert-Leipzig erschienen. Vor Wiener haben schon die

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bekannten Septuagintaforscher Dr. Redpath in ver­ schiedenen Veröffentlichungen und Eb. Nestle in einer englischen Enzyklopädie auf den abweichenden Gebrauch der Gottesnamen in der LXX hingewiesen. In Ame­ rika bringt die theologische Quartalschrift „Bibliotheca Sacra" fast in jeder Nummer auf unsere Frage bezüg­ liche Artikel. — Von Hollands drei Staatsuniversitäten sind zwei der neuen Bewegung günstig gesinnt, näm­ lich Lehden und Utrecht. Daß der Alttestamentler von Lehden, Professor Eerdmans, früher ein Anhänger Wellhausens war, sich im Jahre 1908 aber von ihm getrennt hat und an dem Aufbau einer neuen Pentateuchhhpothese arbeitet, wird Ihnen bekannt sein. Eerd­ mans gibt auch eine Theologisch Tijdschrift heraus, die den Arbeiten der Anti-Wellhausenianer offen steht. Von der dritten Staatsuniversität Hollands, von Groningen, kann ich mitteilen, daß der dortige Professor der He­ bräischen Sprache, Professor Böhl, der Meinung ist, daß die Pentateuchfrage wieder eine Frage geworden ist. Ferner sind zwei Prediger in Holland im Sinne der neuen Bewegung besonders literarisch tätig, Dr. Troelstra vom Haag und Dr. Aalders von Ermelo. Dem letzteren habe ich meine genauere Kenntnis der hollän­ dischen Verhältnisse zu verdanken. Als Gegner der neuen Bewegung betätigt sich besonders der Professor der städtischen Universität zu Amsterdam, Prof. Elhorst. Ich denke, Sie werden aus dem bisher Mitgeteilten den Eindruck gewonnen haben, daß die Gottesnamen für die Quellenscheidung nicht mehr ein entscheidendes Kriterium sein können. Nun könnte es aber ja sein, daß die Gottesnamen in Verbindung mit den anderen Argumenten eine genügende Stütze für die übliche Hypothese wären. Professor Skinner von Cambridge hat behauptet, wenn auch viele Gottesnamen textkritisch unsicher wären, so gäbe es doch noch eine so große An­ zahl einwandfreier Stellen, daß sie zur Begründung der Quellenschriftenhhpothese ausreichend wären: gerade die Doppelberichte unterschieden sich ja durch den Ge­ brauch der Gottesnamen. Auch einer unserer deutschen Alttestamentler hält das für den besten Beweis der Richtigkeit der herrschenden Ansicht. Lassen Sie mich diesem Einwand durch Anführung der Hauptstellen kurz begegnen. Es fragt sich erstens, redet man mit Recht von dem jahwiftischen Schöpfungsbericht Kapitel

— 15 — 2 im Unterschiede von dem Elohim gebrauchenden Kapitel 1; zweitens, kann man den Bericht von Sarahs Erlebnis in Aegypten Kapitel 12 jahwistisch nennen im Verhältnis zu dem elohistischen Bericht von Sarahs Erlebnis bei Abimelech Kapitel 20. Und endlich drit­ tens, wie steht's mit dem Verhältnis der beiden Brun­ nengeschichten Kap. 21 Abraham und Abimelech, Kap. 26 Isaak und Abimelech, zu einander. Jnbetreff der beiden Schöpfungsberichte darf ich auf D. Kittels Ge­ schichte Israels I2 S. 256 verweisen, wo mir das Zuge­ ständnis gemacht wird, daß in Kapitel 2 ursprünglich Elo­ him der vorherrschende Name gewesen sei. Dann haben wir aber kein Recht mehr, diesen zweiten Schöpfungs­ bericht jahwistisch zu nennen. Jnbetreff der Geschichten von Sarah ist zu bemerken, daß Wellhausen die von Kapitel 12, wo Jahwe im Hebräer steht, ursprünglich zu E gerechnet hat, und daß wir in dem elohistischen Kapitel 20 in hebräischen Handschriften an einer Stelle statt Adonai den Gottesnamen Jahweh haben, außerdem der Schlußvers dieses Kapitels jahwistisch ist. Die Got­ tesnamen sind also keine klaren Unterscheidungsmittel der beiden Geschichten. Und ebenso ist es mit den beiden Brunnengeschichten. Da ist in der sogenannten jahwistischen an einer Stelle in der LXX ein Elohim gut bezeugt. Es entspricht also nicht den Tatsachen, wenn behauptet wird, daß die Doppelberichte sich durch den Gebrauch der Gottesnamen von ein­ ander unterscheiden. Das ist nur im jetzigen Hebräer, und da auch nicht ohne Ausnahme, der Fall, es ist aber überhaupt nicht der Fall im ursprünglichen Texte. Das Argument, das man von den Gottesnamen her­ genommen, und das aus den Doppelberichten gewonnene stützen sich gegenseitig nicht. Wie steht's nun aber, wenn man den Gebrauch der Gottesnamen mit dem Gebrauch von Jakob und Israel in Verbindung bringt? Wird dadurch die Quellenschriftenhhpothese genügend gestützt? Da ist zunächst zu dem Gebrauch der Namen Jakob und Israel zu bemerken, daß diese beiden Namen des dritten Patriarchen im Laufe der Geschichte des Bibel­ textes nicht unangetastet geblieben sind. Schon August Klostermann hat im ersten Kapitel seines „Pentateuch" darauf hingewiesen, daß ursprünglich vielerwärts nur ein appellativischer oder prondminaler Ausdruck ge-

16 — standen hat: er, sein Vater, ihr Vater oder dergleichen, und daß dann nachträglich zur Verdeutlichung entweder Jakob oder Israel hinzugefügt worden sei. So ist es ja nicht bloß bei diesen, sondern analog auch bei an­ deren Namen. Dann sind von Wiener in der Bibliotheea Saera (wiederabgedruckt in den Pentateuchal Studies) ausführliche Tabellen über die Abweichungen der alten Uebersetzungen von dem jetzigen Hebräer bezüg­ lich dieser Namen veröffentlicht worden, die sehr beträcht­ lich sind. Ich selbst bin dann in meinen „Textkritischen Materialien" jedes einzelne Kapitel mit dem Namen des dritten Patriarchen durchgegangen, und es hat sich mir ergeben, daß, falls der Wechsel von Jakob und Israel ein Kriterium wäre, mit Sicherheit nur Kap. 42 für den Jakobschreiber und Kap. 43 für den Israel­ schreiber in Betracht kommen könnte; an allen anderen Stellen spricht entweder die "Geschichte des Textes oder der Zusammenhang gegen die Verteilung auf die Jakobuind Jsraelquelle. Und wie lauten nun die Zugeständ­ nisse, die infolge dieser neuen Untersuchungen gemacht worden sind? D. Sellin schreibt: „Es muß ohne weiteres zugegeben werden, daß im massoretrschen Text, wie in der LXX, derartige Verwischungen des ursprünglichen Textbestandes stattgesunden haben, daß man aus dies Argument allein überhaupt keine Schlußfolgerungen bauen dürste. Ueber das vorsichtige Urteil Kuenen's darf man in diesem Punkte nicht hinausgehen." Der Holländer Kuenen hatte nämlich schon vor Jahrzehnten gewarnt: „Man muß im Auge behalten, daß nach der Namensänderung des dritten Patriarchen der Name Jakob nicht verdrängt wurde, sondern neben Israel gebraucht werden konnte, auch von den Autoren, die die Namensänderung erwähnten. Ob sie ihn wirklich gebraucht haben, könnte nur dann ausgemacht werden, wenn wir ihre Schriften in der ursprünglichen Form besäßen. In den Abschnitten, welche aus J und E zu­ sammengesetzt sind, wechseln die Namen Jakob und Is­ rael zuweilen derartig, daß die Frage entsteht, ob nicht bei der Vereinigung dieser beiden Urkunden hie und da der eine an die Stelle des anderen getreten ist." Also für sich allein sind die Namen Jakob und Israel ein gänzlich unsicheres Kriterium. Es fragt sich nun: kön­ nen wir diesen wankenden Pfeiler dadurch halten, daß wir ihn mit dem Argument der Gottesnamen unter-

17 — bauen? Stützen beide Argumente sich gegenseitig? Lei­ der ist auch das nicht der Fall! Wenn die gegenwärtig herrschende Hypothese behauptet, der Jahwehschreiber gebrauche Israel und der Elohimschreiber Jakob, so stimmt auch das nicht. Bekannt sind die Ausnah­ men von Kap. 48, wozu Wellhausen bemerkt: „auffal­ lend ist nur der durchgängige Gebrauch von Israel. Der Bearbeiter scheint den bisherigen Unterschied zwischen J und E von jetzt ab nicht mehr konserviert zu haben." Ebenso ist es aber schon in Kap. 46, wo im zweiten Vers Elohim in Verbindung mit Israel vorkommt. So stützen die beiden Argumente sich gegenseitig nicht. Weder jedem von ihnen allein noch beiden zusammen kommt irgendwelche Beweiskraft für die herrschende Quellen­ hypothese zu. Gegenüber den manchmal heutzutage üblichen Verdunklungen des Tatbestandes kann nicht nachdrücklich genug an eine Aeußerung Wildeboers er­ innert werden, der da gesagt hat: Nur dann hat man festen Boden unter den Füßen, wenn der Autor in der Geschichte vor der Offenbarung an Moses Jahweh und Elohim als Gottesnamen anwendet. Die übrigen Kri­ terien geben für die Zergliederung selbst keine genü­ gende Handhabe. So vorsichtig äußert sich jener Hol­ länder. Neue Kriterien aber, die. die Verteilung der Geschichten auf eine Jahweh- und auf Elohimschriften begünstigen, sind seit Wildeboer nicht mehr entdeckt wor­ den; wohl aber hat man innerhalb des Jahwisten und innerhalb des Elohisten immer mehr Unstimmigkeiten entdeckt und jene Quellenschriften in Unterabteilungen zerlegt, d. h. aber die ganze Hypothese unterminiert. Das haben wir nun bisher gesehen, daß Jahweh und Elohim, daß Jakob und Israel nichts mit etwaigen Quellenschriften zu tun haben. Eine andere Frage ist es, wie erklärt sich denn nun der verschiedene Gebrauch der Gottesnamen und der Wechsel zwischen Jakob und Israel in der Genesis. Da ist zu sagen, daß die neueren Erklärungen über den Gebrauch der Gottesnamen, die von Klostermann, von Redpath und von mir versucht worden sind, noch weiterer Nachprüfung bedürfen, und ebenso steht's mit den Erklärungen für den Wechsel des Namens des dritten Patriarchen, wo Eerdmans und ich neue Hypothesen zu begründen versucht haben. Ehe Wir nun aber von dem Namensargument Abschied neh­ men, möchte ich nicht unterlassen, auch dem Entdecker

18 — des Kriteriums der Gottesnamen noch ein Abschiedswort zu gönnen und noch eine kleine Aufklärung über ihn zu geben. Der französische Arzt Astruc nimmt ja unter den Alttestamentlichen Theologen einen ehrenvollen Platz ein und steht in dem Ruf, als Apologet geschrie­ ben zu haben. Bisher wußte man wenig über sein Leben; es ist das Verdienst des badischen Pfarrers Dr. Becher, im vorigen Jahre der Öffentlichkeit näheres über diesen eifrigen Apologeten mitgeteilt zu haben. Und was stellt sich nun heraus? Astrucs Vater war protestantischer Pfarrer und trat zurzeit der Verfolgun­ gen der Protestanten zur katholischen Kirche über. Wie er den Mantel nach dem Winde drehte, so der Sohn, der hochbegabt, ein berühmter Arzt und Professor der Medizin, aber ein Rohr im Winde war. Von seinen medizinischen Werken erzählen die Zeitgenossen, daß sic voll von Unwahrheiten seien, nicht weil der Verfasser die Wahrheit nicht gewußt hätte, sondern weil er sie dem frivolsten Interesse geopfert habe. Ueber seinen Charakter heißt es, er sei einer der verrufensten Männer von Paris im Zeitalter Ludwigs XV. gewesen, ein schmutziger Geizhals. Zwei Jahrzehnte brachte er in der Gesellschaft der Freidenker zu, dann begann er den Frommen zu spielen und hängte sich an die Jesuiten, als diese in Macht und Ansehen standen. Er starb ohne die Sakramente, weil er glaubte, durch Heuchelei über den Tod hinaus nichts mehr profitieren zu können. Das Titelblatt seiner Conjectures, in denen er seine Quellenschriftenhypothese bringt, ist mit drei Unwahr­ heiten belastet. Es behauptet, in Brüssel von dem Buch­ drucker seiner Majestät gegenüber der Madelainekirche publiziert und mit Privileg und Approbation erschienen zu sein; und tatsächlich ist es in Paris, bei dem ständigen Verleger Astrucs und ohne Privileg und Approbation erschienen. Solch einem Mann wie Astruc kam es nicht darauf an, der Apologet der mosaischen Herkunft der Bücher Moses zu werden; ihm lag es daran, zu erweisen, daß die Annahme von Wundern und Offenbarung für das Verständnis der Genesis entbehrlich sei. Seine Zeitgenossen haben seiner Jam­ mergestalt keine Träne nachgeweint, sondern die, die er um ihr Vermögen gebracht, haben ihm nachgeflucht. Es wäre wünschenswert, wenn möglichst bald Astruc als Apologet aus unsern Einleitungen und in der Versen­ kung verschwände.

— 19 — Wir haben vorhin gesehen, tvie es nur unter Außerachtlassung des Studiums der Textgeschichte mög­ lich war, den Wechsel der Namen mit Quellenschriften in Verbindung zu bringen. Unser Bibeltext hat nun aber nicht nur mit bezug auf diese Namen eine Geschichte durchgemacht, sondern überhaupt. Daher sind wir ver­ pflichtet, uns bei jedem Verse, ja bei jedem Worte, mit Hilfe der alten Uebersetzungen zu vergewissern, was denn wohl ursprünglicher Text gewesen ist, ehe wir irgendwelche Schlüsse auf etwaige Quellen machen. Es mutz der herrschenden Literarkritik der Vorwurf gemacht werden, daß sie sich bei der Analyse der ein­ zelnen Kapitel in den wenigsten Fällen um die Ge­ schichte, die der Bibcltext durchgemacht hat, gekümmert hat; sie hat meistens ihre Hypothesen nur auf dem Grunde des heutigen Hebräers aufgebaut. Von welch einschneidender Bedeutung nun aber bei der Nach­ prüfung der Ergebnisse der Literarkritik ein genaues Studium der Geschichte des Textes ist, davon lassen Sie mich aus vielen hunderten von Beispielen Ihnen ein paar zur Illustration geben. 1. ) Bei der Sintflutgeschichte soll für J charakteristisch sein isch w’ischto, während P sakar u’nekeba gebrauchen soll. Wie oft kommt isch w’ischto vor? Zweimal in einem Verse. Und an diesen beiden Stellen Kap. 7, 2 hat der samaritanische Text sakar u’nekeba. In dem­ selben Verse wird allgemein der samaritanische Text bei einem andern Ausdruck, nämlich inbetreff des Ausdrucks „je ein Paar’', als der bessere vorgezogen. Es liegt dem­ nach aller Grund vor, ihn auch inbetreff des sakar u’nekeba nicht außer acht zu lassen. Die Geschichte des Textes spricht dafür, daß das isch w’ischto nicht ursprünglich ist; jedenfalls kann es bei seiner textkritischen Unsicherheit nicht als ein sicheres Kriterium einer andern Quellenschrift an­ gesehen werden. 2. J soll in seinen Genealogien jalad gebrauchen, P dagegen holid. In der jahwistischen Genealogie am Schluffe von Kap. 22 hat aber der samaritanische Text holid. 3. Ein Charakteristikum von J soll moledet sein. Im samaritanischen Text steht aber im elohistischen Kapitel 20,13 der Zusatz umeerez moladti. Diese drei Beispiele aus dem samaritanischen Penta­ teuch mögen als Beweis dafür genügen, daß wir noch im he­ bräischen Schrifttum verfolgen können, wie die Texte eine Ge-

20 — schichte durchgemacht haben, die klarerkannt sein muß, ehe man Quellen scheidet. Es steht zu hoffen, daß die im Er­ scheinen begriffene neue Ausgabe des samaritanischen Pen­ tateuchs durch Freih. von Gall eine größere Berücksichtigung der samaritanischen Lesarten Hervorrufen wird. Bei der gegenwärtig noch üblichen Literarkritik ist es ein beliebtes Mittel, da, wo bei einer Erzählung zwei Namen, entweder Personen oder Orte, nebeneinander ge­ nannt sind, der einen Quelle den einen, der andern den zweiten Namen zuzuweisen, indem aus dem Fehlen des zweiten Namens an irgend einer Stelle geschlossen wird, daß die dort angeblich zu Wort kommende Quelle den zweiten nicht gekannt habe. Prüfen wir diese Methode nun mal an einigen Beispielen im Lichte der Textgeschichte. 1. Die Erzählung von Abraham in Ägypten Kap. 12 soll in ihrem Grundstock Lot nicht erwähnen, daher soll Kap. 13,1 der Name Lot eine Glosse sein. Nun haben aber der griechische und der samaritanische Text schon Kap. 12, 20 xai Aon fier avtov. Unsere Exegeten pflegen im Kap. 12,19 einen Zusatz der LXX zu berücksichtigen. Dann ist es aber nichts weiter als Pflicht und Schuldigkeit, den in Rede stehenden Zusatz Vers 20, der nicht nur durch den Griechen, sondern auch durch den Samaritaner bezeugt ist, ebenfalls zu berücksichtigen. Dann muß aber die Hypothese von dem Fehlen Lots im Kap. 12 fallen. 2. In dem Verse Kap. 18, 20 soll ursprünglich nur Sodom genannt gewesen sein und die jetzige Einfügung von „und Gomorrha" soll in J eine Ausgleichung mit einer andern Tradition sein. Bei dieser Hypothese muß man schon Kap. 13,10 einmal „und Gomorrha" als Glosse an­ sehen. Nun hat aber die LXX noch an einer weiteren Stelle im Kap. 18, nämlich Vers 16 das plus „und Go­ morrha". Ihr Text bietet also wiederum der Quellen­ scheidung eine größere Schwierigkeit. 3. Josua soll ursprünglich nicht zu den Kundschaftern gehört haben. Die Vertreter dieser Ansicht müssen sich aber erst noch mit der Tatsache auseinandersetzen, daß in dem in Betracht kommenden Kap Num. 13, 30 von einer Reihe beachtenswerter LXX-Handschriften Josua neben Kaleb genannt wird. 4. In der Perikope von dem Turmbau zu Babel Kap. 1.1 unterscheidet man jetzt Parallelberichtc, nämlich einen Stadtbericht und einen Turmbericht. Man geht da­ bei aus von dem Verse 8b, wv es nur heißt: „sie mußten

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von dem Bau der Stadt abstehen". Von da aus muß, wie D. Gunkel sagt, die Aufdröselung des ganzen Ge­ webes stattfinden. M. H. Die LXX und der samaritanische Text haben an dieser für die Annahme eines Stadtund eines Turmberichts grundlegenden Stelle: „Da mußten sie von dem Bau der Stadt und des Turmes abstehend Ist es wirklich wissenschaftlich erlaubt, alle diese Va­ rianten bei der Quellenscheidung unberücksichtigt zu lassen oder ohne weiteres den LXX-Text als sekundär aufzufassen, womöglich gar aus dem Grunde, weil er zur üblichen Quellenscheiduug nicht paßt? In den andern Büchern des A. T. da rekurriert man doch so oft auf den Text der LXX unb verbessert den jetzigen Hebräer aufgrund ihrer Lesarten. Zugestandenermaßen ist aber von der gesamten LXX der griechische Pentateuch der wertvollste Teil und am besten übersetzt. Dann berücksichtige man ihn auch, wenn er gegen die übliche Quellenscheidung spricht. Z. B. gleich im 1. und 2. Kapitel der Genesis. Da soll P sagen „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde", J aber um­ gekehrt „Gott der Herr machte Erde und Himmel". Die LXX hat aber an der sogenannten ^-Stelle Kap. 2,4 eben­ falls die ^-Reihenfolge tov ovgavov xai TTjV Oder in der Aufzählung der Himmelsgegenden sollen die angeb­ lichen Quellenschriften sich dadurch unterscheiden, daß P sagt NSOW, J WONS, D WNSO. Nun hat aber an der P-Stelle die LXX noch eine andere Reihenfolge, näm­ lich WSNO. Kommt da etwa noch eine andere Quelle zu Worte? Wie unsicher sind doch alle aus solchen Dingen gezogenen Schlüsse. Nun lassen Sie mich Ihnen noch eine Stelle ins Licht der Textgeschichte setzen, die bisher immer nicht recht gewür­

digt ist und darum als Glosse betrachtet wird, den bekannten Satz Kap. 12,6 „es wohnten aber zu der Zeit die Kana­ aniter im Lande". Nach dem jetzigen hebräischen Text aller­ dings da schwebt diese Angabe in der Luft; es heißt ja in diesem Verse nach Luther: „Abram zog durch bis an die Stätte Sichem und an den Hain More, es wohnten aber zu der Zeit die Kanaaniter im Lande". Wie hat der Vers aber ursprünglich gelautet? „Und Abram zog durch bis an die Siätte des Sichem und an den Hain des Mamre, es wohnten aber zu der Zeit die Kanaaniter im Lande", näm­ lich Sichein und Mamre. Die LXX macht nämlich einen Unterschied zwischem dem Orte Sichem Situfta und dem Manne Sichem und letzterer Name steht hier, bei einigen

22 — Handschriften sogar mit Artikel. Und Mamre statt More wird an dieser Stelle von dem griechischen Übersetzer Symmachus, von der syrischen und von der arabischen Über­ setzung des Saadja gelesen. Eine Fülle von solchen Ent­ deckungen kann man machen, wenn man die Übersetzungen

regelmäßig zu Rate zieht. Aus all den Beobachtungen aber, die man dabei anstellen kann, folgt, daß der jetzige hebräische Text 1) eine ganze Anzahl von zufälligen Fehlern enthält und 2) der Vertreter einer Rezension ist, die sich dadurch von den älteren Texten unterscheidet, daß sie das Resultat einer systematischen Bearbeitung des Bibeltextes durch die Schrift­ gelehrten ist. Und beides nun, die zufälligen Fehler und die systematischen Änderungen, haben unsere Quellenkritiker

sehr oft als Eigentümlichkeiten der ursprünglichen Qnellenschriften betrachtet. Alle diese Dinge aber werden auf Grund der Textgeschichte, ebenso wie Jahweh und Elohim und Jakob und Israel als Quellenscheidungsmittel preis­ gegeben werden müssen. Was bleibt denn aber von den Ergebnissen der Pentateuchkritik? Da gehen die Ansichten der Forscher auseinander. Die einen sagen, aus der Wertlosigkeit der genannten Kriterien gehe die Einheitlichkeit der Mosesbücher hervor. In Deutschland ist für diese Auffassung W. Möller einge­ treten in seinem Buche: Wider den Bann der Qnellenscheidung. Er hat sich besonders bemüht, an der Abrahams­ geschichte die Einheitlichkeit des biblischen Berichtes zu be­ weisen. Es ist ihm auch gelungen nachzuwcisen, daß ein einheitlicher Faden das Ganze durchzieht, nicht bewiesen ist aber von ihm, daß dieser Faden von Anfang an da gewesen ist und daß alle Einzelheiten mit ihm zusammenhänge». Für die organische Einheit des A. T. ist auch der schon ge­ nannte Prediger im Haag, Dr. Trvelstra, mit einer gleich­ namigen Schrift eingetreten. In der englisch-sprechenden Welt treten für die Mosaitüt des Pentateuchs zur Zeit besonders zwei Männer ein. In England Harold M. Wiener, der durch Ausscheidung von vielen Glossen des heutigen hebräischen Textes zum Urtext des Mose vorzudringen sucht und eine Fülle von beachtens­ werten Resultaten zu Tage gefördert hat. Und in Amerika ein Sanskritforscher, Dr. Magoun, der in einigen in der Bibliotheca Sacra veröffentlichten Aussätzen interessante Paralle­ len aus der indischen Literatur gegen die übliche Quellen­ scheidung ins Feld führt und, was besonders interessant ist,

23 die Doppelberichte so erklärt, daß von Moses die einen für die Priester, die andeni für die Richter bestimmt worden seien. Eine zweite Reihe von Forschern glaubt nun nicht, daß der Nachweis der Wertlosigkeit der genannten Kriterien die Notwendigkeit, die Mosesbücher als eine Einheit aufzu» sassen, zur Folge hat. Zwei Tatsachen sprechen ihnen da­ gegen. Erstens: auch nach Ausscheidung aller Glossen und späteren Zusätze und auch nach Herstellung des vermeintlich ältesten Textes bleiben viele Wiederholungen und auch Doppel­ berichte bestehen und zweitens: die vorhin erwähnte zweite Art von Kriterien, die verschiedenen Ideen, die den Penta­ teuch durchziehen, scheinen ihnen zu deutlich gegen die An­ nahme eines Verfassers, der alles in einem Zug geschrieben, zu sprechen. Lassen Sie mich das an einzelnen Beispielen klar machen. Warum heißt es Kap. 5, 1 ganz unvermittelt: Dies ist das Buch von des Menschen Geschlecht. Da Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach dem Gleichnis Gottes; und schuf sie einen Mann und ein Weib und segnete sie und hieß ihren Namen Mensch zur Zeit, da sie ge­ schaffen wurden? Das macht doch den Eindruck eines neuen Anfangs! Wie erklärt sich das Verhältnis von Kap. 5,32 zu Kap. 6, 9.10 u K. 9,18.19. Ander ersten Stelle heißt es: Noah war 500 Jahre alt und zeugte Sem, Ham und Japhet. An der zweiten: Dies ist das Geschlecht Noahs. Noah war ein frommer Mann, und ohne Tadel und führte ein göttlich Leben zu seinen Zeiten und zeugte drei Söhne Sem, Ham und Japhet. Und endlich Kap. 9, 18. 19 heißt es zum dritten Mal: Die Söhne Noahs, die aus dem Kasten gingen, sind diese: Sem, Ham und Japhet, Ham aber ist der Vater Kanaans. Das sind die drei Söhne Noahs, von denen ist alles Land besetzt. Solche Wieder­ holungen widersprechen der völligen Einheitlichkeit, sie werden aber auch nicht durch die Quellenschriften-Hypothese erklärt. Es ist sehr charakteristisch, daß D. Procksch in seinem Gene­ siskommentar die zweite Erwähnung der 3 Söhne Noahs, die wie die erste im ^-Zusammenhänge steht, cinklammert. Diese Wiederholung scheint ihm also auch für die angebliche k-Quellenschrift zu stark zu sein. Wie erklären sich nun solche Wiederholungen? Da haben wir uns umzusehen nach analogen Erscheinungen. Wenn wir unsere älteren deutschen Bibeln ausschlagen, so finden wir da etwas ganz Ähnliches. Ich schlug zu Hanse eine alte Sulzbacher Bibel vom Jahre 1827 auf, da fielen mir die langen Überschriften über den einzelnen Kapiteln auf. Da lautet z. B. die Überschrift zu

— 24 Kap. 28: „Jakob flieht nach Haran, sieht die Himmelsleiter und erhältswie sein Vater von Gott die großen Verheißungen". So die Ueberschrift und dann kommt der Text selbst. Denkt man sich nun mal die Überschrift mit denselben Typen und

in derselben Art gedruckt wie den eigentlichen Text, so wird der Satz der Überschrift zu einem Bestandteil des Textes

und es entsteht eine auffällige Wiederholung. Was später in den Versen 10, 11, 12 und 13 ff. ausführlich zur Dar­ stellung kommt, ist schon kurz berichtet in jenem ersten Satze. Wenden wir uns nun zum,29. Kapitel, so haben wir da dieselbe Erscheinung. Die Überschrift lautet: „Jakob dient dem Laban und bekommt seine beiden Töchter zur Ehe. Seine 4 Söhne von der Seo". Mit dein Texte zusammen gelesen ergibt diese Überschrift eine überflüssige, störende Wiederholung. Verbindet man nun aber die beiden Über­

schriften von Kap. 28 und 29 mit einander und mit allen übrigen Überschriften, so entsteht ein kurzer Auszug des ganzen Buches, so haben wir etwas vor uns, was mit dem, da- man heutzutage P nennt, eine große Ähnlichkeit hat. Sollten von dieser Analogie aus sich nicht viele Stellen der Genesis, besonders P-Stellen, erklären? Da erhebt sich die Frage, wo stehen denn im hebräischen Text die vielen lästigen Wiederholungen? Und die Antwort lautet: Gerade immer an der Grenze zweier jüdischen Leseabschnitte, am Anfang oder manchmal auch am Ende der hebräischen Sedarim. Damit dürste aber ein,, neues Verständnis für diese Stellen gegeben sein. Über diese Beobachtung urteilt

der neueste theologische Jahresbericht: „Wenn sich diese Beobachtung auch nach einer Erforschung der übrigen Bücher des Hexatench bewahrheitete, so wäre zweifellos eine Entdeckung gemacht, die vielleicht zu einer Revision der üblichen Auffassung von P führen könnte." Nun ist es aber tatsächlich in den übrigen Büchern des Pen­ tateuchs ebenso. So haben wir z. V. im Exodus Anfänge der jüdischen Leseabschnitte Kap. 3,1. 6, 2. 10, 1. 13,17. 18,1. An all diesen Stellen haben wir jetzt aber Verse, die nicht in den Zusammenhang passen wollen, die deshalb nach der üblichen Quellenscheidung einer andern Quellenschrift als die Umgebung zugewiesen werden. Diese Verse machen aber ganz und gar den Eindruck von Kapitelüberschriften; sie ent­ halten Inhaltsangaben, Rekapitulationen, Vorausweisungen. Nicht alle werden P zugeschrieben, es findet sich auch eine versprengte Stelle des sogenannten E darunter. Eine von ihnen lassen Sie mich kurz besprechen, da sie besonders ein-

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leuchtend ist. Am Schlüsse von Ex. 2 wird im jetzigen hebräischen Text plötzlich abgebrochen wajeda elohim. Und Gott erkannte . . Was Gott erkannte, wird nicht gesagt. Die LXX aber liest wajiwada alehem. Und er ward ihnen bekannt, nämlich Jahweh. Im unmittelbar folgenden dritten Kapitel steht ja die Offenbarung des Jahwehnamens an Mose. Jene Angabe bildet die Überschrift dazu. Bei

dieser Gelegenheit sehen wir, die LXX - läßt den Charakter dieser Stelle als Kapitelüberschrift noch deutlicher erkennen als der jetzige hebräische Text. So ist es auch an andern Stellen, z. B. Genesis 37. Und das, meine H., ist der Grund, warum ich die LXX so hoch schütze. Ihre hebräische Vorlage steht dem Mann, der diese Überschriften verfaßt, näher als der jetzige von der Hand der Schriftgelehrten ge­ änderte Hebräer. Der Mann aber, der jene Kapitelüber­ schriften verfaßt hat, war Esra. Das besagt das Zeugnis der Alten. Von Esras Anteil an dem Werke des Pentateuch heißt es bei Hieronymus: Sive Moysen dicere volueris auctorem Pentateuchi, sive Ezram ejusdem instauratorem operis non recuso. Nach Hieronymus ist Esra des Penta­ teuchs Wiederhersteller. Zweitens aber spricht für Esra als Urheber der Kapitel ganz ausdrücklich die LXX. In ihr heißt Neh. 8,8, worauf D. Sellin in Bestätigung meiner These aufmerksam gemacht hat: „Und Esra machte Abschnitte." Er richtete den Pentateuch für die gottesdienstliche Vorlesung ein. Noch einen Beweis für die Richtigkeit der Auffassung solcher P-Stellen als Überschriften. In der syrischen Übersetzung

haben wir an einzelnen solchen Stellen noch ausführlichere Inhaltsangaben als im jetzigen hebräischen und griechischen Text. In der Genesis ist cs besonders eine Stelle, die durch die Auffassung, daß wir an vielen Stellen im Pentateuch solche Inhaltsangaben haben, in eine völlig neue Beleuchtung rückt und befriedigend erklärt werden kann. Es sind die Verse Kap. 15,1—6: 1. Nach diesen Geschichten begab sich's, daß zu Abram ge­ schah das Wort des HErrn im Gesicht, und sprach: Fürchte dich nicht, Abram; Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. 2. Abram sprach aber: HErr, HErr, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder; und dieser Elieser von Damaskus wird mein Haus besitzen. 3. Und Abram sprach weiter: Mir hast du keinen Samen gegeben; und stehe, einer von meinem Gesinde soll mein Erbe sein.

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4. Und siehe, der HErr sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein; sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein. 5. Und er hieß ihn hinausgehen, und sprach: Siehe gen Himmel, und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: also soll dein Same werden. 6. Abram glaubte dem HErrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. In der sogenannten Regenbogenbibcl, in der die an­ geblichen Quellen durch verschiedene Farben von einander unterschieden werden, treffen wir in diesen 6 Versen 4 mal aus den blauen Elohisten und ebenso oft auf den roten Iah» Misten. D. Procksch sagt hier: „Die genaue Entwirrung der Fäden ist freilich noch nicht einstimmig erzielt." Haben wir aber mit Hilfe der LXX den ältesten Text hier ermittelt, so ergibt sich, daß Kap. 15,1 - 6 eine Zusammenstellung von Inhaltsangaben für die folgenden Kapitel ist. Vers 1: Zu Abram geschah das Wort des Herrn im Gesicht und sprach: Fürchte dich nicht, Abram, ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn, bezieht sich auf das 15. Kapitel, wo von dem Schrecken Abrams bei dem nächtlichen Gesicht und von Gottes Verheißung betr. der Nachkommenschaft berichtet wird. Vers 2 und 3, wo im ursprünglichen Text Elieser von Damaskus nicht erwähnt wird, sondern nur vom Sklavenkind die Rede war, bezieht sich auf Kap. 16, auf Ismaels Geburt. Vers 4, wo es heißt: der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein, geht auf Kapitel 17, auf Isaaks Verheißung. Und endlich Vers 5 und 6: Und er hieß ihn hinaus­ gehen und sprach: Siehe gen Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen? Und er sprach: Also soll dein Same werden. Abram glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit, bezieht sich auf Kch>. 22, Isaaks Opferung, wo es ja ausdrücklich heißt: Ich will deinen Samen segnen und mehren tote die Sterne am Himmel usw., darum, daß du meiner Stimme gehorchet hast. Ich denke, damit ist zur Genüge bewiesen, daß wir beim Verständnis des Pentateuchs mit dem Gedanken der Einverleibung früherer Überschriften in den jetzigen Text

rechnen müssen. Damit rechnen auch neuerdings andere Forscher. In der Z. A. W. 1912, S. 122, teilt D. Budde eine Äußerung van Doornincks mit, die da lautet: Es hat

meines Erachtens einmal eine hebräische Handschrift der Ge, nesis gegeben, der am Rande kurze Angaben über den In»

— 27 — Kalt gewisser Versgnippen beigeschrieben waren. Und Budde selbst bemerkt dazu, daß er den Gedanken, gewisse textkritische Probleme aus der Aufnahme kurzer Inhaltsangaben oder Stichworte von dem Rande in den Text zu erklären, für durchaus beachtenswert halte. Solch eine Einverleibung aber ist verständlich aus der Art, wie damals geschrieben wurde, und aus dem Geiste einer gewissen Zeit. Wie leicht konnte doch vor Erfindung der Buchdruckerkunst etwas zufällig vom Rande in den Text geraten, und wie wird man absichtlich alles, was je auf einer heiligen Rolle gestanden, dem Text einverleibt haben zu der Zeit, als man das Gesetz mit einem Zaun umgab. Run werden aber die Stücke, die ich als Kapitelüber­ schriften von Esras Hand, als das liturgische Beiwerk der Genesis bezeichnet habe, auch durch eine Idee zusammenge­ halten. Der Verfasser dieser Stellen wünscht nämlich Abra­ hams Nachkommen für ewige Zeiten das heilige Land. Er freut sich, daß Jakob aus Paddan Aram nach Kanaan zu­ rückgekehrt, und warnt vor ehelicher Verbindung mit den Kanaaniterinnen. Sind das nun nicht aber Gedanken, die gerade Esra beseelten? Warum hat erste dein alten Gottes­ buch eingefügt? Um die Gemeinde zu erbauen und Jahwehs Volk seinem Gotte treu und rein zu bewahren. Es fragt sich nun, ob sich nicht vielleicht noch andere Gedankenreihen entdecken lassen, die den Pentateuch durchziehen und die sich als erbauliche Erweiterung und Auslegung des alten Ge­ schichtsbuchs verstehen lassen. Wir haben solche. Während Esras Beiwerk der nachexilischen Gemeinde dienen will und nur den Pentateuch durchzieht, haben wir eine weitere Ge­ dankenreihe, die vom Pentateuch bis zum Schlüsse des zweiten Königsbuchs durch die Bücher hindurchgeht; der Verfasser dieser Zusätze zu den alten Geschichten will, wie D. Sellin es treffend beschreibt, eine heilige Geschichte geben, die dartut, daß die Weltgeschichte das Weltgericht ist, daß eigene Sünde Jsrael-Juda in den Untergang getrieben, daß wegen des Höhen- und Götzendienstes die Strafe über die Reiche kam. Dies ist die sogenannte deuteronomistische Bearbcitunz der heiligen Geschichte, die den pädagogischen Zweck hat, der cxilischen Gemeinde zu zeigen, wie es in Zu­ kunft besser gemacht werden könne. Damit gewinnen wir aber das Ergebnis, daß es schon im Exil ein heiliges Er­ bauungsbuch gegeben hat. Diese deuteronomistische Bear­ beitung hat mit der des Esra zweierlei gemeinsam, den

28 — Zweck: nämlich die Erbauung, und die Gestalt: beider Stücke stammen nicht ans anderen Quellenschriften, sondern sind Zusätze zur überlieferten Geschichte. Ziehen wir nun beides, Esras Beiwerk und des Deuteronomistcn Bearbeitung, von dem jetzigen Bestände des Penta­ teuchs und der Geschichtsbücher ab, so haben wir in dem verbleibenden Teile noch kein einheitliches Gebilde vor uns. Da lassen sich Verse und Erzählungen herausheben, die von dem Gedanken durchzogen sind, daß Gott allein durch sein Wunderwirkcn Israels Existenz begründet, es wunderbar er­ zogen und geleitet hat, sie sind beherrscht von dem Ge­ danken der Theokratie. Da liegt eine theokratische Bearbei­ tung vor; es sind Belehrungen nnd Erbauungen für die Königszeit, die dem alten Gottesbuch in diesen Stücken bei­ gefügt sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Bear­ beiter auch ganze Erzählungen beigetragen hat, so würde sich das Vorkommen gewisser Doppelberichte erklären. Vielleicht eine noch ältere Bearbeitung könnte etwa in dem vorliegen, was man heuzntage J2 zu nennen pflegt, um dessen Herausar­ beitungsich D. Smend in seiner „Erzählung des Hcxatcuch" ver­ dient gemacht hat. Und schließlich kämen wir dann zu dem Grund­ stock der Mosesbücher. Wann dieser verfaßt ist, darüber maße ich mir noch kein Urteil an. Daß ein guter Teil des Gesetzes von Moses selbst stammt, nimmt jetzt wieder eine immer größer werdende Zahl von Forschern an. Gesetz­ bücher aber können Einleitungen haben. So wäre cs ganz gut möglich, daß auch Moses Gesetz schon bei seiner ersten Veröffentlichung eine geschichtliche Einleitung gehabt hätte. Der Hammurabi-Codex hat eine Einleitung, aber gerade diese Einleitung scheint jünger zu sein als der Codex selbst. Ich muß daher die Frage, ob etwas und was von der Gcschichtserzählung von Moses selbst stammt, noch unbeant­ wortet lassen. Daß aber sogar vormosaische Bestandteile verarbeitet sind, nehme auch ich an. Mir kommt es nun aber heute darauf an, gezeigt zu haben, daß wir bei den Mosesbüchern mit dem Gedanken einer successiven Erweiterung eines Grundstocks zu rechnen haben, und daß dieser Gedanke der aufeinander folgenden Be­ arbeitungen an die Stelle der Vorstellung der parallelen Quellenschriften zu treten hat. Und sehen wir uns nun nach Analogieen dafür um, so haben wir sie in Hülle und Fülle. Wir brauchen nur einen Blick zu werfen auf unsere Kirchengemeinde- und Synodalordnungen. Der Pentateuch ist doch auch eine Gemeindeordnung. Unsere Kirchenge-

29 — meinde- und Synodalordnungen behalten aber nicht immer ihre anfängliche Gestalt, sie erhalten von Zeit zu Zeit Zu­ sätze, wie sie von der Weiterentwicklung und anderen Ge­ staltung der Verhältnisse gefordert werden; so spiegeln sic uns die Geschichte der kirchlichen Entwicklung wieder. Ich denke da besonders an die rheinisch-westfälische Kirchenord­ nung. Die stammt vom 5. März 1835 und ist dann successiv erweitert worden 1853, 1891, 1893, 1897 und schließlich neuheransgegeben 1908. Alle diese Änderungen

aber waren sanktioniert und die Neuausgaben offizielle Aus­ gaben. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Entstehungs­ geschichte des Pentateuchs zu betrachten. Von Moses Zeiten an hat es eine Gemeindeordnung Israels gegeben, die durch offizielle Ncuausgaben den veränderten Verhältnissen dann und wann angepaßt wurde, die daneben auch immer weiter, wie die jedesmalige Gegenwart erforderte, in erbaulicher Weise ausgestaltet wurde. Ich denke, Sie werden merken, in welchem Verhältnis diese neue Auffassung zu der Herrschenden Hypothese steht. Sie hat ihr gegenüber den großen Vorteil, daß die haarscharfe Quellenspalterei, die durch die Hypothese der parallelen Quellenschriften erfordert wird, fort­ fällt; man ist nicht mehr gezwungen, Zusammenhänge zu zerreißen und mühsam einzelne Stücke zusammenzuflicken, damit man ein einigermaßen zusammenhängendes Stück einer angeblichen Quellenschrift erhält. Durch einfache Ausschei­ dung der Zusätze der Bearbeiter wird es oft gelingen, die Anstöße, die die jetzigen Erzählungen bieten, zu heben. So wird durch die Ausscheidung von 1 oder 2 Versen die Er­ zählung vom Turmbau zu Babel zu einem Stück aus einem Gusse, und bei der Erzählung von Josephs Versuchung kann man ganz deutlich von der ursprünglichen Erzählung eine er­ bauliche Umrahmung loslösen. Aber die von mir vorge­ tragene Auffassung ist nun auch eine organische Weiterent­ wicklung der herrschenden Hypothese. Fallen müssen alle die Annahmen, gegen die die Geschichte des Textes Widerspnich erhebt, bestehen bleiben die Ergebnisse, die innerlich begründet sind. Die bisher übliche Qucllenscheidung war ein Umweg, aber doch ein Weg zur Ermittelung der wirklichen Entstehungs­ geschichte. Wie die Entwicklung der Pentateuchkritik ihren Weg nach der heute hier vorgetragenen Auffassung hin eingcschlagen hat, dafür zeugt vor allem die vor einigen Monaten erschienene 2. Auflage von Sellins Einleitung. Lassen Sie mich zum Schluffe ein paar Stellen dieser Auflage mit den

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entsprechenden der ersten Auflage von 1910 vergleichen. 1910 heißt es § 3: „Eine nähere Prüfung des Pentateuch zeigt, daß derselbe aus mehreren verschiedenen Quellen zu­ sammengesetzt ist;" 1914 wird hinter „Quellen" eingesügt, „oder Schichten zusammengesetzt bezw. zusammengewachsen ist." Im selben § wird jetzt am Schlüsse hinter „Quellen" ebenfalls eingeschobcn „bezw. Schichten." 1910 heißt es in § 6: „Der Jahwist ist für die älteste unter den pentateuchischen Quellen zu halten:" 1914: „unter den sogenannten penta­ teuchischen Quellen." 1910 lauten die Überschriften § 6, 7, 8:

die jahwistische Quelle, die elohistische Quelle, die Priester­ schrift; dagegen wird 1914 immer hinzugesetzt: „die soge­ nannte jahwistische, elohistische Quelle und die sogenannte Priesterschrift." Und endlich in dem ersten Absatz von § 7 werden die sogenannten elohistischen Abschnitte in der ersten Auflage beschrieben als „Abschnitte, die als die zerstreuten Glieder einer einstmals gesondert existierenden Quelle be­ trachtet werden müssen." In der zweiten Auflage fehlt die Bemerkung bezüglich der gesonderten Quelle, und es heißt, es seien Abschnitte, die als die Erzeugnisse einer bestimmten, ge­ sonderten Periode der Geschichte Israels betrachtet werden müssen. Denn diese Quelle gehört nach der neuen Auflage ,, einer etwas anderen literarischen Kategorie als der Jahwist an, sic kann garnicht in dem Sinne wie der Jahwist als eine einheitliche Schrift betrachtet werden." Wir müssen D. Sellin außer­ ordentlich dankbar sein, daß er als erster unter den jetzigen deutschen Alttestamentlern anfängt, mit der Quellenschriften­ hypothese zu brechen. Damit ist der Bann der Quellen­ scheidung gebrochen; ein frisches, neues Arbeiten kann be­ ginnen, möchten sich doch viele Arbeiter für diese Arbeit finden, denn auch hier ist die Ernte groß.

Verlag von Alfred Töpelmann in Giessen

Johannes Dahse

Textkritische Materialien zur tiexateuchfrage I.

Die Gottesnamen der Genesis — Jakob und Israel — P in Genesis 12—50 1912

VIII und 181 Seiten

(Dk. 4.80

Expositor, Sept 1913 p. 288: „At the same time it is impossible to lay down his book without a profound respect for the painstaking spirit of research . . . and warm appreciation of the Service which the author has renbered .... to the scientific study of the Pentateuchal text.“ Dr. Skinner.

Neue kirchl. Zeitschr. 1913 S. 147: „Hier sehe ich einen verheißungsvollen Ansatz zu einer Weiterentwicklung der Pentateuchkritik." D. Sellin.

Deutsche Eit.» Zeitung 1913 Dr. 20 Sp 1227: „So darf auch Dahse des Dankes gewiß sein für die sorgfältigen und reichen Tabellen .... aber auch für die sach­ liche Art, mit der er seine Polemik führt". D. Greßmann.

The Review and Expositor, Vol. XI Dr. 1 p. 104: „The general effect of Dahse’s researches will be to discredit more and more the divine names as criteria . . ."

Verlag von Alfred Töpelmann in Giessen

Johannes Dahse

Wie erklärt sich der gegenwärtige Zustand der Genesis? Skizze einer neuen Pentateuchhypothese 1913 20 Seiten (Hk. —.40 Evang. Kirchenblatt für Schlesien 1913 Nr. 36:

„Das ist eine streitbare, aber sehr interessante Skizze.“

B. D. Eerbmans

Alttestamentliche Studien I. Heft: Die Komposition der Genesis. VIII u. 95 S. 1908. Mk. 2.60 II. Heft: Die Vorgeschichte Israels. IV u. 88 S. 1908 Mk. 2.50 III. Heft; Das Buch Exodus. IV u. 147 S. 1910. Mk. 4.— IV. Heft: Das Buch Leviticus. IV u. 144 S. 1912. Mk. 4.40 Archiv für Religionswissenschaft. XII, 4: Urteil über bas

2. Heft: „musterhaft an Klarheit, Scharfsinn, Gelehrsamkeit und Selbständigkeit des Urteils ist des Holländers B. D. Eerdmans Abhandlung über die Vorgeschichte Israels. Danach sind alle Versuche, die Patriarchensagen aus einem Gesichtspunkte zu beurteilen (als Götter, mythologische Figuren ober Repräsen­ tanten ethnologischer Verhältnisse und Kultureinrichtungen der Königszeit), mißglückt. Die Israeliten der Vätersagen sind auch keine echten Beduinen, sondern, wie schon Jul. Wellhausen und Ed. Meyer angebeutet haben, höchstens Halbnomaden. Die „Apriw" gewisser altägyptischer Texte hatte schon vor 45 Jahren der Franzose Chabas mit den „Hebräern“ identifiziert, ohne indessen mit dieser Aufstellung, außer bei Dilettanten, viel Anklang zu finden. In Anlehnung an H. L. Heyes, Bibel und Ägypten, sucht nun Eerbmans zu beweisen, baß der alte Chabas tatsächlich im Rechte ist.“