Amerika in der spanischen Literatur des Siglo de Oro: Bericht, Inszenierung, Kritik 9783964566638

Mit der Konzentration auf die spanische Seite der Kulturbeziehung wird nicht nur die Bedeutung Amerikas in der Literatur

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Amerika in der spanischen Literatur des Siglo de Oro: Bericht, Inszenierung, Kritik
 9783964566638

Table of contents :
VORWORT
INHALT
A. EINLEITENDE BEMERKUNGEN
B. KONTEXTE
C. ZWISCHEN HISTORIOGRAPHIE UND DICHTUNG: EPEN, EPISCHE GEDICHTE UND ROMANZEN
D. AMERIKA ALS FIKTION: DRAMA, LYRIK UND ROMAN
E. SCHLUßBETRACHTUNG
F. ANHANG
G. BIBLIOGRAPHIE

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Ingrid Simson Amerika in der spanischen Literatur des Siglo de Oro

Editionen der Iberoamericana Ediciones de Iberoamericana Serie A: Literaturgeschichte und -kritik / Historia y Critica de la Literatura Serie B: Sprachwissenschaft / Lingüistica Serie C: Geschichte und Gesellschaft / Historia y Sociedad Serie D: Bibliographien / Bibliografías H e r a u s g e g e b e n v o n / Editado

por:

Walther L. Bernecker, F r a u k e G e w e c k e , Jürgen M. Meisel, Klaus Meyer-Minnemann A: Literaturgeschichte und -kritik / Historia y Crítica de la Literatura,

30

Ingrid Simson

Amerika in der spanischen Literatur des Siglo de Oro Bericht, Inszenierung, Kritik

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main

2003

Gedruckt mit U n t e r s t ü t z u n g d e s F ö r d e r u n g s - und B e i h i l f e f o n d s W i s s e n s c h a f t der V G W O R T

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrutbar.

© Vcrvuert Verlag, Frankfurt am Main 2003 ISBN 3-89354-891-2 Zugl.: Berlin, Freie Univ.. Diss.. 1998 D 188 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Michael Ackermann Abbildung: Alonso Gregorio de Escobedo (o. J.): La Florida (o. O.); Manuskript 187 der Biblioteca Nacional Madrid Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, altcrungsbeständigem Papier gemäß ISO-Norm 9706 Printed in Germany

5

Vorwort

VORWORT

Als der Dramatiker Juan Ruiz de Alarcón y Mendoza 1623 in Madrid erstmalig seine einzige religiöse comedia El Anticristo aufführen ließ, geriet diese Vorstellung zu einem Desaster: Mit einer übelriechenden Flüssigkeit versehene Raketen wurden geworfen, die Schauspieler widersetzten sich auf offener Bühne den Anweisungen des Autors, unter den Zuschauern brach Panik aus. Von seinen Dichterkollegen wurde der Mißerfolg der Aufführung mit Häme aufgenommen. Man vermutet, daß die Raketen auf ihr Konto gingen, so wie eine ganze Reihe verbaler Angriffe auf den Autor, von denen uns heute einige Spottverse erhalten sind. Alarcón war ein Außenseiter der spanischen Gesellschaft des Siglo de Oro, was weniger auf sein ungewöhnliches Äußeres (rote Haare, klein, verwachsen) zurückzuführen sein dürfte als auf die Tatsache, daß der Dichter ein indiano war, ein in Mexico geborener Sohn spanischer Eltern, der in der Metropole auf eine Karriere hoffte. 1590 stellte der von ständiger Geldnot geplagte Dichter Miguel de Cervantes in Sevilla ein Gesuch zum Erhalt eines Verwaltungspostens in den hispanoamerikanischen Kolonien. Zur Auswahl standen die Stelle eines Rechnungsprüfers im Vizekönigreich Granada, die eines Buchprüfers für die Galeeren in Cartagena (Mexico), der Posten des Gouverneurs einer unbedeutenden Provinz in Guatemala und der eines Richters in La Paz. Eindringlich bat Cervantes um eine dieser Stellen; Aufgabe und Ort schienen ihm gleichgültig. Das Gesuch wurde abgelehnt. 1625 kehrte Catalina de Erauso nach Madrid zurück. Sie hatte in Chile gegen araukanische Truppen gekämpft und war dabei zum Leutnant ernannt worden. In Madrid wurde sie von König Felipe IV. empfangen, dem sie ein Memorial de los méritos y servicios del alférez Erauso, eine Zusammenstellung ihrer militärischen Verdienste in Amerika überreichte, woraufhin ihr eine Pension von 800 Dukaten gewährt wurde. Catalina de Erauso, die jung einem spanischen Kloster entflohen war, als Schiffsjunge nach Amerika übersetzte, wo sie als Soldat kämpfte, stets darauf bedacht, ihr wahres Geschlecht zu verbergen, wurde in Madrid eine bekannte Person. Der Schwiegervater von Velázquez fertigte ihr Portrait, und der Dramaturg Juan Pérez de Montalbán schrieb eine comedia über ihren Aufenthalt in Chile, die beim Publikum sehr beliebt war. Diese drei willkürlich gewählten Episoden aus dem Spanien des Siglo de Oro zeigen deutlich, daß Amerika in Spanien zu dieser Zeit durchaus präsent war. Es war Fluchtpunkt, Utopie, der Ort, der eine Karriere ermöglichte, gleichzeitig für viele aber auch ein Fluch, eine Herkunft, die besser verborgen blieb. Amerika war für Spanien eine Realität mit vielen Facetten, die nicht geleugnet werden konnte, mit der aber sehr unterschiedlich umgegangen wurde. Amerika wurde verdammt, verschwiegen, ersehnt, von höchsten Kreisen weggeschlossen, unter Strafandrohung aus dem öffentlichen Diskurs verbannt. Und doch fand Amerika seinen Weg in die Literatur. Nicht nur Briefe und Berichte von Amerikareisenden erzählen von den "Neuen Welten"; Amerika wird in vielerlei Aspekten in Romanzen, in Epen, in politischen Traktaten, Gedichten, Theaterstücken, in Romanfragmenten und Fachtexten thematisiert. Gleichwohl bleibt die Produktion, vor allem der fiktionalen Texte,

6

Ingrid

Simson

überschaubar, zeigt sich der moderne Betrachter erstaunt, daß die Sensation Amerika nicht zum beliebten literarischen Sujet avancierte. Nur wer genau hinsieht, vermag zu erkennen, daß Amerika für viele Spanier der Epoche keine Sensation war. Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, deren Text zu Teilen gekürzt, an anderen Stellen aber auch erweitert wurde. Das Forschungsprojekt geht auf ein Seminar der inzwischen verstorbenen Professorin Gisela Beutler über Lope de Vegas Dorotea und Diskussionen über den indiano Don Bela zurück. Der eindeutig negativ konnotierte Amerikabezug von Don Bela und anderen ähnlichen komischen Figuren führte zu Überlegungen zu den Hintergründen. Auf diese Weise eröffneten sich zwei Problemkreise: zum einen die Frage, in welcher Form Amerika in der Literatur des Siglo de Oro dargestellt wurde, zum anderen aber auch allgemein die Frage nach der Bedeutung, die Amerika während des Siglo de Oro für Spanien hatte. Das Erkenntnisinteresse an diesen beiden Themenkomplexen brachte mich auf einen Arbeitsweg, auf dem ich nicht nur einer Vielzahl von Texten begegnete, sondern auch einer höchst komplizierten, vielschichtigen Kulturbeziehung, die zum Teil bis heute von verschiedenen Machtinteressen, von Schweigen und Tabus dominiert wird. Wichtig erschien mir die Konzentration auf die spanische Seite der Kulturbeziehung. Denn während der Hinfluß Spaniens auf die hispanoamerikanischen Länder bereits seit längerer Zeit in der Forschung diskutiert wird, ist erst seit wenigen Jahren die Bedeutung Amerikas tur Europa ins Blickfeld der historischen Forschung gerückt, stehen entsprechende Untersuchungen speziell für Spanien bis heute aus. Der Entstehungsprozeß dieses Buches wurde von einer Vielzahl von Personen begleitet, bei denen ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Vor allem die beiden Betreuer der Dissertation, Prof. Dr. Sebastian Neumeister und Prof. Dr. Dietrich Briesemeister, haben durch fachkundigen Rat und Diskussionsangebote wesentlich zum Gelingen des Buches beigetragen. Als äußerst schwierig erwies sich die Beschaffung einiger nahezu unbekannter Texte, die zum Teil nur in Manuskriptform vorliegen. Hierbei haben verschiedene Freundinnen und Freunde geholfen, denen ich ebenfalls danken möchte. An dieser Stelle geht mein Dank auch an das Personal einiger Bibliotheken, ohne deren professionelle Hilfeleistungen das Projekt wohl nicht zustande gekommen wäre: an die Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Biblioteca Nacional in Madrid, des Ibero-Amerikanischen Instituts Berlin, der Berliner Staatsbibliothek, der Romanistischen Bibliothek der Freien Universität Berlin und der Universitätsbibliothek der FU Berlin. Sehr hilfreich bei der Textbeschaffung war die Unterstützung von David McGrath und Miguel Zugasti - dem besten Kenner von comedias zur amerikanischen Thematik - , die mich mit den letzten noch fehlenden Dramen versorgten. Dem Vervuert Verlag sei für die Aufnahme des Buchs in sein Programm gedankt, der VG Wort für die Gewährung eines Zuschusses zu den Druckkosten der Veröffentlichung. Ein ganz spezieller Dank geht an Barbara Koczauer, die zu langen Diskussionen bereit war und deren kritischer Scharfblick die Auseinandersetzung mit der Thematik bereicherte. Bleibt schließlich ein letztes Dankeschön an meine Familie, die auch dieses Projekt mit Geduld und großem Interesse begleitet hat.

Inhalt

1

INHALT

A.

EINLEITENDE BEMERKUNGEN

13

1. 2.

Spanien und Amerika Problemstellung: Die Rezeption Amerikas im Spanien des

13

SiglodeOro

19

3.

Der aktuelle Stand der Forschung

26

B.

KONTEXTE

32

I.

Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

32

1. Die Fiktion im historiographischen Diskurs 2. Intertextualität: das Nebeneinander der beiden Diskurse 3. Auf der Suche nach Kriterien der Abgrenzung 4. Realität und Fiktion in der spanischen Dichtungstheorie des 16. und 17. Jahrhundert 5. Die Literatur über Amerika 6. Das Corpus

33 36 41

Der phänomenologische Kontext: die Wahrnehmung des Anderen

63

1. Das Ich und das Andere 2. Das Neue in Renaissance und Barock 3. Die Wahrnehmung der Amerikareisenden

63 66 70

II.

III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien 1. Die Epoche der spanischen Expansionen 2. Die Information über Amerika Die Informationspolitik der spanischen Krone Schriftliche Informationsquellen Mündliche Informationswege Weitere Informationswege Die Qualität der schriftlichen Information

48 53 61

79 79 83 85 90 94 95 101

8

Ingrid Simson

3. Die Rezeption des Phänomens 'Amerika' in Spanien Spanische Krone und Hof Die Diskurse der Gelehrten Die Rezeption Amerikas bei den unteren Bevölkerungsschichten Amerika in der spanischen darstellenden Kunst der Epoche 4. Der spanische "Sonderweg": zwischen Zweckrationalität und Religion C.

I.

II.

109 112 118 127 130 132

ZWISCHEN HISTORIOGRAPHIE UND DICHTUNG: EPEN, EPISCHE GEDICHTE UND ROMANZEN

136

Präliminarien

136

1. Texte und Themen 2. Die Autoren und ihre Texte Alonso de Ercilla y Zúñiga Juan de Castellanos Alonso Gregorio de Escobedo Mateo Rosas de Oquendo Gabriel Lobo Lasso de la Vega

137 144 145 147 148 152 153

3. Der aktuelle Stand der Forschung

156

Die Darstellung des spanischen Amerika

161

1. Die Darstellung der Indianer Ercillas Araukaner: ambivalente Präsentation zwischen Barbarentum und Heldenmut Escobedos Florida: ethnologisches Interesse und christliche Mission Die Elegías von Castellanos: realistische Präsentation und fiktional-literarische Erhöhung Die Indianer als heldenhafte Statisten: Lasso de la Vegas Mexicana Indianische Frauenfiguren 2. Spanische Helden Der idealisierte christliche Held: Lasso de la Vegas Mexicana Held im Hintergrund? Zweifel und Zweideutigkeiten bei Ercillas Darstellung des García Hurtado de Mendoza

161 162 168 171 175 177 185 186 189

Inhalt

9

Spanische Conquistadores als kollektiver Held: Juan de Castellanos' Elegias 3. Amerikanische Landschaften 4. Spanische Feinde: Freibeuter und Piraten 5. Koloniales Leben III. Realität und Fiktion in der Erzählung 1. Der autobiographische Aspekt 2. Die erzählten Ereignisse und ihr Bezug zur Wirklichkeit IV. Zu den Funktionen der Texte

192 197 202 211 219 219 229 239

1. Information 2. Panegyrik und Legitimation Panegyrik: Auftrag und Gelegenheit Ein Gedicht für den König: Ercillas Araucana Der konkrete Auftrag und seine Umdeutung: Lasso de la Vegas Mexicana Der panegyrische Aspekt in anderen Epen Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika 3. Kritik, Anklage, Satire

246 248 249 251

Ergebnisse

256

1. Fiktion vs. Realität 2. Zur Gattungsfrage der Epen

256 257

D.

A M E R I K A ALS FIKTION: D R A M A , LYRIK UND R O M A N

264

I.

Präliminarien

264

1. Das Thema 'Amerika': ein Schweigen der Autoren? 2. Texte und Themen 3. Der aktuelle Stand der Forschung

264 270 278

Amerika im Drama

283

1. Die Indianer Namen und äußere Erscheinung Die Hispanisierung der Indianer Die Glaubenswelt der Indianer Zur Typologie der Indianerfiguren in der comedia

283 284 289 298 303

V.

II.

239 242 242 244

Ingrid Simson

10

2. Historisches Geschehen Geschichte in der comedia Luis Vêlez de Guevara, Las palabras a los reyes, y gloria de los Pizarros 3. Spanische Helden Cortés, die Pizarros und García Hurtado de Mendoza Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy 4. Allegorien um Amerika Allegorische Personifikationen in der comedia Las cortes de la muerte Autos sacramentales 5. Die Figur des indiano 6. Ergebnisse und Leerstellen III. Amerika in der Lyrik 1. Panegyrische Dichtung 2. Der schädliche Charakter des Goldes 3. Utopische Aspekte IV. Amerika in der fiktionalen Prosa

V.

320 321 322 329 331 335 341 341 344 346 352 357 361 361 365 374 376

1. Miguel de Cervantes

377

2. Vicente Espinéis Marcos de Obregón

381

Zu den Funktionen der Texte

385

1. Die Panegyrik 2. Legitimatorische Tendenzen in den comedias der amerikanischen Thematik Die Präsenz Gottes Die spanische Eroberungspolitik als Wille Gottes Das nationale Anliegen Die Legitimierung der spanischen Verbrechen 3. Kritische Tendenzen

385

VI. Ergebnisse

391 394 396 398 399 406 412

11

Inhalt

E.

SCHLUßBETRACHTUNG

415

1. 2. 3.

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Von der Kundgabe zu Legitimation und Exemplum Historiographie, Fiktion und das Andere

415 420 426

F.

ANHANG

430

Anhang I: Klassifizierung der Literatur über Amerika Anhang II: Spanische Epen und epische Gedichte des 16. und 17. Jahrhunderts zur amerikanischen Thematik Anhang III: Comedias des 16. und 17. Jahrhunderts zur amerikanischen Thematik

430 431

G.

BIBLIOGRAPHIE

434

1. 2.

Primärwerke Sekundärliteratur

434 440

432

Ingrid Simson

12

für Iason

Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht, sich nicht zu verbrennen. Franz Kafka

Wo ist der Mensch, der staunt - aus der Ferne staunt - über das, was er nie berühren wird. Elias Canetti

es la resurrección transfigurada

La poesía no es verdad: de las presencias, la historia en la verdad del tiempo no fechado. Octavio Paz

A. Einleitende

Bemerkungen

13

A . EINLEITENDE BEMERKUNGEN

Wer seinen Gegner töten will, mag erwägen, ob er ihn nicht gerade dadurch bei sich verewigt. Friedrich Nietzsche

1. Spanien und Amerika Als Cristóbal Colón im Oktober 1492 erstmals amerikanischen Boden betrat, war dies der Beginn der Beziehung zwischen Spanien, in dessen Diensten Colón stand, und dem bisher für Europa unbekannten Kontinent, der erst später seinen Namen 'Amerika' erhalten sollte. Bereits im folgenden Jahr erlangten die spanischen Könige vom Papst das alleinige Besitzrecht über die entdeckten und noch zu entdeckenden Länder des westlichen Atlantik, was 1494 im Vertrag von Tordesillas bestätigt wurde, der mit der Festlegung einer Trennungslinie die Interessensgebiete Spaniens von denen Portugals abgrenzte. Auf Colón folgten Ponce de León, Balboa, Magalhäes, Cortés, Pizarro, Valdivia unter einer Vielzahl weiterer, heute zumeist vergessener Entdecker, Eroberer, Soldaten und Missionare. Bis ca. 1560 waren die spanischen Eroberungsfeldzüge abgeschlossen, waren weite Teile Mittelamerikas und der Karibik, des südlichen Nordamerika und des südamerikanischen Kontinents mit Ausnahme der Gebiete des heutigen Brasilien von Spaniern besetzt und erobert. Den Usurpationen folgte die Gründung von Siedlungskolonien, wobei Hispanisierung und Missionierung der autochthonen Bevölkerung die dominanten Konzepte der Kolonisierung waren. Das schnelle Vorgehen der Spanier, das einen raschen Zugewinn an Ländern und Macht sicherte, vor allem aber die enormen Goldvorkommen Amerikas, die bisher unvorstellbaren Reichtum versprachen, brachten die anderen europäischen Länder auf den Plan, allen voran England und Frankreich. Auch diese Nationen rüsteten Expeditionen aus, eroberten Länder und Landstriche, ihre Korsaren bedrängten die spanische Flotte und raubten der spanischen Krone Gold und Silber. Begleitet wurden diese Aktivitäten ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von einem beispiellosen Propagandafeldzug der wichtigsten europäischen Staaten gegen das mächtige Spanien, der sogenannten leyenda negra. Antispanische Ressentiments gehen bereits auf das späte Mittelalter zurück. Bei den politischen Gegnern Spaniens, allen voran Italien, Frankreich und England, etablierte sich allmählich das Stereotyp des hochmütigen und intoleranten Spaniers. Diese Vorstellungen schienen sich im 16. Jahrhundert zu bestätigen, als in Europa das äußerst gewalttätige Vorgehen der spanischen Eroberer und Soldaten in Amerika bekannt wurde. Es war vor allem der Dominikanermönch Bartolomé de las Casas, der das Verhalten seiner Landsleute in den Kolonien angeprangert hatte. Er initiierte in Spanien eine offen geführte Debatte um die Rechtmäßigkeit der Eroberungen und die Behandlung der einheimischen Amerikaner. Gleichzeitig wurden seine Thesen zur Basis des von den gegnerischen europäischen Nationen artikulierten antispanischen Diskurses'. Dieser sollte das negative Bild des zeitgenössischen Spaniers noch I

Zur antispanischen Propaganda der Epoche vgl. Sverker Amoldsson, La leyenda negra. Estudios sobre sus orígenes, Göteborg 1960; Charles Gibson (Hg.), The Black Legend. Anti-Spanish Altitudes in the Oíd World and the New, New York 1971; Ricardo García Cárcel, La leyenda negra Historia y opinión, Madrid 1992. Zu den wichtigsten Vorwür-

14

I. Spanien

und

Amerika

verstärken: Intoleranz und religiöser Fanatismus, gepaart mit Niedertracht, Rachsucht und gnadenloser Grausamkeit: das waren während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die Propagandisten der 'leyenda negra' die hervorstechenden Merkmale des Spaniers, potenziert in der Person Philipps, der als Inbegriff des bigotten, grausamen Despoten den Haß der Feinde Spaniens auf sich konzentrierte. 1

Neben Bartolomé de las Casas' Schrift Brevísima relación de la destrucción de las Indias war Girolamo Benzonis Historia del Mondo Nuovo einer der Schlüsseltexte der antispanischen Propaganda, vor allem in der Ausgabe des Genfer Kalvinisten Urbain Chauveton, der Benzonis Text einen Bericht über ein Massaker spanischer Truppen an französischen Siedlern in Florida hinzufugte 2 . Alles in den Schatten stellen sollte jedoch der Lütticher Theodore de Bry, der die Texte von las Casas und Benzoni herausgab und diesen aussagekräftige Kupferstiche beifugte, die vor allem das des Lesens unkundige Publikum ansprachen, so daß ein weiter Rezipientenkreis erreicht wurde 3 . Auf der Grundlage dieser Texte, die eine Vielzahl von Auflagen erfuhren, kam es in den oben benannten Ländern zu einer enormen Produktion von Pamphleten und anderen Schriften, die Spanien verschiedener Grausamkeiten bis zur Vernichtung der gesamten amerikanischen Bevölkerung bezichtigten. Die Mehrzahl der Verfasser ist unbekannt, aber auch renommierte Autoren erwähnten die Schandtaten der Spanier, wie z.B. Michel de Montaigne, dessen Intention allerdings über den Aspekt der Propaganda weit hinausging 4 . In Spanien selbst war die Debatte um die Rechtmäßigkeit der Eroberungen und die Behandlung der einheimischen Bevölkerung zunächst erstaunlich offen geführt worden. Dies änderte sich jedoch unter der Regentschaft Felipe II., zum einen aus innenpolitischen Gründen, zum anderen aufgrund der Attacken des europäischen Auslands. Amerika wurde in Spanien somit zum Tabuthema. Und bis heute sind Historiker und Autoren darum bemüht, die Vorwürfe zu entkräften. Unter den damaligen Verteidigern der spanischen Handlungsweise findet sich beispielsweise Francisco de Quevedo mit seiner politischen Schrift España defendida aus dem Jahr 1609. Spanien wird darin apologetisch erhöht, während mit Ausnahme Englands nahezu alle wichtigen europäischen Staaten als dessen Feinde bezeichnet werden,

1 2 3

4

fen gegenüber Spanien und seinen Aktivitäten in Amerika, den Texten und den Hintergründen vgl. García Cárcel 1992:31-35,42-97. Frauke G e w e c k e , Wie die neue Welt in die alte kam (Stuttgart 1986), 194. Vgl. G e w e c k e 1986:194-198,204-213; García Cárcel 1992:235-238. "[...] si el tratado de Las Casas hería en toda circunstancia la reputación de la España conquistadora, estas diecisiete láminas [von de Bry] producían su occisión", stellt Carbia treffend fest. Rómulo D. Carbia, Historia de la Leyenda Negra hispanoamericana (Madrid 1944), 83. Für eine Ausgabe des Werks von de Bry vgl. Gereon Sievernich (Hg.), America de Bry. 1590-1634. Amerika oder die Neue Welt. Die 'Entdeckung' eines Kontinents in 346 Kupferstichen, Berlin, N e w York 1990. Zwar benannte Montaigne in seinen Essays "Des cannibales" und "Des coches" eindeutig die Vergehen der Spanier, erweiterte seinen Vorwurf der Schuld jedoch auf das gesamte Europa. Zu den beiden Essays Montaignes vgl. Maria Antonia Garcés, "Coaches, Litters, and Chariots o f War: Montaigne and Atahualpa". Journal of Hispanic Philology 16,1 (1991):155-183.

A. Einleitende

Bemerkungen

15

die aus Neid das Land in ihren Schriften attackieren. Auch andere Autoren verschrieben sich dieser leyenda rosa und verteidigten Positionen Spaniens 1 . Der zumeist reale Ursprung der Attacken wurde dabei übersehen. Das spanische Verhalten erfuhr eine Legitimierung, während die Angriffe der europäischen Staaten einem Komplott zugeschrieben wurden, das als einziges Ziel die Vernichtung Spaniens betreibe 2 . Diese Verteidigungshaltung des spanischen Staates und seiner Intellektuellen führte zu einer zunehmenden Isolierung des Landes von seinen europäischen Nachbarn. Als dann im 19. Jahrhundert die hispanoamerikanischen Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangten, befand sich das ehemalige Weltreich in Auflösung. Es ist sicher kein Zufall, daß der Prozeß des Niedergangs begleitet war vom Aufkommen einer panhispanischen Bewegung. "Der Gedanke einer Brüderschaft der hispanischen Völker und ihrer gemeinsamen Sendung" blieb "bis in die Gegenwart eine schillernde ideologische Größe [...], deren programmatische Bestimmung je nach den politischen Verhältnissen ausfällt" 3 . Der Panhispanismus war die Illusion einer identitätsstiftenden Herrschaft, die - offensichtlich Herders Gedanken über den kulturellen Wettbewerb der Nationen verpflichtet - über den realen Machtverlust und die Zersplitterung der hispanischen Welt kaum hinwegzutäuschen vermochte: Sprache, Literatur und Geschichte wurden nun zum letzten Unterpfand der verlorenen Einheit, die weder durch die Illusion ökonomischer Kooperation noch durch militärische Rückeroberungsversuche wiederherzustellen war. 4

Zum Aspekt der Verteidigung spanischer Positionen gesellte sich nun der der Trauer über den Verlust von Kolonien und Macht, der Philosophie und Schriften der 98Generation bestimmen sollte. Auf dem Hintergrund der panhispanischen Idee wurde im 20. Jahrhundert eine erneute Verteidigung der spanischen Vorgehensweise in Amerika unternommen. Erst 1914 prägte Julián Juderías den Begriff der leyenda negra, als er sich darum bemühte, die antispanischen Äußerungen in einer groß angelegten Untersuchung als bloße Legenden und Diffamierungen zu entlarven . Apologetisch werden dabei die 1 2

Vgl. hierzu García Cárcel 1992:101-113. In diesem Sinne hat García Cárcel sicher recht, wenn er die Existenz der leyenda negra an sich in Frage stellt: "[...] esas opiniones negativas sobre España no son el resultado de una conjura internacional irracionalmente dirigida contra España. [...] la memoria histórica nos obliga a recordar la propia responsabilidad española en la configuración de su imagen negativa. Las críticas todo lo tendenciosas y exageradas que se quiera, tuvieron c o m o fundamentación la propia naturaleza y ejercicio de la gestión imperial por parte de la monarquía española" (1992:215). García Cárcel ist einer der wenigen spanischen Intellektuellen, die sich mit dem Thema beschäftigen, der eine emotionslose, nüchterne und selbstkritische Aufarbeitung der Vergangenheit und vergangener Positionen fordert.

3

Dietrich Briesemeister, "Die Iberische Halbinsel und Europa. Ein kulturhistorischer Rückblick". Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament) B 8 (1986):23. Norbert Rehrmann, "Spanien, Europa und Lateinamerika: Zur Geschichte legendärer Kulturbeziehungen". Prokla 75 (1989): 117. Vgl. auch Norbert Rehrmann, Lateinamerika aus spanischer Sicht. Exilliteratur und Panhispanismus zwischen Realität und Fiktion (19361975) (Frankfurt a.M. 1996), vor allem 72-220.

4

5

Vgl. Julián Juderías, La leyenda tranjero. Madrid l 6 1974.

negra.

Estudios

acerca

del concepto

de España

en el ex-

16

1. Spanien

und

Amerika

Verdienste Spaniens betont, sowie seine Defizite mit dem Vergleich zu anderen Nationen entkräftet 1 . Es ist der Beginn einer ganzen Reihe von Publikationen, die nach ähnlichem Muster die historischen Verdienste Spaniens hervorheben 2 . Die Empfindlichkeit gegenüber Kritik, der Zwang zur Verteidigung vergangenen Geschehens und die kollektive Verweigerung einer kritischen Betrachtung der Geschichte bestehen bis heute in Spanien, wenn es um amerikanische Angelegenheiten geht 3 . Das Beharren auf überlieferten Positionen verhinderte über Jahrhunderte eine adäquate Aufarbeitung der spanischen Beteiligung an der amerikanischen Geschichte und erklärt, weshalb eine Vielzahl von Themen amerikanisch-spanischer Inhalte bis heute nicht hinlänglich bearbeitet ist. In den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit geriet die Beziehung zwischen Spanien und Amerika zweifelsohne 1992 anläßlich der Feierlichkeiten zum Quinto Centenario. Bereits im Vorfeld der Vorbereitungen war es zu heftigen Kontroversen gekommen, zum einen zwischen Spanien und den lateinamerikanischen Staaten, zum anderen innerhalb Spaniens selbst. Während die spanische Regierung ein offizielles Medienspektakel plante, mit den Olympischen Spielen in Barcelona, der Weltausstellung in Sevilla und den Veranstaltungen der Kulturhauptstadt Europas Madrid 4 , wobei sie vorrangig das Ziel verfolgte, die Führungsposition Spaniens innerhalb der hispanoamerikanischen Gemeinschaft als "Vermittler und Scharnier im Dreieck EG, Lateinamerika und USA" (Bernecker 1993:2) zu propagieren und daraus politisch Kapital zu schlagen, formierte sich in Spanien, in Lateinamerika, aber auch in anderen Ländern eine breit gefächerte Opposition, der namhafte Autoren, Intellektuelle und Wissenschaftler angehörten. Der offiziellen Seite schien an kritischen Tönen nicht gelegen. Denn knüpften nicht die Befürworter des spanischen Megaspektakels 1992 an die PanhispanismusIdee des 19. Jahrhunderts an? In diesem Sinne äußerte sich der Autor Rafael Sánchez Ferlosio über die Feierlichkeiten, über das "Disneylandia sevillana", mit dem seiner Meinung nach Spanien einen Teil einer vergangenen Größe erleben wollte, deren Anerkennung ihm stets versagt geblieben war: Lo q u e pretende este Quinto Centenario - junto con otros propósitos todavía más indignos y superficiales - es tal v e z inventarse a quinientos años de distancia un Imperio Español que, bien mirado, no llegó a existir. [...] La secreta amargura de las posteriores generaciones hasta la propia d e h o y es q u e a España nunca le fue r e c o n o c i d o con sincera c o n v i c c i ó n

1

Sehr beliebt ist dabei der H i n w e i s auf die weit brutalere Variante des Kolonialismus anderer europäischer Nationen, v o r z u g s w e i s e Englands. V g l . z.B. als aktuelles Werk Xavier Rubert de V e n t o s , El laberinto de la hispanidad, Barcelona 1987.

2

S o z . B . Carbia 1944; José Pérez de Barradas, Los mestizos de América, Madrid 1948; Julián Marias, España inteligible. Razón histórica de las Españas (Madrid 1985), 199-211.

3

S o drohte 1987 der spanische Botschafter in Bonn, die Ausstellung "Gold und Macht" aus Deutschland abzuziehen, sollte die Verbreitung eines Kurzfiihrers zur Ausstellung mit kritischen Textpassagen nicht eingestellt werden. Vgl. hierzu eine N o t i z in der Zeit v o m 17. Juli 1987 (S. 34). Einen ähnlichen Vorfall der spanischen hohen Diplomatie schildert Norbert Rehrmann, "Robinson und Freitag. Kleine tour d'horizon durch die Kulturgeschichte der N e u e n Welt". Dialektik 1993/2 ("Neue Welt und Europa") ( 1 9 9 3 ) : 117.

4

Z u m Gesamtprogramm der Feierlichkeiten vgl. Walther L. Bernecker, "Zwischen Jubelfeiern und Ablehnung. Zur Auseinandersetzung um den 'Quinto Centenario'". Nachrichten der Deutsch-Venezolanischen Gesellschaft 10,20 ( 1 9 9 3 ) : 2 - 9 .

A. Einleitende

Bemerkungen

17

haber tenido imperio, como sí, en cambio, se le había reconocido antes a Roma y se le reconocería después a Gran Bretaña.'

S o scheint sich auf den ersten Blick trotz technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts konzeptionell gar nicht viel geändert zu haben seit den Feiem vor 100 Jahren zum IV. Centenario. Erscheint doch Rubén Daríos Kommentar dazu von seltsamer Aktualität: [...] numerosas han sido las fiestas hispanoamericanas, a cuyo término apenas si ha quedad o otra cosa que un poco de dulzor en la boca y otro poquito de retórica en el aire; después, americanos y españoles han permanecido en sus desconfiadas soledades, colocados en actitud y con mirada recelosa, cada cual a un lado del gran abismo de la historia. 2

Und doch führte die Kontroverse, die mancher für reichlich überzogen hielt 3 , zu konkreten Ergebnissen. Nicht nur, daß ein kritischer Dialog initiiert wurde; es ließ sich auch ein sensiblerer Umgang mit der Terminologie feststellen 4 . Nachdem Spanien und die Anfänge seiner Begegnung mit Amerika aufgrund der Jahrhundertfeierlichkeiten dermaßen im Mittelpunkt des medialen Interesses standen, nahm die Auseinandersetzung mit dieser so komplexen Beziehung zwischen Amerika und Spanien merklich zu. Vor allem in Spanien wurden erstmalig Themenbereiche der kulturellen Beziehung zwischen Spanien und dem amerikanischen Kontinent diskutiert, die bis vor kurzem noch tabu waren. Internationale Tagungen, Kongresse und eine Vielzahl von Publikationen zeugen von einem Interesse an neuen Fragestellungen. Der Beginn der gemeinsamen Geschichte von Spanien und Amerika ist zugleich eine Geschichte der Texte. Von Anfang an verfaßten die Hauptakteure der historischen Ereignisse Berichte über ihre Erlebnisse. So schrieb Colón wenige Monate nach seiner ersten Begegnung mit karibischen Ureinwohnern die Carta a Santángel, 1

Rafael Sánchez Ferlosio, Esas Yndias equivocadas y malditas. Comentarios

a la historia

(Barcelona 1994), 48/49.

2

3

Zitiert bei Donald F. Fogclquist, Españoles de América y americanos de España (Madrid 1968), 21/22. Zu den Feierlichkeiten von 1892 vgl. Magnus Mörner, "1492-1992. Jahrhunderte und Hundertjahrfeiern in der Historiographie Amerikas". In ders., Lateinamerika im internationalen Kontext (München 1994), 21-36. So fragt z.B. Augusto Roa Bastos; "Esta creciente y un poco tardía indignación histórica contra la España imperial, ¿no es, tal vez, la descarga ambigua d e las élites mestizas hispanoamericanas destinada a otros imperios aún vigentes, más actuales, más eficientes y m á s implacables, pero también menos susceptibles a la crítica y a la condenación?" Augusto R o a Bastos, "El controvertido V Centenario". In: Spiegel der lateinamerikanischen

Presse/ Boletín de Prensa Latinoamericana.

Sonderheft "Quinto Centenario". Stimmen

aus Lateinamerika - ein Presserückblick - . Hg.v. Institut für Iberoamerika-Kunde (Hamburg 1993), 95 [El País vom 18.6.91], Für eine kritische Bestandsaufnahme der Bezieh u n g Spaniens zu Amerika anläßlich der Feierlichkeiten zum Quinto Centenario vgl. E d u a r d o Subirats, América o la memoria histórica, Venezuela 1993; Eduardo Subirats,

Después de la lluvia. Sobre la ambigua modernidad española (Madrid 1993), 152-166. 4

Einer der Streitpunkte war der Begriff der Entdeckung, der vor allem von amerikanischer Seite beanstandet wurde, da er einseitig die europäische Perspektive festschreibe. Bereits in den 50er Jahren hatte Edmundo O'Gorman mit seiner These der "Erfindung Amerikas" der Diskussion vorgegriffen. Vgl. E d m u n d o O'Gorman, La invención de América. El Uni-

versalismo de la Cultura de Occidente, México, Buenos Aires 1958.

18

/. Spanien und Amerika

einen Kurzbericht in Briefform, der bald in verschiedenen Sprachen in Europa zirkulierte. A u c h Americo Vespucci und Hernán Cortés schrieben Briefe, die veröffentlicht wurden. A u f der Basis dieser Briefe und der Information von A u g e n z e u g e n verfaßte der Humanist und Hofchronist Pietro Martire d'Anghiera, der selbst nie Amerika besuchte, Briefe, die er nach Italien schickte und die - in décadas veröffentlicht - den ersten z u s a m m e n h ä n g e n d e n Bericht über die Entdeckungsfahrten und Eroberungen spanischer Conquistadores ergeben sollten. Eine Vielzahl der frühen Amerikareisenden, die des Schreibens k u n d i g waren, äußerte sich in schriftlicher F o r m über die außergewöhnlichen Erlebnisse. C o n quistadores und Missionare schrieben Briefe oder Kurzberichte an königliche Beamte, u m zu informieren, aber auch, u m ihre Verdienste hervorzuheben, m e h r Lohn zu fordern oder ihr Verhalten zu rechtfertigen. Später waren es v o r w i e g e n d Siedler und Händler, die Verwandten, Behörden oder Geschäftspartnern von Land und Leuten Amerikas berichteten. Eine Zeitlang war die Ausreise nach A m e r i k a sogar mit der A b g a b e eines schriftlichen Berichts verbunden, und die Krone verschickte Fragebogen an Verwaltungsbeamte der Kolonien, u m Informationen über Amerika zu sammeln. So m a g es wenig verwundern, daß die spanischen Archive - vornehmlich in Sevilla - voll sind mit bis heute z u m Teil unausgewertetem Material über Amerika und die Epoche der Kolonialzeit. Historiker, Chronisten und andere Gelehrte des Siglo de Oro verfaßten, zumeist in offizieller Funktion, überblickende historias über das Geschehen in den spanischen Kolonien. Die Mehrzahl dieser Autoren hatte Amerika nicht aus eigenen Besuchen kennengelernt. Vor allem spanische Mönche und Missionare waren es, die die indianische Geschichte und das Gedankengut der amerikanischen Ureinwohner sammelten und aufzeichneten. D o c h auch Mestizen wie Garcilaso de la Vega, el Inca oder G u a m á n P o m a de Ayala informierten über indianisches Leben. Einige dieser Werke konnten allerdings erst in späteren Jahrhunderten publiziert werden. Einer der ersten - wenngleich nicht der einzige - , der seine persönlichen Erlebnisse in F o r m von Versen niederschrieb, war der Soldat Alonso de Ercilla, der an der schwierigen Eroberung der araukanischen Gebiete beteiligt war und die Geschichte des kriegerischen S t a m m e s der Araukaner und seiner persönlichen Erlebnisse in d e m eposähnlichen Text der Araucana festhielt. A u c h Juan de Castellanos, Verfasser der Elegías de varones ilustres de Indias, wählte diese Form, u m persönlich Erlebtes und die Geschichte der frühen Eroberungen aufzuzeichnen, neben einer Chronik des Vizekönigtums Granada. Vor allem der Text Ercillas fand verschiedene N a c h a h m e r , zumeist einfache Soldaten, die ihre eigenen Erlebnisse in Versen darlegten. A u f ähnliche Weise entstanden auch Romanzen. In einer späteren Phase sollten dann professionelle Schriftsteller fiir ihre fiktionalen Werke amerikanische Stoffe wählen, ohne j e m a l s Amerika besucht zu haben. So finden sich Theaterstücke zu den Eroberungen, z.B. von Lope de Vega und Tirso de Molina, aber auch Gedichte zu verschiedenen T h e m e n Amerikas. Darüber hinaus wurden amerikanische Belange in der Epoche des Siglo de Oro auch in Fachtexten thematisiert, so z.B. in medizinischen A b h a n d l u n g e n über indianische Heilmittel, in geographischen Traktaten, juristischen Lehrbüchern u.a. Und die Kartographie konnte sich nicht länger der Tatsache eines weiteren Kontinents verschließen und integrierte Amerika in ihre Karten, wenngleich in Spanien zu ein e m relativ späten Zeitpunkt.

A. Einleitende

Bemerkungen

19

Diese Vielzahl von Texten des Siglo de Oro, die auf verschiedenste Weise Themen Amerikas behandeln, ist bisher kaum systematisch erfaßt oder kategorisiert worden. Vieles ist noch unbekannt und unveröffentlicht. Der Gegenstand dieser Studie sollen die fiktionalen Texte über Amerika sein. Da außer den Fachtexten alle Texte über die historischen Ereignisse Amerikas über einen hohen Anteil an Fiktionalität verfugen, gilt es in einem ersten Schritt, die fiktionalen Texte von den historiographischen abzugrenzen, bevor im Hauptteil der Studie die fiktionalen Texte dann eingehend beschrieben und analysiert werden. Gleichzeitig ist die literarische Produktion als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses zu verstehen, so wie Kultur insgesamt in Interaktion mit anderen gesellschaftlichen Komponenten und Prozessen steht 1 . Deshalb sollen die Texte, die hier bearbeitet werden, im Kontext ihrer Zeit erschlossen werden. Und hier stellt sich dann zunächst die Frage, welche Bedeutung insgesamt Amerika für das Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts hatte.

2. Problemstellung: Die Rezeption Amerikas im Spanien des Siglo de Oro Während die Bedeutung, die Spanien für die hispanoamerikanischen Kolonien haben sollte, bereits früh kommentiert und in einer Vielzahl von Publikationen untersucht wurde, fand der Einfluß Amerikas auf Spanien und Europa in der Forschung lange Zeit keine Beachtung. Dabei hatte die Kenntnis eines weiteren Kontinents nicht nur das damalige europäische Weltbild radikal verändert; vielmehr sollten über die spanische und insgesamt europäische Präsenz in Amerika das Wirtschaftsleben, Teile der Gesellschaft und auch Bereiche des alltäglichen Lebens in den europäischen Ländern nachhaltig geprägt werden. Die Gründe für diese Nichtbeachtung der Rezeption Amerikas im europäischen Kontext sind vielschichtig und sicher die Folge einer eurozentristischen Perspektive, die sich lieber der dominanten europäischen Rolle in Amerika widmet, als daß sie dem anderen Kontinent eine Einflußnahme auf die eigene Sphäre zugesteht. Wie oben bereits erwähnt, gehört Amerika in Spanien bis heute zu den Tabuthemen der Öffentlichkeit. Und doch stellt sich heute drängend die Frage nach der Bedeutung, die Amerika für das damalige Spanien hatte. Fuhren nicht fortwährend Schiffe mit spanischen Auswanderern aus, die in Amerika auf Erfolg und Reichtum hofften? War nicht die spanische Krone auf die regelmäßigen Goldlieferungen aus den amerikanischen Kolonien angewiesen? Als Hernán Cortés mit seinem Gefolge - darunter mehrere Indianerhäuptlinge - nach Spanien kam, wurden sie von Menschenmassen bestaunt. Indianisches Kunsthandwerk und Goldschmuck konnten in Ausstellungen in ganz Europa betrachtet werden. Kakao, Tabak, Tomaten, Bohnen, Mais und vieles mehr gehörte bald zu den alltäglichen Nahrungs- und Genußmitteln in Spanien. Gelehrte Kreise diskutierten kurz nach den Eroberungen über das Wesen der amerikanischen 1

Die herkömmliche Vorstellung, die Kultur als Ergebnis sozialer und wirtschaftlicher Lebensbedingungen begreift, wird zunehmend von einem Kulturbegriff abgelöst, der dynamisch als aktiver Part des Gesamtprozesses konzipiert ist: "Culture [...] is not just an ornament of human existence but - the principal basis o f its specificity - an essential condition for it". Clifford Geertz, The Interpretation of Cultures ( N e w York 1973), 46. Vgl. hierzu auch den Kulturbegriff von Norbert Elias in seinem Werk Über den Prozeß der Zivilisation.

20

2. Problemstellung:

Die Rezeption

Amerikas

im Spanien des Siglo de Pro

Urbevölkerung. In Sevilla, dem damals bedeutendsten spanischen Hafen, legten die Schiffe an, vollbeladen mit Gütern und reichen Rückkehrern aus den Kolonien. In der Stadt verbreiteten sich die Nachrichten und Gerüchte vom sagenhaften Reichtum der amerikanischen Länder, von wilden Indianern, Kannibalen, von Riesen und Ungeheuern. So wurde Sevilla bald zum Sammelbecken der Ausreisewilligen, der Unterprivilegierten, Verfolgten, Chancenlosen, die es wagten, vom Utopieland Amerika zu träumen. Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist das Spanien des Siglo de Oro. Dieser Begriff für die spanische Blütezeit des 16. und 17. Jahrhunderts, häufig und zumeist unreflektiert benutzt, ist - wie Bartolomé Bennassar ausfuhrt - nicht unproblematisch 1 . Bennassar selbst schließt in seine Definition eine Vielzahl von kulturellen und historisch-politischen Bereichen ein, die Spaniens Vormachtstellung innerhalb Europas während dieser Epoche ausmachten: Je propose d'appeler Siècle d'Or espagnol 'la mémoire sélective que nous avons d'une époque où l'Espagne a tenu dans le monde un rôle dominant, qu'il s'agisse de la politique, des armes, de la diplomatie, de la monnaie, de la religion, des arts ou des lettres' (Bennassar 1982:8).

Den Beginn der (politischen) Blütezeit setzt Bennassar bei 1525 an, da er erst dann die Monarchie Karls V. als gefestigt betrachtet. Andere Historiker dagegen bestimmen einen früheren oder späteren Zeitpunkt, wobei inzwischen bevorzugt 1492 genannt wird. Mit der Rückeroberung Granadas durch die Katholischen Könige und dem Ende der Reconquista, der ersten Fahrt Colóns nach Amerika, dem Dekret zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung und nicht zuletzt dem Erscheinen der ersten spanischen Grammatik von Antonio Nebrija waren die Weichen für eine neue Epoche gestellt. Auch wenn das gesamte 17. Jahrhundert geprägt war von Krisen und Zeichen des Machtverlusts 2 , erscheint es doch sinnvoll, die Epoche mit 1700 enden zu lassen, dem Todesjahr Karls II., des letzten Habsburger Königs auf spanischem Thron. Was nun die literarische Epoche des Siglo de Oro betrifft, so wird deren Beginn einheitlich mit dem Erscheinen der Celestina von Fernando de Rojas 1499 angesetzt und ihr Ende mit dem Todesjahr Calderóns 1681. Die historischen Gegenstände, die hier interessieren sollen, sind die der traditionellen Mentalitätengeschichte: kollektive Vorstellungen, Ansichten, Werte, Gefühle, Denkweisen und Weltsichten 3 . Die Schwerpunkte der Untersuchungen der Mentali1

Laut Bennassar scheuen sich die einschlägigen spanischen Nachschlagewerke vor einer exakten Begriffsbestimmung von Siglo de Oro und führen die Bezeichnung nur für die Blütezeit der Literatur an. Vgl. Bartolomé Bennassar, Un Siècle d'Or espagnol (vers 1525 - vers 1648) (Paris 1982), 5-7. Erst Marcelin Defourneaux hat den Begriff um andere kulturelle und historische Prozesse erweitert und dementsprechend definiert. Vgl. Marcelin Defourneaux, La vie quotidienne en Espagne au Siècle d'Or (Paris 1964), 11. Zum Begriff des Siglo de Oro vgl. auch Ingrid Simson, Das Siglo de Oro. Spanische Literatur, Gesellschaft und Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts (Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig 2001), 7/8.

2

Für Bennassar endet das politische Siglo de Oro 1648, als Spanien endgültig seine Vormachtstellung in Europa verliert. Vgl. Bennassar 1982:9-14. Zur Mentalitätengeschichte vgl. Peter Burke, "Strengths and Weaknesses of the History of Mentalities". History of European Ideas 7,5 ( 1986):439-451 ; Ulrich Raulff (Hg.), Men-

3

A Einleitende

Bemerkungen

21

tätengeschichte liegen auf dem Mittelalter und der frühen Neuzeit, wobei vor allem das Alltagsdenken und -geschehen, die mündliche Kultur und die Welt der Unteiprivilegierten eine Berücksichtigung fanden. Die aktuellen Entwicklungen dieser Art von historischer Forschung wenden sich verstärkt neuen Fragestellungen zu: Mentalitäten werden in Verbindung mit Interessenskonflikten, Macht, Ideologie und Legitimation betrachtet. Ein weiterer Bereich gehört der Beschäftigung "with mental or perceptual categories, Schemata, stereotypes or paradigms" (Burke 1986:446). Hierzu gehört die Forschung zur Theorie der Alterität und zum Bild des Anderen, deren Fragestellungen auch die vorliegende Studie angeleitet haben. Trotz einer beachtlichen Anzahl grundlegender Werke zum Spanien des Siglo de Orox wurde doch nur vereinzelt und unsystematisch zu oben erwähnten Themen geforscht, die unter die Bereiche der Mentalitätengeschichte fallen 2 . Hier wären vor allem die Arbeiten José Antonio Maravalls zu Renaissance und Barock zu nennen 3 . Was nun die Rezeption Amerikas im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts betrifft, so kann man nur auf sehr wenige Vorarbeiten zurückgreifen und auch nur auf Randaspekte dieser Thematik. Obwohl sich in den spanischen Archiven ausreichend zeitgenössisches Material finden würde, das nach hier gestellter Fragestellung bearbeitet werden könnte, ist diese Arbeit bis heute nicht erfolgt. Da das vorliegende Projekt keine historische Basisarbeit leisten kann und will, muß bei der Rekonstruktion eines allgemeinen historischen Horizonts der Rezeption Amerikas auf das unsystematisch und punktuell erarbeitete Material der Sekundärliteratur zurückgegriffen werden. Natürlich kann hier keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Die Rezeption, d.h. die Aufnahme und das Verstehen verschiedener Phänomene, ist ein Prozeß, der ständig Bilder, Ideen und Meinungen über eben diese Phänomene produziert. Jeder Rezeptionsprozeß setzt zunächst Information voraus, ein Minimum an Wissen, das entweder durch eigene Erfahrung zustande kommt - hier soll dann von primärer Rezeption gesprochen werden - oder über die Vermittlung Dritter (sekundäre Rezeption). Das Verhältnis zwischen Information und Rezeption ist dialektisch, denn jeder Information geht eine Rezeption voraus, so wie auch die Bedingung jeder Rezeption die Information ist. Im Fall der Rezeption von kulturhistorischen Phänomenen steht zu Beginn von Rezeption und Information die Wahrnehmung des Anderen. Sie ist ein Akt, der Information vermittelt, und gleichzeitig ein Akt von primärer Rezeption. Diese Information-Rezeption kann zur Grundlage einer aktiven Information werden, auf die dann eine sekundäre Rezeption zumeist weiterer Kreise folgt. So entsteht ein Prozeß

1 2 3

talitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse, Berlin 1987; Patrick H. Hutton, "The History of Mentalities: The New Map of Cultural History". History and Theory 20 (1981 ):237-259; für weitere Literatur vgl. die bibliographischen Angaben von Raulff 1987:15-17. Wie z.B. die Arbeiten von Bennassar, Defourneaux, Domínguez Ortiz, Elliott u.a. In Spanien fand keine nennenswerte theoretische Diskussion über diese Art der Geschichtsforschung statt. So z.B. verschiedene Artikel Maravalls in den beiden entsprechenden Sammelbänden der Estudios de Historia del pensamiento español (Band 2 zur Renaissance aus dem Jahr 1984, Band 3 zum Barock von 1975), außerdem La cultura del Barroco (1975), Antiguos y modernos (1966) u.a.

22

2. Problemstellung:

Die Rezeption Amerikas im Spanien des Siglo de Pro

der Aneignung von Wissen und Information, der zur allmählichen Bewußtwerdung eines bis dahin unbekannten Phänomens fuhrt. Jeder Wahrnehmungs- und Rezeptionsprozeß - und somit auch jede Art von Information - wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, die im Umfeld des Rezipienten (und eventuellen Informanten) anzusiedeln sind: durch gesellschaftliche und epochale Begebenheiten, durch Vorwissen, ideologischen und diskursiven Kontext, durch die spezielle Art und Weise des Zustandekommens von persönlicher Erfahrung bzw. der Information Dritter, durch eigene Interessen und Intentionen. Es muß an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sowohl Wahrnehmungsprozesse als auch Informationsvermittlung und Rezeption der damaligen Zeit nicht mit den Strukturen eines modernen Nachrichten- und Kommunikationswesens verglichen werden dürfen. Beides ist hier im Kontext der Gegebenheiten des ausgehenden Mittelalters und des Beginns der Neuzeit zu betrachten. Technische, gesellschaftliche und mentale Konditionen bestimmten die entsprechenden Varianten der Informationsvergabe und deren Aufnahme durch das Publikum 1 . Die Rezeption des Phänomens 'Amerika' erfolgte auf verschiedenen, jedoch auseinander hervorgehenden Ebenen 2 . Die chronologisch als erste anzusetzende Rezeption ereignet sich in Amerika selbst, wenn spanische Entdecker und Eroberer mit den Tatsachen ihnen fremder Existenzen konfrontiert werden. Diese auf spezielle Weise rezipierten Wahrnehmungen werden in Form von Berichten, schriftlichen wie mündlichen, weitergegeben und verbreitet. Diese Informationen gelangen nach Spanien und Europa und werden dort von einer breiteren Bevölkerung rezipiert. Zu den Rezipienten dieser Berichte gehören auch Autoren und andere Vermittler, die auf deren Basis neue Texte oder auch mündliche Berichte erstellen. Diese Abfolge von Rezeption und Produktion ist beliebig fortzuführen 3 und verweist im Fall der Litera1

Die Kommunikationssysteme des 16. und 17. Jahrhunderts sind ein von der Publizistik bisher stark vernachlässigtes Forschungsgebiet. Für viele Kommunikationswissenschaftler beginnt ihre Disziplin erst mit der Aufklärung, was im besonderen für die spanische Publizistik zu gelten scheint. Zu Informationsvermittlung und Öffentlichkeit im gesamteuropäischen Raum der frühen Neuzeit vgl. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Darmstadt, Neuwied 17 1987. Eine überblickende Bestandsaufnahme ftir Spanien unternimmt Ingrid Simson, "Marktplatz und Lektüre: zu Information und Öffentlichkeit im Spanien der frühen Neuzeit". In: De orbis Hispani Unguis litteris historia moribus. Festschrift für Dietrich Briesemeister zum 60. Geburtstag. Band 1. Hg.v. Axel Schönberger und Klaus Zimmermann (Frankfurt a.M. 1994), 617-636. Zur Verbreitung der Nachrichten über Amerika im Europa des 16. Jahrhunderts vgl. die gründliche Untersuchung von Renate Pieper, Die Vermittlung einer neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493-1598, Mainz 2000.

2

Wie alle Rezeptionsprozesse ist auch dieser äußerst vielschichtig, und es gilt eine Vielzahl von Aspekten und Faktoren zu berücksichtigen. Obwohl hier eine Annäherung an einen allgemeinen Horizont der Rezeption versucht werden soll, sind diesem Vorhaben doch von vornherein Grenzen gesetzt. Voraussetzung für die Produktion eines Textes über Amerika ist die Rezeption, sei diese nun das Ergebnis eigener Erlebnisse oder von mündlichen/schriftlichen Berichten anderer. Die für die Rezeption der fiktionalen Literatur gebräuchliche Unterscheidung zwischen expliziter und produktiver Rezeption, wie sie z.B. Hempfer anführt, kann für die Rezeption kultureller Phänomene übernommen werden. Die explizite Rezeption setzt sich meta-

3

A Einleitende Bemerkungen

23

tur auf deren intertextuelle Disposition. Auch wenn ein Großteil der Information über Amerika sich in Spanien auf dem schriftlichen Weg verbreitete, so fand die Rezeption damals nicht vorwiegend über Texte statt, sondern vor allem über mündliche Vermittlungswege 1 . Auch nonverbale Informationsträger, wie z.B. Kunstgegenstände, Nahrungsmittel, persönliche Begegnungen u.a., trugen zur Rezeption Amerikas in Spanien bei, so daß man von einem multimedialen Rezeptionsapparat sprechen kann. Hier allerdings zeigt sich ein Dilemma der historischen Rezeptionsforschung": Der heutigen Forschung sind fast nur Texte dieser Rezeption erhalten, Texte, die zudem willkürlich überliefert sind, "Informationen aus zweiter Hand" 3 bieten, so daß man auch hier von der "Beschränktheit des Materials" 4 sprechen kann, die Grimm für die historische Rezeption von Literatur feststellt. Trotz dieser Probleme ist es das Ziel dieser Studie, vorwiegend auf der Basis der historiographischen und fiktionalen Texte über Amerika, aber auch durch die Hinzunahme anderer Rezeptionsformen, wie sie vereinzelt über die Fachliteratur vermittelt werden, ein allgemeines Spektrum der Rezeption amerikanischer Phänomene im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts zu erarbeiten. Ein weiteres Problem bei der Beschäftigung mit vergangenen Kulturen ergibt sich aus der Tatsache, daß sich der heutige Forscher bemühen muß, den damaligen Denkund Bewußtseinshorizont zu rekonstruieren. Gerade neuere Forschungsrichtungen, wie z.B. die Historische Anthropologie, fordern vom jeweiligen Wissenschaftler, die Perspektive der historischen Akteure einzunehmen. Dabei "sollen nicht Gedanken gelesen" oder "die Erfahrungen anderer in den Rahmen unserer Vorstellungen" 5 gedrängt werden. Ziel einer historischen Anthropologie ist es vielmehr nach Clifford Geertz, "die Erfahrungen anderer Leute im Kontext ihrer eigenen Ideen" 6 zu betrachten 7 . Daß sich dies in der praktischen Arbeit nur in Form einer Annäherung verwirklichen läßt, die zudem den Standpunkt des Wissenschaftlers des angehenden 21. Jahrhunderts nie tatsächlich verlassen kann, belegen die nach wie vor aktuellen sprachlich mit e i n e m literarischen Werk auseinander (hier: mit d e m Phänomen 'Amerika'), während die produktive ein neues literarisches Werk über Literatur (hier: über A m e r i k a ) schafft, ein V o r g a n g , den z.B. H e m p f e r nicht mehr als Rezeption an sich gelten läßt. V g l .

Klaus W. Hempfer, Diskrepante Lektüren: die Orlando-Furioso-Rezeption im Cinquecento. Historische Rezeptionsforschung als Heuristik der Interpretation (Stuttgart 1987), 19/20. 1

Zur Verbreitung von Information im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Pieper 2 0 0 0 : 1 8 - 6 8 ; S i m s o n 1994.

2

S o w o h l der, die sich auf literarische T e x t e beschränkt, als auch der hier implizierten w e i tergefaßten, deren Gegenstand die Rezeption eines kulturhistorischen P h ä n o m e n s ist.

3

Hartmut Heuermann/ Peter Hühn/ Brigitte Röttger (Hg.), Literarische

Rezeption.

Beiträge

zur Theorie des Text-Leser- Verhältnisses und seiner empirischen Erforschung (Paderborn 1975), 14. 4

Gunter Grimm, Rezeptionsgeschichte.

5

Rebekka Habermas/ N i l s Minkmar, "Einleitung". In: Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur Historischen Anthropologie. Hg.v. Rebekka Habermas und N i l s Minkmar (Berlin 1992), 14. Zitiert nach Habermas/Minkmar 1992:14. Folgerichtig ist hierfür auch ein eigener Diskurs vonnöten, den Geertz als "thick description" beschreibt. Vgl. Geertz 1973:3-30.

6 7

Grundlegung

der Theorie

( M ü n c h e n 1977), 60.

24

2. Problemstellung:

Die Rezeption Amerikas im Spanien des Siglo de P r o

Ausführungen Hans-Georg Gadamers zu diesem Problem: Eine Überlieferung verstehen verlangt also gewiß historischen Horizont. Aber es kann sich nicht darum handeln, daß man diesen Horizont gewinnt, indem man sich in eine historische Situation versetzt. [...] Wer derart von sich selber wegsieht, hat gerade keinen historischen Horizont [...] Ein wahrhaft historisches Bewußtsein sieht die eigene Gegenwart immer mit, und zwar so, daß es sich selbst wie das geschichtliche Andere in den richtigen Verhältnissen sieht.1 Wie zu sehen war, spielen bei der Rezeption amerikanischer Phänomene im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts Texte eine herausragende Rolle. Sie kennzeichnen den W e g der allmählichen Bewußtwerdung eines kulturellen Phänomens. Gleichzeitig ist die Literatur ein wichtiger Bereich innerhalb des Gesamtpanoramas der Rezeption amerikanischer Belange. Modellhaft lassen sich an ihr die Bestandteile der Rezeption ausmachen: Wahrnehmung, Vorwissen, Intention und Motivation. Der Schwerpunkt der Studie wird auf der fiktionalen Literatur über Amerika liegen. Diese wurde erst in einer späteren Phase verfaßt. In ihr manifestieren sich auf besondere Weise intertextuelle Bezüge, sei es durch das Vorbild des Genres oder über den Informationsgehalt früherer Schriften. Die fiktionalen Texte kennzeichnet zudem ein spezielles Verhältnis von Information und Rezeption. Die Analyse der literarischen Werke wird die verschiedenen Verfahrensweisen der Autoren erhellen, die allesamt eine bestimmte Art der Rezeption zum Gegenstand ihrer Texte machen: die Umsetzung von Information in fiktionale Literatur. Da hier der Prozeß des Verstehens und der Rezeption in S p a n i e n interessiert, werden nur die literarischen Texte berücksichtigt, die eine spanische Perspektive bieten 2 , weitgehend unabhängig davon, ob ein Werk vorwiegend in lateinamerikani1

2

Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (Tübingen 1960), 288/289. Natürlich schließt dieser Verstehensprozeß auch die gesamte Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte eines Werkes (oder Phänomens) mit ein. Zu den Ausfuhrungen Gadamers vgl. auch Hans Robert Jauß, "Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft". In: Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis. Hg.v. Rainer Waming (München 1975), 137-141; Walter Reese, Literarische Rezeption (Stuttgart 1980), 10-13. Die Perspektive eines Textes ergibt sich vorrangig aus der Herkunft des jeweiligen Autors. Es kann davon ausgegangen werden, daß Autoren, die bereits ihre Jugendjahre in den Kolonien verbrachten, keine spanische Perspektive mehr vertreten und daher den Kolonialautoren zuzuordnen sind, im Gegensatz zu Autoren, die in Spanien aufwuchsen und erst später nach Amerika kamen. Folglich soll hier der Ort der ersten Jahre von Bildung und Ausbildung entscheidendes Kriterium der Zuordnung sein. So vertritt z.B. Garcilaso de la Vega, el Inca trotz seiner Akzeptanz des spanischen Normensystems und seines langen Aufenthalts in Spanien aufgrund seiner Herkunft und der damit verbundenen genauen Kenntnis der inkaischen Kulturen eine koloniale Perspektive. Ebenso Juan Ruiz de Alarcön y Mendoza, Mexikaner, der jahrelang in Spanien lebte und dessen Dramen eindeutig zu den besten comedias der spanischen Literatur des Siglo de Oro gehören, der aber gerade durch sein Verschweigen amerikanischer Realitäten und durch eine Überanpassung an spanische Normen seine koloniale Herkunft verrät. Insgesamt ist die Abgrenzung der spanischen Literatur des Siglo de Oro von der hispanoamerikanischen Kolonialliteratur problematisch. Einige Autoren sind zweifelsohne beiden Kulturen zugehörig, wie z.B. Mateo Rosas de Oquendo, der als junger Mann in die Kolonien kam und dort zum

A. Eitle Hende

Bemerkungen

25

schei oder spanischen Literaturgeschichten behandelt wird. Deshalb finden die litenrisch-fiktionalen Werke der hispanoamerikanischen Kolonialliteratur bei der Analyse keine Beachtung1. Bevor jedoch in den beiden Hauptkapiteln dieser Studie (C und D) Epen, Romanzen, Dramen, lyrische und narrative Texte über Amerika untersucht werden, soll nach einer kurzen Erläuterung des Forschungsstands - das folgende Kapitel (B) die Kontexte klären. Zunächst gilt es, die historiographischen Texte von den fiktionalen abzugrenzen und die einzelnen Genres gemäß ihrem fiktionalen Gehalt zu kategorisieren. Das Ziel dieser Darlegungen wird sein, auf der Basis der theoretischen Erörterurgen das für die Studie relevante Corpus der Texte über Amerika zu erstellen. D;m schließen sich Ausführungen über die Wahrnehmung des Anderen und die Alteritätserfahrung an. Nach theoretischen Überlegungen und einer Darstellung der Grur.dlagen, die Renaissance und Barock für eine Alteritätserfahrung boten, sollen am konkreten Beispiel der ersten Amerikareisenden die historischen Möglichkeiten der Wahrnehmung des Anderen aufgezeigt werden. Der letzte Teil von Kapitel B widmet sich dem historischen Kontext und der Frage nach der allgemeinen Rezeption amerikanischer Phänomene im Spanien des Siglc de Oro. Hierfür erscheint es zunächst notwendig, die damalige Informationslage zu skizzieren. Welche Möglichkeiten der Information über Amerika standen zur Verfjgung? Wie war die Informationspolitik der spanischen Krone? Da die spanische Bevölkerung auf ganz unterschiedliche Weise von amerikanischen Realitäten betroffen war, erfolgt die Untersuchung der Rezeption unterteilt nach Milieus bzw. Interessensgruppen: die spanische Krone, die Gelehrten, die unteren Schichten, künstlerische Kreise. Es versteht sich von selbst, daß nur augenfällige Erscheinungen kommentiert werden können und keinerlei Anspruch auf eine umfassende Analyse besteht. Hier werden die historiographischen Texte über Amerika berücksichtigt, die jedoch nicht in Einzelanalysen betrachtet werden, sondern vielmehr in ihrer Gesamtheit mit Hilfe von Beispielen dazu beitragen, einen allgemeinen historischen Horizont der Rezeption Amerikas in Spanien zu rekonstruieren. Kapitel C hat die Werke zum Gegenstand, die zwischen Historiographie und Dichtung zu stehen scheinen, die Epen und Romanzen. Nach einer Darlegung der Kriterien, die diese Gruppe ausmachen, werden die Werke exemplarisch auf ihre Inhalte und Funktionen hin geprüft. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung soll die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen den historiographisch-realen und den fiktional-dichterischen Elementen der Texte stehen. Durch die Erarbeitung und Abgrenzung dieser Einzelaspekte anhand von konkretem Textmaterial erhoffe ich mir eine Klärung der konstituierenden Merkmale des Genres des Epos und der Zugehörigkeit der Werke. Kapitel D schließlich wendet sich den rein fiktionalen dichterischen Gattungen der comedia und der Lyrik, außerdem vereinzelten Prosafragmenten zu. Hier geht es

1

Kenner der Kolonialgesellschaft Limas wurde, die er in seinen satirischen Schriften beschreibt. Gerade in diesen Fällen erscheint eine Zuweisung zu einer der beiden Kulturen dann ambivalent. Vgl. hierzu Ingrid Simson, "Apuntes para una nueva orientación en los estudios de la literatura colonial hispanoamericana". Revista de critica literaria latinoamericana 15,30 (1989): 183-198. Eber.so unberücksichtigt bleiben lateinische Texte zur Thematik, die zu der Zeit in Spanien zirkulierten.

26

3. Der aktuelle Stand der

Forschung

um die Frage, wie historische Realität durch spezielle Verfahren in Literatur umgesetzt wurde. Zunächst wird der Tatsache nachgegangen, warum nur eine geringe Anzahl von spanischen Autoren der damaligen Zeit amerikanische Themen in ihrer Literatur thematisierte. Dem schließen sich Analysen ausgewählter Texte gemäß ihren diskursiven Funktionen an, die in einem weiteren Schritt auf ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz hin geprüft werden sollen. Auf drei Wegen, über die historiographische und historische Literatur, die Texte der historiographisch-fiktionalen Gattungen und über die rein fiktionale Literatur, wird so ein Gesamtspektrum geschaffen, das umfassend darlegt, wie Amerika in Spanien rezipiert wurde. Es wird sich zeigen, inwieweit die Autoren der fiktionalen Literatur von der zunächst konstituierten "öffentlichen Meinung" abweichen und aus welchen Gründen. Dies wiederum wird Rückschlüsse auf das Interdependenzverhältnis der verschiedenen Diskurse erlauben. Und es wird sich letztendlich herausstellen, ob die einzelnen Diskurse einer einheitlichen übergreifenden Gesamtthese folgen oder ob sie eher im Detail auch die Widersprüche eines gesellschaftlichen Prozesses dokumentieren 1 . Abschließend an dieser Stelle noch eine Bemerkung in eigener Sache: Vorliegende Arbeit kennzeichnet ein vorwiegend literarisches und historisches Interesse. Der hier verhandelte Gegenstand ist gerade in Spanien, wie oben zu sehen war, mit vielen Vorbehalten und Empfindlichkeiten besetzt. Den spanischen Conquistadores von einer heutigen Perspektive aus ihr oftmals sicher äußerst gewalttätiges Vorgehen vorzuwerfen, erscheint müßig 2 , womit nicht Sinn und Bedeutung derartiger moralistischer Ansätze generell in Frage gestellt werden sollen 3 . Hier jedoch interessieren die historischen Zusammenhänge, ihre Verflechtungen und ihr Zusammenspiel. Wenn Zensur, Inquisition oder die Gewaltanwendung der Spanier in Amerika benannt werden, dann soll hier das Augenmerk auf deren Auswirkungen und Funktionen liegen, nicht auf ihrer moralischen Anrüchigkeit.

3. Der aktuelle Stand der Forschung Bereits früh interessierte sich die Geschichtswissenschaft für die Rolle, die Spanien für Amerika spielen sollte, so daß die Aktivitäten des iberischen Landes bei Eroberung und Besiedlung des amerikanischen Kontinents sowie deren Auswirkungen auf das amerikanische Leben der folgenden Jahrhunderte bald zum beliebten Forschungsgegenstand mit einer Vielzahl von Publikationen wurden. Der Einfluß Amerikas auf Spanien und Europa dagegen fand in der Forschung lange Zeit keine Beachtung, obwohl die Auswirkungen der Begegnung für Europa durchaus prägend 1

2

3

Peter Burke bezeichnet nicht umsonst Mentalitäten als Meinungssysteme, "as a bundle of schemata, which generally support one another but may sometimes be in contradiction [...]" (Burke 1986:447). "Mit Recht und Moral unserer Zeit können wir dem spanischen Kolonialismus nicht begegnen", stellen die Verantwortlichen der Ausstellung "Gold und Macht" im Vorwort ihres Ausstellungskatalogs fest. Vgl. Christian F. Feest/ Peter Kann (Hg.), Gold und Macht. Spanien in der Neuen Welt. Eine Ausstellung anläßlich des 500. Jahrestages der Entdeckung Amerikas (Rosenheim 1987), Vorwort (ohne Seitenangabe). So vertritt z.B. Tzvetan Todorov in seinem grundlegenden Werk zur Conquista Amerikas dezidiert einen moralischen Anspruch, der den Wert seines Werks keineswegs mindert.

A Einleitende

Bemerkungen

27

waren. Die Gründe für die Nichtbeachtung der Rezeption Amerikas im europäischen Kontext sind vielschichtig, gehen aber mit Sicherheit auf die komplizierte Beziehung Spaniens zu Amerika zurück. Erstmalig eingehend berücksichtigt wurde die Thematik der Bedeutung Amerikas für Europa 1970 in einem Werk John H. Elliotts (The Old World and the New, 14921650)\ dessen Hauptthese die Geringschätzung, mit der Europa Amerika begegnet, hervorhebt. Dem folgte Mitte der 70er Jahre ein von Fredi Chiappelli in Berkeley organisierter Kongreß zu dem Thema, "First Images of America". Eine Gruppe von Experten verschiedener Disziplinen diskutierte dabei über den Einfluß amerikanischer Phänomene auf das europäische Sozial- und Geistesleben2. Im deutschsprachigen Raum war es Hermann Kellenbenz, der sich global der Rückwirkungen der Expansionen auf die Länder Europas annahm3. Der Schweizer Urs Bitterli hatte sich in mehreren Publikationen dem Kulturkontakt zwischen Eroberern und Kolonisierten gewidmet, wobei er die Auswirkungen dieser Kontakte auf Europa berücksichtigte4. Die Rezeption amerikanischer Phänomene in Europa ist auch der Gegenstand eines viel beachteten Buchs von Frauke Gewecke, Wie die neue Welt in die alte kam, aus dem Jahr 1986. Alle diese Untersuchungen, von Elliott bis Gewecke, betrachten eine frühneuzeitliche Rezeption amerikanischer Phänomene im gesamteuropäischen Kontext. Diese Rezeption erfolgte jedoch nicht in allen Ländern einheitlich, und es besteht die Gefahr ungerechtfertigter Verallgemeinerungen. Obgleich die Rolle Spaniens bei der europäisch-amerikanischen Begegnung und Einflußnahme aus dem gesamteuropäischen Rahmen eindeutig herausragt, liegt bis heute kein umfassendes Werk vor, das die Rezeption amerikanischer Phänomene im Spanien des Siglo de Oro untersucht5. Die Schwerpunkte der Analysen liegen zumeist auf den Prozessen in England, Frankreich und Deutschland, während Spanien als frühe und vorrangige Nation

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2

3

4

5

Ansätze zu der Fragestellung finden sich in dem 1949 erschienenen Europe and a Wider World 1415-1715 von John H. Parry und in Margaret T. Hodgens Early Anthropology in the Sixteenth and Seventeenth Centuries (1964). Und John H. Elliott relativierte in seinem Vortrag bereits seine 1970 in seinem Buch vertretenen Thesen. Vgl. John H. Elliott, "Renaissance Europe and America. A Blunted Impact?" In: First Images of America. The Impact of the New World on the Old I. Hg.v. Fredi Chiappelli (Berkeley, Los Angeles, London 1976), 11-23. So z.B. in Hermann Kellenbenz, "Neue und Alte Welt. Rückwirkungen der Entdeckung und Eroberung Amerikas auf Europa im 16. Jahrhundert". In: Lateinamerika-Studien I. Hg.v. Hermann Kellenbenz u.a. (Erlangen-Nümberg 1976), 1-68. Kellenbenz referiert hier auch Ergebnisse des von Chiappelli organisierten Kongresses. Ebenfalls zur Thematik vgl. Hermann Kellenbenz, "Die Rückwirkungen der Kolonien auf die Mutterländer". Saeculum Weltgeschichte 6 (1971): 123-140. Seine diesbezüglich wichtigsten Werke sind: Die 'Wilden' und die 'Zivilisierten'. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung (1976) und Alte Welt - neue Welt. Formen des europäisch-überseeischen Kulturkontakts vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (1986). Die einzigen Werke zu dieser Thematik aus dem spanischsprachigen Raum sind América en Europa (1975) und El revés de ta historia (1980) des Kolumbianers Germán Arciniegas, der sich allerdings auf eher populärwissenschaftliche Weise vorrangig um eine gesamteuropäische Darstellung bemüht und Spanien wenig berücksichtigt.

28

3. Der aktuelle Stand der Forschung

der Eroberungen nur als Marginalie abgehandelt wird 1 . Da Lateinamerika und seine Begegnung mit Europa aufgrund der Feierlichkeiten von 1992 in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerieten, kam es bereits im Vorfeld zu einer äußerst aktiven und fruchtbaren publizistischen Betätigung um diese Begegnung. So erschien in den Jahren vor und nach 1992 eine Vielzahl historiographischer Handbücher, Sammelbände, Lexika u.a., die eine solide Basisinformation liefern 2 und teilweise auch den europäischen Rezeptionsaspekt berücksichtigen 3 . Darüber hinaus sorgten anläßlich des Jubiläums weltweit Kongresse, Symposien und Ausstellungen für weitere Publikationen zu den Anfängen der Beziehung zwischen Amerika und Europa 4 . Grundlegende Werke wurden neu herausgegeben , und auch 1

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4

5

Dies gilt auch für Publikationen jüngeren Datums, wie z.B. Jean-Paul Duviols' L'Amérique espagnole vue et rêvée. Les livres de voyages de Christophe Colomb à Bougainville aus dem Jahr 1985. Vgl. hierzu auch Pieper 2000:7/8. Hier sollen exemplarisch zwei deutschsprachige Publikationen angeführt werden: der von Horst Pietschmann herausgegebene erste Band eines "Handbuchs der Geschichte Lateinamerikas", Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1760 (1994) und die von Matthias Meyn u.a. herausgegebenen Quellenbände Die großen Entdeckungen und Der Aufbau der Kolonialreiche, Band II und III der Reihe "Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion" (1984 und 1987). So z.B. Wolfgang Reinhard im zweiten Band seiner mehrbändigen Reihe Geschichte der europäischen Expansion. Vgl. Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion II "Die Neue Welt" (Stuttgart u.a. 1985), 263-274. Aufgrund der großen Anzahl kann hier nur eine Auswahl angeführt werden. Ausstellungskataloge: Karl-Heinz Kohl (Hg.), Mythen der Neuen Welt. Zur Entdeckungsgeschichte Lateinamerikas, Berlin 1982; Feest/Kann 1987; Raúl Rispa/ María José Aguaza/ César Alonso de los Ríos (Hg.), Kunst und Kultur um 1492. Weltausstellung Sevilla 1992. Deutsche Ausgabe, Sevilla 1992; Ibero-Amerikanisches Institut Berlin (Hg.), Amerika 14921992. Neue Welten - Neue Wirklichkeiten. 2 Bände, Berlin 1992; Friedrich Polleroß/ Andrea Sommer-Mathis/ Christopher F. Lafcrl, Federschmuck und Kaiserkrone. Das barokke Amerikabild in den habsburgischen Ländern. Wien 1992. Sammclbände: Manuel Criado de Val (Hg.), Literatura Hispánica. Reyes Católicos y Descubrimiento. Actas del Congreso Internacional sobre literatura hispánica en la época de los Reyes Católicos y el Descubrimiento, Barcelona 1989; Hans-Joachim König (Hg.), Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung. Zeitschrift für historische Forschungen, Beiheft 7, Berlin 1989; René Jara/ Nicholas Spadaccini (Hg.), 1492-1992: Re/Discovering Colonial Writing, Minneapolis 1989; Consejo Superior de Investigaciones Científicas (Hg.), La imagen del indio en la Europa moderna, Sevilla 1990; Karl Kohut (Hg.), Der eroberte Kontinent. Historische Realität, Rechtfertigung und literarische Darstellung der Kolonisation Amerikas, Frankfurt a.M. 1991 ; Antonio Gómez-Moriana/ Danièle Trottier (Hg.), U'lndien', instance discursive. Actes du Colloque de Montréal 1991, Montréal 1991; Andreas Seeck (Hg.), 'Rohe Barbaren' oder 'edle Wilde'? - der europäische Blick auf die 'andere Welt', Göttingen 1991; René Jara/ Nicholas Spadaccini (Hg.), Amerindian Images and the Legacy of Columbus, Minneapolis 1992; Warwick Bray (Hg.), The Meetings of Two Worlds. Europe and the Americas 14921650, Oxford 1993; Jerry M. Williams/ Robert E. Lewis (Hg.), Early Images of the Americas. Transfer and Invention, Tucson, London 1993; Karen Ordahl Kupperman (Hg.), America in European Consciousness, 1493-1750, Chapel Hill 1995. So z.B. Irving A. Leonards Books of the Brave aus dem Jahr 1949 und Francisco Esteve Barbas Historiografía indiana von 1964.

A. Einleitende

Bemerkungen

29

bisher schwer zugängliche historiographische Texte erfuhren Neuauflagen 1 . Gut erarbeitet ist inzwischen der Aspekt um Fremdwahmehmung und Alterität 2 , wobei das bedeutendste Werk der letzten zwanzig Jahre nach wie vor Tzvetan Todorovs La conquête de l'Amérique. La question de l'autre ( 1982) sein dürfte, ein Werk, das erstmalig die kommunikativen Beziehungen von Eroberern und Eroberten in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellte. Untersuchungen zu den ersten Begegnungen zwischen Europäern und Amerikanern und zu den europäischen Indianerbildern liegen inzwischen vor 3 , allerdings fehlen erneut Arbeiten, die speziell und ausschließlich den spanischen Prozeß beschreiben. Eine besondere Beachtung innerhalb dieser Thematik fanden die Mythen und Utopien, die von den ersten Amerikareisenden auf die für sie völlig neue und fremde Realität projiziert wurden 4 . Für Spanien gut dokumentiert und hinreichend kommentiert ist die theologisch-juristische Auseinandersetzung des 16. Jahrhunderts um die amerikanische Landnahme, mit dem Höhepunkt der öffentlichen Kontroverse zwischen Bartolomé de las Casas und Ginés de Sepúlveda 5 . Diese Untersuchungen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach wie vor ein weites Spektrum der Rezeption amerikanischer Phänomene für Spanien noch kaum erarbeitet wurde und für eine Vielzahl von Bereichen kein Material zur Verfii-

1 2 3

So initiierte z.B. der spanische Verlag Historia 16 die Serie Crónicas de América, in der die wichtigsten spanischen historiographischen Texte zu Amerika erschienen. Nähere Literaturangaben erfolgen in den entsprechenden Kapiteln. Herausragend ist ein Artikel von Mario Erdheim, "Das Erdenken der Neuen Welt im 16. Jahrhundert. Entfremdung, Idealisierung und Verständnis". In ders., Die Psychoanalyse

und das Unbewußte in der Kultur. Aufsätze 1980-1987 (Frankfurt a.M. 1988), 29-60. Am Beispiel von Fernández de Oviedo, las Casas, Sahagún und Montaigne erarbeitet Erdheim verschiedene Möglichkeiten der W a h r n e h m u n g und Präsentation. Ferner wären Arbeiten von Karl-Heinz Kohl und Anthony Pagden zu nennen, B e m a r d McGranes Beyond

Anthropology. Society and the Other (1989), Stephen Greenblatts Marvelous Possessions The Wonder of the New World (1991), Horst Nippels Griechen, Barbaren und 'Wilde'. Alte Geschichte und Sozialanthropologie (1990) u.a. 4

Erstmalig erarbeitet wurde diese Thematik von Enrique de Gandía 1929 in seinem Werk

Historia crítica de los mitos de la conquista americana, das 1946 in erweiterter Fassung neu aufgelegt wurde. Vgl. auch Manuel Ferrandis Torres, El mito del oro en la conquista de América, Valladolid 1933. Gewecke widmet diesem Aspekt der W a h r n e h m u n g ebenfalls ein Kapitel (1986:59-87). Vgl. außerdem Peter Mesenhöller (Hg.), Mundus Novus.

Amerika oder Die Entdeckung des Bekannten. Das Bild der Neuen Welt im Spiegel der Druckmedien vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert, Essen 1992. Die ausfuhrlichste Bearbeitung der Thematik dürfte jedoch das dreibändige Werk von Juan Gil, Mitos y uto-

pias del Descubrimiento sein. 5

Den besten Überblick bietet hier Jörg Fisch, Die europäische

recht. Die Auseinandersetzungen

Expansion

und das

Völker-

um den Status der überseeischen Gebiete vom 15. Jahr-

hundert bis zur Gegenwart (Stuttgart 1984), vor allem 183-265. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der Thematik findet sich bereits bei Joseph Höffner in seinem Werk

Kolonialismus und Evangelium. Spanische Kolonialethik im Goldenen Zeitalter, das 1969 in einer zweiten überarbeiteten Auflage erschien. Auch die Arbeiten von Lewis H a n k e beschäftigen sich mit diesem Forschungsgegenstand. Vgl. außerdem J. A. Fernández-San-

tamaria, The State, War and Peace. Spanish Political Thought in the Renaissance 1559, Cambridge u.a. 1977.

1516-

3. Der aktuelle Stand der

30

Forschung

g u n g steht. S o sind z.B. die F l u g s c h r i f t e n , ein w i c h t i g e s I n f o r m a t i o n s m e d i u m vor allem d e s n i e d e r e n Milieus, k a u m e r f a ß t und v e r w e r t e t . W e d e r die d i e s b e z ü g l i c h e I n f o r m a t i o n s p o l i t i k der K r o n e n o c h die A m e r i k a b e t r e f f e n d e Rolle von Z e n s u r und Inquisition f a n d e n d a s Interesse d e r s p a n i s c h e n H i s t o r i k e r ' . Es fehlen A r b e i t e n ü b e r die i n d i a n i s c h e P r ä s e n z im d a m a l i g e n Spanien 2 , ü b e r die Integration a m e r i k a n i s c h e n K u n s t h a n d w e r k s in s p a n i s c h e K u n s t k a m m e r n , die A u f n a h m e i n d i a n i s c h e r M o t i v e in die s p a n i s c h e K u n s t , u m n u r e i n i g e Beispiele zu n e n n e n . Ein G r u n d , w a r u m diese A s p e k t e d e r R e z e p t i o n A m e r i k a s f ü r S p a n i e n so w e n i g e r f a ß t u n d b e s c h r i e b e n w u r d e n , m a g s i c h e r darin liegen, d a ß in S p a n i e n , im G e g e n s a t z zu a n d e r e n e u r o p ä i s c h e n L ä n d e r n , A m e r i k a t a t s ä c h l i c h a u f w e n i g R e s o n a n z traf; doch a u c h d i e s e r T a t b e s t a n d w i r d k a u m b e n a n n t , noch n a c h s e i n e n H i n t e r g r ü n d e n b e f r a g t . T r o t z n e u e r e r P u b l i k a t i o n e n sind die s p a n i s c h e n A r c h i v e i m m e r noch voll mit his t o r i o g r a p h i s c h e n S c h r i f t e n ü b e r A m e r i k a , die a u f B e a r b e i t u n g und A n a l y s e w a r t e n . V o r allem f e h l e n ü b e r b l i c k e n d e A r b e i t e n zur H i s t o r i o g r a p h i e über a m e r i k a n i s c h e R e a l i t ä t e n ' . L e d i g l i c h W a l t e r M i g n o l o hat sich bisher mit den t h e o r e t i s c h e n P r ä m i s sen u m die K l a s s i f i z i e r u n g der h i s t o r i o g r a p h i s c h e n S c h r i f t e n a u s e i n a n d e r g e s e t z t , w i e w e i t e r unten noch zu s e h e n sein w i r d . Es bleibt zu h o f f e n , d a ß mit d e m A u s k l i n g e n der N a c h w i r k u n g e n zu 1992 nicht auch die B e s c h ä f t i g u n g mit der R e z e p t i o n A m e r i k a s in E u r o p a - i n s b e s o n d e r e in S p a n i e n - e n d e t , u n d d a ß John H. Elliott, e i g e n t l i c h e r Initiator der A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die B e d e u t u n g A m e r i k a s f ü r E u r o p a , mit s e i n e m V o r t r a g "Final R e f l e c tions: T h e O l d W o r l d and the N e w R e v i s i t e d " 2 5 J a h r e nach Beginn d e r D i s k u s s i o n k e i n e n S c h l u ß p u n k t gesetzt hat . Ä h n l i c h ist die Situation im l i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Bereich. A u c h hier hatte die T h e m a t i s i e r u n g A m e r i k a s die Kritik lange Zeit nicht b e s c h ä f t i g t . Z w a r b e g a n n a m A n f a n g d e s 20. J a h r h u n d e r t s ein erstes S a m m e l n und Sichten, v o r allem von D r a m e n . Ü b e r b l i c k e n d e A r b e i t e n e r s c h i e n e n a l l e r d i n g s erst in d e n 4 0 e r J a h r e n : d o c h g e h e n d i e s e ü b e r A n s a m m l u n g e n von T e x t b e i s p i e l e n nicht hinaus, s o d a ß sie d e r v o r l i e g e n d e n S t u d i e a l l e n f a l l s als Q u e l l e n m a t e r i a l a u f d e r S u c h e nach g e e i g n e t e n T e x t e n d i e n e n k o n n t e n . A u c h hier sollte sich die Situation erst in den 8 0 e r Jahren ä n d e r n . N a c h w i e vor ist h e u t e e i n e Vielzahl von A s p e k t e n u n d T e x t e n n a h e z u u n b e a r b e i t e t , w a s verstärkt f ü r d i e Epik und die R o m a n z e n gilt. Ein a u s f ü h r l i c h e r Überblick über den Forschungsstand der historiographisch-fiktionalen und fiktionalen Literatur ü b e r A m e r i k a findet sich in den e i n l e i t e n d e n B e m e r k u n g e n der j e w e i l i gen Kapitel ( C u n d D).

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2

D a g e g e n erscheint der historische I Untergrund über das 16. und 17. Jahrhundert durch die Arbeiten von John L y n c h . Henry K a m e n . John 11. IIIIiott und diverse c h e r a u s r e i c h e n d dargelegt. Den geistesgeschichilichen F u n d u s h i e r / u liefert José Maravall. Dieses T h e m a wird erstmalig 2 0 0 0 von Esteban Mira Caballos in seinem W e r k

mestizos americanos 3

4

Spaniens HandbüAntonio Indios

r

en la España del siglo XII bearbeitet.

Es liegen hierzu nur die W e r k e von Esteve Barba (Historiografía indiana. 1964) und Sánc h e z A l o n s o (die ersten beiden B ä n d e der Historia de la historiografía española. 1941/47) vor. Vgl. John H. Elliott. "l'inai Reflections: T h e Old World and the New Revisited". In O r dahl K u p p e r m a n 1995:391-408.

.1 Einleitende

Bemerkungen

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W e i t e r e I m p u l s e erhielt d i e D i s k u s s i o n u m die B e g e g n u n g v o n A m e r i k a u n d E u r o p a d u r c h d i e F o r s c h u n g d e s P o s t k o l o n i a l i s m u s , e i n e r F a c h r i c h t u n g , d i e sich in d e n letzten f ü n f z e h n Jahren z u n e h m e n d an d e n U S a m e r i k a n i s c h e n U n i v e r s i t ä t e n etablierte. d e r e n E r g e b n i s s e d i e hier v o r l i e g e n d e F r a g e s t e l l u n g j e d o c h n u r a m R a n d e streifen. A u s g e h e n d v o n d e n g r u n d l e g e n d e n A r b e i t e n v o n E d w a r d W . S a i d , G a y a t r i C h a k r a v o r t v S p i v a k u n d H o m i K. B h a b h a k o n z e n t r i e r t sich d i e F o r s c h u n g a u f d i e W a h r n e h m u n g in den k o l o n i s i e r t e n L ä n d e r n selbst u n d ihre A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e r K o l o n i a l m a c h t . Da die h i s p a n o a m e r i k a n i s c h e K o l o n i a l l i t e r a t u r in v o r l i e g e n d e r S t u d i e b e w u ß t a u s g e k l a m m e r t w u r d e , k o m m e n die T h e s e n d e r P o s t k o l o n i a l i s m u s d e b a t t e hier k a u m z u m T r a g e n 1 .

I

Linen guten Überblick über die Anliegen der Postkolonialismuskritik bieten neben den Werken ihrer I lauptvertreter zwei Sammelbände: Patrick Williams/ Laura Chrisman (Hg.). Colonial Discourse and Post-colonial Theory. A Reader. New York 1994; Bill Ashcroft/ Gareth Griffith/ Helen Tiffin ( H g ) . The Umpire Writes Back. Theory and Practice in Postcolonial Literatures. London. New York 1989. Vgl. auch Nicholas Thomas. Colonialism's Culture Anthropology. Travel and Government. Cambridge. Oxford 1994. und einige der Beiträge in Monika Reif-llülser (Hg ). Borderlands Xegotiating Boundaries in I'ost-Colonial Writing. Amsterdam. Atlanta 1999.

I. Der theoretische

32

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

B. KONTEXTE

I. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung Seeing heaven in a graiti of sand is not a trick only poets can accomplish. Clifford Geertz Wenn Don Quijote im 49. Kapitel des ersten Teils des Cervantinischen Meisterwerks gegenüber dem Domherrn seine Lieblingslektüre verteidigt, so macht er keinen Unterschied zwischen den phantastischen Abenteuern erfundener Figuren und den Geschichten um Personen, deren Existenz historisch belegt ist. Für ihn sind die Taten eines Amadis de Gaula ebenso wahr wie die erzählten Ereignisse um den Maurenkämpfer Cid. Mit dieser "mezcla que don Quijote hacia de verdades y mentiras" 1 verweist der Autor auf eine damals durchaus noch traditionelle Rezeptionsweise des Mittelalters, die die geschriebene Erzählung nicht auf ihre Herkunft hin befragt und alles Schriftliche als wahr betrachtet. Erst die beginnende Neuzeit unterscheidet allmählich wieder, nicht zuletzt aufgrund ihrer Rückwendung zur Antike und der erneuten Rezeption der aristotelischen Poetik, zwischen realer Geschichte und fiktionalen Geschichten und sucht nach Kriterien der Abgrenzung 2 . Dieses Problem der Abgrenzung der (fiktiven) Dichtung von einer auf Realem basierenden Geschichtsschreibung mit seinen weiterfuhrenden Fragestellungen beschäftigt seit der Antike bis heute Literaten, Historiker und Philosophen. Die theoretische Auseinandersetzung um die Beziehung von Dichtung und Historiographie kennzeichnet in Antike und früher Neuzeit deren Konkurrenzverhältnis, das je nach Ausrichtung der Epoche abwechselnd die moralischen Vorzüge der Geschichtsschreibung betont oder die Dichtung gegenüber Vorwürfen des niederen Sujets und der bloßen Unterhaltung verteidigt 3 . Dies sollte sich erst im 18. Jahrhundert ändern, als ein neues Verständnis von Geschichtsschreibung, das die Mittel der Fiktion als notwendig erkannte, "die res factae und die res fictae aus ihrem reinen Oppositionsverhältnis" drängte 4 . Die im folgenden Jahrhundert zunehmende "Verwissenschaftlichung" 5 des historiographischen Diskurses führte dazu, daß sich verschiedene Theoretiker, unter ihnen Wilhelm von Humboldt, besonders darum bemühten, "Affinitäten zwischen Geschichtsschreibung und Dichtung herauszuarbeiten, die Nähe der

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Miguel de Cervantes Saavedra, Don Quijote de la Mancha, seguido del Quijote de Avellaneda. Hg.v. Martin de Riquer. Obras Completas I (Barcelona 5 1975), 536. Hans Robert Jauß setzt eine diesbezügliche Epochenwende Mitte des 12. Jahrhunderts an, wenn sich "ein neues Bewußtsein literarischer Fiktion bei den Autoren wie bei ihrem Publikum herausgebildet hat". Hans Robert Jauß, "Zur historischen Genese der Scheidung von Fiktion und Realität". In: Funktionen des Fiktiven. Hg.v. Dieter Henrich und Wolfgang Iser (München 1983), 427. Vgl. hierzu Klaus Heitmann, "Das Verhältnis von Dichtung und Geschichtsschreibung in älterer Theorie". Archiv für Kulturgeschichte 52,2 (1970):244-279. Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (Frankfurt a.M. 1979), 281. Wie Lionel Gossman für das 19. Jahrhundert feststellt: "[...] and this history [...] passed from the hands of the poet and man of letters into those of the professor". Lionel Gossman, Between History and Literature (Cambridge, London 1990), 230.

B. Kontexte

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Geschichtsschreibung zur Dichtung unter Beweis zu stellen" 1 . Vor allem im 20. Jahrhundert finden sich derartige Versuche eines "kompromißlose[n] Zusammendenken[s] von Dichtung und Geschichtsschreibung" (Koch 1983:11). Doch all diesen Versuchen der theoretischen Bestimmung scheint sich die Literatur selbst zu widersetzen: Es läßt sich eine Reihe von Werken der Weltliteratur benennen, die auf besondere Weise vergangene Ereignisse mit fiktionalen Elementen vermischen und eine eindeutige Zuweisung zu Dichtung oder Historiographie erschweren 2 . Hierzu gehören nicht nur antike und mittelalterliche Texte über mythische Stoffe und legendäre Gestalten. Gerade in der modernen Literatur bedienen sich die Autoren fiktionaler Genres, um sich über historische oder politische Gegenstände zu äußern. Cien años de soledad z.B., die großartige Romanfiktion des kolumbianischen Autors Gabriel García Márquez, ist nicht nur ein Phantasieprodukt ihres Schöpfers, sondern gleichzeitig ein Werk über die Geschichte Kolumbiens.

1. Die Fiktion im historiographischen Diskurs Für den nordamerikanischen Historiker Hayden White scheint die Trennung von Geschichtsschreibung und Dichtung wenig sinnvoll. Er wendet sich gegen die traditionelle Opposition, die der Geschichte das Wahre und Faktische zuschreibt und der Dichtung das Mögliche und Fiktive 3 . White betont vor allem den rhetorischen Aspekt des historischen Diskurses: Geschichte manifestiert sich in erster Linie über Sprache, die in jedem Fall fiktionale Elemente enthält 4 . Die historische Erzählung wird für ihn zum sprachlichen und literarischen Kunstwerk 5 . Mit diesen Äußerungen knüpft White an ein Verständnis von Historiographie an, das bis zum 19. Jahrhundert historische Literatur als Teil der Rhetorik betrachtete und deren teilweise fiktiven Charakter anerkannte: "Truth was not equated with fact" (White 1978:123). Erst Historische Schule und Historismus des 19. Jahrhunderts allen voran Leopold von Ranke - betonten den "unwahren" Charakter einer rhetorischen Historiographie und führten einen Feldzug der Entfiktionalisierung der Geschichte 6 .

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Gertrud M. Koch, Zum Verhältnis von Dichtung und Geschichtsschreibung. Theorie und Analyse (Frankfurt a . M , Bern, New York 1983), 12. Vgl. auch Koch 1983:70-91. Auch Gertrud Koch kommt zu dem Schluß, "daß Poetik und Historik nicht den Schlüssel zur individuellen Wirklichkeit der Werke liefern können, daß zwischen beurteilendem Theoretisieren und individueller Werkwirklichkeit der ganze Abstand von Theorie und Praxis liegt" (1983:13). Vgl. z.B. Hayden White, Tropics of Discourse. Essays in Cultural Criticism (Baltimore, London 1978), 89. Vgl. hierzu Reinhart Koselleck, "Einführung". In: Hayden White, Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Deutsche Übersetzung (Stuttgart 1986), 2. Vgl. auch die Ausführungen Foucaults über den Diskurs in Michel Foucault, L'ordre du discours, Paris 1971. Vgl. z.B. das Kapitel "The Historical Text as Literary Artifact" in White 1978:81-100. Vgl. White 1978:123. Trotz Rankes Forderungen, die Anwendung rhetorischer Stilmittel im historischen Diskurs einzuschränken, verfugen gerade seine Texte über ein hohes Maß an Narrativität und Fiktionalisierung. Vgl. hierzu Hans Robert Jauß, "Der Gebrauch der

34

/. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

Zwei Verfahren bestimmen White zufolge den fiktionalen Charakter des historischen Diskurses: das tropologische Verfahren und das narrative emplotment. Jeder humanwissenschaftliche Diskurs basiere auf Tropen, wobei White die vier "master tropes" Metapher, Metonymie, Synekdoche und Ironie fur den Geschichtsdiskurs nennt1. Jede historische Erzählung lasse sich auf zumindest eine dieser Tropen zurückfuhren2. Um Geschichte kohärent darstellen zu können, muß der Historiker aus einer Reihe von vergangenen Ereignissen auswählen, er muß manches weglassen, anderes ergänzen. Dies erfolgt nach vorgefertigten Plotstrukturen, wie sie auch der narrativen Dichtung zugrunde liegen. Diese wiederum stehen in Analogie zu den tropologischen Verfahren. White nennt Tragödie, Komödie, Romanze und Satire3. Somit gehorchen der historische und der literarische Diskurs ähnlichen Verfahren, lassen sich von ihrer Struktur her nicht unterscheiden. Darüber hinaus verfolgen Historiker und Dichter laut White gleiche Ziele: Beiden gehe es um Sinnstiftung und eine Erklärung der Welt, um die Vermittlung von Erfahrung". Dennoch dürfen die Ausfuhrungen Hayden Whites nicht zu der Annahme fuhren, der Historiker setze Historiographie und Dichtung völlig gleich und leugne jegliche Unterscheidung. Da sein Hauptaugenmerk jedoch dem historiographischen Diskurs gilt, werden diese Unterschiede nur en passant, bisweilen lapidar am Rande vermerkt. So ergibt sich für ihn der Hauptunterschied zwischen den beiden Literaturformen in bezug auf deren referentielle Ebene: Geschichte basiere auf realen Ereignissen, Dichtung auf realen oder erfundenen5.

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5

Fiktion in Formen der Anschauung und Darstellung der Geschichte". In: Theorie der Geschichte. Hg.v. Reinhart Koselleck u.a. (München 1982), 427-434. Gleichzeitig gelten diese vier Tropen in obenstehender Abfolge als archetypisches Schema bei jeder Art von Verstehensprozeß. Zur Darstellung des tropologischen Verfahrens vgl. vor allem das Eingangskapitel "Tropology, Discourse, and the Modes of Human Consciousness" in White 1978:1-25; außerdem Hayden White, Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe. Paperback edition (Baltimore, London 1975), 31-42. Vgl. auch Irmgard Wagner, "Geschichte als Text. Zur Tropologie Hayden Whites". In: Grundlagen und Methoden der Historiographiegeschichte. Hg.v. W o l f g a n g Küttler, Jörn Rüsen und Ernst Schulin (Frankfurt a.M. 1993), 213-219. Während im ideologisch einseitigen Geschichtswerk eine Trope dominiert, findet in der komplexen Historiendarstellung (White spricht vom "classic historian") ein Wechsel statt, der im Idealfall kommentiert wird. Vgl. White 1978:129/130. Vgl. hierzu White 1975:7-31, die praktische A u s f u h r u n g der theoretischen Vorerklärung findet sich auf den Seiten 133-264. Im Gegensatz zur tropologischen Analyse wurde Whites narratives Analyseverfahren von der Kritik eher negativ beurteilt. Vgl. hierzu Hans-Jürgen Lüsebrink, "Tropologie, Narrativik, Diskurssemantik. Hayden White aus liHistoriographiegeteraturwissenschaftlicher Sicht". In: Grundlagen und Methoden der schichte. Hg.v. W o l f g a n g Küttler, Jörn Rüsen und Ernst Schulin (Frankfurt a.M. 1993), 357. Vgl. White 1978:98. Hier liegt Whites Vorstellung m.E. ein reduziertes Konzept von Dichtung zugrunde, das - durchaus traditionell - z.B. den reinen Unterhaltungscharakter vieler literarischer Werke übersieht. "Historians are concerned with events which can be assigned to specific time-space locations, events which are (or were) in principle observable or perceivable, whereas imagi-

B Kontexte

35

Die Thesen Whites scheinen das historische Lager gespalten zu haben: Während seine Gegner Geschichtsschreibung primär als (nicht-narrative) Wissenschaft sehen', betonen seine Befürworter die Nähe des historischen Diskurses zur Literatur2. Weniger polemisch und radikal wurde etwa zur gleichen Zeit im deutschen Sprachraum über Narrativität und Fiktion in der Historiographie diskutiert 3 . Jürgen Habermas und Hans-Michael Baumgartner betonen in ihren Arbeiten zum wissenschaftlichen Diskurs die "narrative Komponente der Geschichtswissenschaft", die "Erzählung als grundlegendes Element jeder Geschichtserfahrung und Geschichtsreflexion" bestimmt 4 . Nur die narrative Form ermögliche es dem historiographischen Diskurs, Erfahrung zu vermitteln, während die anderen Arten der Darstellung sich auf das Weitergeben von Wissen beschränken 5 . Die Notwendigkeit der Fiktion für die Historiographie postuliert kurz und prägnant Reinhart Koselleck: Der reflektierte Zeilenabstand zwingt den Historiker, geschichtliche Wirklichkeit zu fingieren, und zwar nicht in der Redeweise des 'es war'. Vielmehr ist er grundsätzlich gehalten, sich der sprachlichen Mittel einer Fiktion zu bedienen, um einer Wirklichkeit habhaft zu werden, deren Tatsächlichkeit entschwunden ist (1979:282/283).

In einem grundlegenden Artikel macht Hans Robert Jauß analog zu Hayden White fiktionsschaffende Verfahren im Geschichtswerk aus: Konsistenz und Per-

1

native writers - poets, novelists, playwrights - are concerned with both these kinds of events and imagined, hypothetical, or invented ones" (White 1978:121). Zur Kritik an White und den Narrativitätstheoretikern vgl. J ö m Rüsen, "Narrativität und

Modernität in der Geschichtswissenschaft". In: Theorie der modernen 2

Geschichtsschrei-

bung. Hg.v. Pietro Rossi (Frankfurt a.M. 1987), 230-233. Rüsen betrachtet dieses Spannungsverhältnis "als Alternative zwischen einer modernen und einer postmodernen Auffassung von Geschichtsschreibung". Während die Moderne zur Wissenschaft tendiere, verleihe die Postmoderne "der Geschichtsschreibung eine primär poetische oder rhetorische Qualität". Jörn Rüsen, "Rhetorik und Ästhetik der Ge-

schichtsschreibung: Leopold von Ranke". In: Geschichte als Literatur. Formen und Gren-

3

4

zen der Repräsentation von Vergangenheit. Hg.v. Hartmut Eggert, Ulrich Profitlich und Klaus R. Scherpe (Stuttgart 1990), 1. Von der Diskussion zeugen folgende Sammelbände: Reinhart Koselleck/ Wolf Dieter Stempel (Hg.), Geschichte - Ereignis und Erzählung, München 1973; Jürgen Kocka/ Thomas Nipperdey (Hg.), Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979; Reinhart Koselleck u.a. (Hg.), Formen der Geschichtsschreibung, München 1982; Siegfried Quandt/ H a n s Süssmuth (Hg.), Historisches Erzählen, Göttingen 1982; Hartmut Eggert/ Ulrich Profitlich/ Klaus R. Scherpe (Hg.), Geschichte als Literatur. Formen und Grenzen der Repräsentation von Vergangenheit, Stuttgart 1990. Bereits Jahre zuvor hatte sich Golo Mann Gedanken über die Nähe von Geschichtsschreibung und Dichtung gemacht. Vgl. Golo M a n n , Geschichtsschreibung als Literatur, Bremen 1964.

Luise Sanders, Nationales Selbstverständnis in Historiographie und literarischer Fiktion. Nathaniel Hawthorne und das amerikanische Geschichtsbild seiner Zeit (Giessen 1990), 21. Die sogenannte Narrativitätsdebatte basiert auf Arthur C. Dantos Werk Analytical Philosophy of History aus dem Jahr 1965. Vgl. hierzu auch Sanders 1990:20-27; einige Aufsätze aus dem Sammelband von Pietro Rossi (Hg.), Theorie der modernen Geschichtsschreibung, Frankfurt a.M. 1987, sowie dessen Einleitung (7-24).

5

So Karlheinz Stierle, "Erfahrung und narrative Form - Bemerkungen zu ihrem Zusammenhang in Fiktion und Historiographie". In: Kocka/Nipperdey 1979:96-102.

36

1. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

spektive verlangen die Fiktion1. Erst der bewußte Gebrauch von Fiktion führe zu einer wirklichen Kenntnis der dargestellten Geschichte. Eine Erzählung, die durch ihre literarischen Verfahren auch Fiktives vermittelt, erziele in der Regel einen größeren Effekt als ein distanzierter Tatsachenbericht: [...] die situationshafte Realität eines katastrophenhaften Ereignisses kann auch durch die vollständigste Rekonstruktion des Faktischen nicht in demselben Maße wieder erschlossen werden wie durch seine Umsetzung in ein fingiertes und erzählbares Schicksal der betroffenen geschichtlichen Subjekte (Jauß 1982:449).

Jauß betont, daß res factae und res fictae im historischen Diskurs letztendlich nicht trennbar seien wie Stoff und Form, historischer Vorgang und rhetorischer Omatus - als ob ein historischer, aus Quellen erhobener Tatbestand rein und objektiv zu gewinnen sei, und daß erst mit einem zweiten Akt, der Umsetzung des Faktischen in Erzählung, ästhetische Mittel ins Spiel kämen, die der wissenschaftliche Historiker meist schlechten Gewissens gebraucht (1982:415).

Trotz der eindeutigen Inanspruchnahme der Fiktion durch den Geschichtsdiskurs gehen die deutschen Wissenschaftler nicht so weit wie Hayden White, die Unterscheidung von Historiographie und Dichtung insgesamt in Frage zu stellen. Sie bestehen vielmehr auf einer weiteren Möglichkeit der Abgrenzung. So gelten hier die Worte Kurt Röttgers, daß "mit der Entscheidung für das Erzählkonzept [...] die Geschichtswissenschaft" nicht aufhöre, "Wissenschaft zu sein, und sie beginnt nicht, Poesie zu werden"2.

2. Intertextualität: das Nebeneinander der beiden Diskurse Etwa zeitgleich zu den Überlegungen von White, Jauß und anderen Historikern und Literaturwissenschaftlem über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der historischen und literarisch-fiktionalen Diskurse begann sich eine Methode der Literaturwissenschaft zu etablieren, die auf besondere Weise Texte aufeinander bezog: die Intertextualität. Diese Methode des Poststrukturalismus differenzierte sich bald in zwei nahezu konträre Richtungen: eine eher literaturtheoretisch orientierte, die ihren Ausgang in den Schriften Julia Kristevas, Jacques Derridas, Roland Barthes' und anderer französischer Philosophen und Kritiker nahm, und eine praktisch-analytisch ausgerichtete, wie sie vor allem im deutschen und USamerikanischen Sprachraum anzutreffen ist3. 1 2 3

Vgl. Jauß 1982:422-425,448. Kurt Röttgers, "Geschichtserzählung als kommunikativer Text". In: Quandt/Süssmuth 1982:29. Zur Kontroverse der beiden Konzeptionen vgl. Heinrich F. Plett, "Intertextualities". In: Intertextuality. Hg.v. Heinrich F. Plett (Berlin, New York 1991), 3/4; Hans-Peter Mai, "Bypassing Intertextuality. Hermeneutics, Textual Practice, Hypertext". In: Intertextuality. Hg.v. Heinrich F. Plett (Berlin, New York 1991), 31/32,51/52; Manfred Pfister, "Konzepte der Intertextualität". In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hg.v. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen 1985), 1-30. Die Entwicklung der nordamerikanischen Variante des Poststrukturalismus - Deconstruction - ist analog zu der der Intertextualität zu sehen. Deconstruction basiert auf den gleichen philosophischen Grundlagen. Für eine erste Einführung vgl. Peter Engelmann, "Einführung:

B.

Kontexte

37

D i e erstgenannte, e n t s c h i e d e n weiter gefaßte K o n z e p t i o n v o n Intertextualität untersucht die B e z i e h u n g e n v o n Texten, w o b e i der T e x t b e g r i f f radikal erweitert wird, s o "daß letztendlich alles, oder d o c h zumindest j e d e s kulturelle S y s t e m und j e d e kulturelle Struktur, T e x t sein soll" (Pfister 1985a:7). D i e s e Vorstellung basiert a u f Julia Kristeva, für die "Geschichte und G e s e l l s c h a f t e t w a s sind, w a s g e l e s e n wird" (Pfister 1985a:7)'. Kristeva w i e d e r u m bezieht sich auf M i c h a i l Bachtin, d e s s e n D i a logizität b e w u ß t Außerliterarisches einschließt 2 . D i e s e r dermaßen entgrenzte Textbegriff, in d e m die B e z ü g e und V e r w e i s e z w i s c h e n den T e x t e n plötzlich wichtiger s c h e i n e n als der individuelle Einzeltext, führte zur Vorstellung eines "texte général", "der mit der Wirklichkeit und G e s c h i c h t e , die i m m e r s c h o n 'vertextete' sind, zusammenfällt" 3 . A u c h für R o l a n d Barthes b e z o g e n sich intertextuelle V e r w e i s e nicht ausschließlich a u f literarische, sondern a u c h a u f nicht-poetische T e x t e oder sogar außersprachliche S y s t e m e 4 . Mit Thaïs M o r g a n läßt sich somit z u s a m m e n f a s s e n d feststellen: With the view that any event - whether in verbal, visual, aural, or kinesic 'discourse' - can be analyzed as a text, or a hierarchy of relations among codes and their constituent elements, the gateway is open to applying the concept of 'intertextuality', defined generally as the structural relations among two or more texts, to any of the disciplines in the humanities and the social sciences. 5 Während die eben dargestellte K o n z e p t i o n v o n Intertextualität s o m i t b e w u ß t außerliterarische B e z ü g e thematisiert, bezieht sich die eingeschränkte praktisch-analy-

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Postmodeme und Dekonstruktion. Zwei Stichwörter zur zeitgenössischen Philosophie". In: Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart. Hg.v. Peter Engelmann (Stuttgart 1990), 5-32. Vgl. außerdem Hugh J. Silverman/ Garry E. Aylesworth (Hg.), The Textual Sublime. Deconstruction and Iis Différences, New York 1990; Rajnath (Hg.), Deconstruction: A Critique, London 1989; Pil Dahlerup, Dekonstruktion. Die Literaturtheorie der 1990er. Deutsche Übersetzung, Berlin, New York 1998; Christina Howells, Derrida. Deconstruction front Phenomenology to Ethics, Oxford 1999. "Nous appellerons INTERTEXTUALITÉ cette inter-action textuelle qui se produit à l'intérieur d'un seul texte. Pour le sujet connaissant, l'intertextualité est une notion qui sera l'indice de la façon dont un texte lit l'histoire et s'insère en elle". Julia Kristeva, "Narration et transformation". Semiotica 1,4 (1969):443. "Und die fremden Wörter und die fremden Reden außerhalb seiner selbst, auf die sich ein Sprachkunstwerk bezieht, sind in Bachtins Sicht nicht dominant literarisch, sondern eben 'alle sozioideologischen Stimmen der Epoche', der allgemeine Diskurs der Zeit, für den der literarische Diskurs nur einen schmalen Sektor ausmacht" (Pfister 1985a:5). Zur Umdeutung des Bachtinschen Ansatzes durch Kristeva vgl. Mai 1991:33; Pfister 1985a:6/7. Pfister 1985a:9. Zum "texte général" vgl. Jacques Derrida, "Avoir l'oreille de la philosophie". In: Ecarts. Quatre essais à propos de Jacques Derrida. Hg.v. L. Finas u.a. (Paris 1973), 310. "Et c'est bien cela l'inter-texte: l'impossibilité de vivre hors du texte infini - que ce texte soit Proust, ou le journal quotidien, ou l'écran télévisuel". Roland Barthes, Le plaisir du texte (Paris 1973), 59. Vgl. auch Roland Barthes, Roland Barthes par Roland Barthes (Paris 1975), 51. Thaïs Morgan, "The Space of Intertextuality". In: Intertextuality and Contemporary American Fiction. Hg.v. Patrick O'Donnell und Robert Con Davis (Baltimore, London 1989), 246.

38

I. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

tische Ausrichtung 1 dagegen nahezu ausschließlich auf literarische Texte und muß sich dabei den Vorwurf gefallen lassen, unter neuem Namen lediglich eine traditionelle Quellen- und Motivforschung zu betreiben. In seinem beide Ausrichtungen umfassenden Vermittlungsmodell spricht Pfister einleitend von Diskurstypen 2 und konstatiert an anderer Stelle: Der intertextuelle Bezug auf Diskurstypen reicht weit über literarische Vorgaben hinaus, j a hat gerade im Aufgreifen nicht literarischer, d e m gesellschaftlichen Leben unmittelbar verhafteter Sprach- und Textformen seinen Schwerpunkt. 3

Expliziter bezieht Plett außerliterarische Bezüge in seine Ausfuhrungen mit ein 4 . Eine Bezugnahme auf historische oder historiographische Texte als Prätexte findet jedoch kaum eine ausfuhrliche Thematisierung, es sei denn in Form von wenigen Einzeluntersuchungen, wie z.B. über den postmodernen Roman 5 . "Der Bereich nicht-ästhetischer Intertextualität ist in der Forschung bisher allerdings mehr oder weniger vernachlässigt worden", stellt Susanne Holthuis treffend fest . Ein Rekurs auf historische und historiographische Texte erscheint dann sinnvoll, wenn der zu analysierende Text dies anbietet. Daß gerade die Bezugnahme auf außerliterarische Diskurse konstituierendes Merkmal jeglicher intertextuellen Auseinandersetzung sein sollte, darauf verweist Hans-Peter Mai: Yet with all the various forms of appropriation of the term, one important initial (Kristevian) insight must not be forgotten: that literature is (also) mediated through extra-literary discourse [...] (1991:51/52).

Auf besondere Weise intertextuell verfährt der nordamerikanische Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt, der zudem die Thesen Hayden Whites in der Praxis anzuwenden scheint. D e m Hauptvertreter des New Historicism1 ist daran gelegen. 1 2

Diese wirft der weiter gefaßten Konzeption Theorielastigkeit vor und legitimiert sich selbst durch ihre praktische Interpretationsarbeit. Vgl. Pfister 1985a:26.

3

Manfred Pfister, "Zur Systemreferenz". In: Intertextualität.

4 5

sche Fallstudien. Hg.v. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen 1985), 55/56. Vgl. Plett 1991:13/14. Vgl. hierzu Linda Hutcheon, "Historiographie Metaficiton: Parody and the Intertextuality

of History". In: Intertextuality

and Contemporary

Formen, Funktionen,

American

Fiction.

anglisti-

Hg.v. Patrick

O'Donnell und Robert Con Davis (Baltimore, London 1989), 3-32.

6

Susanne Holthuis, Intertextualität.

Aspekte einer rezeptionsorientierten

Konzeption

(Tü-

bingen 1993), 30. So erwähnt das deutsche Standardwerk zur Intertextualität von Broich und Pfister zwar intertextuelle Verweise zu anderen Kunstmedien (Film, Musik, bildende Kunst), Bezüge zu anderen Bereichen werden jedoch gemieden. Die den theoretischen Ausfuhrungen angegliederten Interpretationen des Bandes beschränken sich auf die Analyse von literarisch-fiktionalen Intertexten. Vgl. Ulrich Broich/ Manfred Pfister (Hg.),

Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Tübingen 1985. 7

Der Terminus New Historicism verweist auf seine oppositionelle Haltung gegenüber den Methoden von New Criticism und Old Historicism. Eine programmatische Einordnung seiner Methode, die Greenblatt "a practice rather than a doctrine" nennt, ermöglichen die Essays Greenblatts "Resonance and Wonder" in Stephen Greenblatt, Learning to Curse. Essays in Early Modern Culture. Paperback (New York, London 1992), 161-183, und "The Circulation of Social Energy" in Stephen Greenblatt, Shakespearean Negotiations.

The Circulation of Social Energy in Renaissance England (Oxford 1988), 1-20. Vgl. auch

B. Kontexte

39

verschiedene Textsorten und Diskurse, wie z.B. soziologische, historische, ökonomische und natürlich auch literarisch-fiktionale, gleichwertig nebeneinander zu stellen. Die traditionelle Gegenüberstellung Geschichte - Literatur wird dabei aufgelöst 1 . Literatur soll keine Sonderstellung mehr einnehmen, sondern in den historischen Prozeß integriert werden. Allerdings geht der New Historicism nicht so weit wie Derrida und die Poststrukturalisten, jegliche Art von Wirklichkeit als Text zu betrachten, vielmehr "sehen die Neohistoristen eine dialektische Spannung zwischen Text und historischer Wirklichkeit" 2 . Im Mittelpunkt der Poetics of Culture, wie Greenblatt sein Vorgehen auch nennt, stehen die Repräsentationen - literarische und andere kulturelle Praktiken. Diese sind "not only the reflection or product of social relations", sondern sie stellen selbst ein gesellschaftliches Verhältnis dar, "linked to the group understandings, status hierarchies, resistances, and conflicts that exist in other spheres of the culture in which it circulates" 3 . Weniger das Abbilden von Wirklichkeit als vielmehr ein Umformen und Übersetzen dieser ist die Funktion der Repräsentationen 4 . Greenblatts Hauptaugenmerk liegt zunächst auf dem zeitgenössischen Produktionsprozeß. Sein Ziel ist, die historischen Verhandlungen und Transaktionen, die zu einem großen Teil von Machtstrukturen bestimmt werden 5 , zu rekonstruieren und einen Ausschnitt des andauernden dynamischen Prozesses kultureller Zirkulation zu beschreiben. Dabei interessieren Greenblatt in erster Linie Texte und Inhalte von den "Rändern" der jeweiligen Gesellschaft, "aus dem Unterfutter der Geschichte, dem 'slime of history"' (Kaes 1990:62) 6 . Bereits kanonisierte Werke und Texte werden zumindest ansatzweise wieder in ihr ursprüngliches Umfeld rekontextualisiert. Zusätzlich setzt sich Greenblatt auch mit dem Rezeptionsvorgang auseinander, den Resonanz und Staunen bestimmen 7 . Wie unschwer zu erkennen, verfugt der New Historicism über eine wenig ausge-

1 2 3 4

5

6

7

den Sammelband von H. Aram Veeser (Hg.), The New Historicism, N e w York, London 1989; Moritz Baßler (Hg.), New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. Frankfurt a.M. 1995; außerdem die Artikel von Kaes, Lützeler und Hohendahl in Eggert/ Profitlich/Scherpe 1990. Vgl. Greenblatt 1988:95. Paul Michael Lützeler, "Der postmoderne Neohistorismus in den amerikanischen Humanities". In: Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:75. Stephen Greenblatt, Marvelous Possessions. The Wonder of the New World (Chicago, Oxford 1991), 6. Vgl. hierzu Hohendahls Erläuterung des Begriffs der Repräsentation in Peter Uwe Hohendahl, "Nach der Ideologiekritik: Überlegungen zu geschichtlicher Darstellung". In: Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:81. Greenblatts Konzeption von Macht als dominanter Struktur im gesellschaftlichen Prozeß geht auf den Einfluß Michel Foucaults zurück. Vgl. hierzu Frank Lentricchia, "Foucault's Legacy - A New Historicism?". In: Veeser 1989:231-242; Anton Kaes, "New Historicism: Literaturgeschichte im Zeichen der Postmoderne?" In: Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:64. Vgl. auch Walter Cohen, "Political Criticism of Shakespeare". In: Shakespeare Reproduced. The Text in History and Ideology. Hg.v. Jean E. Howard und Marion F. O'Connor (New York, London 1987), 33/34. Zu Resonanz und Staunen vgl. Greenblatt 1992:170-181.

40

I. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

arbeitete Theorie, die zudem in neuer Terminologie altbekannte Inhalte zu transponieren scheint 1 . Wie Greenblatts Befürworter gern betonen, wird dieses Defizit durch die praktische Arbeit des Literarhistorikers ausgeglichen, die ein Oszillieren zwischen literarischen, historischen und anderen Texten, bisweilen auch vertexteten Gegenständen kennzeichnet 2 . Das Vorgehen Greenblatts basiert auf der Anekdote 3 und verfährt assoziativ, so daß das schreibende Subjekt als entscheidende Instanz im Mittelpunkt steht, ein Sachverhalt, der jedoch nicht thematisiert wird. Diese Vorgehens weise birgt verschiedene methodologische Probleme. So kann die Anekdote niemals Analysestrukturen ersetzen. Und die Verknüpfungsmechanismen der diversen kulturellen Praktiken scheinen sich willkürlich zu ergeben, ohne daß sie einem übergeordneten Plan gehorchen 4 . Ebenso unklar erscheint die Zugehörigkeit des New Historicism zu einer der aktuellen literaturwissenschaftlichen Methoden. Weder die Beziehung zum Poststrukturalismus noch die zur Hermeneutik ist geklärt 5 . Ganz besonders trifft die literaturwissenschaftliche Strömung, die sich explizit der Geschichte verschreibt, der Vorwurf der Enthistorisierung. Es stellt sich hier die Frage, ob eine Auflösung der Grenze zwischen Dichtung und Geschichtsschreibung (oder zwischen Realität und Fiktion) - die durchaus logische Folge einer nicht mehr tragbaren, starren Grenzziehung - nicht schon immer die Gefahr in sich birgt, daß eine der beiden Größen von der anderen vereinnahmt wird bzw. daß nur noch das Gemeinsame und nicht mehr die Differenz Beachtung findet. Diese Problemlage betrifft die radikalere Ausrichtung der Intertextualität - wenn alles Text ist, bleibt kein Raum mehr für spezielle historische Konzepte 6 - ebenso wie die Ausfuhrungen Hayden Whites 7 . In besonderem Maße ist jedoch der New Historicism von diesem 1

2

3

4 5

6

7

Diesem Aspekt verschreibt sich ein Artikel von Hans Robert Jauß mit programmatischem Titel. Vgl. Hans Robert Jauß, "Alter Wein in neuen Schläuchen? Bemerkungen zum New Historicism". lendemains 15,60 (1990):26-38. Zum Vorgehen Greenblatts vgl. Lützeler 1990:73; Hohendahl 1990:80. Am besten wird die Methode Greenblatts durch die Essays "Invisible Bullets", "Fiction and Friction" und "Shakespeare and the Exorcists" in Greenblatt 1988 veranschaulicht. Vgl. Hannelore Schlaffer, "Ethnographie der Literatur. Über Stephen Greenblatt und den New Historicism". Freibeuter 62 (1994): 15. Zum Stellenwert der Anekdote in seinem Werk vgl. Greenblatt 1991:2-3. Vgl. hierzu den Diskussionsbeitrag von Jürgen Kocka in Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:390. "Der New Historicism ist die Rettung der Hermeneutik im posthermeneutischen Zeitalter", formuliert provokativ David Wellbery in Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:383. Vor allem durch die enge Anbindung an den Ethnologen Clifford Geertz, dem es um einen "verstehenden Nachvollzug subjektiv erlebter Welten" (Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:383) geht, erklärt sich der hermeneutische Gehalt des New Historicism. Dieser wird von den Vertretern des New Historicism jedoch weder explizit thematisiert noch fortgeführt. Zu dieser Problematik vgl. verschiedene Redebeiträge der Diskussion über den New Historicism in Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:381-391. Zum Vorwurf der mangelnden Geschichtsbezogenheit von Poststrukturalismus und Deconstruction vgl. Frank Lentricchia, "History or the Abyss: Poststructuralism". In ders., After the New Criticism (London 1980), z.B. seine Ausführungen zu Derrida (176). Und erklärt dessen vermeintlichen Widerspruch, der ihn auf der einen Seite aufgrund seiner Betonung der Gemeinsamkeiten der beiden Diskurse für eine Auflösung der Unter-

B. Kontexte

41

Problem betroffen, da er, als Reaktion auf die wesentlich "unhistorische" Deconstruction, der Literaturwissenschaft die historische Dimension zurückgeben wollte. Es geht dem New Historicism nicht um die Analyse einer Tiefenstruktur vergangener Vorgänge. Geschichte erscheint vielmehr als Metaphernabfolge, die eher eine Oberflächlichkeit kennzeichnet. Keine vergangenen Horizonte werden rekonstruiert oder Erkenntnisse aus der Vergangenheit in die heutige Zeit transponiert; vielmehr läßt sich "die Verwandlung des Vergangenen in die Quasigegenwart des Zitats" feststellen 1 . Das Verdienst Greenblatts ist auf einer anderen Ebene zu suchen". Abgesehen davon, daß der Literarhistoriker spannende und amüsante Geschichten erzählt, ist es ihm gelungen, eine erneute Diskussion um den Begriff der Geschichtlichkeit zu entfachen. Und seinen Werken soll nicht abgesprochen werden, daß sie vielseitige Erkenntnisse und neue Sichtweisen vermitteln. Nur sind diese Erkenntnisse kaum das Ergebnis tiefgreifender historischer Analysen, sondern sie werden auf anderen (für den Leser unsichtbaren) Wegen erlangt 3 .

3. Auf der Suche nach Kriterien der Abgrenzung 4 Obige Ausfuhrungen belegen deutlich die Fragwürdigkeit einer traditionellen Gegenüberstellung von Geschichtsschreibung und fiktionaler Dichtung. Sinnvoller

1 2

3 4

Scheidung von Geschichtsschreibung und Fiktion plädieren läßt, während er an anderer Stelle durchaus den Unterschied der beiden Diskurse hervorhebt. David Wellbery in Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:384. Die teilweise sehr polemisch geführte Diskussion um den New Historicism in Deutschland erklärt sich auch aus der äußerst problematischen Beziehung des bundesdeutschen Wissenschaftsbetriebs zu dem der USA. Hiervon zeugen beispielsweise die Diskussionsbeiträge in Eggert/Profitlich/Scherpe 1990:381-391. Dies demonstriert vor allem Greenblatts Werk Marvelous Possessions (1991). Parallel zur Diskussion über narrative Strukturen des historischen Diskurses fand im deutschen Sprachraum in den 70er und frühen 80er Jahren eine intensive Auseinandersetzung über das Wesen der Fiktion und ihre Abgrenzung zu nichtfiktionalen Schreibweisen statt. Vgl. hierzu Hans Blumenberg, "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans". In: Bürgerlicher Realismus. Hg.v. Klaus-Detlev Müller (Königstein 1981), 39-56; Wolfgang Iser, "Akte des Fingierens. Oder: Was ist das Fiktive im fiktionalen Text?" In: Funktionen des Fiktiven. Hg.v. Dieter Henrich und Wolfgang Iser (München 1983), 121-151; Gottfried Gabriel, Fiktion und Wahrheit. Eine semantische Theorie der Literatur, Stuttgart 1975; Ulrich Keller, Fiktionalität als literaturwissenschaftliche Kategorie, Heidelberg 1980; Aleida Assmann, Die Legitimität der Fiktion. Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen Kommunikation, München 1980; Johannes Anderegg, Fiktion und Kommunikation, Göttingen 1973; Johannes Anderegg, "Das Fiktionale und das Ästhetische". In: Funktionen des Fiktiven. Hg.v. Dieter Henrich und Wolfgang Iser (München 1983), 1 SSH Z ; außerdem den Sammelband von Dieter Henrich/ Wolfgang Iser (Hg.), Funktionen des Fiktiven, München 1983. Als Einstieg in die Thematik wird allgemein die Arbeit von Käte Hamburger, Die Logik der Dichtung, Stuttgart 2 1968 betrachtet. An späteren Studien zur Thematik der Fiktion vgl. Kaspar Kasics, Literatur und Fiktion. Zur Theorie und Geschichte der literarischen Kommunikation, Heidelberg 1990; Gérard Genette, Fiction et diction, Paris 1991; Christoph Wall, Fiktion und praktisches Wissen. Kulturanthropolo-

gische Überlegungen zur menschlichen Schöpferkraft, Berlin 1989.

42

1. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

erscheint es daher, die beiden Diskurse gleichberechtigt nebeneinanderzustellen, sie kommunizieren zu lassen. Doch auch die Auflösung der Grenzziehung birgt ihre Gefahren, wie gezeigt wurde. Als Kompromiß zwischen beiden extremen Positionen bietet es sich an, Geschichtsschreibung und Dichtung weiterhin voneinander abzugrenzen, dabei aber nicht traditionell vorzugehen, sondern ein weites gemeinsames Feld zu beachten, das Kategorisierungssystem durchlässig zu konzipieren'. Es sollen sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten der beiden Textsorten berücksichtigt werden. Eine weitere Abgrenzung der beiden Diskurse erscheint schon deshalb notwendig, da ein Großteil der entsprechenden Literatur durchaus charakteristische Züge trägt und sich von der anderen Textsorte eindeutig unterscheidet. Außerdem verlangt die konkrete Textarbeit nach (möglichst einfachen) Kategorisierungen. D e m Problem der Abgrenzung der beiden Diskurse liegt in erster Linie die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion zugrunde. Auch hier muß die traditionelle Sichtweise einer Opposition der beiden Komponenten aufgegeben werden 2 . Anstatt die eine Größe durch die Negation der anderen zu definieren - Fiktion als NichtRealität, Realität als Nicht-Fiktion - oder Realität als das Faktische und Wahre der bloß erdachten Fiktion gegenüberzustellen, muß deren dialektisches Verhältnis im Vordergrund stehen, die Tatsache, daß Fiktion und Wirklichkeit sich gegenseitig bedingen. Vielmehr sind Realität und Fiktion als zwei verschiedene Arten der Wirklichkeitserfassung zu verstehen, denn auch die Fiktion basiert auf Realem 3 : Das Phantasieren läßt sich nicht einfach als eine creatio ex nihilo dem Auffassen von Wirklichem entgegenstellen; es bringt keine eigene Gegenständlichkeit zuwege, sondern hat aus der Wirklichkeit sein Material und bleibt so dem Auffassen von Wirklichem verbunden (Keller 1980:10).

Sowohl das fiktionale Erdenken wie auch die Auffassung von Wirklichkeit ereignen

1

Erkenntnistheoretisch ist die Entscheidung für oder wider eine mögliche Trennung der beiden Schreibweisen eine Frage der Perspektive, die letztendlich nicht allgemeingültig festzuschreiben ist. Dies zeigt z.B. der Ansatz des Philosophen Wilhelm Schapp, der die gesamte Welt in Geschichten aufzuteilen vermag und so zu einer Synthese von Historik und Fiktion gelangt: "Wenn man aber mit uns die Geschichten in den Mittelpunkt stellt, so trifft der scharfe Unterschied, den Aristoteles macht [zwischen Geschichtsschreibung und Dichtung, I.S.], nicht mehr ganz zu. Geschichten und Dichtung rücken dann ganz nahe aneinander und können sich berühren. Ja, wenn man Sagen und Märchen und Mythen und Heldengeschichten mit in den Vergleich zieht, so kann man die Grenze zwischen Dichtung und Geschichte vielleicht vollständig zum Verschwinden bringen". Wilhelm Schapp, Philosophie der Geschichten (Leer/Ostfriesland 1959), 179.

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Vgl. Keller 1980:10. Blumenberg weist d a r a u f h i n , daß die Opposition Fiktion - Realität auch ein Konkurrenzverhältnis impliziert, die "Konkurrenz der imaginären Kontextrealität mit d e m Wirklichkeitscharakter der gegebenen Welt" (1981:48). Diesen Sachverhalt stellte erstmalig Aristoteles in seinem berühmten neunten Kapitel der Poetik dar, wo er Dichtung über den an der Realität orientierten Wahrscheinlichkeitsanspruch definiert. Vgl. Aristoteles, Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann (Stuttgart 1993), 29-33; Andreas Kablitz, "Dichtung und Wahrheit. Zur Legitimität der Fiktion in der Poetologie des Cinquecento". In: Ritterepik der Renaissance. Hg.v. Klaus W. Hempfer (Stuttgart 1989), 77-122.

3

B. Kontexte

43

sich über die Einbildungskraft1: D a s Phantasieren und das A u f f a s s e n d e s Wirklichen sind also nicht als separate B e w u ß t seinstätigkeiten oder -Vorgänge zu fassen; sie sind vielmehr als M o d i f i k a t i o n e n der Imagination zu begreifen, die in einer j e verschiedenen Stellung der Imagination z u m Wirklichen und zur Verstandestätigkeit begründet sind (Keller 1980:11).

Demnach wäre eher das Ziel des Auffassens von Wirklichkeit, die Erkenntnis, in Opposition zur Fiktion zu setzen, obwohl auch letztere oft genug - wenngleich nicht notwendigerweise - über den Umweg über sich selbst zur Erkenntnis über Reales gelangt: "Ziel der Kunst ist die Wahrheit, ausgedrückt in der Sprache fiktiver Regeln'". Lotman betont den Modellcharakter der Fiktion, die für ihn die Modelle von Spiel und Wissenschaft in sich vereinigt3. Auch Aleida Assmann weist auf die Fiktion als Modell der Realität hin, "das als spekulatives Instrument der Erfahrung und Erprobung der Wirklichkeit dient" (1980:15). Allerdings ist m.E. dem Assmannschen Modell von Realität und Fiktion trotz der Vermittlung über die verbale Realität weiterhin die Opposition der beiden Größen Realität und Fiktion inhärent4. Zur Vermeidung der Oppositionsbildung führt Wolfgang Iser als dritte Komponente das Imaginäre ein5. Durch die Akte des Fingierens, die die Fiktion ausmachen, wird das Imaginäre im Text real, die Fiktion ist somit die "Konkretisation des Imaginären" (Iser 1983:134). Iser sieht die dialektische Beziehung daher eher zwischen dem Imaginären und dem Realen und definiert das Fiktive als eine eigentümliche Übergangsgestalt [...], die sich immer z w i s c h e n das Reale und das Imaginäre z u m Z w e c k ihrer w e c h s e l s e i t i g e n Anschließbarkeit schiebt. D a s Fiktive wäre durch seine Übergangsgestalt insofern ein Faktum, als sich in ihm fortwährend s o l c h e Austauschprozesse vollziehen, w e n n g l e i c h es als es selbst ein Nichts ist, da es nur durch s o l c h e U m w a n d l u n g s p r o z e s s e besteht ( 1 9 8 3 : 1 5 0 ) .

Analog zu dem eben Ausgeführten läßt sich für die fiktionale Dichtung feststellen, daß auch sie in ihrer Fiktionalität auf Realem basiert6. Und trotzdem erscheint eine erste - und oft auch funktionierende - Abgrenzung zwischen Geschichtsschreibung und literarischer Fiktion zunächst einmal weitgehend unproblematisch. Während sich das Geschichtswerk in erster Linie den res factae widmet, einen bestimmten Ausschnitt vergangener Realität präsentiert, sind der Gegenstand der Dichtung die res fictae, erdachte Phantasiewelten7. Unabdingbarer Bestandteil der Historio1

Michail Bachtin weist d a r a u f h i n , daß die Wirklichkeitsauffassung bereits ästhetisiert ist: "Es ist anzumerken, daß in der Schicht d e s g e w ö h n l i c h e n D e n k e n s die der Kunst g e g e n übergestellte Wirklichkeit - in diesen Fällen verwendet man gern das Wort 'Leben' - bereits wesentlich ästhetisiert ist: es ist dies bereits ein künstlerisches Bild v o n der Wirklichkeit, allerdings ein hybrides und labiles". Michail M i c h a j l o v i c Bachtin, Die Ästhetik des Wortes. D e u t s c h e Übersetzung (Frankfurt a.M. 1979), 113.

2

Jurij M. Lotman, Die 1972), 109.

3 4

V g l . Lotman 1972:109. D a s so etablierte M o d e l l greift nur einen Teilaspekt der zuvor festgestellten Tatsachen auf. V g l . A s s m a n n 1 9 8 0 : 1 4 - 1 7 .

5 6 7

V g l . Iser 1983. Für eine grundlegende Definition der fiktionalen Dichtung vgl. Keller 1980:21-27. V g l . Sanders 1990:14, die im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen auf die Problematik dieser ersten, sehr vereinfachten A b g r e n z u n g eingeht.

Struktur

literarischer

Texte.

D e u t s c h e Übersetzung

(München

44

/. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

graphie ist deren Bezug "zur historischen Faktizität" (Kablitz 1989:80), ihre Referentialität. Demgegenüber wird in der Dichtung "der Außenbezug [...] durch interne Organisationsformen ersetzt" (Kablitz 1989:80), d.h. daß in der fiktionalen Literatur "die Relationen zwischen den einzelnen, die histoire des Textes konstituierenden Handlungselementen Vorrang vor der Beziehung des Textes zur außerhalb seiner liegenden Wirklichkeit gewinnen" (Kablitz 1989:81)'. Iser und Anderegg bezeichnen diese Relationierung als bestimmendes Element der Fiktion 2 . Auf diese Weise schafft sich die Fiktion ihre eigene Welt. Die Systembeschaffenheit wird folglich dadurch bestimmt, ob der Bezug zur historischen Realität von Bedeutung ist oder nicht. Lotman beschreibt den künstlerischen Text als mehrschichtiges Modell, das Elemente aus mindestens zwei Systemen integriert, dabei systemhaft ist und gleichzeitig gegen die Regeln des Systems verstößt 3 . Der auf diese Weise polysemantische Text unterscheidet sich vom eindimensionalen nichtkünstlerischen: Diese Fähigkeit der Textelemente, in mehrere Kontextstrukturen einzugehen und dementsprechend verschiedene Bedeutungen zu erhalten, ist eine der tiefbedeutsamen Eigenheiten des künstlerischen Textes (Lotman 1972:96).

Diese grundlegenden Unterscheidungen ziehen andere Abgrenzungskriterien mit sich. So bemüht sich der Autor eines Geschichtswerks in der Regel um Objektivität, der Dichter schreibt subjektiv seine Geschichte, sogar die Figur des Erzählers ist Teil der Fiktion. In den meisten Fällen gibt sich die Fiktion, zumindest seit Beginn der Neuzeit, als solche zu erkennen 4 , reflektiert oft auch über ihre Bestimmung, während der Anspruch der Historiographie die Erkenntnis über eine Episode der 1

Kablitz orientiert sich hier an den Vorgaben von Aristoteles, weswegen er auf das Gebot "von Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit" (1989:80) der einzelnen Teile des fiktionalen Textes näher eingeht. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, d a ß auch Aristoteles, obwohl er die Dichtung aufwertet und gegenüber dem V o r w u r f der Lüge verteidigt, hiermit ein reduziertes Konzept von Dichtung liefert, das aufgrund des Gebots der Wahrscheinlichkeit das Unwahrscheinliche, wahrhaft Phantastische ausklammert. Vgl. hierzu Gerd Dose, "Nachahmung als Illusion oder: Der Zufall als Notwendigkeit. Überlegungen z u m Status der Wirklichkeitskonstitution in fiktionaler Literatur im vorwie-

gend rationalen Zeitalter". In: Literarische lichkeitskonstitution in englischsprachiger 2

3

4

Ansichten der Wirklichkeit. Studien zur WirkLiteratur. Hg.v. Hans-Heinrich Freitag und

Peter Hühn (Frankfurt a.M., Bern, Cirencester 1980), 13. Grundlegend zur relationierenden Funktion von Sprache allgemein und ihrer Bedeutung für die Fiktion vgl. Anderegg 1983:159-164. Verschiedene Arten von Relationierung im fiktionalen Text führt Iser 1983:130-135 an. Vgl. Lotman 1972:95-121. Da Lotman nicht zwischen literarischen und historiographischen, sondern allgemeiner zwischen künstlerischen und nichtkünstlerischen Texten unterscheidet, kann dieses Kriterium hier nicht entscheidend sein, auch wenn es strukturelle Eigenheiten der beiden Schreibweisen durchaus treffend beschreibt. Z u d e m läßt Lotman bei seinen Überlegungen die Tatsache außer acht, daß sich Mehrdeutigkeit (und damit verbunden die Integration mehrerer Systeme) auch außerhalb der künstlerischen Sprache, beispielsweise in der des Alltags, findet. Für Blumenberg behandelt die Kunst allgemein "Schein als Schein, will also gerade nicht täuschen, ist wahr" (1981:53). Auch Iser betont, daß sich die literarische Fiktion zu erkennen gibt, weswegen die Notwendigkeit entfällt, sie als solche zu entlarven. Vgl. Iser 1983:136-138.

B Kontexte

45

Vergangenheit ist. Doch auch die fiktionale Dichtung wird in der Mehrzahl der Fälle nicht nur um ihrer selbst geschrieben, sondern beinhaltet und vermittelt, wie oben bereits erwähnt, einen weitergehenden Sinn, eine Aussage über die Wirklichkeit, die sich über die Fiktion erschließen läßt. Iser legt dar, daß die im fiktionalen Text präsentierte Welt ihre Funktion im Verweisen auf anderes hat: Denn eine Fiktion geschieht immer um ihrer pragmatischen Verwendung willen. Folglich ist die im Text dargestellte Realität auch nicht als solche gemeint, sie ist Verweis auf etwas, das sie nicht ist, wenngleich dieses durch sie vorstellbar gemacht werden soll (1983:139).

Fiktion soll "Wirklichkeit nicht nachahmen oder abbilden", sondern "den Zugang zur Wirklichkeit in ihrer Wahrheit eröffnen" (Keller 1980:18). Allerdings kennzeichnet gerade die nicht ideologischen Werke hier eine Offenheit, die zumeist eine Vielzahl von Interpretationen zuläßt, die nicht zuletzt vom Rezipienten und der jeweiligen Epoche abhängen1. Auch die Rezeption von Geschichtswerk und Dichtung erfolgt in der Regel gemäß ihrer Bestimmung. Gesteuert wird die Rezeption durch bestimmte Signale, die den jeweiligen Diskurs kennzeichnen. Dies beginnt bei der äußeren Form, der Aufmachung und Bezeichnung des Buches, und setzt sich fort in Sprache und Inhalt2. Auch wenn sich Aristoteles dagegen ausgesprochen hat, die äußere sprachliche Form als Kriterium der Abgrenzung zu betrachten3, so haben sich inzwischen doch gewisse Konventionen durchgesetzt, und ein aktuelles Geschichtswerk in Versen ist unvorstellbar. Sicherlich bereitet es bei vielen literarischen und historiographischen Werken keine Schwierigkeiten, sie einer der beiden Gruppen zuzuordnen, die in der beschriebenen Form zwei extreme Pole einer noch zu verhandelnden Skala besetzen. Allerdings lassen die obigen Ausfuhrungen über die Geschichtsschreibung und über Fiktion/Realität doch Zweifel aufkommen daran, daß Geschichtswerke tatsächlich nur res factae behandeln oder daß die literarische Fiktion sich in der Relation ihrer einzelnen Bestandteile zueinander erschöpft. Der fiktionale Gehalt des historischen Diskurses scheint oben hinlänglich bewiesen, ebenso wie der mehrschichtige Bezug der Fiktion zur Realität4. Jegliche Art von Erzählen erfordert "Bedingungen der textinternen Strukturierung [...], die immer schon die res gestae der historischen Faktizität überformen" (Kablitz 1989:81). Noch fragwürdiger wird das traditionelle Abgrenzungsmodell, wenn z.B. fiktionale Texte bewußt reale Ereignisse darstellen und thematisieren, sich die Fiktion hiermit einer Referentialität öffnet, die ihr nach obiger Bestimmung nicht zusteht. Die angeführten Abgrenzungskriterien funktionieren sicher oft wie beschrieben, sind aber in vielen Fällen auch anders denkbar. Warum sollte sich ein Romanautor nicht um eine objektive Darstellung von Vergan1 2 3

4

Für Lotman wird dieser Aspekt zum bestimmenden Merkmal des künstlerischen Texts. Vgl. Lotman 1972:108. Zu den Fiktionssignalen vgl. Anderegg 1973:106; Iser 1983:135. Vgl. Aristoteles 1993:29: "Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt - man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse - ; [...]". Allgemein zur Beziehung von Kunstwerk und Wirklichkeit vgl. Günter Bandmann, "Das Kunstwerk und die Wirklichkeit". In: Zum Wirklichkeitsbegriff. Hg.v. Günter Bandmann u.a. (Mainz 1974), 27-46.

46

/. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

genheit bemühen, ohne gleich ein Geschichtswerk zu verfassen? Ist der historiographische Diskurs immer eindeutig bestimmt, oder läßt auch er sich bisweilen polyperspektivisch interpretieren? Und wie sind die Grenzfalle zwischen Geschichte und Fiktion zuzuordnen, die Autobiographie, der Reisebericht oder der literarische Brief? Anstatt erneut in Oppositionen zu flüchten, sollen hier die Erkenntnisse aus der (unfruchtbaren) Oppositionsbildung von Fiktion und Realität genutzt werden, die wie oben dargelegt - einem gleichen Ursprung, der Imagination, entstammen. Auch Geschichtsschreibung und fiktionaler Literatur liegt ein gemeinsamer Ursprung zugrunde, Texte aus Antike und Mittelalter, die deutlich zeigen, daß zwischen den beiden Diskursen nicht unterschieden wurde, und - allgemein gesprochen - der Wunsch, vergangene Realität mit Bezug auf Gegenwart und Zukunft zu vermitteln und zu kommentieren 1 . Es handelt sich lediglich um zwei verschiedene neuzeitliche Möglichkeiten der Darstellung von Problemen der menschlichen Existenz: Zwischen reiner Faktendarstellung und literarisch-mythischer Umformung bestand und besteht seit jeher eine Funktionsidentität in Hinsicht auf die Bewußtwerdung und Bewußtmachung der Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz (Sanders 1990:28).

Hier bietet es sich nun an, von einer Skala auszugehen, an deren einem Ende die reine Fiktion mit äußerst geringem Realitätsbezug, der literarische Text, dessen einzelne Teile sich nur auf sich selbst beziehen, anzusiedeln wäre, und an deren Gegenpol sich die mehr diskursive als erzählende, wenig fiktionale Geschichtsschreibung findet, deren Referentialität zur außerliterarischen Welt absolut ist. Zwischen den zwei Polen liegen in Abstufungen Werke, deren Zusammenspiel verschiedener Kriterien sie als eher fiktional oder mehr der Geschichtsschreibung zugehörig ausweist. So wird sich das Geschichtswerk, das über einen hohen Fiktionalitätsgrad verfügt, dessen Innenbezug dominant ist oder dem eine weitergehende Aussage inhärent ist, auf der Skala mehr in Richtung Fiktion verlagern, während die Dichtung über historische Themen, deren Außenbezug im Vordergrund steht, eher zur Historiographie tendiert. Auch Lotmans Unterscheidung des mehrschichtigen und damit vieldeutig interpretierbaren Modells (künstlerischer Text) vom eindimensionalen (nichtkünstlerischen Text) mag als zusätzliches Kriterium dazu beitragen, die beiden Pole von Fiktion und Geschichtsschreibung und den Bereich dazwischen genauer zu bestimmen. Allerdings scheint der historiographische Diskurs aufgrund seiner fiktionalen Elemente eher für verschiedene Interpretationen geschaffen als andere wissenschaftliche Texte. Zum anderen bleibt hier eine Literatur ausgeschlossen, die zur Eindeutigkeit tendiert und deswegen trotzdem keine Geschichtsschreibung ist: die Trivialliteratur 2 . 1

2

Lotman weist daraufhin, daß Möglichkeit und Intensität der Unterscheidung von künstlerischen und nichtkünstlerischen Texten durch das jeweilige Kultursystem bestimmt werden. Vgl. Jurij M. Lotman, Die Struktur literarischer Texte. Deutsche Übersetzung (München 2 1986), 405-407. Dies gilt auch für die Beziehung von literarischer Fiktion und Geschichtsschreibung, deren Verhältnis in der Antike und im Mittelalter ein gänzlich anderes war als in der Neuzeit und das sich auch im Laufe der letzten Jahrhunderte ständig veränderte. Hier bestätigen sich erneut die bereits oben geäußerten Zweifel, ob die Unterscheidung Fiktion - Geschichtsschreibung analog zur Unterscheidung Kunst - Nichtkunst gesetzt werden darf.

B. Kontexte

47

Natürlich stellt sich weiterhin die Frage nach dem Umschlagpunkt, der Stelle, wo Fiktion gerade noch Fiktion ist bzw. anfängt, Geschichtswerk zu werden 1 . Wie Hayden White feststellte, kann fiktionale Literatur reale oder erfundene Ereignisse behandeln 2 . Aufgrund dieser Tatsache wäre die Grenze zwischen Fiktion und Geschichtsschreibung dort zu ziehen, wo der vermeintlich fiktionale Text, der Reales thematisiert, kein ausgewogenes Verhältnis mehr aufweist zwischen Außenbezug (Referenz zur außerliterarischen realen Welt) und Innenbezug (Relation der textintemen Elemente) 3 , sondern wo der Bezug zur realen Welt und Geschichte eindeutig dominiert und die einzelnen Teile des Textes nur noch die Funktion haben, einen Ausschnitt aus der Vergangenheit anschaulich darzustellen. Umgekehrt überschreitet der historiographische Text die Grenze zur fiktionalen Literatur, wenn er seine Beziehung zur realen Vergangenheit zugunsten der textinternen Strukturen auf bedeutende Weise vernachlässigt. Läßt sich ein fiktionaler Text dahingehend interpretieren, daß er eine Aussage über reale Begebenheiten der Vergangenheit enthält, wird dieser Text trotzdem auf der Fiktionsseite der Skala anzusiedeln sein, wenn die Aussage über Reales weiterhin über den Umweg der Fiktion erfolgt. Auch wenn der Text nicht polysemantisch interpretierbar ist, sondern nur e i n e Interpretationsweise zuläßt, handelt es sich - sind die textintemen Strukturen weiterhin von Bedeutung allenfalls um einen dogmatischen oder ideologischen fiktionalen Text. Das Geschichtswerk macht seine Aussage über Vergangenes direkt im Text selbst, ohne Umweg über die textinterne Fiktion, sollte daher auch eher eindeutig als offen interpretierbar sein. Abweichungen tendieren auch hier dann in die andere Richtung. Soweit die theoretische Fundierung der Abgrenzung von Dichtung und Geschichtsschreibung. Das Hauptproblem bei der Zuordnung literarischer Texte bleibt allerdings in der Tatsache bestehen, daß die eben benannten Merkmale sich an den konkreten Texten dann oft doch nicht in der hier dargestellten Eindeutigkeit feststellen lassen bzw. fraglich sind. Ist es denn immer eindeutig, ob ein textinterner Bezug noch von Bedeutung ist oder kaum mehr? Letztendlich sind auch diese Entscheidungen vom Rezipienten abhängig und mögen in einigen Fällen durchaus verschieden ausfallen.

1

An dieser Stelle sei angemerkt, daß es insgesamt sehr schwierig, w e n n nicht gar u n m ö g lich ist, diese Skala allgemeingültig auf theoretischer Ebene zu verhandeln. Z u m einen ist eine Vielzahl von Kriterien zu beachten, deren Bedeutung a b g e w ä g t werden muß, ein immer subjektiv ausgerichteter Vorgang, s o w i e auch die g e s a m t e Problematik der Zuordnung nicht frei von subjektiven Entscheidungen sein kann. Einfacher dürfte e s d a g e g e n sein, e i n e m konkreten literarischen Werk auf der Skala einen ungefähren Platz z u z u w e i sen, auch w e n n dabei die Zuordnung nicht unbedingt w e n i g e r subjektiv sein wird.

2

Vgl. White 1978:121.

3

Ein Beispiel für eine Fiktion, in der s o w o h l Außen- als auch Innenbezug v o n B e d e u t u n g sind und über ein a u s g e w o g e n e s Verhältnis verfügen, ist der R o m a n Terra Nostra d e s m e xikanischen Autors Carlos Fuentes. Hier finden sich neben in v e r s c h i e d e n e m Maße fiktionalisierten S z e n e n der vorwiegend spanischen und mexikanischen G e s c h i c h t e direkt im Text geäußerte und über die Struktur angelegte A u s s a g e n über d i e s e Geschichte. D a s Ganze stellt sich auf d e m Hintergrund einer großartigen Fiktion dar, die auf besondere W e i s e Reales und Fiktives vermischt. Eine ähnliche, vergleichbare Struktur weist Umberto Ecos II nome della rosa auf. Zu d e m Roman von Carlos Fuentes vgl. Ingrid S i m s o n ,

Realidady ficcion en 'Terra Nostra'de Carlos Fuentes, Frankfurt a.M. 1989.

48

/. Der theoretische

Kontext: Dichtung und Geschick

sschreibung

Abschließend noch ein Wort zu einer besonderen Art von Grenzfall. Es ist durchaus vorstellbar, daß ein fiktionales bzw. historiographisches Werk in einer anderen Epoche eine veränderte Rezeption erfährt und dann der anderen Textsore zugeordnet wird. Im Laufe dieser Studie wird von derlei Texten die Rede sein Und dann gibt es natürlich noch die absoluten Grenzfalle, deren Zuordnung umstrirten ist und nicht eindeutig erfolgen kann. Bereits manche Gattung trägt diese Hybricität in sich, wie z.B. Biographie/Autobiographie oder der Reisebericht, wenngleich im konkreten Fall eine Zuweisung auf der einen oder anderen Seite der Skala oft dcch möglich sein wird.

4. Realität und Fiktion in der spanischen Dichtungstheorie des 16. und 17. Jahrhunderts Dem Mittelalter war die Unterscheidung von Fiktion und Realität unbekannt. Die Dominanz des christlichen Glaubens erhöht das zuvor Unglaubhafte [...] zur höchsten Gewißheit und entwertet ineins damit das Wahrscheinliche der Alltagswirklichkeit zum bloßen Schein (Jauß 1983:425),

so daß Jauß ganz richtig eine " Vergleichgültigung des Wahrscheinlichen in Relation zum kontrafaktisch Wahren der christlichen Glaubensgewißheit" (1983:426) konstatiert. Die Epoche unterscheidet nicht zwischen wahr und fingiert, gleichwohl wird alles Schriftliche für wahr genommen. Paul Zumthor weist auf den damals vorherrschenden Gegensatz von aoctrina und nugae (Hirngespinste, Nichtigkeiten) hin 1 , dem eine moralisierende Komponente zugrunde liegt. Jegliches Schrifttum hatte im Dienste der Verbreitung ier christlichen Wahrheit zu stehen, mußte daher wahr sein oder auf eine höhere Wahrheit verweisen; es sollte darüber hinaus eine belehrende Wirkung haben, anderr.falls wurde es als Lüge abqualifiziert 2 , wie folgende Textpassage aus den Schrifter. des Augustinus zeigt: Non enim omne quod fingimus mendacium est; sed quando id fingimus quod nihil significat, tunc est mendacium. Cum autem fictio nostra refertur ad aliquam significationem, non est mendacium sed aliqua figura ueritatis. 3

Dieser Bezug zu einer höheren Wahrheit kam vor allem über allegorische Strukturen zustande 4 . Der Unterhaltungscharakter eines literarischen Textes wurde noch nicht akzeptiert. Mit besonderem Mißtrauen begegneten die Kritiker daher erdichteten Schriften und schrieben so das Primat der Geschichtsschreibung fest, deren Ge1 2

3

4

Vgl. Paul Zumthor, Langue, texte, énignte (Paris 1975), 165. Vgl. Joachim Knape, 'Historie' in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext (Baden-Bader 1984), 338. Der Ursprung dieser Vorstellung der Dichtung als Lüge geht auf Piaton zurück. Vgl. August Buck, "Dichtungslehren der Renaissance und des Barocks". In: Renaissmce und Barock I. Hg.v. August Buck (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft 9) (Frankfurt a.M. 1972), 41. Aurelius Augustinus, Quaestiones evangeliorum cum appendice quaestionum in Matthaeum. Hg.v. Almut Mutzenbecher. Aurelii Augustini Opera 13,3 (Corpus Christianorum Series Latina 4 4 B ) (Tumholti 1980), 116. Vgl. hierzu Kablitz 1989:84-90.

B. Kontexte

49

genstand in jedem Falle wahr sein sollte. So lassen sich die gehäuften Wahrheitsbeteuerungen erklären, mit denen Verfasser fiktionaler Geschichten ihre Texte aufwerteten bzw. deren Fiktionalität zu verschleiern versuchten. Auf diese Weise, über ein Mißtrauen gegenüber der Fiktion und eine daraus resultierende Kritik, wurden sich gegen Ende des Mittelalters Autoren und Publikum in einem allmählichen Prozeß des Tatbestands der Fiktion bewußt 1 . Daraus wiederum resultierte der Versuch, die Fiktion zu legitimieren, was in erster Linie über die Geschichtsschreibung erfolgte 2 . In Spanien wurden diese Auseinandersetzungen und Diskussionen, die vorrangig vom italienischen Frühhumanismus geprägt waren3, nicht in Poetiken geführt, sondern in Rhetoriken, [...] in Prologen, Kommentaren und reflektierenden Passagen in Werken ganz unterschiedlicher Art. Der spanische Humanismus [...] hat zwar keine Poetik, aber er hat Literaturtheorien hervorgebracht, denen philosophisch häufig ein hoher Rang zukommt (Kohut 1994:76/77).

Dichtung und Historiographie werden in Spanien zu dieser Zeit gemeinsam der Rhetorik zugeordnet 4 . Im allgemeinen herrschte zu Beginn der Neuzeit nach wie vor Verwirrung über Fakten und Fiktionen. Weiterhin wurde Fiktionales als Lüge betrachtet, galt der Vorrang der Geschichtsschreibung. Der spanische Humanist Juan Luis Vives z.B. verurteilte alle fabulae licentiosae, primär unterhaltende Erzählungen, die auf keine höhere Wahrheit verwiesen 5 . Hierzu zählte Vives vor allem den Roman, dessen 1

2

Jauß setzt diese Epochenwende Mitte des 12. Jahrhunderts an. Es bereitet jedoch einige Schwierigkeiten, diesen Prozeß einheitlich gesamteuropäisch zu betrachten, außerdem erschwert die allmähliche Entwicklung des Prozesses eine exakte Zuordnung. Vgl. Jauß 1983:427, für den gesamten Prozeß der Trennung von Realität und Fiktion im Mittelalter 425-429. Vor allem der Roman wird im Kontext der Geschichte betrachtet. Vgl. Karl Kohut, "Die spanische Poetik zwischen Rhetorik und Historiographie". In: Renaissance-Poetik. Renaissance Poetics. Hg.v. Heinrich F. Plett (Berlin, N e w York 1994), 81. Strosetzki spricht von der Geschichte "als Paradigma zur Legitimation von Literatur". Christoph Strosetzki, "Geschichte und Geschichten. Zur Poetik der Geschichtsschreibung in der spanischen Re-

naissance". Antike und Abendland 40 (1994): 154. 3

4

Vgl. Kohut 1994:78/79. Über das Primat Italiens in bezug auf literarästhetische Auseinandersetzungen innerhalb Europas vgl. August Buck, "Einleitung: Renaissance und Barock". In: Renaissance und Barock I. Hg.v. August Buck (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft 9) (Frankfurt a.M. 1972), 21-24. Vgl. Karl Kohut, "Rhetorik, Poetik und Geschichtsschreibung bei Juan Luis Vives, Se-

bastián Fox Morcillo und Antonio Lull". In: Texte - Kontexte - Strukturen.

Beiträge

zur

französischen, spanischen und hispanoamerikanischen Literatur. Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl Alfred Blüher. Hg.v. A l f o n s o de Toro (Tübingen 1987), 351. Auf die D o m i n a n z der Rhetorik in Spanien weist auch Buck hin (1972a:35/36). 5

So in seinen Schriften Veritas fucata aus den Jahren 1514 und 1523, vor allem aber in seiner Rhetorik De ratione dicendi von 1532. Vgl. hierzu Kohut 1994:83-87; Kohut 1987b:351-357; Karl Kohut, "Literaturtheorie und Literaturkritik bei Juan Luis Vives". In:

Juan Luis Vives. Arbeitsgespräch in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 6. bis 8. November 1980. Hg.v. August Buck (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 3) (Hamburg 1982), 35-47; Antonio Marti, La preceptiva retórica

española en el Siglo de Oro (Madrid 1972), 21 -42.

50

I. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

Autoren er vorwarf, sich allzusehr am Geschmack des Publikums zu orientieren und dabei vor Unwahrheiten nicht zurückzuschrecken 1 . Nur d i e Dichtung wurde von Vives akzeptiert, die eine moralische Absicht verfolgte oder deren Gegenstand über eine gewisse Größe und Würde verfugte. Letztendlich war jedoch nur die religiöse Dichtung der Historiographie ebenbürtig: Id testati sunt prisci poetae, qui de suis divis carmina prope omnia referserunt, ut appareat carmen esse in hoc repertum ut quae de divis dicuntur, libentius, et majore cum oblectatione audiamus; [...] (Vives 1964:219).

Ähnlich urteilte Sebastián Fox Morcillo in seinem 1557 erschienenen Dialog De historiae institutione2. Auch Juan de Valdés (Diálogo de la lengua, 1535) und Melchor Cano (De locis theologicis, 1564) werteten die Dichtung gegenüber einer dominanten Geschichtsschreibung ab 3 . So mag es nicht verwundem, daß sich bis ins 16. Jahrhundert in den fiktionalen Dichtungen Wahrheitsbeteuerungen finden, die stereotyp den Wahrheitsgehalt der Erzählung versichern, Augenzeugen und Chronisten zitieren usw. Bis schließlich Cervantes im Don Quijote dieses Verfahren mit seiner Figur des Chronisten Cide Hamete Benengeli ironisch parodiert. Parallel hierzu begannen im 16. Jahrhundert unter italienischem Einfluß spanische Theoretiker damit, Fiktion und Dichtung als eigenständig zu betrachten und zu legitimieren. Von großer Bedeutung war hierbei die Wiederentdeckung der Poetik von Aristoteles. Zwar erfolgte die erste spanische Übersetzung des Werks erst 1623, die Inhalte der Poetik waren in Spanien aber bereits im Jahrhundert davor bekannt 4 . Aristoteles schrieb eindeutig die Höherstellung der Dichtung gegenüber der Geschichtsschreibung fest: Daher ist Dichtung etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit (Aristoteles 1993:29).

Zwar war auch Vives oder Fox Morcillo die aristotelische Poetik bekannt, sie blieb jedoch ohne Einfluß auf deren Position gegenüber der Dichtung. Als erstes spanisches Werk, in dem sich der Einfluß der Poetik des Aristoteles ausmachen läßt, gilt mittlerweile die bisher nur wenig beachtete Rhetorik Antonio Llulls, De oratione libri septem, aus dem Jahr 1558. Über eine "Umformung der aristotelischen Theorie" (Kohut 1987b:365), deren Konzepte er nur teilweise übernimmt 5 , gelangt Llull zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Dichtung und Geschichtsschreibung. Die Dichtung, die zusammen mit der Volksrede, der philosophischen Rede und der Geschichtsschreibung zu den Gattungen der Rede gehört, nimmt dabei den höchsten Platz ein: 1 2 3 4

5

Vgl. Juan Luis Vives [loannis Ludovici Vivis], "De ratione dicendi". In ders., Opera omnia II. Hg.v. Gregorio Majansio. Faksimile-Neudruck (London 1964), 218. Zu dem bisher wenig beachteten Fox Morcillo vgl. Kohut 1987b:357-359; Marti 1972:154-162. Vgl. Kohut 1994:89/90. Vgl. Walter Mettmann, "Spanien". In: Dichtungslehren der Romania aus der Zeit der Renaissance und des Barock. Hg.v. August Buck, Klaus Heitmann und Walter Mettmann (Dokumente zur europäischen Poetik 3) (Frankfurt a.M. 1972), 507. Zu den Änderungen Llulls gegenüber der Konzeption des Aristoteles vgl. Kohut 1987b:362-364.

B.

Kontexte

51

Poete autem non solu(m) facta, sed uti fieri potuere, multa scribunt: quod indiciu(m) est, philosophari eos magis, propterea quöd circa universalia magis uersantur, & quid quenquam deceat magis expendunt, probabilia scruta(n)tur, & personis idonea nomina (uelut in Comoedia) imponunt. Philosopho autem praestare etiam hactenus uolunt poetam, quöd no(n) imperiose (ut ille) sed exemplis, & sub persona, quasi in speculo, tarn uiuendi recte norma(m) exhibet, quam nature uim uirtutemq(ue) demonstrat. 1

Nicht der moralische Nutzen rechtfertigt mehr die Fiktion, vielmehr nennt Llull erstmalig Freude und Lust an der Dichtung als zentrale Kategorien. Gleichzeitig markiert Llulls Werk den Wendepunkt von der Rhetorik zur Poetik. Zwar ist seine "Poetik formal noch der Rhetorik untergeordnet" (Kohut 1987b:365), aufgrund seines Inhalts wäre das Werk jedoch eher als Poetik zu betrachten. Es mag dieser innere Widerspruch sein 2 , der dem Werk die Beachtung vorenthielt, die es als "der erste poetologische Text innerhalb des spanischen Humanismus, der die aristotelische Poetik als Grundlage hat" (Kohut 1987b:365), verdient hätte . Einen anderen Weg beschreitet Juan Costa mit seinem theoretischen Werk über Geschichtsschreibung De conscribenda rerum historia (1591). Dieser "Leitfaden zur Anfertigung von Geschichtswerken" (Strosetzki 1994:161) stellt die Rhetorik in den Mittelpunkt seiner Betrachtung und betont auf diese Weise die Literarizität der Geschichtsschreibung und die Gemeinsamkeiten von Dichtung und Historiographie 4 . Costa bewertet beides gleichermaßen hoch, eine Rechtfertigung der Dichtung erscheint ihm nicht mehr notwendig. Allerdings läßt er das Argument von Aristoteles, die Dichtung teile das Allgemeine mit, die Geschichte das Besondere, nicht gelten. Für ihn hat auch die Geschichte eine "Vorbildfunktion" (Strosetzki 1994:162) und erteilt allgemeine Lehren. Den Ausfuhrungen Costas zufolge soll die Geschichtsschreibung ähnlichen Regeln wie die Dichtung folgen: Hier wie dort geht es vorrangig darum, vorbildliche Autoren nachzuahmen, den Gegenstand angemessen zu präsentieren. Letztendlich kommt der Autor dann zu dem Schluß, "daß eine literarische Gestaltung der Geschichtsschreibung der Literatur sogar überlegen ist" (Strosetzki 1994:164). Theoretiker wie Antonio Llull oder Juan Costa, die das Verhältnis von Dichtung und Geschichtsschreibung thematisierten und die Dichtung als solche im Laufe des 16. Jahrhunderts allmählich akzeptierten, sollten die Voraussetzungen schaffen für die erste spanische Poetik, die sich auf die gesamte Dichtkunst bezieht: die 1596 erschienene Filosofia antigua poetica von Alonso Lopez Pinciano. Das dreizehn Briefe umfassende, unter dem Einfluß des Aristoteles stehende Traktat in Dialogform verteidigt zunächst die Dichtung gegenüber den Vorwürfen früherer Zeiten 5 . Immerhin verspricht die Dichtung doppelten Nutzen: "deleyte y doctrina" 6 . Imitation 1 2 3 4 5

6

Aus Antonio Llull, De oratione libri Septem, zitiert nach Kohut 1987b:368; vgl. auch Kohut 1987b:360. Auf diesen Widerspruch weist auch Marti 1972:134 hin. Zu Antonio Llull vgl. außerdem Kohut 1994:88; Marti 1972:131-136. Zu den Ausführungen über Juan Costa vgl. Strosetzki 1994:161 -168. So vor allem im zweiten Brief, w o jedoch Pincianos Versuch, auch Piaton Recht zu geben, wenig überzeugt. Vgl. Alonso López Pinciano, Philosophia antigua poética I. Hg.v. Alfredo Carballo Picazo (Madrid 1953), 177-178. Vgl. auch Sanford Shepard, El Pinciano y las teorías literarias del Siglo de Oro (Madrid 1962), 42-47. Zu den Ausführungen über den Nutzen von Dichtung vgl. López Pinciano 1953:1,210,275.

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/. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

und Wahrscheinlichkeit bestimmen das Wesen der Dichtung und unterscheiden diese hiermit von der Geschichtsschreibung: Assi q u e las descripciones de tiempos, lugares, palacios, bosques y semeja(n)t:s, c o m o sean con imitación y verisimilitud, serán poemas; y no lo será(n) si de imitación carece(n); q u e el q(ue) descriuiese a Aranjuez o al Escurial assí c o m o están, en metro, n j haría poema, sino escriuir vna historia en metro, y assí no sería hazaña mucha; porque a obra principal no está en dezir la verdad de la cosa, sino en fingirla que sea verisímil y llegada a la razón [...] (López Pinciano 1953:1,265).

Der Dichter ist dem Historiker überlegen, da er Neues schafft und an keine Wahrheit gebunden ist1. Somit gelingt Pinciano erstmalig im spanischen Sprachraum die theoretische Autonomisierung der Dichtung. Diese besteht fortan selbständig als eigene Größe und schafft ihre eigene Welt 2 . Damit endet ein Prozeß, der zur allgemeinen Akzeptanz von Dichtung und Fiktion führte. Obwohl gerade das nachtridentinische Spanien eher dichtungsfeindlich orientiert ist und vor allem gegenüber dem Roman noch lange Zeit besonders in theologischen Kreisen Vorbehalte bestehen, hatte sich die Dichtung doch innerhalb der theoretischen Auseinandersetzung eine Position erobert, die ihre Eigenständigkeit nicht mehr in Frage stellen konnte. So mag es nicht verwundern, daß Legitimation und Abgrenzung von Dichtung und Fiktion in den Poetiken des l 7 . Jahrhunderts keine Themen mehr waren, sondern andere, zumeist auf konkrete Gattungsprobleme bezogene Fragen die Diskussion ablösten 3 . Aus dem Abhängigkeitsverhältnis von Wirklichkeit und Fiktion, Dichtung und Historiographie wurde ein Konkurrenzverhältnis: So strebte man danach, v o m Normalen und Herkömmlichen abzuweichen, um die Wirklichkeit durch die Dichtung zu überbieten, sei es auch durch Verdunklung des Sinnes; alles zu d e m Zweck, neue und seltsame Effekte zu erzielen (Buck 1972a:53).

1

2

3

"Q(ue) el historiador va atado a la sola verdad, y el poeta, como antes se dixo. puede yr de acá y por acullá, vniuersal y libreme(n)te, como no repugne a las fábulas recebidas ni a la verisimilitud" (López Pinciano 1953:1,267/268). Auch wenn Pinciano sich bei der Postulierung des Wesens der Dichtung und der damit verbundenen Abgrenzung zur Historiographie weitgehend auf Aristoteles bezieht, so wird die Literatur in Pincianos Konzeption doch vorrangig durch ihre Nähe zur Geschichtsschreibung aufgewertet. Das gilt im besonderen für das Epos, das als "imitación de la historia" (López Pinciano 1953:111,216) die Synthese von Dichtung und Geschichte verspricht. Dies gilt nicht für Luis Alfonso d e Carvallos Cisne de Apolo und Francisco Cascales' Tablas poéticas, die allerdings beide bereits 1602 verfaßt wurden. Während Carvallo in seiner Auseinandersetzung um das Wesen von Dichtung und Fiktion trotz moralischer Bedenken gegenüber der Fiktion den Nutzen der Dichtung hervorhebt und dem Wahrscheinlichen den Vorrang vor d e m Wahren einräumt, argumentiert Cascales in seiner zweiten tabla konservativer gegen die Präferenz der Fiktion. Vgl. hierzu Alberto Porqueras Mayo, El problema de la verdad poética en el Siglo de Oro (Madrid 1961), 19-22; Alberto Porqueras Mayo, La teoría poética en el renacimiento y manierismo españoles (Barcelona 1986), 50-55,67-70. Allgemein zur spanischen Dichtungslehre des 17. Jahrhunderts vgl. Antonio Garcia Berrio, Formación de la teoría literaria moderna II "Teoría poética del Siglo de Oro" (Murcia 1980), 119-546; Marcelino Menéndez Pelayo, Historia de las ideas estéticas en España II. Hg.v. Enrique Sánchez Reyes. Obras Completas de M e n é n d e z Pelayo 2, Santander 1947.

B

Kontexte

53

Nicht mehr imitatio, moralischer Nutzen und Wahrheitsvermittlung bestimmten die Diskussion um die Dichtung, eher künstlerische Originalität, das Schaffen von Neuem und Ungewöhnlichem. So konstatiert Buck ganz folgerichtig für das Zeitalter des Barock die Verschiebung von der normativen Poetik zu einer Wirkungsästhetik, die erneut die Rhetorik in den Mittelpunkt stellt 1 , eine Verschiebung "von den durch den Verstand aufgestellten kontrollierbaren Normen zu dem irrationalen Unwägbaren" (Buck 1972a:56). Das Hauptaugenmerk lag nun auf dem Kunstwerk, das die außerliterarische Realität weitgehend ausblendete. Nur so war es möglich, daß fiktionale Charaktere sich ihrer Fiktionalität bewußt wurden, wie z.B. Don Quijote im zweiten Teil des Cervantinischen Meisterwerks, als er erfahrt, daß seine Heldentaten gelesen werden. Analog zur Literatur läßt sich dieser Prozeß auch für andere Kunstrichtungen, wie z.B. die Malerei, feststellen". Michel Foucaults Schlußfolgerung in seinem Essay über das berühmte Bild Las Meninas von Velázquez: Et libre enfin de ce rapport qui l'enchânait [die Beziehung zum außerliterarischen Modell, I.S.], la représentation peut se donner comme pure représentation3,

galt auch fur die literarische Fiktion der damaligen Zeit.

5. Die Literatur über Amerika Gegenstand der vorliegenden Studie ist die spanischsprachige Literatur über Amerika, wie sie zur Zeit des Siglo de Oro verfaßt wurde. Dabei eignen den hier zu verhandelnden Texten zwei Gemeinsamkeiten: Sie behandeln einen historischen Aspekt amerikanischer Realität, und sie sind als fiktional zu bezeichnen, wobei ihr Fiktionalitätsgrad stark variiert. Nicht berücksichtigt werden zeitgenössische Fachtexte juristischer, theologischer, geographischer, ökonomischer u.a. Art, die allenfalls im historischen Teil zur Rekonstruktion eines allgemeinen Horizonts der Rezeption Amerikas in Spanien herangezogen werden. Die Texte des für das Projekt relevanten Gesamtcorpus sind somit im Bereich von Geschichtsschreibung und Literatur anzusiedeln. Daß der literarische Aspekt eindeutig dominiert, beweist allein die Tatsache, daß die Mehrzahl der historiographischen Texte fester Bestandteil jeder Literaturgeschichte der lateinamerikanischen Literatur ist. Ein Werk über hispanoamerikanische Kolonialliteratur ist kaum vorstellbar ohne die Erwähnung von Colóns Diario de a bordo oder Bemal Díaz' Historia verdadera de la conquista de Nueva España. Der Hauptgrund hierfür muß in dem hohen Fiktionalitätsgrad dieser Texte gesehen werden, der sie in die Nähe der fiktionalen Literatur rückt und eine traditionelle Geschichtswissenschaft zunächst daran hinderte, die Texte als historiographische ernst zu nehmen 4 . Es handelt sich 1 2 3 4

Vgl. Buck 1972a:53. Vgl. Edward Calverley Riley, Cervantes's Theory of the Novel (Oxford 1962), 48. Michel Foucault, Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines (Paris 1966), 31. "Los juicios que relegan a la literatura todo texto con aspiraciones a la historia, que no lleva los requisitos de una moderna concepción de la historiografía, son bastante comunes". Walter Mignolo, "El metatexto historiográfico y la historiografía indiana". Modern Language Notes 96,2 (1981 ):358.

54

I. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

hier um die ersten schriftlichen Zeugnisse über Amerika in spanischer Sprache, die zum Gegenstand der Literatur wie der Historiographie werden sollten. Diese Texte werden nun vornehmlich in den lateinamerikanischen Literaturgeschichten verhandelt, während die Werke zur spanischen Literatur sie allenfalls en passant erwähnen, wenn überhaupt. Und dies, obwohl die Autoren der Texte zumindest der Anfangsphase ausschließlich Spanier sind und die entsprechenden Diskurse allesamt auf die spanische Schrifttradition rekurrieren. Dieser Tatbestand führt zu einer Problematik, die die vorliegende Arbeit und insbesondere die Auswahl des Textcorpus betrifft: die Schwierigkeit der Abgrenzung der hispanoamerikanischen Kolonialliteratur von der spanischen Literatur des Siglo de Oro1. Zwischen beiden Literaturen bestehen zahlreiche Überschneidungen: Autoren, die in Spanien aufgewachsen sind, später dann in den amerikanischen Kolonien leben und schreiben, hispanoamerikanische Autoren, die in Spanien publizieren, Spanier, die über Amerika schreiben usw. Hierbei muß bedacht werden, daß die hispanoamerikanischen Kolonien sich in einer extremen kulturellen Abhängigkeit von Spanien befanden. Das gesamte kulturelle System der spanischen Metropole wurde den Kolonien aufoktroyiert, so daß die hispanoamerikanische Kolonialliteratur in erster Linie spanische Vorlagen zu imitieren scheint, auch wenn sich bei genauerer Betrachtung dennoch eine eigene Entwicklung vermerken läßt. Es bleibt jedoch das Problem der Abgrenzung der beiden Literaturen. Die bisher gebräuchlichen Abgrenzungskriterien wie Thematik, Geburtsort usw. sind teilweise schwer nachzuvollziehen und führten zu unsinnigen Streitigkeiten, wie z.B. über Juan Ruiz de Alarcöns Zugehörigkeit zu einer der beiden Literaturen, die den Verfasser von Dramen hoher Qualität beide für sich beanspruchen wollten 2 . Und die unreflektierte Fortschreibung eines bestehenden Kanons, wie sie die Literaturgeschichten praktizieren, wirkt einer Lösung des Problems entgegen 3 . So wie die hispanoamerikanischen Kolonien des 16. und 17. Jahrhunderts nicht ohne Bezug zur spanischen Metropole gesehen werden können, so kommt man nicht umhin, die hispanoamerikanische Kolonialliteratur zusammen mit Teilen der spanischen Literatur des Siglo de Oro - Texte, die Aspekte Amerikas behandeln oder deren Autoren in den Kolonien lebten, publizierten usw. - als Gesamtkomplex zu betrachten. Innerhalb dieses Komplexes können bestimmte Werke eindeutig einer der beiden Literaturen zugeordnet werden, während ein großer Teil beiden Literaturen zugehörig sein wird 4 . Wie bereits oben erwähnt, wird das entscheidende Kriterium hier für das Corpus die spanische Perspektive eines Textes sein 5 . 1 2

3 4 5

Zum Problem der Abgrenzung der beiden Literaturen mit Vorschlägen für eine Neuorientierung vgl. Simson 1989a. Vgl. hierzu den Überblick über das Vorgehen von spanischer und mexikanischer Seite bei Ronald Daus, "Alarcöns 'Mexicanidad': über die Verwendung eines Klischees". In: Spanische Literatur im Goldenen Zeitalter. Fritz Schalk zum 70. Geburtstag. Hg.v. Horst Baader und Erich Loos (Frankfurt a.M. 1973), 67-87. Vgl. auch David H. Darst, "La mexicanidad de Juan Ruiz de Alarcón". Revista Iberoamericana 91 (1995): 527-533. Ein Vergleich verschiedener Literaturgeschichten hinsichtlich dieser Problematik findet sich bei Simson 1989a:l 84-188. Dies gilt vor allem für die Texte der spanischen Autoren, die in der Anfangsphase der Begegnung der beiden Kulturen über Amerika schrieben. Vgl. hierzu S. 24/25 dieser Studie.

B. Kontexte

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Ein weiteres Problem ist die fehlende Klassifizierung und Benennung der Textsorten vor allem der historiographischen Literatur über Amerika. Die Mehrzahl der Literaturgeschichten und sonstigen Werke der Sekundärliteratur spricht von Chroniken und subsumiert unter diesem Begriff beliebig Werke verschiedener Textsorten 1 . Zu dieser terminologischen Ungenauigkeit mag der Umstand beigetragen haben, daß die zeitgenössischen Texte historischen Inhalts ziemlich unreflektiert abwechselnd mit historia, crónica, relación, diario, memorial, comentario usw. tituliert wurden. Historia und crónica waren im 16. Jahrhundert durchgängig synonym. Genau betrachtet handelt es sich bei der Chronik jedoch um eine sekundäre Geschichtsquelle vor allem des Mittelalters, die dekorlos erinnernswerte Ereignisse chronologisch aufzählt 2 , eine Textsorte, die sich in der Literatur über Amerika nicht findet3. Und als Chronisten sollten an sich nur die von der Krone ernannten offiziellen "cronistas de Indias", wie z.B. Gonzalo Fernández de Oviedo, gelten. Es erstaunt, daß sich die Forschung bis heute kaum dieses Terminologie- und Klassifizierungsproblems angenommen hat. Eine Klassifizierung auf der Basis von Textsorten erscheint jedoch besonders wichtig, da Texte zur damaligen Zeit innerhalb eines streng genormten Gattungsgefüges produziert wurden. Die zumindest im 16. Jahrhundert noch vorherrschende normative Poetik schrieb die Imitation der Autoren und somit auch der Gattungen der Antike vor. Dies galt für die Geschichtsschreibung 4 ebenso wie für die fiktionale Literatur 5 . Nur über den Weg der Bestimmung der Textsorte kann eine ungefähre Zuordnung des jeweiligen Textes zu Historiographie oder Dichtung erfolgen. Chronologische oder regionale Kategorisierungen, wie sie in der Mehrzahl der Literaturgeschichten zu finden sind, vermeiden eine Thematisierung dieses Problems. Dabei sollen die traditionellen Klassifizierungen nach Chronologie und Region nicht generell in Frage gestellt werden, sinnvoll erscheint - gerade für Literaturgeschichten eine kombinierte Kategorisierung aus Textsorte, Region und Chronologie. Das eben angesprochene Abgrenzungs- und Klassifizierungsproblem ist nicht nur aufgrund der hier auftretenden praktischen Erwägungen von Bedeutung. Es ist ein Problem, das einer grundlegenden, möglichst einheitlichen Klärung bedarf. Sowohl

1

So z.B. Luis Leal, Breve historia de la literatura hispanoamericana, New York 1971, oder Giuseppe Bellini, Historia de la literatura hispanoamericana. Spanische Übersetzung, Madrid 1985. Hurtado/Giuliani/Pedraza Jiménez weisen zwar auf die Klassifizierung Mignolos hin, verfahren allerdings weiterhin traditionell und teilen in allgemeine und regionale Chroniken ein. Vgl. Hitos Hurtado/ Luigi Giuliani/ Pilar Pedraza Jiménez, "La prosa del siglo XVI". In: Manual de literatura hispanoamericana I "Epoca virreinal". Hg.v. Felipe B. Pedraza Jiménez (Berriozar 1991), 85-221. Differenzierter geht Esteve Barba vor, der zwar auch chronologisch/regional kategorisiert, jedoch die verschiedenen Textsorten unterscheidet. Vgl. Francisco Esteve Barba, Historiografía indiana. Erweiterte Fassung, Madrid "1992.

2

Vgl. hierzu Walter Mignolo, "Cartas, crónicas y relaciones del descubrimiento y la conquista". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v. Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 75. Gegen die Etablierung des Genres der "crónica literaria" wendet sich der Artikel von Mignolo 1981. Zur Geschichtsschreibung des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Mignolo 1981:364-380. Vgl. Buck 1972a:45.

3 4 5

56

l. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

Literaturgeschichten über lateinamerikanische oder spanische Literatur, aber auch weitergehende Forschungsarbeiten können von einer theoretischen Basis der Abgrenzimg und Klassifizierung profitieren. Dem Gattungsproblem der historiographischen Texte über Amerika hat sich bislang nur Walter Mignolo gewidmet, an dessen Ausführungen ich mich im folgenden weitgehend orientiere 1 . Inzwischen werden seine Vorgaben von weiteren Kreisen der Forschung akzeptiert oder doch zumindest diskutiert . Die hier relevanten spanischen Texte über Amerika lassen sich in vier Kategorien von Textsorten einteilen, wobei zwei der Historiographie und zwei der Fiktion zuzurechnen sind. Diese Klassifizierungen sind moderner Prägung gemäß dem oben entwickelten Abgrenzungsmodell zu Geschichtsschreibung und Literatur; Abgesehen von der bereits erwähnten allgemeinen Notwendigkeit eines Modells der Kategorisierung nach Textsorten sind die Klassifizierungen hier notwendig als Arbeitsstruktur. Die Kategorien sind bewußt so weit gefaßt, daß sie den Texten einen gewissen Spielraum gewähren. Innerhalb der einzelnen Kategorien kommt es zu verschiedenen Positionierungen. Die auf der Seite der Historiographie zu verbuchenden Texte bilden zwei Untergruppen: die rein historiographischen Werke auf der einen Seite der Skala 3 und historiographische Texte mit einer autobiographischen Perspektive anderer Textsorten, die mehr in Richtung Fiktion tendieren 4 . Gemeinsam ist diesen Texten, daß ihre Bezüge zur außerliterarischen Welt wichtiger sind als textinteme Strukturen. Alle sind sie Gebrauchstexte, die auf verschiedene Weise über historisches Geschehen informieren. Zur damaligen Zeit wurden diese Werke dem historiographischen, nicht dem literarischen Genre zugeordnet 5 . Erst eine moderne Sichtweise wurde auf den fiktionalen Gehalt dieser Texte aufmerksam. Die historiographische Literatur (historias) (I) liefert vorrangig einen Überblick über einen Gesamtkomplex historischer Geschehnisse, kann aber auch von einem einzelnen historischen Ereignis oder dem Leben einer Person handeln. Geschichte wird dabei nicht nur dargestellt, sondern auch von einem distanzierten Standpunkt aus erklärt. Die Autoren bemühen sich um Objektivität 1 , vertreten oft aber doch 1

Vor allem Mignolo 1982 setzt sich ausführlich mit der Kategorisierung der historiographischen Texte über Amerika auseinander. Allerdings verwendet er historia und crönica synonym. Ein Klassifizierungsansatz von Ronald Daus ist allgemeiner gehalten und schließt die Literaturen Afrikas und Asiens mit ein. Das Problem der Abgrenzung wird von Daus nicht berücksichtigt. Vgl. Ronald Daus, "Politische Literatur". In: Dritte Welt. Gesellschaft - Kultur - Entwicklung. Hg.v. Dieter Nohlen und Peter Waldmann (München, Zürich 1987), 421-431. Vgl. auch Eva Stoll, Konquistadoren als Historiographen. Diskurstraditionelle und textpragmatische Aspekte in Texten von Francisco de Jerez, Diego de Trujillo, Pedro Pizarro und Alonso Borregan (Tübingen 1997), 56-76

2 3 4

Für Kritik an Mignolo vgl. Stoll 1997:71/72. Vgl. hierzu und für die weiteren Ausfuhrungen das Modell in Anhang I. Da die einzelnen Texte und Gattungen in den jeweiligen Kapiteln noch ausführlich dargestellt werden, verzichte ich hier weitgehend auf Literaturangaben und beschränke mich auf das Notwendige. Vgl. Mignolo 1981:363. Einen guten chronologischen Überblick über die historiographische Literatur gibt Mignolo 1982:75-98. Vgl. auch die Synopse im Anhang bei Mignolo 1982:103-110.

5 6

B.

Kontexte

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eine bestimmte Position, die in der Regel dem jeweiligen Machtdiskurs entspricht, sich diesem manchmal jedoch auch entzieht. Die Texte sind auf ihre Veröffentlichung hin konzipiert, und den Autoren geht es um eine wahrheitsgetreue Darstellung der entsprechenden Geschichte. Bisweilen handelt es sich bei den Werken um Auftragsarbeiten, wie die des ersten offiziellen Hofchronisten für die spanischen Kolonien, Gonzalo Fernández de Oviedo. Die Mehrzahl der Texte stützte sich auf Augenzeugenberichte, später dann auch auf frühere Werke. Während in der Anfangszeit die Gesamtschauen überwogen (historia natural, moral, general), dominierte im 17. Jahrhundert die historia particular, das historiographische Werk über eine bestimmte Region. Der Fiktionsgehalt der historias variiert. Neben den fiktionalen Elementen, wie sie Hayden White jeder historiographischen Darstellung zuschreibt, entdeckt der moderne Leser in einer Vielzahl dieser Texte Fiktion in Form von Verfälschungen, Folge einer ideologischen Position, die der Autor über den Text vertritt, oder einfach aufgrund von Unkenntnis. Die Menschen aus Renaissance und Barock verfugten noch nicht über einen rational geschulten Verstand, der stets zwischen real Möglichem und Wunderdingen unterscheiden konnte. Bekannt ist auch der Einfluß direkter literarisch-fiktionaler Vorgaben auf die historias. Diese Gruppe schließt die teilweise ebenfalls mit historia betitelten Berichte aus, die autobiographisch erzählen und die mit anderen Texten eine eigene Kategorie begründen (II). Dafür sollen der historiographischen Literatur die relaciones geográficas2 angehören, Texte über die amerikanischen Kolonien, die im Auftrag der spanischen Krone zu Verwaltungszwecken von Kompilatoren auf der Basis von Fragebögen verfaßt wurden. Die spanischen Könige hatten bereits früh eine Informationspflicht für die in die Kolonien Reisenden eingeführt 3 , die 1574 mit der Erarbeitung von Fragebögen institutionalisiert wurde. Auf der Grundlage dieser vom "cronista mayor de Indias" Juan de Ovando y Godoy und seinem Nachfolger López de Velasco verfaßten Fragebögen wurden "Nachrichtendossiers" (Daus) erstellt, die als geheime Dokumente zur Information höchster staatlicher Kreise und nicht für die Veröffentlichung vorgesehen waren 4 . Mignolo zählt zu den relaciones auch längere Werke in der Form von historias, die auf Fragebögen basieren, wie z.B. Bernardino de Sahagúns Historia de las cosas de la Nueva España5. Die relaciones geográficas unterliegen von allen historischen und historiographischen Texten am wenigsten "literarischen" Einflüssen. Obgleich sie in einer nüchternen, vermeintlich objektiven Sprache abgefaßt wurden, verfügen auch sie über nicht 1

2 3

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Wenn die historias auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen basieren, wird die autobiographische Perspektive unter Hinzunahme weiterer Informationsquellen jedoch erweitert und nahezu aufgegeben. Es wird nicht nur das eigene Erleben referiert. Zu den relaciones geográficas vgl. Mignolo 1982:70-75; Daus 1987:423. Vgl. Mignolo 1982:59; José Urbano Martínez Carreras, "Estudio preliminar: D. Marcos Jiménez de la Espada y las 'Relaciones' del siglo XVI". In: Marcos Jiménez de la Espada, Relaciones geográficas de Indias. - Perú. Band 1. Hg.v. José Urbano Martínez Carreras (Madrid 1965), XLVIII. Die umfassendste Sammlung von relaciones dürfte die von Marcos Jiménez de la Espada sein. Vgl. auch Juan López de Velasco, Geografia y descripción universal de las Indias. Hg.v. Marcos Jiménez de la Espada (BAE 248), Madrid 1971. Vgl. Mignolo 1982:70-75.

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I. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

unwesentliche fiktionale Elemente, weniger das Ergebnis der Phantasien und Verfälschungen der zumeist spanischen Kompilatoren als vielmehr der ihrer Informanten, Einheimischen oder Siedlern, die am Wahrheitsgehalt der Texte zweifeln lassen. Zur zweiten Kategorie der Historiographie, der historiographischen Literatur mit autobiographischer Perspektive (II), sollen die cartas relatorias und die zumeist als historia oder relación betitelten autobiographischen Texte gehören. Die cartas relatorias1 waren die ersten schriftlichen Äußerungen über Amerika und die spanischen Aktivitäten auf dem bisher für Europa unbekannten Kontinent. Sie fanden in einer ersten Phase eine schnelle und massive Verbreitung und wurden vereinzelt auch bereits unter dem Aspekt einer möglichen Veröffentlichung verfaßt. Ihre Autoren waren Spanier: Entdecker, Eroberer, Siedler, Missionare oder Verwaltungsbeamte. Sowohl die relaciones geográficas als auch die cartas relatorias sind Texte der historischen Gebrauchsliteratur. Diese werden in der Regel nicht um ihrer selbst willen und mit dem Ziel der Veröffentlichung geschrieben, sondern verfolgen neben der Information einen anderen Zweck. So wurden die berühmtesten Beispiele der cartas relatorias aus Gründen der weiteren Mittelbeschaffung (Colón) und der Rechtfertigung (Cortés) verfaßt 2 . Man kann von einer doppelten Rezeptionsstruktur dieser Texte sprechen, die zunächst als informative Gebrauchstexte, später dann als historiographisch-literarische Werke rezipiert wurden. Diese historischen Gebrauchstexte erfüllen nicht die Anforderungen, wie sie die Geschichtsschreibung im allgemeinen verlangt: Distanz, Erklärung, Übersicht usw. Als Gebrauchstexte dienten all diese Werke einem bestimmten Zweck, und um diesen zu erreichen, blieben Manipulationen innerhalb der Texte nicht aus. So orientierten sich Schilderungen an persönlichen Interessen oder wurden ideologisch angepaßt: Um die Gunst der Könige zu gewinnen, berichteten die Autoren nur das, was dem Konzept von Staat und Herrschern entsprach. Diese Verfahren rücken die historischen Gebrauchstexte in die Nähe der literarischen Fiktion. Auch ein Teil der autobiographisch ausgerichteten historias und relaciones diente ursprünglich anderen Zwecken als der Information. Die Texte, wie z.B. Díaz del Castillos Historia verdadera de la Conquista de la Nueva España oder Alvar Núñez Cabeza de Vacas Naufragios, basieren - wie die Mehrzahl der cartas relatorias auf persönlich erlebten Ereignissen. Sie unterscheiden sich von den übrigen historias durch ihre eindeutig subjektive Perspektive, bieten aber zumeist einen abgeschlossenen Überblick über ein bestimmtes historisches Geschehen und entstanden aus dem Wunsch der Autoren, Geschichte zu schreiben 3 . Dies unterscheidet diese 1 2

3

Zu den cartas relatorias vgl. Mignolo 1982:59-69; Gewecke 1986:88-133. Mignolo zählt nur die cartas relatorias, jedoch nicht den restlichen reichhaltigen Briefwechsel zwischen Spanien und seinen Kolonien zur Historiographie. Seiner Meinung nach sind diese Briefe nur "comunicaciones" und keine Erzählungen über amerikanische Ereignisse. Vgl. Mignolo 1982:59. Diese Briefe sind allerdings aus verschiedenen Gründen - nicht zuletzt aus mentalitätshistorischen - interessant und verraten einiges über die Rezeption amerikanischer Phänomene in Spanien. Mignolo geht auf diese Texte nicht ein. Seiner Meinung nach ist Díaz del Castillos Werk "algo más que el 'documento' irremplazable de su experiencia" (1982:83), und dessen Zugehörigkeit zur Historiographie begründet sich auf der "Perspektive von unten" und auf der Sprache, die weniger auf klassische denn auf volkstümliche Vorbilder rekurriert. Vgl. Mignolo 1982:83.

B.

Kontexte

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Texte ganz wesentlich von den cartas relatorias. Es ist die autobiographische Komponente der cartas relatorias und historias/relaciones, die sie in die Nähe der literarischen Fiktion rückt. Der fiktionale Charakter der Texte ergibt sich aus der individuell-subjektiven Perspektive, die die Autoren in ihre Werke einbringen und über die auch Phantasien und Lektüreerfahrungen der Verfasser einfließen. Um einen gewissen Überraschungseffekt zu garantieren und den Erwartungen der Leser zu entsprechen, werden Sensationen gelegentlich auch erfunden. Bei der Mehrzahl der cartas relatorias und autobiographischen historias!relaciones handelt es sich um Reiseberichte. Spanische Autoren reisten nicht wie später Angehörige anderer Nationen durch Amerika, um dann aus der Distanz über ihre Reiseerlebnisse zu berichten. Sie waren entweder als Entdecker, Eroberer oder Missionare von Anfang an in das politische Geschehen involviert, so daß der typische Reisebericht, wie er vor allem für die englische und französische Literatur späterer Zeiten vorliegt, für die spanische Literatur kaum auszumachen ist. Auch wenn der Grad der Fiktionalität im Einzelfall stark variieren mag, so läßt sich doch für die historiographische Literatur über Amerika eine Entwicklung feststellen von der um Objektivität bemühten, distanzierten Präsentation amerikanischer Geschichte der historias über die historische Gebrauchsliteratur, die aufgrund ihrer doppelten Rezeptionsstruktur einer stärkeren Fiktionalisierung unterliegt, bis zu den autobiographischen historias und relaciones, die die individuell-subjektive Perspektive ihrer Autoren in die Nähe der Fiktion nickt. Die andere Seite der Skala nehmen die Gattungen der Fiktion ein. Auch hier lassen sich zwei Kategorien feststellen: Auf der einen Seite, am den historias entgegengesetzten Pol, wäre die "reine" Fiktion anzusiedeln, d.h. fiktionale Texte der Gattungen Lyrik, Drama und Roman (IV), während auf der anderen Seite, in Nähe zur Historiographie, Epen und Romanzen postiert werden (III). Gemeinsam ist diesen Texten, daß ihre internen Strukturen von größerer Relevanz sind als ihr jeweiliger Bezug zur Außenwelt. Es handelt sich um ästhetische Kunsttexte, die unterhalten, belehren, in einem bescheidenen Maß auch informieren möchten. Allerdings besteht der Anlaß des Schreibens eines solchen Textes primär in der Produktion eines Kunstwerks und nicht in dem der Information über einen historischen Gegenstand. Die Werke sind, im Vergleich zu den historiographischen, hochfiktional. Die Autoren dieser Texte sind mehrheitlich Spanier, nur im Bereich der Epen wurden vermehrt Werke auch von Autoren des kolonialen Amerika verfaßt. Auf verschiedene Weise behandeln die fiktionalen Literaturgattungen Drama, Lyrik und Narrativik das Thema 'Amerika' (IV). Die Textbeispiele hierfür sind nur gering, gehörte Amerika doch sicher nicht zu den bevorzugten literarischen Themen der Epoche. Während es jedoch einige comedias gibt, die sich einem Ausschnitt der amerikanischen Realität ganz widmen oder fragmentarisch amerikanische Aspekte behandeln, während eine ganze Anzahl von Gedichten vorliegt, die verschiedene Bereiche der amerikanischen Geschichte thematisieren, und sei es ebenfalls nur punktuell, ist kein Roman der damaligen Zeit bekannt, der sich dieses für heutige Rezipienten so interessant erscheinenden Themas angenommen hätte. Historische Themen hatten bislang kaum Eingang in die noch wenig entwickelte Romanproduktion gefunden. Und der 1554 veröffentlichte Lazarillo de Tormes gilt allgemein als der erste Roman, der eine "realistischere" Schreibweise wagt und beispielsweise real

60

/. Der theoretische Kontext: Dichtung und Geschichtsschreibung

existierende Orte benennt. Lediglich die in der zweiten Hälfte des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts erschienenen Moriskenromane und -erzählungen, die Aspekte der maurischen Lebenswelt historisch darstellen, hätten als Vorbilder für Romane über Amerika dienen können. Es kam hier jedoch zu keiner Adaptation einer amerikanischen Thematik, und so blieb der versprochene zweite Teil des Buscön Quevedos, der in Amerika spielen sollte, ungeschrieben. Es liegen nur zwei Fragmente aus Schelmenromanen vor, die von Reisen nach Amerika berichten. Auch wenn die Autoren dieser fiktionalen Kunsttexte ihr Wissen über die jeweils behandelte Geschichte zumeist aus historiographischen Werken bezogen, so war doch weiterhin die fiktionale Literaturtradition die vorrangige Basis für diese Werke. Die Texte sind eindeutig und ausschließlich fiktional und geraten trotz realistisch dargestellter Episoden und Strukturen kaum in die Nähe der Geschichtsschreibung. Eine besondere Stellung innerhalb der fiktionalen Literatur nehmen die Epen und Romanzen über amerikanische Themen ein (III). Das Epos ist eine traditionelle literarische Gattung, die auf besondere Weise historische Themen bearbeitet. Zwar sind die Epen eindeutig der Fiktion zuzurechnende ästhetische Kunsttexte, die Intention der Autoren der Epen amerikanischer Thematik bestand aber auch in dem Aspekt der Information. Diese Texte möchten in anspruchsvoller Kunstform über aktuelles historisches Geschehen informieren", was auf einem anderen Niveau gleichermaßen für die Romanzen gilt. Die Epen zur amerikanischen Thematik ragen aus der spanischen Epenproduktion der damaligen Zeit heraus. Die gewaltsame Eroberung des amerikanischen Kontinents durch spanische Conquistadores und Missionare, die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Spaniern und Einheimischen, aber auch unter den Eroberem und Siedlern, die den Spaniern magisch-fremd erscheinende Welt der amerikanischen Ureinwohner schienen als idealer Stoff den Forderungen der Gattung zu entsprechen. Der Fiktionalitätsgrad der einzelnen Texte, die vor allem von spanischen, später dann auch von amerikanischen Autoren verfaßt wurden, variiert beachtlich. Dabei gilt es vor allem zu beachten, daß die Mehrzahl der Autoren von eigenen Erlebnissen und Beobachtungen berichtet. Bei einigen der Texte fällt es tatsächlich schwer zu entscheiden, ob die Innenstruktur oder der Außenbezug von größerer Relevanz ist. Es stellt sich die Frage, ob diese Texte auf der Schwelle zwischen Geschichtsschreibung und Fiktion stehen und eventuell beiden Schreibweisen angehören. Die Forschung, die sich bisher dieser Thematik nur in Ansätzen gewidmet hat, äußerte seit jeher Zweifel an der Genrezugehörigkeit von Texten wie Alonso de Ercillas Araucana. So wurden Abweichungen vom traditionellen Kanon der Epik konstatiert, und die Araucana - gleichzeitig bekanntestes und wohl auch bedeutendstes Epos über Amerika - zur historiographischen "crönica rimada" deklariert. Auch Mignolo spricht von einer "ambiguedad discursiva" (1982:98) der Araucana und anderer Texte. Daß Ercillas Werk für die Geschichtsschreibung von großer B edeutung ist, steht außer Frage, gilt es doch bis heute als eine der Hauptquellen der historischen Ereignisse um die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Spaniern 1

Es wird hier im entsprechenden Kapitel zu untersuchen sein, inwieweit die Epen über Amerika die Gattungsvorlagen überschreiten bzw. ob von einer eigenen Genrebildung gesprochen werden kann.

B.

Kontexte

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und Araukanern 1 . Auch die Zuordnung anderer ähnlicher Texte zu Geschichtsschreibung oder Dichtung ist umstritten 2 . Diese gattungsspezifische Klassifizierung der Literatur über Amerika entspricht in groben Zügen auch der chronologischen Abfolge der literarischen Produktion. Die ersten Texte, die sich des Themas 'Amerika' annahmen, waren historiographischer Art. Den ersten cartas relatorias folgten bald, zu einer Zeit, als Eroberung und Kolonisierung längst nicht abgeschlossen waren, erste überblickende Werke, die historias. Während ab ca. 1555 aufgrund königlicher Maßnahmen kaum mehr Berichte über Amerika publiziert werden konnten, faßte gerade zu dieser Zeit eine Gattung Fuß, die auf besondere Weise Literatur und Geschichte verbindet: das Epos über amerikanische Themen. Aktuelles historisches Geschehen wird in Form einer traditionellen fiktionalen Gattung präsentiert. Erst in einer noch späteren Phase sollte sich die übrige literarische Fiktion mit ihren Genres der amerikanischen Thematik Amerikas widmen. Dies soll nicht heißen, daß zu bestimmten Zeiten nicht verschiedene Gattungen historiographischer oder fiktionaler Art zeitgleich publiziert wurden oder sogar manche historias zu einem späteren Zeitpunkt als z.B. eine comedia über ein amerikanisches Thema. Der Beginn der jeweiligen Produktion des entsprechenden Genres allerdings erfolgte sukzessiv nach oben benannter Abfolge, so daß sich im gesamten Prozeß der Literaturproduktion über amerikanische Themen eine Entwicklung von der Dokumentation zur Fiktion feststellen läßt.

6. Das Corpus Das Corpus dieser Studie, mit dem schwerpunktmäßig gearbeitet werden soll, setzt sich aus den fiktionalen und den historiographisch-fiktionalen Texten zusammen. Die historiographischen Werke werden nicht als Texte berücksichtigt, so daß auch keine Einzelanalysen erfolgen, vielmehr sollen sie - in ihrer Gesamtheit betrachtet helfen, einen allgemeinen historischen Horizont der Rezeption Amerikas in Spanien zu rekonstruieren. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird auf den Texten der Fiktion liegen. Das nicht sehr umfangreiche Corpus umfaßt die Textsorten der Epen, Romanzen, Dramen, lyrischen Gedichte und zwei Romanfragmente. Erforderlich ist eine durchgängige Behandlung der amerikanischen Thematik innerhalb eines geschlossenen Textes, so daß weder Anspielungen noch Werke, die einzelne Aspekte Amerikas lediglich ert passant thematisieren, berücksichtigt wurden. In begründeten Fällen wurden Fragmente in das Corpus integriert (z.B. beim Roman, bei Góngoras Soledades).

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Einige der historiographischen Texte über die Eroberung Chiles basieren nahezu ausschließlich auf Ercillas Text. Während Mignolo beispielsweise die Elegías de varones ilustres von Juan de Castellanos in seiner Synopse als "historiografía indiana" anführt, behandelt Giovanni Meo-Zilio den Text im selben Sammelband innerhalb der Kategorie der Epik. Auch in diesem Fall wird diskutiert, ob der Text die Form des Epos erfüllt oder als gereimte Chronik zu betrachten ist. Vgl. Mignolo 1982:105; Giovanni Meo-Zilio, "Juan de Castellanos". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v. Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 205-214.

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I. Der theoretische

Kontext: Dichtung und

Geschichtsschreibung

Die Suche nach den Primärtexten erfolgte über die Bibliotheken und die Sekundärliteratur, wobei eine Reihe von Werken behilflich war, die in der spanischen Literatur des Siglo de Oro das Motiv Amerikas aufspürten und die Texte katalogartig auflisteten 1 . Für die Epen hilfreich war das Standardwerk der historiographischen Literatur über Amerika, Francisco Esteve Barbas Historiografía indiana, das auch die epischen Texte, teilweise sogar Romanzen berücksichtigt. Ein schwieriges Unterfangen war das Sammeln der lyrischen Texte und Romanzen, die nicht zahlreich und noch weniger systematisch erfaßt sind. In Romanzensammlungen, bei den Widmungsgedichten von Epen und historiographischen Texten, vorrangig aber auch wieder über die - wenngleich spärliche - Sekundärliteratur konnten Texte ausfindig gemacht werden. Im Gegensatz zu den Epen und Dramen, die weitgehend vollständig erfaßt sein dürften 2 , ist aufgrund des Fehlens von Material bei den Romanzen, mehr noch bei den lyrischen Gedichten eine systematische Erfassung der Texte noch nicht möglich. Von einem Teil der Werke liegen moderne Textausgaben vor, andere dagegen wurden nie veröffentlicht, und ihre Manuskripte können nur in den Bibliotheken eingesehen werden. Texte, die nicht zu erhalten waren, wurden in dem Corpus nicht berücksichtigt 3 . Detaillierte Einzelheiten zu den Texten des Corpus finden sich in den jeweiligen Eingangskapiteln der beiden Teile, die das Amerikamotiv der fiktionalen Literatur untersuchen (C und D). Zwar ist das mit fiktionalen und historiographisch-fiktionalen Texten angelegte Corpus der spanischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts über Amerika nicht sehr umfangreich, es können aber trotzdem nicht alle Texte eingehend analysiert werden. Die Studie nimmt für die verschiedenen Erscheinungen und Funktionen der Literatur über Amerika eine Auswahl exemplarischer Texte vor, wobei gleichermaßen bekannte und unbekannte Werke, veröffentlichte und solche, die nur in Manuskriptform vorliegen, für die Analyse berücksichtigt werden. Die so ermittelten Erscheinungen und Resultate werden dort, wo es sinnvoll erscheint, durch Hinweise zu anderen Texten aus dem Gesamtcorpus ergänzt.

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So z.B. Winston A. Reynolds, der in seinem Buch über Hernán Cortés en la literatura del Siglo de Oro jede literarische Äußerung der Epoche zu Cortés anführt. Brauchbar waren hier auch ähnliche "sammelnde" Werke zum Thema 'Amerika', wie z.B. Angel Francos El tema de América en los autores españoles del Siglo de Oro (Madrid 1954), Marcos A. Morínigos América en el teatro de Lope de Vega (Buenos Aires 1946), verschiedene Werke von José Toribio Medina u.a. Für eine Auflistung der Epen vgl. den Anhang II, für die Dramen den Anhang III. Auf eine Auflistung der Gedichte wurde verzichtet. Wie z.B. das Poema Heroyco hispano-latino panegyrico de la fundación y grandezas de la muy Noble y leal Ciudad de Lima von Rodrigo de Valdés, dessen Ausgabe in der Biblioteca Nacional in Madrid als verloren gilt. Exemplare davon gibt es offensichtlich noch in der Nationalbibliothek in Lima und der John Carter Brown Library in Providence. Auch die beiden verloren geglaubten comedias von Lope de Vega, La conquista de México und El marqués del Valle, werden nicht im Corpus angeführt.

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B. Kontexte

II. Der phänomenologische Kontext: die Wahrnehmung des Anderen Es gibt Freunde und Feinde. Und es gibt Fremde. Zygmunt Bauman

1. Das Ich und das Andere Das Ich und das Andere 1 bedingen sich gegenseitig, ihr Verhältnis ist als dialektisch zu bezeichnen. Jedes Ich erhält seine Identität über die Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Anderen: Das fremde Ich ist mir immer schon gegeben, es ist vor der Genese meines Ich existent und wirkt an dessen Aufbau mit. Denn erst wenn dem menschlichen Wesen Alternativen zu dem, was es ist, zugänglich sind, ist es in der Lage, ein Ich herauszubilden. [...] Erst indem ich den anderen als mir symbolhaft ähnlich identifiziere, kann ich mein Ich selbst konstituieren. Der andere ist für mich Ausgangspunkt und Gegenüber zugleich (Ohle 1978:38/39).

Selbstbewußtsein ist nur über den Weg außerhalb des Ich zu erlangen, so daß Karlheinz Ohle treffend feststellt: "Ohne das Fremde ist das Eigene unmöglich" (1978:1). Jegliche Art von Bewußtseinsprozeß und Fremderfahrung fuhrt über eine Auseinandersetzung mit dem Anderen: Sei dies nun die kognitive Individuationsphase des Kleinkindes in seinen ersten Jahren, die Erfahrung eines neuen (fremden) Sachverhalts oder die Begegnung einer national bestimmten Gruppe mit einer anderen Ethnie. Erst diese Auseinandersetzung mit dem Anderen ermöglicht soziales Verhalten. Und das Andere verfugt über einen enormen Facettenreichtum. Bezeichnet es doch die gesamte außerhalb des Ich stehende Welt, verschiedene soziale, gesellschaftliche oder ethnische Gruppen, je nach Perspektive inner- oder außergesellschaftliche Gruppierungen. Hier nun soll die Begegnung mit dem anderen, dem Angehörigen einer anderen 1

Die Alteritätsforschung basiert auf den philosophischen Grundlagen von Phänomenologie und Existentialismus. Philosophen wie Martin Buber, Edmund Husserl und Jcan-Paul Sartre setzten sich ausführlich mit dem Phänomen des Anderen auseinander. Doch bereits bei Fichtc und Hegel finden sich Überlegungen zum Fremd-Ich. M. Foucault machte anhand seiner Untersuchungen über Wahnsinn, Kliniken und Gefängnisse den anderen im Innern der Gesellschaft aus. In der Psychoanalyse war es J. Lacan, der das Unbewußte als den Diskurs des Anderen manifestierte. Als bedeutendstes Werk der letzten Jahre dürfte Tzvetan Todorovs Werk La conquête de l'Amérique. La question de l'autre gelten, in dem der Autor am Beispiel der Eroberung Amerikas verschiedene Varianten der Begegnung mit dem anderen analysiert und dabei die einzelnen Ansätze der Alteritätsforschung verbindet. Zum philosophischen Aspekt der Alteritätsforschung vgl. Michael Theunissen, Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart, Berlin, New York 2 1981. Eine grundlegende soziologische Einführung bietet Karlheinz Ohle, Das Ich und das Andere. Grundzüge einer Soziologie des Fremden, Stuttgart 1978. Für einen knappen Überblick über Phänomene, die bei der Begegnung mit anderen Kulturen zum Tragen kommen, vgl. den Exkurs bei Gewecke 1986, "Begegnung mit dem Fremden. Zur sozialpsychologischen Grundlegung ethnischer Stereotype" (273-296). Vgl. außerdem Brigitte SchliebenLange (Hg.), Alterität. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Lingustik 110, Stuttgart, Weimar 1998.

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II. Der phänomenologische

Kontext: die Wahrnehmung

des

Arderen

Ethnie und Kultur, interessieren. Zu unterscheiden ist das Fremde in zwei Kategorien: das Fremde, das zwar als solches erfaßt werden kann, sich einem näheren Verständnis jedoch entzieht, und das Fremde, das Wertungen und damit verbundene Einordnungen zuläßt. Ohle spricht in erstbenanntem Fall vom kognitiv Fremden, "das in dem Sinne unbekannt ist, als es keine Möglichkeit der Ent-fremdung durch Symbolisierung gibt" (1978:19), und wählt als aussagekräftiges Beispiel die Bewohner des Sirius . Baumans Analogie hierzu ist der Fremde schlechthin, der Unbestimmte, "Unentscheidbare", weder Freund noch Feind, da eine Bewertung und Klassifizierung dieses Fremden unmöglich erscheint. Er, "Träger und Verkörperung des Inkongruenten", bleibt für den Betrachter in seiner Nichtfaßbarkeit ambivalent: "Es gibt kaum eine regelwidrigere Anomalie als die des Fremden"'. Diesem unbestimmt Fremden steht nun das normativ Fremde gegenüber, das bewertbar und kategorisierbar erscheint 3 . Der zunächst nur kognitiv erfaßte andere wird durch Analogiebildung entschlüsselt, erklärbar gemacht und somit ent-fremdet. Damit dieser Prozeß der Entfremdung funktioniert, muß der andere, der Fremde, dem Ich zugleich nah und entfernt sein: Andersheit [...] richtet sich auf jene, die dem eigenen Wesen so ähnlich scheiner, daß alle ersichtliche Verschiedenheit mit dem Gewohnten verglichen werden kann, und die dennoch so verschieden sind, daß der Vergleich zur theoretischen und praktischen Herausforderung wird. 4

Der so erfaßte andere wird nun als Freund oder Feind klassifiziert. Dabe: bedient sich das Individuum eines Hilfsmittels, des Stereotyps. Die unbekannte Situation, die Begegnung mit dem Fremden, fuhrt in einer ersten Phase zu einer Bedrohung des eigenen Wertesystems, zur Angst vor einem Kontrollverlust, auf die das Individuum reagiert, indem es den anderen durch einfache Symbolisierungen stereotypis.ert: We project that anxiety onto the Other, extemalizing our loss of control. The Oder is thus stereotyped, labeled with a set of signs paralleling (or mirroring) our loss of confol.5 Die Andersheit des Fremden verunsichert derart, daß die erste, spontane Reaktion des Ich meist die der Geringschätzung ist6.

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Vgl. Ohle 1978:18-25. Zygmunt Bauman, "Moderne und Ambivalenz". In: Das Eigene und das FremJe. Neuer Rassismus in der Alten Welt? Hg.v. Uli Bielefeld (Hamburg 1991), 31. Im Gegensatz zu den phänomenologisch begründeten Ausführungen Ohles argumentiert Baurran historisch: Er betont die enge Verbindung des unerklärbaren Fremden mit dem Au:T4), 54. Sander L. Gilman, Différence and Pathology. Stereotypes of Sexuality, Race, cnd Madness (Ithaca, London 1985), 20. Vgl. Tzvetan Todorov, La conquête de l'Amérique. La question de l'autre (Pais 1982), 81.

B. Kontexte

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Dieses Verfahren der Stereotypisierung', "a combination of real-life experience [...] and the world of myth" (Gilman 1985:21), geht auf die kindliche Frühwahmehmung zurück und gilt als primäre Basis jeder Fremdwahrnehmung 2 . In einem weiteren Schritt, nach Überwindung der Furcht vor Kontrollverlust, sollte diese erste stereotype Betrachtung des Fremden differenziert werden, so daß "for the non-pathological individual the stereotype is a momentary coping mechanism" (Gilman 1985:18), den es in der Folgezeit abzubauen gilt. Daß dem nicht unbedingt so ist, hängt mit der Konstitution des betrachtenden Ich zusammen. Werden Angst und Unsicherheit nicht überwunden, ist das Selbstwertgefühl des Individuums oder der Gruppe nur ein sehr geringes, dann dominiert weiterhin die stereotype Betrachtungsweise. Auch die Tatsache, daß die negative Beurteilung, die Einordnung des anderen als Feind, bei der Mehrzahl der konkreten Situationen dominiert, hängt mit dem unsicheren Standpunkt des Betrachters oder auch mit anderen Faktoren, wie z.B. der Sensationsgier, zusammen. So bleiben stereotype Werturteile oft bestehen, vererben sich bisweilen - trotz geringfügiger Differenzierungen - über Generationen. Fremdwahrnehmung und die damit verbundene Stereotypenbildung werden somit in erster Linie vom normativen System der eigenen Gruppe oder Gesellschaft bestimmt. Verfügt diese Gruppe über eine geschlossene Identität und ein festgefügtes Wertesystem, so verfährt sie ethnozentrisch. Die ethnozentrische Grundhaltung dient [...] der 'kollektiven Selbstabgrenzung' einer bestimmten, durch gemeinsame Sprache, Herkunft und wirtschaftliche Tätigkeit verbundenen Gruppe gegenüber anderen sozialen Gruppen.3

Der Ethnozentrismus, "the natural condition of mankind" 4 , der die Gruppenzugehörigkeit garantiert, macht Alterität erst möglich 5 . Je stärker die Verwurzelung in der eigenen Gruppe, um so offener kann das Individuum der Fremdkultur begegnen. Und umgekehrt können die Menschen oder Gruppen, die sich ihrer eigenen Werte nicht sicher sind, keine anderen neben sich akzeptieren. So ist die eigene Position und Kondition des Ich oder der Gruppierung der allein bestimmende Faktor bei der Fremdwahrnehmung und der damit verbundenen Etablierung und Überwindung bzw. NichtÜberwindung von Stereotypen. Dadurch ist Fremdwahrnehmung immer zugleich eine Aussage über das eigene Ich, so wie Stereotype mehr über die Gruppe verraten, die sie hervorbringt, als über das auf diese Weise beschriebene Objekt der Betrachtung 6 . 1 2

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Als grundlegendes Werk zum Stereotyp vgl. Wolfgang Manz, Das Stereotyp. Zur Operationalisierung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs, Meisenheim am Glan 1968. "Everyone creates stereotypes. We cannot function in the world without them. They buffer us against our most urgent fears by extending them, making it possible for us to act as though their source were beyond our control" (Gilman 1985:16). Karl-Heinz Kohl, "Abwehr und Verlangen. Das Problem des Eurozentrismus und die Geschichte der Ethnologie". In ders., Abwehr und Verlangen. Zur Geschichte der Ethnologie (Frankfurt a.M., New York 1987), 124. loan Myrddin Lewis, Social Anthropology in Perspective. The Relevance of Social Anthropology (Cambridge u.a. 2 1985), 15. Vgl. Krotz 1994:56. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Etablierung des Stereotyps des "Guten Wilden" während der Aufklärung als Ausdruck der Kritik an der eigenen Kultur. Vgl. hierzu Gerhart Picke-

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II. Der phänomenologische

Kontext: die Wahrnehmung

des

Anderen

Stereotype sind vorwiegend Teil des kulturellen Erbes einer Gemeinschaft und basieren auf überlieferten Traditionen. Damit verfugt das Individuum zumeist schon v o r der Begegnung mit dem anderen über ein Vorwissen, das seine Wahrnehmung bestimmen wird. Der Betrachter sieht dann nur das, was er zu sehen erwartet. Oft werden diese Wertungen als echte Vor-Urteile in Form von Topoi über Generationen überliefert. Als weiterer Steuerungsmechanismus bei der Produktion von Stereotypen gilt die Motivation des Betrachters. Es stellt sich hier die Frage nach dem Kontext der Begegnung mit dem anderen. Welchen Nutzen glauben Individuum oder Gruppe aus dieser Begegnung zu ziehen? Der mit Fremdem Konfrontierte sah häufig nur das, was er sehen wollte, verfolgte somit eine utilitaristische und finalistische Strategie. Gerade bei einem vorrangig ökonomisch fundierten Unternehmen, wie es die Eroberung Amerikas war, sollte dieser Faktor bei der Fremdwahrnehmung eine besondere Rolle spielen. Hier wird deutlich, wie das eigene soziokulturelle Umfeld von Ich oder Gruppen dessen/deren Fremdwahrnehmung bestimmt. Trotzdem bleibt eine individuelle "Toleranzspanne des Verhaltens" (Gewecke 1986:283), ein Spielraum für die einzelne Persönlichkeit, dem anderen und Fremden mit Offenheit und Toleranz oder eher verschlossen zu begegnen. Es stellt sich hier allerdings die Frage, inwieweit vorurteilsfreie Alteritätserfahrung überhaupt möglich ist. Gewecke, die in ihrem Artikel die Bezugsgruppentheorie nach Merton und Sherif referiert 1 und diese auf das Ethnozentrismuskonzept überträgt, nennt drei Modelle der Begegnung mit dem Fremden: die ethnozentrische Regel, d.h. die "Bevorzugung der Eigenkultur und Ablehnung der Fremdkultur" (1986:287), die positive Bewertung der fremden Kultur unter Berücksichtigung einer gewissen Kritik an der eigenen Kultur, die jedoch nicht in Frage gestellt wird, und als drittes Modell den Bruch mit der eigenen und die Idealisierung der Fremdgruppe". Auch wenn das zweitbenannte Modell sicherlich idealtypisch sein dürfte, so besteht in der Realität eine unendliche Anzahl von Nuancen zwischen den einzelnen Modellen. Trotzdem bleibt weiterhin zu vermuten, daß es nahezu unmöglich ist, sich einer fremden Kultur objektiv zu nähern, so wie es offensichtlich kaum einem Individuum gelingt, à percevoir l'identité humaine des autres, c'est-à-dire de les reconnaître à la fois comme égaux et comme différents (Todorov 1982:81).

2. Das Neue in Renaissance und Barock Im folgenden sollen kurz die Bedingungen dargelegt werden, die in Renaissance und Barock der Wahrnehmung des anderen zugrunde lagen. Dafür gilt es zwei Phänomene zu untersuchen: die Neugierde auf und das Staunen über das Neue.

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rodt, "Aufklärung und Exotismus". In: Die andere Welt. Studien zum Exotismus. Hg.v. Thomas Koebner und Gerhart Pickerodt (Frankfurt a.M. 1987), 121-136; Karl-Heinz Kohl, Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, Berlin 1981. Vgl. hierzu Robert K. Merton, Social Theory and Social Structure, Glcncoe 3 1957; Muzafer Sherif und Carolyn W. Sherif, Groups in Harmony and Tension. An Integration of Studies on Intergroup Relations, New York 2 1966. Vgl. Gewecke 1986:288-291.

B. Kontexte

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Im Gegensatz zur Antike verfugte im Mittelalter das Neue über keinen Stellenwert mehr, da die in sich geschlossene Welt der Epoche ausschließlich auf traditionelle Werte und Vorstellungen rekurrierte. Das mit dem Neuen verbundene Erkenntnisinteresse, die theoretische Neugierde, sah sich "diskriminiert und in eine einschränkende Zuordnung zu einem andern, als absolut gesetzten Daseinsinteresse des Menschen gebracht" 1 , so daß Blumenberg ganz richtig von der "mittelalterlichen Gestalt der verworfenen Neugierde" (1988:139) spricht 2 . Das in anderen Zeiten aus dem Blick auf das Neue resultierende Staunen 3 geriet in der Epoche, in der alles Neue und die Neugierde verpönt waren, zur Gottesandacht, zum "Affekt als mittelbarem Ausdruck göttlicher Größe" (Matuschek 1991:54) 4 . Doch bereits im ausgehenden Mittelalter beginnt die Lust am Neuen wieder eine Rolle zu spielen: Frente a la concepción estática del saber en la Edad Media, de dentro de ella misma nace una tendencia a incorporar al conocimiento zonas hasta entonces no cultivadas, a ensanchar su ámbito buscando en aquellos medios o instrumentos, que hasta entonces no se consideraban más que como productos de un saber permanente e inalterable, precisamente las novedades a descubrir.5

"Omnia nova placet", ein Motto der Renaissance, war bereits in den Jahrhunderten, die gemeinhin als das Ende des Mittelalters betrachtet werden, zum traditionellen Topos geworden 6 . Auf der Schwelle zwischen den beiden Epochen scheint Francesco Petrarca zu stehen, als er den Mont Ventoux besteigt, wovon er in einem seiner Briefe erzählt 7 . Den Blick auf Neues gerichtet, treibt ihn bloße Neugier zum Aufstieg auf den Gipfel 8 . Der Anblick der irdischen Welt wird zum Staunen, das als ästhetische Erfahrung in Analogie zum Erstaunen vor Gott gestellt werden soll. Doch "die Gottesandacht ist unvereinbar mit der Empfänglichkeit für ein irdisches Faszinosum" (Matuschek 1991:104). Die Religion siegt, als der Autor in die Confessiones des Augustinus blickt 9 . 1 2 3 4

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Hans Blumenberg, Der Prozeß der theoretischen Neugierde (Frankfurt a.M. 4 1988), 1 1. Zum Prozeß der theoretischen Neugierde im Mittelalter vgl. Blumenberg 1988:55-144. Das Staunen gilt als "Ursprung und Ziel der Philosophie". Stefan Matuschek, Über das Staunen. Eine ideengeschichtliche Analyse (Tübingen 1991), 8. Über den Prozeß des Staunens im Mittelalter vgl. Matuschek 1991:53-99. Zu Wundern und dem Wunderbaren im Mittelalter vgl. Jacques Le Goff, L'imaginaire médiéval, Paris 1985. José Antonio Maravall, "La estimación de lo nuevo en la cultura española" (I). Cuadernos hispanoamericanos 170 (1964):200. Vgl. Maravall 1964a: 190. Vgl. Francesco Petrarca, Le Familiari I. Hg.v. Vittorio Rossi. Opere X (Florenz 1933), 153-161. Zu diesem Brief vgl. Blumenberg 1988:142-144; Matuschek 1991:101 -104. Vgl. auch Paola Vecchi Galli, "Per l'epistolario petrarchesco: questioni aperte e bibliografia". In: Dal primato allo scacco. I modelli narrativi italiani tra Trecento e Seicento. Hg.v. Gian Mario Anselmi (Rom 1998), 43-63. Zu Petrarcas Leben vgl. Marco Ariani, Petrarca. Rom 1999. "Altissimum regionis huius montem [...] hodierno die, sola videndi insignem loci altitudinem cupiditate ductus, ascendi" (Petrarca 1933:153). Vgl. Petrarca 1933:158/159. Vgl. auch Évelyne Luciani, Les confessions de Saint Augustin dans les lettres de Pétrarque, Paris 1982; Wolfgang Milde, "Keine Gesellschaft lässt

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/ / . Der phänomenologische

Kontext: die Wahrnehmung des

Anderen

Was Petrarca noch nicht mit aller Konsequenz gelingen konnte, ereignet sich in der Folgezeit: Der Blick wendet sich von Gott ab 1 und bleibt auf die irdische Welt gerichtet, so daß die Geschichte "zur Instanz gegen die Metaphysik geworden" (Blumenberg 1988:141) ist. Hier nun gilt es Neues zu entdecken, sind doch Neugierde und Erkenntniswillen keine Grenzen mehr gesetzt. Die theoretische Neugierde ist gleichermaßen rehabilitiert und legitimiert. Sie wendet sich zuallererst der Antike zu, die zwar bereits dagewesen, aber dennoch neu ist2. Die Lust am Neuen fuhrt in der Folgezeit aber auch in andere Bereiche, sei es in ferne Länder 3 , in die wissenschaftliche Sphäre 4 oder in Bereiche der Kunst. Das Unbekannte, das Neue zieht das Interesse des Renaissancemenschen an 5 , ein Prozeß, der sich auch in Spanien manifestierte. Maravall spricht von einer "atracción de lo no conocido: lo raro es curioso por no visto" (1964b:443). Allerdings ist diese Lust am Unbekannten und Neuen nur bei kleinen Gruppen der damaligen Zeit anzutreffen, in den humanistisch gebildeten Kreisen, der intellektuellen Elite 6 . Die Mehrzahl der Bevölkerung - die einfachen Leute - hielt an den überlieferten Traditionen fest, und die konservativen Teile der Machtelite opponierten gegen das Neue, das für sie gleichbedeutend war mit einschneidenden Veränderungen und sozialen Unruhen. Diese Haltung sollte sich vor allem im 17. Jahrhundert verstärken. Das mittelalterliche Staunen als Gottesandacht scheint überwunden. Dies manifestiert sich auf besondere Weise in Leonardo da Vincis Fragment einer Höhlenforschung (Caverna), in dem der Blick auf das Naturereignis gerichtet bleibt, gleichzeitig jedoch die Ambivalenz des Unbekannten betont wird: E stato alquanto, subito sa[l]se in me due cose, paura e desidero: paura per la minac[cian]te e scura spilonca, desidero per vedere se lá entro fusse alcu[na] miracolosa cosa. 7

Das Neue birgt die Möglichkeit der Gefahr sowie des Wunderbaren, eine metaphysische Lösung steht offensichtlich nicht mehr zur Verfugung 8 . Diese Säkularisierung

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sich angenehmer und beglückender erdenken ". Das Verzeichnis der Lieblingsbücher des Francesco Petrarca und die Rangordnung der Bücher, Berlin 2001. Da das göttliche Prinzip nicht völlig aufgegeben wird, spricht Blumenberg treffend von der "Epoche des verborgenen Gottes" (1988:149). "El hombre del Renacimiento no se admira de los antiguos, precisamente por pasados y ya conocidos, sino porque en ellos se guarda un inagotable tesoro de cosas no sabidas, esto es, de novedades". José Antonio Maravall, "La estimación de lo nuevo en la cultura española" (II). Cuadernos hispanoamericanos 171 (1964):448. Die Neugierde ist nur eine einer ganzen Reihe von Bedingungen, die die Reisen in ferne Länder ermöglichten. Von großer Bedeutung sind u.a. ökonomische und technische Konditionen. Hier sei nur am Rande an die astronomischen, physikalischen u.a. Neuerungen, Erkenntnisse und Erfindungen erinnert, die die Epoche kennzeichnen. Der gesamte Entwicklungsprozeß ist als dialektisch zu betrachten, d.h. daß Neuheiten und Neugierde sich gegenseitig bedingten. Vgl. Peter Burke, The Renaissance (Hampshire, London 1987), 24; Maravall 1964b:441. Leonardo da Vinci, Scritti letterari. Hg.v. Augusto Marinoni. Erweiterte Neuausgabe (Mailand 1 1987), 185. Zu Leonardo da Vincis Höhlenfragment vgl. Blumenberg 1988:168-170; Matuschek 1991:121-123. Vgl. außerdem Giovanni Ponte, Leonardo prosatore, Genua 1976; Er-

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des Staunens fuhrt auch zum Staunen über Menschen. Erst jetzt, zur Zeit der großen Reisen und Entdeckungen, kann der andere überhaupt als Fremder wahrgenommen werden. Der sich real ereignenden Reise entspricht als geistige Reise die Lektüre, und es ist sicher kein Zufall, daß sich der neue Begriff des Staunens in erster Linie als ästhetischer manifestiert. In der Literatur finden sich zwei Positionen, die gleichzeitig die Dichtung gegenüber den Vorwürfen von Unwahrheit und Unmoral legitimieren: das Erstaunen des Lesers durch die Poesie zum Zweck der Erkenntnis oder des bloßen Genusses'. Im Barock fuhrt dann der Vorrang von Rhetorik und Stilistik zu einer Trivialisierung der Thematisierung des Neuen : Das Staunen wird zum Effekt, den es um jeden Preis zu erlangen gilt. Der Erkenntnisanspruch wird der mechanischen "Lust an der stilistischen Spitzfindigkeit" (Matuschek 1991:150) geopfert: Das Erstaunen des Lesers ergibt sich nun durch die "ersparte Erkenntnis" (Matuschek 1991:154). Dieser Erstarrung des Staunens zum bloßen Effekt in der Literatur entspricht in der Philosophie des 17. Jahrhunderts die erneute Tendenz, das Staunen überwinden zu wollen. Die Philosophie wendet sich gegen Neugier und Staunen, die nur sich selbst genügen 3 . So fordert Francis Bacon ein Regulativ der Erkenntnis, das Wissen auf "the benefit and relief of the state and society of man" 4 festlegt: Die reine Erkenntnis, deren Idee für Bacon mit der der antiken Theorie zusammenfällt, erscheint ihm als eine Einstellung der unabwendbaren Resignation, weil sie kein Motiv ihres Fortschritts hat, sondern in der Insistenz vor jedem ihrer Phänomene verharrt und sich in seiner Bewunderung verliert. Die curiositas ist zur weltlichen 'Sünde', zur theoretischen Trägheit in der Theorie selbst geworden [...] (Blumenberg 1988:198/199).

René Descartes betrachtet das Staunen zwar noch als "Kitzel der Vernunft" (Matuschek 1991:128), spricht sich aber gegen die ungezügelte, keiner Methode gehorchende Neugierde aus, das Laster dessen, der nicht die Erkenntnis sucht, sondern zur bloßen Schaulust dem Ungewohnten nachhängt (Matuschek 1991:129).

Hier kündigt sich als neue Größe, die auf sich selbst verweisende Neugierde und Staunen ablehnt, die Vernunft an, die die folgende Epoche der Aufklärung bestimmen wird 5 .

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manno Scuderi, "Scienza e fantasia nella prosa di Leonardo". In ders., Scrittori irregolari (Bologna 1977), 9-14. Zur Biographie Leonardo da Vincis vgl. Silvia Alberti de Mazzeri, Leonardo. L'uomo e il suo tempo, Mailand 1983. Während die Dichtung für Coluccio Salutati z.B. transzendente Wahrheiten vermittelt, reduziert sich ihr Anspruch für Julius Caesar Scaliger auf den der bloßen Unterhaltung. Zum ästhetischen Staunen der Renaissance vgl. Matuschek 1991:136-142. Die spanische Dichtungstheorie dagegen vermeidet weitgehend die Forderung nach Genuß und Unterhaltung. Hierauf verweist auch Maravall 1964a:222. Zum Prozeß der theoretischen Neugierde zur Zeit vor der Aufklärung vgl. Blumenberg 1988:184-213. Zitiert bei Blumenberg 1988:198. Zu Neugierde und Staunen während der Aufklärung vgl. Blumenberg 1988:214-253; Matuschek 1991:155-198. Vgl. auch Greenblatt 1991:19/20.

II. Der phänomenologische

70

Kontext: die Wahrnehmung

des

Anderen

3. Die Wahrnehmung der Amerikareisenden Während der Zeit des Mittelalters hatten der Fremde und der Ungläubige als fester Bestandteil des christlichen Weltbilds ihren angestammten Platz innerhalb der Gesellschaft. So lebten auf der Iberischen Halbinsel Juden, Mauren und Christen über Jahrhunderte in weitgehend friedlicher Akzeptanz zusammen. Die mit dem Beginn der Neuzeit einhergehende zunehmende Individualisierung fuhrt zu einer für die Identitätsbildung offensichtlich notwendigen Abgrenzung vom anderen. Diese "Kehrseite" der Renaissance 1 ist in engem Zusammenhang zu sehen mit der allmählichen Bildung von Nationalstaaten: D i e vorrangige A u f g a b e d e s Nationalstaates besteht darin, das Problem d e s Fremden, nicht das der Feinde, anzugehen (Bauman 1991:33).

Es ist kein Zufall, daß die spanischen Herrscher im 15. Jahrhundert ihre nichtchristlichen "Fremden" zwangen, das Land zu verlassen oder einen anderen Glauben anzunehmen, zu einer Zeit, als sich der moderne spanische Staat zu formieren begann. Es ist dies zugleich der Zeitpunkt der ersten Fahrten von Europäern in amerikanische Sphären, der Zeitpunkt der ersten Begegnungen zwischen Spaniern und Amerikanern. Eine Rekonstruktion der Wahrnehmung dieser Amerikareisenden aus den von Augenzeugen erhaltenen Berichten führt zu Ergebnissen, die die obigen theoretischen Ausführungen über die Beziehung des Ich zum anderen weitgehend bestätigen. Bereits v o r der Begegnung mit dem Neuen, dem Fremden manifestierte sich bei den Amerikareisenden eine bestimmte Erwartungshaltung, die durch Vorerfahrung und Vorwissen der jeweiligen Person geprägt wurde". Dieses Vorwissen variierte entsprechend Stand und Bildung des Amerikareisenden 3 und war das Resultat von Lektüre, von mündlich vermittelter oder selbst erlebter Erfahrung. Bei der Konstituierung des Wissenshorizonts spielten Mythen und Legenden, aber auch geographische Werke aus Antike und Mittelalter eine bedeutende Rolle 4 . Unerläßliche Autori1

Vgl. hierzu Walter Mignolo, The Darker Side of the Renaissance. and Colonization, Ann Arbor 1995.

Literacy,

Territoriality,

2 3

V g l . G e w e c k e 1986:59; T o d o r o v 1982:12,24. Es m u ß hier betont werden, daß es sich bei der Mehrzahl der nach Amerika ausreisenden Conquistadores und Siedler um A n g e h ö r i g e d e s niederen M i l i e u s Spaniens handelte. Vgl.

Lyle N. McAlister, Spain and Portugal in the New World 1492-1700 (Minneapolis 1984), 4

79,115. D i e Literatur hierzu ist i n z w i s c h e n umfassend, und ich m ö c h t e nur eine A u s w a h l n e n n e n : Frauke G e w e c k e liefert einen gut dokumentierten Überblick über die Vorstellungen v o n fremden Völkern in Antike und Mittelalter, die zu e i n e m großen Teil das V o r w i s s e n der nach Amerika reisenden Spanier bestimmten. Vgl. G e w e c k e 1986:59-87. Vgl. auch Mar-

garet T. Hodgen, Early Anthropology

in the Sixteenth and Seventeenth Centuries (Philadel-

phia 1964), 17-107. Enrique de Gandía stellt die wichtigsten klassischen Mythen z u s a m men, die bei der Eroberung Amerikas durch Spanien zum Tragen kamen. Vgl. Enrique de

Gandía, Historia crítica de los mitos y leyendas de la conquista americana, Buenos Aires 1946. Vgl. auch Luis Leal, "Mito y realidad en la invención de América". In: The Two Hesperias. Literary Studies in Honor o f Joseph G. Fucilla on the Occasion o f h i s 80th Birthday. H g . v . A m e r i c o Bugliani (Madrid 1977), 197-207; Juan Gil, Mitos y utopias del Descubrimiento. 3 Bände, Madrid 1989; W o l f g a n g Haase/ M e y e r Reinhold ( H g . ) , The

Classical

Tradition and the Americas

I "European Images of the Amcricas and the

Classical Tradition", Berlin, N e w York 1994.

B.

Kontexte

71

tat war dabei die christliche V o r s t e l l u n g s w e l t . D o c h a u c h S c h r i f t e n j ü n g e r e n D a tums, w i e die R e i s e b e r i c h t e v o n J o h n M a n d e v i l l e u n d M a r c o P o l o 1 , in S p a n i e n d i e R i t t e r r o m a n e 2 und b e i d e n späteren G e n e r a t i o n e n v o n A m e r i k a r e i s e n d e n d i e bereits v e r ö f f e n t l i c h t e n B e r i c h t e anderer R e i s e n d e r prägten d a s W i s s e n der C o n q u i s t a d o r e s , B e a m t e n u n d Siedler 3 , mit d e m d i e s e der N e u e n W e l t b e g e g n e t e n 4 . L u i s L e a l spricht in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g v o n der " i n v e n c i ó n d e A m é r i c a " , d i e als r e i n e s Produkt der Phantasie, bei späteren A m e r i k a r e i s e n d e n v e r m i s c h t m i t E l e m e n t e n w a h r e r B e g e b e n h e i t e n , der realen B e g e g n u n g v o r a u s g e h t 5 . Ü b e r f r e m d e V ö l k e r b e s t a n d e n bereits f e s t g e l e g t e W e r t u n g e n u n d Urteile - V o r - U r t e i l e . S i e b e r u h t e n in S p a n i e n z u e i n e m T e i l auf Kategorien und Wissenselementefn] [...], die man über die Jahrhunderte der Re-Conquista in der Begegnung mit Heiden ausgebildet hatte. 6

1

2

3

4

Vgl. Irving A. Leonard, Books of the Brave. Being an Account of Books and of Men in the Spanish Conquest and Settlement of the Sixteenth-Century New World. Hg.v. Rolena Adorno (Berkeley u . a . 2 1 9 9 2 ) , 11. Der Einfluß der Ritterromane auf die Vorstellungswelt der Conquistadores und deren Projektion auf die Realität Amerikas galt viele Jahre über als gesicherter Tatbestand der Forschung. Vgl. Leonard 1992; Ida Rodríguez Prampolini, Amadises de América. La hazaña de Indias como empresa caballeresca, Caracas 2 1977. Vgl. aber auch Rolena Adorno, "Literary Production and Supression: Reading and Writing about the Amerindians in Colonial Spanish America". Dispositio 11 (1986): 15-19. Auch die des Lesens unkundigen Reisenden konnten über einen beachtlichen Wissensstand verfügen, wurden Mythen und Legenden, aber auch Inhalte von schriftlichen Werken doch vorwiegend mündlich verbreitet. Vgl. hierzu Simson 1994. Die Lektüre Colons gibt einen guten Einblick in das Wissen belesener Conquistadores: "Ptolomäus und die geographischen Berichte der späten römischen Kaiserzeit, das speculum des Vinzenz von Beauvais, die ¡mago mundi von Pierre d'Ailly, Marco Polo und Mandeville, ungewisse Seemannsmärchen, die Bibel, Seneca, heidnische und christliche Zitate und Prophezeiungen." Erwin Walter Palm, "Spanien und die Neue Welt. Die erste Etappe (bis zur Entdeckung von Mexico)". Die Welt als Geschichte 18,2/3 (1958): 193. Vgl. hierzu auch Todorov 1982:29/30; Gewecke 1986:92/93; Valerie I. J. Flint, The Imaginative Landscape of Christopher Columbus (Princeton, Oxford 1992), 42-77. Zur Bild u n g der Conquistadores vgl. ferner Frauke Gewecke, "Calafia und die Eroberung der Neuen Welt - Zur 'literarischen Bildung' der Konquistadoren". Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 4 (1980): 161-181.

5

Vgl. Leal 1977:197-207. Obgleich sich Leal auf E d m u n d o O'Gormans Werk La invención de América beruft, unterscheidet sich dessen Begriff der invención doch wesentlich von dem hier benannten. Während O'Gorman mit dieser Begrifflichkeit darauf a u f m e r k s a m machen möchte, d a ß das damalige Amerikabild allein der spanischen Perspektive entsprach, wird diese Perspektive von Leal akzeptiert, wenngleich er deren fiktionalen Hintergrund entlarvt. Vgl. hierzu O'Gorman 1958; außerdem Wilcomb E. Washburn, "The Meaning of 'Discovery' in the Fifteenth and Sixteenth Centuries". The American Historical Review 68,1 (1962): 1-21; Enrique Dussel, "Von der Entdeckung zur A u f d e c k u n g (zu einer historischen Wiedergutmachung)". In: Die Neuentdeckung Amerikas. Essays, Interviews, Gedichte. Hg.v. Heinz Dieterich (Göttingen 1990), 74-88.

6

Hans Ulrich Gumbrecht, "Wenig Neues in der Neuen Welt. Über Typen der Erfahrungsbildung in spanischen Kolonialchroniken des XVI. Jahrhunderts". In: Die Pluralität der

72

II. Der phänomenologische

Kontext:

die Wahrnehmung

des

Anderen

E b e n f a l l s b e s t i m m t w u r d e d i e Erwartungshaltung durch P o s i t i o n u n d Intention d e s j e w e i l i g e n A m e r i k a r e i s e n d e n . D e r e n t s p r e c h e n d e Z w e c k der R e i s e u n d d i e F u n k t i o n , in der d i e P e r s o n u n t e r w e g s war, n a h m e n E i n f l u ß a u f deren W a h r n e h m u n g . D e r an w i r t s c h a f t l i c h e m Profit Interessierte erwartete anderes z u s e h e n a l s der M i s s i o n a r a u f der S u c h e n a c h d e m i r d i s c h e n Paradies o d e r der n a c h d e m u t o p i s c h e n Ort v e r l a n g e n d e H u m a n i s t . D i e W a h r n e h m u n g d e s N e u e n ist in der R e g e l b e g l e i t e t v o n e i n e m Staunen, d a s der Ü b e r r a s c h u n g über d a s andere A u s d r u c k verleiht. E s finden s i c h durchaus a u c h B e i s p i e l e für d a s S t a u n e n s p a n i s c h e r A m e r i k a r e i s e n d e r , s o z . B . w e n n d i e T r u p p e n v o n C o r t é s e r s t m a l i g T e n o c h t i t l á n erblicken 1 . A l l e r d i n g s ist d i e s e s S t a u n e n j e w e i l s nur v o n kurzer Dauer: I h m f o l g t durch A n a l o g i e b i l d u n g a u f B e k a n n t e s d i e E i n g l i e d e r u n g d e s N e u e n in das e i g e n e D e n k - u n d V o r s t e l l u n g s s y s t e m . W a s wir hier vermissen, ist das Staunen der Konquistadoren; was uns verblüfft, ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie j e d e m Wahrnehmungsgegenstand aus der neuen Welt eine Erfahrungsgestalt aus der alten Welt zuordneten. An Aspekten der Fremdheit auf dem entdeckten Kontinent waren sie so wenig interessiert, daß sie immun schienen gegen alle sich aufdrängenden Anlässe zur Revision ihrer Erfahrungsprämissen (Gumbrecht 1987b:233). 2 D i e " D e u t u n g d e s N e u e n durch das Vertraute" ( G u m b r e c h t 1 9 8 7 b : 2 3 5 ) ist der B e g i n n j e d e r Erfahrungsbildung. Ü b e r V e r g l e i c h e w e r d e n z u n ä c h s t nur j e n e Merkmale des thematisierten Wahrnehmungsgegenstands erfaßt und bewußt [...], zu denen es Äquivalente in der Struktur des interpretationsrelevanten Wissenselements gibt (Gumbrecht 1987b:232). D i e s e P o s i t i o n wird allerdings in e i n e m w e i t e r e n Schritt v e r l a s s e n und läßt d e n

1 2

Welten. Aspekte der Renaissance in der Romanía. Hg.v. Wolf-Dieter Stempel und Karlheinz Stierle (München 1987), 244. España. Vgl. Bemal Díaz del Castillo, Historia verdadera de la conquista de la Nueva Hg.v. Joaquín Ramírez Cabañas (México 1 2 1980), 159. Während Gumbrecht das Staunen der Conquistadores vermißt, bestimmt Greenblatt wonder zum zentralen Aspekt bei der Aneignung der für die spanischen Amerikareisenden neuen Wirklichkeit. Der vermeintliche Widerspruch der beiden Autoren ergibt sich aus verschiedenen Schwerpunkten der Betrachtung. Während sich Gumbrecht auf die Struktur des Prozesses der Erfahrungsbildung bezieht und somit vorrangig die Verdeckung des Neuen durch das Bekannte konstatiert, bestimmt Greenblatt von vornherein (und von einem modernen Standpunkt aus) wonder zur dominanten Prämisse des damaligen Diskurses. Für Greenblatt ist wonder ganz generell die Differenz des Neuen zum Bekannten und die Basis, auf der er dann die tatsächlichen Reaktionen beschreibt, die sich von den durch Gumbrecht festgestellten dann nicht mehr wesentlich unterscheiden. Dieses Werk des amerikanischen Literarhistorikers demonstriert deutlich dessen Verfahrensweise, die oben bereits kritisch präsentiert wurde. Ein weiterer Grund, warum Greenblatt Wunder und Staunen so betont, ist darin zu sehen, d a ß er sich nicht auf spanische Berichte beschränkt, sondern englische und französische Autoren in seine Betrachtungen mit einschließt, Autoren, deren philosophisch-politischer Hintergrund tatsächlich ein größeres Staunen zuließ. Ein Bericht, der das Staunen explizit thematisiert, wie der des Hugenotten Jean de Léry, ist von einem katholischen spanischen Autor unvorstellbar. Vgl. hierzu die entsprechende Beschreibung bei Greenblatt 1991:14-17. Z u m Begriff des Staunens vgl. Gumbrecht 1987b:233; Greenblatt 1991: vor allem 16-24.

B. Kontexte

73

Blick im Idealfall frei für die Besonderheiten des Neuen und Fremden. D i e Mehrzahl der spanischen Amerikareisenden blieb jedoch auf der Stufe der Analogiebildung stehen 1 und weigerte sich, ihr durch die jeweilige Erwartungshaltung bestimmtes Wissen zu revidieren. Todorov spricht, am Beispiel Colons, treffend von einer finalistischen Interpretationsstrategie". Die spanischen Reisenden nahmen selektiv nur das wahr, was sie auch wahrnehmen wollten 3 und was ihrem Vorhaben dienlich war, allzu oft auch Dinge, die sie nach unserem heutigen Wissensstand nicht hatten wahrnehmen können . So daß sich ihre Erwartungshaltung - abgesehen von unwesentlichen Einschränkungen - häufig erfüllte. Die Gründe für diese Mechanismen der Wahrnehmung der spanischen Amerikareisenden sind äußerst vielschichtig und komplex 5 . Verantwortlich ist in j e d e m Fall die außergewöhnlich starke Zweckgerichtetheit der Anliegen der spanischen Amerikareisenden. Diese kommen als Eroberer, Siedler, Missionare oder Beamte nach Amerika, nahezu ausschließlich mit dem Ziel der Vermögensbildung, der Existenzsicherung oder der sonstigen beruflichen Karriere 6 . Diese persönlichen Interessen dominierten somit die Wahrnehmung 7 .

1

2 3

4

5 6

7

Vgl. hierzu Hans-Joachim König, "Verständnislosigkeit und Verstehen, Sicherheit und Zweifel: Das Indiobild spanischer Chronisten im 16. Jahrhundert". In: Die Kenntnis beider '¡lidien' im frühneiizeitlichen Europa. Akten der zweiten Sektion des 37. Deutschen Historikertages in Bamberg 1988. Hg.v. Urs Bitterli und Eberhard Schmitt (München 1991), 46. Vgl. Todorov 1982:24-30. "It is hard to escape the impression that sixteenth-century Europeans, [...] all to often saw what they cxpccted to see". John H. Elliott, The Old World and the New. 1492-1650 (Cambridge 1970), 20/21. Aufschlußreich sind hier wieder verschiedene Äußerungen Colons. So ist dieser des öfteren davon überzeugt, die Einheimischen zu verstehen, obwohl er nicht deren Sprache spricht. Vgl. z.B. Cristóbal Colón, Diario de a bordo. Hg.v. Luis Arranz (Madrid 1985), 93. Schwerwiegende Folgen hatte ein Hörfehler Colons, durch den er aus den caribes cambas machte, ein sagenhaftes Volk Indiens, dem Menschenopfer zugesprochen wurden. Ein weiteres Beispiel sind die Riesen von Patagonien, die Antonio Pigafetta, Chronist der Expedition von Magalhäes, beschreibt, die aber in der Folgezeit auch von anderen Personen "gesehen" wurden. Diese Legende wurde erst Anfang des 18. Jahrhunderts widerlegt, als sich eine Expedition auf die Suche nach den Riesen machte und nur normalgroße Menschen fand. Vgl. Valentin de Pedro, América en las letras españolas del Siglo de Oro (Buenos Aires 1954), 124-127; Gandía 1946:27-40; Jean-Paul Duviols, "Iberoamerika im frühneuzeitlichen Denken Europas". In: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas I "Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1700". Hg.v. Horst Pietschmann (Stuttgart 1994), 810/811. Leider liegen bisher keine grundlegenden Untersuchungen dazu vor. Zu den Motiven der Amerikareisenden vgl. Matthias Meyn u.a. (Hg.), Der Aufiau der Kolonialreiche. Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion III (München 1987), 1-11; Stuart B. Schwartz, "New World Nobility: Social Aspirations and Mobility in the Conquest and Colonization of Spanish America". In: Social Groups and Religious Ideas in the Sixteenth Century. Hg.v. Miriam Usher Chrisman und Otto Gründler (Kalamazoo 1978), 23-37. Auf diesen Umstand verweist auch Bernard McGrane, Beyond Anthropology. Society and the Other (New York 1989), 18,24/25.

II. Der phänomenologische Kontext: die Wahrnehmung des Anderen

74

Dies gilt nicht nur für die ersten amerikareisenden Eroberer, deren Erfahrungsbildung noch mit dem Ausnahmezustand der kriegerischen Situation erklärt werden könnte. Wie die Untersuchungen von Otte und die von ihm publizierten Briefe zeigen, schlössen gerade die Siedler, die einen wesentlich ruhigeren Alltag in Amerika lebten, Land und Leute aus ihren Briefen und Überlegungen aus. Diese wurden nur thematisiert, wenn sie für die eigenen Belange wichtig erschienen. Ansonsten konzentrierten sich die Siedler auf die persönliche - vornehmlich ökonomische - Lage 1 . Wesentlich trug zu dieser Situation auch das isolierte Leben der Spanier bei und der Mangel an Kommunikation zwischen den zwei Kulturen 2 . Als Referenzsystem zur Wahrnehmung und Erfahrungsbildung diente den Amerikafahrern die eigene klassisch-christliche Kultur, mit der die neuen Realitäten fremder Welten fortwährend verglichen wurden 3 . Ein großer Teil der Amerikareisenden setzte die einheimische Bevölkerung des Kontinents zunächst mit "des autres plus proches géographiquement, et déjà familiers" (Todorov 1982:114) gleich, den Moslems 4 . Referenzen auf die Kulturen der Antike erfolgten erst zu einem späteren Zeitpunkt und konnten nur von den humanistisch Gebildeten vorgenommen werden, weswegen sie sich vorrangig bei gelehrten Autoren finden, die nicht in Amerika weilten, wie z.B. Anghiera oder Lopez de Gömara 5 . Zur weiteren Klassifizierung und Bewertung der fremden Bewohner der amerikanischen Regionen rekurrierten die spanischen Beobachter auf stereotype Merkmale, die vor allem die Abweichungen von der eigenen Kultur hervorhoben: Kannibalismus, Gold, Nacktheit usw. 6 Dabei wurden die fremden Kulturen entweder idealisie1

Vgl. Enrique Otte (Hg ), Cartas privadas

de emigrantes

a Indias, Sevilla 1988; James

Lockhart/ Enrique Otte (Hg.), Letters and People of the Spanish Indies. The Sixteenth Century,

Cambridge 1976; Enrique Otte, "Die europäischen Siedler und die Probleme der

Neuen Welt". Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 6 (1969): 1-40. 2

V g l . Elliott 1970:19. D i e T h e s e des M a n g e l s an Kommunikation als grundlegender K o m ponente der B e g e g n u n g der z w e i Kulturen durchzieht das Werk T o d o r o v s ( 1 9 8 2 ) . D a s in den ersten Jahren seiner Rezeption h o c h g e l o b t e B u c h erfuhr in der Folgezeit verstärkt Kritik. S o wird T o d o r o v eine eurozentristisch motivierte Verkennung der aztekischen Kultur vorgeworfen, w e n n er die T h e s e vertritt, die A z t e k e n wären aus Mangel eines eigenen Schriftsystems an ihrer Unfähigkeit gescheitert, manipulativ zu kommunizieren. V g l . T o d o r o v 1982: vor allem 6 9 - 1 2 9 . Für die Kritik an T o d o r o v vgl. Inga Clendinnen, "Cor-

tés, Signs, and the Conquest of Mexico". In: The Transmission of Culture in Early Modern Europe. Hg.v. A n t h o n y Grafton und A n n Blair (Philadelphia 1990), 8 7 - 1 3 0 ; Claudine Hartau, '"Sieg durch die Zeichen?"' Symptome 9 ( ! 9 9 2 ) : 5 4 - 5 7 ; Greenblatt 1 9 9 1 : 1 1 / 1 2 . 3 4 5

6

V g l . Elliott 1970:24; G e w e c k e 1986:93; Jens Lüdtke, "Das indianische Fremde als arabis c h e s Fremdes". Neue Romania 17 ( 1 9 9 6 ) : 2 3 1 / 2 3 2 . V g l . Todorov 1 9 8 2 : 1 1 4 ; Palm 1958:188. Lüdtke w e i s t d a r a u f h i n , daß V e r g l e i c h e mit den Mauren nur die amerikanischen Hochkulturen betrafen. Vgl. Lüdtke 1996:234. V g l . Lüdtke 1996:232. McGrane macht auf die g e g e n s e i t i g e Erhellung der indianischen und antiken fremden Kulturen in spanischer Wahrnehmung aufmerksam: "The aliens o f the present - the s a v a g e s - were seen as elucidating and being elucidated by the aliens o f the past - the Greeks" ( 1989:21 ). V g l . hierzu Werner Kummer, "Die Entwicklung der Indiostereotypen in der Frühzeit der

Conquista". In: Sepharden, Morisken, Indianerinnen und ihresgleichen. Die andere Seite der hispanischen

Kulturen.

Hg.v. André Stoll ( B i e l e f e l d 1995), 4 7 - 7 0 .

B Kontexte

75

rend interpretiert oder verdammt, die Indianer waren als Heiden Feinde und Barbaren oder gute "Wilde". Amerika als Paradies oder Hölle: Hierbei handelt es sich um zwei Extremformen einer Haltung, die das Andere nicht als eigenständig erkennen kann. Diese beiden Positionen finden sich schon bei Colón vorformuliert 1 . Während er zunächst die Gutmütigkeit und den Sanftmut der Bewohner der Karibikinseln beschreibt, betont er wenig später die Grausamkeit feindlich gesinnter "Wilder" 2 . Mario Erdheim demonstriert die Vertretung dieser beiden Positionen eindrucksvoll am Beispiel von Gonzalo Fernández de Oviedo und Bartolomé de las Casas 3 . Für Oviedo, Hofchronist, "treuer Diener seines Königs" (Erdheim 1988:31) und Autor einer ersten umfassenden historia zu Amerika, Historia general y natural de las Indias, waren die amerikanischen Indianer minderwertig und eher dem Tierreich zuzuordnen als der Menschheit 4 , wobei er sich auf klassische Autoritäten berief 5 . Für Spanier, die wie Oviedo die Minderwertigkeit der amerikanischen Ureinwohner festschrieben, waren diese mit dem Teufel im Bunde. Amerika war das Reich Satans, in das sich dieser nach der Ausbreitung des Christentums in Europa zurückgezogen hatte. Die Vorstellung des v o m Teufel verführten Indianers war in Spanien und bei den Amerikareisenden weit verbreitet 6 , sie findet sich neben Oviedo bei Vasco de Quiroga, bei Motilinía, Acosta, Durán und sogar bei dem den Indianern wohlgesonnenen Bemardino de Sahagün 7 . Eng verbunden mit dieser Vorstellung des Indianers als Komplizen des Teufels 1

2

3 4

5 6

7

Auf den mittelalterlichen Ursprung der Unterscheidung des Fremden in einen guten und einen bösen "Wilden" verweist Alain Milhou, "El indio americano y el mito de la religión natural". In: Consejo Superior de Investigaciones Científicas 1990:171-174. So schreibt Colón in seinem Brief an Luis de Santángel: "La gente d'esta isla [...] no tienen fierro ni azero ni armas [...] son muy temerosos a maravilla. [...] son tanto sin engaño y tan liberales de lo que tienen, que no lo creería[n] sino el que lo viese. [...] se farán cristianos, que se inclinan al amor e cérvido de Sus Altezas y de toda la nación castellana [...] Así que mostruos no he hallado ni noticia, salvo de una isla que es Carib, la segunda a la entrada de las Indias, que es poblada de una iente que tienen en todas las islas por muy ferozes, los cualles comen carne umana". Cristóbal Colón, Textos y documentos completos. Relaciones de viajes, cartas y memoriales (Madrid 2 1984), 141-145. Vgl. Erdheim 1988:29-60. Vgl. hierzu auch Benjamin Keen, "The European Vision of the Indian in the Sixteenth and Seventeenth Centuries: a Sociological Approach". In: Consejo Superior de Investigaciones Científicas 1990:8/9. Für Oviedo vgl. Erdheim 1988:30-35; König 1991:42/43; Esteve Barba 1992:64-83. Vgl. John H. Elliott, "The Discovery of America and the Discovery of Man". In ders., Spain and its World 1500-1700. Selected Essays (New Häven, London 1989), 59-61. Diese Vorstellung ist eng verbunden mit einer allgemeinen Identifizierung des Westens als Reich Satans in der mittelalterlichen christlichen Glaubenswelt. Vgl. hierzu Gerhard Poppenberg, "Espacio gnóstico: El concepto del Nuevo Mundo como forma de pensamiento y forma de vivencia a partir de La expresión americana de José Lezama Lima". In: Presencia criolla en el Caribe y América Latina/ Creóle Presence in the Caribbean and Latin America. Hg.v. Ineke Phaf (Frankfurt a.M. 1996), 59/60. Vgl. McGrane 1989:10-14; Ernesto Garzón Valdés, "La polémica de la justificación ética de la Conquista". In: De conquistadores y conquistados. Realidad, justificación, representación. Hg.v. Karl Kohut (Frankfurt a.M. 1992), 57.

76

II Der phänomenologische

Kontext: die Wahrnehmung des Anderen

ist die Hypothese einer frühen Missionierung des Kontinents durch den Apostel Thomas 1 . Damit gelang die Anbindung des Kontinents an die christliche Heilsgeschichte und gleichzeitig eine Legitimierung der Christianisierung. Die Kehrseite der Verdammung, die Idealisierung, die in Amerika das Paradies sehen wollte, gehorchte ähnlichen Prämissen wie die Verteufelung des anderen: Oviedo und Las Casas stimmten also in ihren methodologischen Prämissen durchaus überein; worin sie sich unterschieden, war lediglich das Ziel der Beweisführung. Während Oviedo nur die Häßlichkeit der Indianer sah, sah Las Casas nur deren Schönheit; [...] (Erdheim 1988:40).

Bartolomé de las Casas, Dominikaner-Mönch, der unter Karl V. eine einflußreiche Persönlichkeit am spanischen Hof war, betrachtete die Ureinwohner Amerikas als friedliche und unschuldige Menschen, bereit und fähig zur Annahme des wahren Glaubens 2 . Doch auch las Casas wird den Indianern nicht gerecht, statt dessen verschreibt er sich einer idealisierenden Anthropologie. Diese dient ihm als Mittel für seine politischen Ziele, und las Casas verfahrt strukturell genauso wie Oviedo: Beide statten sie die Indianer mit Zügen aus, die " - als Waffe in einem politischen Kampf - [...] mit der Realität nichts zu tun haben" (Erdheim 1988:41). Die Vorstellung eines paradiesischen Amerika war eng mit dem Konzept des Goldenen Zeitalters verbunden. Viele Spanier projizierten die Kritik an der eigenen Gesellschaft und die Anforderungen an eine ideale Gemeinschaft auf die fremden Länder, und so wurde Amerika für viele zum utopischen Fluchtpunkt und zur Idylle 3 .

1

Eine ausführliche Behandlung dieser These, die ihre Entstehung wahrscheinlich der Verm u t u n g verdankt, der Apostel wäre in Indien missionarisch tätig gewesen - die Tätigkeit wurde dann von "la India" a u f l a s Indias" übertragen - , findet sich bei Antonio de la Calancha im zweiten Buch seiner Crónica moralizada. Ähnlich argumentieren auch Gonzalo Fernández de Oviedo, las Casas und andere Historiographcn. Vgl. hierzu Alain Milhou, "Die Neue Welt als geistiges und moralisches Problem (1492-1609)". In: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas I "Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1760". Hg.v. Horst Pietschmann (Stuttgart 1994), 280-282; Fisch 1984:232. Küpper zweifelt allerdings an d e m Erfolg der Version einer frühen Christianisierung des amerikanischen Kontinents. Er spricht von einer "schon damals weithin als fabulös angesehenefn] Geschichte". Joachim Küpper, "Teleologischer Universalismus und kommunitaristische Differenz. Überlegun-

gen zu Calderóns La aurora en Copacabana, zu Voltaires Alzire, ou les Américains, zu Sepúlveda und Las Casas". In: Das Ende. Figuren einer Denkform. Hg.v. Karlheinz Stierle (München 1996), 443. A. Vorstellung bis heute in der Larraya in Pedro Calderón de Larraya (Buenos Aires 1956), 2

Pagés Larraya dagegen weist auf das Fortbestehen dieser Folklore Perus und Paraguays hin. Vgl. Antonio Pagés la Barca, La aurora en Copacabana. Hg.v. Antonio Pagés 188. Vgl. auch Gandía 1946:227-242.

Für las Casas vgl. Erdheim 1988:36-41; Esteve Barba 1992:83-102; Monika Walter, "Indianischer Seelenadel und mestizische Sprachvernunft. Alterität im f r ü h m o d e r n e n La-

teinamerika-Diskurs." In: Ränder der Moderne. Repräsentation und Alterität im (post)ko3

lonialen Diskurs. Hg.v. Robert Weimann (Frankfurt a.M. 1997), 75-85. Vgl. Elliott 1970:25/26. An dieser Stelle sei auf Antonio León Pinelo verwiesen, der in seiner Schrift El paraíso en el Nuevo Mundo im 17. Jahrhundert beweisen möchte, d a ß es sich bei Amerika um den Garten Eden handle. Vgl. Esteve Barba 1992:137-140; Horst Dippel, "Faszination und Wandel im europäischen Amerikabild. V o m Eldorado z u m Pa-

B.

Kontexte

77

Gesellschaftlicher Status, Bildung, Lektüre, Position und Intention, persönliche Wünsche wurden somit zu den bestimmenden Faktoren bei der Wahrnehmung des amerikanischen Kontinents durch spanische Conquistadores, Siedler, Missionare, Historiker und Händler. Amerika und seine autochthonen Kulturen wurden dabei auf wenige stereotype Merkmale reduziert: enormen Reichtum, Kannibalismus, ausschweifendes Sexualleben, vor allem der Frauen. Die Gründe, warum es den spanischen Amerikareisenden kaum gelang, diese stereotypen Vorstellungen zu überwinden und zu einer weitgehend realistischen Einschätzung des anderen zu gelangen, sind vielschichtig und äußerst komplex, weshalb sie in diesem Rahmen nicht eingehend behandelt werden können. Es steht fest, daß die spanischen Reisenden gegenüber denen anderer Nationen hier eine Sonderstellung einnahmen, die durch den allgemein religiös-politischen Hintergrund zu erklären ist. Neben der ausgeprägten Zweckgerichtetheit gerade der spanischen Unternehmungen dürfte die nur schwach ausgebildete nationale Identität eine Rolle gespielt haben, die ein besonders starkes Abgrenzen dem Fremden gegenüber verlangte. Darüber hinaus weist Erdheim darauf hin, daß Extrempositionen bei der Wahrnehmung des anderen oft auf eine verdrängte Kritik an der eigenen Gesellschaft zurückzuführen sind: Die Haltung gegenüber der fremden Kultur ist immer nur ein Spiegel der Haltung gegenüber den unterdrückten Bereichen der eigenen Kultur (1988:34).

Während diese Kritik die einen zu einem utopischen Gegenentwurf der eigenen Gesellschaft veranlaßt, fuhrt sie bei anderen zu einer Herabqualifizierung und Verdammung der fremden Kultur. Offensichtlich gelang es nur wenigen Spaniern, deren Beschäftigungen sie nach Amerika führte und deren Zeugnisse erhalten sind, sich den fremden Kulturen anzunähern. Unerläßliche Voraussetzung hierfür schien ein mehrjähriges enges Zusammenleben mit einheimischen Bewohnern Amerikas zu sein 1 . Bestand die Notwendigkeit, mit den Einheimischen kommunizieren zu müssen, um das eigene Überleben zu sichern, wuchs offensichtlich die Bereitschaft, der anderen Kultur mit mehr Verständnis zu begegnen. So z.B. im Fall Alvar Nünez Cabeza de Vacas, der sich nach einem Schiffbruch sieben Jahre lang im südwestlichen Gebiet der heutigen USA bewegte 2 . Seine Naufragios zeugen von einem tiefen Verständnis der ihm fremden Kultur 3 , was sicher auf die extreme Abhängigkeit des Spaniers von den Indianern zurückzufuhren ist. Wahrscheinlich dürfte aber auch die Tatsache von Bedeutung sein, daß Cabeza de Vaca keinerlei merkantilistische Ziele mehr verfolgte: Ihm ging es nur noch ums Überleben. Als großer Kenner der peruanischen Kultur galt Juan de Betanzos, einer der ersten Perureisenden, der mit einer Inkaprinzessin verheiratet war und enge Verbin-

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3

radigma". In König 1989:85/86; Georges Baudot, Utopía e Historia en México. Los primeros cronistas de la civilización mexicana (1520-1569). Übersetzung aus dem Französischen, Madrid 1983. Vgl. Elliott 1970:20/21. Dies galt nicht für die meisten Siedler, die fast ausschließlich unter sich blieben. Vgl. Esteve Barba 1992:280/281; Rolena Adorno/ Patrick Charles Pautz (Hg.), Alvar Núñez Cabeza de Vaca. His Account, His Life, and the Expedition of Pánfilo de Narváez. Bd. 1, Lincoln, London 1999. Zu Cabeza de Vacas Text und sein Verständnis vgl. Walter 1997:44-52.

78

II. Der phänomenologische Kontext: die Wahrnehmung des Anderen

düngen zu einheimischen peruanischen Adelskreisen unterhielt. Er sprach Quechua und verfaßte eine Suma y narración de los incas1. Dem Franziskaner Bemardino de Sahagún gelang es, die vorherrschende europäische Sichtweise aufzugeben und sich der aztekischen Weltsicht anzunähern. Er schreibt seine Historia general de las cosas de Nueva España aus der Sicht der Indianer 2 . Es ist kein Zufall, daß die Werke der beiden letztgenannten Autoren nicht zu ihrer Zeit erschienen, dem zeitgenössischen Publikum somit nicht zur Verfugung standen. Trotz dieser vereinzelten Annäherungen an eine Alteritätserfahrung 3 stellt Gumbrecht zu Recht noch verstärkt für das 17. Jahrhundert eine Rückkehr zum "reduktiven Habitus der Fremdinterpretation" (1987b:236) fest, eine Arretierung begonnener Erfahrungsprozesse, die es wohl auch verhinderte, daß die Neue Welt für die Spanier zu einem Raum neuer Erfahrungen wurde (1987b:244).

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Vgl. Elliott 1970:18; Esteve Barba 1992:514-516. Vgl. Erdheim 1988:41-50; Esteve Barba 1992:208-214; Baudot 1983; Walter 1997:86-93. Weitere Beispiele nennt Eva Stoll, "Ethnographie in spanischen Soldatenchroniken (Peru XVI. Jahrhundert)." Neue Romaria 17 (1996): 109-127; vgl. auch Stoll 1997.

B. Kontexte

79

III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien Das zweite nach dem homo faber ist nun die Weite. Ernst Bloch

1. Die Epoche der spanischen Expansionen Als Cristóbal Colón 1 1492 mit seiner Landung auf der Karibikinsel Guanahani die Begegnung Europas mit dem amerikanischen Kontinent initiierte, bestand das vereinigte Spanien erst seit wenigen Jahren. 1474 hatten Isabel von Kastilien und Fernando von Aragón durch ihre Heirat und Allianz den jungen Staat begründet, dessen Ideologie die des katholischen Glaubens und der Blutreinheit war, garantiert durch die Kontrolle der Inquisition2. Bestärkt durch den erfolgreichen Abschluß der Reconquista, drängte das christliche Spanien nach neuen Unternehmungen, allen voran der aufstrebende Stand der Geschäftsleute. Die Konkurrenz gegenüber Portugal, der Wunsch nach Ausdehnung des Herrschaftsraums, nach Gold und Reichtümern waren die wichtigsten Beweggründe für die expansionistischen Bestrebungen Spaniens. Zudem galt es, neue Betätigungsfelder für die nach der Eroberung Granadas untätigen Soldaten zu finden. Der Aspekt der Missionierung war für die spanische Krone zu Beginn der Conquista eher sekundär, gleichwohl er als Rechtfertigungsgrund für verschiedene politische Ansprüche diente . Die Begegnung Europas mit Amerika war begleitet von Eroberungsfeldzügen 4 , von Landnahmen und der Gründung von Siedlungskolonien 5 . Je nach Region wurde 1

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Da Leben und Werk des Columbus auf besondere Weise mit Spanien verbunden sind, habe ich mich für die spanische Form seines Namens entschieden, auch wenn Colons Genueser Ursprung inzwischen unumstritten ist. Zu seiner Biographie vgl. Salvador de Madariaga, Vida del muy magnifico Señor Don Cristóbal Colón, Madrid 4 1984; Jacques Heers, Christophe Colomb, Paris 1981; Gianni Granzotto, Cristoforo Colombo, Milano 1984. Zum Spanien des 15. und 16. Jahrhunderts vgl. Walther L. Bernecker/ Horst Pietschmann, Geschichte Spaniens, Stuttgart, Berlin, Köln 1993; John Lynch, Spain 1516-1598. Front

Nation State to World Empire. Erweiterte Fassung von Spain under the Habsburgs I, Ox-

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ford, Cambridge 1994; John Huxtable Elliott, Imperial Spain 1496-1716, London 1963; Henry Kamen, Spain 1469-1714. A Society of Conßict, London 1983; Antonio Domínguez Ortiz, Desde Carlos V a la paz de los Pirineos, 1517-1600, Barcelona, Buenos Aires, México 1974; Hartmut Heine, Geschichte Spaniens in der frühen Neuzeit 1400-1800, München 1984. Vgl. hierzu Horst Pietschmann, "Die Conquista Amerikas: ein historischer Abriß". In Kohut 1991 a: 18. Für eine ausfuhrliche Darlegung des Verlaufs der spanischen Eroberungen siehe Reinhard 1985:41-58; Horst Pietschmann, "Die iberische Expansion im Atlantik und die kastilischspanische Entdeckung und Eroberung Amerikas". In: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas I "Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1760". Hg.v. Horst Pietschmann (Stuttgart 1994), 207-273; Urs Bitterli, Die Entdeckung Amerikas (München 1991), 57353; McAlister 1984:73-107; vgl. außerdem den Quellenband von Matthias Meyn u.a. (Hg.), Die großen Entdeckungen. Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion II (München 1984), 89-125,160-210,306-463. Zur Kolonisierung Amerikas vgl. McAlister 1984:108-249; Pietschmann 1991; Reinhard 1985:69-86.

80

III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

Plantagenwirtschaft betrieben, oder es wurden Edelmetalle abgebaut. Bedeutender Bestandteil der Kolonisierung war der Aufbau eines effektiven Verwaltungssystems 1 . Die autochthone Bevölkerung Amerikas wurde missioniert und hispanisiert, zu Arbeitsdiensten herangezogen oder zu Abgaben verpflichtet. Trotz kritischer Stimmen und einer zentralen Indianergesetzgebung führten die massive Ausbeutung der indianischen Arbeitskräfte, durch Europäer eingeschleppte Epidemien, aber auch eine allgemeine "Desintegration der indianischen Gesellschaften" (Pietschmann 1991:25) zu einer enormen Dezimierung der einheimischen Bevölkerung Amerikas 2 . Diese weitreichenden weltgeschichtlichen Umstrukturierungen sind das Ergebnis eines gesamteuropäischen Prozesses, der ungefähr im 13. Jahrhundert in Italien seinen Ausgang nahm und die Voraussetzungen schuf für geistige, technische und gesellschaftliche Entwicklungen, die das Überschreiten der bis dahin festgesteckten Grenzen erst ermöglichten 3 . Die starren Denk- und Handlungsschemata des Mittelalters wurden aufgebrochen, und man spricht gemeinhin vom Beginn der Neuzeit, von der einsetzenden Epoche der Renaissance 4 . Auch wenn das Primat der italienischen Renaissance zum Maßstab für die anderen Länder wurde 5 , sollte diesen doch eine eigene Entwicklung zugestanden werden, weshalb Peter Burke folgerichtig von "various 'renascences'" (1987:4) spricht. Er definiert die Epoche allgemein als "a particular Cluster of changes in western culture" (1987:5). Laut Gumbrecht prägt den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit die "Erweiterung, Verfremdung, Vervielfältigung der Erfahrungshorizonte", die den Menschen zur "Instanz der Sinngebung" machen und die Welt zum "Gegenstand menschlicher Sinnbildung" (1987b: 227/228). Für die neue Epoche zeichnet "ein Konglomerat von Nutzen und Neugier" 6 verantwortlich. Eine zunehmende Individualisierung rückt in der Neuzeit den Men1 2 3 4

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Eine ausführliche Beschreibung des spanischen kolonialen Verwaltungssystems liefert McAlister 1984:182-207. Tzvetan Todorov spricht von 70 Millionen Indianern, die als Folge der europäischen Invasion starben. Vgl. Todorov 1982:138/139. Zu den Voraussetzungen für die europäische Expansion vgl. Pietschmann 1994:211-216. Hier soll am Rande auf das problematische Konzept der Renaissance hingewiesen werden. Vor allem Forscher des 19. Jahrhunderts wie Jakob Burckhardt betrachteten die Renaissance als eine scharf v o m Mittelalter getrennte Epochc, ein Zeitalter "in purple and gold, as an isolated cultural miracle" (Burke 1987:5), das von Italien aus die anderen europäischen Länder beeinflußte. Gegen diese Konzeption eines Renaissancemythos wenden sich moderne Forscher, allen voran Johan Huizinga in seiner Schrift Das Problem der Renaissance. So war z.B. in der Forschung lange Jahre die Rede von Spanien, dem Land ohne Renaissance, oder es wurde eine verspätete Renaissance konstatiert. In diesem Sinne argumentierten z.B. Heinrich Morf oder Viktor Klemperer. Doch bereits Ludwig Pfandl und Helmut Hatzfeld widersprachen dieser Vorstellung und betonten die Besonderheit der spanischen Renaissance. Die neuere Forschung schloß sich ihnen an, auch wenn bis heute noch bisweilen Zweifel geäußert werden. Maravall dagegen betont sogar die Vorreiterposition Spaniens innerhalb der Renaissancebewegung. Vgl. Maravall 1964a: 188. Sebastian Neumeister, "Renaissance und Barock - Themen am Beginn der Moderne". In: Propyläen Geschichte der Literatur. Literatur und Gesellschaft der westlichen Welt III "Renaissance und Barock. 1400-1700" (Berlin 1984), 17.

B.

Kontexte

81

sehen in das Zentrum seiner Betrachtung. Ökonomische Bedürfnisse fuhren zu einem vermehrten Handel, der das Bürgertum stärkt und in die Ferne führt. Ein wachsendes Selbstbewußtsein sorgt dafür, daß traditionelle Weltsichten verworfen werden und die eigene Wahrnehmung in den Vordergrund tritt. Ein neu sich konstituierendes Erkenntnisinteresse fuhrt zu einer Rehabilitierung der theoretischen Neugierde, die sich gegen ihre Diskriminierung im Mittelalter auflehnt 1 und sich zunächst Formen und Werten der Antike zuwendet 2 . Dieser zeitlichen Grenzüberschreitung der theoretischen Neugierde entspricht als analoger Prozeß die Neugierde auf fremde Länder, das Interesse an fremden Kulturen. Erst das Erkennen des Kontrasts zwischen Vergangenheit und Gegenwart ermöglichte das Entwickeln von Konzepten, mit denen fremde Kulturen eingeordnet werden konnten 3 , ein Prozeß, der damals nur den humanistisch Gebildeten gelang 4 . Während Odysseus in Dantes Divina Commedia nach seiner Durchfahrt durch die Säulen des Herkules noch Schiffbruch erleidet: "Noch bedarf also die Neugierde der transzendenten, der mehr als theoretisch gerichteten Legitimation", gelingt in Torquato Tassos Gerusalemme literata die Durchfahrt: "Die Selbstbestätigung der menschlichen Neugierde ist zur Form ihrer Legitimation geworden" (Blumenberg 1988:140/141). In Spanien nahm die Bewegung eigene Formen an, Maravall spricht von einer peripheren Renaissance 5 . Als auffalligster Zug gilt dabei, daß sich kein radikaler Bruch mit dem Mittelalter feststellen läßt, wie z.B. in Italien. Auch die Hinwendung zu antiken Texten und Formen steht nicht im Zentrum der Auseinandersetzung 6 . Statt dessen vollzog sich der Prozeß der Neuzeit in Spanien eher auf politischem Gebiet, so daß - wie Gumbrecht treffend feststellt - "die Neuzeit in Spanien nicht unter dem Horizont humanistischer Gelehrsamkeit anbrach, sondern als Folge subjektzentriertzweckrationalen Handelns" (1987b:228-230) der Reyes Católicos, den ersten modernen Herrschern. In Spanien bereits ab der Mitte des 16., in anderen Staaten gegen Ende des Jahrhunderts bringen konservative Einflüsse - die Gegenreformation - und diverse Staatskrisen einschneidende Veränderungen: Der intellektuelle Horizont verschließt sich erneut gegenüber neuen Ideen und Einflüssen 7 . Eine verstärkte staatliche Kontrolle bezeugt neue Machtstrukturen: Das Individuum - allen voran Künstler und Intellektuelle, aber auch Adlige - hat sich dem absoluten Herrscher unterzuordnen 8 . 1 2 3

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Vgl. hierzu Blumenberg 1988: vor allem 11-21,123-183. Vgl. Burke 1987:7-26. Vgl. hierzu John Howland Rowe, "The Renaissance Foundations of Anthropology". American Anthropologist 67 (1965): 1,8. Vgl. auch Charles Trinkaus, "Renaissance and Discovery". In: First Images of America. The Impact of the New World on the Old. Bd. 1. Hg. v. Fredi Chiappelli (Berkeley, Los Angeles, London 1976), 3-9. Vgl. Rowe 1965:12. Die Bewegung der Renaissance blieb stets die einer städtischen Minderheit: von Humanisten, Künstlern, bestimmten Teilen der herrschenden Klasse. Vgl. Burke 1987:24. Vgl. hierzu José Antonio Maravall, Estudios de historia del pensamiento espanol II "La època del Renacimiento" (Madrid 1984), 107-122. "Nirgends spielte die humanistische Vergegenwärtigung der antiken Welt aber auch eine so untergeordnete Rolle wie gerade in Spanien" (Gumbrecht 1987b:227). Vgl. Maravall 1964a:211. Vgl. Neumeister 1984:13/14.

III. Der historische

82

Kontext: Amerika in Spanien

Die Hybris der Renaissance, die enorme Selbstüberschätzung in die Kräfte des Individuums, wird von der Vanitas des Barock, die Nichtigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens thematisiert, abgelöst. Die durch Arkadien und Utopien manifestierte Idealisierung der Wirklichkeit des 15. und 16. Jahrhunderts gerät in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer Ästhetisierung von Illusion und Imagination. Engaño und desengaño sind die vorherrschenden Themen der spanischen Barockliteratur. Das Neue ist nur da noch präsent, wo es keine Machtinteressen zu tangieren scheint: in der Kunst 1 . Gleichzeitig verkommt der afán por lo nuevo zur bloßen Dekoration, erfahrt eine zunehmende Trivialisierung: [...] la atracción por la fantasía y la arbitrariedad, meramente literarias, aparece como muy otra cosa de aquel deseo de conocimiento y dominio del mundo natural que inspiró nuestro siglo XVI (Maravall 1964a:223).

Auch wenn das Barockzeitalter kulturelle Werke von hoher Qualität hervorbringt, ist es doch als Epoche der Rückwendung und des Rückschritts zu betrachten: Das Fenster zur Welt, das die eindrucksfrohe Renaissancewelt weit aufgestoßen hatte, schließt sich wieder. Der Mensch bleibt als Marionette Gottes im Dunkel einer Weltmaschine zurück, die nach dem abstrakten und uneinsehbaren Gesetz einer starren Mechanik funktioniert (Neumeister 1984:25). *

Die Begegnung Spaniens mit Amerika vollzog sich in drei Schritten: der direkten Begegnung - der Information über diese Begegnung - der Rezeption dieser Information durch weitere Kreise der spanischen Gesellschaft. Während nahezu alle Bewohner des amerikanischen Kontinents von der europäischen Invasion betroffen waren, handelte es sich bei den spanischen Akteuren des direkten Zusammentreffens der zwei Kulturen - Entdeckern, Conquistadores, Missionaren, Siedlern, Beamten, Geschäftsleuten und anderen - lediglich um einen geringen und keineswegs repräsentativen Teil der spanischen Bevölkerung: Die Mehrzahl der Bewohner Spaniens hatte keinen direkten Kontakt zu den Kolonien. Für sie erfolgte die Rezeption über die Informationsarbeit Dritter, die auf verschiedenen Wegen über Amerika informierten. Die überwiegende Mehrheit der spanischen Bevölkerung rezipierte Phänomene Amerikas auf diese Weise. Das folgende Kapitel thematisiert die Informationsvermittlung amerikanischer Phänomene. Nach einer Darlegung der Informationspolitik der spanischen Krone, die zeigt, wie die spanischen Könige Einfluß auf die Verbreitung von Information über Amerika nahmen, erfolgt die Untersuchung von Inhalten und Wegen der Information über Amerika, die Spanien erreichte. Der Schwerpunkt wird hier auf den schriftlichen Darstellungen liegen, Briefen, relaciones, historias usw., die der Forschung - im Gegensatz zu anderen Informationswegen, die nur über den Umweg der historiographischen Literatur mehr oder weniger spekulativ erfaßt werden können zur Verfugung stehen. Darüber hinaus werden aber auch andere Informationswege skizziert. Es geht in diesem Kapitel neben einer Darlegung der Informationsmöglichkeiten des amerikanischen Phänomens vor allem um die Qualität der Informa1

Vgl. Maravall 1964a:223/224.

B. Kontexte

83

tion, die den darauf folgenden Rezeptionsvorgang nachhaltig bestimmte. Dem schließt sich ein Kapitel zur Rezeption amerikanischer Phänomene in Spanien an. Die historische Rezeptionsforschung kann sich aufgrund mangelnden Materials und des Fehlens entsprechender Vorarbeiten den Fragen oft nur annähern, ohne eine direkte Antwort zu geben. Auch hier ist die Situation ähnlich: Erst seit wenigen Jahren beschäftigt sich die Historiographie in Ansätzen mit der Frage der Rezeption amerikanischer Phänomene in Spanien. Da die spanische Bevölkerung auf ganz unterschiedliche Weise von amerikanischen Realitäten betroffen war, erfolgt die Untersuchung unterteilt nach Milieus bzw. Interessensgruppen, wobei jedoch nur augenfällige Erscheinungen kommentiert werden können und keinerlei Anspruch auf eine umfassende Analyse gestellt wird. Ziel dieser Untersuchung ist neben der Darlegung eines Panoramas der Rezeption amerikanischer Phänomene auch die Beantwortung der Frage, ob und wie Alteritätserfahrung stattfinden konnte. Femer soll dieser Teil die Grundlage sein für den Hauptteil der Studie, der eine bestimmte Art von Rezeption untersucht: die Umsetzung von Information in Literatur.

2. Die Information über Amerika Der Beginn der Neuzeit kann als eine Zeit des Übergangs von der repräsentativen zur bürgerlichen Öffentlichkeit betrachtet werden 1 , in der mit dem Entstehen eines frühen "Finanz- und Handelskapitalismus, der seit dem 13. Jahrhundert von den oberitalienischen Städten aus auch nach West- und Nordeuropa ausstrahlt" (Habermas 1987:28), eine Umgestaltung der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung einhergeht. Das städtische Bürgertum, in erster Linie Kaufleute, gewinnt im Verlaufe dieses Prozesses an Macht und Bedeutung. Dies führte zu einer verstärkten Hinwendung dieser Gesellschaftsschichten zur Schrift. Es bestand eine vermehrte Nachfrage nach Information, wie sie z.B. gerade der Femhandel erforderte, deren Beschaffung durch die Beherrschung der Schrift erleichtert wurde 2 . Diesen Prozeß begünstigte ein weiterer Faktor, der das vorherrschende Kommunikationssystem radikal ändern sollte: der Buchdruck. Das Gutenbergsche Druckverfahren machte aus dem bisher handschriftlich in Einzelexemplaren erstellten Buch ein Massenprodukt, das den "lois rigoureuses du profit, de l'offre, de la demande" 3 unterlag 4 . Der kommunikative Prozeß entwickelte sich so vom kollektiven zum sub1

Vgl. Habermas 1987:28-41. Zur Begriffsgeschichte von Öffentlichkeit vgl. auch Lucian

Hölscher, Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979. 2

3

Vgl. zu diesem Prozeß Wieland Schmidt, "Die Anfänge: 15. und 16. Jahrhundert". In: Handbuch der Publizistik III "Praktische Publizistik". 2. Teil. Hg.v. Emil Dovifat (Berlin 1969), 64-66.

Fernand Braudel, Civilisation

matérielle,

économie

et capitalisme,

XV-XVllf

siècle

I

"Les structures du quotidien: le possible et l'impossible" (Paris 1979), 352.

4

Zum Buchdruck vgl. Elizabeth L. Eisenstein, The Printing Press as an Agent of Change.

Communications and Cultural Transformations in Early-Modern Europe. 2 Bände, Cambridge 1979; Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine

historische

Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt a.M. 1991; Roger Chartier, Culture écrite et société. L'ordre des livres

XVlir siècle), Paris 1996.

(XIVe-

84

III Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

jektiven Akt, indem er dem gemeinsam erlebten Rezeptionsvorgang die "einsame Lektüre" voranstellte 1 . Diese Periode des Übergangs von der mündlichen Tradition des Mittelalters zur modernen, von der Schrift dominierten Kultur wird trotz des enormen Anstiegs von Druckerzeugnissen weiterhin durch mündliche Kommunikationsformen der Informationsvermittlung bestimmt. Dies erklärt sich schon aus der noch hohen Analphabetenquote aller europäischen Länder dieser Zeit. Zwar veränderte sich aufgrund der gesellschaftlichen Umgestaltungen und technischen Neuerungen der Nachrichtenverkehr, es etablierten sich jedoch lediglich interne Informationssysteme, da die verschiedenen Gruppen an einer weiterreichenden Öffentlichkeit noch nicht interessiert waren. So kann von Post und Presse im heutigen Sinn erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts gesprochen werden, wenn beides weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich ist und nicht nur einer herrschenden Minderheit 2 . Information über Amerika erreichte Spanien auf vielerlei Wegen. Der größte Teil an Information wurde dabei über das Medium der Sprache vermittelt, bisweilen auch unterstützt durch visuelle Hilfsmittel. Durch direkte oder indirekte Kommunikation 3 , über gesprochene oder geschriebene Texte informierte ein Sender, der einer Intention zur Information nachkam, einen Information suchenden Empfänger über einen bestimmten Sachverhalt. Ebenfalls der Informationsvermittlung dienten Konfrontationen von Personen oder Personengruppen mit Prozessen, Ereignissen, Gegenständen oder auch anderen Personen, ohne daß es notwendigerweise zur verbalen Kommunikation kommen mußte. "Silent sources" nennt J. H. Elliott deswegen auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, des Kunsthandwerks, von Flora, Fauna usw., die gleichermaßen Wissen und Aspekte anderer Kulturen vermitteln können 4 . Dabei fallt die vermittelnde Instanz weg, Dinge und Ereignisse sprechen für sich selbst. Dieser Kommunikationsprozeß, denn um einen solchen handelt es sich auch in diesen Fällen 5 , ist anders gewichtet als der verbale. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Art von Informationsvergabe auf der subjektiven Denkleistung des Empfangers, der Begebenheiten oder Gegenstände interpretiert. Trotz dieser anderen Gewichtung und trotz mangelnder Steuerung von Seiten des Empfängers wird auch auf diese Weise Information vermittelt, wenngleich auf indirekte Weise.

1

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4 5

Vgl. hierzu Hans Ulrich Gumbrecht, Eine Geschichte der spanischen Literatur I (Frankfurt a.M. 1987), 177-190; vgl. außerdem Hans Ulrich Gumbrecht, "The Body versus the Printing Press: Media in the Early Modern Period, Mentalities in the Reign of Castile, and another History of Literary Forms". Poetics 14 (1985):209-227. Vgl. Habermas 1987:30. Zum Modell der verbalen Kommunikation siehe Roman Jakobson, "Linguistik und Poetik". In: Literaturwissenschaft und Linguistik I. Hg.v. Jens Ihwe (Frankfurt a.M. 1972), 99-135. Zur Unterscheidung direkte - indirekte Kommunikation vgl. Gemot Wersig, Information - Kommunikation - Dokumentation. Ein Beitrag zur Orientierung der Informations- und Dokumentationswissenschaft (Pullach 2 1974), 116/117. Vgl. Elliott 1976:14. Umberto Eco behandelt in seinem Werk Einführung in die Semiotik ausdrücklich nonverbale Kommunikationsmodelle. Vgl. Umberto Eco, Einführung in die Semiotik (München 1972), 17-27.

B. Kontexte

85

Die Informationspolitik der spanischen Krone Auch wenn das Engagement der Katholischen Könige für die neu entdeckten Regionen Amerikas zunächst gering war1, wurden die Mitteilungen über die Neue Welt schon bald weitgehend von der spanischen Krone gesteuert. Diese erkannte zunehmend Nutzen und Notwendigkeit der Information: zur Konsolidierung ihrer Macht, aus Rechtfertigungs-, später dann verwaltungstechnischen Gründen2. Ab ca. 1530 läßt sich eine verstärkte Institutionalisierung der Informationsbeschaffung über Amerika vermerken: Neben einer allgemeinen Informationspflicht für Ausreisende 3 wird eine erste Volkszählung in Amerika verordnet und Gonzalo Fernández de Oviedo zum ersten offiziellen Chronisten der spanischen Kolonien ernannt. Da die zu Beginn des 16. Jahrhunderts erlassenen Zensurgesetze 4 weitgehend willkürlich und inkonsequent gehandhabt wurden, war das Klima für Publikationen über die neu entdeckten Länder in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ziemlich günstig 5 . Werke konnten auch ohne Lizenz verbreitet werden, wie z.B. noch in den 50er Jahren mehrere Schriften von Bartolomé de las Casas, dem großen Kritiker des spanischen Vorgehens. Das Erscheinen anderer Werke dagegen - auch systemkonformer Autoren wie Ginés de Sepülveda oder López de Gomara - wurde von der Zensur untersagt. Besonderes Augenmerk legte die spanische Krone auf die Kontrolle der Ausfuhr von Büchern in die amerikanischen Kolonien 6 . Diese Situation änderte sich unter der Herrschaft von Felipe II. Die 1558 neu erlassenen, nunmehr verschärften Zensurgesetze7 kontrollierten zunehmend das literari1 2 3 4

Vgl. Birgit Scharlau, "Beschreiben und Beherrschen. Die Informationspolitik der spanischen Krone im 15. und 16. Jahrhundert". In Kohl 1982:94. Vgl. Scharlau 1982:94-96. Vgl. Martínez Carreras 1965.XLVIII; Mignolo 1982:72. Die Zensurbehörden des Staates arbeiteten weitgehend unabhängig von R o m und den kirchlichen innerspanischen Zensurbehörden der Inquisition, die sich eher auf die Verbote bereits gedruckter und publizierter Werke konzentrierten. Vgl. Virgilio Pinto Crespo,

"Thought Control in Spain". In: Inquisition and Society in Early Modern Europe. Hg.v. Stephen Haliczer (London, Sydney 1987), 178. An neuerer Literatur über die Rolle von Zensur und Inquisition im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. den S a m m e l b a n d

von Stephen Haliczer (Hg.), Inquisition and Society in Early Modern Europe, London, Sydney 1987; Virgilio Pinto Crespo, Inquisición y control ideológico en la España del siglo XVI, Madrid 1983; Antonio Márquez, Literatura e inquisición en España (14781834), Madrid 1980; Henry Kamen, Inquisition and Society in Spain in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, London 1985; Mary E. Perry (Hg.), Cultural Encounters. The Impact of the Inquisition in Spain and the New World, Berkeley u.a. 1991. Ein Teil der Zensurgesetze findet sich in: Antonio Sierra Corella, La censura en España. Indices y catálogos de libros prohibidos, Madrid 1947. Dieses Werk, das Henry Kamen nicht umsonst als Apologie bezeichnet, bemüht sich angestrengt um eine Rechtfertigung und Verklärung der spanischen Zensur und ist nur aufgrund der abgedruckten Dokumente von Bedeutung. 5

Vgl. Juan Friede, "La censura española del siglo XVI y los libros de historia d e América".

Revista de historia de América 47 (1959):57-59. 6

7

Königliche Anordnungen und Dekrete verboten ab den 30er Jahren die A u s f u h r fiktionaler Werke. Vgl. Leonard 1992:81/82; Baudot 1983:494. D a ß diese Anordnungen nicht streng befolgt wurden, dokumentiert Leonard 1992:75-90. Ein Teil des Gesetzestextes der nueva pragmática findet sich bei Sierra Corella 1947:97/98, ein anderer bei José Simón Díaz, El libro español antiguo. Análisis de su

86

III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

sehe Leben Spaniens 1 . Bereits 1956 war der Druck ohne Lizenz für all jene Bücher verboten worden, die Aspekte Amerikas thematisieren 2 . Die Obrigkeit behielt sich das Recht vor, alle Texte, die über die neu entdeckten Länder berichteten, zu kontrollieren 3 . Die Gründe hierfür sind zunächst einmal in dem äußerst gespannten Verhältnis der Krone zu den Conquistadores zu sehen 4 . Die spanischen Herrscher begegneten den Eroberern in den Kolonien seit jeher mit Mißtrauen, da sie deren Unabhängigkeitsbestrebungen fürchteten, eine Angst, die nicht unbegründet war, wie das Beispiel Lope de Aguirres zeigt. Gleichzeitig waren die Könige zu Zugeständnissen an Eroberer und Siedler gezwungen, da die spanische Wirtschaft bald auf das Gold aus den Kolonien angewiesen war. Die Conquistadores wiederum beklagten, sich darüber, daß die Krone ihre Verdienste nicht genügend anerkenne und forderten Titel und Vergütungen 5 . Bekannt sind vor allem die Forderungen Colons und die damit verbundenen Prozesse seiner Erben 6 , ebenso wie die schwierige Beziehung der Krone zu Hernán Cortés und den Pizarro-Brüdern 7 . Von großer Bedeutung waren in diesem Zusammenhang die Vorwürfe eines äußerst gewalttätigen Vorgehens der spanischen Eroberer und Siedler gegenüber der indigenen Bevölkerung, wie sie vor allem von dem Dominikanermönch Bartolomé de las Casas geäußert wurden. Die öffentlich ausgetragene Kontroverse des Mönchs mit seinem Kontrahenten Ginés de Sepülveda, die 1550 in Valladolid zu einer Anhörung vor Karl V. und dem Indienrat führte 8 , und die 1552 veröffentlichte Schrift

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estructura (Kassel 1983), 8/9. Vgl. auch Friede 1959:49-52; Pinto Crespo 1987:176-179; Kamen 1985:80. Die Gesetze wurden 1559 durch die Veröffentlichung eines Index ergänzt. Vgl. Kamen 1985:80/81. Vgl. Friede 1959:48; Scharlau 1982:98. Aufgrund mangelnden Materials läßt sich das wahre Ausmaß der Zensurmaßnahmen auf die Textproduktion und -Veröffentlichung über Amerika zur damaligen Zeit nur erahnen. Leider sind die Arbeiten von Friede (1959) und Baudot (1983) die bisher einzigen ausführlicheren Untersuchungen zu diesem Thema. Vgl. Scharlau 1982:98. Vgl. hierzu McAlister 1984:81/82; Pietschmann 1991:24; Reinhard 1985:79; Carlos Bosch García, Sueño y ensueño de los conquistadores (México 1987), 17/18,22-25. Vgl. Jacques Lafaye, Los conquistadores. Übersetzung aus dem Französischen (México 1970), 211-218; Reinhard 1985:79. Vgl. Granzotto 1984:327-330. Hernán Cortés gelangte zu Lebzeiten zu keiner Einigung mit dem König über seine Verdienste und Anteile. Er konnte überdies den Verdacht, er strebe nach eigenen Herrscherwürden, niemals ganz ausräumen. Vgl. hierzu Richard Lee Marks, Cortés. The Great Adventurer and the Fate of Aztec Mexico ( N e w York 1993), 331/332; Herbert Matis, Hernán Cortés. Eroberer und Kolonisator (Göttingen 1967), 87-91; Marcel Bataillon, "Hernán Cortés, autor prohibido". In: Antonio Alatorre u.a., Libro jubilar de Alfonso Reyes (México 1955), 77-82. Als an den peruanischen Bürgerkriegen Beteiligte erfreuten sich auch die Pizarros keiner Beliebtheit am spanischen Hof. Zu den Pizarros vgl. Raúl Porras Barrenechea, Pizarro, Lima 1978; James Lockhart, The Men of Cajamarca. A Social and Biographical Study of the First Conquerors of Peru, Austin, London 1972. Vgl. Angel Losada, "The Controversy between Sepülveda and Las Casas in the Junta of Valladolid." In: Bartolomé de las Casas in History. Toward an Understanding of the Man and His Work. Hg.v. Juan Friede und Benjamin Keen (DeKalb 1971), 279-307.

B.

Kontexte

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Brevísima relación de la destrucción de las Indias von las Casas sorgten für eine rasche Verbreitung der geäußerten Anklage. Die Vorwürfe dienten den anderen europäischen Nationen zur Unterstützung ihrer antispanischen Kampagnen. Es war sicher auch die Angst, den äußeren Feinden Material zu liefern, die Felipe II. dazu veranlaßte, Informationen über Amerika zurückhalten und wegschließen zu lassen. Las Casas, der am Hof Karls V. hohes Ansehen genoß 1 , mußte sich nach dem Machtwechsel mit einer geschwächten Position abfinden 2 . Die Situation verschärfte sich, als 1577 Felipe II. und dem Consejo de las Indias3 der Inhalt der ethnographischen Schriften des in Nueva España lebenden Franziskanermönchs Bernardino de Sahagún bekannt wurde. In einem Schreiben vom 22. April 1577 wies der Herrscher den Vizekönig von Nueva España an, sämtliche Schriften und Abschriften Sahagüns zu beschlagnahmen 4 . Dabei war es die Regierung gewesen, die den Anreiz geschaffen hatte für das Sammeln von Informationen über die Kolonien, auch über das Leben und die Vergangenheit der autochthonen Bevölkerung. Etwa zur gleichen Zeit, als die Zensurmaßnahmen erlassen wurden, regten die Herrschenden den Aufbau eines umfassenden Informationssystems an, um die offizielle Historiographie über Amerika zu fördern. Juan de Ovando y Godoy, visitador des Indienrats in Mexico und später dessen Präsident, erneuerte nach 1567 das Informationswesen über Amerika . Er und sein Nachfolger, der Kosmograph-Chronist Juan López de Velasco, erarbeiteten detaillierte Fragebögen, die an spanische Beamte in den amerikanischen Kolonien verschickt wurden 6 . Anhand des Materials, das man auf diese Weise zu erhalten hoffte, sollten offizielle Chronisten Amerikas eine allgemeine Geschichte der Kolonien schreiben 7 . Parallel dazu wurden Mönche von kirchlichen Kreisen in den Kolo1

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"En una época, la influencia de este Obispo en la Corte fue tan importante, que su intervención ocasionó la tardanza en la aprobación de la Historia General y Natural de Fernández de Oviedo [...]" (Friede 1959:58). Auch das Verbot der Publikation der Werke von Sepúlveda 1550 dürfte auf den Einfluß von las Casas zurückzufuhren sein. Vgl. Friede 1959:58; Joseph Höffner, Kolonialismus und Evangelium. Spanische Kolonialethik im Goldenen Zeitalter (Trier 2 1969), 201-203. Obwohl die öffentliche Kontroverse zwischen las Casas und Sepúlveda nicht abschließend entschieden wurde, setzte sich unter Felipes Herrschaft eine etwas gemäßigtere Variante der Position Sepúlvedas durch. Zu Entstehung und Aufgaben des Consejo de las Indias vgl. Horst Pietschmann, Staat und staatliche Entwicklung am Beginn der spanischen Kolonisation Amerikas (Münster 1980), 114/115. Der Text der Anweisung in Form einer Real Cédula findet sich in: Francisco Fernández del Castillo, Libros y libreros en el siglo XVI. Publicaciones del Archivo General de la Nación 6 (México 1914), 513. Zum Verbot der Schriften Sahagüns vgl. Baudot 1983:472483. Vgl. Scharlau 1982:98. Der von Juan López de Velasco 1577 erarbeitete Fragebogen findet sich mit den Anschreiben und Erklärungen in Marcos Jiménez de la Espada, Relaciones geográficas de Indias. - Perú I. Hg.v. José Urbano Martínez Carreras (Madrid 1965), 84-90. Vgl. Scharlau 1982:98. Das ehrgeizige Projekt war jedoch weniger erfolgreich als erwartet: Zunächst gab es kaum Rückläufe aus den Kolonien, und die relaciones, die Texte, die in Beantwortung der Fragebögen erarbeitet und an die spanische Regierung geschickt wurden, verschwanden zusammen mit anderem Material über Amerika in den Geheimar-

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III. Der historische

Kontext:

Amerika

in

Spanien

nien angewiesen, Geschichte und Kultur der Einheimischen zu erforschen und niederzuschreiben, mit dem Ziel einer optimalen Missionierung 1 . Innen- und außenpolitische Probleme, darunter Indianeraufstände in den Kolonien, Autonomiebestrebungen von seiten einiger Conquistadores, die vor allem von anderen europäischen Nationen geäußerten Vorwürfe des gewalttätigen Vorgehens und der unberechtigten Bereicherung der Spanier in den Kolonien, führten schließlich dazu, daß Felipe II. und dem Consejo de las Indias die Schriften Sahagüns und anderer Autoren gefährlich erschienen. Außerdem waren den Herrschenden die millenaristischen Bestrebungen eines Teils der Mönche in Nueva España nicht entgangen, die ein eigenes Weltreich auf der Basis der Indianerkulturen errichten wollten 2 . Hinzu kommt ein allgemein verschärftes Klima der Gegenreformation unter Auswirkung des Tridentinischen Konzils im Spanien der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das sich vor allem Neuen und Fremden verschloß. Ziel der Maßnahmen der Regierung war es, das Thema 'Amerika' aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Probleme, die sich aus der Eroberung und Kolonisierung Amerikas ergeben hatten, sollten fortan nicht mehr diskutiert werden 3 , um den inneren Gegnern oder den anderen, ebenfalls an amerikanischen Kolonien interessierten europäischen Staaten keine Angriffsfläche zu bieten. So wurden Texte über die Kolonien in Geheimarchiven verschlossen und waren der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Ganze Themenbereiche wurden aus der Berichterstattung verbannt, und Baudot stellt mit Recht fest, que la civilización de los mexicanos, y por extensión la del indio de América, han sido declarados temas prohibidos y brutalmente censurados a partir de 1577 (1983:472).

Diese Maßnahmen erreichten ihren Höhepunkt 1582, als Felipe II. anordnete, das Werk des offiziellen Chronisten und Zensors Juan López de Velasco, Geografía y descripción universal de las Indias, nicht zu veröffentlichen und nur dem Consejo zugänglich zu machen. Und das Werk des Arztes von Felipe II., Francisco Hernández, über Flora und Fauna Mexicos, das dieser als Auftragsarbeit für den König erstellt hatte und in dem sich auch Informationen über die einheimische Bevölkerung Mexicos fanden, wurde an einem sogar für die Mitglieder des Consejo geheimen Ort verwahrt 4 . Die Folgen dieser Politik waren für die Historiographie von weitreichender Bedeutung. Lediglich ein geringer Anteil der nach Spanien gelangten Information über Amerika wurde zu seiner Zeit veröffentlicht. Eine große Anzahl von historiographischen Werken wurde von den Zensurbehörden nicht zum Druck zugelassen und war somit der Öffentlichkeit nicht zugänglich 5 . Eine Vielzahl bedeutender Werke geriet in Vergessenheit. Es ist davon auszugehen, daß Manuskripte ganz oder teilweise

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chiven, w o sie nur ausgesuchten Personen zur Verfügung standen. Vgl. Martinez Carreras 1965:XLIX; Scharlau 1982:98/99. Vgl. Baudot 1983:473/474; McGrane 1989:18. Z u m millenaristischen Hintergrund der Mönche in M e x i c o vgl. Baudot 1983: vor allem 85-102. Vgl. Friede 1959:59/60. Vgl. Baudot 1983:487. S o konnten einige Werke erst im 19. oder sogar im 20. Jahrhundert veröffentlicht werden. Einen kurzen Überblick über die wichtigsten Texte und die Daten ihrer Publikation liefert M i g n o l o 1982:105. Vgl. auch Baudot 1983:483-485.

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Kontexte

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verlorengingen, eventuell bis heute noch unentdeckt in Archiven lagern. Anderes konnte nur in einer "gereinigten" Fassung erscheinen, wobei oft nicht nur einzelne Stellen oder Namen, sondern auch ganze Passagen und Kapitel eliminiert oder abgeändert wurden1. So kommt man nicht umhin, mit Juan Friede festzustellen: "Así cesó, por más de medio siglo, la publicación de obras de historia de América" (1959: 61) . Nicht unterschätzt werden sollten die Auswirkungen der Maßnahmen von Krone und Consejo auf die Arbeit anderer Autoren, die sich durch Selbstzensur zu schützen versuchten. Die Gefahr bestimmter Themen war den Schriftstellern durchaus bewußt. Im 17. Jahrhundert setzten die spanischen Könige ihre Politik der Kontrolle über das Schrifttum fort3. Zwar wurden wieder mehr Texte über Amerika veröffentlicht, es handelte sich jedoch nahezu ausschließlich um Schriften von offiziellen Chronisten und berufsmäßigen Historikern, den Vertretern einer staatskonformen Sicht der historischen Ereignisse. Bewertung und Einordnung der damaligen Zensur erweisen sich nach wie vor wie die der Inquisition auch - als äußerst problematisch. Die historiographische Literatur nimmt in ihren Stellungnahmen hierzu bis heute oft Extrempositionen ein: Auf der einen Seite soll die Zensur die kulturelle Blüte des Siglo de Oro verhindert, auf der anderen Seite soll sie diese gefördert haben4. Meines Erachtens dürfte eine Position z w i s c h e n den beiden Polen am ehesten eine realistische Einschätzung ermöglichen. So gilt das Verweigern von Drucklizenzen ebenso als erwiesen wie die Änderung konkreter Textpassagen. Es ist davon auszugehen, daß durch die Zensurmaßnahmen Werke verlorengingen. Dennoch sollte man nicht in jedem Werk der damaligen Zeit ein von den Zensurbehörden verstümmeltes Original vermuten5. Der bürokratische Apparat war damals nicht in der Lage, allgegenwärtig und allumfassend zu handeln, so daß aus verschiedenen Gründen doch auch Werke erschienen, die nicht mit der Staatsmeinung konform gingen. Nicht übersehen werden sollte jedoch die Selbstzensur, ein Faktor, der aufgrund mangelnden Materials nur spekulativ erfaßt werden kann. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die spanische Krone vor allem ab den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts eine strenge Kontrolle über die Veröffentlichungen amerikanischer Themen ausübte und deren Erscheinen für ein halbes Jahrhundert nahezu zum Erliegen brachte. Eine Vielfalt von Informationen wurde in Geheimarchiven weggeschlossen und blieb der Öffentlichkeit vorenthalten. In den in der Folgezeit publizierten historiographischen Werken wurde dann ein offizielles Bild der 1

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In seinem eindrucksvollen Vergleich verschiedener Ausgaben und Manuskripte der Recopilación historial des fray Pedro Aguado demonstriert Juan Friede exemplarisch konkrete Zensurmaßnahmen. Vgl. Friede 1959:68-93. Vgl. auch Mignolo 1982:105; John Alden (Hg.), European Americana: A Chronological Guide to Works Printed in Europe Relating to the Americas, 1493-1776 I "1493-1600", N e w York 1980. Vgl. Kamen 1985:85-87. Vgl. hierzu Pinto Crespo 1987:172; außerdem Heinz-Joachim Fischer, "Über den Mythos der Inquisition". Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Juni 1993. Diesen Gedanken legt Juan Friede nahe: "El hecho invita a desconfiar de muchos manuscritos que hoy llamamos 'originales', siendo apenas transcripciones en limpio de versiones primitivas, enmendadas previamente por la censura" (1959:94).

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

amerikanischen Realität präsentiert, das nicht mit den konkreten Interessen des spanischen Staates kollidierte. Natürlich sollte sich diese Informationspolitik nachhaltig auf das Amerikabild der spanischen Öffentlichkeit auswirken.

Schriftliche Informationsquellen Bei den Autoren historiographischer Texte handelte es sich zunächst um Augenzeugen, die aus eigenem Antrieb, später aufgrund einer allgemeinen Informationspflicht persönliche Erfahrungen darlegten: Conquistadores, Kleriker, Siedler und andere Amerikafahrende, zumeist Personen mit einem niedrigen Bildungsstand 1 . Bald jedoch berichteten berufsmäßige Historiker und offizielle Chronisten über Amerika, im Auftrag der Krone oder des Consejo de las Indias. An die Stelle der Darlegung einer persönlichen Erfahrung trat dann das Sammeln und Sichten bereits vorhandenen Materials. Bei den ersten schriftlichen Berichten 2 über die für Europa neu entdeckten Länder handelte es sich um Briefe, die handschriftlich und gedruckt in verschiedenen Sprachen in West- und Mitteleuropa verbreitet wurden. Aufgrund einer gestiegenen Nachfrage an Information hatten sich im 15. Jahrhundert in allen großen Städten Zentren gebildet, die einzelne Nachrichten aus offiziellen oder privaten Briefen oder auch ganze Briefe kopierten und weiterreichten 3 . Diese Mitteilungen, zumeist beschränkt auf eine einzige Begebenheit, wurden in Spanien relaciones genannt, oder auch hojas volantes, avisos, hojas de noticias, cartas nuevas, cartas de noticias5. Die zeitgenössische Terminologie ist allerdings unklar und eher zufallig, sie unterscheidet zudem nicht zwischen gedruckten und handschriftlichen Texten. Während Briefe von Cristóbal Colón, Americo Vespucci, Pietro Martire d'Anghiera und Hernán Cortés - alle außer Anghiera Augenzeugen der frühen Entdekkungen und Eroberungen - in gedruckter Form in Frankreich, Italien und Deutschland zu wahren Bestsellern wurden 6 , erfuhren diese in Spanien eine andere Art der 1 2

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Vgl. Mignolo 1982:78; Mignolo 1981:381-383. Zu den schriftlichen Informationsquellen über Amerika vgl. Esteve Barba 1992; Mignolo 1982:57-116; Benito Sánchez Alonso, Historia de la historiografía española I und II, Madrid 1941/1947. Abgesehen von diesen drei Werken gibt es keine weitere überblickende Literatur zu spanischen historiographischen Texten über Amerika. Vgl. Hans-Jochen Bräuer, Die Entwicklung des Nachrichtenverkehrs. Eigenarten, Mitte! und Organisation der Nachrichtenbeförderung (Nürnberg 1957), 90. Dieser Gebrauch des Begriffs der relación ist von dem oben benannten zu unterscheiden. Ich orientiere mich hier an der Terminologie Mignolos, der die Flugblätter als cartas relatorias und die in Beantwortung der Fragebögen entstandenen Auftragsarbeiten als relaciones (geográficas) bezeichnet. Vgl. Mignolo 1982:59; über die cartas relatorias 59-69, über die relaciones geográficas 70-75. Vgl. José Altabella, "Periodismo". In: El libro de Madrid. Hg.v. Juan Antonio Cabezas (Oviedo 1977), 370; María Dolores Sáiz, Historia del periodismo en España I "Los orígenes. El siglo XVIII" (Madrid 1983), 32. Vgl. auch Henry F. Schulte, The Spanish Press 1470-1966. Print, Power, and Politics, Urbana, Chicago, London 1968. Leider beziehen sich die wenigen Werke, die Verbreitung und Rezeption der historiographischen Literatur über Amerika überhaupt thematisieren, in der Regel auf das gesamte West- und Mitteleuropa und verzichten auf eine länderspezifische Differenzierung, wie z.B. Gewecke 1986 oder Elliott 1970. Eine Ausnahme ist hier Pieper 2000.

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Verbreitung. In Spanien zirkulierten diese Briefe vornehmlich in handschriftlicher Form und waren somit lediglich einem eng begrenzten Leserkreis zugänglich 1 . Die Gründe für diese geringe Verbreitung von Informationen über die neu entdeckten Länder in gedruckter Form in Spanien 2 dürften vor allem in der noch relativ schwach entwickelten Drucktechnik Spaniens zu suchen sein. Darüber hinaus ist jedoch außerdem zu vermuten, daß in Spanien die Nachfrage nach Informationen und Texten dieser Art bei einer breiteren Öffentlichkeit nicht sehr groß war. So blieb das Interesse an amerikanischen Angelegenheiten auf bestimmte Kreise der spanischen Bevölkerung beschränkt, die auf verschiedene Art und Weise persönlich in die Amerikafahrten involviert waren. Für das spanische Lesepublikum dürfte somit allgemein das gelten, was John H. Elliott für die spanischen Autoren feststellt: Except for those with a professional interest in the subject, Spanish authors in the Century following the discovery were strangely reticent about the New World (1970:12).

Neben dieser frühen, in Briefform vermittelten Information über Amerika wurden im Laufe des 16. Jahrhunderts noch weitere cartas relatorias zu diversen Aspekten der Kolonien veröffentlicht 3 , von denen jedoch nur ein kleiner Teil erhalten ist4. Da die Flugblätter erst ab 1627 von der Zensurbehörde kontrolliert wurden 5 , ist anzunehmen, daß diese Publikationsform verstärkt für Mitteilungen - auch über die spanischen Kolonien - benutzt wurde, die einer Zensur nicht hätten standhalten können. Der spanischen Obrigkeit dienten die Flugblätter zur Veröffentlichung von offiziellen Dokumenten, wie Gesetzestexten, Verordnungen, Bullen der römischen Kirche usw. - darunter auch solche, die Amerika betrafen . Von großer Bedeutung für die Informationsvermittlung von amerikanischen Themen waren im 16. und 17. Jahrhundert - zumindest für die gebildete Bevölkerung Spaniens - die historias, die - wie oben dargelegt - ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kaum mehr publiziert werden konnten 7 . Die nicht veröffentlichten Werke waren lediglich einem kleinen Kreis von Eingeweihten zugänglich. Hier gilt es zunächst, die historias mit historiographischem Anspruch von den autobiographischen Berichten von Augenzeugen zu unterscheiden. Während im 16. Jahrhundert die historias generales, morales y naturales überwogen, die sich um eine Darstellung des gesamten Spektrums Amerikas bemühten, wandten sich die Autoren ab der 1 2

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Renate Pieper untersucht gründlich die Zirkulation der ersten Briefe von Colón und Vespucci in Spanien, Italien und anderen Ländern. Vgl. Pieper 2000:69-125. So sind von Colons Brief an Luis de Santángel nur zwei spanischsprachige Ausgaben erhalten, die in Spanien erschienen (Barcelona 1493, Valladolid 1497), gab es von Anghieras Dekaden in Spanien offensichtlich nur lateinische Ausgaben, und Vespuccis Briefe wurden weder in Spanien publiziert noch ins Spanische übersetzt. Auch von den Briefen des Cortés sind nur wenige spanische Ausgaben bekannt. Vgl. Alden 1980:1; Gewecke 1986: Synopse am Ende des Anhangs, ohne Seitenangabe. Vgl. Alden 1980:1. Die Flugblätter gehörten zur Verbrauchsliteratur, die nach dem Gebrauch fortgeworfen wurde. Vgl. Schmidt 1969:70. Vgl. Simón Díaz 1983:12. Vgl. hierzu die Auflistung entsprechender Texte im Register von Alden 1980:1,450; II, 907-909. Für die Daten der Publikation der Werke vgl. Mignolo 1982:103-108; außerdem Alden 1980:1-111.

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III. Der historische

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zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den historias particulares zu, den Darstellungen über einzelne Regionen oder Ereignisse 1 . Die Autoren der historiographischen Texte orientierten sich an der klassischen Geschichtsschreibung oder an historischen Erzählungen 2 . Sie verfolgten die traditionellen Ziele der Historiographie: eine wahrheitsgetreue Darstellung vergangener Ereignisse und die Information der Gemeinschaft. Dazu gesellte sich vor allem in der Anfangsphase als neue Prämisse die persönliche Erfahrung als Garant der Wahrheit (Fernández de Oviedo), die in Widerstreit zu den klassischen Traditionen geriet 3 . Die Wahrheit auf der Grundlage eines intensiven Quellenstudiums und -Vergleichs zu erlangen, war das von López de Gomara postulierte Gegenkonzept, das sich später auch durchsetzen sollte. Als weitere Anliegen und Ziele, die von den Autoren in ihren Werken meist benannt und reflektiert wurden, wären Kritik und moralische Verurteilung des spanischen Vorgehens (las Casas), die adäquate Präsentation von Heldentaten (López de Gomara) und die Darstellung der autochthonen Kulturen (Sahagún, Durán) zu nennen. Die historias des 17. Jahrhunderts führten die Tendenzen fort, die sich in der zweiten Hälfte des vorgehenden Jahrhunderts bereits abgezeichnet hatten: die Konzentration auf bestimmte Regionen, Personen oder Ereignisse und ein kritischer Quellenvergleich. Im Zeitalter des Barock erscheinen jedoch Stil und Rhetorik wichtiger als die Inhalte der Texte, bestimmend wird die "armonía de la narración, aunque ello vaya en desmedro del acopio de datos" (Mignolo 1982:92). Ein weiterer charakteristischer Aspekt der Historiographie des 17. Jahrhunderts ist eine didaktische Komponente, die das Erzählte zum Exemplum macht 4 . Die Autoren, unter ihnen als bekanntester der Mestize Garcilaso de la Vega, el Inca, verfaßten ihre historias, um zu informieren, aber auch um die Verdienste Spaniens gebührend zu präsentieren. Zunehmend schrieben die Verfasser historiographischer Texte des 17. Jahrhunderts gegen den wachsenden Einfluß der leyenda negra an. Von historiographisch wesentlich geringerer Bedeutung waren die historias und relaciones, in denen Augenzeugen von ihren persönlichen Erlebnissen berichteten. Diese Texte wurden zur damaligen Zeit weitaus weniger publiziert. Sie sind abzugrenzen auf der einen Seite von den historias generales und particulares, von denen sie ihr autobiographischer Schwerpunkt unterscheidet, auf der anderen Seite dagegen von den cartas relatorias, die die Briefform und der Gebrauchscharakter kennzeichnet. Die autobiographischen historias und relaciones vermitteln eine dezidiert subjektive Perspektive. Sie sind nicht das Ergebnis eines konkreten Auftrags. Die Redaktion erfolgte somit aus eigenen Stücken, was jedoch nicht heißen soll, daß die Autoren mit ihren Werken keine außerliterarischen Ziele verfolgten. Am bekanntesten dürfte hier Bemal Díaz del Castillos Historia verdadera de la Conquista de la Nueva España sein, ein Werk, das erst 1632 veröffentlicht werden konnte. Díaz del Castillo liefert mit seinem Text eine Alternative zur offiziellen 1 2 3 4

Vgl. Mignolo 1982:78,89. Die Schwerpunkte dieser auf eine Region begrenzten Darstellungen liegen bei den Ereignissen in Mexico und Peru. Vgl. Mignolo 1982:83. An anderer Stelle weist Mignolo daraufhin, daß die Autoren sich ihrer historiographischen Aufgabe durchaus bewußt waren. Vgl. Mignolo 1981:383/384. Wie Lopez de Gómara treffend formulierte: "està la experiencia en contrario de la filosofia". Zitiert bei Esteve Barba 1992:8. Vgl. Mignolo 1982:94.

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Geschichtsschreibung (konkret: López de Gomaras La Conquista de México), indem er nicht wie Gomara die Heldentaten von Cortés glorifiziert, sondern auf die Verdienste der einfachen Soldaten (sowie seine eigenen) hinweist 1 . Unter die autobiographischen Formen sind noch andere Textsorten zu subsumieren, die allerdings kaum verbreitet waren: die wenigen Reiseberichte, die zu der Zeit verfaßt wurden 2 , und Autobiographien, die eindeutig in Richtung Fiktion tendieren, wie z.B. Alonso Enríquez de Guzmáns Libro de la vida y costumbres, das nur in Auszügen gedruckt wurde und damals in Briefform zirkulierte 3 . Auf die relaciones geográficas, die zu ihrer Zeit nur zu einem sehr geringen Teil veröffentlicht wurden und nur Hofchronisten und -historikern zur Verfugung standen, wurde oben bereits hingewiesen. Dieser Textsorte nahe stehen einige Schriften, die ebenfalls auf den Fragebögen basieren, die jedoch wesentlich umfangreicher sind als die in der Regel kurzen relaciones4. Von den historias unterscheiden sie sich vor allem aufgrund der fehlenden Bezugnahme auf klassische Traditionen. Auch diese Texte standen der Öffentlichkeit damals nicht zur Verfügung. Als weitere Informationsquelle über Amerika diente die geographische Literatur: Kosmographien, Weltkarten, Atlanten. Die humanistisch gelehrten Autoren dieser Werke orientierten sich jedoch noch lange Zeit an den klassischen Vorbildern der Antike 5 ; sie ignorierten die neuen geographischen Entdeckungen oder vermischten neue mit alten Informationen 6 . Auch hier waren wichtige Werke dem spanischen Publikum nur in lateinischer Sprache zugänglich. Nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen waren Briefe offiziellen oder halboffiziellen Charakters, wie sie z.B. zwischen spanischen Behörden und Conquistadores oder Siedlern gewechselt wurden 7 . Auch Privatbriefe wurden mit zunehmender Besiedlung der amerikanischen Kolonien vermehrt an Verwandte und Freunde in der Heimat geschickt 8 . Diese Briefe, die Informationen der verschiedensten Art über 1

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Mignolo, der die autobiographischen Texte in seiner Untersuchung nicht berücksichtigt, zählt Díaz del Castillos Text zu den historias, aufgrund seiner "Perspektive von unten" und der narrativen Fähigkeiten des Autors. Vgl. Mignolo 1982:83. Zur Historia verdadera Díaz del Castillos vgl. Manuel Alvar, "Bernal Díaz del Castillo". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v. Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 127-133. Hierzu gehört z.B. Viaje de! mundo von Pedro Ordóñez de Ceballos, das Passagen zu Amerika enthält und 1614 in Madrid veröffentlicht wurde. Vgl. hierzu Hayward Keniston, "Introducción". In: Alonso Enríquez de Guzmán, Libro de la vida y costumbres. Hg.v. Hayward Keniston (BAE 126) (Madrid 1960), VII-LXIII. Walter Mignolo nennt als Beispiele Juan López de Vélaseos Geografía y descripción universal de las Indias, Antonio Vázquez de Espinosas Compendio y descripción de las Indias Occidentales, außerdemdie relaciones von Andrés García Céspedes. Vgl. Mignolo 1982:73-75. So auch einer der bedeutendsten Kosmographen Spaniens der damaligen Zeit, Jerónimo Girava, in seinen Werken Dos libros de cosmographia (Mailand 1556) und La cosmographia, y geographia (Venedig 1570). Vgl. Gewecke 1986:136/137,142; Elliott 1970:14. Vgl. hierzu Ministerio de Fomento (Hg.), Cartas de Indias (BAE 264/265), Madrid 1877. Leider ist nur eine geringe Anzahl dieser Privatbriefe in den spanischen Archiven erhalten. Enrique Otte sammelte und publizierte eine Vielzahl von Briefen, vor allem aus Mexico und Peru. Vgl. hierzu Otte 1988; außerdem Lockhart/Otte 1976.

III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

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eine Vielzahl von Aspekten des amerikanischen Kontinents enthalten, erreichten durch Weitergabe und Vorlesen einen großen Adressatenkreis. Herstellung und Verbreitung historiographischer Schriften erlebten in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts einen vorläufigen Höhepunkt, wohl als Folge der Kontroverse zwischen las Casas und Sepülveda um die Indianerfrage, die auf weite Resonanz stieß. Ab den 60er Jahren wurden aufgrund der verschärften Zensurgesetze kaum noch historiographische Texte über Amerika publiziert, und erst ab den 90er Jahren lassen sich wieder vermehrt Werke historischen Inhalts über Amerika verzeichnen. Für das 17. Jahrhundert nimmt Spanien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei der Publikation von Americana eine mittlere Position ein 1 . Bedenkt man jedoch die Fülle an Informationen, die sich weiterhin in den spanischen Archiven ansammelten, dann nimmt sich die Zahl der Veröffentlichungen doch eher bescheiden aus.

Mündliche Informationswege Aufgrund der hohen Analphabetenquote 2 blieben mündliche Kommunikationsformen bestimmend für die Informationsvermittlung der Zeit: [...] daß viele Begebenheiten keine gedruckte Fixierung gefunden haben werden, daß dem gesprochenen, oft wohl auch geflüsterten Wort eine große, heute vielleicht unterschätzte, jedenfalls nicht mehr nachzuweisende Bedeutung zukam, daß sich vieles nur gerüchtweise verbreitete und durch das Heer der gewerbsmäßig Reisenden, der Kaufleute, der Boten von Ort zu Ort getragen wurde (Schmidt 1969:70^71).

Diese zeitgenössische mündliche Kommunikation ist für den Forschenden jedoch kaum faßbar und kann allenfalls vereinzelt anhand von zeitgenössischen Quellen rekonstruiert werden. Seitdem die ersten spanischen Schiffe 1493 aus Amerika zurückkehrten, informierten Amerikareisende verschiedener Berufe und Stände ihre Landsleute über selbst Erlebtes, Gesehenes oder von anderen Gehörtes 3 . Natürlich wurden die Erzählungen phantasievoll angereichert, und viele Neuigkeiten zirkulierten als Gerüchte. Hauptumschlagplatz dieser Art von Informationen war Sevilla, in dessen Hafen nahezu alle spanischen Schiffe aus Amerika einliefen. Reisende trugen die Informationen über Amerika auch in andere Teile Spaniens, der Grad an Informiertheit der Bevölkerung verringerte sich jedoch mit zunehmender Entfernung von Sevilla. Offizielle Boten und Herolde - man denke nur an den pregonero Lazarillo de Tormes, der nicht nur Weine, sondern auch Versteigerungen, verlorene Gegenstände 1

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Im 17. Jahrhundert nahmen die Veröffentlichungen über Amerika vor allem in Italien, aber auch in Deutschland und Frankreich - den Ländern, die im Jahrhundert davor am meisten über den neuen Kontinent publiziert hatten - rapide ab, während England und den Niederlanden nun eine führende Position zukam. Dies ergibt sich aus einem diesbezüglichen Vergleich der ersten drei Bände von Alden 1980. Im Spanien des Siglo de Oro beläuft sich die Quote der Analphabeten auf etwa 7 5 - 8 0 Prozent. Vgl. Bennassar 1982:251/252,261-264; Maxime Chevalier, Lectura y lectores en la Espana de los siglos XVIy XVII (Madrid 1976), 14-20. Zur mündlichen Informationsverbreitung im Spanien des Siglo de Oro vgl. Simson 1994:620-622.

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und die Delikte Krimineller ausrief - verkündeten Neuigkeiten. Auf Bildtafeln, sogenannten retablos, wurden auf Märkten und Dorfplätzen gegen Entrichtung einer Gebühr Geschichten und Ereignisse präsentiert1. In Madrid gab es die mentideros, Treffpunkte für die Neugierigen. Der bedeutendste befand sich auf den Stufen der Kirche San Felipe el Real, in der Nähe des Postamtes, wo die Briefe für Privatpersonen verteilt wurden2. Am metitidero losas de Palacio - in den Innenhöfen des Alcázar - gelangten politische Informationen an die Öffentlichkeit3. In den mentideros bildete sich die öffentliche Meinung, und natürlich blühte der Klatsch. Nur ein Teil der damaligen Kultur war schriftlich fixiert. Spanien verfugte während des Siglo de Oro über eine bedeutende orale Kultur, die von der Masse des spanischen Volkes getragen wurde. Sowohl bei den lyrischen Kleinformen wie auch im Theater dominierte in der Epoche die orale Kommunikationsform4. Weitere Informationswege Informationsvermittlung findet auch ohne Texte statt, in Form von direkten Konfrontationen des Empfängers (Rezipienten) mit Ereignissen, Situationen, Gegenständen oder Personen. Diese Form der Kommunikation5 unterscheidet sich von der sprachlichen dadurch, daß als Zeichen nicht mehr die gesprochene oder geschriebene Nachricht dient, sondern ein Objekt, sei dies nun ein Gegenstand, eine Person oder ein Ereignis. Dieses Objekt sendet Signale, die vom Empfänger wie bei einem Text auch in bezug auf das Referenzsystem und den jeweiligen Kontext interpretiert werden (Sinnfindung), wenngleich diese Signale weniger gesteuert und damit beliebiger auslegbar erscheinen. Dies dürfte jedoch vom konkreten Fall abhängen. Der Empfänger kann über diese Kommunikationssituation Informationen über das entsprechende Objekt und das Referenzsystem erhalten, wenn er dies wünscht. Im Gegensatz zur sprachlichen Kommunikation tritt der Sender zurück, ist bisweilen nicht mit Exaktheit zu bestimmen und erscheint diffus. Seine Bedeutung darf in der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht unterschätzt werden: Durch Steuerung und/oder Auswahl der Objekte nimmt er Einfluß auf den jeweiligen Interpretationsmodus des Empfangers, wie beim Text auch. Dies gilt allerdings nicht für Ereignisse oder Prozesse, wo der Sender stets in den Hintergrund tritt und oft nicht genau zu bestimmen ist. So sah sich Spanien mit vereinzelten Objekten aus Amerika, Kunstgegenständen, Pflanzen, Tieren, Gebrauchsgegenständen konfrontiert (den "silent sources" Elliotts), aber auch - wenngleich selten - mit amerikanischen Menschen. Über diese Objekte und Menschen bezogen die spanischen Zeitgenossen Informationen über 1 2 3 4

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Vgl. Alan Soons, "Spanish Bailad and News-Relation in Chapbook Form: The Index o f a Mentality". Kentucky Romance Quarterly 2 0 (1973):8; Bennassar 1982:253. Vgl. Defourneaux 1964:77. Vgl. Altabella 1977:370. Gleichzeitig wurden beide Textsorten aber auch schriftlich fixiert, die lyrischen Kleinformen erstmalig nach einer jahrhundertelangen rein oralen Tradition auf sogenannten pliegos sueltos poéticos, die Theaterstücke oft erst nach den Auffuhrungen. Die literarischen Texte, die historische Inhalte vermittelten, werden hier bewußt ausgespart, da ihnen das Hauptaugenmerk im weiteren Verlauf dieser Arbeit gilt. Vgl. hierzu Eco 1972, vor allem die Kapitel über Inhalt und Abgrenzung der Semiotik ( 1 7 - 2 7 ) , die visuellen Codes ( 1 9 5 - 2 9 2 ) und die Semiotik der Architektur ( 2 9 3 - 3 5 6 ) .

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Sparien

den für sie neuen Kontinent, Informationen, die nur einen kleinen Bereich der für die meisten Spanier unbekannten Welt berührten, zudem auf besondere Weise von der subjektiven Interpretation des jeweiligen Rezipienten abhingen. Auch historische Ereignisse und Situationen, die Spanien berührten und auf amerikanische Gegebenheiten zurückgeführt werden konnten, lieferten Information und wurden interpretativ bewertet. Nachhaltig beeinflußt wurde das alltägliche spanische Leben von den ökonomischen Auswirkungen der Amerika-Expeditionen, die in hohem Maße zur öffentlichen Meinungsbildung beitrugen. Von Anfang an waren die Fahrten nach Amerika mit der Suche nach Gold und Edelsteinen, dem Erwerb von Reichtümern verbunden. Als dann die Nachrichten von sagenhaften Schätzen aus Mexico und Peru nach Spanien gelangten, wurde Amerika zur Metapher für Gold und Reichtum schlechthin, was sich auf besondere Weise in der Sprache niederschlug: "vale un Perú", "vale un Potosí", "te traigo las minas de Potosí" usw. wurden zu gängigen Redensarten, die teilweise heute noch in Gebrauch sind 1 . Tatsächlich kamen über Jahrzehnte hinweg alljährlich große Mengen an Gold und Silber, durch Raubzüge erbeutet oder in Bergwerken abgebaut, nach Spanien. Die Ankunft der königlichen Flotten verbreitete sich als Nachricht im ganzen Land 2 . Eine fiskalistische Finanzpolitik der Krone und eine hohe Außenverschuldung führten jedoch dazu, daß ein Teil des Silbers, das Spanien erreichte, sofort von italienischen und nordeuropäischen Bankhäusern abgeschöpft wurde 3 . Die in Spanien verbleibenden Edelmetalle trugen wesentlich zu einer hohen Inflationsrate und zu schweren Wirtschaftskrisen bei. Die Edelmetalleinfuhren erlaubten der spanischen Krone, ihre Großmachtpolitik fortzusetzen und auf überfällige Reformen zu verzichten, was zu einer "Refeudalisierung" und zur "Rückentwicklung der Sozial- und Wirtschaftsstrukturen" (Hurtienne 1992:81,89) führte. Nur ein geringer Anteil des im Land verbliebenen Silbers diente Investitionen, der Großteil wurde zum Erwerb und zum Import von Grundnahrungsmitteln, mehr noch von Luxusgütern verwandt 4 . Ein nicht unwesentlicher Anteil der Edelmetalle wurde angehäuft oder zu Schmuckstücken und sakralen Gegenständen verarbeitet 5 . Im 17. Jahrhundert verschlechterte sich die ökonomische Situation Spaniens zusehends. Die Preissteigerungen und die schlechte Wirtschaftslage betrafen alle Bewohner des Landes. Bereits früh thematisierten spanische Gelehrte - vor allem der Schule von Salamanca - dieses Phänomen und führten die Inflation direkt auf die 1 2 3

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Vgl. hierzu Ventura García Calderón, Vale un Perú, Paris 1939. Zu den Wegen der Informationsverbreitung über die Goldlieferungen vgl. Pieper 2000: 211244. Zu den ökonomischen Auswirkungen der Expansion nach Amerika vgl. Reinhard 1985: besonders 94-115; Elliott 1970:54-78; Heine 1984:84-90; Bennassar 1982:95-113; außerdem Thomas Hurtienne, "Die europäische Expansion nach Übersee und ihre Folgen für den innereuropäischen Transformationsprozeß zum Kapitalismus". Peripherie ! ! ,43/44 (1992):59-93. Bartolomé Bennassar spricht von einer "fête de la consommation" des Siglo de Oro und von der "mentalité somptuaire" der spanischen Oberschicht und liefert hierfür ausfuhrliche Beispiele. Vgl. Bennassar 1982:107-113. Einen guten Überblick über die Wege von Gold und Silber von Amerika nach Europa bietet Jack Weatherford, Das Erbe der Indianer. Wie die Neue Welt Europa verändert hat. Übersetzung aus dem Englischen (München 1995), 11-32.

B. Kontexte

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Edelmetalleinfuhren zurück 1 . Andere Intellektuelle wiesen auf den ökonomischen, aber auch auf den moralischen Schaden des Silbers und des Reichtums allgemein hin. Die arbitristas des 17. Jahrhunderts entwickelten auf dieser Basis ihre Reformvorstellungen und veröffentlichten sie 2 . Diese Positionen der Gelehrten sollten auch die öffentliche Meinung prägen, so daß Elliott mit Recht ein allgemeines "growing disillusionment with the riches of America" (1970:63) für das 17. Jahrhundert konstatiert. Amerika, Metapher für Gold und Reichtum, erscheint nun für die Finanzmisere des eigenen Landes verantwortlich: Der neue Kontinent wird als negativer Faktor der eigenen schwierigen Situation konnotiert. Bereits als Cristóbal Colón im März 1493 erstmalig aus Amerika nach Spanien zurückkehrte, kamen die ersten amerikanischen Indianer ins Land, wo sie von einer großen Menschenmenge bestaunt wurden: [...] el Almirante fué por tierra a Sevilla, con intención de ir desde allí a Barcelona, donde estaban los Reyes Católicos. En el viaje tuvo que detenerse algo, aunque poco, con tanta admiración de los pueblos por donde pasaba, que de todos los lugares cercanos acudía la gente a los caminos para verlo a él, y a los indios y las otras cosas y novedades que l l e v a b a 5

Auch in den folgenden Jahren wurden nach Spanien gebrachte amerikanische Einheimische die Sensation in den Städten und am Hof 4 . Die Indianer wurden bei Umzügen der Menge vorgeführt 5 und am Hof dem König und ausgewählten Gelehrten präsentiert6. Einen besonders spektakulären Auftritt inszenierte 1528 Hernán Cortés, als er ca. 70 Mexikaner nach Spanien mitbrachte. Hierbei handelte es sich um Verwandte Moctezumas und andere Angehörige des mexikanischen Hochadels, um Ballspieler und Jongleure. Auch sie wurden dem Hof und der Menge vorgeführt 7 . 1 2 3 4

Vgl. Elliott 1970:62/63. Vgl. Reinhard 1985:110. Hernando Colón, Vida del Almirante Don Cristóbal Colón. Hg.v. Ramón Iglesia (México, Buenos Aires 1947), 133. Bis heute fehlt eine umfassende Bestandsaufnahme der Aufenthalte von Indianern in Europa, vor allem für Spanien. Carolyn Thomas Foremans Indians Abroad, eine der wenigen Abhandlungen dieser Thematik, konzentriert sich weitgehend auf nordamerikanische Indianer, die offensichtlich in einer größeren Anzahl als mittel- und südamerikanische nach Europa kamen. Vgl. Carolyn Thomas Foreman, Indians Abroad, Muskogee 1943. Eine knappe Einfuhrung in die Thematik für Spanien liefert Esteban Mira Caballos, Indios y mestizos ameri-

canos en la España del siglo XVI, Frankfurt a.M. 2000. 5

Bitterli berichtet, d a ß Vespucci über 200 Amerikaner von seinen Reisen mitbrachte, die in Spanien und außerhalb zu einer Art Jahrmarktsattraktion wurden. Vgl. Urs Bitterli, Die

'Wilden' und die 'Zivilisierten'. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen 6

Begegnung (München 1976), 180.

Vgl. hierzu Marcel Bataillon, "Les premiers mexicains envoyés en Espagne par Cortés". Journal de la Société des Américanistes 48 (neue Serie) (1959): 137; José Luis Martínez, Hernán Cortés. 2. verbesserte Auflage (México 1990), 182; Madariaga 1984:306. Pietro Martire d'Anghiera beschreibt in der fünften Dekade seines De orbe novo eine Vorführung von Indianern in seinem Haus. Vgl. Petrus Martyr de Angleria, Opera. Legatio Babylonica.

De orbe novo decades octo. Opus epistolarum. Hg.v. Erich Woldan (Graz 1966), 203/204. 7

Vgl. Salvador de Madariaga, Hernán Cortés (Madrid 3 1979), 522; Howard F. Cline, "Hernando Cortés and the Aztec Indians in Spain". The Quarterly Journal of the Library of

Congress 26,2 ( 1969):70-90.

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

Andere Indianer kamen als politische Delegierte ihres Landes oder ihrer Region an den spanischen Hof. Bereits 1526 hatten zwei mexikanische Adlige eine Unterredung mit dem Kaiser, der ihnen daraufhin Länder zuteilte 1 . In den Jahren 1534-1584 besuchten wiederholt Delegationen aus Tlaxcala Spanien, um mit der Krone zu verhandeln 2 . Diese indianischen Politiker hatten jeweils einen konkreten Auftrag und wurden sicher nicht mehr wie die ersten Besucher einer großen Öffentlichkeit vorgeführt. Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Amerikaner während ihrer mehrmonatigen Aufenthalte der Hofgesellschaft vorgestellt wurden. Vereinzelt bereisten wohlhabende Indianer Spanien, um das Land kennenzulernen. Caciques schickten ihre Söhne nach Spanien, damit diese eine spanische Ausbildung erhielten 3 . Auch als Sklaven kamen amerikanische Einheimische nach Europa. Bereits 1494 bot Colón den Königen als Ersatz für ausbleibende Profite an, die "kannibalischen" Kariben als Sklaven in Europa zu verkaufen, und schickte im folgenden Jahr 400500 indianische Sklaven nach Spanien 4 . Obwohl die Katholischen Könige die Versklavung der amerikanischen Ureinwohner bald untersagten 5 , kamen weiterhin indianische Sklaven auf die Iberische Halbinsel, um auf den Sklavenmärkten verkauft oder auf die Galeeren geschickt zu werden 6 . Zwar fehlen genaue Zahlen; es ist jedoch davon auszugehen, daß sich in den Jahrzehnten nach den ersten Kontakten Spaniens mit Amerika zeitweise einige Tausende indianischer Sklaven in Spanien aufhielten 7 , von denen die Mehrzahl als Hauspersonal tätig war. Die Einfuhr persönlicher Bediensteter war nach wie vor erlaubt, so daß jeder wohlhabende indiano mehrere indianische Diener aus den Kolonien mitbrachte . Ab 1

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Vgl. Charles Gibson, Tlaxcala in the Sixteenth Century (Stanford 1967), 164. Da die Tlaxcalteken Cortés in seinem Kampf gegen die Azteken unterstützt hatten, gehörten sie zu den privilegierten Indianerstämmen. Vgl. Gibson 1967:164-169. Vgl. Mira Caballos 2000:85-90. Vgl. Samuel Eliot Morison 1974:135; Reinhard 1985:41: Wolfgang Wimmer, Die Sklaven. Eine Sozialgeschichte mit Gegenwart (Reinbek 1979), 82. Vgl. hierzu die diesbezüglichen Anordnungen der Könige in: Richard Konetzke (Hg.), Colección de documentos para la historia de la formación social de Hispanoamérica 1493-18101 "1493-1592" (Madrid 1953), 2-29. Einen guten Überblick über die Sklaverei in Spanien zu Beginn der Neuzeit liefen Antonio Domínguez Ortiz, "La esclavitud en Castilla durante la Edad Moderna". Estudios de historia social de España II (1952):367-428. Vgl. auch Ruth Pike, "Sevillian Society in the Sixteenth Century: Slaves and Freedmen". The Hispanic American Historical Review 47,3 (1967):344-359. Pike berücksichtigt allerdings nicht die indianischen Sklaven. Vgl. auch Mira Caballos 2000:80-85. Alfonso Franco Silva machte bei einer Auswertung Sevillaner Taufverzeichnisse des 16. Jahrhunderts ebenso viele indianische wie maurische Sklaven aus. Diese Tatsache läßt sich entweder dadurch erklären, daß Indianer von ihren Herren eher getauft wurden als andere Sklaven, o d a man muß doch von einer wesentlich höheren Anzahl von indianischen Sklaven in Spanien ausgehen als bisher angenommen. Vgl. Alfonso Franco Silva, "La esclavitud en Sevilla entre 1526 y 1550". Archivo hispalense 61,188 (1978):77-91. Vgl. auch Antonio Domínguez Ortiz, Orto y ocaso de Sevilla (Sevilla 1946), 62. Systematische Auswertungen des durchaus vorhandenen Archivmaterials könnten hier sicher größere Klarheit scharfen. So spricht Salvador de Madariaga von "ostentosos indianos desembarcando con un séquito de esclavos, indias embarazadas o con niños mestizos en brazos [...]"(1984:423).

B. Kontexte

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der Mitte des 16. Jahrhunderts ging die Anzahl der indianischen Sklaven in Spanien jedoch drastisch zurück 1 , wahrscheinlich als Folge der hohen Sterblichkeitsrate der Indianer in Spanien. Inwieweit davon auch das Hauspersonal betroffen war, ist unbekannt. Indianer kamen folglich als Schaustücke, Diener, Sklaven, aber auch als politische Delegierte nach Spanien und an den Hof, wobei sie Kontakte zur Hofgesellschaft und zu einigen wohlhabenden Haushalten hatten und - in der Anfangszeit der Menge als Sensationen präsentiert wurden. Sicher brachten vereinzelt Conquistadores und indianos auch indianische Ehefrauen mit nach Spanien; es ist jedoch kein spektakulärer Fall wie der von Pocahontas in England bekannt 2 . So gering die Anzahl indianischer Menschen in Spanien auch gewesen sein mag und wie oberflächlich die Kontakte zur spanischen Bevölkerung, so wurde auf diese Weise doch Information über Amerika vermittelt und die Meinungsbildung beeinflußt. Diese Indianer wurden unfreiwillig zu Informationsträgern eines ganzen Kontinents und seiner Kulturen. Zu den "silent sources", die Elliott benennt, sind all jene Dinge und Gegenstände zu zählen, die Amerikafahrer aus verschiedenen Gründen nach Spanien und Europa brachten und die durchaus zu Informationsträgern fremder Kulturen werden konnten. Ob und wie diese Information verstanden wird, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Bereits von den ersten Ausfahrten nach Amerika wurden amerikanische Gegenstände - Kuriosa - nach Spanien gebracht und im Verwandten- und Freundeskreis, im populären Milieu der Hafenstädte ebenso wie bei Hof vorgezeigt und ausgestellt [...]. Die Beliebtheitsskala der Exotika reichte von Pflanzen und Früchten über Artefakte wie Federschmuck und Waffen bis hin zu präparierten oder auch lebenden Tieren, unter ihnen der Papagei als Inbegriff des Exotischen schlechthin (Gewecke 1986:149/150).

Diese kuriosen Sammelsurien verloren an Bedeutung, als mit den Geschenken Moctezumas an Kaiser Karl V. erstmalig indianisches Kunsthandwerk nach Spanien kam. Die Exponate wurden zunächst 1520 in Sevilla und Valladolid ausgestellt und gelangten dann nach Brüssel, wo sie von Albrecht Dürer bestaunt wurden: Auch hab ich gesehen die Ding, die man dem König aus dem neuen gülden Land hat gebracht: ein ganz güldene Sonnen, einer ganzen Klafter breit, desgleichen ein ganz silbern Mond [...] desgleichen zwo Kammern voll der selten Rüstung [...] und allerlei wunderbarlicher Ding zu manniglichem Brauch, das do viel schöner zu sehen ist dann Wunderding. [...] Und ich hab aber all mein Lebtag nichts gesehen, das mein Herz also erfreuet hat als diese Ding. 3

Das vielzitierte Staunen Dürers ist verschiedentlich interpretiert worden. Christian F. Feest zufolge staunt Dürer aufgrund des "exzessiven materiellen Wert[s], an1 2

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Vgl. Domínguez Ortiz 1952:375. Zu Pocahontas vgl. Foreman 1943:45-55; Bitterli 1976:184. Die Mehrzahl der Spanienrückkehrer erhoffte sich eine lukrative Heirat in Spanien, so daß die indianischen Geliebten in Amerika blieben. Das beste Beispiel hierfür liefert Hernán Cortés, der in Spanien in Adelskreise einheiratete, während er Marina-Malinche in Mexico, mit der er immerhin einen Sohn hatte, mit einem seiner Soldaten verheiratete. Albrecht Dürer, Tagebuch der Reise in die Niederlande (Leipzig o.J.), 25.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

dererseits auf der überraschenden Fremdheit von Materialien und Formen"1. An anderer Stelle weist Feest auf den Kontext von Dürers Worten hin, der die übertriebene Äußerung von Verwunderung und Staunen relativiert2. Gesehen und kommentiert wurden diese kunsthandwerklichen Gegenstände auch von einigen Spaniern, darunter Bemal Díaz del Castillo, Bartolomé de las Casas und Pietro Martire d'Anghiera3. Auffällig ist dabei die dem Dürerschen Staunen sehr nahe Bewunderung der Gegenstände durch Anghiera4. Gemeinsam notieren die Betrachter ihre Sprachlosigkeit, Folge der Fremdheit der indianischen Objekte. Das sprachlose Staunen demonstriert das Unverständnis, mit dem die Europäer den indianischen Kunstgegenständen begegneten. Daß die Exponate dennoch nicht abgelehnt wurden, dürfte zum einen mit dem für die Renaissance bezeichnenden Interesse für das Neue und Fremde erklärt werden, auf der anderen Seite waren die Beobachter sicher überrascht, nach den Nachrichten über sehr einfache Kulturen der Karibik nun mit dem Kunsthandwerk einer offensichtlichen Hochkultur konfrontiert zu werden. Der Informationsgehalt, den diese Kunstgegenstände transponieren, reduziert sich demnach aufgrund der enormen Verschiedenheit der Kulturen auf eine generelle Anerkennung und Akzeptanz. In den Folgejahren und -jahrzehnten waren diese und ähnliche Exponate nicht mehr einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, sondern wurden in Wunderkammern gesammelt, wo sie nur noch von einem kleinen erlesenen Kreis von Betrachtern gesehen werden konnten. Diese Sammlungen fanden sich jedoch vornehmlich außerhalb Spaniens5. Als weitere Gruppe der "silent sources" wären Alltagsgegenstände, Nutzpflanzen und -tiere zu nennen. Alltagsgegenstände amerikanischer Kulturen fanden jedoch keinen Eingang in die europäischen Haushalte6. Und auch den Nutzpflanzen, von denen einige heute zu den europäischen Grundnahrungsmitteln gehören7, begegneten die Europäer des 16. Jahrhunderts mit großer Skepsis. Colón hatte von seiner ersten Reise bereits Mais mitgebracht, und Pietro Martire d'Anghiera erhielt eine der ersten Kartoffelpflanzen8. Doch die amerikanischen Produkte verbreiteten sich nur 1 2

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Christian F. Feest, "Spanisch-Amerika in Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts". In Feest/Kann 1987:41. Vgl. Christian F. Feest, '"Selzam ding von gold da von vill ze schreiben were': Bewertungen amerikanischer Handwerkskunst im Europa des frühen 16. Jahrhunderts". In: Die Folgen der Entdeckungsreisen fur Europa. Akten des interdisziplinären Symposions 12./13. April 1991 in Nürnberg. Hg.v. Stephan Füssel (Nürnberg 1992), 108-117. Für eine ausfuhrliche Auflistung weiterer Betrachter der Kunstgegenstände, bei denen es sich um Geschenke Moctezumas an den spanischen König handelte, vgl. Christian F. Feest, "Vienna's Mexican Treasures. Aztec, Mixtee, and Tarascan Works from 16th Century Austrian Collections". Archiv für Völkerkunde 44 (1990):33. Vgl. Angleria 1966:156/157. Vgl. auch Feest 1992:120/121. Vgl. Feest 1987:42/43. Vgl. Warwick Bray, "Crop Plants and Cannibals: Early European Impressions of the New World". In Bray 1993:292. Als einzige Ausnahme nennt Warwick Bray die Hängematte, "quickly adopted by European sailors" (1993:292). Einen guten Überblick über nach Europa gebrachte Nutzpflanzen und -tiere bietet die Tabelle bei Bray 1993:290. Vgl. Germán Arciniegas, El revés de la historia (Bogotá 1980), 315.

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Kontexte

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langsam in Spanien und dem restlichen Europa 1 . Lediglich der Tabak fand bald eine gewisse Beachtung, obwohl er zunächst als Heilpflanze verwendet wurde, bevor er seine Bestimmung als Genußmittel fand. Und die Schokolade avancierte zumindest am spanischen Hof zum Lieblingsgetränk mit geheimer Rezeptur 2 . Bezeichnend ist, daß bei der Mehrzahl der Produkte, die in Spanien und Europa heimisch wurden, ihr amerikanischer Ursprung in Vergessenheit geriet. So wurde der Mais als türkisches Getreide betrachtet, Chili-Pfeffer als Gewürz mit Indien in Verbindung gebracht, und der Truthahn erinnert in seiner englischen Bezeichnung (turkey) heute noch an das Ursprungsland, das ihm irrtümlicherweise zugeordnet wurde 3 . Diese fälschliche Zuweisung dürfte darin begründet sein, daß Gewürze und andere für Europa neue Nutzpflanzen über Jahrhunderte aus dem Orient nach Europa gelangten, so daß diese "Tradition" auch auf die amerikanischen Produkte übertragen wurde. Diese Praxis ist ein weiterer Hinweis auf die geringe Beachtung, die Amerika durch Europa erfuhr. Bray weist auf eine Verbindung des allgemein negativen Amerikabilds mit dem geringen Ansehen der Nutzpflanzen hin: This haphazard nomenclature is a fair reflection of the state of general knowledge, professional as well as popular, in sixteenth century Europe. It has been suggested that one indication of, or perhaps even reason for, the low prestige of American foodstuffs in Europe may have been the ethnic association with foreigners, heathens, and traditional enemies (1993:301).

Womit erwiesen scheint, daß Nutzpflanzen, -tiere und Alltagsgegenstände nicht zu Informationsträgern amerikanischer Realitäten wurden. Ihr Integrationsprozeß in Europa demonstriert im Gegenteil eher die Nichtbeachtung amerikanischen Lebens.

Die Qualität der schriftlichen Information Die Beschreibungen der neuen Realitäten basieren zunächst auf der Wahrnehmung der Augenzeugen, so daß die Verzerrungen und Phantasien, die die Beobachtungen bestimmten, in den Berichten fortgeschrieben wurden. Hinzu kommt als weiterer entscheidender Faktor die jeweilige kontextbezogene - außerliterarische - Intention, die der Produktion des konkreten Textes zugrunde lag4. Diese nahm Einfluß auf Inhalt und Form, auf Auswahl, Sprache, Darstellungsweise, Argumentation usw. und konnte im Extremfall zu bewußt unwahr geschilderten Darstellungen fuhren, zu unverhältnismäßigen Gewichtungen, Verzerrungen und Fälschungen. Die Mehrzahl der offiziellen Chronisten vertrat eindeutig die Herrschaftsinteressen der Krone, unter ihnen Gonzalo Fernández de Oviedo 5 . Einen Standpunkt gegen 1 2

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Vgl. John H. Elliott, "Die Welt nach Kolumbus". Lettre International 16 (1992):81. Vgl. Arciniegas 1980:321. Ein weiterer Überblick über Kulinaria, angereichert mit Episoden, findet sich bei Germán Arciniegas, América en Europa (Buenos Aires 1975), 307321. Vgl. auch Weatherford 1995:77-97,121-139. Vgl. Bray 1993:294-299. Erdheim demonstriert am Beispiel von Gonzalo Fernández de Oviedo, Bartolomé de las Casas und Bernardino de Sahagún in einer Studie exemplarisch, wie Position und Intention die jeweilige Perspektive der Autoren bestimmten. Vgl. Erdheim 1988:29-60. Vgl. Erdheim 1988:32. Vgl. auch Karl Kohut, "Humanismus und Neue Welt im Werk von Gonzalo Fernández de Oviedo". In: Humanismus und Neue Welt. Hg.v. Wolfgang Reinhard (Weinheim 1987), 65-88.

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

Staat und Kirche nahm Bartolomé de las Casas ein, der - wie andere Dominikaner auch - die politische Souveränität der Indianer forderte und vehement das spanische Vorgehen in Amerika kritisierte 1 . Ideologische Tendenzen und Machtinteressen der Autoren demonstriert Marcel Bataillon, wenn er die zeitgenössische Diskussion um die Verdienste Colons aufrollt. Er macht deutlich, wie von den einzelnen Autoren entsprechend ihrer Position Partei ergriffen wurde und daß deren Schilderungen der Colónschen Entdeckungen dementsprechend ausfielen 2 . Vor allem die Augenzeugen der Conquista und der Besiedlung des amerikanischen Kontinents waren auf besondere Weise in das historische Geschehen involviert. Ihre Texte, allen voran die Briefe, waren Gebrauchstexte, die einen bestimmten - außerliterarischen - Zweck verfolgten. Auch wenn der Brief bereits für eine spätere Publikation hin verfaßt wurde, richtete sich der Sender darin doch an einen konkreten Empfanger. Der Faktor der Information tritt zurück, im Vordergrund stehen der Autor und sein subjektives Anliegen. Auch hier liefert Colón wieder ein gutes Beispiel. Um seine eigentlich gescheiterte Expedition, bei der er weder die gewünschten Gewürze noch Gold gefunden hatte, dennoch als Erfolg präsentieren zu können, mußte der Admiral zumindest für die Zukunft Gewinne in Aussicht stellen. Deshalb betonte er in seinem Schreiben an Luis de Santángel eindringlich die Verwertbarkeit der Insel Guanahani und ihrer Bewohner 3 . Die persönlichen Verdienste seiner Expedition in den Vordergrund zu stellen, war das Anliegen von Cortés in seinen Briefen an Karl V. Da sich der Conquistador aufgrund seines eigenmächtigen Handelns "außerhalb der Legitimität" 4 befand, war er besonders um eine Rechtfertigung seines Vorgehens bemüht 5 . Bei den nicht direkt in historische Begebenheiten verstrickten Autoren, deren Werke keinem konkreten außerliterarischen Gebrauch dienten, konzentriert sich die Intention auf die Produktion des Textes. Diese Arbeitsweise schafft eine größere Distanz und Objektivität, im Vordergrund steht der Aspekt der Information. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Texte von Pietro Martire d'Anghiera, bei dem die Distanz zum neuen Kontinent und seine humanistische Vorbildung zu einem intellektuellen und diskursiven Habitus [verschmolz], welcher - zumindest - mehr Möglichkeiten des Fremderlebens und seiner Umsetzung in innovative Erfahrung offenließ als das Gros der frühen Reisetagebücher (Gumbrecht 1987b:240).

Eine größere Objektivität findet sich bei den Autoren des 17. Jahrhunderts, zumal wenn sie über eine bereits vergangene Epoche berichten und dazu verschiedenes 1

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Daß auch die Idealisierungen indianischen Lebens eines las Casas als Beweis fehlender Alteritätserfahrung zu deuten sind, weist u.a. Gumbrecht nach. Vgl. Gumbrecht 1987b: 237/238; Erdheim 1988:36-41. Vgl. Marcel Bataillon, "The Idea of the Discovery of America Among the Spaniards of the Sixteenth Century". In: Spain in the Fifteenth Century 1369-1516. Hg.v. Roger Highfield (London 1972), 441-449. Zum ökonomischen Hintergrund der Unternehmung Colons vgl. Joachim Moebus, "Über die Bestimmung des Wilden und die Entwicklung des Verwertungsstandpunkts bei Kolumbus". Das Argument 79 (1973):273-307. Claus Litterscheid, "Nachwort". In: Hernán Cortés, Die Eroberung Mexikos. Drei Berichte von Hernán Cortés an Kaiser Karl V. Übersetzung aus dem Spanischen. Hg.v. Claus Litterscheid (Frankfurt a.M. 1980), 329. Vgl. Litterscheid 1980:325-329.

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Quellenmaterial kritisch auswerten. Allerdings sind auch diese Schriften keineswegs frei von Tendenzen und Positionen. Die Wahrnehmung der Augenzeugen sah sich mit ihr neuen, nie zuvor von Europäern geschauten, gedachten oder benannten Realitäten konfrontiert, deren Bewältigung nur über das Rekurrieren auf bereits Bekanntes gelang. Der Anblick des Fremden führte bisweilen zu Sprachlosigkeit, so wie sie die Betrachter indianischer Handwerkskunst befiel. Und auch der Autor, der den Versuch unternimmt, diese neuen Realitäten zu beschreiben, fuhrt einen Kampf mit der Sprache. Gilt es doch, permanent Leerstellen zu füllen, mit der auf Traditionen basierenden spanischen (oder anderen europäischen) Sprache eine völlig neue und unbekannte Lebenswelt zu beschreiben. Die Differenzen gegenüber der eigenen Kultur können kaum in passende Worte gefaßt werden, die eigenen Schilderungen lassen den Autor unbefriedigt. So stellt Oviedo bei dem Versuch, einen bunten Vogel zu beschreiben, resigniert fest: [...] sin duda, me paresce que es la cosa de cuantas yo he visto, que más sin esperanza me ha dejado de saberla dar a entender con mis palabras.1

Nicht nur flir Pflanzen und Tiere, auch fíir Geräte, Lebensmittel, das gesamte soziale Umfeld und vor allem für Farben fehlen in den europäischen Sprachen die exakten Begriffe 2 . Um diese Sprachlosigkeit zu überwinden und die Leerstellen zu besetzen, orientierte sich auch die Beschreibung des Anderen an bereits vorhandenen Vorbildern und Traditionen. Primat der damaligen Dichtungstheorie war die Topik mit ihren literarischen Konventionen und ihren Vorgaben der antiken Rhetorik, und keineswegs ein "genieästhetisches Originalitätsdenken" 3 . Die zeitgenössischen Autoren konnten der Aufgabe einer subjektiven Darstellung selbst erlebter oder über andere vermittelter Erfahrungen nach heutigen Vorstellungen nicht nachkommen, noch war es ihnen möglich, "realistische" Darlegungen objektiver Wahrheiten zu liefern. Vielmehr beschränkte sich ihr Tun auf das Aufspüren möglichst adäquater Prämissen und Schemata einer inventionellen Topik, die ein optimales Beschreiben der neuen Realitäten ermöglichten. Daß die traditionelle Topik für Darlegung und Beschreibung absolut neuer, dem eigenen Kulturkreis oft entgegengesetzter Erfahrungswelten ungeeignet war, liegt auf der Hand. Nur wenigen Autoren sollte es gelingen, auf der Suche nach adäquaten Beschreibungsschemata zu neuen Formen zu finden4.

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Gonzalo Fernández de Oviedo, Historia general y natural de las Indias I. Hg.v. Juan Pérez de Tudela Bueso. Nachdruck (Madrid 1992), 175. Auf die dem Europäer gesetzten Grenzen der Sprache verweist auch Jean de Léry in seinem Bericht aus Brasilien. Vgl. Jean de Léry, Le voyage au Brésil 1556-1558. Hg.v. Charly Clerc (Paris 1927), 161. Wolfgang Neuber, Fremde Welt im europäischen Horizont. Zur Topik der deutschen Amerika-Reiseberichte der Frühen Neuzeit (Berlin 1991), 26/27. Leider liegt kein Werk unter dieser Fragestellung vor, das spanischsprachige Reiseberichte berücksichtigt. Zu diesen Autoren gehört neben Bernardino de Sahagün auch der Indio Guamán Poma de Ayala, dessen Werk als Synthese der spanischen und indigenen (Quechua-)Literatur betrachtet werden kann. Vgl. hierzu Roger A. Zapata, Guamán Poma, indigenismo y estética de la dependencia en la cultura peruana, Minneapolis 1989; Rolena Adorno, Guarnan Poma: Writing and Resistance in Colonial Peru, Austin 1986.

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

"Das jeweilige Thema, durch den Ort der Reise definiert, erfordert spezifische argumentative Strategien" (Neuber 1991:28). Diese galt es durch Anleihen bei anderen Kulturen zu beschaffen. Die dabei bemühten Topoi und literarischen Reminiszenzen entstammten den gleichen Quellen, die auch Vorwissen und Vorerfahrungen der Amerikareisenden bestimmten: Mythen und Legenden aus Antike und Mittelalter, aus Klassik und Bibel, aber auch literarische und geographische Werke der jüngeren Vergangenheit. Bestimmte Vorgaben waren bereits mit der Wahl der Gattung verbunden. Doch betraf die Topik alle Elemente der Beschreibung, die Sprache ebenso wie Auswahl des Sujets oder die Anordnung der Ereignisse. Bei den Verfahren der topischen Konstituierung gelten bei den verschiedenen europäischen Literaturen je nach Einfluß verschiedene Schwerpunkte der Traditionen. Von Anbeginn an, bereits ab dem ersten Brief Colons über seine erste Amerikafahrt werden Menschen und Natur Amerikas idealisiert. Ob locus amoenus der Bukolik oder Goldenes Zeitalter, die Topik macht aus der Mehrzahl der Landschaften Landschaften der Dichtung. Die Bewohner amerikanischer Welten werden als Menschen der Antike präsentiert (Anghiera) oder ähneln den Figuren Mandevilles (Colón). Ein Höhepunkt der Idealisierung wird mit den Berichten von las Casas erreicht, der das gesamte utopische Gedankengut Europas auf die amerikanischen Ureinwohner zu projizieren scheint: Todas estas universas e infinitas gentes a toto género crió Dios las más simples, sin maldades ni dobleces, obedientísimas, fidelísimas a sus señores naturales y a los cristianos a quien sirven; más humildes, más pacientes, más pacíficas y quietas, sin rencillas ni bollicios, no rijosos, no querulosos, sin rancores, sin odios, sin desear venganzas [...]'

Dieses Stereotyp des "guten Wilden" sollte jedoch bald umschlagen in das ebenso verzerrte Bild des "wilden Barbaren" und Menschenfressers. Sowohl bei Colón wie bei Anghiera finden sich beide Positionen. Auch die negativ besetzten Schilderungen von Menschen und Natur rekurrieren auf literarische Anleihen. So entstammen Colons Ausführungen über Naturgewalten in der lettera rarissima der Bibel und der Patristik2. Elemente der Wundergeographie aus Antike und Mittelalter3 finden sich in der Mehrzahl der historiographischen Schriften über Amerika4. Das Phantastische er1 2 3

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Bartolomé de las Casas, Brevísima relación de la destrucción de las Indias. Hg.v. André Saint-Lu (Madrid 1984), 71/72. Vgl. Palm 1958:183. Auf die Verbindung Neues - Traditionswissen - Wunder weist Jürgen Habermas hin: "Mitteilungen über tatsächliches Geschehen bleiben auf dieses Traditionswissen bezogen. Neues erscheint unter dem Aspekt der mehr oder minder wunderbaren Begebenheit. 'Neue Tatsachen 1 verwandeln sich im Hof der 'alten Wahrheit', wenn sie nur eine bestimmte Schwelle des Gewöhnlichen überschreiten, zum 'Ausgezeichneten' - zu Zeichen und Wundem. Fakten verkehren sich zu Chiffren. Neues und Neuerfahrenes gewinnen, w o sie bloß Stellvertreter des durch Überlieferung verbürgten Wissens sein dürfen, Rätselstruktur" (1987:298/299). Vgl. hierzu vor allem Gandia 1946. Vgl. auch Leal 1977; Alicia Arias Coello, "La imagen mítica de América en la España del siglo XVI". In: Actas del XXIX Congreso del Instituto Internacional de Literatura Iberoamericana I. Hg.v. Joaquín Marco (Barcelona 1994), 273-284. Ausfuhrlich behandelt werden die phantastischen Erzählungen der historiographischen Literatur bei Jean-Paul Duviols, der allerdings die spanischsprachigen Texte

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scheint in Gestalt von Amazonen, Kopflosen, Riesen, Menschenfressern und Hundsköpfigen, es zeigt sich aber auch als Eldorado, als Quelle der ewigen Jugend, als verzauberte Insel oder als die Goldminen von König Salomon. Für die vielen Textstellen dieser Art hier ein Beispiel von Fernández de Oviedo über die Amazonen: [...] De un indio que este capitán Orellano trujo [...] tovieron información que en la tierra que estas mujeres son señoras, se contienen e incluyen más de trescientas leguas pobladas de mujeres, sin tener hombres consigo; de lo cual todo es reina e señora una sola mujer, que se llama Conori [...] Todos estos señores o príncipes son grandes señores e señorean mucha tierra, e son subjetos a las amazonas (si amazonas se deben decir) e las sirven e a su reina Conori (Fernández de Oviedo 1992:V,241/242).'

Eine besondere Rolle sollte hier ein zeitgenössisches Genre spielen, das ebenfalls von Wunderlichkeiten zu berichten wußte: der Ritterroman. Die Ritterbücher gehörten zur Lieblingslektüre des Siglo de Oro, vor allem des niederen Milieus, aus dem sich der größte Teil der Amerikareisenden rekrutierte. Ihre Inhalte waren auch über orale Verbreitungstraditionen den nichtalphabetisierten Interessierten bekannt. So erscheinen die Ausfuhrungen überzeugend, mit denen Irving A. Leonard, aber auch Ida Rodríguez Prampolini den Einfluß der damaligen Ritterbücher auf die Wahrnehmung der Eroberer und Soldaten beschreiben2. Auch wenn dieser Einfluß auf die Schreibweise in jüngster Zeit angezweifelt wurde3, so gelingt es konkreten Textuntersuchungen doch, Motive und Strukturen historiographischer Berichte auf die Ritterbücher zurückzuführen4. Doch nicht nur die Autoren und deren Lektüre nahmen Einfluß auf Inhalt und Form der Schilderungen amerikanischer Realitäten, sondern auch das Publikum, ein Aspekt, der bei der Analyse des literarischen Produktionsprozesses gern übersehen wird. Die Autoren waren durchaus bemüht, der Erwartungshaltung des lesenden Publikums nachzukommen. Die damaligen Leser verlangten konventionelle Schilderungen, wobei Sensationen ein wichtiger Bestandteil waren. Auf besondere Weise

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wenig berücksichtigt. Vgl. Jean-Paul Duviols, L'Amérique espagnole vue et rêvée. Les livres de voyages de Christophe Colomb à Bougainville (Paris 1985), vor allem 17-174. Vgl. auch Duviols 1994:809-822. Zum Mythos der Amazonen vgl. Gandia 1946:75-107; Leonard 1992:36-64; Arias Coello 1994:278-281; Duviols 1985:43-54; Seeck 1991:57-66. Vgl. Leonard 1992: vor allem 13-74. Rodríguez Prampolini 1977. Daß die Amerikafahrer und -berichterstatter nicht nur Rezipienten von Ritterromanen waren, beweist Fernández de Oviedo. Der erste offizielle Chronist von Amerika hatte 1519 selbst einen Ritterroman verfaßt, Libro del muy esforzado e invencible caballero de la Fortuna propiamente llamado don Claribalte. Vgl. Adorno 1986b: 15-19. Vgl. auch Rolena Adorno, "La construcción cultural de la alteridad: el sujeto colonial y el discurso caballeresco". In: I Simposio de Filología Iberoamericana. Hg.v.d. Facultad de Filología Universidad de Sevilla (Zaragoza 1990), 153-170. In besonderem Maße gilt dies für Díaz del Castillos Historia verdadera. Vgl. Stephen Gilman, "Bemal Díaz del Castillo and 'Amadís de Gaula'". In: Studio Philologica. Homenaje ofrecido a Dámaso Alonso por sus amigos y discípulos con ocasión de su 60. Aniversario II. Hg.v. Alonso Zamora Vicente (Madrid 1961), 99-114; Manuel Alvar, "Relatos fantásticos y crónicas de Indias". In: / Simposio de Filología Iberoamericana. Hg.v.d. Facultad de Filología Universidad de Sevilla (Zaragoza 1990), 13-27.

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Kontext: Amerika in Spanien

scheint Americo Vespucci mit seinen Briefen den Wünschen des Publikums zu entsprechen: Und besonders faszinieren mochten diesen Leser so monströs anmutende Abnormitäten wie der Kannibalismus oder die so folgenschwere Sexualpraxis der Frauen, deren Schilderung selbst dort, w o der Autor aus vorgeblicher Scham auf die Erwähnung von Details verzichtete, eine sehr große Suggestivkraft besaß. Denn derlei Szenen kamen in vorzüglicher Weise dem entgegen, was der Historiker Robert Mandrou als psychische Konstante der Menschen dieses Jahrhunderts hervorgehoben hat: 'das kollektive Vergnügen an der Gewalt', eine ausgeprägte Vorliebe für die Schauspiele und Geschehnisse, bei denen der Tod in Erscheinung tritt' [...] (Gewecke 1986:107).

So ist das Publikum mit seinen Forderungen mit verantwortlich für die stereotypen Vorstellungen, die bald nach den ersten Berichten den amerikanischen Kontinent und seine Bewohner charakterisieren sollten. Zu einer adäquaten Rezeption von inhaltlich und formal innovativen, möglichst realistischen Schilderungen wäre die Mehrheit des damaligen Publikums wahrscheinlich nicht imstande gewesen. Der Herausgeber war eine weitere Person, die auf die Qualität einer Publikation Einfluß nahm. In einer Zeit, in der die Vorstellung des geistigen Eigentums noch weitgehend unbekannt war, hatte der Autor gegenüber seinem Editor keinerlei Rechte. Herausgeber und Drucker dagegen - oft ein und diesselbe Person - konnten beliebig Textvorlagen abändern, kürzen oder auch erweitern und mit anderen kombinieren. Maßgebend für die Herausgeber waren lediglich die Zensurbestimmungen. So unterlag die Qualität eines Textes auch der Laune des Editors. Zwar liegen keine diesbezüglichen Untersuchungen vor, es ist jedoch davon auszugehen, daß - abgesehen von Druckfehlern - die Manuskripte der Autoren nicht immer mit den verschiedenen Drucken übereinstimmten. Keinen Einfluß hatten die Autoren überdies auf die den Drucken beigefügten Illustrationen. Vor allem die Flugschriften, aber auch Sammelbände und historias waren mit Holzschnitten illustriert. Diese Bilder waren wichtig, vermittelten sie doch eine visuelle Vorstellung des im Text Geschilderten, sprachen außerdem auch Analphabeten und Semialphabeten an. Da die Illustrationen zudem bei Flugblättern wie Büchern die Titelseiten zierten, waren die Verleger der Texte besonders an einer sensationsversprechenden, zugkräftigen Ausgestaltung dieser Illustrationen interessiert. Hier nun gilt es jedoch den spanischen Prozeß zu beachten 1 . Da Deutschland und 1

Die Forschungsliteratur liefert nahezu ausschließlich ein gesamteuropäisches Panorama der ersten Illustrationen über Amerika, mit dem Schwerpunkt auf deutschen und italienischen Graphiken. Vgl. hierzu Gewecke 1986:144-149; Hildegard Frübis, Die Wirklichkeit des Fremden. Die Darstellung der Neuen Welt im 16. Jahrhundert, Berlin 1995; KarlHeinz Kohl, "Über einige der frühesten graphischen Darstellungen der Bewohner der Neuen Welt in der europäischen Kunst". In ders., Abwehr und Verlangen. Zur Geschichte der Ethnologie (Frankfurt a.M., N e w York 1987), 63-87; Tilman Falk, "Frühe Rezeption der Neuen Welt in der graphischen Kunst". In: Humanismus und Neue Welt. Hg.v. Wolfgang Reinhard (Weinheim 1987), 37-64; Angela Enders, "Fremde Menschen in fremder Natur. Formen der Vereinnahmung einer Neuen Welt in romanischen Reiseberichten des 16. Jahrhunderts". In: Fremderfahrung in Texten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Hg.v. Günter Berger und Stephan Kohl (Trier 1993), 102-135; Susan Milbrath, "Representations of Caribbean and Latin American Indians in Sixteenth-Century European Art". Archiv fir Völkerkunde 45 (1991), 1-38; Götz Pochat, Der Exotismus während des

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Italien drucktechnisch wesentlich fortgeschrittener waren als Spanien, stammen die meisten erhaltenen Holzschnitte der Zeit aus diesen Ländern. In Spanien waren nur wenige historiographische Texte über Amerika mit Illustrationen versehen. 1554 gab Pedro Bemuz in Zaragoza López de Gomaras Historia general de las Indias [...] heraus, con una tabla muy cumplida de los capítulos y muchas figuras que en otras impresiones no lleva. Allerdings handelt es sich hier um deutsche Holzschnitte, die der Editor zuvor bereits für Las quatorze décadas de Tito Livio benutzt hatte, die spanische Übersetzung des lateinischen Klassikers mit Bildern 1 . Andere mit Illustrationen versehene Ausgaben spanischer Texte entstammen außerspanischen Druckereien, wie z.B. eine in Antwerpen herausgegebene Edition von Cieza de Leóns Crónica del Perú2. Somit standen dem spanischen Publikum illustrierte Versionen der Geschichten über Amerika zur Verfügung, allerdings in weit geringerem Umfang als in Deutschland, Italien oder Frankreich. Es ist schwierig zu entscheiden, ob dieses Fehlen von Illustrationen allein auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen ist oder ob in Spanien die Nachfrage nach derlei bebilderten Texten geringer war als in anderen Ländern. Das spanische Beispiel des Textes von López de Gomara demonstriert deutlich die Arbeitsweise der Herausgeber von Texten der historiographischen Amerikathematik. Doch nicht nur die Editoren rekurrierten bei der Illustration des anderen auf bereits bekannte fremde Kulturen, auch die graphischen Künstler selbst bedienten sich nämlicher Verfahren, um den Referenzmangel auszugleichen, der es ihnen, die sie nie in Amerika waren, schwer macht, die unzulänglichen Beschreibungen fremder Welten in adäquates Bildmaterial umzusetzen 3 . Neben den verschiedenen Versionen antiken Daseins boten sich vor allem die Analogien auf den "wilden Mann" und die Hexendarstellungen des Mittelalters an 4 , um die Existenz der fernen India-

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Mittelalters und der Renaissance. Voraussetzungen, Entwicklung und Wandel eines bildnerischen Vokabulars (Stockholm 1970), 161-200; Seeck 1991:32-66. Vgl. auch Hugh Honour, The New Golden Land. European Images of America from the Discoveries to the Present Time (New York 1975), 3-27,53-83; Hugh Honour (Hg.), The European Vision of America. A Special Exhibition to Honor the Bicentennial of the United States, Ohio 1975. Die Situation in Spanien berücksichtigt nur Santiago Sebastián, Iconografía del indio americano. Siglos XVI - XVII, Madrid 1992. Da die Herstellung der Holzschnitte aufwendig und kostspielig war, wurden diese üblicherweise für mehrere Texteditionen und auch verschiedene Texte benutzt. Dabei kommt es zu solch merkwürdigen kulturellen Verbindungen, wie der eben beschriebenen. Elliott nennt das Beispiel eines Buchs über die Tupinambá, das mit Bildern über Türken illustriert ist. Vgl. Elliott 1970:23. Zu der Ausgabe von Bernuz vgl. Sebastián 1992:53-67. Vgl. hierzu Sebastián 1992:85-95. "[...] stellte sich für die Illustratoren der ersten Kolumbus- und Vespucci-Briefe das Problem, weitgehend rudimentäre sprachliche Informationen bildlich umzusetzen - Berichte nämlich, in denen die Völker Amerikas vorrangig nach Maßgabe dessen geschildert wurden, was als ihr augenfälligster Mangel erschien. Wie aber läßt sich reine Negation visualisieren?"(Kohl 1987b: 71). Ein deutlicher Unterschied der Darstellung zeigt sich dann bei Künstlern wie z.B. Christoph Weiditz, der am spanischen Hof angetroffene Indianer aus dem Gefolge von Cortés porträtierte. Vgl. hierzu Theodor Hampe (Hg.), Das Trachtenbuch des Christoph Weiditz von seinen Reisen nach Spanien (¡529) und den Niederlanden (1531/32) (Berlin, Leipzig 1927), Tafeln 11-22. Vgl. hierzu Kohl 1987b:63-87.

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ner visuell zu vermitteln. Auf anderen Darstellungen trugen die amerikanischen Indianer afrikanische Züge. Die bereits in hohem Maße stereotypisierten Beschreibungen amerikanischer Realitäten und vor allem der Bewohner des amerikanischen Kontinents führten durch den Holzschnitt, der keine Möglichkeiten einer allzu differenzierten Ausgestaltung präsentierter Inhalte bot, zu einer weitergehenden stereotypen visuellen Umsetzung der historiographischen Texte. So reduziert sich die Darstellung der Indianer auf die Requisiten Federn, Pfeil und Bogen, auf die Präsentation von Nacktheit, sexueller Freizügigkeit und - vor allem - von Kannibalismus, dem charakteristischen Merkmal, das "in der europäischen Kunst zum Sinnbild der Neuen Welt überhaupt werden sollte" (Kohl 1987b:87)'. *

Die Ausführungen dieses Kapitels bemühten sich um einen umfassenden Überblick über die Informationsvermittlung amerikanischer Realitäten im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts. Die damaligen Prozesse waren äußerst vielschichtig und können heute in ihrer Gesamtheit kaum rekonstruiert werden. Spanien scheint in bezug auf die Informationsvermittlung im gesamteuropäischen Prozeß zudem einen Sonderweg zu beschreiten, was - zumal die Mehrzahl der Forschungsliteratur die einzelnen europäischen Länder nicht differenziert betrachtet - die Rekonstruktion zusätzlich erschwert. Obwohl die literarische Produktion über Amerika in Spanien von Anfang an einer staatlichen Kontrolle unterlag, war das politische Klima in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch weitgehend offen, so daß historiographische Texte über Amerika - auch solche kritischen Inhalts - erscheinen konnten. Dies ändert sich mit der Regierungsübernahme durch Felipe II., in dessen Regierungszeit die Publikation von Werken über Amerika nahezu zum Erliegen kommt, obwohl gleichzeitig große Mengen von Informationstexten in Geheimarchiven angehäuft werden, die nur noch einem sehr kleinen Kreis von Politikern, Gelehrten usw. zugänglich waren. Die im 17. Jahrhundert veröffentlichten Texte waren durchgängig staatskonform und legitimierten die spanischen Unternehmungen. Der hauptsächliche Anteil an Information wurde auf mündlichen Wegen verbreitet, die heute nicht mehr rekonstruierbar sind. Nicht unterschätzt werden sollte die Informationsvermittlung durch das Erleben historischer Ereignisse und gesellschaftlicher Situationen, obwohl dadurch nur kleine Ausschnitte amerikanischer Realitäten erfahrbar gemacht wurden, was der Stereotypenbildung eher dienlich war. Die schriftliche Verbreitung von Information, die einzige heute noch gut nachvollziehbare Art der Informationsvermittlung, blieb bei einer damals noch hohen Analphabetenquote trotz zusätzlicher mündlich-schriftlicher Rezeptionsformen einem ausgewählten Kreis vorbehalten. Wenig dienlich zur Verbreitung von Information über amerikanische Kulturen waren offensichtlich die "silent sources", deren Rezeption lediglich das Unverständnis der Europäer demonstriert oder deren Funktion als Informationsträger aufgrund einer negativen Voreinstellung gar nicht zum Tragen kam. 1

Vgl. hierzu auch Gewecke 1986:146/147. Gewecke weist darauf hin, daß der Federschmuck später "als Inbegriff des Exotischen schlechthin auch anderen Randvölkern zugeordnet" wurde (1986:146).

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Insgesamt war die Nachfrage nach amerikanischen Themen in Spanien nur gering, und dies war sicher ein zusätzlicher Grund dafür, daß - bedenkt man die Fülle an vorhandenem Material - in Spanien doch sehr wenig über Amerika veröffentlicht wurde. Das schriftliche Informationsmaterial unterlag zudem aufgrund der dominanten Intentionskomponente der Gebrauchstexte und der vorrangigen Referenz auf literarische und rhetorische Topoi einer starken Fiktionalisierung seiner Inhalte. Hinzu kam eine wesentliche Orientierung an der Erwartungshaltung des Publikums, das nach Sensationen verlangte. So mag es wenig verwundern, daß sowohl die Indianerbilder als auch die sonstigen Beschreibungen der amerikanischen Welt voller stereotyper Vorstellungen sind. Diese konzentrieren sich auf wenige angesprochene Bereiche: Gold, Kannibalismus, Krieg, Promiskuität, und bewegen sich zwischen Verherrlichung und Verdammung des fremden anderen. So blieben weite Teile der für Spanien neuen Kulturen von vornherein dem spanischen Bewußtsein vorenthalten. Diese dermaßen verzerrt präsentierte amerikanische Wirklichkeit konnte nur von den Personen näher betrachtet und verstanden werden, die einen (zumeist berufsmäßig) engen Kontakt zu den spanischen Kolonien in Amerika hatten. Der spanische Durchschnittsrezipient hatte jedoch keine Chance, ein auch nur annähernd realistisches Bild von Amerika zu erhalten.

3. Die Rezeption des Phänomens 'Amerika' in Spanien Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit sind moderne Begriffe, in ihrer heutigen Bedeutung zur Benennung von Realitäten des 16. und 17. Jahrhunderts bisweilen irreführend. So ist der Beginn der Neuzeit als eine Epoche des Übergangs zu betrachten, während der sich aufgrund gesellschaftlicher und technischer Neuerungen und Veränderungen die repräsentative Öffentlichkeit des Mittelalters allmählich auflöst und sich innerhalb der Gesellschaft in zunehmendem Maße öffentliche und private Sektoren etablieren 1 . Am Beispiel der Informationsvermittlung wurde oben dargelegt, wie die Kommunikationssituation im 16. und 17. Jahrhundert durchaus noch von mittelalterlichen Traditionen geprägt ist - dies ergibt sich allein durch die noch vorherrschende mündliche Informationsvergabe wie sie sich aber gleichzeitig, vor allem aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Techniken des Buchdrucks, verändert. Diese Änderungen sollten auch die Rezeption von Informationen beeinflussen, so daß die damalige Situation gekennzeichnet ist durch ein Nebeneinanderbestehen von traditionellen und modernen Rezeptionsweisen. Die große Masse der Analphabeten bezieht ihre Informationen weiterhin aus mündlichen Quellen, über Bilder oder öffentliche Veranstaltungen 2 und rezipiert diese traditionell. Kleine Kreise von Gebildeten - die allerdings im Laufe der Zeit rapide zunehmen - haben dagegen durch das Medium der Schrift, nun durch die Druckerpresse massenhaft verbreitet, Zugang zu sehr viel mehr Information. Die "einsame Lektüre" (Gumbrecht) - das Manuskript des Mittelalters versprach noch einen einmaligen direkten Dialog zwischen Autor und Leser -

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V g l . Habermas 1987, zur repräsentativen Öffentlichkeit d e s Mittelalters 17-23, zur G e n e se der bürgerlichen Öffentlichkeit 2 8 - 4 1 .

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V g l . Josef Benzinger, "Zum W e s e n und zu den Formen v o n K o m m u n i k a t i o n und Publizistik im Mittelalter". Publizistik 15 ( 1 9 7 0 ) : 3 0 7 - 3 1 0 .

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III Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

verändert die Art der Rezeption: Der vormals kollektive Akt wird zu einem subjektiven, ungesteuerten, der von Seiten des Autors eine verstärkte Sinnfestlegung verlangt 1 . Das Sich-Informieren wird aus dem Alltagsgeschehen ausgeblendet und zunehmend individualisiert. Verstärkt beginnt der Begriff der Fiktion eine Rolle zu spielen, wenngleich eine - moderne - Unterscheidung von Fiktion und Wirklichkeit noch nicht vollzogen werden kann. Es gilt die Autorität des geschriebenen Wortes. Während die Masse der Analphabeten eher zufällig und oft über unzuverlässige Quellen und Gerüchte informiert wurde, konnte das gebildete Milieu - in Spanien Klerus, Teile des Adels, Intellektuelle, in zunehmendem Maße Teile der Kaufleute seine Information in einem gewissen Rahmen selbst steuern. In erster Linie in diesen Kreisen fand eine Rezeption amerikanischer Phänomene statt, die sich von Inhalt und Qualität her von der Rezeptionsweise der unteren Schichten unterschied. Die Rekonstruktion von Rezeption und öffentlicher Meinung über Phänomene Amerikas sieht sich mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert 2 . Das Hauptproblem liegt neben der Vielschichtigkeit des Prozesses in der "Beschränktheit des Materials" (Grimm 1977:60). Als einzige zuverlässige Quelle dient die zeitgenössische Literatur 3 , abgesehen von einigen Werken der Sekundärliteratur, die jedoch ebenfalls auf der zeitgenössischen Literatur basieren. Bereits der Rezeptionsvorgang der Lektüre läßt sich kaum umfassend erschließen, fehlt es doch an zuverlässigen Statistiken über Veröffentlichungen, Auflagenhöhen, Leserzahlen usw. 4 Als noch schwieriger erweist es sich, den Einfluß der Lektüre auf das Denken zu bestimmen 5 . Doch handelt es sich hier nicht nur um die Rezeption literarischer Werke, sondern um die Aufnahme eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens, das neben der Literatur auch andere Bereiche einschließt. Der Rezeptionsvorgang ist deswegen auch wesentlich komplexer als bei einem auf die Lektüre beschränkten Prozeß. Trotzdem bleibt uns heute als einzige Quelle die zeitgenössische Literatur: neben den historiographischen Texten, den Reiseberichten, den Briefen auch Traktate und Dokumente, Biographien, Hofberichte, auch fiktionale Werke. Allerdings muß bei Verwendung dieses Materials einiges berücksichtigt werden: die Zufälligkeit der Überlieferungen z.B., Hintergrund von Autor und Werk, Intentionen, Qualität der Werke u.a. Weite Bereiche der Rezeption amerikanischer Phänomene in Spanien bleiben dem Forschenden jedoch verschlossen 6 . Einiges läßt sich durch eigene Überlegungen und/oder über Analogien zu anderen Ländern, deren Quellenlage günstiger ist als die Spaniens, kompensieren. Diese bleiben jedoch zwangsweise hypothetisch und spekulativ.

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Vgl. Gumbrecht 1987a: 177-190; Gumbrecht 1985. Zur historischen Rezeptionsforschung vgl. Hempfer 1987: vor allem 13-34; Grimm 1977: vor allem 60-81. Die Ausführungen über die zeitgenössische Rezeption von literarischen Texten lassen sich auf den hier weiter gesteckten Rahmen übertragen. Vgl. Grimm 1977:73. Vgl. hierzu Elliott 1976:14. Vgl. Gewecke 1986:134; Elliott 1976:15. Die hier aufgeworfene Fragestellung verlangt eigentlich eine eigene detaillierte Untersuchung, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden kann, weswegen die folgenden Ausfuhrungen verschiedene Sachverhalte und Ergebnisse nur kurz skizzieren.

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Die Mehrzahl der spanischen Bevölkerung blieb dem Phänomen 'Amerika' gegenüber gleichgültig. Angesprochen fühlten sich nur diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit auf besondere Weise mit Amerika verbunden waren, wie z.B. Missionare, Rechtsgelehrte, Siedler usw., und deren gesellschaftliches Umfeld. In diesem Zusammenhang wird in der Fachliteratur häufig vom Interesse bzw. Desinteresse Spaniens an seinen amerikanischen Kolonien gesprochen. So z.B. Elliott in seinem grundlegenden Werk The Old World and the New, J492-16501 und Antonello Gerbi in La naturaleza de las Indias Nuevas2, aber auch Dille 3 , Morinigo 4 u.a. bedienen sich dieser Begrifflichkeit. Die Verwendung der Termini 'Interesse' bzw. 'Desinteresse' präsentiert sich in diesem Kontext als nicht unproblematisch. Solange 'Interesse' einen Nutzen, ein verfolgtes Ziel oder eine Sache, für die sich eine Person oder eine Institution engagieren, bezeichnet, erscheint die Verwendung durchaus korrekt 5 . Interesse im Sinne von "Neigung, Anteilnahme, Aufmerksamkeit' dagegen ist eng mit zwei Faktoren verbunden: einer Basis an Information und der Fähigkeit und Möglichkeit der freiwilligen Wahl. Beide Voraussetzungen fehlen im Falle des spanischen Rezipienten des Phänomens 'Amerika' im 16. und 17. Jahrhundert 6 . In dieser zweitgenannten modernen Bedeutung benutzt Gerbi den Terminus, wenn er Spanien - "uno de los paises menos avanzados del Occidente europeo" (1978:143) - vorwirft, sich in einem weitaus geringeren Maße für amerikanische Belange interessiert zu haben als andere europäische Länder. Als Beweis seiner These dient ihm die im Vergleich zu anderen Ländern geringe Anzahl einschlägiger Publikationen 7 . Gerbi spricht Spanien eine eigenständige Renaissance ab, wofür er das Argument eines geringen Interesses an klassischen Texten ebenso bemüht wie das parallel dazu verlaufende Desinteresse an den geographischen Entdeckungen. Weder wird Gerbi der spanischen Renaissance gerecht 8 , noch der spanischen Bevölkerung des 16. und 17. Jahrhunderts, wenn er von ihr ein vom persönlichen Nutzen unabhängiges - modern geprägtes - Interesse an Amerika fordert. Die so konstatierte, sicher differenzierter zu betrachtende Gleichgültigkeit der spanischen Festlandbewohner gegenüber amerikanischen Phänomenen mag zu einem Teil in der diffusen Informationssituation begründet sein. Europa war näher als das in jeglicher Hinsicht entfernte Amerika, dessen Ereigniswelt für den durch-

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Vgl. Elliott 1970:8-12. Vgl. Antonello Gerbi, La naturaleza de las Indias Nuevas. Übersetzung aus dem Italienischen (México 1978), 139-145. Vgl. Glen F. Dille, "El descubrimiento y la conquista de América en la comedia del Siglo de Oro". Hispania 71,3 (1988):492-502. Vgl. Morinigo 1946:12. Vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen Wolfgang Reinhards zum ersten Kapitel der Quellensammlung Der Auftiau der Kolonialreiche, der angemessen vom "kolonialen Interesse" spricht. Wolfgang Reinhard, "Das koloniale Interesse". In: Der Aujbau der Kolonialreiche. Hg.v. Matthias Meyn u.a., Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion 3 (München 1987), 1-12. Es überrascht in diesem Zusammenhang, daß keiner der Autoren, die sich dieser Terminologie bedienen, über den Begriff 'Interesse' reflektiert. Vgl. Gerbi 1978:143/144. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß er sich auf Aussagen von Autoritäten wie B. Croce, Pedro Bosch Gimpera u.a. stützt.

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Kontext: Amerika in Spanien

schnittlichen Spanier unvorstellbar blieb. Europäische Geschichte dagegen wurde unmittelbar erlebt oder war mitteil- und vorstellbar. So nimmt es nicht wunder, daß beispielsweise die Resonanz auf das Ende der Maurenherrschaft in Spanien auch bei nicht direkt beteiligten Bevölkerungsgruppen weitaus größer war als auf die Berichte von den Eroberungsfeldzügen 1 . Die Zeitgenossen der amerikanischen Unternehmungen des 16. Jahrhunderts waren sich in der Regel der Tragweite der historischen Ereignisse in Amerika nicht bewußt 2 . Die spanische Bevölkerung rezipierte in erster Linie d i e Bereiche des amerikanischen Lebens, die ihre eigene Lebenswelt direkt betrafen, allem voran Gold und Religion. Amerikanische Realitäten wurden - oftmals arg zurechtgebogen - in die eigene, durch Antike und Mittelalter bestimmte Vorstellungswelt integriert. Wolfgang Reinhard spricht deshalb ganz richtig von "autistischen Rezeptionsmustern" (1985:264), die die spanische Aufnahme amerikanischer Phänomene ausmachten. "Intensivere Beschäftigung mit der Neuen Welt erscheint in Europa von Anfang an interessegebunden", konstatiert Reinhard (1985:264) femer. Dies scheint auf besondere Weise für Spanien zu gelten, wo die utilitäre Komponente bei der Auseinandersetzung mit Amerika augenscheinlich ist. So läßt sich eine verstärkte Rezeption amerikanischer Angelegenheiten da ausmachen, wo z.B. ein politisches Interesse vorliegt: bei der spanischen Krone, wo theoretisch-wissenschaftliche Interessen bestehen: in gelehrten Kreisen, oder wo der ökonomische Aspekt dominiert: bei den Amerikareisenden.

Spanische Krone und Hof Von Anbeginn an bestimmten machtpolitische, in geringerem Maße auch ökonomische Anliegen die Position der Krone gegenüber ihren amerikanischen Kolonien. Obgleich diese von ihrem Status her anderen Königtümern des spanischen Reiches gleichgestellt waren 3 , vertraten die spanischen Könige und ihre Regierungskreise gegenüber den usurpierten amerikanischen Ländern eine paternalistische Haltung, denn niemals versprachen Rechtsprechung und Erlasse einen diálogo entre iguales [...], porque el indio era siempre considerado como un niño a quien se podía engañar con chucherías y a quien había que introducir en la vida política y en la verdad revelada a buenas o a malas. 4

Trotzdem erscheint die Gesetzgebung zunächst weitgehend indianerfreundlich 5 . Bereits die Katholische Königin Isabel hatte die gute Behandlung der Bewohner je-

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Das Beispiel nennt Dille 1988:492. Vgl. Christopher F. Laferl, "Amerika im spanischen Barocktheater". In Polleroß/SommerMathis/Laferl 1992:161. Vgl. McAlister 1984:78. Jaime González Rodríguez, "La Junta de Valladolid convocada por el Emperador". In: Francisco de Vitoria y la Escuela de Salamanca. La ética en la Conquista de América. Hg.v. Demetrio Ramos (Madrid 1984), 225/226. Zu den wichtigsten Anweisungen und Gesetzen vgl. Silvio Zavala, Las instituciones jurídicas en la conquista de América, México 3 1988; zu den Gesetzen und Anweisungen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. den kommentierten Quellenband von Francisco Morales Padrón, Teoría y leyes de la Conquista, Madrid 1979.

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ner Inseln gefordert, die Colón und seine Nachfolger für die spanische Krone eingenommen hatten. Als Folge erster massiver Proteste von seiten der Dominikaner auf Hispaniola gegen die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung waren 1512 die Leyes de Burgos entstanden, "der erste Versuch einer Indianergesetzgebung" 1 . Dieses Gesetzeswerk 2 , das die Behandlung der Indianer genau regelt, wobei die Schwerpunkte auf der religiösen Erziehung liegen, dient ebenso wie das ein Jahr später erlassene requerimiento3, ein Text, in dem die Indianer aufgefordert werden, sich freiwillig dem König zu unterwerfen, der nachträglichen Legitimation bereits erfolgten Handelns und soll von den Protesten ablenken. Die Regierungszeit Karls V., dem bei mehreren Gelegenheiten amerikanische Indianer am Hof vorgestellt wurden 4 , war gekennzeichnet durch eine offen geführte, jahrzehntelange Diskussion um die Legitimität des Herrschaftsanspruchs der spanischen Krone, der Missionstätigkeit und von Fragen zum Wesen der amerikanischen Ureinwohner und deren Behandlung 5 . Unter dem Einfluß von las Casas, der zur damaligen Zeit ein hohes Ansehen am spanischen Hof genoß, entstanden die Leyes Nuevas der Jahre 1542-43 6 , die eine gute Behandlung der einheimischen Bevölkerung und die Einschränkung der encomienda1 vorschrieben und die Sklaverei verboten. Die Missionstätigkeit sollte verstärkt das spanische Vorgehen bestimmen. Das Gesetzeswerk ist allerdings weniger Ausdruck einer indianerfreundlichen Haltung des spanischen Königs als vielmehr handfester machtpolitischer Interessen. Aus Sorge um zunehmende Feudalisierungsbestrebungen der Conquistadores und ihrer Nachkommen bediente sich die Krone der Hilfe des Klerus, um die indianische Bevölkerung in ein amerikanisches Herrschaftssystem nach spanischem Vorbild zu integrieren und damit gleichzeitig die Macht der Eroberer zu schwächen 8 . Der Missionsgedanke soll dabei die wahren Interessen und Ansprüche verdecken helfen. Missionierung bedeutete dabei nicht nur religiöse Erziehung, sondern zugleich Europäisierung und Integration. Damit wurden die Kolonien aufgewertet und die Macht des Regenten erhöht. Doch auch rein pragmatische Gründe geboten den Erhalt der indigenen Bevölkerung: Die Indianer waren als Arbeitskräfte unerläßlich für den Abbau von Rohstoffen und die Produktion von Nahrungsmitteln, somit

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Urs Bitterli, Alte Welt - neue Welt. Formen des europäisch-überseeischen Kulturkontakts vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (München 1986), 90. Zu den Leyes de Burgos vgl. Morales Padrón 1979:305-327 (einschließlich Gesetzestext). Zum requerimiento vgl. Pietschmann 1980:65-68. 1520 und 1528 empfing Karl V. Indianer aus dem Gefolge von Hernán Cortés. Vgl. Bataillon 1959:137; Martínez 1990:182,503,514. Für den Empfang weiterer indianischer Delegationen vgl. Gibson 1967:164-169. Die spanische Krone delegierte auf diese Weise politische Entscheidungen und einen Teil der damit verbundenen Verantwortlichkeit an ihre theologischen und juristischen Berater. Vgl. auch Manuel Fernández Alvarez, "La conquista de América en la idea imperial de Carlos V". In: Lengua y literatura en ta época de los descubrimientos. Actas del coloquio internacional Würzburg 1992. Hg.v. Theodor Berchem und Hugo Laitenberger (Valladolid 1994), 33-43. Zu den Leyes Nuevas von 1542-43 vgl. Morales Padrón 1979:419-447 (einschließlich Gesetzestext). Zur encomienda vgl. Pietschmann 1980:82-93. Vgl. Pietschmann 1980:72/73.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

für den Erhalt aller Kolonien 1 . Und schließlich mag bei der Konzeption und Abfassung der indianerfreundlichen Gesetze auch die Angst vor einem außenpolitischen Imageverlust eine Rolle gespielt haben, der sich durch die enorme Verbreitung der Schriften von las Casas im restlichen Europa bereits abzuzeichnen begann 2 . Der Höhepunkt der theologisch-juristischen Diskussionen um die Eroberung Amerikas war der Disput zwischen las Casas und dem kaiserlichen Hofhistoriker Juan Ginés de Sepülveda vor Karl V. und dem Indienrat 1550 in Valladolid. Ohne daß es zu einer Entscheidung kam, wurde in der Folgezeit dann die eher gemäßigte Position des Jesuiten José de Acosta in De procurando indorum salute (1588) zu einer Art ethnischen Norm in den politischen Grundsätzen der Kolonialmächte (Milhou 1994:288). 3

Unter der Herrschaft Felipes II. wurde - wie oben bereits dargelegt - ein staatliches Schweigen über Amerika verfugt. Der König traf keine Indianer mehr am Hof, und der Einfluß von Bartolomé de las Casas schwand beträchtlich. Die Krone hatte ihre Macht in den Kolonien etabliert, so daß sie nicht mehr der Hilfe des Klerus bedurfte, um gegen eigenmächtig handelnde Conquistadores vorzugehen. Die Hauptanliegen Felipes waren neben der uneingeschränkten Macht eine optimale Verwaltung Amerikas und das Unterdrücken kritischer Stimmen. Weitere Gesetzeswerke trugen dieser Situation Rechnung 4 . Im folgenden Jahrhundert wurden die amerikanischen Kolonien verstärkt zur machtpolitischen Marginalie, auf deren Goldlieferungen zwar nicht verzichtet werden konnte, die aber nach erfolgter Befriedung in weitgehender politischer Bedeutungslosigkeit verharrte. Wie oben bereits dargelegt, kamen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei verschiedenen Anlässen amerikanische Indianer an den spanischen Hof und wurden dort als Sensation und exotische Kuriosa bestaunt. Die wenigen zeitgenössischen Berichte darüber stammen eher von ausländischen Gästen am spanischen Hof als von spanischen Hofangehörigen 5 . Obwohl sich die Indianer teilweise längere Zeit am Hof 1 2

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Vgl. Pietschmann 1991:24; Reinhard 1985:60. Das Hauptproblem der Leyes Nuevas waren ihre unzureichende Realisierungsmöglichkeit in den Kolonien, so daß die Gesetze in Amerika weitgehend ignoriert wurden und zwei Jahre später auf Druck der Siedler auch die encomienda in ihrer ursprünglichen Form wieder eingeführt werden konnte. Vgl. Wilfried Nippel, Griechen, Barbaren und 'Wilde'. Alte Geschichte und Sozialanthropologie (Frankfurt a.M. 1990), 41. Acosta unterschied drei Arten von Barbaren: 1. die den Europäern ähnlichen wie Chinesen und Japaner, 2. die Hochkulturen der Mexikaner und Peruaner, 3. die vor allem in Amerika anzutreffenden '"wilden Menschen'; wilden Tieren gleich, haben sie kaum menschliche Gefühle'" (zitiert bei Milhou 1994:288). Zu den 1573 unter Felipe II. erlassenen ordenanzas vgl. Ismael Sánchez Bella, "Las Ordenanzas de Felipe II sobre nuevos descubrimientos (1573): consolidación de la política de penetración pacífica". In: De conquistadores y conquistados. Realidad, justificación, representación. Hg.v. Karl Kohut (Frankfurt a.M. 1992), 82-96. Neben Anghieras Bericht liegt ein Brief des Erzbischofs Giovanni RufFo de Forli vor, in dem dieser von Begegnungen mit Indianern berichtet. Vgl. hierzu Henry R. Wagner, "Translation of a Letter frorn the Archbishop of Cosenza to Petrus de Acosta". The Hispanic American Historical Review 9 (1929):361-363. Einen weiteren Bericht eines venezianischen Botschafters fuhrt Andrea Sommer-Mathis an. Vgl. Andrea Sommer-Mathis, "América en

B. Kontexte

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aufhielten, scheinen sie für die Hofgesellschaft nichts anderes als kuriose Objekte gewesen zu sein, und es kam offensichtlich zu keinen tiefergehenden Kontakten. Spanien verfugte während des Siglo de Oro über eine ausgeprägte Festkultur, die vor allem im 17. Jahrhundert glanzvolle Höhepunkte erreichte1. Zu dieser Festkultur sind Umzüge, Empfänge, Triumphbögen, Theaterauffiihrungen und Turniere zu zählen, die in ganz Europa an den Fürstenhöfen und in den Städten veranstaltet wurden. Anlaß dieser Festlichkeiten waren zumeist besondere Ereignisse der Königshäuser wie Geburten, Eheschließungen oder Empfänge hochgestellter Persönlichkeiten. Da die Präsentationen zu einem großen Teil panegyrischen Zwecken, zumeist der Huldigung der Könige dienten, fanden sich neben Elementen der verschiedenen Herrschaftsgebiete der Regenten auch Bereiche der amerikanischen Welt in die Aufführungen und plastischen Ausgestaltungen integriert. Suzanne Boorsch macht ca. 70 Festlichkeiten zwischen 1492 und 1700 für das gesamte Europa aus, die Aspekte des amerikanischen Lebens thematisieren2. Bedenkt man die rege Aktivität der Festkomitees, vor allem in den kulturellen Zentren Italiens, Frankreichs, der Niederlande, aber auch Spaniens, so nimmt sich diese Zahl ausgesprochen bescheiden aus. Eine erste öffentliche Präsentation Amerikas findet sich auf einem Triumphbogen, der 1526 in Sevilla anläßlich der Hochzeit von Karl V. mit Isabel errichtet wurde. Neben einer Allegorie des Ruhms werden Figuren abgebildet, darunter auch Indianer3. Diese Integrationen Amerikas in der frühen Festkultur sind allerdings selten: A pesar de que en Europa existía la posibilidad de conocer indios por propia experiencia, al principio se encuentran en las fiestas pocas referencias directas al Nuevo Mundo y a sus habitantes. En los triunfos del emperador Carlos V y de su hijo Felipe [...] América misma apenas estaba presente (Sommer-Mathis 1992a:25).

Bei der Mehrzahl der Inklusionen amerikanischer Phänomene handelt es sich um allegorische Darstellungen, die den bisher drei bekannten Kontinenten einen vierten hinzufugen 4 . Die Präsentation Amerikas als allegorische Figur erfolgte in stereotyper Manier:

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el teatro y en la fiesta". In: Andrea Sommer-Mathis u.a., El teatro descubre América. Fiestas y teatro en la Casa de Austria (1492-1700) (Madrid 1992), 24/25. Zur höfischen Festkultur allgemein vgl. Richard Alewyn, Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste, München 2 1985. Zur spanischen Festkultur vgl. Norman David Shergold, A History of the Spanish Stage from Medieval Times until the End of the Seventeenth Century, Oxford 1967; Sebastian Neumeister, Mythos und Repräsentation. Die mythologischen Festspiele Calderóns, München 1978 (spanische Version unter dem Titel Mito clásico y ostentación. Los dramas mitológicos de Calderón, Kassel 2000); Margaret Rich Greer, The Play of Power. Mythological Court Dramas of Calderón de la Barca, Princeton 1991; Louise K. Stein, Songs of Mortals, Dialogues of the Gods. Music and Theatre in Seventeenth-Century Spain, Oxford 1993. Vgl. Suzanne Boorsch, "America in Festival Presentations". In: First Images of America. The Impact of the New World on the Old I. Hg.v. Fredi Chiappelli (Berkeley, Los Angeles, London 1976), 503. Vgl. Sommer-Mathis 1992a:24. Andrea Sommer-Mathis widmet sich als erste ausfuhrlich dem Aspekt Amerikas in der spanischen Festkultur. Vgl. Andrea Sommer-Mathis, "Das Bild Amerikas im barocken spanischen Fest (Teil 1)". In: Andrea Sommer-Mathis/ Christopher F. Laferl, Das Bild Amerikas im barocken spanischen Fest (Kassel 1992), 13.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien [...] 'eine nackte Frau mit dunkelgelber Hautfarbe und furchterregendem Gesicht sowie einem buntgestreiften Schleier, der, über eine Schulter hängend, die schamhaften Körperteile verdeckt 1 . Als Attribute dienen eine bunte Federkrone, Pfeil, Bogen und Köcher sowie ein Alligator und ein von einem Pfeil durchbohrter Kopf zu Füßen der Gestalt. 1

Es sollte aber bis zum 17. Jahrhundert dauern, bis Amerika zum festen Bestandteil der Erdteil-Allegorien wurde, wobei sich die meisten Beispiele für Präsentationen in Italien und den Niederlanden finden und nicht in Spanien2. Lediglich zwei spanische Beispiele ragen hier heraus. 1570 waren in Burgos auf einem Triumphbogen zu Ehren des Empfangs der vierten Frau Felipes II. unter einer männlichen Allegorie in Gestalt eines Inka die amerikanischen Regionen mit ihnen typischen Charakteristika (Gold, Silber, Lama, Pfeile, Truthahn, Kaiman, Ananas u.a.) abgebildet. Sommer-Mathis vermutet ein persönliches Interesse des Verfassers von Programm und Beschreibung für Peru und seine Herrscher dem Land, dem er in seinem Text vergleichsweise den meisten Platz einräumt (1992b: 129).

Als 1649 Maria Anna von Österreich in Madrid eintrifft, um Felipe IV. zu heiraten, werden ihr zu Ehren vier Triumphbögen errichtet, wobei jeder einen Erdteil präsentiert. Auf dem Amerika gewidmeten Bogen finden sich historische Szenen und Abbildungen der üblichen Gegenstände (Federn, Pfeile, Gold, Mais, Papageien usw.)3. Amerika soll hier als Nachweis dienen für eine Größe Spaniens, die zu einer Zeit, als sich das Land in seinen imperialen Ansprüchen erheblich von Frankreich bedroht fühlte, nur noch mit Mühe aufrechterhalten werden konnte. Von Schauspielern dargestellte Indianer nahmen auch verschiedentlich an Umzügen, Prozessionen, Turnieren und Ritterspielen teil, wobei sie als Requisiten und Markenzeichen den Federschmuck, Pfeil und Bogen trugen. So z.B. bei der bereits erwähnten vierten Eheschließung Felipes II. 1570 in Burgos, wo "Indianer" tanzend und ballspielend an den Zuschauern vorbeidefilierten4. Die Schauspieler trugen kon1

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Friedrich Polleroß, "Der Wandel des Bildes. Entstehung, Verbreitung und Veränderung der Amerika-Allegorie". In Polleroß/Sommer-Mathis/Laferl 1992:23. Polleroß zitiert dabei aus Cesare Ripas Handbuch der Iconologia. Die erweiterte spanische Fassung des Textes von Polleroß findet sich in Friedrich Polleross, "América en las artes plásticas". In: Andrea Sommer-Mathis u.a., El teatro descubre América. Fiestas y teatro en la Casa de Austria (1492-1700) (Madrid 1992), 279-288. Zu den Amerika-Allegorien vgl. auch Sabine Poeschel, Studien zur Ikonographie der Erdteile in der Kunst des 16.- 18. Jahrhunderts (München 1985), vor allem 186-200. Für Abbildungen vgl. Polleroß/Sommer-Mathis/ Laferl 1992:24-64,234-237; Poeschel 1985:Abb.l3,19,25,27,34,35,39,41,44,46, 50,55. Vgl. Andrea Sommer-Mathis, "Amerika im Fest und auf der Bühne im 16. und 17. Jahrhundert". In Polleroß/Sommer-Mathis/Laferl 1992:130. Dieser Text ist eine gekürzte Version von Sommer-Mathis 1992a. Für eine ausfuhrliche Beschreibung der Triumphbögen vgl. Teresa Chaves Montoya, "La entrada de Mariana de Austria en Madrid en 1649". In Sommer-Mathis 1992a:73-94. Abbildungen zum "amerikanischen" Bogen auf den Seiten 85 und 93. In Spanien sind keine Festvorführungen bekannt, die echte Indianer präsentierten, wie es im französischen Rouen anläßlich einer entrée royale des Königs Heinrich II. und Katharina de Medicis geschah. Dort wurde ein brasilianisches Dorf nachgebaut mit 300 Brasilianern, darunter "etwa 50 'eingeborene Wilde, die gerade erst aus ihrem Land herübergebracht waren'" (Gewecke 1986:154). Zur Beschreibung des Empfangs vgl. Gewecke

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ventionelle Festkleidung und waren nur an ihren Requisiten als Indianer zu erkennen1. Als 1608 der Dominikaner San Luis Bertrán, der sich einige Jahre als Missionar im heutigen Kolumbien aufgehalten hatte, seliggesprochen wurde, veranstaltete seine Heimatstadt Valencia ein mehrtägiges Festprogramm mit Prozessionen. Feuerwerken und der Auffuhrung einer comedia. Auf Karren wurden Bilder aus dem Leben des Klerikers dargestellt, darunter auch einige Szenen mit Indianern2. Diese Beispiele sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die spanische Festkultur den Gegebenheiten Amerikas nur wenig Platz einräumte. Ein verstärktes höfisches Interesse an Amerika zeigt sich dagegen bei den Fürstenhäusern in Italien, in Österreich oder auch in den Niederlanden . Werden Indianer oder amerikanische Themen in die Festkultur integriert, dann geschieht dies nicht aus Gründen einer historischen Präsentation; vielmehr dienen diese als exotisches Dekor und Demonstrationsobjekt königlicher Macht. Daß historische Genauigkeit keinerlei Rolle spielt, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, daß das exotische Dekor auch austauschbar war und Synkretismen produziert wurden, wie der von Boorsch angeführte '"black Moor... with an Indian skirt and little Hungarian hat adorned with feathers'" (1976:504). Er wurde als exotisches Kuriosum ebenso bestaunt wie Indianer mit Baströckchen. Nicht übersehen werden darf dabei die große Wirkung dieser von vielen Zuschauern gesehenen Präsentationen: Festivals, whether public, like the royal entries or processions such as Louis XIV's carrousel, or private, for the entertainment of a court, may seem a small part of life. And yet for an illiterate populace, and indeed for many at court, they were a principal source of cultural information: they show what was thought by some and taught to others (Boorsch 1976:512/513).

Im 16. und 17. Jahrhundert etablierten sich an vielen europäischen Höfen Wunderkammern und Kuriositätenkabinette, in die auch Americana Eingang fanden4. Obwohl jedoch die meisten Kuriosa aus Amerika zunächst nach Spanien gebracht wurden, entstanden dort keine nennenswerten Sammlungen. Ein Großteil der teilweise auf auffällige Weise gearbeiteten amerikanischen Goldgegenstände wurde eingeschmolzen oder gelangte auf verschiedenen Wegen an Höfe anderer Länder. Eine der wenigen spektakulären Sammlungen in Spanien, die Felipes II.5, wurde

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1986:153-155; ausführlicher bei Margaret M. McGowan, "Form and Themes in Henri II's Entry into Rouen". Renaissance Drama 1 (neue Serie) (1968): 199-251. Vgl. Sommer-Mathis 1992c: 14. Vgl. Sommer-Mathis 1992c:9-28; I992a:142-148. Auf die comedia wird später noch zurückzukommen sein. Für Beispiele vgl. Sommer-Mathis l992a:34-42,94-107. Allgemein zu Wunderkammern vgl. Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte (Berlin 1993), 26-76; Monika Kopplin, "'Was frembd und seltsam ist'. Exotica in Kunstund Wunderkammern". In: Exotische Welten. Europäische Phantasien. Ausstellungskatalog. Hg.v. Hermann Pollig u.a. (Stuttgart 1987), 296-303; Elisabeth Scheicher, Die Kunst- und IVunderkammern der Habsburger, Wien 1979; Hodgen 1964:114-131. Zur Sammlung Felipes II. vgl. Friedrich Polleroß, '"Joyas de las Indias' und 'Parvus Mundus' - Sammlungen und Bibliotheken als Abbild des Kosmos". In Polleroß/SommerMathis/Laferl 1992:37.

III. Der historische

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Kontext: Amerika in Spanien

nach dessen Tod in Einzelteilen versteigert 1 . Bedeutende Wunderkammern fanden sich dafür in Italien, München, Prag und Österreich, deren Bestände jedoch heute nur noch zu einem kleinen Bruchteil überliefert sind 2 .

Die Diskurse der Gelehrten Keine andere koloniale Macht, weder Portugal noch später Holland, England oder Frankreich, hat sich in der Anfangsphase ihrer überseeischen Tätigkeit so sehr bemüht, das Faktum des Kulturkontakts intellektuell zu durchdringen und rechtlich zu regeln. Mit den Mitteln spätmittelalterlicher Rechtsvorstellungen und von der Basis einer christozentrischen Weltvorstellung [...] (Bitterli 1986:96).

In Spanien wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine kolonialethische Diskussion geführt, der Wilfried Nippel ein "hohes theoretisches Niveau" bescheinigt (1990:39) und von der behauptet wird, sie beinhalte bereits die Kernfragen des modernen Völkerrechts 3 . Von den Königen beauftragte Juristen und Theologen hatten in erster Linie die Aufgabe, ihrem König die Theorie zur Legitimierung seines politischen Handelns zu liefern 4 . Die Rechtsgültigkeit der Bullen Alexanders VI., mit denen der Papst den Katholischen Königen sämtliche Souveränitätsrechte über die von ihnen neu entdeckten Länder übertrug, wurde bald hinterfragt, vor allem im Anschluß an die Proteste der Dominikanermönche auf Hispaniola 5 , als sich die Frage nach der Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika dringend stellte. Die Diskussionen wurden von Spätscholastikern an den Universitäten, von Missionaren und Bischöfen, Juristen und Staatstheoretikern in Gutachten, Abhandlungen oder in Kommissionen gefuhrt. Aus den beiden Problemkreisen um die Behandlung der Indianer und die Legitimation der spanischen Eroberungen resultierten die Überlegungen über den gerechten Krieg und das Wesen der amerikanischen Ureinwohner. Philosophische Grundlagen der Debatten und Auseinandersetzungen um damals aktuelle kolonialethische Fragen waren die scholastischen Lehren des Mittelalters 6 . Ab 1515 begann Bartolomé de las Casas, die wohl bekannteste, aber auch äußerst umstrittene Person der damaligen Kontroverse, sich in die Diskussion in Spanien einzumischen. Er vertrat vehement die Position der Indianer und unterhielt gleichzeitig gute Kontakte zu Karl V. und einem Teil der königlichen Berater 7 . Las Casas 1 2

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Vgl. Feest 1987:42/43. Vgl. hierzu Detlef Heikamp, "Mexico und die Medici-Herzöge". In Kohl 1982:126-146; Detlef Heikamp, "American Objects in Italian Collections of the Renaissance and Baroque: A Survey". In: First Images of America. The Impact of the New World on the Old I. Hg.v. Fredi Chiappelli (Berkeley, Los Angeles, London 1976), 455-482. So Nippel 1990:39; Michael Sievernich, "'Christianorum avaritia indorum vocatio'. Eine theologische Sicht der 'Neuen Welt' im späten 16. Jahrhundert". In Kohut 1991:104. Vgl. Anthony Pagden, The Fall of Natural Man. The American Indian and the Origins of Comparative Ethnology. Erweiterte Paperback-Edition (Cambridge u.a. 1986), 2-3. Eine Beschreibung der Ereignisse auf Hispaniola liefern Lewis Hanke, The Spanish Struggle for Justice in the Conquest of America (Philadelphia 1949), 29-35; Höffner 1969: 190-193; Pagden 1986:30-31. Zum ideengeschichtlichen Hintergrund der spanischen Kontroverse vgl. Höffner 1969:982; Fisch 1984:183-209. Vgl. Höffner 1969:201-203.

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war der einzige an der Diskussion a m spanischen Hof Beteiligte, der Amerika von langen Aufenthalten her gut kannte. Während dieser Zeit wurden zentrale theoretische Aspekte der kolonialen Problematik auch an den Universitäten diskutiert. Bedeutend ist hierbei der Theologe und Dominikaner Francisco de Vitoria, der sich in seinen 1537-39 an der Universität von Salamanca gehaltenen Vorlesungen kritisch mit dem Rechtsanspruch der spanischen Krone auf die neu eroberten Länder und der Frage nach dem gerechten Krieg auseinandersetzte 1 . Zunächst stellt der Rechtsgelehrte in seiner Relectio de Iridis sieben illegitime Rechtstitel auf 2 , die sich gegen Herrschaftsansprüche der spanischen Könige und des Papstes aussprechen, wobei sich Vitoria auf die Naturrechtstheorie und Thomas von Aquin beruft. Diese Titel werden ergänzt durch acht legitime 3 , die den illegitimen zum Teil widersprechen und Möglichkeiten aufzeigen, die spanische Machtpolitik mit ihren Gebietsansprüchen zu rechtfertigen. Erscheint Vitoria durch seine illegitimen Titel als "klarer Verteidiger der Rechte der Indianer", so verleihen die legitimen seiner Theorie einen durchaus zwiespältigen Charakter. Dieses Janusgesicht ergibt sich aus Vitorias doppelter Frontstellung (die für die gesamte Spätscholastik gilt): einerseits g e g e n die christlichen Weltherrschaftsansprüche a priori, und noch mehr natürlich gegen entsprechende weltliche Forderungen, andererseits f ü r die Wahrung der Bedingungen der Möglichkeit der Mission und damit des kirchlichen Einflusses auf die Indianer [...] Vitoria will nicht nur die Rechtsgrundlagen seiner Gegner zerstören, sondern seinerseits eine eigene Rechtsgrundlage für Ansprüche in Übersee aufbauen [...] (Fisch 1984:215/216). Aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit dienten die Ausfuhrungen Vitorias sowohl Gegnern als auch Anhängern der königlichen Politik als "Steinbruch" (Fisch). Die Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungen, denen vorrangig politisch motivierte Kontroversen verschiedener Interessensgruppen zugrunde lagen 4 , kulminierten in d e m Disput zwischen las Casas und Sepülveda vor Karl V. und dem Indienrat 1550 in Valladolid. Der königliche Hofhistoriker und Aristoteles-Übersetzer Juan Gines de Sepülveda 5 gilt als damaliger Hauptvertreter antiindianischer Ideen und Vorstellungen. In seinem Hauptwerk Democrates secundus sive de justis belli causis apud Indos6 beschreibt er die amerikanischen Urein1 2 3 4 5

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Über Leben und Werk Francisco de Vitorias vgl. Fernández-Santamaría 1977:58-119; Carlos G. Noreña, Studies in Spanish Renaissance Thought (The Hague 1975), 36-149. Zu diesen Rechtstiteln vgl. Fisch 1984:213-215. Zu den legitimen Titeln vgl. Fisch 1984:216-222; zu Vitoria auch Milhou 1994:291-294. Vgl. Benjamin Keen, La imagen azteca en el pensamiento occidental. Übersetzung aus dem Englischen (México 1984), 81. Zu Leben und Werk Sepúlvedas vgl. Fernández-Santamaría 1977:163-236; außerdem Manuel Garcia-Pelayos, "Juan Ginés de Sepülveda y los problemas jurídicos de la conquista de América". In: Juan Ginés de Sepülveda, Tratado sobre las justas causas de la guerra contra los indios. Hg.v. Manuel Garcia-Pelayos. Latein/Spanisch. Erster Neudruck (México 21979), 1-42; Fisch 230-232. Die Veröffentlichung dieses ca. 1544 verfaßten Werks wurde vom Indienrat verboten, was wahrscheinlich auf den Einfluß von las Casas zurückzufuhren ist. Vgl. Pagden 1986: 110/111. Das Werk zirkulierte jedoch in Manuskriptform. Pagden weist mit Nachdruck auf den rhetorischen und literarischen Charakter dieses Werks hin, ein von der bisherigen Forschung nicht berücksichtigter Aspekt. Vgl. Pagden 1986:111-119.

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

wohner als vernunftlose, tierähnliche Barbaren 1 . Dabei beruft sich Sepülveda auf Aristoteles' Theorie des natürlichen Sklaven, geht jedoch in seinen Forderungen bezüglich der Behandlung der Indianer weit über die Ideen von Aristoteles hinaus 2 . Sepülveda schreibt den Führungsanspruch Europas, speziell Spaniens fest, das zur Mission verpflichtet sei. Die Sünden der Indianer gegen das Naturrecht, ihr inferiorer Status, der sich durch den Mangel an Schrift, Gesetzen und Privatbesitz manifestiere, ihre Grausamkeit und Feigheit legitimiere die Spanier zu einem gerechten Krieg gegen die indianischen Völker 3 . Las Casas dagegen war bemüht, Sepülvedas Thesen zu widerlegen, indem er sich gleichfalls auf Aristoteles berief und nachzuweisen versuchte, daß die Indianer dessen gesellschaftliche Kriterien erfüllten. Er war ein vehementer Ankläger des gewalttätigen Vorgehens von Conquistadores und spanischen Siedlern gegen die amerikanische Bevölkerung, die der Dominikaner in höchstem Maße idealisierend beschrieb 4 . Obwohl las Casas völkerrechtlich argumentiert und sich auf das Naturrecht beruft, steht auch für ihn das Missionsrecht im Mittelpunkt. Er bezeichnet es ausdrücklich als eine Pflicht. Die Mission aber muß friedlich erfolgen, wie er zu versichern nicht müde wird; jede Gewaltanwendung bei der Bekehrung, jeder Druck und jede Drohung widersprechen dem Geist des Evangeliums. Auch die Sünden gegen das Naturgesetz geben keinen Kriegsgrund an die Hand (Fisch 1984:234).

Somit stellt las Casas nicht die Machtanspriiche der spanischen Könige in Frage, sondern lediglich die Praxis der Eroberung. Wie bekannt, endete der Disput vor dem Indienrat ohne Entscheidung, und in der Folgezeit sollte sich eine Position behaupten, die zwar von den extremen Vorstellungen Ginés de Sepülvedas Abstand nahm, mit den Thesen José de Acostas aber trotzdem keine proindianische Haltung mehr einnahm. Mit dem Regierungsantritt Felipes II. endete der offene Geist, der nahezu ein halbes Jahrhundert lang eine Diskussion ermöglicht hatte, die die politische Praxis nun überflüssig und die Zensur unmöglich machte. Der politische Einfluß von las Casas schwand beträchtlich, seine Schriften kamen unter Verschluß, und die spanische Diskussion um die Legitimation des Vorgehens in den Kolonien und die Behandlung der Indianer war somit beendet. Die Renaissance gilt als das Zeitalter der Utopien. Auch Amerika sollte eine besondere Rolle für das utopische Gedankengut spielen. So scheint inzwischen erwiesen, daß Thomas Morus' Utopia von einem Brief Vespuccis über dessen amerikanische Erlebnisse beeinflußt wurde. Die Einwohner in Bacons Nova Atlantis sprechen 1 2 3 4

Vgl. Juan Ginés de Sepülveda, Tratado sobre las justas causas de la guerra contra los indios. Hg.v. Manuel García-Pelayos. Latein/Spanisch. Erster Neudruck (México 2 1979), 101. Vgl. hierzu Silvio Zavala, La ßlosoßa política en la Conquista de América (México 2 1972), 56; Fernández-Santamaría 1977:214. Zu Sepülvedas Ausfuhrungen über den gerechten Krieg vgl. Fernández-Santamaría 1977: 214-230; García-Pelayos 1979:14-28. Auch für las Casas sind die amerikanischen Ureinwohner keine gleichberechtigten Mitmenschen, sondern nicht rechtsfähige Wesen, Kindern ähnlich, die eines besonderen Schutzes und der Unterweisung in der richtigen Religion bedurften. McGrane spricht dabei von "the Other-as-Child" (1989:25). Vgl. auch Garzón Valdés 1992:59; Hans-Joachim König, "Barbar oder Symbol der Freiheit? Unmündiger oder Staatsbürger? Indiobild und Indianerpolitik in Hispanoamerika". In König 1989:107.

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Spanisch, und Campanellas Civitas solis spielt auf Azteken und Inkas an 1 . Amerika wurde für viele Spanier und Europäer zum Projektionsort ihrer Wünsche und Utopien, für die einfachen Leute, die sich auf diese Weise ein besseres, ökonomisch abgesichertes Leben erhofften ebenso wie für die christlichen Humanisten, die in den - wie sie glaubten - von der verderbenden Zivilisation noch unberührten amerikanischen Regionen die ideale Gemeinschaft errichten wollten. La aparición de un continente 'virgen', de unas tierras y unos hombres sobre los que se podía intentar la organización de sociedades nuevas, afincadas, sin embargo, en la vida real, pero libres de los vicios y defectos de las viejas sociedades, fue la principal circunstancia que despertó ese afán utópico. Desde luego, éste venía preparado por toda la herencia cultural del europeo del XVI; pero la novedad de encontrarse con un escenario natural en el que aplicar esos afanes de reforma, fortaleció a éstos y los elevó a un plano sistemático, al plano de la Utopía. 2

Den spanischen humanistischen Denkern, Christen und Gelehrten bietet sich somit die einzigartige Gelegenheit, ihre utopischen Vorstellungen zu verwirklichen 3 . So zieht es eine Vielzahl von zumeist Geistlichen nach Amerika, um dort das Experiment der idealen Gemeinschaft zu wagen, darunter den Bischof von Michoacán Vasco de Quiroga 4 , las Casas 5 und jesuitische Geistliche, die in Paraguay mit Indianern in Reduktionen siedeln 6 . Diese Projekte gründen auf der Vorstellung, daß die Indianer Amerikas in einem vorzivilisatorischen Stadium leben, dem Goldenen Zeitalter, das mit dem eisernen Zeitalter Europas kontrastiert. Sie führen ein friedliches Leben ohne Privatbesitz und Gesetze. Diese Vorstellung findet sich in den ersten Reiseberichten über Amerika und wird dann vollends ausformuliert von Anghiera in seinen Décadas7, aber auch von las Casas 8 . Ein Höhepunkt wird erreicht mit Antonio León Pinelo, der das Paradies des Alten Testaments in Peru ortet und diese Entdeckung in seinem 1656 erschienenen Werk El paraíso en el Nuevo Mundo ausführlich belegt. Auch die Projektion anderer antiker Mythen, wie z.B. der Quelle der ewigen Jugend oder sagenhafter Goldländer, auf amerikanische Regionen verweist auf utopisches Gedankengut.

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Vgl. Christoph Strosetzki, "Einfuhrung". In: Der Griff nach der Neuen Welt. Der Untergang der indianischen Kulturen im Spiegel zeitgenössischer Texte. Hg.v. Christoph Strosetzki (Frankfurt a.M. 1991), 25. José Antonio Maravall, Estado moderno y mentalidad social (Madrid 1972), 112. "[...] la utopía española, a diferencia de la utopía de Platón (La República), de la de San Agustín (La Ciudad de Dios), de la de Tomás Moro ( U t o p í a ) y la de Tomás Campanella (La Ciudad del Sol) es eminentemente empírica". Stelio Cro, Realidad y utopía en el descubrimiento y conquista de la América Hispana (1492-1682) (Michigan, Madrid 1983), XIII. Vgl. auch Stelio Cro, The American Foundations of the Hispanic Utopia (1492-1793). 2 Bände, Tallahassee 1994; Fernando Aínsa, De la edad de oro a El Dorado. Génesis del discurso utópico americano, México 1992. Vgl. Cro 1983:53-68; Strosetzki 1991a:27/28. Zu den millenaristischen Utopien spanischer Mönche in Mexico vgl. Baudot 1983. Vgl. Cro 1983:68-78; Strosetzki 1991a:28/29. Vgl. Cro 1983:78-92. Vgl. hierzu auch Peter Claus Hartmann, Der Jesuitenstaat in Südamerika 1609-1768, Weißenhom 1994; Cro 1994:11. Vgl. Cro 1983:12-38. Vgl. Milhou 1990:16-20.

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III. Der historische

Kontext: Amerika in Spanien

Von Thomas Morus und wahrscheinlich auch den ersten Schriften über Amerika beeinflußt ist Juan Maldonado, dessen wenig beachtetes Somnium 1542 in lateinischer Sprache veröffentlicht wurde1. Darin beschreibt der Autor ein Volk von Indianern, das nach kurzer missionarischer Belehrung eine ideale Form des Christentums praktiziert. Manifest ist hier die erasmistische Kritik an der eigenen Gesellschaft und vor allem der Kirche2. Utopische Gedankengebäude beinhalten immer eine kritische Stellungnahme gegenüber dem eigenen Lebensraum, denn nur der mit der eigenen Gesellschaft Unzufriedene strebt nach der idealen Gemeinschaft, weswegen utopische Schriften oft einen hohen moralistischen Anspruch verraten. In diesem Zusammenhang finden sich in der spanischen Literatur der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die nachhaltig unter dem Einfluß von Erasmus stand3, zwei Themenkreise, die Amerika betreffen. Zum einen wird Kritik geübt an der Usurpation amerikanischer Gebiete, vor allem in Einklang mit las Casas - an der gewalttätigen Eroberungspraxis der Conquistadores, zum anderen wird die Gier nach Gold und Reichtum der Spanier angeprangert, die zu einer Kritik an Amerika - dem Goldlieferanten - wird, so daß der Kontinent nun nicht mehr als idealer Fluchtpunkt, sondern als Ort der Verderbnis erscheint. 1528 veröffentlichte Antonio de Guevara, Bischof von Mondoiiedo und Prediger Karls V., sein Werk Libro äureo de Marco Aurelio, das die Grundlage bildete für das ein Jahr später publizierte Relox de principes, einen Fürstenspiegel mit dem Entwurf des vorbildlichen Monarchen. In beiden Werken findet sich in die Erzählung integriert die Rede eines "villano del Danubio", eines einfachen germanischen Bauern, der vor dem römischen Senat eine ausgefeilte, beeindruckende Rede gegen die Unterdrückung seines Volkes und das gewalttätige, ungerechte Vorgehen der Eroberer hält4: [...] Ha sido tan grande vuestra cobdicia de tomar bienes agenos, y tan famosa vuestra sobervia de mandar en tierras estraftas [...] si no hos contentan nuestros servifios, mandad cortarnos las cabe9as, porque no serä tan crudo el cuchillo en nuestras gargantas como son vuestras tyrannias en nuestros cora?ones (Guevara 1994:124-128).

Diese Rede, die eine große Verbreitung fand und in Hofkreisen zirkulierte5, wurde damals als Schlüsseltext und Exemplum auf die aktuelle spanische Situation verstanden und als Kritik an der spanischen Eroberungspraxis in Amerika interpretiert6, eine Lesart, die mit Sicherheit vom Autor intendiert war. Allerdings stellt auch Gue1 2

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Vgl. hierzu Milhou 1990:21 -24. Vgl. hierzu Marcel Bataillon, Erasmo y España. Estudios sobre la historia espiritual del siglo XVI. Übersetzung ins Spanische. Erweiterte und korrigierte Fassung. Bd. 2 (México, Buenos Aires 1950), 251/252; Milhou 1994:283. Vgl. hierzu Bataillon 1950. Ich orientiere mich hier an der ersten Version, dem Libro áureo de Marco Aurelio. Vgl. Antonio de Guevara, Libro äureo de Marco Aurelio. Década de Césares. Hg.v. Emilio Blanco. Obras Completas I (Madrid 1994), 5-334. Die Rede des "villano del Danubio" findet sich auf den Seiten 123-131. Vgl. Herbert Walz, Der Moralist im Dienste des Hofes. Eine vergleichende Studie zu der Lehrdichtung von Antonio de Guevara und Aegidius Albertinus (Frankfurt a.M. u.a. 1984), 142,149. Vgl. Augustin Redondo, Antonio de Guevara (¡4807-1545) et l'Espagne de son temps. De la carrière officielle aux œuvres politico-morales (Genf 1976), 677.

B. Kontexte

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vara, wie las Casas und die anderen Kritiker, nicht die Eroberung an sich in Frage 1 . Diese habe jedoch nach christlichen Kriterien zu erfolgen und müsse gerecht sein . Die Ratschläge des germanischen Bauern erinnern an einen weiteren von Erasmus beeinflußten spanischen Autor der Epoche, Alfonso de Valdés, der in seinem Diálogo de Mercurio y Carón (1529) am Beispiel des guten Königs Polidoro (man beachte den Namen!) die Qualitäten des idealen Herrschers beschreibt. Aufgrund seines perfekten Führungsstils unterwerfen sich ihm die Völker freiwillig: Muchos infieles venían de su propia voluntad a recibir baptismo, desseando ser cristianos por vivir entre mis subditos. [...] Y desta manera, sin armas, sin muertes de hombres y sin derramar sangre cristiana, conquisté muchos reinos, sojuzgué muchas provincias, assí infieles como cristianas, y convertí muchas gentes a la religión cristiana.3

Auch hier steht das Idealbild einer gerechten Herrschaft in Einklang mit den Forderungen von las Casas und seinen Mitstreitern nach einer friedlichen Eroberungspraxis . Bei der Klage über den schädlichen Charakter des Goldes handelt es sich um einen Topos mit langer Tradition: Antitéticamente, y también a través de la historia, el motivo del oro ha sido objeto del desprecio y maldición de los teólogos, ascetos, escritores espirituales, que han visto en él el símbolo de la idolatría.5

Bereits in der Antike hatten der Stoa verpflichtete Autoren in satirischen Schriften die Gier nach Gold angeprangert. Diese Warnung vor den Gefahren des Goldes ist eng verbunden mit der utopischen Denkweise, die dem materialistischen Gewinnstreben eines dekadenten Luxuslebens zumeist ein ausgeglichenes, naturverbundenes Mittelmaß gegenüberstellt. Auf ähnliche Weise ist im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts die Thematik des Goldes mit einer Kritik des Hoflebens verbunden. Die Dekadenz des Lebens am Hof und in der Stadt wurde u.a. auf das Anhäufen von Gold und Reichtum zurückgeführt und kontrastierte mit einem natürlichen und glücklichen Leben auf dem Land, das auf produktive Art und Weise Früchte erzielte. So die Grundthese in Antonio de Guevaras vielgelesener Schrift Menosprecio de corte y alabanza de aldea (1539). 1

Hier irrt Walz, wenn er behauptet: "Die 'anarchistischen' Kirchenmänner, zu denen auch Guevara zu rechnen ist, hatten nicht nur die herrschenden Mißstände in den überseeischen Kolonien angeprangert, sondern die Rechtmäßigkeit der Eroberung überhaupt angezweifelt" (1984:147). Wie die obigen Ausfuhrungen gezeigt haben, ging keiner der Kritiker so weit, Spanien nicht das Missionsrecht zuzugestehen, was von der Sekundärliteratur gern übersehen wird, die damalige kritische Stimmen häufig idealisiert und ihr zu moderne Positionen unterstellt. Vgl. hierzu z.B. Carmen R. Rabell, "Menosprecio de corte y alabanza de aldea: ¿Crítica lascasiana, propaganda imperialista o 'best-seller'?" In: Encuentros y desencuentros de culturas: desde la edad media al siglo XVIII. Hg.v. Juan Villegas. Actas Irvine-92 III (California 1994), 245/246.

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Vgl. Guevara 1994:128/129. Alfonso de Valdés, Diálogo de Mercurio y Carón. Hg.v. José F. Montesinos (Madrid 1929), 195/196. Zu Valdés' Diálogo vgl. auch Cro 1983:94-105; Bataillon 1950:1,452-472. Juventino Caminero, "El motivo del oro en la literatura española del siglo XVI". In Criado de Val 1989:70.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

Codicia und ambición waren die beiden Sünden der Epoche 1 , für die die Conquista z u m Exemplum par excellence wurde. Gier und Eifer nach weltlichem R u h m und Reichtum widersprachen dem "Beatus ille que procul negotiis" von Horaz, ein e m Motiv, das gleichermaßen für den spanischen Neo-Stoizismus galt 2 . Goldgier trieb die Menschen den spanischen Moralisten zufolge nach Amerika, ließ sie die enormen Strapazen der Reise und des fremden rauhen Lebens auf sich nehmen, u m nach der Rückkehr einem unproduktiven Leben in Luxus und Dekadenz frönen zu können. Im zeitgenössischen erasmistischen Diskurs dagegen gilt es, das w a h r e Gold zu erkennen, den echten Glauben, denn nur er verspricht ein ideales Leben, die Utopie des Goldenen Zeitalters, während das materielle Gold nur zu Habgier und dekadentem Luxus führt. Bereits in seinem Vorwort zum Marco Aurelio benennt Guevara diese Dichotomie der Bedeutung: Yo he querido intitular este libro el Libro áureo, que quiere dezir 'de oro', porque en tanto han de tener los virtuosos descubrir en su tiempo este libro con sus sentencias como tienen los príncipes las minas de oro en sus Indias. Yo prometo a todos los que este libro tuvieren que hallarán tanto provecho sus ánimas en passarle y buscar sus doctrinas como daño sus cuerpos en passar las mares por oro de las Indias (Guevara 1994:18). Die Klage über den verderbenden Charakter des Goldes wird zum beständigen Topos der spanischen moralistischen Traktatliteratur. Die dem Gold inhärente Negativität überträgt sich dabei auf Amerika, verantwortlich für den Goldreichtum und die Versuchung der Europäer. So klagen in La hora de todos y la fortuna con seso von Quevedo, 1635 verfaßt, chilenische Indianer, die Handel treibenden Holländern begegnen: Pues advertid que América es una ramera rica y hermosa, y que pues fue adúltera a sus esposos, no será leal a sus rufianes. Los cristianos dicen que el cielo castigó a las Indias porque adoraban a los ídolos; y los indios decimos que el cielo ha de castigar a los cristianos porque adoran a las Indias. Pensáis que lleváis oro y plata, y lleváis invidia de buen color y miseria preciosa. Quitáisnos para tener qué os quiten; por lo que sois nuestros enemigos, sois enemigos unos de otros.3 Auch in der zu Lebzeiten Quevedos nie veröffentlichten Propagandaschrift España defendida aus d e m Jahr 1609 werden amerikanisches Gold und Silber als die für die spanischen Laster Hauptschuldigen ausgemacht: 1 2

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Laut Caminero befand sich codicia "dentro del territorio evidentemente diabólico de los siete pecados capitales" (1989:61). Vgl. Lía Schwartz, '"Novus orbis victus vos vicit': el oro de las Indias en la sátira y en la literatura moral áureas". In: Actas del III Congreso Argentino de Hispanistas "España en América y América en España". Bd. 1. Hg.v. Luis Martínez Cuitiño und Elido Lois (Buenos Aires 1993), 83. Zum spanischen Neostoizismus und seinen bedeutenden Vertreter Quevedo vgl. Eberhard Geisler, Geld bei Quevedo. Zur Identitätskrise der spanischen Feudalgesellschaft im frühen 17. Jahrhundert (Frankfurt a.M. u.a. 1981), 188-190. Francisco de Quevedo, La hora de todos y la fortuna con seso. Hg.v. Luisa López-Grigera (Madrid 1975), 178. Vgl. auch André Stoll, "Fortuna eterna. Zur Inszenierung der kynischen Vernunft in Quevedos konzeptistischem Schauprozeß La Fortuna con seso y la Hora de todos". In: Theatrum mundi. Figuren der Barockästhetik in Spanien und Hispano-Amerika. Literatur - Kunst - Bildmedien. Hg. v. Monika Bosse und André Stoll (Bielefeld 1997), 145-190.

B. Kontexte

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[...] pobres, conquistamos riquezas ajenas; ricos, las mismas riquezas nos conquistan. ¿A que vizio no a auierto la puerta con laue de oro la auarizia?1 Nicht mehr ersehntes Paradies ist Amerika nun, sondern ein Ort der Verderbnis, der Spanien nur Schaden zufugt. Diese Position zeigte sich verstärkt im 17. Jahrhundert: La empresa de las Indias llegó a ser percibida en el XVII como una carga, que ya no era de provecho para la monarquía. [...] Así cambió de signo la imagen de las Indias y el Nuevo Mundo, que en las crónicas había sido representado como espacio del heroísmo, se convirtió en la sátira y en la literatura moral en locus de la corrupción (Schwartz 1993:96). Gold und Reichtum aus Amerika sollten darüber hinaus Anlaß und Inhalt eines weiteren Diskurses sein, der sich mit den ökonomischen Auswirkungen der Eroberungen auf Spanien auseinandersetzte. Während die ersten größeren Goldlieferungen nach Spanien noch mit Enthusiasmus begrüßt wurden, führte die zunehmende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Laufe des 16. Jahrhunderts zu Unruhe und Besorgnis. Bereits früh wurde der Zusammenhang zwischen ökonomischem Niedergang, Inflation und dem Goldfluß aus Amerika erkannt 2 . Führend in der Diskussion 3 war die sogenannte "Schule von Salamanca" mit ihrem Hauptvertreter, dem Dominikaner Tomás de Mercado, dessen Werk Suma de tratos y contratos 1569 erschien 4 . Mercado gelang eine exakte Analyse des spanisch-europäischen Prozesses des Kapitalflusses, und pessimistisch sah der Gelehrte den weiteren Niedergang voraus 5 . Darüber hinaus schuf der Autor mit seinem Werk eine theoretische "Legitimierung der zeitgenössischen Handelspraxis" (Geisler 1981: 42), die den bisher von Kirche und Gesellschaft verpönten Handel und vor allem den daraus erzielten Profit aufwertet und die neue Wirtschaftssituation mit der noch herrschenden Adelsideologie versöhnt. Die Vertreter der "Schule von Salamanca" haben den von ihnen beobachteten Übergang von einer statisch konzipierten Ökonomie des regulierenden Tauschs zu der kapitalistischen Wachstums dargestellt und zugleich propagiert. Ohne explizit mit den überlieferten moralischen Vorstellungen zu brechen, haben diese Autoren sich damit weitgehend auf der Höhe der zeitgenössischen handelsbürgerlichen Entwicklung bewegt. Ohne eine genuin bürgerliche Theorie zu betreiben, haben sie diejenige der 1

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Francisco de Quevedo, "España defendida i los tiempos de aora délas calumnias délos noveleros i sediziosos". Hg.v. Robert Seiden Rose. Boletín de la Real Academia de la Historia 69 (1916): 178. Zu Quevedos España defendida vgl. Bernhard Schmidt, Spanien im Urteil spanischer Autoren. Kritische Untersuchungen zum sogenannten Spanienproblem 1609-1936 (Berlin 1975), 22-59. Zuerst dürfte dies Martin de Azpilcueta formuliert haben, der 1556 eine Geldwerttheorie entwickelte. Vgl. Heine 1984:90. Und der Person, die gemeinhin als Begründer der Quantitätstheorie gilt, dem Franzosen Jean Bodin, um einige Jahre voraus. Vgl. Geisler 1981:41. "Das spanische Wirtschaftsdenken des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts gehört zu den interessantesten in der langen Geschichte der Deutungen wirtschaftlicher Prozesse und der ethischen Stellungnahmen des Menschen zu den Gold- und Edelmetallproblemen". Pierre Vilar, Gold und Geld in der Geschichte. Vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Übersetzung aus dem Französischen (München 1984), 142. Zu Tomás de Mercado vgl. Geisler 1981:40-50. Vgl. hierzu Vilar 1984:149-151.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien Vergangenheit an die veränderte gesellschaftliche Praxis anzupassen versucht [...] (Geisler 1981:45).

Mit der ökonomischen Analyse eng verbunden ist die Klage gegen den Kapitalabfluß aus Spanien und die damit verbundene Benachteiligung des Landes im europäischen Kontext. Aufgrund der hohen Verschuldung des spanischen Königshauses, und weil die Handelstätigkeit nahezu ausschließlich in Händen ausländischer Kaufleute lag, verblieb von d e m amerikanischen Gold tatsächlich nicht allzu viel in Spanien. Es gelang dem Land nicht, die aus den Kolonien abgezogenen Goldvorhaben produktiv zu nutzen 1 . So wurde Spanien selbst zu den europäischen "Indias", ein Gedanke, der sich verschiedentlich in der Literatur findet 2 . In Baltasar Graciáns El Criticón beispielsweise spricht Fortuna folgendermaßen zu den Franzosen: [...] dezidme, ¿qué Indias para Francia como la misma España? Venid acá: lo que los españoles executan con los indios ¿no lo desquitáis vosotros con los españoles? Si ellos los engañan con espegillos, cascabeles y alfileres, sacándoles con cuentas los tesoros sin cuento, vosotros con lo mismo, con peines, con estuchitos y con trompas de Paris ¿no les bolvéis a chupar a los españoles toda la plata y todo el oro?3 Verantwortlich für Spaniens mißliche Lage - gegen Ende des 16. Jahrhunderts steckt das Land in einer weitreichenden Wirtschaftskrise - sind folglich neben Amerika, das das schädliche Gold liefert, auch die anderen europäischen Länder, die diesen Reichtum aus Spanien sofort abschöpfen. Eine den Klagen inhärente Widersprüchlichkeit - hier über den verderbenden Charakter des Goldes, da über den Verlust eben dieses Goldes - war den Autoren, Moralisten und Theoretikern offensichtlich nicht bewußt 4 . Ursachen für die drastische ökonomische Entwicklung suchen die sogenannten arbitristas des 17. Jahrhunderts in der eigenen Gesellschaft. Autoren und Theoretiker wie Martín González de Cellorigo, Sancho de Moneada u.a. erkennen die Versäumnisse der spanischen Gesellschaft und die Tatsache, daß nur die produktive Anwendung des Goldes, d.h. die Investition im Produktionsbereich, zu dauerhaftem Wohlstand fuhrt. Auf dieser Beobachtung beruhen die Programme und Vorschläge, die die selbst ernannten Berater den Königen und Regierungen unterbreiten 5 . Hier ist es Diego de Saavedra Fajardo, der in seinem 1640 erschienenen Fürstenspiegel ¡dea de urt príncipe político die Beobachtungen der arbitristas in literarische Bilder faßt: Admiró el pueblo en las riberas de Guadalquivir aquellos preciosos partos de la tierra, sacados a luz por la fatiga de los indios y conducidos por nuestro atrevimiento y industria; pero todo lo alteró la posesión y abundancia de tantos bienes. Arrimó luego la agricultura 1 2 3 4

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Zum Weg des Goldes aus Amerika vgl. Carlo M. Cipolla, Die Odyssee des spanischen Silbers. Conquistadores, Piraten. Kaufleute. Übersetzung aus dem Italienischen, Berlin 1998. Vgl. Vilar 1984:146. Baltasar Gracián, El Criticón. Bd.l (I/II). Hg.v. M. Romera-Navarro. Nachdruck (Hildesheim, New York 1978), 11,87/88. Für Beispiele vgl. Gracián 1978:11,107; Diego Saavedra Fajardo, Idea de un príncipe político cristiano representada en cien empresas. Bd. 3. Hg.v. Vicente García de Diego (Madrid 1928), 203. Für weitere Beispiele vgl. auch Vilar 1984:152. Zu den arbitristas vgl. Geisler 1981:50-63. Die arbitristas waren ein beliebtes Angriffsziel der zeitgenössischen Satire. Vgl. hierzu Jean Vilar Berrogain, Literatura y economía. La figura satírica del arbitrista en el Siglo de Oro, Madrid 1973.

B.

Kontexte

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el arado, y, vestida de seda, curó las manos endurecidas con el trabajo. La mercancía con espíritus nobles trocó los bancos por las sillas jinetas, y salió a ruar por las calles. Las artes se desdeñaron de los instrumentos mecánicos. Las monedas de plata y oro despreciaron el villano parentesco de la liga, y, no admitiendo el de otros metales, quedaron puras y nobles, y fueron apetecidas y buscadas por varios medios de las naciones (Saavedra Fajardo 1928:111,206).

Auch die Diskurse der Gelehrten über Amerika thematisieren vornehmlich Aspekte um Gold und Religion, unabhängig davon, ob es sich um praktische Vorschläge zur Missionstätigkeit handelt oder um Gedanken über die Schädlichkeit der Entdeckungen. In jedem Fall sind es ausschließlich spanische Angelegenheiten, die die Gelehrten und Denker verhandelten, wobei Amerika als Ursache spanischer Krisen betrachtet wurde oder als Exemplum diente. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte unter der Regentschaft Karls V. ein sehr offenes Klima, das den zumeist durch erasmistische Lehren beeinflußten Intellektuellen die Möglichkeit bot, sich weitgehend offen und kritisch zu äußern. Unter der Herrschaft Felipes II. dagegen wurde ein kontrolliertes Schweigen über Amerika verordnet, und die Utopisten, Kritiker und Ankläger verstummten. Nur die Moralisten und die den wirtschaftlichen Prozeß analysierenden Gelehrten publizierten weiter und verbreiteten sich über den Schaden, den das amerikanische Gold in Spanien angerichtet hatte. So daß das Amerika der frühen Diskurse, Fluchtpunkt und gelobtes Land vieler in Spanien oder auch Europa Unzufriedener, zur Ursache des Verderbens, konkret: der wirtschaftlichen Krise in Spanien wurde. Die Rezeption Amerikas bei den unteren Bevölkerungsschichten Viéndose, pues, tan falto de dineros, y aun no con muchos amigos, se acogió al remedio a que otros muchos perdidos en aquella ciudad se acogen, que es el pasarse a las Indias, refugio y amparo de los desesperados de España, iglesia de los alzados, salvoconducto de los homicidas, pala y cubierta de los jugadores a quien llaman ciertos los peritos en el arte, añagaza general de mujeres libres, engaño común de muchos y remedio particular de pocos. 1

Diese viel zitierte Passage aus der Novela del celoso extremeño von Cervantes benennt e i n e Seite der Emigration nach Amerika. Und tatsächlich war die Eroberung und anschließende Besiedlung des Kontinents in erster Linie ein Unternehmen der "kleinen Leute", der aufstrebenden Unterschichten. Die ersten Spanier in Amerika, Conquistadores und Teilnehmer an den Feldzügen, waren Abenteurer, junge Männer aus den unteren Schichten, oft ohne Beruf und ohne Besitz, oder sie hatten zuvor als Tagelöhner oder Handwerker gearbeitet. Es ist durchaus bezeichnend, daß keiner der damaligen spanischen Könige je amerikanischen Boden betrat. Der Adel war nur durch verarmte hidalgos oder caballeros vertreten, darunter die beiden bekanntesten Eroberer Hernán Cortés und Francisco Pizarro. Angehörige des Hochadels oder der Oberschichten kamen lediglich vereinzelt als Vizekönige oder hohe Verwaltungsbeamte nach Amerika2. 1 2

Miguel de Cervantes, "Novela del celoso extremeño". In ders., Novelas Hg.v. Harry Sieber (Madrid 8 1986), 99. Vgl. McAlister 1984:115.

ejemplares

II.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

Mit zunehmender Kolonisierung änderte sich gegen Mitte des 16. Jahrhunderts die gesellschaftliche Zusammensetzung der Emigranten. Vermehrt kamen Männer mit Benifen in die Kolonien, in erster Linie Kaufleute und Handwerker. Die spanische Krone, die eine starke Kontrolle über die Auswanderung auszuüben versuchte, bemühte sich um die Ansiedlung von in geordneten Verhältnissen lebenden Familien 1 . Da für viele ausreise will ige Spanier aus einfachen Verhältnissen die Emigration zu teuer war, reisten diese als Diener oder Seefahrer getarnt in die Kolonien". Andere verschuldeten sich für die Ausreise und beglichen ihre Schulden mit dem in Amerika erwirtschafteten Gewinn. In jedem Fall dominierten jedoch auch im weiteren Verlauf der Kolonisierung die unteren Schichten des spanischen Volkes. So wurde Amerika, das "Land im Überfluß und Aufstiegschancen für unternehmende Europäer" (Reinhard 1985:269) bot, zum utopischen Ort, zum Fluchtpunkt und Traum für alle Benachteiligten und Unterprivilegierten, die wenig Hoffnung auf eine Karriere oder auf Vermögen in Spanien oder Europa hatten. Nur einer, der nichts zu verlieren hatte, war bereit, die Mühen und Gefahren einer langen Seefahrt und die Unsicherheit in einem kaum vorstellbaren Kontinent, über den in Spanien die wildesten Gerüchte im Umlauf waren, auf sich zu nehmen. Dazu gehörten auch viele conversos und Justizflüchtlinge, die in Spanien keine Zukunft für sich sahen 3 . Ob und in welchem Ausmaß Angehörige des städtischen Armutsmilieus Spaniens nach Amerika gelangten, läßt sich nicht mit Gewißheit sagen. Die erhaltenen Passagierlisten sind hier wenig aussagekräftig, und es sind auch keine schriftlichen Zeugnisse der Menschen selbst erhalten, die in der Mehrzahl nicht schreiben konnten. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß gerade diese sich durch eine Emigration nach Amerika eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erhofften und daß zumindest einige Vertreter des oben von Cervantes beschriebenen Milieus mit gefälschten Papieren in die Kolonien reisten 4 . Obwohl die Besiedlung Amerikas vorrangig ein Unternehmen der "kleinen Leute" war, ist deren Rezeption amerikanischer Phänomene besonders schwer zu erschließen, da keine authentischen schriftlichen Zeugnisse der unteren Schichten vorliegen. Diese ausschließlich am kommerziellen Aspekt des Unternehmens 'Amerika' interessierten Personen informierten sich vor allem über mündliche Wege, wobei den Gerüchten eine große Bedeutung zukommt, jedoch dürften auch "fliegende Blätter" und deren graphische Darstellungen eine zunehmende Rolle gespielt haben. Eine bedeutende Informationsquelle waren mit Sicherheit die Briefe von Verwandten, Freunden oder Geschäftspartnern, die bereits in den Kolonien lebten 5 . Es ist davon auszugehen, daß diese Briefe in Spanien ziemlich verbreitet waren. Wahrscheinlich wurden sie Angehörigen, Freunden und Nachbarn ausgehändigt, 1 2 3 4 5

Vgl. McAlister 1984:115; Reinhard 1985:90. Vgl. Auke Pieter Jacobs, "Pasajeros y polizones. Algunas observaciones sobre la emigración española a las Indias durante el siglo XVI". Revista de Indias 43,171 (1983):476. Vgl. McAlister 1984:115; Meyn 1987:271; Antonio Domínguez Ortiz, Los Judeoconversos en España y América (Madrid 1971), 127-147. Zur illegalen Einwanderung in Amerika vgl. Jacobs 1983. Die Einwanderer der von Enrique Otte herausgegebenen Briefe beklagen sich über viele Tagediebe und Nichtstuer in den Kolonien. Vgl. Otte 1969:10/11. Einige dieser Briefe wurden gesammelt und publiziert von Enrique Otte und James Lockhart. Vgl. Otte 1969; Otte 1988; Lockhart/Otte 1976.

B. Kontexte

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eventuell sogar öffentlich verlesen. Sie geben nicht nur einen Einblick in das Leben der spanischen Siedler in Amerika und deren Ideen und Vorstellungen, sondern dürfen als Hinweis gelten, wie die einfachen Leute in Spanien bei ihrer Rezeption amerikanischer Realitäten beeinflußt wurden. Bereits sehr früh wurde Amerika zum Synonym für Reichtum. Hierzu haben die Berichte Colons, in denen er entgegen den Tatsachen immer wieder sagenhafte Goldfunde in Aussicht stellt 1 , ebenso beigetragen wie die Schätze, auf die Cortés, Pizarro und ihre Gefolge dann tatsächlich stießen und von denen Teile nach Europa gelangten. Gerüchte um legendäre Goldländer 2 waren ebenso die Grundlage für die Vorstellung Amerikas als Goldkammer wie die alljährliche Goldlieferung, die mit der königlichen Flotte Spanien erreichte 3 , oder der Reichtum der indianos, der aus Amerika zurückgekehrten Spanier. So dominiert auch in den Briefen der Siedler an ihre Angehörigen in Spanien der ökonomische Aspekt, wodurch die Vorstellung vom immensen Reichtum Amerikas eine realistische Basis erhielt. Von der Mehrzahl der Schreibenden wird betont, daß jeder Amerikareisende, so er bereit sei, hart zu arbeiten, reich werden kann. Las actividades profesionales no eran más que un medio para conseguir la verdadera meta: tomar parte en la explotación de las riquezas de América. [...] lo que más impulsa a los emigrantes es el afán de lucro [...] (Otte 1988:21).

Die Briefe, für die berücksichtigt werden muß, daß ihre Verfasser darum bemüht waren, sich und ihre Situation positiv zu präsentieren, was sie wahrscheinlich vor Übertreibungen und Beschönigungen nicht zurückhielt, zeigen deutlich, wie dem finanziellen Gewinn alles weitere untergeordnet wurde. So finden sich in den meisten Schreiben nur wenige Aussagen, die über die eigene persönliche Situation hinausgehen, wie z.B. über die Landschaft oder die Einheimischen. Am krassesten aber äußert sich der Egoismus des Gewinnstrebens in der Blindheit gegenüber dem Leiden der indianischen Bevölkerung. So bestätigen die Briefe, daß die mineros von Potosí die M/a-Indianer lediglich als Produktionsmittel betrachteten,

stellt Otte (1969:17) fest. Die Indianer werden verachtet oder patriarchalisch behandelt: Die wenigen Stellungnahmen zum Indianerproblem zeigen eine abfallige, oder bestenfalls apologetische Gesinnung der Einwanderer (Otte 1969:10).

Mit Sicherheit haben die Nachrichten der Amerikareisenden bei den in der Heimat verbliebenen Spaniern der unteren Schichten einen nachhaltigen Einfluß hinterlassen und das Amerikabild dieser Menschen geprägt bzw. den Anlaß dazu gege1

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So z.B. bereits in seinem ersten Bericht, der "Carta a Luis de Santángel". Vgl. hierzu Colon 1984:141,145. Vgl. Todorov 1982:14-16. Aber auch in dem für die Könige bestimmten Tagebuch häufen sich die Hinweise auf enorme Goldvorkommen. Vgl. z.B. Colón 1985:156,162,183. Vgl. hierzu Leal 1977:201/202. Vgl. auch Ferrandis Torres 1933: vor allem 11-16,125133,158-177; Gandia 1946:108-123; Juan Gustavo Lobo Borda (Hg.), Fábulas y leyendas de El Dorado, Barcelona 1987; José Miguel Oviedo (Hg.), La Edad del Oro, Barcelona 1986. Zu den amerikanischen Gold- und Silberlieferungen nach Spanien vgl. Pierre Chaunu, Conquête et exploitation des nouveaux mondes (XV! siècle) (Paris 1969), 300-311 ; Vilar 1984: vor allem 94-141.

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III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

ben, selbst ein Ausreisegesuch zu stellen. Die einfachen Siedler waren die eigentlichen Hauptakteure der spanischen Kolonisierung Amerikas. Zugleich mag aber gerade die soziale Zusammensetzung derer, die nach Amerika reisten und bisweilen auch reich nach Spanien zurückkehrten, der Hauptgrund dafür gewesen sein, daß das Unternehmen 'Amerika' im prestige- und adelssüchtigen Spanien einen suspekten und anrüchigen Ruf erhielt. Jedem der Amerikareisenden hätte eine Karriere in Europa, so sie denn möglich gewesen wäre, mehr Ansehen verschafft. Wenige Jahrzehnte nach den ersten Siedlungsprojekten dann sah sich Spanien mit einem neuen gesellschaftlichen Phänomen konfrontiert: den indianos. So wurden die Spanier genannt, die wohlhabend aus den Kolonien zurückkehrten. Sie ließen sich in Spanien nieder und verlangten aufgrund ihrer Güter Anerkennung und Macht, die ihnen jedoch weitgehend versagt blieben. Die traditionelle spanische Gesellschaft reagierte mit Neid und Verachtung auf die Schicht der Neureichen, die sich durch Titelkäufe adeln ließen und sich um gute Beziehungen zum spanischen Hof bemühten. Doch blieb den indianos1 ihr schlechter Ruf erhalten, der sie zu Außenseitern der spanischen Gesellschaft machte. Hatten sie ihr Geld doch vorrangig durch den Handel verdient, nach wie vor anrüchige Tätigkeit für den traditionellen Adelskodex: [...] el dinero de quien no era noble, hidalgo o eclesiástico nunca se hacia 'viejo', respetable. [...] enriquecerse en el Nuevo Mundo ponía en peligro la limpieza del linaje, convertía al indiano en un posible judío, interesado en acumular una fortuna individual y secular (no como aureola de su rango nobiliario o para fines religiosos). 2

Da das Unternehmen 'Amerika' zudem als vorrangige Angelegenheit der "kleinen Leute" und Besitzlosen galt, blieb den indianos die Akzeptanz innerhalb der eigenen Gesellschaft verwehrt. Die Figur des indiano wurde bald fester Bestandteil der spanischen Literatur der Epoche, als komische Figur in Drama und Prosaerzählung, so daß heute die Konzeption der real existierenden Figur nicht mehr von ihrer literarischen Ausgestaltung zu trennen ist. Es sollte dies der Aspekt Amerikas sein, der am nachhaltigsten auf die spanische Literatur des Siglo de Oro einwirkte, wie weiter unten noch zu sehen sein wird.

Amerika in der spanischen darstellenden Kunst der Epoche Beim heutigen Besuch des Madrider Prado lassen sich zwei Gemälde aus dem 17. Jahrhundert ausmachen, die amerikanische Themen behandeln: Juan Bautista Mainos Recuperación de Bahía del Brasil aus dem Jahr 1635 3 und Recuperación de San Juan de Puerto Rico von Eugenio Caxés, ebenfalls aus den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts 4 . Der Museumsbesucher wird vergeblich Ausschau halten nach Gemälden, 1

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Wie im übrigen auch nach Spanien reisende Kreolen und die Kinder von Spanienrückkehrern bezeichnet wurden, selbst wenn diese nie in Amerika waren. Z u m Begriff des indiano vgl. die ausführliche Darlegung bei Alfonso Urtiaga, El indiano en la dramática de Tirso de Molina (Madrid 1965), 29-51. Américo Castro, "Sobre lo precario de las relaciones entre España y las Indias". In ders., Cervantes y los casticismos españoles (Madrid, Barcelona 1966), 318-322. Eine Reproduktion findet sich in Polleroß/Sommer-Mathis/Laferl 1992:68. Beide Gemälde waren Teil einer Serie über damalige spanische politische Triumphe, darunter als bekanntestes El sitio de Breda von Velázquez. Vgl. Honour 1975b:26/27. Zum

B Kontexte

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die araukanische Krieger darstellen oder die triumphalen Schlachten eines Hernán Cortés thematisieren. Dies liegt zunächst in einer Konzeption von darstellender Kunst begründet, die sehr konzentriert ist auf die Präsentation des Königshauses, auf das Hofleben, klassische Themen und biblische Stoffe. Aktuelle historische Ereignisse werden allenfalls als königliche Triumphe präsentiert, wie die beiden angeführten Beispiele belegen, mit dem König im Mittelpunkt der Darstellung und unter weitgehendem Ausschluß amerikanischer Realitäten . Hier findet sich erneut eine Tendenz bestätigt, die oben bereits an anderen Stellen ausgemacht werden konnte: die Tatsache, daß die spanische bildende Kunst die Thematisierung amerikanischer Aspekte weitgehend vermied. So wurden die "fliegenden Blätter" und Zeitungen erst spät durch Drucke von Holzschnitten illustriert, und dann unter Verwendung deutscher Vorlagen. Die meisten bekannten Drucke von Holzschnitten und Kupferstichen sind Werke deutscher, italienischer und holländischer Künstler. Allegorische Darstellungen Amerikas etablierten sich in Spanien erst im 17. Jahrhundert, und auch hier sind die Künstler der erhaltenen Präsentationen keine Spanier, unabhängig davon, ob es sich um Gemälde, Fresken, Holzschnitte oder plastische Darstellungen handelt 2 . In der ephemeren Kunst der Triumphbögen sah sich Amerika ebenfalls nur in Ausnahmefällen in die Szenerie integriert. Was nun die Gemälde betrifft, so scheinen die von Maino und Caxés tatsächlich die einzigen der Epoche zu sein, die - von spanischen Künstlern geschaffen - amerikanische Aspekte beschreiben. Ausstellungskataloge und Monographien zur Malerei über Amerika 3 zeigen frühe Werke, die Indianer und indianische Szenen präsentieren, von deutschen Künstlern wie Hans Burgkmair, Albrecht Dürer und das bereits erwähnte Trachtenbuch von Christoph Weiditz, monumentale Indianerdarstellungen von dem Holländer Albert Eckhout, Landschaftsbilder von Frans Post, Gemälde von John White, Jan Mostaert, Jacques Le Moyne u.a. Lediglich bei den Zeichungen zur amerikanischen Flora und Fauna finden sich Beispiele aus Fernández de Oviedos Werk, das mit Holzschnitten illustriert war, die nach Zeichnungen des Autors angefertigt waren 4 . Analog ist die Situation bei den gezeichneten Landkarten 5 . Diese Beobachtungen mögen als weiterer Beweis fiir den geringen Stellenwert dienen, über den amerikanische Angelegenheiten in Spanien verfugten. Neben der Tatsache, daß die damalige Konzeption von Malerei, wie von Kunst insgesamt, eine Integration aktueller historischer Ereignisse nicht vorsah, mag das in seiner Gesamtheit negative Bild Amerikas dazu beigetragen haben, daß die Darstellungswelt fiir Hintergrund der Anfertigung dieser Gemälde, die für den königlichen Palast Felipes IV. Buen Retiro bestimmt waren, vgl. Jonathan Brown/ John H. Elliott, A Palace for a King. The Buen Retiro and the Court of Philip IV, New Haven 1980. 1 Honour fuhrt noch ein weiteres Gemälde von Eugenio Caxés an, das zu der Serie nationaler Siege gehört und einen Ausschnitt spanisch-amerikanischer Geschichte präsentiert, Recovery of the Island of San Cristobal. Vgl. Honour 1975b:27. 2 Vgl. hierzu die Abbildungen in Polleroß/Sommer-Mathis/Laferl 1992:26-32; Honour 1975b:85-106. 3 Vgl. Honour 1975a und 1975b; Polleroß/Sommer-Mathis/Laferl 1992; Sebastián 1992. Vgl. außerdem Milbrath 1991:1-38. 4 Vgl. Polleroß 1992c:21. 5 Vgl. hierzu den Ausstellungskatalog von Hans Wolff (Hg.), AMERICA. Das frühe Bild der Neuen Welt, München 1992.

132

III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

die Künstler kaum Attraktionswert besaß. Nicht vergessen werden darf, daß die amerikanische Gegenständlichkeit für die Maler äußerst fremd und unbekannt war. Es ist kein Zufall, daß gerade von dem lange Jahre in Amerika weilenden Fernández de Oviedo Zeichnungen vorliegen und daß Diego Durán seine Historia de las Indias illustrierte 1 . Die weitgehend realistisch ausgerichteten Bilder und Gemälde der Holländer Frans Post und Albert Eckhout des 17. Jahrhunderts gehen auf die Initiative des holländischen Gouverneurs Johann Moritz von Nassau-Siegen zurück, der wissenschaftliche Forschungsreisen nach Amerika organisierte, an denen Künstler beteiligt waren 2 . Bereits Felipe II. hatte 1571 Francisco Hernández einen ähnlichen Auftrag erteilt, allerdings landete das Material vollständig in einem Geheimarchiv und wurde erst 1651 veröffentlicht, wo es keine Beachtung mehr fand 3 . In Cáceres befindet sich ein palacio de Moctezuma, ein mittelalterliches Gebäude, das einer der Nachfahren aus der Verbindung der einzigen Tochter Moctezumas II. mit einem spanischen Eroberer aus dem Gefolge von Cortés herrichten und mit Fresken ausschmücken ließ. Das Palais verfugt über einen römischen und einen mexikanischen Saal. In dem Mexico gewidmeten Raum, dessen für die Ausgestaltung verantwortlicher Künstler unbekannt ist, hay retratos mejicanos ilegibles, y en otros se alcanza a leer rey de Otompa, de Misteca, de Tezcoco, de Totolapa, de Onalco, etc. Están representados en busto y tocados en sus cabezas con coronas regias al estilo europeo; ya se advierte en el artista desconocimiento del atuendo mejicano y por otra parte los paisajes poco tienen que ver con el mundo azteca, mas bien se trata de presentar lo que se conoce como propio del mundo romano (Sebastián 1992:69). Hier wird deutlich, daß auch in der Malerei spanische Künstler weniger an einer Integration amerikanischer Themen und Bilder interessiert waren als die anderer Nationen, wobei hier der Aspekt der Unkenntnis, des Nichtschauens eine wichtige Rolle spielt. Die wenigen Darstellungen zu Amerika, die sich heute noch finden, sind eher der Antike verpflichtet (palacio de Moctezuma), oder sie präsentieren Beispiele der nationalen Machtentfaltung.

4. Der spanische "Sonderweg": zwischen Zweckrationalität und Religion Auch wenn in diesem Teil der Studie nur einzelne Aspekte der äußerst komplexen Beziehung zwischen Amerika und Spanien um die Wechselwirkung Information - Rezeption näher untersucht werden konnten, wird deutlich sichtbar, daß Spanien innerhalb des europäischen Prozesses der allmählichen Akzeptanz amerikanischer Realitäten einen besonderen Weg beschritten hat. Dieser "Sonderweg" zeichnet sich aus durch eine große Nähe und gleichzeitig durch Distanz. Eine realpolitische Nähe, die ganz offensichtlich zu mentaler Distanz führte. War doch kein anderes europäisches Land so eng mit Amerika verbunden wie Spanien, zumindest nicht im 16. Jahrhundert, wo viele Spanier an den Eroberungsfeldzügen beteiligt waren, andere als Sied1 2

3

Vgl. Polleroß 1992c:21, die dazugehörige Abbildung findet sich auf Seite 25. Vgl. Honour 1975b:48-50; Polleroß 1992c:33/34. Zu Eckhout und Post vgl. Uwe ner, "Die Erfahrung der Fremde. Albert Eckhouts und Frans Posts Brasilienreise 1644) und ihre Gestaltung in Porträt und Landschaftsbild". In: Reisen des Barock. und Fremderfahrungen und ihre Darstellung. Hg. v. Regina Pleithner (Bonn 1991), Vgl. Honour 1975b:48; Baudot 1983:487.

Fleck(1636Selbst25-39.

B. Kontexte

133

ler nach Amerika emigrierten, wo indianos zum festen Bestandteil der spanischen Gesellschaft wurden, die wie keine andere europäische Nation die ökonomischen Auswirkungen erlebte. Spanien war das erste europäische Land, in das Indianer kamen, indianische Goldschätze, die ersten Kartoffelpflanzen, seltene Tiere, Nachrichten, Gerüchte. Und gleichzeitig verrät die große Gleichgültigkeit, mit der weite Sektoren der spanischen Gesellschaft Amerika begegneten und die vor allem in der Rezeption manifest wird, Distanz. Insbesondere im Vergleich mit Ländern wie Italien, Deutschland, Frankreich und England zeigt sich deutlich, wie wenig Spanien an amerikanischen Angelegenheiten interessiert war, wie wenig Amerika in den spanischen kulturellen Diskurs der Epoche integriert war. Religion und Gold sind die Aspekte Amerikas, die in Spanien auf eine gewisse Resonanz stießen. Es sind gleichzeitig die Bereiche, die das Land selbst am meisten tangierten. So brachte der Goldfluß aus Amerika enorme Schätze in das Land, die allerdings aufgrund einer hohen Verschuldung bald wieder abgezogen wurden. Die Hoffnung auf Gold und Reichtum war die Haiiptmotivation für die meisten Emigranten, ihre Heimat zu verlassen und die Strapazen einer Amerikareise und des Lebens in einem fernen, unbekannten Land auf sich zu nehmen. Später dann führten die aus den Kolonien Zurückgekehrten mit ihrem Reichtum zu einer Umgestaltung der spanischen Gesellschaft: Ihr Selbstverständnis und ihr neues Ethos, das dem traditionellen Ehrbegriff des Adels Arbeit als Ideal entgegensetzte, sollte zur Herausforderung für die noch mittelalterlich bestimmten ideologischen Fundamente Spaniens werden 1 . So mag es kaum erstaunen, daß "las Indias" zum Synonym für Reichtum wurde und daß verschiedene Diskurse diesen Aspekt Amerikas integrierten. Der Religion galt die zweite stereotype Vorstellung, die Amerika und vor allem seine Bewohner der spanischen öffentlichen Meinung zufolge charakterisierte: Die Indianer waren Anhänger religiöser Irrlehren und praktizierten kannibalistische Rituale. So wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts am spanischen Hof und in den Universitäten neben dem Aspekt der Legitimation des spanischen Herrschaftsanspruchs vorrangig die Vermittlungsformen der Mission diskutiert. Gleichzeitig diente das religiöse Argument als Legitimation sämtlicher spanischer Vorgehensweisen in amerikanischen Gebieten. Nun stellt sich jedoch die Frage nach den Gründen des spanischen "Sonderwegs". Was unterscheidet den Prozeß der Bewußtwerdung amerikanischer Realitäten in Spanien von dem in anderen europäischen Ländern? Eingangs wurde die besondere Zweckrationalität (Max Weber) der spanischen Renaissance betont, die weniger eine humanistische Gelehrsamkeit verfolgt, als daß sie eher an intentionalem politischem Handeln interessiert ist 2 . Gerade dieser Zug kennzeichnet auch die Auseinandersetzung Spaniens mit Amerika. Jegliche Art der Kontaktnahme unterliegt einem Zweck, einem Nutzen. Amerika war der utopische Ort, an den man reisen konnte, das Gebiet, von dem man sich eine Verbesserung des Lebensstandards erhoffte, realer Raum machtpolitischer Ambitionen und missionarischer Träume. Die Gruppierungen der spanischen Gesellschaft, die ein weitergehendes kulturelles Interesse 1

Vgl. hierzu die Darlegungen von Norbert Elias über die kollidierenden Normensysteme von traditionellem Adel und heranwachsendem Bürgertum. Vgl. Norbert Elias, Studien

über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. 2

Hg.v. Michael Schröter (Frankfurt a.M. 3 1990), 159-222. Vgl. hierzu Gumbrecht 1987b:228-230.

134

III. Der historische Kontext: Amerika in Spanien

an Amerika hätten entwickeln können, wie es in anderen europäischen Ländern auch geschah, waren zu stark involviert in den Prozeß der lebensrealen Auseinandersetzung mit dem neuen Kontinent, als daß sie sich diesem auf anderem Weg als dem zweckrationalen hätten nähern können. Amerika war Zweck und Mittel, kein Kulturgut, das ästhetischem oder erkenntniswissenschaftlichem Verlangen eignete. Der banale Alltag um Machtpolitik und Überlebensstrategien fand damals keine Beachtung in den entsprechenden Diskursen. Dabei bleibt Spanien ausschließlich auf sich konzentriert, verfolgt einzig und allein eigene Belange. Überspitzt formuliert könnte man soweit gehen zu sagen, daß es nie wirklich um Amerika geht bei all den Diskussionen, Kontroversen, Thematisierungen und Inklusionen. Es sind ausschließlich spanische Interessen, spanische Hoffnungen, Utopien, Wünsche, Vorstellungen und Ängste, die verhandelt werden. Sogar der offen geführten Kontroverse um die richtige Behandlung der Indianer zur Regierungszeit Karls V. liegen vorrangig machtpolitische Auseinandersetzungen zugrunde. Eine nahezu ausschließlich auf das Hofleben konzentrierte Öffentlichkeit läßt das Andere zum exotischen Dekor verkommen. So daß die gesamte Rezeption amerikanischer Inhalte diese zum Zweckmittel degradiert und Spanien eigentlich einen langen variationsreichen Diskurs über sich selbst fuhrt. Ein wichtiger Aspekt bei der Nichtbeachtung amerikanischer Realitäten ist die Unkenntnis in bezug auf den neuen Kontinent, die auch für alle anderen Länder gilt. Europa und seine Angelegenheiten waren sehr viel näher und vertrauter als das ferne Amerika. Bereits die ersten Informationen erfuhren durch bestimmte Mechanismen (Bezug auf das Bekannte, intentionale Einbindung) eine Entfernung von der dargestellten Realität und wurden fiktional angereichert. Darüber hinaus erfolgte die Information über Amerika vielschichtig und diffus über verschiedene Kanäle, in jedem Fall unzuverlässig und fiir heutige Informationsstandards ungenügend. Im Fall von Spanien kommt jedoch noch eine ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verhängte Nachrichtensperre hinzu. Historiographisches Material über Amerika wurde für ca. 50 Jahre in Geheimarchiven verwahrt, während die Veröffentlichungen des 17. Jahrhunderts dann einer rigiden Zensur unterlagen. Die Gründe des spanischen Königs für das verordnete "Schweigen" über Amerika sind ebenfalls vielschichtig und machtpolitischen Ursprungs. Die Auseinandersetzungen mit den Conquistadores und die Sorge um deren zunehmenden Einfluß, millenaristische Bestrebungen einiger spanischer Mönche in Mexico in Verbindung mit Indianeraufständen, vor allem aber die sich verstärkende Gegnerschaft gegenüber den anderen europäischen Staaten, die innerspanische Kritik als antispanische Propaganda benutzten, bewogen Felipe II. dazu, historiographisches Schrifttum nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der ausschließliche Besitz der Information sollte ihm den Machterhalt garantieren 1 . Hinzu kam eine zunehmende Selbstisolierung Spaniens von seinen Nachbarn im Zuge der Gegenreformation. Spanien wurde durch die zensorischen Maßnahmen Wissen über Amerika vorenthalten, so daß dadurch der natürliche Rezeptionsprozeß erheblich gestört und behindert wurde. Trotzdem sind die ersten Jahrzehnte nach den wichtigsten Eroberungsfeldzügen in Spanien noch gekennzeichnet durch eine weitgehend positive Akzeptanz Amerikas, die sich in den utopistischen Entwürfen, den realen Wünschen und Vorstellun1

Vgl. hierzu die Ausfuhrungen Michel Foucaults über die Verflechtung von Macht und Wissen in Michel Foucault, Surveiller et punir. Naissance de la prison (Paris 1975), 39.

B. Kontexte

135

gen der Siedler, aber auch im Mythos des Goldenen Zeitalters manifestierte. Durch Erasmus beeinflußte Gelehrte hatten Amerika als Projektionsfläche für ihre christlich-humanistischen Vorstellungen entdeckt, während der mittelalterlichen Scholastik verbundene Theologen und Juristen vor offiziellen Ausschüssen Indianerrechte einzufordern versuchten. Der spanische Hof und die Universitäten wurden zum Zentrum einer heftigen Diskussion und Kontroverse um die Behandlung und Missionierung der Indianer, die auch diejenigen Gelehrten mit einschloß, die von Anbeginn an den amerikanischen Kontinent mit dem Bösen, dem Verderben gleichgesetzt hatten. Die Dichotomie tritt besonders deutlich am Bild des Indianers zutage, der als edler Wilder verklärt oder als grausamer Kannibale verdammt wird. Daß auch hiermit vorrangig die europäische Befindlichkeit ausgedrückt wird, betont Polleroß: Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Bild Amerikas in der Kunst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert mit seinem Klischee vom menschenfressenden oder guten Wilden mehr über die Ängste und Hoffnungen der Europäer als über die Neue Welt aussagt (1992c:34).

In der Folgezeit, vor allem dann ab den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts sollte das negative Amerikabild dominieren. Nach einigen Jahrzehnten des Schweigens galt die Inferiorität der indianischen Bevölkerung als festgeschrieben, der mit autoritären und missionierenden Erziehungsmaßnahmen zu begegnen war. Gleichzeitig wurde Amerika als Produzent des schädlichen Goldes ausgemacht, das Spanien ins Verderben gestürzt hatte. Als Neider und wahre Nutznießer des amerikanischen Goldes galten fortan die anderen europäischen Staaten. So waren die utopischen Entwürfe - inzwischen längst überholt - einer moralischen Anklage gegen Amerika und die europäischen Gegner Spaniens gewichen. Amerika wurde zum Bösen schlechthin, verantwortlich für alles Übel. Hier mag es von Bedeutung gewesen sein, daß das Unternehmen 'Amerika' seit jeher als Angelegenheit der einfachen Leute galt und daher in gehobenen Kreisen als anrüchig. Zwar waren die äußeren Merkmale des stereotypen Indianerbilds geblieben: Federn, Pfeil und Bogen, Nacktheit, Promiskuität, Kannibalismus, nur wurde inzwischen dem Indianer jegliche Naivität und Güte abgesprochen, war er statt dessen mit dem Teufel im Bunde. Ein wahres Erkennen des fremden Anderen war den Amerikareisenden, um so mehr noch den in Spanien verbliebenen Rezipienten versagt. Spaniens Intellektuelle waren zu sehr involviert in eine zweckbestimmte Ausschöpfung des Amerikaprojekts, als daß sie Zeit und Muße gehabt hätten, sich dem bloß Geschauten aus der Distanz anzunähern und es zu verstehen. Staatliche Kontrolle und ein autoritär-intolerantes Religionswesen verstärkten diesen Prozeß. Darüber hinaus verfugte die gerade im Werden begriffene Nation über ein zu geringes Selbstwertgefuhl, als daß sie anderes hätte neben sich bestehen lassen können. So sind es nur sehr wenige Amerikareisende, bei denen sich ein Erkennen der Alterität ausmachen läßt, und diese waren alle sehr eng mit dem amerikanischen Leben verbunden, wofür sie sich der spanischen Gesellschaft weitgehend entfernt hatten. Eine distanziert-selbstkritische Reflexion indianischen Seins, wie wir sie zur gleichen Zeit bei Montaigne, aber auch bei Lery oder Thevet finden, war in Spanien nicht möglich. Die fiktionale Literatur wurde bei den bisherigen Betrachtungen bewußt ausgeklammert. Die Untersuchungen der beiden folgenden Teile der Studie werden zeigen, ob die bisher erarbeiteten Thesen zur Rezeption Amerikas in Spanien auch auf die fiktional-literarischen Texte zutreffen oder ob sich hier differenziert eigene thematische Integrationsmöglichkeiten ergeben.

136

/.

Präliminarien

C . ZWISCHEN HISTORIOGRAPHIE UND DICHTUNG: E P E N , EPISCHE GEDICHTE UND R O M A N Z E N

Im Epos aber gewinnt außer der umfassenden Nationalwirklichkeit, auf welcher die Handlung basiert ist, ebensowohl das Innere als das Äußere Platz, und so legt sich hier die ganze Totalität dessen auseinander, was zur Poesie des menschlichen Daseins zu rechnen ist. Georg W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik

I. Präliminarien Gegenstand der folgenden zwei Teile dieser Studie wird die fiktionale spanische Literatur des Siglo de Oro sein, die Aspekte einer amerikanischen Realität thematisiert. Im Gegensatz zu den historiographischen Texten läßt sich hier ein bewußter Gebrauch der Fiktion feststellen. Wie oben dargelegt und nicht erst seit Hayden White bekannt, bedient sich auch die Historiographie fiktionaler diskursiver Praktiken, die den kohärenten Text erst ermöglichen. Diese Art von Fiktion - deren Inklusion den Autoren zum Teil nicht bewußt wird - ordnet sich in den historiographischen Gebrauchstexten der Intention unter, ist somit Mittel zum Zweck. Im fiktionalen Text dagegen ist die Fiktion ein bewußt gestaltetes Anliegen, das dem Spiel und nicht der Wahrheit verpflichtet ist. Auch wenn die fiktionale Literatur verschiedene Funktionen erfüllen mag, so dient sie in jedem Fall der Unterhaltung. Verstärkt stehen ästhetische Kriterien im Vordergrund. Nach dem oben erarbeiteten Schema lassen sich hier zwei Gruppen fiktionaler Texte ausmachen 1 . Die erste Gruppe der fiktionalen Literatur, die in diesem Teil beschrieben werden soll, kennzeichnet sich dadurch, daß sie trotz des hohen Anteils an bewußt gestalteter Fiktion noch sehr der Historiographie verpflichtet ist. Um es mit den zuvor genannten Kriterien zu beschreiben: Der Außen- und Innenbezug dieser Gruppe, d.h. einerseits ihre Referentialität auf die außerliterarische Wirklichkeit und andererseits die Beziehungen innerhalb des eigenen literarischen Textsystems, scheinen von gleich großer Bedeutung, bzw. eine Entscheidung darüber, welcher der beiden Bezüge dominiert, ist schwer zu treffen. Im Mittelpunkt dieser Texte steht zweifelsohne Amerika, die für Spanien neu entdeckte Welt, aus deren Realität ein Ausschnitt - zumeist um Eroberung und Entdeckung - erzählt wird. Mit dem Ziel der Information präsentieren die Autoren erzählte Geschichte. Von der (in Prosa verfaßten) Historiographie unterscheidet diese Texte jedoch die Bedeutung des eigenen innerliterarischen Systems. Dieses wiederum wird in seiner Eigenheit durch die Gattung bestimmt, so daß die künstlerische Form in den Vordergrund rückt. Diese Unentschiedenheit gegenüber einer Dominanz des Außen- oder Innenbezugs verleiht dieser Textgruppe einen hybriden Charakter. Da nicht die Referenz auf die außerliterarische Welt allein das Anliegen der Autoren ist, sind die Texte in jedem Fall der Fiktion zuzuordnen. Dies gebietet an sich auch die Gattungszugehö-

1

Vgl. hierzu das Schema im Anhang I und die Ausführungen dazu auf den Seiten 56-61.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

137

rigkeit, die allerdings nicht unumstritten ist. Aufgrund der ebensowenig dominanten Funktion des Innenbezugs nehmen die Texte hier eine Sonderstellung in Richtung Historiographie ein. Die Autoren scheinen eine doppelte Intention zu verfolgen: Sie möchten informieren, jedoch in ästhetisch anspruchsvoller Form. Daß dabei durchaus verschiedene Schwerpunkte auszumachen sind, wird die folgende Untersuchung zeigen.

1. Texte und Themen Epen, epische Gedichte und Romanzen sind die literarischen Genres der amerikanischen Thematik, die zwischen Historiographie und Dichtung zu stehen scheinen. Wurzelt doch bereits die Tradition des klassischen Epos im Grenzbereich von Geschichte und Sagenwelt. Der Stoff der traditionellen Epen ist "eine in Heldenliedern und Kurzepen tradierte historische oder legendäre Vergangenheit"', wobei die Anteile von Historie und Mythos kaum feststellbar sind. Die mit der Renaissance verbundene Rückbesinnung auf die Antike brachte das Epos im 16. Jahrhundert zu neuer Blüte, vor allem in Italien. Allerdings bedeuten die italienischen Epen keinen Bruch mit den mittelalterlichen Vorbildern, sondern eher eine Weiterentwicklung unter verstärkter Einbeziehung antiker Vorgaben. Zwar verschieben sich in der frühen Neuzeit die Akzentuierungen; die Verbindung von historischem Geschehen und phantastischer Handlung bleibt jedoch bestehen. Vermehrt tragen ästhetische Ansprüche zu einer Fiktionalisierung bei 2 . Das Epos galt seit jeher als die erhabenste und angesehenste literarische Gattung 3 . Auch wenn Aristoteles die Tragödie dem Epos noch voranstellte 4 , nahm das Genre in der Renaissance gegenüber den anderen literarischen Formen den Vorrang ein. So argumentiert z.B. López Pinciano entgegen Aristoteles: Digo, pues, que a esto me suade la antigüedad mayor que la épica tiene sobre la trágica: y por la mayor admiración y más deleytosa que consiente; y aun por el metro de que vsa, el quai es mayor, más alto y noble - que a los griegos y latinos fué el exámetro - ; y, allende desto, es acción más perfecta, porque no ha menester ayuda de otros como la trágica, la qual tiene necessidad de representantes, música y aparato; [...] y esto se vee manifiesto: que a leer vna épica no se acomoda el vulgo, sino la gente ingeniosa y de ánimo gra[n]de, mas, a oyr vna tragedia, no ay quien no se aplique; y, fuera desto, la épica es vn mo[n]tón de tragedias y como vn todo, y la trágica, como parte (López Pinciano 1953:111,201/202).

Einer der Gründe fur den Vorrang des Epos war die Tatsache, daß es sich bei einem Großteil der klassischen und modernen Epen um Heldendichtung handelte, die Le1 2

Frank Rainer Max, "Das Epos". In: Formen der Literatur in Einzeldarstellungen.

Hg.v.

Otto Knörrich (Stuttgart 1981), 76. Für eine umfassende Begriffsbestimmung des Epos und einen Überblick über die Entwicklung des traditionellen Epos vgl. Daniel Madelénat, L'épopée. Paris 1986; vgl. auch Oscar Gerardo Ramos, Categorías de la epopeya, Bogotá 1988. Für die höfischen Grundlagen der Epik und das Verhältnis der oralen Tradition zur Schriftlichkeit vgl. Heiko

Wandhoff, Der epische Blick. Eine mediengeschichtliche Studie zur höfischen Literatur, Berlin 1996. 3

4

Vgl. Buck 1972a:45-47.

Vgl. Manfred Fuhrmann, Die Dichtungstheorie der Antike. Aristoteles - Horaz - 'Longin'.

Eine Einführung (Darmstadt 2 1992), 59-61.

138

/.

Präliminarien

ben und Taten einer herausragenden Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellte 1 . Die spanische Epenproduktion des 16. und 17. Jahrhunderts steht eindeutig im Schatten der qualitätsmäßig hochrangigen italienischen. Dies demonstriert nicht zuletzt die Forschung, die sich bisher kaum den spanischen Epen des Siglo de Oro annahm 2 . Auch in Handbüchern und Literaturgeschichten werden diese allenfalls am Rand erwähnt. Dabei war dieses Genre im damaligen Spanien nicht nur hoch angesehen 3 , es wurde auch viel produziert: [...] desde mediados del siglo XVI hasta bien entrado el XVIII, la poesía narrativa fue una de las formas literarias españolas más prolíficas (Pierce 1961:11 ).4

Von der einst so beliebten Gattung wird die überwiegende Mehrzahl der Texte heute nicht mehr gelesen, auch nicht von Fachleuten. So ist es zu erklären, daß nur wenige moderne Texteditionen der spanischen Epen vorliegen, und einige der Werke bis heute nur in Manuskriptform. Eine Auswertung der von Pierce angeführten spanischen Epen 5 ergibt eine eindeutige Dominanz der religiösen Thematik: biblische Stoffe und Heiligenlegenden, die vermehrt im 17. Jahrhundert publiziert wurden. Die zweitgrößte Gruppe umfaßt die Epen, denen eine historische Thematik zugrunde liegt. Die Auswahl der Stoffe ist dabei breit gefächert. Von römischer Geschichte reicht sie bis ins 16. Jahrhundert zur Schlacht von Lepanto und zu den Auseinandersetzungen der spanischen Krone mit den Niederlanden. Die Kämpfe der Reconquista werden ebenso episch bearbeitet wie spanische Eroberungen auf den Kanarischen Inseln und in Afrika. Bedeutend innerhalb der historischen Epik sind die Werke zur amerikanischen Thematik, von denen einige zu den bekanntesten spanischen Epen der Epoche gehören. Zu einer Zeit, als die wichtigsten Eroberungen Spaniens in Amerika gerade abgeschlossen waren, schien sich das Epos als Genre anzubieten für eine künstlerisch-ästhetische Ausgestaltung der historischen Thematik. Als Gattung der Helden, 1

2

3 4 5

"Mit dieser Thematik wurde auch der Vorrang des Epos gegenüber der Tragödie begründet: Während deren Protagonisten sich auf einer mittleren Linie zwischen Tugendhaftigkeit und Verworfenheit bewegen sollen, stellt das Epos den Helden als ein Ideal sittlicher Vollkommenheit dar, das als 'exemplum virtutis' den pädagogischen Zweck der Dichtung erfüllt" (Buck 1972a:47). Die einzige überblickende Monographie hierzu ist von Frank Pierce, La poesía épica del Siglo de Oro. Spanische Übersetzung, Madrid 1961. Es ist bezeichnend, daß Pierce in seiner Einleitung seine Beschäftigung mit diesen Texten rechtfertigt. Vgl. Pierce 1961:9-14. Vgl. auch Maxime Chevalier, L'Arioste en Espagne (1530-1650). Recherches sur l'influence du 'Roland furieux', Bordeaux 1972; Antonio Prieto, "Origen y transformación de la épica culta en castellano". In ders., Coherencia y relevancia textual (De Berceo a Baroja) (Madrid 1980), 117-178. An neueren Forschungsarbeiten wäre das Werk von Elizabeth B. Davis, Myth and Identity in the Epic of Imperial Spain, Columbia, London 2000, zu nennen. Davis untersucht darin einige der bekannteren spanischen Epen der Epoche. Vgl. auch Juan Bautista Avalle-Arce, La épica colonial, Pamplona 2000. Vgl. Pedro Piñero Ramírez, "La épica hispanoamericana colonial". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v. Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 161/162. Vgl. hierzu die Liste der zwischen 1550 und 1700 veröffentlichten Epen im Anhang von Pierce 1961:327-366. Die Liste liefert, auch wenn sie wahrscheinlich nicht vollständig ist, einen repräsentativen Überblick.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

139

Kriege und Eroberungen war es offensichtlich geeignet, die jüngste Geschichte Spaniens literarisch zu verarbeiten. Diese Texte betonen auf besondere Weise ihre Historizität, indem sie z.B. ein Wahrheitspostulat vertreten oder den Autor als Augenzeugen benennen, gleichzeitig treten jedoch neue Fiktionalisierungskonzepte auf. Der hybride Charakter der Epopöe zwischen Historiographie und Dichtung bleibt in jedem Fall bestehen. Die Epen der amerikanischen Thematik orientieren sich vorwiegend an der aktuellen italienischen Epenproduktion (Ariost, Tasso) und den klassischen antiken Vorbildern (Homer, Vergil, Lukan) 1 . Es ist zu vermuten, daß auch die spanischen mittelalterlichen Epen - darunter der Cantar de Mio Cid' - und die französische Produktion des Mittelalters Einfluß auf die Amerika-Epen nahmen 3 . Charakteristische Züge dieser Texte, wie deren Geschichtlichkeit, ihre realistische Komponente und die Sympathie für den Gegner, finden sich jedoch teilweise auch in der italienischen Produktion von epischen Gedichten. Dagegen diente d a s Nationalepos der Renaissance schlechthin, Luis de Camöes' Werk Os Lusiadas4, den Autoren der spanischen Amerika-Epen kaum als Vorlage. Gesichert erscheint dafür der Einfluß der neueren spanischen Literatur, wie des Laberinto de Fortuna von Juan de Mena, der Romanzen und der Ritterromane. Die hier behandelten spanischen Epen amerikanischer Thematik 5 weisen Charakteristika auf, die sie von den antiken, aber auch von den italienischen Vorbildern unterscheiden. So berichten sie von aktuellen, sich eben gerade ereigneten historischen Geschehnissen. Die Poetiken dagegen fordern einen Abstand von mindestens einem, besser mehreren Jahrhunderten, wie er sich bei den antiken Texten findet. So z.B. López Pinciano: [...] digo, pues, que la historia es admirable, y ni tan antigua que esté oluidada, ni ta[/i] moderna que pueda dezir nadie 'eso no passé ansí'; y esta es otra condición que deue tener la buena épica (López Pinciano 1953:111,169).

Außerdem schilderten die Autoren die Ereignisse als Zeitgenossen, zum Teil sogar als Augenzeugen, die in das berichtete historische Geschehen involviert waren. Die vom Epos geforderte Distanz des Erzählers wurde somit unterlaufen. Diese und andere Abweichungen von den antiken, mittelalterlichen und den italienischen Renaissancemodellen nahmen die Literaturhistoriker früh zum Anlaß, den 1 2

3 4

5

Vgl. Piñero Ramírez 1982:164-168. Zur spanischen Epik des Mittelalters vgl. Ramón Menéndez Pidal, La épica medieval española desde sus orígenes hasta su disolución en el romancero. Hg.v. Diego Catalán und María del Mar de Bustos. Obras Completas de R. Menéndez Pidal 13, Madrid 1992; Walter Mettmann, "Altspanische Epik. Ein Forschungsbericht". In: Europäische Heldendichtung. Hg.v. Klaus von See (Darmstadt 1978), 309-320 (erweiterte Fassung in Germanisch-Romanische Monatsschrift 42 ( 1961 ): 129-153). Genauere Untersuchungen hierzu stehen jedoch noch aus. Zu den Lusiadas als portugiesischem Nationalepos vgl. die Ausführungen von Leo Pollmann, Das Epos in den romanischen Literaturen. Verlust und Wandlungen (Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1966), 131-137. Vgl. auch Eberhard Müller-Bochat, "Die Lusiaden von Camöes und die Geschichte des Epos". Romanische Forschungen 85,1/2 ( 1973): 1-15; Georges Le Gentil, Camöes. L'œuvre épique & lyrique (Paris 1995), 37-123; Henry H. Hart, Luis de Camoëns and the Epie of the Lusiads, Norman, Oklahoma 1962. Für eine Auflistung der verfugbaren Epen vgl. den Anhang II.

140

I.

Präliminarien

Werken ihre Eigenschaft als Epos abzusprechen 1 . Hinzu kam der Vorwurf der schlechten Qualität dieser Texte . Tatsächlich erreicht keines der hier behandelten Werke auch nur annähernd die ästhetische Qualität der antiken oder italienischen Vorbilder. Einige der Texte wurden von ungebildeten Soldaten oder Geistlichen verfaßt, die ihre und anderer Erlebnisse in einfacher Sprache, ohne strukturelle Raffinesse zu Papier brachten. Diese Werke wurden bis heute weitgehend ignoriert. Die anderen wurden, da sie nicht den traditionellen Anforderungen der erhabenen Gattung entsprachen, als crónicas rimadas abqualifiziert oder im besten Fall ganz allgemein als epische Dichtungen bezeichnet. Ohne den Ergebnissen der Untersuchung dieses Teils vorgreifen zu wollen - die Frage der Gattungsbestimmung soll als Ergebnis der Analyse abschließend diskutiert werden - , möchte ich hier doch die These aufstellen, daß es sich bei den behandelten Texten in der Mehrzahl um Epen handelt, wenngleich um Abweichungen von den traditionellen Modellen. Motiviert durch außerliterarische Begebenheiten, begründen die Werke ein eigenes Subgenre, das aktuelle Geschichte episch verarbeitet 3 . Wie Piñero Ramírez feststellt: Un género nuevo, que tuvo su modelo en La Araucana, trata de definirse a igual distancia de la crónica rimada y de la epopeya clásica (1982:163).

Die außergewöhnlichen historischen Ereignisse, die Spanien anläßlich der Eroberung Amerikas widerfuhren, führten zu einer Neuauflage des traditionellen Epos unter veränderten Prämissen. Ein Grund, der heute die Etablierung einer Subgattung von spanischen Epen zu Amerika rechtfertigt, ist die weitgehende thematische Einheit dieser Gruppe von epischen Gedichten. Die überwiegende Mehrheit der Texte handelt von den spanischen Eroberungsfeldzügen in eine der Regionen Amerikas. 1

2

3

So urteilt z.B. Esteve Barba über Barco de Centeneras La Argentina: "En realidad, no hay en La Argentina tal poema, sino una crónica mal rimada, y esa circunstancia nos priva una vez más de un libro espontáneo, dotado de esa auténtica sencillez que da carácter épico a los hechos grandes, aunque estén en prosa, y, en cambio, los enjaula y enmascara detrás de una vulgar y lamentable red de endecasílabos y consonantes, traídos a cuento por los cabellos" (1992:639). Menéndez Pelayo verweigert allen modernen Texten die Gattungszugehörigkeit. Vgl. Marcelino Menéndez Pelayo, Historia de la poesía hispano-americana II. Hg.v. Enrique Sánchez Reyes. Obras Completas de Menéndez Pelayo 28 (Santander 1948), 219-222. Für einen Überblick über die Kritik an der spanischen Epik des Siglo de Oro vom 16. bis zu den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts vgl. Pierce 1961:17-209. Berühmt wurde Voltaires Abqualifizierung der Araucana Ercillas: "Il est vrai que si Alonzo est dans un seul endroit supérieur à Homère, il est dans tout le reste au-dessous du moindre des poètes: on est étonné de le voir tomber si bas, après avoir pris un vol si haut. Il y a sans doute beaucoup de feu dans ses batailles, mais nulle invention, nul plan, point de variété dans les descriptions, point d'unité dans le dessein. Ce poëme est plus sauvage que les nations qui en font le sujet". François Marie Arouet de Voltaire, "Essai sur la poésie épique". In ders., Œuvres complètes VIII. Hg.v. Louis Moland (Paris 1877), 351/352. Solange die Gattungsfrage nicht abschließend geklärt ist, soll hier auch der Begriff des epischen Gedichts verwandt werden. Ein Epos ist zugleich ein episches Gedicht, während auch Texte, die den Anforderungen des Epos nicht genügen, als epische Gedichte gelten können. Bei den hier vorliegenden Texten könnte z.B. die Länge bzw. Kürze eines Textes der Grund sein, warum ein Werk ein episches Gedicht, aber kein Epos ist.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung:

Epen, epische Gedichte und Romanzen

141

Dabei dominieren die Berichte über kriegerische Auseinandersetzungen in Chile (Arauco), Mexico und Peru 1 . Andere Regionen (Florida, Argentinien, Cuba) spielen vereinzelt eine Rolle oder finden keine Thematisierung in der spanischen Epik (wie z.B. die Gebiete des mittelamerikanischen Raums). Eine Ausnahme stellt Juan de Castellanos' Werk Elegias de varones ilustres dar, das als einziges Epos einen weitumfassenden zeitlichen und geographischen Rahmen beschreibt: Es erzählt von den Entdeckungen Colons, den ersten Eroberungen in der Karibik, von den Eroberungskämpfen und der Siedlungspolitik in Venezuela und Kolumbien (dem damaligen Nuevo Reino de Granada). Entscheidend ist die Vorrangstellung von Ercillas Epos La Araucana, das bereits früh erschien 2 und einen großen Einfluß auf die gesamte fiktionale Literatur über amerikanische Themen ausüben sollte. Der Heldengesang über die Kämpfe der Spanier gegen die mutigen Araukaner im unwegsamen Chile erfuhr eine enorme Verbreitung 3 und gilt heute noch als bekanntestes Werk der spanischen Epenproduktion des Siglo de Oro. Die zeitgenössischen Autoren reagierten prompt auf das Erscheinen der Araucana: Es kam zu Gegendarstellungen (z.B. Pedro de Onas Arauco domado, das hier nicht berücksichtigt wird, da sein Autor Kreole war und das Werk somit der hispanoamerikanischen Kolonialliteratur und nicht der spanischen Literatur des Siglo de Oro zuzurechnen ist), einer direkten Fortfuhrung (Quarta y quinta parte de la Araucana von Diego de Santistevan Osorio) und zu zahlreichen Imitationen. Auch Texte, die andere Regionen besingen, sind von Ercillas Araucana beeinflußt. Dessen Wirkung sollte sich sogar auf andere Genres, vornehmlich die cornedia, erstrecken. Trotz der gemeinsamen Thematik unterscheiden sich die epischen Dichtungen ganz wesentlich, was Auswahl und Behandlung des Gegenstands, Darstellungsmodi, Perspektive, Wertung, sprachliche und metrische Ausgestaltung, Funktionen usw. betrifft. Während in einigen Epen panegyrisch die Heldentaten eines Eroberers besungen werden (z.B. Gabriel Lobo Lasso de la Vega in seiner Mexicana), stehen in 1

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3

Eine Auswertung der in Anhang II aufgeführten Epen ergibt eine gleiche Anzahl von Epen über Chile und Mexico, gefolgt von Werken über Peru. Daß Piñero Ramírez zu einem etwas anderen Ergebnis kommt, liegt daran, daß er auch bzw. vor allem die hispanoamerikanischen Kolonialautoren berücksichtigt, die hier aus oben dargelegten Gründen ausgeschlossen werden. Vgl. Piñero Ramírez 1982:184. Der erste Teil wurde 1569 publiziert. Damit ist Ercillas Araucana eines der ersten veröffentlichten spanischen Epen der Epoche. Die amerikanische Thematik behandelt vor Ercilla nur Luis de Zapata de Chaves 1566 in seinem Carlo famoso, in dem ein Abschnitt von der Eroberung Mexicos berichtet. Der zweite Teil von Ercillas Araucana erschien 1578, der dritte 1589, die erste Publikation des gesamten Epos datiert von 1590. Das zuvor in den Jahren 1537-39 verfaßte anonyme Werk La Conquista del Perú blieb bis 1848 unveröffentlicht. Vgl. Esteve Barba 1992:561. Einen Eindruck von der Beliebtheit der Araucana zur damaligen Zeit mag die berühmte Episode des Don Quijote vermitteln, die den Pfarrer und den Barbier die Bibliothek des fahrenden Ritters inspizieren läßt, wobei nur wenige Werke vor dem Urteil der beiden Kritiker bestehen, darunter mit Juan Rufos La Austriada, Cristóbal de Virués' El Monserrate und Ercillas Araucana drei Epen: "Todos esos tres libros - dijo el cura - son los mejores que, en verso heroico, en lengua castellana están escritos, y pueden competir con los más famosos de Italia: guárdense como las más ricas prendas de poesía que tiene España" (Cervantes Saavedra 1975:80).

142

/. Präliminarien

anderen die fremden Kulturen im Vordergrund 1 , wird Partei für oder gegen die Spanier genommen. Zwar thematisiert die Mehrzahl der spanischen Amerika-Epen die Kämpfe zwischen spanischen Truppen und Indianern; in Silvestre de Balboa Troya y Quesadas Espejo de paciencia sind es allerdings französische Piraten, die als Feinde bekämpft werden müssen. Andere Epen wiederum betonen den missionarischen Aspekt der Eroberungen, wie Alonso Gregorio de Escobedo in La Florida oder Juan Cortés Ossorio in Las Cortesiadas. Einer anderen amerikanischen Thematik widmet sich Lope de Vega in seinem historisch-politischen Epos La Dragontea, wo es um die Auseinandersetzungen zwischen England und Spanien und den Streit u m die Vorherrschaft in Amerika geht. Die spanischen Romanzen können als volkstümliche Variante der Epen gelten. Auch sie beziehen ihren Ursprung aus Mythos und Geschichte'. Ein Großteil ihrer Fiktionalität resultiert aus der permanenten Weitergabe des Erzählten durch die mündliche Überlieferung. Allerdings nimmt im 16. Jahrhundert bereits die Kunstromanze einen bedeutenden Stellenwert ein, die als Werk eines Autors nicht mehr aus der Überlieferung entsteht. In jedem Fall eignet der Romanze, wie dem Epos auch, der hybride Charakter zwischen Historiographie und Dichtung. Die Romanzenforschung hat sich bisher eher für die Spuren der traditionellen spanischen Romanzen in Amerika interessiert als für die Entstehung von diesbezüglichen Texten zu amerikanischen Themen 3 . Wie über die historiographische Literatur hinlänglich bekannt, brachten die spanischen Conquistadores und Siedler eine reiche Kenntnis an traditionellen Romanzen nach Amerika 4 . Bald wurden nach dem Muster der populären Gedichtform aktuelle Ereignisse der spanischen Amerikaunternehmungen aufgenommen und erzählt 5 . Allerdings sind nur wenige Beispiele bekannt, und es steht inzwischen mit Sicherheit fest, daß kein romancero über die Ereignisse um Entdeckung und Eroberung entstand: [...] los romances [...] que se compusieron sobre Hernán Cortés, figura tan relevante en la civilización del Nuevo Mundo o sobre Pizarro, no se escribieron en tono épico-lírico, con Bartolomé de Góngora z.B. vermittelt in seinem breit angelegten, leider nur noch fragmentarisch erhaltenen Epos Octava maravilla einen guten Einblick in Sitten, Mythen und Gebräuche der Bewohner Mexicos. 2 Vor allem die Romanzen erzählten die Ereignisse der spanischen Geschichte des 10. bis zum 16. Jahrhundert. Vgl. hierzu Gisela Beutler, "Zur Problematik des Geschichtsbezuges im spanischen Romancero". Lares 51,4 (1985):659-673; Ramón Menéndez Pidal, Romancero hispánico (Hispano-poríugués, americano y sefardí). Teoría e Historia I. Obras Completas de R. Menéndez Pidal 9 (Madrid 1953), 301-316. 3 Vgl. hierzu Mercedes Díaz Roig, "El romance en América". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v. Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 301 -316. 4 Vgl. Díaz Roig 1982:301/302; Clementina Díaz y de Obando, "El Nuevo Mundo en la gesta romancera (siglo XVI)". In Criado de Val 1989:201; Gisela Beutler, Studien zum spanischen Romancero in Kolumbien in seiner schriftlichen und mündlichen Überlieferung von der Zeit der Eroberung bis zur Gegenwart (Heidelberg 1969), 25-30. 5 Erstes und wohl berühmtestes Beispiel dürften die Zeilen sein, die sich bei Bemal Díaz finden: "En Tacuba está Cortés/ con su escuadrón esforzado,/ triste estaba y muy penoso,/ triste y con gran cuidado,/ una mano en la mejilla/ y la otra en el costado, etc." (Díaz del Castillo 1980:324). Das "etc." weist daraufhin, daß die Romanze allgemein bekannt war. Für weitere Beispiele vgl. Díaz y de Obando 1989:202-205. 1

C. Zwischen

Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

143

miras a la popularización cantada, no se propagaron entre el pueblo ni se hicieron tradicionales.'

Über die Gründe, warum sich keine mündliche Romanzentradition zur amerikanischen Thematik etablierte, wird spekuliert 2 . Vor allem moderne Technologien, allen voran der Buchdruck, und eine damit verbundene neue Art von Öffentlichkeit 3 hatten dazu geführt, daß sich nach 1492, dem Fall von Granada, keine weitere mündliche Tradition im Stil der romances viejos4 zu aktuellen Themen herausbildete 5 . Einmal abgesehen davon, daß Amerika sowieso nicht zu den beliebten Themen der spanischen Öffentlichkeit gehörte, waren es andere Genres, die sich den Ereignissen um die Eroberung Amerikas widmeten, Ereignissen, die sich von den herkömmlichen Romanzenstoffen doch wesentlich unterschieden. Insgesamt behandelten die Romanzen selten historisches Geschehen, das sich außerhalb der Iberischen Halbinsel abspielte. Offensichtlich war die Distanz zu diesen Geschehnissen so groß, daß diese nicht in das traditionelle Volksgut integriert werden konnten. Von den erhaltenen anonymen Romanzen zu amerikanischen Themen 6 , die als bescheidene mündliche Überlieferungen gelten mögen, kann nicht gesagt werden, ob sie in Amerika selbst unter den an den Unternehmungen Beteiligten entstanden oder in Spanien als Ergebnis des Informationsflusses. Die Romanzen erzählen das Geschehen um Hernán Cortés 7 , um die Ereignisse in Peru 8 , einige wenige von Colón 9 . Darüber hinaus gibt es einen Romanzenzyklus zu Themen der Araucana, der anderer Herkunft ist. Es war im 16. Jahrhundert durchaus üblich, größere literarische Werke in populärer Form als Romanzen zu verbreiten, zumeist auf pliegos sueltos, die auf den Märkten verkauft und rezitiert wurden 10 . Lerzundi vermutet, daß 1 2 3 4

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Ramón Menéndez Pidal, Romancero hispánico (hispano-portugués, americano y sefardí). Teoría e historia II. Obras Completas de R. Menéndez Pidal 10 (Madrid 1953), 63/64. Vgl. Díaz y de Obando 1989:206-209. Vgl. hierzu Simson 1994:619-621. Zur Unterscheidung von romances viejos und romances nuevos vgl. Karl Kohut, "Das 15. Jahrhundert". In: Geschichte der spanischen Literatur. Hg.v. Christoph Strosetzki (Tübingen 1991), 64-66. Vgl. auch Ramón Menéndez Pidal, Estudios sobre el romancero. Hg.v. Diego Catalán. Obras de R. Menéndez Pidal 11. Neuausgabe (Madrid 1973), 11-84. "A la vez que la vida nacional se había hecho demasiado complicada y difusa, la información poética resultaba más insuficiente, en comparación del gran desarrollo que la noticia prosística e historiográfica había adquirido, sobre todo después del uso de la imprenta. N o puede, pues, sorprendernos el fin de la gran actividad noticiera del romancero a comienzos del siglo XVI; al contrario, lo que nos ha de admirar es que haya durado hasta entonces como actividad oficial del Estado" (Menéndez Pidal 1953:11,65).

Da es keine Sammlungen spanischer Amerika-Romanzen gibt, handelt es sich bei den mir vorliegenden Romanzen um eine Ansammlung von Texten, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben möchte. 7 Vgl. hierzu einige anonyme Texte in Winston A. Reynolds, Romancero de Hernán Cortés (Estudio y texto de los siglos XVIy XVII) (Madrid 1967), 45/46,61 -73. 8 Drei Beispiele finden sich in: Emilia Romero, El romance tradicional en el Perú (México 1952), 18-24. 9 Wie z.B. die Romanze "El Nuevo Mundo (Romance histórico) 1485 y 1492". In: Romancero español. Colección de romances históricos y tradicionales. Hg.v. Boccherini, Cabiedes, Castillo y Soriano u.a. (Madrid 1875), Romanze Nr. 8. 10 Zu diesen "fliegenden Blättern" vgl. Simson 1994:629/630.

I. Präliminarien

144

es sich bei den von ihm veröffentlichten Romanzen zur araukanischen Thematik um den Versuch handelt, den Inhalt des Epos Ercillas zu popularisieren: Si el tradicionalismo implica (en este caso) la desculturización del texto épico de octavas reales (arte mayor) para popularizarlo en el metro del romance (arte menor) [...] no resulta aventurado plantear la posibilidad de la intención de transcribir las tres partes de La Araucana en el metro tradicional octosílabo.' Was die von Autoren verfaßten Kunstromanzen betrifft, so liegt eine Reihe diesbezüglicher Texte von Gabriel Lobo Lasso de la Vega über Taten des Hernán Cortés vor 2 . Von der Eroberung und Besiedlung des Gebiets des Rio de la Plata erzählt der Soldat und Priester Luis de Miranda de Villafaña in seiner Romanze, von der nur ein Fragment erhalten ist 3 . Einen neuen und sehr interessanten Aspekt der spanischen Literatur über Amerika liefert eine Sammlung von satirischen Romanzen des Autors Mateo Rosas de Oquendo. Er hatte lange Zeit in Peru, wahrscheinlich auch in Mexico gelebt und beschreibt in seinen Texten die peruanische und die mexikanische Kolonialgesellschaft aus kritischer Perspektive 4 .

2. Die Autoren und ihre Texte Die Autoren der Epen und Romanzen lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Da ist zunächst die größere Gruppe derer, die selbst in Amerika waren, zumeist beteiligt an den Expeditionen und Eroberungskämpfen, von denen sie dann in ihren Werken berichten. Indem somit armas und letras verbunden werden, entsprechen die Autoren dem von B. Castiglione in seinem II Cortegiano geforderten Renaissanceideal: dem poeta soldado [...] que narra poéticamente los acontecimientos en que ha tomado parte o conoce con bastante fidelidad por relatos de compañeros de armas (Piñero Ramírez 1982:183). Zu einer zweiten, zahlenmäßig wesentlich kleineren Gruppe sind die berufsmäßigen Autoren zu zählen, die in Spanien aus verschiedenen Gründen ein amerikanisches Sujet für ihre epischen Werke wählten, ohne jemals amerikanischen Boden betreten zu haben. Lope de Vega dürfte der bekannteste Autor dieser Gruppe sein 5 , jedoch auch Gabriel Lobo Lasso de la Vega und Luis de Zapata de Chaves 6 waren zur damaligen Zeit angesehene Schriftsteller am spanischen Hof. Weniger bekannt war Juan Cortés Ossorio 7 . 1 2 3

4 5 6 7

Patricio C. Lerzundi, Romances basados en La Araucana (Madrid 1978), 13/14. Vgl. Reynolds 1967:31-42. Vgl. Luis de Miranda de Villafaña, Romance. Versiones paleogràfica y moderna, con noticia preliminar. Hg.v. José Torre Revelto, Buenos Aires 1951. Zu Luis de Miranda vgl. Esteve Barba 1992:636-638; Enrique de Gandía, Luis de Miranda, primer poeta del Rio de la Piata, Buenos Aires 1936. Auf die Fälschung einer angeblich kolonialen Romanze verweist Gisela Beutler, El 'Romance deXiménez de Quesada'. ¿Primerpoema colombiano?, Bogotá 1962. Sein Leben ist hinlänglich bekannt und gut dokumentiert. Vgl. vor allem die schöne Biographie von Fritz Rudolf Fries, Lope de Vega, Leipzig 1977. Zum Leben von Zapata de Chaves vgl. Winston A. Reynolds, Hernán Cortés en la literatura del Siglo de Oro. Übersetzung aus dem Englischen (Madrid 1978), 24. Über das Leben des Jesuitenpaters Juan Cortés Ossorio vgl. José López de Toro, "Un poema inédito sobre Hernán Cortés: 'Las Cortesíadas'". Revista de Indias 9,31 -32 ( 1948):205-207.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Alonso de Ercilla y Zúñiga Berühmtestes Beispiel fiir die Gruppe der Amerikareisenden ist Alonso de Ercilla y Zúñiga 1 . Der Höfling aus verarmtem Adel, der jahrelang am Hof Felipes II. gedient und mit diesem Europa bereist hatte, kommt 1556 nach Peru, um an dem Feldzug García Hurtado de Mendozas gegen die aufständischen Araukaner teilzunehmen. Über ein Jahr lang (1557/58) war Ercilla an den zunächst problematischen, später dann zunehmend erfolgreichen Kämpfen der Spanier gegen die Aufständischen beteiligt, sowie am Wiederaufbau zerstörter Städte und Forts. Er war dabei, als eine Expedition zur Insel Chiloé vordrang, auf der Suche nach einem Zugang zum Estrecho de Magallanes". Wie Ercilla selbst berichtet, fing er bereits während seines Aufenthalts in Chile mit dem Aufschreiben des Erlebten an, einer Tätigkeit, die offensichtlich nicht einfach zu bewerkstelligen war: [...] este libro, el cual, porque fuese más cierto y verdadero, se hizo en la misma guerra y en los mismos pasos y sitios, escribiendo muchas veces en cuero por falta de papel, y en pedazos de cartas, de algunas tan pequeños que apenas cabían seis versos [...] 3 ,

heißt es im Prolog zur Araucana. Ercilla führte eine Art "diario poético de la guerra contra los araucanos" (Morínigo 1979:42), wobei über die Gründe seines Tuns spekuliert wird 4 . Wann die einzelnen Teile des Epos tatsächlich verfaßt wurden, läßt sich nicht mehr feststellen. Wie Barbara Held vermutet, hat sich der Autor während seines Chile-Aufenthalts Notizen gemacht, das Epos aber erst nach seiner Rückkehr in Spanien fertiggestellt 5 . Ercilla ist kein objektiver Berichterstatter, vor allem nicht in den Teilen, in denen er Selbsterlebtes erzählt. Dort stellt er seine Taten und Verdienste in den Vordergrund, wodurch der autobiographische Aspekt eine große Bedeutung erlangt. Allerdings nehmen die Episoden, die von den Abenteuern Ercillas berichten, nur einen Teil des Epos ein (Gesang 16, Strophe 20 - 36,37, abzüglich einiger Digressionen), so daß Morínigo schlußfolgert: 1

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Zu Ercillas Leben vgl. vor allem den ausführlichen Bericht von José Toribio Medina, Vida de Ercilla, México, Buenos Aires 1948; vgl. auch Marcos A. Morínigo, "Introducción biográfica y crítica". In: Alonso de Ercilla, La Araucana I. Hg.v. Marcos A. Morínigo und Isaías Lerner (Madrid 1979), 7-15; Barbara Held, Studien zur Araucana des Don Alonso de Ercilla. Vorstellungen zu Recht, Staat und Geschichte in epischer Form (Frankfurt a.M. 1983), 15-22; Frank Pierce, Alonso de Ercilla y Zúñiga (Amsterdam 1984), 1-12. Für einen detaillierten Bericht der Ereignisse vgl. Medina 1948:36-76; Morínigo 1979:1525. Alonso de Ercilla, La Araucana I. Hg.v. Marcos A. Morínigo und Isaías Lerner (Madrid 1979), 121. Diese reichen von der Vermutung, Ercilla verarbeite auf diese Weise seine Kriegserlebnisse, bis zur Annahme, der Bericht diene Karrieregründen am Hof (vgl. Morínigo 1979: 42). "Ihre endgültige Form hat die Araucana mit Sicherheit erst in Spanien erhalten und zwar wahrscheinlich in der Reihenfolge des Erscheinens ihrer einzelnen Teile. Dies wird deutlich durch den nachträglichen Einbau historischer Ereignisse auf europäischen Schauplätzen, die zur Zeit von Ercillas Aufenthalt in Chile noch gar nicht stattgefunden hatten. Es erklärt aber auch die zunehmende Anzahl der von literarischer Tradition beeinflußten Episoden im zweiten und im dritten Teil" (Held 1983:21).

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I.

Präliminarien

Resulta de todo esto que menos de una sexta parte del total de los versos de La Araucana son auténticamente testimoniales, y que sobre este ralo cañamazo está tejido el extenso y magnífico tapiz del singular poema (1979:25).

Einen Großteil des Textes bestimmt die Vorgeschichte Araucos bis zum Eintreffen Ercillas. Für die historische Wahrheit dieser nicht von ihm mitgestalteten Geschichte benennt der spanische poeta soldado vertrauenswürdige Quellen, ohne allerdings konkret zu werden: Hasta aquí lo que en suma he referido yo no estuve, Señor, presente a ello y así, de sospechoso, no he querido de parciales intérpretes sabello; de ambas las mismas partes lo he aprendido y pongo justamente sólo aquello en que todos concuerdan y confieren y en lo que en general menos difieren (Ercilla 1979:1,373).

Darüber hinaus sind in den gesamten Text eingefügt Liebesgeschichten (um die Indianerinnen Tegualda und Glaura und die römische mythologische Figur Dido), eine phantastische Erzählung über den Zauberer Fitón, außerdem historische Digressionen zur aktuellen Geschichte Spaniens: Lepanto, Saint Quentin, Felipe II. in Portugal. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Bildung des Autors, die aus Zeitmangel offensichtlich nicht systematisch gefördert werden konnte: Por lo que antecede vemos que no pudo recibir una educación sistemática ni académica fuera de lo que el servicio lo permitía, bajo la tutela de un preceptor, que lo fue el erudito humanista Calvete de Estrella, más tarde cronista real, quien dadas sus inclinaciones hubo de poner el acento de su enseñanza en las letras latinas (Morínigo 1979:8).

Dem Text der Araucana selbst entnimmt Morínigo Ercillas Lektüre der wichtigsten antiken Epen (Homer, Vergil, Lukan), italienischer Texte (Dante, Petrarca, Boccaccio, Ariost) und zeitgenössischer spanischer Autoren (Garcilaso, Mena)'. Ercillas Aufenthalt in Chile sollte jäh und unehrenhaft beendet werden: Während eines Streits mit einem anderen Spanier ziehen dieser und Ercilla die Waffen und werden dafür vom Anfuhrer der Expedition, García Hurtado de Mendoza, zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wird in eine Gefängnisstrafe umgewandelt, der nach einer weiteren kurzen kriegerischen Tätigkeit die Verbannung nach Peru folgt 2 . Nach Stationen in Panama und Kolumbien kehrte Ercilla 1563 nach Spanien zurück. Dort veröffentlichte er in den Jahren 1569, 1578 und 1589 die drei Teile der Araucana, die sofort ein großer Erfolg wurde. Die restlichen Jahre seines Lebens verbrachte der Autor in Spanien, unterbrochen von Reisen innerhalb Europas. Er war sehr darum bemüht, die Gunst Felipes II. zu erlangen, was ihm nie so recht gelingen sollte 3 . 1

2 3

Vgl. Morinigo 1979:8. Vgl. auch Held 1983:20. Eine detaillierte Untersuchung der literarischen Quellen findet sich bei James Nicolopulos, The Poetics of Empire in the Indies. Prophecy and Imitation in La Araucana and Os Lusiadas, Pennsylvania 2000. Die Argumentation des Autors zum vermeintlichen Einfluß der Lusiadas auf Ercillas Araucana vermag jedoch nicht zu überzeugen. Für diese Episoden vgl. Medina 1948:78-81; Morinigo 1979:24/25. Auch über die Gründe hierfür wird spekuliert: "Warum ihm eine Karriere am spanischen Hof trotz bester Voraussetzungen verschlossen blieb, kann man nur vermuten. Die wahr-

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Juan de Castellanos Sehr viel länger als Ercilla hielt sich Juan de Castellanos in Amerika auf 1 , der dort ein bewegtes Leben führte. 1522 in Alanis (Sevilla) geboren, kam er im Alter von etwa 18 Jahren in die "Neue Welt". Auf der Suche nach Perlen und Gold lebte er auf verschiedenen Karibikinseln und dem benachbarten Festland, beteiligte sich an diversen Expeditionen und erwarb ein Vermögen. 1554 oder 1555 ließ er sich in Cartagena (Kolumbien) zum Priester weihen und übte in den Folgejahren diese Tätigkeit in Cartagena, Rio de la Hacha und Santa Fé aus. Von 1562 bis zu seinem Tod 1607 war er Benefiziat der Kathedrale von Tunja. Wann Juan de Castellanos mit dem Verfassen seiner Elegías de varones ilustres de Indias begann, ist weitgehend unklar. Es wird vermutet, daß er während seiner Zeit als Eroberer und Abenteurer bereits - ähnlich wie Ercilla - Notizen machte und dann, nachdem er als Priester ein ruhigeres Leben führte, mit dem systematischen Abfassen seiner Elegías begann 2 . Der Text selbst, der zunächst in Prosa geschrieben und erst nachträglich in Verse gefaßt wurde, gibt durch Jahreszahlen Hinweise auf das Fortschreiten des Produktionsprozesses 3 . 1589 wurde ein erster Teil der Elegías in Madrid veröffentlicht, während der Gesamttext erstmalig 1930-32 in Caracas publiziert werden konnte. Der vierteilige Bericht von Castellanos ist umfassend (ca. 150 000 Verse). Detailliert erzählt der Autor von den Entdeckungen Colons, den Eroberungen einiger karibischer Inseln und den ersten Expeditionen auf amerikanischem Festland. Dem folgen Berichte über Entdeckung, Eroberung und Verwaltung einiger Gebiete in Venezuela und Kolumbien, ein Discurso del Capitán Francisco Draque und abschließend die Historia del Nuevo Reino de Granada, in der Castellanos von der Eroberung und den verschiedenen Gouverneuren des Vizekönigreichs erzählt. Die Einteilung erfolgt in elegías, wenn der Autor vom Tod einer historischen Persönlichkeit berichtet, ansonsten in elogios und historias. Das Werk enthält eine Vielzahl an Informationen über lokale Ereignisse, Schlachtberichte und Naturbeschreibungen, aber auch phantastische Geschichten, Gerüchte, Anekdoten. Obwohl Castellanos ähnlich

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scheinlichste Ursache neben seiner angeblich großen Schüchternheit gegenüber der Person Philipps II. und seinem Versagen bei dem diplomatischen Auftrag gegenüber dem Herzogpaar von Braunschweig sind seine 'Einkommensquellen', die sich mit dem Status eines Hidalgos nicht vertrugen, und vielleicht im Zusammenhang damit der Anschein eines nuevo cristiano. Schenkt man Américo Castros Deutung der Prozeßakten um Ercillas Adelstitel Glauben, so handelt es sich bei der Familie Ercilla in'der Tat um conversos" (Held 1983:20/21). Inwieweit die Araucana mit ihrer eindeutigen Sympathie für die Indianer dazu beigetragen haben mag, daß Ercilla die gewünschte Aufmerksamkeit am spanischen Hof versagt blieb, ist aus dem erhaltenen Material nicht zu erschließen. Zum Leben von Castellanos vgl. Mario Germán Romero, Joan de Castellanos. Un examen de su vida y de su obra, Bogotá 1964; Isaac J. Pardo, Juan de Castellanos. Estudio de las Elegías de varones ilustres de Indias. Zweite erweiterte Auflage (Caracas 1991), 2755; Meo-Zilio 1982:205-207; Beutler 1969:16/17; Manuel Alvar, Juan de Castellanos. Tradición española y realidad americana (Bogotá 1972), XI-XVII; Esteve Barba 1992: 359-364. Vgl. auch die Auflistung der Biographien in Pardo 1991:25. Das meiste, was wir heute über das Leben von Castellanos wissen, entstammt jedoch seinem eigenen Werk. Vgl. Meo-Zilio 1982:207. Vgl. hierzu auch die diesbezügliche Auflistung bei Meo-Zilio 1982:207.

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I. Präliminarien

wie Ercilla Augenzeuge vieler geschilderter Ereignisse war, erscheint er im Text doch weniger als Beteiligter denn als Berichterstatter. Zwar verrät der Text Details aus Castellanos' Leben, der Autor tritt als Chronist jedoch weitgehend hinter die geschilderten Ereignisse zurück. Als direkte Quelle nennt Castellanos selbst nur Ercillas Araucana. A n Material standen ihm neben den eigenen Erinnerungen und Notizen allerdings die gängigen veröffentlichten historias und Berichte (z.B. von Gonzalo Fernández de Oviedo, las Casas, López de Gomara usw.) zur Verfügung, außerdem eine große Anzahl von relaciones und privaten Notizen anderer Personen. Die Informanten werden zum Teil namentlich angeführt, die Quellen bisweilen indirekt benannt 1 . Castellanos hizo más que simplemente recoger hechos de textos anteriores, pues también presentó relatos originales sobre personas y acontecimientos que conocía de primera mano o que había escuchado de testigos (Reynolds 1978:25). So wurden Freunde und Bekannte zu seinen hauptsächlichen Informationslieferanten 2 . Castellanos war Autodidakt mit einer nur rudimentären Schuldbildung 1 . Seinem Werk sind Einflüsse der klassischen sowie der zeitgenössischen spanischen Literatur zu entnehmen 4 . Der literarische Wert des Epos von Castellanos ist dennoch umstritten. Die einfache Sprache, die oft als nicht gelungen betrachteten Verse 5 und die Ungeordnetheit der Materialfülle werden als Gründe genannt, responsable del constante tono menor de las Elegías y de la substancial aniiepicidad de esta curiosa epopeya de la conquista. El lector tiene la impresión de hallarse ante un inmenso poema hablado que puede leerse y apreciarse sólo antológicamentc (Meo-Zilio 1982:209).

Alonso Gregorio de Escobedo Soldat, Conquistador und Siedler war Hemán Alvarez de Toledo, Autor von El Purén indómito, der gegen die Araukaner kämpfte 6 , ebenso wie Melchor Jufré del Aguila, Autor eines Compendio historial del descubrimiento, conquista y guerra del reino de Chile1. Aber auch Martín Barco de Centenera, Eroberer, Lebemann und 1 2 3 4

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Vgl. Meo-Zilio 1982:208/209. Vgl. auch Esteve Barba 1992:362. Vgl. Beutler 1969:16; Pardo 1991:28/29. Vgl. Alvar 1972:3-42; Beutler 1969:18; Pardo 1991:139-241; Luis Fernando Restrepo, Un nuevo reino imaginado: Las elegías de varones ilustres de Indias de Juan de Castellanos (Bogotá 1999), 32-54. Castellanos hatte sein Werk zunächst in Prosa verfaßt, bevor er es in Verse umsetzte. "[...] después de haber escrito esta historia en prosa, la tomó á reducir á coplas, [...] en estilo italiano, [...] estoy informado de hombres fidedignos que gastó mas de diez años en reducir la prosa en verso", so der Zensor Agustín de Zárate. "Censura de Agustín de Zárate al Consejo Real" in: Juan de Castellanos, Elegías de varones ilustres de indias. Hg.v. Buenaventura Carlos Anbau (BAE 4, Neuausgabe) (Madrid 1944), 2/3. Diese Edition ist nicht vollständig. Es fehlen der "Discurso del Capitán Francisco Draque" des dritten Teils und der vierte Teil. Vgl. Esteve Barba 1992:604; Vorwort in Fernando Alvarez de Toledo, Purén indómito. Hg.v. Diego Barros Arana (Leipzig 1862), V. Vgl. Esteve Barba 1992:605; Diego Barros Arana, "Don Melchor Jufré del Aguila i su libro". In: Melchor Jufré del Aguila, Descubrimiento i Conquista del Reino de Chile. Hg.v. Diego Barros Arana (Santiago de Chile 1897), III-VIII.

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und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Geistlicher i m Gebiet des Rio de la Plata und in Peru 1 , Juan de Mendoza y Monteagudo, aventurero que, desde los catorce años en que empezó a servir a su Rey, buscó la fantasía del ídolo del sol de los palacios de Dabaybe, remontó el río de San Jorge en busca de sus fuentes y sirvió luego, desde 1599, a las órdenes de don Francisco de Quiñones (Esteve Barba 1992: 604), und andere, über deren Leben wenig bekannt ist 2 , nahmen in verschiedenen Gebieten Amerikas an den Eroberungsfeldzügen Spaniens teil und berichteten später in epischen Versen von ihren Erlebnissen. Einen beträchtlichen Teil seines Lebens verbrachte Bartolomé de Góngora in Mexico. Er entstammte einer reichen und einflußreichen Familie und war als Kolonialbeamter tätig 3 . D i e s e Männer verfaßten, zumeist ohne über eine umfassende Bildung zu verfügen, w a s sie erlebt und gesehen, oft auch von anderen gehört hatten. Sie benutzten kaum zusätzliche dokumentarische Quellen, noch hatten sie literarische Ambitionen. Sie sind es vor allem, bei denen es der traditionellen Kritik schwerfällt, ihre Werke als Epen einzustufen 4 . Dazu gehört auch Alonso Gregorio de Escobedo, der als Missionar in Florida war, worüber er in einem groß angelegten, bis heute nur in Manuskriptform vorliegenden Epos berichtet. Über den Autor selbst ist nichts bekannt. D i e wenigen Daten über sein Leben, die man heute zu kennen glaubt, entstammen alle s e i n e m Werk 5 . D a dieses offensichtlich autobiographischen Charakters ist, können die spärlichen Informationen, die der Autor darin selbst über sein Leben verbreitet, als g e g e b e n betrachtet werden. 1 2 3 4

5

Vgl. Esteve Barba 1992:638-641; Margarita Peña, Literatura entre dos mundos. Interpretación crítica de textos coloniales y peninsulares (México 1992), 224/225. So z.B. Juan de Miramontes y Zuázola oder Silvestre de Balboa Troya y Quesada. Zu Bartolomé de Góngoras Leben vgl. Reynolds 1978:40. Als Beispiel hierfür mag das harsche Urteil Esteve Barbas über das anonyme Conquista del Perú dienen: "El editor, que dio con él al reposar el catálogo de manuscritos de la Biblioteca Imperial de Viena, demostró que le sobraba buena voluntad para ver en 'esta epopeya', 'el estilo romancero a la par que sublime y enérgico, algún tanto impregnado del genio caballeresco'. Tal vez no dominaba el español, causa que puede servirle de excusa para haber descubierto en tal poema tantas excelencias literarias" (1992:561). Ähnlich urteilt Menéndez Pelayo über Alvarez de Toledos Purén indómito: "Aquello de la trompa épica nunca tuvo menos aplicación que tratándose de este árido cronista, cuyo valor histórico está en razón inversa de su nulidad poética" (Menéndez Pelayo 1948:11,258). Zu Alonso Gregorio de Escobedo vgl. Esteve Barba 1992:310; Charles W. Amade, "Foreword. Fray Escobedo O. F. M. and His Epic Poem 'La Florida'". In: Pirales, Indians and Spaniards. Father Escobedo's 'La Florida'. Hg.v. James W. Covington (St. Petersburg, Florida 1963), VI/VII. Hierbei handelt es sich um eine englische Prosaübersetzung ausgewählter Passagen des Textes von Escobedo (ca. ab folio 137 bis f. 371). Vgl. auch Fidel de Lejarza, "Rasgos autobiográficos del padre Escobedo en su poema 'La Florida'". Revista de Indias I (1940):35-69; Gregory Joseph Keegan und Leandro Tormo Sanz, Experiencia misionera en la Florida (siglos XVIy XVII) (Madrid 1957), vor allem 269-280. Vgl. außerdem Ingrid Simson, "Literatura del viaje en forma de epopeya: La Florida de Alonso Gregorio de Escobedo". In: América Latina: cruce de culturas y sociedades. La dimensión histórica y la globalización futura. Actas del II Congreso Europeo de Latinoamericanística Halle (Alemania) del 4 al 8 septiembre de 1998. Hg.v. Thomas Bremer und Susanne Schütz, Halle-Wittenberg 1999, CD-ROM.

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I. Präliminarien

Demnach kam der Franziskanermönch, der wahrscheinlich aus Moguer in Andalusien stammt 1 , unter der Leitung des Mönchs Alonso de Reinoso nach Amerika. Aus unbekannten Gründen wurde Escobedo auf einem anderen Schiff vorausgeschickt, das von englischen Piraten gekapert wurde 2 . Über die Karibikinsel Yaguana, über Baracoa und Bayamo auf Cuba kam Escobedo nach Habana. Dort wartete er auf die anderen spanischen Missionare, und zusammen fuhren sie nach Florida, wo sie im September 1587 eintrafen. Dort wurde dem Autor die Mission "Nombre de Dios" zugesprochen. Damit enden die Informationen über Escobedos Leben. Seinem Text ist nicht zu entnehmen, wie lange der Mönch in Florida blieb, obwohl Amade vermutet, daß Escobedo das Land kurz vor dem Guale-Aufstand verließ 3 . Auch ist nicht bekannt, wann der Franziskaner sein Werk verfaßte. Ignacio Omaecheverria folgert aus dem Text selbst, daß er zwischen 1606 und 1609 entstand, einige Teile jedoch bereits vor 1598 4 . Pou y Martí nimmt an, daß Escobedo das Manuskript bereits für den Druck vorbereitet hatte 5 , der dann aus unbekannten Gründen nicht erfolgte. Auch der Weg des Manuskripts in die Biblioteca Nacional in Madrid entzieht sich der Kenntnis der Forschung. Der Text mit dem vollständigen Titel: La Florida. Primera, segunda y tercera partes de la Florida. Donde se canta uida, muerte y milagros del glorioso S. Diego de S. Niculas del Puerto frayle menor. Y el martirio de quatro religiosos. Y con los hechos de muchos Españoles y con los ritos y costumbres y conversión de los Indios. Y con la muerte de un Franges y su gente. Dedicadas a don Manuel de Guzman y de Mendoza Conde de Niebla y heredero del ducado de Medina Qdonia, besteht aus drei Teilen, die in unnumerierte Gesänge gegliedert sind, und umfaßt 450 folios, darunter etliche leere Seiten 6 . Teil 1, bis f. 176, erzählt zunächst in zehn Gesängen die Geschichte des Heiligen San Diego de Alcalá (im Text San Diego de San Niculas del Puerto), die der Autor den anderen Mönchen vorlas, während sie in einem Kloster in Andalusien auf das Auslaufen ihres Schiffes warteten. Der Rest des ersten Teils des Epos ist der Geschichte von dreizehn spanischen Missionaren gewidmet, die 1595 nach Florida kamen und von denen einige von Indianern ermordet wurden (Aufstand von Guale).

1 2 3

4 5 6

Vgl. Lejarza 1940:36; Bartolomé José Gallardo, Ensayo de una biblioteca española de libros raros o curiosos II (Madrid 1866), 948. Eine Beschreibung des Inhalts des Epos und damit der bekannten Aufenthalte Escobedos liefert auch José Maria Pou y Martí, "Estado de la orden franciscana y de sus misiones en América y Extremo Oriente en el año de 1635". Archivo Ibero-Americano 14,28 (1927):48-60. Vgl. Arnade 1963:VII. So auch J. Riis Owre: "Just when he returned to Spain from Florida is not known, though he was apparently there in 1593, when the Council of the Indies was holding hearings on the proposal to move St. Augustine". J. Riis Owre, "Alonso de Escobedo and 'La Florida'". Hispania 47,1 (1964):247. Vgl. Amade 1963:VII. Laut Julián Paz handelt es sich bei der Schrift um "letra de fines del siglo XVI". Julián Paz, Catálogo de manuscritos de América existentes en la Biblioteca Nacional (Madrid 1933), 256. Vgl. Pou y Martí 1927:48. Vgl. Alonso Gregorio de Escobedo, La Florida, o.O., o.J. Ms. 187 der Biblioteca Nacional Madrid. Da der Text nur über dieses Manuskript zugänglich ist, soll er an dieser Stelle ausführlicher beschrieben werden.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Erst im zweiten Teil (f. 177-291) erzählt Escobedo von Ereignissen, die er selbst erlebt hat1: dem Überfall auf sein Schiff und seinen Aufenthalten auf Yaguana, in Baracoa, Bayamo und Habana. Er berichtet von den Bewohnern der von ihm besuchten Orte, von ihren Eßgewohnheiten, ihren Sitten und religiösen Bräuchen. Zu diesem Teil gehört die Geschichte eines Spaniers, der siebzehn Jahre bei den Indianern in Florida lebte, ebenso wie die Machenschaften des Francis Drake und anderer englischer Piraten. Teil 3 schließlich schildert die Reise Escobedos von Habana nach Florida 2 . Der Leser erhält reichliche Informationen über die Indianer in Florida, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Kriegskunst, ihren Glauben und ihre Missionierung. Zwei Gesänge handeln von französischen Piraten und deren Kämpfen gegen die Spanier. Den Abschluß bilden verschiedene Predigten des Autor-Missionars, die dieser vor den Indianern, aber auch vor spanischen Gläubigen hielt. Der Autor benutzt eine betont einfache Sprache, wobei außer der Bibel und theologischen Schriften keine literarischen Vorbilder zu erkennen sind 3 . Auffällig ist die schwache Struktur des Textes, der voller Digressionen ist, die dem Werk einen fragmentierten Charakter verleihen. Trotz des Haupttitels La Florida beginnt der Bericht über Florida erst a u f f o l i o 307. Die Ereignisse um den Guale-Aufstand, die Escobedo im ersten Teil erzählt, entsprechen eigentlich dem chronologischen Schlußpunkt, so daß Riis Owre davon ausgeht, daß die beiden diesbezüglichen Gesänge irrtümlicherweise in den ersten Teil gelangten 4 . Verbindendes Element für die einzelnen Gesänge und Teile ist die Figur des Erzählers, die mit dem Autor identisch zu sein scheint. Auch wenn sich dieser als Agierender weitgehend im Hintergrund hält, ist es doch s e i n e Perspektive, die dominiert, sind es offensichtlich s e i n e Erlebnisse, die die Auswahl des Textes bestimmen. Zwar gibt Escobedo die Passagen, die Erlebnisse anderer Personen präsentieren, als solche zu erkennen, verschweigt jedoch die Identität seiner Informanten 5 . Die Kritik moniert Escobedos weitgehend unkritische Übernahme des Materials anderer Augenzeugen 6 . Die Vielzahl an religiösen Digressionen sowie die Predigten Escobedos verweisen auf Vorbildung und Interesse des Franziskanermönchs. Auch wenn die Sprache einfach, die Struktur wenig gelungen ist, so ist allein das Abfassen der Erzählung in octavas reales ein ausreichender Hinweis darauf, daß der Autor über mehr Bildung verfugt haben muß, als dies beim durchschnittlichen Mönch der damaligen Zeit zu erwarten war. Und der mangelnde intertextuelle Nachweis darf nicht zu der Vermutung fuhren, daß Escobedo keine ähnlichen Texte bekannt waren. Es ist schwer 1 2 3 4 5

6

Für eine ausführliche Aufzählung der Inhalte dieses Teils vgl. Lejarza 1940:39/40. Zum Inhalt dieses Teils vgl. Lejarza 1940:40. Vgl. Riis Owre 1964:249. "El autor no parece haber consultado documento alguno para escribirlo", spekuliert Esteve Barba (1992:310). Vgl. Riis Owre 1964:243/44. Auch wenn er den Wahrheitsgehalt seines Berichts betont, ist die Auskunft über seine Quellen nicht gerade erschöpfend: "Mas diréla [la historia] según fue averiguada/ ya donde sucedió y de quien la sabe" (Escobedo o.J.:354v). Bei Zitaten aus Escobedos Manuskript soll die Orthographie weitgehend beibehalten werden; wo es notwendig erscheint, erfolgt jedoch eine Modernisierung, was vor allem die Akzentsetzung betrifft. Vgl. Arnade 1963:VIII; Esteve Barba 1992:310.

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/. Präliminarien

vorstellbar, daß der Autor Ende des 16. Jahrhunderts mit dem Erzählen aktuellen historischen Geschehens in Versform eine neue Textsorte zu kreieren glaubt, wenn wenige Jahrzehnte zuvor ein ebensolcher Text in Spanien zum Bestseller avancierte. Die religiöse Akzentuierung Escobedos ließ ihn sich eher an theologischen Traktaten orientieren denn an Ercillas Araucana oder ähnlichen Werken. Das Epos enthält eine Vielzahl an Informationen, vor allem über die Indianer Floridas, aber auch über die Arbeit der Missionare und das Treiben der englischen und französischen Piraten. Obwohl das Werk aus der persönlichen (religiösen) Perspektive seines Verfassers geschrieben wurde, sind seine Inhalte doch glaubwürdig und scheinen sich weitgehend an der historischen Realität zu orientieren. Viele Beobachtungen lassen sich durch andere historiographische Berichte belegen 1 , anderes ist neu. Gerade die Unstrukturiertheit des Materials, der autobiographische Aspekt und das Fehlen fíir den Leser erkennbarer, bewußt fiktionalisierter Passagen nähert den Text Escobedos an die historiographischen Schriften über die Entdeckung und Eroberung Amerikas, die historias und relaciones, an. Zwar mag es auch ernstzunehmende Einwände gegen einen streng historiographischen Charakter des vorliegenden Werks geben 2 , letztendlich unterscheidet es sich von den historias und relaciones jedoch vorrangig durch seine äußere Form, die Versgestalt. Es stellt sich hier die Frage, was den Autor veranlaßte, seine Erlebnisse und die anderen Ereignisse in octavas reales abzufassen.

Mateo Rosas de Oquendo Wenig weiß man auch über das Leben von Mateo Rosas de Oquendo, den Verfasser satirischer Romanzen über die amerikanische Kolonialgesellschaft. Die Literaturkritik entnahm seine Lebensdaten vorrangig seinen Texten, was - vor allem aufgrund inhärenter Widersprüchlichkeiten - nicht unproblematisch erscheint und zur irrtümlichen Festschreibung hypothetischer Annahmen führte 3 . Mit ziemlicher Gewißheit - und durch nichtliterarische Zeugnisse bestätigt - steht lediglich fest, daß Rosas de Oquendo, der sich auch Juan Sánchez nannte, aus Andalusien stammt, sich um 1590 als Eroberer und encomendero in Tucumán (Argentinien) aufhielt, dann nach Peru ging, wo er beim Vizekönig García Hurtado de Mendoza in Diensten stand. Vermutet wird ferner ein Aufenthalt in Mexico, der durch seine Texte durchaus plausibel erscheint; über eine Rückkehr nach Spanien wird spekuliert. Weder Ort noch Datum seines Todes sind bekannt 4 . Rosas de Oquendo scheint als Soldat und Abenteurer ein ähnlich bewegtes Leben wie Juan de Castellanos gefuhrt zu haben 5 .

1 2 3

Vgl. R i i s O w r e 1964:243. Vgl. Riis Owre 1964:246/247. Pedro Lasarte problematisiert diesen Aspekt in seinem Artikel "Apuntes bio-bibliográficos y tres inéditos d e Mateo Rosas de Oquendo". Revista de crítica literaria latinoamericana X I V , 2 8 (1988):85-99. Vgl. auch Peña 1992:76/77; Emilio Carilla, "Rosas de Oquen-

do y el Tucumán". In: Libro jubilar de Alfonso Reyes. Hg.v. Antonio Alatorre u.a. (Méxi4 5

co 1955), 107-139. Vgl. Lasarte 1988. Für Angaben zu Rosas de Oquendos Leben vgl. Emilio Carilla, "La lírica hispanoamericana colonial". In: Historia de la literatura hispanoamericana I "Epoca colonial". Hg.v.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Die Texte Rosas de Oquendos 1 sind Satiren, die die koloniale Gesellschaft in Peru und Mexico und deren Alltag porträtieren 2 . In sprachlich und formal wenig anspruchsvollen Romanzen bietet der Autor voller Witz und Spott ein von der sonstigen Literatur abweichendes Bild der spanischen Präsenz in Amerika 3 . In seiner versión satírica o burlona de la Conquista [...] merecen recordarse sus comentarios a las supuestas 'hazañas' de los conquistadores, a las apetencias nobiliarias de muchos de los que pasaban a América, a la confusión, apetitos y luchas de la naciente sociedad hispánica en el Nuevo Mundo (Carilla 1982:253). D i e Kritik zielt zwar auf realhistorische gesellschaftliche Zustände ab, basiert jedoch zu einem Teil auf traditionellen Topoi der Literatur, was wiederum Rückschlüsse auf Rosas de Oquendos Bildung erlaubt.

Gabriel Lobo Lasso de la Vega Gabriel Lobo Lasso de la Vega gehört mit Lope de Vega, Luis de Zapata de Chaves und Juan Cortés Ossorio zur zweiten Gruppe von Autoren, die epische Texte über Amerika verfaßten. Trotz seiner Tätigkeit als Hofschriftsteller ist auch Lobo Lasso de la Vegas Biographie nur spärlich überliefert 4 . Wahrscheinlich wurde er 1559 als Luis Iñigo Madrigal (Madrid 1982), 253; Peña 1992:75-78; Lasarte 1988; Carilla 1955: 112-130. 1 Sie entstammen vorrangig dem Manuskript Cartapacio de diferentes versos a diversos asuntos por el año 1598 y Ios siguientes, einer Sammlung von Romanzen und Gedichten, die zum Teil von Rosas de Oquendo verfaßt sind, in die der Autor jedoch auch Texte anderer Dichter integrierte. Für eine Auflistung der Texte vgl. A. Paz y Melia (Hg.), Cartapacio de diferentes versos a diversos asuntos compuestos ó recogidos por Mateo Rosas de Oquendo (Extrait du Bulletin Hispanique 9) (Bordeaux 1907), 58-65. Der Anteil der Dichtung Rosas de Oquendos ist nicht definitiv geklärt. Vgl. Peña 1992:93/94. Der Titel der Textsammlung ist nicht von Rosas de Oquendo, sondern vom Conde de Guimerá (vgl. Paz y Melia 1907:3). Auch der Titel, den das Manuskript 19387 der Biblioteca Nacional Madrid heute trägt, Sátira de Oquendo. ist aus späterer Zeit. Einige Texte Rosas de Oquendos finden sich auch in Baltasar Dorantes de Carranza, Sumaria relación de las cosas de la Nueva España, México 1902. 2 Das Epos El Famatina gilt als verloren. Vgl. Carilla 1982:253. 3 Als Haupttext Rosas de Oquendos gilt seine Sátira de las cosas que pasan en el Perú, año de 1598. 4 Zu seiner Biographie vgl. Reynolds 1978:27/28; Alfredo Hermenegildo, "Introducción". In: Gabriel Lasso de la Vega, Tragedia de la destruyeión de Constantinopla. Hg.v. Alfredo Hermenegildo (Kassel 1983), 8-13; Peña 1992:216-218; Eugenio Meie und Angel González Palencia, "Prólogo". In: Gabriel Lobo Lasso de la Vega, Manojuelo de romances. Hg.v. Eugenio Meie und Angel González Palencia (Madrid 1942), XI-XXII. Meie/ González Palencia dienen wieder die Werke des Autors als Hauptquellen zur Information über sein Leben. Siehe außerdem José Amor y Vázquez, Poemas narrativos del siglo XVI, en lengua española, que tratan la empresa cortesiana (Providence 1957), 120-123; José Amor y Vázquez, "Introducción". In: Gabriel Lobo Lasso de la Vega, Mexicana. Hg.v. José Amor y Vázquez (BAE 232) (Madrid 1970), XIII-XVII. Bei der Einleitung von Amor y Vázquez zur Mexicana handelt es sich um die gekürzte Version der entsprechenden Passagen aus Amor y Vázquez 1957. Aufgrund der größeren Ausführlichkeit orientiere ich mich an Amor y Vázquez 1957.

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Angehöriger einer renommierten Adelsfamilie in Madrid geboren. Nach seinen Studienjahren gehörte er dem spanischen Hof als Page des Königs und Palastwache an. Seine schriftstellerische Tätigkeit machte ihn als Hofschriftsteller berühmt, wovon die lobende Erwähnung in Cervantes' Viaje al Parnaso und bei Lope de Vega zeugen mag 1 . Gabriel, en sus obras, adopta la actitud de quien, contando con un pobre patrimonio, tiene la sensación de compartir el poder político y social de los grupos dominantes. [...] Hay en él una inclinación a proponer el mantenimiento de unas estructuras y de unas normas sociales, creadas y defendidas por una clase dentro de la que Gabriel Lobo, con razón económica o sin ella, se consideraba integrado. Esa clase es, precisamente, la nobleza media [...] que fue el apoyo político fundamental del rey Felipe II (Hermenegildo 1983:11). So verwundert es kaum, daß Lasso de la Vega seine schriftstellerische Tätigkeit dafür einsetzt, die Gunst des Königshauses und des gehobenen Adels zu gewinnen bzw. sich diese zu sichern. Unter den Romanzen, comedias und (häufig historiographischen) Prosatexten des Autors 2 finden sich daher mehrfach panegyrische Texte und Auftragsarbeiten. 1588 erschien das Epos von Lasso de la Vega Primera parte de Cortés valeroso, y Mexicana, das seine Entstehung mit großer Sicherheit einem Auftrag von Martin Cortés, dem Sohn des Eroberers und Protagonisten Hernán Cortés, an den Hofdichter verdankt 3 . Gewidmet ist es Fernando Cortés, dem Sohn von Martin. Acht Jahre später, 1594, publizierte Lasso de la Vega eine erweiterte Fassung des Epos unter dem Titel Mexicana, ebenfalls dem Enkel von Hernán Cortés gewidmet. Bereits kurz nach seinem Tod 1615 schienen die Verdienste des Autors vergessen, seine Werke erfahren keine Neuauflagen, vieles bleibt unveröffentlicht 4 . Der Unterschied der beiden Epen von Lasso de la Vega über Cortés besteht nicht nur im Umfang und in dem gehobeneren Stil der Mexicana, sondern vor allem in einer veränderten Gesamtkonzeption. Zwar geht es in beiden Texten um eine panegyrische Präsentation der Heldentaten des Eroberers Mexicos, Hernán Cortés. Während jedoch die erste Version, Cortés valeroso, orientiert an López de Gomaras Historia oficial de la conquista de México, die historischen Ereignisse der Eroberung Mexicos durch Hernán Cortés besingt, wobei das Anliegen des Autors die idealisierte Präsentation von Held und Geschichte ist, gerät die Mexicana vollends zur Lobeshymne auf den heiligen Kreuzzug der Spanier unter der Ägide von Hernán Cortés gegen die Ungläubigen Amerikas, die mit dem Teufel im Bunde stehen. "Lobo Lasso [...] eleva la empresa americana a cruzada", stellt Amor y Vázquez 1 2

3 4

Vgl. Reynolds 1978:28; Amor y Vázquez 1957:120/121. Zu den Werken von Lasso de la Vega vgl. die Auflistung von Hermenegildo 1983:13-16. Viele Texte blieben bisher unveröffentlicht - Reynolds spricht von 50 unveröffentlichten Werken (vgl. 1978:28) - , einige gelten als verloren. Der Text von Elogios en loor de los tres famosos varones ist allerdings nicht, wie Hermenegildo behauptet, verloren, sondern befindet sich in der Ausgabe von 1601 in der Biblioteca Nacional in Madrid. Während Amor y Vázquez (vgl. 1970:XVI) sich noch die Frage stellt, ob die Initiative zu dem Epos von Lasso de la Vega oder der Familie Cortés ausging, gilt für Peñas der konkrete Auftrag als Tatsache (vgl. 1992:216). Auch die Literaturkritik hat Lobo Lasso de la Vega bisher weitgehend vernachlässigt. Alle Studien, die sich ausschließlich mit Lasso de la Vegas Amerika-Epen befassen, stammen von José Amor y Vázquez.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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fest 1 . Damit trägt der Autor der veränderten politischen Situation Rechnung und scheint sich gleichzeitig von den Vorgaben der Familie Cortés zu lösen 2 , indem er das Epos durch verstärkte Fiktionalisierung mehr der Literatur als der Geschichte verpflichtet, es außerdem einer Idee unterstellt, der er durch zunehmende Idealisierungen zu entsprechen versucht. So orientiert sich die Mexicana mehr an literarischen Vorbildern als ihr Vorläufer, wobei als wichtigste Quelle Tassos La Gerusalemme libérala auszumachen ist. Beide Versionen sind überdies von Ercillas Araucana beeinflußt, so daß J. T. Medina und A. Cometta Manzoni die beiden Epen mit Recht in die Kategorie der Araucana-Imitationen verweisen 3 . Für die Autoren dieser zweiten Gruppe ist nicht das eigene Erlebnis der Anlaß, ein amerikanisches Thema zu wählen, noch fühlen sie sich durch die Besonderheit eines Landes, das sie gar nicht kennen, dazu berufen, dessen Geschichte aufzuschreiben. Im Gegensatz zu den meisten ihrer in Amerika verweilenden "Kollegen" verfugen sie über eine umfassende Bildung. Das Schreiben ist ihr Beruf, für das sie ein Sujet suchen, während die Mehrzahl der oben behandelten Autoren durch das Erlebnis 'Amerika' schriftstellerisch tätig wird, ohne eigentlich Schriftsteller zu sein. Damit verfolgen diese Autoren andere Intentionen, die zudem nachhaltig durch deren Stellung am Hof bestimmt werden (dies gilt für Lope de Vega, Zapata und Lasso de la Vega), im Fall Cortés Ossorios durch dessen kirchliche Anbindung, eventuell auch durch eine verwandtschaftliche Beziehung. Da Amerika zu den wenig attraktiven Themen der Zeit gehörte, außerdem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die (historiographische) Literatur über Amerika auf besondere Weise zensiert wurde, mag es nicht verwundern, daß die von in Spanien lebenden Autoren verfaßten Epen zur amerikanischen Thematik zweckgebunden waren und den Interessen von Hof und Kirche nicht zuwiderliefen. Somit unterscheidet sich die Ausgangslage der Autoren, die in Amerika erlebte Ereignisse literarisch verarbeiten, wesentlich von der der ausschließlich in Spanien lebenden und produzierenden Schriftsteller. Die Kenntnis der in Spanien lebenden Autoren basiert nahezu ausschließlich auf der Lektüre, eventuell noch dem Gespräch mit Augenzeugen. Den Berichten der Amerikareisenden dagegen liegt in der Regel 1 2

3

José Amor y Vázquez, "Conquista y Contrarreforma. La Mexicana de Gabriel Lobo Lasso de la Vega". In: Actas del Segundo Congreso Internacional de Hispanistas. Hg.v. Jaime Sánchez Romeralo und Norbert Poulussen (Nijmegen 1967), 184. Obwohl auch die zweite Fassung dem Enkel von Hernán Cortés gewidmet ist, war der wahrscheinliche Auftraggeber der ersten, eventuell auch noch der zweiten Version, Martin Cortés, bereits tot, als die Mexicana erschien. Vgl. Amor y Vázquez 1970:XXVII. Daß es Martín Cortés um eine Ehrung seines Vaters unter Beibehaltung einer größtmöglichen historischen Treue ging, beweist ein Brief von diesem an den Dichter Lasso de la Vega, in dem es heißt: "[...] encargando a V.m. mucho que procure escusar todas poesías, pues la mezcla dellas suele causar menos opinión y autoridad a la historia, y la que es tan verdadera (como esta) es justo que carezca (para siempre) de toda duda". Der Brief findet sich im Prolog zu Cortés valeroso, hier zitiert nach Amor y Vázquez 1970:XVI. In dem gleichen Brief äußert Martín Cortés den Wunsch nach einer Fortsetzung des Cortés valeroso in zwei Teilen. Vgl. José Toribio Medina, La Araucana de Ercilla (Santiago de Chile 1918), 480; Aída Cometta Manzoni, El indio en la poesía de América Española (Buenos Aires 1939), 66/67.

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I. Präliminarien

zumindest teilweise Selbsterlebtes zugrunde. Ereignisse, Menschen, Landschaften wurden sinnlich erfahren, nicht intellektuell vermittelt. Was bei der ersten Gruppe die Erfahrung darstellt, ersetzt bei der zweiten die Lektüre. Dieser ungleiche Erfahrungshorizont schlägt sich freilich im Text nieder. Eine selbst geschaute Landschaft wird anders beschrieben als die bloß phantasievoll erdachte. Ein selbst erlebtes Ereignis wird auf andere Weise in den Text integriert als der Bericht eines Unbekannten. Während die in Amerika agierenden Autoren die eigenen Heldentaten gebührend darlegen können, muß sich der in Spanien verbleibende Autor mit der traditionellen Erzählerrolle begnügen. Gleichermaßen unterscheiden sich die Interessen und Intentionen der Autoren. Hier gilt es selbst Erlebtes für die Nachwelt zu bewahren, Perspektiven zu verteidigen, bis dahin nie Gesehenes festzuhalten. Bisweilen vermag sich ein ethnologisches Interesse am anderen zu manifestieren. Der Autor fern des Geschehens genießt den Vorteil der größeren Objektivität und könnte sich dadurch neutral eher der historischen Wahrheit verpflichten. Daß dies nicht der Fall ist, hängt mit der Position des höfischen Schriftstellers des Siglo de Oro zusammen, der Hof, Adel oder Kirche verpflichtet ist. Seine Literatur ist zweckgebunden, was die Funktionsweise wesentlich einschränkt. Welche Funktionalität den Texten letztendlich zugrunde liegt und ob sich diese fein säuberlich nach den beiden Autorengruppen trennen läßt oder ob doch Überschneidungen bestehen, das wird folgende Untersuchung zeigen.

3. Der aktuelle Stand der Forschung Wie oben bereits erwähnt, gehört das spanische Epos des Siglo de Oro nicht zu den beliebten Themen der Literaturwissenschaft. Dabei spielt es sicher eine bedeutende Rolle, daß die Epen heute nicht mehr gelesen werden, was sich deutlich an den Textausgaben ablesen läßt. Zwar ist die Mehrzahl der Texte veröffentlicht, allerdings nur in vereinzelten Editionen mit niedriger Auflagenzahl. Abgesehen von Ercillas Araucana gibt es weder kritische Ausgaben noch mehrere Editionen. Die modernen Textausgaben der Amerika-Epen datieren vorrangig vom 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als einige der Werke für die jeweilige Nationalliteratur der besungenen Region entdeckt wurden (z.B. Barco Centeneras Argentina oder Alvarez de Toledos Puren indömito). Bei einigen der modernen Ausgaben handelt es sich um Erstveröffentlichungen, so im Fall von Castellanos' Werk, das erstmalig 1930-32 vollständig publiziert wurde. Die einst so beliebte Gattung .st heute nicht mehr publikumswirksam, was sicher am Umfang der Texte, der für Narrationen heute ungebräuchlichen Versform und der speziellen Sprachgestaltung liegt, aber auch an der beträchtlichen Distanz zu den lokalen historischen Ereignissen, die zumeist sehr ausführlich geschildert werden. Zu einer weitgehenden Verdrängung dieses Genres haben vermutlich auch die negativen Urteile der Kritik des 19. Jahrhunderts beigetragen 1 . Von der Literaturwissenschaft berücksichtigt wurde lediglich Ercillas Araucana, obwohl auch hier - bedenkt man die große Verbreitung und Bedeutung des Werks das Interesse der Forschung eher mäßig ist2. Die Mehrzahl der diesbezüglichen Studien entstand in Chile, gilt das Werk doch als chilenisches Nationalepos. Auf ähnli1 2

Vgl. hierzu Pierce 1961:103-178. Vgl. August J. Aquila, Alonso de Ercilla y Ztiniga. A Basic Bibliography, London 1975.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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che Weise wurden auch andere Epen in die entsprechende Nationalliteratur integriert, deren Region sie besingen, und zu ersten Manifestationen einer nationalen Identitätsbildung erklärt. So geschah es mit Castellanos, über dessen Elegías mehrere umfangreiche Arbeiten vorliegen, meist in Bogotá erschienen. Die Hispanistik hat die Epenproduktion spanischer Autoren zur amerikanischen Thematik geflissentlich übersehen. Sie überließ das Feld der lateinamerikanischen Literaturwissenschaft, deren Vertreter jedoch gleichwohl die Kolonialzeit als eigentlich spanische jahrzehntelang übergingen und ihre Literaturgeschichten mit der Unabhängigkeit beginnen ließen 1 . Die Epen von Ercilla, Castellanos und Lope de Vega sind die einzigen, an denen die Forschung ein gewisses Interesse zeigt. Zu den übrigen Werken finden sich allenfalls vereinzelt Artikel. So ist auch über die meisten Autoren kaum etwas bekannt, werden Lebensdaten den Werken selbst entnommen. Da mag der Mangel an überblickender Sekundärliteratur kaum verwundern". Was die Romanzen mit amerikanischer Themenstellung betrifft, so ist ihre Anzahl zu gering, als daß man umfassende Arbeiten darüber erwarten könnte 3 . Hier fehlen vor allem Anthologien, was das mangelnde Interesse der Leser sowie der Forschung verrät. Eine Rezeption des literarischen Phänomens erfolgt eher noch in Lateinamerika, während die spanische Hispanistik auch bei der volkstümlichen Dichtung eine Beschäftigung mit der amerikanischen Thematik meidet. Ein gestiegenes Interesse der Forschung läßt sich nur zu den satirischen Romanzen Rosas de Oquendos verzeichnen, über die gerade in den letzten Jahren verschiedentlich Artikel erschienen 4 . Es verwundert, daß nicht einmal zum Jubiläum 1992, das doch Anlaß für eine verstärkte Auseinandersetzung mit Themen der Eroberung Amerikas war und auch im Bereich der Literaturwissenschaft zu einer verstärkten Anzahl von Arbeiten über Amerika gefuhrt hatte, den Epen eine größere Aufmerksamkeit gewährt wurde. Während Reiseberichte und historias Neuauflagen erfuhren und die Forschung zur historiographischen Literatur doch einige Sonderbände und Kongreßakten produ1 2

3

4

Erst in den letzten Jahren hat die Kolonialzeit in den lateinamerikanischen Ländern eine enorme Aufwertung erfahren, was eine vermehrte Anzahl von Publikationen beweist. Als Monographie zur spanischen Epik des Siglo de Oro liegt nur Pierce 1961 vor. Die Kolonialepik behandelt Avalle-Arce 2000, außerdem Piñero Ramírez 1982, Peña 1992:211251. Besprochen werden die Amerika-Epen auch in Esteve Barba 1992. Ein knappes Gesamtpanorama liefern Díaz Roig 1982; Díaz y de Obando 1989. Vgl. auch Aurelio González, "Los romances de la conquista: enfoques y perspectivas". In: Relaciones literarias entre España y América en los siglos XVI y XVII. Hg.v. Ysla Campbell (Ciudad Juárez 1992), 211-224. Sowohl Margarita Peña als auch Pedro Lasarte scheinen sich diesem Autor verstärkt zu widmen. Vgl. Peña 1992:70-121; Lasarte 1988. Vgl. außerdem Pedro Lasarte, "El retrato y la alegoría satírico-burlesca en Rosas de Oquendo". Lexis 10,1 (1986):77-93; "Mateo Rosas de Oquendo: La sátira y el carnaval". Hispanic Review 53,4 (1985):4I5-436; "Mateo Rosas de Oquendo y la escritura autobiográfica". Modern Language Notes 105,2 (1990):373-384; "La Sátira de Mateo Rosas de Oquendo: el carnaval y la transgresión". Revista de estudios hispánicos 19 (1992):251-265; "Mateo Rosas de Oquendo's Satira: Carnival, Necromancy, and Political Subversion". In: Coded Encounters: Writing, Gender, and Ethnicity in Colonial Latin America. Hg.v. Francisco Javier Cevallos-Candau u.a. (Amherst 1994), 101-111.

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zierte, blieb es im Bereich der epischen Dichtung bei wenigen Artikeln über Ercillas Araucana und die Elegías von Castellanos. Sollte auch heute noch der hybride Charakter des Genres zwischen Historiographie und Fiktion Literaturwissenschaftler wie Historiographen davon abhalten, sich eingehender mit diesen historisch wie literarisch interessanten Werken zu beschäftigen? Natürlich bestimmt die Forschungslage weitgehend auch die Ausfuhrungen dieses Teils der vorliegenden Studie. Während bei der Erarbeitung der einzelnen hier relevanten Aspekte von Ercillas Araucana, Juan de Castellanos' Elegías und Lope de Vegas Dragontea auch auf die Sekundärliteratur zurückgegriffen werden konnte, basieren die Ausfuhrungen zu den anderen epischen Texten nahezu ausschließlich auf eigenen Analysen der Primärwerke. *

Die epischen Texte und Romanzen behandeln die historischen Ereignisse der Aktivitäten Spaniens in Amerika. Die Schauplätze finden sich daher nahezu ausschließlich auf dem für Europa neu entdeckten Kontinent. Amerika, seine Bewohner, seine Landschaft stehen somit im Mittelpunkt der Texte. Aber es ist spanische Geschichte, die von den Autoren erzählt wird, zumeist mit spanischen Protagonisten, aus spanischer Perspektive. Die Situation der Autoren ähnelt der der Verfasser historiographischer Literatur: Auch von ihnen berichtete ein Teil von eigenen Erfahrungen, während der andere historias verfaßte, ohne je in Amerika gewesen zu sein. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit die fiktional-literarische Gattung Einfluß nahm auf die Darlegung und in welchem Maße das historische Geschehen fiktionalisiert wurde. Im Rahmen dieser Studie ist es notwendig, die Untersuchung exemplarisch durchzufuhren. Im Mittelpunkt sollen vier Texte stehen: Alonso de Ercilla La Araucana, Juan de Castellanos' Elegías de varones ilustres de Indias, Alonso Gregorio de Escobedos La Florida und Gabriel Lobo Lasso de la Vegas Mexicana. Durch diese Auswahl wird ein breites Spektrum der spanischen Epenproduktion zur amerikanischen Thematik abgedeckt. Drei der Autoren berichten von eigenen Erfahrungen auf dem amerikanischen Kontinent. Ercilla war als Soldat, Escobedo als Missionar tätig. Castellanos, der als Conquistador nach Amerika kam und sich dort später zum Priester weihen ließ, erzählt ebenfalls Selbsterlebtes, bemüht sich aber gleichzeitig um eine umfassende Gesamtdarstellung der historischen Ereignisse. Lobo Lasso de la Vega dagegen war niemals in Amerika. Er widmet sich als spanischer Hofschriftsteller Hernán Cortés und dessen Heldentaten. Während Ercillas Werk im Spanien des Siglo de Oro großen Erfolg hatte und heute als eines der bekanntesten spanischen Epen der Epoche gilt, wurde Escobedos Text niemals veröffentlicht und liegt nur in Manuskriptform vor. Die Elegías von Juan de Castellanos waren seit jeher heftig umstritten. Nur der erste Teil erschien im 16. Jahrhundert, während der Gesamttext erst 1930-32 publiziert werden konnte. Lasso de la Vegas Mexicana erfuhr nach der Veröffentlichung lediglich einen mäßigen Erfolg und ist heute fast unbekannt. Nicht nur bezüglich der Bedeutung der Autoren, sondern auch geographisch wird ein größtmöglicher Rahmen abgesteckt: Chile, Florida, Karibik, Venezuela, Kolumbien, Mexico. Bei Bedarf sollen die Analysen dieser vier Basistexte durch Einzelphänomene an-

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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derer Texte ergänzt werden. Da die Romanzen nur in geringer Anzahl vorliegen, sie bei weitem nicht über die Stoffbreite der Epen verfugen und außerdem zur damaligen Zeit nur von untergeordneter Bedeutung waren, werden auch hier nur besondere Einzelphänomene kommentiert. Das folgende Kapitel behandelt die thematische Darstellung Amerikas und der spanisch-amerikanischen Ereignisse in Epen und Romanzen. Die amerikanischen Ureinwohner werden in den Werken durchaus unterschiedlich präsentiert. Entsprechen die Indianerbilder der gängigen Vorstellung der Zeit, oder wird ein weitergehendes Verständnis erreicht? Nehmen die Amerikaner die Funktion von Statisten ein, oder machen sie den spanischen Protagonisten emsthafte Konkurrenz? Inwieweit werden literarische Reminiszenzen und Vorerfahrungen integriert? Dem folgt eine Untersuchung der spanischen Hauptakteure des Unternehmens 'Amerika 1 . Entsprechen die spanischen Protagonisten dem klassischen Helden der Epopöe? Oder finden sich alternative Präsentationen? Inwieweit wird Kritik am spanischen Vorgehen geübt? Die Rivalität zwischen Spanien und den anderen europäischen Nationen hat eine Anzahl der Autoren spanischer Epen zu Amerika offensichtlich sehr beschäftigt. Sie berichten von den Machenschaften des Francis Drake, so daß der Basistext dieses Unterkapitels Lope de Vegas La Dragontea sein wird. Auch die amerikanische Landschaft, Flora und Fauna boten dem europäischen Beobachter viel Neues. Wird in den Epen tatsächlich eine phänomenologische Erfahrung transponiert, oder streift der Blick auf das Neue nur die Oberfläche? Auch hier wird die Rolle eines literarischen Einflusses zu untersuchen sein. Während die Mehrzahl der Epen die Ereignisse der Eroberung thematisiert, findet sich das koloniale Leben nur wenig präsentiert. Eine Ausnahme stellen die satirischen Romanzen Rosas de Oquendos dar, die ein Gegenbild zum herkömmlichen Amerika-Diskurs schaffen. Da die theoretischen Ausführungen dieser Studie Epen und Romanzen als hybride Gattungen zwischen Historiographie und Fiktion definiert haben, sollen im dritten Kapitel der fiktionale und der realhistorische Gehalt der Texte untersucht werden. Dabei spielt aufgrund des hohen Anteils an erzählten selbsterlebten Ereignissen der autobiographische Aspekt eine bedeutende Rolle. Auf welche Weise wird die Person des Autors in den Gesang integriert? Kann es dem Ich-Erzähler gelingen, die rein subjektive Perspektive zu verlassen? Inwieweit trägt der autobiographische Aspekt zum fiktionalen Gehalt bei? Die Schilderung des historischen Geschehens wird in einem weiteren Unterkapitel exemplarisch dokumentiert. Hier geht es um Perspektivenbildung, um Abweichungen der Erzählung vom überlieferten historischen Verlauf samt Erklärungsmöglichkeiten. Das vierte Kapitel bietet eine Untersuchung der unterschiedlichen Funktionen der Texte. Auf den Aspekt der Unterhaltung, der der fiktionalen Literatur in jedem Fall inhärent ist, wird dabei nicht gesondert eingegangen. Da die Texte historische Inhalte darlegen, ist von einer primär informativen Funktion auszugehen. Weitere von den Autoren intendierte Funktionen der Texte wären die Panegyrik, die Lobpreisung Spaniens, die Legitimation und die Anklage. Ferner interessiert dann die Frage, inwieweit inhärente Funktionen den Text bestimmen und in das Schildern historischen Geschehens eingreifen. Ziel dieses Teils der Arbeit ist, die Position der Epen und Romanzen zur amerikanischen Thematik innerhalb der übrigen Amerika-Diskurse zu ermitteln. Neben der Darlegung von Einzelphänomenen möchte ich feststellen, ob der diesen Texten

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innerhalb des konstituierten Schemas zugewiesene Standort zwischen Fiktion und Historiographie tatsächlich eingelöst wird oder ob nicht doch Grenzüberschreitungen in Richtung Historiographie stattfinden. Die Ergebnisse werden weitergehende Aussagen über die Gattungszugehörigkeit der Werke dieser Textgruppe zulassen. Ist die These von der Konstituierung einer eigenen Gattung spanischer Amerika-Epen aufrechtzuerhalten? Inwiefern differieren diese von den gängigen Ependefinitionen? Darüber hinaus können Angaben zu den beiden Autorengruppen - persönliche Amerikaerfahrung oder nicht - gemacht werden. Lassen sich Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich Lebenserfahrung und Textkonstituierung erkennen?

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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II. Die Darstellung des spanischen Amerika Die Mehrzahl der hier verhandelten Autoren lebte in Amerika, einige sogar fast ihr ganzes Leben lang. Damit ergibt sich eine Situation der Wahrnehmung, die der der zuvor beschriebenen Amerikareisenden ähnelt: Lektüre und mündliche Berichte bestimmen die Vorerfahrung, die den Blick auf das Fremde und die daraus resultierende Wahrnehmung beeinflußt. Der Bildungshintergrund prägt die Erfassung des Phänomens 'Amerika' ebenso wie das eigene Erleben und die jeweilige fremde Erlebniswelt. Bei den in Spanien verbliebenen Autoren beschränkt sich die Kenntnis von Amerika auf die Lektüre, mündliche Berichte und die übrigen oben beschriebenen Informationswege. Entscheidend für den Produktionsprozeß von Literatur über Amerika ist die Intention des Autors, die den Verfasser von Epen von dem historiographischer Schriften unterscheidet. Die Autoren epischer Gedichte - wie im übrigen auch die der Kunstromanzen - wählen mit Bedacht eine fiktional-literarische Gattung für ihren Bericht. Im Verlauf der folgenden Untersuchung wird sich zeigen, inwieweit die speziellen Genreanforderungen Einfluß nehmen auf die Darstellung historischer Begebenheiten. Das erste spanische Epos, das zu einem Teil Geschehen in Amerika besingt, ist Luis de Zapatas Carlo famoso. Hier preist der Erzähler die Heldentaten des Hernán Cortés, wobei der amerikanische Kontinent als Kulisse dient, ein Verfahren, das sich auch in anderen, späteren Epen noch findet. Mit dem Erscheinen von Ercillas Araucana allerdings rückt dann Amerika in den Mittelpunkt der Betrachtung. Es waren vor allem die Bewohner der neu entdeckten Länder, die die europäischen Beobachter und Berichterstatter interessierten. Gleichzeitig galt es, die spanischen Eroberer gebührend zu präsentieren. Die Darstellung dieser beiden Antagonisten in Epen und Romanzen soll neben den Untersuchungen zu den spanischen Feinden, zu amerikanischen Landschaften und zur Kolonialgesellschaft der Gegenstand dieses Kapitels sein.

1. Die Darstellung der Indianer Die Ureinwohner Amerikas waren stets ein wichtiger, oft genug sogar der wichtigste Aspekt der spanischen Wahrnehmung amerikanischer Realitäten. Dabei oszilliert die eng mit der Wahrnehmung verbundene Wertung zwischen der Idealisierung eines guten "Wilden" und der Verdammung eines bösen "Barbaren", Positionen, die eine erste Formulierung schon bei Colon erfahren. Wie oben dargelegt, ist die spanische Haltung gegenüber den für Europa neu entdeckten Indianern auf der einen Seite gekennzeichnet durch eine vorbehaltlos offen geführte Diskussion um das "Menschsein" der amerikanischen Bewohner und um die Legitimation ihrer Unterwerfung. Auf der anderen Seite präsentierten vor allem die neu entwickelten Medien, aber auch die Festkultur und die darstellende Kunst das Bild des nackten Kannibalen mit Federschmuck und Pfeilen, der in Promiskuität lebt und mit Satan verbündet ist. In jedem Fall war die Überlegenheit des Europäers gegenüber dem Indianer festgeschrieben, den es zu missionieren galt. Diese stereotypen Muster prägten die Vorstellung weiter Teile der spanischen Bevölkerung, von der nur ein kleiner Kreis von Intellektuellen den neuen Völkern mit wahrer Neugier und Sympathie begegnete.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Welches Indianerbild findet sich nun in den Epen und Romanzen? Während die Bewohner Amerikas in den ersten Epen, Zapatas Carlo famoso und dem wahrscheinlich zwischen 1537 und 1539 verfaßten anonymen La conquista del Perú, eher Statisten gleichen, ist es Ercillas Araucana, die den Indianern in der Literatur erstmalig eine zentrale Position gewährt.

Ercillas Araukaner: ambivalente Präsentation zwischen Barbarentum und Heldenmut Es ist bemerkenswert, wie Ercillas Araucana sämtliche Diskurse der damaligen Zeit über das amerikanische Wesen in sich vereint. Der grausame, blutrünstige "Barbar" findet sich in dem Epos ebenso wie der hispanisierte Held, der hehren Idealen nacheifert, oder der naive, in Unschuld verharrende "Wilde". Allen Araukanem gemeinsam ist ihre Lust an kriegerischen Auseinandersetzungen, für die sie bereits als Kinder speziell ausgebildet werden und die sie meisterhaft beherrschen 1 . Die Bewohner Chiles sind für die Spanier "el fiero pueblo no domado/ que tuvo a Chile en tal estrecho puesta" (Ercilla 1979:1,130). Sie sind durchgängig "incultos bárbaros", ein Begriff, den der Autor im gesamten Text formelhaft wie zur Bezeichnung ihrer Herkunft benutzt. Darüber hinaus stehen die Araukaner mit teuflischen Mächten in Verbindung: Gente es sin Dios ni ley, aunque respeta aquel que fue del cielo derribado, que como a poderoso y gran profeta es siempre en sus cantares celebrado; invocan su furor con falsa seta y a todos sus negocios es llamado, teniendo cuanto dice por seguro del próspero suceso o mal futuro (Ercilla 1979:1,138).

Eponamón heißt der araukanische Dämon der Ungläubigen. Die große Grausamkeit der chilenischen Ureinwohner offenbart sich vornehmlich im Kampf, und diese schrecken auch vor kannibalistischen Praktiken nicht zurück 2 . Als besonders wild, brutal und dumm wird das gemeine Fußvolk präsentiert, wie z.B. die Truppen Lautaros 3 . Gleichzeitig verfügen die araukanischen Krieger über eine ganze Reihe positiver Eigenschaften :

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Zur militärischen Ausbildung, Ausrüstung und Kampfweise der Araukaner vgl. Ercilla 1979:1,131-136. "Causó que una maldad se introdujese/ en el distrito y término araucano/ y fue que carne humana se comiese/ (¡inorme introdución, caso inhumano!)/ y en parricidio error se convirtiese/ el hermano en sustancia del hermano;/ tal madre hubo que al hijo muy querido/ al vientre le volvió do había salido" (Ercilla 1979:1,293/294). Vgl. Ercilla 1979:1,342. Zur Charakterisierung der Araukaner vgl. auch Beatriz Pastor, Discurso narrativo de la conquista de América (La Habana 1983), 472-482; Dieter Janik, "Die Sicht der Indios im Epos La Araucana des Don Alonso de Ercilla". In ders., Stationen der spanischamerika-

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Son de gestos robustos, desbarbados, bien formados los cuerpos y crecidos, espaldas grandes, pechos levantados, recios miembros de niervos bien fornidos; ágiles, desenvueltos, alentados, animosos, valientes, atrevidos, duros en el trabajo y sufridores de fríos mortales, hambres y calores (Ercilla 1979:1,140). Die Indianer Ercillas gehorchen einem militärischen Ehrenkodex, wie ihn auch die Spanier kennen. Dies führt zu einer wesentlichen Erhöhung des araukanischen Volkes in Ercillas Darstellung. So sind Werte wie Freiheitsdrang und Vaterlandsliebe die Motive für die Kampfbereitschaft der Indianer. Bereits in seinem Prolog gewährt Ercilla den Kämpfern dafür seine Anerkennung: [...] son pocos los que con tan gran constancia y firmeza han defendido su tierra contra tan fieros enemigos como son los españoles. Y, cierto, es cosa de admiración que no poseyendo los araucanos más de veinte leguas de término, sin tener en todo él pueblo formado, ni muro, ni casa fuerte para su reparo [...] rodeada de tres pueblos españoles y dos plazas fuertes en medio della, con puro valor y porfiada determinación hayan redimido y sustentado su libertad [...] (Ercilla 1979:1,122). Die Araukaner sind jederzeit bereit, für ihr Vaterland ihr Leben zu opfern. Auch in ausweglosen Situationen kämpfen sie voller Mut und unbeirrt durch die Widrigkeiten Fortunas für ihre Unabhängigkeit'. 'Debemos procurar con seso y arte redemir nuestra patria y libertamos [...]' (Ercilla 1979:1,280), lautet die Aufforderung des Weisen Colocolo an die araukanischen Krieger. Es sind vor allem die caciques, die führenden Personen des araukanischen Volkes, die für die durchgängig positive Darstellung verantwortlich zeichnen. Sie erscheinen auf besondere Weise hispanisiert und werden heldenhaft präsentiert, allen voran die beiden Protagonisten Lautaro und Caupolicán 2 . Zwar sind auch sie Barbaren und wild, ihre Klugheit, ihr ehrenhaftes Verhalten 3 und ihr Heldenmut zeichnen sie jedoch vor der Masse der anderen Krieger aus. Bereits die erste Beschreibung Caupolicáns gibt die Richtung der Präsentation vor: nischen Literatur- und Kulturgeschichte. Der Blick der anderen - der Weg zu sich selbst (Frankfurt a.M. 1992), 27-42. 1 "Ihre Ehre, honor, spielt dabei eine ebenso große Rolle wie bei den Spaniern. Sie ziehen einen ehrenhaften Tod einem unehrenhaften, das heißt durch Feigheit geretteten Leben vor" (Held 1983:109). 2 Über die Frage des Protagonisten in der Araucana sind sich die Kritiker uneins. Es steht jedoch fest, daß Lautaro und Caupolicán die Protagonisten der araukanischen Seite sind. Vgl. hierzu William Melczer, "Ercilla's Divided Heroic Vision: A Re-Evaluation of the Epic Hero in 'La Araucana'". Hispania 56, Sonderband (1973):216-221; Hugo Montes, "El héroe de 'La Araucana'". Cuadernos hispanoamericanos 179 (1964):258-268. 3 John Van Home verweist auf die zumindest teilweise literarische Tradition des ehrenhaften Verhaltens. Vgl. John Van Home, "The Attitüde Toward the Enemy in Sixteenth Century Spanish Narrative Poetry". The Romanic Review 16,4 (1962):356.

164

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Era este noble mozo de alto hecho varón de autoridad, grave y severo, amigo de guardar todo derecho, áspero y riguroso, justiciero; de cuerpo grande y relevado pecho, hábil, diestro, fortísimo y ligero, sabio, astuto, sagaz, determinado y en casos de repente reportado (Ercilla 1979:1,160). Vernunft, militärische Disziplin und Taktik sind die Qualitäten der caciques, die sie zu idealen Kriegern machen, die ihre T r u p p e n in der H a n d haben. H ö h e p u n k t der Darstellung ist Caupolicáns Hinrichtung, die auf besondere Weise dessen Ehrvorstellung sowie seine Furchtlosigkeit demonstriert. So beschwert sich der araukanische Held über die geplante Art der Hinrichtung und verlangt seiner Position a n g e m e s s e n e W a f f e n und Henker 1 . O h n e Klage und unbewegt erträgt er die grausamste Folter 2 : No el aguzado palo penetrante por más que las entrañas le rompiese barrenándole el cuerpo, fue bastante a que al dolor intenso se rindiese; que con sereno término y semblante, sin que labrio ni ceja retorciese, sosegado quedó de la manera que si asentado en tálamo estuviera (Ercilla 1979:11,355). In Ercillas Beschreibung v e r f u g e n die Araukaner über ein organisiertes Staatswesen. Führendes Entscheidungsgremium ist der Senat, der durchaus mit d e m d e m o kratischen Senat R o m s verglichen werden kann: In ihm versammeln sich die durch ihre hauptsächlich militärischen Leistungen legitimierten Kaziken, um über neue Gesetze und politische Entscheidungen durch einen Mehrheitsbeschluß abzustimmen (Canto 1,35). Die Entscheidungen werden nach der Abstimmung dem gemeinen Volk verkündet und sind für alle bindend (Canto 1,37) (Held 1983:112). In den Senatssitzungen werden Probleme der K r i e g s f ü h r u n g erörtert und das weitere militärische V o r g e h e n koordiniert. D e m Senat k o m m t innerhalb des E p o s eine wichtige Funktion zu, die nicht nur struktureller N a t u r ist 3 , da er A r a u c o zu einem einfachen, aber funktionierenden Staatswesen mit demokratischer Grundstruktur macht. Die positive Zeichnung der Araukaner, der das H a u p t a u g e n m e r k der Kritik gilt 4 , 1 2

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Vgl. Ercilla 1979:11,354. Der Symbolwert der Pfählung Caupolicáns erinnert an die Kreuzigung Christi. Vgl. Jaime Concha, "Observaciones acerca de La Araucana". In: Estudios filológicos I. En Homenaje a Eleazar Huerta (Santiago de Chile 1964), 71. Auf den strukturellen Aspekt verweist Held 1983:112/113. Dabei bemängeln verschiedene Kritiker die Präsentation der Indianer als zu positiv und idealisiert, während die Spanier ungerechterweise negativ im Schatten der Araukaner stünden. Vgl. hierzu z.B. Miguel Angel Vega, "Los caracteres en 'La Araucana'". Atenea 35,382 (1958):54-74. Von anderen - chilenischen - Kritikern wird Ercilla als Vorläufer der chilenischen Unabhängigkeitsbewegung gefeiert, der den Nationalcharakter des chilenischen Vol-

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

165

basiert zu einem großen Teil auf dem Antagonismus zwischen den Indianern und den Spaniern 1 , die schwach, habgierig und insgesamt wenig heldenhaft erscheinen. Die epischen Helden sind hier die Araukaner. Die Präsentation eines ftir seine Freiheit kämpfenden gegnerischen Volkes mit rudimentär demokratischen Grundzügen in der Form eines historischen Epos läßt an Lukans Pharsalia denken, deren Einfluß auf Ercilla inzwischen hinreichend belegt und kommentiert wurde 2 . Diesem Epos entlehnte Ercilla die Grundstruktur: das nach Freiheit strebende unterdrückte Volk im Kampf gegen den Tyrannen. Aus dieser Struktur sollte aber letztendlich die der Araucana inhärente Widersprüchlichkeit resultieren, da Ercilla als auf der Seite der Sieger an dem Krieg Beteiligter die Spanier nicht uneingeschränkt als Tyrannen präsentieren konnte. Zwar sind die in Chile agierenden Spanier tatsächlich sehr negativ dargestellt - mit Ausnahme Ercillas eigener Person - , ihnen steht jedoch als übergeordnete Instanz die spanische Monarchie vor, deren ideale Herrscher Karl V. und Felipe II. Ercilla zufolge zu Recht einen christlichen Universalanspruch vertreten und in der Araucana von der Tyrannis weit entfernt sind. Sie fuhren gemäß Ercilla einen gerechten Krieg, den sie auch gewinnen, und es ist nicht ihnen anzulasten, daß es ihren in Chile agierenden Vertretern an der gebotenen Qualität mangelt. So überträgt der Autor die antagonistische Grundstruktur der Pharsalia auf die Vorgänge in Arauco, löst diese aber teilweise durch die Anbindung an die spanische Monarchie wieder auf 3 . Zusammen mit der nicht ausschließlich positiven Präsentation der Araukaner führen diese strukturellen Besonderheiten zu der Widersprüchlichkeit, die dem Werk eignet und die die Kritiker bis heute beschäftigt. Doch es ist nicht nur Lukans Pharsalia, die in ihrer Struktur eine Erhöhung der gegnerischen Seite vorsieht 4 . Sympathie für den Gegner findet sich auch in der mittelalterlichen Literatur über Mauren, für die sich bis ins 17. Jahrhundert Beispiele von Idealisierungen finden und von der Ercilla neben dem Cantar de Mio Cid auf jeden Fall die Romanzen bekannt waren 5 . Unabhängig, wild und tapfer sind auch die

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2

kes richtig erfasse und beschreibe. Vgl. hierzu z.B. Fernando Alegría, La poesía chilena. Orígenes y desarrollo del siglo I6al / 9 (México, Buenos Aires 1954), 37-39. Eine quantitative Analyse der Araucana belegt eindeutig, d a ß die den Indianern gewidmeten Passagen überwiegen. Vgl. Víctor Raviola Molina, "Elementos indígenas en 'La Araucana' d e Ercilla". In: Pablo Neruda u.a., Don Alonso de Ercilla. Inventor de Chile (Santiago de Chile u.a. 1971), 129-131. Vgl. hierzu Dieter Janik, "Ercilla, lector de Lucano". In: Homenaje a Ercilla. Hg.v. Luis E. Muñoz G. u.a. (Concepción 1969), 83-109. Ausführlich formuliert findet sich diese

Einflußnahme erstmalig bei Clotilde Schlayer, Spuren Lukans in der spanischen 3

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Dichtung

(Heidelberg 1927), 43-49. Auch Schlayer weist auf das Problem hin, das die Übernahme der Grundstruktur der Pharsalia für Ercillas Araucana bedeutete: "Das Hauptproblem j e d o c h , das die Grundspannung der Pharsalia bildet: der Konflikt zwischen Herrschertum und republikanischer Freiheit, lag dem spanischen Geiste eigentlich sehr f e m " (1927:30). Über den Einfluß weiterer klassischer Epen spekuliert Glenroy Emmons, "Possible Literary-Historical Influences on Ercilla's Portrayal of the Araucanos". Kentucky Romance Quarterly 15,4 (1968):350/351. Der Einfluß von Ariosts Orlando furioso betrifft eher die formale Struktur, die Präsenz des Erzählers im Geschehen und die Gestaltung einiger Episoden um Frauenfiguren. Vgl. auch Piñero Ramírez 1982:168.

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II. Die Darstellung des spanischen Amerika

Keltiberer, die gegen die Römer kämpften, was ebenfalls in der Literatur und in Legenden thematisiert wurde 1 . Das Bild des "hombre salvaje", des "wilden Mannes", findet sich in der gesamten Literatur des Mittelalters und zeigt eindeutige Parallelen zu einigen Aspekten der araukanischen Indianer Ercillas 2 . Auf eine utopische Konzeption verweist eine weitere Gruppe von Indianern in Ercillas Araucana, bei denen es sich allerdings nicht um Araukaner handelt. Während einer Erkundungsfahrt auf der Suche nach einem Zugang zur Magellanstraße treffen die Spanier im Epos in der Nähe der Insel Chiloé auf einen Indianerstamm,der im Sinne der "guten Wilden" des Goldenen Zeitalters beschrieben wird: el franco ofrecimiento y hospedaje, la buena traza y talle de la gente, blanca, dispuesta, en proporción fornida, de manto y floja túnica vestida [...] (Ercilla 1979:11,380). Diese Indianer hatten bisher keinerlei Kontakt zu Europäern und verharren noch in ihrem idealen Naturzustand: La sincera bondad y la caricia de la sencilla gente destas tierras daban bien a entender que la cudicia aún no había penetrado aquellas sierras; ni la maldad, el robo y la injusticia (alimento ordinario de las guerras) entrada en esta parte habían hallado ni la ley natural inficionado (Ercilla 1979:11,381). Sie unterscheiden sich somit von den habgierigen Spaniern, aber auch von den kriegerischen Araukanern. Damit knüpft Ercilla an die utopischen Vorstellungen an, wie sie von verschiedenen Seiten in die amerikanische Realität projiziert wurden 3 . Die bisherigen Ausfuhrungen zeigen deutlich, daß die Araukaner tatsächlich wie Morinigo behauptet - vorrangig "personajes poéticos" und "personajes imaginados" 4 sind. Dies beweisen die literarischen Vorbilder ebenso wie die Hispanisierungen und die damit verbundene Idealisierung.

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Auf diese Legenden sollte sich später Cervantes' Numancia stützen. Zum Konzept des "wilden Mannes" vgl. Richard Bernheimer, Wild Men in the Middle Ages. A Study in Art, Sentiment, and Demonology, Cambridge 1952; Oleh Mazur, The Wild Man in the Spanish Renaissance and Golden Age Theater. A Comparative Study Including the Indio, the Bárbaro and Their Counterparts in European Lores (Ann Arbor 1980), vor allem 1-71; José Antonio Madrigal, La función del hombre salvaje en el teatro de Lope de Vega, Tirso de Molina y Calderón de la Barca (Kentucky 1973), 8-154; Fausta Antonucci, El salvaje en la comedia del Siglo de Oro. Historia de un tema de Lope a Calderón (Pamplona, Toulouse 1995), 19-57. Vgl. hierzu Jaime Concha, "El otro nuevo mundo". In: Homenaje a Ercilla. Hg.v. Luis E. Muñoz G. u.a. (Concepción 1969), 76. Marcos A. Morinigo, "Españoles e indios en La Araucana". Filología 15 (1971 ):209/210. Der Artikel findet sich verkürzt in Morinigos Einleitung seiner Ausgabe der Araucana. Vgl. Morinigo 1979:37-41.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Se trata simplemente de que indios y españoles no están vaciados en el mismo metal. Los primeros lo están en el luminoso de la fantasía poemática, los españoles en cambio en el menos brillante de la realidad histórica (Morínigo 1971:213).

Auch wenn verschiedene Kritiker darum bemüht sind, die historischen Grundlagen der Araucana und den Wahrheitsgehalt einiger Episoden hervorzuheben 1 , so ändert dies doch nichts an dem Gesamteindruck des indianischen Personals des Epos. In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß auch die historiographiSchen Berichte zum Teil erheblich fiktionalisiert waren. Dies gilt beispielsweise für die 1558 verfaßte Crónica de los reinos de Chile von Jerónimo de Vivar, die 1966 erstmalig publiziert werden konnte. Es ist zu vermuten, daß Ercilla das Manuskript bekannt war, was aufgrund des Fehlens anderer früher historiographischer Schriften zu den von Ercilla geschilderten Ereignissen von großer Bedeutung ist2. Durand sieht durch die Übereinstimmung einiger Episoden der Araucana mit dieser und anderen historiographischen Schriften - er nennt z.B. die bisher als fiktiv eingeschätzte Holzstammprobe der Araukaner 3 - den Wahrheitsgehalt des Epos bestätigt. Allerdings finden sich gerade in der Crónica Vivars wiederholt fiktionale Einsprengsel, wie z.B. Vergleiche der Araukaner mit antiken Helden. Und auch eine Bestätigung des realen Gehalts einer Episode durch andere Schriften ändert nichts an dem primär fiktional-literarischen Charakter der indianischen Figuren von Ercillas Araucana. Natürlich verweisen die Araukaner Ercillas auf ihren realen Ursprung. Und es ist sogar davon auszugehen, daß Ercilla die Indianer tatsächlich so gesehen hat, wie er sie dann in seinem Epos beschreibt: Allein die Tatsache, daß diese Einheimischen es wagten, den Spaniern zu widerstehen - teilweise sogar erfolgreich machte sie für die erstaunten Spanier zu "superhombres" (Morínigo 1971:210). Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, daß das eigene Lager ebenfalls aufgewertet wird, wenn es diese glorreichen Indianer besiegt. Und am letztendlichen Sieg und der Überlegenheit der Spanier wird auch bei Ercilla nie gezweifelt. Die fiktional-literarische Form der Araukaner ermöglicht die Integration unterschiedlicher Bilder indianischen Seins. Zwar bleibt die Anbindung an das real Mögliche gewahrt, die fiktionale Ausprägung erlaubt jedoch das Zusammenbringen dessen, was die Realität ausschließt: Los indios [...] son personajes poemáticos por su exotismo, porque no pertenecen al mundo dominado por la civilización cristiana. En su papel de personajes poéticos pueden llevarnos de asombro en asombro, desde la inesperada e increíble pericia militar hasta las cumbres de la más insólita barbarie (Morínigo 1971:209).

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So z.B. José Durand, "Caupolicán, clave historial y épica de 'La Araucana'". Revue de littérature comparée 52,2-4 (1978):367-389. "No hubo durante varios decenios otro texto impreso que narrara con algún detenimiento aquellos hechos, y [La Araucana] tuvo así que servir, para bien y para mal, como crónica y como poema. Los estudios históricos sobre la época han solido partir de La Araucana por ser la más antigua relación existente [...]" (Durand 1978:369). So basiert z.B. der historische Bericht von Alonso de Ovalle, Histórica relación del reino de Chile, der im 17. Jahrhundert publiziert wurde, auf Ercillas Araucana. Vgl. Durand 1978:383-385.

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II. Die Darstellung

des spanischen

Amerika

Escobedos Florida: ethnologisches Interesse und christliche Mission Die Indianer, die sich in Escobedos Werk finden, sind keine vorrangig literarisch gestalteten Helden wie in Ercillas Araucana, sondern durchwegs namenlose Gestalten, eine anonyme Masse, aus der nur ab und zu eine Person hervortritt. Der Autor präsentiert auf ziemlich realistische Weise Einheimische auf Cuba und in Florida, offensichtlich ohne sich auf literarische Vorbilder zu berufen. Weit entfernt von jeglicher Idealisierung dominiert in dem Text die Perspektive des Franziskanermönchs 1 , der in den Indianern Feinde sieht, die bekämpft und vor allem missioniert werden müssen. Escobedos Epos gleicht einem ethnologischen Bericht: The descriptions of the land and the people are accurate; there is no invention o f the fancy, no 'tall tale'. In this section, what Escobedo teils checks closely with other eye witness accounts, providing useful data for historian and anthropologist (Riis Owre 1964:243). 2

Es ist vor allem der dritte Teil des Epos, in dem der Leser Sitten und Gebräuche der Indianer von Florida, insbesondere aber deren Glauben bzw. Irrglauben präsentiert bekommt (f. 304-353). Im ersten Teil berichtet Escobedo davon, wie Indianer in Florida einige Franziskanermönche folterten und töteten, die 1595 mit Juan Silva nach Florida gekommen waren. Der zweite Teil enthält knappe Informationen über die Ureinwohner Cubas, die Escobedo als gläubig und freundlich beschreibt, allerdings nicht ohne auf ihren früheren Irrglauben hinzuweisen 3 . Am Ende des zweiten Teils (f. 240-248) findet sich die Geschichte eines Mannes, der siebzehn Jahre unter den Indianern Floridas lebte und sich gesellschaftlich assimilierte, ohne jedoch den christlichen Glauben aufzugeben. Dessen Erzählung betont den Antagonismus zwischen Gläubigen und Ungläubigen und die Position der Indianer als Feinde der Christen. Zwar fehlt der Begriff des Barbaren; dennoch werden die Indianer Floridas als äußerst unzivilisiert und wild beschrieben 4 , was sich bereits in ihrem Äußeren zeigt: Una raya a su cara negra baña Que con su propio sangre fue teñida Que sube de la barba hasta la frente Para ser conocido por valiente

[...] 1

2

3

4

Da Escobedo als eigenständige Person unbekannt ist, müßte man hier korrekterweise vom Erzähler des Textes sprechen. Aufgrund der sehr wahrscheinlichen autobiographischen Grundstruktur des Werks können Erzähler und Autor jedoch gleichgesetzt werden. "Some information given in the Escobedo poem is new and adds to our historical knowledge. Of especial value are his descriptions of the Indian ways. Anthropologists have in Escobedo a fascinating new source of information" (Amade 1963: IX). "Los Dioses que los Indios adoravan/ Y supe de los uiejos por certeza/ Que al Demonio enuidioso respetavan [...] Mas los Indios de agora están contritos/ Y guardan la doctrina refulgente/ De la yglesia de Dios con gran respecto/ Tiniéndola en el alma por objecto" (Escobedo o.J.:208r). Die Indianer Floridas, die Escobedo beschreibt, gehören zur Gruppe der Timucua-Indianer. Für Informationen über diese Indianer vgl. James W. Covingtons Anmerkung in: James W. Covington (Hg.), Pirates, Indians and Spaniards. Father Escobedo's 'La Florida' (St. Petersburg, Florida 1963), 137/138. Zur Geschichte der Kolonisierung Floridas vgl. Patricia R. Wickman, "The Spanish Colonial Floridas". In: New Views of Borderlands History. Hg.v. Robert H. Jackson (Albuquerque 1998), 193-225.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Tienden la cauellera como capa Parece cada qual salvaje o fiera [•••] aunque visten de arrogancia Que no puede el vestido miserable Sufrirse por su olor ser detestable (Escobedo o.J.:328r-329r).

Dem folgen Ausführungen über die Essensversorgung der Indianer. Diese leben hauptsächlich von Mais, den Erträgen der Jagd' und des Fischfangs, wobei jedoch nur der Fisch im Überfluß vorhanden war2. Als Besonderheit der im übrigen als äußerst spärlich geschilderten Küche beschreibt der Autor ein nahrhaftes Getränk, cacina, das bei gesellschaftlichen Anlässen mit einer bescheidenen Zeremonie getrunken wird3. Über das Gemeinwesen der Indianer verrät der Autor nur wenig. Er erwähnt lediglich caciques, einflußreiche Personen und solche niederen Standes. Alle leben sie in bohíos, einfachen Hütten. An verschiedenen Stellen läßt sich der Franziskanermönch über die Freigebigkeit der Indianer aus, die den Reichen seinen Besitz mit dem Armen teilen läßt. So wird der Fischfang an die Besitzlosen verteilt 4 , und der cacique versorgt seine Untertanen mit Mais 5 . Die Bewertung Escobedos. der dieses Verhalten nur bei gläubigen Christen gutheißen kann, zeigt die dominierende Allmacht des Glaubens und Missionsgedankens: Si como tienen obras fee tuvieran Fueran de los llamados y escogidos Mas porque en el Demonio vil esperan Serán con fuego eterno consumidos (Escobedo o.J.:337r).

Da die Einheimischen Floridas für Escobedo wie alle Indianer Kinder des Teufels sind, muß ihre allumfassende Schlechtigkeit hervorgehoben werden. Sie frönen einer Vielzahl von Lastern, vorrangig moralischen Verfehlungen 6 , die sie u.a. in Polygamie leben lassen 7 . Besonders betont wird die Grausamkeit der Indianer. Dies zeigt sich bereits im ersten Teil, denn Escobedo beginnt seine Informationen über die Einheimischen Floridas mit einem Bericht über den Aufstand von Guale (1595), in dessen Verlauf nach Escobedos Darstellung vier Missionare von Indianern gefoltert wurden, von denen nur einer mit dem Leben davonkam 8 . Das Vorgehen der Indianer 1 2

3 4 5 6 7 8

Vgl. Escobedo o.J.:338r. Die im Text beschriebene Art des Fangs begeisterte sogar den ansonsten den Indianern wenig freundlich gesinnten Escobedo: "Y alabaua del Indio el exercicio/ Es de los que yo vi más señalado/ Ynstrumento formal contra el vil uicio" (Escobedo o.J.:336v). Noch größere Bewunderung zollt Escobedo dem Walfang. Vgl. Escobedo o.J.:340v. Vgl. Escobedo o.J.:331 r-332r. Vgl. Escobedo o.J.:337r. Vgl. Escobedo o.J.:344v-346r. So sind sie nicht bereit, sich dem Emst des Lebens zu stellen. Ihr Lebensinhalt ist der Genuß. Vgl. Escobedo o.J.: 15lr. Vgl. Escobedo o.J.:327v. Vgl. Amade 1963:VII. Aus unbekannten Gründen unterschlägt Escobedo einen fünften von Indianern gefolterten und getöteten spanischen Mönch und Märtyrer, Fray Blas Rodríguez. Vgl. Pou y Martí 1927:57-60. Für den Anlaß des Aufstands vgl. Covington 1963:39.

II. Die Darstellung des spanischen Amerka

170 ist dabei äußerst gewalttätig: [•••] Y otros con gruesas piedras molestaron Al martyr de la orden Franciscana. Con macanas y palos lo mataron Con término ynsolente y furia ynsana Quitándole la piel de la cabeca Con mucha agilidad y sutileza (Escobedo o. J.: 156r).

Zudem ist es unter diesen Indianern üblich, die Gegner zu skalpieren und sich die Trophäe ans Bein zu binden 1 . Die Waffen der Indianer sind Pfeil und Bogen und die macana, eine Holzkeule, wie sie auch die "Wilden" der mittelalterlichen Literatur benutzen. Die Kriegskunst der Indianer ist ein weiterer Aspekt, der die Anerkennung des ansonsten sehr gestrengen Fray Escobedo findet2. Das Hauptaugenmerk der Betrachtungen des Franziskanermönchs liegt jedoch auf dem religiösen Leben der Einheimischen und seiner Aufgabe als Missionar. Wie die Mehrzahl der Spanier ist auch Escobedo davon überzeugt, daß Amerika das Reich des Teufels ist3. Die Indianer beten Sonne, Mond und andere Naturerscheinungen an, was vom Autor heftigst verurteilt wird 4 . Auf besondere Weise verehren die Einheimischen Schlangen als Götter. So wird eine tote Schlange zum Demonstrationsobjekt für die erste Predigt des Mönchs vor seiner indianischen Gemeinde 5 . Obwohl der missionarische Aspekt den gesamten Text nachhaltig bestimmt, erfahrt der Leser nur wenig über Escobedos Erfolg als Missionar. Man gewinnt jedoch den Eindruck, daß die Indianer sich zwar leicht bekehren lassen, aber ebenso schnell ihre alten Glaubensvorstellungen und -praktiken wiederaufnehmen. So sind die Rückfalle in den alten Glauben ein beständiges Thema 6 . Der Glaube bzw. Irrglaube der Indianer wird für Escobedo zum alles bestimmenden Kriterium bei der Wahrnehmung und Beurteilung des Indianischen. Jegliche Handlungsweise wird durch den Unglauben erklärt. Diese Voreinstellung und die damit verbundene Wertung verhindern, daß Escobedo die Bewohner Floridas wie Gleichgesinnte betrachtet und beschreibt. Als Ungläubige haben die Einheimischen bei Escobedo keine Chance, außerhalb der christlichen Werteskala beurteilt zu werden. So finden sich in dem Text mehrere Passagen, in denen der Mönch sich anerkennend äußert über Verhalten oder Fähigkeiten der Indianer, dies jedoch sofort zurücknimmt mit dem Hinweis auf den Unglauben 7 . Auf diese Weise ist die paternalistische Haltung den einheimischen Amerikanern gegenüber festgeschrieben. 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Escobedo o.J.:351v. "Admírame de uer vn desarmado/ Vestido del arnés de su fiereza/ Salir a la batalla sin enfado/ Más grande de su ánimo la alteza/ Con sola la macana al diestro lado" (Escobedo o.J.:332r). Vgl. dazu mehrere Anspielungen in Escobedo o.J.: z.B. 307r-308r,208r. "Y con esto a sus almas hazian guerra/ Por apartar de Dios sus coracones" (Escobedo o.J.:210r). Vgl. Escobedo o.J.:311 v-313v. Vgl. z.B. Escobedo o.J.:313v/314r. Vgl. z.B. Escobedo o.J.:337r.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Die Darstellung der Indianer in Escobedos Epos gleicht der eines ethnologischen Berichts. Der Leser erhält rudimentäre Informationen über das Wesen und das Alltagsleben der Einheimischen Floridas, wobei j e d o c h der Aspekt des G l a u b e n s dominiert. Die Indianer in La Florida werden einzig aus der Perspektive ihres ErzählerAutors geschildert, der auf realistische Weise exakt das wiederzugeben scheint, was er in Florida sah. Die wenigen Aussagen anderer Personen über indianisches Sein in d e m Epos decken sich vollständig mit d e m Bild, das der Erzähler liefert. Bestimm e n d e s Element ist der christliche Glaube, der die Einheimischen Floridas zu Anhängern einer Irrlehre und zu Verbündeten Satans degradiert. Er ist der einzige M a ß stab bei der Beurteilung und Beschreibung des f r e m d e n anderen.

Die Elegías von Castellanos: realistische Präsentation und fiktional-literarische Erhöhung O b w o h l den indianischen Figuren in den Elegías de varones ilustres von Juan de Castellanos keine zentrale Position z u k o m m t , wie der Titel bereits verrät 1 , enthält das Werk doch hinlänglich Informationen und teilweise auch ausfuhrliche Beschreib u n g e n über indianische Belange. Dabei vereint der Autor in seinem epischen Gedicht beide zuvor dargelegten Präsentationsweisen von Indianern, die von Ercilla und die von Escobedo. Während auf der einen Seite Informationen über verschiedene Indianerstämme des karibischen Raums, aus Venezuela und Kolumbien gegeb e n werden - e i n e m ethnologischen Bericht nicht unähnlich ragen andererseits einige indianische Persönlichkeiten aus der a n o n y m e n M a s s e heraus, die ausfuhrlich beschrieben und fiktional-literarisch angereichert werden. Die beobachtend-ethnologische Information enthält eine Vielzahl verschiedener Aspekte. Wie in den historiographischen Berichten beschreibt der Autor z u s a m m e n mit der Landschaft, der Fauna und Flora einer Region auch deren B e w o h n e r . Dabei erfolgt zunächst eine kurze Darlegung des Äußeren, begleitet von k n a p p e n Details der Lebensumstände. Als Beispiel hier eine kurze Beschreibung der indianischen B e w o h n e r der Insel Margarita: Mujeres naturales y varones Es en universal gente crecida, De recias y fornidas proporciones, A nuestros españoles comedida: Son todos de muy sanas complexiones Y todos ellos viven larga vida. Son poco curiosos labradores, Por ser cazas y pescas sus primores (Castellanos 1944:151). Die weitere Lektüre liefert exakte Charakteristika der Personen, wie Details über ihre Wesensart oder ihre Ausrüstung. Ein zentraler Aspekt ist die Kriegskunst. Unbekannte Gegenstände des Alltags werden häufig mit indianischen Worten benannt. N e b e n Alltagssituationen finden sich auch Beschreibungen von Sitten und Gebräu-

1

Bei den "varones ilustres" handelt es sich um spanische Conquistadores und Gouverneure. Der geringe Stellenwert der indianischen Thematik in d e m Werk von Castellanos erklärt das Fehlen diesbezüglicher Studien der Sekundärliteratur.

II. Die Darstellung des spanischen Amerika

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chen, religiösen Ritualen und Glaubensvorstellungen. Als Beispiel mag hier die Hochzeitsfeier von "dos hijos de personas principales" auf der Karibikinsel Cubagua dienen: Aquí y allí caterva de salvajes Bailaban á compás en ancho coro, Haciendo muchos gestos y visajes, A la danza guardando su decoro: Míranse los esposos á porfía Y un rato consumieron comtemplando, Y ella para mostrar qué tal estaba Al mozo dió las flores que llevaba. [...] Y ansí su casamiento quedó hecho: Luego por multitud tan infinita Hubo de recogijos grande grita. El esposo se fué tras su querida Con estruendo de bailes y de danzas, Dase muy abundante la comida, Crecen en el beber las destemplanzas: [...] (Castellanos 1944:130/131).

Wie die Verfasser der historias bemüht sich Castellanos um eine Integration der indianischen Vorgeschichte in seine Darlegungen. Zwar beklagt er die Ignoranz der Indios des Nuevo Reino de Granada an ihrer eigenen Geschichte 1 , beschreibt aber dann in vielen Versen die Kämpfe der Könige und Urahnen". Dieses Interesse an der Vergangenheit der indianischen Ureinwohner hindert ihn jedoch nicht daran, die Indios als Verbündete des Teufels zu präsentieren, wie z.B. die Bewohner von Cincorona: Pero costumbres se verán malditas En los que parecieren mas enteros, Y por la mayor parte sodomitas, Idólatras y grandes hechiceros. Con otras abusiones infinitas Cerca de juzgar cosas por agüeros: Adoran en efecto los demonios, Y aquestos no son falsos testimonios (Castellanos 1944:322).

Obwohl auch Castellanos die amerikanischen Indianer als Priester nach christlichen Maßstäben bewertet, ist sein Urteil bei weitem nicht so rigoros wie das von Escobedo. Sei es aufgrund des längeren Aufenthalts in Hispanoamerika oder aufgrund einer loseren Bindung an die katholische Kirche; der Priester-Autor weiß seine Beurteilungen zu relativieren. So vermag er den eben noch verdammten Indianern auch positive Seiten zuzugestehen 3 . Und nur wenigen Spaniern war es damals möglich, 1 2 3

Vgl. Juan de Castellanos, Obras II. Hg.v. Parra León Hermanos (Caracas 1932), 343. Vgl. hierzu z.B. Castellanos 1932:11,343-356. "Pero flojos no son ni perezosos/ En el labrar y cultivar la tierra,/ En sus oficios son ingeniosos,/ Y la holgazanía se destierra:/ Hay muchos tejedores, hay plateros,/ Y muchos, de sus usos, carpinteros" (Castellanos 1944:322).

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und

Romanzen

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wie Castellanos die angebliche Anthropophagie der Indianer als religiöses Ritual zu erkennen: Comen algunos destos carne humana Por via de pasión y de venganza, Y aquesta crudelísima comida Es fuera de sus casas ascondida. [...] Antes parece tal mantenimiento Selles un cierto modo de tormento (Castellanos 1944:80/81).

Castellanos vertrat in seiner Beurteilung des indianischen Wesens nicht die starre christliche Weltsicht Escobedos. Wie Meo Zilio treffend feststellt, entwickelte sich Castellanos' Blick von einem theologischen zu einem anthropologischen: "[...] con el correr de los versos la actitud teológica tenderá a convertirse en antropológica, más pragmática y terrenal" 1 . Bei der Mehrzahl der Indianer, die in Castellanos' Elegías benannt und beschrieben werden, handelt es sich um eine weitgehend anonyme Masse, wild, unzivilisiert, zumeist in gewaltsame Kämpfe mit den Spaniern verstrickt, oft unterlegen. Darüber hinaus präsentiert Castellanos einige Indianer, die eine größere Bedeutung für das Geschehen haben und deshalb ausführlicher beschrieben werden. Ähnlich wie bei Ercilla erscheinen diese hispanisiert und fiktionalisiert. Dabei wird jedoch in den meisten Fällen die realistische Schreibweise nicht aufgegeben, vielmehr reichert der Autor ein real gegebenes Bild durch Metaphern, Vergleiche und andere rhetorische Figuren, aber auch durch mythologische Versatzstücke literarisch an. Ein Beispiel dieser Art von "elaboración literaria de elementos reales" (Pardo 1991:318) findet sich in einer Beschreibung von Indianern, die auf der Insel Trinidad gegen spanische Truppen kämpfen: Como leones fieros van bramando Contra los peregrinos navegantes. Víanse los plumajes ondeando Y aquellas estaturas de gigantes: Aguilas en los pechos relumbrando Que de riqueza muestras son bastantes. Los arcos entesados á los pechos Camino de los nuestros van derechos (Castellanos 1944:89).

Bei anderen Figuren allerdings ist der Bezug zur realen Schilderung geringer, und der Autor rekurriert verstärkt auf literarische Modelle". Hierzu gehört beispielsweise der fiktive cacique Goaga Canari auf La Española, der als "edler Wilder" die Ankunft des Christentums im Traum vorhersah 3 . Hierzu gehören die Nymphen, die sich an verschiedenen Stellen des Epos einfinden, ebenso wie anderes Personal aus Rit1 2

3

Giovanni Meo Zilio, Estudio sobre Juan de Castellanos I (Florenz 1972), 99. Zu den literarischen Vorbildern und Einflüssen der Elegías vgl. Pardo 1991:139-302; Alvar 1972:3-42; Mario Germán Romero, Aspectos literarios en la obra de Don Joan de Castellanos, Bogotá 1978. Vgl. hierzu Castellanos 1944:15.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

ter- u n d Schäferromanen. Der Mythologie entstammt Diana, Geliebte des Goaga Canari, die sich in einen Spanier verliebt. Die Episode 1 enthält Elemente der Legende u m Helena u n d Paris aus der Ilias, "episodio homérico trovado a lo pastoril" (Pardo 1991:259). Gleichzeitig dürften M o n t e m a y o r s Diana und die Celestina als Vorlage gedient haben. Por lo que se refiere a la factura, allí abundan versos garcilasianos mezclados con pesada rimas [sie] al gusto del cuatrocientos, alusiones mitológicas y expresiones chabacanas, términos cultistas y aquella imitación del Cantar de los Cantares [...] (Pardo 1991:259). Eine idealisierte Darstellung liefert Castellanos auch von Guaramental, cacique im Orinoco-Gebiet. Die Beschreibung seines prächtigen H o f s und seines Gefolges 2 , mit Prinzessinnen, K o n k u b i n e n und Eunuchen, erinnert eher an phantastische Rittererzählungen oder orientalische M ä r c h e n denn an die Realität des peruanischen Dschungels. Die spanischen Gäste weisen die Indianer in die spanische Kunst der Jagd ein: Cuál llevaba la cierva, cuál venado, Cuál oso que llamamos hormiguero, Cuál montesino puerco chamuscado, Cuál corí, cuál iguana, monstnio fiero: Quedó Guaramental en su cercado De todo lo pasado placentero, Mostrando de amistad seguras prendas, Y los nuestros se fueron á sus tiendas (Castellanos 1944:116). P a r d o hat recht, w e n n er feststellt, daß "Castellanos [...] con relativa frecuencia o f r e c e p e r s o n a j e s m á s europeos y cortesanos que bárbaros" (1991:324). Dies manifestiert sich auch in der Sprache der Indianer, deren Rede gebildet ist und mythologische Anspielungen enthält 3 . Es ist ganz offensichtlich, daß Castellanos f ü r sein innovatives Vorhaben, Realitäten eines neu entdeckten Kontinents historisch relativ getreu in poetischer Sprache zu schildern, keine adäquaten Mittel zur V e r f ü g u n g standen, so daß er deshalb gerade bei der Beschreibung der Indianer auf traditionelle literarische Muster zurückgriff. Daß er sich dabei Ercillas Konzeption nur annäherte, liegt vorrangig darin begründet, daß die Literarisierungen von Castellanos vor der Struktur halt machten. W ä h r e n d Ercilla eine thematische Einheit bearbeitet, in der einige indianische Figuren heldenhafte Züge annehmen, bleibt Castellanos hier d e m getreuen Abbilden realer Ereignisse verpflichtet und reiht Episoden mit einer enorm e n A n z a h l an Figuren aneinander, allenfalls in ihrem historischen Ablauf u n d regional geordnet. Diese strukturelle Eigenheit w i e d e r u m nähert das Werk E s c o b e dos E p o s an.

1 2 3

Vgl. Castellanos 1944:27-30. Vgl. Castellanos 1944:114-116. Hierzu als Beispiel die Rede des Indios Baucunar in Castellanos 1944:94. Vgl. auch die Rede des namenlosen Indios, der die Episode um Diana erzählt, in Castellanos 1944:2730.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Die Indianer als heldenhafte Statisten: Lasso de la Vegas Mexicana Lobo Lassos Darstellung der Indianer unterscheidet sich zunächst einmal nicht wesentlich von der Art, wie Ercilla seine Araukaner präsentiert. Beide Autoren rekurrieren auf ähnliche Verfahren. So basieren beide Epen auf historischen Ereignissen, die rudimentär Eingang in die erzählte Geschichte finden, während dabei das indianische Personal in hohem Maße literarisiert und fiktionalisiert wird. 138 indianische Namen finden sich in Lasso de la Vegas Mexicana, wovon nur elf den Chroniken entstammen 1 . Bei der Mehrzahl der Namen handelt es sich ganz offensichtlich um Phantasiewörter des Autors, angelehnt an indianische Lautfolgen 2 . Tatsächlich ist der größte Teil des erwähnten indianischen Personals von untergeordneter Bedeutung . Wie bei Ercilla ragen jedoch einige Figuren aus dem Geschehen heraus, deren Geschichte ausführlicher präsentiert wird. Dabei orientierte sich Lasso de la Vega an López de Gomaras Bericht, dem er einheimische Mexikaner entnahm und mit Namen, einer Familie und einer (fiktiven) Geschichte versah: [...] el autor hizo un esfuerzo por introducir singularizaciones en el tumultuoso anonimato a que están reducidos los indios en las crónicas (Amor y Vázquez 1957:141). Ein gutes Beispiel für Hispanisierung sowie Idealisierung der Indianer bietet der cacique Tabasco, Herrscher von Potonchan, dessen Name sich in den Chroniken findet. Nach einer ausführlichen Beschreibung der Qualitäten eines idealen Herrschers in antimachiavellistischer Manier wird Tabasco folgendermaßen präsentiert: Digo, pues, que el cacique valeroso que poseía el potonchano estado era por todo extremo cuidadoso en observar las cosas que he apuntado: magnánimo, tratable, piadoso, y a deshacer agravios inclinado, defensor valeroso de su tierra, querido y respetado en paz y guerra.4 Sowohl äußere 5 als auch innere Charakteristika ähneln denen des eigentlichen Helden des Gesangs, Hernán Cortés; dem Mexikaner fehlt lediglich die wahre Religion. Nach höfischer Manier fordert Tabasco den spanischen Eroberer zum Duell 6 1

2

3 4 5 6

Eine Liste des indianischen Personals bietet Amor y Vázquez 1970:XXXIV/XXXV. Die Indianer der Chroniken sind Cacama, Cuetlabae, Marina, Maxixcacin, Moctezuma, Qualpopoca, Quatimox (Cuauhtémoc), Tabasco, Teudilli, Xicoténcatl und der Herrscher von Xamanzana. Vgl. Amor y Vázquez 1957:141. Einige Namen entlehnte Lasso de la Vega anderen Bereichen, wie z.B. Papaya oder Zempolla (Cempoala, Region in Mexico). Die Behauptung Cometta Manzonis, Lasso entnehme die Namen seines Personals Ercillas Araucana, hält einer Prüfung nicht stand. Vgl. Cometta Manzoni 1939:66. Amor y Vázquez weist auf den "afán cataloguizador" (1957:137) Lasso de la Vegas hin. Gabriel Lobo Lasso de la Vega, Mexicana. Hg.v. José Amor y Vázquez (BAE 232) (Madrid 1970), 47. Zur Rüstung, die an die der Spanier erinnert, trägt der cacique die Erkennungszeichen der Indianer: Federkleid, Pfeil und Bogen. Vgl. Lasso de la Vega 1970:48. '"Venga vuestro Cortés, el indio grita,/ y esta contienda a solas acabemos,/ que si él me vence y la opinión me quita,/ la ciudad yo y mi gente dejaremos [...]'" (Lasso de la Vega 1970: 57).

II. Die Darstellung des spanischen Amerika

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und wirft diesem Feigheit vor, als er ihn auf dem Schlachtfeld nicht antrifft 1 . Beim anschließenden Kampf zwischen den beiden Helden ist der Indianer Cortés fast ebenbürtig: Así los dos diestrísimos guerreros por varias partes su fortuna tientan con voluntad dispuesta y pies ligeros. Llegar do acaben su contienda intentan; ambos a un tiempo se acometen fieros, los rigurosos golpes se acrecientan: cada cual con propicio y diestro Marte, muestra raro valor, industria y arte (Lasso de la Vega 1970:92).

Trotz der Ähnlichkeit der Verfahren unterscheidet sich die Konzeption der einheimischen Amerikaner bei Lasso de la Vega doch wesentlich von der Ercillas. Während der Chile-Kämpfer den Befreiungskrieg des araukanischen Volkes beschreibt und dabei die Indianer eindeutig in den Mittelpunkt seiner Erzählung stellt, dienen die Einheimischen in Lasso de la Vegas Epos nur dazu, die Taten des wahren Helden, des Eroberers Hernán Cortés, adäquat zu präsentieren. Ein Sieger ist um so ruhmreicher, j e mutiger und heroischer seine Gegner. Die Indianer fungieren somit als Statisten, deren einzige Aufgabe es ist, den Ruhm des spanischen Kämpfers zu erhöhen. Von spanischer Seite war dem historischen Cortés mehrfach vorgeworfen worden, leichtes Spiel im Kampf gegen die indianischen Heere gehabt zu haben, die schlecht ausgebildet und ausgerüstet waren. Lasso de la Vegas Anliegen ist es, diesen Vorhaltungen zu begegnen und sie zu entkräften, wobei sich diese Tendenz verstärkt in der zweiten Version des Stoffes, der Mexicana, findet. Dem Epos angefügt erschien ein Prosatext von Jerónimo Ramírez, der ebenfalls die Fähigkeiten der Indianer hervorhebt 2 . Lasso de la Vega hat sich dem Thema selbst noch ausführlicher gewidmet, als er wenige Jahre nach dem Erscheinen der Mexicana den Prosatext Elogios en loor de los tres famosos varones Don Iayme Rey de Aragón, Don Fernando Cortés Marqués del Valle, y Don Aluaro de Baçân Marqués de Santa Cruz publizierte. Darin wird Hernán Cortés auf die gleiche Stufe gestellt mit anerkannten Heerführern, wobei auch hier ein wichtiger Aspekt der Argumentation die Qualität des Gegners ist. Das indianische Personal der Mexicana ist positiver dargestellt als das der ersten Version des Epos, dem Cortés valeroso3. Die Mexikaner erscheinen weniger passiv, sie sind mutig und werden für die Spanier zu einer echten Bedrohung. Die bereits in der ersten Fassung des epischen Stoffes angelegten Idealisierungen der Einheimischen sind weiter ausgeführt, was sich deutlich am Beispiel Tabascos zeigt, aber auch an anderen indianischen Kämpfern, von denen der Erzähler mehr individuelle Heldentaten zu berichten weiß. Die Nebenfiguren werden ausfuhrlicher und mit 1 2 3

'"¿No eres tú aquel Cortés que tantas veces/ ha rehusado el verse en mi presencia? [...]"' (Lasso de la Vega 1970:91). Der Text von Jerónimo Ramírez findet sich in Lasso de la Vega 1970:201-207. So weist Amor y Vázquez eine Vielzahl von Beispielen nach, in denen der Begriff des bárbaro in der Mexicana durch neutralere Wendungen ersetzt wurde. Vgl. Amor y Vázquez 1957:176-178; 1970:XXXV.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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durchwegs positiven Kommentaren präsentiert. In der Mexicana zeigt der Autor erstmalig Sympathie für die Indianer, die sich mit den spanischen Eroberern alliierten 1 . Zur Erhöhung der Indianer diente Lasso de la Vega zusätzlich die Anbindung an die Mythologie. Dabei wird Plutón, "príncipe de las tinieblas" (Lasso de la Vega 1970:15), zum eigentlichen Herrscher Mexicos. Zusammen mit seinen Verbündeten, u.a. Neptuno und Megera, versucht er, Einfluß auf die Naturgewalten 2 und vor allem die Indianer 3 zu nehmen, um Cortés und seine Leute von ihrem Vorhaben abzubringen. Das Treiben der "dunklen Mächte" wird in dem Epos parallel zur eigentlichen Handlung auf einer zweiten Ebene erzählt, die gleichzeitig das Geschehen auf Erden erklärt. Ein Höhepunkt ist dabei im 21. Gesang ein Treffen von Plutón mit seinen Untertanen im Innern eines Vulkans, um über das weitere Vorgehen gegen Cortés zu beraten 4 . Als Resultat der Verhandlungen reist das Idol Tezcatlipuca zu den "casas de la Envidia", wo es Gestalten der Antike begegnet 5 und Envidia nach Cuba schickt, um dort die Spanier gegen Cortés aufzubringen. Mit dieser Konzeption greift der Autor die damals weit verbreitete Vorstellung auf, die Amerika als den Kontinent Satans und seine Bewohner als dessen Verbündete betrachtet. A u f der anderen Seite stehen die Spanier mit Cortés, die Hilfe von göttlichen Mächten erhalten 6 .

Indianische Frauenfiguren A u f besondere Weise manifestiert sich in den spanischen Epen der amerikanischen Thematik der fiktional-literarische Charakter des indianischen Personals bei den Frauenfiguren. Sowohl in Ercillas Araucana wie auch in Lobo Lassos Mexicana dominieren weibliche Figuren, denen Hispanisierung und Literarisierung ein hohes Maß an Fiktionalität verleihen. Selbst bei Castellanos finden sich hierfür noch Beispiele, allerdings in einem wesentlich bescheidenerem Ausmaß. Während die indianischen Männer ihre Bedeutung auf dem Schlachtfeld erlangen, besetzen die Frauen die Themen der Liebe 7 . Bei Ercilla sind es vorrangig drei eindeutig fiktionale Episoden, die das Bild der Araukanerin bestimmen 8 . Es handelt 1 2 3 4 5 6

7

8

Vgl. Amor y Vázquez 1957:182/183; 1970:XXXVI. Gleich im ersten Gesang sucht Plutón Neptuno in seinem Reich auf und bittet ihn um Hilfe: "sus [Cortés'] naos esconde en tu profundo centro" (Lasso de la Vega 1970:18). So erscheint Plutón Tabasco im Traum und hetzt ihn gegen die Spanier auf. Vgl. Lasso de la Vega 1970:45. Vgl. Lasso de la Vega 1970:162/163. Vgl. Lasso de la Vega 1970:163/164. Vgl. hierzu z.B. den zweiten Gesang, in dem der Erzengel Michael interveniert (Lasso de la Vega 1970:22/23). Oder das in heiklen Schlachten obligatorische Erscheinen der Jungfrau Maria und Santiagos im 21. Gesang (Lasso de la Vega 1970:180). Und sind damit natürlich bedeutungsloser als die Männerfiguren: "La figura del guerrero es el centro de la caracterización del pueblo araucano dentro del poema, y, en relación con ella, el lugar que ocupan las caracterizaciones femeninas es secundario", stellt Beatriz Pastor fest (1983:482/483). Zu den Frauenfiguren in Ercillas Araucana vgl. Lia Schwartz Lemer, "Tradición Literaria y Heroínas Indias en La Araucana". Revista Iberoamericana 38,81 (1972):615-625; Char-

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

sich hierbei um das erzählte Geschehen über Guacolda und Lautaro (Gesang 13,4314,13), über Tegualda und Crepino (20,36-21,12) und Glaura und Cariolán (28,344). Bereits das Äußere der Frauen entspricht dem traditionell spanischen Ideal, wie folgende Beschreibung Glauras zeigt: Era mochacha grande, bien formada, de frente alegre y ojos estremados, nariz perfeta, boca colorada, los dientes en coral fino engastados; espaciosa de pecho y relevada, hermosas manos, brazos bien sacados, acrecentando más su hermosura un natural donaire y apostura (Ercilla 1979:11,237).

Auch für die Indianerinnen gilt der spanische höfische Ehrenkodex: Ehre, Keuschheit und Treue sind ihre wichtigsten Werte1. So bangt Glaura, deren Vergewaltigung ihr Geliebter gerade noch verhindern konnte, um Keuschheit und Ehre2, und Guacolda, die sich in Wesen und Sprache nicht vom Prototyp der verliebten Spanierin der Epoche unterscheidet, verspricht ihrem Mann Lautaro Treue über den Tod hinaus3: [...] aunque el golpe que espero es insufrible podré con otro luego remediarme, que no caerá tu cuerpo en tierra frío cuando estará en el suelo muerto el mío (Ercilla 1979:1,393).

Ewige Treue ist auch der einzige Charakterzug, den der Leser von Lauca, einer anderen Araukanerin, erfährt, der der Erzähler im 32. Gesang begegnet. Sie ist der "arquetipo de mujer fiel, que busca la muerte para no vivir sin su marido" (Schwartz Lerner 1972:625). Dieses "Erlebnis" des Erzählers fuhrt im folgenden zum Bericht der Geschichte der römischen mythologischen Figur Dido4. Hispanisierung und Literarisierung der indianischen Frauenfiguren sind das Resultat eindeutiger literarischer Einflüsse, zu denen im Fall der Araucana vor allem Ariosts Orlando furioso gehört. So liegt sowohl der Episode um Tegualda und Crepino5, wie auch der um Glaura und Cariolán1 offensichtlich die tragische Liebesge-

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les V. Aubrun, "Poesía Epica y Novela: El Episodio de Glaura en La Araucana de Ercilla". Revista Iberoamericana 21,41/42 (]956):261 -273; Aura Bocaz, "El personaje Tegualda, uno de los narradores secundarios de La Araucana". Boletín de Filología 27 (1976):7-27; Pastor 1983:483-492. Vgl. Pastor 1983:485-488. "[...] pero el honor y castidad preciada/ estuvo a punto ya de ser perdida" (Ercilla 1979: 11,242). Über ihr Schicksal nach dem Tod Lautaros ist jedoch nichts bekannt. Zur Bedeutung dieser mythologischen Figur für die Konzeption der Araukanerinnen vgl. Pastor 1983:488-490; Maria Rosa Lida, "Dido y su defensa en la literatura española". Revista de Filología Hispánica 4 (1942):373-380. Eine genaue Analyse der Erzählung von Tegualda liefert Bocaz 1976. Vgl. auch Richard Joseph Barker, Structure and Sense in Ercilla's 'Araucana' (Ann Arbor 1982), 118-129.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung:

Epen, epische Gedichte

und Romanzen

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schichte von Isabella und Zerbino des italienischen Epos zugrunde 2 , die Ercilla allerdings nur in Ansätzen übernimmt und in sein eigenes Konzept einfügt: De todos modos, aunque se pueda rastrear el origen literario de algunos incidentes, Ercilla es original en la recreación y armonización de los temas (Schwartz Lerner 1972:620).

Das Ehrverhalten und der Schönheitskatalog der Damen erinnern an die zur Zeit des Abfassens der Araucana noch populären Ritterromane, in Ansätzen auch an die bukolische Dichtung. Darüber hinaus glaubt Schwartz Lerner in der traditionellen Liebesrhetorik des Dialogs zwischen Lautaro und Guacolda den Einfluß Garcilaso de la Vegas ausmachen zu können 3 . Der Autor scheint aber auch bei diesen Episoden darum bemüht, die Wahrheit zu verbürgen. So ist der Erzähler in die Ereignisse um Glaura und Cariolán involviert 4 , außerdem erzählt ihm Tegualda ihr Leben und ihre Liebe, und sogar die wenig bedeutende Lauca begegnet dem Ercilla des Epos. Von anderer Qualität ist die Episode um eine weitere Frauenfigur, Fresia, die Frau Caupolicáns. Als sie erfährt, daß ihr Mann von den Spaniern gefangengenommen wurde und nicht ehrenhaft auf dem Schlachtfeld starb, schimpft sie ihn mit vehementer Wut einen Feigling und wirft ihr gemeinsames Kind in einen Abgrund: 'Toma, toma tu hijo [...] Cría, críale tú que ese membrudo cuerpo en sexo de hembra se ha trocado; que yo no quiero título de madre del hijo infame del infame padre.' Diciendo esto, colérica y rabiosa, el tierno niño le arrojó delante v con ira frenética y furiosa se fue por otra parte en el instante (Ercilla 1979:11,346).

Fresias Konzeption steht im Widerspruch zu den Schilderungen der anderen, eben besprochenen Frauenfiguren. Betont werden ihre Wildheit, ihr Stolz und ihre Grausamkeit, so daß sie in ihrer Präsentation den indianischen Männern gleicht. Trotz unterschiedlicher Ausrichtung und einer negativen Charakterisierung erscheint auch Fresia als literarisierte Gestalt. Darauf weist neben ihrer Rede die dramatische Funktion der Episode hin 5 . Auch in Lasso de la Vegas Mexicana finden sich drei fiktionale Episoden um indianische Frauenfiguren, wobei zwei auf ähnliche Weise hispanisiert und literarisiert

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Über mögliche literarische Quellen der Episode um Glaura spekuliert Aubrun 1956:265273. Zur Episode um Glaura und Cariolán vgl. auch Barker 1982:150-157. Vgl. Chevalier 1972:152; Schwartz Lerner 1972:620,624. Für thematische Übereinstimmungen vgl. die Beispiele bei Schwartz Lemer 1972:618/ 619. Das Erzähler-Ich begegnet Glaura, die ihm die Geschichte ihrer unglücklichen Liebe erzählt, und zufällig trifft Glaura durch den Erzähler ihren Geliebten wieder, der in dessen Diensten steht. Vgl. Ercilla 1979:11,237-249. Vgl. Schwartz Lerner 1972:625. Da sich die Episode auch in Jerónimo de Vivars Crónica findet, kann darüber spekuliert werden, ob sie auf einer wahren Begebenheit basiert. Vgl. hierzu Jerónimo de Vivar, Crónica de los reinos de Chile. Hg.v. Angel Barrai Gómez (Madrid 1988), 342.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

präsentiert werden wie Ercillas Guacolda, Tegualda und Glaura. Es handelt sich hierbei u m Clandina, Tochter eines mächtigen cacique, die von einigen der M ä n n e r des Cortés vor einer Vergewaltigung bewahrt wird, woraufhin sie ihnen ihre tragische Geschichte erzählt: Ihr Geliebter Tacaybi wurde von seinem Rivalen Hirtano getötet, dessen W e r b e n Clandina j e d o c h ablehnt'. Diese Episode findet ihre Fortsetzung im 14. Gesang, w o Aguilar Clandina und ihren M a n n Hipandro vor der Hinrichtung in einer Höhle rettet". Im 20. G e s a n g erscheint Gualca, die Geliebte von Pedro de Alvarado, die diesen vor einem A n g r i f f der Krieger von Cholula warnt 3 . Der Einfluß von Ercillas Araucana auf diese Episoden ist unverkennbar. So erinnert der Dialog zwischen Gualca und Alvarado an das Liebesgespräch von Guacolda und Lautaro. Die Ausgestaltung der Clandina-Episoden in der Mexicana orientiert sich ebenfalls eindeutig an Ercillas Erzählung: In beiden Epen finden sich der Versuch der Vergewaltigung und die Rettung des Paares durch die Spanier. Lasso gestaltet die Episoden j e d o c h u m und paßt sie den Gegebenheiten seiner erzählten Geschichte an. Da eine B e g e g n u n g der Frauenfiguren mit d e m Erzähler wie bei Ercilla nicht möglich ist, sind es historische Persönlichkeiten aus d e m Gefolge des Cortés, die mit den Frauen z u s a m m e n t r e f f e n (Aguilar, Alvarado, Sandoval) 4 . Bezeichnend ist, daß Lasso de la Vega nicht auf historische Frauengestalten zurückgreift, die ebenfalls zur V e r f ü g u n g gestanden hätten. Zwar dürfte Gualca auf eine namentlich nicht genannte Person aus López de G o m a r a s Bericht z u r ü c k z u f ü h ren sein 5 ; die Frau j e d o c h , über die später R o m a n e und Theaterstücke geschrieben wurden, Doña Marina, la Malinche, die Geliebte von Cortés 6 , wird von Lasso k a u m erwähnt 7 . Dies zeigt, daß der Autor hier bewußt auf eine historische Darstellung verzichtet und die Fiktion favorisiert. Einen neuen Aspekt der Frauendarstellung integriert Lasso de la Vega mit Taxguaya in sein Epos: Sie ist die A m a z o n e , die Kriegerin, die gegen die Spanier k ä m p f t 8 . Sie ist nicht nur schön, sondern zugleich mutig und eine ausgezeichnete K ä m p f e r i n . Z w a r erinnert ihre Grausamkeit durchaus an Fresia aus Ercillas Araucana; Taxguaya ist als Figur j e d o c h weiterentwickelt, da sie aktiv a m kriegerischen G e s c h e h e n beteiligt ist. Allerdings verliebt sie sich in den Spanier Sandoval, wird 1 2 3 4

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Vgl. Lasso de la Vega 1970:67-73. Vgl. Lasso de la Vega 1970:106-114. Vgl. Lasso de la Vega 1970:154/155. Hier dürfte auch der unterschiedliche historische Hintergrund die veränderte Erzählsituation erklären: Während Verbindungen zwischen Spaniern und indianischen Frauen bei der Eroberung Mexicos offensichtlich häufig vorkamen, wird selbiges aus Chile nicht berichtet. Gründe hierfür dürften die permanente Kriegssituation in Arauco und die einfache Kultur der Araukaner gewesen sein, die eine größere Annäherung verhinderten. Vgl. die Anmerkung 8 von Amor y Vázquez in Lasso de la Vega 1970:158. Zur literarischen Figur der Malinche vgl. Carmen Wurm, Doña Marina, la Malinche. Eine historische Figur und ihre literarische Rezeption, Frankfurt a.M. 1996; Sandra Messenger Cypess, La Malinche in Mexican Literature. Front Hisiory to Myth, Austin "1994; Rachel Philipps, "Marina/Malinche: Masks and Shadows". In: Women in Hispanic Literature. Icons and Fallen Idols. Hg.v. Beth Miller (Berkeley u.a. 1983), 97-114. Auf die Gründe, die im Zusammenhang mit der Person des Cortés zu betrachten sind, wird noch zurückzukommen sein. Vgl. Lasso de la Vega 1970:130-132,139-145. Im Gegensatz zu Clandina und Gualca erscheint Taxguaya erst in der Mexicana, nicht bereits in Cortés valeroso.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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von Alvarado, der in ihr nicht die Frau erkennt, im Schlachtgeschehen tödlich verletzt und von Sandoval kurz vor ihrem Tod auf ihren Wunsch hin getauft. Das Vorbild für diese Episoden um Taxguaya findet sich wiederum in Tassos Gerusalemme liberata, in der Episode um Clorinda und Tancredo 1 : Salvo q u e el matador no es el amado - con lo cual Lobo Lasso recalca la diferencia de temperamentos entre Gonzalo de Sandoval y Pedro de Alvarado - , el paralelo es claro hasta en lo del perdón y bautizo final, utilizando para ello el yelmo y las aguas d e un río cercano. Y Sandoval, lo mismo que Tancredo, ante la muerte de su amada confía en una unión más allá de la efímera existencia terrena (Amor y Vázquez 1967:188).

Die Gründe für die Dominanz der fiktional konzipierten Frauenfiguren in den Amerika-Epen dürften in den vorherrschenden Frauenbildem der damaligen Epoche zu suchen sein. So wäre die realistische Präsentation einer weiblichen Kriegerfigur als unästhetisch empfunden worden und war somit unvorstellbar, wie es Pastor für die Araucana ausfuhrt: La caracterización realista de la mujer araucana c o m o guerrera es inasimilable por el contexto estético occidental, en relación con el cual aparece c o m o inversión de los elementos de caracterización del modelo literario femenino aceptado. [...] La caracterización de la mujer, q u e se articula en torno a los mismos atributos que hacían del hombre araucano un modelo, la convierte en monstruo incomprensible para la cultura occidental. Desde esta perspectiva cultural, la imagen de unas guerreras que 'no sienten los pechos al correr ni las crecidas/ barrigas de ocho meses ocupadas/ antes corren mejor las más preñadas', no es heroica sino antiestética y bárbara (Pastor 1983:483/484).

Außerdem gehorchen die Autoren mit der Integration von der Liebe verpflichteten Frauen in das Geschehen den Anforderungen des Genres, die das monoton verlaufende Erzählen kriegerischer Auseinandersetzungen durch Liebesgeschichten abwechslungsreich unterbrochen haben möchten: En búsqueda de variedad y equilibrio en el poema, Ercilla rompe la monotonía del relato d e sucesos bélicos incorporando, como pedía el modelo épico, escenas amorosas y personajes q u e responden a experiencias literarias y no vitales (Schwartz Lerner 1972:625). I n d i e s e m S i n n e ä u ß e r t s i c h a u c h L o b o L a s s o d e la V e g a in s e i n e m E p o s : Damas, si con descuido he procedido, y en mi corto discurso trabajoso no habéis ningún servicio recibido [...] Quisiera yo, con dulce y blanda lira, hacer tratable mi escabroso canto, y en aqueste discurso lleno de ira a vuestros loores acudir un tanto: [...] Bien q u e en algunas partes me es forzoso meteros en sucesos memorables, producidos de un celo piadoso (en vuestro natural partes loables),

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A m o r y Vázquez benennt als weitere mögliche Vorbilder die Epen von Vergil und Ariost. Vgl. A m o r y Vázquez in Lasso de la Vega 1970:138.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

de amor acompañado fervoroso, [...] (Lasso de la Vega 1970:153/154).

Trotz der Dominanz der fiktional-literarischen Schreibweise bei Frauenfiguren finden sich auch Passagen in den Epen, in denen indianische Frauen auf realistische Weise beschrieben werden. Dies gilt nicht fíir Lobo Lasso de la Vega, dafür um so mehr für die Elegías von Castellanos, die Indianerinnen, die nicht aus der anonymen Masse hervortreten und namenlos bleiben, ähnlich wie die Männer mit einer knappen und durchaus realbezogenen Beschreibung präsentieren. Diese ethnologisch inspirierte Schreibweise kennzeichnet vor allem Escobedos Werk, nur daß in seinem Text Frauen eine völlig unbedeutende Rolle spielen. Sie sind ebenso "wild" und unzivilisiert wie die beschriebenen Männer. Obwohl die Frauen innerhalb ihrer Gesellschaft als die für die Nahrungsmittelversorgung Zuständigen sicher nicht unbedeutend waren, sind es nur zwei Stellen, an denen der Autor der Florida Frauenleben überhaupt thematisiert. So äußert er seine Verwunderung über den Brauch der Indianerinnen, kurz nach der Entbindung mit ihren Säuglingen im Meer zu baden 1 . In der eingeschobenen Erzählung eines Spaniers, der jahrelang unter Indianern lebte und dort Frau und Kinder hatte, wird dessen indianische Frau geringschätzig als Verräterin ihres Volkes präsentiert 2 . Vereinzelt finden sich derlei Passagen, die Frauen nicht in ein literarisches Bezugssystem integrieren und auf Fiktionalisierungen verzichten, auch bei Ercilla. So z.B. folgende Bemerkung über kämpfende Araukanerinnen, die auf einer persönlichen Beobachtung des Autors beruhen könnte: [...] las mujeres, a quien la rueca es dada, con varonil esfuerzo los seguían y con la diestra a la labor usada las atrevidas lanzas esgrimían, que por el hado próspero impelidas hacían crudos efetos y heridas. [...] se vuelven temerarias homicidas; [...] (Ercilla 1979:1,318/319).

Eine Besonderheit findet sich in den Elegías von Castellanos. Während seines gesamten umfassenden Werkes betont der Autor wiederholt die Nacktheit der Indianerinnen, deren lascivia und Leichtfertigkeit im Umgang mit den spanischen Soldaten 3 . Bereits von den ersten Indianerinnen, die Colón begegneten, heißt es: Los galanes, las damas y los pajes Jamás deben mudar ropas ni trajes. [...] Pero los trajes son muy deshonestos, Aun para las mujeres deshonestas, Pues los unos y otros andan prestos 1 2 3

Vgl. Escobedo o.J.:328v. Vgl. Escobedo o.J.:249r. Diese Thematik beschäftigte eine Vielzahl der Verfasser von historias und

relaciones.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Para solemizar venéreas fiestas: Ellos no rozarán las agujetas, Y ellas no romperán muchas faldetas (Castellanos 1944:14).

Castellanos' Darstellung ist jedoch widersprüchlich. Während er auf der einen Seite die Frauen zu bewundern scheint, werden sie gleichzeitig verurteilt: Esto de la lascivia es un tema que el Beneficiado trata repetidas veces a lo largo del poema, pero en dos claves opuestas. A veces con ariostesca, despreocupada complacencia (o, cuando menos, con benévola neutralidad), a veces, con moralístico desdén (Meo-Zilio 1982:209). *

Resümierend ist festzustellen, daß sich in den spanischen Epen der amerikanischen Thematik zwei Arten von Indianerbildern finden. Einer weitgehend an der Wahrscheinlichkeit orientierten, ethnographisch inspirierten Darstellung, die offensichtlich geschaute Wirklichkeit realistisch umsetzen möchte, steht eine rein fiktionale, idealisierende und an europäischen Literaturkonventionen ausgerichtete Zeichnung des indianischen Wesens gegenüber. Es ist Escobedos Präsentation indianischer Sitten und Gebräuche, die dem erstgenannten Anspruch gerecht wird. Deswegen handelt es sich jedoch auch in der Florida nicht notwendigerweise um eine wahrheitsgetreue Darstellung. Wie in den historiographischen Schriften auch, unterliegt der Autor seinen Vorurteilen und seiner Perspektive, hier jedoch vor allem seinen religiösen Ansichten, die den Text eindeutig fiktional anreichern. Man vermißt die Verfahren, die dem (historiographischen) Text ein Höchstmaß an Objektivität verleihen (können). Der rein fiktionalen Figurenkonzeption sind vor allem die Frauengestalten aus Ercillas Araucana und Lasso de la Vegas Mexicana verpflichtet. Bei dem männlichen indianischen Personal Ercillas handelt es sich teilweise um historische Persönlichkeiten, die jedoch ebenfalls in hohem Maße literarisiert und hispanisiert gezeichnet werden. Gleiches gilt für Lassos männliche Indianerfiguren, die allerdings - abgesehen vom cacique de Tabasco - keine ausgeprägte Individualisierung erfahren, da sie in ihrer Funktionalität auf die Erhöhung des wahren Helden Cortés beschränkt bleiben. Im Gegensatz hierzu erlangen die Araukaner Ercillas Eigenständigkeit als (wenngleich umstrittene und durchaus ambigue gezeichnete) Helden. Der hauptsächliche Unterschied zwischen der Präsentation des männlichen und weiblichen Personals bei Ercilla und Lasso de la Vega besteht darin, daß die Charakterisierungen der Männerfiguren auf realen Wahrnehmungen der Autoren bzw. deren Informanten basieren, die die Eigenschaften der Indianer dann idealisieren und hispanisieren, während die Frauenbilder reine Kunstprodukte ohne Bezug zu jeglicher realer Wahrnehmung sind: Si la idealización de las mujeres se concreta en una caracterización que elimina cualquier rasgo real y los substituye por los elementos convencionales del modelo literario occidental, la idealización de los hombres se concretará, por una parte, en la magnificación de sus cualidades guerreras, que adquieren en el poema dimensiones míticas, y, por otra, en la atribución de una filosofía y unos valores que enlazan con el modelo caballeresco y que se formulan dentro del texto en una serie de parlamentos de jefes araucanos cuya retórica los españoliza [...] (Pastor 1983:491/492).

¡I. Die Darstellung des spanischen Amerika

184

Eigenschaften der araukanischen Krieger, die ihnen Ercillas Perspektive zuschreibt, werden solcherart erhöht und hispanisiert, daß es dem Autor leicht fallt, die Indianer zu epischen Helden und den wahren Heroen seiner Erzählung zu machen. Eine Position zwischen diesen beiden Konzeptionen nehmen Juan de Castellanos' Elegías ein. Obwohl die Präsentation indianischer Ureinwohner hier vorwiegend Escobedos Vorgehen gleicht, finden sich durch eine elaborierte Sprache und durch vermehrten literarischen Einfluß in verschiedenem Maß fiktionalisierte Indianerfiguren und Episoden. Die Fiktionalisierungen bleiben bei Castellanos allerdings auf die Sprache beschränkt und sparen die Struktur aus. Nicht explizit behandelt wurden in diesem Kapitel die Indianerfiguren der Romanzen. Es sind auch hier vorrangig die Gedichte um das Geschehen in Arauco, die Indianer zu ihren Protagonisten zählen 1 , während in den anderen erhaltenen Romanzen diese nur am Rande erwähnt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen zum indianischen Personal der Epen finden in den Romanzen eine weitere Bestätigung. Die volkstümlichen Gedichte bieten in jedem Fall die einfache Version dessen, was in den Epen noch komplex präsentiert wird. Nicht nur Sprache und Versmaß sind einfach gestaltet, sondern auch Handlung und Personendarstellung konzentrieren sich zumeist auf eine Begebenheit bzw. Eigenschaft. Es sind die großen Handlungen und Gefühle, die in den Romanzen um Arauco thematisch aufgegriffen wurden . So finden sich die meisten Gedichte um die tragische Liebe von Lautaro und Guacolda. Caupolicáns dramatisches Ende und die Rivalität zwischen Rengo und Tucapel werden ebenfalls thematisiert. Kurz und knapp benennen die Texte die Eigenschaften der Personen, wobei die bereits im Epos angelegten Idealisierungen und Hispanisierungen eine verschärfte Akzentuierung erfahren. Stereotype Versatzstücke bestimmen Rolle und Funktion der indianischen Figuren. In diesem Sinne die Beschreibung der trauernden Guacolda: Por los cristalinos ojos el corazón destilando, todo el rostro hecho ventanas el pecho acardenalado denegrido y ceniciento el color blanco rosado, el cabello de oro fino por tierra todo sembrado, está la bella Guacolda [...] (Lerzundi 1978:57/58).

Die vergleichende Beschreibung von Tucapel und Rengo betont deren Kampfbereitschaft: Cual el furioso león contra tigre de la Hircania, ó cual la ligera onza contra pantera de la Asia, están Tucapel y Rengo

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Die Romanzen finden sich in Lerzundi 1978:53-127. Für eine Beschreibung der Romanzen vgl. Cometta Manzoni 1939:45-53.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

185

en medio la empalizada, para acabar la contienda [-] (Lerzundi 1978:81/82). Auch wenn davon auszugehen ist, daß diese Romanzen in erster Linie aus dem Wunsch heraus entstanden, die Inhalte der Araucana Ercillas zu popularisieren, so zeigt der enorme Einfluß, den das Epos Ercillas auf die nachfolgende Produktion verschiedener Textsorten zu amerikanischen Themen ausübte, daß dieses Anliegen Erfolg hatte. Guacolda, Lautaro, Caupolican, Rengo und Tucapel gehören zu den einzigen (literarischen) Indianerfiguren der damaligen Zeit, die eine gewisse Popularität erreichten, was sie vorrangig der ihnen Sympathie zollenden Darstellung Ercillas zu verdanken haben.

2. Spanische Helden Die traditionelle Konzeption des klassischen Epos verlangt einen zentralen Helden. Daß die Indianer hierfür nicht allzu geeignet waren, zeigen obige Ausfuhrungen. Selbst Ercilla, der die indianischen Figuren seines Epos mit sehr viel Sympathie zeichnet, erreicht nur eine wenig einheitliche, partielle Heroisierung, der ganz generell die historische Tatsache im Wege stand, daß die Indianer die Verlierer der Geschichte waren. So bieten sich denn die siegreichen spanischen Eroberer als Heroen der Epen an, eine Hypothese, die man nicht zuletzt aus der Tatsache schlußfolgern zu können glaubt, daß es sich bei den hier betrachteten Epen und Romanzen trotz amerikanischer Kulisse eindeutig um spanische Geschichte handelt, daß spanische Autoren spanische Perspektiven präsentieren 1 . Eine Revision der bekannten Epen fuhrt in dieser Hinsicht jedoch zu überraschenden Ergebnissen. Ein Teil der Gesänge verzichtet auf einen epischen Helden, wie z.B. Escobedos Florida oder Barco de Centeneras Argentina. Während einige der Texte ähnlich der Araucana Sympathie für die Amerikaner bekunden und das spanische Personal eher kritisch präsentieren 2 , stecken andere einen weiten Rahmen und behandeln die Eroberungen mehrerer Gebiete oder auch andere Themen. Hierzu gehört z.B. Luis de Zapata y Chaves' Carlo famoso, ein Epos, in dem am spanischen Hof, dem Zentrum des Werkes, das Geschehen um Colón und Cortés erzählt wird. Epen mit zentralen spanischen Helden finden sich zu Hernán Cortés: Lobo Lasso de la Vegas Cortés valeroso und Mexicana, außerdem Juan Cortés Ossorios Las Cortesiadas, und zu Pizarro: das anonyme La Conquista del Perú3. Was die Romanzen betrifft, so liegen einige über Hernán Cortés vor 4 : anonymen Ursprungs, von Lasso de la Vega und anderen Autoren, wobei herausragende Erei1 2 3 4

Dies gilt auch für die Epen, die sich um eine weitgehend realistische Präsentation amerikanischen Lebens bemühen, wie z.B. Escobedos Florida. Auch hier herrscht die spanische Perspektive, bestimmt der Blick des spanischen Missionars die Erzählung. Hierzu gehören z.B. Hernán Alvarez de Toledos El Purén indómito oder Diego de Santistevan Osorios Quarta y quinta parte de la Araucana. Ich möchte an dieser Stelle erneut betonen, daß hier nur Werke von spanischen Autoren Aufnahme fanden. Ein Miteinbeziehen der hispanoamerikanischen Kolonialautoren würde eine andere Gewichtung ergeben. Vgl. Reynolds 1967; Reynolds 1978:15-20.

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II. Die Darstellung des spanischen Amerika

gnisse der Biographie von Cortés berichtet werden. Eine weitere Gruppe von Romanzen handelt von den Bürgerkriegen in Peru: [...] es que todos ellos se referían al tema de las 'guerras civiles' entre los propios conquistadores. Eran poemas espontáneos, la mayoría de ellos aparecidos con frecuencia en las paredes de la ciudad, defendiendo o atacando a los Pizarro, Almagro, Carvajal, Gasea, Girón, etc. (Reynolds 1978:20).' Dagegen thematisieren die Romanzen, die auf dem Stoff der Araucana basieren, nahezu ausschließlich die indianische Seite um die Helden und Heldinnen Lautaro, Caupolicán, Rengo, Tucapel und Guacolda 2 . Im folgenden möchte ich in einem ersten Unterkapitel auf die idealisierte Präsentation der Figur eines Conquistadors eingehen, wie sie sich in Lasso de la Vegas Mexicana findet. Dem sollen sich Ausfuhrungen über eine eher kritische Darstellung der Eroberer anfügen, die Ercillas Araucana kennzeichnet. Ein Heldenkollektiv läßt sich in den Elegías von Castellanos ausmachen, wie in einem weiteren Unterkapitel gezeigt wird.

Der idealisierte christliche Held: Lasso de la Vegas Mexicana Lasso de la Vegas Konzeption des Hernán Cortés sieht eine Idealisierung der historischen Gestalt vor, die sich in ihren Grundzügen an López de Gomaras Conquista de México orientiert. Allerdings stehen in der 1594 veröffentlichten zweiten Ausgestaltung des Stoffes, der Mexicana, nicht mehr die Qualitäten des Eroberers und heroischen Kämpfers im Mittelpunkt der Betrachtung. Dies war noch die dominante Konzeption der historischen Figur im 1558 erschienenen Cortés valeroso. Mit Klugheit und großem Mut besiegte dort der moralisch integre Hernán Cortés die mexikanischen Truppen. Die bereits idealisierte Präsentation López de Gomaras - Amor y Vázquez spricht vom "tratamiento 'cesáreo' de la figura de Cortés" (1957:137) - wird von Lasso de la Vega im Cortés valeroso zusätzlich angereichert: Nicht nur, daß wenig ideale Eigenschaften und kapitale Vergehen verschwiegen werden; Cortés erscheint im Kontrast zu den weitgehend gesichtslosen anderen Soldaten als wahrer Held 3 . Ein Höhepunkt ist hier der elfte Gesang, in dem Cortés in einem Wald von Fabelwesen im Auftrag von Minerva und Marte gepriesen wird 4 . Diese Passagen, so wie die gesamte Konzeption des Cortés valeroso, präsentieren Cortés "como encarnación de la sabiduría y del arte y valor bélicos" (Amor y Vázquez 1957:157). In Lasso de la Vegas Mexicana dagegen wird diese Idealisierung des heroischen Kämpfers aufgegeben zugunsten einer religiösen Interpretation der Figur des Cortés und seines Unternehmens.

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Das von Reynolds in diesem Zusammenhang konstatierte "florecimiento de romances en Perú" (1978:20) wird von anderer Seite nicht bestätigt. Zu den "peruanischen" Romanzen vgl. Romero 1952:18-24. Während der mythologischen Figur Dido zwei Romanzen gewidmet sind, findet der spanische Conquistador García Hurtado de Mendoza in den volkstümlichen Gedichten keine Erwähnung. Vgl. Lerzundi 1978. Für Beispiele vgl. Amor y Vázquez 1957:147-156. Amor y Vázquez weist auf die Ähnlichkeit dieser Episode mit dem Lobgesang der Meeresgötter auf Vasco da Gama in den Lusiadas von Luis de Camöes hin. Vgl. Amor y Vázquez 1957:157.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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[...] en el poema de Lobo Lasso nos encontramos ante una gesta hispana por y para Dios, hazañas por lo divino, mesianismo, conquista de Méjico con atributos de cruzada. El poema suma la empresa de Indias a la gesta en pro de la cristiandad [...] (Amor y Vázquez 1967:186).

Zwar ist der Mann aus Medellín weiterhin mutig und klug, versteht es geschickt, mit den feindlichen Indianern sowie seinen eigenen Leuten umzugehen, und ragt so aus der Gruppe der Spanier eindeutig als Held heraus. Doch wird in der Mexicana von Anbeginn an sein religiöser Eifer betont, wie beispielsweise am Strand von Acuzamil (Cozumel), wo Cortés zu seinem Gefolge spricht: Guerreros [...] [...] N o menos intentáis que para el Cielo millones de almas conquistar, que asidas tiene el ángel estigio a eterno duelo, por su torpe ignorancia reducidas (Lasso de la Vega 1970:24).

Die Eroberung Mexicos wird so zum heiligen Kreuzzug mit Cortés als Glaubensritter, was sich vielfach in der Terminologie niederschlägt. Die Opposition zwischen Spaniern und Indianern begründet sich nun primär auf dem Glauben, so daß die Spanier mehrfach als "ungidos", "crismados" und "gente bautizada" bezeichnet werden, während die Mexikaner "idólatras" und "siervos del Angel malo" sind. Amor y Vázquez weist in einem Vergleich der beiden Fassungen des Cortés-Stoffes Lasso de la Vegas nach, wie der Name von Cortés in der Mexicana durch "general de Cristo" ersetzt wird 1 . Wichtiger Bestandteil dieser Konzeption ist eine christlich-mythologische Rahmenhandlung, die die Eroberung Mexicos als Kampf der guten christlichen Macht gegen das Böse, das in der Gestalt Plutóns Mexico beherrscht, darstellt. Diese dem eigentlichen Geschehen übergeordnete Handlung versieht das Epos mit phantastischen Episoden 2 . Historische Fakten werden in diesen Rahmen integriert und nach christlichen Vorstellungen interpretiert 3 . So werden Niederlagen der spanischen Seite als Strafen Gottes gedeutet, der auf diese Weise dem inkorrekten Verhalten der spanischen Soldaten begegne 4 . Auf der anderen Seite stehen die himmlischen Mächte den Spaniern in Bedrängnis bei, was zu mehreren Wundern fuhrt. So erscheinen im 23. Gesang die Jungfrau Maria und der Apostel Santiago: 1 2 3

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Vgl. Amor y Vázquez 1957:189/190. Der elfte Gesang des Cortés valeroso mit seinen Waldgöttem wurde in der Mexicana eliminiert, da die Figuren für die neue Konzeption offensichtlich zu heidnisch waren. Als Beispiel wäre hier der historisch belegte Sturm bei der Überfahrt der Spanier von Cuba nach Mexico zu nennen. In der Mexicana geht dieser Sturm auf einen Auftrag Plutóns an Neptuno zurück, der auf diese Weise die Spanier von ihrer Mission abhalten wollte. Vgl. Lasso de la Vega 1970:15-23. Als nach dem Tod Moctezumas die Spanier in Mexico besiegt und in die Flucht geschlagen werden, spricht Cortés in diesem Sinne zu seinem Gefolge: "'Bien véis el duro golpe irreparable/ con que nuestra maldad castiga el Cielo;/ nuestra mortal ruina inevitable,/ llena de lamentable desconsuelo;/ el estado abatido, miserable,/ en que nos tiene nuestro vano celo,/ de mil viciosos tratos ocupado,/ debiendo ir sólo a Dios encaminado"' (Lasso de la Vega 1970:189).

II. Die Darstellung des spanischen Amerika

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Que vieron en los aires, afirmaron, del Indio las escuadras ofendidas, una mujer fulgente que arrojaba tierra, con que la vista les quitaba. Que en un caballo blanco un hombre vieron haciendo estrago en ellos sanguinoso, a quien por celestial todos tuvieron según el rostro y hábito lustroso; [•••] (Lasso de la Vega 1970:180). Diese Episoden demonstrieren die "dependencia absoluta" des Hernán Cortés von "potencias trascendentales" (Amor y Vázquez 1957:195): Der spanische Heros wird zum Handlanger der christlichen Mächte. Historische Tatsachen, die nicht mit dem Konzept des christlichen Kreuzritters zu vereinbaren waren, werden in dem Epos verschwiegen oder finden eine Rechtfertigung. So erstaunt es, daß die Geliebte von Cortés und wichtige Vermittlerin zwischen den Spaniern und den Indianern, Malinche, im Text kaum erwähnt wird. Ebenfalls unerwähnt bleiben die Goldgier der spanischen Seite, die gewalttätige Behandlung der Indianer und die Plünderungen nach siegreichen Kämpfen 1 . Entsprechende Passagen, die sich im Cortés valeroso noch fanden, wurden eliminiert 2 . Vom Schatz des Moctezuma heißt es, daß Cortés ihn vom mexikanischen Herrscher als Geschenk erhielt 3 . Hernán Cortés war und ist eine äußerst umstrittene historische Persönlichkeit, der bereits zu ihrer Zeit viele Verfehlungen und Straftaten vorgeworfen wurden 4 . Deshalb mußten die historischen Tatsachen wesentlich abgeändert werden, um aus dem spanischen Eroberer einen glaubhaften und integren Kämpfer für die christliche Mission machen zu können. Während im Cortés valeroso mit der Betonung der kämpferischen und taktischen Qualitäten des Conquistadors die Präsentation noch weitgehend an den historischen Vorgaben orientiert (wenngleich idealisiert) erfolgt, schafft der Lobgesang auf die missionarischen Fähigkeiten von Cortés in der Mexicana gemäß einem übergeordneten (christlichen) Plan eine ideale Figur, den christlichen Helden der Gegenreformation: Cortés, como jefe máximo de la cruzada y responsable por la conducta de los suyos, pasará a ser modelo de ejemplaridad: valeroso, prudente, resignado frente a los designios de la Providencia, fiel, justiciero, magnánimo, piadoso, velador por sus hombres, sufrido en los reveses, modelo de templanza y ejemplo de sinceridad en sus tratos. Se acerca así al ideal contrarreformista del caballero cristiano, antítesis teórica del de Maquiavelo [...] (Amor y Vázquez 1967:186/187). War Lassos Cortés valeroso als wahrscheinliche Auftragsarbeit noch ganz dem panegyrischen Aspekt verschrieben, der die historische Persönlichkeit Cortés gebüh1 2 3 4

Die Vergehen, die im Epos zu einer Bestrafung der Spanier führen, werden nur vage und ungenau benannt. "La única mención de saqueo es con motivo del castigo de Chololla por la traición que les preparaban (Canto XX), y no hay más que una vaga alusión a pillajes en Tenoctitlán" (Amor y Vázquez 1957:192). Vgl. auch Amor y Vázquez 1967:187. Vgl. Lasso de la Vega 1970:165. Vgl. Martínez 1990:535-660; Miguel Rojas Mix, Hernán Cortés (Barcelona 1990), 108-110.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung:

Epen, epische Gedichte und Romanzen

189

rend idealisierte, löst sich der Autor in seinem zweiten Werk von seinen Auftraggebern. Diese hatten eine Fortsetzung der Heldentaten ihres großen Ahnherrn gewünscht', statt dessen lieferte Lobo Lasso eine Überarbeitung und Erweiterung unter geänderten Vorzeichen. Der Autor trägt damit der veränderten politischen Situation am Hof und in Spanien Rechnung.

Held im Hintergrund? Zweifel und Zweideutigkeiten bei Ercillas Darstellung des García Hurtado de Mendoza Als Ercilla im Juni 1558 in La Imperial in Arauco ein Fest besuchte, kam es zwischen ihm und dem spanischen Soldaten Juan de Pineda zu einem Streit, in dessen Verlauf beide vor den Augen des anwesenden Gouverneurs von Chile und Anfuhrers der Arauco-Expedition, García Hurtado de Mendoza, ihre Waffen ziehen wollten. Meter mano a la espada era delito de grave desacato. Don García, hombre arrebatado, no pudo tolerarlo y arremetiendo contra Ercilla con la maza le dio un golpe en el hombro y con otro le derribó del caballo con ánimo de matarlo, según se creyó. Pineda al ver esto huyó y se refugió en la iglesia de donde lo sacaron. Don García en su inmitigado furor sentenció allí mismo, por sí y ante sí, que al día siguiente a ambos se les cortase la cabeza al pie de la horca (Morínigo 1979:24). 2

Zwar wurde das Todesurteil kurz darauf in eine Gefängnisstrafe und Verbannung aus Chile umgewandelt, dennoch bedeutete der Zwischenfall nicht nur das Ende der militärischen Karriere Ercillas in Übersee, sondern vor allem einen schweren Ehrverlust. Wie sehr Ercilla in der Folgezeit unter der Kränkung litt, zeigen folgende Zeilen am Ende des Epos: Ni digo cómo al fin por acídente del mozo capitán acelerado, fui sacado a la plaza injustamente a ser públicamente degollado; ni la larga prisión impertinente do estuve tan sin culpa molestado, ni mil otras miserias de otra suerte de comportar más graves que la muerte (Ercilla 1979:11,408/409).

Die Literaturkritik beruft sich allgemein auf diesen Zwischenfall, um zu erklären, warum der letztendlich erfolgreiche Conquistador García Hurtado in Ercillas Araucana nur eine Nebenrolle bekleidet und in seinem Verhalten wenig vorteilhaft geschildert wird 3 . Ercilla präsentiert den chilenischen Gouverneur nicht direkt negativ und übt auch keine überragende Kritik an dessen Verhalten; es gibt sogar Stellen, an denen das besonne-

1 2

3

Vgl. Amor y Vázquez 1970:XVI. Zu dem Vorfall vgl. auch Medina 1948:78-81; im Text der Araucana findet sich hierzu folgende Stelle: "Turbó la fiesta un caso no pensado,/ y la celeridad del juez fue tanta/ que estuve en el tapete, ya entregado/ al agudo cuchillo la garganta,/ el inorme delito exagerado/ la voz y fama pública le canta,/ que fue solo poner mano a la espada/ nunca sin gran razón desenvainada" (Ercilla 1979:11,387). Vgl. z.B. Melczer 1973:219.

190

//. Die Darstellung des spanischen

Amerika

ne Vorgehen García Hurtados hervorgehoben wird 1 . Allerdings steht der erfolgreiche Conquistador Araucos als blasse Figur auf auffällige Weise im Hintergrund des Epos 2 . Weder seine Herkunft, noch seine Verdienste werden gebührend betont. Und wenn der Autor auf die Kampfkraft García Hurtados hinweist, wie in den folgenden Zeilen: Don García de Mendoza entre su gente su cuartel con esfuerzo defendía, al gran furor y bárbara violencia haciendo suficiente resistencia (Ercilla 1979:11,82), dann setzt die d a r a u f f o l g e n d e Beschreibung des K a m p f g e i s t s anderer, unbekannter Spanier die Qualität des Gouverneurs deutlich herab: [...] contrapuestos al ímpetu araucano, hacían prueba de esfuerzo milagrosa resistiendo a gran número la entrada a pura fuerza y valerosa espada (Ercilla 1979:11,82). M a n spürt Ercillas Zurückhaltung, w e n n es u m García Hurtado geht. Direkte Kritik übt der Autor an d e m Verhalten des Gouverneurs, was seine eigene Verurteilung betrifft, die er als übertriebene Reaktion García Hurtados wertet 3 . Dag e g e n kann die Beschreibung der Hinrichtung Caupolicáns als indirekte Kritik Ercillas an d e m spanischen A n f ü h r e r verstanden werden. Dabei schildert der Autor die offensichtlich unter d e m B e f e h l des spanischen Soldaten Reinoso angeordnete Folter des araukanischen cacique voller Abscheu und bedauert, d a ß er selbst nicht anwesend war 4 . Ercilla hätte d e m heldenhaften Araukaner eine ehrenhafte Hinrichtung gewährt, und der E m p ö r u n g Ercillas ist zu entnehmen, daß es eigentlich A u f g a b e des Gouverneurs g e w e s e n wäre, dieser wichtigen indianischen Persönlichkeit eine adäquate Verurteilung und Exekution zu garantieren. U m die Art der Präsentation García Hurtados richtig einschätzen und bewerten zu können, stellt sich die Frage nach der Darstellung der anderen spanischen K ä m p f e r des Epos. A u c h diese finden sich wenig positiv gezeichnet: La poca edad y menos esperiencia de los mozos livianos que allí había descubrió con la usada inadvertencia a tal siempre su necia valentía diciendo [...] (Ercilla 1979:1,177). A n anderer Stelle werden die spanischen Soldaten von araukanischen Frauen in die Flucht geschlagen 5 . U n d w i e d e r u m eine Frau - Doña Mencia de N i d o s - ist es, die

1

2 3 4 5

So daß Frank Pierce mit Recht von "this generally favorable presentation of Don Garcia" (1984:60) sprechen kann. Eine Aufzählung und Beschreibung der Gesänge, in denen Garcia Hurtado agiert, findet sich in Pierce 1984:59-61. "Don Garcia appears on only a few occasions" (Pierce 1984:59). Vgl. Ercilla 1979:11,387. Vgl. Ercilla 1979:11,355/356. Vgl. Ercilla 1979:1,318/319.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

191

vergeblich versucht, die fluchtbereiten Spanier dazu zu überreden, die Stadt Concepción gegen die Araukaner zu verteidigen". Voller Kritik ist die Beschreibung des habgierigen und feigen Valdivia: A Valdivia mirad, de pobre infante si era poco el estado que tenía, cincuenta mil vasallos que delante le ofrecen doce marcos de oro al día; esto y aun mucho más no era bastante y así la hambre allí lo detenía. Codicia fue ocasión de tanta guerra y perdición total de aquesta tierra (Ercilla 1979:1,174/175).: Die Feigheit Valdivias manifestiert sich vor allem bei seiner Gefangennahme und Verurteilung, als er wenig heldenhaft um Gnade fleht 3 . Diese Szene steht in vollem Kontrast zu Caupolicáns stoischem Ertragen größter Folterqualen am Ende des Epos. Die einzigen eindeutig positiv und heldenhaft präsentierten Spanier sind der "yonarrador", der selbst am kriegerischen Geschehen beteiligt war, und ein Soldat italienischer Abstammung namens Andrea. Dieser verfugt nach antikem Vorbild über übermenschliche Kräfte 4 , ist aber innerhalb des Textes nur eine unbedeutende Nebenfigur 5 . Auf Ercillas eigene Rolle innerhalb des Epos werde ich weiter unten bei der Untersuchung des autobiographischen Aspekts eingehen. Somit fugt sich die karge Präsentation García Hurtados gut ein in ein insgesamt nüchtern und wenig vorteilhaft gezeichnetes Bild der spanischen Soldaten und Kämpfer. Dabei ergibt sich die paradox anmutende Situation, daß Ercilla die historischen Sieger negativ darstellt, während er die realen Verlierer positiv erhöht. Gleichzeitig war es dem Autor der Araucana unmöglich - wollte er seine historische Glaubwürdigkeit nicht verlieren - , die Spanier als Sieger der Geschichte völlig negativ zu präsentieren oder die Araukaner, die am Ende eine verheerende Niederlage erlitten, zu unbesiegbaren Heroen zu stilisieren. Ercillas widersprüchlich erscheinende Präsentation der spanischen wie der araukanischen Seite ist es, die bis heute die Literaturkritik beschäftigt. Sie entsteht durch zwei verschiedene Darstellungsmodi: Während die Spanier der Araucana, die dem Autor nah und bekannt waren, historisch und weitgehend realistisch beschrieben werden, erlauben es die Indianer Ercilla, da sie für ihn unbekannte, exotische und ferne Wesen sind, sie poetisch zu überhöhen und zu idealisieren 6 . Die spanischen 1 2 3 4

5 6

Vgl. Ercilla 1979:1,255-262. Vgl. auch wenige Verse zuvor: "Valdivia, perezoso y negligente,/ incrédulo, remiso y descuidado [...]" (Ercilla 1979:1,172). "Valdivia como mísero captivo/ responde y pide humilde y obediente/ que no le dé la muerte y que le jura/ dejar libre la tierra en paz segura" (Ercilla 1979:1,191). "Llamábase éste Andrea, que en grandeza/ y proporción de cuerpo era gigante,/ de estirpe humilde y su naturaleza/ era arriba de Génova al Levante./ Pues con aquella fuerza y ligereza/ a los robustos miembros semejantes,/ el gran cuchillo esgrime de tal suerte/ que a todos los que alcanza da la muerte" (Ercilla 1979:1,408) Zur Präsentation Andreas vgl. auch Ercilla 1979:1,413-418. Vgl. auch Morínigo 1979:37-41.

192

II. Die Darstellung

des spanischen

Amerika

Kämpfer, die letztendlich heldenhaft präsentierte Araukaner besiegen, sind die wahren und selbstverständlichen Gewinner, deren Fähigkeiten nicht eigens betont werden müssen. Zumal Nähe und Kenntnis auch kritische Anmerkungen gestatten. Gleichzeitig haben die von Ercilla geschilderten Araukaner, "personajes imaginados" (Morínigo), wenig mit den realen Kämpfern Chiles gemein. Das Anliegen Ercillas war es nicht, die historischen Ereignisse auf den Kopf zu stellen oder die Fähigkeiten der Spanier zu hinterfragen. Der Autor war offensichtlich tief beeindruckt von dem Mut der Araukaner, der ihn zu seiner poetischen Gestaltung inspirierte. Den Worten seines Prologs zum ersten veröffentlichten Teil, in dem er die vermeintliche Widersprüchlichkeit anspricht, entnimmt man tiefen Respekt und Bewunderung für die Indianer Chiles: Y si alguno le pareciere que me muestro algo inclinado a la parte de los araucanos, tratand o sus cosas y valentías más estendidamente de lo que para bárbaros se requiere, si querem o s mirar su crianza, costumbres, modos de guerra y ejercicio della, veremos que muchos no les han hecho ventaja, que son pocos los que con tan gran constancia y firmeza han defendido su tierra contra tan fieros enemigos c o m o son los españoles (Ercilla 1979: 1,121/122).

Die Diskrepanz zwischen dem ungebrochenen Verharren auf der Seite des Siegers und des eigenen Volkes und der Sympathie für den Gegner fuhrt zu der dem Epos inhärenten komplexen Widersprüchlichkeit, die es letztlich auch verhindert, eine der Gruppen der traditionellen Heldenrolle zu verpflichten: Ercilla's ideological commitment is distinct from his moral imperative. That is the reason the p o e m presents no single monolithic heroic role. Ercilla's duality o f sentiment breeds a divided epic visión and, ultimately, a divided heroic image (Melczer 1973:220).

Diese Überlegungen fuhren zu dem Schluß, daß es nicht die durch García Hurtado erfolgte Ehrverletzung war, die Ercilla dazu veranlaßte, die spanische Seite eher im Hintergrund des Epos abzuhandeln. Ein traditioneller Held García Hurtado war nie geplant und hätte der grundlegenden Konzeption der Araucana widersprochen. Allerdings war das Geschehen in La Imperial für Ercilla offensichtlich doch sehr prägend, und es ist durchaus vorstellbar, daß die besondere Kargheit der Präsentation des spanischen Gouverneurs in Chile noch zusätzlich durch das persönliche Erlebnis beeinflußt wurde. Entscheidend für die Gesamtkonzeption, wie von manchem Kritiker vermutet, war es aber sicher nicht. Abschließend stellt sich nun erneut die Frage nach dem Protagonisten der Araucana, der weder im Lager der Araukaner noch in dem der Spanier zu finden ist. Der traditionelle Held fehlt, und der Frage, welche Rolle der "yo-narrador" im Text spielt, soll an anderer Stelle nachgegangen werden.

Spanische Conquistadores als kollektiver Held: Juan de Castellanos' Elegías Eine Vielzahl von spanischen Conquistadores benennt Juan de Castellanos in seinen Elegías de varones ilustres de Indias. Von Cristóbal Colón und seinen Mitstreitern über Ponce de León, Diego Velázquez, Francisco de Garay bis zu Lope de Aguirre im ersten Teil, von "Micer Ambrosio, primero gobernador por los alemanes" bis zu Lope de Orozco im zweiten Teil, von Pedro de Heredia über Melchior Velázquez bis zu Antonio González im dritten und vierten Teil der Elegías werden sämtliche bedeutenden Eroberer und Gouverneure der beschriebenen Regionen, neben zahlrei-

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

193

chen unbekannten, heute nahezu vergessenen angeführt und deren Taten berichtet 1 . Der Autor untergliedert hierzu die einzelnen Teile in elegías, von denen die meisten den Tod eines der Conquistadores oder Gouverneurs beklagen. Allerdings sind einige elegías auch Orten gewidmet, außerdem wechseln sich diese ab dem zweiten Teil wenig einheitlich mit elogios und historias ab. Diese Unterteilung in elegías/elogios, sowie der Titel, der ebenfalls elegías anfuhrt, hat die Kritik von Anfang an beschäftigt. Die elogios sind nämlich keine Totenklagen im herkömmlichen Sinn 2 , sondern eher Lobgesänge, die die Ruhmestaten der Conquistadores besingen. Was sie in der Konzeption von Castellanos dann doch zu elegías macht, ist die Tatsache, daß diese heroischen Taten der "varones ilustres de Indias" in Spanien wenig Anerkennung fanden und bald vergessen wurden. Castellanos schreibt seine Elegías gegen dieses Vergessen: "A sacar del sepulcro del olvido/ A quien merece bien eterna fama" (Castellanos 1944:5). Zwar klagt der Priester-Autor auch über das harte Leben der spanischen Helden; mehr jedoch geht es ihm um die ungerechte Behandlung dieser Männer, die den spanischen Königen ein Weltreich sicherten und dafür niemals angemessen belohnt wurden: "[...] por tratarse de un destino tan adverso e injusto, llama él a su composición Elegías" (Reynal 1989:407). Nicht den Tod der spanischen Heroen beklagt somit Castellanos, sondern vorrangig die Mißachtung der Taten dieser Männer durch die spanische Krone und Öffentlichkeit. Zwei Aspekte unterscheiden die Präsentation der Helden bei Castellanos wesentlich von der Heldenkonzeption des traditionellen Epos. Zum einen ist es die Gesamtheit der spanischen Eroberer, Soldaten und Gouverneure, die ein Heldenkollektiv ergibt: Al quebrarse el tipo de coralidad de la fórmula clásica, los jefes ya se pluralizan de forma indiferenciada, sin colocarse jerárquicamente en una escala graduada de valores ideales; ya no son ejemplares (como Aquiles, Ulises, Eneas, Orlando o Gofredo...) y tienden más bien a representar al coro, a la masa: dejan de ser el unicum, simbolizador de una idea superior, y pasan a ser el plurimum, presentativo de la realidad heterogénea y polimorfa de los españoles [...] Se estrella, en suma, la unidad, el personalismo y el divismo clásica y avanza el enredo, la despersonalización moderna (Meo-Zilio 1982:211).

Zudem sind die "varones ilustres" nicht edler, halblegendärer Herkunft, ihr Leben verlief kaum vorbildlich und nobel, ihr Tod war weder tragisch noch von Lobeshymnen begleitet. Die spanischen Conquistadores in den Elegías von Castellanos sind vor allem als reale Figuren konzipiert, mit allen Unzulänglichkeiten und Widersprüchen realer Persönlichkeiten. Und die spanischen Eroberer Amerikas waren in der Mehrzahl einfacher Herkunft, nicht wenige konnten weder lesen noch schreiben. Armut, ein niedriger Stand, Goldgier und die allgemeine Perspektivlosigkeit in Spanien waren die Gründe für die Amerikafahrten und die Eroberungen, die ein Einkommen und den sozialen Aufstieg versprachen. In Amerika verhielten sich die Conquistadores selten vorbildlich; Berichte von Greueltaten, Massakern an Indianern, Rivalitäten untereinander mit blutigem Ausgang, von Raubzügen und Überfällen waren in ganz Europa verbreitet. Die spanische Krone fürchtete zudem den 1 2

Dieser Aspekt der Elegías blieb bisher in der Sekundärliteratur weitgehend ausgespart. Zur Definition von "elegía" vgl. Vicente Reynal, "La poética del cronista de Indias, Juan de Castellanos". In: Literatura Hispánica Reyes Católicos y Descubrimiento. Actas del Congreso Internacional sobre literatura hispánica en la época de los Reyes Católicos y el Descubrimiento. Hg.v. Manuel Criado de Val (Barcelona 1989), 408.

//. Die Darstellung des spanischen

194

Amerika

Machtwillen der Eroberer und versuchte, deren Macht zu beschränken. Die Conquistadores wiederum fühlten sich von der Krone hintergangen, wurden doch nur wenige von ihnen für ihre Verdienste entlohnt 1 . Die Mehrzahl starb in Armut und vergessen, "Otros venir á tanta desventura/ Que el suelo les negaba sepultura" (Castellanos 1944:5). Diesen mutigen Männern, denen nicht die fama zuteil kam, die sie verdient hätten, möchte Castellanos mit seinem Epos ein Denkmal setzen. Zwar werden insbesondere die bekannteren und bedeutenden Conquistadores durchaus in ausführlichen Episoden präsentiert und gepriesen, allen voran Cristóbal Colón, der fast vergessen verstarb und dessen Verdienste im 16. Jahrhundert innerhalb Spaniens kaum anerkannt wurden. Allerdings verzichtet Castellanos auf eine übertriebene Erhöhung und benutzt - vor allem im Vergleich zu Lasso de la Vega - eine eher nüchterne Sprache, wie das folgende Beispiel zum Tod Colons zeigt: I I Y ansí sc remató tan s a n t a m e n t e L a vida de varón tan e s c e l e n t e . I

I A gran a d m i r a c i ó n , á gran e s p a n t o

P e n s a n d o sus g r a n d e z a s m e p r o v o c o . Y su m a y o r loor en c u a l q u i e r c a n t o N o se podrá d e c i r e s c e s o l o c o : Pues C a s t i l l a y L e ó n le d e b e tanto. Q u e c u a n t o puedo y o d e c i r es p o c o : N o procuró deleites ni g a s a jos. M a s sufridor fué grande de t r a b a j o s (Castellanos 1944:44).

Wichtiger als eine Erhöhung einzelner Personen scheint Castellanos die detailfreudige Aufzählung und Aneinanderreihung einer ausufernden Vielzahl von Episoden, die die Taten mutiger Spanier benennen. So werden seitenweise einfache Soldaten aufgezählt, und man kann sicher sein, daß die Gouverneure der Regionen in ihrer Gesamtheit erfaßt sind. In der Mitte des dritten Teils beispielsweise führt der Autor die einzelnen gobernadores von Popayán in einem Katalog an: D o n S e b a s t i á n de B e n a l c á z a r vino P o r el marqués don F r a n c i s c o P i z a r r a : I

I C o n estas i n t e n c i o n e s resolutas

Partió para Castilla, y entre tanto L l e g ó de L i m a L o r e n z o de A l d a n a A t o m a r el g o b i e r n o por P i z a r r a . [...] P o c o después un P a s c u a l de A n d a g o y a . Q u e fué del R i o de S a n Juan n o m b r a d o G o b e r n a d o r . [...]

I

An v e r s c h i e d e n e n S t e l l e n der Elegías

finden sich V o r w ü r f e gegen d i e k ö n i g l i c h e n B e a m -

ten. die sich an den V e r d i e n s t e n anderer b e r e i c h e r n : " U n o s hacen h o n o r o s o s h e c h o s / Ln Indias, y otros llevan los p r o v e c h o s " (zitiert bei R o m e r o Galster 1 9 9 6 : 1 4 1 / 1 4 2 .

1 9 6 4 : 2 3 8 ) . V g l . hierzu auch

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

195

Benalcázar volvió con el gobierno [...] A la sazón llegó Vaca de Castro [...] (Castellanos 1944:501). So fuhren vor allem Breite und Ausführlichkeit der Erzählung zu einem Gesamteindruck der mutigen "varones ilustres", weniger die Glorifizierung einzelner Helden. Die realitätsbezogene Art der Schilderung von Castellanos macht es erforderlich, daß der Autor auch die negativen Seiten der spanischen Helden erwähnt. Sowohl die Goldgier als auch die enorme Gewalttätigkeit verschiedener Spanier bleiben nicht ausgespart. Bereits an früher Stelle, anläßlich der ersten Begegnung zwischen Spaniern und Indianern, äußert der Erzähler des Epos deutliche Worte, wenn er zu einer Indianerin spricht: Verás incendios grandes de undaaes En las partes que menos conveniá; Verás abuso grande de crueldades En el que mal ninguno merecia; [...] Y ansí fué que los hombres que vinieron En los primeros años fueron tales, Que sin refrenamiento consumieron Innumerables indios naturales: Tan grande fué la prisa que les dieron En usos de labranzas y metales, Y eran tan escesivos los tormentos Que se mataban ellos por momentos (Castellanos 1944:16). Vereinzelt finden sich auch Personen, die ausschließlich negativ präsentiert werden, wie z.B. Lope de Aguirre: Aguirre va mostrando su braveza Mala, cruel, bestial, tonta, beoda. Por toda parte aunde su vileza Los lugares mas limpios mas enloda. Tomó las llaves de la fortaleza, Señor se hizo de la isla toda, Mandó poner en ella con prisiones Al don Joan y á mujeres y varones (Castellanos 1944:168). *

Wie zu sehen war, verläuft die Suche nach dem traditionellen spanischen Helden in den Epen der Amerika-Thematik weitgehend vergebens. Während einige der Autoren völlig auf eine Heroisierung der spanischen Seite verzichten, kreiert Lasso de la Vega in seinem ersten panegyrischen Entwurf von Hernán Cortés zwar noch eine traditionell bestimmte Heldenfigur, die jedoch in der zweiten Ausgestaltung des Stoffes z u m christlichen Kreuzritter mutiert. Ercilla dagegen beschreibt die spanische Seite der Sieger betont realistisch und erhöht dafür die indianischen Verlierer.

196

//. Die Darstellung des spanischen Amerika

Castellanos konzipiert die spanischen Conquistadores als Heldenkollektiv, ohne Aussparung der negativen Aspekte. Eine traditionelle Heldenpräsentation findet sich eher noch in den wenigen erhaltenen Romanzen 1 . So ist z.B. Cortés in den von Reynolds zusammengetragenen Gedichten der überragende Held mit besonderen Fähigkeiten, der den Vergleich mit den bedeutendsten Helden der Geschichte nicht zu scheuen braucht: Fernán Cortés de Monroy, gran simulacro de César, nuevo Alejandro español, y nuevo Tibureio en Tebas, [...]' Im weiteren Verlauf der Romanze werden kurz die Verdienste von Cortés angeführt. Andere Romanzen widmen sich jeweils einer Episode des ruhmreichen Lebens des Eroberers, wie z.B. einem Überfall auf mexikanische Tempel 3 oder dem strategischen Schachzug des Helden, als er die spanischen Schiffe unbrauchbar machen ließ, u m nicht zurückkehren zu können 4 . In all diesen Texten erscheint Cortés ungebrochen als mutiger, kluger, heldenhafter Sieger. Diese Konzeption wird erweitert durch eine Reihe von Romanzen, die den alten, inzwischen verarmten, von der spanischen Krone und persönlichen Feinden ungerecht behandelten Conquistador am spanischen Hof zeigen. En la corte está Cortés del católico Felipe, viejo y cargado de pleitos, que así medra quien bien sirve. El que venció tantos reinos, tantas batallas felices, calificando su honra por tribunales asiste.5 Auf diese Weise beginnt die wohl bekannteste Romanze über Hernán Cortés. Die Schwierigkeiten des Eroberers mit der spanischen Krone und der Gerichtsbarkeit bei der historischen Persönlichkeit die Folge inkorrekten und illoyalen Verhaltens vermögen jedoch nichts an der heldenhaften Präsentation zu mindern, verleihen Cortés dagegen zusätzlich den Zug des geduldigen Opfers von Intrigen, das Gerechtigkeit sucht. Die ungerechten Anschuldigungen werden sodann auch zurückgenommen, und die Könige entschuldigen sich bei dem Eroberer: A él se humillan los grandes, duques, condes, caballeros; y aquesta fue la ocasión de hacer paz con todos ellos.6 1 2 3 4 5 6

Dies gilt nicht fur den Romanzenzyklus der Araucana, deren Helden und Heldinnen ausschließlich Araukaner sind. anonym, "Otro romance" in Reynolds 1967:71. Gabriel Lobo Lasso de la Vega, "Al derribar Cortés los ídolos" in Reynolds 1967:39-41. Gabriel Lobo Lasso de la Vega, "Romance del barreno de los navios" in Reynolds 1967: 31-34. anonym, "Romance del viejo Cortés en la Corte" in Reynolds 1967:61. anonym, "Segundo romance del viejo Cortés en la Corte" in Reynolds 1967:69.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

197

3. Amerikanische Landschaften Die traditionelle Epik, bei der Landschaft und Natur von untergeordneter Bedeutung sind, kennt keine realistisch geprägte Naturschilderung. Landschaft und Natur beginnen erst in der Romantik eine wesentliche Rolle zu spielen. Um das Geschehen jedoch zu lokalisieren und diesen Ort dann mit wenigen Worten zu beschreiben, rekurrieren die Autoren der Epen auf eine stilisierte Ideallandschaft, wie sie sich in Ansätzen bereits bei Homer, verstärkt jedoch bei Vergil findet, den locus amoenus'. Nun sind Landschaft und Natur neben den Bewohnern Amerikas von großer Bedeutung für die Eroberer, bestimmen sie doch die Art der Inbesitznahme und Besiedlung und nicht zuletzt den Nutzen, der aus diesen Unternehmungen zu ziehen ist. So werden seit Colón und Vespucci die Länder Amerikas beschrieben, wobei die dabei auftretenden Schwierigkeiten oben bereits dargestellt wurden. Nullstellen des Referenzsystems werden aufgefüllt mit Hilfe des Bekannten, und so verweisen Naturbeschreibungen in den historiographischen Schriften auf Ähnlichkeiten mit spanischen Erscheinungen oder auf klassische Topoi, die wiederum für idealisierte Präsentationen verantwortlich sind. Je nach Intention der Autoren finden sich auch Verklärungen der Länderbeschreibung aus utilitaristischen Gründen. Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich nun die Frage, wie die Autoren spanischer Epen Natur und Landschaft Amerikas in ihren Werken darstellen. Durch die historische Situierung ist eine geographische Bestimmung kaum zu vermeiden. Zwischen epischer Tradition und realer Geschichte ergibt sich für die Autoren die Frage nach dem Ort und dessen Beschreibung. Und dies zu einer Zeit, als die spanische Literatur mit der novela picaresca gerade erst begann, die reale Lokalität in ihre Texte zu integrieren. Ercilla benennt in seiner Araucana die Orte Chiles, die er bereiste und an denen sich das Schlachtgeschehen ereignete. Die Städte Concepción, Ongolmo, Arica, Talcaguano, der Fluß Biobio, das Tal von Purén, Mapocho, Jaule, Chiloé u.a. sind geographische Begriffe der Araucana, die noch heute auf jeder Landkarte Chiles ausfindig gemacht werden können 2 . Bei der näheren Beschreibung dieser Örtlichkeiten stößt man dann jedoch auf Passagen wie diese: [...] baja de un monte Itata caudaloso, atravesando aquel umbroso asiento con sesgo curso, grave y espacioso; los árboles provocan a contento, el viento sopla allí más amoroso burlando con las tiernas florecillas rojas, azules, blancas y amarillas. Siete leguas de Penco justamente es esta deleitosa y fértil tierra abundante, capaz y suficiente para poder sufrir gente de guerra. (Ercilla 1979:1,367). 1 2

Zu den Grundlagen der Landschaftsbeschreibung vgl. Emst Robert Curtius,

Literatur und lateinisches Mittelalter (Bern 21954), 191 -209.

Zur geographischen Situierung der Araucana vgl. Pierce 1984:40-42.

Europäische

198

II. Die Darstellung

des spanischen

Amerika

Der perfekte locus amoenus in bukolischer Manier findet sich gleich zu Beginn des ersten Gesangs, wenn der Erzähler den Platz beschreibt, an dem die Mutprobe stattfindet, mit der der cacique gewählt wird: Hácese este concilio en un gracioso asiento de mil florestas escogido, donde se muestra el campo más hermoso de infinidad de flores guarnecido: allí de un viento fresco y amoroso los árboles se mueven con ruido, cruzando muchas veces por el prado un claro arroyo limpio y sosegado, do una fresca y altísima alameda por orden y artificio tienen puesta [•••] allí se oye la dulce melodía del canto de las aves y armonía (Ercilla 1979:1,138). Zwar benennt Ercilla eine reale Örtlichkeit, knüpft jedoch eindeutig an die konventionelle epische Art der Naturbeschreibung an. Obwohl der Autor Augenzeuge des Geschehens war, la descripción tiene poco o nada que ver con la contemplación real de la naturaleza [...] Se trata de un arte en conjunto mental ('fantasía'), o lo que el filósofo llamaría 'idealista'.' Literarische Konvention, aber auch der Mangel an Vorlagen, auf die Ercilla sich hätte beziehen können, sind verantwortlich für diese Mischung aus realem Namen und idealisiertem Inhalt 2 . Gleichzeitig kreiert der Autor mit der Präsentation einer idyllisch-bukolischen Landschaft ein Gegenbild zum Hauptthema des Werkes, dem Krieg mit seinen Schlachtbeschreibungen: El objeto de los episodios bucólicos en la épica era, precisamente, crear un paréntesis u 'oasis pastoril' [...] donde el lector y los personajes pudieran descansar de las vicisitudes de la guerra (Perelmuter-Pérez 1986:133). Dieses Programm gilt um so mehr für die rein fiktionalen Passagen, die in ihrer Gesamtheit als Gegenentwürfe zur vorherrschenden Thematik des Krieges konzipiert sind. Mit diesen integrierten Episoden - weitgehend von Ariosts Orlando furioso inspiriert - trägt der Autor der genrespezifischen Forderung nach Variation der Thematik Rechnung. Hierzu gehören z.B. die Erzählungen um die idealisierten Frauenfiguren, deren Liebesszenen der locus amoenus als idealer Hintergrund dient. Zwei Traumsequenzen im 17. und 18. Gesang fuhren den Erzähler in paradiesähnli1 2

Rosa Perelmuter-Pérez, "El paisaje idealizado en La Araucana". Hispanic Review 54,2 (1986): 132. Von verschiedenen Seiten wurde Ercilla der Mangel an naturgetreuer Landschaftsbeschreibung vorgeworfen. Treffend erscheint hier das Urteil Menéndez Pelayos: "La naturaleza está descrita alguna vez, sentida casi nunca [...] Las indicaciones topográficas de Ercilla son de una precisión y de un rigor matemáticos, al decir de los historiadores y geógrafos chilenos; pero no son gráficas, ni representan nada a la imaginación" (1948:224). Den Grund für den Mangel an Landschaft sah Menéndez Pelayo in dem fehlenden Bewußtsein über die Bedeutung des Lokalkolorits zur damaligen Zeit.

C. Zwischen

Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

199

che Gefilde, wobei die Ideallandschaft des 17. Gesangs mit Zauberwesen bevölkert ist. Eine weitere Steigerung liefert der Autor im 26. Gesang mit dem Zaubergarten des Magiers Fitón. Tópicos como el locus amoenus y la edad de oro, así como la descripción de los campos Elíseos y del paraíso terrenal, motivos todos relacionados con la tradición pastoril en sus manifestaciones paganas o cristianas, se incrustan en estos cuadros de paisaje, produciendo con frecuencia bellas descripciones que reflejan poco o nada las particularidades del continente americano (Perelmuter-Pérez 1986:145/146).

Kaum eine Erwähnung finden Natur und Landschaft in Lasso de la Vegas Mexicana. Zwar werden auch hier die realen Orte benannt, die Cortés und sein Gefolge in Besitz nahmen und an denen Schlachten und Kämpfe ausgetragen wurden, wie z.B. Cabo de Mujeres, Acuzamil (Cozumel), Tabasco, Méjico, Villa Rica de la Veracruz usw., die Darstellungen beschränken sich jedoch auf neutrale Minimalinformationen. So fällt Aguilars Beschreibung der Hauptstadt México im vierten Gesang, einer Stadt, die andere Autoren zu wahren Begeisterungsstürmen hinriß 1 , ziemlich nüchtern aus: 'Allí una gran ciudad, puesta en un llano, como cabeza principal florece, cuyo distrito fértil, ancho, ufano, con extendidos reinos la obedece: [...] Es agradable y a la vista hermosa, [•••] Hácese un lago ancho y espacioso, que ocupa en redondez noventa millas, de la insigne ciudad seguro foso, guarda y amparo de otras muchas villas (Lasso de la Vega 1970:33/34).

Tabasco ist der "distrito hermoso, dilatado" und "aquesta tierra ignota, fértil, rica" (Lasso de la Vega 1970:43/44), und sogar wenn die Spanier erstmalig an mexikanischen Gestaden anlegen, erfahren wir zwar genau, was die erschöpften spanischen Männer zu sich nehmen, die neue Umgebung jedoch wird nur lakonisch präsentiert: "animados/ con ver la dulce playa y selva amena" (Lasso de la Vega 1970:24). Auch der locus amoenus wird nur selten bemüht, vornehmlich in Verbindung mit den rein fiktionalen Episoden 2 . Andere Naturbeschreibungen sind eingebunden in die mythologische Rahmenhandlung und auf diese Weise erhöht und verfremdet 3 . Bei Lobo Lasso spielen Natur und Landschaft folglich eine noch unwesentlichere Rolle als in Ercillas Araucana. Dabei dürfte es weniger entscheidend sein, daß Lasso ! 2

3

So z.B. Bemal Díaz del Castillo. Vgl. Díaz del Castillo 1980:159. Im Gegensatz zu Lasso de la Vega haben diese Autoren die mexikanische Hauptstadt aber tatsächlich gesehen. So z.B. in der Szene, wo Aguilar und seine Männer Clandina treffen: "De tiemas florecillas variado/ que apacibles al ojo se ofrecían/ a recrear un ánimo cansado/ bastante la fragancia que esparcían;/ cruzando el espacioso y verde prado/ por diversos lugares discurrían/ mil cristalinos lazos, con rüido/ a la vista agradables y al oído" (Lasso de la Vega 1970:66). So z.B. gleich zu Beginn, wenn Plutón Neptuno besucht (vgl. Lasso de la Vega 1970:17), oder im 31. Gesang, wenn Plutón sich mit seinen Ministem im Vulkan von Chololla trifft (vgl. Lasso de la Vega 1970:162/163).

200

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

kein A u g e n z e u g e des U n t e r n e h m e n s 'Amerika' war. Auffällig ist der w e i t g e h e n d e Verzicht auf eine Idealisierung der Landschaft, was durch Lobo Lassos vorrangige Orientierung an Tassos Gerusalemme libérala zu erklären ist, dessen K o n z e p t i o n des locus amoenus auf eine A b w e n d u n g von der gängigen Ideallandschaft der Renaissance hindeutet. Z u d e m ist die Präsentation einer rauhen, an realistischen V o r g a b e n ausgerichteten U m g e b u n g dienlicher für das Ziel, die Qualitäten des H e l d e n Cortés hervorzuheben, als die liebliche Natur der Bukolik. Dieser Art von Naturbeschreibung, wie sie sich bei Ercilla und Lasso de la Vega findet u n d die vorrangig an epischen Traditionen orientiert ist, steht eine andere K o n z e p t i o n entgegen, die Castellanos' Elegías kennzeichnet. Zwar finden sich auch hier vereinzelt Passagen, die eine idealisierte Landschaft beschreiben. D a r ü b e r hinaus wird aber der V e r s u c h u n t e r n o m m e n , k n a p p und in realistischer M a n i e r Landschaften und die Besonderheiten von Flora und Fauna des amerikanischen Kontinents zu benennen 1 . Castellanos liefert nicht nur exakte Darstellungen verschiedener Orte und Regionen der Karibik, Venezuelas und Kolumbiens, die er teilweise selbst besucht hatte, er katalogisiert auch Früchte, Pflanzen und Tiere. Damit benennt er das N e u e und bisher für Spanien Unbekannte, wobei er sich verstärkt eines indianischen Wortschatzes bedient. Ähnliche Inventarisierungen waren bislang den historiographischen Schriften vorbehalten. Als Beispiel hierfür mag folgende A u f z ä h l u n g von Früchten der Insel Margarita dienen: Hay muchos higos, uvas y melones, Dignísimos de ver mesas de reyes. Pitahayas, guanábanas, anones. Guayabas y guaraes y mameyes: Hay chica, cotuprises y mamones. Pinas, curibijures, caracueyes, [...] (Castellanos 1944:151). A n anderen Stellen werden die Exotika näher beschrieben - "pintura tan exacta y minuciosa c o m o hubiera p o d i d o ser la de u n naturalista" (Pardo 1991:315) - , wie z.B. las niguas, eine bestimmte Art von Flöhen: [...] unas abominables sabandijas a quien llamamos niguas comunmente, minutísimas pulgas que se meten entre el cuero y la carne soterradas, adonde con el cebo van creciendo, y llegan, si por caso se descuidan, a ser de la grandeza de garbanzo; [...] (Castellanos 1932:360). 1

Rafael Maya markiert so den Unterschied zwischen Ercilla und Castellanos, was deren Umgang mit Natur betrifft: "[...] para mí tengo que Ercilla es él que contempla la naturaleza desde lejos, y Castellanos quien la observa desde cerca." Rafael Maya, "Castellanos y Ercilla". Revista de las Indias 28 (1941): 176. Für Castellanos vgl. hierzu Pardo 1991:305316; Romero 1964:333-356.

C. Zwischen

Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und

Romanzen

201

Ähnlich wie Castellanos verfährt auch Bartolomé de Góngora in seiner Octava maravilla que en verso heroico contiene las antigüedades y conquista de Nueva España, einem Werk, das leider nur noch in Form eines Manuskriptfragments erhalten ist1 und das hier nicht eingehend behandelt werden kann. Neben einer Biographie des Hernán Cortés und dem Bericht von der Eroberung Mexicos beinhaltet das ehemals offensichtlich umfangreiche Epos Sitten und Gebräuche der Indianer Mexicos. Vor allem das dritte Buch scheint der Beschreibung der mexikanischen Natur und Landschaft gewidmet: Es región de infinitos alacranes, que pican, no en mortífera manera; vívoras uniformes, i caymanes, qual cocodrilos hai de vista fiera: salen de las lagunas á los panes, corren tras de la gente que se altera; [...] 2

Weitgehend ohne Bedeutung ist die amerikanische Umwelt für Escobedos La Florida. Dies erstaunt um so mehr, da Escobedo mit ethnologischem Interesse die Bewohner Floridas mit ihren Sitten und Gebräuchen schildert. Zwar benennt der spanische Mönch die realen Orte, an denen er sich aufgehalten hat bzw. von denen seine Erzählung handelt, ohne diese jedoch näher zu beschreiben. Am ausführlichsten sind die diesbezüglichen Angaben noch im zweiten Teil der Florida, der die Beobachtungen und Erlebnisse des Mönchs auf den karibischen Inseln wiedergibt. Dort berichtet der Autor ähnlich wie Castellanos und Góngora vom Klima Cubas, von Vögeln, Bäumen und vielen Obstsorten 3 : Comerá del mamey fruto gustoso, A los melocotones comparado, Colorado qual ellos y oloroso Tiene dos huesos uno en cada lado. Uerá el papayo árbol muy uistoso, Su sabor al mastuerce asimilado. Aguacate es comida regalada Qual manteca de bacas estremada (Escobedo o.J.:202v).

Die Auskunft über Florida dagegen ist äußerst spärlich und rudimentär: Es costa la Florida peligrosa, Cercada de montañas y pántanos (Escobedo o.J.:327r), heißt e s an e i n e r Stelle und w e n i g später: Es la Florida llena de pántanos. Cient mili brafos del mar entran por ella Que no podrán juzgar los más cercanos

1 2

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Dieses findet sich in der Bibliothek der Real Academia de la Historia (A. 57 ms.). Bartolomé de Góngora, Octava maravilla, que en verso heroico contiene las antigüedades i conquista de Nueva España (o.O. 1628), f. 208r/v. Obwohl der erhaltene Teil des Manuskripts von 1628 datiert, berichtet der letzte Teil (VIII) offensichtlich von Ereignissen, die 1629 und später stattfanden. Vgl. Reynolds 1978:39. Vgl. Escobedo o.J.:202v-207v.

202

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Del suelo un palmo enjunto en toda ella. Pero después descúbrense los llanos Y ríos, dónde está una mancha bella De hostiones, por sus horas descuuierta Hasta que el agua sirue de conpuerta (Escobedo o.J.:329v).

Escobedos vordergründiges Interesse galt den Bewohnern der Regionen, die er besuchte, und so beschreibt er von der Natur nur das, was in Verbindung mit den Indianern von Belang war. Bei den wenigen Passagen zu Ambiente und Natur handelt es sich jedoch um realistische Schilderungen, die ziemlich exakt der Wahrnehmung Escobedos entsprochen haben dürften. Landschaft, Flora und Fauna spielen bei allen spanischen Epen über Amerika eine untergeordnete Rolle 1 . Während Ercilla und Lasso de la Vega geographisch exakt die Route der geschilderten kriegerischen Expeditionen angeben, gleichzeitig aber in ihren Naturbeschreibungen den traditionellen locus amoenus (Ercilla) bzw. knappe realistische Informationen (Lasso de la Vega) integrieren, geht es Castellanos und Góngora um ein systematisches Erfassen der jeweiligen Region Amerikas, zu dem auch ein Benennen und Beschreiben der Besonderheiten des neuen Kontinents gehört. Durch Aufzählungen und exakte Darlegungen wird ein realistisches Ambiente geschaffen - wie es sich auch bei Escobedo findet, ohne daß dieser jedoch allzu viele Worte über Natur und Landschaft verliert - , das den Leser vor allem informieren möchte".

4. Spanische Feinde: Freibeuter und Piraten Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts bedrohten Piraten und Freibeuter, die zu einem großen Teil in englischen, holländischen und französischen Diensten standen, die spanischen Flotten in der Karibik, aber auch einzeln segelnde spanische Schiffe'. Zunehmend verlegten die Korsaren, die auch als Schmuggler tätig waren, ihre Aktivitäten auf Angriffe wichtiger Häfen, Städte und Siedlungen der Antillen und ein1

2

3

Dies gilt auch für die hispanoamerikanischen Texte. Vgl. hierzu Cintio Vitier, "Prólogo y Advertencia". In: Silvestre de Balboa, Espejo de paciencia. Hg.v. Cintio Vitier (La Habana 1960), 22. Dies soll jedoch nicht heißen, daß diese realistischen Schilderungen völlig frei von Idealisierungen sind, wie das folgende, dem locus amoenus verpflichtete Textbeispiel aus dem Werk von Castellanos zeigt: "Hay infinitas islas y abundancia/ De lagos dulces, campos espaciosos,/ Sierras de prolijísima distancia,/ Montes escelsos, bosques tenebrosos,/ Tierras para labrar de gran sustancia,/ Verdes florestas, prados deleitosos,/ De cristalinas aguas dulces fuentes,/ Diversidad de frutos escelentes" (Castellanos 1944:6). Vgl. hierzu Enriqueta Vila Vilar, "Das spanische Handelsmonopol und seine inneren Widersprüche". In Pietschmann 1994:692-719; Frédéric Mauro, "Die Bedeutung der Seefahrt für die iberoamerikanische Kolonialgeschichte". In Pietschmann 1994:663-675; Kenneth R. Andrews, The Spanish Caribbean. Trade and Plunder 1530-1630 (New Häven, London 1978), vor allem 134-170; Kris Eugene Lañe, Pillaging the Empire. Piracy in the Americas, 1500-1750, Armonk, London 1998; Manuel Lucena Salmoral, Piratas, bucaneros, filibusteros y corsarios en América. Perros, mendigos y otros malditos del mar, Madrid 1992; Weatherford 1995:40-50.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

203

zelner Küstengebiete des Festlands 1 . Die Aktionen der Piraten verliefen parallel zur europäischen Politik der Großmächte gegen Spanien und waren Ausdruck einer "systematische[n] Aggressionspolitik der ausländischen Mächte" (Vila Vilar 1994:699). Die problematische Situation beschäftigte die spanischen Kolonialverwaltungen in Amerika ebenso wie die spanische Regierung, die den Schaden durch Schutzflotten und den Bau von Befestigungsanlagen zu begrenzen versuchten. Die Angst der Amerikareisenden vor den Piraten war groß, und "Namen wie Drake, Hawkins, Cumberland oder Hendricksz vermochten das ganze spanische Imperium in Alarmzustand zu versetzen" (Vila Vilar 1994:697). Im 17. Jahrhundert sollten die Aktivitäten der Freibeuter zunehmen, wobei es zu größeren Landnahmen der Engländer, Franzosen und Holländer vor allem in der Karibik kam. Die Attacken der Piraten beschäftigten auch die Schriftsteller, allen voran die Berichterstatter amerikanischer Realitäten 2 . In der spanischen politischen Traktatliteratur wurden allgemein die Angriffe der europäischen Nationen auf Spanien und die Benachteiligung Spaniens im europäischen Kontext beklagt, wobei den amerikanischen Reichtümern die Hauptursache zugesprochen wurde. Auch die Poeten integrierten diesen Aspekt des amerikanischen Lebens in ihre Gedichte, indem sie die Gegnerschaft Spaniens gegenüber den anderen europäischen Nationen personalisierten und sich auf die Tätigkeit der Freibeuter konzentrierten. Es ist vor allem Francis Drake, dessen Aktivitäten dichterisch gestaltet wurden, neben anderen weniger bekannten Piraten zumeist englischer Herkunft 3 . So finden sich in den hier behandelten Epen über amerikanische Themen erstaunlich viele Passagen, die Drake und die Seeräuberei besingen, selbst wenn das restliche Epos einer anderen Thematik und Region gewidmet ist. Sowohl Barco Centeneras Argentina wie auch Miramontes y Zuäzolas Armas antärticas enthalten Oktaven, in denen die Erzähler ihre Bewunderung für Drake ausdrücken. Kurz benannt wird dieses Ereignis auch von Mendoza y Monteagudo in seinem Las guerras de Chile und in Jufre de Aguilas Compendio historial del descubrimiento, conquista y guerra del reino de Chile. Baiboa Troya y Quesada schildert in seinem Werk Espejo de paciencia die Entfuhrung des Bischofs Juan de las Cabezas Altamirano auf Cuba durch den französischen Piraten Gilberto Girön. Offensichtlich eignete sich vor allem die historische Figur von Francis Drake gut für die Integration in die historische Thematik der Amerika-Epen 4 . Dabei wird Drake von den spanischen Autoren auf der einen Seite bewundert, als Seeheld, Abenteurer, vor allem aber als mutiger und fähiger Kämpfer, dem es gelingt, die Spanier zu besiegen und zu überlisten. Auf der anderen Seite wird der englische Korsar eindeutig zur Symbolfigur eines gegnerischen Englands, ist er "Spain's arch1

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Vgl. hierzu die Karte der Piratenangriffe in der Karibik im 16. Jahrhundert nach Morales Padrón bei Vila Vilar 1994:698.

Vgl. hierzu Tillman Paul McQuien, Sir Francis Drake in English and Spanish Literature of the Sixteenth and Seventeenth Centuries (Ann Arbor 1973), 82-122.

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Es liegen j e d o c h zu dieser Thematik keine Romanzen vor. Eine Ausnahme bietet das satirische Gedicht "La victoria naval peruntina" von Mateo Rosas de Oquendo. Zur historischen Figur des Francis Drake vgl. George Malcolm T h o m s o n , Sir Francis

Drake, London 1972; Harry Kelsey, Sir Francis Drake. The Queen's Pirate, New Haven, London 1998; Lucena Salmoral 1992:98-116. Z u m zeitgenössischen Interesse an den Aktivitäten Drakes vgl. Pieper 2000:178-210.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

enemy" (McQuien 1973:213): Engländer, Ketzer, Lutheraner, dabei natürlich mit dem Teufel im Bunde. Einige Autoren, darunter Barco Centenera und Miramontes y Zuázola, präsentierten den Freibeuter und seine Attacken als Strafe Gottes für den sündhaften Lebensstil der Spanier in den Kolonien. McQuien konstatiert eine Romantisierung der historischen Figur: [...] the attitudes toward the English Seaman admittedly have varied from poet to poet, and some poets have achieved a fair amount of objectivity in their presentations. The general tendency, however, has been to romanticize Drake by exaggerating the negative or, surprisingly, the positive aspects of his nature (1973:218/219). Die gespaltene Haltung gegenüber Francis Drake zwischen Bewunderung und Verdammung findet sich auch im Discurso del Capitán Francisco Draque von Juan de Castellanos. Dieser Text war ursprünglich im dritten Teil von Castellanos' Elegías enthalten und sollte die "Historia de Cartagena" abschließen, wurde jedoch, ohne daß es jemals zu einer Veröffentlichung dieses dritten Teils kam, auf Anraten des Zensors Pedro Sarmiento de Gamboa aus dem Gesamtwerk entfernt' und erstmalig 1921 von Angel González Palencia veröffentlicht 2 . Castellanos zeigt sich in den fünf Gesängen, die er Drake widmet - wobei sich der Autor bei der Schilderung der historischen Ereignisse ziemlich genau an die überlieferten Fakten hält und den Schwerpunkt seiner Erzählung auf den Angriff des Korsaren auf Cartagena legt - , von dem englischen Seehelden beeindruckt: Hes hombre rojo de gracioso gesto, menos en estatura que mediano; mas en sus proporciones bien compuesto y en plática, medido cortesano, respuestas vivas, un ingenio presto en todas quantas cosas pone mano, en negocios mayormente de guerra muy pocas o ningunas veces yerra (Castellanos 1932:302). Drake wird als mutig, klug, als gekonnter Stratege und guter Redner, der seine Truppen positiv zu motivieren vermag, geschildert . Zwar ist er geldgierig, dafür verfiigt er aber über die Eigenschaften eines caballero. Sein Erfolg beruht zum Teil auf seinen kriegerischen Fähigkeiten, ist aber auch die Schuld unfähiger Kolonialverwaltungen. Diese durchwegs positive Präsentation des englischen Piraten wird erst aufgegeben, als Castellanos die Verwüstung von Santo Domingo durch Drake und seine Männer erzählt. Dann werden diese zu "luteranos infernales" und "miembros del demonio", von Gott geschickt, um die in Sünde lebenden Spanier zu bestrafen:

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2 3

"La censura de Sarmiento de Gamboa [...] se explica fácilmente. El Discurso contiene duras acusaciones a las autoridades de Indias por su imprevisión e incapacidad. Pone en evidencia, además, lo sencillo que resultaba asaltar las colonias de ultramar y el poco espíritu que había en la mayoría de la gente para defenderlas. Era imposible que aquella invitación a los corsarios fuera dada a la imprenta" (Pardo 1991:72). Zur Geschichte des Manuskripts bis zur Drucklegung vgl. McQuien 1973:220-223; Pardo 1991:74-76. Zum Discurso von Castellanos vgl. McQuien 1973:219-238.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Mas agora con tantas municiones, gentes y prevenciones quantas digo, parescen ser divinas puniciones puestas en voluntad del enemigo, por ventura por las dissoluciones sin correción, enmienda ni castigo [•••] (Castellanos 1932:336). Wie sehr die Piraten durch ihre permanente bedrohliche Präsenz das damalige Leben in der Karibik dominierten, zeigen Alonso Gregorio de Escobedos Augenzeugenberichte im zweiten Teil seiner Florida. Während Escobedos Überfahrt von Spanien nach Florida wird der Mönch mehrmals von englischen Piraten überfallen 1 . Als er zwangsweise auf der Insel Yaguana Zwischenstation macht, erlebt er einen Angriff auf die Siedlung der Insel durch französische Piraten, der durch einen mutigen und klugen Spanier abgewehrt wird 2 . Seine eigene Erzählung unterbricht der Autor durch die Berichte anderer Augenzeugen. Die Darlegung Escobedos erscheint nüchtern und erstaunlich objektiv. Wenngleich sich der Autor weitgehend an Fakten hält und den Engländern sogar Mut zugesteht 3 , so verurteilt der Erzähler doch das Tun der Korsaren moralisch: "Que no guarda de Dios la ley suaue/ El ladrón, que su alma tiene muerta" (Escobedo o.J.: 189v). Als Lutheraner verfolgen die Piraten zudem den falschen Glauben 4 . Mit Nachdruck betont Escobedo die Überlegenheit der Spanier gegenüber den Engländern, da diesen als Anhängern des wahren Glaubens Gott helfe. Mehrere Seiten des zweiten Teils der Florida sind Francis Drake gewidmet (f. 259r-279v). Detailliert berichtet der Autor, dessen "yo" am Rande als Augenzeuge auftritt, von den Überfällen des Piraten auf Santo Domingo, Cartagena und San Agustín de la Florida. Der englische Freibeuter wird dabei auf ähnliche Weise präsentiert wie bei Castellanos. So erscheint Drake als mutiger und fähiger Kämpfer und Stratege 5 , dessen Habgier der Erzähler beklagt: En la ciudad robó como tyrano Ella fue la que a Draque hizo la costa Que por barretas de oro suspiraua Y plata y finas perlas procuraua (Escobedo o.J.:266r). A m stärksten betont wird jedoch Drakes Rolle als Abtrünniger des wahren Glaubens, der mit dem Teufel paktiert: De quien [Dios] manifestó ser enemigo, Verdugo de su yglesia sacrosanta, 1 2 3 4 5

Für den gesamten zweiten Teil, in dem sich Schilderungen von Piratenüberfällen finden, vgl. Escobedo o.J.:177r-291v. Vgl. Escobedo o.J.:l85r-186v. Vgl. Escobedo o.J.:!79r. Vgl. hierzu den Disput zwischen Escobedo und einem Engländer in Escobedo o.J.: 181 r183v. Während nicht näher bestimmte Augenzeugen die positive Schilderung des englischen Korsaren übernehmen, ist der Erzähler selbst eher für die kritische Präsentation Drakes zuständig.

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II. Die Darstellung des spanischen Amerika Solo tiene al Demonio por amigo Cuyos costumbres a su alma planta. Daranle fuego eterno por castigo (que solo ymaginar en el espanta) En el ynfiemo horrible y tenebroso, Donde siempre carezca de reposo (Escobedo o.J.:264r).

Auch Escobedo kritisiert die Nachlässigkeit der Kolonialverwaltungen bei der Befestigung und Verteidigung der Städte und Strände, die den Piraten ihre Attacken erleichterte. Gleichzeitig wird auf den enormen Mut und die großartige Kampfkraft einiger Spanier verwiesen, die Drake und seinem Gefolge widerstehen und diese somit letztendlich besiegen', ein Sieg, der allerdings in erster Linie der Hilfe Gottes zu verdanken ist". Auf andere Weise behandelt Lope de Vega das Sujet in seinem 1598 erschienenen Epos La Dragontea3. Zwar hält sich der spanische Autor detailgerecht an die überlieferten historischen Fakten 4 , wenn er die letzte Amerikafahrt Drakes und dessen Tod erzählt 5 . Allerdings schildert Lope de Vega ausnahmslos negative Züge des englischen Seehelden, wobei auch hier dessen vermeintliche Habgier und sein Protestantismus ausfuhrlich präsentiert werden. So ist es die allegorische Personifikation Codicia, die Draque (so die spanische Version von Drake) im ersten Gesang umschmeichelt und ihn auffordert, erneut gegen spanische Gebiete vorzugehen: Oro busca, oro roba, oro dessea, Que esta fruta es la copia de Amaltea. [...] 1 2 3

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Vgl. Escobedo o.J.:266r-268v. Vgl. Escobedo o.J.:270v. Das Gedicht hatte nur mäßigen Erfolg, was sich auch auf das Interesse der Kritiker auswirken sollte. Zur Dragontea vgl. McQuien 1973:238-256; Charles Philip Johnson, Lope de Vega's Contribution to the Spanish Golden Age Epic: A Re-evaluation (Ann Arbor 1974), 85-127; A. K. Jameson, "Lope de Vega's La Dragontea: Historical and Literary Sources". Hispanic Review 6 (1938): 104-119; Ismael García S., "La Dragontea. Justificación y vicisitudes". In: Lope de Vega y los orígenes del teatro español. Actas del I Congreso Internacional sobre Lope de Vega. Hg.v. Manuel Criado de Val (Madrid 1981), 591-603; Cecilia Pisos, '"La Dragontea' de Lope de Vega: una epopeya fallida". In: Actas ¿el III Congreso Argentino de Hispanistas "España en América y América en España". Bd. 2. Hg.v. Luis Martínez Cuitiño und Elida Lois (Buenos Aires 1993), 816-826; Ramiro Lagos, "La Dragontea y la huella de Lope en Colombia". In: Lope de Vega y los orígenes del teatro español. Actas del I Congreso Internacional sobre Lope de Vega. Hg.v. Manuel Criado de Val (Madrid 1981), 605-615. Als historiographische Quellen dienten Lope de Vega vier relaciones der offiziellen Berichterstattung. Nähere Angaben hierzu bei Jameson 1938:106-113, der auch auf die Änderungen Lopes eingeht. Vgl. Jameson 1938:1 13/114. Nicht erwähnt wird bei Jameson der größte Eingriff Lopes, der Drake in seinem Epos von seinen eigenen Männern vergiften läßt. Vgl. Lope de Vega, "La Dragontea". In ders., Obras Completas I "Obras no dramáticas I". Hg.v. Joaquín de Entrambasaguas (Madrid 1965), 252. Tatsächlich starb Drake eines natürlichen Todes. Vgl. Kelsey 1998:389; Thomson 1972:314. Zu dieser letzten Fahrt Drakes und dessen Tod vgl. Kelsey 1998:367-389; Thomson 1972:298-316.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und

Romanzen

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Agora es bien que en esse pecho infundas Mi espíritu de guerra y de codicia, Al arma, al arma, al oro, al oro, Draque, Si ay tanto junto que la tuya aplaque (Lope de Vega 1965:189).

Bedeutender ist jedoch Drakes Darstellung als Abtrünniger des wahren Glaubens, der mit dem Teufel paktiert. Gleich zu Beginn des Epos erscheint die allegorische Personifikation Religion Cristiana mit ihren Töchtern España, Italia und las Indias vor der Providencia Divina und beklagt sich über die Ungläubigen der Länder bzw. des Kontinents: Del Moro, Italia, y su cabera Roma, España de cossanos que la minan, America de aqueste Dragón fiero Se quexan al remedio verdadero (Lope de Vega 1965:185).

Durch die Allegorie erfolgt die heilsgeschichtliche Einbindung der Thematik, die auf der Opposition katholisch (=Gott=spanisch) vs. protestantisch (=Teufel=englisch) beruht. Drake wird somit nicht nur zur Symbolfigur des verhaßten Engländers, des politischen Feindes Spaniens, sondern in verstärktem Maße zu der des religiösen Gegners. Sein Pakt mit dem Teufel gilt als erwiesen, und gleichzeitig wird Draque zum Drachen (dragón) aus der Offenbarung Johannes' in Analogie gesetzt 1 : Su [Drakes] misma patria afirma que el demonio Con el tenia pacto y conueniencia, De que era cierta prueua y testimonio Vna cédula escrita en su presencia. Esta el Dragón del monte Calidonio, Y el que cayo para su eterna ausencia. Del monte del excelso Testamento Hizieron con infame juramento (Lope de Vega 1965:243/244).

Dadurch erhält der Protagonist des Epos auch eine mythische Dimension, die die Verdorbenheit der historischen Figur Drake noch wesentlich erhöht 2 . Somit differiert Lope de Vegas Darstellung von den anderen, die bei aller Verdammung doch einstimmig die militärischen Qualitäten Drakes hervorhoben. Bei Lope finden sich lobende Äußerungen über den Engländer allenfalls von den spanischen Gegnern, wie z.B. von Codicia3 oder von dem spanischen Verräter Ojeda 4 . Francis Drake war zu seiner Zeit in Spanien und Amerika ganz offensichtlich eine Gestalt, die Furcht und gleichzeitig Bewunderung auslöste, eine historische Persönlichkeit, die legendäre Züge angenommen hatte:

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Vgl. die entsprechende Stelle in: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Zürcher Bibel. Hg.v. Kirchenrat des Kantons Zürich (Berlin 2 1951), 1420/1421. "Lope has exaggerated Drake's misdeeds to the cosmic level", stellt McQuien fest (1973: 256). Sie erwähnt lobend Drakes frühere Verdienste, wenn sie ihm im Traum erscheint. Vgl. Lope de Vega 1965:186-189. Vgl. Lope de Vega 1965:243.

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II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Sus hazañas, casi fantásticas, debieron dar razón para considerarlo como un azote, como un personaje fabuloso, capaz de las más increíbles y peligrosas aventuras (García S. 1981: 592).

Lope wendet sich mit seinem Epos gegen die Beliebtheit und Verklärung Drakes, wie er in seiner Widmung an Felipe III. darlegt, in der er seine Motive für das Abfassen der Dragontea beschreibt: Dos cosas me han obligado a escreuir este libro, y las mismas a dirigirle a V. Alteza: la primera que no cubriesse el oluido tan importante Vitoria: y la segunda que descubriesse el desengaño lo que ignoraua al vulgo; que tuuo a Francisco Draque en tal predicamento, siendo la verdad que no tomo grano de oro que no le costassc mucha sangre. En la vna vera V. Alteza que valor tienen los Españoles: y en la otra como acaban los enemigos de la Iglesia [...] (Lope de Vega 1965:178).

Lope möchte Position beziehen für die katholische Religion und für den spanischen Staat, dessen Vorrangstellung zunehmend von anderen europäischen Staaten bedroht wird 1 , und dabei jegliche Ambivalenz vermeiden, die eine auch nur im Ansatz positive Charakterisierung Drakes bergen könnte. Möglicherweise hatte er die Figurenkonzeption der Araucana vor Augen, deren manifester Widersprüchlichkeit er durch eine eindeutige Darstellung und Trennung von feindlicher und eigener Seite begegnen wollte. Und doch ist Lopes Werk eine Widersprüchlichkeit inhärent, die dem Autor eventuell nicht bewußt war. Diese begründet sich auf dem Problem des traditionellen Helden. Der Protagonist der Dragontea ist eindeutig Francisco Draque, der nicht nur dem Epos den Titel gibt, sondern insgesamt die einzige Figur von zentraler Bedeutung ist. Aufgrund seiner Konzeption als Verkörperung des Bösen ist Drake jedoch der Anti-Held, der mit der Vorstellung des traditionellen Helden des Epos kollidiert 2 . All die großen Epen, die damals Vorbildcharakter hatten, favorisierten den idealisierten zentralen, eindeutig positiv bestimmten Helden. Der dem Drama Lopes zugrundeliegende Diskurs des Bösen fand nicht das Verständnis der Zeitgenossen, die sich zumeist kritisch über das Epos äußerten 3 . Das Bemühen eines negativen Kapitels der spanischen Geschichte zur epischen Heroisierung Spaniens fand kein Verständnis bei Publikum und Kritik. Das konventionelle Epos verlangt den positiv besetzten Diskurs und scheint zu scheitern angesichts einer "magnificación abusiva del antihéroe" (Pisos 1993:824). Abgesehen von der Tatsache, daß Lopes Draque zu übertrieben inhuman beschrieben wird, kommen zwangsläufig die Gegner Spaniens häufig zu Wort und äußern auf diese Weise Kri1

2

3

"[Lope] se hace intérprete de los sentimientos colectivos de una sociedad estremecida ante la impotencia de sus efectivos militares para frenar así a quienes iniciaron el fracaso del imperio español, que ya comenzaba a desintegrarse" (García S. 1981:593). Zwar machte Jameson zwei Quellen ausfindig, Claudianus' In Rufinum und De Bello Gildonico, "both directed against public enemies of the Roman Empire, Rufinus and Gildo respectively, whose exploits are described in detail, both couched in terms of the most virulent abuse, and both written immediately after the events to which they refer" (1938: 117). Auch wenn Jameson den Einfluß der beiden Epen auf Lopes Dragontea detailliert nachweist, so ändert dies doch nichts an der Tatsache, daß die Konzeption des Helden im konventionellen Epos eine andere ist. Vgl. Pisos 1993:823. Auch die Kritik der Folgezeit konnte sich kaum fur das Werk begeistern. Vgl. GarciaS. 1981:591.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

209

tik an Spanien, wie sie im Epos damals sicher nicht erwünscht war 1 . Aufgrund der Abkehr von der traditionellen Konzeption des Epos kommt der beabsichtigte propagandistische Charakter der Dragontea nicht zum Tragen. Es stellt sich hier die Frage nach den Gründen, warum Lope als Protagonisten für sein erstes episches Gedicht eine Spanien feindlich gesinnte historische Persönlichkeit wählte. Warum entschied sich der spanische Erfolgsautor nicht für eine Konstellation, die einen zentralen spanischen Protagonisten mit dem Antagonisten Drake konfrontiert, dessen Rolle nicht allzusehr hätte geschmälert werden müssen? Der Held auf der spanischen Seite, der die englischen Piraten letztendlich besiegt, ist bei Lope Diego Suárez de Amaya. Als der spanische Autor sein Epos 1598 erstmalig veröffentlichen wollte, wurde ihm in Madrid die Druckerlaubnis versagt, so daß der Text in Valencia erschien. Als Lope eine Neuauflage beantragte, informierte der Zensor den König: [Lope de Vega] quenta aquel suceso muy contrario a la Verdad, con manifiesto agravio de las personas que ally sirvieron y porque no se le quiso dar licencia y ymprimilla se fue a Valencia Inzwischen scheint es durch einen Vergleich mit den auch Lope bekannten Quellen erwiesen, daß der spanische Autor bewußt die militärischen Verdienste Alonso de Sotomayors, des Capitán General der Provinz Tierra Firme, dessen Untergebenem Diego Suárez de Amaya zuschrieb. Über die Möglichkeit, daß es sich bei Suárez de Amaya um einen Schützling des Marqués de Malpica handeln könnte, in dessen Diensten Lope de Vega zur Zeit der Veröffentlichung der Dragontea stand, wird spekuliert 3 . Lope verfaßte das Epos kurz nach den geschilderten historischen Ereignissen. Offensichtlich wollte er von der Bekanntheit der legendären Figur Drake profitieren, er rechnete zudem mit den antienglischen patriotischen Gefühlen der spanischen Nation. Ob er diese Pläne außerdem mit einem konkreten Auftrag des Marqués de Malpica verband, bleibt dahingestellt. Lope de Vegas Projekt kollidierte allerdings mit den Anforderungen des traditionellen Epos und der damit verbundenen Erwartungshaltung seines Publikums. Durch die zentrale Figur des Anti-Helden und die schwach ausgeprägte Präsentation der spanischen Seite kam dem Gedicht eine Ambiguität zu, wie sie der Araucana Ercillas eignete. So hatte der Autor nicht nur in Spanien Probleme mit den Zensurbehörden aufgrund der inadäquaten Darstellung der spanischen Seite der Seeabenteuer, in Amerika wurde die Publikation des Werkes kurz nach Erscheinen verboten 4 . Die Behandlung der historischen Persönlichkeit Francis Drakes in den hier besprochenen Epen der amerikanischen Thematik verweist erneut auf den Unterschied zwischen den Werken, die von in Amerika lebenden Augenzeugen der beschriebe1 2 3 4

Ein Beispiel fiihrt Pisos an: "[...] Lope pone en boca del embajador inglés, escandalosos argumentos antimonárquicos que cuestionan el carácter y fundamento mismo de la empresa ultramarina de España" (1993:824). FürdenText vgl. Lope de Vega 1965:225/226. Zitiert bei Rafael de Balbín Lucas, "La primera edición de 'La Dragontea"'. Revista de Bibliografía Nacional 6 (I945):355. Vgl. Pisos 1993:825; García S. 1981:598-600; Jameson 1938:115. Vgl. Fernando Lázaro Carreter, Lope de Vega: introducción a su vida y obra (Salamanca 1966), 110/111; Pisos 1993:823.

210

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

nen Geschichte verfaßt wurden, und denen, die von spanischen Hofautoren, die niemals in Amerika waren, stammen. O b w o h l die A u g e n z e u g e n die p e r m a n e n t e Furcht u n d B e d r o h u n g erlebt haben müssen, die von der G e f a h r der Piraten ausging, wie sie z.B. E s c o b e d o in seiner Florida beschreibt, e m p f i n d e n sie doch B e w u n d e r u n g und Sympathie f ü r diesen audaz marino inglés que, sin sospecharlo siquiera, contribuyó políticamente a buscar el equilibrio de fuerzas en Europa, porque con sus hazañas puso en evidencia que España estaba en vías de perder su status de primera potencia mundial (García S. 1981:595). So z.B. Juan de Miramontes y Zuázola, der b e i m K a m p f gegen die Piraten a m Isthm u s von P a n a m á als Soldat beteiligt w a r ' und Drake in seinen Armas antarticas beschreibt 2 . N e b e n d e m Aspekt der B e w u n d e r u n g erfolgt auch die weitere Charakterisierung Drakes bei den A u t o r e n einheitlich: Er ist der habgierige Ketzer, der mit d e m T e u f e l i m B u n d e steht, wobei einige der Autoren diese Aspekte recht schematisch erledigen. F o r m e l h a f t wird beispielsweise sein Pakt mit d e m T e u f e l evoziert. Diese Konzeption eines der wichtigsten Feinde Spaniens erinnert an die der Indianer in Ercillas Araucana. A u c h hier schwankt der Erzähler zwischen Sympathie und Verurteilung, kürt die Araukaner zu heimlichen Helden, die aber trotzdem von den Spaniern besiegt werden. Sowohl die Indianer wie auch Drake unterliegen d e m V e r f a h r e n der Poetisierung, das den spanischen Helden dagegen verweigert wird. Gleichzeitig basiert die sympathisierende Darstellung der spanischen G e g n e r aber auch auf der Tatsache, daß im 16. Jahrhundert mittelalterliche T u g e n d e n wie Ritterlichkeit und militärische Stärke noch zu den wichtigsten Eigenschaften der Helden zählen. Dies fuhrt dazu, daß politische und nationale Interessen in den Hintergrund treten angesichts eines Gegners, der über anerkannte T u g e n d e n verfugt. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, daß ein starker heroischer G e g n e r auch das eigene I m a g e aufpoliert, dies u m so mehr, w e n n dieser G e g n e r von den eigenen Leuten besiegt wird. Dies gilt f ü r Drake ebenso wie für die Araukaner. E s c o b e d o ist der einzige Autor, der das alltägliche Leben der K a r i b i k b e w o h n e r und -reisenden mit der permanenten B e d r o h u n g durch Seeräuber und Freibeuter beschreibt. Er verzichtet auf eine Poetisierung der gegnerischen Seite und schildert nüchtern eigenes Erleben. D r a k e ist er selbst k a u m begegnet und läßt eine andere Person v o n ihm berichten, w o d u r c h die S y m p a t h i e b e k u n d u n g distanziert als persönliche M e i n u n g eines U n b e k a n n t e n ausgewiesen wird. Lope de Vega stellt z w a r als einziger Francis D r a k e in den Mittelpunkt der Handlung seines Epos, verzichtet j e d o c h bewußt darauf, ihm auch positive E i g e n s c h a f t e n zuzuschreiben. Der spanische Autor möchte den englischen Seehelden funktionalisieren u n d ihn f ü r seine antienglische prokatholische Propagandaschrift benutzen. D a ß das Projekt scheitert, liegt an Lopes unkonventioneller Konzeption des AntiHelden.

1 2

Vgl. GarcíaS. 1981:593. "Era Francisco Drake audaz, valiente,/ considerado, próvido, ingenioso,/ sagaz, astuto, plático, prudente,/ diestro, arriscado, fuerte, venturoso,/ grato, discreto, afable, continente,/ sufrido, vigilante, receloso,/ de ánimo y pensamiento levantado,/ gran marinero y singular soldado". Juan de Miramontes y Zuázola, Armas antárticas. Hg.v. Rodrigo Miró (Caracas 1978), 45.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

211

Einen anderen Zweck verfolgt Mateo Rosas de Oquendo mit seinem langen Gedicht "La victoria naval peruntina", das in freien Elfsilbem verfaßt wurde, jedoch über einen episch-narrativen Charakter verfugt 1 . Darin berichtet der Autor die Ereignisse um eine Seeschlacht zwischen dem englischen Piraten Richard Hawkins und der spanischen Flotte Limas unter dem Befehl von Beiträn de Castro y de la Cueva, einem Schwager des Vizekönigs Garcia Hurtado de Mendoza. Die Schlacht endete am 2. Juli 1594 mit einem triumphalen Sieg der vizeköniglichen Flotte, die allerdings Rosas de Oquendo zufolge leichtes Spiel hatte: Stürme hatten offensichtlich die Schiffe des englischen Korsaren bereits zuvor weitgehend zerstört, außerdem war Hawkins in einer früheren Schlacht verletzt worden 2 . Mateo Rosas de Oquendo liefert eine Version des historischen Geschehens, die sich wesentlich von der offiziellen Geschichtsschreibung der Epoche unterscheidet. Er benutzt seine Schilderungen für eine herbe Kritik an der Kolonialgesellschaft Limas, ein Thema, das im folgenden Kapitel noch eingehender behandelt wird. Der spanische Autor, der wahrscheinlich lange Zeit in den hispanoamerikanischen Kolonien verbracht hatte, attackiert in seinem satirischen Gedicht vornehmlich die Familie des Vizekönigs: den Vizekönig Garcia Hurtado de Mendoza selbst, den der Autor als unfähig, schwach und krank darstellt, dessen Frau Teresa und deren Bruder, Beiträn de Castro, den er als unfähigen Feigling beschreibt, den ausschließlich die eigene Bereicherung interessiert 3 . Mit "La victoria naval peruntina" verfaßte Rosas de Oquendo eine Parodie auf Arauco domado des kolonialen Autors Pedro de Ona 4 . Arauco domado war von der Familie Garcia de Hurtados als Auftragsarbeit an Pedro de Ona vergeben worden, um das Ansehen des Vizekönigs, das aufgrund der kargen Schilderung Ercillas in dessen Araucana gelitten hatte, wiederherzustellen.

5. Koloniales Leben Der thematische Schwerpunkt der spanischen Epen über Amerika liegt eindeutig bei der Präsentation der Eroberungen, was weitgehend auch für die Romanzen gilt. Dagegen ist das Leben in den kolonialen Gesellschaften, nach erfolgter Eroberung und Kolonisierung, selten Gegenstand der Betrachtung. Würde eine eingehende Darstellung des Alltagslebens doch mit der gängigen Epenkonzeption kollidieren, die das herausragende Ereignis, das Abenteuer verlangt. Thematisiert wird das koloniale Leben nach den spanischen Eroberungen in Tei1

2 3

4

Für den Text des Gedichts vgl. Mateo Rosas de Oquendo, "La Victoria Nava! Peruntina". In: Rosas de Oquendo y otros. Hg.v. Rubén Vargas Ugarte (Lima 1955), 72-90. Vgl. auch Pedro Lasarte, "Sátira, parodia e historia en la Peruntina de Mateo Rosas de Oquendo". Colonial Latin American Review 1,1-2(1992): 147-160. Von der gängigen Literatur über die Tätigkeiten der Piraten in Amerika berichtet nur Lucena Salmoral kurz über diese Ereignisse (1992:113). So betet Beltrán de Castro vor der Schlacht voller Angst: "yo conozco, Señor, y lo confieso/ que soy un tonto y mísero gallego,/ un pecante cotidie empanderado,/ descortés, malcriado y arrogante; [...] me haga subcesor de mi cuñado,/ en el gran tribunal adquisitivo/ de este orbe metalífero, do espero/ juntar otro millón, cómo él ha hecho" (Rosas de Oquendo 1955:85-87). Die genauere Beweisführung liefert Lasarte 1992b.

212

II. Die Darstellung

des spanischen

Amerika

len der Elegías von Juan de Castellanos, der die Siedlungspolitik und lokale Ereignisse des Nuevo Reino de Granada beschreibt 1 . Ebenfalls die Kolonialepoche bestimmt die Handlung von Silvestre de Balboas Espejo de paciencia, wenngleich der Autor ein besonderes Vorkommnis des kolonialen Cuba schildert: die Entführung des Bischofs Juan de las Cabezas Altamirano durch den französischen Piraten Gilberto Girón 2 . Auf die Präsentation der Aktivitäten vor allem englischer Piraten wurde im vorherigen Kapitel hingewiesen. Zur kolonialen Epoche zählen auch die spanischen Bürgerkriege in Peru, die in dem anonymen Fragment besungen werden, das 1909 von Romero gefunden und publiziert wurde 3 . Auch hier handelt es sich jedoch nicht um Alltagsgeschehen, sondern um außergewöhnliche Ereignisse. Auf besondere Weise wird die Kolonialgesellschaft von dem wahrscheinlich lange Zeit in Hispanoamerika lebenden Spanier Mateo Rosas de Oquendo geschildert. In Form von Romanzen liefert dieser Autor kritische Moralsatiren mit offensichtlich autobiographischen Sequenzen, die den Gedichten den Anschein von Selbstbekenntnis und moralischer Unterweisung verleihen. El poema de Oquendo propone la consabida mezcla satírica: comienza como testamento y carta, sigue como sermón y acaba como confesión; salta de lo escrito a lo oral, de lo culto a lo popular, de lo serio a lo cómico, de lo sangriento a lo burlesco, de lo equívoco a lo unívoco. 4

Der Autor benutzt dabei eine deftige und direkte Sprache, mit traditionellem rhetorischem Aufbau und einer bescheidenen Metaphorik 5 . Als Basis für die folgenden Ausführungen soll vorrangig der Text der "Sátira a las cosas que pasan en el Pirú, año de 1598" dienen 6 . Mateo Rosas de Oquendo schildert das Leben in den Kolonien als verkehrte Welt. Die Gesellschaft scheint auf den Kopf gestellt, wobei den Erzähler vor allem die soziale Mobilität stört: [...] quántos pobres bisten seda, quántos rricos, cordel late; quántos rricos comen queso, quántos pobres senan abes; [...] quántos mercaderes rricos, usurpando calidades, por haserse caualleros se boluieron sacristanes!

1 2 3 4

5 6

Für Beispiele vgl. Pardo 1991:325-356. Zu den Hintergründen des Epos vgl. Vitier 1960:7-12. Vgl. hierzu das Gedichtfragment in Carlos Alberto Romero, "Un poema del siglo XVI inédito". Revista Histórica 4 (1909):269-284. Cedomil Goic, "Poesía del descubrimiento de América". In: Actas del XXIX Congreso del Instituto Internacional de Literatura Iberoamericana I. Hg.v. Joaquín Marco (Barcelona 1994), 75. Die am meisten benutzte rhetorische Figur ist die Enumeration. Vgl. auch Goic 1994:75. Vgl. Mateo Rosas de Oquendo, Sátira hecha por Mateo Rosas de Oquendo a las cosas que pasan en el Pirú, año de 1598. Estudio y edición crítica. Hg.v. Pedro Lasarte, Madison 1990.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

213

qué de picaros son condes, qué de condes, ganapanes; (Rosas de Oquendo 1990:4-7). An die Angesprochenen ergeht dann auch der Rat, bei ihrer Herkunft zu bleiben 1 . Wie viele Moralisten argumentiert der Autor durchaus konservativ, wenn er sich gegen soziale Änderungen ausspricht: ¡Qué buena fuera la mar, y amiga de xente graue, si lo que haze con los binos, hisiera con los linaxes, que abinagrando rruines, los buenos perfisionase; (Rosas de Oquendo 1990:38). Die peruanische Gesellschaft besteht in Rosas de Oquendos Darstellung vor allem aus Hochstaplern, einfachen Leuten, die sich als caballeros ausgeben: [...] todos son hidalgos finos de conosidos solares! [...] no bienen honbres humildes, ni judíos, ni ofisiales, sino todos caualleros y personas prinsipales (Rosas de Oquendo 1990:38). Es ist eine fingierte Gesellschaft, die der spanische Autor schildert, in der jeder etwas anderes zu sein vorgibt, wobei Rosas de Oquendo nicht zwischen Spaniern und Kreolen unterscheidet. Lügen, Laster und Beziehungen zählen mehr als Arbeit und Mühe, Werte, die der Erzähler hochschätzt: [...] y trabaxen en las Yndias como en Castilla sus padres; y el don Anbrosio finjido, con las lechuguillas grandes, tome el ofisio que tubo su abuelo Fransisco Hemándes; [...] que sólo goze del fruto quien lo rregó con su sangre; (Rosas de Oquendo 1990:40/41). Auch die mexikanische Kolonialgesellschaft wird gleichermaßen kritisch präsentiert, wie der folgende Ausschnitt aus der "Sátira que hizo un galán a una dama criolla que le alababa mucho a México" zeigt:

1

Vgl. Rosas de Oquendo 1990:6. Die soziale Mobilität war zur damaligen Zeit in den spanischen Kolonien unvergleichlich größer als in Spanien. Vgl. hierzu Magnus Mörner, "Die sozialen Strukturen im Wandel". In Pietschmann 1994: vor allem 468-491.

214

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Esta en la misma miseria do se afeminan los hombres y los hijos que producen ellos de serlo se corren 1 . Diese Romanze betont durch die Gegenüberstellung von Spanien und Mexico die Misere der kolonialen Gesellschaft und kommt zu dem Schluß, daß ein Aufenthalt dort nicht lohne, da nicht einmal der Gewinn groß sei 2 . Eine besondere Zielscheibe des Spotts und der Kritik sind die Frauen der peruanischen Kolonialgesellschaft. Sie verkaufen sich, betrügen ihre Männer und sind nur an äußeren Oberflächlichkeiten interessiert 3 . Als Laster frönen sie dem Spiel und dem Tanz 4 . Ebenso kritisiert werden die Soldaten. So liefert Rosas de Oquendo eine von der offiziellen Version abweichende Sicht der Conquista: Vna bes fui en Tucumán [•••] fundamos vna ciudad, [-] y escriuimos al Virrey vn pliego de disparates: que por franquear el sitio para pueblos y eredades, fuimos con muncho trauajo para rronper adelante; [•••] y tengo de confesarme: yo rrestituio la honrra a los pobres naturales, que ni ellos se defendieron, ni dieron tales señales; antes nos dieron la tierra con muy buenas boluntades, y partieron con nosotros de sus asiendas y ajuares; (Rosas de Oquendo 1990:42/43). Soldaten sind für Rosas de Oquendo gesellschaftliche Parasiten, die auf Kosten anderer leben, ein Verhalten, das der Ich-Erzähler entschieden ablehnt 5 . 1

2

3

4 5

Mateo Rosas de Oquendo, "Sátira que hizo un galán a una dama criolla que le alíbaba mucho a México". In: Cartapacio de diferentes versos a diversos asuntos compuestos ó recogidos por Mateo Rosas de Oquendo. Hg. v. A. Paz y Melia (Bordeaux 1907), 40. Vgl. Paz y Melia 1907:42. Vgl. auch Paz y Melia 1907:40: "Hallaron en este reino/ Ccrtés ni sus españoles/ si no barbaros vestidos/ de plumas y caracoles?/ Caballos no los habiay cameros, vacas, lechones/ ni aceite, ni pan, ni vino/ solo mameyes y alotes". Vgl. auch Peña 1992:96-108. Die Anklage gegen die Frauen findet sich in der "Sátira a las cosas que pasan en e Pirú" auf den Seiten 7-36. Für eine exakte Analyse eines dieser Frauentypen, der "vieja embustera", vgl. Lasarte 1986:81-87. Vgl. Rosas de Oquendo 1990:28-31. "[...] que el pan más caro de todos/ es el que coméis de balde,/ que no le abéis bien comido/ quando a los oxos os sale;/ por él perdéis vuestro gusto/ por él negáis vuestra sangre, [...]" (Rosas de Oquendo 1990:45).

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Mehr als auf eigene Erfahrungen rekurrieren die moralischen Satiren Rosas de Oquendos auf traditionelle literarische Themen, und der Autor präsentiert durchaus konventionelle Menschentypen der Satire. So handelt es sich bei der Klage über die Laster der Frauen um einen altbekannten Topos 1 . Mit der Rede über den verderbenden Charakter Amerikas und der kritischen Präsentation des indiano schließt sich der Autor gängigen Amerikadiskursen der Epoche an. Rosas de Oquendo verlegt altbekannte Laster der "alten" in die "neue" Welt, denn die meisten seiner Themen und Vorwürfe finden sich gleichermaßen in der Literatur über Spanien. So z.B. die Titelsucht der aufstrebenden Stände - bekannteste Figur hierfür dürfte der hidalgo des Lazarillo sein die im 16. und 17. Jahrhundert maßgeblich für die Lähmung der Wirtschaft Spaniens verantwortlich war. Diese negativen gesellschaftlichen Charakterzüge trafen - glaubt man Rosas de Oquendos Ausführungen - in den amerikanischen Gesellschaften auf einen besonders günstigen Nährboden. Trotz des eindeutigen Vorherrschens traditioneller literarischer, vornehmlich satirischer Themen scheint in den Romanzen des spanischen Autors doch auch die soziokulturelle Realität Perus bzw. Mexicos durch, wenn Rosas de Oquendo beispielsweise exakte Charakteristika der entsprechenden Region anführt. Hierzu Pedro Lasarte: Cabe notar, sin embargo, que el proceso de referencia del poema observa una importante dualidad: si por un lado se trata de una aparente denuncia seria, crítica y reformadora de costumbres, lo cual de paso arroja luz sobre una variedad de vestimentas, comidas, paseos, y otras actividades de los primeros años de la Lima virreinal, el texto también se entronca con una tradición burlesca y joco-seria que elude la representación histórica a favor del juego lingüístico y la parodia literaria. En este caso, por ejemplo en su creación de caricaturas, retratos, y alegorías satíricas, por lo general de orientación grotesca y obscena, el poema muestra una clara conciencia literaria del artificio y la exposición retórica [...] (1986:78). : Die Haltung des Autors ist, wie bei vielen Satirikern, konservativ-pessimistisch, und seine Texte sind mit moralistischen Digressionen durchsetzt. Die Spannung ergibt sich aus dem Verhältnis des engaño zur Wahrheit, was zu einem allgemeinen desengaño fuhrt. Die Einstellung Rosas de Oquendos Amerika gegenüber scheint kompromißlos, zumal er nicht nur die indianischen Besonderheiten ablehnt 3 , sondern auch die aus Europa integrierten Neuerungen. Im Gegensatz zu vielen Amerikafahrern wird für ihn Spanien zum gelobten Land, zur Utopie 4 . Eine der wenigen Ausnahmen des durchgängig negativ besetzten Amerikabilds Rosas de Oquendos ist ein Gedicht mit dem Titel "Romance en alabanza de la provincia de Yucatán de Campeche", in dem der Autor in einfacher Sprache Flora, Fauna, Einwohner und typische Gebrauchsgegenstände aus Yucatán darstellt und eindeutig positiv präsentiert 5 . Damit verschreibt sich der Autor dem damals eben1 2 3 4 5

Vgl. für Beispiele des Mittelalters Curtius 1954:135,164,246. Zum streng rhetorischen Aufbau des Textes von Rosas de Oquendo vgl. Lasarte 1985:415-436. Dazu gehören z.B. die typisch mexikanische Flora, Obst, Nahrungsmittel oder Gebrauchsgegenstände der mexikanischen Indianer. Vgl. Paz y Melia 1907:39/40. "España abundante y rica, [...] castiga a este reino loco/ que con tres chiquisapates/ quiere compatir contigo/ y usurparte tus blasones" (Paz y Melia 1907:43). Vgl. Paz y Melia 1907:43-46."[...] perdone si he andado falto/ en loar esta provincia/ y lo que en ella ha criado/ la omnipotencia de Dios/ con su poderosa mano" (46).

//. Die Darstellung des spanischen Amerika

216

falls gängigen spanischen Diskurs des Menosprecio de corte y alabanza de aldea. Während die lasterhafte Dekadenz der Vizekönigtümer Mexico und Lima scharf verurteilt wird, lobt Rosas de Oquendo idealisierend das ländliche Leben in Yucatán 1 . *

Die obige Untersuchung der thematischen Schwerpunkte von Epen und Romanzen zu Amerika hat deutlich gezeigt, daß die literarische Komponente bei der Mehrzahl der Gedichte dominiert, auch wenn sich die Texte in wesentlichen Aspekten von den traditionellen Merkmalen der Genres unterscheiden. Zwar erfolgt bei allen Texten eine Groborientierung an historischen Tatsachen, allerdings werden diese fiktionalliterarisch angereichert. Dies gilt für die Indianerfiguren, die z.B. bei Ercilla in verschiedenen Abstufungen idealisiert präsentiert werden. Aber auch die Landschaftsbeschreibungen kennzeichnet die Verbindung des real-geographischen Ortes mit der traditionell-literarischen Ausgestaltung des locus amoenus. Und sogar die herbe Kritik an der Kolonialgesellschaft, wie sie Rosas de Oquendo in seinen Romanzen liefert, verfugt über einen dominanten literarischen Hintergrund. Den fiktional-literarisch angelegten Epen steht eine zahlenmäßig geringere Gruppe von epischen Texten gegenüber, die darum bemüht ist, ein realistisches Bild von Amerika zu geben, ohne dabei allzu sehr auf literarische Traditionen zu rekurrieren. Dies zeigt sich z.B. deutlich bei Escobedos Florida, wobei es sich hier dennoch nicht um rein historiographisches Schreiben handelt, da eine Reihe von Verfahren dafür sorgt, daß in diese Texte Fiktionales einfließt. Außerdem fehlen wesentliche Grundbestandteile des historiographischen Diskurses. Die Elegías von Juan de Castellanos nehmen eine Position zwischen den beiden Richtungen ein und verfügen sowohl über fiktional-literarische Passagen als auch über realhistorische Beschreibungen. Zentrales und konstitutives Merkmal der spanischen Amerika-Epen - zumindest der Autoren, die in Amerika waren - ist die ambivalente Heldenpräsentation. Die spanischen Conquistadores nehmen in der Regel nicht die Rolle des traditionellen Helden ein. Vielmehr erfahren sie eine weitgehend realistische Behandlung, womit ihre Präsentation im Gegensatz steht zur Idealisierung der indianischen Seite. Auf diese Weise ergibt sich die paradox anmutende Situation, daß die historischen Sieger zu weiten Teilen negativ dargestellt werden, während der gegnerischen Seite, die im historischen Prozeß unterlag, mit großer Sympathie begegnet wird. Die fremden Indianer wurden von den Autoren poetisch erhöht. Doch auch anderen spanischen Gegnern, zumeist englischen Korsaren und Piraten, galt die Sympathie der Autoren, die deren Mut hervorhoben. Es stellt sich hier nun die Frage, ob die ambivalente Heldenpräsentation der Amerika-Epen darauf zurückzuführen ist, daß die spanischen Conquistadores generell als Helden ungeeignet schienen, oder ob deren Heldenstatus 1

"Corte y aldea se enfrentan en un mano a mano que prolonga, en estas tierras, la polémica tradicional, y que nos recuerda aquellas epístolas que en torno al menosprecio de corte y alabanza de aldea se cruzaran, a mediados del XVI, entre un Baltasar del Alcázar y un Gutierre de Cetina". Margarita Peña, "Escritores españoles en Indias. ¿Americanos o peninsulares?" Universidad de México 41,421 (1986):34. Die Passagen iiber Rosas de Oquendo dieses Artikels von Margarita Peña finden sich auch in Peña 1992:82-90.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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von den Autoren selbst unerwünscht war. Sind somit eher außerliterarische Faktoren entscheidend oder innerliterarische? Oder begünstigte ein Zusammenspiel der beiden Komponenten die spezielle Konstellation? Ein bedeutender außerliterarischer Faktor dürfte die damals problematische Beziehung der namhaften Eroberer zur spanischen Krone gewesen sein. Die Mehrzahl der führenden Conquistadores bzw. deren Familien waren in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als die meisten Epen zur amerikanischen Thematik verfaßt, teilweise auch publiziert wurden, aufgrund ihrer ausufernden Forderungen nach Reichtum und Macht bei den spanischen Königen längst in Ungnade gefallen 1 . Da Felipe II. in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Schweigen der Schriften über Amerika verordnet hatte, das zumindest die historiographische Literaturproduktion betraf, wurde Amerika zum "Unthema", das - aus verschiedenen Gründen - wenig attraktiv, teilweise auch nicht ungefährlich für die Autoren war". An innerliterarischen Gründen, die bei der Entscheidung gegen den traditionellen spanischen Helden und für eine positive Präsentation des Gegners eine Rolle gespielt haben könnten, wäre in jedem Fall der Vorbildcharakter der Araucana Ercillas zu nennen. Der erste Teil dieses Epos über Arauco wurde bereits 1569 veröffentlicht und erfuhr eine enorme Verbreitung. Es ist anzunehmen, daß nahezu alle Autoren weiterer Epen den Text Ercillas kannten. Lediglich Zapatas Carlo famoso und wahrscheinlich das anonyme La Conquista del Perú wurden vor der Araucana verfaßt. Der große Erfolg des Epos Ercillas zeigt, daß der Text, obgleich er gegen literarische Konventionen verstieß, akzeptiert wurde und großen Anklang fand. Die komplexe Widersprüchlichkeit des Werks mag manchen Autor zur Nachahmung inspiriert haben. Eine andere - noch traditionell bestimmte - Art der Heldendarstellung findet sich bei einigen spanischen Hofschriftstellern. Hier steht tatsächlich der spanische Conquistador im Mittelpunkt der Erzählung. Es ist jedoch mit Sicherheit kein Zufall, daß die wenigen Epen, die noch idealisierend spanische Eroberer als zentrale Helden präsentierten, Auftrags- bzw. Propagandawerke waren. Hier erstaunt vor allem, wie sich Lobo Lasso de la Vega in der Mexicana von seinem (wahrscheinlichen) Auftrag löst und in eigener Verantwortung eine am spanischen Hof wenig angesehene historische Persönlichkeit zum exemplarischen Kämpfer für den christlichen Glauben macht. Ähnlicher Verfahren bedient sich Juan Cortés Ossorio, wobei über den Hintergrund seines Epos so wenig bekannt ist, daß selbst Spekulationen schwerfallen 3 . Auch bei Lope de Vegas Dragontea handelte es sich wahrscheinlich um eine Auftragsarbeit. Mit seiner Konzeption des Anti-Helden wendet sich der Schriftsteller jedoch ebenfalls vom traditionellen Helden ab, erreicht dabei allerdings nicht den verfolgten Propagandazweck. 1 2 3

Dies gilt vor allem für Hernán Cortés und die Pizarros. Hernán Cortés war darüber hinaus verschiedener Vergehen angeklagt, während die Pizarros ihren Ruf durch die spanischen Bürgerkriege und Aufstände in Peru verloren hatten. Es hat sicher Gründe, daß der Autor von La Conquista del Perú, der Propagandaschrift für Pizarro, seinen Namen nicht preisgeben wollte. Gleiches gilt für das Gedichtfragment, das Romero entdeckte. Zu Las Cortesiadas von Juan Cortés Ossorio vgl. López de Toro 1948:199-228; Reynolds 1978:41.

218

II. Die Darstellung des spanischen

Amerika

Es ist zu vermuten, daß die in Spanien lebenden Autoren, für die Amerika ein aktueller historischer Stoff wie jeder andere auch war, sich noch verstärkt an die Vorgaben des Genres hielten. Demgegenüber dürften die "amerikanischen" Kollegen eher dazu bereit gewesen sein, die Vorgaben der Gattung 'Epos' den Bedingungen ihrer Erzählung anzupassen, was zwangsläufig zu Änderungen führte. Die folgenden Ausfuhrungen zu Realität und Fiktion in Epen und Romanzen der amerikanischen Thematik greifen in einem Aspekt erneut die Frage nach dem zentralen Helden auf. Da sich in den Werken der Autoren, die als Augenzeugen am Geschehen beteiligt waren, weder die Spanier noch Drake oder die Indianer als eindeutige Protagonisten festmachen ließen, soll im nächsten Kapitel einer weiteren Möglichkeit nachgegangen werden, die den Ich-Erzähler selbst zum Protagonisten des Epos bestimmen könnte.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

219

III. Realität und Fiktion in der Erzählung Nachdem im vorherigen Kapitel der thematische Rahmen der Amerika-Epen und - R o manzen abgesteckt und in seinen Bestandteilen untersucht wurde, soll es hier nun direkt um die beiden Komponenten gehen, deren Zusammenspiel das bestimmende Charakteristikum der beiden Genres schlechthin ist: die Wirklichkeit und die Fiktion. Alle hier verhandelten Epen vermitteln historische Themen und scheinen damit den Anforderungen des traditionellen Epos zu entsprechen: [Der Dichter] will nicht erfinden, sondern ausdrücklich Geschehnisse der Vergangenheit referieren; er überliefert, was ihm die 'Muse' erzählt oder was 'in alten maeren' berichtet wurde (Max 1981:76).

Doch hier manifestiert sich bereits ein wichtiger Unterschied der Amerika-Epen gegenüber den traditionellen Vorbildern. Sie verweisen nicht wie diese auf lange zurückliegende Ereignisse, sondern auf aktuelle, kurz vor dem Abfassen der Gedichte vorgefallene Geschichtsvorgänge, die über keine eigene Erzähltradition verfugen können. Wie zu sehen sein wird, ersetzen andere Bezüge diese Leerstellen. Das historische Sujet wird, wie im traditionellen Epos auch, auf verschiedene Weise fiktional angereichert, um die zwischen Geschichte und Dichtung oszillierende Mischung zu erhalten. In welcher Relation die beiden Komponenten in den hier bearbeiteten Texten stehen, möchte dieses Kapitel untersuchen und darlegen. Dabei erscheinen zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Bei einem Teil der Epen finden die Autoren als Augenzeugen Eingang in die Texte. Hier gilt es die Verfahren der Integration der eigenen Person zu beleuchten und der Frage nachzugehen, inwieweit die Texte der autobiographischen Schreibweise verpflichtet sind. In einem zweiten Unterkapitel werden die den Werken inhärenten historischen Ereignisse hinsichtlich ihres realhistorischen Gehalts und der verschiedenen Fiktionalisierungsverfahren bearbeitet.

1. Der autobiographische Aspekt Aufgrund der Thematisierung aktueller historischer Ereignisse ist eine Bezugnahme auf überlieferte historische Quellen oder eine jahrhundertealte mündliche Erzähltradition, wie dies bei den konventionellen Epen der Fall ist, unmöglich. Den spanischen Autoren standen als Quellen für ihre Erzählungen aktuelle historiographische Schriften zur Verfugung, wobei es sich bei dem größten Teil dieser Schriften um Augenzeugenberichte und pragmatische Gebrauchstexte handelte. Die meisten Autoren berichteten jedoch historisches Geschehen, das sie selbst erlebt hatten 1 . Um den Erzählrahmen zu erweitern, bezogen die Augenzeugen andere schriftliche Quellen in ihre Geschichte mit ein und/oder informierten sich zusätzlich mündlich über weitere Augenzeugen. Diese Quellen werden in den Texten allerdings nicht preisgegeben, wie z.B. Ercillas einzige Zeilen über seine Informanten verraten: [...] de ambas las mismas partes lo he aprendido y pongo justamente sölo aquello 1

Daß es sich bei den Texten nicht um fingierte autobiographische Berichte handelt, wie sie sich z.B. in der damals beliebten Gattung der novela picaresca finden, beweisen historische und historiographische Quellen, die erkennen lassen, daß die Autoren das Berichtete zumindest teilweise selbst erlebt hatten.

220

¡11. Realität und Fiktion in der

Erzählung

en que todos concuerdan y confieren y en lo que en general menos difieren (Ercilla 1979:1,373).'

Der sich im Text manifestierende Erzähler, der als "yo" auch den Leser anspricht, ist zunächst noch nicht ungewöhnlich, gehört er doch zum Personal des traditionellen Heldengesangs. Darüber hinaus finden sich vor allem bei Ariost moralisierende Reflexionen des Erzählers oder bisweilen auch eine ironische Distanzierung zum Erzählten2. Neu ist bei der Mehrzahl der amerikanischen Epen jedoch der autobiographische Aspekt des Berichts, d.h. die offensichtliche Identität von Erzähler und Autor und damit verbunden die Integration des Erzähler-Autors in das historische Geschehen des Textes. Von den hier behandelten Autoren waren Ercilla, Alvarez de Toledo, Jufre del Aguila und Mendoza Monteagudo an den Kämpfen gegen die Araukaner beteiligt. Barco de Centenera war als Conquistador und Missionar in der La Plata-Region und in Peru tätig. Castellanos weilte zunächst als Soldat, dann als Priester im karibischen Raum, in Venezuela und Kolumbien (damals Vizekönigtum Nueva Granada). Auch die beiden anonymen erhaltenen Werke lassen erkennen, daß sie von einem Augenzeugen verfaßt wurden. Von Miramontes y Zuäzola ist bekannt, daß er an den Kämpfen gegen Piraten beteiligt war, und Escobedo kam als Missionar nach Florida. Die Situation dieser Autoren ähnelt der Produktionssituation der Verfasser von relaciones, cartas relatorias oder von Reiseberichten, die vornehmlich Selbsterlebtes darlegen. Dadurch ergibt sich, wie bei den historiographischen Arbeiten auch, eine subjektive Präsentation von Geschichte. Der persönlich in das Geschehen involvierte Autor legt s e i n e Perspektive der Ereignisse dar, auch wenn er sich um Objektivität bemühen mag. Hinzu kommt, daß ein Teil der Schriften einer bestimmten Funktion unterlag, was ebenfalls Einfluß nahm auf die Art und Weise, wie der Gegenstand erörtert wurde. Die Subjektivität der autobiographischen Schreibweise kollidiert mit den Anforderungen des traditionellen Epos: Mit der Gegenständlichkeit des Erzählten korrespondiert die Objektivität des Erzählens. Schon das durchgehende Präteritum signalisiert einen Abstand zu den geschilderten Ereignissen, der eine ruhige, gelassene und vorurteilslose Betrachtungsweise impliziert (Max 1981:78).

Mit gelassenem Gleichmut und Distanz sollte der Erzähler des epischen Gedichts Historie präsentieren. So wie ein Großteil der Verfasser von relaciones und historias aufgrund subjektiver und persönlich gefärbter Darlegungen gegen die Anforderungen der Historiographie verstößt, so ist auch bei den meisten Epen der amerikanischen Thematik eine Diskrepanz zwischen der Schreibweise und der konventionellen Konzeption des Genres zu konstatieren. Allerdings handelt es sich bei keinem der hier untersuchten epischen Werke um einen Text mit durchgängig autobiographischer Struktur. Keines der Epen behandelt vordergründig nur das Leben oder die Abenteuer des Autors. So weist Morinigo nach, daß lediglich ein geringer Anteil der Araucana tatsächlich von Ercilla selbst Erlebtes berichtet: 1 2

Wie Ercilla allerdings die araukanische Seite befragt haben möchte, bleibt dahingestellt. Vgl. Pinero Ramirez 1982:174/175.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

221

Resulta de todo esto que menos de una sexta parte del total de los versos de La Araucana son auténticamente testimoniales, y que sobre este ralo cañamazo está tejido el extenso y magnífico tapiz del singular poema (1979:25).' Die von den Autoren selbst erlebten und beobachteten historischen Ereignisse sind somit nur ein Teil des Dargelegten - wobei der Anteil bei den einzelnen Werken differiert allerdings die grundlegende Basis fiir die Texte, die darüber hinaus anderes Material miteinbeziehen. Diese Epen setzen sich aus den Erinnerungen der Autoren und den Informationen anderer Augenzeugen - mündlichen oder schriftlichen Ursprungs - zusammen, was den historiographischen Aspekt der Erzählung betrifft. Hinzu kommen die eindeutig fiktionalen Passagen und andere Verfahren, die auf der Orientierung an traditionellen Epen basieren. Diese M i s c h u n g der verschiedenen Informationsquellen auf der Grundlage des selbst Erlebten demonstrieren beeindruckend die Elegías von Juan de Castellanos: Las fuentes a que acude son, en primer lugar, sus propios recuerdos, que irán apareciendo aquí y allá, aunque la discreción hace que los hechos del soldado Castellanos queden por la mayor parte en la penumbra (Pardo 1991:58). Wichtiges Material für seine Ausführungen liefern Castellanos dann andere Augenzeugen, Freunde, die ihm mündlich oder schriftlich Bericht erstatten 2 : Sus fuentes históricas son [...] En segundo lugar, las relaciones escritas que él mismo solicitaba a sus amigos y conocidos acerca de determinados hechos a los que él no asistió personalmente [...] En tercer lugar los 'cuadernos' manuscritos de obras o apuntes de otros historiadores que se los prestaban (cosa corriente, entonces, entre los varios autores) a los efectos de su mejor documentación [...] (Meo-Zilio 1982:208). Hinzu kommen die bereits publizierten Berichte und andere historiographische Werke 3 . Sehr ausgeprägt ist der autobiographische Aspekt in Escobedos La Florida. In den vielen religiösen Digressionen und den Predigten des strukturell wenig bearbeiteten Werkes manifestieren sich die Ansichten des spanischen Missionars. Die Ereignisse schildern zu einem großen Teil das, was Escobedo in Amerika widerfuhr: die Überfahrt nach Amerika, Überfalle der Piraten, sein Aufenthalt auf Yaguana und Baracoa, in Bayamo und La Habana, schließlich seine Erlebnisse und Missionstätigkeit in Florida . Doch auch die Abschnitte, die nicht von Escobedos persönlichen Abenteuern in Amerika handeln, werden von seiner Person dominiert. So lassen die ethnologisch ausgerichteten Beschreibungen der jeweiligen Bewohner der Region, in der sich der Autor aufhält, besonders deutlich die ganz persönliche Perspektive Escobedos erkennen. Da die Ereignisse und Beschreibungen nicht auf einen einheitlichen Handlungsund Zeitraum verweisen, wie dies z.B. in Ercillas Araucana der Fall ist, hat als ein1

2 3 4

Erst im 15. Gesang der Araucana landet Ercilla an der chilenischen Küste und betritt im Gedicht amerikanischen Boden. Von den verbleibenden Gesängen erzählt nur ein Teil von den persönlichen Erlebnissen des Soldaten-Autors, ein anderer Teil ist historischen, geographischen, moralisierenden u.a. Digressionen gewidmet. Pardo zählt einige von ihnen auf. Vgl. Pardo 1991:61/62. Zu den historiographischen Quellen von Castellanos vgl. auch Romero 1964:131-162. Fidel de Lejarza hat die Passagen, die direkt Escobedos persönliche Ereignisse schildern, zusammengetragen. Vgl. Lejarza 1940:42-69.

222

III. Realität und Fiktion in der

Erzählung

zige verbindende Instanz der Autor zu gelten. Ein Bericht über die historischen Ereignisse in Chile ist auch ohne die Person Ercillas denkbar und liegt auch von mehreren Autoren vor; die Sujetauswahl Escobedos dagegen ist einmalig, da sie sehr eng mit der Person des Autor-Erzählers verbunden ist1. Allerdings konnte auch Escobedo nicht ganz auf Informanten verzichten, und so finden sich Erzählungen anderer Personen in sein Werk integriert. So z.B. der Bericht über das Martyrium von Franziskanern in Florida, von denen einige getötet wurden 2 . Hier gibt Escobedo seine Informationsquelle nicht preis. Im zweiten Teil der Florida begegnet der Erzähler einem Silberschmied aus Sevilla, der von den 17 Jahren erzählt, die er bei den Indianern Floridas verbrachte. Diesen Bericht integriert der Autor in sein Epos 3 , verschweigt jedoch die Identität seines Informanten, so daß der Leser nicht einmal den Namen des Silberschmieds erfährt 4 . Ein anderer Informant Escobedos, der von Francis Drakes Übergriffen auf spanische Schiffe und Städte erzählt, wird geheimnisvoll als "varon hombre famoso" (Escobedo o.J.:263r) bezeichnet5. Anderes basiert auf den Informationen von nicht näher ausgewiesenen Seemännern 6 . Obwohl Escobedo einen Teil der eingeschobenen Berichte eindeutig als solche kennzeichnet, ist der Ursprung einer Erzählung bisweilen unklar7. Auch scheint der AutorMönch die Berichte anderer Personen weitgehend unkritisch übernommen zu haben: In some cases Escobedo unwillingly errs because he was not a research man and apparently he did not check and recheck his statements; he relied too much on personal testimonies by people either biased or given to story telling (Arnade 1963:VIII).

Diese Kritik betrifft vor allem seinen Bericht über die Ereignisse um Pedro Menendez de Aviles und dessen Massaker an französischen Soldaten und Siedlern, die durch die historiographische Literatur hinreichend belegt sind. Escobedos Darstellung folgt der prospanischen Version, die das gewalttätige Vorgehen von Menendez de Aviles zu legitimieren versucht 9 . Zudem scheint Escobedo nur mündliche Informationsquellen benutzt zu haben 10 : 1 2 3 4 5 6 7

8 9

Gleiches gilt für die Elegías von Castellanos. Vgl. Escobedo o.J.:137r-164v. Vgl. Escobedo o.J.:240r-248v. Pou y Marti identifiziert diesen als Hernando de Escalante. Vgl. Pou y Martí 1927:50. Für dessen Erzählung vgl. Escobedo o.J.:263r-269v. Vgl. Escobedo o.J.:270v/271r. "Usually [...] the witness is not named" (Riis Owre 1964: 243). So z.B. die Berichte über weitere Kämpfe zwischen Spaniern und englischen Piraten. Vgl. Escobedo o.J.:280r-291 v. Eine detaillierte Analyse der verschiedenen Erzählebenen, die in diesem Rahmen hier nicht erfolgen kann, würde sicher mehr Klarheit schaffen (wahrscheinlich jedoch auch mehr Widersprüche freilegen). Vgl. hierzu auch Esteve Barba 1992:310. Zu den historischen Ereignissen vgl. Gewecke 1986:30-37,194-198; Eugene Lyon, The Adelantamiento of Florida: 1565-1568 (Ann Arbor 1973), 196-227; Maijory Stoneman Douglas, The Everglades: River of Grass (New York, Toronto 1947), 148/149; John T. McGrath, The French in Early Florida. In the Eye of the Hurricane (Gainesville u.a. 2000), 133-170. Die prospanische Perspektive zeigt sich auch darin, daß Escobedo darauf verzichtet, die anschließende Strafexpedition des Franzosen Dominique des Gourgues gegen die Spanier in Florida zu erwähnen. Vgl. Gewecke 1986:36/37.

10 Wie Riis Owre feststellt: "One has the impression that his reading was not varied. The references are for the most part to the Bible or to theological writers" (1964:249).

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

223

Fr. Alonso no es un historiador documental; acepta lo que se le dice, interpretándolo según su imaginación para adaptarlo a la composición poética (Keegan/Tormo Sanz 1957:22). Da die Autoren der hier besprochenen Epen in ihren Werken als Augenzeugen auftreten, wird auf besondere Weise der Wahrheitsgehalt der Erzählungen betont. Als Augenzeugen betrachten sie sich selbst als Garanten für die wahre Version der Geschichte. So z.B. Ercilla, wenn er im zwölften Gesang folgendes ausfuhrt: [...] prosiguiendo adelante, yo me obligo que irá la historia más autorizada; podre ya discurrir como testigo que fui presente a toda la jomada, sin cegarme pasión, de la cual huyo, ni quitar a ninguno lo que es suyo. [...] va la verdad desnuda de artificio para que más segura pasar pueda; [...] (Ercilla 1979:1,374).' An verschiedenen Stellen weist auch Castellanos auf den Wahrheitsgehalt seiner Darlegungen hin: Ansí quel curioso que procura Historias verdaderas, esta lea, Porque le sé decir que mi lectura No dirá cosa que verdad no sea: Matices faltarán en la pintura Y los colores de la docta dea; Mas la sinceridad que represento Le servirá de lustre y ornamento (Castellanos 1944:473). Castellanos benutzt ein Verfahren des Vergleichs und der Korrektur, um eine möglichst wahrheitsgetreue Erzählung zu liefern: [...] Y acontece sobre un mismo subyecto Tener diez relaciones de respecto (Castellanos 1944:472). Escobedo dagegen betont wiederholt, daß er nur die Wahrheit berichtet: El caso que diré [...] Es, sin ninguna duda verdadero, El qual con los demás fueron sacados Del propio original que nunca engaña Con la vista que siempre me acompaña (Escobedo o.J.:278r). 5 1 2

Zu weiteren Wahrheitsbeteuerungen Ercillas vgl. Held 1983:152-157. "[...] canto/ Verdades del ynfiel Indio ygnorante./ Direlas sin torcer un solo paso [...]" (Escobedo o.J.:209v), heißt es an anderer Stelle. Für weitere Textbeispiele vgl. Riis Owre 1964:246.

¡II Realität und Fiktion in der Erzählung

224

Bei der Wahrheitsbeteuerung einer (realen oder fiktionalen) Erzählung der Epoche handelt es sich um einen traditionellen Topos, der auf der Tatsache gründet, daß im Mittelalter erdachte unwahre Geschichten als verwerfliche, unmoralische Lügen galten 1 . So sahen sich die Autoren gerade der fiktionalen Literatur gezwungen, auf den Wahrheitsgehalt der Erzählung besonders hinzuweisen 2 , ein Verfahren, das zu Beginn der Neuzeit noch beibehalten wurde. Die Beteuerungen von Ercilla, Castellanos und Escobedo mögen damals von gleichem Wert für die Rezipienten gewesen sein wie nämliche Versicherungen in Ritterromanen. Für das damalige Publikum spielte die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität keine allzu bedeutende Rolle: El público, por su parte, no exigía la diferenciación con tal que el relato fuera extraordinario y al mismo tiempo verosímil, y los límites de lo verosímil eran entonces mucho más amplios que ahora (Morínigo 1979:31).

In diesem Sinne ist es zu erklären, warum die damalige Historiographie fiktionale Passagen integrierte und die Ritterromane ihren Wahrheitsgehalt betonten. Ercillas Araucana wurde von den zeitgenössischen Rezipienten als historische Wahrheit verstanden: [...] la convicción de que La Araucana era una narración totalmente verídica, la encontramos ya difundida entre los contemporáneos del poeta y, lo que es más asombroso, entre sus propios compañeros de aventuras guerreras (Morínigo I979:26) 3 ,

so daß Morínigo mit Recht schlußfolgert: Ercilla, pues, se encuentra entre los grandes creadores literarios que han logrado dotar a los personajes de su fantasía de una total dimensión de realidad (1979:27).

Auch wenn diese Aussage nicht für alle hier verhandelten Epen in gleichem Maße gelten mag bzw. andere Werke auch tatsächlich über einen stärkeren Realitätsbezug verfugen, so ist doch davon auszugehen, daß auch die anderen Epen als historische Wahrheiten rezipiert wurden. Heute wissen wir über andere Quellen, welche Teile der präsentierten Ereignisse die Autoren tatsächlich erlebt haben, wir wissen aber auch um Subjektivität und Perspektive des autobiographischen Berichts und um die Fragwürdigkeit des Begriffs der Wahrheit. Durch die autobiographische Basis der hier beschriebenen Epen sind die Autoren auf besondere Weise in das Geschehen integriert. Es stellt sich nun die Frage, ob bei einer weitgehenden Identität von Autor und Erzähler die Position desselben näher bestimmt werden kann. Zwar nimmt Ercilla - wie oben gesehen - nur an einem Teil der historischen Ereignisse, die in der Araucana besungen werden, teil, dafür aber sehr erfolgreich und stets in herausragender Position. So z.B. im 25. Gesang, als die Spanier sich bei Millarapué erfolgreich verteidigen 4 :

1 2

3 4

Diese Vorstellung basierte auf Piatons Verurteilung von Dichtung und Fiktion. Teil dieser Strategie war auch die Herausgeberfiktion, die den Autor, der lediglich gefundene Manuskripte herausgab, von jeglicher Verantwortung entband. Cervantes sollte in seinem Don Quijote dann sowohl die Wahrheitsbeteuerung der Erzählung als auch die Herausgeberfiktion parodieren. Für Beispiele vgl. Morinigo 1979:26/27. Vgl. hierzu Ercilla 1979:11,190-213.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

225

El m i s m o Ercilla no se escatima complacencias por su propia parte en el combate y, a creerle, debiéramos tenerle por el factor principal de la victoria, hasta entonces inclinada a favor del araucano (Morínigo 1979:18).

Dies gilt auch für spätere Schlachten 1 und führt so weit, daß der Autor wichtige Kämpfe, an denen er nicht teilnahm, in wenigen Zeilen abhandelt. Auch als Ercilla mit einer Expedition in den unwirtlichen Süden vordringt, betont er vorrangig seine eigenen Verdienste: [...] en el extenso relato de la expedición al sur todos los sufridos expedicionarios quedan a la sombra del osado narrador, ya que no menciona nombre alguno de capitán ni soldado español fuera de él mismo (Morínigo 1979:42/43).

Und natürlich ist er der einzige, der besonders weit vordringt, so daß er folgende Worte in einen Baum ritzen kann: Aquí llegó, donde otro no ha llegado, don Alonso de Ercilla [...] (Ercilla 1979:11,385).

Ercilla erscheint somit in der Araucana als einzig wirklich positiv präsentierter Spanier. Mehr noch entspricht er dem Idealbild des Soldaten und des noch mittelalterlichen Werten verpflichteten Ritters: edel, gerecht, mutig, Beschützer hilfloser Frauen und in Bedrängnis geratener Feinde 2 . So verdankt es Glaura im 28. Gesang dem (nun fiktiven) Autor-Erzähler, daß sie ihren Geliebten wiederfindet. Im 21. Gesang hilft Ercilla Tegualda, den Körper ihres gefallenen Mannes Crepino zu bergen. Im Anschluß an die oben erwähnte Schlacht bei Millarapué versucht der Autor-Erzähler im 26. Gesang, gegen den Willen der anderen Spanier Galvarino das Leben zu retten, wenngleich vergeblich 3 . Und wie die Helden der Ritterromane begegnet auch Ercilla phantastischen und mythologischen Fabelwesen. Die Ursache für diese herausragende Präsentation der eigenen Person ist in der panegyrischen Grundkomponente des epischen Gedichts zu suchen. Die Araucana ist dem spanischen König Felipe II. gewidmet, der an vielen Stellen direkt angesprochen und lobend erwähnt wird. Eine der Hauptintentionen Ercillas beim Verfassen des Epos war, seine eigenen Leistungen dem König gegenüber gebührend in den Vordergrund zu stellen. Damit erhoffte sich der Autor neben der Gunst des Königs Ämter und finanzielle Vorteile 4 . Daß Ercilla dabei auch vor maßlosen Übertreibungen nicht zurückschreckte, zeigt die Textpassage im Anschluß an Caupolicáns Hinrichtung, über die sich der Autor empört:

1 2

Beispiele nennt Morínigo 1979:42. "Ercilla himself appears in the pages of La Araucana as perhaps the most perfect example of the ideal soldier. In his actions he is always noble, generous, compassionate, a defender of helpless women and magnanimous towards the defeated foe". August J. Aquila, "Ercilla's Concept of the Ideal Soldier". Hispania 60,1 (1977):74. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Barker 1982:90-165.

3 4

Vgl. Ercilla 1979:11,211-215. "No hay duda de q u e La Araucana fue concebida en primer término [...] como una especie d e diario poético d e la guerra contra los araucanos, en la que [...] las andanzas del autor prevalecen sobre la guerra misma; c o m o una suerte de probanza d e méritos, para llamar la atención del rey sobre sus servicios y obtener recompensas en forma de cargos o empleos en la corte" (Morínigo 1979:42).

226

III. Realität und Fiktion in der

Erzählung

[...) al cual, Señor, no estuve yo presente, [•••] que si yo a la sazón allí estuviera la cruda esecución se suspendiera (Ercilla 1979:11,355/356).

Was hätte der einfache Soldat Ercilla gegen die Entscheidung seiner Vorgesetzten schon ausrichten können? Es stellt sich nun die Frage, ob Ercilla, der in der Araucana zwei bedeutende Rollen innehat - die des Erzählers und des spanischen Helden, einzig positive Figur auf der spanischen Seite auch als Protagonist des Epos zu gelten hat. Die Kritik hat diese Möglichkeit seit Voltaire in Betracht gezogen 1 . Angesichts der Tatsache, daß sich weder auf der araukanischen noch auf spanischer Seite bisher ein adäquater Protagonist finden ließ, mag der Erzähler-Autor als zentrale Figur und Held durchaus überzeugen. Er ist der Erzähler, der durch seine Figur die historischen mit den fiktionalen Teilen verbindet. Er ist an den historischen Begebenheiten beteiligt und kämpft wie ein Held, wie eben zu sehen war. Durch eine der beiden Rollen ist er stets allgegenwärtig. Und trotzdem überragt ihn der poetisch gestaltete Caupolicán an Heldenmut, ist über Strecken Lautaro der Held, während der Autor in seine traditionelle Erzählerrolle schlüpft. Wäre Ercilla tatsächlich der Protagonist, dann wäre die Araucana eine Autobiographie, und das hauptsächliche Interesse des Epos würde Ercillas Person gelten. Aufgrund der komplexen und vielschichtigen Struktur des epischen Gedichts ist der Protagonist Ercilla dann denkbar, wenn nur eine panegyrische Rezeptionsweise berücksichtigt wird. Letztendlich muß man sich damit abfinden, daß die Araucana keinen traditionellen Protagonisten aufzuweisen hat, und überzeugender als die These vom Protagonisten Ercilla ist Melczers Vorstellung des "divided heroic image": But there ist no need for an epic poem to have a monolithic heroic figure. Splitting the heroic qualities among several individuals - even between opposite factions - far from undermining the work, is perfectly compatible with it. Moreover, the confrontation between heroes among whom the chief is only primus inter pares lends the epic poem a dimension of realism and verisimilitude (1973:220). 2

Etwas anders gestaltet sich die Frage nach der Beziehung Autor - Erzähler - Protagonist im Fall von Escobedos Florida. Der Autor manifestiert sich stärker in der Figur des Erzählers, der zum einzigen verbindenden Element für die einzelnen Teile des Epos wird. Piratenüberfalle, Beobachtungen in amerikanischen Kolonialstädten, Missionstätigkeit, Indianeraufstand, vor allem aber die Beschreibungen, Bewertungen und die religiösen Ansichten sind auf das engste mit der Person Escobedos verbunden. Diese verstärkte Identität zwischen Autor und Erzähler ergibt sich aus der realistischen Schreibweise. Während Ercilla in die literarische Trickkiste greift und seinen (streckenweise fiktiven) Erzähler phantastische Gestalten treffen läßt, um eine andere historische Thematik in das Epos zu integrieren (wohlgemerkt mit dem 1 2

Für weitere Kritikerstimmen, die eben dieser Meinung sind, vgl. Melczer 1973:217/218. Eine ähnliche Meinung vertritt Hugo Montes: "No tiene sentido indagar por el héroe que falta en vez de estudiar el héroe presente, a saber, el héroe colectivo: los pueblos de España y Araucanía" (1964:266).

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

227

Ziel, ehrenvolle Siege Felipes II. zu präsentieren), ergeben sich die einzelnen Themenbereiche der Florida ausschließlich aus den persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen des Autor-Mönchs, eventuell noch aus persönlichen Begegnungen. Durch die weitgehende Anlehnung an den Autor, was Perspektive und Ansichten des Erzählers betreffen, mag verstärkt der Eindruck entstehen, der Erzähler-Autor wäre gleichzeitig der Protagonist des Werkes. Dies wird noch begünstigt durch die schwache Position aller anderen Figuren des Textes, der keinen eindeutigen Protagonisten aufweist. Dennoch steht der Autor-Erzähler, wenngleich am Geschehen beteiligt, nicht im ausschließlichen Mittelpunkt des Interesses. Er ist eine starke Erzählerpersönlichkeit, die auch innerhalb des Geschehens eine Rolle spielt, aber kein Protagonist. Auch hier wird die Lösung wieder in der Annahme eines kollektiven Protagonisten zu sehen sein, allerdings eindeutig der spanischen Seite. Ähnlich wie bei Escobedo verhält es sich bei Juan de Castellanos. Sein Werk ist thematisch noch stärker in Einzelteile aufgesplittert, die durch die starke Persönlichkeit des Autor-Erzählers zusammengehalten werden. Auch hier ist von einem kollektiven Protagonisten, von einer Vielzahl von spanischen Helden, Kämpfern und Beamten auszugehen. Durch die Integration fiktionaler Elemente ist die realistische Komponente jedoch weniger ausgeprägt als bei Escobedo. Diese Konzeptionen, die nicht nur einen autobiographischen Aspekt in das Epos einbringen, sondern darüber hinaus diesen Erzähler-Autor auch noch am Geschehen beteiligen, ihm einen protagonistenähnlichen Status verleihen, stehen konträr zu den Anforderungen des traditionellen Epos: Der ruhigen Distanziertheit, mit welcher der epische Stoff behandelt wird, entspricht das Zurücktreten des Rhapsoden hinter die Gegenstände seines Erzählens. Er versteht sich nicht als Individuum, das mit auktorialem Gestus einen poetischen Kosmos schafft, sondern als unpersönliches Mundstück der Muse, als Sprachrohr einer tradierten Vergangenheit. Er wird zum ebenso unaufdringlichen wie souveränen Verwalter der erzählten Welt [...] (Max 1981:79).

Allerdings waren nicht alle Erzähler, die identisch mit den Autoren sind und somit selbst Erlebtes berichten, in die Handlung ihrer Epen integriert wie Ercilla und Escobedo. Silvestre de Baiboa Troya y Quesada z.B. berichtet als Erzähler das, was er als Zeuge gesehen hat, nicht das, was er selbst erlebt hat 1 : [...] Que yo en mis versos solo escribo y canto La prisiön de un Obispo consagrado: Tan justo, tan benevolo y tan quisto Que debe ser el sucesor de Cristo. 2

Die Rolle des Erzählers gehorcht hier somit den Anforderungen des traditionellen Epos, nicht jedoch die Rolle des Protagonisten. Während im ersten Gesang des wenig umfangreichen Epos der Bischof Juan de las Cabezas Altamirano im Mittelpunkt der Erzählung steht, ist es im zweiten Gesang Gregorio Ramos mit seinen Männern, 1

2

Aufgrund des geringen Hintergrundwissens über Baiboa ist es eher eine Vermutung, daß er als Augenzeuge den Ereignissen beiwohnte, obwohl angenommen wird, daß er eine Zeitlang in Bayamo lebte. Es ist auch möglich, daß der Autor über andere Informanten von den Begebenheiten erfuhr. Vgl. Vitier 1960:7-35. Silvestre de Baiboa, Espejo depaciencia. Hg.v. Cintio Vitier (La Habana 1960), 52.

228

III. Realität und Fiktion in der

Erzählung

die Rache nehmen an den französischen Piraten. So daß auch hier von einem kollektiven Protagonisten auszugehen ist, wiederum der spanischen Seite. Diese der traditionellen Epenkonzeption zuwiderlaufende Integration eines autobiographischen Aspekts in die Werke gilt es im literarhistorischen Kontext zu erklären. Da die autobiographische Schreibweise eine zur Selbstreflexion fähige Individualität voraussetzt, war die Autobiographie als Gattung in Antike und Mittelalter selten bzw. anders geprägt. Auch wenn die Confessiones des Augustinus allgemein als erste Autobiographie gelten, "Produkt der religiösen Innerlichkeit" 1 , erlebt das Genre in weltlicher Prägung während der Renaissance eine erste Blütezeit. In Spanien ist es vor allem die novela picaresca, die sich im 16. Jahrhundert einer fingierten autobiographischen Schreibweise bedient. Darüber hinaus entsteht jedoch auch eine reichhaltige Reise- und Soldatenliteratur, in der Zeitgenossen zumindest teilweise selbst erlebte Ereignisse präsentieren 2 . Auch den oben benannten relaciones und historias liegt zum Teil eine autobiographische Struktur zugrunde, wobei sich das Problem des Protagonisten ähnlich manifestiert wie in den Epen. Eine rein autobiographische Erzählstruktur kennzeichnet Alonso Enriquez de Guzmáns Libro de la vida y costumbres, ein Werk zur amerikanischen Thematik, das eine Mischung aus moralisierender novela picaresca, Autobiographie und Reisebericht charakterisiert3. In den Romanzen spielt der autobiographische Aspekt generell keine Rolle, da der unbekannte Erzähler zumeist hinter seinen Gegenstand zurücktritt und traditionelle Erzähleraufgaben übernimmt. Eine Ausnahme scheinen hier die Kunstromanzen von Mateo Rosas de Oquendo zu sein. Von der Kritik wird mehrfach auf den autobiographischen Charakter vor allem der "Sátira á las cosas que pasan en el Pirú año de 1598" hingewiesen 4 . Abgesehen 1

2

3

4

Georg Misch, "Begriff und Ursprung der Autobiographie". In: Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung. Hg.v. Günter Niggl (Darmstadt 1989), 52. Der Artikel findet sich auch in Georg Misch, Geschichte der Autobiographie I "Das Altertum. Erste Hälfte". Dritte stark vermehrte Auflage (Frankfurt a.M. 1949), 3-21. Misch weist auf die antiken Grundlagen der Autobiographie hin: "In Wirklichkeit ist für alle wesentlichen Richtungen der Selbstbiographie im griechisch-römischen Altertum der Grund gelegt worden, und das Werk Augustins ist nicht ein Anfang, sondern eine Vollendung" (1989:53). Zur autobiographischen Literatur im Siglo de Oro vgl. den Sammelband von Nicholas Spadaccini/ Jenaro Talens (Hg.), Autobiography in Early Modern Spain, Minneapolis 1988, vor allem die Einleitung von Spadaccini und Talens, "The Construction of the Seif. Notes on Autobiography in Early Modem Spain" (9-40). Zur Soldatenliteratur vgl. Margarita Levisi, "Golden Age Autobiography: The Soldiers". In Spadaccini/Talens 1988:97117. Vgl. auch Rainer H. Goetz, Spanish Golden Age Autobiography in Its Context, New York u.a. 1994; Georg Misch, Geschichte der Autobiographie 4,2 "Von der Renaissance bis zu den autobiographischen Hauptwerken des 18. und 19. Jahrhunderts". Hg.v. Bernd Neumann (Frankfurt a.M. 1969), 641-656. Vgl. hierzu Alonso Enriquez de Guzmän, Libro de la vida y costumbres. Hg.v. Hayward Keniston (BAE 126), Madrid 1960; Keniston 1960; Elide Pittarello, "El nuevo mundo en el discurso nuevo del Libro de la vida y costumbres de don Alonso Enriquez de Guzmän". EdaddeOro 10 (1991): 155-165. Vgl. z.B. Lasarte 1990:381. Luis Leal spricht von einer "verdadera autobiografia de un picaro". Luis Leal, "Picaresca hispanoamericana de Oquendo a Lizardi". In: Estudios de literatura hispanoamericana en honor a Jose J. Arrom. Hg.v. Andrew P. Debicki (Chapel Hill 1974), 277.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

229

davon, daß es äußerst schwierig ist, die wirklich autobiographischen Passagen des Textes auszumachen, da über das Leben Rosas de Oquendos wenig bekannt ist und das meiste als Hypothese seinen Texten entnommen wurde, fördert eine Kombination von drei Diskursen der "Sátira" die Annahme einer autobiographischen Struktur: Der Text adaptiert und kombiniert die Schreibweisen der Beichte, der carta de relación und der Satire 1 . Es ist jedoch die Satire, die eine Identifikation von realem Autor und Erzähler der Romanze wiederum in Frage stellt: La figura del poeta en el poema se halla fragmentada y controvertida por su supeditación a un discurso igualmente fragmentado y controvertido, que a la vez cuestiona la referencia extratextual (Lasarte 1990:381). Die Satire ist das Genre der fingierten Autobiographie, das zwar moralisierend Anklage erhebt gegen reale Mißstände, durch die starke Literarisierung und den Gebrauch der Rhetorik jedoch eine direkte Bezugnahme zur außerliterarischen Wirklichkeit erschwert bzw. unmöglich macht. In diesem Sinne ist zwar anzunehmen, daß Rosas de Oquendo mit seinen Attacken auf die hispanoamerikanische Kolonialgesellschaft eine persönliche Meinung kundtut, sowohl die Beispiele hierfür als auch die Erlebnisse des "yo-narrador" verweisen jedoch in ihrer Allgemeingültigkeit und Metaphorik eher auf literarische Konventionen denn auf eine direkte Referentialität 2 . Damit reduzieren sich die eindeutig autobiographischen Anteile im Gedicht auf wenige Aussagen zu seiner Person, die sich auch anderweitig bestätigt finden (wie z.B. die Aufenthalte in Tucumán und Peru). Auch wenn die Möglichkeit einer weitergehenden Identifizierung von Autor und Erzähler nicht völlig ausgeschlossen werden kann, so findet sich doch la construcción de la figura del poeta en su texto [...] supeditada a convenciones genéricoliterarias [...] - todo lo cual pone en tela de juicio una inmediata y fácil identificación entre narrador y persona real c histórica (Lasarte 1990:374).

2. Die erzählten Ereignisse und ihr Bezug zur Wirklichkeit Alle hier betrachteten Epen der amerikanischen Thematik handeln von der Eroberung amerikanischer Gebiete durch die Spanier und/oder der Präsenz Spaniens in Amerika im 16. Jahrhundert. Dabei wird in den Gedichten der jeweilige historische Rahmen korrekt gemäß den realhistorischen Vorgaben übernommen, auch wenn innerhalb dieses Rahmens Fiktionalisierungen verschiedenen Ausmaßes erfolgen. Ercillas Araucana beschreibt historische Ereignisse, die den ungefähren Zeitraum von 1553 - 1563 umfassen. Die Orte, an denen sich das Geschehen abspielt, entstammen der realen Geographie und sind zu einem großen Teil heute noch auf den aktuellen Landkarten Chiles zu finden 3 . Personen 4 und Berichte über Kämpfe und 1 2 3 4

Vgl. Lasarte 1990:374. Als Beispiel mag hier die Bedeutung von Rosas de Oquendos "retrato" dienen. Vgl. Lasarte 1990:378-380; Lasarte 1985:433/434. Zur Geographie der Araucana vgl. Pierce 1984:40-42. Morinigo weist auf Ercillas Verfahren der Namensgebung hin, das sich von den araukanischen Originalnamen sehr entfernt. "En la mayoría de los casos estos nombres están más o menos deformados; ya sea por la audición condicionada por el español como consecuencia inevitable del desconocimiento de la lengua india [...], ya sea por finalidades de tipo eufóni-

230

III. Realität und Fiktion in der

Erzählung

andere historische Begebenheiten verfügen zu weiten Teilen ebenfalls über einen realhistorischen Bezug 1 , der sich durch den Vergleich mit historiographischen Schriften bestätigt. Die wichtigsten Quellen, die über nämliche Ereignisse berichten, sind neben Briefen von Pedro de Valdivia Alonso de Góngora Marmolejos Historia de Chile desde su descubrimiento hasta el año de 1575 und die Crónica del reino de Chile von Pedro Mariño de Lobera, überarbeitet von Bartolomé de Escobar. Erst 1966 veröffentlicht wurde Jerónimo de Vivars Crónica de los reinos de Chile, die 1558 verfaßt wurde 2 und deren Manuskript Ercilla eventuell gekannt hat 3 , was vielleicht auch für Auszüge der anderen Werke gilt4. Die Autoren waren alle wie Ercilla auch an den Kämpfen gegen die Araukaner beteiligt, und Góngora Marmolejo und Mariño de Lobera/Escobar waren zumindest Teile der Araucana bekannt 5 . Eingeschoben in den Bericht über die Kämpfe in Chile finden sich Erzählungen über drei bedeutende Ereignisse der damals aktuellen spanischen Geschichte, die über den zeitlichen Rahmen der araukanischen Begebenheiten hinausgehen: die Schlachten von Saint Quentin (1558) und Lepanto (1571) und die Annektion Portugals durch Felipe II. (1580). Der Zeitraum, über den Escobedo in seiner Florida berichtet, umfaßt in etwa die Jahre 1565 - 1597, und das Werk ist geographisch und thematisch wesentlich weniger einheitlich als Ercillas Epos. Ein Teil des Gedichts ist dem karibischen Raum um die Inseln Yaguana, Baracoa und Cuba, den Tätigkeiten der Piraten und Freibeuter und dem Leben auf den Inseln gewidmet. Ein anderer Teil konzentriert sich auf Florida, die Missionstätigkeit des Autor-Erzählers und das Leben der dortigen Einheimischen. Zu diesem Teil gehören auch zwei bedeutende historische Ereignisse: das Massaker des Spaniers Menéndez de Avilés an französischen Siedlern 1565 und der Indianeraufstand von Guale, in dessen Folge einige Franziskanermönche von Indianern getötet wurden 6 . Der Beginn des Epos dagegen spielt noch in Spanien,

1 2 3

4 5 6

co que para el oído del poeta los prístinos nombres araucanos no alcanzaban a satisfacer" (1979:94). So wird Queupú-licán zu Caupolicán, Coll-Coll zu Colo-Colo usw. Einige Figuren erhalten toponymische Namen, andere Namen werden durch Imitation der araukanischen Phonetik erfunden. Die araukanischen Heldinnen dagegen tragen spanisch-europäische Namen. Insgesamt stellt Mon'nigo fest, daß Ercilla den Gebrauch indianischen Vokabulars vermeidet. Vgl. hierzu Mon'nigo 1979:93-97. Für eine Darlegung der historischen Ereignisse in Chile, die von Ercilla berichtet werden, mit anschließender synoptischer Auflistung vgl. Barker 1982:36-54. Die Kritik hat den Text Vivars bisher kaum berücksichtigt. Eine Ausnahme ist hier Durand 1978. Mit Sicherheit stand Ercilla wesentlich mehr schriftliches Material zur Verfugung, von dem sich wahrscheinlich einiges in José Toribio Medinas Colección de documentos inéditos para la historia de Chile findet. Vgl. Barker 1982:36. Als verloren gilt dagegen ein Text von Juan Cristóbal Calvete de Estrella über Chile, auf den Ercilla in der Araucana selbst anspielt, der aber nie gefunden werden konnte. Vgl. Ercilla 1979:1,217. Vgl. auch Pierce 1984:38; Durand 1978:371/ 372. Es ist anzunehmen, daß Auszüge der Manuskripte bereits vor den Veröffentlichungen unter Interessierten kursierten. Für einen Vergleich der Texte von Góngora Marmolejo und Marino de Lobera/Escobar mit Ercillas Araucana vgl. Pierce 1984:33-38. Für einen Überblick über die historischen Ereignisse, die in der Florida behandelt werden, vgl. Covington 1963:1-17; zu dem spanischen Massaker an französischen Siedlern vgl. Gewecke 1986:30-37; McGrath 2000:133-170.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

231

1587, wenn der mit weiteren Franziskanern in Sanlúcar de Barrameda auf seine Ausreise wartende Autor-Erzähler den anderen Mönchen ein Buch über das Leben des Heiligen San Diego de Alcalá vorliest (dieser erste Teil des Epos umfaßt immerhin 136 folios). Herausragende historische Persönlichkeiten, die in Teilen des Werks eine Rolle spielen, sind Francis Drake, der englische Korsar, und Pedro Menéndez de Avilés, verantwortlich für das Massaker an den Franzosen in Florida und späterer Gouverneur der Region. Andere Personen sind eher von lokalem oder religiösem Interesse, wie z.B. Missionare in Florida oder auch die Märtyrer. Eine Vielzahl von Personen wird namentlich nicht erwähnt, sondern nur beschrieben. Auch die Indianer sind ohne Ausnahme namenlos. Aus dem Text selbst ist nicht zu erkennen, ob Escobedo schriftliche Quellen benutzt hat'. Seine Präsentation scheint sich ausschließlich auf eigene Erlebnisse und auf die Erzählungen von Menschen, denen er begegnete, zu beziehen 2 . Einen noch weiteren zeitlichen und geographischen Rahmen gilt es im Fall der Elegías de varones ilustres de Indias von Juan de Castellanos abzustecken. Der Bericht des Soldaten und späteren Priesters beginnt mit der ersten Amerikafahrt Colons. Im weiteren Verlauf des ersten Teils der Elegías wird von den spanischen Eroberungen in der Karibik erzählt: Haiti, Puerto Rico, Cuba, Jamaica, Trinidad, Cubagua, Margarita. Teil 2 und 3 präsentieren die Geschichte von Entdeckung, Eroberung und Verwaltung einiger Gebiete in Venezuela und Kolumbien: Cabo de la Vela, Santa Marta, Cartagena, Popayán, Antioquia, Chocó. Den dritten Teil beschließt der bereits oben erwähnte Discurso del Capitán Francisco Draque, der historisch erstaunlich exakt von den Beutezügen Drakes berichtet, wobei das Hauptaugenmerk von Castellanos dem Überfall des Korsaren auf Cartagena gilt. Der vierte Teil schließlich umfaßt eine Historia del Nuevo Reino de Granada, in der Castellanos die Eroberung und Verwaltung der einzelnen Regionen darlegt. Der Autor erwähnt in seinem Werk eine Vielzahl historischer Persönlichkeiten, darunter namhafte Eroberer, aber auch Gouverneure, Soldaten, Abenteurer, deren Namen heute nicht mehr bekannt sind. In Ansätzen wurde auch auf die präkolumbianische Vorgeschichte der Regionen eingegangen. Im Gegensatz zu Ercilla und dem noch zu erwähnenden Lobo Lasso de la Vega konzentriert sich Castellanos nicht auf ein herausragendes historisches Ereignis. Vielmehr bietet er - ähnlich wie Escobedo, wenngleich in wesentlich größerem Umfang - eine Fülle historischer Begebenheiten, die er in einem groben Rahmen geographisch und chronologisch geordnet aneinanderreiht. Der Autor breitet auf diese Weise ein reichhaltiges Sammelsurium historischer Fakten und Persönlichkeiten des oben beschriebenen Raums aus den Jahren 1492 - 1592 aus. Als historische Quellen dienten Castellanos neben den gängigen damals erhältlichen historias vor allem relaciones, noch unveröffentlichte Manuskripte und private Notizen von befreundeten Augenzeugen. Die Eroberung Mexicos durch Hernán Cortés ist das Thema von Lobo Lasso de la Vegas Mexicana, einem Werk, das den Zeitraum der Jahre 1519/1520 beschreibt. 1 2

Riis Owre vermag nur Referenzen zu theologischen Schriften auszumachen. Vgl. Riis Owre 1964:249. Für den historischen Hintergrund und Quellenmaterial vgl. die Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln in der englischen Prosa-Teilausgabe der Florida in Covington 1963.

232

III. Realität und Fiktion in der Erzählung

Auch der spanische Hofautor hält sich exakt an einen realhistorischen Rahmen. Er beginnt seine Erzählung mit der Landung von Cortés und seinem Gefolge am Strand von Cozumel und endet mit dem Sieg der Spanier gegen einheimische Truppen in Otumba, der auf die spanische Niederlage in Tenochtitlán folgte, der "Noche triste", in deren Verlauf viele Spanier getötet und die restlichen vertrieben wurden 1 . Da Lasso de la Vega keine eigenen Erlebnisse beschrieb, war er auf schriftliches Material angewiesen. Als Hauptquelle diente ihm Francisco López de Gomaras Conquista de México, die er in Cortés valeroso auch direkt benennt 2 . Daran orientiert sich Lasso de la Vega, wenn er den Weg von Cortés nachzeichnet, der diesen von Cozumel über das Gebiet Tabasco, über Veracruz (die erste von Spaniern gegründete Stadt in Mexico), Tlaxcala und Cholula nach Tenochtitlán führte. Auch ein Großteil der wichtigsten Ereignisse des Epos entspricht historischen Tatsachen. Lasso de la Vega benennt 170 spanische Soldaten, von denen die Mehrzahl den Chroniken entstammt 3 . Herausragend ist natürlich Hernán Cortés, aber auch Aguilar, Alvarado und Sandoval werden in fuhrenden Positionen präsentiert. Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei nur elf der 138 Indianer um Übernahmen aus historiographischen Texten 4 . Innerhalb der - wie wir gesehen haben - weitgehend an einem realhistorischen Rahmen orientierten Werke erfolgen nun auf unterschiedliche Weise Maßnahmen der Fiktionalisierung. Diese erfordert in einem gewissen Maß jeder historiographische Diskurs, um Geschichte überhaupt präsentierbar zu machen 5 . Darüber hinaus finden sich in den Texten aber auch Fiktionalisierungsverfahren, die über den historiographischen Diskurs hinausgehen und auf die literarische Fiktion verweisen. Bezeichnend ist, daß diesen Verfahren jeweils bestimmte Funktionen zugrunde liegen. Im folgenden möchte ich am Beispiel der Texte, deren historischer Rahmen eben skizziert wurde, vier verschiedene Arten der Fiktionalisierung vorstellen. Als erstes wären die Maßnahmen zur Fiktionalisierung zu nennen, die für jegliche Art von Darstellung historischer Ereignisse unerläßlich sind und z.B. auch den historias und relaciones eignen. Auswahl des Sujets und der Ereignisse, Schwerpunkte, Perspektiven u.a. bestimmen den historiographischen Diskurs und entfernen ihn gleichzeitig von der historischen Realität, da er nur ein - wenngleich in bescheidenem Maße - fiktionalisiertes Derivat ist. Dies gilt um so mehr für den literarisch-fiktionalen Diskurs. Auch und gerade die Autoren von Epen müssen aus der Fülle des verfügbaren Quellenmaterials auswählen, sie sind gezwungen, einzuschränken und zu betonen, zu raffen und zu dehnen. 1

2

3 4 5

Für den historischen Ablauf der Ereignisse, die Gegenstand der Mexicana sind, vgl. Ramón Eduardo Ruiz, Triumphs and Tragedy. A History of the Mexican People (New York, London 1992), 43-53; Claudine Hartau, Hernando Cortés (Reinbek 1994), 28-80; Marks 1993:40-176. "Que ya Gomara, y otros, nos han dado/ entera relación de sus pisadas". Gabriel Lasso de la Vega, Primera parte de Cortés valeroso, y Mexicana (Madrid 1588), 6r. Im Text selbst und im Prolog verweist Lasso de la Vega auf intensive Archivarbeit, und es ist davon auszugehen, daß er verschiedene Berichte über die dargestellten historischen Ereignisse gelesen hat. Trotzdem bleibt Gomaras Einfluß führend. Vgl. Amor y Vázquez 1970:XX. Vgl. Amor y Vázquez 1970:XXXI-XXXIII. Vgl. Amor y Vázquez 1970:XXXIV/XXXV. Vgl. hierzu die Ausfuhrungen über Hayden White und die Fiktion im historiographischen Diskurs auf den Seiten 33-36.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

233

So richtet z.B. Escobedo seine Erzählung an seinen persönlichen Erlebnissen und religiösen Vorstellungen aus, wobei er selbst zum dominanten Faktor des Ausschnitts an Historie wird, den er präsentiert. Seine Perspektive ist eine spanische, die dem offiziellen religiös-politischen Diskurs entspricht. Da er vorrangig das amerikanische Alltagsleben von Spaniern und Indianern thematisiert, steht eine ethnologische Komponente im Vordergrund der Erzählung. Der Bericht von Castellanos bietet eine Fülle an Informationen, die zu einem großen Teil weitgehend realistisch Politik, historische Ereignisse und Alltagsleben in den Regionen beschreiben, weswegen sich sein Werk mehr als die anderen vom fiktionalen Text zu entfernen scheint und sich der Historiographie annähert. Doch wie jeder andere historiographische Text unterliegen auch die Elegías notwendigen Fiktionalisierungsmaßnahmen. Die Auswahl der Informationen, die Castellanos den Lesern liefert, ergibt sich durch die Zufälligkeit des ihm zugänglichen Materials und des selbst Erlebten. Zusätzlich bestimmt wird der Text durch die Intention des Autors, die Castellanos zum Abfassen der Elegías motivierte: eine adäquate Präsentation der Heldentaten der in Amerika tätigen Spanier. Bei Ercilla ist es die Sympathie für den Gegner, der aufgrund der historischen Treue des Autors aber gleichzeitig der Verlierer der Geschichte bleibt, gepaart mit einer panegyrischen Intention, die sowohl Perspektive als auch Auswahl der Ereignisse bestimmt. Hiermit wurde bereits ein weiterer Aspekt benannt, der die Mehrzahl der Werke, die historische Themen behandeln, noch verstärkt den realen Ereignissen entrückt. Jeder Verfasser eines Textes verfolgt mit seiner literarischen Tätigkeit eine Intention, die Gestaltung und Ausrichtung des Werks bestimmt und oft genug zur Inklusion fiktionaler Elemente fuhrt. Daß der Verfasser die ausschließliche Intention verfolgt, einen objektiven Tatsachenbericht zu schreiben, ist möglich und bereits geschehen. In der Regel aber unterliegen die Texte zusätzlich anderen Intentionen. Oben wurde am Beispiel der Briefe von Colón, Vespucci und Hernán Cortés aufgezeigt, wie deren Verfasser die vorgefundene Realität präsentierten, um sie einer bestimmten Funktion zu unterstellen. Colón betonte Goldvorhaben in einer Region, wo es kaum Gold gab, um weitere Expeditionen zu garantieren. Vespucci übertrieb maßlos, mit dem Ziel, seine eigenen Verdienste ins rechte Licht zu rücken. Und Cortés mußte sein vielfach inkorrektes Verhalten gegenüber der spanischen Krone legitimieren. Diese utilitaristischen Mechanismen führten zur Einnahme einer bestimmten Perspektive, zu einer subjektiven und - wie wir heute wissen - verfälschten Präsentation von Realität, die - destilliert man aus einer Vielzahl von Berichten eine "objektive Mitte" (die es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt) - auch Fiktionen enthält. Es waren vor allem diese perspektivischen subjektiven Verfahren, die dazu führten, daß Kritiker und Historiker den cartas relatorias und anderen Reise- und Erlebnisberichten deren historiographischen Charakter abzusprechen versuchten. Ähnlich ist die Situation bei den fiktional-literarischen Werken, die ebenfalls intentional geprägt werden, wobei die Verfahren um so relevanter sind, wenn es sich um eine historische Thematik handelt. Im folgenden Kapitel über die Funktionen der hier behandelten Epen werden einige Beispiele näher erläutert. Weitergehende Fiktionalisierungsmechanismen treten da in Kraft, wo es darum geht, den Anforderungen der literarischen Gattung des Epos zu entsprechen 1 . So ist 1

Da sich das letzte Kapitel dieses Teils C der Frage des Genrenachweises der Epen widmen möchte, wird der Aspekt hier nur knapp erörtert.

234

III. Realität und Fiktion in der Erzählung

beispielsweise bekannt, daß Castellanos seinen Text zunächst in Prosaform verfaßte und erst später in das für Epen erforderliche Versmaß umgestaltete 1 . Die Kunstform der zweiten Fassung verlieh dem Text ein Mehr an Fiktionalität. Als weiteres Fiktionalisierungsverfahren hat ferner die bewußte Personalisierung unbekannter Menschen zu gelten, die im historiographischen Text als anonyme Masse erscheinen. Dieses Verfahren läßt sich sehr gut an Lasso de la Vegas Mexicana nachweisen, wo die anonymen Indianer der Vorlage (López de Gomara) vom Autor erdachte Namen und Existenzen erhalten. Ähnliches findet sich bei Ercilla, der den verbürgt historischen Figuren fiktive zur Seite stellt, wie z.B. die Rivalen Rengo und Tucapel, aber auch viele Araukaner namentlich erwähnt, die keine bedeutende Rolle spielen 2 . Diese Personen erhalten neben Namen und Aussehen auch eine Identität und werden konkret in Handlungen präsentiert, die erdacht sind. Ebenso fingiert sind die ausführlichen Charakterisierungen der wichtigsten Figuren der Werke. Zwar können diese Darstellungen in einigen Aspekten durchaus auf anderweitig überlieferten Informationen basieren, in ihrer ausführlichen Version gehorchen sie aber eher den Anforderungen des epischen Genres als bloßer Information. Ihrer Position entsprechend wird die jeweilige Person idealisiert, erhöht und in den Mittelpunkt gestellt 3 oder antagonistisch zum Gegner erklärt und negativ präsentiert. In j e d e m Fall handelt es sich hier um Poetisierungen, die sich sowohl in Ercillas Araucana als auch in Lasso de la Vegas Mexicana finden. Bei Ercilla sind es vor allem die Araukaner Lautaro, Caupolicán, Rengo und Tucapel, die auf eine Weise charakterisiert werden, wie es die poetische Erhöhung des Epos verlangt 4 , bei Lasso de la Vega dessen christlicher Held Hernán Cortés. Ebenfalls vom Autor erdacht sind die Reden, die sich in großer Anzahl in den Epen von Ercilla und Lasso de la Vega finden. Diese tragen zur weiteren Individualisierung der Figuren bei, ermöglichen es darüber hinaus Ercilla, Vorstellungen und Gedanken der Araukaner direkt zu äußern. Durch sie demonstrieren die araukanischen Helden auf beeindruckende Weise Heldenmut, Weisheit und Kampfgeist, so daß die Reden ein wesentlicher Bestandteil der idealisierten Konzeption der einheimischen Indianer sind 5 . Bei Lasso de la Vega dagegen manifestieren sich in einem Teil der Reden die christlich-hehren Absichten des Helden Cortés 6 . Auch die Struktur des Epos verlangt Eingriffe in den Erzählvorgang, die nur über weitergehende Fiktionalisierungen zu bewerkstelligen sind. Neben der äußeren Form sind es vor allem die Einheit der Handlung, die Ausgewogenheit der einzelnen Teile, die Entwicklung auf einen Höhepunkt hin, die die Fülle an historischem Material ordnen, akzentuieren und auch abändern helfen. Hier spielt vor allem die Spannungsbildung eine Rolle, die zu Eingriffen in den Ablauf der realhistorischen Ereignisse führt. So wird z.B. Caupolicáns Ende - seine Gefangennahme und Hinrichtung 1 2 3

4 5 6

Vgl. hierzu Meo-Zilio 1982:207; Pardo 1991:64/65. Vgl. hierzu Barker 1982:55/56. So beschwert sich z.B. Góngora Marmolejo darüber, daß Ercilla Caupolicán zu sehr erhöht: "Este es aquel Queupulicán que Don Alonso de Arcila en su Araucana tanto levanta sus cosas". Alonso de Góngora Marmolejo, Historia de Chile desde su descubrimiento hasta el año 1575. Hg.v. Nelson Osorio (Santiago de Chile 1969), 87. Zu den fiktiven Charakterisierungen der Araukaner vgl. Barker 1982:57-77. Zu den Reden in Ercillas Araucana vgl. Pierce 1984:89-94. Verstärkt findet sich dieser Aspekt in Juan Cortés Ossorios Las Cortesiadas.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

235

- in der Araucana über mehrere Gesänge hinweg vorbereitet durch eine zunehmende Schilderung der Isolierung und Einsamkeit des araukanischen Helden. Seine Folter, die Pfählung und die Konversion sind zu einem großen Teil vom Autor erdacht und tragen zum tragischen Höhepunkt des Epos bei 1 . In Escobedos Florida finden die eben beschriebenen Fiktionalisierungsverfahren, die sich gemäß den Anforderungen des epischen Genres ergeben, keine Entsprechung. Zwar ist der Text in Versen verfaßt. Der Autor verzichtet allerdings auf Helden- und Spannungsbildung, auf eine zusätzliche Personalisierung der Figuren. Die Struktur seines Werkes ist uneinheitlich und chaotisch, über weite Teile deskriptiv oder auf Predigten basierend. Die wenigen Gespräche, die der Text beinhaltet, werden von ihm selbst gefuhrt, so daß ihnen kein fiktiver Charakter unterstellt werden kann. Auch Castellanos verzichtet auf eine Plotstruktur, und sein Material ist trotz chronologischer Anordnung weitgehend uneinheitlich verwertet. In seinem Bemühen, die Heldentaten der Spanier zu preisen, greift der Autor gleichwohl zu Verfahren, die den spanischen Helden eine verstärkte (fiktive) Identität verleihen. Neben seinen Beschreibungen und Schilderungen der Personen tragen hierzu auch Reden der Helden bei. Wie bereits oben dargelegt, finden sich unter dem indianischen Personal verschiedene fiktionale Gestalten, literarischen Modellen oder mythologischen Figuren nachempfunden. Hierbei handelt es sich jedoch um Einzelerscheinungen, die ohne Einfluß auf die Gesamtstruktur bleiben. Auch wenn sich der Text von Castellanos durch diese fiktionalen Anreicherungen den Epen Ercillas und Lobo Lassos etwas annähert, so bleibt doch die unterschiedliche (und wesentliche) strukturelle Konzeption bestehen: Während Castellanos und Escobedo versuchen, historische Abläufe zu präsentieren, wobei sie sich notwendigerweise der Fiktion bedienen, kreieren Autoren wie Ercilla und Lobo Lasso eine fiktive Einheit, in der Historie vermittelt wird. Von großer Bedeutung ist das fiktionale Personal in Ercillas Araucana sowie in Lasso de la Vegas Mexicana, das verschiedene interne Funktionen zu erfüllen hat. In beiden Werken finden sich Figuren, die nicht den historischen Vorlagen entlehnt wurden. Ein Teil davon ist fiktiv, aber nach wahrscheinlichen Vorgaben angelegt, während andere eindeutig der phantastischen Welt entstammen. In beiden Epen sind es vor allem die Frauenfiguren, die nach fiktionalen Vorgaben gestaltet wurden 2 . Guacolda, Tegualda und Glaura, Clandina, Gualca und Taxguaya sind die indianischen Heldinnen, die direkt den spanischen Ritterromanen und der Bukolik zu ent1

Hier bietet jedoch Vivars Crönica eine echte Überraschung. Die bisher als fiktiv erachtete Szene der Araucana, wo Caupolicäns Frau Fresia aus Abscheu über die Feigheit ihres Mannes das gemeinsame Kind in einen Abgrund schleudert, findet sich bei Vivar, dem historischen Bericht, der v o r Ercillas Araucana verfaßt wurde. Vgl. Vivar 1988:342. Gleiches gilt für die Szene der Holzstammprobe, die von der Forschung einstimmig als fiktiv erklärt worden war. Vgl. Vivar 1988:294. Vgl. auch Durand 1978:379-388. Die Existenz eines historiographischen Textes, der v o r Ercillas Araucana veröffentlicht wurde und diese bisher als Erfindung Ercillas erachteten Episoden enthält, beweist zwar weder, daß Ercilla dieser Text bekannt war, noch daß es sich um reale Tatsachen handelt. Daß Ercilla diesen oder ähnliche Texte gelesen hat, ist wahrscheinlich, daß besagte Episoden auf Tatsachen beruhen, erscheint möglich, es kann sich dabei aber genauso gut um erdachte Erzählungen oder Gerüchte handeln, die damals im Umlauf waren.

2

Zu den Frauenfiguren bei Ercilla und Lasso de la Vega vgl. die Seiten 177-182.

III. Realität und Fiktion in der Erzählung

236

stammen scheinen. Ihre tragischen, bisweilen auch glücklichen Liebesgeschichten dienen in den Epen zur Unterhaltung und als Abwechslung zu den historisch-militärischen Erzählungen. Diese Liebesepisoden sind ein fester Bestandteil des epischen Repertoires und finden sich in Ansätzen bereits bei Homer. Ihre gekonnteste Ausprägung erfuhren sie dann in den italienischen Renaissanceepen - vornehmlich bei Ariost - , die in dieser Hinsicht auch Einfluß auf Ercilla und Lasso de la Vega nahmen 1 . haber sin amor buena? ¿Qué verso sin amor dará contento? ¿Dónde jamás se ha visto rica vena que no tenga de amor el nacimiento? No se puede llamar materia llena la que de amor no tiene el fundamento; [...] Dante, Ariosto, Petrarca y el Ibero, amor los trujo a tanta delgadeza que la lengua más rica y más copiosa si no trata de amor, es desgustosa (Ercilla 1979:1,409/410).2 ¿ Q U É COSA PUEDE

Mit diesen Worten beginnt Ercilla den 15. Gesang seiner Araucana und setzt damit an das Ende des ersten Teils seines Epos eine Konzeption, die im Gegensatz steht zum Beginn, wo er ausdrücklich erklärt hatte, nur vom Krieg und nicht von der Liebe singen zu wollen 3 . Und tatsächlich nehmen im zweiten und dritten Teil der Araucana die Liebesangelegenheiten einen größeren Raum ein. Diese Beobachtung ist in Beziehung zu setzen zur Präsenz des Autor-Erzählers Ercilla in eben diesen Teilen. Er ist es, dem Glaura die Geschichte ihrer unglücklichen Liebe erzählt, und durch ihn trifft sie ihren Geliebten wieder. Auch Tegualda klagt dem fiktiven Ercilla ihr Leid und wird vom Autor-Erzähler getröstet, ebenso wie Lauca. Diese Episoden dienen dazu, die ritterlichen Qualitäten Ercillas hervorzuheben, wozu der Beistand für Frauen in Not gehört. So wird der Autor-Erzähler für Barker zum "errant knight": "Having displayed his gallantry toward women in distress, his chivalric credentials are complete [...]" ( 1 9 8 2 : 1 2 9 ) / In Lasso de la Vegas Mexicana übernehmen diese Funktion Ercillas die drei spanischen Conquistadores Aguilar, Sandoval und Alvarado, deren Qualitäten als caballeros betont werden. Hernán Cortés selbst wird mit Liebesangelegenheiten nicht in Verbindung gebracht, da dies sein christlich-idealisiertes Ansehen beeinträchtigt hätte 5 . 1 2 3 4

5

Vgl. Piñero Ramírez 1982:182/183. Mit dem "Ibero" ist Garcilaso de la Vega gemeint. Vgl. Ercilla 1979:1,127. Barker stellt in seiner Studie über Structure and Sense in Ercilla's 'Araucana' der Hauptaktion um das historische Geschehen eine sekundäre Aktion gegenüber, die Ercillas Bewährung als Ritter in einer fiktionalen Ereignislandschaft zum Gegenstand hat. Vgl. Barker 1982, für eine Zusammenfassung der Hauptthesen vor allem 209-228. Gerade dieser Aspekt verläuft konträr zur Wirklichkeit. Cortés hatte eine Vielzahl von indianischen Geliebten. Vgl. Winston A. Reynolds, "Hernán Cortés y las mujeres: vida y poesía". Nueva Revista de Filología Hispánica 18(1965/66):417-435.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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Darüber hinaus finden sich in Ercillas Araucana, wie auch in Lasso de la Vegas Mexicana mythologisch-phantastische Figuren. Bei Ercilla ist das z.B. der Zauberer Fitón, der dem Erzähler in seiner Kristallkugel die Ereignisse der Seeschlacht von Lepanto präsentiert 1 . Oder die römische Kriegsgöttin Belona, die Ercilla in seinem Traum auf einen Berg bringt, von dem aus er die Schlacht zwischen Spaniern und Franzosen bei Saint Quentin beobachten kann 2 . Diese phantastischen Figuren haben im Gedicht die Aufgabe, zeitlich und räumlich nicht zur Haupthandlung gehörende Episoden zu integrieren. Mit diesen historischen Erzählungen spanischer Siege in Europa kommt der Autor seinem panegyrischen Anspruch nach und bindet außerdem die Ereignisse in Arauco in die spanische Geschichte ein, die für ihn Weltgeschichte ist. Eine andere Funktion erfüllen mythologische Figuren in Lasso de la Vegas Mexicana. Sie garantieren die heilsgeschichtliche Anbindung und Erklärung des Stoffes als eines Kampfes der "guten" gegen die "dunklen" Mächte. Plutón, "príncipe de las tinieblas" (Lasso de la Vega 1970:15), und seine Verbündeten versuchen, den Feldzug von Cortés, der eigentlich ein Kreuzzug für die Christenheit ist, zu verhindern. Cortés und sein Gefolge dagegen erhalten Unterstützung durch die himmlischen Kräfte, u.a. von Engeln, der Jungfrau Maria und Santiago 3 . Während die oben erwähnten historischen Episoden der Araucana auf den historiographischen Quellen und ausgewählten epischen Vorbildern, allen voran Lukans Pharsalia, beruhen 4 , haben für die rein fiktionalen Episoden literarisch-fiktionale Texte Vorbildcharakter. Auf Ariosts Einfluß vor allem auf die Liebesszenen der Araucana wurde mehrfach hingewiesen 5 . Daneben spielen die Ritterromane, italienische Renaissanceautoren (Dante, Petrarca, Boccaccio) und auch zeitgenössische spanische Lyriker (Garcilaso de la Vega, Mena) eine Rolle bei der Konzeption der Figuren und der Episoden: Most o f the episodes in the romantic autobiography involve encounters with characters w h o become secondary narrators, telling stories according to the literary Conventions appropriate to their character-type: Tegualda narrates a short pastoral novel; Glaura's story is an Italianate novel; and, although they communicate by showing Ercilla supernatural visions, Bellona and Fitón can be regarded as the narrators of triumphal mini-epics as can Ercilla himself when he teils his fellow soldiers the story of the founding of Carthage (Barker 1982:214/215).

Bestimmendes Vorbild für Lasso de la Vegas Mexicana ist vor allem Tassos Gerusalemme liberata. Gerade der heilsgeschichtliche Aspekt des spanischen Epos stimmt mit dem großen Werk der Gegenreformation überein. So wird der mythologische Rahmen umgedeutet, und die mythologischen Figuren werden zu Gehilfen Gottes bzw. des Satans. Die Eroberung Mexicos erfährt die Interpretation eines Kampfes des Guten gegen das Böse 6 . 1 2 3

4 5 6

Vgl. Ercilla 1979:11,142-185. Vgl. Ercilla 1979:11,43-66. Vgl. hierzu ein paralleles Erscheinen der Jungfrau Maria in einer Schlacht zwischen Araukanern und Spaniern in Ercillas Araucana, wobei der Marienerscheinung aber insgesamt wesentlich weniger Bedeutung zukommt als in Lassos Mexicana. Vgl. Ercilla 1979:1,291-293. Vgl. María Vega de Febles, Huellas de la épica clásica y renacentista italiana en La Araucana de Ercilla (Miami 1991), 24-55; Janik 1969. Vgl. hierzu Vega de Febles 1991:56-68. Für direkte Parallelen der beiden Epen vgl. Amor y Vázquez 1970:L-LIII.

238

III. Realität und Fiktion in der

Erzählung

*

Die Untersuchungen dieses Kapitels haben ergeben, daß es sich, obwohl die Mehrzahl der Epen zur amerikanischen Thematik auf von den Autoren selbst erlebten Ereignissen und Beobachtungen basiert, bei keinem der Texte um eine Autobiographie handelt. In keinem Fall ist der Erzähler der eindeutige Protagonist des berichteten Geschehens. Jedoch ist die Bandbreite an Möglichkeiten, eigene Erfahrungen zu fiktionalisieren, ziemlich groß. Auch hier steht der realistisch intendierte Bericht wieder der phantastisch-fiktionalen Erzählung gegenüber. Während beispielsweise Escobedo eine authentische Darlegung seiner Erlebnisse, Begegnungen und Ansichten liefert, kreiert Ercilla sich selbst in der Araucana als zu weiten Teilen fiktive Erzählerfigur, die erdachten und phantastischen Figuren begegnet. Bei ihm kann nachgewiesen werden, daß nur ein geringer Teil des Erzählten von ihm selbst erlebt wurde. In anderen Texten finden sich jedoch auch Beispiele von Erzählerfiguren, die selbst Beobachtetes referieren und auf traditionelle Weise die Rolle des Berichterstatters einnehmen, ohne sich als Agierende in die Handlung zu integrieren. Besondere Vorsicht ist, was den autobiographischen Aspekt betrifft, bei Rosas de Oquendos satirischen Romanzen geboten: Rekurriert gerade das Genre der Satire auf besondere Weise auf literarische Traditionen, die auch die fingierte Autobiographie einschließen. Zudem ist über Rosas de Oquendos Leben zu wenig bekannt, als daß sich Textintemes weitergehend mit außerliterarischen Quellen decken könnte. Die so konstatierten verschiedenen Ausrichtungen der Epen, was ihre Relation von Wirklichkeit und Fiktion betrifft, setzen sich im Bereich der Ereignisse fort. Auch hier verzichten Escobedo und andere auf eine zusätzliche Integration fiktionaler Elemente, so daß sich bei ihnen nur jene Fiktionalisierungsverfahren feststellen lassen, die jedem historiographischen Bericht eignen. Ercilla und eine Reihe anderer Autoren dagegen bedienen sich des großen Repertoires an literarischen Vorbildern für ihre fiktionalen Episoden und Sequenzen. Während Ercilla und seine Imitatoren so dem realitätsbezogenen historischen Rahmen fiktionale Erlebniswelten entgegensetzen, gleicht Escobedos Erzählung einem ethnologischen Bericht und einem Handbuch für Missionare. Die vorliegenden Romanzen erzählen traditionell einfache Versionen der historischen Ereignisse, ohne phantastische Elemente zu integrieren. Es geht dabei um große Gefühle oder einzelne Episoden der Geschichte. Der fiktionale Gehalt ergibt sich vorrangig durch die verkürzte und reduzierte Darstellung und die Konzentration auf einen bestimmten Aspekt oder eine Perspektive. Allerdings variiert auch innerhalb dieses Rahmens der Anteil an Fiktionalität: So kontrastiert eine auf fiktionalisierten Episoden der Araucana fußende Romanze über die Liebe von Lautaro und Guacolda wesentlich mit dem nüchternen Bericht der Eroberung und Besiedlung Argentiniens durch Luis de Miranda de Villafaiia. Ausgespart blieb bisher eine genaue Untersuchung der Funktionsweisen der Fiktionalisierungsverfahren. Diese soll integriert werden in die folgende Erarbeitung eines Gesamtpanoramas der Funktionen, denen die epischen Texte obliegen.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

239

IV. Zu den Funktionen der Texte Die Funktionsweise von Literatur variiert gemäß Text, Kontext und Epoche. Die Wirkungsabsicht eines Textes ist anzusiedeln zwischen der Intention des Autors und der tatsächlichen Rezeption. Es handelt sich dabei um einen dem Schreiben inhärenten Prozeß, der jedoch, da der historische Kontext und das jeweilige gesellschaftliche Umfeld mit einbezogen werden, über die bloße Absicht des Autors hinausgeht. In einer Art Hypothese können die Funktionsweisen des literarischen Textes erarbeitet werden, die unter Beachtung des historischen und gesellschaftlichen Kontextes möglich erscheinen. Die tatsächliche Rezeption kann wiederum eine andere sein bzw. nur einen der möglichen Aspekte berücksichtigen. Hier wird Literatur als gesamtgesellschaftliches Phänomen des kulturellen Prozesses verstanden, der einer äußerst komplexen Struktur von Einflüssen, Programmen, Denkschemata und Mentalitäten unterliegt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß die Funktionsweise eines Textes nicht unbedingt bewußt und ausschließlich vom Autor geplant ist. Die Publikation eines Textes führt zu dessen Verselbständigung, ein Prozeß, der den literarischen Text in der Regel polysemantisch auflädt. Die Intention des Autors mag sich im Text manifestieren und Erfolg haben, eventuell liegt dem Werk sogar ein klarer Auftrag von Seiten Dritter zugrunde, und trotzdem wird man für den literarischen Text eine Reihe von Funktionsweisen feststellen können. Wenn wir hier im konkreten Fall über eine Funktionsweise referieren, soll es nicht heißen, daß dies die einzig mögliche ist oder genau die vom Autor beabsichtigte. Die Literatur des Siglo de Oro kennzeichnet ihr Unterhaltungscharakter, was auch für Epen und Romanzen gilt. Diese Funktion ist bei der hier behandelten Literatur stets präsent, soll daher nicht eigens thematisiert werden. Aufgrund des historischen Sujets der hier behandelten Texte spielt der Aspekt der Information - dominante Funktion der historiographischen Literatur - in jedem Fall eine Rolle, auch wenn dieser in den einzelnen Texten verschieden ausgeprägt erscheint. Nahezu alle Autoren, Eroberer, Soldaten, Missionare in Amerika, aber auch die berufsmäßigen spanischen Hofschriftsteller, waren um gute Beziehungen zum Hof bemüht, in der Hoffnung auf Anerkennung ihrer Dienste bzw. auf Zuwendungen eines Mäzens. Ein Teil der Autoren der hier besprochenen Epen verband die Textpublikation mit dem Wunsch, die eigene persönliche Situation zu verbessern. Die diesen Texten inhärente panegyrische Funktion ist bisweilen verbunden mit einer legitimatorischen Auslegung der historischen Ereignisse zugunsten der spanischen Krone. In einem abschließenden Unterkapitel soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Kritik und Protest gegen das spanische Vorgehen in Amerika in Epen und Romanzen thematisiert wurden.

1. Information Das Hauptanliegen der historiographischen Texte über Amerika gilt dem Aspekt der Information. So verbreiteten bereits die ersten cartas relatorias Informationen über die entsprechende Region, deren Bewohner und das Vorgehen der spanischen Eroberer, auch wenn diese Briefe gleichzeitig zumeist einen anderen Zweck verfolgten, der eng mit der Person des jeweiligen Autors verbunden war. Schließlich bot die Eroberung bisher unbekannter Länder eine Vielzahl von Neuigkeiten für den euro-

240

IV. Zu den Funktionen der Texte

päischen Betrachter: fremdartige Bewohner, eine exotische und bisher unbekannte Fauna und Flora. So informieren die historias ebenso wie die relaciones über Aspekte des amerikanischen Lebens und/oder des spanischen Vorgehens in Amerika, unabhängig davon, ob eine historiographische Gesamtschau unternommen oder lokal begrenzt eigenes Erleben referiert wird. Während ein Großteil der Autoren historiographischer Schriften aus eigenem Antrieb, wenngleich aus verschiedener Motivation über Amerika schrieb, bestand ab einem bestimmten Zeitpunkt eine allgemeine Berichtspflicht für ausreisende Eroberer und Beamte, deren Texte in den Archiven verwahrt wurden. Die spanische Krone betrachtete offensichtlich das Bewahren und Verwalten von Informationen über Amerika als wesentlichen Bestandteil des Machterwerbs und -erhalts. Aber auch die hier behandelten Texte der Epen und Romanzen informieren den Leser über historische Ereignisse. Wie verschieden Sujet und Intention des Autors auch sein mögen, der Aspekt der Information schwingt immer mit. Man denke nur an Ercillas Araucana: Trotz der starken Poetisierung araukanischen Lebens, dem hohen Anteil an Fiktionalität und dem vorrangigen Einfluß fiktional-literarischer Texte erfährt der Leser vergangene Geschichte. Er erhält Informationen über den Kampf der Spanier gegen die kriegerischen Araukaner in Form eines historischen Rahmens, der trotz aller fiktionalen Abweichungen und Digressionen den realhistorischen Vorgaben - teilweise sogar im Detail - entspricht. Ähnliches vermag Lasso de la Vegas Mexicana zu bieten. Auch hier begleitet die enorm idealisierte, fiktional angereicherte Figur des Hernán Cortés eine an historiographischen Berichten orientierte Rahmenhandlung, die dem Leser Kenntnisse über die spanische Eroberung Mexicos vermittelt. Eine andere Art von Information liefert Escobedos Florida. Obwohl auch der Autor-Mönch bedeutende historische Ereignisse anspricht, wie das Vorgehen von Menéndez de Avilés gegen Ribault und die französischen Siedler oder die Aktivitäten der Piraten im karibischen Raum, so ist sein Blickwinkel doch ein anderer. Mehr als spektakuläre Ereignisse liefert Escobedo den Bericht einer Alltagsgeschichte, versorgt den Leser mit Basisinformationen über die Bewohner der karibischen Inseln und die Indianer in Florida. Mit ethnologischem Interesse beschreibt der Autor die Einheimischen, ihre Gewohnheiten, ihren Lebensstil. Pflanzen werden ebenso präsentiert wie gefahrliche oder nützliche Tiere. Einen weiteren informativen Schwerpunkt legt Escobedo auf die Darlegung des Missionsalltags. Er beschreibt den schwierigen Umgang mit den Ungläubigen, ihren Aberglauben und ihre Konversion, die jeweils nur von kurzer Dauer ist. Der Mönch leitet zur effektiven Missionsarbeit an , und zusammen mit den acht Predigten im dritten Teil des Epos, die Escobedo tatsächlich vor Spaniern und Einheimischen gehalten haben will, erhält sein Werk eine didaktische Komponente und Handbuchcharakter, der sich noch verstärkt durch den Bericht über den Heiligen San Diego de Alcalá zu Beginn des Epos. Für Escobedo ist die Information das wichtigste Anliegen, das er mit seiner Erzählung verbindet. Er informiert nüchtern und streng an realem Geschehen orientiert. Fiktionale Passagen ergeben sich lediglich durch notwendige Perspektivierungen oder einen nachlässigen Umgang mit der Information Dritter. Es stellt sich hier 1

Vgl. Escobedo o.J.:311 v-313v.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

241

abschließend die Frage, wen der Missionar-Autor mit seinen Ausführungen über Geschichte, eigene Erlebnisse, Beobachtungen und religiöse Ansichten informieren wollte. Es dürften vor allem andere Missionare gewesen sein, die von derlei Wissen hätten profitieren können. Sie wurden mit der notwendigen Hintergrundinformation versorgt über die Gebiete, die sie besuchen würden, sie wurden gewarnt vor den Gefahren der Piraten und erhielten eine erste Unterweisung in Sachen Missionarsarbeit mit Modellen für Musterpredigten1. Da der Text Escobedos nie veröffentlicht wurde, konnte er - wenn überhaupt nur von wenigen Personen eingesehen werden, die im Kreis um den Autor zu vermuten sind. Spuren einer zeitgenössischen Rezeption sind deshalb nicht vorhanden, und es bleibt weiterhin unklar, durch welche Hände das Manuskript schließlich in die Madrider Biblioteca Nacional gelangte. Ein ähnlich dominanter Informationscharakter wie in Escobedos Text findet sich in den Elegías von Castellanos. Trotz diverser Fiktionalisierungsverfahren ist es erkennbares Anliegen des Autors, neben den Bedingungen des kolonialen Alltagslebens der karibischen Region historische Ereignisse zu vermitteln. Castellanos' realitätsorientierte Genauigkeit und Detailfreude ist erstaunlich: No obstante, en el conflicto entre las conveniencias poéticas y la verdad siempre ganaba la segunda, hasta el punto de que cualquier prosista hubiera sido más exigente que él en la nobleza de los detalles (Esteve Barba 1992:362/363).

Seit jeher war es das Anliegen der traditionellen Romanzen, das zumeist nicht alphabetisierte einfache Volk über vergangene Geschehnisse zu informieren. Dabei war es unwichtig, daß Geschichte nicht im Detail korrekt, sondern fiktional angereichert erzählt wurde, daß das große Gefühl oder die einzelne Episode wichtiger waren als die historische Wahrheit. Auch bei den wenigen erhaltenen Romanzen zur amerikanischen Thematik dominiert der Informationscharakter. Anonyme Romanzen entstanden da, wo sich Außergewöhnliches ereignete, wie die Romanzen zu Cortés oder die von Emilia Romero veröffentlichten zeigen2. Einer etwas anders gelagerten Funktion, wenngleich ebenfalls informativen Charakters, unterliegen die Gedichte des A raucana-Zyklus oder auch die Romanzen von Lasso de la Vega über Cortés: Hier geht es um die Verbreitung der Inhalte der dazugehörigen Epen, die auf diese Weise den nicht alphabetisierten Teilen der spanischen Bevölkerung zugänglich gemacht wurden. Darüber hinaus sind bei den Kunstromanzen - wie bei den Epen - auch andere dominante Funktionsweisen möglich. Neben dem Unterhaltungscharakter ist es der Aspekt der Information, der gleichermaßen für alle hier behandelten Texte gilt. Wie zu sehen war, variiert die Bedeutung des Informationscharakters bei den einzelnen Werken jedoch erheblich, und es sind vorrangig die Epen, die sehr an realhistorischen Vorgaben orientiert sind und 1

2

Hier ist Riis Owre zu widersprechen: "Fray Alonso had no clear idea of the reader for whom he wrote. For the historian? The lover of adventure? The religious? The lover of poetry for its own sake? It is an impossible combination of interests, starting off with nine cantos of mediocre verse about a minor saint" (1964:248). Die Konfusion mag fur das heutige Publikum gelten. Der Informationscharakter und der religiöse Schwerpunkt weisen jedoch eindeutig auf die Zielgruppe der Missionare. Es bleibt jedoch dahingestellt, ob es sich hierbei tatsächlich um einen zur traditionellen spanischen Romanzenproduktion analogen Entstehungsprozeß handelte, oder ob der Autor Gründe hatte, die Anonymität zu bevorzugen.

IV. Zu den Funktionen der Texte

242

die auf fiktionale Inklusionen weitgehend verzichten (Escobedo, Castellanos), bei denen die Funktion der Information insgesamt vorherrscht.

2. Panegyrik und Legitimation Panegyrik: Auftrag und Gelegenheit In Antike und Mittelalter gehörte die Lobrede zu den bevorzugten Gattungen'. Da ein Großteil der damaligen Literaturproduktion Auftragskunst war - die Künstler standen im Dienst zahlungskräftiger Mäzene 2 setzten die Dichter mit der Laudatio gemäß Vorgaben ihrem Auftraggeber oder einer von diesem geschätzten Persönlichkeit ein Denkmal. Viele erhofften sich mit Hilfe ihrer panegyrischen Schriften eine Gunst bei übergeordneten Stellen am Hof oder unterstützten auf diese Weise ihre sonstigen Bemühungen um Anerkennung 3 . Bisweilen gilt das Lobgedicht auch als Dank für erhaltene Gunstbeweise. 'Okkasionalität' nennt Hans-Georg Gadamer die "Bindung von Kunst an den Anlaß" (Neumeister 1978:15) 4 : Okkasionalität besagt, daß die Bedeutung sich aus der Gelegenheit, in der sie gemeint wird, inhaltlich fortbestimmt, so daß sie mehr enthält als ohne diese Gelegenheit. So enthält das Porträt eine Beziehung auf den Dargestellten, in die man es nicht erst rückt, sondern die in der Darstellung selber ausdrücklich gemeint ist und sie als Porträt charakterisiert (Gadamer 1960:137).

Da die panegyrischen Texte eng an den jeweiligen Auftrag gebunden sind bzw. auch im Fall einer Laudatio aus freien Stücken dem Text eine spezielle Beziehung (oft der Abhängigkeit) zwischen Autor und Gelobtem zugrunde liegt, unterscheiden sich diese Werke von den freien Schöpfungen der Autoren. Zwar ist es durchaus denkbar, auch diese Texte auf verschiedene Weise zu rezipieren, ihr eigentlicher Sinn erschließt sich jedoch erst, wenn sie historisch rezipiert werden. Ihre Funktionalität ist demnach monokausal, gegenüber anderen Texten, deren Wirkungsabsichten sich von der Intention des Autors lösen und variieren können. Die panegyrischen Auftrags- und Gelegenheitsarbeiten sind demzufolge zeit- und zweckgebunden. Für sie gilt das, was Neumeister für die höfische fiesta feststellt:

1

Einen Überblick über die Entwicklung der Lobrede in der Antike gibt Alexandra Zim-

mermann, Von der Kunst des Lobens. Eine Analyse der Textsorte Laudatio (München 1992), 9-30; vgl. außerdem den Sammelband von Mary Whitby (Hg.), The Propaganda

of

Power. The Rote of Panegyric in Laie Antiquity, Leiden u.a. 1998. Für das Mittelalter und seine Grundlagen vgl. Curtius 1954:163-190.

2

Vgl. Joachim Bumke, "Einleitung". In: Literarisches

Mäzenatentum.

Ausgewählte

schungen zur Rolle des Gönners und Auftraggebers in der mittelalterlichen 3

4

For-

Literatur

Hg.v. Joachim Bumke (Darmstadt 1982), 1. Panegyrische Literatur muß nicht notwendigerweise Auftragsliteratur sein. Die Gleichsetzung gilt allerdings verstärkt für die literarische Produktion der frühen Epochen. Der uns hier interessierende Zeitraum des Siglo de Oro lobt zunehmend auch aus Eigeninitiative. Neumeister setzt sich in den Vorbemerkungen zu seiner eingehenden Untersuchung der mythologischen Festspiele Calderöns mit den Bedingungen der Auftragskunst auseinander. Vgl. Neumeister 1978: vor allem 11-22.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

243

Das Ziel kann n i c h t sein, die Ruine des barocken Bühnenwerkes, von der Walter Benjamin spricht, bis zu jener Lebensfähigkeit wiederherzustellen, die unter bestimmten Bedingungen den Werken der Klassiker eignet (1978:21).' Der uns hier interessierende Zeitraum der frühen Neuzeit fuhrt zum einen die mittelalterlichen Strukturen des Mäzenatentums fort2 - Wolfgang Reinhard spricht vom 17. Jahrhundert als dem "Höhepunkt jenes 'Goldenen Zeitalters des Mäzenatentums'"3 gleichzeitig ermöglichen gesellschaftliche Umstrukturierungen auch Personen das Ergreifen des Schriftstellerberufs, die nicht an einen Auftraggeber gebunden sind. Eine Existenz als freier Schriftsteller, der von seiner literarischen Arbeit leben konnte, war jedoch erst ab dem 18. Jahrhundert, nach der Etablierung eines eigenständigen Buchmarkts, möglich. Die Verfasser der Epen, die selbst erlebte Ereignisse in ihre Werke integrieren, sind keine berufsmäßigen Autoren, was sich nicht zuletzt an der Qualität ihrer Texte ablesen läßt. Ihre Motivation zum Schreiben epischer Gedichte ist unterschiedlich, läßt sich bei einigen der Autoren eher vermuten als mit Sicherheit behaupten. Als Beteiligte an den Expeditionen in Amerika waren sie wie alle anderen darum bemüht, daß ihre Verdienste in Spanien am Hof anerkannt und durch Zuwendungen belohnt wurden. Die Aussicht auf Lohn und Reichtum war somit der dominante Faktor bei der Entscheidung für die Teilnahme an einer Amerika-Expedition: Für die naive Volksreligiosität der mittleren und unteren sozialen Schichten in Kastilien bestand aus der jahrhundertelangen Tradition der Reconquista kein Zweifel daran, daß Unternehmungen gegen Ungläubige und Heiden in jeder Hinsicht verdienstvoll waren und in jedem Fall mit der Erlangung des Seelenheils, im Falle des Erfolges auch mit weltlichen Vorteilen belohnt wurden (Pietschmann 1991:21). Die Krone wiederum war bemüht, die Macht der Conquistadores zu beschränken, und geizte in der Regel mit Anerkennung, sowohl was Titel als auch Güter betraf, 1

2

3

Neumeister bezieht sich hier auf die Ausfuhrungen Walter Benjamins in dessen Ursprung des deutschen Trauerspiels, wo dieser von einer Neugeburt spricht, "in welcher alle ephemere Schönheit vollends dahinfällt und das Werk als Ruine sich behauptet. Im allegorischen Aufbau des barocken Trauerspiels zeichnen solch trümmerhafte Formen des geretteten Kunstwerks von jeher deutlich sich ab". Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels. Hg.v. Rolf Tiedemann (Frankfurt a.M. 1972), 203. Für das Mäzenatentum im Mittelalter vgl. die einzelnen Beiträge in Joachim Bumke (Hg.), Literarisches Mäzenatentum. Ausgewählte Forschungen zur Rolle des Gönners und Auftraggebers in der mittelalterlichen Literatur, Darmstadt 1982. Spanien findet hier allerdings keine Berücksichtigung. Auch für das 16. und 17. Jahrhundert legt die diesbezügliche Forschung ihren Schwerpunkt auf Italien, was sicher darauf zurückzuführen sein dürfte, daß das System der Patronage in Spanien vergleichsweise wenig entwickelt war. Entsprechende Arbeiten zu Spanien liegen nicht vor. Für Italien vgl. den Sammelband von F. W. Kent/ Patricia Simons (Hg.), Patronage, Art, and Society in Renaissance Italy, Canberra, Oxford 1987. Vgl. auch August Buck u.a. (Hg.), Europäische Hoflcultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Referate gehalten anläßlich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur. Bd. 2 (Hamburg 1981), vor allem 99-194, wieder ohne Berücksichtigung der Situation in Spanien. Wolfgang Reinhard, "Strukturen frühneuzeitlicher Kulturförderung in Rom und Augsburg". In: Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart. Hommage für Kurt Bosch. Hg.v. Josef Becker (München 1988), 2.

IV. Zu den Funktionen der Texte

244

vor allem in späteren Jahren. Hiermit ergab sich eine Situation, die die Beteiligten an den Eroberungen allesamt, vom illustren Eroberer des Aztekenreiches bis zum einfachen Soldaten, zu permanenten Bittstellern am spanischen Hof werden ließ. Die Formen, wie die Veteranen sich am Hof um die Gunst der Herrschenden bemühten, waren vielseitig 1 und schlössen den Bericht in panegyrischer Form ein. Die spanischen berufsmäßigen Autoren des Siglo de Oro hatten, wenn sie nicht vermögend waren, oft genug ein Leben lang mit finanziellen Problemen zu kämpfen, lebten nicht selten - wie Bennassar treffend feststellt - "en marge du pouvoir, de l'argent, des honneurs" (1982:276). Miguel de Cervantes ist ein gutes Beispiel für den immerwährenden Kampf um ein regelmäßiges Einkommen, das ihn in den Krieg und sogar ins Gefängnis führte, ihn außerdem dazu brachte, einen Ausreiseantrag nach Amerika zu stellen (dem allerdings nicht entsprochen wurde) 2 . Fritz Rudolf Fries zeigt in seiner Biographie über Lope de Vega eindringlich die Geldnöte, die einen der berühmtesten Autoren Spaniens der Epoche sein Leben lang plagten. Lope de Vega verdingte sich als Sekretär verschiedener Adliger, auf deren Gunst er angewiesen war 3 . Auch er zog in den Krieg, und am Ende seines Lebens wurde er Priester, um sich neben dem Schutz vor der Inquisition auf diese Weise ein minimales Einkommen zu sichern 4 . Andere Schriftsteller der Zeit wählten von vornherein diesen Lebensweg, wie z.B. Tirso de Molina oder Pedro Calderón de la Barca, der zudem offiziell am Hof als Dichter angestellt war. Sowohl die Tätigkeit bei der Kirche als auch am Hof bedeutete Abhängigkeiten. So mag nicht verwundem, daß es sich bei einem großen Teil der literarischen Werke des Siglo de Oro um Auftragsoder Gelegenheitsarbeiten handelte 5 , expresión perfectamente natural de relaciones sociales de dependencia, desaparecidas ya en nuestros días, pero que nadie se hubiese atrevido a poner en tela de juicio en la muy jerarquizada sociedad de la España de los Habsburgos 6 .

Ein Gedicht für den König: Ercillas Araucana Ercilla widmete sein Epos La Araucana dem König Felipe II. Nicht nur, daß die Widmung das Titelblatt der ersten Gesamtausgabe der drei Teile von 1590 ziert7, die direkte Anrede des spanischen Königs findet sich wiederholt im Verlaufe des gesamten Epos: 1 2

3 4 5 6 7

Man denke nur an die vielen ausgefallenen Geschenke, die Hernán Cortés bei seiner ersten Spanienfahrt 1528 mitbrachte. Vgl. Martínez 1990:494-516. Für Einzelheiten zur Biographie von Cervantes vgl. William Byron, Cervantes. A Biography, New York 1978; Anton Dieterich, Miguel de Cervantes. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Reinbek 1984), vor allem 14-48; Christoph Strosetzki, Miguel de Cervantes. Epoche - Werk - Wirkung, München 1991. Vgl. hierzu auch Guillermo de Torre, "Lope de Vega y la condición económico-social del escritor en el siglo XVII". Cuadernos hispanoamericanos 161-162 (1963):249-261. Vgl. Fries 1977: vor allem 134-151. Von der Kritik wird dieser Tatbestand jedoch weitgehend übergangen, was den Mangel an Studien zu panegyrischen Aspekten der Texte erklärt. Robert Jammes, La obra poética de Don Luis de Góngora y Argote. Spanische Obersetzung (Madrid 1987), 207. Vgl. den Abdruck des Originals in Ercilla 1979:1,113.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

245

Suplícoos, gran Felipe, que mirada esta labor, de vos sea recebida, que, de todo favor necesitada, queda con darse a vos favorecida (Ercilla 1979:1,128).

Zusätzlich nimmt der Autor Bezug auf die Stemstunden der Machtausbreitung Spaniens unter der Herrschaft Felipes II. Er integriert in seinen Text Darlegungen der Schlachten von Saint Quentin und Lepanto und besingt die Annektion Portugals durch den spanischen König, wobei er hier vor allem das besonnene und kluge Verhalten des Königs betont: Como Felipe en la ocasión presente, que de precisa obligación forzado, en favor de las leyes justamente las permitidas armas ha tomado; no fundando el derecho en ser potente ni de codicia de reinar llevado, pues se estiende su cetro y monarquía hasta donde remata el sol su vía (Ercilla 1979:11,394).

Zwar wurde oben festgestellt, daß Ercilla in seiner Araucana die spanische Seite durchwegs realistisch präsentiert und auf Kritik nicht verzichtet, allerdings bezieht sich diese direkt geäußerte Kritik nur auf das Verhalten einzelner Personen, die in Amerika agierten (wie z.B. Pedro de Valdivia). Die Rechtmäßigkeit der Eroberungen an sich wird niemals in Frage gestellt, zudem verschweigt der Autor die Differenzen zwischen den einzelnen Gruppierungen der Spanier und die damit verbundene Schwächung der spanischen Truppen, die maßgeblich zum zeitweiligen Erfolg der Araukaner beitrugen1. Auch wenn García Hurtado de Mendoza nicht der strahlende Held des Epos ist, wie er und seine Familie sich das wahrscheinlich gewünscht hätten, so verzichtet Ercilla doch auf direkte Kritik an dessen politischen Fähigkeiten. Barker nennt als Grund für diese "suppression of political history" (1982:51) den Vorrang, den der spanische Autor den militärischen Aktionen der Araukaner einräumt. Es ist jedoch eher zu vermuten, daß Ercilla aus Rücksicht auf den spanischen König, den ersten und direkten Adressaten seiner epischen Darlegung, vermeidet, explizit Kritik am politischen Vorgehen der Spanier in Amerika zu üben. Dagegen scheut sich der Autor nicht, die eigenen Verdienste ins rechte Licht zu rücken. Zwar spielt er erst ab dem 16. Gesang eine Rolle im Geschehen, dafür betont er um so mehr die Bedeutung seiner Person für das militärische Vorgehen. Wie Morinigo feststellt, beschreibt Ercilla vor allem die Schlachten, an denen er selbst teilgenommen hatte, wobei er sich zumeist als für den Sieg verantwortlich präsentiert. Andere bedeutende Schlachten dagegen, an denen der Autor nicht beteiligt war, werden knapp abgehandelt. Zur weiteren Idealisierung seiner Person greift Ercilla zu Mitteln der Fiktionalisierung, mit deren Hilfe er sich zum Prototyp des idealen Ritters erklärt. 1

"Ercilla simply ignores the dissension among the Spaniards. [...] he never mentions Francisco de Aguirre, whose rivalry with Francisco de Villagra was instrumental in preventing the Spaniards fïom mounting a strong campaign against the Araucanians" (Barker 1982: 51).

246

IV. Zu den Funktionen der Texte

Die Vermutung liegt nahe, daß der Autor seinen epischen Bericht an den spanischen König dazu benutzt, seine Forderungen um Anerkennung am spanischen Hof zu unterstreichen. Zwar war Ercilla als Page des Königs Mitglied des Hofs, nahm in Chile jedoch keinen führenden Rang ein und war außerdem unehrenhaft des Landes verwiesen worden. Der Autor hatte somit nicht allzu viel vorzuweisen, um seine Forderungen nach Ämtern und Würden zu begründen, und so diente ihm die Araucana como una suerte de probanza de méritos, para llamar la atención del rey sobre sus servicios y obtener recompensas en forma de cargos o empleos en la corte (Morínigo 1979:42). Allerdings wurden Ercillas Hoffnungen nicht erfüllt. So beklagt er sich am Ende des dritten Teils seines Gesangs ohne weitere Hoffnung über seine Mißerfolge: Y aunque la voluntad, nunca cansada, está para serviros [dem König] hoy más viva, desmaya la esperanza quebrantada viéndome proejar siempre agua arriba; y al cabo de tan larga y gran jornada hallo que mi cansado barco arriba de la adversa fortuna contrastado lejos del fin y puerto deseado (Ercilla 1979:11,409). Obwohl Ercilla - glaubt man seinen Biographen - nach seiner Rückkehr in Spanien ein unbeschwertes Leben führte 1 , wurde seinem dringlichen Wunsch nach einem Amt am Hof nicht entsprochen. Die Gründe hierfür sind nicht restlich geklärt. Einen diplomatischen Auftrag des Königs erfüllte der Autor offensichtlich nicht zur Zufriedenheit seines Auftraggebers 2 . Darüber hinaus war der spanische Autor als Geldverleiher und Händler tätig, für den damaligen Adelskodex eindeutig unehrenhafte Tätigkeiten 3 . Auch wenn die Araucana zu Lebzeiten Ercillas einen außerordentlichen Erfolg erfuhr und vom König wohlwollend akzeptiert wurde, blieb die Hoffnung des Autors, sich mit Hilfe des Werkes Ämter und Würden am königlichen Hof zu sichern, unerfüllt.

Der konkrete Auftrag und seine Umdeutung: Lasso de la Vegas Mexicana Im Gegensatz zu Ercillas Araucana, wo die Entscheidung zur Panegyrik vom Autor aus freien Stücken gefaßt wurde, liegt zumindest der ersten Ausgestaltung des Stoffes über Hernán Cortés von Lasso de la Vega, dem Cortés valeroso, mit ziemlicher Sicherheit ein direkter Auftrag von Seiten der Familie des Conquistadora vor. Da Lasso de la Vega im Vorwort von Cortés valeroso betont, daß seine Begeisterung für den spanischen Eroberer ausschlaggebend war für das Projekt und nicht ein Auftrag von Martín Cortés 4 , stellt sich Amor y Vázquez die Frage, "si la iniciativa partió del 1 Vgl. Morínigo 1979:11/12; Held 1983:18-20; Pierce 1984:8-10. 2 Vgl. Morínigo 1979:13; Held 1983:19; Medina 1948:122-126,152/153. 3 Vgl. Pierce 1984:10; Held 1983:18; Medina 1948:169-185. Um Ercillas eventuellen Status als nuevo cristiano spekuliert Américo Castro. Vgl. Américo Castro, La realidad histórica de España. Überarbeitete Ausgabe (México 1962), 482. 4 "El ser tan aficionado (y cö justa razón) a los hechos y cosas de Fernando Cortés, y el entender ay en el mundo tantos de mi opinión con quien defender mi causa, ha sido la principal; [...]" (zitiert bei Amor y Vázquez 1970:XVI).

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

247

poeta o de su mecenas" (1970:XVI). Fest steht jedoch, daß ein Gedankenaustausch über die Inhalte des Epos zwischen dem Autor und dem Sohn von Cortés stattfand, und es kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß Lasso de la Vega für diesen Auftrag bezahlt wurde. Wie der Autor im Prolog zum Cortés valeroso darlegt, war auch Fernando Cortés, Enkel des Conquistadors und dritter Marqués del Valle, dem das epische Gedicht gewidmet ist, am Entstehungsprozeß beteiligt1. Da das Ansehen von Cortés am Hof aufgrund einer Reihe von Anklagen und Prozessen, in denen ihm auf massive Weise kriminelles Fehlverhalten während und nach den Eroberungen vorgeworfen wurde2, sehr gelitten hatte, was durch seine weitreichenden Forderungen nach Titeln und Gütern noch verstärkt wurde, war seine Familie sehr darum bemüht, den Ruf des Conquistadors zu retten bzw. zu verbessern. Zu den diesbezüglichen Aktivitäten der Familie gehörte offensichtlich auch die Beauftragung eines Hofschriftstellers, der in einem epischen Gedicht einen idealisierten Gegenentwurf zur historischen Realität liefern sollte3. Wie wir gesehen haben, präsentiert Lasso de la Vega den Eroberer Mexicos bereits in der ersten Fassung des Stoffes als idealen Helden, wobei er Probleme oder sogar ein Fehlverhalten von Cortés völlig ausklammert. In der zweiten Fassung des Epos, der 1594 erschienenen Mexicana, deutet der Autor jedoch die Charakterisierung des zuvor lediglich als mutigen Helden geschilderten Hernán Cortés um und macht diesen zum christlichen Kreuzfahrer, zum Retter unzähliger Indioseelen für die Christenheit. Es ist zunächst unklar, inwieweit die Familie Cortés in diese Umdeutung der ursprünglichen Konzeption involviert war. Martín Cortés, der Auftraggeber der ersten Version des Gedichtes, ist zum Zeitpunkt des Erscheinens der Mexicana bereits tot. Es hatte der Wunsch der Familie nach einer Fortsetzung des Cortés valeroso bestanden, allerdings nicht nach einer Umgestaltung des bereits Publizierten. Ganz offensichtlich entgegen den Wünschen der Familie integriert Lasso de la Vega ein religiöses Moment und schreibt auf diese Weise den ersten Teil neu. Da sich in der erhaltenen Korrespondenz zwischen Martín Cortés und Lasso de la Vega zwar der Wunsch nach einer Idealisierung der umstrittenen historischen Figur, nicht jedoch nach einer Betonung der geistlichen Verdienste erkennen läßt, ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, daß es der Autor selbst war, der aus eigenem Antrieb Cortés zum christlichen Kreuzritter umgestaltete. Lasso de la Vega reagiert mit dieser Konzeption auf den Zeitgeist seiner Epoche, die nach dem tridentinischen Konzil generell dem religiösen Moment den Vorrang gibt. Es bleibt jedoch zu fragen, warum der Autor sich für seine religiösen Pflichtübungen ausgerechnet Hernán Cortés aussuchte, eine am Hof unbeliebte Person mit 1 Vgl. hierzu Amor y Vázquez 1970.XVI. 2 Zu den Anklagen und Prozessen gegen Hernán Cortés vgl. Martínez 1990:535-660; Rojas Mix 1990:108-110. 3 Es ist anzunehmen, daß diesbezügliche Aktivitäten der Familie Cortés sich auch auf andere Genres erstreckten. So war einer der Autoren der comedias, die die Taten des Hernán Cortés glorifizieren, Gaspar de Avila, Sekretär der Marquesa del Valle Mencia de la Cerda, einer Nachfahrin des Eroberers Mexicos. Vgl. hierzu José Toribio Medinas Vorbemerkung in: Dos comedias famosas y un auto sacramental. Hg.v. José Toribio Medina (Santiago de Chile 1915), 2. Über konkrete Aufträge ist jedoch nichts bekannt.

IV Zu den Funktionen der Texte

248

fragwürdiger Vergangenheit. Über die Gründe, die den Autor zu dieser historisch wenig fundierten Konzeption des spanischen Eroberers motivierten, kann nur spekuliert werden. Betrachtete Lasso de la Vega die religiöse Komponente als einzige Möglichkeit, den Heldenstatus von Cortés zu retten? Amor y Vázquez insinuiert, daß der Eroberer nur auf diese Weise mit anderen spanischen Helden zu vergleichen war: Buscando nivelarla con Lepanto, eleva la empresa americana a cruzada; de este modo su héroe no desmerecerá junto a los de Europa (1970:XLVI).'

Der Mexicana Lobo Lasso de la Vegas war jedoch kein Erfolg beschieden. Autor und Epos gerieten bald in Vergessenheit. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Mißerfolg mit dem ursprünglichen Auftrag bzw. mit Lassos Willen zur Anpassung an den neuen religiösen Hofdiskurs in Verbindung zu bringen ist: [...] el poema heroico, por su idoneidad para ser adaptado a fines extra-literarios, termina sacrificado a la misma boga que le dio impulso y plenitud, sentando un inatendido precedente a tantas novelas históricas y de tesis. Al prevalecer en ellos lo ejemplar, instructivo y provechoso sobre lo libre y primordialmente artístico, dejaron de deleitar; el predominio de preocupaciones polémicas, y de particularismos temporalizadores, sobre lo genuinamente humano los hizo vulnerables al paso del tiempo (Amor y Vázquez 1970:LUI).

Der panegyrische Aspekt in anderen Epen Die Widmung eines literarischen Werkes ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Literatur des Siglo de Oro, bedingt vor allem durch die noch in hohem Maße abhängige Position des Schriftstellers von Geldgebern und Mäzenen. So sind alle der hier benannten Epen zur amerikanischen Thematik einer zumeist hochgestellten Persönlichkeit gewidmet, ohne daß es sich dadurch notwendigerweise bei jedem um einen panegyrischen Text handelt. Allerdings wird mit der Widmung, eventuell auch noch mit der direkten Anrede im Text in der Regel doch ein konkretes Anliegen oder allgemein die Bitte um Gunst verbunden sein. Die Hintergrundinformation zu den meisten der hier benannten Texten ist jedoch so gering, daß eventuelle Relationen nicht immer erkennbar sind. So ist z.B. Escobedos Florida Manuel de Guzmán y de Mendoza, Conde de Niebla y Heredor del Ducado de Medina Sidonia gewidmet, dem Vertreter einer damals äußerst einflußreichen spanischen Familie. Es ist zu vermuten, daß besagter Manuel de Guzmán y de Mendoza ein Gönner des Ordens war, dem auch Escobedo angehörte; genaue Fakten sind jedoch nicht bekannt. Wie Ercilla seine Araucana, so widmet auch Luis Zapata de Chaves sein Epos Carlo famoso dem spanischen König Felipe II. Es ist ein panegyrisches Werk über die glorreiche Herrschaft von Kaiser Karl V. Darin werden in einigen Gesängen die Ereignisse u m Colón und Cortés als ruhmreiche Episoden der kaiserlichen Politik präsentiert. Der Höfling Zapata, der niemals in Amerika war und seine Kenntnisse über Amerika aus historiographischen Schriften bezog, verband mit seinem panegyrischen Werk, wenn nicht eine konkrete Bitte, so doch allgemein den Wunsch nach der Gunst der spanischen Könige 2 . Allerdings hatte der höfische Schriftsteller, ähn1

2

Diese These wird untermauert durch den späteren Prosatext Lasso de la Vegas, Elogios en loor de los tres famosos varones, w o der Autor Cortés mit König Jaime von Aragón und Alvaro de Bazán gleichstellt, beide verdienstvolle Kämpfer gegen die Ungläubigen. Vgl. Reynolds 1978:24.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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lieh wie Ercilla, mit seinem Werk keinen Erfolg bei Hofe. Aufgrund des Vorwurfs, ein lasterhaftes Leben zu fuhren, wurde Zapata seiner Ämter entledigt, es drohte ihm sogar ein Gefängnisaufenthalt. Hinzu kamen finanzielle Probleme. Erst gegen Ende seines Lebens wurde er rehabilitiert 1 . Auch Silvestre de Balboa Troya y Quesada preist die Heldentaten einer Autorität, des Bischofs von Cuba, Jamaica und Florida Juan de las Cabezas Altamirano, der von Piraten entfuhrt und gegen Lösegeld freigelassen wurde. Da der Autor in dieser Region seßhaft war, ist auch hier vorstellbar, daß sich dieser einen Vorteil von der literarischen Ehrbezeugung versprach. Auf einen konkreten Auftrag zurückgehen dürfte der Text von La Conquista del Perú, dessen unbekannter Autor das Werk Juan Vázquez de Molina widmet, dem Sekretär und Ratgeber der Kaiserin Isabel, der Frau Karls V. Es handelt sich hierbei um eine Propagandaschrift fur Francisco Pizarro, die mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Parteigänger verfaßt wurde, um den durch die spanischen Bürgerkriege in Peru bedingten schlechten Ruf des Eroberers am spanischen Hof zu retten. Ob tatsächlich ein konkreter Auftrag vorlag, fur den der Autor eventuell sogar bezahlt wurde, ist beim momentanen Kenntnisstand über den Hintergrund des Werks nicht zu entscheiden 2 . Durch Pedro Cortés, den vierten Marqués del Valle und Urenkel von Hernán Cortés, angeregt wurde Bartolomé de Góngora, sein umfangreiches Werk über Mexico und die spanischen Eroberungsfeldzüge - Octava maravilla - zu verfassen. Allerdings verstarb der Auftraggeber, ohne dem Autor einen gerechten Lohn für seine Mühen zu hinterlassen 3 . Auf eine andere Weise panegyrisch verfährt Juan de Castellanos in seinen Elegías, die wiederum Felipe II. gewidmet sind. Diese enthalten ab dem zweiten Teil sogenannte elogios, in denen verschiedene Gouverneure Kolumbiens gelobt und gepriesen werden. Diese Passagen kontrastieren mit den elegías des ersten Teils des Gedichts, die Episoden der Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte berichten, zentriert um eine Person, deren Heldentaten bis zu ihrem Tod geschildert werden. Diese verschiedenen personellen Würdigungen sind nicht mit konkreten Forderungen des Autors an diese Personen in Verbindung zu bringen, zumal Castellanos durch sein kirchliches Amt versorgt war. Auf die besondere Intention des Autors wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein.

Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika Die Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika spielt in den hier verhandelten Epen und Romanzen keine dominante Rolle. Natürlich enthalten die panegyrischen Texte, die spanische Eroberer glorifizieren, wie z.B. Lasso de la Vegas Me1 2

3

Zu Leben und Werk Zapatas vgl. Reynolds 1978:21-25. Zu dem Text vgl. Miguel Nieto Ñuño, "Introducción". In: anonym, La Conquista del Perú (poema heroico de 1537). Hg.v. Miguel Nieto Ñuño (Cáceres 1992), IX-XXVIII; Dolores W. Jácome, The Conquistador Figure in Golden Age Letters (Ann Arbor 1974), 198-223; F. Rand Morton, "Estudio preliminar". In: anonym, La conquista de la Nueva Castilla. Hg.v. F. Rand Morton (México 1963), XXIII-LXXXI. Spekulationen über die Autorschaft finden sich bei Esteve Barba 1992:562-564. Vgl. Reynolds 1978:39.

IV. Zu den Funktionen der Texte

250

xicana oder der anonyme Text der Conquista del Perú, Aspekte der Legitimation, wenn es darum geht, die in Verruf geratenen historischen Persönlichkeiten zu idealisieren. Die Vorwürfe werden dadurch entkräftet, indem der Autor sie verschweigt, einen alternativen Entwurf anbietet, oder indem das kritisierte Handeln erklärt und gerechtfertigt wird. Die Präsentation von Cortés als christlichem Kreuzritter in Lasso de la Vegas Mexicana bedient sich dabei der gängigsten Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika: Die Usurpation wird mit der Notwendigkeit erklärt, die Indianerseelen für die Christenheit zu gewinnen. Trotzdem geht es hier vorrangig um die Figur von Hernán Cortés, dessen Vorgehen legitimiert wird, und nicht um die spanische Amerikapolitik. Auch in Ercillas Araucana steht die legitimatorische Begründung der spanischen Landnahme in Arauco nicht an zentraler Stelle. Das Vorgehen García Hurtados gegen die Araukaner wird allerdings als gerecht erachtet, gelten die Indianer doch als Rebellen gegen Religion und Krone 1 : [...] dándoles a entender que nuestro intento y causa principal de la jomada era la religión y salvamento de la rebelde gente bautizada, que en desprecio del Santo Sacramento la recebida ley y fe jurada habían pérfidamente quebrantado y las armas ilícitas tomado; [...] (Ercilla 1979:11,18/19).

Da die Araukaner den christlichen Glauben und die Herrschaft der spanischen Könige zeitweilig akzeptiert hatten, gelten sie für die spanische Rechtsprechung als Ketzer und Rebellen. Hier manifestiert sich jedoch ein Widerspruch zwischen der anfänglichen Schilderung Ercillas und der Unterwerfung der Araukaner, die mitnichten freiwillig erfolgte. Da er [Ercilla] sowohl den einzelnen Araukaner als vollwertigen Menschen anerkennt als auch die Existenz eines araukanischen Staates ausdrücklich bejaht, sind beide theoretisch Rechtssubjekte des Völkerrechts, das heißt eine Unterwerfung unter die spanische Herrschaft ohne Rechtsgrund scheint ausgeschlossen (Held 1983:46).

Als einzigen Grund für das rechtmäßige Vorgehen der Spanier nennt Ercilla das Missionsrecht und weicht somit, indem er Gott ins Spiel bringt, einer weitergehenden legitimatorischen Begründung aus. Da die Unterwerfung unter die spanische Herrschaft nicht freiwillig erfolgte, sondern auf Betrug und Täuschung basierte, wäre die spanische Politik in Chile zu beanstanden: Eine an den Kriterien Vitorias orientierte Beurteilung der von Ercilla geschilderten Bedingungen der Unterwerfung Chiles hätte wahrscheinlich eine Verurteilung des Vorgehens der Truppe des Don García Hurtado de Mendoza zur Folge gehabt [...] (Held 1983:58). 2

1 2

Zu den Rechten der Spanier und dem "gerechten Krieg" vgl. Held 1983:41-98. Zu den Rechtstiteln Vitorias vgl. Fisch 1984:209-222.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

251

Der Vorwurf der Rebellion wäre somit hinfällig. Mit Hilfe des missionarischen Arguments, das Ercilla eng mit der spanischen Herrschaft verknüpft, legitimiert er jedoch den "gerechten Krieg" der Spanier 1 . Dieser Anspruch ist nur dann gefährdet, wenn sich die Spanier eigenes Fehlverhalten zuschulden k o m m e n lassen, wie z.B. im Fall von Valdivia. Andere Epen wiederum betrachten die spanische Herrschaft in Amerika als gegeben und thematisieren die legitimatorischen Aspekte der Conquista nicht einmal am Rande. So z.B. der Mönch Escobedo, für den der Missionsauftrag Spaniens so selbstverständlich ist, daß er keiner Legitimierung bedarf. Diese Haltung findet sich auch in den meisten anderen Texten.

3. Kritik, Anklage, Satire Kritische Stimmen gegen die spanische Präsenz in den amerikanischen Kolonien lassen sich in den Epen und Romanzen durchaus ausmachen, wenngleich nur vereinzelt. Wieder wäre als erstes Beispiel Ercillas Araucana zu nennen. Es ist vor allem Pedro de Valdivia, den Ercilla negativ zeichnet: Seine Habgier und Unfähigkeit verursachen nach einer vorläufigen Befriedung den erneuten Aufstand der Araukaner: A Valdivia mirad, de pobre infante si era poco el estado que tenía, cincuenta mil vasallos que delante le ofrecen doce marcos de oro al día; [•••] Codicia fue ocasión de tanta guerra y perdición total de aquesta tierra (Ercilla 1979:1,174/175). Diese negative Skizzierung ist zum einen persönlich begründet, gehörte Ercilla doch zu der Gruppe von Spaniern, die unter der Führung García Hurtados neu in Chile eintraf und die gegen die alteingesessenen Arauco-Kämpfer um Almagro und Valdivia opponierte 2 . Morinigo begründet die Kritik an Valdivia und seinem Gefolge mit der realitätsbezogenen Schilderung Ercillas 3 . Allerdings sind diesem Realismus perspektivische und intentionale Grenzen gesetzt. So beschreibt Ercilla seine eigenen Aktionen in höchstem Maße idealisierend, u m sich in seinem Lobgedicht für Felipe II. positiv zu präsentieren. Vielmehr gilt es hier zu bedenken, daß der Au1

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Und schließt sich hiermit "der offiziellen Interpretation an: in einem Urteil wurden die Araukaner 1572 wegen Rebellion zum Tode verurteilt" (Held 1983:49). Vgl. auch Mario Góngora, El estado en el derecho indiano: Epoca de fundación ¡492-1570 (Santiago de Chile 1951), 96. "Tension between the 'old Chileans', or baquianos, who were largely descendants of the impoverished Spanish lesser nobility, and the 'Peruvians', or chapetones, a combination of illustrious aristocrats like García Hurtado de Mendoza or Ercilla and rebellious soldiers of fortune, was an important feature of Don Garcia's governorship and the governor's partiality toward the chapetones was hardly destined to alleviate the conflict" (Barker 1982:46). Zu den politischen Problemen der Spanier in Chile vgl. außerdem Held 1983:43/44; Barker 1982:39-48; José Durand, "El chapetón Ercilla y la honra araucana". Filología X (1964): 134. Vgl. Morinigo 1979:37-41.

IV. Zu den Funktionen der Texte

252

tor der Araucana das Fehlverhalten Valdivias und seiner Truppen dramaturgisch benötigt, um die erneuten Angriffe der Araukaner zu rechtfertigen. Mit diesen bestraft Gott die Spanier, die sich der codicia, der soberbia und vanagloria schuldig gemacht hatten. Held beschreibt den Weg, den Fortuna für Araukaner und Spanier vorsieht, der in einem circulus vitiosus aus einer Abfolge von Kämpfen gemäß den Regeln des bellum iustum und klaren Verstößen beider Seiten dagegen besteht: Die Spanier Valdivias haben durch ihre Habgier gegen die christliche Moral verstoßen. Gott will die Spanier strafen und wandelt ihr ursprünglich vielversprechendes Schicksal durch die Erhebung der Araukaner (Canto 1,69). Aufgrund des araukanischen Kriegsglücks werden die Indios jedoch ebenfalls von Hochmut und Habgier erfaßt. Der Gesinnungswandel der Göttin Fortuna kündigt die araukanischen Niederlagen an, die wiederum die Bestrafung für die moralische Schuld der Indios sind (1983:177).'

Ohne das rechtswidrige Verhalten Valdivias und seiner Männer wären die Angriffe der Araukaner völlig ungerechtfertigt und damit das Konzept der Idealisierung der indianischen Seite hinfallig. Auch in anderen Werken finden sich Anklagen gegen das Fehlverhalten der Spanier, wie z.B. in Hernán Alvarez de Toledos El Purén indómito, wenn der Spanier Gerónimo Bello folgendermaßen beschrieben wird: ¡Oh, pérfido, alevoso, mal cristiano. Impúdico, perverso, parricida. Anatema, cruel, sin fé tirano. Enemigo de Dios, de su alma y vida! No ofendieron así al género humano, Cuanto de ti tu patria fué ofendida, Maximino, Nerón, Minos, Tutila, Genserico, Diomedes, Mario, y Si la (Alvarez de Toledo 1862:346). :

Ebenso läßt die "Fortsetzung" von Ercillas Araucana, Diego de Santistevan Osorios Quarta y quinta parte de la Araucana, 1597 veröffentlicht, "disparatada creación, que benévolamente hay que atribuirla a atrevimiento juvenil de un muchacho entusiasmado por el poema de Ercilla" (Esteve Barba 1992:603), ihr indianisches Personal Klage fuhren gegen die spanischen Eroberer und Soldaten. Und sogar in Lasso de la Vegas Mexicana, einem Epos, dem eine eindeutig prospanische Haltung zugrunde liegt, erleiden die spanischen Truppen eine Niederlage, als Strafe für ihr inkorrektes Verhalten in der Hauptstadt von Mexico: Culpando va el Ibero miserable su errada vida, de imprudencias llena, codiciosa, imperfecta, variable, con que humillado ya su error condena de haber a su Hacedor incomparable así ofendido con ansiosa pena: llora, gime, suspira, ruega, clama 1

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Das Werk endet, ohne daß sich der Teufelskreis schließt. Nach der Hinrichtung Caupolicäns formiert sich in Arauco neuer Widerstand gegen die Spanier. Vgl. Ercilla 1979: 11,356-365. Zum Aufbau dieses circulus vitiosus vgl. Held 1983:74-98. Vgl. auch das Vorwort in Alvarez de Toledo 1862:VI.

C. Zwischen Historiographie

und Dichtung:

Epen, epische Gedichte und Romanzen

253

y a la Virgen con pecho hirviente llama (Lasso de la Vega 1970:194).

Kritik gegenüber einzelnen spanischen Eroberern findet sich in den Texten, die für eine Seite Partei ergreifen, wenn es um Auseinandersetzungen verfeindeter spanischer Gruppierungen geht. Dies gilt für die Epen und Romanzen über die spanischen Bürgerkriege in Peru 1 , aber auch für die Romance Mirandas, der die Rivalitäten bei der Eroberung und Besiedlung des Gebiets am Río de la Plata beschreibt. Der Parteigänger Núñez Cabeza de Vacas vergleicht dessen Gegner, die er für den Tod an mehreren führenden Männern und an der Misere von Soldaten und Siedlern verantwortlich macht, gleich zu Beginn mit den spanischen comuneros von 1520: Año de mil y quinientos que de veinte se decía, cuando fué la gran porfía en Castilla [...] por los malos, digo yo, comuneros,

[...] Semejante al mal que lloro cual fué la comunidad, tuvimos otra en verdad subsecuente: en las partes del poniente, en el Río de la Plata (Miranda de Villafaña 1951:27). 2

In den Werken, die sich in Passagen den Aktivitäten der zumeist englischen Freibeuter widmen, findet sich eine andere Art von Kritik an Spanien: Es wird die Nachlässigkeit der Spanier - sowohl der kolonialen Behörden als auch der verantwortlichen Stellen in Spanien selbst - betont, was den Bau von Befestigungsanlagen zur Verteidigung gegen die Piraten betrifft, außerdem die geringe Bereitschaft der spanischen Bevölkerung in Amerika zum Kampf gegen die Angreifer 3 . Eine anders intendierte Art der Anklage bestimmt die Elegías von Juan de Castellanos. Darin preist der Autor die Verdienste der Männer, die Amerika für Spanien eroberten, es später besiedelten und verwalteten. Diese Männer nahmen unsägliche Mühen auf sich, um ihrem König ein Weltreich zu sichern, Mühen, für die sie ihrer Meinung nach nie angemessen entlohnt wurden. Starben doch viele der spanischen Conquistadores, Soldaten und Siedler arm und von der Geschichte vergessen. 1

Während das anonyme Epos La Conquista del Perú Francisco Pizarro idealisiert und ehrt und das anonyme Fragment, das Romero 1909 entdeckte und publizierte, Partei nimmt gegen Almagro und sich damit einer loyalen und königstreuen Perspektive verschreibt (hier irrt Esteve Barba, wenn er von einer Verteidigungsschrift für Almagro spricht, vgl. Esteve Barba 1992:561), vertritt eine der Romanzen, die Emilia Romero anfuhrt, die Position der Almagristen. Vgl. Romero 1952:18-21.

2

Eine direkte Abschrift des Manuskripts findet sich auf den Seiten 19-23. Auffällig ist in der Romanze des Priester-Autors die durchgängige Metapher, die die Region als "señora" bezeichnet und ihre Gouverneure als "maridos". Vgl. hierzu z.B. Escobedo o.J.:266r,267r.

3

IV. Zu den Funktionen

254

der

Texte

Gegen dieses Vergessen und die damit verbundene Ungerechtigkeit wendet sich Castellanos mit seinem Werk: "A sacar del sepulcro del olvido/ A quien merece bien eterna fama" (Castellanos 1944:5). Seine Protagonisten haben mit dem Helden des klassischen Epos wenig gemein. Castellanos' kollektiver Held ist der "protagonistaagonista", el español que ha cruzado los mares en busca de suerte, fama, o dinero, para venir luego a morir y reposar en el olvido y quizá peor, que ya Castellanos parece presentirlo, en el desprecio de quienes le sucedieron [...] (Reynal 1989:406).

So macht sich der Autor zum Fürsprecher für eine bestimmte Gruppe, "un sector específico de la sociedad colonial, los encomenderos y sus sucesores"'. Für diese Gruppe von Eroberern und Siedlern führt Castellanos Klage gegen Spanien, das diese Männer nie angemessen zu entlohnen und zu preisen verstand. Der elegische Grundcharakter des epischen Gesangs ist durchaus mit dieser (An-)Klage in Verbindung zu bringen. Auf besondere Weise wendet sich der Autor gegen spätere Nutznießer von Eroberung und Besiedlung, die von den zuvor erbrachten Mühen ohne Eigenleistung profitierten: N o se puede decir enteramente Las congojas, fatigas y trabajos, Que los descubridores destas tierras Y pacificadores padecieron, En las conquistas rigurosas dellas Y ansí por ser prolijo laberinto, T o c a m o s solamente los provechos Que de su gran valor han resultado A los que comen hoy de sus sudores, Y con manos lavadas y pies limpios Hallan la cama hecho y mesa puesta (Castellanos 1944:552).

Die Intention von Castellanos ist nicht neu. Zahlreich sind die Schriften an die spanischen Behörden, vor allem relaciones, in denen einzelne Personen, zumeist Conquistadores oder Soldaten, um Gunstbezeugungen bitten und über geringen Lohn und ungerechte Behandlung durch die spanische Krone klagen. Neu und außergewöhnlich dagegen ist die Tatsache, daß Castellanos nicht für sich persönlich spricht, sondern für eine soziale Gruppe, verbunden mit einer Präsentation der Geschichte von Eroberung und Besiedlung weiter Teile Amerikas, und dies in poetischer Form von umfassendem Ausmaß. Es gelingt dem Autor somit, einen zeitgenössischen sozialen Konflikt zum Gegenstand eines klassischen Formen nachempfundenen Epos zu machen. Das Leben in den spanischen Kolonien kritisiert Mateo Rosas de Oquendo, wobei seine Kritik in Amerika lebende Spanier, aber auch Kreolen, Mestizen und Indianer einschließt. Seine satirischen Kunstromanzen, die zu einem großen Teil auf gängi1

Luis Fernando Restrepo, "Imbricaciones de un proyecto histórico fundacional: La historia y las formas literarias en las 'Elegías de varones ilustres' de Juan de Castellanos". Thesavrvs 5 1 , 2 ( I 9 9 6 ) : 2 2 0 . In seiner 1999 publizierten ausführlichen Studie weist Restrepo auf den identitätsstiftenden Charakter der Elegías hin. Vgl. Restrepo 1999:108-120.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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gen zeitgenössischen literarischen Topoi basieren, stellen dem dekadenten Stadtleben der Vizekönigtümer das ideale Landleben in Amerika gegenüber, über dem aber noch als utopischer Entwurf das Leben in Spanien steht. Kritik wird bei den hier behandelten Texten am ehesten in den Romanzen geäußert: wenn Angehörige einer verfeindeten Partei attackiert werden (z.B. bei Miranda de Villafana) oder wenn Rosas de Oquendo seine vorwiegend literarisch fundierten Texte dazu benutzt, reales Kolonialleben zu beschreiben. Doch kritisieren alle Texte jeweils nur einzelne Spanier, niemals Conquistadores oder Siedler in ihrer Gesamtheit (Rosas de Oquendo kritisiert zwar übergreifend-allgemein, dafür aber die koloniale, nicht die spanische Gesellschaft!). Somit wird nicht das gesamte Projekt der Eroberung in Frage gestellt oder einer kritischen Betrachtung unterworfen, ebenso wie der Anspruch der spanischen Könige auf die amerikanischen Länder als Thema unangetastet bleibt. Lediglich Castellanos wendet sich gegen spanische offizielle Positionen, wenn er sich über das geringe Ansehen des Amerika-Projekts in Spanien beklagt. *

Unterhaltung, Information und Panegyrik sind die dominanten Funktionen, denen die hier besprochenen Epen und Romanzen unterliegen. Während der Aspekt der Unterhaltung den Genres generell inhärent ist, resultiert der Informationscharakter, der gleichermaßen alle Texte betrifft, weitgehend aus einer realhistorischen Orientierung. Dabei war festzustellen, daß die Funktion der Information dort dominiert, wo der Text verstärkt Bezug auf die Realität nimmt. Die Panegyrik der Epen kennt zwei verschiedene Arten: das Widmungsgedicht aus freien Stücken, das Forderungen an den Hof unterstützen oder einzuklagen helfen soll, und die direkte Auftragsarbeit zur Würdigung einer historischen Persönlichkeit. Da es zur damaligen Zeit allgemein üblich war, literarische Texte einer geschätzten Persönlichkeit zu widmen, ist eine einfache Widmung bisweilen nicht von einem weitergehenden panegyrischen Anliegen zu trennen. Hinzu kommt bei den hier besprochenen Texten ein allgemeiner Mangel an Hintergrundinformation, der für fast alle Werke gilt, so daß ein klarer Überblick über Verwendung und Häufigkeit des panegyrischen Prinzips in den Epen hier (noch) nicht möglich ist. Nur vereinzelt finden sich Passagen zur Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika. Auch Kritik und Klage über ein Fehlverhalten der spanischen Conquistadores und Siedler in Amerika ist selten und eher in den Romanzen zu finden. Bei den Epen stellen diese Aspekte vielmehr Marginalien dar, die in den Gedichten mitschwingen und das Ergebnis einer realitätsnahen Schreibweise sind oder erzähltechnischen Forderungen gehorchen.

V Ergebnisse

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V. Ergebnisse 1. Fiktion vs. Realität Rekurrierten die Verfasser von historiographischen cartas relatorias und historias bei der Beschreibung neu erblickter Realitäten auf die mittelalterliche und antike Wunderwelt der Fabeln und Legenden, so füllte ein Teil der Autoren der hier betrachteten Epen die referentielle Leerstelle, die auch ihre Produktionssituation noch weitgehend bestimmen sollte, mit einem verstärkten Bezug auf die Vorbilder der Gattung, die sie für ihren Bericht wählten: das Epos. Struktur, Thematik, aber auch einzelne Motivstränge und äußere Merkmale der klassischen Modelle (Homer, Vergil, Lukan), der italienischen Epen (vor allem Ariost, weniger Tasso), sowie der spanischen und französischen mittelalterlichen Texte fanden Eingang in die epischen Werke spanischer Autoren über Amerika'. Die Vielzahl literarischer Reminiszenzen und fiktionaler Einschlüsse war eines der Ergebnisse dieser analytischen Untersuchung über die einer historischen Thematik gewidmeten Texte. Gerade am Beispiel von Ercillas Araucana - dem bekanntesten spanischen Epos der Epoche, dem zudem eine wichtige Vorbildfunktion für die folgende Epenproduktion zuerkannt werden muß - war überaus deutlich zu sehen, wie das Werk trotz der Übernahme eines zeitlich und geographisch exakt vorgegebenen Rahmens, der auch die historische Korrektheit der meisten Ereignisse berücksichtigt, sehr viel Literatur und Fiktion beinhaltet, während die historischen Bestandteile mit fortschreitender Analyse in ihrer Bedeutung schwinden". Dies gilt für das indianische Personal des Epos (verstärkt für die Frauen) ebenso wie für die Landschaft und die in den Text integrierte Figur des Autor-Erzählers. Neben den literarisch-fiktionalen Elementen, die noch der Wahrscheinlichkeit verpflichtet sind, finden sich bei Ercilla und anderen auch phantastische Wesen aus Mythologie und Fabelwelt. Auf ähnliche Weise verfährt auch Rosas de Oquendo, dessen Moralsatiren in Romanzenform über die peruanische und mexikanische Kolonialgesellschaft sich als ein vorrangiges Rekurrieren auf traditionelle Satiremotive entpuppten, die der sich neu konstituierten Gesellschaft in den spanisch-amerikanischen Kolonien aufgepfropft wurden. Der Autor transponierte den spanischen Diskurs der Epoche um menosprecio de corte y alabanza de aldea in amerikanische Regionen und lieferte die Inversion des damaligen utopischen Amerika-Diskurses, indem er Amerika verdammte und Spanien idealisierte. Trotz dieser dominanten, auf traditionellen Vorbildern beruhenden literarischen Komponente finden sich doch auch epische Werke, die die phänomenologische Leerstelle mit eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und Beobachtungen füllen und auf literarische Bezugnahmen weitgehend verzichten. Ein ideales Beispiel hierfür ist der oben bearbeitete Text von Escobedo, La Florida. Der Autor selbst ist die einzige Instanz, die Themenauswahl, Struktur und Erzählweise bestimmt. Es wird nur das re1

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Zu den literarischen Einflüssen der Amerika-Epen, zu denen außerdem die Ritterromane und die jüngere spanische Dichtung gehörten, vgl. vor allem Pinero Ramirez 1982:164169; zum Einfluß der klassischen und italienischen Epen vgl. Vega de Fehles 1991. Diesem Tatbestand vermochten auch neuere Entdeckungen von Textquellen, die die historische Verbürgtheit einzelner Episoden wie der Holzstammprobe oder der grausamen Reaktion Fresias angesichts der Gefangenschaft Caupolicäns bestätigten, nichts anzuhaben.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

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feriert, was der Erzähler-Mönch selbst erlebt oder über andere Augenzeugen erfahren hat. Durch den Verzicht auf literarische Referenzen ergibt sich eine Schreibweise, die Indianer, Flora und Fauna weitgehend realistisch darstellt, obwohl auch hier Perspektive und vor allem persönliche Wertung den Text fiktional anreichern. Dennoch gleicht die Florida Escobedos eher einem ethnologischen Bericht als einem literarischen Epos. Nämliche realistische Schreibweise kennzeichnet noch andere Werke, deren Autoren ähnlich wie Escobedo vorrangig eigene Erlebnisse und Beobachtungen referieren. Dazu gehört ein Teil der Romanzen, aber auch das von Bartolomé de Góngora erhaltene Fragment der Octava maravilla, Alvarez de Toledos El Purén indómito, das anonyme Gedichtfragment, das ebenfalls anonyme La Conquista del Perú und andere, obwohl die realistische Schreibweise in keinem Fall mit gleicher Radikalität dominiert wie bei dem Text von Escobedo. So basiert zwar ein Großteil der Erzählung in den Elegías von Castellanos auf eigenen Erlebnissen und Beobachtungen, die durch mündliche und schriftliche Berichte anderer ergänzt werden; trotzdem finden sich auch in diesem Werk literarisch-fiktionale Elemente, die auf traditionelle literarische Quellen verweisen. Während eingangs zwischen den beiden Gruppen der Amerikareisenden und der Hofschriftsteller unterschieden wurde, mit der Hypothese unterschiedlicher Schreibweisen und einer Polarisierung der jeweiligen Texte dieser Gruppen, fuhren die Ergebnisse dieses Teils zu einer Differenzierung dieser Annahme. Vielmehr ist eine Polarisierung der Texte zu konstatieren, die die verschiedenen Referenzsysteme berücksichtigt: auf der einen Seite die literarische Tradition, hier am besten demonstriert durch Ercilla und Lasso de la Vega, aber auch Rosas de Oquendo, auf der anderen dann der vorrangige Bezug auf das eigene Erleben und Beobachten, wie bei Escobedo, Castellanos, Góngora, Alvarez de Toledo. In enger Verbindung mit der Referentialität der Texte steht deren Funktionsweise. Während die realistisch-historisch-ethnologische Schreibweise vorrangig der Information diente, steht die literarisch-fiktionale für panegyrische Zwecke, im Fall von Rosas de Oquendo für Kritik. War das Ergebnis der Verbreitung der ersten historiographischen Texte über Amerika in der europäischen Öffentlichkeit das stereotype Bild des Indianers, das durch Nacktheit, Kannibalismus und Promiskuität gekennzeichnet war, was sich ausgezeichnet in der simplen Ausgestaltung der ersten Holzschnitte manifestierte, so kommt es in den Folgejahren zumindest in Spanien zu einer Revision dieses Bilds. Durch die enorme Verbreitung und Popularität der Araucana dominiert nun die hispanisierte und idealisierte literarische Variante der Indianerpräsentation, wie sie uns begegnet. am besten in den Romanzen des Araucana-Zyklus

2. Zur Gattungsfrage der Epen Seit jeher war der literarische Wert der hier besprochenen Epen umstritten und wurde den Werken die Genrezugehörigkeit verwehrt. Als "crónicas rimadas" bezeichnet Esteve Barba die Mehrzahl der epischen Gedichte über Amerika. Bis heute hält die Diskussion darüber an, ob es sich bei Ercillas Araucana um ein Epos oder eine "eró-

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I'. Ergebnisse

nica rimada" handelt'. Nun m a g es tatsächlich schwerfallen. Silvestre de Baiboas Espejo de paciencia oder auch Lasso de la Vegas Mexicana als Epos zu bezeichnen, wenn man Homers llia.s oder Vergils Aeneis als gestrengen Maßstab setzt. M e n é n d e z Pelayo läßt sowieso nur das als Epopöe gelten, was einer mündlichen Tradition entstammt, und schließt somit sogar die Werke von Vergil, Ariost und Tasso aus dem Kanon aus, den Homers /lias und die mittelalterlichen Gesänge begründen 2 . Eine ähnliche Ansicht scheint Esteve Barba zu vertreten, wenn er feststellt, daß "la escritura había matado toda posibilidad de epopeya" (1992:17). Es stellt sich j e d o c h die Frage, ob es sinnvoll ist, die Entwicklung eines literarischen Genres und seine Anpassung an veränderte technische und gesellschaftliche Gegebenheiten derart zu negieren. Wäre es nicht dagegen erstrebenswert, die Evolution eines lebendigen Genres im Laufe der Zeit mit seinen Veränderungen. Anpassungen und Abweichungen vom traditionellen Kanon zu verfolgen? Die hier vorliegenden Texte, so unterschiedlich sie auch sein mögen, verfügen über genügend Merkmale, die sie mit der klassischen und/oder italienischen Epik verbinden: den äußeren Aufbau, den epischen Erzählcharakter, die Versform, die thematische Ausrichtung mit dem Schwerpunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen, um nur einige wichtige Aspekte zu nennen. Gleichzeitig lassen sich bei den AmerikaEpen allerdings gravierende Abweichungen konstatieren, die vordergründig für die oben benannten Zweifel an der Gattungszugehörigkeit verantwortlich sein dürften. So ist aktuelles historisches Geschehen Gegenstand der hier verhandelten Texte. Geschehen, das zum Zeitpunkt des Verfassens des Epos noch nicht in j e d e m Fall abgeschlossen war. Die Autoren sind somit Zeitzeugen, die zu einem Teil das berichten. was sie selbst erlebt, beobachtet oder von anderen gehört haben. Die Epentheorie dagegen verlangt vergangene historische Ereignisse'. Die bisherige Epenproduktion hatte sich an dieses Postulat auch gehalten, das dem Erzähler durch Distanz eine klare Interpretation des Geschehens ermöglichte, die eine festgefügte Weltsicht verriet. Dieses abgeschlossene Ereignisgefüge diente dann als Ausgangspunkt für Digressionen und A b s c h w e i f u n g e n . Als Ercilla 1569 den ersten Teil seiner Araucana publizierte, waren die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Spaniern und Araukanern in Chile längst nicht abgeschlossen. Lasso de la Vega berichtet nur den Beginn des Eroberungsfeldzugs von Cortés in Mexico, obwohl der weitere Verlauf desselben zur Zeit des Ab1

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Vgl. hierzu Juan María Coraminas. Castiglione v La Araucana Estudio de una influencia (Madrid 1980). 4-6: Chevalier 1972:145-149: Christian Went/.latT-l-ggehert. "La Araucana como poema épico". Estudios de literatura españolar francesa. Siglos XII v .VI II. I lomenaje a Morst Baader. Hg.v. Frauke Gewecke (Frankfurt a.M. 1984). 219-236: Held 1983:149-180. "Ni La Araucana ni otro ningún poema moderno, ni. entre los antiguos, la Eneida misma, tienen nada que ver con un género primitivo, impersonal, propio de las edades heroicas y de las civilizaciones incipientes, como es la genuina epopeya. Tan imposible es producirla a sabiendas y tan ridículo intentarlo, como sería crear una mitología nueva o inventar una nueva lengua" (Menéndez. Pelayo 1948:11.220). Vgl. López Pínciano 1953:111.169. Auch Goethe und Schiller hatten es als Merkmal der F.pik verstanden, "daß der Epiker die Begebenheit als vollkommen vergangen \ortrügt". Johann Wolfgang von Goethe/ Friedrich von Schiller. "(Jber epische und dramatische Dichtung". In: Goethes sämtliche Werke. Jubiläums-Ausgabe 36 "Schriften zur Literatur" I. Hg.v. Oskar Walzel (Stuttgart. Berlin 1906). 149.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

259

fassens von Cortés valeroso und Mexicana hinlänglich bekannt war. Der Verzicht auf die Geschlossenheit der erzählten Handlung, und damit verbunden auf die Distanz des Erzählers zum Sujet seines Berichts, hatte weitreichende Auswirkungen auf das Gesamtkonzept der Epen. Die auf den Ereignissen fußende festgefügte Weltsicht war nicht mehr garantiert, wurde aufgegeben, in den meisten Fällen dann durch andere Strukturen ersetzt'. Eng verbunden mit der Aktualität der besungenen Historie war der Verzicht auf die traditionelle Erzählerfigur. Auch hierzu äußerten sich Goethe und Schiller: Der Rhapsode sollte als ein höheres Wesen in seinem Gedicht nicht selbst erscheinen; er läse hinter einem Vorhange am allerbesten, so daß man von aller Persönlichkeit abstrahierte und nur die Stimme der Musen im allgemeinen zu hören glaubte (1906:151/152).

Ein Großteil der Autoren von Epen zur Amerikathematik trat jedoch hinter dem Vorhang hervor und war an dem berichteten Geschehen direkt oder als Augenzeugen beteiligt. Damit wird das Postulat der objektiven Schilderung aufgegeben zugunsten einer Subjektivität, die den Wahrheitsgehalt des Berichts auf neue Weise definiert. Obgleich der Zeit- und Augenzeuge als Garant der wahren Darlegung auftritt und sich für diese verbürgt, ist er doch die alleinige Instanz, deren Perspektive für alles verantwortlich zeichnet, und er dient nicht mehr wie der traditionelle Erzähler nur "als Sprachrohr einer tradierten Vergangenheit" (Max 1981:79). Die Präsenz des Autor-Erzählers variiert erheblich und auch die Integration eigenen Erlebens in den Text. So wird in Escobedos Florida ausschließlich das berichtet, was der Autor-Erzähler erlebt, gesehen oder von anderen gehört hat, und dieser ist auf diese Weise allgegenwärtig. Ercillas Epos dagegen basiert nur zu einem geringen Teil auf eigenen Erlebnissen, dafür kreiert der Verfasser einen fiktiven AutorErzähler, der erdachten und phantastischen Wesen begegnet. In keinem Fall ist der Erzähler jedoch zugleich der Protagonist, so daß die autobiographische Schreibweise nur die Perspektive und einzelne Passagen betrifft, wohingegen der Text insgesamt nicht als Autobiographie zu gelten hat. Die auffalligste Abweichung vom traditionellen Epenkonzept dürfte bei den hier vorliegenden Texten zur amerikanischen Thematik das Fehlen eines zentralen Helden sein, der in der bisherigen Epenproduktion als unabdingbarer Bestandteil der Erzählung galt. Zwar findet sich dieser Held noch vereinzelt (bei Lasso de la Vega, in La Conquista del Perú)-, die meisten Autoren verzichten jedoch auf die traditionelle Heldenpräsentation zugunsten eines kollektiven Protagonisten, dessen Exemplarität nicht mehr gegeben sein muß 2 . Die Sympathie für die gegnerische Seite, wie sie bei Ercilla, aber auch in anderen Epen befunden wurde, wobei zu den Gegnern neben den Indianern auch die Piraten zu zählen sind, wird ebenfalls als ein von der Tradition der Epik abweichender Aspekt betrachtet. Obgleich sich Ansätze für eine diesbezügliche Konzeption bereits in Lukans Pharsalia feststellen lassen, kommen hier vor allem der mittelalterliche Einfluß und die neuere italienische Epenproduktion zum Tragen: [...] la simpatía o admiración que los autores medievales sintieron y expresaron por los adversarios, los moros en este caso. Y este trato diferente y caballeroso con el enemigo se 1 2

In Lasso de la Vegas Mexicana z.B. durch die enge Anbindung an die christliche Weltsicht. Auf besondere Weise überrascht hier der weitgehende Verzicht auf eine Heroisierung der spanischen Seite.

260

V. Ergebnisse acentuó en otras obras castellanas de finales de la Edad Media [...] Pero también por este sentido iban las cosas en el Orlando furioso, donde el poeta trata, según un mismo patrón de orden caballeresco, a cristianos e infieles enfrentados en toda clase de encuentros y ensalzados como protagonistas de aventuras de toda índole. Y lo mismo ocurrió en el poema de Tasso, [...] (Pinero Ramírez 1982:168).

Es erscheint wenig sinnvoll, auf dem Merkmalkanon einer literarischen Gattung zu beharren, der dem frühen Prototyp des Genres entspricht, ohne eine weitere, über Jahrhunderte andauernde Evolution zu berücksichtigen. Literarische Gattungen entwickeln und verändern sich gemäß den technischen, gesellschaftlichen und mentalen Veränderungen der Epochen, und ein bestimmter Merkmalkanon ist immer nur für eine gewisse Zeitperiode von Gültigkeit. Es ist Aufgabe der Literaturgeschichte, die Änderungen und Abweichungen zu beschreiben. Ein Teil der hier besprochenen Texte ist in jedem Fall als Epen zu betrachten, da trotz gravierender Abweichungen vom bis dahin allgemeingültigen Merkmalkatalog noch genügend übereinstimmende charakteristische Züge vorliegen. Von Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die meisten Autoren mit ihren Werken eindeutig Bezug nahmen auf die klassischen und italienischen Vorbilder des Genres. Zur Zeit des Siglo de Oro wurden die meisten dieser Texte zudem als Epen rezipiert. So stellt sich nun die Frage nach den Gründen für diese Veränderungen der Amerika-Epen. Zumindest die spanischen Hofautoren hielten sich noch verstärkt an die traditionellen Vorgaben der Gattung. Lasso de la Vega und Cortés Ossorio integrieren in ihre Werke den zentralen Helden Cortés. Bei Zapata de Chaves ist der Eroberer Mexicos der zentrale Held einer Erzählung in der Erzählung. Auch die Figur des Berichterstatters tritt bei diesen Texten erwartungsgemäß hinter ihren Gegenstand zurück, was auch für Lope de Vegas Dragontea gilt. Die genrespezifischen Änderungen betreffen folglich vor allem die von den Amerikareisenden verfaßten Werke, so daß deren spezielle Produktionssituation verantwortlich zu machen ist für die gravierenden Abweichungen von den Vorbildern. Während die spanischen Hofschriftsteller, wie zumindest ein Teil der früheren Verfasser von Epen auch, einen bestimmten Stoff (hier: Amerika) auswählen, um eine Epopöe zu verfassen, werden in Amerika kämpfende, missionierende und siedelnde Spanier zu Schriftstellern, weil sie ihre Erlebnisse und das Geschaute verkünden wollen, und als geeignetste Form hierfür erschien ihnen das Epos. Das eigene Erleben und das Erzählen einer wahrheitsgetreuen Version sind die vorrangigen Anliegen dieser Autoren, die sie mit einer literarischen Tradition verbinden. Es ist davon auszugehen, daß die historiographischen Texte über amerikanische Realitäten Einfluß nahmen auf die epische Ausgestaltung der Amerikaunternehmungen. Natürlich bleibt zu überlegen, warum die Autoren dann keine historias oder relaciones verfaßten. Ganz augenscheinlich war ihnen der Sinn nach Höherem, wählten sie bewußt die Gattung, die zur damaligen Zeit als erhabenste galt. Die Autoren wollten informieren, jedoch in anspruchsvoller Form mit ästhetischem Anliegen. Gerade die Verfasser von Epen, die sich bewußt der fiktional-literarischen Ausrichtung verschrieben, wollten mehr als nur informieren. Sie integrierten fiktionale Passagen und Elemente zur Unterhaltung, verfolgten darüber hinaus panegyrische Zwecke.

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

261

Die bisherigen Ausführungen lassen es sinnvoll erscheinen, von einem eigenen Genre der Amerika-Epen zu sprechen 1 . Bei der Mehrzahl dieser Epen basiert die Schilderung auf dem eigenen Erleben, aus dem die oben beschriebenen Änderungen resultieren: die Aktualität, die Integration des Autor-Erzählers in das Geschehen, die "wahrheitsgetreue" Schilderung und der Verzicht auf traditionelle Helden und Protagonisten. Der Wahrheitsanspruch widerspricht nicht mehr der Form 2 . Natürlich können Analysen der Amerika-Epen weiterhin als Ergebnis das Scheitern des (traditionellen) Epos schlußfolgern 3 ; dies ist jedoch ein müßiges Unterfangen. Sinnvoller als das Scheitern der traditionellen Form in neuer Zeit zu beklagen, erscheint es doch, das Entstehen einer veränderten neuen Ausgestaltung zu konstatieren. Obwohl sie nicht auf eigenem Erleben basieren, wären dieser Gattung die von spanischen Hofschriftstellern verfaßten Epen zur amerikanischen Thematik zuzurechnen, nicht nur aufgrund der Themenstellung, denn auch diese Texte nehmen zum Teil die oben dargelegten Neuerungen vor (aktuelle Geschichte, Sympathie für den Feind, der Anti-Held Lopes). Hier ist jedoch noch der Frage nachzugehen, ob auch die Werke, die dezidiert n u r Reales schildern und auf zusätzliche fiktionale Inklusionen verzichten, dem Genre der Epen zuzurechnen sind. Sind diese Texte, wie vor allem Escobedos Florida mit seiner realistisch-ethnologischen Ausrichtung, nicht doch eher "crónicas rimadas"? Riis Owre weist nach, daß Escobedos Text die Grundlagen des historiographischen Diskurses fehlen: Der Autor nennt keine verläßlichen Daten und Namen, er liefert zudem keine Hintergrundinformation: Escobedo omits other things which any historian would include. He does not teil us whether he learned an Indian language. He rarely gives a date. [...] He teils little of the distances he travelled. He does not lócate cities carefully, and seems to be indifferent to their history( 1964:247).

Die Texte, die einen Autor-Erzähler integrieren, können auf keinen Fall als Chroniken gelten, fehlt ihnen doch durch die Manifestation des subjektiven Faktors die gebotene Objektivität 4 . So kann von den hier behandelten Texten eigentlich nur einer als gereimte Chronik betrachtet werden, wobei allerdings nur ein Fragment vorliegt. Dieses noch erhaltene Fragment von Bartolomé de Góngoras Octava maravilla berichtet in betont nüchterner Sprache von der mexikanischen Flora und Fauna, von indianischem Leben und Glauben, wobei der Erzähler als Person nicht in Erscheinung tritt. Darüber hinaus sind von dem Text einige Bruchstücke aus dem Leben von Hernán Cortés in Mexico erhalten. Obgleich diese vorhandenen Textaus1

2 3

4

"El descubrimiento y la conquista del continente americano originó una abundante producción épica que fue original, al menos por su inspiración. Un género nuevo, que tuvo su modelo en La Araucana, trata de definirse a igual distancia de la crónica rimada y de la epopeya clásica" (Piñero Ramírez 1982:163). Wie Janik über Ercillas Kombination der historischen Thematik mit der Metrik nach italienischem Vorbild urteilt. Vgl. Janik 1969:106. Wie wohl nicht als letzte Held behauptet: "Ercilla scheitert bei dem Bemühen, eine historische Episode der spanischen Konquista im Ganzen wahrheitsgetreu zu berichten und diesem Bericht die Form eines Epos zu geben. Die Geschichte verweigert sich dieser literarischen Form, und eine Vielzahl literarischer Imitationen transportiert ideologische Widersprüche in das Werk" (1983:182). Zur Definition der Chronik vgl. Mignolo 1982:75.

262

V. Ergebnisse

schnitte mit ihrer bloßen Informationsvergabe und den zeilenlangen Aufzählungen den Tatbestand der Chronik gut zu erfüllen scheinen, lassen Reynolds Spekulationen über den Gesamtplan des Werkes vermuten, daß andere Teile des Textes durchaus den engen Rahmen der Chronik verließen'. Es bleibt zudem noch zu diskutieren, ob in diesem Zusammenhang nicht bereits die Entscheidung eines Autors für die Form des Epos zu berücksichtigen wäre", auch wenn der Inhalt des Textes dann eher in Richtung Historiographie tendiert. Der hybride Charakter des Epos, der an sich aus der stofflichen Mischung von Geschichte und Fiktion resultiert, reduziert sich zwar auf die Opposition von Inhalt (Geschichte) und Form (Literatur), bleibt jedoch erhalten. Der Außenbezug der Texte ist in diesen Fällen nur scheinbar wichtiger als der Innenbezug, denn die Konzentration auf die Form läßt beides wieder gleichgewichtig erscheinen. So daß viel eher das vermutete historiographische Genre der "crönica rimada" als Unmöglichkeit erklärt werden müßte, es sei denn, es würde ein einfacheres Versmaß benutzt, wofür aber zur amerikanischen Thematik keine Beispiele vorliegen. Damit wäre von einem von der traditionellen Epik abweichenden Genre der Amerika-Epen auszugehen, das neben den noch eher der traditionellen Ausgestaltung verpflichteten Werken der spanischen Hofautoren die beiden oben konstatierten Gruppen der literarisch-fiktionalen und der realistisch-historischen Schreibweise einschließt 3 . Während die fiktionale Inklusionen meidenden Epen in Richtung Historiographie tendieren, ohne jedoch aufzuhören, selbst vorrangig einem fiktionalen Genre anzugehören, sind die fiktional-literarisch orientierten epischen Texte eigentlich zwischen dem "Auslaufmodell" Epos und dem sich noch nicht voll etablierten Genre des Romans anzusiedeln. Der spanische Roman, der zur Mitte des 16. Jahrhunderts an realistischem Terrain sich gerade die Orte in Kastilien zu erobern begann, war noch nicht dazu geeignet, dem real ausgerichteten Unternehmen 'Amerika' als Ausdrucksmedium zu dienen. Auch er hatte in seiner Berichterstattung offensichtlich noch zu viele Leerstellen, demgegenüber das Epos Traditionen und Bezugsmöglichkeiten bot, auch wenn die Gattung für das eigene Anliegen "zurechtgebogen" werden mußte. Mit der phantastischen Ausrichtung des Romans dagegen, den Ritterbüchern, konnte die in Teilen gleichfalls phantastische, aber augenscheinlich weniger wirkungskräftige Amerikaunternehmung eindeutig nicht konkurrieren. Ein weiterer Einwand gegen einige Texte als Epen soll hier abschließend noch erörtert werden. Unabdingbarer Bestandteil bei allen Ausgestaltungen der Gattung sind die Länge des Textes und die Unterteilung in eine Vielzahl von Gesängen . Während sich bei den erhaltenen Fragmenten der ursprüngliche oder geplante Um1 2

3 4

Vgl. Reynolds 1978:39/40. Bei der enormen und frühen Verbreitung der Araucana ist davon auszugchen, daß eine Entscheidung für die Form des Epos gleichbedeutend war mit der Anerkennung des Werks Ercillas als textuellem Vorbild. Natürlich wären auch Werke hispanoamerikanischer Autoren unter diese Gattung zu subsumieren, die aus oben angeführten Gründen hier nicht berücksichtigt werden. "Bei jeder definitorischen Beschreibung des Epos gilt es, die Unterscheidung von epischer Dichtung im allgemeinen und der speziellen Form des Epos zu beachten, zu deren äußerlichen Charakteristika ein großer Umfang, gleichförmig konstruierte Verse oder Strophen, die Gliederung in mehrere Gesänge, Aventiuren, Cantos etc. gehören [...]" (Max 1981: 80).

C. Zwischen Historiographie und Dichtung: Epen, epische Gedichte und Romanzen

263

fang nur erahnen läßt, fallt es doch schwer, die zwei Gesänge des Espejo de paciencia Silvestre de Balboas als Epos zu bezeichnen. Zweifel kommen auch noch auf angesichts der 273 Oktaven des anonymen La Conquista del Perú, so daß es in diesen Fällen geboten erscheint, von epischen Gedichten zu sprechen, die gleichwohl dem Genre der Amerika-Epen zugeordnet sein können. Die Gattung des Epos hat sich in dem hier verhandelten Kontext als offenes Genre erwiesen, das sich den besonderen Bedingungen der Textproduktion und des Stoffes weitgehend anpaßte und auf die oben beschriebene Weise mutierte. Die Ausführungen des folgenden Teils (D) werden zeigen, ob die Texte der Lyrik und Dramatik auf nämliche Weise mit der amerikanischen Thematik verfuhren, oder ob hier andere Produktionsbedingungen zu anderen Mechanismen der stofflichen Aneignung führten.

/. Präliminarien

264 D . A M E R I K A ALS FIKTION: D R A M A , L Y R I K UND R O M A N

L'histoire est un roman

vrai.

Paul Veyne Soñaba, ¡o Julio!, que había llegado el mar hasta Madrid desde las Indias. Lope de Vega, La Dorotea

I. Präliminarien Die Texte, die in diesem Teil ausfuhrlich behandelt werden sollen, lassen einen dominanten Bezug auf das eigene literarische System gegenüber der Relation zur jeweils behandelten außerliterarischen Wirklichkeit erkennen'. Damit weisen sie sich als zur "reinen" Fiktion gehörig aus. Obwohl in den Werken durchaus ein breites Spektrum verschiedener Bereiche des damaligen amerikanischen Lebens thematisiert wird, steht Amerika nur in Ausnahmefällen im Mittelpunkt der Darstellungen. Die Präsentation amerikanischer Realitäten ist sekundär; es dominiert das Kunstwerk. Da die Orientierung an der außerliterarischen Wirklichkeit somit nur von geringer Bedeutung ist, verfügt diese Gruppe, deren Texte vor allem der fiktionalen Gattung des Dramas, in geringem Maße Lyrik und Narration zugehören, über den höchsten Grad an Fiktionalität. So wird der für das Epos noch bestehende Wahrheitsanspruch geopfert, und es wird zu sehen sein, in welchen Bereichen eine thematische Anbindung erfolgt und in welchem Maße die einzelnen Genres konzeptionell notwendige Änderungen des historischen Geschehens erfordern. Wie alle Kunstwerke unterliegen auch die hier verhandelten Texte verschiedenen Funktionen, deren Untersuchung u.a. Gegenstand dieses Teils der Studie ist. Hier stellt sich die Frage, ob der dominante fiktionale Charakter dieser Textgruppe gleichzeitig eine verstärkte Funktionalisierung impliziert, so daß Amerika noch mehr als Mittel zum Zweck dient. Inwieweit bestimmen die gattungsspezifischen Ausrichtungen die funktionale Einbindung der Texte? Epen und Romanzen bezogen einen großen Teil ihrer Spannung aus der Stellung zwischen Historiographie und Fiktion und dem daraus resultierenden hybriden Charakter. Die Ergebnisse der Analysen dieses Teils werden zeigen, ob die eindeutig fiktionale Ausrichtung der hier besprochenen Texte Amerika dann zum stofflichen (und exotischen) Dekor degradiert oder ob andere Mechanismen die historische Thematik steuern.

1. Das Thema 'Amerika': ein Schweigen der Autoren? Die Klage über ein "silencio de los literatos españoles" 2 , über eine geringe Auseinandersetzung der spanischen fiktionalen Literatur des Siglo de Oro mit amerikanischen Themen gehört inzwischen zum stereotypen Standardtopos der Sekundärliteratur 3 . Und tatsächlich finden sich in den Werken der "Klassiker" der Epoche nur 1 2 3

Vgl. hierzu das oben entwickelte Schema zur Abgrenzung von Historiographie und Fiktion auf den Seiten 41-48. Miguel Aguilera, America en los clásicos españoles (Bogotá 1952), 7. Vgl. z.B. Francisco Ruiz Ramón, "Introducción: visión problemática del descubrimiento y

la conquista". In ders., América en el teatro clásico español. Estudio y textos (Pamplona

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

265

wenige Hinweise auf die für Europa neu entdeckten Länder. So begnügt sich z.B. Cervantes in seinen bekanntesten Werken, dem Don Quijote und den Novelas ejemplares, mit wenigen Anspielungen auf die Kolonien, und obwohl die beiden letzten Akte seines El rufián dichoso in Mexico spielen, wird auch hier kein ernsthafter Bezug zur Neuen Welt hergestellt. Zwar läßt Quevedo den Helden Pablos am Ende seines Buscón nach Amerika fahren, der zweite Teil der novela picaresca wurde jedoch nie geschrieben. In seinen Versen finden sich nur vereinzelt Spottgedichte und kritische Anmerkungen über Amerika. Als Ausnahme wird allgemein Lope de Vega betrachtet, der - abgesehen von unzähligen Andeutungen auf die hispanoamerikanischen Kolonien in seinen Werken - immerhin drei comedias und ein auto sacramental zur amerikanischen Thematik verfaßte. Allerdings nimmt sich diese Zahl bei einem vermuteten Gesamtwerk von ca. 1500 Dramen doch eher spärlich aus. Die große Fiktion über Amerika wurde von der spanischen Literatur des Siglo de Oro offensichtlich nie geschrieben. Bei den Schriftstellern, die amerikanische Themen in ihre fiktionalen Werke integrierten, handelte es sich - im Gegensatz zur Mehrzahl der Verfasser von Epen und Romanzen - nahezu ausschließlich um berufsmäßige Autoren, von denen die meisten den amerikanischen Kontinent nicht aus eigener Anschauung kannten. Nur wenige weilten kurzzeitig in Amerika, obwohl diese Aufenthalte die Textproduktion kaum beeinflußt zu haben scheinen'. So brachte z.B. Tirso de Molina zwei Jahre auf Hispaniola zu 2 . Seine den Gebrüdern Pizarro gewidmete Trilogie verfaßte er jedoch eher aus Karrieregründen3, als daß der Autor eine persönlich erfahrene Realität literarisch zu verarbeiten gedachte. Die Schriftsteller, die einen längeren Zeitraum in den Kolonien verbrachten, verzichteten auf eine Adaptation amerikanischer Realitäten in ihren fiktionalen Schriften. So z.B. der wenig bekannte Luis de Ribera, Verfasser traditioneller Verse, der zunächst in Mexico, später dann in Lima lebte4. Nachdem Mateo Alemán mit seinem in Spanien verfaßten Guzmán de Alfarache großen Erfolg gehabt hatte, schrieb er nach seiner Überfahrt nach Mexico 1607 keine fiktionalen Werke mehr 5 . Vor al1993), 13; Victor Dixon, "El Nuevo M u n d o visto por Lope de Vega". In: Actas del primer congreso anglo-hispano. Hg.v. Alan Deyermond und Ralph Penny (Madrid 1993), 239; Laferl 1992b: 161; Dille 1988:492; Horst Baader, "La conquista de América en la literatura española: mito e ilustración". Romanische Forschungen 90 (1978): 169; José Sánchez,

Hispanic Heroes of Discovery and Conquest of Spanish America in European Drama

1

2 3 4

5

(Chapel Hill 1978), 13-15; aber auch frühere Texte beklagen ähnliches, wie z.B. Pedro 1954:246 u.a. A u s oben benannten Gründen werden auch hier die hispanoamerikanischen Kolonialautoren nicht berücksichtigt.

Vgl. Miguel Zugasti, La 'Trilogia de los Pizarros' de Tirso de Molina I "Estudio crítico" (Kassel 1993), 3-8. So zumindest e i n e mögliche Interpretationsweise der Trilogie des Mercedarier-Mönchs, auf die später noch ausführlicher eingegangen wird. Über Luis de Ribera ist nur wenig bekannt, zudem scheint es zwei Autoren gleichen Nam e n s gegeben zu haben. Vgl. Mario Méndez Bejarano, Poetas españoles que vivieron en América (Madrid 1929), 7-22. Hier m a g durchaus auch das allgemeine Verbot von fiktionalen Prosaschriften in den amerikanischen Kolonien eine Rolle gespielt haben, das 1531 erstmalig erlassen und mehrmals wiederholt wurde. Vgl. hierzu Baudot 1983:494; Leonard 1992:77-90. Z w a r

266

/.

Präliminarien

lem von den wenig bekannten Autoren, die nach Amerika reisten, verlor sich schnell deren Spur in den Kolonien, und so ist über ihr literarisches Schaffen in Amerika nichts mehr überliefert, wie z.B. im Fall von Gutierre de Cetina und Pedro de Medina Medinilla 1 . Über die Gründe, warum die Autoren des Siglo de Oro amerikanische Themen offensichtlich mieden, wurde früh spekuliert. So macht z.B. Marcelino Menéndez Pelayo die fehlende Distanz zwischen historischem Ereignis und Zeitpunkt des Dichtens für die geringe Anzahl der Texte bzw. deren schlechte Qualität verantwortlich 2 , während der Chilene José Toribio Medina die These vertrat, daß Amerika nach Entdeckung und Eroberung den spanischen Autoren nichts mehr zu bieten hatte 3 . Die Problematik, warum die verschiedenen Aspekte und Bereiche amerikanischer Realitäten so selten in der spanischen Literatur des Siglo de Oro behandelt und beschrieben werden, ist äußerst komplex. Auf ein Referieren der verschiedenen Spekulationen, die seit den Tagen von Menéndez Pelayo und Medina viele Seiten füllen, soll hier verzichtet werden ; statt dessen möchte ich mich in einigen Komplexen den Gründen annähern, die allem Anschein nach verantwortlich sind für das so häufig konstatierte "Schweigen der Autoren". Erste Überlegungen gelten der damals vorherrschenden Dichtungskonzeption. Obwohl die Renaissance allgemein gekennzeichnet ist durch eine Erweiterung des Wissenshorizonts und ein gesteigertes Interesse an Neuerungen und Neuem 5 , so war ein Großteil dieses Interesses doch bestimmt durch eine Rückwendung zur Antike 6 . Dies galt vor allem für eine normative Poetologie, wie sie während der Renaissance vorherrschend war. Ihr Anliegen war das Prinzip der imitatio, der Nachahmung

1 2

3

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5

6

wurden trotz des Verbots weiterhin Prosawerke fiktionalen Inhalts in den Kolonien rezipiert, wie vor allem Irving A. Leonard überzeugend nachweist; das allgemeine Klima war jedoch sicher nicht forderlich für die Produktion von Romanen oder Novellen. Vgl. Pedro 1954:222,244-252; zu Gutierre de Cetina vgl. auch Méndez Bejarano 1929:5370. Vgl. Marcelino Menéndez Pelayo, "Observaciones preliminares". In: Lope de Vega, Obras XXIII "Crónicas y leyendas dramáticas de España". Hg.v. Marcelino Menéndez Pelayo (BAE 214, Neudruck) (Madrid 1968), 102. Vgl. José Toribio Medina, "La historia de América, fuente del antiguo teatro español". In: Dos comedias y un auto sacramental. Hg.v. José Toribio Medina (Santiago de Chile 2 1917), 145/146. Als aktuelles Beispiel wären Miguel Zugastis Überlegungen anzuführen. Vgl. Miguel Zugasti, "Notas para un repertorio de comedias indianas del Siglo de Oro". In: Studia Aurea. Actas del III Congreso de la AISO II. Hg.v. Ignacio Arellano u.a. (Toulouse, Pamplona 1996), 429-433. In seinen Untersuchungen zu "La estimación de lo nuevo en la cultura española" fuhrt Maravall aus, wie der Topos "Omnia nova placet", seit der Antike bekannt, gegen Ende des Mittelalters und vor allem während der Renaissance besondere Bedeutung erlangt. Vgl. Maravall 1964a und b. Der zweiteilige Artikel findet sich geringfügig verändert in José Antonio Maravall, Antiguos y modernos. La idea de progreso en el desarrollo inicial de una sociedad (Madrid 1966), 25-110. "Ciertamente que la preferencia por lo nuevo no lleva de suyo a una visión hacia adelante, progresiva, del curso de la Historia. Lo nuevo puede ser hallado o descubierto en lo antiguo [...]" (Maravall 1966:110).

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

267

antiker Musterautoren und -gattungen. Zwar wurde diese Vorgabe verschieden ausgelegt und konnte durch die Möglichkeit der variatio auch abgeschwächt werden; Stoffe und Formen der Dichtungen waren jedoch auf jeden Fall durch antike Vorbilder bestimmt. Die Tradition wurde zum dominanten Faktor für die Produktion von Texten: Dichtung war "primär nicht Wiedergabe persönlicher Erfahrungen, vielmehr Auseinandersetzung mit den durch die Tradition vorgegebenen Inhalten und Formen" (Buck 1972b:21). Das Ziel der Autoren war somit weniger das Schaffen von Neuem und Originellem, sondern die "formale Vollendung" (Buck 1972b:21) von Bekanntem und Überliefertem 1 . Eine derartige Dichtungskonzeption mußte mit dem Versuch der Integration aktueller Geschichtsereignisse in literarische Werke kollidieren 2 . Amerikanische Ereignisse und Erlebniswelten entbehrten der Tradition, die für den europäischen Autor der Hauptbezugspunkt seiner Arbeit war3. Diese Leerstelle kennzeichnet ganz allgemein den Prozeß der Wahrnehmung und Beschreibung Amerikas, wobei der Rückgriff auf andere referentielle Strukturen das Vakuum ersetzt. Sicher war dieser Mangel an Traditionen und Vorlagen einer der Gründe, warum nur wenige Schriftsteller sich der amerikanischen Thematik annahmen. Analog zum Wahrnehmungsprozeß erfolgte eine Thematisierung dann durch das Ausweichen auf andere Traditionen, wobei dies zu Stereotypisierungen, Mythologisierungen 4 und zu der Tatsache führt, daß es in der fiktionalen Literatur über Amerika - abgesehen von wenigen Ausnahmefallen - nie tatsächlich um Amerika geht: Lediglich vereinzelte Elemente des amerikanischen Kontexts wurden in literarische Werke integriert, und diese blieben zumeist austauschbar und dem Funktionszusammenhang untergeordnet. Obgleich die normative Poetik zu Beginn der Neuzeit bestimmend war, gab es doch immer wieder Tendenzen - verstärkt dann im Barock - , den antiken Regelkanon zu durchbrechen oder zu unterlaufen 5 . Berühmtestes Beispiel hierfür dürfte in der spanischen zeitgenössischen Literatur die comedia sein, die in ihren wesentlichen Bestandteilen den antiken Forderungen der Komödie widerspricht 6 . In einem allmählichen Prozeß verschiebt sich der Anspruch auf eine normative Poetik zum Ruf nach einer Wirkungsästhetik, so daß zunehmend das Prinzip der imitatio von dem der inventio abgelöst wird. Das Neue und Ungewöhnliche gewinnt an Bedeutung, allerdings auch hier nicht der Wirklichkeit entlehnte Prämissen. Diese möchte die Dichtung überbieten, wobei das Neue dann zum bizarren Effekt verkommt, der 1 2 3

Z u r Dichtungskonzeption der Renaissance vgl. Buck 1972a; Buck 1972b:20/21. Gleiche Mechanismen der Rezeption Amerikas gelten im übrigen auch für andere Kunstrichtungen, wie oben am Beispiel der bildenden Kunst zu sehen war. "[...] the conquest itself [ . . . ] was - in Lope's terms - still in its historical infancy. [ . . . ] the conquest had not been 'processed' poetically and did not offer a tradition within which and through which he could work". Stephen Gilman, "Lope de Vega and the 'Indias en su in-

genio'". In: Spanische Literatur im Goldenen Zeitalter. Fritz Schalk zum 70. Geburtstag. 4 5 6

Hg.v. Horst Baader und Erich Loos (Frankfurt a.M. 1973), 107. Z u m Aspekt der Mythologisierung der amerikanischen Thematik in der Literatur des Siglo de Oro vgl. Baader 1978:173-175. Umfassend zur Kontroverse der antiguos und modernos vgl. Maravall 1966. A m anschaulichsten formuliert findet sich das in Lope de Vegas programmatischer Schrift

Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo.

268

I.

Präliminarien

im wieder wohlgeordneten starren Weltsystem des Barock seinen festen Platz hat. Maravall, der die barocke Gesellschaft als statisch und konservativ beschreibt 1 , spricht hierbei von un proceso de trivialización. Aquél afán por lo nuevo que engendraba hambre y descontento, aspiración y esperanza [...] es ahora motivo de pasatiempo: 'la novedad entretiene' [...] (Maravall 1964a:224).

Ein großes Hindernis, das wahrscheinlich vielen Autoren den Zugang zur amerikanischen Thematik verstellte, waren die negativen Konnotationen, mit denen Amerika ganz allgemein belegt war. Oben wurde dargelegt, wie das Amerikaprojekt als Unternehmen der "kleinen Leute", bei dem Profit erzielt und gewalttätig vorgegangen wurde, fíir die spanische Öffentlichkeit als anrüchig galt. Die stereotypen Bilder einer wilden indianischen Bevölkerung, die kannibalistische Praktiken pflegt und mit Satan im Bunde steht, und die massiven Vorwürfe und Attacken der anderen europäischen Staaten, die Spanien in eine Verteidigungshaltung drängten, verstärkten die negative Vorstellung, so daß Amerika letztendlich für alles Unheil Spaniens verantwortlich gemacht wurde. Die spanische Amerikauntemehmung wurde insgesamt als Schandfleck Spaniens betrachtet. Aufgrund dieser überwiegend negativen Konnotationen, aber auch infolge einer großen Unkenntnis der amerikanischen Verhältnisse war das Thema 'Amerika' weder bei den Autoren noch beim Publikum beliebt. Während letzteres jedoch dank seiner Vorliebe für Schauer- und Gruseleffekte und für moralische Belehrungen zu einer Akzeptanz der Thematik überredet werden konnte, war für die Autoren die Thematisierung amerikanischer Realitäten mit gewissen Risiken behaftet. Ab 1556 war es verboten, Bücher über Amerika ohne entsprechende Lizenz zu drucken". Mit diesen Zensurmaßnahmen glaubte Felipe II., den außen- wie innenpolitischen Problemen um amerikanische Angelegenheiten begegnen zu können. Das für ca. 50 Jahre verordnete Schweigen zu Amerika sollte den spanischen Gegnern die Information und damit deren Argumentationsgrundlage entziehen. Betroffen hiervon war allerdings vorrangig die historiographische Literatur, obwohl die fiktionalen Werke den gleichen Lizenzbedingungen unterlagen. Tatsächlich erschienen in dem Zeitraum, in dem die Publikation historiographischer Texte nahezu zum Erliegen kam, einige bedeutende literarische Texte, darunter Ercillas Araucana. Abgesehen vom Discurso del Capitán Francisco Draque von Juan de Castellanos, der von der Zensur aus den Elegías de varones ilustres entfernt wurde 3 , ist kein weiteres literarisches Werk amerikanischer Thematik bekannt, dem in den Jahren zwischen 1555 und 1600 keine Druckerlaubnis erteilt wurde oder das nur in einer "gereinigten" Form erscheinen konnte 4 . Aufgrund der schlechten Quellenlage kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß es tatsächlich nie zu einem Verbot, dem Verlust oder der Vernichtung eines derartigen Manuskripts durch die Zensurbehörden kam. Die bekannten historischen Fakten scheinen jedoch 1 2 3 4

Vgl. z.B. José Antonio Maravall, La cultura del Barroco. Neudruck. Barcelona, Caracas, México 2 1981. Vgl. Friede 1959:48; Scharlau 1982:98. Vgl. hierzu die Ausführungen auf den Seiten 204/205. Beispiele für die historiographische Literatur liefern Friede 1959:68-94 und Baudot 1983: 471-502.

D. Amerika

als Fiktion: Drama,

Lyrik und

Roman

269

eher dafür zu sprechen, daß die fiktional-literarischen Texte nicht gleichermaßen strengen Zensurbedingungen unterlagen wie die historiographischen. Die fiktionale Literatur wurde ganz offensichtlich für weniger gefährlich betrachtet als die historiographischen Werke. Gleichzeitig erscheint dies als Indiz dafür, daß die Autoren literarischer Werke, wenn sie Amerika thematisierten, im allgemein recht repressiven Klima von Zensur und Vorschriften selten von der offiziellen Linie abwichen und vorsichtig mit ihrer Materie umgingen. So kongruieren die meisten comedias, in denen es um amerikanische Belange geht, mit der offiziellen Version der Rechtfertigung der Conquista. Zu einer Zeit, als sich Spanien massiv mit den Protesten seiner Nachbarstaaten in bezug auf seine Amerikapolitik konfrontiert sah, wurde die Rechtfertigung der spanischen Eroberungspolitik zur Notwendigkeit, der sich die Autoren kaum entziehen konnten: Merecida o no, la mala fama de la conquista y colonización de América forzaba a los dramaturgos a adoptar una posición defensiva ante la opinión extranjera y aun ante la opinión española (Dille 1988:496).

Ein neutraler Standpunkt schien nicht mehr möglich, und es stellt sich die Frage, ob dieser Sachverhalt gleichermaßen für alle Dramen der vorliegenden Thematik galt oder ob doch Wege gefunden wurden, sich dem Rechtfertigungszwang zu entziehen. Gleichzeitig wäre zu überlegen, warum gerade die comedia zur vorrangigen Trägerin der herrschenden Legitimationsideologie wurde. Es ist heute kaum mehr zu entscheiden, ob damals bereits die Mechanismen einer Selbstzensur griffen oder ob die Äußerungen und Darstellungen tatsächlich der Meinung der Autoren entsprachen. Eine Anpassung an geforderte Prämissen fiel den Autoren der fiktional-literarischen Texte sicher leichter als ihren Kollegen, die historiographische Werke verfaßten. Als Nichtaugenzeugen waren die spanischen berufsmäßigen Autoren weniger in das Geschehen involviert und verfügten über eine weitaus größere Distanz zu dem von ihnen gewählten Sujet 'Amerika'. Trotzdem war auch bei einer fiktional-literarischen Verarbeitung der Thematik der Stoff mit Vorsicht zu behandeln. Ein leichtfertiger Umgang hätte zu einem Verbot der Werke geführt, mit eventuellen persönlichen Konsequenzen für den Autor. Es ist sicher kein Zufall, daß die wenigen nicht eindeutig konformen Werke zumeist anonym oder unter Pseudonym erschienen 1 . So mag es heute nicht mehr verwundern, daß dieses unter vielen Aspekten heikle, wenig attraktive, bisweilen sogar gefährliche Thema 'Amerika' von einer Vielzahl von Autoren gemieden wurde. Von größerem Interesse für die Autoren waren hingegen europäische Themen, die enger mit dem Alltag verbunden und weniger fremd waren, außerdem auf Traditionen rekurrierten. Die Auseinandersetzungen mit den feindlichen Nachbarstaaten, die Glaubenskämpfe, das Ende der Maurenherrschaft und die Angst vor der türkischen Gefahr waren für die spanischen Autoren unvergleichlich näher als Kämpfe gegen Völker, von denen noch wenige Jahre zuvor keiner wußte. Gerade Spanien war zu Beginn der Neuzeit sehr mit seinen innenpolitischen Belangen beschäftigt, der Konsolidierung eines Weltreichs, das in ständiger Auseinandersetzung mit der Reformation und seinen Nachbarstaaten um seine Vorrangstellung kämpfte. Diese 1

Wie z.B. die Werke von Fernando de Zärate (eigentlich Antonio Enriquez G ö m e z ) und Ricardo de Turia (Pedro de Rejaule).

270

/. Präliminarien

geistespolitische Haltung, die Dille ganz allgemein als "preeminencia de lo europeo" (1988:494) bezeichnet, fand ihren Niederschlag in der Literatur, in der Ereignisse in Flandern, Italien oder Auseinandersetzungen mit Mauren und Türken unvergleichlich häufiger thematisiert werden als Darstellungen von Amerika und seinen Bewohnern 1 . Abschließend stellt sich nun die Frage, ob - unter Berücksichtigung all der bisher erarbeiteten und dargelegten Fakten - überhaupt von einem Schweigen der Autoren gesprochen werden kann. John H. Elliott beispielsweise, der als einer der ersten den Einfluß Amerikas auf Europa untersuchte und in seinem Werk von 1970 die langsame Rezeption und das Desinteresse bei der Aufnahme amerikanischer Realitäten in Europa hervorhob, relativierte seine Aussagen wenig später und wies auf die Schwierigkeit hin, einen derartig umfassenden Rezeptionsvorgang einzuordnen und zu bewerten . Wäre es dagegen nicht sinnvoller, die geringe Anzahl von Werken in Bezug zu setzen zu der Problematik der amerikanischen Themen, und erscheint dann nicht die Anzahl der fiktionalen Texte, die sich trotz aller Widrigkeiten dem Thema 'Amerika' widmen, als ausreichend? Da sich gleichzeitig in der gesamten spanischen Literatur der Zeit auffällig viele Anspielungen auf amerikanische Realitäten finden, scheint erwiesen, daß amerikanische Angelegenheiten sehr wohl Eingang in das spanische Denken und Leben der Zeitgenossen gefunden hatten. Die spanischen Autoren mieden jedoch bewußt eine ausfuhrliche Bearbeitung der Thematik, da diese zu den unattraktiven, heiklen, bisweilen sogar gefährlichen Sujets gehörte.

2. Texte und Themen Die in diesem Teil behandelten Texte entstammen vorwiegend der Dramatik, in geringem Umfang der Lyrik und der Prosa. Sowohl Themenauswahl wie -gestaltung werden durch das entsprechende Genre bestimmt. Allen fiktionalen Gattungen gemeinsam ist lediglich die Thematisierung von amerikanischem Reichtum. Wie oben dargelegt, waren im damaligen Spanien "las Indias" gleichbedeutend mit immensem Reichtum: Gold, Perlen, Edelsteine, ein Tatbestand, der sich vor allem in der Alltagssprache niederschlagen sollte. Der Erwerb von materiellen Gütern wurde zur Hauptmotivation für die Aktivitäten von Conquistadores und Siedlern. Es erstaunt daher nicht, daß in der fiktionalen Literatur über Amerika Reichtum und Wertgegenstände - insbesondere Gold - häufig benannt werden. In sämtlichen fiktionalen Textsorten finden sich Anspielungen verschiedener Art auf Amerika und seine Schätze 3 , im Gegensatz zu den Epen, wo Gold und sonstige Güter der Bereicherung allenfalls am Rande erwähnt werden.

1

2 3

J. H. Elliott stellt mit Atkinson fest, daß in Frankreich zwischen 1480 und 1609 viermal so viele Bücher über die Türkei und Asien als über Amerika publiziert wurden. Vgl. Elliott 1970:12. Für Spanien läßt sich diese Interessensgewichtung gut an den Themen und Schauplätzen der comedias ablesen. Vgl. Elliott 1976: vor allem 11. Eine Sammlung von derlei Anspielungen liefern Morinigo 1946:55-63,95-113; Franco 1954:347-366,464-471; Angela B. Dellepiane, Presencia de América en la obra de Tirso de Molina. Neudruck in Estudios 24,83 (Madrid 1986), 519-565; Francisco Morales Padrón, "América en la literatura española". Atlántida 4,23 (1966):485-506.

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

271

In Verbindung mit der Thematisierung von Reichtum wurde die Figur des indiano in die Literatur integriert. Dieser aus den Kolonien ins Mutterland zurückgekehrte Spanier oder Kreole darf als die in der spanischen Literatur des Siglo de Oro am häufigsten präsentierte Realität des amerikanisch-spanischen Zusammenlebens gelten 1 . In einer Vielzahl von comedias gehören indianos zum Personal der Stücke, aber auch in Lyrik- und Prosatexten finden sich ausreichend Hinweise und Anspielungen auf diese auf besondere Art und Weise stereotypisierte Figur, ihre Lebenswelt und ihre Schwächen. Indianos fehlen weder in Cervantes 1 Novelas ejemplares noch in volkstümlichen mojigangas. Gleichzeitig läßt sich in der fiktionalen Literatur über Amerika ein metaphorischer Gebrauch von Reichtum ausmachen. "Las Indias" und seine Regionen Peru und Potosí werden zu Synonymen für Fülle und Überfluß, zu Metaphern für Glück und Liebe", sie benennen den Ort metaphysischen Reichtums oder finden innerhalb der Liebesrhetorik Verwendung 3 . Auch wenn das Thema des Reichtums bei nahezu jeglicher Darstellung Amerikas in der fiktionalen Literatur präsent ist, so handelt es sich doch vorwiegend um Anspielungen. Da hier nur Texte berücksichtigt werden, die Aspekte der amerikanischen Realität als zentralen Gegenstand behandeln, wird auf eine Analyse der Anspielungen verzichtet, die im übrigen relativ gut durch Sammlungen der Sekundärliteratur dokumentiert sind 4 . Das Thema des amerikanischen Reichtums wird dann näher betrachtet, wenn es zentral angelegt ist, wie z.B. in der moralistischen Lyrik. Eine Aufnahme in das Corpus fanden dagegen einige Werke, die sich nur in Ausschnitten der amerikanischen Thematik widmen. Da diese Ausschnitte von wesentlicher Bedeutung für die hier behandelten Aspekte erscheinen, werden sie bei der Analyse berücksichtigt. Hierzu gehören z.B. die entsprechenden Passagen aus Góngoras Soledades, Vicente Espinéis Vida de Marcos de Obregón oder Caravajals/ Hurtado de Toledos Las cortes de la muerte. Problematisch erweist sich der Umgang mit Texten, die, obgleich sie in einem nicht näher benannten Raum spielen, durchaus auf amerikanische Verhältnisse verweisen bzw. so interpretiert werden können. Als Beispiel hierfür mag die Episode um die Insel Barataria im zweiten Teil des Don Quijote gelten. Ein Bezug dieser Episode, in der Sancho Pansa die Statthalterschaft über eine Insel übernimmt, zur amerikanischen Realität bleibt hypothetisch. Auch bei Góngoras Soledades wurde die Frage nach der direkten Beziehung der Verse 367-509 zu den spanischen Unternehmungen in Amerika lange Zeit nicht gestellt bzw. als irrelevant betrachtet, obwohl die neuere Kritik davon überzeugt zu sein scheint, daß der Bezug zu Amerika 1

2

3

4

Die Figur erscheint auch in der Sekundärliteratur als hinreichend bearbeitet. Vgl. hierzu z.B. Urtiaga 1965; Jaime Martínez-Tolentino, El indiano en las comedias de Lope de Vega, Kassel 1991. "Es bizarro,/ y tú su Potosí si él tu Pizarro", heißt es bei Tirso de Molina. Tirso d e Molina, "Quien no cae no se levanta". In ders.. Obras dramáticas completas III. Hg.v. Blanca de los Ríos (Madrid 1958), 870. So vergleicht z.B. Francisco de Quevedo die Schönheit einer Frau mit amerikanischen Bodenschätzen. Vgl. Francisco de Quevedo Villegas, "Jácara V". In ders., Obras III "Poesías". Hg.v. Florencio Janer ( B A E 69) (Madrid 1953), 102. Ähnliche Beispiele finden sich bei Góngora und Lope. Für Lope vgl. Morinigo 1946:61. Vgl. z.B. Morinigo 1946; Franco 1954; Dellepiane 1986:514-736.

I. Präliminarien

272

vom Autor intendiert war und das Gedicht eine politische Aussage impliziert 1 . Bei einer umfassenden Berücksichtigung dieser Art von Anspielungen ergäbe sich für die Kritik ein weites Feld von Texten, die hier nicht alle behandelt werden können. Lediglich die bekanntesten Beispiele werden bei Bedarf erwähnt. Aufgrund des weitgehenden Fehlens einer thematischen Amerika-Tradition waren die intertextuellen Bezüge der hier besprochenen Genres über Amerika ziemlich eingeschränkt. Den comedias diente vorrangig Ercillas Araucana als Vorbild, deren Inhalte auch über Romanzen verbreitet wurden. Bisweilen bezogen sich die Autoren auf Pedro de Oflas Arauco domado. Der Einfluß Ercillas gilt für alle comedias über Amerika. Denn nicht nur die Dramen der Chile-Thematik orientierten sich vorwiegend an der Araucana; auch in den Theaterstücken, die in Mexico, Peru oder anderen Orten spielen, trägt das Personal araukanische Namen, finden sich Versatzstücke und Reminiszenzen, die eine eindeutige Bezugnahme auf das erfolgreiche Epos Ercillas erkennen lassen. Daneben waren historiographische Schriften als Quellen unerläßlich. Von diesen historias und relaciones, die aufgrund der rigiden Publikationskontrolle der damaligen Zeit oft in Form von unveröffentlichten Textmanuskripten kursierten, steht uns heute nur noch ein Teil zur Verfugung. Femer gilt es, die gegenseitige Beeinflussung der comedias zu beachten. Patricio Lerzundi weist diese für die Dramen des Chile-Zyklus nach 2 . Allerdings läßt sich der gegenseitige Einfluß der comedias insbesonders für die Jahre 1600-1625 - den Zeitraum, in dem die meisten hier behandelten comedias entstanden - nicht nur aufgrund der schlechten Quellenlage, sondern vor allem wegen der Divergenz der Zeitpunkte von Niederschrift, Aufführung und Publikation nicht definitiv bestimmen 3 . Auf andere Weise löste die Lyrik das Problem der intertextuellen Leerstelle der Amerika-Thematik. Sie nimmt Bezug auf traditionelle Themen, wie z.B. die moralistische Klage über den Reichtum, und integriert Amerika als Exemplum, so daß die Gedichte trotz der neuen Thematik über eine reguläre, oft bis in die Antike zurückreichende Dichtungstradition mit den herkömmlichen intertextuellen Bezügen verfugen. Die meisten comedias der amerikanischen Thematik, die alle im 17. Jahrhundert verfaßt wurden, handeln von den spanischen Eroberungen 4 , wobei der Schwerpunkt auf dem Chile-Feldzug liegt 5 . Neben dem in Chile tätigen Garcia Hurtado de Men1

Vgl. hierzu Heinrich Merkl, "Góngoras Soledades

2

sches Jahrbuch 40 (1989):308-325. Vgl. Patricio C. Lerzundi, La conquista de Chile en el teatro del siglo de oro (Ann Arbor

3 4

5

- ein politisches Gedicht?".

Romanisti-

1979), 266. Das Werk von Lerzundi erfuhr 1996 unter dem Titel Arauco en el teatro del Siglo de Oro eine Neuauflage (Valencia). Vgl. hierzu Lerzundi 1979:241. Vgl. hierzu die Liste der verfugbaren comedias über Amerika in Anhang III. Erst im 17. Jahrhundert schien die Theaterdramaturgie des Siglo de Oro in der Lage, ein so komplexes T h e m a wie die spanische Usurpation Amerikas auf der Bühne darzustellen. Vgl. Laferl 1992b: 168. Für eine Zusammenstellung und kurze Beschreibung der "comedias indianas" vgl. Zugasti 1996a. Hierzu gehören Lopes Arauco domado, Gaspar de Avilas El gobernador prudente, Los españoles en Chile von Francisco González de Bustos, Ricardo de Turias La belligera

española und Algunas hazañas de las muchas de don Garcia Hurtado de Mendoza, Mar-

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

273

doza waren auch Hernán Cortés und die Gebrüder Pizarro bei den spanischen Dramaturgen beliebt. Allerdings liegt nur eine comedia der Epoche vor, die sich dem Eroberungsfeldzug von Cortés in Mexico widmet, Zárates La conquista de México während die anderen comedias die Position von Cortés am spanischen Hof und seine Teilnahme an den Kämpfen in Algier 2 thematisieren. Ebenso lassen sich die Theaterstücke um die Gebrüder Pizarro und die spanischen Eroberungen in Peru in Dramen einteilen, die in Peru spielen 3 , und solche, die die Pizarras in Spanien agieren lassen 4 . Von Colons Entdeckungsfahrt nach Amerika berichtet nur Lope de Vegas El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón. Zwei comedias dagegen spielen in Brasilien und handeln von den Kämpfen der Spanier und Portugiesen gegen die Niederländer: Lopes El Brasil restituido und das weniger bekannte Pérdida y restauración de la Bala de Todos Santos von Juan Antonio de Correa. Einige historisch wenig bedeutende Aufstände von Indianern und Cimarrones präsentieren zwei comedias, die Begebenheiten aus dem Leben des Weltreisenden Pedro Ordóñez de Ceballos thematisieren und deren Geschehen sich nur zum Teil in Amerika ereignet. Es handelt sich hierbei um Alonso Remóns ersten Teil der Comedia famosa del español entre todas las naciones, y Clérigo agradecido (zweiter und dritter Akt) und um das anonyme Cuarta parte de la famosa comedia del español entre todas las naciones y clérigo agradecido (dritter Akt), wahrscheinlich von Ordóñez de Ceballos selbst verfaßt 5 .

qués de Cañete von Belmonte Bermúdez und acht anderen Autoren. Ein weiterer Text zur Thematik, Los hechos de Juan Gómez, von unbekanntem Autor, m u ß als verloren betrachtet werden. Vgl. Zugasti 1996a:438.

1

Lope de Vegas La conquista de Cortés und El marqués del Valle gelten als verloren. Es wird a n g e n o m m e n , daß es sich dabei um ein und dasselbe Stück handelte. Vgl. hierzu Carlos Romero Muñoz, "Lope de Vega y 'Femando de Zárate: El nuevo mundo (y A rauco

domado)en La conquista de México". In: Studi di letteratura ispano-americana. Bd. 15-16. Hg.v. Giuseppe Bellini (Milano, Várese 1983), 243; W. L. Fichter, "Lope d e Vega's 'La conquista de Cortés' and 'El Marqués del Valle'". Hispanic Review 3,2 (1935): 163-165; Zugasti 1996a:435. U m Lope de Vegas Autorschaft von La conquista de México wird spekuliert. Vgl. Dixon 1993b; Romero Muñoz 1983:243; Carlos Romero Muñoz, "La conquista de Cortés, comedia perdida (¿y hallada?) de Lope de Vega". In: Studi di letteratura ibero-americana offerti a Giuseppe Bellini. Hg.v. Maria Teresa Cattaneo, Carlos Romero und Silvano Serafín (Rom 1984), 105-124. Eine größere Anzahl von comedias zur Eroberung von Mexico durch Cortés ist aus dem 18. Jahrhundert bekannt. Hierzu gehört auch Cortés triunfante en Tlascala von Pedro Cordero, das von verschiedenen Kritikern irrtümlicherweise einem Autor des 17. Jahrhunderts zugeschrieben wurde. Vgl. Zugasti 1 9 9 6 a 4 3 6 .

2

3

So z.B. Gaspar de Avilas El valeroso español y primero de su casa (das nahezu identisch ist mit La sentencia sin firma des gleichen Autors), das anonyme Los pleytos de Fernán Cortés und Vélez de Guevaras La mayor desgracia de Carlos Vy hechicerías de Argel. Hierzu gehören Calderóns La aurora

en Copacabana,

Pérez d e Montalbáns La

monja

Alférez, Teile von Vélez de Guevaras Las palabras a los reyes y gloria de los Pizarros 4

und von Tirso d e Molinas Pizarro-Trilogie. So berichtet der erste Teil von Tirsos Pizarro-Trilogie, Todo es dar en una cosa, von den Jugendjahren Francisco Pizarros in Spanien, ebenso wie die Akte 1 und 3 von La lealtad contra la envidia Hernando Pizarro in Spanien zeigen. Auch Teile von Vélez d e Guevaras

Las palabras a los reyes y gloria de los Pizarros spielen am spanischen Hof. 5

Die Grundlage dieser comedias ist der 1614 veröffentlichte autobiographische Reisebericht von Pedro Ordóñez de Ceballos, Viaje del mundo. Der Reisebericht und die insge-

274

/. Präliminarien

N o c h weniger als in den oben bearbeiteten Epen und Romanzen wird auf der Bühne der koloniale Alltag thematisiert. Lediglich der dritte Akt von Calderóns La aurora en Copacabana beschreibt das koloniale Leben in Peru nach erfolgreicher Eroberung, mit dem Schwerpunkt der Präsentation einer neuen religiösen Gemeinschaft. In Andrés Baezas Más la amistad que la sangre spielen zwar einige Szenen im kolonialen Habana; allerdings dient die cubanische Stadt nur als Kulisse für einen Liebes- und Familienkonflikt und ist als Ort durchaus austauschbar. Die Heiligendramen El rufián dichoso von Miguel de Cervantes' und Santa Rosa del Perú von Agustín Moreto unterscheiden sich in ihrer Ausgestaltung nicht von anderen comedias über Heilige und verzichten auf eine dezidierte Darlegung der Kolonialepoche. Gemeinsam ist allen diesen comedias die realistische Ansiedlung des Ortes, der in der Regel auch benannt wird, ebenso wie eine zumindest grobe Orientierung an historischen Vorlagen. Zwar gestalteten die Autoren das historische Geschehen oft wesentlich um, verkürzten, erweiterten, verfälschten Perspektiven, integrierten Legenden, Gerüchte und eine Vielzahl christlicher Wunder. Allerdings wird - abgesehen von den Wundern, die im katholisch-christlichen Kontext der Epoche zu sehen sind - auf allzu phantastische Elemente verzichtet, spielt sich alles in einem wahrscheinlichen historischen Rahmen ab. Es finden sich weder Jungbrunnen noch patagonische Riesen. Eine Sonderstellung nimmt Andrés de Claramontes comedia El nuevo rey Gallinato ein, die das Phantasieland Cambox kreiert, das allerdings zwischen Peru und Chile anzusiedeln ist. Trotz der Ähnlichkeit des Namens des Landes mit dem damals gebräuchlichen Begriff für Kambodscha, 'Camboxa' 2 , ist die Szenerie eindeutig indianisch geprägt. Da sich in der gesamten Handlungsführung des Dramas kaum Bezüge zu historischen Vorlagen erkennen lassen, ist Cambox doch eher ein "reino imaginario" 3 und somit El nuevo rey Gallinato die einzige comedia, die in einem bescheidenen Rahmen Phantastisches integriert. Thematischer Schwerpunkt der hier behandelten comedias ist neben der Präsentation des heldenhaften Vorgehens der spanischen Conquistadores zum Ruhm Spa-

1 2

3

samt fünf comedias, die zu den Reisen von Ordóñez de Ceballos entstanden, wurden bisher kaum untersucht. Zu den beiden comedias, die amerikanische Episoden integrieren, vgl. Miguel Zugasti, "Andanzas americanas de Pedro Ordóñez de Ceballos en dos comedias del Siglo de Oro". Teatro. Revista de Estudios Teatrales 15 (2001): 167-196. Vgl. auch Aurelio Valladares Reguero, "Pedro Ordóñez de Ceballos, protagonista de cinco comedias del Siglo de Oro (dos de ellas de Fr. Alonso Remón)." Estudios 52,195 (1996): 5-50. Hier spielen Akt 2 und 3 in Mexico. Vgl. Frederick A. de Armas, "Fashioning a New World: Lope de Vega and Claramonte's El nuevo rey Gallinato". In: Critical Essays on the Literatures of Spain and Spanish America. Hg.v. Luis T. González-del-Valle und Julio Baena (Colorado 1991), 2. De Armas bezieht sich dabei auf eine unveröffentlichte Magisterarbeit von B. J. Tadman, Juan Juarez Gallinato: An Edition of El nuevo rey Gallinato y bentura por desgracia by Claramonte from the Unpublished Ms. 15319 in the Biblioteca Nacional with a Study of the Historical and Literary Background of the Theme, London 1957. Maria del Carmen Hernández Valcárcel, "El nuevo rey Gallinato". In: Andrés de Claramonte, Comedias (El horno de Constant inopia, El nuevo rey Gallinato, Deste agua no beberé). Hg.v. María del Carmen Hernández Valcárcel (Murcia 1983), 178.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

275

niens die Bekehrung der einheimischen Indianer. Vor allem bei den in Amerika spielenden comedias steht die Missionierung der Indianer im Mittelpunkt des Geschehens. So z.B. in Calderóns La aurora en Copacabana, in Zárates La conquista de México und in Aguilars Heiligendrama Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán weniger dagegen in den Dramen des Chile-Zyklus, wo die Kämpfe zwischen Spaniern und Araukanern von zentraler Bedeutung sind. Die Mehrzahl der spanischen Conquistadores verfolgt in den comedias allerdings vorrangig religiöse Ziele, zu deren Verwirklichung sich militärische Operationen bisweilen als notwendig erweisen. Mit der Konversion der Indianer als zentralem Thema erfüllen die Amerika-Dramen eine legitimatorische Funktion, die in enger Verbindung mit einer didaktischen zu stehen scheint. Bei der Mehrzahl dieser comedias finden sich eingeschobene Allegorien, die in der Manier der autos sacramentales mittels Personifikationen theoretische Fragen um Glauben, Bekehrung und das Wesen der Indianer erörtern. Diese Allegorien, die nicht zum regulären Repertoire der durchschnittlichen comedia gehören, dienen der Unterweisung des Publikums auf einer übergeordneten Handlungsebene. Ähnlich wie die in die Dramen eingefügten Allegorien diskutieren auch die autos sacramentales, die sich der amerikanischen Thematik widmen, Fragen um den Glauben und die Bekehrung der Indianer und deren Position innerhalb der bekannten Welt. Da weder Sammlungen von diesbezüglichen autos sacramentales vorliegen und auch die Sekundärliteratur sich diesem Aspekt bisher kaum gewidmet hat 2 , möchte ich mich - unter Hinzunahme von Lopes auto sacramental La Araucana und dem auto von Caravajal/Hurtado de Toledo Las cortes de la muerte - auf die Fronleichnamsstücke von Calderón de la Barca beschränken, dem bedeutendsten Verfasser dieser Art von religiösem Theater. Das Personal der Personifikationen umfaßt dabei in der Regel die Religion, die Idolatrie, den Atheismus u.a. In einigen dieser autos sind direkte Bezüge zu den spanischen Kolonien gegeben, z.B. durch die Personifikation Amerikas, während eine Vielzahl der Calderónschen autos sacramentales dagegen Fragen um Ketzerei und Unglauben diskutiert, ohne notwendigerweise Amerika direkt zu benennen 3 . Die Bezüge zu den Bewohnern der spanischen 1

2

3

Neben dem Text von Gaspar de Aguilar liegt ein nahezu identischer von Agustín Moreto vor, bei dem es sich um eine refundición des Werks von Aguilar handelt. Vgl. Agustín Moreto y Cavana, "La gran comedia de San Luis Bertrán". In: Comedias nuevas escogidas de los mejores ingenios de España (Madrid 1666), folios 167-187. Den gleichen Stoff behandelt die nur in Manuskriptform vorliegende comedia von Francisco de la Torre y Sevil La batalla de los dos. Primera parte de la vida de San Luis Beltrán. Vgl. Miguel Zugasti, "La alegoría de América en el teatro barroco español hasta Calderón de la Barca". In: II Congreso Iberoamericano de Teatro: América y el teatro español del siglo de oro. Hg.v. Concepción Reverte Bemal und Mercedes de los Reyes Peña (Cádiz 1998), 449-469. Ansonsten liegen nur wenige Untersuchungen zum Amerikabild in Calderóns autos sacramentales vor. Vgl. Alexander A. Parker, "The New World in the autos sacramentales of Calderón". In: Aurum saeculum Hispanum. Beiträge zu Texten des Siglo de Oro. Festschrift für Hans Flasche zum 70. Geburtstag. Hg.v. Karl-Hermann Kömer und Dietrich Briesemeister (Wiesbaden 1983), 261-269; Roberto A. A. Ventades, "América en los autos sacramentales de Don Pedro Calderón de la Barca". In: Actas del III Congreso Argentino de Hispanistas "España en América y América en España". Bd. 2. Hg.v. Luis Martínez Cuitiño und Elida Lois (Buenos Aires 1993), 966-972. So z.B. Calderóns wohl bekannteste Parabel auf die spanischen Eroberungen, La nave del mercader.

/ Präliminarien

276

Kolonien in Übersee sind dabei eindeutig, allerdings nicht ausschließlich: Je nach Personal und Beweisführung sind auch die arabische und die jüdische Welt betroffen oder auch die lutheranischen "Ketzer" im In- und Ausland. Eine Ausnahme stellt das 1557 erschienene auto von Micael de Caravajal und Luis Hurtado de Toledo Las cortes de la muerte dar, sowohl was Form als auch Inhalt betrifft. Es handelt sich hierbei um eine Vorform der autos sacramentales, noch ohne jeglichen Bezug zur Eucharistie des Fronleichnamsfestes, in der Tradition der spätmittelalterlichen Totentänze. Daß dieses Theaterstück sich beim Publikum einer gewissen Beliebtheit erfreute, scheint durch die zeitgenössische Rezeption erwiesen 1 . Die Klage der Indianer in der 19. Szene des autos über das unmenschliche Vorgehen der spanischen Usurpatoren nimmt eine Sonderstellung innerhalb der Thematik ein, die sich durch den erasmistisch-didaktischen Hintergrund des Werks erklären läßt. Auch die Kleinformen des spanischen Theaters des Siglo de Oro (teatro breve), wie z.B. loas, entremeses, mojigangas u.a., die vor, nach oder zwischen den einzelnen Akten der comedias auf der Bühne dargestellt wurden, thematisieren vereinzelt Bereiche des amerikanischen Kontextes, ohne daß es dabei jedoch zur Integration neuer Komponenten gegenüber den comedias gekommen wäre. Die Mehrzahl der Thematisierungen und Anspielungen erfolgt hier über die Figur des indiano'. Einige loas zu Calderóns autos sacramentales erörtern ebenfalls in allegorischer Form Glaubensfragen. Die meisten Verweise auf amerikanische Realitäten erfolgen jedoch auch im teatro breve über Anspielungen, wie sie sich in der gesamten spanischen Literatur des Siglo de Oro finden. Aufgrund ihrer für die amerikanische Thematik geringen Relevanz sollen daher die Kleinformen des Theaters bei dieser Untersuchung nur in Ausnahmefällen als ergänzende Beispiele angeführt werden. In der Dichtung sind es in erster Linie die oben besprochenen erzählenden Genres der Epen und Romanzen, die Bereiche der amerikanischen Realitäten thematisieren. Lyrische Texte über Amerika wurden bisher von der Sekundärliteratur kaum systematisch erfaßt 3 , so daß hier das dieser Studie zugrunde liegende Corpus noch weni1

So wird vermutet, daß die Passage im 11. Kapitel des zweiten Teils von Cervantes' Don Quijote, w o der fahrende Ritter der Schauspieltruppe von Angulo el Malo begegnet, die

zu einer Aufführung des autos Las cortes de la muerte unterwegs ist, auf das auto von Caravajal und Hurtado de Toledo anspielt. Vgl. Cervantes 1975:655-659.

2

Vgl. Daisy Ripodas Ardanaz (Hg.), Lo indiano en el teatro menor español de los siglos XVI y XVII ( B A E 301), Madrid 1991; José Romera Castillo, "Los entremeses y el descu-

brimiento de América". In: Las Indias (América) en ta literatura del Siglo de Oro. Homenaje a Jesús Cañedo. Hg.v. Ignacio Arellano (Kassel 1992), 108-114; Edith Villarino/ Elsa Fiadino, "La figura del indiano en obras breves del Siglo de Oro". In: Actas del III Con-

greso Argentino de Hispanistas "España en América y América en España". Bd. 2. Hg.v. Luis Martínez Cuitiño und Elida Lois (Buenos Aires 1993), 987-994; Antonio Pagés Larraya, "Bailes y mojigangas sobre el N u e v o Mundo en el teatro español del siglo XVII". Cuadernos hispanoamericanos 326-327 (1977):246-263. 3

Nur Pedro 1954 und Aguilera 1952 beziehen in ihre allgemeinen Darstellungen auch die Lyrik mit ein, in einem sehr bescheidenen Ausmaß außerdem Franco 1954. Winston A. Reynolds, der penibel alle Äußerungen zu Hernán Cortés sammelt, die während des Siglo de Oro erfolgten, berücksichtigt ebenfalls die Lyrik. Vgl. Reynolds 1978:42-49. Darüber hinaus liegen nur wenige Artikel vor, die ausschließlich auf Aspekte der Lyrik eingehen, zumeist zu einzelnen Autoren.

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und

Roman

277

ger als beim Theater Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Neben einer Reihe von Anspielungen auf Amerika finden sich in der Lyrik nur wenige Themen über amerikanische Belange: Einige Gedichte, u.a. von Góngora, Quevedo und Bartolomé Leonardo de Argensola, widmen sich dem schädlichen Aspekt von Geld und Gold und damit verbunden dem gesellschaftlichen Schaden der spanischen Eroberungen. Góngora und Quevedo beschäftigen sich mit den antispanischen Angriffen europäischer Staaten; in mehreren Gedichten thematisieren sie den Neid der anderen Nationen auf Spanien und die Machenschaften von Piraten, Händlern und Regierungen, die Spanien um seinen vermeintlich verdienten Reichtum bringen. Bei vielen der Gedichte, vor allem den Sonetten, handelt es sich um Gelegenheitslyrik. Zu bestimmten Anlässen verfaßten zumeist weniger bekannte Autoren panegyrische Texte. Hierzu gehören z.B. die Eingangssonette zu Gabriel Lobo Lasso de la Vegas Mexicana oder Antonio de Saavedra Guzmáns El peregrino indiano, wo gleichermaßen der Held des Epos und dessen Autor gepriesen werden. Panegyrische Gedichte finden sich auch über andere Conquistadores, über Colón und auf die spanischen Könige und ihr Weltreich. Von marginaler Bedeutung ist in der Lyrik offensichtlich der religiöse Aspekt. Nur wenige Gedichte propagieren mit der Vorstellung der "Indias de Dios" das Gegenbild zu weltlichem Reichtum und somit utopisches Gedankengut. Noch seltener finden sich lyrische Texte zu historischen Themen, die in der Regel den Genres von Epos und Romanze vorbehalten sind. So liegt mir lediglich eine epístola über die Stadt Mexico vor, die auch kurz Historisches erwähnt 1 . Einige Sonette Mateo Rosas de Oquendos über das Kolonialleben in Mexico und Peru unterscheiden sich inhaltlich nicht von seinen oben besprochenen Romanzen. Vereinzelt thematisieren Gedichte Objekte der amerikanischen Realität, die Eingang in den spanischen Alltag nahmen". Berufsmäßiges Interesse verraten die lyrischen Texte spanischer Autoren über ihre hispanoamerikanischen Kollegen, sogenannte Autorenkataloge. Cervantes im Canto de Caliope und in Viaje del Parnaso, Lope de Vega in Laurel de Apolo und Diego Mexia in seinem Parnaso Antàrtico listen Autoren der hispanoamerikanischen Kolonien auf und präsentieren damit einen besonderen Bereich des kolonialen Lebens: ein zwar an Spanien orientiertes, dafür nicht minder blühendes Kulturleben in Hispanoamerika. Die weitaus geringste Rolle sollte die amerikanische Thematik in der fiktionalen Prosa des Siglo de Oro spielen 3 . Abgesehen von den obligatorischen Anspielungen und der Figur des indiano erschien den spanischen Prosaautoren eine Fiktionalisierung der amerikanischen Ereignisse offensichtlich wenig reizvoll. So ist kein spanischer Roman der Epoche bekannt, dessen Hauptschauplatz in Amerika liegt. Lediglich zwei Schelmenromane behandeln in Ausschnitten amerikanisches Leben: Vi1

2 3

Vgl. hierzu Juan de la Cueva de Garoza, "Epístola V. Al L. Laurencio Sánchez de Obregon". In: Ensayo de una biblioteca de libros raros y curiosos II. Hg.v. Bartolomé José Gallardo. Faksimile-Ausgabe (Madrid 1968), 647. So z.B. ein Gedicht des peruanischen Vizekönigs Francisco de Borja y Acevedo, principe de Esquilache über die Schokolade. Vgl. Aguilera 1952:141. Nicht berücksichtigt werden hier politische und/oder satirische Prosaschriften, wie sie z.B. von Quevedo, Góngora oder auch Saavedra Fajardo vorliegen, die amerikanische Aspekte nur selten und beiläufig erörtern.

278

I.

Präliminarien

cente Espinéis Vida de Marcos de Obregón und Jerónimo de Alcalá Yañez y Riveras El donado hablador Alonso. Espinel präsentiert in einem eingeschobenen "Reisebericht" eine Erzählung, die die "Neue Welt" mit phantastischen Gestalten besiedelt, und verbindet somit für die Epoche einmalig eine narrative Abenteuer- und Märchenstruktur mit dem amerikanischen Themenbereich. Als einziger picaro weilt Alcalá Yañez' Laienbruder Alonso als Diener eines königlichen Beamten in Amerika. Sein autobiographischer Bericht legt in der Episode um den Aufenthalt in der "Neuen Welt" in einem moralistischen Diskurs die vanitas des irdischen Reichtums bloß.

3. Der aktuelle Stand der Forschung Das Thema der Präsentation Amerikas in der fiktionalen Literatur des Siglo de Oro begann vor mehr als 100 Jahren die Kritiker zu interessieren, als 1892 anläßlich des 400. Jahrestags der Fahrt Colons nach Amerika erste Artikel über Lope de Vegas comedia El nuevo mundo erschienen1. Allerdings nahm sich die daraufhin langsam einsetzende "Sammeltätigkeit" doch eher bescheiden aus. 1917 erschien mit José Toribio Medinas "La historia de América, fuente del antiguo teatro español" eine erste Bestandsaufnahme der Theaterstücke des Siglo de Oro zur amerikanischen Thematik, die auch heute noch als überblickendes Werk nützlich ist. Es sollte nun wiederum bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts dauern, daß weitere Werke erschienen, die Motive und Anspielungen zu Amerika in der spanischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts aufspürten und auflisteten. Die Beschäftigung mit der Thematik resultierte aus der beginnenden Auseinandersetzung der lateinamerikanischen Literaturwissenschaft mit den amerikanischen Kolonialliteraturen. So ist es kein Zufall, daß die folgenden Werke über die amerikanische Motivik in der spanischen Literatur des Siglo de Oro von Lateinamerikanern stammten, während sich die spanische Kritik auch weiterhin des als Tabu erachteten Themas 'Amerika' nicht annahm. Zu diesen überblickenden Werken gehören z.B. Miguel Aguileras América en los clásicos españoles (1952), Angel Francos El tema de América en los autores españoles del Siglo de Oro (mit dem Schwerpunkt Lope de Vega)" und Valentin de Pedros América en las letras españolas del Siglo de Oro (beide 1954). Abgesehen von dem Werk Pedros, das zumindest teilweise einen weitergehenden Einblick in die besprochenen Texte gewährt, handelt es sich bei den Büchern um bloße Ansammlungen von Textbelegen und Motiven, Aneinanderreihungen ohne Sinnanalyse, die jedoch für den heutigen Forschenden gut als Materialsammlungen genutzt werden können. Gleichzeitig entstanden Studien, die die amerikanische Thematik bei den "klassischen" Autoren der Epoche präsentierten: 1946 Morínigos América en el teatro de Lope de Vega, 1958 Urtiagas El indiano en la dramática de Tirso de Molina und Angela B. Dellepianes Presencia de América en la obra de Tirso de Molina; darüber hinaus diverse Artikel zu amerikanischen Motiven bei Cervantes (z.B. Campos, Nicolau d'Olwer, Medina), Lope de Vega (Campos, Fichter, Fernández-Shaw), 1 2

So z.B. Juan Pérez de Guzmán, "Colón en Lope de Vega". El Memorial de Artillería TI (1892): 147-160; Joaquín Hazañas y la Rúa, "El Nuevo Mundo de Lope de Vega". Revista Contemporánea 24,111 (1898):225-242. Franco war zwar Spanier, lehrte jedoch in den USA.

D Amerika

als Fiktion: Drama,

Lyrik und

Roman

279

Góngora (Alonso, Montes) u.a. Allerdings ging kaum einer der Kritiker über eine oberflächliche Darstellung und ein Ansammeln von Textstellen hinaus. Bis Mitte der 80er Jahre sollte das Thema keine weitere Beachtung finden. Zwar erschienen einige überblickende Artikel (z.B. 1978 Horst Baaders "La Conquista de América en !a literatura española: mito e ilustración"), vereinzelt auch Monographien (z.B. 1978 José Sánchez1 Hispanic Heroes of Discovery and Conquest of Spanisii America in European Drama), oder amerikanische Aspekte wurden in übergreifenden Arbeiten thematisiert (z.B. in Eberhard Geislers Geld bei Quevedo. Zur Identitätskrise der spanischen Feudalgesellschaft im frühen 17. Jahrhundert von 1981). Bedeutendstes Werk dieser Zeit, zumindest für das Theater, dürfte Patricio Lerzundis La conquista de Chile en el teatro del Siglo de Oro sein, eine Monographie, die erstmals mehrere comedias, die von den Eroberungskämpfen der Spanier gegen Indianer (Araukaner) handeln, grundlegend analysiert und miteinander vergleicht. Doch auch im Bereich der fiktionalen Literatur sollte sich die Forschungssituation erst im Vorfeld der Feierlichkeiten zu 1992 verbessern. So erschienen Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre einige Sammelbände, die sich der Amerika thematisierenden fiktionalen Literatur des Siglo de Oro widmeten: Criado de Vals 1989 herausgegebener Band Literatura Hispánica. Reyes Católicos y Descubrimiento (Kongreßakten), Ignacio Arellanos Las Indias (América) en la literatura del Siglo de Oro, Akten eines 1992 in Pamplona stattgefundenen Kongresses, und die 1993 publizierten Actas del III Congreso Argentino de Hispanistas "España en América y América en España". Auch der von Karl Kohut herausgegebene Sammelband Der eroberte Kontinent, Beiträge eines 1988 veranstalteten Symposiums "Eroberung und Inbesitznahme Amerikas im 16. Jahrhundert", enthält eine literaturwissenschaftliche Sektion. Als neuere Publikation wären hier die Akten eines Kongresses zur amerikanischen Thematik im Theater zu nennen, die 1998 in Cádiz veröffentlicht wurden. Den Schwerpunkt der Beschäftigung mit der Amerika-Thematik in der spanischen Literatur sollte die Forschung auf das Theater legen 1 . So kam es zu einer Vielzahl von Arbeiten über Lope de Vega, zu denen als eine der wenigen Monographien der Thematik Robert M. Shannons Visions of the New World in the Drama of Lope de Vega gehört. Vor allem Miguel Zugasti, aber auch Christopher F. Laferl und Francisco Ruiz Ramón unternahmen eingehendere Untersuchungen zum Amerikabild in der spanischen comedia des Siglo de Oro. Miguel Zugasti lieferte zusätzlich eine ausfuhrliche Monographie zu Tirso de Molinas Pizarro-Trilogie. Trotz dieser verstärkten Forschertätigkeit bestehen weiterhin Defizite und Forschungslücken. Nach wie vor fehlt das Werk, das die Motivik Amerikas überblikkend für den gesamten Bereich der Literatur analysiert; darüber hinaus wären tiefergehende und umfassende Studien zur comedia zu begrüßen, aber auch zur Lyrik. Vor allem hier sieht sich der Wissenschaftler vor eine schwierige Aufgabe gestellt, da es für die lyrische Dichtung über Amerika an Anthologien fehlt und bereits die Materialsuche problematisch ist. 1

In den U S A widmete sich die Forschung, vor allem eine Gruppe Literaturwissenschaftler um René Jara, Nicholas Spadaccini, Rolena Adorno u.a., in den letzten Jahren verstärkt einer Neubewertung der hispanoamerikanischen Kolonialliteratur unter Berücksichtigung neuer Diskurstheorien der postkolonialen Studien. Diese Arbeiten berühren jedoch die hier verfolgte Fragestellung nur am Rande.

280

/.

Präliminarien

Mit Textausgaben ist auch der Theaterbereich nicht zufriedenstellend versorgt. Zwar liegt inzwischen mit Miguel Zugastis Ausgabe der Pizarro-Trilogie Tirsos eine umfassende kritische Edition vor, Ezra S. Engling publizierte eine weitere kritische Ausgabe von Calderóns La aurora en Copacabana, und Francisco Ruiz Ramón veröffentlichte erstmalig Zárates La conquista de México (wenngleich nicht in kritischer Edition) 1 . Trotzdem gibt es darüber hinaus kaum kritische Textausgaben zu den Amerika-Dramen, anderes ist schwer zugänglich, und einige der comedias sind nach wie vor unveröffentlicht. Dieser knappe Forschungsüberblick verrät, daß im Bereich der fiktionalen Literatur des Siglo de Oro über Amerika noch ein weites Feld zur Betätigung der Literaturwissenschaft vorhanden ist, was im übrigen auch für die historiographische und fiktional-historiographische Literatur gilt. Sowohl der Editions- als auch der Forschungsbereich bieten weiterhin viele Möglichkeiten zur wissenschaftlichen und publizistischen Tätigkeit. *

Die Produktion von rein fiktionalen Texten differiert wesentlich von der der oben besprochenen Epen, wo die Mehrzahl der Autoren zumindest teilweise selbst erlebte Ereignisse literarisch verarbeitete. Abgesehen von einigen Hofautoren, die zumeist Auftragsarbeiten erledigten, griffen dabei literarisch wenig gebildete Soldaten, Kleriker und Missionare zur Feder, um das spanische Lesepublikum über aktuelles historisches Geschehen zu informieren. Die Berufsschriftsteller dagegen entschieden sich für den historischen Stoff 'Amerika', um ein Werk in einer von ihnen gewählten Gattung zu verfassen, so wie sie sich bei ihren anderen Texten zur Thematisierung anderer Stoffe entschlossen. Eine besondere Beziehung der Autoren zu Amerika lag in der Regel nicht vor. Im Fall der konkreten Auftragsarbeiten war das Thema vorgegeben, der Bezug zu Amerika jedoch gleichfalls distanziert. Die fiktionalen Texte von Dramatik, Lyrik und Narration gehören zur späten Phase der in dieser Studie besprochenen Texte. Amerika ist für die Öffentlichkeit kein neues Phänomen mehr, zumal die Eroberungen seit ca. 100 Jahren abgeschlossen sind. Inzwischen konnte sich in der spanischen Gesellschaft eine feste Vorstellung von Amerika und seinen Bewohnern etablieren. Abgesehen von wenigen Texten, die bereits Mitte des 16. Jahrhunderts erschienen, stammen die meisten der hier besprochenen Werke aus dem 17. Jahrhundert, der Zeit also, nachdem der spanische König ein Schweigen über Amerika verordnet hatte. Die Texte entstanden zu einem Zeitpunkt, als Spanien seine Macht in Amerika fest konsolidiert hatte und Amerika für Spanien politisch weitgehend bedeutungslos war. Nicht so die Beziehung Spaniens zu seinen europäischen Nachbarn, die das Land auch aufgrund seiner Amerikapolitik attackierten. Die Untersuchung der literarischen Werke wird wieder exemplarisch durchgeführt, allerdings erscheint es hier nicht mehr notwendig, sich auf wenige Texte zu konzentrieren wie bei den Epen. Die einzelnen konstatierten Erscheinungen der fik1

Eine kritische Ausgabe der comedia Zarates von James T. Abraham, die dieser 1997 an der University of Arizona veröffentlichte, war mir leider nicht zugänglich. Der Text dieser Ausgabe ist über die Homepage der Association for Hispanic Classical Theater (www.comedia.org) einzusehen, allerdings ohne kritischen Apparat.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

281

tionalen Literatur über Amerika werden am Beispiel ausgewählter Texte dargelegt, wobei neben den wichtigsten und bekanntesten Werken auch wenig bekannte und nie publizierte Texte eine Berücksichtigung finden. Dadurch soll ein breiteres Spektrum an Werken präsentiert werden, als dies bei den Epen und Romanzen möglich war. Da Themen und formelle Ausgestaltung der amerikanischen Präsenz in den einzelnen Werken eng mit der Wahl des Genres verbunden sind, erfolgt die Erforschung der amerikanischen Phänomene in der fiktionalen Literatur nach Gattung getrennt. Dabei wird der Schwerpunkt der Untersuchung auf der comedia liegen, der das folgende Kapitel gewidmet ist. Hier erfolgt zunächst eine Präsentation des indianischen Personals auf der Bühne, das für die Mehrzahl der Amerika-Dramen des Siglo de Oro von zentraler Bedeutung ist. Welche Merkmale kennzeichnen die exotischen Figuren in der comedia? In welcher Weise unterscheiden sich die Darstellungen von den frühen stereotypen Vorstellungen indianischen Wesens, wie sie die Holzschnitte und die ersten Berichte vermittelten? Konkrete Textanalysen erlauben eine Typologisierung der indianischen Dramenfiguren. Ein wichtiger Aspekt der Betrachtung wird den intertextuellen Referenzen gelten. Die Untersuchung wird es ermöglichen, die Funktion des indianischen Personals auf den Bühnen des Siglo de Oro näher zu bestimmen. Das folgende Unterkapitel betrachtet das historische Geschehen der Dramen zur amerikanischen Thematik. Präsentationsweise, strukturelle Mechanismen, der Bezug zur außerliterarischen Wirklichkeit und zu den Quellen sind hierfür Gegenstand der Analyse. Am Beispiel einer bisher unveröffentlichten comedia von Vêlez de Guevara werden ausführlich die Verfahren dargelegt, wie amerikanische Geschichte auf die spanische Bühne des Siglo de Oro transferiert wurde. Ein weiterer Schwerpunkt der comedias zur amerikanischen Thematik ist die Präsentation spanischer Conquistadores als Helden. Hier dominiert der panegyrische Aspekt, zumal es sich bei der Mehrzahl der Dramen um Auftragsarbeiten handelt. Auch in diesem Kapitel wird ein unveröffentlichtes Manuskript vorgestellt und analysiert, die anonyme comedia Los pleytos de Fernán Cortés. Dem schließt sich eine Untersuchung der allegorischen Präsentationen von Amerika an. Diese finden sich integriert in einige der comedias, verstärkt jedoch in den autos sacramentales. Auch hier stellt sich zentral die Frage nach den Funktionen der Inklusionen und dem Stellenwert Amerikas. Das Kapitel zur Präsentation Amerikas im spanischen Drama des Siglo de Oro beschließen Ausführungen zur Figur des indiano. Diese gesellschaftliche Außenseiterfigur des Neureichen fand erstaunlich schnell ihren Weg auf die Bühnen der Epoche und wurde zum amerikanischen Phänomen par excellence. Zwar finden sich auch Beispiele von indianos in fiktionalen Prosatexten; führend war jedoch die Rolle des indiano als komischer Nebenfigur im Theater. Kapitel III widmet sich der amerikanischen Thematik in der Lyrik. Zunächst erfolgt eine Betrachtung der panegyrischen Dichtung mit Amerikabezug. Im zweiten Unterkapitel findet sich eine Analyse von lyrischen Texten, die sich dem Diskurs über den schädlichen Charakter des Goldes verschreiben. In verschiedenen Gedichten, zumeist moralistisch-didaktischer Natur, wird der amerikanische Reichtum zum Exemplum, das traditionelle Positionen ersetzt. Ein weiterer Aspekt gilt ebenfalls einer Poetisierung eines gängigen frühen Amerika-Diskurses: Einige Gedichte beinhalten utopisches Gedankengut über die eroberten Länder Amerikas.

282

I. Präliminarien

Über die Gründe, warum die Amerika-Thematik für die fiktionale Prosa besonders unattraktiv war, möchte ich zu Beginn des vierten Kapitels reflektieren. Dem folgen Überlegungen zu Cervantes und einer eventuellen Thematisierung amerikanischer Belange in seinen Werken, die die Forschung von jeher sehr beschäftigt hat. Dieses Kapitel beschließen Ausfuhrungen zu Vicente Espinels Fragment seiner novela picaresca, dem innerhalb der amerikanischen Thematik eine Sonderstellung zukommt. Die Analysen und Darlegungen zum Amerikabezug der drei fiktionalen Genres sind die Basis für das abschließende Kapitel, das nach den Funktionen dieser Amerikadarstellungen fragt. Inwieweit sind diese von vornherein durch das Genre bestimmt? Hierbei ist eine andere Gewichtung zu erwarten, als sie für Epen und Romanzen festgestellt wurde. Während der Unterhaltungscharakter von größerer Bedeutung sein wird, dürfte der Informationswert keine allzu wichtige Rolle spielen. Dafür ist dem Aspekt der Legitimation verstärkt Beachtung zu schenken. In jedem Fall stellt sich auch hier die Frage, inwieweit dominante Funktionsweisen die historische Darstellung bestimmen. Ziel der Ausfuhrungen dieses Teils wird es sein, den Stellenwert Amerikas innerhalb der Gattungen von Dramatik und Lyrik zu ermitteln. Während es der AmerikaThematik im Fall der Epen gelang, eine neue Subgattung zu begründen, ist hier eher zu ermitteln, wie sich die Themen um Amerika in die stoffliche Vielfalt der Gattungen integrierten. Neben einem Aufschluß über die Verfahren zur Darstellung historischer aktueller Geschichte erwartet die Untersuchung einen Überblick über die intertextuellen Referenzen und die Korrelation zu bestehenden Diskursen. Da es sich hier um Textgestaltungen einer späten Phase handelt, werden Aussagen darüber möglich sein, wie sich die Amerikakonzeption der vorliegenden Texte und Gattungen in ein gesamtgesellschaftliches Spektrum fugt.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

283

II. Amerika im Drama 1. Die Indianer Den Ureinwohnern Amerikas galt von Anbeginn an das Hauptaugenmerk der europäischen Rezipienten amerikanischer Realitäten. Dies zeigt sich bereits in den frühen Reiseberichten, verstärkt dann in der in Spanien geführten Diskussion um das "Menschsein" der Amerikaner und die Frage der Modalitäten ihrer Kolonisierung. Die Vorstellungen, die sich die damaligen Bewohner Spaniens von den Indianern der amerikanischen Kolonien machten, beruhten auf mündlichen und schriftlichen Berichten, auf persönlichen Begegnungen, Gerüchten u.a. Während bis Mitte des 16. Jahrhunderts in Spanien ein relativ offenes Klima herrschte, das neben einer stereotypen reduzierten Betrachtung der amerikanischen Ureinwohner auch eine Haltung der Neugier, in gelehrten Kreisen bisweilen sogar ein gewisses Wohlwollen zuließ, dominierte in der Folgezeit eindeutig eine negative Sichtweise, die die Unterlegenheit des Indianers dem spanischen Kolonisator gegenüber festschrieb. In der fiktionalen Literatur ist es nahezu ausschließlich das Drama, das die amerikanischen Indianer in das Geschehen integriert. Auf der Bühne erscheinen die Indianer vor allem in den Theaterstücken, deren Ereignisse in Amerika spielen, auch wenn sie manchmal nur unbedeutende Nebenrollen bekleiden. Dominantes Referenzsystem für die Präsentation der Indianergestalten war weniger die damalige allgemeine Vorstellung der spanischen Bevölkerung über die amerikanischen Ureinwohner als vielmehr ein intertextueller Bezugsrahmen. Hier kommt Ercillas Araucana eine herausragende Rolle zu, deren drei Teile die Indianer zumindest in bestimmten Aspekten positiv darstellen. Auch die ersten Reiseberichte, relaciones und historias waren als Referenztexte von Bedeutung. Zusätzlich rekurriert das Bild des Indianers ganz eindeutig auf die traditionelle Konzeption des "Wilden" und Barbaren, die auf antike und mittelalterliche Grundlagen zurückzuführen ist. Da sich die Forschung bisher kaum mit den Indianerfiguren im Drama des Siglo de Oro beschäftigte, wird die Untersuchung hier vor allem auf direkten Textanalysen der Primärwerke basieren1. Nach einer ersten Vorstellung der indianischen Figuren und ihres äußeren Erscheinungsbildes werden die Verfahren der Hispanisierung aufgezeigt, denen bestimmte Aspekte der Präsentation des indianischen Personals unterliegen. Dem folgen Ausführungen über die Glaubenswelt der Amerikaner, die bei der Mehrzahl der Dramen eine Thematisierung erfuhr; waren doch Bekehrung und Mission zentrale Anliegen einer Reihe von comedias. Der "Irrglaube" der Bewohner des amerikanischen Kontinents gehört ebenso zu den stereotypen Charakteristika, die Eingang auf die Bühne des Siglo de Oro fanden, wie der Kannibalismus. 1

Bis heute liegt keine Monographie vor, die sich überblickend den Indianerfiguren im Theater des Siglo de Oro widmet. Es gibt lediglich verschiedene Artikel zu Indianerdarstellungen bei einzelnen Autoren, wie z.B. Jack Weiner, "La incorporación del indígena a España según tres dramaturgos del Siglo de Oro". In ders., En busca de ta justicia social:

Estudios sobre el teatro español del Siglo de Oro (Potomac 1984), 39-67; Francisco Ruiz R a m ó n , "El héroe americano en Lope y Tirso: de la guerra d e los hombres a la guerra d e

los dioses". In: El mundo del teatro español en su Siglo de Oro: ensayos dedicados a John E. Varey. Hg.v. J. M. Ruano de la Haza (Ottawa 1989), 229-248. Berücksichtigt wird die Figur des Indianers auch bei einigen Untersuchungen über die Figur des "Wilden" in der spanischen Literatur. Vgl. hierzu Mazur 1980; Madrigal 1973.

284

//. Amerika im Drama

Abschließend erfolgt der Entwurf einer Typologie, die die verschiedenen Indianerfiguren kategorisiert, deren unterschiedlicher Grad an "Wildheit" sich offenkundig an deren Willen zur Bekehrung manifestierte. Die Untersuchung soll Aufschluß geben über die von den Autoren verwandten Verfahren und die Funktion der Indianerfiguren im Gesamtkontext. Darüber hinaus erwarte ich weitergehende Einblicke in die intertextuelle Referenz der einzelnen Quellenstränge.

Namen und äußere Erscheinung Das Personal der spanischen comedia kennzeichnet sich durch eine Figurenkonzeption, die nach Manfred Pfisters Schema "Personifikation - Typ - Individuum" Typen favorisiert'. So sehr diese Typen auch variieren und bisweilen in Richtung Individuum tendieren, so handelt es sich doch um ein weitgehend festgelegtes Arsenal an Eigenschaften, das gerade das indianische Personal der spanischen comedias auf wenige stereotype Merkmale reduziert. Die Ursache dieser Figurenkonzeption liegt neben den Erfordernissen des Genres an sich in den stereotypen Vorstellungen der damaligen Zeit begründet, ebenso wie in der großen Unkenntnis der Autoren und in der Tatsache, daß sich alle Dramaturgen auf die gleichen Quellen beziehen. Es geht dabei weniger um eine historisch getreue Darstellung vergangener Ereignisse als um die Funktionalisierung des indianischen Personals zu durchaus unterschiedlichen Zwecken. Im übrigen ähneln sich nicht nur die Figuren der einzelnen Dramen: Die Mehrzahl der comedias zur amerikanischen Thematik ist eine Abfolge nahezu identischer Versatzstücke und ähnlicher Episoden. Dies zeigt sich deutlich bereits bei der Namensgebung des indianischen Personals der comedia. Die Mehrzahl der Indianerfiguren trägt die Namen von Indios aus Ercillas Araucana2. Als Hauptquelle der literarischen Produktion über amerikanische Themen war das Epos allen Autoren bekannt und eignete sich aufgrund der Vielzahl der erwähnten indianischen Namen hervorragend als Steinbruch für mit amerikanischen Realitäten wenig vertraute Autoren. Aber nicht nur die Dramen, die die araukanische Thematik für die Bühne bearbeiteten, übernahmen Teile des Personals Ercillas. Auch comedias, deren Handlungen in anderen Regionen Amerikas angesiedelt sind, präsentieren Figuren mit araukanischen Namen, wobei nicht notwendigerweise Ercillas Text als direkte Vorlage gedient haben muß, da sich die Dramaturgen auch auf frühere Dramen nämlicher Thematik beziehen können. So tragen z.B. in Gaspar de Aguilars Heiligendrama Vida y muerte del Santo Fray Luis Bertrán, dessen zweiter Akt unbestimmt in "las Indias" spielt, zwei der Figuren, Leucotón und Tegualda, Namen von Indios aus Ercillas Araucana. Auch Calderóns La aurora en Copacabana, dessen Hauptschauplatz Peru ist, benennt Guacolda als Protagonistin und Tucapel und Glauca als gracioso und graciosa. Alle drei 1

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"[...] der Typ, [...] hier verkörpert j a die Figur nicht eine einzige Eigenschaft, einen einzigen Begriff, sondern einen ganzen, kleineren oder größeren, Satz von Eigenschaften [...], eine soziologische und/oder psychologische Merkmalkomplexion." Manfred Pfister, Das Drama (München 1977), 245. An dieser Stelle soll erneut daraufhingewiesen werden, daß bereits das Personal in Ercillas Epos stark verfremdete und hispanisierte araukanische Namen trägt. Vgl. hierzu Morinigo 1979:93-97.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

285

Namen finden sich in Ercillas Werk. Bei diesen nicht der araukanischen Thematik verpflichteten comedias werden jedoch nur die indianischen Namen der Figuren übernommen, in der Regel ohne sonstigen erkennbaren Bezug zur literarischen Vorlage, während bei den Dramen des Chile-Zyklus Eigenschaften, Positionen und auch Episoden sich bruchstückhaft wiederholen. Allerdings kommt es auch hier zu Umformungen und Abweichungen gegenüber den Vorlagen. Als weitere Quelle für die Namensfindung des Personals der Dramen, die die Kämpfe der Spanier mit den Araukanern schildern, diente Pedro de Oñas Epos Arauco domado. Vor allem Lopes gleichnamige comedia präsentiert Figuren, wie z.B. Gualeva, Millaura, Pillalonco, die sich bei Oña, nicht aber bei Ercilla finden'. Lope fuhrt darüber hinaus auch Phantasienamen ein, die auf keine historische oder literarische Vorlage zurückzuführen sind". Da Fernando de Zárates La conquista de México in den mexikanischen Orten Cozumel (Azucamiel) und Tenochtitlán (México) spielt3, gehören einheimische historische Persönlichkeiten wie Motezuma, Mariana (la Malinche), Teudelli und Gualpopoca zum Personal der comedia4 Doch auch hier findet sich eine Glaura, Figur aus Ercillas Araucana, neben anderen Namen, deren Ursprung unklar ist und die wahrscheinlich Zárates Phantasie entstammen. Zu den Dramen mit peruanischen Schauplätzen und historischen indianischen Persönlichkeiten gehören Tirso de Molinas La lealtad contra la envidia, Luis Vêlez de Guevaras Las palabras de los reyes y gloria de los Pizarros und Calderóns La aurora en Copacabana. Der Inka Huáscar (Calderón: Guáscar) herrschte zur Zeit der spanischen Entdeckungsfahrten in Cuzco und führte Krieg gegen seinen Halbbruder Atahualpa 5 . Francisco Tito Yupanqui (Calderón: Yupanguí) war der Bildhauer der ersten Virgen de Copacabana*'. Das restliche indianische Personal der co1

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Einen guten Überblick verschafft hier das Schema von Lerzundi, der das Personal der Chile-Dramen mit dem von Ercillas und Oñas Epen vergleicht. Vgl. hierzu die Tabelle in Lerzundi 1979:272. Vgl. Lerzundi 1979:272. Während sich Gaspar de Avila und González de Bustos in ihren Chile-Dramen exakt an die Namensgebung der Vorlagen halten, kreieren Ricardo de Turia und die neun Autoren der Algunas hazañas in bescheidenem Maße auch eigene Namen. Die Handlung der anderen Dramen um Cortés und die Ereignisse in Mexico beschränkt sich auf europäische Schauplätze, vor allem den spanischen Hof, weswegen die Autoren auf die Aufnahme indianischer Figuren verzichten. Lediglich in Gaspar de Avilas El valeroso español y primero de su casa kommt der India Zarilla eine Statistenrolle zu, deren Name jedoch eher auf einen maurischen Ursprung hinweist. Die Mehrzahl der Figuren Zárates finden sich in den Cartas de relación von Hernán Cortés und in Bemal Díaz del Castillos Historia de la conquista de Nueva España. Laut Engling faßt Calderón hier unter einer Figur mehrere historische Persönlichkeiten zusammen: neben Huáscar dessen Vater Huayna Capac, Atahualpa, Manco Capac II und Tupac Amaru. Vgl. Ezra S. Engling, "Introduction". In: Pedro Calderón de la Barca, La aurora en Copacabana. Hg.v. Ezra S. Engling (London, Madrid 1994), 61. Auf die historische Vorlage verweist Antonio Pagés Larraya in einer Anmerkung zum Text. Vgl. Calderón de la Barca 1956:213/214. Laut Valbuena Briones setzt sich Calderóns Yupanguí aus zwei historischen Figuren zusammen, die sich in Alonso Ramos Gaviláns Historia de Copacabana y de su milagrosa imagen de la virgen (1621) finden. Vgl. Angel Valbuena Briones, "La visión del mundo incáico en el teatro de Calderón".

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II. Amerika im Drama

media Calderöns wurde, zumindest was die Namen betrifft, aus Ercilla Araucaria übernommen. Tirsos Drama, dritter Teil der Trilogie Hazanas de los Pizarros, benennt als historische einheimische Persönlichkeit ganz unbestimmt "El inga rey". Der historischen Situierung zufolge handelt es sich hierbei um Manco Capac II1. Die Namen der beiden Indias Piurisa und Guaica sind offensichtlich ohne konkrete historische Vorbilder. In Vêlez de Guevaras comedia erscheint "Atabäliua, Inga (emperador del Piru)" neben Personen, deren Namen der Autor den Texten von Ercilla und Ona entnahm oder gemäß dieser Vorlagen selbst schuft. Uneins ist sich die Forschung über den Ursprung der Namen des indianischen Personals aus Lope de Vegas El nuevo mundo descubierto por Cristobal Colon. Während Minguet und Lemartinel auf die Berichte des spanischen Soldaten Alvar Nüiiez Cabeza de Vaca verweisen 3 , nennt Shannon überzeugend Lopez de Gömaras Historia général y natural de las Indias als Hauptquelle der comedia4. Der Einfluß von Lopez de Gömaras historia auf das Drama Lopes ist unbestritten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß Lope auch die Texte Cabeza de Vacas bekannt waren. Eventuell benutzte der Autor die Vorlagen beider Autoren bei der Namensfindung des indianischen Personals seiner comedia. In Claramontes El nuevo rey Gallinato ist lediglich Tucapel aus Ercillas Araucaria bekannt, außerdem erscheint der Name von Polipolo aus Lopes auto La Araucana. Da die Handlung der comedia in einem Phantasieland angelegt ist, weswegen sie im Vergleich zu den anderen Amerika-Dramen in stärkerem Maße fiktionalisiert erscheint, handelt es sich bei den Namen der restlichen Figuren höchstwahrscheinlich um Eigenschöpfungen des Autors, die allerdings an araukanische Ursprünge erinnern: König Guacol an Guacolda aus Ercilla, Tipolda an Tipalco aus Lopes Arauco domado. Eine Besonderheit stellt Tirso de Molinas Amazonas en las Indias dar. Hier verbindet der Autor direkt Elemente der griechischen Mythologie mit der amerikanischen Wirklichkeit 5 und siedelt die beiden Königinnen der Amazonen, Menalipe und Martesia, im brasilianischen Urwald an. Namen der römischen und griechischen Mythologie finden sich außerdem in Vêlez de Guevaras Las palabras a los reyes y gloria de los Pizarros.

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Arbor 98,383 (I977):47. Eine ausführliche Abhandlung über die Quellen der comedia Calderóns liefert César García Alvarez, "Las fuentes de 'La aurora en Copacabana' de Calderón de la Barca". Revista chilena de literatura 16/17 (1980/81): 179-213. Vgl. Zugasti 1993:34. So findet sich Gualeva aus Oñas Arauco domado, Tucapela und Tucalpa erinnern an Ercillas Tucapel, ein Name, der sich bei den spanischen Bühnenautoren einer besonderen Beliebtheit erfreute. Vgl. die entsprechenden Anmerkungen des kritischen Apparats in Lope de Vega, El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón. Hg.v. J. Lemartinel und Charles Minguet (Lille 1980), 59,61,62. Vgl. auch Christian Andrés, Visión de Colón de América y de los indios en el teatro de Lope de Vega (Kassel 1990), 23/24. Vgl. Robert M. Shannon, Visions of the New World in the Drama of Lope de Vega (New York u.a. 1989), 93/94. Wobei die Verbindung bereits vor Tirso erfolgte, als Francisco de Orellana das Urwaldgebiet und den Fluß im heutigen Brasilien nach den kriegerischen Frauen der antiken Mythologie benannte.

D. Amerika als Fiktion

Drama, Lyrik und

Roman

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In engem Bezug zu Ercillas Araucana, bisweilen auch zu Pedro de Oñas Arauco domado stehen die fünf comedias des Chile-Zyklus. Personal, Schauplätze und Episoden ähneln sich, wobei jedoch auch hier - gemäß den unterschiedlichen Intentionen der Autoren - wesentliche Differenzierungen zu konstatieren sind. Einer einheitlichen Konzeption folgen die Dramen von Lope, Avila und den Autoren um Belmonte Bermüdez. Hier geht es um die Glorifizierung des spanischen Conquistadors García Hurtado de Mendoza, der die Niederlage und Hinrichtung seines Gegenspielers, des Araukaners Caupolicán, verfolgt. Neben Caupolicán finden sich in allen drei comedias dessen Mitstreiter und Rivalen Tucapel und Rengo, außerdem Galvarino, eine von den Spaniern mißhandelte Figur aus Ercillas Araucana. Die Namen des restlichen Personals variieren, wenngleich nicht ihre Rollen und Funktionen. Über eine andere Konzeption und damit auch über anderes Personal verfugt Ricardo de Turias La belligera española. Im Zentrum stehen Lautaro und Guacolda, wohingegen Caupolicán nur kurz Erwähnung findet. Lautaros Gegenspieler, der die gesamte Handlung in Gang bringt, ist Rengo. Die Spanier treten gegenüber den Indianern in den Hintergrund. Umgekehrt verhält es sich bei Los españoles en Chile von González de Bustos. Hier dienen die Indianer - Caupolicán, Rengo, Tucapel, Fresia und andere - als Statisten, Arauco als Kulisse für die Liebeshändel der Spanier Juana und Diego de Almagro. Zur Zeit der corrales waren die Möglichkeiten aufwendiger Kulissen und Kostüme aus Kosten- und Platzgründen sehr eingeschränkt. Dies sollte sich erst mit der Etablierung der Palastbühnen im 17. Jahrhundert ändern. Doch auch dann blieben die Anweisungen der Autoren, was die Ausstattung der Figuren betrifft, äußerst spärlich 1 , so daß die Regisseure bei der Ausgestaltung des Personals über große Freiheiten verfügten. Dementsprechend werden auch die indianischen Figuren der comedias nicht näher beschrieben 2 . Bei den Theaterstücken enthält zumeist der Name den Zusatz 'indio' bzw. 'india' oder "vestida de india" 3 , "en hábito de indio" (Lope de Vega 1980b:41). Dies besagt, daß bei den Theaterautoren und -regisseuren ein Konsens darüber bestand, wie Indianer auf der Bühne auszusehen hatten. Leider sind keine Berichte von diesbezüglichen Theaterauffuhrungen erhalten; es darf jedoch davon ausgegangen werden, daß die Amerikaner auf den spanischen Bühnen des 17. Jahrhunderts den allgemeinen Vorstellungen entsprachen, wie sie durch historiographische und epische Texte, graphische Darstellungen und die plastischen Ausgestaltungen der Triumphbögen der Zeit geprägt waren 4 . 1 2

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Ein Großteil der Information, die in späteren Zeiten über Requisiten und Kulissen vermittelt wird, mußte im Haupttext enthalten sein. Vgl. hierzu Pfister 1977:37. Auffallend ist, daß sich im gesamten Schrifttum keine exakten Beschreibungen der physiognomischen Aspekte der indianischen Bevölkerung finden. Ansätze zu derartigen Darstellungen liefern lediglich die historiographischen Schriften, deren idealisierte Umformung die Epen. So z.B. bei Francisco González de Bustos, "Los españoles en Chile". In: Biblioteca hispano-chilena (1523-1817) II. Hg.v. José Toribio Medina (Santiago de Chile 1898), 531. Die Sekundärliteratur nennt gern Ercillas allgemeine Beschreibung der Araukaner als Matrix für die Vorstellungen von Literatur und Publikum, allerdings schildert Ercilla im ersten Gesang der Araucana ein von der Renaissance geprägtes kriegerisches Ideal, das nur bestimmte Aspekte der chilenischen Kämpfer betont. Vgl. Ercilla 1979:1,140.

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/ / . Amerika im

Drama

In den wenigen Textpassagen, in denen auf das Äußere der Indianer eingegangen wird, reduziert sich dies - analog zur Vorstellung der Zeit - auf ein Minimum an typischen Merkmalen: die dunkle Haut, die Nacktheit und den Federschmuck. So spricht Lope de Vega z.B. vom "indio tostado, al Sol"', und auch Tirso de Molina betont die braune Haut seiner Figur Guaica aus La lealtad contra la envidia'. Die Indianer, die Colon in Lopes El nuevo mundo an den spanischen Hof begleiten, werden als "seis indios bozales medio desnudos, pintados" (Lope de Vega 1980b:43) beschrieben, während Zärate in seinen im Vergleich zu anderen Dramen ausfuhrlichen Bühnenanweisungen "indios [...] de plumas y vestidos pintados" 3 , an anderer Stelle "algunos indios con aventadores de pluma" (1993:253) anfuhrt. Es versteht sich von selbst, daß die Indianerfiguren auf den spanischen Bühnen des Siglo de Oro bekleidet waren. Den wenigen erhältlichen Informationen läßt sich lediglich entnehmen, daß die Kleidung knapp und bunt war. Es ist jedoch anzunehmen, daß sie sich von der Kleidung der anderen Schauspieler nicht allzusehr unterschied. Wahrscheinlich waren die Indianer der Bühnen ähnlich gekleidet wie die bei Festumzügen präsentierten "Amerikaner" 4 . Bestimmendes Merkmal waren in j e d e m Fall die Federn. Zusätzlich sind die Bühnenindianer - auch die Frauen - oft mit Pfeil und Bogen 5 ausgerüstet, manchmal tragen sie einen Köcher auf dem Rücken, auch wenn sie nicht in kriegerischer Absicht unterwegs sind. Diese Requisiten sollten europaweit über Jahrhunderte das Wesen und Bild des Indianischen bestimmen 6 . Eine etwas ausfuhrlichere Beschreibung erfahren in den Dramen lediglich die allegorischen Personifikationen, die wesentlich mehr Exotik auf die Bühne brachten als die Indianerfiguren, wie z.B. la dama Brasil in Lopes El Brasil restituido, "en figura de dama yndia, con vna rueda de plumas y vna flecha dorado como dardo" 7 , wie die Bühnenanweisung vorschreibt. Personifikationen wie Idolatria oder Demonio, in spanischer Vorstellung die wahren Herrscher der amerikanischen Länder, tra1 2

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7

Lope de Vega, "La intención castigada". In ders., Obras VI. Neuausgabc. Hg.v. Emilio Cotarelo y Mori (Madrid 1928), 554. Guaica wird als "hermosa fondo en tabaco" und "serafín noguerado" bezeichnet. Tirso de Molina, La 'Trilogía de los Pizarros' IV "La lealtad contra la envidia". Hg.v. Miguel Zugasti (Kassel 1993), 100,104. Fernando de Zárate, "La conquista de México". In: América en el teatro clásico español. Estudio y textos. Hg.v. Francisco Ruiz Ramón (Pamplona 1993), 213. Über die Ausstattungen der bei Festumzügen mitgeführten "Indianer" liegen Berichte vor. Vgl. hierzu z.B. Sommer-Mathis 1992c: vor allem die Zitate zeitgenössischer Beschreibungen von dargestellten Indianern auf 14,20/21. So waren die "Indianer" des Festumzugs anläßlich der Seligsprechung des Dominikaners San Luis Bertrán, wie SommerMathis beschreibt, besonders kostbar, aber europäisch gekleidet. Vgl. Sommer-Mathis 1992c:20. So z.B. bei Pedro Calderón de la Barca, La aurora en Copacabana. Hg.v. Ezra S. Engling (London, Madrid 1994), 107,130; Andrés de Claramonte, "El nuevo rey Gallinato y ventura por desgracia". In ders., Comedias (El homo de Constantinopla, El nuevo rey Gallinato, Deste agua no beberé). Hg.v. María del Carmen Hernández Valcárcel (Murcia 1983), 262. Ein weiteres bedeutendes Requisit des Indianers in europäischer Vorstellung, das viele graphische Darstellungen der Zeit ziert, mußte im damaligen Theater aus technischen Gründen fehlen: der Papagei. Lope de Vega, "El Brasil restituido". In: Dos Obras de Lope de Vega con Tema Americano. Hg.v. John W. Hamilton (Aubum 1968), 32.

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gen phantasievolle festliche Gewänder. So auch die Idolatría Zárates, "con un vestido de negro sembrado de imágenes de oro" (Zárate 1993:227). Ein weiteres Charakteristikum der spanischen Bühnenindianer des Siglo de Oro ist der Tanz. Auch dies war Bestandteil der stereotypen Vorstellung über den amerikanischen Ureinwohner. Als folkloristische Beigabe dienten die Tänze, die nicht amerikanischen Originaltänzen entsprachen, auf der Bühne in erster Linie der Unterhaltung 1 .

Die Hispanisierung der Indianer Die reduzierte Präsentation der indianischen Ureinwohner in der comedia, die gleichzeitig eine Vereinheitlichung äußerst verschiedener amerikanischer Völker bedeutet, ist von einer historisch getreuen Darstellung weit entfernt. Ein prägendes Moment beim Prozeß der Stereotypisierung ist die Hispanisierung. Sie betrifft weite Bereiche der Indianerdarstellung und läßt sich gerade am Beispiel der Theaterfiguren gut nachweisen. Grundlegende Ursachen dieser Hispanisierung sind neben Unkenntnis, unzulänglichen Quellen und einer mangelnden Reflektion von Seiten der Autoren vor allem auch dramentechnische Zwänge und Notwendigkeiten. Auf der Bühne wurden die Indios damals natürlich von spanischen Schauspielern dargestellt, die mit wenigen Requisiten den Zuschauern als solche kenntlich gemacht wurden. Sprache, Physiognomie, Mimik und Gestik blieben jedoch die des spanischen Schauspielers. Aufgrund der großen Unkenntnis amerikanischer Wirklichkeiten war eine realitätsnahe Maskierung des spanischen Akteurs unmöglich, zumal das Publikum stereotype Merkmale der Identifizierung forderte und eine zu realistische, ihm fremde Darstellung mit Sicherheit zurückgewiesen hätte. In der spanischen comedia sprechen alle Indianer fließend Spanisch - auch wenn sie sich untereinander austauschen 2 - , korrekt in Diktion und wahrscheinlich auch Aussprache 3 , gemäß ihres sozialen Standes ein ausgefeiltes höfisches Hochspanisch 4 oder eine eher volkstümliche Sprache 5 . Die Sprache der Indianer unterscheidet sich nicht von der des restlichen Personals, es fehlen auch nicht die üblichen mythologischen Anspielungen und poetischen Metaphern 6 . Während jedoch eine Reihe von 1

Tänze finden sich z.B. in Lopes El nuevo mundo

und A rauco domado,

in Gaspar de Avi-

las El gobernador prudente, bei Calderón und Zárate. 2

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Diese dramentechnische Notwendigkeit betrifft alle Theaterstücke, die in einem fremden Sprachraum spielen. Hier handelt es sich jedoch um die kommunikative Problematik der Begegnung zweier Völker mit unterschiedlichen Sprachen. Die Autoren verzichten darauf, indianische Figuren ein gebrochenes Spanisch sprechen zu lassen, ein Verfahren, das sich bei Mauren und Schwarzen in der comedia durchaus findet. Morinigo vermutet als Gründe hierfür die Unkenntnis der Autoren, die weder Indianersprachen noch den Akzent spanischsprechender Indianer kannten. Vgl. Morinigo 1946:140. Dies gilt vor allem für den Inkakönig Guáscar, aber auch für Yupangui und Guacolda in Calderóns La aurora en Copacabana ebenso wie für Zárates Motezuma und Lopes Dulcanquellin. Dies zeigt sich gut bei den indianischen graciosos, wie z.B. Coquin aus Algunas hazañas oder Auté aus Lopes El nuevo mundo. Diese Figuren sind in ihrer Einfachheit und ihrem Witz ebenso konzipiert wie die spanischen graciosos. Für Beispiele vgl. Zárate 1993:244; Ricardo de Turia, "La gran comedia de la bellígera española". In: Poetas dramáticos valencianos II. Hg.v. der Real Academia Española (Biblioteca selecta de clásicos españoles, 2. Serie) (Madrid 1929), 517/518.

//. Amerika im Drama

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comedias das Faktum der unterschiedlichen Sprachen einfach ignoriert und die Amerikaner von Anbeginn an, ohne darüber zu reflektieren, auf spanisch parlieren läßt 1 , wird in einigen Dramen die Sprachproblematik thematisiert. Auf ähnliche Weise geschieht dies in Calderóns La aurora en Copacabana und in Lopes El nuevo mundo. Hier wie dort sprechen die Vertreter der zwei Kulturen Spanisch, fingieren jedoch gleichzeitig bei den ersten Begegnungen Zweisprachigkeit und die Unmöglichkeit der Kommunikation. De su lengua el frase no entiendo, pero d e su acción es bien que entienda q u e deue de ser cazique d e valor y de nobleza (Calderón de la Barca 1994:123),

so der Spanier Pedro de Candía, als er erstmalig Yupanguí begegnet. Diesem ergeht es ähnlich: Sin saber lo que me dizes sé lo que dezirme intentas (Calderón de la Barca 1994:124).

Derlei Passagen finden sich auch an anderen Stellen der comedia2. Calderón geht hier erstaunlich wirklichkeitsgetreu vor: Erst im dritten Akt, als die Indianer bereits bekehrt sind und folglich auch die spanische Sprache sprechen, kommt es zu einer echten verbalen kommunikativen Situation. Eine analoge Struktur und Entwicklung der Szenerie findet sich in Lopes El nuevo mundo''. Ein anderes Verfahren wählt Zárate in seiner comedia La conquista de México. Dort sprechen die Indianer untereinander Spanisch, als sie jedoch den ersten Spaniern begegnen, benutzen sie eine Phantasiesprache, die als Imitation von Indianersprachen zu verstehen ist4. Erst als Cortés auf den Spanier Aguilar trifft, der die Sprache der Einheimischen spricht, ist eine verbale Kommunikation zwischen Indianern und Spaniern möglich 5 . Als zweite Dolmetscherin erscheint Mariana, die des Spanischen bereits mächtig ist. Während die Begegnung zwischen Cortés und Teudelli, dem Gesandten Motezumas, noch von den Dolmetschern vermittelt wird, kommunizieren später Motezuma und Cortés direkt 6 . Auf eine andere spezielle Weise löst Tirso de Molina in Amazonas en las Indias das Problem der verbalen Kommunikation. Als Caravajal erstmalig Martesia begeg1

So geschieht es z.B. in Aguilars Vida y muerte del Santo Fray Luis Bertrán, wo der Heilige und sein Begleiter sich von Anfang an ohne Verständigungsprobleme mit den Indianern unterhalten. Auch in den comedias der araukanischen Thematik wird das Sprachproblem nicht thematisiert, wobei hier allerdings, wie auch in Claramontes El nuevo rey Gallinato und in Tirsos La lealtad contra la envidia, nicht die erste Begegnung der beiden Volksgruppen geschildert wird, weswegen der kommunikative Aspekt kein Thema mehr zu sein scheint.

2

So z.B. in der 10. Szene des ersten Akts, als Yupanguí dem Inka von der Unmöglichkeit der Kommunikation mit dem Conquistador berichtet. Vgl. Calderón de la Barca 1994:131. Für Beispiele vgl. Lope de Vega 1980b:23,28. "Anán, caipí, chaipí", sind die ersten Worte Glauras, als sie Ortuño und Cortés begegnet (Zárate 1993:211). Vgl. Zárate 1993:231. Vgl. Zárate 1993:255/256.

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D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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net, fragt er sie nach ihren erstaunlichen Sprachkenntnissen. Martesia betont ihren mythologischen Ursprung, ihre göttliche Herkunft und erwidert Caravajal: ¿Espantaräste agora (si csto te certifica la experiencia) que quien registra cuanto su luz dora tenga noticia de cualquiera ciencia y hablando en todas lenguas tus vocablos pronuncie? (Molina 1993:111,21) Die nahezu ausschließlich spanische Rede der Indianer in den Dramen des 17. Jahrhunderts wird ab und zu unterbrochen durch ein indianisches Wort, zumeist aus der Begrifflichkeit um Fauna und Flora oder für Gegenstände des täglichen Lebens 1 ; in einigen Dramen finden sich außerdem Phantasiewörter, die Indianersprachen nachzuahmen versuchen. In Lopes auto La Araucana finden sich folgende Liedzeilen: Piragua, monte, piragua, Genicaris agua, Runfalalä." Lope verbindet hier Begriffe aus Indianersprachen, die er bei Ercilla findet ('piragua', 'genizaros'), mit einer eigenen Invention ('runfalalä') 3 . Diese wenigen indianischen bzw. pseudoindianischen Sprachsprengsel sollen die exotische Note der Bühnenamerikaner vertiefen und dienen als zusätzliches Erkennungsmerkmal. Doch nicht nur äußere Merkmale wie die Sprache dokumentieren die Hispanisierung der Indianer in den spanischen Dramen des 17. Jahrhunderts. Es sind vor allem die Wertvorstellungen und Denkmuster, die sich kaum von denen der Spanier unterscheiden und die nachhaltig Rede und Handlungsweise aller damaligen Bühnenindianer bestimmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte Unterteilung des indianischen Bühnenpersonals in Angehörige der Adelsschichten und Untergebene. Für erstere gilt der spanische Adelskodex. So rühmt sich z.B. Dulcanquellin aus Lopes El nuevo mundo in seinem Monolog vor der Ankunft der Spanier der besten Eigenschaften: Diome la naturaleza cuerpo, ingenio, brio, furor, 1

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Hierbei handelt es sich zumeist um Amerikanismen, die früh von der spanischen Sprache übernommen wurden, wie z.B. cacique, papagayo, hamaca, chile usw. Für Lope vgl. die ausführliche Studie von Marcos A. Morínigo, "Indigenismos americanos en el léxico de Lope de Vega". Revista nacional de cultura 12,84 (1951):72-95; außerdem Elvezio Canonicade Rochemonteix, El poliglotismo en el teatro de Lope de Vega (Kassel 1991), 462-476. Lope de Vega, "La Araucana". In ders., Obras III "Autos y coloquios (Fin). Comedias de asuntos de la sagrada escritura". Hg.v. der Real Academia Española (Madrid 1893), 115. Vgl. hierzu Canonica-de Rochemonteix 1991:469-471, der anhand dieses Beispiels ausführlich auf Lopes Technik der Wortverbindung eingeht. Der gleiche Refrain findet sich in Lopes Arauco domado: "Piraguamonte, piragua/ piragua, jevizarizagua", wobei es sich bei dem V wahrscheinlich um einen Druckfehler handelt. Vgl. Félix Lope de Vega Carpió, "Arauco domado". In ders., Obras 27. Hg.v. Marcelino Menéndez Pelayo (BAE 225, Neudruck) (Madrid 1969), 280/281.

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II. Amerika im

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sangre, arrogancia, valor, salud, fuerza y ligereza. Diome la fortuna hacienda, hízome rey [...] (Lope de Vega 1980b: 18).

Es sind dies die wichtigsten Charakteristika des spanischen caballero. Ähnlich konzipiert sind der Inka und Yupangui in Calderóns La aurora en Copacabana. Wie für einen spanischen Adligen auch, spielt die Loyalität seinem Herrscher gegenüber für Yupangui eine große Rolle. Nur unter Vorbehalten ist er bereit, für die Liebe und die wahre Religion gegen den regierenden Inka zu handeln. Bei den gehobenen Ständen der amerikanischen Bevölkerung nimmt in der comedia die Ehre einen ähnlich zentralen Stellenwert ein wie beim spanischen Adel. Nicht selten wird mit Duellen auf Ehrverstöße reagiert. So fordert Tapirazü, dem Dulcanquellin in Lopes El nuevo mundo im Krieg die Frau raubte, diesen zum Duell heraus. Lediglich die Arten des Duells, die Tapirazü anbietet, unterscheiden sich von den spanischen Formen 1 , die soziale Funktion ist jedoch die gleiche. Der spanische militärische Adelskodex kommt in Calderóns La aurora en Copacabana zur Geltung, wenn Yupangui sich entschließt, den Spaniern furchtlos zu begegnen: [...] que es de mi valor flaqueza el pensar que para vn hombre he menester yo defensas, mayormente quando entrando voy en no sé qué sospecha, tal que aunque puedo tirarle desde aquí, será baxeza matarle sin apurar qué marauillas son éstas (Calderón de la Barca 1994:122/123).

"[Calderón] Les atribuye así rasgos nobles a los 'valientes hijos del sol"1, schlußfolgert Pagés Larraya anläßlich dieser Passage 2 . Den spanischen militärischen Wertvorstellungen verpflichtet sind vor allem die araukanischen Kämpfer, die caciques wie Caupolicán oder Lautaro. Mit ihrem großen Mut, dem Ertragen größter Folterqualen und - als wichtigstem - ihrer enormen Vaterlandsliebe verkörpern sie Qualitäten, die auch den spanischen Ehrenmann auszeichnen. Vorbild dieser Konzeption des heldenhaften Chilenen ist Ercillas Araucana, deren Figuren weitgehend dem Ideal des "hombre de armas" der damaligen Zeit entsprechen. Wie in anderen comedias auch, kontrastiert bei den indianischen Figuren der Heldenmut der gehobenen Schicht mit der Feigheit der einfachen Leute, vor allem der graciosos. So beschließt Tucapel, der gracioso in Calderóns La aurora en Copacabana, nicht zusammen mit Yupangui den Spaniern entgegenzutreten, sondern sich zu verstecken 3 . Und Rauco, der Diener des araukanischen Kämpfers Rengo in Turias 1 2 3

Vgl. Lope de Vega 1980b: 19/20. In Calderón de la Barca 1956:170. Vgl. Calderón de la Barca 1994:123. Zu Tucapel vgl. Hans Flasche, "Perspectivas de la locura en los graciosos de Calderón": La Aurora en Copacabana". Nueva Revista de Filologia Hispánica 34 (1985/86):631-653.

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La bellígera española, weigert sich, an den Kämpfen teilzunehmen: V o i m e antes que los del fuerte salgan. Perdone mi amo; que a imitación las locuras no obligan a los criados (Turia 1929:550).

Hier zeigen sich Witz und Schlagfertigkeit, die auch die spanischen einfachen Leute und graciosos in der comedia kennzeichnen. Neben den indianischen caballeros, Helden und graciosos darf die indianische dama nicht fehlen. Sie ist wie ihr männliches Pendant dem spanischen Ehrenkodex verpflichtet. Als Beispiele wären Calderóns Guacolda und das weibliche indianische Personal aus Los españoles en Chile von González de Bustos zu nennen, ebenso wie Guacolda aus Turias La bellígera española. Allerdings dominiert bei der Darstellung der meisten indianischen Frauenfiguren ein Aspekt, der sie von den weiblichen spanischen Figuren wiederum unterscheidet: werden die Indias doch vorrangig als Sexualobjekte der spanischen Männer präsentiert. Liebesangelegenheiten zwischen Indianern dagegen wurden auf den Bühnen des Siglo de Oro auf die bewährte spanische Art und Weise verhandelt. Ob Caupolicán mit Fresia beim Bade (Lopes Arauco domado), Lautaro und Guacolda bei einem ihrer zufälligen Treffen (Turias La bellígera española) oder die diversen amourösen Verbindungen in der comedia von González de Bustos: Sie alle handeln gemäß den entsprechenden Ehrvorschriften, sie alle bedienen sich einer traditionellen Liebesrhetorik, wie sie in der comedia auch bei den spanischen Liebenden üblich ist1. Als weiterer Aspekt der Hispanisierung bei der Präsentation des Indianischen kann der Rückzug auf das vertraute Fremde, die Antike, betrachtet werden. Der Bezug auf das Bekannte, die "Kategorien der christlich-antiken Mythologie" 2 , findet sich von Anbeginn an bei der Wahrnehmung des fremden Indianischen durch die Europäer. Das Wahrgenommene wurde weitgehend vom Vorwissen bestimmt, wobei der Antike eine besondere Rolle zukommt. "Amerika wird zu einer Art Anhänger der Antikerezeption", wie Wolfgang Reinhard (1985:264) treffend feststellt 3 . Auch in der comedia zur amerikanischen Thematik wird stellenweise auf die antike Mythologie zurückgegriffen. So lassen einige comedias die indianischen Figuren griechische oder römische Götter anbeten, wie z.B. in Zárates Drama La conquista de México, wo die mexikanischen Indianer Apoll huldigen 4 . Aus Unkenntnis oder um dem Publikum das Verständnis zu erleichtern, greifen die Autoren hier auf die abendländische Antike zurück, anstatt die präkolumbianische Götterwelt zu präsentieren oder eigenständig zu gestalten.

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Vgl. z.B. Turia 1929:548; Lope de Vega 1969:240/241.

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Heidi Peter-Röcher, Kannibalismus in der prähistorischen Forschung. Studien zu einer para-

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digmatischen Deutung und ihren Grundlagen (Bonn 1994), 154. Vgl. hierzu auch Kohl 1987b:64. In seinem Artikel zum Einfluß des Arabischen bei der W a h r n e h m u n g amerikanischer Realitäten weist Jens Lüdtke darauf hin, daß "die Verarbeitung der amerikanischen Kenntnisse mit antiken Interpretationsmustern" (1996:232) erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte, außerdem bei dem Betrachter eine humanistische Bildung voraussetzte. Vgl. Zärate 1993:215.

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II. Amerika im Drama

Auf besondere Weise nimmt Tirso de Molina in seiner comedia Amazonas en las Indias Bezug auf die griechische Mythologie. Er verbindet zwei Indianerfiguren mit dem griechischen Mythos, der der Region, in dem die Indianerinnen in der comedia siedeln, tatsächlich ihren Namen gab. Der auf die ¡lias zurückgehende Mythos des Frauenreichs der Amazonen erhielt durch die europäischen Entdeckungsreisen eine besondere Aktualität'. Bereits Colón berichtet in seinem Tagebuch von der Insel Matinino, die nur von Frauen bewohnt werde und die Anghiera dann in seiner ersten Dekade mit den antiken Amazonen auf Lesbos vergleicht 2 . Hernán Cortés siedelt die Amazonen im heutigen Mexico an, Ñuño de Guzmán in Kalifornien usw. 3 Am nachhaltigsten wirkte jedoch Gaspar de Carvajals Bericht Relación del nuevo descubrimiento del famoso río Grande über die Zimt-Expedition von Francisco de Orellana, die diesen in das heutige Amazonasgebiet reisen ließ und letztendlich zur Benennung von Fluß und Region führte. Damit war die "nueva leyenda de las Amazonas" 4 geboren, ein neuer Mythos, der sich bald gegenüber seinem antiken Ursprung verselbständigen sollte 5 . In Tirsos Amazonas en las Indias begegnen Gonzalo Pizarro und Francisco de Caravajal den beiden Amazonen Menalipe, Königin des Frauenstaats, und Martesia, deren Schwester und Priesterin. Menalipe legt in einem langen Monolog den beiden Männern die Geschichte ihrer Herkunft dar und greift dabei auf den antiken Mythos zurück 6 : Die Männer der Skythen hatten ihre Frauen allein gelassen, um in den Kampf zu ziehen. Als sie später ihre Frauen holen wollten, erklärten diese ihnen den Krieg und gingen gewalttätig gegen ihre eigenen Männer vor. Fortan waren Männer in ihren Gebieten nur noch zur Zeugung zugelassen, von den geborenen Kindern wurden die Knaben getötet. Dem folgen die Namen bedeutender Amazonen der Mythologie (Lampridia, Martesia, Orisia, Pantasilea. Menalipe)', deren Volk schließlich von dem Athener Teseo besiegt wurde. Die neu formierten Racheheere erlitten Schiffbruch und landeten schließlich in Amerika. Obwohl Tirso keiner speziellen Version des Amazonenmythos folgt 8 , nennt er 1 2

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Vgl. Leonard 1992:36-41. "[...] vocari insulam ab incolis Madanino affirmarunt, q u a m solae mulieres inhabitant. [...] ad eas haud secus Canibáles certis anni temporibus concedere creditum est, atque ad A m a z o n a s Lesbicas transfretasse Thraces retulitantiquitas, & eodem m o d o filios ad genitores mittere ablactatos, foeminas autem apud se retiñere" (Angleria 1966:44). "II est frappant de constater que les Amazones surgissent en tous lieux. On les signale dans la Mer des Caraïbes, à Matinino, puis dans les Lucayes (Bahamas), sur les côtes mexicaines du Pacifique, dans le nord de l'Amérique du Sud - en Colombie et au Venezuela - , au Pérou, en Amazonie, au Paraguay, en Bolivie et au Chili". Jean Pierre Sánchez, Le mythe des amazones du Nouveau Monde (Kassel 1991), 52. Zum Amazonas-Mythos vgl. Gandia 1946:75-107; Leonard 1992:36-64; Arias Coello 1994:278-281 ; Duviols 1985:43-54; Seeck 1991:57-66. Enrique de Gandía, Historia crítica de los mitos de la conquista americana (Madrid 1929), 76. Vgl. Teodosio Fernández, "La imaginación americana en el teatro de Tirso d e Molina". Edad de Oro 10(1991):92. Vgl. Molina 1993:111,28-40. Zu den Namen der Amazonen vgl. die Anmerkungen Zugastis in seiner kritischen Ausgabe von Amazonas en las Indias in Molina 1993:111,36. Green nennt allerdings Justinus' Historia universalis als Hauptquelle, da sie als einzige die beiden Namen Martesia und Melanipe (für Menalipe) anführt. Das Werk von Justinus war auch eine wichtige Quelle f ü r Varones ilustres del Nuevo Mundo von dem Pizarro-

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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doch die wichtigsten Namen verschiedener Episoden und Fassungen und die Haupteigenschaften der kriegerischen Frauen. Die Offenheit seiner Darstellung des Mythos erleichtert ihm die imaginierte Fortführung in Form der Reise nach Amerika. Wie andere Autoren der Epoche auch, verbindet Tirso den Amazonenmythos mit dem von El Dorado: Menalipe bietet Gonzalo alle erdenklichen Reichtümer an 1 . Auch wenn die beiden Frauenfiguren über die wichtigsten stereotypen Merkmale der Indianer verfugen: Pfeil und Bogen, braune Haut, kannibalische Gebräuche, so sind sie doch einer indianischen Identität weitgehend enthoben. Sie gehorchen nicht, wie die Mehrzahl der indianischen Figuren der comedias, dem Wahrscheinlichkeitspostulat. Vielmehr handelt es sich bei ihnen um phantastische Gestalten, um Zauberinnen und Hexen, die über ein enormes Wissen verfügen, durch die Lüfte fliegen und die Zukunft voraussehen. Im Gegensatz zu den anderen Indianerfiguren der spanischen Dramen der Epoche siedelt ihr Ursprung nicht in den Reiseberichten der Eroberer, sondern im antiken Mythos. Die Aufnahme dieser "ahistorischen" Figuren in das Drama erfüllt mehrere Funktionen 2 . Da der Text das vorrangige Ziel verfolgt, die Ehrbarkeit und Loyalität von Gonzalo Pizarro zu demonstrieren, den auf einer ersten - historischen - Ebene sein Mitstreiter Caravajal dazu überreden möchte, sich gegen seinen König zum Herrscher Perus zu erheben, kommt den beiden Amazonen auf einer zweiten - mythischen - Ebene die Aufgabe zu, den standhaften Gonzalo erneut in Versuchung zu führen 3 . Natürlich widersteht der spanische Held beiden Versuchungen und läßt sich lieber hinrichten, als daß er sich von seinem König abwendet 4 . Dieser wichtigen inhaltlichen Funktion entspricht eine bedeutende strukturelle des Handlungsstrangs um die beiden indianischen Kriegerinnen. Deren Erzählungen versorgen den Leser/Zuschauer mit dem erforderlichen historischen Hintergrundwissen. Die Prophezeiungen Martesias vom tragischen Ende Gonzalos durchziehen leitmotivisch die comedia. Dieses Verfahren trägt wesentlich zur Spannungsbildung

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Nachfahren Fernando Pizarro y Orellana, ein Werk, das Tirso mit großer Sicherheit als Vorlage für seine Trilogie diente. Vgl. Otis H. Green, "Notes on the Pizarro Trilogy of Tirso de Molina". Hispanic Review 4,3 (1936):210. Vgl. Molina 1993:111,44. Während die frühe Rezeption der comedia das Erscheinen der Amazonen als unsinnig und für das Stück irrelevant abtat, erkennt die neuere Forschung zunehmend die Bedeutung der beiden Frauenfiguren für die Konzeption des gesamten Dramas. Für erstere Position vgl. z.B. Medina 1917:68/69; Melveena McKendrick, Woman and Society in the Spanish Drama of the Golden Age. A Study of the mujer varonil (London 1974), 175/176. Auf die Bedeutung der Amazonen in der comedia weist vor allem Mayberry hin. Vgl. Nancy K. Mayberry, "The Role of the Warrior Women in Amazonas en las Indias". Bulletin of the Comediantes 29,1 (1977):38-44. Dieser m.E. zentrale Aspekt der Versuchung wird nur von Zugasti benannt. Allerdings widerspricht sich Zugasti, wenn er die Amazonen gleichzeitig als Verbündete Gonzalos betrachtet. Zwar möchten sie den spanischen Heros am Ende durchaus vor dem Fallbeil retten, aber nur, um ihn dann für ihre eigenen Zwecke zu mißbrauchen. Vgl. Zugasti 1993:111-113. Der Vollzug des Verrats Gonzalos, wie ihn noch Mayberry in der comedia konstatiert, scheint in Frage gestellt angesichts der vielen Zwänge, denen sich der spanische Held ausgesetzt fühlt und die ihn zum Handeln gegen den Vizekönig nötigen. Vgl. Fernández 1991:9!; Mayberry 1977:41.

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bei und birgt einen echten Überraschungseffekt: Der Zuschauer erwartet ein Vergehen Gonzalos, dessen Bestrafung dann zur vorhergesagten Hinrichtung fiihrt, während der Conquistador tatsächlich ehrbar stirbt, nicht bereit, die loyale Haltung seinem König gegenüber aufzugeben. Noch weniger als anderen Autoren geht es Tirso de Molina in seinem Drama Amazonas en las Indias um das Schaffen authentischer indianischer Wesen. Vielmehr kreiert der Mercedariermönch phantastische Zaubergestalten, die trotz aller notwendiger Requisiten jeglicher indianischen Identität entbehren'. Sie verfugen über keine amerikanische Vergangenheit: Ihre Herkunft ist europäisch. Tatsächlich handelt es sich um "una muestra infrecuente y casi insólita de aprovechamiento literario de las fantasías que se desarrollaron en torno al descubrimiento y a la conquista" (Fernández 1991:91). Exemplarisch lassen sich die eben aufgeführten Verfahren der Hispanisierung an einer comedia des Chile-Zyklus nachweisen, Los españoles en Chile von González de Bustos". Die Indios, die allesamt nur Nebenrollen bekleiden, parlieren dort wie ihre spanischen Mitstreiter im höfischen Diskurs der Epoche. Sie vertreten mit Vehemenz das spanische Wertesystem, stets besorgt um ihr ehrenhaftes Verhalten. Dies gilt für Fresia, die sich durch Tucapel in ihrer Ehre attackiert fühlt 3 , ebenso wie für Caupolicán, den das ungebührliche Gerangel der beiden Rivalen Rengo und Tucapel vor seiner Person schockiert 4 . Ein beliebtes Mittel zur Austragung persönlicher Konflikte ist das Duell. Im militärischen Vorgehen unterscheiden sich die Chi1

Ruiz Ramón allerdings überstrapaziert den symbolischen Charakter der beiden kriegerischen Fürstinnen, wenn er von einer "visión mítica de las Indias, cuya almendra más escondida sería el sueño - frustrado - de Hispanoindias" (1993:48) des Autors spricht. Ebenso wenig zu verstehen sind die Ausführungen Laferls, der Tirso de Molina eine generelle Verachtung des Indianischen unterstellt. Als Begründung dienen ihm Aussagen Caravajals aus Amazonas en las Indias, die sowohl im historischen Kontext der Handlung als auch im panegyrischen Kontext der comedia zu betrachten sind und nicht notwendigerweise der persönlichen Meinung des Autors entsprechen müssen. Vgl. Christopher F. Laferl, "América en el teatro español del Siglo de Oro". In: Andrea Sommer-Mathis u.a.,

El teatro descubre América. Fiestas y teatro en la Casa de Austria (1492-1700) (Madrid 1992), 240-242. Bei diesem Artikel von Laferl handelt es sich um die erweiterte spanische Fassung von Laferl 1992b. 2

Über den Autor ist wenig bekannt. Die aktuellen einschlägigen Nachschlagewerke z u m Theater des Siglo de Oro nennen ihn nicht. Für eine kurze Notiz vgl. Lerzundi 1979:30;

außerdem die Enciclopedia

universal ilustrada europeo-americana,

Bd. 26 (Barcelona

1925), 654, die ihn allerdings irrtümlicherweise zum Chilenen erklärt. Zu dem Theaterstück haben nur Lerzundi 1979 und Mónica Escudero ausführlicher gearbeitet. Vgl. M é n i -

ca Escudero, De la crónica a la escena. Arauco en el teatro del Siglo de Oro (New York u.a. 1999), 161-171. Kurz erwähnt wird die comedia von Franco 1954:119-122; Medina 1917:101-104; Richard W. Tyler, "The New World in Some Spanish Golden Age Plays".

In: Travel, Quest, and Pilgrimage as a Literary Theme. Studies in Honor of Reino Virtanen. Hg.v. Frans C. Amelinckx und Joyce N. Megay (Ann Arbor 1978), 78/79; Laferl I992a:235/236; Laferl 1992b: 172/173. 3

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"[...] peligra/ mi h o n o r [...] Dos delitos, Tucapel,/ con tus razones indignas/ has cometido: primero,/ que estando en presencia mía,/ sin el respeto debido/ á mi honor [...] ciego me declares ese/ bárbaro amor que publicas" (González de Bustos 1898:545). Vgl. González de Bustos 1898:534.

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lenen nicht von den Spaniern, was im Drama selbst vom Spanier Marqués de Cañete anerkennend kommentiert wird 1 . Die stereotypen Charakteristika, die das indianische Personal der anderen comedias kennzeichnen, entfallen in Los españoles en Chile, abgesehen von einer nicht näher beschriebenen indianischen Kleidung und dem obligaten Pfeil und Bogen. Die Haut der Indianer ist weiß anstatt braun", kannibalische Gebräuche sind unbekannt, der Mut der Kämpfer hält sich in Grenzen. Vaterlandsliebe und Freiheitsdrang, Hauptantriebskraft der Araukaner in ihren Kämpfen gegen die spanischen Invasoren in den anderen comedias nämlicher Thematik, haben ihren Wert verloren. Und die Götterwelt entstammt nicht der amerikanischen Mythologie, sondern der antiken Glaubensvorstellung. Apolo und Marte werden verehrt. Brüche lassen sich in dieser durchgängig hispanisierten Konzeption nur bei sehr genauem Hinsehen entdecken. So entspricht Tucapels Wunsch nach einem Duell mit Diego de Almagro nicht unbedingt einem ehrenhaften Verhalten, da er unter dem Vorwand, seine Angebetete verlange den Kopf Almagros, persönlichen Rachegelüsten nachgeht. Auch als Almagro ihm während des Kampfes Leben und Ehre schenkt 3 , hält er weiterhin an seinem Ziel fest, den spanischen Soldaten zu töten. Ein anderer Aspekt, der die Konzeption der Indianer von der des spanischen Personals unterscheidet, ist die Untreue der Frauen. Fresia ist mit Caupolicán verheiratet und verliebt sich in Diego de Almagro. Trotz ihres Status wirbt sie aktiv um den Geliebten, ein Verhalten, das bei spanischen Frauenfiguren zu schweren Konflikten fuhren müßte. Ähnlich verhält es sich mit Gualeva, die von Rengo umworben wird und sich in den vermeintlichen Don Juan (Juana in Männerkleidern) verliebt. Die Gründe für diese extreme Hispanisierung des indianischen Personals der vorliegenden comedia sind zum einen im Genre, zum anderen in der Epoche zu suchen. Es handelt sich bei dem Drama um eine typische comedia de capa y espada der späten Barockzeit, die alle Techniken und Verfahren dieser Gattung des Intrigenund Verwechslungsspiels voll ausschöpft: Verkleidungen, das Fingieren anderer Identitäten, Verwicklungen und Verwechslungen. Das einzig relevante Thema ist die Liebe, konkret: die Liebe zwischen Juana und Diego de Almagro, und Arauco und seine Bewohner werden zur Kulisse für diese Liebe und das damit verbundene Intrigenspiel. Zwar sind vor allem Fresia und Tucapel unabdingbar für die Handlung, ihre alleinige Funktion ist jedoch die Fortführung bzw. Ermöglichung des Konflikts. Sie selbst stehen nie im Mittelpunkt des Interesses 4 . Auch die militärische Konfrontation dient allenfalls als exotische Kulisse im Hintergrund. Legitimation, Bekehrung oder nationale Glorie spielen keine Rolle mehr. Das Drama dient allein der Unterhaltung in altbewährter Manier des Mantel- und Degenstücks. Amerika war als Thema längst nicht mehr relevant: "Das Thema Amerika hatte offensichtlich keinen Eigenwert mehr, es war politisch nicht mehr brisant und wurde auf der Bühne zum exotischen Dekorelement" (Laferl 1992b: 173). 1

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"[...] tan soldados/ están ya; porque, decidme,/ no os causa notable espanto/ ver que sepan hacer fuertes,/ rebellines y reparos,/ abrigarse de trincheras,/ prevenirse á los asaltos,/ y jugar armas de fuego?/ No pudieran hacer tanto/ si toda la vida en Flandes/ se hubieran disciplinado" (González de Bustos 1898:546/47). So lobt Caupolicán Fresias "blanca mano" (González de Bustos 1898:532). Vgl. González de Bustos 1898:552. Vgl. hierzu Laferl 1992b: 173.

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Die Glaubenswelt der Indianer Religion und Bekehrung sind bei der Mehrzahl der "amerikanischen" comedias und autos sacramentales von zentraler thematischer Bedeutung. In Verbindung mit der in nahezu allen diesen Dramen vollzogenen Missionierung stellt sich die Frage nach den ursprünglichen religiösen Vorstellungen der auf der Bühne präsentierten autochthonen amerikanischen Bevölkerung. Obwohl die meisten comedias die präkolumbianische Glaubenswelt der Bewohner Amerikas benennen, werden diese Glaubensinhalte doch auffallig knapp und stereotyp dargestellt. Auf ausfuhrliche Präsentationen religiöser Ideen oder Rituale wurde verzichtet. Der Hauptgrund hierfür liegt vor allem - wie bei anderen Erscheinungen der Theaterproduktion zur amerikanischen Thematik auch - in der mangelnden Kenntnis, die die spanischen Autoren von den indianischen Kulturen hatten. Diese waren vorrangig auf schriftliche historiographische Informationsquellen angewiesen, deren fragwürdiger Charakter uns heute bekannt ist. Gleichzeitig begegneten nahezu alle spanischen Theaterautoren den indianischen Angelegenheiten mit einem weitgehenden Desinteresse, so daß dem amerikanischen historischen Hintergrund weit weniger Relevanz zugesprochen wurde als dem spanischen. Hinzu kommt, daß die meisten comedias, wenn ihnen an einer Legitimation des spanischen Vorgehens gelegen war, eine Präsentation des "Irrglaubens" der Indianer forderten. So reduzierten sich die allerdings erst heute weitgehend bekannten - komplexen religiösen Systeme und Vorstellungswelten äußerst unterschiedlicher indianischer Kulturen auf der spanischen Bühne auf die allegorische Figur der Idolatría, den Pakt mit dem Teufel, den Sonnengott, die Vielgötterei und die Menschenopfer 1 . Diese Blickpunkte entsprechen gleichzeitig den Erwartungen und Kenntnissen des damaligen Theaterpublikums. Seit den spanischen Eroberungsfeldzügen in Peru wird in Spanien die indianische Glaubenswelt mit dem Sonnenkult gleichgesetzt*. Und so betet die Mehrzahl der Indianer in den spanischen Dramen die Sonne an: Adorna el sol mi alcázar soberano con su divina luz resplandeciente, 3

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Ein weiterer mit d e m Ritual verbundener Aspekt wird hier nicht eigens benannt: der Kannibalismus. Die letztendlich niemals erwiesenen kannibalistischen Praktiken gehörten in der historiographischen Literatur zu den wichtigsten Charakteristika der amerikanischen Ureinwohner. Der Vorwurf des Kannibalismus sollte dann eines der Hauptargumente sein, das Spanien zur Legitimation seines Vorgehens in Amerika bemühte. In der comedia gehören kannibalistische Praktiken nicht zu den herausragenden Eigenschaften der indianischen Figuren. Allenfalls en passanl wird der Kannibalismus erwähnt, um z.B. die Grausamkeit oder Wildheit einer Figur zu betonen. Überraschenderweise dominiert j e doch der komische Effekt. Es finden sich mehrere Passagen in comedias, in denen der gracioso gebraten werden soll und dem Grill nur mit knapper Not entkommt. Für eine detaillierte Darlegung der Anthropophagie in der comedia mit Beispielen vgl. Ingrid Simson, "Caníbales y antropofagia en el teatro de Lope de Vega". In: Actas del V Congreso de la Asociación Internacional Siglo de Oro. Hg.v. Christoph Strosetzki (Münster 1999), 1216-1225.

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Vgl. Dellepiane 1986:681. Gaspar d e Aguilar, "Vida y muerte del Santo Fray Luis Bertrán". In: Poetas

valencianos II. Hg.v. der Real Academia Española (Madrid 1929), 304.

dramáticos

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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stellt Königin Teolinda in Aguilars Vida y muerte del Santo Fray Luis Bertrán ihren Glauben vor. Auch in Avilas El gobernador prudente, in Algunas hazañas von Belmonte Bermúdez und dem Dichterkreis und natürlich in den comedias, die in Peru spielen, huldigen die Einheimischen dem Sonnenkult. Neben der Sonne besteht eine Vielzahl ariderer Götter verschiedenen Ursprungs. "Yo he dicho que yo venero/ infinitos dioses", äußert América während eines Streitgesprächs in der loa zu Calderóns auto sacramental Llamados y escogidosDer Rückgriff einiger Dramaturgen auf die antike Götterwelt wurde schon erwähnt. Andere Autoren entlehnen Figuren und Namen aus früheren Werken, zumeist jedoch aus dem Umkreis von Ercillas Araucana2. Eponamón, Apó und Pillán, die araukanischen Dämonen, die Ercilla in seinem Epos erwähnt3, erscheinen in einigen der comedias des Chile-Zyklus 4 , aber auch die anderen Dramen der amerikanischen Thematik machen von ihnen Gebrauch5. Um das Heidentum der Amerikaner zu betonen, lassen die Autoren die Indianer Pflanzen, Tiere und Steine als Götter verehren. So beklagt sich der Conquistador Caravajal in Tirsos Amazonas en las Indias: [...] buscan de noche las guacas, y entre los riscos y cuevas idólatras sacrifican a los brutos y a las piedras (Molina 1993:111,133). 6

In der Vorstellung der meisten zeitgenössischen Spanier war Amerika tatsächlich der Kontinent des falschen Glaubens, in der Hand von Satan. Dieser mußte vertrieben, der Kontinent missioniert werden7. In dieser Beurteilung waren sich alle Theologen und Historiker einig, unabhängig davon, ob für sie die Indianer vom Teufel Verführte oder am Irrglauben Schuldige, ob sie Kinder (las Casas) oder Bestien (Sepúlveda) waren. So mag es nicht verwundern, daß in einigen der hier behandelten comedias Idolatría und Demonio als allegorische Figuren auftreten, die Amerika repräsentieren. Darüber hinaus stehen diese Figuren, die den indianischen "Irrglauben" belegen, in enger Verbindung mit dem Ziel der Spanier in nahezu allen comedias der Thematik: der Missionierung 8 . Die indianischen Glaubensinhalte erfüllen 1

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Calderón de la Barca, "Loa para el auto sacramental intitulado 'Llamados y escogidos'". In ders., Obras Completas III "Autos sacramentales". Hg.v. Angel Valbuena Prat (Madrid 1952), 453. So beten z.B. die Indianer in Lopes El nuevo mundo zu Ongol. Der Begriff bezeichnete ursprünglich eine Gegend und eine Stadt im Gebiet der Araukaner. Vgl. die entsprechende Anmerkung in Lope 1980b:60. Ein Gott Ongol findet sich auch in Claramontes El nuevo rey Gallinato und in Turias La belligera española. Vgl. Morinigo 1979:94. Pillán heißt der Dämon in Lopes Arauco domado. Apó und Eponamón werden in Lopes comedia und bei Turia, Avila und Belmonte Bermúdez u.a. erwähnt. Apó und Pillán finden sich auch in Pedro de O ñ a s Epos Arauco domado. Wie z.B. Zárate, der die mexikanischen Indianer Apó anrufen läßt. Vgl. Zárate 1993:254. Eine ähnliche Stelle findet sich in Calderón de la Barca 1994:109. Zur "demonización del Nuevo Mundo" vgl. Garzón Valdés 1992:57/58. Tatsächlich wird die Evangelisierung der indianischen Ureinwohner in allen comedias, in denen Indios eine Rolle spielen, thematisiert, allerdings mit unterschiedlicher Gewich-

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/ / . Amerika im Drama

somit in den Dramen des Siglo de Oro eine kontrastive und legitimatorische Funktion, auf die noch zurückzukommen sein wird. Während die Mehrzahl der spanischen Theaterstücke die indianischen religiösen Vorstellungen nur in Bruchstücken und eher beiläufig erwähnt, ist Calderón de la Barca der einzige, der indianische Glaubenswelten ausführlich präsentiert, vornehmlich in seiner comedia La aurora en Copacabana^. Allerdings formt auch Calderón das Darzustellende nach eigenen Ideen und entsprechend seiner dramaturgischen Intention. Die Historie tritt dabei hinter das eigentliche Anliegen des spanischen Erfolgsautors des Siglo de Oro zurück, wird allenfalls punktuell dazu benutzt, um "ein Strukturmodell fur ein theologisches Problem zu entwerfen" (Laferl 1992b: 176/177). Calderóns vorrangiges Interesse gilt der Religion und damit der Bekehrung der "irrgläubigen" Indianer, mit dem Ziel der Anbindung Amerikas an die christliche Heilsgeschichte. In Calderóns religiöser Vorstellung steht das Heidentum nicht in feindlicher Opposition zum Christentum, sondern ist als fester Bestandteil einer christlichen Gesamtwelt zu betrachten. Es gilt als notwendige Vor- bzw. Zwischenstufe auf dem Weg der Menschheit zum wahren christlichen Glauben, der allein die Erlösung zu verheißen vermag 2 . Wie M. Rowland dazu treffend feststellt: "[...] the pagan gods are not so much rivais of Christianity as they are its préfiguration" 3 . Basis dieser Vorstellung ist die damals verbreitete Ansicht, der Apostel Thomas wäre bereits in früher Zeit auf dem amerikanischen Kontinent missionarisch tätig gewesen 4 . Zwar hätten die amerikanischen Völker den wahren Glauben schnell

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tung. Während in Calderóns La aurora en Copacabana die Missionierung das primäre Anliegen des Dramas ist, dem alle anderen Aspekte untergeordnet sind, wird sie bei den meisten der hier behandelten comedias gemeinsam mit anderen bedeutenden Themen präsentiert. Bisweilen rückt der religiöse Aspekt verstärkt in den Hintergrund, wie z.B. in Claramontes El nuevo rey Callinato, bei den comedias des Chile-Zyklus oder auch in Tirsos Amazonas en las Indias. In Los españoles en Chile von González de Bustos werden die Glaubensangelegenheiten kaum mehr erwähnt. Auf die autos sacramentales Calderóns zur amerikanischen Thematik wird später noch eingegangen. Die comedia, jahrzehntelang wenig beachtet, fand in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit. Vgl. Hugo Laitenberger, "Historia y comedia: la conquista del Perú en La Aurora en Copacabana de Calderón de la Barca". In: Lengua y literatura en la época de los descubrimientos. Actas del coloquio internacional Würzburg 1992. Hg.v. Theodor Berchem und Hugo Laitenberger (Valladolid 1994), 121-144; Gisela Beutler, "Pedro Calderón de la Barca: La aurora en Copacabana". In: Texto e imagen en Calderón. Undécimo Coloquio Anglogermano sobre Calderón. Hg.v. Manfred Tietz (Stuttgart 1998), 63-74; Ingrid Simson, "Poder y amor en La aurora en Copacabana de Calderón.". In: Deseo, sexualidad y afectos en la obra de Calderón. Duodécimo Coloquio Anglogermano sobre Calderón. Hg.v. Manfred Tietz (Stuttgart 2001), 167-179. Antonio Pagés Larraya spricht von "una preparación y un camino que acercan al conocimiento del verdadero Dios" (in Calderón de la Barca 1956:188), Ludwig Pfandl von "Vorbereitungsstadien des Christentums". Ludwig Pfandl, Geschichte der spanischen Nationalliteratur in ihrer Blütezeit. Reprographischer Nachdruck der 1. Auflage (Darmstadt 1967), 411. Michael L. Rowland, "Christian Archetypes and Divine Time in the New World: Calderón's La aurora en Copacabana". Kentucky Romance Quarterly 15,3 (1968):265. Vgl. hierzu S. 76 dieser Studie, vor allem Fußnote 1.

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vergessen, Reste christlichen Denkens wären jedoch zum Zeitpunkt der spanischen Eroberungen noch vorhanden. Die Vorstellung findet explizit Erwähnung in La aurora en Copacabana: [...] ¡albricias, que ya ha llegado el felize cumplimiento de aquellas ya confundidas noticias que dexó vn tiempo en la primitiua edad d e vuestros padres y abuelos, vn T o m é o Tomás, sembradas en todo el Perú, diziendo que en los braços de la aurora más pura, el hijo heredero del gran dios auía venido luz de luz al vniuerso (Calderón de la Barca 1994:147).

Aufgrund dieser Vergangenheit würden die amerikanischen Ureinwohner über "razón natural" verfugen, die es ihnen ermöglichte, den wahren Glauben zunächst zu ahnen und dann mit Hilfe Gottes zu ihm zurückzukehren. Diese Konstruktion bot nicht nur den Historiographen eine Möglichkeit, verwandte Aspekte der unterschiedlichen Religionssysteme zu erklären. Auch Calderóns comedia weist strukturell auf die Parallelen zwischen Sonnenkult und Christentum hin 1 . So bezeichnet das Leitmotiv der aurora nicht nur die aurora cristiana, sondern deutet gleichzeitig auf eine Variante des inkaischen Schöpfungsmythos: Vier Geschwister sollen aus dem Ort des Sonnenaufgangs entstanden sein 2 . Auch die Sonne ist gleichzeitig Symbol für den Inkaherrscher wie für den "wahren" christlichen Gott. Augenfällig sind die Parallelen zwischen El Joven - dem Vorahnen Guáscars - und Christus, so daß Rowland den Inkaherrscher durchaus als "imperfect Christ-figure" (1968:256) bezeichnen kann. Diese Parallelen und die damit verbundene doppelte Bedeutung bestimmen die Struktur der beiden ersten Akte der comedia. Die Anspielungen, die vom Publikum natürlich verstanden wurden, zumal das Drama nur e i n Ende kennt, sind wesentlicher Bestandteil der Spannungsbildung. Bisweilen nehmen sie die Form der offenen Prophezeiung an, wie im Fall der Worte Candías während des Errichtens des Kreuzes: [...] buena prenda os dexo, en fee de que si oy la gente vuestra

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Calderón folgt hier der grundlegenden Konzeption Garcilaso de la Vegas, der mit Nachdruck die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen hervorhebt und Parallelen zieht zwischen der Missionierung durch die Spanier und der vorangegangenen Missionierung der peruanischen Bevölkerung durch die Inkas. Vgl. Garcilaso de la Vega, el Inca, Comentarios reales. Hg.v. José d e la Riva-Agüero (México 1984), vor allem 49-53. Zu den Quellen der comedia insgesamt vgl. Antonio Pagés Larraya, "El N u e v o M u n d o en una obra de Calderón". Cuadernos Hispanoamericanos 170 (1964):299-319; García Alvarez 1980/81.

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Vgl. hierzu die A n m e r k u n g Antonio Pagés Larrayas in Calderón de la Barca 1956: 144/145.

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302 adora al sol que amanece hijo de la aurora bella, vendrá tan felize día que sobre estas mismas peñas con mejor sol en sus brafos, mejor aurora amanezca! (Calderón de la Barca 1994:128).

Konzeptionell wird das Heidentum somit nicht verdammt, es wird vielmehr als notwendig erkannt auf dem Weg zum wahren Glauben. Damit ist es in das christliche Denksystem integriert, ebenso wie Satan und Idolatría feste Bestandteile der christlichen religiösen Vorstellungswelt sind: "[...] forces such as Idolatría are not by any means autonomous, but are factors within and necessary to God's design, and not outside and contradictory to it" (Rowland 1968:265). Daß es sich bei der religiösen Vorstellungswelt der Inkas dennoch um einen falschen Glauben handelt, der zudem auf Betrug basiert, fuhrt die allegorische Figur Idolatría aus, wenn sie dem Inka Guáscar erklärt, er stamme nicht von der Sonne ab. Vielmehr hatte der Begründer der Inka-Dynastie, Manco Capac, um sich die Herrschaft über Peru zu sichern, auf Anraten von Idolatría seinen Sohn als von der Sonne gesandten Sohn Gottes ausgegeben 1 . "[...] deste engaño/ descie[n]des" (Calderón de la Barca 1994:149), klärt Idolatría den Inkaherrscher auf. Der Betrug war vom peruanischen Volk, das die einst gepredigten christlichen Wahrheiten des Apostels Thomas weitgehend vergessen hatte, nicht erkannt worden. Somit wird der Inka Guáscar zum "falso líder religioso-político" 2 . Zum Fortbestand der inkaischen Dynastie fordert Idolatría ein Menschenopfer 3 . Geopfert werden soll Guacolda, die Sonnenjungfrau. Diese Forderung, die dem katholischen Glauben zufolge gegen das Naturrecht verstößt, kontrastiert erneut die indianische mit der christlichen Religion: [•••] ¿es ley, di, que vn dios no muera por mí y que yo muera por él? (Calderón de la Barca 1994:138),

fragt Guacolda im Gespräch Yupanguí. Bei der Entscheidung Calderóns für das Menschenopfer mögen auch dramaturgische Gründe eine Rolle gespielt haben. Die drohende Opferung Guacoldas ist ein wichtiges Strukturelement des Gesamtplots, das höchst wirkungsvoll eingesetzt wurde und dem Vorwissen und der Sensationslust des Theaterpublikums entsprach. 1

Auch hier diente Garcilaso de la Vega, el Inca als Quelle. "Manco Cápac [...] fingió aquella fábula, diciendo que él y su mujer eran hijos del Sol", heißt es bei Garcilaso de la Vega, el Inca 1984:44. Noch ausführlicher wird der Betrug bei Ramos Gavilán geschildert.

Vgl. Alonso Ramos Gavilán, Historia del Santuario de Nuestra Señora de Copacabana. 2

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Hg.v. Ignacio Prado Pastor (Lima 1988), 28-31. Kathleen N. March, "La visión de América en La aurora en Copacabana". In: Calderón. Actas del 'Congreso Internacional sobre Calderón y el teatro español del Siglo de Oro'. Bd. 1. Hg.v. Luciano García Lorenzo (Madrid 1983), 512. Calderón folgt hier den Ausfuhrungen Ramos Gaviláns und widerspricht Garcilaso de la Vega, der betont, daß es zur Zeit der Inkaherrschaft keine Menschenopfer gab. Vgl. Garcilaso de la Vega, el Inca 1984:61-63. Vgl. Ramos Gavilán 1988:46-53,117-120.

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Durch seine Konzeption präsentiert Calderón die Indianer als von der Idolatría und damit v o m Teufel Verführte, die keine Schuld an ihrem Irrglauben haben. Allenfalls das Vergessen des wahren Glaubens kann ihnen vorgeworfen werden. A m Beispiel Yupanguis und Guacoldas fuhrt der Autor exemplarisch vor, wie die A m e rikaner zum christlichen Glauben (zurück)finden. Nicht erlöst dagegen wird Guáscar, der nicht bereit ist, für den wahren Glauben (und die Liebe) auf seine Macht zu verzichten. Er geht zusammen mit Idolatría unter. Die so von Calderón in La aurora en Copacabana präsentierte indianische Glaubenswelt erinnert in ihrer Konzeption an die christliche Auseinandersetzung mit der griechisch-römischen heidnischen Antike: [...] los temas teológicos y jurídicos que encontramos a lo largo de La Aurora pueden hallarse respectivamente en la apologética cristiana de la tardía antigüedad y en Santo Tomás. [...] lo que Calderón encontró en los autores cristianos de la antigüedad tardía fue una visión de la naturaleza de la religión pagana, y con ello una dialéctica contra la religión pagana aplicable al Nuevo Mundo.'

Trotz einiger Aspekte des indianischen rituellen Lebens, die der comedia ein gewisses Lokalkolorit verleihen, wie z.B. die 500-Jahr-Feier zu Beginn des Dramas 2 oder die Position Guacoldas als Sonnenjungfrau 3 , muß man feststellen, daß in Calderóns La aurora en Copacabana viel über die Vorstellungen des Autors über Andersgläubigkeit und die Rolle des Christentums gegenüber diesen Andersgläubigen zu erfahren ist, aber nur wenig über die religiöse Kultur der Inkas. Calderón entlehnt verschiedenen Quellen vermeintliche Fakten des religiösen Lebens der Indianer, um damit seine eigenen Thesen zu theologischen Problemen zu exemplifizieren. So erklärt sich der streng allegorische Charakter der comedia4.

Zur Typologie der Indianerfiguren in der comedia Eine Polarisierung des Indianerbilds in die Vorstellung eines guten, edlen "Wilden" auf der einen und die eines menschenfressenden, wahren "Wilden" auf der anderen Seite findet sich bereits bei Colón. Diese beiden Extrempole sollten sämtliche Diskurse über das Wesen der Indianer von damals bis heute bestimmen. Da sie am Ende der 1

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Sabine MacCormack, "La aurora en Copacabana de Calderón. La conversión de los Incas a la luz de la teología, la cultura y la teoría política españolas del siglo XVII". In: Calderón. Actas del 'Congreso Internacional sobre Calderón y el teatro español del Siglo de Oro'. Bd. 1. Hg.v. Luciano García Lorenzo (Madrid 1983), 509. Zu den Quellen der diesbezüglichen theologischen Ideen Calderóns vgl. MacCormack 1983:510; César García Alvarez, "La filosofía neoplatónica en 'La aurora en Copacabana', de Calderón". Academia 2 (1982):75. Im 17. Jahrhundert vertraten die Historiographen die Meinung, die Inka-Dynastie wäre 500 Jahre alt. Vgl. Valbuena Briones 1977:42. Calderón macht Guacolda allerdings zur Priesterin, eine Aufgabe, die die inkaischen Sonnenjungfrauen nicht zu erfüllen hatten. Damit wertet der Autor die Position Guacoldas auf und macht sie gleichzeitig dem spanischen Publikum verständlicher, da die Position der Priesterin an Konfigurationen des klassischen griechischen Dramas erinnert. Für eine genaue Beschreibung des Lebens und der Aufgaben der Sonnenjungfrauen vgl. Garcilaso de la Vega, el Inca 1984:139-142. Vgl. hierzu Valbuena Briones 1977:42; Laferl 1992a:252/253.

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II. Amerika im Drama

jeweiligen comedia in der Regel bekehrt werden, sind die Indianer auf den Theaterbühnen des Siglo de Oro fast ausnahmslos zu den "guten Wilden" zu zählen. Ein tatsächlich selbstbestimmter Indianerstamm, der sich einer Missionierung erfolgreich widersetzt, hätte sich für das höfische, religiös-didaktische Theater des Siglo de Oro nicht geeignet. Wie Bernard McGrane darlegt, war der Wille zur Bekehrung im 16. und 17. Jahrhundert der entscheidende Faktor für das Verständnis und die Beurteilung des anderen 1 . Als Heiden unterschieden sich die Indianer in der Konzeption der Spanier und Europäer von den "Irrgläubigen" der anderen Religionen, den Juden und Moslems, und von den Ketzern. Sie galten als potentielle Christen, die bereit waren, den christlichen Glauben anzunehmen. Mit Ausnahme der comedias des Chile-Zyklus erfolgte die Bekehrung der Einheimischen auf der Bühne zumeist über Wunder. Keine verbale Argumentation, sondern eine visuell vermittelte Präsentation der Macht Gottes führte somit bei den Indianern zur Akzeptanz einer neuen Religion. Wie in der Realität auch, ist die Annahme des katholischen Glaubens im Theater eng verbunden mit der Unterwerfung der indianischen Völker und der Anpassung an spanische Normen. Dabei erwies sich ein gewisser Widerstand gegen die Missionierung aus dramaturgischen Gründen als notwendig, so daß in den Dramen verschiedene Typen von Indianern auszumachen sind, deren Grad an "Wildheit" variiert und sich am Widerstand gegen die Bekehrung ablesen läßt. Als erste Gruppe wäre hier die des naiven, unschuldigen "Wilden" zu nennen, wie ihn zuerst Colón beschreibt und wie er dann von las Casas zum Idealtypus des Indianers stilisiert wurde: Ängstlich, ohne Waffen betrachten diese Indianer die Spanier als Götter, und - was als Hauptbeweis für ihre Naivität galt - sie tauschen Gold gegen billigen Tand. In den comedias der amerikanischen Thematik sind es vorrangig die Nebenfiguren, die dieser Konzeption folgen: die einfachen Indios, Frauen, die graciosos. Im Gegensatz zu den großen indianischen Helden sind diese Figuren ängstlich und feige: Sie fliehen vor den Spaniern 2 , haben keinen Mut zu kämpfen 3 , erschrekken vor unbekannten Gegenständen. Wie Kinder sind sie leicht zu beeindrucken. Als z.B. Palca in Lopes El nuevo mundo in Panik direkt in die Arme der Spanier flieht, verkehrt sich ihre Angst schnell in Begeisterung über die spanischen Männer: Hombres son, y hombres hermosos; calor tienen y blandura. ¡Cuánto puede la hermosura! ¡Qué humanos y qué amorosos! (Lope de Vega 1980b:23)

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"The central preoccupation with reference to the Other in the sixteenth century is whether he is within the threshold of salvation, of conversion, or, whether he is beyond hope: it is within the context of this question that his degree of humanity (sameness) will be determined" (McGrane 1989:11). So z.B. in Calderóns La aurora en Copacabana, als sich die Spanier nähern und nur noch der Inkakönig und Yupangui auf der Bühne bleiben. Vgl. Calderón de la Barca 1994:116. Vgl. auch Lope de Vega 1980b:22; Zárate 1993:211. So verabschiedet sich Rauco, der gracioso und Diener von Rengo in Ricardo de Turias La bellígera española, vor dem Kampf: "Voime antes que los del fuerte/ salgan. Perdone mi amo;/ que a imitación las locuras/ no obligan a los criados" (Turia 1929:550).

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Ähnlich schwärmen die drei Indianerinnen in Zárates La conquista de México nach ihrer Begegnung mit den Spaniern 1 . Die Vorstellung der Indianer, es handle sich bei den Spaniern um Götter, ist realen Ursprungs und sollte bei den Eroberungen Mexicos und Perus eine wichtige Rolle spielen. Sie wird in einigen der comedias, deren Schauplätze in Amerika liegen, von den Einheimischen geäußert". Auf diese Weise wurden dem spanischen Publikum die Unkenntnis und die große Naivität der indianischen Völker demonstriert, und damit verbunden die natürliche Überlegenheit der Spanier. War in den historiographischen Briefen und Reiseberichten das Staunen der Spanier über die ihnen fremden Wesen thematisiert worden, so ist es in den comedias das Staunen der Indianer über die Fremden und deren Ausrüstung, das auf verschiedene Weise dramaturgisch umgesetzt wird. Aus der (vermeintlichen) Perspektive der Indianer werden Schiffe, Waffen, Pferd und Reiter - den amerikanischen Ureinwohnern bisher unbekannt - beschrieben 3 . Neben einer weiteren Demonstration der Unkenntnis der amerikanischen Ureinwohner zielen diese Passagen auch auf einen komischen Effekt beim Publikum ab. So sind den Indianern Spiegel unbekannt, und Palca in Lopes El nuevo mundo erschrickt wie das Kleinkind vor ihrem eigenen Spiegelbild, als Colón ihr Spiegel, Glöckchen und eine Kette schenkt 4 . Bei dieser und ähnlichen Episoden gilt es, die Situationskomik zu beachten. Ein Hauptargument, das die Inferiorität der Bewohner Amerikas zu begründen half, war das Fehlen eines dem Spanischen vergleichbaren Schriftsystems . Lope setzt dieses Faktum in El nuevo mundo in eine komische Episode um. Der gracioso Auté bringt Fray Buyl Orangen und einen Brief, in dem die genaue Anzahl der Orangen festgehalten wird. So entdeckt der Mönch, daß Auté einige Orangen gegessen hat und tadelt ihn. Auté wundert sich über das "sprechende Papier": ¡Qué extraños prodigios veo! ¡Por el sol, que el papel habla!

[...] ¡Sol divino! ¡Que calló todo el camino y que hable aqui tan aprisa! (Lope de Vega 1980b:35)

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Vgl. Zárate 1993:213. "Bajad que es gente del cielo,/ hijos de los dioses son/ que vienen con ocasión/ de honrarnos en este suelo" (Zárate 1993:214), so Glaura zu den anderen Indianern über die Spanier. Vgl. auch Claramonte 1983:216. "[...] él traía dos cabezas,/ y la una a la mitad/ del cuerpo" (Lope de Vega 1980b:26); so sieht der Indianer Tecué das unbekannte Pferd samt Reiter. Eine ähnliche Darstellung findet sich in Zárate 1993:247. Vgl. auch Claramonte 1983:252/253. Vgl. Lope de Vega 1980b:24. Eine ähnliche Episode findet sich in Zárate 1993:215. Die Bilderschriften der Azteken, die Hieroglyphen der Mayas und die Schriftschnüre (khipus) der Inkas wurden von spanischer Seite nicht als vollwertige Schriftsysteme akzeptiert. Noch fiir Todorov ist das Fehlen eines gleichwertigen Schriftsystems der Hauptfaktor für die Niederlage der indianischen Kulturen. Vgl. Todorov 1982: vor allem 69-129. Für Kritik an dieser These Todorovs vgl. Greenblatt 1991:11 /12.

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Diese Episode wiederholt sich in ähnlicher Konstellation'. Auch in Zárates La conquista de México staunen die Indianer über ein "sprechendes Papier" 2 . Groß ist die Unkenntnis der Indianer da, wo es um Dinge des Glaubens geht. Christliche Symbole sind ihnen unbekannt. So spekulieren die Einheimischen in Lopes El nuevo mundo über die Funktion des Holzkreuzes, das Colón und seine Männer kurz zuvor am Strand aufgestellt haben 3 . Der naive, unschuldige Indianer ist jedoch sofort bereit, sich bekehren zu lassen und den katholischen Glauben anzunehmen. Dies zeigt sich deutlich in dem Heiligendrama von Gaspar de Aguilar, wo sich die ersten Indianer bereits kurz nach dem Erscheinen Luis Bertráns taufen lassen 4 . In Lopes El nuevo mundo genügen einige Gewehrschüsse, und schon beten alle Indianer das Kreuz an 5 . Intuitiv scheinen die naiven Menschen in der comedia die Kraft des "wahren" Glaubens zu spüren. Bei den meisten Dramen der amerikanischen Thematik bewirken Wunder, d.h. das direkte Eingreifen Gottes, die Bekehrung 6 . Diese Szenen stehen gleichzeitig symbolhaft für die Missionierung der einheimischen amerikanischen Bevölkerung. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Indianer niedriger Herkunft sich in den comedias bereits kurz nach dem Erscheinen der Spanier zum katholischen Glauben bekennen, sich bereitwillig dem spanischen Normsystem unterwerfen und niemals an ihrem neuen Glauben und ihrer neuen Herrschaft zweifeln. Der "edle Wilde" entstammt dem indianischen Adel, ist cacique, König oder Prinzessin. Er trägt die oben beschriebenen Charakterzüge des spanischen caballero bzw. der spanischen dama. Diese vorwiegend positiv gestalteten Ehrenpersonen von Rang können sich nicht vorbehaltlos dem neuen Glauben hingeben wie die einfachen Indianer. Aufgrund ihrer Tradition und ihrer Position als Autoritätspersonen sind sie verstärkt dem alten Glauben verhaftet. Zwar ist die indianische Adelsschicht ebenso wie ihre Untertanen empfänglich für die Wunder Gottes, die sie von der wahren Religion des katholischen Glaubens überzeugen sollen, bei den Adligen bleiben jedoch Zweifel bestehen, die sie über den neuen Glauben reflektieren lassen. Die Zweifel erscheinen auf der Bühne in Gestalt von Dämonen und Idolen. So wird z.B. Lopes indianischer Held Dulcanquellín (El nuevo mundo), obwohl er sich im zweiten Akt gemeinsam mit den anderen Indianern zum katholischen Glauben bekannte, von Zweifeln geplagt 7 . Dulcanquellin erkennt die Verbindung von Missionierung und militärischer Gewalt. Dabei verleiht ihm Lope de Vega die Züge des klassischen tragischen Helden, 1 2 3 4

V g l . Lope de V e g a 1980b:37/38. Es handelt sich hier um eine typische E p i s o d e der traditionellen Schwankliteratur. V g l . Zárate 1993:249. V g l . L o p e d e V e g a 1980b:25. Vgl. auch Zárate 1 9 9 3 : 2 1 5 / 2 1 6 ; Aguilar 1929:305. V g l . Aguilar 1929:307.

5

Vgl. Lope de V e g a 1980b:27. Auch hier findet sich eine analoge Szene in Zárates La conquista de México, wobei das Wunder jedoch großartiger erscheint als bei Lope. Vgl. Zárate 1993:216.

6

In Calderóns La aurora en Copacabana ist es eine Reihe von elf W u n d e m , die die Indianer letztendlich v o m richtigen Glauben überzeugen. Auch in Aguilars Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán nimmt nach j e d e m neuen Wunder die Zahl derer, die sich taufen lassen, zu. Zur Rolle des Wunders in der comedia der amerikanischen Thematik weiter unten mehr.

7

V g l . Lope de V e g a 1980b:40.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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dessen Lage ausweglos ist: Die Akzeptanz des katholischen Glaubens bringt ihm die Gegnerschaft seines alten Gottes Ongol, bei Ablehnung des neuen Glaubens droht ihm der T o d durch die Spanier. In dieser Situation erscheint dem Indianer der Dämon Ongol, der ihn gegen die Spanier aufhetzt, indem er diese der Goldgier beschuldigt. Entscheidendes Moment für die Abkehr Dulcanquellins vom katholischen Glauben ist jedoch die Liebe: Der Dämon berichtet ihm, daß ihm der Spanier Terrazas seine Frau geraubt hat. Die Indianer töten daraufhin die Spanier, werden allerdings beim Versuch, das Kreuz ins Meer zu werfen, von einem Wunder überrascht: "Salga una cruz, con música, de donde la otra estaba, muy semejante a ella; sube poco a poco" (Lope de Vega 1980b:42), lautet die Bühnenanweisung. Dieses Wunder bewirkt dann die endgültige Bekehrung 1 . Mehr noch als Dulcanquellin ist Motezuma in Zárates La conquista de México als aztekischer Kaiser eng seinem Glauben verbunden. Er wird nicht mit dem Merkmalkatalog des spanischen Ehrenmannes beschrieben, die Darstellung seiner Großartigkeit erfolgt vielmehr über mythologische Anspielungen und hyperbolisch präsentierte Naturphänomene". Obwohl Motezuma bisher nicht z u m katholischen Glauben konvertierte, erscheint ihm ein Idol, um ihn in seinem Glauben zu bestärken. Das Idol fordert Menschenopfer als Preis für die Vertreibung der spanischen Usurpatoren 3 . Daß Motezuma kurz darauf doch den christlichen Glauben annimmt, ist nicht die Folge eines Wunders wie bei seinen Untertanen oder anderen "edlen Wilden", sondern vielmehr die des repressiven Vorgehens von Hernán Cortés, der den aztekischen Kaiser gefangennimmt 4 . Der Autor hält sich bei der Konzeption der Figur Motezumas weitgehend an die historiographische Literatur, die den Herrscher als unentschlossen, verwirrt und wenig mutig darstellt. Trotzdem ist Motezuma, vor allem aufgrund seiner Position und seiner Selbstdarstellung, der Gruppe der "edlen Wilden" zuzuordnen". 1

2 3 4 5

Zu Lopes El nuevo mundo vgl. auch Victor Dixon, "Lope de Vega and America: The New World and Arauco Tamed". Renaissance Studies 6,3-4 (1992):250-259; Allen CareyWebb, "Other-Fashioning: The Discourse of Empire and Nation in Lope de Vega's El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón". In: Amerindian Images and the Legacy of Columbus. Hg.v. René Jara und Nicholas Spadaccini (Minneapolis, London 1992), 425451; Monika Walter, '"La famosa comedia de El Mundo Nuevo descubierto por Cristóbal Colón' von Lope de Vega. Jahrhundertbilanz als Puppenspieltheater". In: Columbus zwischen zwei Welten. Historische und literarische Wertungen ausfìinf Jahrhunderten. Bd. 1. Hg.v. Titus Heydenreich (Frankfurt a.M. 1992), 277-294; Hans-Joachim Lope, "El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón. Historische, ideologische und ästhetische Implikationen eines Dramas von Lope de Vega (1614)". In: 1492 und die Folgen. Beiträge zur interdisziplinären Ringvorlesung an der Philipps-Universität Marburg. Hg.v. Hans-Jürgen Prien (Münster, Hamburg 1992), 33-52; John Brotherton, "Lope de Vega's El Nuevo Mundo descubierto por Cristóbal Colón: Convention and Ideology". Bulletin of the Comediantes 46,1 (1994), 33-47; Vgl. Zárate 1993:244. Der Verzicht auf die Hispanisierung dieser Figur verleiht dem Stück insgesamt eine "realistischere" Note. Vgl. Zárate 1993:245. Vgl. Zárate 1993:256. Nicht zu den "edlen Wilden" /u zählen sind Tipolda und ihr Vater Guacol aus Claramontes El nuevo rey Gallinaio. Trotz ihrer Positionen als Prinzessin und König von Cambox agieren die insgesamt wenig ausgeführten Figuren wie naive "Wilde". Ihr Staunen und die

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Der Prototyp des guten Heiden und edlen "Wilden" ist Yupangui aus Calderóns La aurora en Copacabana. Der Indianer ist edler Herkunft 1 . Die ersten beiden Akte zeigen Yupanguis (und Guacoldas) Entwicklung zur Akzeptanz des "wahren" Glaubens und machen aus ihm den idealen Christen. Aufgrund des "Vorwissens" seines Volkes" verfugt Yupangui über "razón natural", die ihn an der indianischen Vorstellungswelt zweifeln läßt. Er ahnt die "wahre" Religion, einen anderen, perfekten, christlichen Glauben bereits nach der ersten Begegnung mit dem Spanier Pedro de Candía 3 . Als Guacolda ihm ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Menschenopfer gesteht, ist Yupangui verwirrt, denn auch er wird offensichtlich von Zweifeln geplagt 4 . Erlöst aus seiner Konfusion wird Yupangui (und mit ihm Guacolda) durch die Liebe: die Liebe zu Guacolda, die ihm erst die Kraft gibt, gegen die Wünsche von Idolatría und dem Inka zu handeln: [...] ¿ c ó m o podré [...] arrojarme a atreuimiento tan graue, c o m o quitarle al Sol tal víctima? Pero ¿qué d u d o ni qué reparo? Que si no huviera preceptos que romper, n o huviera culpas, y quedaran sin aprecio finezas de amor q u e del las alimentan sus afectos. [...] a ver si temo o no temo al Sol [...]

(Calderón de la Barca 1994:139). Mit dieser Entscheidung zeigt Yupangui auch seinen großen Mut, den er bereits zu Beginn der comedia verriet, als er als einziger dem Spanier Candía entgegentrat. Ausschlaggebend ist jedoch die Liebe Gottes, die durch Wunder dazu beiträgt, daß die eingeborenen Amerikaner dem christlichen Glauben zugeführt werden: [...] actualiter sind die autochthoncn Zivilisationen nicht gleichrangig, wohl aber potentialiter; w i e und wann das virtuell ins aktuell G e g e b e n e umschlägt, entscheidet allein der Weltenlenker selbst, und er offenbart seiner Kreatur die von ihm g e t r o f f e n e Entscheidung vermittels e i n e s absolut exzeptionellen Ereignisses, eines Wunders (Küpper 1996:447).

Hatte schon das Wunder des Kreuzes, das Yupanguis Hand lähmte und seinen Blick blendete, den noblen Indianer beeindruckt und erste Keime eines christlichen Glaubens gesät, so sind es dann schließlich die wundersame Rettung der Spanier aus dem brennenden Palast und die Marienerscheinung, die Yupangui vollends bekehren 5 .

1

sofortige Begeisterung für den katholischen Glauben lassen keinen Platz für Z w e i f e l . Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der neuen Religion findet nicht statt. Mit f o l g e n d e n Worten führt Guáscar Yupangui auf der Bühne ein: "[...] d e s c i e n d e s también de aquella/ primera luz, por quien de Inga,/ ya que no la real grandeza,/ la real estirpe te toca" (Calderón de la Barca 1994:108).

2 3 4 5

A u f d i e "Missionstätigkeit" d e s A p o s t e l s T h o m a s wurde im letzten Kapitel hingewiesen. Vgl. Calderón de la Barca 1994:130. Vgl. Calderón de la Barca 1 9 9 4 : 1 3 8 / 1 3 9 . Vgl. Calderón de la Barca 1994:171.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Im dritten Akt verkörpert Yupangui, der nun Francisco heißt und den christlichen Glauben angenommen hat, das Idealbild des konvertierten Indianers 1 . Er hat seine Position als Angehöriger einer Adelsfamilie aufgegeben und lebt bescheiden als Handwerker, voller Ehrgeiz damit beschäftigt, im Dienste des wahren Glaubens eine schöne Statue der Jungfrau Maria zu schaffen. Auffällig ist hier die völlige Akkulturation der Indianer. Als müßten sie für ihr früheres "ungläubiges" Leben sühnen, üben sie sich in Demut. "Die Indianer sind also nach der Unterwerfung zu frommen Christen-Kindern geworden", stellt Laferl (1992b: 178) treffend fest. Das Bild des "wahren Wilden" findet sich in den Dramen des Chile-Zyklus. Zwar werden auch die Araukaner in der Literatur letztendlich bekehrt, sie leisten jedoch heftigen Widerstand gegen eine militärische Eroberung und die damit verbundene Missionierung. Diese erfolgt nicht über göttliche Wunder, sondern resultiert aus der militärischen Niederlage. Während andere comedias der amerikanischen Thematik Beginn und Verlauf der Eroberung schildern, präsentieren die Dramen des Chile-Zyklus die nach jahrelangen Kämpfen endgültige Befriedung der araukanischen Gebiete durch spanische Truppen. Vermittelt über die literarischen Vorlagen von Ercilla und Pedro de Oña orientieren sich diese Dramen verstärkt am historischen Geschehen 2 . Die allegorischen Personifikationen treten hierbei in den Hintergrund bzw. fehlen ganz 3 . Auch die "wahren Wilden" variieren in ihrer Darstellung und lassen trotz gemeinsamer Quellen und ähnlicher Episoden unterschiedliche Charakterdarstellungen erkennen 4 . Einer ähnlichen Konzeption folgen die comedias von Lope, Avila und den "nueve ingenios". Ihnen geht es vorrangig darum, die Verdienste von García Hurtado de Mendoza zu würdigen, im Gegenzug zu Ercilla, der sich den Vorwurf gefallen lassen mußte, das Vorgehen des spanischen Feldherm ungebührend präsentiert zu haben. Die "Wildheit" der Araukaner wird auf verschiedene Weise betont. Wiederholt bezeichnen die Spanier die Einheimischen als Barbaren, aber auch die Indianer selbst benutzen diese Charakterisierung. Natürlich sind die Araukaner Kannibalen. In Lopes Arauco domado werden bei mehreren Gelegenheiten Spanier verspeist. Aus dem Schädel des getöteten Conquistadors Valdivia läßt Caupolicán seine Krieger "sangre de algún español" (Lope de Vega 1969:278) trinken, um sie für den folgenden Kampf zu stärken 5 . Aufgrund ihrer großen Streitsucht kämpfen die Indianer 1

2

3 4

5

Dieser Akt stellt in der Dramenproduktion zur amerikanischen Thematik eine Ausnahme dar, da er die Kolonialzeit behandelt. Die Mehrzahl der comedias endet mit Eroberung und Missionierung. In diesem Z u s a m m e n h a n g ist zu beachten, daß Ercillas Araucana lange Zeit als das erste Werk über die araukanisch-spanischen K ä m p f e galt, auf d e m auch spätere historiographische Texte basieren. Lopes und Avilas comedias präsentieren die Figur des Demonio, Turias Drama la Muerte. Unbeachtet bleiben sollen hier die Charaktere aus Los españoles en Chile von González de Bustos. Bereits Angel Franco bescheinigt dem Stück "una pobreza inusitada en la presentación d e los personajes" (1954:122). Die als Unterhaltungsspektakel konzipierte comedia legt mehr Wert auf ihre strukturellen Handlungssequenzen (Verwechslung, Intrige usw.) als auf die Ausgestaltung ihrer auf besondere Weise hispanisierten Charaktere. Vgl. Lerzundi 1979:131-136; Laferl 1992b: 173; Escudero 1999:164/165. Für ähnliche Szenen vgl. Luis Belmonte Bermúdez u.a., "Algunas hazañas d e las m u c h a s de Don García Hurtado de Mendoza, marqués de Cañete". In: Juan Ruiz de Alarcón y Mendoza, Obras completas III. Hg.v. Agustín Millares Cario (México 1968), 544/545;

II. Amerika im Drama

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auch untereinander 1 . Sie beten die Sonne, Apó und andere Dämonen an. Eine wichtige Rolle spielt in Lopes Arauco domado die Tatsache, daß die araukanischen Stämme sich vor ihrem Aufstand bereits den spanischen Truppen unterworfen hatten und sich bekehren ließen. Hiermit ist ihre Rebellion nach spanischer Rechtsvorstellung als Verrat zu bezeichnen, ein Vergehen, das schärfer zu ahnden ist als ein erstmaliger Widerstand gegen die Unterwerfung 2 . In den comedias von Avila und Belmonte Bermúdez fehlt dieser Aspekt. Trotz ihrer "Wildheit" verfugen auch die Araukaner im spanischen Theater des Siglo de Oro über positive Eigenschaften. Wie bei ihren Vorbildern Ercilla und Oña besticht auch hier die Präsentation eines außergewöhnlichen Mutes, der die chilenischen Krieger auszeichnet 3 . Lediglich dem gracioso sind Momente der Schwäche gestattet. Stoisch werden unmenschliche Folterqualen ertragen, so z.B. von Galvarino, der in allen drei hier besprochenen Dramen von den Spaniern verstümmelt wird, was ihn zu einer zündenden Rede zur Fortsetzung der Kämpfe veranlaßt 4 . Antrieb für die Erhebung der chilenischen Kämpfer ist ihr ungebeugter Freiheitsdrang, in Verbindung mit einer großen Vaterlandsliebe. Dies sind zwei Legitimationsprämissen, die auch von spanischer Seite anerkannt wurden und den Araukanern seit Ercillas Epos die Sympathie des spanischen Publikums sicherten. TUCAPEL: La libertad sagrada en esta ceremonia está jurada. RENGO: Libre la frente altiva de Arauco ha de ser siempre (Belmonte Bermúdez u.a. 1968:545),

heißt es in Algunas hazañas. Obwohl die araukanischen Figuren in diesen drei Theaterstücken nur geringfügig hispanisiert wurden, so handeln die araukanischen Kämpfer zumindest teilweise gemäß dem spanischen militärischen Ehrenkodex. In Algunas hazañas kommentiert Caupolicán mehrfach sein ehrenhaftes Verhalten während der Kämpfe. Als Tucapel den spanischen Soldaten Rebolledo töten möchte, weist ihn Caupolicán zurecht 5 . Selbst der spanische Held García Hurtado ist erstaunt über das ehrenhafte Schlachtgebaren der Araukaner 6 .

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Gaspar de Avila, "El gobernador prudente". In: Dos comedias famosas y un auto sacramental. Hg.v. José Toribio Medina (Santiago de Chile 1915), 20,40-42. Shannon weist darauf hin, daß diese Szenen keine Entsprechung bei den beiden Hauptquellen, Ercilla und Oña, haben. Vgl. Shannon 1989:150/151. So z.B. die beiden Rivalen Tucapel und Rengo in Belmonte Bermúdez u.a. 1968:543. Gemäß den Ausführungen Francisco de Vitorias war eine andere Religion keine Rechtfertigung für einen gerechten Krieg. Hatten die Indianer sich jedoch freiwillig der spanischen Krone unterworfen, unterstanden sie spanischem Recht. Vgl. Fisch 1984:219-221; Shannon 1989:126-130. Der Mut der Araukaner wird vor allem von spanischer Seite bewundernd anerkannt, wie z.B. in Lopes Arauco domado: "¡Notable bárbaro!" (Lope de Vega 1969:250), ruft García Hurtado nach einer Schlacht, beeindruckt vom Mut Caupolicáns. Vgl. z.B. Lope de Vega 1969:273. "No es valerosa/ hazaña: nadie le ofenda;/ que cuando solo se arroja/ por el honor que ha perdido,/ matarle tantos no es honra" (Belmonte Bermúdez u.a. 1968:568). Vgl. z.B. Belmonte Bermúdez u.a. 1968:569.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die araukanischen Indianer in den drei hier besprochenen comedias zwar als authentische "Wilde", gleichzeitig jedoch auch als mutige, freiheitsliebende und zum Teil ehrenhafte Krieger präsentiert werden. Die positiven Eigenschaften wie Mut und Kampfgeist waren unabdingbare Charakteristika der von den Spaniern besiegten Amerikaner, da eine Erhöhung der kriegerischen Fähigkeiten des Gegners gleichzeitig die Leistungen der spanischen Helden aufwertet. Während die araukanischen Nebenfiguren auf wenige stereotype Eigenschaften beschränkt sind 1 , ragt Caupolicán als indianischer Protagonist und Held - vor allem in Lopes Arauco domado - heraus 2 . Auffallend ist seine Unentschlossenheit, sein Zweifeln, das er mit den "edlen Wilden" wie Yupangui, Dulcanquellin oder Motezuma gemein hat. In Lopes comedia entscheidet sich Caupolicán nie aktiv fiir einen Angriff auf die spanischen Truppen; vielmehr wird er zu diesen Entscheidungen gedrängt: Sei es durch die Stimmenmehrheit der anderen caciques, durch direkte Anordnung des Dämonen Pillán oder aufgrund des Erscheinens des toten Lautaro. Folgerichtig kann der araukanische Held am Ende seines Lebens feststellen: [...] que no he sido quien más los ha rebelado: que a todo acudí forzado, y de sus riegos vencido (Lope de Vega 1969:284). Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu Caupolicáns eigenem Freiheitsdrängen, das er verschiedentlich äußert. Diese widersprüchliche Haltung, die keine eindeutige Position kennt, verleiht dem indianischen Protagonisten individuelle Züge 3 . Gleichzeitig nähert er sich dem oben vorgestellten Konzept des "edlen Wilden" an, das er jedoch nicht ganz erfüllt 4 . Zwar wird er aus ähnlichen Gründen wie Dulcanquellin wieder abtrünnig, es findet jedoch bei ihm keine Reflexion über seine tragische Lage statt, darüber hinaus wird er nicht durch ein Wunder bekehrt, sondern allein durch rohe physische Gewalt 5 . 1

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3

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Lerzundi charakterisiert Tucapel aus Lopes Arauco domado ganz richtig als "símbolo personificado de la libertad" (1979:107), dessen Rivalen Rengo als den friedfertigen Pragmatiker, der die Überlegenheit der Spanier anerkennt, und Galvarino "sí representa sin lugar a dudas el ideal de libertad y la repulsión por toda forma de opresión extranjera" (Lerzundi 1979: 109). Zur Charakterisierung des indianischen Personals aus Lopes Arauco domado vgl. Lerzundi 1979:106-113. Zu Lopes Arauco domado vgl. auch Victor Dixon, "Lope de Vega, Chile and a Propaganda Campaign". Bulletin ofHispanic Studies 70 (1993):79-95; Glen F. Dille, "America Tamed: Lope's Arauco domado". In: New Historicism and the Comedia: Poetics, Politics, and Praxis. Hg.v. José A. Madrigal (Boulder 1997), 111-128. Auf einen anderen Widerspruch Caupolicáns weist Shannon hin: Auf der einen Seite gibt der araukanische Held zu, sich dem spanischen König unterworfen zu haben, gleichzeitig beharrt er jedoch auf seinem Postulat der Freiheit. Shannon sieht darin allerdings eher einen Widerspruch in der Konzeption Lopes, als daß er dies als individuellen Zug Caupolicáns gelten läßt. Vgl. Shannon 1989:128-130. Caupolicán folgt hiermit einer ähnlich ambivalenten Konzeption, wie sie Ercillas Figuren kennzeichnet. Weniger unterscheidet sich Caupolicán von Zárates Motezuma, der jedoch als Nebenfigur zu wenig ausgeführt ist, um einem Vergleich dienen zu können.

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/ / . Amerika im Drama

Eine weitere Facette, die Caupolicán gegenüber den anderen araukanischen Figuren mehr Individualität verleiht, ist seine Rolle als Liebender 1 . In einer dem locus amoenus nachempfundenen idealen Landschaft nimmt er gleich zu Beginn des Dramas mit Fresia ein Bad und übt sich in einfacher traditioneller Liebesrhetorik 2 . Zerrissen zwischen eigenen Zweifeln und dem Drängen der anderen Krieger und Dämonen endet Caupolicán zwischen Schuld und Unschuld tragisch 3 . Er wird von den spanischen Truppen gefangengenommen und auf grausame Weise gefoltert. In diesen Momenten erkennt der araukanische Held den wahren Glauben und konvertiert. Mit seinen letzten Worten in Sonettform übt sich Caupolicán in Demut und bedauert, daß seine Einsicht so spät kam: "perdonadme, Señor, si me detengo" (Lope de Vega 1969:287). Da Caupolicán gepfählt wird, drängt sich die Parallele zu Jesus auf. Die Hinrichtung des Araukaners gilt als Schlußpunkt der spanisch-chilenischen Kämpfe, denn das Land ist befriedet, das Volk endgültig bekehrt. So wird auch Caupolicán zum Erlöser, indem er den neuen Glauben akzeptiert und somit seinem Volk als Vorbild dient. Diese Konzeption wird erweitert in Lopes auto sacramental La Araucana, auf das an anderer Stelle zurückzukommen sein wird. Mit Caupolicán gelingt Lope de Vega eine große, nicht eindeutig zu bestimmende Figur, die dem eigentlichen Protagonisten der comedia, dem spanischen Conquistador García Hurtado, ernsthaft Konkurrenz macht 4 . Während Lopes Caupolicán eher ungewollt die heroischen Verdienste des spanischen Helden in den Schatten zu stellen scheint, werden in Ricardo de Turias La belligera española bewußt bestehende Hierarchien umgangen 5 . Den Indianern und ihren Angelegenheiten wird dabei erstaunlich viel Platz eingeräumt. Die comedia 1

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Im Gegensatz zu Ercillas Araucana und den Dramen von Turia und G o n z á l e z de Bustos spielen die Liebesangelegenhctten in den comedias von Lope, Avila und B e l m o n t e Berm ú d e z eine marginale Rolle. S e i n e Rede ist dabei jedoch durchsetzt mit militärischen Reminiszenzen: "Pídeme, Fresia hermosa,/ n o conchas, no crisolas/ de perlas para alfombras, s i n o dime:/ Caupolicán. enlosa/ de c a s c o s de españoles/ todo este mar, que por tragarlos g i m e [...]" ( L o p e de V e g a 1969:240). Zur B a d e s z e n e vgl. auch A. Robert Lauer, "Caupolicán's Bath in Pedro de Oña's Arauco domado and its Dramatic Trcatment in the Spanish Comedia o f the Golden A g e with Special Reference to Ricardo de Turia's La belligera española, Lope de Vega's El arauco domado, and Francisco de González Bustos's Los españoles en Chile". In: Homenaje a José Durand. Hg.v. Luis Cortest (Madrid 1993), 100-112.

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Zwar dürfte für den z e i t g e n ö s s i s c h e n Rezipienten die Schuld Caupolicáns aufgrund des Aufstands g e g e n einen bereits akzeptierten Herrscher erwiesen g e w e s e n sein, sein une n t s c h l o s s e n e s Handeln läßt sein Scheitern j e d o c h eher als Schicksal denn als selbstverschuldet erscheinen bzw. läßt die Entscheidung darüber bewußt o f f e n .

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In Algunas hazañas gerät Caupolicán äußerst blaß und verrät w e n i g individuelle Züge. D a g e g e n ähnelt A v i l a s araukanischer Protagonist d e m Entwurf Lopes.

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D i e Literatur zu Turias La belligera española ist mehr als dürftig. N e b e n Lerzundi 1979 hat sich José Toribio Medina mit d e m Werk beschäftigt, allerdings nur mit der Autorschaft und der Quellenlage. Vgl. die Vorbemerkungen von M e d i n a zu La belligera española in José Toribio Medina (Hg.), Dos comedias famosas y un auto sacramental (Santiag o d e Chile 1915), 115-125. Eine knappe A n a l y s e neueren D a t u m s liefert Laferl 1992a: 2 2 4 - 2 2 8 ; Laferl 1992b: 169/170. Vgl. auch Escudero 1 9 9 9 : 1 3 1 - 1 4 2 , deren A n a l y s e d e m Drama j e d o c h nicht gerecht wird.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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stellt ein anderes Personal in den Mittelpunkt ihrer Handlung als die eben besprochenen drei Dramen: Zentral ist die Liebesgeschichte um die drei Araukaner Lautaro, Rengo und Guacolda; Caupolicán wird nur noch in Erzählungen erwähnt. Zwar findet sich verschiedentlich ein "fieros bárbaros" zur Bezeichnung der einheimischen Indianer, es handelt sich hierbei jedoch um ein inhaltsleeres Attribut, das eine andere Nation formelhaft eher aufgrund der Geschichte als ihres wahren Charakters kennzeichnet. Die Wildheit wich einer starken Hispanisierung, die auch die äußerst blutigen Greueltaten anderer literarischer Werke tilgte. Trotz ihres nach wie vor außergewöhnlichen Mutes und ihrer Stärke, und obwohl sie auch weiterhin bereit sind, fiir ihr Vaterland ihr Leben zu lassen1, unterscheiden sich die araukanischen Helden nur noch unwesentlich von dem Konzept, das in anderen comedias die spanischen Helden bestimmt. Dies zeigt sich in der ausgefeilten, rhetorisch geschulten und komplizierten Sprache der Indianer2, die nichts mehr mit der simplen Liebesrhetorik eines Caupolicán aus Lopes Arauco domado gemein hat. Der Stellenwert der Ehre entspricht exakt dem der spanischen Gesellschaft, und auch das Duell spielt eine Rolle 3 . Dafür fehlen viele der Attribute, die ansonsten die Indianer ausmachen: Äußerlichkeiten wie die berühmten Federn, der Kannibalismus, die Verbindung zu den Kräften des Bösen (nur kurz erscheint der araukanische Gott Eponamón); sogar die Missionierung wird mit keinem Wort erwähnt. Zwar hat Laferl recht, wenn er behauptet, die Indianer aus La belligera española wären den Spaniern fast gleichgestellt4, er vergißt aber zu erwähnen, daß dies nur auf Kosten ihrer Alterität möglich ist. Die Indianer der vorliegenden comedia sind nahezu aller ihrer Charakteristika beraubt, seien diese nun über historiographische oder literarische Quellen vermittelt. Lautaro und Guacolda sind das ideale Liebespaar, das sich kaum von unzähligen spanischen der Dramen der Epoche unterscheidet. Ihre Liebe wird gestört durch Rengo, ebenfalls mutig und stark, aber aufgrund seiner Besessenheit von Guacolda negativ gezeichnet5. Während Lautaro zu Beginn auf Befehl seines Vaters auf der Seite Spaniens kämpft, sich jedoch dann seiner Vaterlandsliebe besinnt und den goldgierigen Valdivia verrät, paktiert Rengo nur mit den spanischen Truppen, um auf diese Weise Guacolda zu erobern und Lautaro zu vernichten6. Der Krieg steht hiermit im Dienst der Liebe, ordnet sich als Thema der Liebesgeschichte unter. Lautaro, "Otelo demoníaco" (Lerzundi 1979:116), endet tragisch: Die Prophezeiung Valdivias, er werde vor seiner Geliebten durch einen Pfeilschuß sterben, erfüllt sich. Rengo, der Verräter Araucos, erhält Guacolda als Frau, die ihm jedoch Rache schwört. Die positive Charakterisierung der beiden indianischen Protagonisten Lautaro und Guacolda, die sich ebenfalls der Konzeption des "edlen Wilden" annähern, ergibt 1 2

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Vgl. Turia 1929:529. So z.B. Lautaros Gedanken zum Feuer der Liebe: "En fin, quemar y alumbrar,/ mas este fuego de amor/ viene a tener la peor,/ que es solamente abrasar,/ y así abrasa donde llega,/ que no sólo luz no ofrece;/ mas la que halla escurece,/ pues la de la razón, ciega" (Turia 1929:519). Vgl. Turia 1929:549-552. Vgl. Laferl 1992b: 170. Zum Inhalt der comedia vgl. Lerzundi 1979:68-70; Laferl 1992b: 170. Rengo ist der negativ konnotierte Verräter. Vgl. Turia 1929:558.

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II Amerika im Drama

sich zu einem Teil durch den Kontrast zu den spanischen Figuren, die äußerst negativ präsentiert werden. Die Gier nach Gold und Sex wird mehrfach thematisiert, wobei auch die Conquistadores Valdivia und Francisco de Villagrán nicht verschont bleiben1. Mit Doña Mencía als einzig positiv gezeichneter spanischer Persönlichkeit schafft der Autor zwar eine starke Frauenfigur2, dennoch betont diese Konzeption auf besondere Weise die Schwäche der spanischen Seite. Lächerlich erscheint der Bewunderer und Gehilfe von Doña Mencía, Pedro de Villagrán, der nicht einmal über genügend Autorität verfugt, um die beiden Soldaten, die offensichtlich Guacolda vergewaltigen wollen, zu verjagen: Er kauft ihnen die Indianerin ab3. Ricardo de Turias La bellígera española verfügt über eine ähnliche Struktur wie die oben bereits besprochene comedia Los españoles en Chile von González de Bustos. Hier wie dort überlagert eine Liebesgeschichte die kriegerischen Handlungsstränge, läßt sich eine enorme Hispanisierung des indianischen Personals feststellen. Der Hauptunterschied, der die beiden Dramen dann doch zu wesentlich verschiedenen macht, liegt in der jeweiligen Funktion, die wiederum durch die Zeit bestimmt wird: Während Turias La bellígera española sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch äußerst kritisch und gewagt gegen das spanische Vorgehen ausspricht, wobei der Autor inhaltlich offensichtlich an Diskussionen des 16. Jahrhunderts anknüpft, dient Mitte des 17. Jahrhunderts Arauco nur noch als Stoff und Kulisse eines vergnüglichen Unterhaltungsspektakels, was erst durch einen großen zeitlichen Abstand zu den Ereignissen möglich war. Die bisher präsentierte Typologie der Indianerfiguren der spanischen comedia des Siglo de Oro gilt für die Frauen ebenso wie für das männliche Bühnenpersonal. Naivität und Neugierde spielen bei den indianischen Frauenfiguren eine dominante Rolle: In vielen der Dramen sind die Frauen die ersten, die auf die Spanier zugehen4, sie lassen sich beeindrucken von Spiegeln und billigem Tand und sind sofort bereit zur Konversion. Auch für den Typus des "edlen Wilden" lassen sich Beispiele in der Frauenwelt finden, wie z.B. Guacolda aus Calderóns La aurora en Copacabana. Und zu den weiblichen "wahren Wilden" zählen auf jeden Fall Fresia aus Lopes Arauco domado, Gualeva aus Algunas hazañas der "nueve ingenios" ebenso wie Te1

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"Francisco de Villagrán, [...] en vez de juntarse/ con los que sólo salieron/ de la Imperial para verse/ con Valdivia en cierto puesto,/ le fué a ver con vista aguda,/ aunque de cudicia ciego,/ sacar de unas minas suyas/ el rubio metal de Febo;/ y como el oro es imán,/ y el imán atrae el [hjierro,/ Valdivia, por ir al oro,/ cometió infinitos yerros" (Turia 1929: 538/539). Melveena McKendrick bezeichnet Doña Mencía ais "one of the most pleasing of the most unusual women in the Spanish theater" (1974:163). Auf den mangelnden historischen Hintergrund der Figur verweist Medina 1915:123-125. Vgl. die Episode in Turia 1929:557 So z.B. in Aguilars Vida y muerte del Sanio fray Luis Bertrán, wo das erste Treffen auf der Bühne zwischen der Königin Teolinda, ihrem Gefolge und dem spanischen Heiligen stattfindet. Tirsos Amazonas en las Indias zeigt als erstes Menalipe und Gonzalo Pizarro im Kampf. Tirsos La lealtad contra la envidia beginnt mit einem Gespräch zwischen der India Guaica und dem Spanier Castillo. In Lopes El nuevo mundo begegnet Palca Colón und seinen Männern. Zárate konstruiert eine Szene mit drei Indianerfrauen, Cortés und einigen spanischen Soldaten. Vélez de Guevaras Las palabras a los reyes läßt das erste Treffen zwischen Francisco Pizarro und der Indianerin Tucalpa stattfinden.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

315

olinda aus Aguilars Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán. Auffällig ist, daß sich diese charakteristischen Merkmale bei einigen Frauenfiguren besonders ausgeprägt präsentieren. Sie sind naiver, edler oder noch wilder als ihre männlichen Pendants 1 . Wichtig erscheint hier nun ein Thema, das das indianische weibliche Personal in nahezu allen comedias der Thematik begleitet: die Präsentation der Indianerin ais Sexualobjekt der spanischen Männer. Tatsächlich wurden während der spanischen Eroberungsfeldzüge indianische Frauen von den spanischen Soldaten ebenso begehrt wie Gold und Reichtum: "Le côté humain des Espagnols, c'est leur soif des biens terrestres: l'or, dès le début, on l'a vu; et, peu après, les femmes", so Tzvetan Todorov (1982:47). Aufgrund der Nacktheit oder leichten Bekleidung der Indianerinnen, ihrer Unbefangenheit und aufgrund eines anderen Sexualverhaltens der amerikanischen Frauen kamen die spanischen Conquistadores und ihre Gefolge schnell zu der Annahme, die indianischen Frauen wären allzeit bereit für sexuelle Abenteuer. So ergab sich eine Vielzahl "kultureller Mißverständnisse", die zu Vergewaltigungen führten, zu denen sich die Eroberer außerdem aufgrund ihrer militärischen Erfolge berechtigt sahen 2 . An der Verbreitung der Vorstellung der leichtfertigen Indianerin war maßgeblich die historiographische Berichterstattung beteiligt, die ihre Texte - wohl wissend um die Erwartungen eines sensationsbegierigen Publikums - mit entsprechenden Anspielungen und pikanten Details anreicherte 3 . Häufig findet sich auch die Verbindung von sexueller Freizügigkeit und Kannibalismus: Von allen Absonderlichkeiten, die von den Entdeckern, Eroberern und Reisenden über die Neue Welt berichtet worden waren, schien das Bild der nackten, männermordenden Kannibalin am besten dazu geeignet, die faszinierende und doch zugleich so schockierende Andersartigkeit der Völker dieses Kontinents zu versinnbildlichen (Kohl 1987b:87).

Sexuelle Freizügigkeit und Leichtfertigkeit der indianischen Frauen werden auch in der spanischen comedia der Epoche thematisiert. So z.B. in Lope de Vegas El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón, wo sich der Soldat Arana über Palcas sofortige Bereitschaft zur körperlichen Liebe wundert: 1

2

3

So trägt Guacolda aus Calderóns La aurora en Copacabana eindeutig edlere Züge als Yupangui. Ihr Schicksal ist tragischer, sie erkennt eher den neuen Glauben und leistet vehementer Widerstand. Fresia aus Lopes Arauco domado ist an "Wildheit" kaum zu überbieten, wenn sie aus Wut und Enttäuschung über Caupolicáns Niederlage das gemeinsame Kind in den Abgrund schleudert. In der modernen historiographischen Literatur wird dieser Aspekt der spanischen Eroberungen nur am Rande vermerkt. Zu den Beziehungen zwischen spanischen Männern und indianischen Frauen vgl. Ricardo Herren, La conquista erótica de las Indias, Barcelona 1991; Francisco Morales Padrón, "Las mujeres como tentación". In ders., Vida cotidiana de ¡os conquistadores españoles (Madrid 1992), 161-186; außerdem das essayistisch verfaßte Werk von Emilio García-Meras, Picaras indias. Historias de amor y erotismo de la conquista I "De un mujeriego llamado Colón a un lujurioso apellidado Cortés", o.O. 1992. Zu den indianischen Frauen allgemein vgl. Barbara Potthast-Jutkeit, "Die Rolle der Frauen in Conquista und Kolonisation". In: Ibero-Amerikanisches Institut Berlin 1992:45-48. Als frühes Beispiel mag hier Vespucci mit seinem "Mundus Novus"-Brief gelten. Er beschrieb, mit anschaulichen Beispielen, die Indianerinnen als "libidinosissimae". Americi Vespuci [Vespucci], Navigationis tertiae duae enarrationes diversae (o.O. 1501), 3. Vgl. auch Gewecke 1986:103/104; Kohl 1987b:63-87.

II. Amerika

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im

Drama

N o vi tal facilidad. Por deshonra tienen éstas el negar la voluntad; que del no vestirse honestas les nace la enfermedad ( L o p e de V e g a 1980b:35).

Andere indianische Frauen werben aktiv um die Gunst eines (spanischen) Mannes. So Guacolda in Algunas hazañas, die versucht, im Lager von García Hurtado zu spionieren und dabei auch ihre körperlichen Reize einsetzt'. Als der Marqués sie jedoch abweist und ihr kurz darauf der Spanier Rebolledo seine Liebe erklärt, hat sie auch gegen eine Verbindung mit diesem nichts einzuwenden 2 . Als Verführerin agiert Tegualda in Aguilars Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán. Sie soll auf Veranlassung von Teolinda den frommen Luis in Versuchung fuhren und vom Pfad der Tugend abbringen, ein Vorhaben, das natürlich nicht gelingt 3 . Eine Ausnahme in der Figurenkonzeption bietet hier Tirso de Molina in seinem dritten Teil der Pizarro-Trilogie. La lealtad contra la envidia. Die India Guaica weigert sich, sich mit dem Spanier Castillo einzulassen, um ihren Verlobten zu retten. Sie ist treu, und obwohl sie länger als ein Jahr einem Spanier diente, noch unberührt 4 . U m dem Drängen des Spaniers zu entgehen und gleichzeitig ihren Verlobten zu retten, ersinnt Guaica eine List, die ihr die andere Gier der Spanier - die nach Gold - bietet: Sie verspricht Castillo hundert Goldbarren, die sie angeblich in einem stillgelegten Brunnen versteckt hat. Als Castillo sich über den Brunnen beugt, stößt ihn Guaica hinab 3 . Bei dieser Figurenführung, die natürlich eine Kritik am spanischen Verhalten impliziert 6 , besticht die India durch ihre Ehrhaftigkeit und ihre Klugheit. Damit verfügt Guaica über die wichtigsten Eigenschaften der positiv gezeichneten spanischen Frau der comedia des Siglo de Oro1. Trotzdem bleibt die Figur eine Ausnahme, und die Beispiele der "edlen Wilden" finden sich bei den Frauenfiguren seltener als die der naiven Willigen oder kämpferischen Verführerin. Diese Frauenbilder der ausschließlich männlichen comedia-Autoren der amerikanischen Thematik verweisen auf die Gesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts, die eine äußerst rigide Sexualmoral kennzeichnet. Da es den spanischen Rezipienten unmöglich war, die indianischen Gemeinschaften in ihrem Kontext zu verstehen, boten sich die indianischen Frauen, über die die historiographische Literatur Schockierendes berichtete, als Projektionsflächen für die gewagtesten Männerphantasien an, die jedoch gleichzeitig mit einem moralischen Urteil versehen wurden 8 . 1 2 3 4 5 6 7

8

Vgl. B e l m o n t e Bermüdez u.a. 1968:559. Vgl. B e l m o n t e Bermüdez u.a. 1968:565. V g l . Aguilar 1929:315. W a s Castillo nicht glauben mag: "¿Uno, y doncella? Es engaño" (Molina 1993:IV,102). Vgl. Molina I 9 9 3 : I V , 1 0 7 . D i e s e Kritik wird j e d o c h abgeschwächt durch die Tatsache, daß es sich bei Castillo um den gracioso und somit bei der Episode um eine vorrangig komische handelt. Vgl. Raquel Minián de Alfie, "Las mujeres indias en la 'Trilogía de los Pizarros' en Tirso de Molina". In: Actas del III Congreso Argentino de Hispanistas 'España en América y América en España'. Bd. 2. Hg.v. Luis Martínez Cuitiño und Elida Lois ( B u e n o s Aires 1993), 6 8 8 . V g l . hierzu auch Laferl 1992b: 166.

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Darüber hinaus integrierten die am Erfolg orientierten Dramaturgen diese Szenen auch, da sie mit der Begeisterung des Publikums rechneten, "für das die Laszivität der dargestellten Szene sicher attraktiv war" (Laferl 1992b: 166). Beide hier benannten Präsentations weisen von indianischen Frauen auf der Bühne des Siglo de Oro - besondere Ausprägung von Charakterzügen und sexuelle Freizügigkeit - lassen sich auch durch eine genauere Betrachtung der Funktion der spanischen Frauenfiguren in der comedia erklären. Im vermeintlichen Widerspruch zur damaligen gesellschaftlichen Situation erscheint die Tatsache, daß viele Frauen auf den Bühnen des Siglo de Oro aktive Rollen übernahmen 1 . Hier gilt jedoch die Anwendung des karnevalesken Prinzips Bachtin'scher Prägung 2 , das weniger gesellschaftliche Zustände auf die Bühne bringt, als daß es Theater als Spiel versteht, das für die Zeit der Auffuhrung die geordnete Welt auf den Kopf stellt 3 . El mundo al revés gibt den Frauen auf der Bühne Charaktereigenschaften und Möglichkeiten, die ihnen in der Wirklichkeit zumeist verwehrt blieben 4 , wobei die ursprüngliche Ordnung am Ende der comedia wiederhergestellt wird5. Der Unterschied in der Konzeption der spanischen und amerikanischen Frauen liegt somit nur noch darin, daß erstere trotz aller Aktivität und Gevvagtheit innerhalb des moralisch akzeptierten Rahmens verbleiben oder für ihre moralischen Verfehlungen bestraft werden 6 , während den Indianerinnen die "Verwerflichkeit" inhärent ist7. *

1

Für die Rolle der spanischen Frau in der comedia

vgl. Dawn L. Smith, "Introduction: T h e

Perception of Women in the Spanish Comedia". In: The Perception of Women in Spanish

2

3

Theater of the Golden Age. Hg.v. Anita K. Stoll und Dawn L. Smith (Lewisburg, London, Toronto 1991), 17-29. Als umfassendste Arbeit zu diesem Thema gilt nach wie vor McKendrick 1974. "f...] carnival celebrated temporary liberation from the prevailing truth and from the established order; it marked the suspension of all hierarchical rank, privileges, norms, and prohibitions". Mikhail Bakhtin, Rabelais and His World. Übersetzt von Helene Iswolsky (Bloomington 1984), 10. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von A m y R. Williamsen, "Sexual Inversion: Carnival

and La mujer varonil in La fénix de Salamanca and La tercera de sí misma". In: The Perception of Women in Spanish Theater of the Golden Age. Hg.v. Anita K. Stoll und Dawn 4

5 6 7

L. Smith (Lewisburg, London, Toronto 1991), 259-271. Natalie Z e m o n Davis weist auf die lange Tradition dieses Verfahrens hin: "In hierarchical and conflictive societies, which loved to reflect on the world turned upside down, the top o s of the woman on top was one of the most enjoyed. Indeed, sexual inversion - that is, switches in sex roles - was a widespread form of cultural play, in literature, in art, and in festivity". Natalie Zemon Davis, "Women on Top: Symbolic Sexual Inversion and Political Disorder in Early Modern Europe". In: The Reversible World. Symbolic Inversion in Art and Society. Hg.v. Barbara A. Babcock (Ithaca, London 1978), 152. Die zeitweilige Inversion im Theater stellt nicht nur am Ende die alie O r d n u n g wieder her, ihr kommt z u d e m eine systemstabilisierende Funktion zu. Vgl. Williamsen 1991:262. Und oft sogar mit dem Leben büßen müssen, wie z.B. Leonor in Calderóns El médico de su honra, die lediglich in den Verdacht eines ungebührlichen Verhaltens geraten war. Natürlich werden auch sie bestraft, allerdings nicht individuell, sondern kollektiv für ihre gesamte - ungläubige - Existenz: durch Unterwerfung und Missionierung.

318

II. Amerika im Drama

Amerika war für die spanischen Dramaturgen des Siglo de Oro ein beliebiger historischer Stoff 1 . Dieser wurde, wie andere historische Themen auch, für das Theater bearbeitet und fiktionalisiert. Verwendete Quellen, die spezielle Intention des Autors und die Anforderungen des zeitgenössischen Theaters waren dabei verantwortlich für die besondere Ausgestaltung des jeweiligen Textes. Der Aspekt der Information war untergeordnet. In keinem Fall ging es den damaligen Autoren um eine "realistische" Darstellung von Indianern auf den Bühnen der corrales und Paläste. Die Präsentation von Indianern im spanischen Theater des Siglo de Oro ist geprägt von einer großen Unkenntnis der Autoren. Diese orientieren sich an den bereits stark verzerrten Indianerbildern der Quellen und schreiben die stereotypen Vorstellungen über indianisches Leben fort, wie sie große Teile der schriftlichen Berichterstattung, der öffentlichen Diskussion und der graphischen Darstellung ausmachten. Dies zeigt bereits die äußere Aufmachung der Figuren: Braune Haut, Federn, Pfeil und Bogen fehlen in keiner comedia. die Indianer auf die Bühne bringt. Doch auch die behandelten Themen korrelieren mit dem verbreiteten stereotypen Bild: "Irrglaube", Missionierung, sexuelle Freizügigkeit und kriegerische Handlungen. Zentraler Aspekt bei der Fundierung des indianischen Personals sind jedoch die strengen Vorgaben der spanischen comedia'. Die speziellen Anforderungen der Gattung - die sich nicht zuletzt seit Lope de Vega stark am Publikumsgeschmack orientierten - bestimmten, was auf der Bühne präsentiert wurde und auf welche Weise. Dieser "Zwang" des Genres war hauptsächlich verantwortlich für die weitgehende Hispanisierung der indianischen Figuren im Theater des Siglo de Oro. Die comedia schreibt den ethischen Rahmen der spanischen Ständegesellschaft vor, dem auch das indianische Personal zu gehorchen hat. Auch wenn sich verschiedene Abstufungen der Hispanisierung feststellen lassen, dominieren doch zwei Verfahren der Begegnung mit dem Indianischen: Durch eine starke Hispanisierung wird dieses dem Spanischen gleichgemacht, so daß ihm nichts Eigenes bleibt. Der Indianer auf der Bühne des Siglo de Oro ist dann den spanischen Figuren gleichgestellt 3 , verliert jedoch seine Identität. Oder der andere wird als Exot in seiner Fremdheit belassen, wobei seine Inferiorität festgeschrieben und er zur Projektionsfläche für spanische Phantasien wird. Was den strukturellen und inhaltlichen Vorgaben der spanischen comedia zuwiderläuft, findet keine Aufnahme in das Drama. Hierbei ist die heilsgeschichtlichdidaktische Funktion der comedias zur amerikanischen Thematik von Bedeutung. So 1

Bis heute fehlt eine umfassende Monographie zum historischen Drama des Siglo de Oro. Für Lope de Vega vgl. Carol Bingham Kirby, "Observaciones preliminares sobre el teatro histórico de Lope de Vega". In: Lope de Vega y los orígenes del teatro español. Actas del I congreso internacional sobre Lope de Vega. Hg.v. Manuel Criado de Val (Madrid 1981), 329-337; Stephen Gilman, "Lope, dramaturgo de la historia". In: Lope de Vega y los orígenes del teatro español. Actas del I congreso internacional sobre Lope de Vega. Hg.v. Manuel Criado de Val (Madrid 1981), 19-26; Elaine Ann Bunn, The Early History Plays of Lope de Vega: Classification and Analysis, Ann Arbor 1976.

2

Gilman stellt dieses Verfahren auch für andere historische Figuren fest: "[...] el rey don Pedro y su hermano Enrique carecen de carácter histórico. Son galanes jóvenes, enamoradizos y fogosos: personajes típicos de cualquier pieza de capa y espada [...]" (Gilman 1981:20). Dieses Verfahren findet sich z.B. in Tunas La bellígera española sowie in González de Bustos' Los españoles en Chile.

3

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

319

fehlt die Bekehrung in kaum einem der entsprechenden Theaterstücke, nahezu alle Indianer werden getauft 1 . Überraschend ist die nur knappe Darstellung von Kannibalismus und Menschenopfer, zwei Attributen, die eng mit der sonstigen Präsentation indianischen Wesens in Europa verbunden waren und dabei eine exzellente legitimatorische Funktion übernahmen. Doch zeigt sich hier wieder der enge Rahmen der Gattung comedia: Wahre Menschenfresser widersprechen den höfischen Anforderungen an das Bühnenpersonal des Siglo de Oro. So wird das Kannibalentum allenfalls zum humorigen Relikt, zur amerikanischen Albernheit. Neben den historiographischen Quellen, die zur Konzeption der Bühnenindianer mit großer künstlerischer Freiheit benutzt werden, dominiert als Hauptquelle ein Werk der Literatur: Ercillas Araucana. Der prägende Vorbildcharakter dieses Epos läßt sich durch die große Verbreitung und den enormen Erfolg des Buches erklären. Als literarisches Werk, das historisches Geschehen bereits bearbeitet präsentiert, war es für die damaligen Autoren von großem Nutzen. Neben den weiteren üblichen literarischen Einflüssen, denen das Personal der comedias der Epoche insgesamt unterlag, wäre noch eine Figur des spanischen Theaters zu nennen, die über eine lange Tradition verfugt und die Konzeption der indianischen Figuren beeinflußte: die Figur des "hombre salvaje", des "wilden Mannes" 2 . In seinen Untersuchungen weist Oleh Mazur nach, daß die Indianerfiguren gerade in ihren ersten Ausformungen noch sehr unter dem Einfluß des Konzepts des Wilden und Barbaren standen 3 . Ähnlich ist vor allem die äußere Erscheinung dieser Figuren, die Kleidung, Waffen und bestimmte Verhaltensweisen 4 . Die gegenseitige Beeinflussung von Wilden und Indianern führte zu konzeptionellen Überlappungen 5 . Nur die geographische Lokalisierung trennt auf der Bühne die Indianer von den Wilden und Barbaren, die über Europa verstreut siedeln 6 . Dominante Themen sind in jedem Fall Religion und Bekehrung. Während das europäische Drama der Epoche 1

2 3

Der Ausnahmefall Guáscars aus Calderóns La aurora en Copacabana erklärt sich durch die dezidiert religiöse Fragestellung der comedia, die Guáscar als Gegenspieler Yupanguis der Verdammung preisgibt. Zur Geschichte der Figur des "wilden Mannes" von der Antike bis zum Barockzeitalter vgl. Mazur 1980:23-37. Mazur benutzt hier das Beispiel der Keule, Waffe der Wilden und Barbaren, die sich in Lope de Vegas El nuevo mundo noch findet, während Calderóns La aurora en Copacabana die Indianer nur mit Pfeil und Bogen ausrüstet. "This fact might be one of the proofs that the descriptions of the American Indians found their way into the Spanish comedia only gradually". Oleh Mazur, "Lope de Vega's Salvajes, Indios and Bárbaros". Iberoro-

mania 2,4 (1970):265. 4 5

Vgl. hierzu Mazur 1980:88-149. Vgl. hierzu Mazur 1970:260/261; Mazur 1980:1-6; Madrigal 1973:8-33. Lope de Vega, Tirso de Molina, Calderón de la Barca u.a. haben neben comedias zur Amerika-Thematik auch Dramen verfaßt, in denen europäische Wilde vorkommen. Vgl. hierzu die Untersu-

chung von Lopes El nuevo mundo und Arauco domado im Vergleich zu comedias über die Ureinwohner Teneriffas und Spaniens bei Weiner 1984. Vgl. auch Carlos Brito Díaz, "Canarias y América: el mundo aborigen en dos piezas teatrales de Lope de Vega". In: II

Congreso Iberoamericano de Teatro: América y el teatro español del Siglo de Oro. Hg.v. 6

Concepción Reverte Bemal und Mercedes de los Reyes Pefla (Cádiz 1998), 409-421. Vgl. Mazur 1980:72-87.

320

// Amerika im Drama

auch die Figur des Caliban kennt, werden im spanischen Theater die Wilden und Barbaren wie die Indios v o m "wahren" Glauben überzeugt: "It was hard for a Spaniard to see a being die, even if remotely reminding him of man, without the hope of salvation" (Mazur 1980:163). A u c h w e n n den spanischen Verfassern von comedias nicht an einer realistischen Gestaltung der amerikanischen Indianer auf der Bühne gelegen war, so ist die K o n zeption der Figuren doch g e m ä ß d e m Wahrscheinlichkeitspostulat von Aristoteles als realitätsgetreu zu werten. W e d e r die Ungeheuer der Ritterromane noch die W u n d e r w e s e n so m a n c h e n Entdeckerberichts bevölkern die spanischen B ü h n e n des Siglo de Oro. Ein A n f l u g von schwarzer Magie in F o r m von sich ö f f n e n d e n Bergen und D ä m o n e n e r s c h e i n u n g e n demonstriert lediglich die Verbundenheit der Indianer mit den bösen Mächten. Eine A u s n a h m e sind hier Tirso de Molinas A m a z o n e n , deren mythologische Vergangenheit, ihre Allwissenheit und Zauberkünste sie von den übrigen Indianerfiguren - und auch von der überwiegenden Mehrzahl der Figuren des spanischen Theaters der Epoche insgesamt - unterscheiden. Nicht A m e r i k a und die Indianer stehen im Mittelpunkt der comedias zur amerikanischen Thematik, sondern Spanien mit seinen T h e m e n und Helden. Den indianischen Figuren werden zumeist Nebenrollen zugewiesen. Diese reduzieren das indianische Personal entweder zu bloßen Statisten, oder sie machen die indianische Figur z u m Antagonisten des spanischen Helden, mit d e m vorrangigen Ziel der Verherrlic h u n g eines spanischen Conquistadors. Lediglich Calderöns La aurora en Copacabana behandelt Indianer zentral, allerdings aus religiösen Gründen, wobei mit der B e k e h r u n g w i e d e r u m ein spanisches Problem diskutiert wird. U n d Ricardo de Turias Protagonisten Lautaro und Guacolda haben eine derartig starke Hispanisierung erfahren, daß sie k a u m mehr als Indianer gelten können. Darüber hinaus ist die Kritik a m spanischen Vorgehen, so wie Turia sie indirekt präsentiert, eben auch ein spanisches Anliegen. Die übergeordnete A u f g a b e der indianischen Figuren ist es daher, spanische T h e m e n zu transponieren. Je nach Zeitpunkt der Niederschrift bzw. A u f f ü h r u n g und nach jeweiliger Intention des Autors kommt den Figuren die Funktion zu, panegyrische, kritische, religiös-legitimatorische oder politisch-legitimatorische spanische Inhalte zu veranschaulichen. W a s hier für die Figurendarstellung der comedia erarbeitet wurde, soll in den nächsten Kapiteln an weiteren Beispielen und T h e m e n verifiziert und vertieft werden.

2. Historisches Geschehen Historisches G e s c h e h e n findet sich in der Mehrzahl der comedias zur amerikanischen Thematik, wobei zumeist die Ereignisse u m Entdeckung und Eroberung geschildert werden. Diese spielen auf der Karibikinsel Guanahani, in Mexico, Peru u n d Chile. Ein Teil des Geschehens u m die Eroberung von Mexico und Peru wird a m spanischen H o f verhandelt. Die Auseinandersetzungen von Spanien, Portugal und den Niederlanden in Brasilien im 17. Jahrhundert sind der historische Gegenstand zweier weiterer Dramen. In anderen comedias dagegen tritt die historische Thematik zugunsten der religiösen in d e n Hintergrund, wie z.B. bei Calderóns La aurora en Copacabana oder in den Heiligendramen über San Luis Bertrán oder die heilige Rosa von Lima. S o ist

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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z.B. in Aguilars Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán die historische Situierung unklar, auch wenn die tatsächliche Missionstätigkeit des Heiligen auf Kolumbien verweist. Eine weitere comedia, Claramontes El nuevo rey Gallinato, schafft ein Phantasieland und vermischt rudimentär historisch angelegte Strukturen um die Eroberungen mit phantastischen Begebenheiten und Charakterisierungen. Nur wenig Beachtung fand in den Dramen des Siglo de Oro das amerikanische Kolonialleben. Lediglich Calderón, Cervantes und Baeza thematisieren den kolonialen Alltag, wobei für Calderón der religiöse Aspekt, fiir Cervantes und Baeza dagegen das Lokalkolorit von Interesse war.

Geschichte in der comedia Die historische Thematik war im Siglo de Oro eine von vielen, derer sich die Dramaturgen bei ihrer Stoffwahl bedienten. Dabei ging es niemals darum, historische Begebenheiten wirklichkeitsgetreu auf die Bühne zu bringen oder ein historisches Gemälde zu entwerfen. Vielmehr benutzte der Autor die Geschichte, um eine höhere Wahrheit zu vermitteln: "A historical theme for Spanish dramatists, was exactly the same as a contemporary one - a medium for expressing a universal truth [...]"'. Diese Wahrheiten waren in Spanien eng verbunden mit der damaligen christlichkatholischen Weltsicht, der zufolge die Geschichte dem Plan Gottes gehorcht2. Zwangsläufig standen die Dramen der historischen Provenienz in einem heilsgeschichtlichen Kontext. Die Geschichte, das historische Ereignis wird zum Ausgangspunkt der comedia, die gemäß der Intention des Autors bzw. aufgrund der ästhetisch-gesellschaftlichen Vorgaben eine bestimmte Funktion zu erfüllen hat. Dabei hat der Autor das Recht, die überlieferte Geschichte umzuändern, um die gewünschte Wahrheit und Funktion bestmöglich vermitteln zu können: La fuente no es más que una 'pintura' muerta: un punto de partida para la vida liberada, libre, y, por tanto, siempre nueva. Así, Lope siente que tiene perfecto derecho de manipular o inventar el pasado según su intuición del momento y las necesidades artísticas de cada comedia (Gilman 1981:22).

So greifen die Autoren historischer comedias in der Regel tief in das überlieferte Geschehen ein. Sie wählen aus, kürzen, verstellen, phantasieren, erfinden ohne Grenzen. In diesem "juego literario-verbal" ist alles erlaubt: "[...] la libertad poética y la conciencia histórica no son contradictorias para este sumo ejemplo de 'homo ludens'" (Gilman 1981:25). Neben dem Erfinden und Phantasieren garantiert jedoch der Bezug auf historiographische Quellen eine - wenngleich bisweilen lose - Anbindung an die Historie. Gerade die Amerika-Dramen zeichnen sich durch eine oft erstaunliche historische Detailfreude aus, die im Kontrast steht zu den flktionalen, zum Teil sehr phantasievollen Passagen. Während eine Vielzahl historischer comedias längst vergangene Ereignisse behandelt, wurde im Siglo de Oro auch aktuelles Geschehen auf die Bühne gebracht. 1 2

Alexander A. Parker, The Approach to the Spanish Drama of the Golden Age (London 1957), 23. "[...] en esa época la historia se interpretaba [...] como el cumplimiento y la realización del plan de Dios [...] como un proceso providencial y teleológico" (Bingham Kirby 1981:330).

322

II. Amerika im Drama

Diese Aktualität kennzeichnet die Amerika-Dramen, deren historische Ereignisse höchstens mehrere Jahrzehnte zurücklagen, im Fall von Lopes El Brasil restituido sogar nur wenige Monate. Die Aktualität des historischen Geschehens begünstigt in der Regel eine lebhafte Rezeption des Theaterstücks durch das Publikum, das durch den geringen zeitlichen Abstand besser informiert ist. Dieser fehlende zeitliche Abstand zwischen Ereignis und Präsentation erschwert jedoch die thematische Verarbeitung. Nicht zuletzt sind die ideologischen Anforderungen an die Konzeption verstärkt, da bei aktuellen Themen die Gefahr, die Aufmerksamkeit der Zensurbehörde auf sich zu ziehen, wesentlich höher ist als bei Neuauflagen traditioneller Stoffe. Eine weitere Besonderheit, die gerade den modernen Kritiker zu verwirren vermag, ist die generelle Unzuverlässigkeit der historiographischen Quellen der damaligen Zeit, die oft nicht zwischen Historie und Legende unterscheiden. So kann eine Begebenheit in einer comedia, die der heutige Leser eindeutig in den Bereich von Fiktion und Legende verweist, einer Quelle entstammen, die dieses Geschehen als Realität präsentiert, als die es von der Mehrzahl der damaligen Rezipienten - evtl. sogar v o m Autor selbst - auch betrachtet wurde. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind einige der Wunder in Calderóns La aurora en Copacabana. Wenn Pedro de Candía in dem Drama erstmalig amerikanischen Boden betritt, lassen die Indianer wilde Tiere frei, die angesichts des Kreuzes, das Candía aufstellt, plötzlich zahm werden 1 . Der heutige Kritiker interpretiert diese Szene natürlich symbolisch und ist überrascht über Berichte, wie z.B. den des Garcilaso de la Vega, el Inca, die eben diesen Sachverhalt schildern". Ähnlich verhält es sich mit diversen Marienerscheinungen, die gleichermaßen in mehreren comedias und den entsprechenden Quellen als reale Ereignisse präsentiert werden'.

Luis Vêlez de Guevara, Las palabras a los reyes, y gloria de los Pizarros Im folgenden möchte ich am Beispiel einer comedia aufzeigen, wie die spanischen Autoren konkrete historische Ereignisse in ihren Werken verarbeiteten und wie sie die Texte fiktional anreicherten, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Ich habe mich hier für die comedia Las palabras a los reyes, v gloria de los Pizarros von Luis Vélez de Guevara entschieden, da sie zu den kaum bekannten und besprochenen Dramen der Epoche gehört. Der Grund für die geringe Aufmerksamkeit, die Vélez de Guevaras comedia bisher erfuhr, dürfte in der Tatsache der schwierigen Zugänglichkeit des Textes begründet sein 4 . Es sind nur vier Textausgaben bekannt: eine edición suelta in der British Library in London; eine andere als parte in einem Band der Sammlung von 1 2 3 4

Vgl. Calderón de la Barca 1994:126/127. Vgl. Garcilaso de la Vega, el Inca, Historia generaI del Perú. Segunda parle de los comentarios reales. Hg.v. José Durand. Bd. 1 (Lima 1962), 98. Vgl. z.B. Calderón de la Barca 1994:170/171. Als Quelle vgl. Garcilaso de la Vega, el Inca 1962:270/271. Cotarelo, Lohmann Villena, Morinigo und Ruiz Ramón bczeichncn die comedia als verloren. Vgl. Emilio Cotarelo, "Luis Velez de Guevara y sus obras". Boletín de la Real Academia Española 4,18 (1917):303; Guillermo Lohmann Villena, "Francisco Pizarro en el teatro clásico español". Arbor 5 (1946):426; Morínigo 1946:238; Ruiz Ramón 1993:14.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Adolf Schaeffer (Universitätsbibliothek Freiburg)1; zwei weitere Exemplare (sueltas) in der Biblioteca Nacional in Madrid. In der Sekundärliteratur findet sich eine kurze Beschreibung von Las palabras a los reyes bei Spencer/Schevill 2 , erwähnt wird der Text ferner von Tyler und Dille 3 . Etwas ausfuhrlicher behandelt wurde die comedia bisher nur von Zugasti4. Was die Datierung der comedia betrifft, so können lediglich ungefähre Angaben gemacht werden, da die erhaltenen Ausgaben weder Ort noch Jahr verzeichnen. Spencer/Schevill ordnen das Drama aufgrund sprachlicher Eigenheiten den späteren Schaffensjahren Vêlez de Guevaras zu 5 . Dies deckt sich mit den Angaben zur Ausgabe aus der Sammlung Schaeffer, die den Druck auf ca. 1630 datieren6. Als Quellen könnten Vêlez de Guevara alle damals veröffentlichten Texte gedient haben, die von den Eroberungsfeldzügen in Peru berichteten. Zu den bekanntesten zählen López de Gomaras Historia general de las Indias y Conquista de México, Cieza de Leóns Chronica del Perú ( 1. Teil), Agustín Zárates Historia del descubrimiento y conquista del Perú, Antonio de Herreras Historia general und die Historia general del Peni des Inka Garcilaso de la Vega; darüber hinaus relaciones in Form von Flugschriften, andere Informationsblätter jedweder Art, von denen heute nur noch ein Bruchteil erhalten ist. Da jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts keine Texte über Amerika mehr publiziert wurden, López de Gomaras Werk sogar verboten war, ist es wahrscheinlich, daß sich Vêlez de Guevara eher an aktuellen Texten orientierte. Als Basis fur seine comedia diente Vêlez de Guevara offensichtlich Herreras zwischen 1601 und 1615 erschienene Historia general. Alle historischen Ereignisse, die in Las palabras a los reyes erwähnt werden, erfahren bei Herrera eine ausfuhrliche 1

2 3 4

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Schaeffer berichtet im Prolog einer Anthologie mit unbekannten comedias des Siglo de Oro von einem Buch in seinem Besitz, das zwölf bis dahin unbekannte comedias enthält, darunter das Drama von Vêlez de Guevara. Schaeffer spekuliert, daß es sich bei dem Buch ohne Titelblatt - "sus fojas no tienen números ni otra señal consecutiva" - um einen Band der Sammlung "Comedias de diferentes autores" handeln könnte. Vgl. Adolf Schaeffer, "Prólogo". In: Ocho comedias desconocidas de Don Guillem de Castro, del licenciado Damian Salustio del Poyo, de Luis Vêlez de Guevara etc. Bd. I (Leipzig 1887), VII. Dieser Band ohne Titelblatt ist heute Bestand der Sammlung Schaeffer in der Universitätsbibliothek Freiburg (Band 34). Eine kritische Edition des Textes scheint von Glen F. Dille geplant. Vgl. Forrest Eugene Spencer/ Rudolph Schevill, The Dramatic Works of Luis Vêlez de Guevara. Their Plots, Sources, and Bibliography (Berkeley 1937), 210-216. Vgl. Tyler 1978:83-85; Dille 1988:492-502. Vgl. Miguel Zugasti, "La imagen de Francisco Pizarro en el teatro áureo: Tirso, Vélez de Guevara, Calderón". In: Las Indias (América) en la literatura del Siglo de Oro. Homenaje a Jesús Cañedo. Hg.v. Ignacio Arellano (Kassel 1992), 128-130,138-141. Die erhaltenen Textausgaben beschreibt Miguel Zugasti in "Las palabras a los reyes y gloria de los Pizarros: comedia olvidada, que no perdida, de Luis Vélez de Guevara". In: Luis Vélez de Guevara y su época. IV Congreso de Historia de Ecija. Hg.v. Piedad Bolaños Donoso und Marina Martín Ojeda (Sevilla 1996), 299-311. Vgl. Spencer/Schevill 1937:214. Worauf diese Datierung beruht, ist jedoch unklar. Im Vorwort zu der bereits erwähnten Anthologie von comedias datiert Schaeffer den Band, der Vélez de Guevaras Drama enthält, auf ca. 1640. Vgl. Schaeffer 1887: VIII. Zugasti vermutet, daß die comedia von Vélez de Guevara in den Jahren 1625-1630 verfaßt und publiziert wurde. Vgl. Zugasti 1996b: 307/308.

324

//. Amerika im Drama

und anschauliche Behandlung 1 . Außerdem beschreibt Herrera als einziger indianische cacicas in der Region von Puná und Tumbes 2 , was den spanischen Dramaturgen zu der Ausgestaltung der Indianerin Tucapela angeregt haben mag. Als weitere Quelle kommt Garcilaso de la Vegas Historia general del Perú in Betracht, die kurz vor der (vermuteten) Abfassung der comedia in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts erschien 3 . Zugasti weist darüber hinaus auf den wahrscheinlichen Einfluß von Fernando Pizarro y Orellanas Varones ilustres del Nuevo Mundo hin 4 , einer den Pizarras wohlgesonnenen Darstellung, die Vêlez de Guevara fur sein Drama bevorzugt haben dürfte. Das in Las palabras a los reyes thematisierte historische Geschehen behandelt die Ereignisse der ersten Phase der Eroberung Perus durch Francisco Pizarro und sein Gefolge. Die Handlung setzt in Panamá ein, wo Pizarro und Almagro ihr Unternehmen planen und vertraglich absichern, und endet mit der militärischen Niederlage der Indianer unter ihrem König Atahualpa (hier Atabaliua oder Atabaliba) und dem Empfang Pizarras durch Karl V. 5 Der Großteil des historischen Geschehens wird direkt auf der Bühne präsentiert, als offene Handlung. Jeder Umsetzung historischen Geschehens in dramatische Bühnenmaterie obliegt die Fiktionalisierung, deren Intensität jedoch erheblich variieren kann. Neben den dramaturgisch notwendigen Eingriffen in das überlieferte historische Geschehen sind hier vor allem die Änderungen und Fiktionalisierungen von Bedeutung, die der vorrangigen Intention des Autors dienen: der positiven Darstellung und panegyrischen Aufwertung der Brüder Pizarro. Folgende Handlungssequenzen gehen auf überlieferte historische Begebenheiten zurück: - der Plan von Francisco Pizarro und Diego de Almagro zur Erkundung und Eroberung Perus, der mit einem Vertrag besiegelt wird ( 1. Akt); - die Landung von Francisco Pizarro auf Puná 6 , einer Insel vor der peruanischen Küste; erste Kontakte mit Indianern (1. Akt); - der Empfang Francisco Pizarras am spanischen Hof; capitulaciones (2. Akt); - Fernando Pizarro und sein Gefolge in Tumbes; Kontakte zu Indianern (2. Akt); - kriegerische Auseinandersetzung zwischen Spaniern und Indianern unter Atahualpa in Cajamarca (hier Xamalca) (3. Akt); - der Empfang von Fernando Pizarro am spanischen Hof (3. Akt). Ziemlich eng an die historiographischen Vorlagen hält sich die erste Episode der comedia. Den auf der Bühne verlesenen Vertrag gab es offensichtlich wirklich 7 , auch 1 2

3 4 5 6

7

Auch Spencer/Schevill nennen Herrera als mögliche Quelle. Vgl. Spencer/Schevill 1937: 216. Herrera flihrt die cacicas an zwei Textstellen an, zunächst als "capullanas", später dann als "capillanas". Vgl. Antonio d e Herrera, Historia general de los hechos de los castellanos en las islas y tierrafirme del mar océano II. Hg.v. Mariano Cuesta D o m i n g o (Madrid 1991), 609/610,670-672. Auf diese Quelle verweisen sowohl Spencer/Schevill 1937:216 als auch Zugasti 1992: 138. Vgl. Zugasti 1992:138. Eine ausführliche Inhaltsangabe der comedia findet sich bei Spencer/Schevill 1937:210213. Vgl. auch Zugasti 1992:138-140. Da die mir vorliegende Textausgabe der comedia keine Akzente kennt, heißt die Insel im Text Puna. Auch die Stadt T u m b e s findet sich in anderer als der heute üblichen Form. Hier soll die moderne Schreibweise benutzt werden. Vgl. Francisco Morales Padrón, Gran enciclopedia de España y América IV, "El descubrimiento. Siglo XV. Siglo XVI" (Madrid 1983), 199; Poitas Barrenechea 1978:122. Zwar

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

325

wenn sich gegenüber den historischen Informationen Abweichungen finden. Diese dienen vorrangig der größeren Einheit der Handlung, die in jedem Fall komplexe Einzelheiten der Wirklichkeit eliminieren und vereinfachen muß. Weitergehende Eingriffe betreffen das mit dem Vertragsabschluß befaßte Personal. Tatsächlich war neben Pizarra und Almagro noch der Geistliche Hernando Luque an dem Vertrag und Vorhaben beteiligt. Aufgrund seiner historischen Irrelevanz wurde er vom Dramaturgen getilgt und durch den Bruder Francisco Pizarras, Fernando, ersetzt, der als zweiter Protagonist der comedia auf diese Weise bereits früh in die Handlung eingeführt wird. Die Integration eines zweiten Protagonisten hat vorrangig dramaturgische Gründe. Der zweite männliche Held wird für die amourösen Verwechslungsepisoden und die Liebesszenen des zweiten und dritten Akts gebraucht. Im realen Geschehen waren vier Pizarro-Brüder: Francisco, der Hauptverantwortliche, Fernando, Gonzalo und Juan an den Unternehmungen in Peru beteiligt. Gonzalo und Juan werden in der comedia von Vêlez de Guevara nicht erwähnt. Die Integration von Fernando in das Geschehen deutet überdies darauf hin, daß der Autor mit seiner comedia die Integrität der Familie der Pizarras demonstrieren möchte und nicht nur die einer einzelnen Person. Wiederholt werden in der ersten Szene die Motive der Conquistadores Pizarra und Almagro präsentiert, die neben der Verbreitung des Glaubens vor allem neue Länder fur ihren König zu gewinnen hoffen 1 . Das tatsächlich dominierende Motiv aller Conquistadores, das Streben nach Gold und Reichtum, wird nicht erwähnt. Weniger an realem historischem Geschehen orientiert ist die Handlungseinheit um den ersten Kontakt zwischen Spaniern und Indianern auf der Insel Puná ( 1. Akt). Auch hier ist der Hintergrund zunächst historisch: Seine dritte Expedition führte Francisco Pizarra und sein Gefolge auf die Insel Puná 2 . Tucapela, cacica von Puná, ist eine durch und durch fiktive Figur 3 . Zwar beschreibt Reginaldo de Lizárraga in einem Bericht sogenannte capullanas, Fürstinnen vergangener Zeiten, was von Herrera aufgenommen und mit einer aktuellen Episode versehen wird; diese Erzählung dürfte jedoch eher auf den Mythos der Amazonen zurückgehen, als daß sie realhistorischen Tatsachen entspräche 4 . Wie Menalipe aus Tirsos Amazonas en las Indias und Teolinda aus Aguilars Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán ist Tucapela die schöne Kriegerin, die Reminiszenzen an die Amazonen der Mythologie und die Figur der Schäferin der bukolischen Literatur der Epoche in sich vereint.

1 2 3 4

wird die Authentizität dieses Vertrags inzwischen angezweifelt und von der modernen Geschichtswissenschaft diskutiert, die zeitgenössische Historiographie präsentierte ihn jedoch als Tatsache. Vgl. Lockhart 1972:70-72. Vgl. auch Morales Padrón 1983:218. Für den Vertragstext in der comedia vgl. Luis Vêlez de Guevara, Las palabras a los reyes, y gloria de los Pizarros, o.O., o.J. In: Sammlung Schaeffer, Bd. 34, 187v. Der Text der comedia umfaßt die folios 187-201. Von 191 und 192 gibt es jeweils zwei folios, die z.B. 191r2, 191v2 genannt werden sollen. Vgl. z.B. Vêlez de Guevara o.J.:187r. Vgl. Morales Padrón 1983:201; Porras Barrenechea 1978:135; Lieselotte und Theodor Engl (Hg.), Die Eroberung Perus in Augenzeugenberichten (München 1975), 76/77. Darauf verweist bereits ihr Name, die feminine Form des Tucapel aus Ercillas Araucana. Vgl. Reginaldo de Lizárraga, Descripción del Perú, Tucumán, Río de la Plata y Chile. Hg.v. Ignacio Ballesteros (Madrid 1986), 69; Henera 1991:609/610, 670-672. Vgl. auch Engl 1975:69-71; Siegfried Huber, Pizarro. Gold, Blut und Visionen. Bearbeitete Neuauflage (Ölten, Freiburg 1978), 108-110.

II Amerika im Drama

326

Weitere Details der Begebenheiten auf Puná verweisen auf allgemeine historische Tatsachen, wie sie auch von anderen comedias integriert wurden. So z.B. der Glaube der Indianer, es handle sich bei den Spaniern um Götter. Oder der Hinweis auf Menschenopfer, der im Falle Perus nicht den historischen Tatsachen entspricht. Völlig unhistorisch erledigt Vêlez de Guevara das Sprachproblem: Auf den Ruf Francisco Pizarras, "Indios", stellt Tucalpa fest: "en nuestro lenguaje nos habla" (Vêlez de Guevara o.J.:190v). Das folgende Gespräch zwischen Tucapela und Pizano ereignet sich ohne Sprachschwierigkeiten, und die Sprachproblematik wird nicht eigens thematisiert 1 . Eine parallel zur ersten Begegnung zw ischen Spaniern und Indianern konstruierte Episode findet sich im zweiten Akt. Dort trifft Tucapela in Tumbes auf Fernando Pizarra. Tatsächlich hatten sich die Spanier während der zweiten und dritten Expedition nach Peru in Tumbes aufgehalten". Die Handlung dieser Sequenz ist jedoch fiktional. Sie gipfelt in der Präsenz der Kariben, die vergeblich versuchen, Tucapela zu rauben, um dann die Spanier Truxillo und Galván zu ergreifen, die sie auf dem Grill braten wollen3. Über einen deutlicheren historischen Bezug verfugen dagegen die Episoden um die Audienzen der Pizarras bei den spanischen Königen. Im zweiten Akt wird Francisco Pizarra von Karl V. empfangen. Er berichtet dem König von seiner Expedition nach Peru, den dabei erlittenen Qualen und den Problemen mit dem Gouverneur von Panamá nach seiner Rückkehr 4 . Pizarra bittet den König um Anerkennung und Ausrüstung und erhält beides 5 . 1529 hatte Karl V. Francisco Pizarra in Toledo empfangen. Ihm und seinem Gefolge wurden weitreichende Befugnisse zur weiteren Eroberung, Titel, Ämter und Renten zugesprochen, allerdings keine Ausrüstungsgegenstände 6 . Die comedia schließt mit einem erneuten Empfang am spanischen Hof, diesmal von Fernando Pizarra und seinem Gefolge, darunter die Gefangenen Tucapela und Atabaliba 7 . Fernando faßt die Ereignisse der Eroberung kurz zusammen, und Karl V. verleiht Titel an die Hauptakteure 8 . 1535 war Hernán Pizarra in Calatayud von Karl V. empfangen worden. Wie in der comedia hatte der Kaiser Titel und Ländereien an Francisco und Hernán Pizarra und an Diego de Almagro verliehen 9 . Die Besonderheit der Szene in der comedia

1

2

Auch im weiteren Verlauf der comedia funktioniert die sprachlichc Kommunikation reibungslos, ohne daß der sprachliche Aspekt thematisiert würde. Um s o erstaunlicher dann folgende Passage: "Pol[ipan]. Sacad c s s o s assadorcs/ Gal[van]. A s s a que? Truxfillo]. A s s a d o r e s dixo/ en su lengua" ( V ê l e z de Guevara o.J.: 195v). Vgl. Morales Padrón 1983:201; Porras Barrenechea 1 9 7 8 : 1 2 6 , 1 3 5 - 1 3 8 .

3

Vgl. V ê l e z de Guevara o.J.:195v/196r. Bei dieser Szene unterlief d e m Autor ein grober dramaturgischer Fehler. Bei den Indianern der Kariben, die Tucapela rauben, um sie an den cacique von T u m b e s zu verkaufen, handelt es sich um die gleichen, die im 1. Akt Tucapelas G e f o l g e ausmachten: Alicon, Polipan, Tucalpa. Hier scheint sich der Mangel der Schauspieltruppe an g e n ü g e n d Personal im gedruckten Text zu manifestieren.

4

Vgl. V ê l e z de Guevara o.J.:192r2-193r.

5 6

Vgl. V ê l e z de Guevara o.J.: 193r. A u s z ü g e aus d e m Text der capitulación finden sich in deutscher Übersetzung in Engl 1975:59-61. Vgl. auch Morales Padrón 1983:200; Porras Barrenechea 1 9 7 8 : 1 2 7 - 1 2 9 .

7 8 9

Im folgenden soll die gebräuchliche Form Atahualpa benutzt werden. Vgl. V ê l e z de Guevara o.J.:200r/200v. Vgl. Morales Padrón 1983:210.

D. Amerika

als Fiktion:

Drama,

Lyrik und

Roman

327

liegt darin begründet, daß Tucapela und vor allem Atahualpa nach Spanien reisen. Tatsächlich war der Inka Atahualpa von den Spaniern gefangengenommen und hingerichtet worden 1 . Eine weitere Audienz Fernando Pizarros bei Kaiser Karl V. im ersten Akt ist frei erfunden. Sie erscheint jedoch notwendig, da sie den Rahmen der comedia vorgibt, auf dem auch der Titel basiert. Fernando berichtet d e m Kaiser von den Unternehmungen seines Bruders in Amerika und stellt die Eroberung reicher Länder in Aussicht. Daraufhin antwortet der Kaiser: Pues aduertid, que palabras dadas a Reyes, es fuerça cumplillas, y executallas (Vêlez de Guevara o.J.:189r). Dieser Ausspruch zieht sich leitmotivisch durch den Text und wird zur Hauptantriebskraft Fernandos. Am Ende des Dramas kehrt der Conquistador an den spanischen Hof zurück, um dem König darzulegen, daß er sein Wort gehalten hat: [...] porque cumplen desta suertc los vasallos c o m o yo, las palabras a los Reyes ( V ê l e z de Guevara o.J.:200v).

Der Höhepunkt der comedia ist im dritten Akt die Schlacht zwischen Indianern und Spaniern, die mit der Gefangennahme Tucapelas und Atahualpas endet. Auch hier hält sich die Präsentation auf der Bühne an einen historischen Rahmen. Tatsächlich war es 1532 in Cajamarca (im Text der comedia: Xamalca) im Camp der Spanier zu einer Konfrontation von Spaniern und Indianern gekommen, die zu der Gefangennahme Atahualpas führte". Ähnlich zeigt sich das Geschehen auf der Bühne, wenngleich mit fiktiven Episoden um Tucapela. An dieser Stelle jedoch beendet der Autor den Bezug zur historischen Realität und verschweigt den Rest: die enorme Goldmenge, die die Spanier als Lösegeld für Atahualpa fordern, seine Verurteilung und Hinrichtung, die weiteren Eroberungsfeldzüge der Spanier im Inkareich, die blutigen Bürgerkriege zwischen den spanischen Conquistadores, die Morde an Diego de Almagro und Francisco Pizarro 3 . Statt dessen schickt Vêlez de Guevara in seinem Drama den Inkakönig als Untertanen des Kaisers nach Spanien, was einigen Historiographen zufolge die bessere Lösung gewesen wäre 4 . Die Hinrichtung Atahualpas als Schlußpunkt der comedia hätte der offensichtlichen Intention des Autors, die Integrität der Pizarros zu demonstrieren, widersprochen 5 .

1

V g l . Morales Padrón 1983:207; Porras Barrenechea 1 9 7 8 : 1 5 1 - 1 6 0 , 1 6 4 - 2 2 7 ; Engl 1975: 91-124.

2

V g l . Morales Padrón 1 9 8 3 : 2 0 4 / 2 0 5 ; Porras B a n e n e c h e a 1 9 7 8 : 1 5 1 - 1 6 0 ; Engl 102.

3

Für diese Ereignisse vgl. Morales Padrón 1 9 8 3 : 2 0 7 - 2 1 8 ; Porras Barrenechea 1 9 7 8 : 1 6 4 6 0 7 ; Engl 1 9 7 5 : 1 0 3 - 2 5 0 . V g l . hierzu Engl 1975:122.

4 5

1975:98-

A u c h Calderón hat in seiner La aurora en Copacabana ganz offensichtlich H e m m u n g e n , die Umstände um Atahualpas Tod zu benennen. A l s im dritten Akt der gobernador das

328

//. Amerika im Drama

Eingeschoben in die szenische Präsentation finden sich einige Episoden verdeckter Handlung, die Figuren historisches Geschehen erzählen lassen 1 : - Prophezeiung der allegorischen Figur Amerika über Francisco Pizarras Ruhmestaten (Ende 1. Akt); - Bericht von Francisco Pizarra vor dem Kaiser über den bisherigen Verlauf der Unternehmungen in Peru (Beginn 2. Akt); - Bericht von Tucapela über ihr Leben und die aktuellen Ereignisse (2. Akt); - Zusammenfassung des historischen Geschehens durch Fernando Pizarra (Ende 3. Akt). Diese Episoden verdeckter Handlung, "wichtiges Mittel der dramatischen Ökonomie, der Fokus- und Emphasebildung und der Spannungsweckung" (Pfister 1977: 77), erweisen sich in jedem Drama historischer Thematik als unentbehrlich. Werden hier doch Informationen vermittelt, die auf der Bühne nicht präsentiert werden können, wird historisches Geschehen in größeren Zusammenhängen geschildert und erklärt. So gibt die Prophezeiung der allegorischen Figur Amerika die Richtung der comedia vor und verweist auf deren primäre Funktion: das Lob der Taten Francisco Pizarras. Gleichzeitig erhält der Leser/Zuschauer (realhistorische) Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis der Geschichte: Der Streit der beiden Inkabrüder Atahualpa und Huáscar erleichterte den Sieg der Spanier. Die Erzählung Francisco Pizarras bei seiner Audienz am spanischen Hof zu Beginn des zweiten Aktes liefert eine Erweiterung des bis dahin präsentierten historischen Geschehens, das in seiner komplexen Variante niemals vollständig szenisch vermittelt werden kann 2 . Der Zuhörer erfährt hier von den Leiden der Expeditionen, von Pizarras Problemen mit dem Gouverneur Pedro de los Ríos, von den Ereignissen auf der isla del Gallo, von der Weiterfahrt nach Tumbes und der Rückkehr nach Panamá. All dies sind historische Tatsachen, von denen die Historiographen berichten 3 . Ebenfalls Ereignisse, die nicht szenisch umgesetzt wurden, vermittelt Tucapelas Monolog im zweiten Akt, nur daß diese rein fiktiver Art sind4. Ihr Zweck ist, die Charakterdarstellung Tucapelas zu erweitern, außerdem das Motiv der menschenfressenden Kariben einzuführen. Fernandos kurze Erzählung in der letzten Szene des Dramas schließlich dient der Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse der comedia und der Betonung der Verdienste der Conquistadores: Fernando und Francisco legen dem Kaiser ein Weltreich zu Füßen und haben damit ihr Versprechen eingelöst . Hier wird eine Perspektive der Geschichte präsentiert, die sich mit der Intention des Autors, die Verdienste der Pizarras hervorzuheben, deckt. Die historische Wahrheit kennt mehr Facetten und Varianten, vor allem eine Fortsetzung der Geschichte: die Ermordung Francisco

1 2 3 4 5

historische Geschehen zusammenfaßt, gibt er vor, nichts von Atahualpas Ende zu wissen: "murió Guáscar prisionero,/ y su hermano, Atabaliba,/ no sé cómo" (Calderón 1994:194). Zu offener und verdeckter Handlung im Drama und zu ihrem Verhältnis vgl. Pfister 1977: 276-284. Vgl. Vêlez de Guevara o.J.:192v-193r. Vgl. z.B. Garcilaso de la Vega, e) Inca 1962:89-95; Herrera 1991:558-564,600-610. Vgl. auch Engl 1975:41-52. Vgl. Vêlez de Guevara o.J.:194v-195v. Vgl. Vêlez de Guevara o.J.:200r-200v.

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

329

Pizarros, lange Haft für Hernán Pizarro, langjährige Rechtsstreitigkeiten der Familie der Pizarros mit dem spanischen Königshaus. In Las palabras a los reyes lassen sich zwei historische Ereignisstränge erkennen. Das Geschehen um die Brüder Pizarro hält sich in groben Zügen, bisweilen sogar bis in kleine Details an die historiographischen Überlieferungen. Die Perspektive, die dabei eingenommen wird, ist die der Beschönigung der Taten der Abenteurer, um deren verdienstvolles Verhalten hervorzuheben. Was dieser Konzeption zuwiderläuft, wird eliminiert oder abgeändert. Der zweite Handlungsstrang ist das weitgehend fiktionalisierte Geschehen um Tucapela. Damit leistet der Autor den Genreanforderungen der comedia Folge, die eine Liebesgeschichte mit Verwicklungen und Verwechslungen vorsehen. Über diesen Handlungsstrang werden mythologische Reminiszenzen in das Geschehen eingebracht, wie z.B. Anklänge an die Konzeption der Amazonen oder der Kariben. Während hier vor allem die unterhaltende Funktion der comedia zum Tragen kommt, ist es in erstbenannter Handlungssequenz eine panegyrisch-politische: die positive Darstellung und Aufwertung einer im damaligen Spanien umstrittenen Familie.

3. Spanische Helden Spanische Conquistadores finden sich nicht nur in historiographischen Texten und den Epen, sondern auch in Drama und Lyrik der Epoche. Hernán Cortés, Francisco Pizarro (und seine Brüder) und García Hurtado de Mendoza sind die Helden einiger comedias. Bei Cortés und Francisco Pizarro handelte es sich zweifelsohne um die bekanntesten Eroberer der neuen Kolonien, die Spanien auf spektakuläre Weise weite Länder und enorme Reichtümer verschafft hatten. García Hurtados Bekanntheitsgrad dürfte in der Verbreitung und der Beliebtheit von Ercillas Araucana begründet liegen'. Von den uns bekannten und erhaltenen comedias handeln vier von Hernán Cortés 2 , wobei nur Zárates La conquista de México das historische Geschehen in Amerika auf die Bühne bringt. Gaspar de Avilas El valeroso español y primero de su casa (nahezu identisch mit Avilas La sentencia sin firma3), das anonyme Los pleytos de Fernán 1

Der Genuese Colón erscheint im Drama nur in Lope de Vegas El nuevo mundo als Held. Dabei dient seine Figur eher dazu, die Großartigkeit der spanischen Könige zu d e m o n strieren, als d a ß sie um ihrer selbst willen im Mittelpunkt der Handlung stünde. Weniger bedeutende Conquistadores spielen in der Literatur des Siglo de Oro keine Rolle. So z.B. Lope de Aguirre, der als Aufständischer für die fiktionale Literatur der Epoche k a u m geeignet schien und erst im 20. Jahrhundert zum beliebten Objekt der Literatur wurde. Vgl. hierzu die ausfuhrliche Dokumentation von Ingrid Galster, Aguirre oder Die Willkür der

Nachwelt. Die Rebellion des baskischen Konquistadors Lope de Aguirre in Historiographie und Geschichtsfiktion (1561-1992), Frankfurt a.M. 1996. 2

Zur Figur von Hernán Cortés in der comedia des Siglo de Oro vgl. Medina 1917:19-25; Reynolds 1978:53-64; Jorge Campos, "Hernán Cortés en la dramática española". Revista de Indias 9,31 -32 (1948): 174-184; Alberto Navarro González, "Hernán Cortés en la litera-

tura española". In: Actas del primer congreso internacional sobre Hernán Cortés. Hg.v. 3

Alberto Navarro González (Salamanca 1986), 520-522. Die hier benutzte Ausgabe ist Gaspar de Avila, "El valeroso español y primero d e su ca-

sa". In: Dramáticos contemporáneos a Lope de Vega I. Hg.v. Ramón de Mesonero Roma-

330

II. Amerika im Drama

Cortés und Luis Vélez de Guevaras La mayor desgracia de Carlos V y hechicerías de Argel zeigen Cortés am spanischen Hof und stellen dessen Beziehung zum spanischen Königshaus in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Das historische Geschehen um die spanische Eroberung Mexicos wird in diesen Dramen nur über Erzählungen vermittelt. Verloren scheinen ein oder zwei comedias Lope de Vegas über Cortés'. Von Francisco Pizarro und seinen drei Brüdern handelt Tirso de Molinas PizarroTrilogie. Ebenso wie Luis Vélez de Guevaras Las palabras a los reyes, dessen Protagonisten Francisco und Fernando Pizarro sind, thematisieren die drei comedias Tirsos die Ereignisse in Peru und die Beziehung der Pizarras zur spanischen Krone. Calderóns La aurora en Copacabana, das ausschließlich in Peru spielt, schildert die Eroberung unter Francisco Pizarras Ägide. Da diese comedia vorrangig der religiösen Thematik verpflichtet ist, verzichtet sie auf die Präsentation Pizarras als Heros 2 . Vier der fünf bekannten comedias des Chile-Zyklus bringen die Heldentaten des Conquistadors Garcia Hurtado de Mendoza auf die Bühne: Lope de Vegas Arauco domado, Avilas El gobernador prudente, Algunas hazañas von Belmonte Bermúdez und seinen Dichterkollegen und Los españoles en Chile von González de Bustos. Auf die konzeptionellen Unterschiede der comedias von Avila, Lope und Belmonte Bermúdez auf der einen und González de Bustos auf der anderen Seite wurde oben bereits hingewiesen. Einen Sonderfall präsentiert Ricardo de Turias La bellígera española. Die beiden Conquistadores Pedro de Villagrán und Valdivia erscheinen wenig heroisch, auch Mencía de Nidos überzeugt letztendlich nicht als spanische Heldin. Nach einer nun folgenden Beschreibung der allgemeinen Charakterzüge der spanischen Conquistadores in den comedias soll exemplarisch die Figur von Hernán Cortés in dem anonymen Los pleytos de Fernán Cortés analysiert werden.

1

2

nos (BAE 43) (Madrid 1951), 563-581. Der Hauptunterschied zu Avilas La sentencia sin firma besteht in einem Monolog, in dem Cortés dem König seine Heldentaten schildert, der in La sentencia sin firma wesentlich länger und ausführlicher ist. Vgl. hierzu Gaspar de Avila, "La sentencia sin firma". In: Segunda parte de comedias escogidas de las mejores de España (Madrid 1652), f. 120-140. Für den Monolog vgl. Juana de José Prades, "Hernán Cortés en 'La sentencia sin firma'". Revista de Literatura 19,37 (1961 ):39-54. Prades vermutet, daß La sentencia sin firma die ursprüngliche Version war, die für Et valeroso español gekürzt wurde. La sentencia sin firma erschien erstmalig 1652, El valeroso español 1668. Vgl. Prades 1961:41; Reynolds 1978:59. Vgl. auch Thomas Benedetti, "The Noble Triumph of Cortés: El valeroso español y primero de su casa". In: Looking at the Comedia in the Year ofthe Quincentennial. Hg.v. Barbara Mújica und Sharon D. Voros (Lanham 1993), 3-12. Eine comedia mit dem Titel Et marqués del Valle nennt Lope de Vega selbst in seinem El peregrino en su patria von 1618. Der Titel La conquista de Cortés findet sich bei Francisco Medel del Castillo (Indice general alfabético de todos los títulos de comedias que se han escrito por varios autores antiguos y modernos, Madrid 1735) und Vicente García de la Huerta (Catálogo general de comedias escritas por autores españoles, Madrid 1785). Cayetano Alberto de la Barrera y Leirado nennt beide Titel der comedia in seinem Catálogo bibliográfico y biográfico del teatro antiguo español, desde sus orígenes hasta mediados del siglo XVIII, Madrid 1860. Es wird jedoch vermutet, daß es sich um e i n e n verlorenen Text mit zwei verschiedenen Titeln handelt. Vgl. Medina 1917:20/21; Reynolds 1978:54; Zugasti 1996a:435. Zur Figur des Pizarro in der comedia 425-432; Zugasti 1992:127-144.

vgl. Medina 1917:32-42; Lohmann Villena 1946:

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

331

Cortés, die Pizarros und García Hurtado de Mendoza Während die einfachen spanischen Soldaten, die im Laufe der Eroberungsfeldzüge in die "Neue Welt" kamen, in der Dramatik des Siglo de Oro vorwiegend negative Züge tragen1, finden sich die fuhrenden Persönlichkeiten der militärischen Aktionen, die Conquistadores, äußerst idealisiert präsentiert. Vor allem bei Cortés und den Pizarros wird deren Loyalität gegenüber den spanischen Königen besonders hervorgehoben. Die Betonung gerade dieses Sachverhalts gilt es im historischen Kontext zu betrachten. Bereits früh hatten die spanischen Könige die Gefahr erkannt, die von den mächtigen Eroberern ausging, die über genügend Einfluß, Personal und Ausrüstung verfugt hätten, um sich von der Krone unabhängig zu machen. Dies führte zu konkreten Maßnahmen, die darauf abzielten, die Macht der Conquistadores einzuschränken. Gleichzeitig wurden den wichtigsten Männern weitreichende Zugeständnisse in bezug auf Ländereien und politische Befugnisse eingeräumt, um sie der Krone wohlgesonnen zu stimmen. Sowohl Cortés als auch die Pizarros stellten jedoch weitergehende Forderungen an die spanischen Könige. So waren Hernán Cortés und seine Familie über Jahrzehnte in unzählige Prozesse verstrickt, die sie gegen die spanische Krone führten; darüber hinaus war der Eroberer von seinen Gegnern verschiedener Vergehen angeklagt. Die Pizarros waren in Peru in Bürgerkriege um den Machtanspruch verwickelt, die von Prozessen in Spanien begleitet waren2. Eine panegyrische Präsentation der Eroberer muß, gerade weil die Loyalität der realen historischen Personen in Frage gestellt wurde, eben diese Loyalität besonders betonen. Ausgezeichnet läßt sich dieses Verfahren am Beispiel von Tirsos PizarroTrilogie demonstrieren, wo der Autor eindeutig Position für die Familie bezieht. Der erste Teil der Trilogie, Todo es dar en una cosa, der den Jugendjahren Francisco Pizarros gewidmet ist3, thematisiert bereits die ungerechte Behandlung der Familie durch Günstlinge des Königs, ebenso wie deren Loyalität gegenüber den rechtmäßigen Herrschern. Gonzalo Pizarro, Vater von Francisco, Fernando, Gonzalo und Juan, wird aufgrund von Streitigkeiten um eine Professur in Salamanca verfolgt und flieht in die Armee des Königs, wo er diesem treu dient4. No hay documento ni crónica histórica que apoye esta versión de Tirso, pero el objetivo de su inclusión es claro: la idea resultante es que los Pizarros desde un principio fueron 1

2 3

4

Geldgier und Sexbesessenheit sind die hauptsächlichen Charakterzüge des militärischen Personals niedrigen Ranges, wie z.B. in Lope de Vegas El nuevo mundo, in Zárates La conquista de México, in Tirsos La lealtad contra la envidia und in Turias La belligera española. Als graciosos demonstrieren die Soldaten ihre Feigheit und Unfähigkeit als Kämpfer. So z.B. Rebolledo in Algunas hazañas von Belmonte Bermúdez u.a. Vgl. Lafaye 1970:211-218; Reinhart 1985:79. Für Cortés vgl. Marks 1993; Matis 1967; Martínez 1990; Rojas Mix 1990; für die Pizarros vgl. Porras Barrenechea 1978; Lockhart 1972. Zum Inhalt des Dramas vgl. Zugasti 1993:23-27. Zum historischen Gehalt der comedia vgl. Angela B. Dellepiane de Martino, "Ficción e historia en la trilogía de los Pizarros de Tirso". Filología 4 (1952/53):50-76. Vgl. auch Alfredo Hermenegildo, "Espacio ancilar e inserción dramática: Todo es dar en una cosa, de Tirso de Molina". In: Relaciones literarias entre España y América en los siglos XVIy XVII. Hg.v. Ysla Campbell (Ciudad Juárez 1992), 125-136. Für die Erzählung Gonzalo Pizarros vgl. Molina 1993:11,37-44. Vgl. auch Dellepiane de Martino 1952/53:59/60.

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II. Amerika im Drama leales a los reyes de Castilla, llámense estos Enrique IV, Isabel la Católica, Carlos V o Felipe II (Zugasti 1993:77/78).

Diese Art der Beweisführung findet sich verstärkt in den anderen beiden Teilen der Trilogie. Protagonist von Amazonas en las Indias (zweiter Teil der Trilogie) ist Gonzalo Pizarro (Bruder von Francisco), der als Rebell und Verräter in die Geschichte einging'. Gonzalo, der gegen den Vizekönig und die königlichen Truppen rebellierte und sich zum Herrscher Perus erklärte, wird bei Tirso - unter weitgehender Beibehaltung eines äußeren historischen Rahmens - zum tragischen Helden, der hingerichtet wird, weil er dem spanischen König gegenüber loyal bleiben will: Sepa mi rey, sepa España que muero por no ofenderla, que pierdo, por no agraviarla, una corona ofrecida tan fácil de conservarla cuanto infame de pasearla (Molina 1993:111,168/169). Diese "tergiversación poética con fines políticos" (Zugasti 1993:81) bewerkstelligt Tirso de Molina in seiner comedia durch die Schuldzuweisung an Freunde und Berater Gonzalos, die diesen für ihre Zwecke mißbrauchen, sowie durch das inkorrekte Verhalten des Vizekönigs. Staatsrechtlich untermauert werden Gonzalos Ansprüche schließlich durch eine "cédula de dos vidas", die der spanische König angeblich Francisco Pizarro zuerkannte, der somit das Recht hatte, seinen Bruder zum rechtmäßigen Herrscher Perus nach seinem Tode zu bestimmen 2 . In der comedia läßt sich der loyale Gonzalo lieber hinrichten, als daß er ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs dieses ihm angeblich verbürgte Recht in Anspruch nimmt. Hier werden Perspektiven verschoben, Motive umgekehrt; alles, was der Intention des Autors zuwiderläuft, wird verschwiegen 3 . Im dritten Teil der Trilogie schließlich, La lealtad contra la envidia, gibt bereits der programmatische Titel die Richtung vor. Fernando Pizarro verbringt aufgrund einer Intrige der Anhänger Almagros 21 Jahre unschuldig im Gefängnis 4 . Als Fernando eine Fluchtmöglichkeit angeboten wird, lehnt er stolz ab 5 . Am Ende der comedia wird Fernando Gerechtigkeit zuteil, er erhält vom König seine Freiheit zurück und wird über das ehrbare Handeln seines Bruders Gonzalo aufgeklärt, an dem er gezweifelt hatte. Wie im ersten Teil bei seinem Vater, im zweiten Teil bei seinem Bruder Gonzalo waren auch bei Fernando Intriganten für die Zweifel an seiner Loyalität verantwortlich, Zweifel, die glücklicherweise ausgeräumt werden konnten 6 : 1 2 3 4 5 6

Zur historischen Persönlichkeit von Gonzalo Pizarro vgl. Lockhart 1972:175-189; Zugasti 1993:79. Diese cédula wird in Tirsos Quellen - Pizarro y Orellana und Garcilaso de la Vega, el Inca - erwähnt, scheint jedoch erfunden. Vgl. Zugasti 1993:82; Dellepiane de Martino 1952/53:125/126. Vgl. Dellepiane de Martino 1952/53:111-126. Zum historischen Hernán Pizarro vgl. Lockhart 1972:157-168. Für einen Vergleich dieser comedia mit der historischen Überlieferung vgl. Dellepiane de Martino 1952/53:127-167. Vgl. Molina 1993:IV,183. Tirso ist so geschickt, die historisch verbürgte Gegnerschaft zwischen Conquistadores und spanischer Krone durch die Betonung der Intrige von dritter Seite so darzustellen, daß er die Pizarros idealisieren kann, ohne die Könige einer Kritik aussetzen zu müssen.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Filipo, prudente, santo, a pesar de las malicias de vuestros perseguidores, cuando más os fiscalizan, conoce vuestras lealtades (Molina 1993: IV, 191).

Auch in den anderen comedias, die die Taten der Conquistadores in den Mittelpunkt ihrer Handlungen stellen, wird deren Loyalität betont. Dies geschieht im Fall von Cortés, wie das Beispiel der anonymen comedia anschließend zeigen wird, aber auch die Königstreue eines García Hurtado de Mendoza, dessen historische Persönlichkeit niemals Zweifel an ihrer Loyalität aufkommen ließ, wird eingehend thematisiert. So gedenken z.B. in Lopes Arauco domado die Spanier ihres Königs, nachdem sie die araukanischen Krieger besiegt haben. Das Bildnis von Felipe II. erscheint auf einem Triumphbogen, und García Hurtado übergibt seinem König symbolisch die erneut befriedeten Länder 1 , womit er seine große Loyalität beweist . In nahezu allen Dramen zur amerikanischen Thematik betonen die Eroberer, daß ihnen nichts an materiellem Gewinn liege, wodurch sie sich von den einfachen Soldaten unterscheiden 3 . Die wahren Ziele der idealisierten Eroberer der comedias sind die Verbreitung des christlichen Glaubens und der Landgewinn zum Ruhm der spanischen Könige 4 . Avilas García Hurtado allerdings verfolgt vorrangig religiöse Ziele: Y este, sí, es glorioso triunfo, que en más estimo y más precio darle a Dios una alma sola, que a mi Rey un mundo entero (Avila 1915:96).

Diese Art der Präsentation kollidiert massiv mit der historischen Realität. Die Hauptmotivation aller an der Eroberung beteiligten Spanier - mit Ausnahme der Geistlichen - war materieller Natur. Wie zahlreiche Untersuchungen beweisen, waren es gerade die Besitzlosen, die die ungeheuren Strapazen der Amerikaexpeditionen in Kauf nahmen, um Ruhm und Reichtum zu erlangen 5 . Hier läßt sich in der comedia ein Verfahren der Präsentation erkennen, das dem obigen der Königstreue ähnelt: Gerade w e i l der materielle Aspekt der Eroberungen dominiert, verlangt die idealisierte Darstellung eine Verdeckung desselben durch andere ehrbare Motive. Die spanischen Helden in Amerika betraten die Bühnen des Siglo de Oro als wahre caballeros, für die uneingeschränkt der spanische Ehrenkodex galt. Betont wird dabei auch ihre noble Herkunft. Wenn es um diese - wie vor allem im Fall der PizarTos - nicht gut bestellt ist, dann wird sie in der comedia eben konstruiert. So ist

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Vgl. Lope de Vega 1969:288/289. Eine ähnliche Szene findet sich am Ende von Lopes El Brasil restituido. Vgl. Lope de Vega 1968:124. Laferl verweist auf den fast blasphemischen Charakter dieser beiden Szenen. Vgl. Laferl 1992a:233. Eine Ausnahme sind hier Turias Conquistadores, die als goldgierig präsentiert werden. Vgl. z.B. Vélez de Guevara o.J.: 188r. Wolfgang Reinhard bezeichnet die Goldgier der Eroberer als "größte Triebkraft der Conquista". Sie hat nicht als persönliches Laster zu gelten, sondern als "Ausdruck genereller wirtschaftlicher und sozialer Tendenzen" (Reinhard 1985:48).

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II. Amerika im Drama

es die Hauptaufgabe des ersten Teils der Pizarro-Trilogie, die Schwachpunkte in der Biographie Francisco Pizarros: die einfache Herkunft, die illegitime Geburt, sein Analphabetentum, die Goldgier, umzukehren oder zu erklären1. Die Conquistadores der spanischen Theaterstücke verhalten sich nicht nur ehrenhaft, sie sind auch gläubig und gottesfíirchtig 2 . Trotz ihres selbstbewußten Auftretens können sie bescheiden sein, wenn es die Situation erfordert3. Besonders betont wird in den Dramen der Mut der Eroberer, die auch in scheinbar aussichtslosen Kämpfen vor nichts zurückschrecken 4 . Ihre Klugheit hilft ihnen, die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner auszugleichen. Im Notfall machen sie auch Gebrauch von Listen, um ihre Ziele zu erreichen 5 . Die Entschlossenheit des Vorgehens, die oft Härte und Gnadenlosigkeit verlangt, kennt aber auch die Güte, das Verzeihen, sowohl gegenüber den eigenen Leuten als auch den Gegnern 6 . Die enkomiastische Präsentation der Conquistadores in den Amerika-Dramen erfolgt zum einen durch eine vorbildliche Handlungsweise der Helden, zum anderen durch die Rede verschiedener Figuren, vor allem der Gegner, die den Protagonisten in seiner idealen Charakterzeichnung preisen 7 . Obwohl die drei im Theater des Siglo de Oro präsentierten spanischen Conquistadores über unterschiedliche Eigenschaften verfügen und der historische Hintergrund variiert, außerdem in den Dramen verschiedene Episoden erzählt und Schwerpunkte gesetzt werden, ähneln sich die Pizarros, Cortés und García Hurtado in den comedias: Entsprechen sie doch allesamt dem Stereotyp des "hombre de armas" in seiner idealtypischen Konfiguration. Hinzu kommen die Anforderungen des Genres der comedia an das Personal: Die Helden mußten der Rolle des caballero entsprechen, teilweise auch der des Galan 8 . 1

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Zur Herkunft Francisco Pizarros und den diesbezüglichen Gerüchten vgl. Lockhart 1972: 135-141; Dellepiane de Martino 1952/53:57-67. Die uneheliche Geburt Francisco Pizarros ist in Todo es dar en una cosa das Ergebnis eines Mißverständnisses. Das Analphabetentum Franciscos wird in einer Episode durch den jugendlichen Tatendrang des Helden erklärt. Vgl. Molina 1993:11,107-109. Vgl. z.B. Lope de Vega 1969:238/239. So z.B. García Hurtado in der comedia von Belmonte Bermúdez u.a., wenn er den Soldaten hilft, ein Fort zu bauen: "[...] siembro en la tierra humildades/ para coger obediencias" (Belmonte Bermúdez u.a. 1968:553). Vgl. z.B. Belmonte Bermúdez u.a. 1968:583/584; Calderón de la Barca 1994:151-154. So z.B. Cortés in Zárates La conquista de México, der die Schiffe anbohren läßt, um seinen Willen, nach Mexico zu marschieren, durchzusetzen. Diese Episode findet sich in der Berichterstattung, gehört aber zu diesen, die in vielen - teilweise legendären - Versionen kursieren. Vgl. Zárate 1993:238-241. Vgl. auch Reynolds 1978:105-114. Dies scheint mehr für García Hurtado und weniger für die Pizarros zu gelten. Vgl. z.B. Belmonte Bermúdez u.a. 1968:554-559, wo der spanische Conquistador dem gracioso Rebolledo vergibt, der mehrmals a u f w a c h e eingeschlafen ist. Wenig später verzeiht Garcia Hurtado den Indianern ihren heimtückischen Anschlag: "que el que perdona/ vence m á s que el que se venga" (Belmonte Bermúdez u.a. 1968:581). Dies gilt in besonderem Maße für Algunas hazañas von Belmonte Bermúdez u.a., eine Abfolge von Lobreden auf den spanischen Helden. Vgl. hierzu Germán Vega GarcíaLuengos, "Las hazañas araucanas de García Hurtado de Mendoza en una comedia de nueve ingenios. El molde dramático de un memorial". Edad de Oro 10 (1991 ):207. Gerade in Vélez de Guevaras Las palabras a los reyes erfüllen Francisco und Fernando Pizarro diese Rolle, in Tirsos Trilogie Gonzalo (2. Teil), mehr noch Fernando (3. Teil).

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Was den historischen Gehalt betrifft, so unterliegen auch die Spanier - wie die oben beschriebenen Indianer - einer Mischung aus verbürgter Überlieferung, Legende und Fiktion des Autors. Gerade um Cortés und Pizarro hatten sich viele Mythen gebildet, die bis heute nur zum Teil von der historischen Wirklichkeit zu trennen sind. Gleichzeitig werden die Conquistadores mit den wichtigsten Helden aus antiker Geschichte und Mythologie verglichen: Este mancebo, el César ha de ser de aquesta hazaña; este Mendoza, este Alejandro nuevo, este Hurtado, que hurtó la excelsa llama, no solamente a Júpiter y a Febo, sino a todos los nueve de la Fama, viene a domar a Chile [...] (Lope de Vega 1969:235).

Die Glorifizierung erfolgte in den höchsten Superlativen, wobei auch die Analogie zu Jesus nicht ausgespart blieb 1 . Die panegyrische Funktion der Mehrzahl der Dramen, die die Heldentaten spanischer Conquistadores schildern, bestimmte die stereotype Verherrlichung der Figuren. Einzig Calderóns comedia gehorcht hier einem anderen Plan, "que no es ensalzar los episodios bélicos de la conquista sino los religiosos" (Zugasti 1992:143). Der Unterschied der einzelnen Dramen liegt im verschiedenen Grad der Glorifizierung, der abhängig ist vom jeweiligen historischen Kontext. Tirso de Molina muß die Geschichte verdrehen, um ein einigermaßen passables Bild seiner Helden zu erlangen. Er bedient sich dabei der Tragik, die es ihm ermöglicht, wenigstens ein Minimum an historischer Wirklichkeit zu erhalten. Belmonte Bermúdez (u.a.) und Avila indessen, die gegen die negative Präsentation García Hurtados in Ercillas Araucana anschreiben, müssen nur die Heldentaten ihres Protagonisten ins rechte Licht rücken, die richtige Perspektive einstellen. Daß dies nicht unbedingt gelingen muß oder soll, zeigt Lope de Vegas Arauco domado.

Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy Die comedia Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy stellt eine Besonderheit dar, da sie nur in Manuskriptform vorliegt 2 . Das Manuskript umfaßt 122 Seiten ohne Numerierung und trägt weder Ort noch Datum, wenngleich das Schriftbild eindeutig darauf hinweist, daß der Text aus dem 17. Jahrhundert stammt. Der Text enthält Korrekturen, an manchen Stellen ist er unleserlich. Von der Sekundärliteratur blieb das Werk bisher - mit Ausnahme von Reynolds 3 - unbeachtet.

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Von großer Bedeutung ist der Aspekt der Liebe auch in den Theaterstücken, die Hernán Cortés am spanischen Hof zeigen. So z.B. Miguel Zugasti über Tirsos Präsentation von Francisco Pizarro: "Pizarro, con doce soldados (en total forman los trece de la fama), puede parangonarse a Cristo con sus doce apóstoles, pues también él contribuyó de una forma decisiva en la propagación de la fe católica" (1992:138). Das Manuskript befindet sich in der Biblioteca Nacional in Madrid (Ms. 18085). Vgl. Reynolds 1978:57/58. Es bleibt unklar, woher Reynolds seine Kenntnis von dem Text bezog.

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/ / . Amerika im Drama

Das Manuskript nennt keinen Autor. Die comedia wird dem wenig bekannten Cristóbal de Monroy y Silva zugeschrieben, der von 1612 bis 1649 hauptsächlich in Sevilla lebte'. Der Grund dieser Zuordnung liegt im Titel: "de Monroy" könnte durchaus den Autor bezeichnen. Allerdings lautet Cortés' zweiter Name Monroy 2 , so daß dieser im Personenverzeichnis der comedia und auch an manchen Stellen des Textes als Fernando Cortés de Monroy erscheint. Auch die Tatsache, daß zu Beginn des zweiten und dritten Akts jeweils der Titel mit dem Zusatz "de Monroy" wiederholt wird, läßt darauf schließen, daß es sich bei dem Zusatz "de Monroy" um einen Teil des Titels und nicht um den Namen des Autors handelt. Reynolds' Vermutung an die er allerdings offensichtlich selbst nicht glaubt - , es könnte sich bei Monroy y Silva um einen Verwandten der Familie Cortés handeln 3 , verfugt über wenig Beweiskraft. Da die Autorschaft Monroys auf diese Weise in Frage gestellt ist, muß weiterhin von einem unbekannten Autor ausgegangen werden 4 . Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy thematisiert die Ereignisse um Cortés und seine Beziehungen zum spanischen Königshof 5 , ebenso wie Avilas El valeroso español y primero de su casa und Vêlez de Guevaras La mayor desgracia de Carlos Vy hechicerías de Argel1. Im 18. Jahrhundert veröffentlichte José de Cañizares die comedia El pleito de Hernán Cortés con Pánfilo de Narváez, laut Reynolds eine Neubearbeitung von Los plevtos de Fernán Cortés8, die aber hier aufgrund der späten Datierung nicht berücksichtigt werden soll. Die Datierung der einzelnen comedias und die damit verbundene Einflußnahme sind kaum zu bestimmen. Das Werk von Vêlez de Guevara wurde 1633 erstmalig veröffentlicht, Avilas Text 1652. Reynolds vermutet, daß La mayor desgracia de Carlos V 1626 geschrieben wurde 9 . Als anonymes Werk ist Los pleytos de Fernán Cortés kaum zu datieren. Als comedia von Monroy y Silva müßte diese vor 1649 (dem Todesjahr des Autors) verfaßt worden sein. Aber selbst dann gilt Reynolds' These, die comedia wäre die erste mit Cortés als zentraler Figur 10 , nicht unbedingt, da sowohl das Drama von Avila als auch Vêlez de Guevaras Text vor dieser Zeit hätten verfaßt und aufgeführt werden können. Ähnlich wie Tirso de Molinas Pizarro-Trilogie handelt Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy von den Problemen eines spanischen Conquistadors mit der spa1

Für einen knappen Bericht über Monroy y Silvas Leben vgl. Astrid Bottis Kromayer, Some Aspects ofthe Theater of Cristóbal de Monroy y Silva: 'Refundiciones' and the Comic Element (Ann Arbor 1978), 3/4. 2 Der Vater von Hernán Cortés war Martín Cortés de Monroy. Vgl. Martínez 1990:108. 3 Vgl. Reynolds 1978:57. 4 Eine Lösung, für die letztendlich auch Reynolds plädiert. Vgl. Reynolds 1978:58. 5 Für eine knappe Inhaltsangabe vgl. Reynolds 1978:58. 6 Für eine Inhaltsangabe vgl. Reynolds 1978:59/60; Medina 1917:21 -25; Campos 1948:182-184. 7 So der Titel der Ausgabe der Rea! Academia Española aus dem Jahr 1901. Bei Spencer/Schevill werden "hechicerías" zu "jornada". Hier ist die Handlung um Cortés jedoch der Haupthandlung - dem Kampf der spanischen Truppen unter Karl V. gegen die Araber in Algier - untergeordnet. Für eine Inhaltsangabe vgl. Reynolds 1978:56/57; Spencer/Sche vi II 1937:194/195. 8 Vgl. Reynolds 1978:58. Eine - für den zweiten und dritten Akt etwas wirre - Inhaltsangabe der comedia liefert Medina 1917:26-29. 9 Vgl. Reynolds 1978:56. Diese Vermutung wird jedoch nicht begründet. 10 Vgl. Reynolds 1978:58.

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nischen Krone. Auch hier wird den Schwierigkeiten eine Intrige zugrunde gelegt, angezettelt von Pánfilo de Narváez, einem Gegner von Hernán Cortés. Anders als in den comedias Tirsos spielt das gesamte Geschehen am spanischen Hof, so daß die Könige persönlich involviert sind. Während Felipe II. sich den Argumenten von Narváez öffnet, findet Cortés in Karl V. seinen größten Fürsprecher. Das Drama verfügt über einen beachtlichen historischen Hintergrund. 1520, als Hernán Cortés mit seinen Truppen gerade dabei war, die mexikanische Hauptstadt Tenochtitlán einzunehmen, schickte der Gouverneur von Cuba, Diego Velázquez, verärgert über das eigenmächtige Handeln von Cortés, eine Expedition unter dem Befehl von Pánfilo de Narváez nach Mexico. Cortés nahm Narváez nach kurzem Kampf bei Cempoala gefangen und übernahm seine Trappen und seine Ausrüstung 1 . In offiziellen Schriftstücken (probanzas) machte er Diego Velázquez und Pánfilo de Narváez für den folgenden Indianeraufstand, der zur Noche Triste führte, verantwortlich, sowie für die damit verbundenen Verluste an Menschen und Material 2 . Diese Ereignisse sind der Grund für die pleytos von Narváez gegen Cortés, in der Historie wie in der comedia. 1528 reiste Hernán Cortés erstmalig nach Spanien, wo er in Toledo von Karl V. empfangen wurde. Mit diesem Ereignis beginnt das Theaterstück. Wie in der comedia wurden Cortés im Verlauf seines Aufenthalts in Spanien verschiedene Titel verliehen 3 , allerdings wurde er nicht - wie erhofft - Gouverneur der Kolonie 4 . Obwohl ihm darüber hinaus weitreichende Besitztümer zugestanden wurden, war Cortés mit der Belohnung seiner Verdienste nie zufrieden und stellte immer neue Forderungen an die spanische Krone 5 . Am Hof lernte Cortés Juana de Zúñiga kennen, die er noch während seines Spanienaufenthalts heiratete 6 . Die in der comedia zentrale Anklage von Pánfilo de Narváez {pleitos) reiht sich in der historischen Wirklichkeit ein in eine Serie von Anklagen und Prozessen, die den Conquistador letztendlich Ruhm und finanzielle Besitztümer kosten sollten 7 . Eine zweite Spanienreise führte Cortés 1540 erneut an den spanischen Hof. Wohl aus taktischen Gründen und um seine Loyalität zu beweisen, beteiligte sich der bereits betagte Cortés mit zweien seiner Söhne an einem Angriff auf Algier, dessen Hafen von maurischen Piraten als Ausgangspunkt benutzt wurde, um im Mittelmeer verkehrende spanische Handels- und Kriegsschiffe aufzubringen 8 . Das Unternehmen

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Vgl. hierzu Martínez 1990:258-262; Rojas Mix 1990:69-71. Vgl. Martínez 1990:279/280. Vgl. Martínez 1990:510/511; Rojas Mix 1990:104. Für den Text der comedia vgl. anon y m , Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy (o.O. o.J.), 17/18 (die Seitennumerierung w u r d e von der Autorin vorgenommen). Vgl. Martínez 1990:511/512; Rojas Mix 1990:104. In der comedia verlangt Cortés eine encomienda, woraufhin der Kaiser ausweichend antwortet: "eso se verá después" (anonym o.J.: 19). Für Zitate aus dem Manuskript der comedia modernisiere ich die Schreibweise. Vgl. Martínez 1990:516-518; Rojas Mix 1990:105. In der comedia heißt sie Juana de Aguilar und trägt somit den N a m e n des Vaters der historischen Persönlichkeit. Vgl. Martínez 1990:517. Vgl. Martínez 1990:535-660; Rojas Mix 1990:108-110. Für die die Eroberungen betreffenden Hauptanklagepunkte vgl. die A u f z ä h l u n g bei Martínez 1990:552. Dieser Angriff ist der thematische Schwerpunkt von Luis de Vélez' La mayor desgracia

de Carlos V.

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II. Amerika im Drama

geriet zum Desaster für die Europäer und Cortés 1 . In Los pleytos de Fernán Cortés berichten zu Beginn des zweiten Akts zwei Anhänger Cortés' von diesen Ereignissen, außerdem von den Aufständen und einer allgemeinen Unzufriedenheit in Mexico 2 . Hernán Cortés sollte Spanien nicht mehr verlassen. Eine Rückkehr nach Mexico blieb ihm verwehrt, solange seine juristischen Angelegenheiten nicht geklärt waren, was im übrigen nie geschah 3 . Cortés starb am 2. Dezember 1547 in der Nähe von Sevilla 4 . Mit dem Tod von Hernán Cortés endet auch das Drama. Der Autor mußte allerdings - ähnlich wie Tirso im Fall der Pizarro-Trilogie - von der historischen und überlieferten Wahrheit abweichen, wollte er das negative historische Bild von Cortés und die Vorwürfe gegen ihn entkräften. Er bedient sich hierfür verschiedener Verfahren. Da ist zunächst die Struktur des Dramas. Hernán Cortés ist in der comedia das Opfer einer Intrige von Pánfilo de Narváez. Bereits im ersten Akt erfahren die Zuschauer/Leser, daß die Anklage von Narváez auf falschen Zeugenaussagen basiert 5 . Die beiden Könige Carlos V. und Felipe II.6 ergreifen verschieden Partei, was die Spannungsbildung erhöht 7 . Da die Intrige von Narváez aufgedeckt wird 8 , gilt Cortés in der comedia als offiziell rehabilitiert, was in der historischen Wirklichkeit nie geschah. So der Urteilsspruch von Ruy Gómez im Drama am 1. Dezember 1547, einen Tag vor Cortés' Tod: Fallo que se los pueblos, bienes a los enteramente

debe dar por bueno y leal vasallo y mando que le se han vueltos y restituidos villas y lugares que a susodicho marqués le han sido quitados secretando los jueces que malamente proçedieron contra él para que el dicho marqués sea restituido [...] (anonym o.J.:l 16/117).

Pánfilo de Narváez wird in der comedia des Landes verwiesen und trägt die Kosten des Verfahrens 9 . Die einzelnen Punkte der Anklage der pleytos, mit denen Narváez auf der Bühne Cortés des Landesverrats, der widerrechtlichen Landnahme und Bereicherung, der Befehlsverweigerung und der widerrechtlichen Ausbeutung der Indianer bezichtigt 10 , werden nicht en detail widerlegt. Vielmehr scheint Cortés von vornherein über jeglichen Verdacht erhaben. Seine Integrität wird zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Allerdings hat er in Carlos V. auch einen gewichtigen Fürsprecher, dessen Wort allein genügt, um jeglichen Zweifel auszuräumen. Der Kaiser übernimmt vor 1 2

Vgl. Martínez 1990:735-737; Rojas Mix 1990:105. Don Juan, der in Mexico war, berichtet Don Gabriel von den Ereignissen um Cortés in Mexico und Algier und versorgt hiermit den Zuschauer/Leser mit notwendigen Informationen über das Geschehen zwischen den beiden Spanienaufenthalten von Cortés (und somit zwischen dem ersten und zweiten Akt). Vgl. anonym o.J.:31-38, den Bericht über die Ereignisse in Algier 32/33. 3 Vgl. Martínez 1990:730. 4 Vgl. Martínez 1990:757-759. 5 Vgl. anonym o.J.:23/24. 6 Im Text heißt dieser "Rey Philipo". 7 Wohl nur zu diesem Zweck findet sich die Figur Felipes II. im Drama. Der historische Felipe II. war zum Zeitpunkt der ersten Begegnung Karls V. mit Cortés gerade ein Jahr alt. 8 Vgl. anonym o.J.:l 16. 9 Vgl. anonym o.J.: 117. 10 Zu den Punkten der Anklage vgl. anonym o.J.:76-79.

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Gericht die Aufgabe der Verteidigung. Auch wenn seine Argumentation inhaltlich wenig überzeugt, erscheint allein seine Parteinahme als ausschlaggebend 1 . Ein Grund, warum Carlos V. nicht an der Integrität von Cortés zweifelt, ist dessen uneingeschränkte Loyalität gegenüber der spanischen Krone. Diese äußert sich in den Taten des spanischen Helden in Mexico, von denen er selbst berichtet, ebenso wie in der Unterstützung der kaiserlichen Politik gegen Algier. Cortés stellt diese Loyalität zusätzlich unter Beweis, wenn er sich trotz Anklage und Inhaftierung 2 nicht von seinen Königen abwendet: "aún esclavo de tu honor" (anonym o.J.:54), so seine Worte an Felipe II. Die Ungerechtigkeit der Situation, in der sich Cortés am spanischen Hof befindet, verleiht seiner Existenz einen tragischen Zug. Er, der nach Spanien kam, um seinen ihm zustehenden Lohn einzufordern, der zunächst von den Königen mit offenen Armen empfangen wurde, er, der sein Leben lang gekämpft hat, um seinem König ein Weltreich zu schenken, wird am Ende seines Lebens mit Gefängnis und Verleumdung belohnt: [...] él que ganó tantos reynos tantas batallas felices calificando su honor por tribunales asiste (anonym o.J.:96),

klagt Don Gabriel, ein Anhänger von Cortés. Herausragender Charakterzug von Cortés ist in der comedia neben seiner Ehre als caballero sein Stolz. Dies zeigt sich sehr gut während der Gerichtsverhandlung, als Cortés gleich zu Beginn eine bevorzugte Behandlung ablehnt 3 . Natürlich fiihlt er sich von dem Vorwurf des Verrats zutiefst beleidigt4. Im dritten Akt schließlich fordert Cortés seinen Widersacher Pánfilo de Narváez zum Duell heraus, um sich zu rächen und seine Ehre wiederherzustellen 5 . Sein Mut, seine Ehrbarkeit und sein Stolz stehen im Kontrast zur Feigheit seines Gegners Narváez, der - nachdem sein Diener unter Androhung von Folter die Intrige gestanden hat - flieht 6 . Trotz Stolz und Ehrgebahrens des caballero verfügt Hernán Cortés in Los pleytos de Fernán Cortés über eine gewisse Abgeklärtheit des Alters. Die schweren Schicksalsschläge, der Vorwurf des Verrats und der Gefängnisaufenthalt können ihn in sei1

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Felipe II. kommt die undankbare Aufgabe zu, zumindest teilweise die Gegenpartei zu unterstützen. Er macht sich jedoch nicht schuldig und handelt korrekt, wie sein Vater betont. Vgl. anonym o.J.:75. Der historische Cortés wurde trotz aller Schwierigkeiten niemals inhaftiert. Der Autor verändert hier die historische Vorlage, um einen größeren Effekt zu erzielen. Vgl. anonym o.J.:74. "[...] es grande afrenta, Señor/ llamarme traidor y ultraje/ que se le hace a mi honor/ pues jamás en mi linaje/ hubo sombra de traidor" (anonym o.J.:76). Vgl. anonym o.J.:83. Die Herausforderung zum Duell, die in der historischen Realität keine Entsprechung hatte, ist eine Notwendigkeit, um den Anforderungen der Gattung comedia Genüge zu leisten. Eine weitere Anforderung, die der amourösen Abenteuer, gerät in der anonymen comedia aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Helden und seiner Ernsthaftigkeit eher zu kurz. Vgl. anonym o.J : 116.

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II. Amerika im Drama

ner Standhaftigkeit nicht beirren. Er trägt sein Schicksal mit Geduld, wobei ihm sicher seine tiefe Gläubigkeit hilft1. Es gelingt ihm, sich seine Selbstsicherheit zu bewahren und von seinen Positionen nicht abzurücken. Als weiterer Charakterzug wäre seine Güte zu nennen, die sich im zweiten Akt manifestiert, als Cortés und sein Sohn einem Armen begegnen2. Es ist unschwer zu erkennen, daß in der comedia ein idealisiertes Bild von Hernán Cortés präsentiert wird3. Der Eroberer Mexicos vereint in seiner Person den Mut und die Waghalsigkeit seiner frühen Jahre zusammen mit der Abgeklärtheit, Gottesfiirchtigkeit, Güte und Geduld des bald Sterbenden. Diese Idealisierung resultiert in erster Linie aus den Lobreden verschiedener Personen, vor allem der Könige4. *

Trotz vieler Gemeinsamkeiten der im spanischen Drama des Siglo de Oro präsentierten Conquistadores, die sich durch die Idealisierung und die damit verbundene Orientierung am damaligen Konzept des "hombre de armas" ergaben, kristallisieren sich in den einzelnen comedias doch Unterschiede heraus, die neben der konkreten Ausgestaltung vor allem die Verfahrensweise der Autoren betreffen. Während in Tirsos Pizarro-Trilogie Geschichte quasi neu erfunden wird, die historischen Persönlichkeiten durch fiktive Episoden (v)erklärt werden, so daß das negative Bild der Helden in der Geschichte nur noch auf Mißverständnissen zu beruhen scheint, ist es das Anliegen der Autoren um den Chile-Heros García Hurtado, historische Tatsachen durch ein Zurechtrücken der Perspektive, eine übertriebene Charakterdarstellung und eine episodische Anreicherung ins rechte Licht zu stellen. Hier wird - im Gegensatz zu Tirsos Werk - keine Gesamtschau versucht, die Darstellung bleibt vielmehr auf das Kampfgeschehen beschränkt, das als Kulisse für Lobgesänge auf den spanischen Helden dient. Das Verfahren, das der Autor der anonymen comedia um Cortés bemüht, scheint zwischen diesen beiden Konzeptionen zu liegen. Zwar werden die historischen Vorlagen abgewandelt und fiktional angereichert, die beabsichtigte Wirkung wird jedoch eher über eine Akzentuierung und die Festlegung auf eine Perspektive erreicht, die dem Guten das Böse gegenüberstellt, als durch eine Neuschreibung der Historie.

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Der dritte Akt zeigt Cortés in der Kirche, versunken im Gebet. Vgl. anonym o.J.:86/87. Vgl. anonym o.J.:38-40. Auf die Darstellungen des Hernán Cortés in den comedias von Avila und Vêlez de Guevara soll an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden. In Avilas comedia steht die Liebesgeschichte zwischen Cortés und Juana de Zúñiga im Vordergrund. Die Rollen der beiden Könige sind gegenüber dem anonymen Drama vertauscht: Während Carlos V. sich Cortés gegenüber reserviert verhält, ergreift Felipe II. offen Partei ftir den Eroberer. Ein anderes Gewicht erhält die Anklageschrift. Sie manifestiert sich nicht mehr als Intrige einer einzelnen Person, wodurch ihr Inhalt an Bedeutung gewinnt. Damit ist eine Glorifizierung von Cortés, wie sie Los pleytos de Fernán Cortés gelingt, nicht mehr möglich. Trotz Anerkennung aller Verdienste, vor allem von Seiten Frankreichs und Italiens, bleibt Cortés mit einem Makel behaftet.

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Vgl. z.B. die Lobrede Felipes II. im ersten Akt in anonym o.J.:8.

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4. Allegorien um Amerika Allegorische Personifikationen in der comedia1 Allegorien waren in der darstellenden Kunst die einzigen Manifestationen Amerikas, die eine gewisse Verbreitung fanden. Auch in den comedias, die amerikanische Themen behandeln, gehören allegorische Personifikationen zum Bühnenpersonal. Dabei handelt es sich vorrangig um abstrakte Begriffe und Sachverhalte in menschlicher Gestalt, die in das Geschehen integriert sind und auf die amerikanische Thematik verweisen". Diese verfugen über zwei Bedeutungsebenen: die des Abstraktums, auf das die Figur verweist, und die der comedia inhärente. Die Allegorien in den Dramen erscheinen zumeist in einem religiösen Kontext. A m häufigsten finden sich Demonio und Idolatria, beides offensichtlich unabdingbare Attribute Amerikas. Demonio gilt als der Stellvertreter des Teufels, des Herrschers im "Reich der Finsternis" Amerika 3 . Keine allegorischen Personifikationen finden sich in den amerikanischen Theaterstücken Tirsos, und auch die Dramen des Chile-Zyklus bemühen die Allegorien kaum: Lediglich in den Stücken Lopes und Avilas präsentiert sich Demonio, bei Turia la Muerte. Erstaunlich ist, daß nur drei der hier besprochenen comedias Erdteil- bzw. Länderallegorien in das Geschehen integrieren, somit Amerika bzw. Brasilien selbst zu Wort kommen lassen 4 . In ihrer äußeren Gestaltung weisen die Allegorien die Exotik auf, die die Indianerdarstellungen haben vermissen lassen 5 . Dieses Verfahren, Personal der autos sacramentales in das Geschehen der comedias zu integrieren, ist nicht neu 6 . Die Funktionen der Personifikationen variieren

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Eine detaillierte Darlegung der Thematik findet sich bei Ingrid Simson, "La función de la alegoría en las comedias de temática americana en el Siglo de Oro". In: Teatro español del Siglo de Oro. Teoría y práctica. Hg.v. Christoph Strosetzki (Frankfurt a.M. 1998), 305-321. Einen Überblick über die Thematik der Allegorie über Amerika im Theater der Epoche bietet Zugasti 1998a. Zur Geschichte der Allegorie in Antike und Mittelalter vgl. Curtius 1954:210-213. Für eine Definition vgl. Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol, Göttingen 1982. Dämon und Teufel waren für die damaligen Zuschauer, ebenso wie z.B. auch die Engel, von anderer Qualität als die Personifikationen, die rein abstrakte Begriffe in Geschehen umsetzen. Obwohl der Teufel für das zeitgenössische Publikum vorrangig eine historische Figur war, hat er hier als Verkörperung des Bösen dieser Welt auch als allegorische Personifikation zu gelten. Natürlich bringt er seinen heilsgeschichtlichen Hintergrund in das Geschehen mit ein, so wie auch die anderen Personifikationen im heilsgeschichtlichen Kontext zu betrachten sind. Es sind dies die Dramen von Gaspar de Avila, El valeroso español y primero de su casa (Amerika), Vêlez de Guevara, Las palabras a los reyes, y gloria de los Pizarro (Amerika) und Lope de Vega, El Brasil restituido (Brasilien). Vgl. z.B. Vêlez de Guevara o.J.:l91 r; Calderón de la Barca 1994:128. "Das Verfahren ist konstitutiv für das Barocktheater und steht in der Tradition des mittelalterlichen Theaters". Horst Dieter Hayer, "Die Rechtfertigung der Kolonisierung in den 'Comedias' Lope de Vegas über die Entdeckung, Eroberung und Behauptung der Neuen Welt". In: Literatur und Kolonialismus I. Hg.v. Wolfgang Bader und János Riesz (Frankfurt a.M., Bern 1983), 42. Vgl. z.B. La destruición de Numancia von Cervantes, wo allegorische Figuren wie España, Duero, Demonio. Guerra, Enfermedad, Hombre und Fama vorkommen.

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dabei. So geht es in einigen Fällen lediglich darum, eine Figur mit übernatürlichen Kräften zu schaffen, die Geschehen in einem Monolog zusammenfaßt oder Zukünftiges prophezeit. Dies gilt beispielsweise für América in Vêlez de Guevaras Las palabras a los reyes1. Eine doppelte Funktion erfüllen die Dämonen. Sie verweisen auf die Verbindung des amerikanischen Kontinents zu den "dunklen Mächten", gleichzeitig gehorcht ihr Erscheinen auch einer textinternen Anweisung. So fordert Demonio in Gaspar de Avilas El gobernador prudente zum Widerstand gegen die Spanier auf 2 . Eine religiös-didaktische Funktion im Sinne der autos sacramentales verfolgen die Allegorien, wenn sie weiter ausgeführt mit einigen Szenen eine eigene Handlungsebene konstituieren. Hier erfolgt die notwendige Anbindung an die Heilsgeschichte: D i e heilsgeschichtliche Ebene ist aufgebaut auf d e m A n t a g o n i s m u s z w i s c h e n Gott und Teufel, Christentum und Idolatrie, katholischer Religion und Ketzertum. A u s d i e s e m Anta g o n i s m u s ist der heilsgeschichtliche Auftrag an die spanische Nation abgeleitet (Hayer 1983:43).

Der Kampf des "wahren" Glaubens gegen den "falschen" legitimiert das spanische Vorgehen. Textintern bieten die allegorischen Szenen vereinfacht und konzentriert bildhaft die Quintessenz des dramatischen Geschehens. Sie liefern auch dem Zuschauer, der nicht konkrete Ereignisse ohne weiteres zu abstrahieren vermag, eine Orientierung und Themenbestimmung. Exemplarisch lassen sich diese Verfahren an Lope de Vegas El nuevo mundo nachweisen. Noch bevor Colón mit den spanischen Königen handelseinig wird, präsentiert eine Szene mit allegorischen Personifikationen in einer Art Exposition programmatisch die heilsgeschichtliche Themenstellung: Vor dem Thron der Providencia erscheinen Religión Cristiana und Idolatría und verhandeln über das Anliegen Colóns. Auf diese Weise wird das Vorgehen der Spanier von höchster Stelle legitimiert 3 . Themenstellung und vor allem die Bewertung des Geschehens sind somit gleich von Beginn an vorgegeben und ließen dem damaligen Zuschauer keinen Spielraum für eigene Gedanken 4 . Eine andere Grundkonstellation findet sich in einer weiteren comedia Lopes, die allegorische Szenen integriert, El Brasil restituidc. In diesem Drama mit vordergründig politischer Konfliktstellung erfolgt die Anbindung an die religiöse Thematik über die Länderallegorie Brasil. Das Land, "en figura de dama yndia, con vna rueda de plumas y vna flecha dorado como dardo" (Lope de Vega 1968:32), greift auf einer allegorischen Ebene aktiv in das Geschehen ein 5 . Die Präsenz der Länderallegorie ermöglicht gleichzeitig das Festlegen eindeutiger Positionen: Brasilien mit der spanischen Monarchie und Religion Cristiana gegen Herejía, Juden und Holländer. Das Primat der politischen Thematik erforderte eine ausfuhrliche Inszenierung der allegorischen Passagen, die sich über das gesamte Drama erstrecken.

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V g l . V ê l e z de Guevara o.J.: 191 v/192r. V g l . A v i l a 1915:44.

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V g l . Lope de V e g a 1980b: 11. Ä h n l i c h w i e Lope de V e g a in El nuevo mundo verfährt Zárate mit s e i n e m allegorischen Persona! in La conquista de México. V g l . Zárate 1 9 9 3 : 2 2 7 - 2 3 0 .

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V g l . Lope d e V e g a 1968:33-38.

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In keiner anderen comedia ist jedoch die allegorische Personifikation so eng mit der Handlung verwoben wie in Calderóns La aurora en Copacabana. Idolatría ist inhaltlich wie strukturell eine bedeutende Figur des Dramas. Auch hier geht es um den Kampf der "wahren" gegen die "falsche" Religion: Idolatría und Guáscar kämpfen gegen die Spanier, gegen Gott, die Jungfrau Maria und eine zunehmende Zahl von bekehrten Indianern, stellvertretend ftir sie alle Guacolda und Yupangui. Für den Zuschauer/Leser sind die Positionen von Anfang an klar abgesteckt. Mit ihrer Forderung nach einem Menschenopfer ist Idolatría die Hauptantriebskraft für die Handlung. Sie ist es auch, die Guáscar und seine Vorfahren als Betrüger entlarvt, somit das ganze Inkareich als vom Teufel verführtes präsentiert 1 . Nach dem Sieg der Spanier gibt Idolatría noch nicht auf. Sie ist maßgeblich verantwortlich für den Streit der zwei Familien im dritten Akt und am Scheitern der Bemühungen Yupanguis beteiligt, eine adäquate Marienstatue zu schaffen. Hier stellt sich nun die Frage nach der Funktion dieser religiös-didaktischen Verfahren, wie die allegorischen Personifikationen sie präsentieren. Bei einer comedia wie El Brasil restituido ist die Allegorie tatsächlich notwendig, um dem vorrangig politischen Thema eine religiöse Dimension zu verleihen. Bei Lopes El nuevo mundo dagegen ist die heilsgeschichtliche Anbindung durch den gesamten Text gegeben, ist die Christianisierung erklärtes Ziel von Colón und seinem Gefolge. Gleichzeitig wird in der comedia Kritik am Vorgehen der spanischen Soldaten geübt, an deren Gier nach Gold und Frauen. Auch wenn hier keineswegs die Conquista an sich in Frage gestellt wird, ist das Verhalten der Spanier doch äußerst ambigue gezeichnet. Es bleibt zu überlegen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen diesen kritischen Passagen und der offensichtlichen Notwendigkeit, gleich zu Beginn des Dramas die korrekte religiöse Richtung vorzugeben. Hatte Lope eventuell die Befürchtung, von den Zuschauern mißverstanden zu werden? Diente das Vorschalten der allegorischen Szene mit ihrer eindeutigen Standortbestimmung der Absicherung gegenüber der Zensur? Es muß hier erneut daran erinnert werden, daß die amerikanische Thematik noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts äußerst brisant war, aus politischen wie religiösen Gründen. Es ist daher anzunehmen, daß die allegorischen Szenen neben ihrer religiös-didaktischen Funktion auch zur Absicherung der Autoren dienten. Offensichtlich sollten die allegorischen Personifikationen einen Ausgleich schaffen zu kritischen Stimmen innerhalb einer comedia. Denn es ist sicher kein Zufall, daß Lope in einer allegorischen Szene Providencia die Vorwürfe Idolatrías gegen die Spanier entkräften läßt 2 . Und es ist auch kein Zufall, daß außer Lopes El Brasil restituido und Calderóns La aurora en Copacabana gerade diejenigen Dramen über ausgearbeitete allegorische Szenen verfugen, die "kritische" Passagen enthalten: Lopes El nuevo mundo, Claramontes El nuevo rey Gallinato und Zárates La conquista de México.

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Vgl. hierzu die entsprechenden Szenen in Calderön de la Barca 1994:142-149. Vgl. Lope de Vega 1980b: 11.

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Las cortes de la muerte 1557 wurde einer der ersten literarisch-fiktionalen Texte gedruckt, der in einer kurzen Passage explizit Bezug auf Amerika und die spanischen Eroberungen nahm. Es handelt sich um das auto Las cortes de la muerte, verfaßt von Micael de Caravajal (bisweilen auch Carvajal), ergänzt und beendet von Luis Hurtado de Toledo. Dieser Text steht in der Tradition der spätmittelalterlichen Totentänze 1 und ist der Gattung der farsa moral bzw. representación moral2 zuzuordnen, einer der Vorformen der späteren autos sacramentales. Vor einer Art Tribunal (cortes), dem Muerte, Carne, Mundo, Satanás, zwei Engel und die Heiligen San Agustín, San Jerónimo und San Francisco angehören, erscheinen Abgeordnete verschiedener Stände und Gruppen, um sich über ihr schweres und zu kurzes Leben zu beklagen. Obispo, Pastor, Caballero, Rico, Pobre, Monja, Casado, Judíos, Moros u.a. werden, nachdem sie ihre Klagen vorgetragen haben, von den Mitgliedern des Tribunals belehrt und vertröstet3. Der Text läßt eine gegenreformatorische didaktische Tendenz erkennen, wie sie den Schriften der Zeit eignet, die von den Lehren des Erasmus beeinflußt sind 4 : Se trata [...] de una verdadera y sermonaría Praeparatio ad Mortem, que no está m u y lejos, en realidad, del espíritu e intenciones del tratado erasmiano de igual título, popularizado en castellano gracias a dos traducciones de 1535. 5

Neben dem direkten Einfluß der Schriften des Erasmus, der sich an der Kritik gegen Kirche und Klöster nachweisen läßt6, sind in dem auto Ähnlichkeiten mit dem Diálogo de Mercurio y Carón des Erasmisten Alfonso de Valdés auszumachen 7 . Szene XIX des auto% bringt einen cacique und fünf Indios vor das Tribunal, die 1

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Hier klagen Vertreter verschiedener Stände und Gruppen vor dem Tod in Monologen über ihr zu frühes Ableben, zumeist mit sozialkritischer, oft auch satirischer Tendenz. Z u r Geschichte der Totentänze vgl. T h o m a s Schiretz, "Der Totentanz - von der Bildidcc zur szenischen Darstellung. Zur dramatischen Ausgestaltung des Totentanzes im Zeitalter des Barock". In: Triumph des Todes? Hg. v o m M u s e u m Österreichischer Kultur. Ausstellungskatalog (Eisenstadt 1992), 1-14.

Für eine Definition des Genres vgl. W. Roy MacKenzie, The English Moralities front the Point of View of Allegory. Nachdruck (Boston, London 1968), 9. Die Charakteristika der englischen Gattung lassen sich auf die spanische übertragen. Vgl. auch Frauke Gewecke, Thematische

Untersuchungen zu dem vor-calderonianischen 3 4 5

'auto sacramental' (Genf 1974), 55-61.

Vgl. Micael de Caravajal/ Luis Hurtado d e Toledo, "Las cortes de la muerte". In: Romancero y cancionero sagrados. Hg.v. J u s t o d e Sierra ( B A E 35) (Madrid 1950), 1-41. Z u m Einfluß von Erasmus in Spanien vgl. das grundlegende Werk von Bataillon 1950. Julio Rodríguez-Puértolas, "Las cortes de la muerte, obra erasmista". In: Homenaje a Wi-

lliam L. Fichter. Estudios sobre el teatro antiguo hispánico y otros ensayos. Hg.v. A. Da6 7

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vid Kossoff und José A m o r y Vázquez (Madrid 1971), 648. Vgl. z.B. Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:6-8,12-14,16-19. Für Beispiele hierzu vgl. Rodríguez-Puértolas 1971:650-655. Für den Einfluß der Lyrik des 15. Jahrhunderts auf Las cortes de la muerte, vor allem den Iñigo de Mendozas, vgl. Julio Rodríguez-Puértolas, "La literatura del siglo X V y las cortes de la muerte". Revista de literatura 33,65-66 (1968): 103-110. Die Szene XIX von Las cortes de la muerte findet sich in kommentierter Fassung in Ruiz R a m ó n s Anthologie. Vgl. Miguel d e Carvajal [Micael de Caravajal]/ Luis Hurtado de To-

ledo, "Las cortes de la muerte". In: América en el teatro clásico español. Estudio y textos.

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sich über ihre schlechte Behandlung durch Spanier und Angehörige anderer Nationalitäten beklagen. Obwohl sie froh sind, nun den wahren Glauben zu kennen, lebten sie zuvor glücklicher 1 . Als Grund allen Übels benennen die Indianer das Gold, auf das es die Europäer abgesehen haben, und geben hiermit bereits die Richtung des weiteren Verlaufs der Szene vor. Im Namen des Goldes werden unzählige Grausamkeiten an ihnen begangen. Sich selbst schildern die Indianer als einfach, bescheiden, ohne Kenntnis von Waffen, als gute Christen. Sie träumen von einem friedlichen Ort ohne Gold und Krieg 2 . Das Erscheinen der idealisierten Indianer mit ihrer Klage gegen europäische Dekadenz und Grausamkeit verweist auf den moralistisch-utopischen Diskurs der Epoche, der in den Schriften von Guevara und Valdés am Rande auch Amerika thematisch berührt 3 . Die Klage gegen die Schädlichkeit des Goldes ist ein traditioneller Topos, der durch die Eroberung Amerikas zu neuer Aktualität gelangte. Gleichzeitig ist auch ein Einfluß von Bartolomé de las Casas auf den Text von Caravajal und Hurtado de Toledo zu verzeichnen. Dessen Thesen erfuhren durch die Kontroverse von Valladolid und die Veröffentlichung seiner Brevísima relación de la destrucción de las Indias (1552), einem Traktat, in dem ausfuhrlich die Greueltaten der Spanier in den amerikanischen Kolonien beschrieben werden, eine weitgehende Verbreitung 4 . Mit einem dialektischen Schachzug verkehrt der Heilige San Francisco die Rede von der an den Indianern begangenen Schuld um in die Schuld Amerikas: ¡Oh Indias, pluguiera a Dios Que vuestra tierra cocida Y oro no diérades vos; Pues por ella hay entre nos Tanta multitud perdida! (Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:33) 5 .

Das Gold Amerikas trägt folglich die Schuld an den Gewalttaten, die Europäer an den Bewohnern Amerikas begehen. Zwar werden die Seelen der neu Konvertierten gerettet, dafür wird der Kontinent aufgrund seiner Goldvorkommen verdammt. An-

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Hg.v. Francisco Ruiz Ramón (Pamplona 1993), 259-268; außerdem in Juan A. Ortega y Medina, "El indio absuelto y las Indias condenadas en las Cortes de la muerte". Historia mexicana 4,4 (16) (1955):486-491. Vgl. Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:31. "Venimos determinados/ Dejar los hijos y tierras,/ Y buscar ya ¡desdichados!/ Los desiertos apartados/ Do no nos fatiguen guerras" (Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:32). Rodríguez-Puértolas weist auf Valdés und Erasmus hin. Vgl. Rodríguez-Puértolas 1971: 655. Zum moralistischen und utopischen Diskurs der Epoche vgl. die Ausführungen auf den Seiten 120-125 dieser Studie. Ortega y Medina ist in seinen Ausführungen zu Las cortes de la muerte darum bemüht, den Einfluß von las Casas für gering zu erklären. Seine Darlegung läßt die verklärende Betrachtung des Dominikanermönchs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkennen. Für eine Positionierung des Werks von las Casas innerhalb der Geschichte vgl. Bemd Dahms, Bartolomé de Las Casas (1484-1566). Indio-Politik im 16. Jahrhundert und ihre Rezeption in lateinamerikanischer Literatur (Tübingen, Basel 1993), 27-47. Für eine adäquate Einordnung der Konzeption von las Casas vgl. Erdheim 1988:36-41. Wie Ortega y Medina treffend feststellt: "Los absueltos serán los indios; la sentencia condenatoria caerá sobre América" (1955:499).

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klage und Kritik richten sich dann gegen die Gruppe der spanischen Gesellschaft, die sich an Amerika bereichert, die indianos: CARNE Hermano, ¿no ves las galas Del mundo fuera de ley; Cuántos palacios y salas; Y á cada ruin nacen alas De vestirse como el rey? (Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:33). Womit die eigentlichen Protagonisten dieser Szene XIX benannt wären, die indianos, die über den Umweg der Klage der Indianer attackiert und verurteilt werden. So geht es hier nicht um Amerika, sondern um eine innerspanische Angelegenheit. Die Klage der Indianer, die einen Ausschnitt amerikanischer Realität evoziert, ist integriert in den moralistischen Diskurs gegen eine neu etablierte Gesellschaftsschicht. Auch wenn die Rede der Indianer aus Las cortes de la muerte vorrangig spanische Belange transponiert, ist deren Erscheinen doch von Bedeutung. Die Indianer äußern Kritik in einer Form, wie sie 1557 gerade noch möglich war . Wenig später wären die Klagen der Amerikaner von der Zensur beanstandet worden. Die hier präsentierten Indios sind selbstbewußt und vernunftbegabt. Sie erscheinen neben Juden und Mauren integriert in das christliche Weltbild, das sich jegliche Alteritätserfahrung zu tilgen bemühte 2 . Ersichtlich ist hier auch die christlich-patemalistische Haltung gegenüber den neu Konvertierten, die die Indianer aus Las cortes de la muerte endgültig zu Kindern von las Casas macht, freilich ohne ebenso konsequent die Schuldigen zu benennen. Der Grund der realen Greueltaten wird mystisch verklärend in den Goldadern des Kontinents gesehen.

Autos

sacramentales

Das auto sacramental ist eng mit dem Sakrament der Eucharistie und der katholischen Lehre der Transsubstantiation verbunden. Zwar ist die Themenvielfalt der Fronleichnamsspiele beachtlich, die argumentos - Themen - müssen sich aber immer auf den asunto, den Anlaß: die Eucharistiefeier, beziehen 3 . Für Gewecke wird dieser Bezug zum hauptsächlichen Charakteristikum aller autos sacramentales*. Die Art der Relation variiert bei den einzelnen Autoren und in den verschiedenen Entwicklungsstadien der literarischen Gattung. Es handelt sich jedoch immer um ein offenes Rekurrieren eines literarisch-ñktionalen Systems auf ein außerliterarisches Dogma, auf eine "aller Fiktion vorausliegende Glaubenswahrheit" 5 . 1 2 3 4 5

Erschienen ist das auto wahrscheinlich schon in den Jahren davor, allerdings nicht vor 1552. Vgl. Rodríguez-Puértolas 1971:647. Vgl. Ortega y Medina 1955:492. Auf die Möglichkeit zur Themenvielfalt weist Alexander A. Parker hin. Vgl. Alexander A. Parker, The Allegorical Drama of Calderón. An Introduction to the Autos Sacramentales. Nachdruck (Oxford, London 1961), 60. Vgl. Gewecke 1974:11/12. Sebastian Neumeister, "Die Verbindung von Allegorie und Geschichte im spanischen Fronleichnamsspiel des 17. Jahrhunderts". In: Formen und Funktionen der Allegorie.

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Die Allegorie gilt als bestimmendes Merkmal der Fronleichnamsspiele, vor allem in den späteren Entwicklungsphasen des Genres, bei Lope und in besonderem Maße bei Calderón 1 . Dabei ist die Ausgestaltung der Allegorie variabel und erfahrt eine Entwicklung. So finden sich rein allegorische autos neben "solchen Stücken, die einen 'historischen' bzw. 'literalen' Sinn haben, der sodann allegorisch ausdeutbar ist" (Küpper 1990:126). Das Fronleichnamsspiel ist in enger Verbindung mit den Positionen der spanischen Gegenreformation zu sehen. Es ist in diesem Sinne didaktisch 2 , wobei es sich keineswegs u m bloße antireformatorische Propaganda handelt, sondern vielmehr um eine interne Bestärkung und Festigung im Glauben der katholischen Kreise 3 . Die katholischen Glaubensinhalte sollen dabei weniger über rationales Erfassen als über ein bewegtes Überzeugtsein - movere - vermittelt bzw. gefestigt werden 4 . So dominieren Bilder und Szenen über das argumentierende Wort, sind admiración und asombro5 wichtiger als erklärendes Verstehen. Allerdings geht es beim auto sacramental um mehr als die Stärkung katholischer Glaubenssätze: So wird das allegorische Drama in dieser Zeit mehr und mehr von einem Drama des Kampfs gegen die Sünden zu einem Drama des Kampfs gegen die fehlorientierenden Diskurse (Küpper 1990:110). War es doch erklärtes Ziel des Konzils von Trient, gegen den Diskurs der Renaissance mit seiner Neubewertung der Antike "Kunst und Literatur ganz zu rechristianisieren", was in Spanien zur "Abwehr und Umdeutung des Renaissance-Erbes" und zur "Neukonstruktion einer christlichen Metaphorik" (Neumeister 1979b:293) führte. So wurde das spanische auto sacramental zum Genre des neu konstituierten Diskurses par excellence, zumal in der vollendeten Ausprägung, die ihm in der Spätphase Calderón verleiht 6 . Dabei war die Heilsgeschichte das alleinige Dogma, das sämtliche Vorstellungswelt dominierte und integrativ das Weltbild bestimmte: Calderón deutet praktisch die Gesamtheit der der damaligen Anschauung präsenten 'Welten' auf den einen und einzig entscheidenden Punkt der Heilsgeschichte, die Passion und Erlösung hin (Küpper 1990:126). Symposion Wolfenbüttel 1978. Hg.v. Walter Haug (Stuttgart 1979), 306/307. Zu den autos sacramentales vgl. auch Gerhard Poppenberg, Psyche und Allegorie. Studien zum spanischen auto sacramental von den Anfingen bis zu Calderón, München 2003. 1 Vgl. Joachim Küpper, Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón. Untersuchungen zum spanischen Barockdrama. Mit einer Skizze zur Evolution der Diskurse in Mittelalter, Renaissance und Manierismus (Tübingen 1990), 98. 2 Vgl. Küpper 1990:34. 3 Vgl. Neumeister 1979b:293-297; Manfred Tietz, "Zur Vermittlung religiöser Inhalte an Laien im Theater Calderóns. Die autos sacramentales und der vulgo ignorante". Romanische Forschungen 93,3/4 (1981):328. 4 Vgl. Tietz 1981:322/323. 5 Zu den beiden wichtigen Konzepten Calderóns vgl. Tietz 1981:329. 6 In seinem Werk Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón geht es Küpper um den Nachweis, daß das spanische Barockdrama zur Überwindung des Renaissance-Diskurses auf mittelalterliche Positionen zurückgreift. Zum auto sacramental - "die konzentrierteste Manifestation des restaurierten Diskurses" das Küppers Thesen auf besondere Weise zu bestätigen vermag, vgl. Küpper 1990:94-229.

II. Amerika im Drama

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Hier tritt auch Amerika in Erscheinung, wenngleich in sehr bescheidenem Ausmaß. Die Integration amerikanischer Realitäten in die Weltvorstellung, wie sie die Fronleichnamsspiele propagierten, soll im folgenden an drei Beispielen demonstriert werden: Lope de Vegas La Araucana, Calderóns La semilla y la cizaña und La nave del

mercader.

Lope de Vegas auto sacramental La Araucana ist eines der Werke des Autors, die bisher von der Sekundärliteratur kaum beachtet wurden. Verantwortlich hierfür dürfte Menéndez Pelayo sein, der den Einakter, den er selbst 1893 erstmalig veröffentlichte, als "pieza disparatadísima" und als "bien absurdo delirio" 1 bezeichnete. Das auto verfügt über die obligatorischen zwei Ebenen der Allegorie. Zunächst evoziert es eine araukanische Szene, in der die aus Ercillas Araucana überlieferten historischen Figuren Caupolicán, Rengo und Teucapel 2 um die Führung ihres Volkes kämpfen, das sich gegen die Tyrannei der Fremden auflehnt. Nachdem Caupolicán die anderen caciques in verschiedenen Fertigkeiten besiegt hat, kommt es zur sogenannten Holzstammprobe, die sich auch in Ercillas Araucana findet3. Der Holzstamm wird dabei zum Bindeglied zwischen der historisch-realistischen Ebene und einer zweiten heilsgeschichtlichen, in der Caupolicán Christus ist, Colocolo Johannes der Täufer, Rengo Luzifer, Teucapel Idolatría und Polipolo Symbol für den Menschen an sich4. Das Holz wird zum Kreuz Christi bei den folgenden Worten Caupolicáns: Venid, sacro madero, [...] Y comiencen en vos mis monarquías, Que sustentaros quiero Sobre mis hombros por eternos días. Para que el peso grave, Leve sea desde hoy y yugo suave (Lope de Vega 1893:116).

Der Freiheitskampf der Araukaner gegen die Fremdherrschaft wandelt sich zum Kampf zwischen Christus und Luzifer, zum Opfertod Jesu für die Erlösung der Menschheit. Nicht mehr Befreiung von den fremden (spanischen) Truppen 5 , sondern "eterna redención" (Lope de Vega 1893:116) ist das Ziel von Caupolicán-Christus. Und Caupolicáns Bemühungen werden belohnt: Als er schließlich die Eucharistie preist, folgen ihm die Indios und lassen Rengo mit seinem Teller voller Schlangen, 1

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Marcelino Menéndez Pelayo, "Observaciones preliminares". In Lope de Vega 1893:XVI. Diesem Urteil schlössen sich die meisten Kritiker an, wenngleich in der Regel etwas differenzierter. Vgl. z.B. Bruce W. Wardropper, Introducción al teatro religioso de! Siglo de Oro. Evolución del Auto Sacramental antes de Calderón (Salamanca u.a. 1967), 288. Vgl. hierzu auch Küpper 1990:119. Die einzige etwas ausfuhrlichere Analyse des auto findet sich bei Lerzundi 1979. Der Name eines weiteren Kämpfers, Polipolo, geht auf keine historische Vorlage zurück, ebensowenig wie die Namen der beiden Frauenfiguren Fidelfa und Glitelda. Vgl. Lerzundi 1979:272. Derjenige, der am längsten einen Holzstamm auf seinen Schultern halten kann, wird Chef der Araukaner. Vgl. Ercilla 1979:1,157-164. Vgl. Lerzundi 1979:67. Ein direktes Benennen der Spanier wird in dem auto vermieden.

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den am Ende eine Rakete zerstört, stehen 1 . Die Analogien zwischen der historischen und der heilsgeschichtlichen Ebene sind eindeutig. Als Caupolicän-Christus erstmalig erscheint, wird er folgendermaßen angekündigt: "Mientras cantan, baja de lo alto del carro Cristo, en figura de Caupolicän, de indio, vestido famosamente" (Lope de Vega 1893:113). Auch die Präsentation von Colocolo, Rengo und Teucapel läßt an ihrer heilsgeschichtlichen Identität nicht zweifeln. Diese Analogien integrieren die araukanische Welt in das christliche Weltbild und berauben sie dabei jeglicher Alterität, die im folkloristischen Detail erstarrt. Auch hier siegt der "wahre" Glaube, geht Luzifer letztendlich unter. Die Lösung von Lopes auto erinnert an Las cortes de la muerte: Zwar wird in Lopes Araucana das irdische Unrecht benannt, die bessere Lösung ist jedoch eine jenseitige. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Analogie zwischen dem Indianercaci'gue Caupolicän und dem christlichen Erlöser Jesus Christus im Gesamtkontext einzuordnen ist. Handelt es sich dabei lediglich um einen gängigen Vergleich, oder findet hier eine außergewöhnliche Analogiebildung statt? Eine Gleichsetzung historischer Figuren mit Christus in den autos sacramentales ist durchaus üblich, allerdings handelt es sich in der Regel um hochgeschätzte historische Persönlichkeiten" und keine Ungläubigen. Diese finden sich eher in der Gestalt des Bösen, als Satan oder Luzifer 3 . Lope de Vega wählt Caupolicän nicht zufallig als Christusfigur. Offensichtlich kann Christus die Araukaner nur in ihr bekannter Gestalt vom wahren Glauben überzeugen 4 . Gleichzeitig knüpft das auto an Lope de Vegas comedia Arauco domado an, in der der tragisch endende Caupolicän bereits in Analogie zu Jesus konzipiert zu sein scheint. Die historische Figur ist d e r Held des chilenischen Befreiungskampfes gegen die spanischen Truppen, der von seinen Gegnern grausam gefoltert und hingerichtet wurde. Kurz vor seinem Tod bekannte sich Caupolicän zum katholischen Glauben. Nach seiner Hinrichtung galt Arauco als befriedet. Ermöglicht wird diese ungewöhnliche Analogiebildung, die im Fall von Juden und Mauren undenkbar wäre, durch eine Glaubensvorstellung, die die Indianer als Heiden und nicht als Irrgläubige betrachtet. In engem Zusammenhang damit stand die Idee einer frühen Christianisierung des Kontinents bereits vor Colon, wie sie auch in Calderöns La aurora en Copacabana geäußert wird. Daß die Analogie zwischen dem araukanischen cacique und dem christlichen Erlöser für die damalige Zeit trotzdem gewagt war, dürfte Menendez Pelayos Reaktion noch Ende des 19. Jahrhunderts hinreichend belegen. Es ist bedauerlich, daß keine zeitgenössischen Reaktionen auf das auto bekannt sind, das erstmalig 1893 veröffentlicht wurde und von dem man nicht weiß, ob es jemals zur Aufführung gelangte. Bis heute hat sich die Sekundärliteratur nicht von der Position Menendez 1 2 3 4

Vgl. Lope de Vega 1893:117-119. Die sieben Gänge, die Rengo anbietet, symbolisieren die sieben Todsünden. W i e z.B. den Cid im anonymen Auto sacramental del Cid. Vgl. Gewecke 1974:260. S o repräsentieren die Mauren z.B. häufig Demonio. Für Beispiele vgl. G e w e c k e 1974: 251-253. O b Caupolicän tatsächlich als vorrangige Christusfigur ohne seinen historischen Hintergrund in das auto integriert wird, wie G e w e c k e festzustellen glaubt (vgl. 1974: 267/268), hängt letztlich von der oben zitierten - fraglichen - Regieanweisung ab.

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Pelayos lösen können, so daß Lopes auto "meist nur als Kuriosum" (Küpper 1990:119) registriert wird. Auf andere Weise fand Amerika in Calderón de la Barcas autos sacramentales Eingang 1 . Ein Großteil der Fronleichnamsspiele Calderóns beschäftigt sich nit der Frage nach dem "richtigen" und "falschen" Glauben. Personifikationen wie Herejía, Idolatría oder Gentilidad gehören zum Personal dieser autos. Zwar spielten diese Sachverhalte eher beiläufig auf Amerika und seine Bewohner an, bisweilen wurden diese Bezüge im Text jedoch konkretisiert. So erscheint Idolatría z.B. in El abo de la almudena "vestida a lo indio" (Calderón de la Barca 1952:566), in El nuevo hospicio de pobres "de indio" (Calderón de la Barca 1952:1185). Und Ateísmj wird in A Dios por razón de estado ais "indio bozal" (Calderón de la Barca 1952:857) beschrieben 2 . Bei der theologischen Diskussion um den richtigen Glauben in den autos Calderóns dominieren jedoch die beiden Glaubensrichtungen, die Europa schon lange bekannt sind und die auf eine lange Tradition der kontroversen diskursiven Auseinandersetzung mit dem Christentum zurückblicken: die jüdische uid die moslemische 3 . Auch auf antike Kulturen wird bisweilen Bezug genommen. Die anderen Religionen unterliegen dem christlichen Glauben und werden in ihrer Rechtfertigung widerlegt. Gleichzeitig sind sie aber fester Bestandteil einer christlichen Weltsicht. In einer hierarchischen Aufteilung der Religionen gilt die Naoirreligion der Indianer Amerikas als Vorstufe zum Christentum . In seinen autos sacramentales betont Calderón die Inferiorität der anderen Religionen, denen das Christentum patemalistisch zu begegnen hat. Dies zeigt sich deutlich z.B. in der loa zu La primer Flor del Carmelo, wo sich die Indianer zum Dank für ihre Bekehrung Europa unterwerfen 5 . In einigen autos Calderóns erscheint Amerika als Erdteilallegorie neben Asien, Afrika und Europa. In La semilla y la cizaña möchte der Sembrador (Christus) allen Erdteilen Saatgut bringen, Symbol für die christliche Botschaft und die Euchiristie. Es erscheinen Asia mit ihrem Verwalter Judaismo, Africa mit Paganismo, Europa 1 2

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Z u Amerika in den autos sacramentales Calderóns vgl. Parker 1983:261-269; V;ntades 1993:966-972. Die Zuweisung des Atheismus zu Amerika erstaunt, galt der Kontinent doch eher als Region, in der eine Vielzahl verschiedener Götter angebetet wurde. Hier manifestiert ¡ich die Austauschbarkeit der fremden Kulturen, auf die auch Susana Hernández Araico inspielt. Vgl. Susana Hernández Araico, "La alegorización de América en Calderón y Soi Juana: Plus Ultra". Rilce 12,2 (1996):294/295. Ventades betont, daß der Atheismus nur in diesem auto mit Amerika in Verbindung gebracht wird. Vgl. Ventades 1993:967. Die Tradition des Religionsgesprächs geht auf das frühe Mittelalter zurück. Einei Höhepunkt erreichte dieses Genre unter dem Katalanen Ramón Llull. Diese Auffassung wird z.B. in der loa zu Los encantos de la Culpa geäußert. Vg. Pedro Calderón de la Barca, Autos sacramentales, alegóricos, y historiales V. Hg.v. Pedro de Pand o y Mier (Madrid 1717), 104. Die Ausgabe der autos sacramentales von Valbuma Prat (Calderón d e la Barca 1952) führt nicht alle loas an. Die Vorstellung der indianische Religion als Vorstufe zum Christentum findet sich auch in Calderóns La aurora en Copa:abana. "America. [...] con el Poder de vn Dios solo/ que me has vencido confiesso;/ y assi puesta de su Vando,/ en Vassallage te ofrezco/ mis Provincias, porque diga/ la F a m a en ¡onoros Ecos,/ q u e yá America, Colonia/ de Europa, le rinde feudo" (Calderón de h Barca 1717:11,144).

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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mit Gentilidad und América, "sobre un caimán, a lo indio" (Calderón de la Barca 1952:593), mit Idolatría'. Nur Judaismo ist dem Sembrador zunächst gewogen, die anderen hören seiner Rede über die Saat und die Gefahren für das Saatgut - d.h. über das Wort Gottes 2 und die Eucharistie - nicht zu bzw. können sie nicht verstehen. Idolatría hat nur Augen für Cizaña, das Unkraut, das in Gestalt des Teufels auftritt. Negative Elemente wie Cizaña, Cierzo, Ira und Niebla sorgen dafür, daß die Saat nicht aufgeht. Als der Sembrador kommt, um die Abgaben einzutreiben, ist ihm außer Europa mit Gentilidad niemand wohlgesonnen. Es folgt eine Szene, die in Analogie zur Kreuzigung Christi steht. Durch seinen Tod hat Gottes Sohn die Menschheit erlöst und alle von sich überzeugt 3 . Nur Judaismo als Mörder Christi muß fliehen. Das auto zeigt deutlich, welcher Platz den anderen Religionen innerhalb der christlichen Welt zukommt. Während das Judentum in seiner christlich-historischen Rolle als Henker von Gottes Sohn gegen den Sembrador opponieren muß, fügen sich die anderen Regionen und Religionen der christlichen Lehre 4 . Die Missionstätigkeit bedarf keiner Legitimierung, sondern ist ein Teil der Erlösung der Menschheit durch die Kreuzigung Christi. Sie ist ein unabdingbarer Bereich der christlichen Lehre. Eine andere Thematik verfolgt Calderón in La nave del mercader5. Hombre hat die Möglichkeit, zwischen zwei Lebenswegen zu wählen: einer beschwerlichen Reise mit einem Schiff in eine Neue Welt, die Opfer verlangt, dafür Reichtum bringt, oder einem unbeschwerten lustvollen Leben in den Städten. Er entscheidet sich für den zweiten Weg, wobei er jedoch scheitert. Inzwischen hat Mercader (Christus) die Welt befahren und kehrt mit kostbarer Ladung zurück: amerikanischem Reichtum - Weizen. Er steuert die europäischen Häfen Ostia (hostia) und Cáliz (Cádiz) an. Mit seinem Opfer, dem mitgebrachten "Brot des Lebens", erlöst er Hombre aus seinem Verlies. In diesem auto wird der direkte Bezug zu Amerika durch die Rede Culpas geschaffen, die einen Ausschnitt der Reise des Mercader beschreibt und dabei einige amerikanische Städte benennt 6 . Die Schiffsreise des Mercader ist ein Symbol für den Lebensweg Christi, an dessen Ende die Erlösung der Menschheit steht. Christus ist in dem auto Händler und Missionar. Durch die Analogie von Handel und Erlösung der Menschheit erfährt der bereits sehr früh kritisierte Amerikahandel eine enorme Aufwertung. Das amerikanische Gold, das Europa erreichte, wird umgedeutet in geistig-religiösen Reichtum 7 . Damit setzt sich Calderón über die realisti-

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A m e r i k a findet sich in seiner Präsentation auf die gängigen stereotypen Merkmale reduziert: Idolatría, Verbindung mit dem Teufel, Gold und Reichtum. Vgl. Calderón de la Barca 1952:600. "Palabra y Trigo es lo mesmo/ en el místico sentido" (Calderón d e la Barca 1952:596). Vgl. Calderón d e la Barca 1952:606. Die G e g n e r s c h a f t der einzelnen Religionen variiert allerdings in den verschiedenen autos. So lassen sich in El valle de la zarzuela Europa und América v o m Principe (Christus) überzeugen, während sich Asien und Afrika widersetzen. Vgl. Calderón de la Barca 1952:700-721. Die Überlegenheit der christlichen Lehre bleibt in j e d e m Fall bestehen. Vgl. hierzu Parker 1983:267-269. Vgl. Calderón de la Barca 1952:1464/1465. Auch Gerhard Poppenberg weist auf das Moment der Umdeutung hin: "[...] con lo cual la explotación económica real, por una transmutación d e los valores ideológicamente genial, queda transformada en medio de la salvación cristiana" (1996:62). So wird die spanische Missionstätigkeit indirekt angesprochen.

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sehe Problemlage hinweg und verweist auf den der überseeischen Expansion zugrundeliegenden tieferen religiösen Sinn, mit dem er offensichtlich das Unternehmen zu legitimieren versucht: Poetic imagination can redress the injustices of history. Calderón [...] transformed the reality of maritime trade into the New World's promise of salvation to unregenerate mankind (Parker 1983:269).

5. Die Figur des indiano Abschließend soll hier für das Theater eine Figur präsentiert werden, die als einziges Phänomen der amerikanischen Thematik Eigenständigkeit und eine weite Verbreitung in der spanischen Literatur des Siglo de Oro erreichte: die Figur des indiano Treffend stellt Martinez-Tolentino fest, "que el indiano de Lope de Vega fue la primera contribución americana importante al teatro español del Siglo de Oro" (1991: 12/13)", eine Beobachtung, die sicher nicht nur für Lope de Vega gilt. Der reiche Spanienrückkehrer und gesellschaftliche Außenseiter wurde bald zum beliebten Spottobjekt einer Gesellschaft im Umbruch, die zwischen dem Wunsch nach materiellem Gewinn und traditioneller christlicher Wertvorstellung, für die das Streben nach Reichtum verpönt war, schwankte. Als Sinnbild für Raffgier, Vergnügungssucht und Dekadenz fand der indiano früh den Weg auf die spanischen Bühnen. Er spielt vor allem in den comedias, verstärkt noch in den entremeses3 eine Rolle, zuweilen erscheint er auch in Prosatexten 4 . Die Konzeption und auch der Erfolg der Fi1

Das Phänomen des indiano in der spanischen fiktionalen Literatur wurde von der Forschung bereits früh beschrieben und erfaßt, wenngleich auch hierzu die Sekundärwerke nicht reichlich sind. Es finden sich einige frühe Werke, die Beispiele von indianos im Theater sammeln und nach Auffuhrungssituationen katalogisieren. Vgl. z.B. Urtiaga 1965, der einen allgemeinen Überblick mit vielen Beispielen gibt. Vgl. auch Morinigo 1946:149-211; Franco 1954:131-141. An neueren Werken vgl. Martinez-Tolentino 1991; Kurt Reichenberger, "América, las Indias y los indianos en el teatro de los Siglo d e Oro".

In: Las Indias (América) en la literatura del Siglo de Oro. Homenaje a Jesús Cañedo. Hg.v. Ignacio Arellano (Kassel 1992), 91-105; Romera Castillo 1992:108-114; Laferl 1992a: 180-186; Villarino/Fiadino 1993:987-994; Héctor Brioso Santos, "La figura del in-

diano teatral en el Siglo de Oro español". In: II Congreso Internacional del Teatro: América y el teatro español del Siglo de Oro. Hg.v. Concepción Reverte Bemal und Mercedes de los Reyes Peña (Cádiz 1998), 423-434. Umfassendstes neues Werk zur Figur des indiano im teatro breve ist die Studie mit Anthologie von Ripodas Ardanaz 1991. Der Figur des indiano nicht gerecht wird Alfonso Urtiaga in seinem Artikel aus dem Jahr 1981, in d e m er Tirsos indiano als "ideal humano" in Verbindung bringt mit den Amerikaerlebnissen des Autors und den Thesen von José Vasconcelos um die hispanoamerikanische Identität. Vgl. Alfonso Urtiaga, "La formulación del ideal h u m a n o en Tirso d e Molina: el 'discreto' indiano". In: Homenajea Tirso. Hg.v.d. Revista "Estudios" (Madrid 1981), 447460. 2

Vgl. hierzu auch Irving A. Leonard, "Notes on Lope de Vega's Works in the Spanish In-

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dies". Hispanic Review 6 (1938):279. Zum indiano im teatro breve vgl. Ripodas Ardanaz 1991 :X-XVIII.

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Während der indiano jedoch im Theater zu einem festen Typus wurde, dem eine bestimmte Funktion zukam, spielt er innerhalb der Prosatexte keine wesentliche Rolle. Le-

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gur sind in engem Zusammenhang zu sehen mit dem gängigen moralistischen Diskurs der Epoche um die Schädlichkeit von Gold und Reichtum. Auf den spanischen Bühnen des Siglo de Oro ist der indiano in erster Linie der reiche Spanienrückkehrer, der in den amerikanischen Kolonien seinen Reichtum erwarb. Wie Urtiaga feststellt, findet sich der Begriff des indiano auch im Drama in seiner erweiterten Form, so daß auch criollos, die nach Spanien reisen, oder sogar Spanier, die niemals in Amerika waren, nämlich die Kinder von indianos, auf der Bühne als indianos erscheinen'. Bisweilen präsentiert sich die Figur auch als perulero, dessen Bezeichnung auf die enormen Goldvorkommen, die die Spanier in der Region von Peru fanden, zurückgeht 2 . Durch die frühe Integration des gesellschaftlichen Außenseiters in die comedia erschließt sich dem heutigen Rezipienten die Figur hauptsächlich über das Theater. Hier gilt es dann, die einzelnen Ebenen auseinanderzuhalten: die historische Wirklichkeit, das Bild der Öffentlichkeit, die Figurenkonzeption auf der Bühne und damit eng verbunden die Funktion der Dramenfigur. Durch den Vergleich dieser Ebenen ergibt sich ein weiteres Beispiel dafür, wie Realität im damaligen Theater szenisch verwertet und verfremdet wurde. Erstmalig erscheint ein indiano 1544 in Alonso de Villegas Selvagos comedia Selvagia auf der Bühne 3 . Auf die Anklage der indianos in Caravajals und Hurtado de Toledos Las cortes de la muerte wurde oben bereits verwiesen. Etabliert findet sich die Figur des indiano allerdings erst in der Dramatik des 17. Jahrhunderts, wo sie dann jedoch zum festen Bestandteil des Bühnenpersonals wird. Dabei ist der indiano eher Nebenfigur als Protagonist und auf wenige Eigenschaften festgelegt, die ein begrenztes Arsenal an Funktionen erfüllten 4 . Er war für die Komik verantwortlich oder diente als Anlaß zu einer Intrige. In dieser Funktionalität ersetzt der neureiche Spanienrückkehrer als aktuelles gesellschaftliches Phänomen andere Außenseiter, die zuvor seine Rolle innehatten. Ripodas Ardanaz vermutet als Quellen für die indianos des teatro breve Kurzerzählungen, die zum Teil keinen Bezug auf Amerika aufweisen 5 . Neben mündlichen diglich Brioso Santos hat sich bisher der Figur des indiano in der Prosa der Epoche gewidmet. Vgl. Héctor Brioso Santos, América en la prosa literaria española de los siglos XVI y XVII (Huelva 1999), 103-175. Untersuchungen für die Lyrik liegen nicht vor. Zu kurzen Prosatexten, die eventuell dem teatro breve als Vorlage dienten, vgl. Ripodas Ardanaz 1991:LIX. 1 Vgl. Urtiaga 1965:55. 2 Zum Begriff des perulero vgl. Urtiaga 1965:50/51. 3 Vgl. Laferl 1992a: 181; Urtiaga 1965:20; Morinigo 1946:36. 4 Laferl weist auf Morinigos Einwand hin, daß die indianos in der Dramatik Lope de Vegas Individuen und keine Typen wären. Dem ist zu widersprechen, ebenso wie Laferls Ausführung, dies gelte wohl für Lopes comedias, nicht aber für die entremeses. In der gesamten Dramatik des Siglo de Oro erscheint der indiano als Figur, die über bestimmte Charakteristika verfügt, die zwar variieren können, aber einem begrenzten Arsenal entstammen. Dies gilt verstärkt für die entremeses, wo die Bandbreite der Episoden und Erscheinungen des indiano weiter eingeschränkt ist. Eine Erweiterung der Figurenkonzeption des indiano findet sich nur bei wenigen Ausnahmen, zu denen mit Sicherheit Lope de Vegas Don Bela aus dessen Dorotea gehört. Vgl. Laferl 1992a: 182; Morinigo 1946:149. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, daß die comedia des Siglo de Oro insgesamt eher Typen schuf. Individuen bleiben in der Personenkonfiguration die Ausnahme. 5 Vgl. Ripodas Ardanaz 1991:LIX.

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Traditionen dürfte auch die reichhaltige europäische Schwankliteratur Einfluß auf die Konzeption der Theaterfigur genommen haben. Bedeutendstes Charakteristikum des indiano ist sein Reichtum, der sich bereits an seiner äußeren Erscheinung zeigt: Er trägt teure Kleidung und meistens eine Goldkette um den Hals 1 . Einige der indianos sind außerdem mit den typischen amerikanischen Requisiten ausgestattet: Federn und Papageien 2 . Die Tatsache, daß die Figuren in den Personenverzeichnissen der Dramen oft nur als indiano ohne nähere Beschreibung angeführt werden, verdeutlicht, daß bei den spanischen Dramaturgen und beim Theaterpublikum eine genaue Vorstellung darüber bestand, wie ein indiano auf der Bühne auszusehen hatte. Seinen Reichtum trägt der indiano im Drama zumeist in Koffern mit sich. Bei der Aufzählung von Gold, Juwelen und weiterem Besitztum wird oft maßlos übertrieben 3 . Die aus den Kolonien Zurückgekehrten zeigen sich großzügig, wenn sie ihre angebetete Dame und deren Familie, Freunde und Diener beschenken. So z.B. der 70jährige Don Gómez aus Tirsos Por el sótano y el torno, der seiner jungen Verlobten 30000 Dukaten schenkt und auch ihrer Schwester einen großen Geldbetrag verspricht 4 . Allerdings sind die Neureichen offensichtlich nur da großzügig, wo sie sich berechnend einen Vorteil versprechen. Ansonsten ist ihnen das Anhäufen von Reichtum wichtiger, und so finden sich im Theater auch Beispiele von geizigen indianos. Als reicher Mann ist der nach Spanien Heimgekehrte ein beliebtes Objekt der heiratswilligen Frauen. Así, la riqueza de los indianos, combinada con una proverbial generosidad y una presunta incapacidad de resistir a los encantos femeninos, los convirtió en codiciada presa para enriquecer a quienes los atrapaban (Reichenbcrger 1992:97).

Unter Anwendung verschiedener Tricks und Listen bemühen sich ganze Familien darum, den reichen Rückkehrer von den Vorzügen ihrer Tochter, Schwester oder Kusine zu überzeugen 5 . Empfänglich für die weiblichen Reize, ist er ein leichtes Opfer rein materialistischer Motive. Gleichzeitig ist aber auch der indiano an einer angemessenen Heirat interessiert, um das zu erwerben, was ihm zu seinem Reichtum fehlt: eine Familie von edler Herkunft. Hier manifestiert sich der Wunsch nach sozialem Aufstieg des realen indiano. Durch Titel- und Ämterkauf, den Erwerb von Ländereien, einen Posten am Hof oder eben die Ehe versuchten die Neureichen, ihren sozialen Status zu verbessern. Aufgrund der bestehenden Vorurteile der Bevölkerung und des schlechten Rufs der aus den Kolonien zurückgekehrten Spanier gelang dies jedoch nur selten, und die Rückkehrer blieben ein Leben lang gesellschaftliche Außenseiter. Auch im Theater zeigt sich der Wunsch des indiano, sich an das Hofleben anzupassen. So z.B. in Simón Aguados Entremés del Platillo aus dem Jahr 1599, wo der Protagonist, ein indiano, sich von dem Vorschlag einiger Betrüger, ihm die neuesten Hofgesänge und -tänze vorzuführen, so ablenken läßt, daß er gar nicht bemerkt, wie

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Für Beispiele vgl. Urtiaga 1965:53-55; Morinigo 1946:172/173. Für Beispiele vgl. Urtiaga 1965:54/55; Morinigo 1946:173-175. Für Beispiele sehr reicher indianos vgl. Urtiaga 1965:58-63; Morinigo 1946:185-190. Vgl. Tirso de Molina, "Por el sótano y el torno". In ders., Obras dramáticas completas III. Hg.v. Blanca de los Ríos (Madrid 1958), 553. Für Beispiele vgl. Urtiaga 1965:70/71; Morinigo 1946:199-203.

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er nebenbei ausgeraubt wird'. Laferl spricht von einer "ceguera para el engaño", die er zum Teil auf den Wunsch zum sozialen Aufstieg des indiano zurückfuhrt: [ . ..] por dárselas de señor fino, el indiano de El Platillo pierde evidentemente el sano conocimiento de los hombres, y se convierte en víctima de su propia voluntad de ascenso (Laferl ¡992a: 183).

Die Komik der einzelnen Theaterstücke um den indiano basiert in erster Linie auf dessen Dummheit und Naivität: El indiano sale escarmentado de más de una pieza a raíz de un defecto o - según se mire un exceso en su m o d o de ser que, en la mayoría de los casos, nace de cierta ingenuidad (Rípodas Ardanaz I991:LIV).

Damit wird der Neureiche zur idealen Figur der comedia de capa y espada mit ihren Intrigen, Verwechslungs- und Ränkespielen und der einfacher konstruierten, schwankhaften entremeses. U m den Reichtum seiner Person entspinnen sich eine Vielzahl von intriganten Machenschaften, unabdingbare Elemente der dynamischen Plots. Dabei ist der indiano nicht immer nur passives Opfer, bisweilen wird ihm auch eine aktive Rolle zugesprochen 2 . Eine Besonderheit der spanischen comedia ist der indiano fingido. Hierbei gibt sich eine Person im Drama als reicher Spanienheimkehrer aus, um sich auf diese Weise einen Vorteil zu verschaffen, zumeist amouröser oder materieller Art. In dem anonymen Entremés octavo: del Indiano3 plant ein falscher indiano, einen alten Mann um 200 Dukaten zu prellen 4 . Da der alte Mann entgegen den Rat des Betrügers die "Schatzkiste" vorzeitig öffnet und erkennt, daß er betrogen wurde, kann er die Kriminellen mit seinem Gehilfen einholen und festnehmen. Auch in Lope de Vegas El amante agradecido gibt sich Guzmán als reicher indiano aus, um zu testen, ob Lucinda wirklich in seinen Herrn Juan verliebt ist 5 . Eine von der üblichen stereotypen Konfiguration des reichen Spanienheimkehrers abweichende Version des indiano liefert Lope de Vega in seinem Lesedrama La Dorotea mit der Figur des Don Bela. Protagonistin der acción en prosa ist Dorotea, deren Mann seit Jahren in den Kolonien verschollen ist und die eine Liebesbezie1

Vgl. Simón Aguado, "Entremés del Platillo". In: Colección de entremeses.

Loas,

bailes,

jácaras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII. Bd.I,l. Hg.v. Emilio Cotarelo y Mori ( B A E 17) (Madrid 1911), 226-230. Insgesamt läßt sich feststellen, daß der indiano des teatro breve zumeist noch lächerlicher präsentiert wird als die Figur in der comedia, was durch die Schwankstruktur oder auch das Karnevaleske der kleinen Formen zu erklären ist. Vgl. hierzu Rípodas Ardanaz 1991:XVIII-XXXIX, für Beispiele die Anthologie auf den Seiten 3-216. 2

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So z.B. in Lope de Vegas Los peligros de la ausencia, wo der Neureiche aus den Kolonien einen armen Rivalen verdrängt. Vgl. Lope de Vega, "Los peligros de la ausencia". In ders., Obras XIII. Hg.v. Emilio Cotarelo y Mori (Madrid 1930), 170-204. Da dieses Zwischenstück erstmalig 1600 im ersten Teil der Comedias de Lope de Vega erschien, wurde es zunächst Lope de Vega zugeschrieben.

Vgl. anonym, "Entremés octavo: del Indiano". In: Colección de entremeses. Loas,

bailes,

jácaras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII. Bd. 1,1. Hg.v. Emilio Cotarelo y Mori ( B A E 17) (Madrid 1911), 138. 5

Für weitere Beispiele von falschen indianos vgl. Urtiaga 1965:80/81; Morinigo 1946:208/ 209; Reichenberger 1992:104/105; Romera Castillo 1992:113.

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II. Amerika im Drama

hung zu dem mittellosen Studenten Fernando unterhält. Dorotea läßt sich von ihrer Mutter und der Kupplerin Gerarda dazu überreden, Fernando den Laufpaß zu geben und sich statt dessen die Zuneigung des reichen und großzügigen Don Bela zu sichern. Fernando verläßt die Stadt, während Don Bela offen und mit vielen kostbaren Geschenken u m die Gunst Doroteas wirbt. Als Fernando nach wenigen Monaten zurückkehrt, versöhnt sich das Liebespaar. Dorotea hält Don Bela hin, der bei einem nächtlichen Gerangel von Fernando verletzt wird. Bald trennen sich jedoch Dorotea und Fernando endgültig. Don Bela wird von Dieben ermordet, während Gerarda durch einen Sturz von der Kellertreppe den Tod findet. Die Figur des Don Bela ist durchaus sympathisch gezeichnet 1 , obwohl auch er über die typischen Merkmale des indiano verfügt: enormen Reichtum, mit dem er die schöne und kluge Dorotea zu erobern versucht. In diesem Sinne bereits der erste Bericht Gerardas: Y se yo [...] que le daria [a Dorotea] una cadena de mil escudos con una joya, y otros mil para su plato, y le adornaria la casa de una rica tapiceria de Londres, y le daria mäs dos esclavas mulatas, conserveras y laboreras, que las puede tener el rey en su palacio.2 Naiv vertraut Don Bela auf die Macht des Goldes. Er läßt sich von Gerarda ausnutzen, die ihn zu immer großzügigeren Geschenken für sich und Dorotea überredet. So präsentiert er sich als "ein großherziger Tor, dem für Doroteas Schönheit keine Huldigung, kein Geschenk, keine Ausgabe zuviel ist" 3 . Vor allem im zweiten und dritten Akt präsentiert sich Don Bela als "Verschwender des Goldes" (Karl Vossler). Wiederholt wird in dem Werk auf Don Belas schwierige gesellschaftliche Position hingewiesen: "The intrigues of Madrid confuse him and he is an easy mark for the purveyors of aranceles (rules of conduct)" (Trueblood 1974:250). So erhofft sich der indiano durch die Verbindung zu Dorotea nicht nur eine Liebesaffaire, sondern auch gesellschaftliche Anerkennung. Sein T o d ist letztendlich die Folge einer Ehrverletzung, als Don Bela ein Pferd nicht verleihen wollte. Trotz seiner Unkenntnis u m die Anforderungen der höfischen Gesellschaft ist der reiche Händler, im Gegensatz zur Mehrzahl der indianos des Theaters, nicht ungebildet 4 . Vor allem in den Gesprächen mit Dorotea offenbart er Bildung und kulturelles Interesse 5 . Gegen Ende des Lesedramas verfaßt er sogar ein Gedicht, das sein Diener als gut geschrieben bewertet, obgleich er es nicht versteht 6 . 1

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In der Literatur wird wiederholt auf den autobiographischen Hintergrund der Dorotea hingewiesen: "En La Dorotea corresponden Dorotea a Elena Osorio, don Fernando a Lope, don Bela al amante intruso (probablemente Francisco Perrenot de Granvela), Teodora a Inés Osorio [...]". Edwin S. Morby, "Introducción". In: Lope de Vega, La Dorotea. Hg.v. Edwin S. Morby (Madrid 1980), 12. Die Parallelen der präsentierten Geschichte zu Lope de Vegas Beziehung mit Elena Osorio sind auffällig. Zu dieser Beziehung vgl. Fries 1977: 47-56; Alan S. Trueblood, Experience and Artistic Expression in Lope de Vega. The Makingo/La Dorotea (Cambridge 1974), 21-47. Lope de Vega, La Dorotea. Hg.v. Edwin S. Morby (Madrid 1980), 82. Karl Vossler, "Die 'Dorotea'". In: Lope de Vega. Hg.v. Eberhard Müller-Bochat (Darmstadt 1975), 139. Dieser Artikel findet sich zuerst in Karl Vossler, Lope de Vega und sein Zeitalter, München 1932. Vgl. Trueblood 1974:250. Vgl. z.B. Akt II, Szene 5 in Lope de Vega 1980a: 181-199. Vgl. Lope de Vega 1980a:414-416.

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Am auffälligsten ist jedoch die Entwicklung, die Don Bela im Laufe der Dorotea erfährt. Standen zu Beginn der acción en prosa sein Reichtum und sein Wille zur Eroberung im Vordergrund, so gewinnt sein Charakter allmählich an Güte, an Bewußtsein und Tiefe. Er wirkt sympathisch und abgeklärt. Hatte er zu Beginn seiner Begegnung mit Dorotea das platonische Liebesideal noch verworfen 1 , so ändern seine Erlebnisse mit Dorotea und Fernando seine Einstellung: Lau[rencio]. De manera que tú me das a entender que amas a Dorotea tan platónicamente, que de la belleza ideal suprema has sacado la contemplación de su hermosura. Bel[a]. Querría a lo menos quererla con este propósito; que no sé si he leído en el filósofo que amor puede ser de entrambas maneras, y quererla con sola el alma es el más verdadero, y para ella lo más seguro (Lope de Vega 1980a:416).

Zwar ist Don Bela durch und durch der indiano der Epoche; Lopes mit Sympathie und distanzierter Ironie angefertigte Zeichnung fuhrt die Figur jedoch über eine allzu plakative Präsentation hinaus und zeigt Charakterzüge auf, die vom Typus abweichen. The suggestion that there is more awareness in him than he cares to show enriches the depiction of Don Bela, setting him apart from the usual figure of the man of wealth, devoid of delicacy or sensitivity (Trueblood 1974:253).

6. Ergebnisse und Leerstellen Bevor nun eine zusammenfassende Rückschau auf die Präsenz Amerikas in der comedia unternommen wird, erscheint es mir notwendig, erneut darauf hinzuweisen, daß es sich bei den beschriebenen Phänomenen im Gesamtkontext um Randerscheinungen handelt, die bei der enormen Anzahl der damals verfaßten Theaterstücke gerade Eingang in wenig mehr als eine Handvoll Texte fanden. Amerika war ganz offensichtlich als Thema wenig geschätzt. Es ist sicher kein Zufall, daß keine der herausragenden comedias sich der amerikanischen Thematik verschreibt. Die Amerika-Dramen der bekannten Autoren gehören zu deren mittelmäßigen Werken. Und ein beachtlicher Teil dieser comedias wurde von unbedeutenden, heute kaum mehr beachteten Autoren verfaßt. Es stellt sich hier durchaus die Frage, ob die beiden Faktoren 'Akzeptanz der amerikanischen Thematik' und 'Qualität der Dichtung' in einen Funktionszusammenhang zu bringen sind. Das Hauptinteresse der Dramaturgen lag eindeutig bei den Indianern und den religiösen Aspekten der Thematik. Manches weitere Detail konnte hier nicht näher behandelt werden, hätte aber im wesentlichen doch nur auf eine erneute Leerstelle verwiesen. So wurde z.B. - wie oben erwähnt - die Kolonialzeit von den spanischen Autoren weitgehend ausgespart. Neben dem dritten Akt von Calderóns La aurora en Copacabana, den Heiligendramen von Cervantes und Moreto findet sich noch Baezas Más la amistad que la sangre, das koloniales Leben in Ausschnitten präsentiert. Während bei Calderón der religiöse Aspekt der Kolonialepoche dominiert, dient bei Baeza der koloniale Ort lediglich als Kulisse, die jederzeit durch eine andere ersetzt werden könnte. Die beiden Heiligendramen verzichten auf eine explizite Darlegung kolonialen Lebens". 1 2

Vgl. Lope de Vega 1980a: 184. Die Dramen El Brasil restituido von Lope de Vega und Pérdida, y restauración de Ia Baia de Todos Santos von Juan Antonio Correa behandeln zu einer Zeit der kolonialen

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Einen weiteren Aspekt der Betrachtung könnte das Lokalkolorit bieten, das die Autoren teilweise stereotyp bemühen, u m ihrer Präsentation der Region Amerika eine größere Anschaulichkeit zu verleihen. Hierzu gehört indianisches Vokabular, zumeist j e d o c h nur der Termini, die bereits früh Eingang in die spanische Sprache gefunden hatten, wie z.B. chocolate, maíz, patatas usw. Ähnlich verhält es sich mit Phänomenen einer typisch amerikanischen Flora und Fauna oder anderen Requisiten des indianischen Lebens'. Aus Unkenntnis werden diese nur spärlich und stereotyp benutzt. Auch die Beschreibung der amerikanischen Landschaft verweist eher auf eine Leerstelle, da detaillierte Beschreibungen zumeist vermieden werden 2 . Einige Autoren präsentieren ähnlich wie Ercilla den traditionellen locus amoenus, die idealisierte Landschaft bukolischer Darstellungen 3 . Eine Ausnahme bietet hier Tirso de Molina mit seiner Landschaftsbeschreibung in Amazonas en las Indias. Darin berichtet Francisco de Caravajal anschaulich und durchaus realistisch von seiner Expedition über die Anden und durch das Amazonasgebiet, auf der Suche nach den Zimtwäldem 4 . Ein Vulkanausbruch wird ebenso beschrieben wie der Schnee der Anden und der schließlich entdeckte Zimtbaum: Son unos árboles estos que a los laureles imitan en las siempre verdes hojas, con ramas tan presumidas que se burlan de las flechas sin que se osen a sus cimas. [...] su flor blanca y amarilla; su fruto ciertos capullos que se aprietan y arraciman [...] (Molina 1993:111,78). Diese Art der Darstellung überrascht, sind doch die Landschaftsbeschreibungen der Epoche eher der Topik verpflichtet, als daß sie realistisch beschreiben. Erstaunlich ist ferner die ebenso wirklichkeitsnahe Darstellung der Hungersnot, der Kälte und anderer Plagen, die den Verlauf des Expedition behindern 5 . Tirso de Molina gelingt

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Abhängigkeit einen Aspekt der militärischen Rückeroberung, so daß das koloniale Leben als solches nicht erscheint. Auch in den beiden comedias (Teil 1 und 4) zu El español entre todas las naciones y clérigo agradecido (Remón, anonym) wird kein koloniales Leben präsentiert. Zu Cervantes' El rufián dichoso vgl. Patricia Varas, "El rufián dichoso: una comedia de santos diferentes". Anales Cervantinos 29 (1991 ):9-19. Für eine Auflistung von diesbezüglichen Beispielen - und nicht nur bei Lope - vgl. Morinigo 1946:64-82; für Tirso vgl. Dellepiane 1986:599-642; für Flora und Fauna bei Lope vgl. Franco 1954:323-347. Beispiele für amerikanische Landschaftsbeschreibungen bei Lope nennt Franco 1954:366385. Diese findet sich z.B. bei Aguilar 1929:303/304, aber auch bei Lope in seinem Arauco domado. Vgl. Lope de Vega 1969:240/241. In beiden Fällen erstaunt der Kontrast zwischen der "Wildheit" der Indianer und der Idylle des Ortes. Vgl. Molina 1993:111,68-88. Die realistische Schilderung wird sicher durch den Umstand ermöglicht, daß Tirso de Molina einige Jahre selbst in den Kolonien verbrachte.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

359

es hier, ein auffällig anschauliches Bild der Region zu präsentieren, das sich von der Gleichförmigkeit der übrigen Darstellungen abhebt1. Menschen und Religion stehen in den Amerika-Dramen im Mittelpunkt der Darstellung. Dabei dominiert eine historische Dimension, die sich darum bemüht, die Figuren wahrscheinlich zu gestalten. Phantastische Beigaben sind selten. Dennoch erscheint das gesamte indianische Personal stark hispanisiert, wobei der Grad der Hispanisierung variiert. Die in der comedia präsentierten Indianerfiguren sind ein Konglomerat aus den damals allgemein vorherrschenden stereotypen Vorstellungen von indianischem Sein, wie sie über den gesamten Informationsapparat verbreitet wurden und sich z.B. auch in den graphischen Darstellungen finden, und literarischen Vorlagen, wobei hier Ercillas Araucana die tragende Rolle zukommt, wenngleich auch die traditionsreiche Figur des "Wilden" und Barbaren Einfluß nahm. Diese Vorlagen unterstanden jedoch einer strengen Kontrolle durch die Anforderungen des Genres. So sind letztendlich fast alle Indianer der Dramen bereit, sich der christlich-spanischen Ordnung zu fugen. Der "wahre" und der "edle Wilde", die laszive Verführerin und männermordende Kannibalin, stereotype Vorstellungen der Epoche, werden in die comedias integriert, allerdings unter einer rigiden Anpassung an die strengen Gattungsregeln, die Personal und Thema bestimmen. So spielt der Kannibalismus nur eine untergeordnete Rolle, und auch der "wahre Wilde" wird letztendlich bekehrt. Indianische Individuen, die den vorgezeichneten Rahmen verlassen, sind selten und scheinen eher unfreiwillig angelegt. Als Beispiel wäre hier Lopes Caupolicán zu nennen, der seine Größe vorrangig der Vorlage Ercillas verdankt. Es dominiert aber dennoch die spanische Perspektive, die das Indianische dem eigenen Weltsystem einverleibt und unterordnet. Ein Verstehen von Alterität manifestiert sich vereinzelt nur an wenigen Aspekten, wenn z.B. San Luis Bertrán am Ende von Aguilars comedia die besondere Bedeutung der indianischen fiesta erkennt2. Die meisten Dramen verweisen auf konkrete historische Ereignisse der Entdeckung, Eroberung und Bekehrung. Obwohl in mancher comedia die große historische Detailfreude überrascht, wurde in allen Theaterstücken zur Amerikathematik vehement in das überlieferte Geschehen eingegriffen, um mit fiktionalen Sequenzen und Variationen einen bestimmten Effekt zu erzielen bzw. einer speziellen Funktion Genüge zu leisten. So werden z.B. im Zuge einer panegyrischen Verehrung spanische Eroberer mit zweifelhaftem Ruf aufgewertet und als Helden inszeniert, wobei die beauftragten Autoren auch vor Verfälschungen der überlieferten Historie nicht zurückschrecken. Auf eine andere realhistorische Problematik verweist die Figur des indiano, gängigstes auf Amerika verweisendes Phänomen der spanischen Literatur der Epoche. Die komische Figur war Ausdruck einer moralistisch fundierten Anklage gegen den Drang nach Reichtum und gegen die in der spanischen Gesellschaft neu etablierte Gruppe der reichen Spanienrückkehrer.

1

2

Als Kontrast mag ein Gedicht Lopes dienen, das Angel Franco anführt. Hier zeigt sich gut die Beschreibung einer x-beliebigen Landschaft, die durch wenige "Zutaten" (riquezas, sol, Andes, selvas, guanacos) lokalisierbar wird. Vgl. Franco 1954:383-385. "[...] quien la fe de Dios alcanza/ yerra en buscar una fiesta/ que toda estriba en mudanza;/ mas la vuestra es de manera/ que, sin duda, es un trasunto/ de la fe más verdadera" (Aguilar 1929:318).

360

II. Amerika im Drama

Die religiöse Thematik diente zu einem großen Teil der Legitimation des spanischen Vorgehens in Amerika. Gleichzeitig erfolgte vor allem über die autos sacramentales eine heilsgeschichtliche Anbindung und Integration Amerikas in das katholische Weltbild, dem eine didaktische Funktion eignet. Bei dieser Integration ist die Hierarchie festgeschrieben, und die spanische Perspektive dominiert. Verschieden ist allerdings der Umgang mit dem Fremden in den autos sacramentales von Lope de V e g a und Calderón. Lope vereinnahmt das Andere durch Analogiebildung, stülpt ihm eine christliche Struktur über, wobei das Fremde zum folkloristischen Detail erstarrt. Durch Vereinnahmung und Annäherung wird hier Alterität verhindert. Calderón dagegen wertet, schreibt Hierarchien fest und begegnet dem Fremden paternalistisch. Durch das Aufoktroyieren des eigenen Weltbilds und Wertesystems kann das Fremde nicht in seiner Alterität erkannt werden. Die Untersuchungen der verschiedenen Phänomene der Amerika-Dramen haben deutlich gezeigt, daß in der comedia der amerikanischen Thematik das spanische Terrain nie wirklich verlassen wird. Weder amerikanisches Leben noch andere amerikanische Belange spielen tatsächlich eine Rolle. Die spanische Perspektive wird niemals aufgegeben oder relativiert. Amerika dient vielmehr als Kulisse für eine Thematik, die zwar über Amerika reflektiert, jedoch den Funktionen eines rein spanischen Diskurses gehorcht. Diese Funktionen, die die Thematisierung amerikanischer Phänomene in der gesamten fiktionalen Literatur der Epoche bestimmen, werden später noch explizit dargelegt. Zuvor möchte ich in den folgenden zwei Kapiteln die Spur Amerikas in lyrischen und narrativen Texten verfolgen.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

361

III. Amerika in der Lyrik Die fiktionale Literatur des Siglo de Oro integrierte Amerika - wenn überhaupt - in ihre Theaterstücke, wie das vergangene Kapitel ausfuhrlich darlegt. Doch auch in der Lyrik der Epoche finden sich Bezüge zu amerikanischen Themen, wenngleich auf wenige Aspekte reduziert. Sich hier einen Gesamtüberblick zu verschaffen, ist beim gegenwärtigen Standpunkt der Forschung unmöglich. Im Gegensatz zum Theater wurde die lyrische Dichtung zur amerikanischen Thematik nie anthologisch gesammelt oder gar systematisiert. Nur wenige Literaturwissenschaftler haben die Lyrik bei ihren Sammlungen von Textbeispielen zu Amerika berücksichtigt 1 oder sich ganz einem Aspekt der Thematik gewidmet. Da nur wenige Bereiche des amerikanischen Lebens in der Lyrik zur Sprache kommen, erscheint eine umfassende Analyse im Vergleich zum Theater auch weniger ergiebig. Bei der Mehrzahl der lyrischen Werke mit amerikanischem Bezug handelt es sich um Gelegenheitsdichtung. Es liegt eine Reihe von panegyrischen Gedichten vor, die die Heldentaten der Eroberer preisen. Diesem Aspekt der Thematik möchte sich das folgende Unterkapitel widmen. Bei anderen Gedichten handelt es sich um eine lyrische Ausformung gängiger moralistisch-utopischer Amerikadiskurse, wie sie vor allem in der politisch-moralistischen Traktatliteratur der Epoche zu finden waren. Thematisiert wird hierbei der schädliche Charakter des Goldes aus Amerika, das Spanien gesellschaftlichen Schaden zufügt und den Neid anderer Nationen erregt. Eine exemplarische Untersuchung dieser Gedichte findet sich im zweiten Unterkapitel, gefolgt von einem kurzen Abschnitt über lyrische Texte, die Amerika religiös-utopisch präsentieren. Nicht berücksichtigt werden im folgenden Sonette von Mateo Rosas de Oquendo über koloniales Leben, die sich inhaltlich nicht von dessen Romanzen unterscheiden. Auch einige Gedichte, die vereinzelt historische Begebenheiten oder Objekte Amerikas lyrisch behandeln, sind nicht Gegenstand der Untersuchung. Dies gilt auch für die Autorenkataloge von Cervantes ("Canto de Caliope" im ersten Teil der Galatea, El viaje del Parnaso) und Lope de Vega (Laurel de Apolö), in denen u.a. hispanoamerikanische Autoren vorgestellt und gelobt werden. Die einzelnen Passagen demonstrieren ein berufsmäßiges Interesse der beiden Autoren über die Grenzen Spaniens hinaus, eine rege kulturelle Aktivität in den Kolonien und zumindest den Ansatz eines Dialogs zwischen spanischen und hispanoamerikanischen Autoren 2 . Darüber hinaus sind diese Texte fiir das hier verfolgte Erkenntnisinteresse wenig ergiebig, so daß auf ihre Analyse verzichtet wurde.

1. Panegyrische Dichtung Lobgedichte gehören zu den Genres, die im Siglo de Oro als Gelegenheitsdichtung, manchmal auch als direkter Auftrag in einer großen Anzahl verfaßt wurden, von 1

2

Hierzu gehören Pedro 1954, Aguilera 1952, Franco 1954, Reynolds 1978:42-49. Zur Lyrik der amerikanischen Thematik vgl. auch die einführenden Bemerkungen zu diesem Teil der Studie auf den Seiten 276/277. Zu Lopes Text vgl. José Toribio Medina, Escritores hispanoamericanos celebrados por Lope de Vega en el Laurel de Apolo, Santiago de Chile 1924. Medina kopiert den entsprechenden Textauszug aus Lopes Laurel de Apolo und liefert Informationen zu den einzelnen Autoren.

362

III. Amerika in der Lyrik

denen aber heute nur noch wenig erhalten ist. Während die Epen, in der Mehrzahl und bereits von der Tradition her enkomiastischer Natur, als Genre hochgeschätzt waren, fanden die "kleinen Formen" der panegyrischen Dichtung außerhalb der konkreten Gelegenheit keine Beachtung. So wurden diese Werke selten gesammelt und publiziert. Die Forschung hat sich bisher nur wenig um diese Gedichte gekümmert. Dies gilt auch für die panegyrischen Gedichte, die amerikanische Themen behandeln, vorrangig lyrische Texte zu Ehren der großen Conquistadores. Es ist letztendlich Winston A. Reynolds' Sammelleidenschaft und seinem Ehrgeiz, jegliches während des Siglo de Oro geschriebene Wort über Hernán Cortés zusammenzutragen, zu verdanken, daß zumindest über den Eroberer Mexicos eine größere Anzahl von Lobgedichten bekannt ist'. Diese Lobgedichte, in der Mehrzahl Sonette, finden sich z.B. im Vorspann zu den Epen über die Eroberer. So entstammt der überwiegende Teil der panegyrischen Lyrik über Hernán Cortés den Widmungsgedichten zu Antonio Saavedra Guzmáns El peregrino indiano und Lobo Lasso de la Vegas Mexicana1. Es war üblich, längeren literarischen Werken Eingangsgedichte verschiedener Autoren voranzustellen. Bisweilen gilt das Lob der Gedichte auch den Autoren der entsprechenden Epen 3 . Panegyrische Lyrik zu Ehren von Cortés, García Hurtado de Mendoza und Cristóbal Colón findet sich außerdem in Sammelwerken und Werkausgaben bekannter Autoren 4 . Schließlich werden amerikanische Aspekte auch in panegyrischen Gedichten auf die spanischen Könige, auf Vizekönige und andere Adlige thematisiert 5 . Die Lobgedichte - zumeist Sonette in einfacher Sprache mit traditioneller Metaphorik - ähneln sich nicht nur unter formalen Aspekten. Stereotyp werden die Heldentaten der Conquistadores evoziert und poetisch umschrieben, unter häufigem Verweis auf die Antike. Das Lob ist in der Regel allgemein gehalten und bemüht sich um eine Gesamtschau der Persönlichkeit. Über Cortés und Colón liegen Gedichte vor, die anläßlich des Todes der Helden einen knappen Rückblick auf deren

1

2

Vgl. Reynolds 1978:42-49. Die uns hier vorliegende Auswahl an Lobgedichten kann keinerlei Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit erheben. Aufgrund des schwierigen Materialzugangs sind die Funde eher zufallig. Eine Anthologie dieser Lobgedichte über Cortés findet sich in Gabriel Lobo Lasso de la

Vega, Elogios en loor de los tres famosos varones Don Iayme Rey de Aragón, Don Fernando Cortés Marqués del Valle, y Don Aluaro de Bacán Marqués de Santacruz (Zaragoza 1601), f. 60-96. Im Anschluß an die Ausfuhrungen Lasso d e la V e g a s über die Heldentaten von Cortés findet sich eine Sammlung von panegyrischen Texten anderer Autoren, darunter Ausschnitte aus Prosatexten, Romanzen und die angeführten Gedichte. 3 4

So sind z.B. Ercillas Araucana sechs Sonette vorangestellt, die Alonso de Ercillas schriftstellerische Verdienste preisen. So z.B. in Luis Rosales und Luis Felipe Vivancos Poesía heroica del imperio (Madrid

1943) oder in Enumeración de libros y documentos concernientes a Cristóbal Colón y sus viajes der Real Academia de la Historia (Madrid 1892). 5

So z.B. einige Sonette von C o s m e de Aldana, Eingangsgedichte in C o s m e de Aldana

(Hg.), Todas las obras que hasta agora se han podido hallar del Capitán Francisco de Aldana Alcayde de San Sebastián, que fue Maestro de Campo General del Rey de Portugal en la jornada de Africa, á do murió peleando. Bd. 2 (Madrid 1591), Eingangssonette ohne Seitenzahl. Hier ist Amerika dann oft nur noch Anspielung oder Beispiel.

D Amerika als Fiktion Drama, Lyrik und Roman

363

Verdienste bieten 1 . Seltener ist eine Episode Anlaß und Thema zur dichterischen Übung". Zur Veranschaulichung möchte ich hier exemplarisch ein Sonett von Vicente Espinel analysieren: Esta es Filipo la inmortal conquista, Del gran Cortes, que en honra de tu imperio, Passo hasta el Antartico emisferio, R o m p i e n d o mares y región no vista. Si con la Magestad tiemplas la vista. Veras vn alto celestial misterio, Vn sacro Marte de tu suelo Hesperio, Y d e la Iglesia vn precursor Bautista. Pura, cendrada, y verdadera historia, Don Antonio te efrece, y á si mismc, De aquel varón que con ardor profundo Derribo abelfegor, sembró el Bautismo, Sumergió á Faraón, dio passo al mundo, Reynos á España y á su nombre gloria 3 .

Das Gedicht wendet sich direkt an den damaligen König, Felipe II. Im ersten Quartett werden diesem die Fakten der Conquista beschrieben: die Eroberung als ein großartiges Unternehmen von Cortés, fremde Länder, Weite, Meer, zu Ehren des Königs. Das zweite Quartett weist auf die Bedeutung dieser Eroberung hin: ein göttliches Geheimnis. Betont wird hier die Verbindung von Krieg (Marte, der Kriegsgott) und Religion. Durch kriegerische Aktivitäten werden für den Himmel Seelen gewonnen. Auf den folgenden Text, Antonio Saavedra Guzmáns El peregrino indiano, ein Epos über die Eroberungsfeldzüge von Cortés in Mexico, verweist das erste Terzett. Die Erzählung wird als "verdadera historia" beschrieben, wobei deren Sujet - die Heldentaten von Cortés - im zweiten Terzett kurz benannt wird: das Bezwingen des 1

Vgl. z.B. Pedro Soto de Rojas, "En el sepulcro del gran Cortés". In: Poesía heroica del imperio. Bd. 2. Hg.v. Luis Rosales und Luis Felipe Vivanco (Madrid 1943), 325; Francisco d e Sandoval, "A la muerte del famoso Capitan Fernando Cortes, Conquistador del nueu o mundo. Soneto 24". In ders.. La Giganthomachia (Zaragoza 1630), f. 46; Miguel de Barrios, "Inscripción al túmulo del famoso C R I S T O V A L C O L O N . Desengaño X". In ders., Coro de las musas (Brüssel 1672), 350.

2

Als Beispiel hierfür mögen die drei Gedichte Góngoras dienen: "A la embarcación en que se entendió pasaran a Nueva España los marqueses de Ayamonte", "De los marqueses de Ayamonte, cuando se entendió pasaran a Nueva España" und "Al marqués de Ayamonte, determinado a no ir a México". Zu Inhalt und dem politischen Gehalt der Gedichte vgl. D á m a s o Alonso, "Entre Góngora y el marqués de Ayamonte: poesía y economía". In:

Studies in Spanish Literature ofthe Golden Age presented to Edward M. Wilson. Hg.v. R. O. Jones (London 1973), 9-15. Es ist zu vermuten, d a ß gerade diese Art von Gedichten häufig verfaßt wurde, jedoch nur noch wenig überliefert ist. Zu den Texten vgl. Luis de Góngora y Argote, Obras Completas. Hg.v. Juan y Isabel Millé y G i m é n e z (Madrid 5 1961), 475,579,477. 3

Vicente Espinel, "Soneto". In: Antonio de Saavedra Guzmán, El peregrino indiano. Hg.v. A l f r e d o Chavero u.a. (México 1881), 15. Auf eine Modernisierung der Schreibweise w u r d e hier verzichtet

364

III. Amerika in der Lyrik

Unglaubens und die Taufe bringen Spanien neue Länder, Ruhm und Glorie f ü r Cortés selbst 1 . Hernán Cortés werden in dem Gedicht zwei Eigenschaften zugeschrieben: Neben Marte (Krieger) ist er auch Bautista (Täufer). Damit verzeichnet der Autor die zwei Aspekte der überseeischen Eroberungen, denen das Hauptaugenmerk Spaniens galt: die Usurpation neuer Länder und die Christianisierung, der Erwerb weltlichen und geistlichen Ruhms. Die Nähe des Helden zu Gott wird durch das "celestial misterio" angedeutet, außerdem durch die Bezeichnung der Conquista als "inmortal". Darüber hinaus wird Cortés als erster und einziger Conquistador präsentiert ("rompiendo mares y región no vista", "dio passo al mundo"), dessen Wirken nicht lokal beschränkt bleibt ("Antartico emisferio"). Auch diese Erhöhung scheint ihn d e m Irdischen zu entheben. Ein eher menschlicher Zug ist dagegen der "ardor profundo", mit dem Cortés seine Aktivitäten betreibt. Mit wenigen Worten beschreibt das Gelegenheitsgedicht den spanischen Helden Cortés und die Eroberung Amerikas, wobei beide hyperbolisch verherrlicht und in die Nähe Gottes gerückt werden. Die Darstellung des Unternehmens der Conquista nennt nur die Bereiche, die als legitime Interessen Spaniens gelten: die Eroberung neuer Länder und deren Christianisierung, wobei der religiöse Aspekt dominiert. Konnotationen, die auch nur entfernt einen der heiklen Bereiche der Amerikathematik berühren könnten, wie z.B. den vielzitierten Reichtum, werden aus dem Gedicht verbannt. Somit eignet dem P o e m eine idealistische Perspektive. Auf ähnliche Weise konstruiert sind andere Enkomien auf Cortés und weitere berühmte Zeitgenossen. Diese Dichtung ist stilistisch und rhetorisch wenig raffiniert und bedient sich gängiger, stereotyper Versatzstücke zur Beschreibung amerikanischer Aspekte, die jedoch nur eine strikt spanische Perspektive kennt. Das Lobgedicht verfahrt zumeist simplifizierend und klammert all das aus, was der Verherrlichung zuwiderläuft. Faltas de inspiración verdadera [...], estas poesías recurren a los procedimientos: los juegos de palabras sobre los nombres de personas o de ciudades, las alabanzas hiperbólicas, los pronósticos de pontificado, etc. [...] Estas poesías de Corte son en conjunto superficiales y facticias (Jammes 1987:291). Was Jammes hier für Góngoras Enkomien feststellt, gilt gleichermaßen für die eben besprochenen Lobgedichte auf spanische Helden 2 . Inhaltlich unterscheidet sich das in der Lyrik präsentierte Bild des spanischen Helden nicht v o m Portrait, das die Dramen liefern. 1

2

Der Begriff 'abelfegor' kann nicht völlig geklärt werden. Er verweist auf 'adelfa', eine Blume, die in der damaligen Dichtung Synonym war für das Böse, für Gift, Täuschung, Sünde. Wahrscheinlicher scheint jedoch die Nähe zu 'adelfianos', einer Ketzergruppe des 14. Jahrhunderts, die den Sinn der Taufe leugnete. 'Abelfegor' mag daher hier als Umschreibung für Satan, Ketzer gelten. Faraón steht für den ungläubigen Herrscher. Eine Vermischung der Terminologie aus verschiedenen Kulturkreisen findet sich in damaligen Texten häufig. Ein Beispiel von Jammes zur Panegyrik Góngoras mag den Unterschied der Gelegenheitsdichtung zu der "aus freien Stücken" veranschaulichen. Dessen Panegírico al duque de Lerma "no traduce la admiración entusiasta y sincera del autor por el genio político del ministro de Felipe III sino solamente la necesidad en que estaba de atraérselo" (Jammes 1987:258).

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

365

Dennoch sollte dieser Art von Lyrik mehr Aufmerksamkeit zuteil kommen. Erschließt sich durch diese Dichtung - im historischen Kontext belassen und betrachtet - oft nicht nur ein Geflecht persönlicher Beziehungen; vielmehr gelingt es diesen lyrischen Texten als Zeitzeugnissen, mehr über bestimmte Vorstellungen und Ideen, den Habitus einer Epoche auszusagen 1 , als dies so manches großartige literarische Werk - innerhalb der Evolution eines Genres fast immer eine Ausnahmeerscheinung - vermag. Hier, sowie insgesamt für die enkomiastische Literatur gilt das, was Gadamer in seinen Überlegungen zur Okkasionalität feststellte: Ist aber Okkasionalität ein Sinnmoment im Anspruch des Werkes selbst, dann ist umgekehrt der Weg über das Verständnis des Sinngehalts des Werks zugleich eine Möglichkeit für den Historiker, etwas über die ursprüngliche Situation zu erfahren, in die das Werk hincinspricht (Gadamer 1960:470).

2. Der schädliche Charakter des Goldes Eine weitere Perspektive der Zeit reduziert die für Spanien neu entdeckten Länder auf den Reichtum, das Gold und Silber, das Spanien sich aneignete und nach Europa transportierte. Noch weniger als zuvor geht es hier um amerikanische Realitäten. Vielmehr lag das Hauptaugenmerk der spanischen Autoren auf den nach Spanien gelangenden Edelmetallen der Kolonien, die 'Reichtum' und 'Schatz' zu Synonymen für Amerika machten. Gold und Silber aus Peru und Mexico wurden zum Exemplum für eine allgemeine Kritik an weltlichem Reichtum. Bei der Klage über den schädlichen Charakter des Goldes handelt es sich um einen traditionellen Topos, der bis in die Antike zurückreicht. In Spanien diente er einer allgemeinen Kritik am dekadenten Hofleben, die unter erasmistischem Einfluß eng verbunden war mit dem utopischen Entwurf eines zufriedenen Landlebens. Das Gold Amerikas wurde hierbei zum Exemplum 2 par excellence, das sich thematisch gut in den bereits vorgegebenen Rahmen einfugte. Während in der politischen Traktatliteratur amerikanische Beispiele lediglich vereinzelt angeführt werden, findet sich doch eine Reihe von Gedichten, die sich didaktisch-moralisierend mit dem amerikanischen Gold und seinen Konsequenzen für Spanien auseinandersetzen3. Dabei erfolgt jedoch keine grundlegende Analyse des ökonomischen und gesellschaftlichen Prozesses, und auch die Herrschaftspolitik der spanischen Krone wird nicht hinterfragt. Vielmehr wird das falsche, unmoralische Verhalten der einzelnen, am Gesamtprojekt beteiligten Personen verantwortlich gemacht für den Schaden. Dies zeigte sich deutlich bereits bei der Präsentation der goldhungrigen Soldaten in einigen comedias. Und auch die Figur des indiano verweist auf die Verantwortlichkeit des einzelnen. Häufig sind in der Lyrik die Warnungen vor den Gefahren des Goldes. Sie finden sich in den Gedichten von Fray Luis de Leon, dem Moralisten und Satiriker Barto1 2

Vgl. Emst Brockhaus, Göngoras Sonettendichtung ( B o c h u m 1935), 196. Z u r rhetorischen Figur des Exemplum, wenngleich mit Beispielen der französischen und

italienischen Literatur, vgl. John D. Lyons, Exemplum. Modern France and Italy, Princeton 1989. 3

The Rhetoric of Example in Early

Für den Amerikabezug der politischen Traktatiiteratur vgl. die Ausfuhrungen auf den Seiten 123-127.

III. Amerika in der Lyrik

366

lomé Leonardo de Argensola, von Luis de Góngora, vermehrt jedoch bei Francisco de Quevedo, dessen Titel seiner moralischen Dichtung bereits auf die Thematik von codicia, ambición und riqueza hinweisen 1 . Neben diesen eher allgemein gehaltenen lyrischen Texten zum negativen Aspekt des Reichtums finden sich solche, die direkt Bezug auf die Kolonien nehmen. So z.B. Fray Luis in seiner Ode XII, "A Felipe Ruiz": ¿Qué vale cuanto vee do nace y do se pone el sol luciente, lo que el Indio posee, lo que da el claro Oriente con todo lo que afana la vil gente?2, fragt der Sprecher rhetorisch 3 . Vor allem Quevedo bietet eine größere Anzahl von Gedichten, die Kritik an amerikanischen Reichtümern üben. Seine letrilla satírica "Poderoso caballero es don Dinero" beginnt mit den Worten: Madre, yo al oro me humillo; él es mi amante y mi amado, pues de puro enamorado, de confino anda amarillo; que pues, doblón o sencillo, hace todo cuanto quiero, poderoso caballero es don Dinero.4 Das Gold - in las Indias geboren, kommt es nach Spanien - verfugt über aißergewöhnliche, unter moralischen Gesichtspunkten jedoch negative Kräfte: Es macht den Wilden schön (Z. 15/16), hilft beim Rechtsbruch (Z. 24), "hace iguales/ al duque y al ganadero" (Z. 31/32), verbreitet codicia (Z. 47/48), "él rompe recatos/ y ablanda al juez más severo" (Z. 55/56). Als Fazit mag der letzte Vers verstanden werden: "Y 1

2

3 4

Hier nur einige Beispiele von Titeln von Sonetten: "Que desengañas son las verdaderas riquezas", "Advierte el llanto fingido y el verdadero con el afecto de la codicia", "Al ambicioso valimiento, que siempre anhela subir más", "Exclama contra el rico, hinchaco y glotón", "Representa la mentirosa y la verdadera riqueza", "Enseña a los avaros y codiciosos el más seguro modo de enriquecer mucho", "Al oro, considerándole en su origen y después en su estimación". Fray Luis de León, "A Felipe Ruiz" (Oda XII). In ders., Poesías Completas. Esaela salmantina. Antología. Hg.v. Ricardo Senabre (Madrid 21991), 76. Auch die Ode '/, ebenfalls "A Felipe Ruiz" betitelt, nimmt Bezug auf die amerikanischen Kolonien. Vgl. León 1991:52/53. Vgl. auch Schwartz 1993:87/88. Zum Gedankengut Fray Luis de Leins über Amerika in seinen Prosatexten vgl. Luciano Pereña Vicente, "El descubrimiento ie América en las obras de Fray Luis de León". Revista española de derecho internacional 8,3 (1955)5 87-604. Auch bei Bartolomé Leonardo de Argensola findet sich die Verbindung der Klage gegen den Reichtum mit Amerika. Vgl. hierzu Pedro 1954:150-155. Zu Leben und Werk der Gebrüder Argensola vgl. Joaquín Aznar Molina, Los Argensola, Zaragoza 1939. Francisco de Quevedo Villegas, "Poderoso caballero es don Dinero". In ders., Obra poética II. Hg.v. José Manuel Blecua (Madrid 1970), 175/176. Der gesamte Text fiadet sich auf den Seiten 175-177, Varianten davon auf den Seiten 178-182.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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pues al pobre le entierra/ y hace proprio al forastero" (Z. 79/80). Der Arme, der bisher seinen Platz innerhalb der Gesellschaft hatte, geht unter, wohingegen sich der Fremde die Privilegien des Spaniers zu erkaufen vermag. Das Gold aus Amerika verändert und gefährdet somit Tradition und (feudalistische) Gesellschaftsordnung1. Die in den Kolonien erworbenen Reichtümer ermöglichen den nach Spanien Zurückgekehrten ein Leben in Luxus und Müßiggang. Diese Lebensweise der indianos wurde von den Moralisten heftig kritisiert. Die Laster werden benannt:"[...] la glotonería, la lujuria, la pereza y los deleites, pervirtiendo así la integridad de los españoles" (Schwartz 1993:91)2. Luxus und Faulheit schwächen Spanien, lassen es seine Kräfte verlieren. In diesem Sinne gilt der Rat, den das lyrische Ich in Bartolomé Leonardo de Argensolas Poem "A Ñuño de Mendoza, que después fue Conde de Val de Reyes" an einen Vater erteilt, der seine Söhne an den Hof bringen möchte: Haz que en sus aposentos no consienta un paje disoluto; ni allí suene canción de las que el vulgo vil frecuenta; canción que de Indias con el oro viene, como él, a efeminamos y perdernos, y con lasciva cláusula entretiene. 3

Eng verbunden mit dem Gold Amerikas, das die spanische Gesellschaft zu korrumpieren vermag, ist das Motiv der Seefahrt. Hier zeigt sich erneut die ausschließlich spanische Perspektive. Da der Weg nach Amerika immer mit einer beschwerlichen, oft auch abenteuerlichen und gefahrlichen Seereise verbunden war, wird diese in der Mehrzahl der Texte beschrieben. Auch hier handelt es sich um einen traditionellen Topos, der auf die Antike zurückzuführen ist4. Wie Heydenreichs Ausführungen zeigen, wurde diese "transgresión del orden del universo" (Schwartz 1993:93) in Antike und Mittelalter weit eher verurteilt als gelobt. So verbindet sich die Rede über den verderbenden Charakter des amerikanischen Goldes mit der Rede über die Gefahren der Seefahrt. Eine Erwähnung der Seefahrt findet sich in Quevedos silva "A una mina"5. Das Gedicht ist an Leiva gerichtet, einen Spanier, der durch die Ausbeutung von Minen zu Reichtum gelangt. Voraussetzung für diese Tätigkeit ist die Überfahrt auf dem Meer, die mit Angst vor dem Schiffbruch und vor fremden feindlichen Seefahrern verbunden ist (Z. 13-25). "Codicia hidrópica" ist des Angesprochenen Motiv, das metaphorisch Goldgier und Seefahrt verbindet. 1 2 3 4

5

Vgl. hierzu auch die Analyse von Geisler 1981:112-114. Schwartz bezieht sich hier auf Juan de Marianas Traktat De spectaculis. Bartolomé Leonardo de Argensola, "A Ñuño de Mendoza, que después fue Conde de Val de Reyes". In ders., Rimas I. Hg.v. José Manuel Blecua (Madrid 1974), 95. Vgl. hierzu das umfassende Werk von Titus Heydenreich, Tadel und Lob der Seefahrt. Das Nachleben eines antiken Themas in der romanischen Literatur, Heidelberg 1970. Heydenreich, der innerhalb der einzelnen Epochen die Ablehnung der Seefahrt deren Lob gegenüberstellt, dokumentiert seine Betrachtungen mit reichlichem Material. Für die Antike vgl. Heydenreich 1970:13-62, für das Mittelalter 63-95, für Renaissance und Barock 96-196. Vgl. Francisco de Quevedo, "A una mina". In ders., Obras Completas Hg.v. José Manuel Blecua (Barcelona 1963), 110-112.

I "Poesía original".

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III. Amerika in der Lyrik

Die Ausbeutung der Minen ist "trabajo infame" (Z. 29), "oficio bestial" (Z. 31), eine Tätigkeit, die als körperliche Arbeit und Bereicherung gegen die religiösen Gebote und den Adelskodex verstieß. Hier wird die Ausklammerung der amerikanischen sozialen Realität unter Hervorhebung der europäischen Perspektive besonders deutlich: Natürlich ließen die spanischen Minenbesitzer indianische Arbeitskräfte die körperliche Arbeit verrichten. "Deja en paz los secretos de la tierra" (Z. 37), so die Warnung des Sprechers an Leiva. Mit diesen Worten wird Bezug genommen auf eine Vorstellung, die in den Zeilen 49-54 weiter ausgeführt erscheint: Die Natur hält die Reichtümer vor den Menschen verborgen; denn das Gold ist eine Gefahr, kein wahrer Reichtum, sondern "engaño vergonzoso" (Z. 41), eigentlich "pobreza disfrazada" (Z. 45) und "ponzoña dorada" (Z. 46). Im letzten Abschnitt der silva kommt deren moralistischer Gehalt voll zum Tragen. "Soberbia" (Z. 61) und Geld bestimmen den Weg des Spaniers. Gold vermag kein Leben zu verlängern, vielmehr führt es zu Neid und Diebstahl. Der Ratschlag des Sprechers endet mit den beiden Möglichkeiten, die dem Reichen das Leben bietet: "pues él [el oro] te ha de dejar si no le dejas,/ o te lo ha de quitar la muerte dura" (Z. 87/88). Die genaue Betrachtung dieses Gedichts von Quevedo zeigt deutlich, daß Amerika, die Minenarbeit und auch die Seefahrt nur Beispiele sind zur aktuellen Illustration eines zeitlosen, auf traditionellen Positionen beruhenden Themas, der menschlichen Habgier 1 . Ein weiteres dieser Exempla, parallel zur Ausbeutung der Minen, ist der Kolonialhandel. Auch er war den religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen zufolge verpönt. Hier zeigt sich deutlich der Widerspruch einer Gesellschaft im Umbruch, die verstärkt nach merkantilistischen Gesichtspunkten agiert, aber noch "auf der Basis einer biblisch-altchristlichen Tradition". Bader spricht von der "Schizophrenie einer Gesellschaft, die in ihrer Mehrheit angestrengt das tut, was sie eigentlich nicht tun durfte" 2 . Erwähnt wird der Handel in Quevedos "Sermón estoico de censura moral". Auch hier manifestiert sich die enge Verbindung zur Schiffahrt, da der Handel als Anlaß und Folge der Seefahrt zugleich betrachtet wird. Beides steht in beständiger Nähe zum Tod: In Übernahme antiker Vorbehalte läßt Quevedo keinen Zweifel daran, daß der Ursprung der Seefahrt im Handel liegt: Tod und Warenverkehr ('mercancía', 66) apostrophiert er gemeinsam, um exakt die Tätigkeit zu bestimmen, bei der er die Menschen sich in besonderem Maß dem Risiko des Todes aussetzen sieht (Geisler 1981:86).3 1

2

3

Von gleicher Thematik ist ein längeres Gedicht Quevedos, "Sermón estoico de censura moral", das auf ähnliche Weise Bezug auf Amerika nimmt. Auf eine Analyse dieses Gedichts wurde hier verzichtet; vielmehr möchte ich auf die ausführliche und ausgezeichnete Besprechung dieses Textes bei Geisler 1981:83-102 verweisen. Für den Text Quevedos vgl. Quevedo 1963:130-140. Wolfgang Bader, "Amerika als pragmatischer Antrieb und literarischer Vollzug. Der spanische pikareske Roman und die Neue Welt". In: Kolonialismus und Literatur I. Die Verarbeitung der kolonialen Expansion in der europäischen Literatur. Hg.v. Wolfgang Bader und Jánosz Riesz (Frankfurt a.M. 1983), 131. Eine "postura antimercantilista per se" stellt Caminero für Fray Luis de León fest. Vgl. Caminero 1989:61.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

369

Verstärkt thematisiert wird der Kolonialhandel in den Texten um den indiano. Dessen negative Präsentation kontrastiert - ebenso wie die kritische Betrachtung des Handels in den Gedichten - mit der Darlegung der Thematik in Calderóns auto La nave del mercader, wo der Handel sowie auch die Seefahrt unter Verweis auf den "wahren" Reichtum - den Erfolg der Missionsarbeit - aufgewertet und legitimiert werden. Um den Gefahren des schädlichen und damit schuldigen Amerika zu entgehen, propagierten die spanischen Denker und Dichter der Epoche die Konzentration der Aufmerksamkeit auf Europa und seine Angelegenheiten: Para la mayoría de los pensadores del XVII, España debía centrarse en su territorio europeo y mejorar su economía mediante el desarrollo de actividades productivas (Schwartz 1993:95).

Und keiner, der diese Forderung eindringlicher stellen könnte als Quevedo mit seinem Satzfragment "es mejor y más cerca ser Indias que buscarlas" 1 . Für weite Kreise der spanischen Öffentlichkeit war Amerika inzwischen zu einer Last geworden, die die Prosperität Spaniens ganz offensichtlich behinderte. Auf besondere Weise vereint finden sich die bisher in den moralistischen Schriften beobachteten Phänomene in Luis de Góngoras Soledades. Der direkte historische Bezug dieses Gedichts war in der reichhaltigen Forschung lange Zeit umstritten: Dementsprechend sind in der neueren Forschung zu den Soledades zwei Haupttendenzen festzustellen. Für die einen ist dieses Gedicht tendenziell reine, der Realität enthobene Dichtung; für die anderen ein philosophisches Gedicht, das auch eine mehr oder weniger deutliche politische Stellungnahme Góngoras zum Spanien seiner Zeit und zu dessen Geschichte enthält (Merkl 1989:310).

Von Bedeutung ist hier die Rede eines "politico sen-ano", den der schiffbrüchige peregrino, Protagonist der silva, bei Bergbewohnern trifft 2 . Diese hochrhetorische Rede gliedert sich in zwei Teile: die Ausführungen über die Seefahrt vergangener Zeiten (Z. 373-409) und einen zweiten Abschnitt über die damals noch aktuellen Entdeckungsfahrten (Z. 410-509). Der als Klage konzipierten Rede des alten Bergbewohners schließen sich vier Zeilen an, in denen von den Verlusten des serrano berichtet wird: Er hat Vermögen und Sohn durch Wind und Meer verloren (Z. 510-513). Der erste Teil der direkten Rede verweist auf die Anfänge der Schiffahrt und die griechisch-römische Mythologie (Tifis, Steuermann der Argo von Iason; Palinuro, Steuermann der Flotte des Äneas). Das maritime Unternehmen im Mittelmeer ist durchgängig negativ konnotiert und bringt nur Schaden, konkret gesprochen: Krieg: Más armas introdujo este marino monstruo [...] que confusión y fuego al frigio muro el otro leño griego (Z. 381-385). 3 1 2

3

Zitiert bei Schwartz 1993:95. Ich zitiere hier nach folgender Ausgabe: Luis de Góngora, Soledades. Hg.v. Dámaso Alonso. Neuauflage, Madrid 1982. Die Rede des "político serrano" umfaßt die Zeilen 373-509 (S. 50-53). "el otro leño griego" ist eine Metapher für das Trojanische Pferd. Mit diesen Zeilen werden die kriegerischen Auseinandersetzungen zur See des Altertums verdammt. Vgl. auch Heydenreich 1970:126.

370

III Amerika in der Lyrik

Eingeschoben in diesen Teil finden sich am Beispiel des Kompasses Ausführungen zu den technischen Neuerungen, die die Seefahrt über das Mittelmeer hinaus erst ermöglichen sollten. Hiermit wird eine Verbindung geschaffen zum zweiten Teil der direkten Rede des "político serrano", der zeitlich ein "hoy" vorgibt 1 . Der zweite Teil der Rede spricht von den Entdeckungsfahrten der Spanier und Portugiesen im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Bereits in der ersten Zeile wird die alles bestimmende Motivation benannt: "Piloto hoy la Codicia" (Z. 410). In der dem Gedicht eigenen verklausulierten Sprache werden die wichtigsten Regionen, in die die spanischen und portugiesischen Entdeckungsfahrten führten, benannt: neben Amerika Afrika ("cabo le hizo de Esperanza Buena", Z. 459), Indien ("los reinos de la Aurora", Z. 464), Arabien (Z. 469), Ozeanien ("islas [...] en aquel mar del Alba", Z. 488/489) und die Gewürzinseln ("islas pocas,/ fragante productor de aquel aroma", Z. 498/499). Amerika nimmt hierbei eine Sonderstellung ein. Entgegen der historischen Chronologie werden die spanischen Fahrten nach Amerika als erste und verhältnismäßig ausfuhrlich genannt, wobei Bezüge und Anspielungen klar und deutlich geäußert werden. Bei der Entdeckung Amerikas verfährt der Autor chronologisch. Auf Colón ("Abetos suyos tres aquel tridente/ violaron a Neptuno", Z. 420/421) folgen die "caribes flechados" (Z. 428) und "el istmo que al Océano divide" (Z. 432; Isthmus von Panamá). Der Zugang zum Pazifik war gefunden, dadurch ein "segundo polo en nuevo mar" (Z. 437/438). Weiter unten wird Bezug genommen auf Magellans Entdeckung der Meerenge ("Esta pues nave ahora [...] con nombre de Victoria", Z. 484487). Die Evozierung Amerikas erfolgt bruchstückartig und zum Teil mit gängigen Bildern. So werden als Requisiten der Kariben Pfeile und Federn benannt, außerdem klingen durch den Hinweis auf die Laistrygonen der Odyssee Homers Wildheit und Kannibalismus der Indianer an. Nord- und Südmeer werden ebenso erwähnt wie die Sonne, die Antarktis und die Überlegenheit der Spanier. Und natürlich thematisiert Góngora in Verbindung mit codicia die Schätze der "Neuen Welt", las blancas hijas de sus conchas bellas mas los que lograr bien no supo Midas metales homicidas

(Z. 439-441). Gefahrliche Seefahrt und codicia bilden das Gerüst für die Ausführungen des zweiten Teils. Codicia ist Gier nach Reichtum, "metales homicidas" (Z. 441). Diese Habgier war stärker als alle Naturgewalten, die das Meer gegen die Schiffe aufbot (Z. 442-453). Der Amerikahandel findet keine Erwähnung in dem Gedicht. Lediglich die abschließenden Ausführungen des "político serrano", der "hacienda" und "caudal" verlor, können als Reminiszenz auf den Handel verstanden werden, allerdings den Handel mit Asien. 1

Da die Soledades vermutlich 1613/1614 verfaßt wurden, verweist dieses "hoy" auf Geschehnisse, die sich ein Jahrhundert zuvor ereignet hatten. Auf die Verbindung von früher und aktueller Seefahrt macht Heydenreich aufmerksam: "Nach und nach wird offenkundig, daß Góngora ein halbes Jahrhundert vor La Fontaine und in weit umfassenderem Maße als dieser die gesamte antike Verwünschungsthematik mit ihren ethischen Argumenten und sagenchronologischen Fixierungen auf die Ozeanfahrten des Entdeckungszeitalters übertrug" (1970:126).

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

371

Es stellt sich nun die Frage, ob Göngora mit dieser Rede des alten Bergbewohners eine konkrete politische Aussage verband oder nicht. Nach langen, kontrovers geführten Diskussionen scheint die Forschung die politische Bedeutung der hier besprochenen Passage inzwischen anerkannt zu haben 1 , wie Merkl in seinem Forschungsbericht ausfuhrt: [...] scheint mir die Position derjenigen überwunden, die die Bezugnahmen auf HistorischFaktisches in den Soledades zwar nicht leugneten, aber als unwesentlich betrachteten" (Merkl 1989:319).

Es ist bemerkenswert, daß die Soledades als einer von wenigen Texten die anfänglichen Amerikafahrten ausschließlich mit codicia motiviert präsentieren 2 . Mit Vehemenz wird radikal Kritik an dem Unternehmen 'Amerika' geäußert. Die Konnotationen der Ereignisse sind rein negativer Natur. Aufgrund dieser ausschließlich kritischen Darstellung und der speziellen umfassenden Form des Gedichts kommt ihm ein anderer Stellenwert zu als den oben angeführten moralistischen lyrischen Texten. Abgeschwächt wird diese Kritik jedoch zum einen durch die Tatsache, daß die Rede des "politico serrano" persönlich motiviert ist. Veranlaßt ihn, der er Sohn und Vermögen an Meer und Wind verlor, nicht sein persönlicher Kummer zu solch düsterer Rede? Unerläßlich scheint es aber auch, das vorliegende Gedichtfragment innerhalb des Kontextes zweier Traditionen zu betrachten: der Tradition einer kritischen Sicht der Seefahrt und der des moralistischen Diskurses. Wie oben dargelegt, diente Amerika mit seinen Bodenschätzen als ideales Beispiel der Rede gegen die Habgier, der neostoizistischen Anwürfe gegen Dekadenz am Hofe und in der Stadt. Und auch Göngoras Soledades idealisieren ein einfaches Landleben. Somit relativieren Struktur und Einbindung in die Diskurs-Tradition den kritischen und politischen Aussagewert des Gedichtfragments. Genau das wird von Merkl übersehen, der eine an der historischen Wirklichkeit orientierte Kritik Göngoras hervorhebt: Zwar stimmt Göngoras Position also wohl nicht ganz mit derjenigen des 'politico serrano' überein; er hat aber doch das im Herrschaftsbereich des imperialen Spanien m.W. einzige Gedicht geschaffen, in dem die Konsequenzen der überseeischen Entdeckungen von einem anti-imperialistischen und dabei ganz klar pazifistischen Standpunkt aus kritisch reflektiert werden (Merkl 1989:325).

Dem alten Bergbewohner wird, wie Merkl durchaus überzeugend darlegt 3 , von Göngora e i n e kritische Position der damaligen Zeit in den Mund gelegt, die nicht notwendigerweise die des Autors sein muß. Daß aber viele Kritiker den Gehalt der Rede des "politico serrano" mit der persönlichen Meinung des Autors gleichsetzten, zeigt die umfassende Sekundärliteratur. Wirft sie doch Göngora vor, sich mit den

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Dámaso Alonso spricht 1955 allerdings noch von "ejercicio retórico". Dámaso Alonso, "Góngora y América". In ders., Estudios y ensayos gongorinos (Madrid 1955), 390. Hier ist Hans-Otto Dill zu widersprechen, der auch für die frühe Schiffahrt schon codicia ausmachen zu können glaubt. Codicia ist eng mit "hoy", mit der modernen Seefahrt verbunden. Deswegen erscheint die frühe Schiffahrt jedoch nicht positiver präsentiert, als negatives Beispiel fungiert der Krieg. Vgl. Hans-Otto Dill, "Zwischen Barock und Emanzipation - Sor Juana und Góngora". In: Literaturwelten. Für Gisela Beutler zum 75. Geburtstag am 20. 12. 1994. Hg.v. Sebastian Neumeister und Ingrid Simson. Neue Romania 16 (Berlin 1995), 20. Vgl. Merkl 1989:320-325.

III. Amerika in dtr Lyrik

372

Soledades zum Sprachrohr der Verfechter der leyenda negra und somit derFeinde Spaniens zu machen 1 . Diese Position findet sich bis heute, und es sollte Hjinrich Merkl eigentlich nicht wundem, daß der um die nationale Ehre Spaniens btsorgte José María Gárate Córdoba in seinem Werk die Soledades nicht erwähnt". Weiter entfernt von der amerikanischen Thematik ist ein anderer Aspekt 1er öffentlichen Diskussion, der sich vereinzelt als Widerhall in der politischen Lyik der Epoche findet: die Klage um die Benachteiligung Spaniens im europäischei Kontext. Auf die diesbezügliche theoretische Diskussion wurde oben bereits hirgewiesen 3 . Es geht dabei um die Frage des realen Kapitalabflusses aus Spanien in andere Länder: Nace [el oro] en las Indias honrado, donde el m u n d o le acompaña; viene a morir en España, y es en Génova enterrado (Quevedo 1970:176);

so lauten einige Zeilen in Quevedos bereits erwähnter letrilla "Poderoso cabalero es don Dinero". Da die Genuesen in Spanien führend waren als Geldgeber und Händler 4 , vor allem in Bezug auf die amerikanischen Unternehmungen, sind sie es, die in cL-r Diskussion wie in der Literatur vornehmlich attackiert werden. Auch Góngora lenennt in seiner "Egloga piscatoria en la muerte del Duque de Medina Sidonia" in gewohnt verklausulierter Sprache die Ligurer als Schmarotzer des spanisch-amerikaiischen Reichtums: [...] la grande América es, oro sus venas, sus huesos plata, que dichosamente, si ligurina dió marinería a España en uno y otro alado pino, interés ligurino su rubia sangre hoy día, su medula chupando está luciente. 5

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Hierfür nur ein Beispiel: "La leyenda negra [...] se extendía por todo el Imperio y legaba, aprensada ya en lugar común, hasta la poesía lírica. [...] No creemos que haya habdo malicia, como dice Salcedo Coronel, ni en Ercilla ni en Góngora. En aquél [...] er el cordobés, despreocupación, irresponsabilidad de artista. Sea lo que fuere, el d a ñ o fui grande [...]". Hugo Montes, "Góngora y América". Finís Terrae 8,32 (1961):5I. Vgl. Merkl 1989:325. Er bezieht sich auf José Maria Gárate Córdoba, La poesía leí des-

cubrimiento, 3 4 5

Madrid 1977.

Vgl. S. 125-127 dieser Studie. Vgl. Ruth Pike, "The Image of the Genoese in Golden Age of Literature". Hispana 46,4 (1963):705. Luis de Góngora y Argote, "Egloga piscatoria en la muerte del Duque de Mediia Sidonia". In ders., Obras Completas. Hg.v. Juan und Isabel Millé y Giménez (Madrid 5 1961), 595. Die Angriffe auf die Genueser - nicht unähnlich denen auf die indianos - finlen sich häufig in der Literatur des Siglo de Oro. Für Beispiele vgl. Pike 1963:705-714. Her noch ein weiteres lyrisches Beispiel, ein Epigramm "Al mismo Colón" von Antonio Pväluenda aus d e m 16. Jahrhundert: "Aunque a todos ha causado/ Espanto y admiracióa' E m u n d o

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Bald jedoch wurde die Kritik um die Genuesen erweitert zu einer Kritik an einer Vielzahl europäischer Staaten, die alle beschuldigt wurden, sich an Spanien zu bereichern. Neben den Genuesen wurden Franzosen, Niederländer, sowie überhaupt alle "Lutheraner", außerdem auch Juden genannt. So betrachtet Quevedo in seinem Sonett mit dem bezeichnenden Titel "Advertencia a España de que ansí como se ha hecho señora de muchos, ansí será de tantos enemigos invidiada y perseguida, y necesita de continua prevención por esa causa" offensichtlich alle europäischen Staaten als Feinde Spaniens: Y es más fácil, ¡oh España!, en muchos modos, que lo que a todos les quitaste sola te puedan a ti sola quitar todos (Quevedo 1963:63).

Diese Vorwürfe und Klagen gegen die anderen europäischen Staaten sind in engem Zusammenhang zu sehen mit den Positionen der leyenda negra der damaligen Zeit. Kritik an dem gewalttätigen Vorgehen der spanischen Eroberer gegen die amerikanische Bevölkerung hatte einigen europäischen Staaten - allen voran Frankreich, England und den Niederlanden - dazu gedient, gegen den mächtigen Rivalen Spanien zu polemisieren, was zu einer Isolierung Spaniens im europäischen Kontext führte. Die spanischen Autoren, die sich politischen Themen zuwandten, waren auf diese Weise gezwungen, Position zu beziehen: mit Spanien gegen die anderen europäischen Staaten. Jegliche prospanische nationalistische Äußerung implizierte somit eine Verteidigung gegen die Vorwürfe der leyenda negra. Der für uns heute offensichtliche Widerspruch dieser Verteidigungsposition gegenüber den Thesen des oben dargestellten moralistischen Diskurses - hier die Klage gegen den verderbenden Charakter des Goldes, da die Klage gegen den Verlust dieses Goldes - wurde damals augenscheinlich nicht erkannt. Gerade Quevedo läßt in seinem Werk keine für heutige Maßstäbe stringente politische Linie erkennen. Traditionelle Positionen und Topoi ergeben zusammen mit Reaktionen auf aktuelle historische und politische Ereignisse ein Konglomerat von Meinungen, die nicht unbedingt in einem durchgehend schlüssig-logischen Zusammenhang stehen1. Die moralistisch-didaktische Literatur zur amerikanischen Thematik - hier in der Mehrzahl lyrische Texte - demonstriert eindrucksvoll, wie politische Thesen, die auf aktuelle Diskurse verweisen, in Verbindung mit einer traditionellen Topik literarisch-fiktional in Literatur umgesetzt werden. Durch diese spezielle Verbindung entsteht eine oszillierende Mischung, die zwischen realhistorischer Aussage und allgemein moralisch-philosophischer Thematik schwankt. Hier sieht sich die moderne Literaturwissenschaft erneut vor unlösbare interpretatorische Probleme ge-

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que halló Colón,/ A mí nunca me ha admirado;/ Porque, ¿quién, ¡malicia es!/ Descubriera un mundo entero/ Con un mundo de dinero/ Sin solo un genovés?" Antonio Maluenda, "Al mismo Colón. Epigrama". In: Enumeración de libros y documentos concernientes a Cristóbal Colón y sus viajes. Hg.v.d. Real Academia de la Historia (Madrid 1892), 545. Dieses Gedicht drückt mit seiner Attacke gegen den Genueser Colón den Widerwillen einer ganzen Epoche gegen das Unternehmen 'Amerika' aus. Hinweise auf entgegengesetzte Positionen finden sich bei Geisler 1981. So arbeitet Geisler z.B. die unterschiedlichen Positionen in bezug auf die Anerkennung einer bürgerlichen Praxis als Garantin von Identität im "Sermón estoico" und in einer Passage der "Providencia de Dios" heraus. Vgl. Geisler 1981:187-208.

374

III. Amerika

in der Lyrik

stellt, wie nicht zuletzt die heftig geführte Diskussion um den politischen Gehalt von Góngoras Soledades gezeigt hat. Zeitgenössische Intention und Rezeption sind aufgrund der Mehrdeutigkeit, wie sie generell fiktionale Texte kennzeichnet, nicht endgültig und losgelöst von modernen Positionen zu bestimmen. Letztlich bestehen keine allzu großen Unterschiede zwischen den hier besprochenen lyrischen Texten über die Schädlichkeit des amerikanischen Goldes und den entsprechenden Stellen der politischen Traktatliteratur. Hier wie dort werden Kritik und Klage metaphorisch umgesetzt. Und wenn uns heute auch die lyrische Variante fiktionalisierter erscheint als der Prosatext, so galt diese Unterscheidung mit Sicherheit nicht für den zeitgenössischen Rezipienten.

3. Utopische Aspekte Utopisches Gedankengut war von Anfang an mit den spanischen Unternehmungen in Amerika verbunden und findet sich in verschiedener Ausprägung und Intensität in den Schriften über Amerika1. In der rein fiktionalen Literatur allerdings sind die Beispiele spärlich, da sich ganz offensichtlich andere Genres ausreichend dieser Thematik annahmen. Moralistische Diskurse, die gesellschaftliche Zustände kritisieren, stehen zumeist in enger Verbindung mit utopischen Vorstellungen über die ideale Beschaffenheit der entsprechenden Gesellschaft. Auf ein derartiges Phänomen, allerdings als christliche Jenseitsutopie, verweist der Begriff der "Indias de Dios", der sich in der frühen spanischen Lyrik findet2. Dieser Terminus versteht 'Indias' metaphorisch als Reichtum, wobei der Zusatz 'de Dios' die eigentliche Bedeutung des weltlichen Reichtums negiert und diesen zu einem geistigen macht: "On the other hand American riches are [...] in this case by negating the very thing they denote" (Davis 1990:49). Somit wird die oben besprochene moralistische Kritik am materiellen Eigentum weitergeführt zu einer Beschreibung des "wahren" Reichtums: '"Las Indias de Dios' is thus a wonderful, complex image of 'heaven on earth', the ecstasy or 'Eden' of God's presence in the human soul" (Davis 1990:50). Ein Beispiel hierfür ist das mystische Gedicht von Francisco de Aldana, "Carta para Arias Montano sobre la contemplación de Dios y los requisitos della" . Das lyrische terceto encadenado beschreibt die Reise der Seele zur wahren Erkenntnis, wobei es sich der Seefahrtsmetaphorik bedient: Mas pues, Montano, va mi navecilla corriendo este gran mar con suelta vela, hacia la infinidad buscando orilla, [...] (Z. 124-126).

1 2

3

Vgl. hierzu die Ausfuhrungen auf den Seiten 120-122. Die Ausführungen dieses Abschnitts basieren auf Elizabeth B. Davis, '"Conquistas de las Indias de Dios1: Early Poetic Appropriations of the Indies by the Spanish Renaissance". Hispanic Journal 11,1 (1990):45-54. Der Text findet sich in Francisco de Aldana, Poesías castellanas completas. Hg.v. José Lara Garrido (Madrid 1985), 437-458.

D. Amerika als Fiktion: Drama. Lyrik und Roman

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Mystische Erkenntnis und Liebe, der Weg zur Verschmelzung mit Gott finden ihre Präsentation mit Hilfe einer Terminologie, die metaphorisch Aspekte der Eroberungen benennt: Mas ¿quién dirá, mas quién decir agora podrá los peregrinos sentimientos que el alma en sus potencias atesora: aquellos ricos amontonamientos de sobrecelestiales influencias, dilatados de amor descubrimientos; [...] ¡Oh grandes, oh riquísimas conquistas de las Indias de Dios, de aquel gran mundo tan escondido a las mundanas vistas! (Z. 259-276).' Eine ähnliche Umdeutung der herkömmlichen Metaphorik durch die Opposition weltlich - geistlich zeigt sich in einem Gedicht von Alonso de Ledesma, dem villancico "En metafora de vn perulero" 2 . Hier erscheint Christus als reicher indiano, um die Welt zu erlösen. Das Gedicht basiert auf den Begriffen 'arm' und 'reich1, wobei weltlich arm "wahren", d.h. geistlichen Reichtum verrät und umgekehrt: [...] Ya se, Señor, que partistes de las Indias a buscarme, y que podeys remediarme, según de rico venistes. [...] Aunque mas hazienda os sobre, viéndoos vestir de sayal, y dormir en vn portal os han de juzgar por pobre; (Z. 5-8; 13-16).3 Ein ähnliches Verfahren der Umdeutung war bereits bei Calderóns La nave del mercader festgestellt worden. Wie die Ausfuhrungen dazu gezeigt haben, findet sich utopisches Gedankengut um die Eroberungen in Amerika nicht in der fiktionalen Literatur der Epoche. Utopische Vorstellungen waren offensichtlich anderen Genres vorbehalten. Mit den "Indias de Dios" wird lediglich eine christliche Jenseitsutopie evoziert. 1

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Zu dem Gedicht, das als Meisterwerk Francisco de Aldanas gilt, vgl. auch D. Gareth Walters, The Poetry of Francisco de Aldana (London 1988), 127-140; außerdem Robert Archer, "The Overreaching Imagination: The Structure and Meaning of Aldana's Carta para Arias Montano". Bulletin of Hispanic Studies 65,3 (1988):237-249. Vgl. auch Berthold Volberg, Die Kluft zwischen Kampf und Kontemplation. Eine komparatistische Analyse der Lyrik Francisco de Aldanas (Frankfurt a.M. 1999), vor allem 152-165. Der Text findet sich in Alonso de Ledesma, Conceptos Espirituales y Morales I. Hg.v. Eduardo Juliá Martínez (Madrid 1969), 36/37. Zur Dichtung Ledesmas vgl. Gustavo Correa, "El conceptismo sagrado en los Conceptos espirituales de Alonso de Ledesma". Thesaurus 30,1 (1975):49-80; Miguel d'Ors, Vida y poesía de Alonso de Ledesma. Contribución al estudio del conceptismo español (Pamplona 1974), 85-316.

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IV. Amerika in derfiklionalen

Prosa

IV. Amerika in der ilktionalen Prosa In der fiktionalen Prosa des Siglo de Oro, in Kurzgeschichten und Romanen, spielt Amerika keine wesentliche Rolle. Heute sind uns kein Roman und keine Kurzgeschichte der Epoche bekannt, deren Haupthandlungsort in Amerika liegt. Zwar finden sich die üblichen Anspielungen auf die Kolonien, vornehmlich auf Gold und Reichtum; doch gehörten diese zum alltäglichen Sprachgebrauch und waren bald in alle Schriftgenres integriert. Für die fiktionale Narrativik sind sie weitgehend bedeutungslos. In einigen Romanen, verstärkt noch in Kurzgeschichten sind indianos ein Teil des Geschehens, wenngleich auch hier die Beispiele nicht allzu häufig sind. Die Bedeutung des indiano fiir das Theater ist größer, außerdem unterscheidet sich die Figur der Dramen in ihrer Konzeption und Charakteranlage kaum vom indiano der Kurzgeschichten und Romane. Eine genauere Analyse würde hier keine anderen Ergebnisse liefern als für den oben besprochenen indiano des Theaters. So liefern letztlich nur zwei novelas picarescas Episoden, die in Amerika spielen: El donado hablador Alonso, mozo de muchos amos von Jerónimo Alcalá Yáñez y Rivera und Vicente Espinéis Marcos de Obregón'. Der Roman gilt zur Zeit des Siglo de Oro als noch junges Genre, das in gebildeten Kreisen zum Teil umstritten und wenig geachtet war. Die beliebtesten Romangattungen der Epoche, Ritterromane und sentimentale Liebesromane, schienen nicht geeignet für eine Integration amerikanischer Lokalitäten, sind ihre Örtlichkeiten doch kaum realen Ursprungs. Mit Sicherheit konnte das unter vielen Aspekten vorwiegend negativ konnotierte Amerika nicht mit ätherischen Fabelwesen, fernen Phantasieländern und mittelalterlichen Ritterfiguren konkurrieren. Erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts beginnt mit dem Lazarillo de Tormes die Erschließung des real existierenden Raums Spaniens für die Romanliteratur. Während sich Lazarillo noch auf wenige Orte Kastiliens beschränkt, bereist Guzmán de Alfarache von Mateo Alemán, 1599 veröffentlicht, bereits Italien. Es erfolgt jedoch zunächst keine Ausdehnung auf Amerika: Der zweite Teil des Buscón Quevedos, der den Protagonisten nach Amerika führen sollte, bleibt ungeschrieben. Und die beiden späteren Werke von Alcalá Yáñez y Rivera und Espinel behandeln Amerika in nur wenigen Episoden. Ein wichtiger Grund, der die Romanschriftsteller an der Verlagerung des Schauplatzes nach Amerika hinderte, war mit Sicherheit deren örtliche Unkenntnis. Wie ist eine (wenngleich bescheidene) realistische Schreibweise in Einklang zu bringen mit der völligen Unkenntnis dessen, was der Autor beschreiben möchte? Es ist kein Zufall, daß Alcalá Yáñez y Rivera in seiner novela picaresca den moralischen Aspekt des amerikanischen Unternehmens betont und Vicente Espinel seine amerikanischen Episoden phantastisch präsentiert. Auf diese Weise gelang es beiden Autoren, die Beschreibung eines Lokalkolorits, das ihnen unbekannt war, zu vermeiden. Gleichzeitig stand der Realismus der Schelmenromane in enger Verbindung mit dem Aspekt der Rezeption: Es sollte sich bei dem Geschilderten um eine auch dem Rezipienten bekannte Welt handeln.

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Auch die Texte, die Héctor Brioso Santos in seinem 1999 erschienenen Werk América en la prosa literaria española de los siglos XVIy XVII zu seinem Corpus zählt, bieten nicht mehr als Anspielungen auf die Figur des Spanienrückkehrers. Eine Ausnahme sind die historiographischen Prosatexte, die Brioso Santos zum Teil auch anführt. Für das Corpus vgl. Brioso Santos 1999:29/30.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Im Gegensatz zum Theater, das geläufig historische Stoffe für die Bühne adaptierte, war dieses Verfahren für die spanische Prosa noch weitgehend unbekannt. Lediglich die Moriskenromane und -erzählungen, die in Ansätzen maurische Lebenswelten historisch präsentierten, hätten hier als Vorbilder für historische Romane über Amerika dienen können. Eine Adaptation der Thematik für den Roman fand jedoch nicht statt, kam den Autoren wohl auch nicht in den Sinn. Amerikanische Ereignisse wurden in historias und relaciones berichtet, in Epen besungen, in einem bescheidenen Rahmen auf die Bühne gebracht. Der Wunsch, diesen Stoffkreis für die fiktionale Narrativik zu erschließen, bestand ganz offensichtlich nicht. So ist kein spanischer Roman dieser Zeit bekannt, der in Amerika spielt. Das phantastische und realistische Potential, wie es z.B. die Berichterstattung lieferte 1 , blieb ungenutzt. Alonso, Protagonist der novela picaresca von Alcalá Yáñez y Rivera, ist der einzige picaro der Epoche, der tatsächlich amerikanischen Boden betritt. Die amerikanischen Episoden des Romans stehen in enger Verbindung mit dem moralistischen Diskurs der Epoche, der Habgier und den Wunsch nach Reichtum verurteilt. Wie in den oben besprochenen Gedichten verfügt Amerika hier über einen Exemplumcharakter 2 . Neue Aspekte liefern dagegen die amerikanischen Episoden aus Vicente Espinéis Marcos de Obregón, die anschließend in einem Unterkapitel genauer betrachtet werden. Zuvor erfolgen jedoch noch Überlegungen zur Integration einer amerikanischen Thematik bei Miguel de Cervantes. Auch seine Ausführungen zu Amerika scheinen sich auf vereinzelte Anspielungen und eine Reihe von indianos zu beschränken. Reichhaltig ist allerdings die Sekundärliteratur, die sich Cervantes und der amerikanischen Thematik widmet und der es gelingt, den Eindruck zu erwecken, als hätte der Autor amerikanische Themen auf besondere Weise behandelt.

1. Miguel de Cervantes Bereits früh haben vor allem hispanoamerikanische Kritiker versucht, bei den Klassikern des Siglo de Oro Textpassagen auszumachen, die auf eine Beschäftigung mit Amerika verweisen. Dies führte in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einer Reihe von Arbeiten, die akribisch jegliche Äußerungen von Cervantes zu den hispanoamerikanischen Kolonien verzeichneten 3 . In den Folgejahren wurde verschiedentlich ver1

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Vielleicht war es gerade die spezielle Verbindung von Realismus und Mythologie, die zur damaligen Zeit die Wahrnehmung Amerikas beherrschte, die die Romanproduktion u.a. daran hinderte, amerikanische Themen zu etablieren: Für die realistische Narration war Amerika zu fem, für die phantastische zu nah. Alonso reist nach Mexico, wo er in kurzer Zeit ein Vermögen verdient, das er jedoch innerhalb einer Stunde wieder verliert, so daß er arm nach Spanien zurückkehrt. Für die Episoden in Mexico vgl. Jerónimo de Alcalá Yáñez y Rivera, "El donado hablador Alonso, mozo de muchos amos". In: La novela picaresca española. Hg.v. Angel Valbuena y Prat (Madrid 1956), 1254-1259. Vgl. auch Bader 1983:133/134. Vgl. z.B. Jorge Campos, "Presencia de América en la obra de Cervantes". Revista de Indias 8,28-29 (1947):371-404; Luis Nicolau d'Olwer, "América en la obra de Cervantes". Cuadernos americanos 7,1 (1948): 162-184; José Toribio Medina, "Cervantes americanista: lo que dijo de los hombres y cosas de América". In ders., Estudios Cervantinos (Santiago de Chile 1958), 507-537. So erfahren wir u.a., daß im Don Quijote Begriffe wie

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IV. Amerika in der fiklionalen

Prosa

sucht, Bezüge zu amerikanischen Themen oder Werken in den Schriften von Cervantes nachzuweisen 1 . Als vorläufiger Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen, deren Materialbasis mehr als dürftig ist, mag die aktuelle Studie von Diana de Armas Wilson aus dem Jahr 2000 gelten, der es immerhin gelingt, ein ganzes Buch über Cervantes, den Roman und die "Neue Welt" zu schreiben 2 . Doch anstatt der erwarteten fundierten Textanalysen von Passagen des Don Quijote oder des Persiles, die tatsächlich Verweise zu amerikanischen Themen vermuten lassen, enthält das Werk von Armas Wilson ein seltsames Konglomerat aus diskurstheoretisch verbrämten Begriffen, Erkenntnissen der Postcolonial Studies und willkürlichen Bezügen und Exkursen zu anderen Werken und Genres, das insgesamt wenig befriedigt und um so klarer die Dürftigkeit der amerikanischen Thematik in den Werken von Cervantes hervorhebt. Tatsächlich erwähnt Cervantes in seinen Prosatexten Amerika kaum direkt. Eine Ausnahme stellen lediglich einige indianos dar, darunter als bekannte Figur Felipe de Carrizales aus der novela ejemplar "El celoso extremeño" 3 , außerdem einige wenige Textpassagen, wie die bekannte Eingangsbemerkung zu eben dieser Novelle, in der der Autor die hispanoamerikanischen Kolonien als refugio y amparo de los desesperados de España, iglesia de los alzados, salvoconducto de ¡os homicidas, pala y cubierta de los jugadores a quien llaman ciertos los peritos en el arte, añagaza general de mujeres libres, engaño común de muchos y remedio particular de pocos 4

bezeichnet. Derlei direkte kritische Passagen über Amerika sind selten, nicht nur bei Cervantes. Zwar hatte Cervantes selbst mehrfach Ausreisegesuche nach Amerika gestellt, denen allerdings nicht stattgegeben wurde 5 ; dennoch fand die amerikanische Thematik kaum Eingang in sein Werk. Versuche einiger Kritiker, darunter Armas Wilson in ihrem eben erwähnten Buch, die kritische Reaktion auf Machtstrukturen innerhalb der Cervantinischen Werke als Beweis für eine intensive Thematisierung amerikanischer Belange darzustellen, vermögen wenig zu überzeugen. Als Cervantes den ersten Teil des Don Quijote veröffentlichte, waren über hundert Jahre seit den Fahrten Colons vergangen und Amerika zu weiten Teilen bereits seit Jahrzehnten kolonisiert. Daß die spanische Herrschaftspolitik, die sich nicht nur in Amerika manifestierte, Einfluß auf die fiktionale Literatur nahm, muß nicht eigens nachgewiesen werden. Dies gilt jedoch für alle Texte, nicht nur für die Prosa von Cervantes, die

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"el Nuevo Mundo", "América", "Nueva España", "Méjico" und "Pirú" jeweils einmal genannt werden, gegenüber "Potosí" (zweimal) und dem häufigeren "las Indias" (sechsmal). Vgl. auch Diana de Armas Wilson, '"The Matter of America'. Cervantes Romances Inca Garcilaso de la Vega". In: Cultural Authority in Early Modern Spain. Hg.v. Marina S. Brownlee und Hans Ulrich Gumbrecht (Baltimore 1995), 236/237. Vgl. z.B. Daniel P. Testa, "Parodia y mitificación del Nuevo Mundo en el Quijote". Cuadernos hispanoamericanos 430 (1986):63-71; Juana Gil-Bermejo García, "Fray Bartolomé de las Casas y el 'Quijote"'. Anuario de Estudios Americanos 23 (1966):351-361. Vgl. Diana de Armas Wilson, Cervantes, the Novel, and the New World, Oxford 2000. Vgl. hierzu die Ausführungen zum indiano in "El celoso extremeño" durch James D. Fernández, "The Bonds of Patrimony: Cervantes and the New World". PMLA 109,5 (1994): 969-981. Miguel de Cervantes, "El celoso extremeño". In Cervantes 1986:11,99. Zum Leben von Cervantes vgl. Byron 1978; Dieterich 1984; Strosetzki 1991.

D Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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sich zwar explizit mit der aktuellen spanischen Gesellschaft auseinandersetzt, dem amerikanischen Thema jedoch nur indirekt und punktuell Aufmerksamkeit schenkt. Spekulationen im Stile von Armas Wilson: "I believe that Cervantes's novels were stimulated by the geographical excitement of a new world" (2000:3) können darüber nicht hinwegtäuschen . Die Tatsache, daß Cervantes amerikanische Themen in seinen Prosawerken nicht explizit erwähnt, scheint nun hinlänglich geklärt. Trotzdem finden sich sowohl im Don Quijote als auch im Persiles wichtige Themen angesprochen, die auf Diskurse der Epoche verweisen, deren Aktualität zumindest zum Teil Amerika zu verdanken ist. Zwei Beispiele sollen hier kurz angeführt werden: die Episode um Sanchos Statthalterschaft auf Barataria aus dem zweiten Teil des Don Quijote und die Ausfuhrungen zum Wesen des Barbaren aus Persiles y Sigismunda. Im zweiten Teil des Don Quijote wird Sancho von dem Herzogpaar die ihm von Don Quijote seit langem versprochene Statthalterschaft über die Insel Barataria übertragen. Sancho Panza, mit wohlmeinenden Ratschlägen seines Herrn Don Quijote ausgestattet, übernimmt die Regentschaft, wobei ihm jedoch die von den Herzögen veranlaßten Streiche übel mitspielen. Obwohl er seine Aufgaben mit Ernst und Besonnenheit gut erfüllt, entschließt sich der Knappe letztendlich dazu - halb verhungert und zerschunden auf die Statthalterschaft zu verzichten und zu seinem früheren Leben zurückzukehren 2 . Von einem Bezug der Insel zu Amerika kann ausgegangen werden. So war "Insula Hispana" einer der frühen Begriffe für Amerika . Gleichzeitig ist die Insel jedoch der ideale locus amoenus der Ritterbücher, und die Insel der Renaissance verweist auf den bedeutenden Aspekt der Utopie, der wiederum in vielfaltiger Beziehung zu Amerika steht. Es ist anzunehmen, daß die Plurisemantik des Begriffs der Insel, die gleichzeitig ideale wie reale Konnotationen bemüht, von Cervantes intendiert war. Der Aspekt des "richtigen Regierens" (buen gobierno), auf den zum einen Don Quijotes Ratschläge an Sancho zur Einleitung der Episode (Kap. 42/43) abzielen 4 , aber auch die Lehren, die Sancho selbst aus seinen Erfahrungen zieht, hatte im öffentlichen politischen Diskurs der Epoche durch die Eroberungen Amerikas neue Aktualität und Brisanz erhalten. Nicht nur die Rechtmäßigkeit der Eroberungen stand dabei zur Debatte, sondern auch die ideale Form der Regentschaft der eroberten Länder. Augustin Redondo verweist auf den karnevalesken Charakter der Barataria-Epi1

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Das ahistorische Vorgehen von Armas Wilson, die sich immerhin innerhalb der Konzeptionen der Postcolonial Studies bewegt, erstaunt. So fragt sich die Autorin zu keinem Zeitpunkt, welche Bedeutung Amerika in der Epoche von Cervantes tatsächlich für Spanien hatte. Die Episode umfaßt mehrere Kapitel (Nr. 42-45, 47, 49, 51, 53) des zweiten Teils des Don Quijote. Vgl. Maria Rosa Scaramuzza Vidoni, "II nuovo mondo nel 'Quijote'". In: Studi di letteratura ibero-americana offerti a Giuseppe Bellini. Hg.v. Maria Teresa Cattaneo, Carlos Romero und Silvano Serafin (Rom 1984), 90. Zu den Ratschlägen Don Quijotes vgl. Helena Percas de Ponseti, "Los consejos de don Quijote a Sancho". In: Cervantes on the Renaissance. Papers of the Pomona College Cervantes Symposium. Hg.v. Michael D. McGaha (Pennsylvania 1980), 194-236.

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IV. Amerika in derfiktionalen Prosa

sode: Hier findet sich el mundo al revés des Karnevals'. Der Bauer Sancho, von einfacher Herkunft und ungebildet, regiert für eine kurze Zeit eine Insel. Und er erweist sich als guter Herrscher: En vez de holgar, se entrega a una incesante actividad de juez probo y de buen gobernador; en vez de enriquecerse, no toca derecho ni lleva cohecho [...]; en vez de comer alimentos sustanciosos, se queda casi en ayunas; en vez de dormir, se pasa una buena parte de la noche rondando la ciudad (Redondo 1978:66). Sancho verhält sich als vorbildlicher Regent, da er sich auf seinen gesunden Menschenverstand und die christliche Lehre stützt. Hier offenbart sich der erasmistische Hintergrund der Episode. Der einfache Sancho steht als guter Regent im Kontrast zu den Herzögen, die sich die Streiche und Gemeinheiten ausdachten. Die Episode parodiert die gängige Staatsutopie der Epoche. Barataria - bereits der Name verweist auf den fiktionalen Charakter der Insel 2 - ist ein erdachter Ort, eine Illusion und burla zum Vergnügen der Herzöge, die Sancho verspotten soll, jedoch dazu führt, daß er sich als idealer Herrscher präsentiert. Der Episode ist folglich eine utopiekritische Sichtweise inhärent 3 . Bei beiden hier erwähnten, mit der Episode verbundenen Themen, der Frage nach dem buen gobierno und dem Aspekt der Utopie, handelt es sich um Diskurse, die auf die amerikanischen Eroberungen reagierten bzw. von diesen mit bestimmt wurden. Cervantes formuliert die Themen jedoch allgemein und nimmt keinen expliziten Bezug auf Amerika. Eine Episode, die auf nämlichem Verfahren zu basieren scheint, findet sich zu Beginn des letzten Romans von Cervantes, Los trabajos de Persiles y Sigismundo. Die ersten sechs Kapitel des Werks erzählen von der Insel Bárbara und ihren barbarischen Bewohnern, die Sklaven halten, kannibalistischen Riten frönen und in einem präzivilisatorischen Zustand leben. Hier stellt sich nun ebenfalls die Frage, ob direkte Bezüge zu Amerika intendiert sind. Die Kritik scheint gespalten. Während einige Kritiker die Verbindung dieser Episode zu Amerika strikt ablehnen, gilt diese für andere als gegeben 4 . Als Beweis dienen angebliche Parallelen zwischen dem letzten Roman von Cervantes und den Comentarios reales des Inca Garcilaso de la Vega. Doch auch dieser durchaus vorstellbare Einfluß der Schrift des Garcilaso auf den Persiles ist in der Forschung umstritten und konnte bisher nicht schlüssig nachgewiesen und begründet werden . Obwohl ein direkter Einfluß amerikanischer Rea1

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Vgl. Augustin Redondo, "Tradición camevalesca y creación literaria del personaje de Sancho Panza al episodio de la ínsula Barataría en el 'Quijote'". Bulletin hispanique 80,1 (1978):39-70. Vgl. Redondo 1978:51. Z u m Aspekt der Utopie im Don Quijote und dem Bezug des Romans zum utopischen Gedankengut der Epoche vgl. José Antonio Maravall, Utopía y contrautopia en el "Quijote", Santiago d e Compostela 1976. Hierzu gehört Diana de Armas Wilson mit ihrem Artikel '"The Matter of America'. Cervantes Romances Inca Garcilaso de la Vega". Vgl. Armas Wilson 1995:234-259. Auch in d e m oben bereits erwähnten Buch von Armas Wilson widmet die Autorin dem Persiles ein Kapitel, wobei auch hier wieder der Mangel an konkreter Textbezogenheit auffällt. Vgl. Armas Wilson 2000:183-208. Einen kurzen Überblick über die Position der Kritik zu der Frage des Einflusses des Inca Garcilaso auf den Persiles bietet Armas Wilson 2000:185-187. Auf mögliche Parallelen zwischen d e m Persiles und La Florida des Inca Garcilaso verweist Celia E. Weller, "La

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litäten auf die Eingangsepisoden des Persiles möglich wäre, so darf hier nicht vergessen werden, daß der "Wilde" und Barbar über eine reichhaltige europäische Tradition verfugt. Zu beachten gilt auch, daß der Autor seine von Barbaren bewohnte Insel exakt lokalisiert: in der Nordsee. Die Figuren der Barbaren und "Wilden" bevölkern die europäische Literatur und Vorstellungswelt seit der Antike, und es bedarf nicht unbedingt zusätzlicher amerikanischer Realitäten, um zu einer adäquaten Darstellung barbarischer Welten zu kommen. Wenngleich natürlich davon auszugehen ist, daß die amerikanische Aktualität der Figur des Barbaren neue Impulse lieferte. Ob nun Cervantes bei seiner Konzeption der Insel Bárbara und ihrer Bewohner vordergründig an amerikanische Ureinwohner dachte oder sich eher durch europäische literarische Traditionen inspirieren ließ, ist wahrscheinlich auch über eine genaue Textanalyse der betreffenden Kapitel nicht feststellbar. Es bleibt jedoch als Tatsache bestehen, daß der Text keine direkten Bezüge zu Amerika enthält, auch wenn die Figur des Barbaren durch die Amerikaberichte eine besondere Aktualität erhielt. Die obigen Beispiele haben deutlich gezeigt, daß Cervantes im Don Quijote und im Persiles Themen und Diskurse aufgreift, die durch die Eroberung Amerikas aktuell diskutiert wurden, ohne jedoch explizit amerikanische Belange zu behandeln. Die Episoden verbleiben im allgemeinen und entziehen sich zum Teil einer exakten Lokalisierung. Letztendlich entscheidet der Rezipient, ob er indirekte Bezüge zu Amerika vermuten möchte oder nicht.

2. Vicente Espinels Marcos de Obregön Wie die bisherigen Ausfuhrungen gezeigt haben, gehorchen die in die spanische fiktionale Literatur integrierten Themen um Amerika durchaus realistischen Vorgaben. Trotz einer weitgehenden Unkenntnis der Autoren sind die indianischen Figuren und ihr Ambiente auf der Bühne, im Gedicht, in Roman und Novelle wahrscheinlich und nicht phantastisch gezeichnet. Lediglich Tirso de Molina schuf mit seinen Amazonen der Realität enthobene Figuren für die Bühne. Das Theater und die übrige spanische Literatur der Epoche haben die Möglichkeiten nicht genutzt, die Amerika für das Schaffen phantastischer literarischer Gestalten geboten hätte 1 . Der Mythos, unerläßlich bei der Wahrnehmung der neu entdeckten Realitäten, bei der Verarbeitung des neu Gesehenen und der Sinnbildung, fand in seiner neuen Form nicht den Weg zurück in die fiktionale Literatur. Die narrative Ausnahme hierzu liefert Vicente Espinel in seinem Schelmenroman Vida de Marcos de Obregön aus dem Jahr 16182, allerdings beschränkt auf eine

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Florida del Inca Garcilaso de la Vega como hermana ideológica y uno de los puentes hacia el éxito de Los trabajos de Persiles y Sigismundo, la última obra de Miguel de Cervantes". In: Literatura Hispánica. Reyes Católicos y Descubrimiento. Actas del Congreso Internacional sobre literatura hispánica en la época de los Reyes Católicos y el Descubrimiento. Hg.v. Manuel Criado de Val (Barcelona 1989), 476-483. Wobei das Theater des Siglo de Oro, im Gegensatz zur Romanproduktion, nicht der geeignete Ort zur Etablierung phantastischer Wesen war. Aufgrund struktureller Unterschiede und einer vom gängigen Typus abweichenden Konzeption des picaro ist die Gattungszugehörigkeit des Romans umstritten, der als Abenteuerroman mit autobiographischen Zügen gilt. Vgl. Maria Soledad Carrasco Urgoiti, "Mar-

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Prosa

eingeschobene Erzählung der Kapitel 19 bis 23 des dritten Teils 1 . Dort erzählt der Arzt Sagredo, früherer Herr des Protagonisten, den dieser zufällig als Gefangener einer Räuberbande wiedertrifft, von seinen Abenteuern als Teilnehmer an einer Expedition nach Amerika. Der Beginn der Erzählung verfugt über einen durchaus realistischen Hintergrund. 1581 lief von Sanlúcar in Spanien eine Flotte aus, deren ca. 4000 Teilnehmer unter königlicher Regie das Land um die Jahrzehnte zuvor entdeckte Meerenge von Magellan besiedeln wollten 2 . Ein Sturm zwang die Expedition zur Überwinterung in Cádiz, von wo aus sie dann die Küste Brasiliens erreichte. Bis hierhin erfolgt der Bericht des Arztes gemäß den historiographischen Vorlagen weitaus glaubwürdig. Eine erste phantastische Einlage ist der Kanrof eines Mestizen mit einem Seeungeheuer, in dessen Folge beide getötet werden . Neben einer Riesenschlange erscheinen in der Meerenge von Magellan auch Pygmäen: [...] había unos hombrecitos pequeños de estatura - porque en la otra son altísimos y membrudos - , que casi las aves se señoreaban de la tierra de manera que los hombrecitos huían dellas (Espinel 1972:11,245).

Schließlich gelangt ein Teil der Expedition, darunter der Erzähler Sagredo, zu einer Insel, die von Riesen bewohnt wird. Diese ähneln ihrem Idol, das riesengroß am Eingang der Insel steht: [...] dos pies tan grandes como lo había menester la arquitectura del cuerpo; tenía un solo brazo que le salía de ambos hombros y éste tan largo que le pasaba de la rodilla gran trecho; [...] la cabeza proporcionada con lo demás, con sólo un ojo, de cuyo párpado bajo le salía la nariz con sola una ventana; una oreja sola, y ésa en el colodrillo; tenía la boca abierta con dos dientes muy agudos que parecía amenazar con ellos; una barba salida hacia fuera con cerdas muy gruesas; cabello poco y descompuesto (Espinel 1972:11,249/250).

Mit dieser Beschreibung nimmt Vicente Espinel einen Mythos auf, der Eingang in die Wahrnehmung Amerikas und die Berichterstattung fand. Riesen, mythologische Gestalten aus Antike und Mittelalter, wurden an vielen Stellen Amerikas "gesichtet" 4 . Sie sind ein fester Bestandteil der Ritterbücher, die die Wahrnehmung der Conquistadores nachhaltig beeinflußten. Besondere Berühmtheit erlangten die großfußigen Riesen von Patagonien. Antonio Pigafetta, Chronist der Expedition von Magellan, berichtete als erster von den großen Menschen im extremen Süden Amerikas 5 , den die Eroberer nach Patagón, einem Riesen aus dem 1512 erschienenen Rít-

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eos de Obregón y el género picaresco". In: Vicente Espinel, Vida del escudero Marcos de Obregón I. Hg.v. María Soledad Carrasco Urgoiti (Madrid 1972), 41-45. Vgl. auch A. Anthony Heathcote, Vicente Espinel (Boston 1977), 61-65. Vgl. Vicente Espinel, Vida del escudero Marcos de Obregón II. Hg.v. María Soledad Carrasco Urgoiti (Madrid 1972), 240-269. Zum historischen Hintergrund der Erzählung Sagredos vgl. Pedro 1954:117-123. Vgl. Espinel 1972:11,242. Einen guten Überblick liefert hier wieder Gandia 1946:32-44. Er fuhrt die Adaptation des Mythos in Amerika auf drei Einflußbereiche zurück: Antike und Mittelalter, diesbezügliche präkolumbianische Mythen Amerikas und prähistorische Knochenfunde von Tieren, die falsch interpretiert wurden. Vgl. Gandia 1946:37. "Un día en que menos lo esperábamos se nos presentó un hombre de estatura gigantesca [...] Este hombre era tan alto que con la cabeza apenas le llegábamos a la cintura".

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terroman El Primaleón, benannten. Und auch Sarmiento de Gamboa, eine der führenden Personen der Expedition, auf die Espinel in seinem Roman Bezug nimmt, "dijo haber visto gigantes en la 'isla de la Gente', próxima a la Bahía de San Simón" (Gandía 1929:30)". Bei den Riesen aus Espinéis Marcos de Obregón handelt es sich um "gente sencilla" (Espinel 1972:11,253), "llena de pieles de animales y de plumas de muchos colores" (261), die die Sonne anbeten. Ihre Tänze sind unbeholfen, ihre Musik melancholisch und laut 2 . Es fehlt auch nicht der Hinweis auf eventuelle Menschenopfer 3 . Trotzdem leben auch diese einfachen Giganten in einer hierarchischen Gesellschaft mit Gouverneur und König, verfugen sogar über ein einfaches Schriftsystem 4 . Die physische Überlegenheit der Riesen kann jedoch nichts ausrichten gegen die Klugheit der Spanier. Sagredo und seine Mitstreiter besiegen die Bewohner der Insel militärisch, so daß diese sich ergeben und es zum friedlichen Dialog kommt 5 . Werden die einfachen Bewohner der Insel als grob und wenig klug geschildert, kann man den Herrschern eine gewisse natürliche Intelligenz nicht absprechen. Sie zeigt sich beim Gouverneur, wenn er drei Fragen an die Spanier richtet 6 , verstärkt jedoch in der programmatischen Schrift des Königs, mit der dieser den Spaniern den weiteren Zugang zur Insel verwehrt 7 : [...] que no podía haber buena amistad con gente de diversas costumbres para vivir en paz; y que habiéndose de administrar justicia con igualdad, habíamos de ser tan favorecidos como los naturales, y luego entrarían las enemistades a inquietar la paz (Espinel 1972:11,266/267).

Diese Aussagen verweisen auf die in Spanien heftig geführte Diskussion über die legitimatorischen Grundlagen von Eroberungen, die zwar mit dem Disput zwischen las Casas und Sepúlveda 1550 offiziell als beendet galt, jedoch offensichtlich nach wie vor die intellektuellen Kreise beschäftigte. Die Antwort der Spanier auf die drei Fragen des Gouverneurs nennt Argumente zur Legitimation der Conquista: [...] no éramos hijos de la mar, sino del Dios verdadero, superior al suyo; y como tal los había castigado, porque, viniendo maltratados del mar a pedilles hospedaje, nos habían querido matar. A lo demás respondimos que la grandeza no consiste en la altura del cuerpo, sino en la virtud y valor del ánimo, y con él osamos entrar en su tierra y pasar todos las aguas del furioso mar; y que los hijos del Dios fabricador del cielo y de la tierra no temían los peligros que les podían suceder de las manos de los hombres [...] (Espinel 1972:11,262).

Die Spanier verdanken demnach ihre Überlegenheit dem "wahren" Glauben an den richtigen Gott.

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Antonio Pigafetta, Primer viaje alrededor del globo. Übersetzung ins Spanische von José Toribio Medina. Hg.v. Virgilio Ortega (Barcelona 1986), 47. Viele Reisende und Entdecker behaupteten, Riesen in Patagonien gesehen zu haben. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts sollte eine Expedition dieser Legende ein Ende bereiten. Vgl. Pedro 1954:126/127; Gandia 1929:30. Vgl. Espinel 1972:11,252. Vgl. Espinel 1972:11,253. Vgl. Espinel 1972:11,263,266. Vgl. Espinel 1972:11,261/262. "[...] si éramos hijos de la mar; y, si lo éramos, cómo éramos tan pequeños; y siendo tan pequeños, cómo habíamos osado entrar entre gente tan grande como la suya" (Espinel 1972:11,262). Die beiden Herrscher tragen ansatzweise Züge des "edlen" - weisen - "Wilden".

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IV. Amerika in derßklionalen Prosa

Überraschend ist jedoch die Schrift des Königs der Riesen. Hier fordert ein Ureinwohner Amerikas das Recht auf Selbstbestimmung, und es wird ihm gewährt. Zwar wird das Idol zerstört, die Riesen infolgedessen in ihrem Glauben stark verunsichert, und die Spanier rauben den Einheimischen ihre Lebensmittel Vorräte; es erfolgt jedoch keine Missionierung, keine Eroberung und Landnahme. Ob die Spanier den Beschluß des Königs aus militärischen Vernunftgründen oder aus echter Einsicht akzeptieren, bleibt unklar. Auf jeden Fall geht die Forderung des RiesenKönigs über las Casas weit hinaus, greift vielmehr Vitorias theoretische Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht der Völker auf. Was Vitoria jedoch noch rein theoretisch formulierte, um es sogleich wieder einzuschränken 1 , wird von Espinel radikal präsentiert, wobei er für die unentschieden gebliebene Debatte des 16. Jahrhunderts eine klare Antwort parat hält. Er spricht sich mit dieser Episode eindeutig gegen die spanische Eroberungspolitik aus und schafft damit eine Alternative zur realen Historie. Und dies zu einer Zeit, als sich die Thesen Sepülvedas durchgesetzt zu haben schienen und die Zensur kritische Äußerungen zu amerikanischen Themen nahezu unmöglich machte. Wie Wolfgang Bader richtig feststellt, ist Espinel mit dieser Episode seiner Zeit weit voraus, ist die Erzählung Sagredos ein sehr frühes literarisches Beispiel für eine Problematik, die erst das 18. Jahrhundert verallgemeinem sollte [...], w o die beiden Blickrichtungen unseres Berichtes weiterverfolgt wurden: die ungenierte koloniale Beutezug-Mentalität ebenso wie das Parteiergreifen im Namen eines friedlichen und harmonischen Naturzustandes (Bader 1983:140/141).

Das Fragment in Espinels Schelmenroman schafft ein durch und durch phantastisches Ambiente, das historiographische Berichte mit mythologischen 2 und Märchenelementen 3 amalgamiert. Gleichzeitig erscheint jedoch auch diese Episode über Amerika nicht losgelöst von der historischen Thematik. Im Gegenteil, wie Bader feststellt: In zeitlich und inhaltlich geraffter sowie verfremdeter Form gibt der Reisebericht des Doktor Sagredo die wesentlichsten Elemente der Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt wieder: die Risiken und unverhofften Umstände der Seefahrt, die Entdeckung unter dem Horizont der Mythenbildung, die eigene technische und militärische Überlegenheit, die Zerstörung der religiösen Einrichtungen, die materielle Beraubung der Eingeborenen und die ideologische Rechtfertigung des Prozesses (1983:140).

Angesichts der verschärften Zensurmaßnahmen gegenüber Äußerungen über amerikanische Themen während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die auch im 17. Jahrhundert noch griffen, liegt die Vermutung nahe, daß der Autor bewußt einen phantastischen Rahmen für seine historisch relevanten und politisch unbequemen Aussagen wählte. Die Erzählung ist Amerika weitgehend enthoben, eine verzauberte Insel bot offensichtlich ausreichend Schutz für brisante politische Themen. Gleichzeitig erlaubt die Episode um die Abenteuer des Arztes Sagredo einen Einblick in die Möglichkeiten, die eine phantastische Figurengestaltung geboten hätte und die der spanische Roman der Epoche nicht nutzen konnte bzw. wollte. 1 2 3

Vgl. hierzu Fisch 1984:213-222. Die Episode erinnert sehr an die Abenteuer des Odysseus auf der Insel der Zyklopen. Vgl. Maria Soledad Carrasco Urgoiti in Espinel 1972:11,250. An typischen Märchenelementen wären neben den Riesen und Zwergen die Höhle, die Knochenleiter, das Schlaraffenland, die Listen usw. zu nennen.

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Roman

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V. Zu den Funktionen der Texte Verschiedentlich war im Verlauf dieser Studie von der Zweckgerichtetheit der einzelnen Diskurse die Rede, wovon auch die Texte der rein fiktionalen Literatur nicht ausgenommen werden. Zwar obliegt gerade ihnen ein besonderer Unterhaltungscharaktcr, doch nur selten erschöpft sich darin die Funktion des entsprechenden Werks. Da die Funktionsweise von Literatur sich aus dem Text und dem Genre, aber auch aus dem gesellschaftlichen Kontext von Werk und Autor erschließt, gilt es hier zu beachten, daß die Autoren des Siglo de Oro auf besondere Weise abhängig waren von Hof und/oder Kirche. Eine rigide Zensur und staatliche Kontrolle beeinflußten die Literaturproduktion, zumal mit Amerika ein äußerst brisantes Thema vorlag. Diese Rahmenbedingungen sollten auch die Funktionsweisen der vorliegenden fiktionalen Texte bestimmen. Aufgrund der speziellen Produktionssituation der Autoren, die im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht vom Erlös ihrer Werke leben konnten, waren diese auf weitere Geldgeber angewiesen. Da es sich bei einem Teil der Amerika thematisierenden Werke um spezielle Auftragsarbeiten handelt, wird hier als erstes die panegyrische Funktion der fiktionalen Texte untersucht. Diese Funktionsweise, die bereits fiir die Epen der Amerika-Thematik galt, ist für die Literatur der Epoche von herausragender Bedeutung, was von der Forschung bisher jedoch nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Während der Informationswert der literarisch-fiktionalen Gattungen im Unterschied zu Epen, Romanzen und der Historiographie kaum mehr eine Rolle spielt, was zum einen durch die späte Entstehungszeit der meisten hier vorliegenden fiktionalen Texte, vor allem aber durch die speziellen Konditionen der Genres zu erklären ist, rückt aufgrund des dominanten historisch-politischen Charakters der AmerikaTexte - vor allem der comedias - der legitimatorische Aspekt verstärkt in den Vordergrund. Eine Besonderheit stellen die wenigen Texte dar, die eine kritische Position gegenüber der spanischen Amerikapolitik beziehen. Hier gilt es dann verstärkt, die außerliterarischen Mechanismen wie Zensur und sonstige staatliche Kontrolle zu beachten, die auf den Produktionsprozeß der fiktionalen Literatur einwirkten. 1. Die Panegyrik Der Stellenwert der panegyrischen Dichtung1 erschließt sich erst durch eine Gesamtschau auf die damalige Literaturproduktion, deren Schwerpunkt völlig anders gelagert war, als der heute gültige Kanon dies vermuten läßt: [...] lo asombroso no es que grandes poetas como Göngora hayan tenido la debilidad de escribir versos cortesanos o de encargo, sino al contrario que hayan conseguido [...] expresarse tan personalmente y tan totalmente en algunas de sus obras,

stellt Robert Jammes (1987:207/208) fest. In der Forschung wird dieser Aspekt der speziellen Produktionsbedingungen von Literatur der damaligen Zeit jedoch bis heute weitgehend übergangen2. Doch schon Barner hatte auf die Notwendigkeit verwie1 2

Für grundlegende Bemerkungen zum panegyrischen Aspekt in der Literatur des Siglo de Oro vgl. die Ausführungen auf den Seiten 242-244. "Nos negaríamos a comprender al autor [Góngora] y a su obra si olvidásemos estudiar en él esta especie de 'alabanza de Corte' [...]", so Robert Jammes (1987:205), der als einer von wenigen Autoren in seiner Studie über Góngora auch dezidiert auf dessen panegyri-

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V. Zu den Funktionen der Texte

sen, "zum Verständnis der Barockliteratur stärker die Existenz literarischer Zweckformen und überhaupt die Kategorie des Intentionalen zu berücksichtigen" (Neumeister 1978:16/17)'. Bei einem großen Teil der literarischen Werke des Siglo de Oro handelte es sich u m Auftrags- oder Gelegenheitsarbeiten, vornehmlich bei den dramatischen Werken und der Dichtung. So wurde die Mehrzahl der comedias im Auftrag von Schauspieltruppen geschrieben; später dann vergaben der H o f und die Kirche entsprechende Aufträge. Es sind jedoch auch Fälle bekannt, w o Einzelpersonen oder Familien Dramen in Bestellung gaben, mit entsprechenden Anweisungen 2 . Gerade Lope de Vega, der Zeit seines Lebens in adligen Diensten stand bzw. von der Gunst Adliger abhängig war, verfaßte wahrscheinlich mehr Werke als vermutet als Auftragsund Gelegenheitsarbeiten 3 . Darüber hinaus nutzten die von Adel, H o f oder Kirche abhängigen Autoren vor allem die Dichtung, um sich die Gunst ihrer Förderer zu sichern. Ein gutes Beispiel hierfür ist Luis de Göngora, der neben seinen großen bekannten Dichtungen eine beachtliche Anzahl von "poesia de Corte" 4 verfaßte 5 . Auch Gedichte zur amerikanischen Thematik, die in zumeist formelhaften Versatzstücken stereotyp verschiedene Eroberer rühmen und preisen, liegen vor. Da auf diese panegyrischen Lyriktexte oben bereits eingegangen wurde 6 , widmen sich die folgenden Ausfuhrungen den enkomiastischen Aspekten der comedia.

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sches Werk hinweist. Bis heute gibt es keine grundlegenden Arbeiten zum spanischen Mäzenatentum oder zur spanischen Panegyrik im Siglo de Oro. Einen ersten Überblick für das Theater liefert Miguel Zugasti, "Orbitas del poder, encargo literario y drama genealógico en el Siglo de Oro: de Encina a Lope de Vega". In: El drama histórico. Teoría y comentarios. Hg.v. Kurt Spang (Pamplona 1998), 129-157. "[...] denn die Poesie war noch nicht durch die Aura des selbstgenügsamen schönen Spiels von den Niederungen der prosaischen Literatur getrennt. Kein Poet brauchte um sein Ansehen zu bangen, wenn er sich in rhetorischer Zweckprosa versuchte; ja es scheint so, als habe man gerade seinen Stolz daran gesetzt, auch auf diesem Gebiet sein Talent öffentlich (d.h. nicht zuletzt: durch den Druck der Texte) zu beweisen". Wilfried Bamer, Barockrhetorik (Tübingen 1970), 79. Juan Oleza Simó und Teresa Ferrer Valls belegen anhand eines zufällig entdeckten Manuskripts, einer Vorlage zum Verfassen zweier Dramen mit genauen Anweisungen, den konkreten Auftrag an Lope de Vega, zwei Dramen über die duques de Villahermosa zu schreiben. Vgl. Juan Oleza Simó und Teresa Ferrer Valls, "Un encargo para Lope de Vega: comedia genealógica y mecenazgo". In: Golden Age Spanish Literature. Studies in Honour of John Varey by his Colleagues and Pupils. Hg.v. Charles Davis und Alan Deyermond (London 1991), 145-154. Für Beispiele von comedias, denen ein Auftrag zugrunde liegen könnte, vgl. Oleza Simó/ Ferrer Valls 1991:146. Robert Jammes, der sich eingehend dieser Literatur Góngoras annahm, zieht die Begriffe 'poesía de Corte' und 'poesía de encargo' dem allgemeineren 'poesía de circunstancias' vor. Beide Arten von Dichtung unterscheidet er von der 'poesía personal', der persönlichen "freien" Dichtung des Autors. Vgl. Jammes 1987:258. Daß Góngora sich seine Lobgedichte auch bezahlen ließ, weist Dámaso Alonso nach. Der Autor bekam für seine Enkomien auf die marqueses de Ayamonte 300 Dukaten zugesprochen. Vgl. hierzu Alonso 1973:9-23. Vgl. S. 361 -365 dieser Studie.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Bediente sich die Panegyrik der frühen Zeiten vorrangig der epischen und lyrischen Genres, so fand die Laudatio im Siglo de Oro dann auch Eingang in die populärste literarische Gattung des 16. und 17. Jahrhunderts, die comedia'. Hierzu gehören einige Amerika-Dramen, die die Taten spanischer Conquistadores preisen und denen jeweils konkrete Aufträge zugrunde liegen 2 . Ein klarer Fall von "literatura de encargo" ist Tirso de Molinas Pizarro-Trilogie. Seitdem Otis H. Green 1936 erstmalig auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte: The trilogy becomes understandable and acquires meaning when it is assumed that we are dealing with occasional plays, a pageant in three parts prepared by Tirso to commemorate the creation, in 1631, of this title - a revival of the title of Marqués en Indias which Francisco had possessed during his lifetime but which ceased to exist at his death (Green 1936:201/202), wurde sie von verschiedener Seite bestätigt 3 . Tirso de Molina war Vorsteher des Mercedarier-Ordens in Trujillo, der von Francisco Pizarros Tochter Francisca gegründet worden war 4 . Er verfaßte seine Trilogie gerade zu der Zeit, als einer der Nachfahren der Pizarro-Familie, Juan Fernando Pizarro, am Hof ein Gesuch zur Rückgabe des Adelstitels und zur Entschädigung versprochener und nicht erhaltener Güter einreichte. Der Schluß, Tirso habe die Trilogie im Auftrag der Pizarros zur Unterstützung ihrer Forderungen geschrieben, liegt nahe. Der Fall erscheint hinreichend untersucht und dokumentiert 5 . Auch wenn das entsprechende Dokument, das eindeutig beweisen würde, daß Tirso de Molina im Auftrag der Pizarros - wahrscheinlich gegen Bezahlung - die Dramen verfaßt hat, bislang nicht gefunden wurde (bei mündlicher Absprache auch gar nicht gefunden werden kann), bestehen kaum Zweifel über die Verbindung zwischen der Familie des Eroberers, dem Mercedarier-Orden in Trujillo und Tirso de Molina. Die Art der Glorifizierung der spanischen Helden läßt sich nur durch den speziellen Auftrag erklären. Denn es ist sicher kein Zufall, daß Tirso in seiner später verfaßten Historia

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Für Beispiele vgl. Zugasti 1993:15-17. Als einzige comedia, die einen Amerikareisenden glorifiziert und mit ziemlicher Sicherheit nicht auf einen konkreten Auftrag zurückzufuhren ist, dürfte Lope de Vegas El nuevo mundo gelten, in dem Lope Colóns Unternehmen beschreibt. Vgl. z.B. Dellepiane de Martino 1952/53; Zugasti 1992:131; Zugasti 1993:15-20; Miguel Zugasti, "Propaganda y mecenazgo literario: la familia de los Pizarros, Tirso de Molina y Vêlez de Guevara". In: Teatro, historia y sociedad. Seminario Internacional sobre Teatro Español y Novohispano del Siglo de Oro. Hg.v. Carmen Hernández Valcárcel (Murcia 1996), 35-52; Marie Gleeson O Tuathaigh, "Tirso's Pizarro Trilogy: A Case of Sycophancy or Lese-Majesty?" Bulletin of the Comediantes 38,1 (1986):63-82. Gleeson O Tuathaigh, die bei ihrer Analyse der Trilogie das Hauptaugenmerk auf Tirsos Kritik an den höfischen Günstlingen richtet, übersieht m.E., daß es sich bei dieser Konstellation nur um eine Konstruktion zur Erklärung der Taten der Pizarros handelt. Diese "Feinde" sind notwendig zur Glorifizierung der Pizarros und kaum dafür vorgesehen, um Tirso de Molinas Kritik am Adel zu transponieren. Vgl. Gleeson O Tuathaigh 1986:64. Vgl. hierzu auch Luis Vázquez Fernández, Tirso y los Pizarro. Aspectos histórico-documentales, Kassel 1993. Vázquez Fernández untersucht die Beziehung Tirsos zur PizarroFamilie. Der Band enthält darüber hinaus eine Vielzahl von Dokumenten zur Familie der Pizarros und zum Mercedarier-Orden in Trujillo.

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V. Zu den Funktionen

der

Texte

general de la Orden de Nuestra Señora de las Mercedes sich weit weniger positiv über die Perukämpfer ausläßt 1 . Bei weitem nicht so umfassend dokumentiert erweist sich ein anderer Fall von "encargo", der den comedias um die Heldentaten des Eroberers von Chile García Hurtado de Mendoza, marqués de Cañete zugrunde liegt. Der "Fall" des García Hurtado de Mendoza unterscheidet sich wesentlich von dem eben skizzierten um Tirso de Molina und die Pizarros. García Hurtado ist nicht aufgrund seines eigenen kriminellen Handelns bei der Krone in Mißkredit geraten, sondern er wurde das Opfer einer literarischen Rache. Wie oben referiert, geht die wenig vorteilhafte Präsentation des spanischen Chile-Helden in Ercillas Araucana - das als Bestseller eine weite Verbreitung erfuhr - zwar vorrangig auf strukturelle Vorgaben zurtick, liegt aber zumindest zu einem Teil auch in der Ranküne begründet, die der Autor gegen García Hurtado hegte, da dieser Ercilla zu Unrecht und vorschnell wegen einer Lappalie zum Tode verurteilt hatte. Die kaum schmeichelhafte Präsentation des Conquistadors adliger Abstammung, der sich ganz offensichtlich in seiner Ehre verletzt fühlte, brachte seine einflußreiche Familie auf den Plan, die in den folgenden sechzig Jahren eine Reihe von panegyrischen Texten verschiedenster Art initiierte2. Auf die Crónica del Reino de Chile von Pedro Mariño de Lobera und Bartolomé de Escobar, "primer panegirista de don García" (Martínez Chacón 1980/81:233), folgte 1596 Pedro de Oñas Epos Arauco domado und 1613 der historiographische Prosatext von Cristóbal Suárez de Figueroa, Hechos de D. García Hurtado de Mendoza, cuarto Marqués de Cañete. Auch comedias zählten zu den Auftragsarbeiten, die die Familie Hurtado de Mendoza an namhafte Dramaturgen vergab: Als Laudatio auf den Helden Garcia Hurtado, dem Ercilla eine heroenhafte Darstellung vorenthielt, erschienen Algunas hazañas von Belmonte Bermúdez und acht weiteren "ingenios", Gaspar de Avilas El gobernador prudente und Lope de Vegas Arauco domado3. Auch wenn es letztend1 2

Für Beispiele vgl. Zugasti 1993:18-20; Vázquez Fernández 1993:105-109. "Don García Hurtado de Mendoza [...] debe haber comenzado a sufrir un 'complejo de frustración' tan enorme, que él y su familia, fueron, durante medio siglo, mecenas y estímulo de comedias, crónicas, historias, poemas épicos y poemas menores que pretendieron dar respuesta a Ercilla". Elena Martínez Chacón, "'Arauco domado', Lope de Vega y Ercilla. Motivación de venganza y panegírico". Revista chilena de literatura 16/17 (1980/81 ):233. Der Artikel von Martínez Chacón ist nicht nur langatmig und wenig stringent, sondern auch fehlerhaft und schlecht recherchiert.

3

Die Datierung der einzelnen comedias (und somit Reihenfolge und Beeinflussung) ist umstritten. Während das Werk der "nueve ingenios" 1622 aufgeführt und publiziert wurde, erschien Avilas comedia erst 1663. Da diese sich sehr an d e m Text von Suárez de Figueroa orientiert, vermutet V e g a García-Luengos, daß sie ca. 1614 verfaßt wurde. Vgl. V e g a García-Luengos 1991:204. Vgl. auch Medina 1915:7. Unklar ist der Zeitpunkt des Abfassens von Lopes Arauco domado, das 1625 erstmalig publiziert wurde. Ein "afán de situar la obra de Lope en el broche de la sarta de comedias sobre D. García, c o m o punto culminante y vencedor de la misma" (Vega García-Luengos 1991:202) führte dazu, daß viele der Kritiker von einem späten Zeitpunkt ausgingen. Morley/Bruerton allerdings datieren Arauco domado auf 1598-1603, dem sich V e g a García-Luengos anschließt. Vgl. S. Griswold Morley und Courtney Bruerton, Cronología de las comedias de Lope de Vega, con un examen de las atribuciones dudosas, basado todo ello en un estudio de su versificación estrófica. Spanische Übersetzung (Madrid 1968), 282-285; V e g a García-Luengos

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

389

lieh keinen endgültigen (schriftlichen) Beweis für die konkreten Aufträge gibt, sprechen die Indizien dafür, vor allem im Fall der "nueve ingenios". Luis de Belmonte Bermúdez, Initiator und einer der neun Autoren von Algunas hazañas, war befreundet mit Juan Andrés Hurtado de Mendoza, dem Sohn des umstrittenen García Hurtado, den er vermutlich 1604/1605 in Lima traf 1 . Mehr noch als diese äußeren Umstände, die zudem nicht eindeutig erwiesen zu sein scheinen, spricht der Text selbst eine unmißverständlich panegyrische Sprache. Es handelt sich hierbei weniger um die Dramatisierung historischer Ereignisse in Arauco als um eine Abfolge von Lobgesängen in Variationen auf den spanischen Helden García Hurtado. Auch die Aufführungen der comedia in der Zeit von Oktober 1622 bis Februar 1623 im königlichen Palast weisen in diese Richtung. Es scheint sich um besonders prunkvolle Präsentationen gehandelt zu haben, an denen zwei Schauspieltruppen beteiligt waren 2 , was für die Zeit offensichtlich ungewöhnlich war. Gleiches gilt auch für die Textedition von 1622 3 . Die Vermutung, daß das gesamte Projekt um Belmonte Bermúdez und die anderen, zur damaligen Zeit ebenfalls namhaf:en Autoren auf die Initiative und einen konkreten Auftrag von seiten Juan Andrés Hurtado de Mendozas zurückgeht, der im übrigen auch sonst als Freund des Theaters auftrat 4 , liegt nahe. Von Gaspar de Avila ist nur bekannt, daß er als Sekretär in den Diensten der Marquesa del Valle Mencía de la Cerda stand, einer Nachfahrin von Hernán Cortés 5 , wodurch eher der panegyrische Charakter seiner anderen comedia zur amerikanischen Thematik, El valeroso español y primero de su casa, erklärt scheint 6 . Ein Auf-

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1991:202/203. Ausführlich geht Shannon auf die Datierungsfrage ein und kommt zu dem Schluß, daß Lope seine comedia zwischen 1607 und 1609 verfaßte. Ausschlaggebend erscheint ihm, daß das Werk von Suárez de Figueroa offensichtlich keinen Einfluß auf Looes Konzeption hatte. Außerdem orientiert sich Shannon streng an den Listen der Stücke, Jie Lope selbst in den beiden Ausgaben seines Romans El peregrino en su patria von 1604 und 1618 anführt. Dies erscheint jcdoch fragwürdig, da davon auszugehen ist, daß Lope nicht alle Dramen nennt bzw. auch Titel angibt, die erst geplant sind. Vgl. Shannon 1989:98-107. Vgl. Margarita Peña, "Las relaciones literarias de Belmonte Bermúdez y Ruiz de Alarcón a la luz de una comedia de tema épico". In: Homenaje a Hans Flasche. Festschrift zum SO. Geburtstag am 25. November 1991. Hg.v. Karl-Hermann Körner und Günther Zimmermann (Stuttgart 1991), 364. rür die Aufführung vgl. Norman David Shergold/ John E. Varey, "Some Palace Performances of Seventeenth-Century Plays". Bulletin of Hispanic Studies 40,4 (1963):240; John E. Varey/ Norman David Shergold, Comedias en Madrid: 1603-1709. Repertorio y estudio bibliográfico (London 1989), 128. "El afán de esplendor también preside su encarnación en los escenarios y en las prensas, - a s condiciones en que el producto circula por ambos canales se salen de lo común" i Vega García-Luengos 1991:204). Vgl. Vega García-Luengos 1991:204. Vgl. hierzu Medina 1915:2. Zum Hintergrund der Dramen über Hernán Cortés und der Frage, ob auch sie auf konkrete Aufträge zurückgehen, ist nichts bekannt. Da diese comedias jedoch, ähnlich wie die über die Pizarras, sehr darum bemüht sind, den spanischen Eroberer positiv darzustellen und die realen Vorwürfe gegen ihn zu entkräften, ist von einer panegyrischen Intention, die auf einem entsprechenden Auftrag basiert, auszugehen.

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V. Zu den Funktionen der Texte

trag der Familie Hurtado de Mendoza ist nicht erwiesen, aber durchaus möglich. Eindeutige Züge eines panegyrischen Œuvres weist Lope de Vegas Arauco domado auf, das jedoch auf eigenwillige Art mißglückt scheint. Lope de Vega diente in den Jahren 1598 bis 1600 dem Marqués de Sarriá (dem späteren Conde de Lemos) als Privatsekretär. Dieser war ein Schwager von Garcia Hurtado. Dessen Sohn wiederum, der bereits erwähnte Juan Andrés Hurtado de Mendoza, war Pate des Sohnes Lope de Vegas mit Micaela de Luján, der am 7. Februar 1607 getauft wurde 1 . Lope de Vega widmet Arauco domado Juan Andrés, was als weiteres Indiz für einen Auftrag der Familie Hurtado de Mendoza gelten kann. Die Laudatio Lope de Vegas auf García Hurtado in Arauco domado ist traditionell. Über das Werk verstreut finden sich Passagen, in denen verschiedene Figuren der comedia, auch indianische, den Chile-Kämpfer lobpreisen. García Hurtado ist loyal, gottesgläubig, mutig, ehrenhaft, bescheiden, klug und mitfühlend. Das Lob kennt allerdings nicht den Überschwang der "nueve ingenios". Und bei genauer Betrachtung fallen Szenen auf, die die Glorie García Hurtados beeinträchtigen. So z.B. während des Kampfes der Spanier gegen die Indianer im ersten Akt, wo ein Steinschlag des Gegners García Hurtado ohnmächtig niedersinken läßt. Als der spanische Held wenig später den gracioso Rebolledo zweimal schlafend auf Wache vorfindet, möchte er ihn hängen lassen und ist nur durch Intervention seines Bruders davon abzubringen. García Hurtado ist es, der den Befehl erteilt, Galvarino die Hände abzuhacken. Und er ist - im Gegensatz zu den anderen comedias nämlicher Thematik - für Caupolicáns Tod verantwortlich 2 . Was aber letztlich ausschlaggebend ist für die ambivalent anmutende Präsentation des spanischen Conquistadors, ist der Kontrast zu den Indianern 3 , vor allem zu Caupolicán, dem eigentlichen Helden von Arauco domado. Die tragische Figur, die sich von anderen zu den Angriffen auf die Spanier drängen läßt, nähert sich dem Konzept des "edlen Wilden". Der Höhepunkt der comedia ist die vorletzte Szene, wo Caupolicán nach seiner Gefangennahme, Verurteilung, nach Folterungen gepfählt seine letzten Worte in Sonettform spricht. In einer ergreifenden Rede entschuldigt er sich bei Gott für seine späte Einsicht 4 , wobei sich die Analogie zu Jesus am Kreuz aufdrängt. Und verantwortlich für diesen Tod in der comedia ist García Hurtado. Während bei Tirso de Molina der Spanier Pizarra Züge des Erlösers trägt, ist es in Lopes Konzeption der hingerichtete Araukaner. Der spanische Conquistador dagegen ist sein Henker. Es mag müßig sein, darüber zu spekulieren, ob Lope de Vega diese Charakterkonstellation bewußt so angelegt hat oder ob sich diese eher unfreiwillig ergab. Fest 1

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Für diese Beziehungen vgl. Shannon 1989:104-106. Vgl. auch Vega García-Luengos 1991:202/203, der allerdings das Jahr der Taufe irrtümlicherweise mit 1602 angibt. Vgl. Americo Castro/ Hugo A. Rennert, Vida de Lope de Vega (Salamanca 1968), 102/103. Bei Ercilla ist es der Spanier Reinoso, der Caupolicán zum Tode verurteilt. Sowohl Avila als auch Belmonte Bermúdez u.a. folgen hier der Vorlage Ercillas. "A pesar de todos sus esfuerzos, en Lope se escapa del primer plano este Hurtado para que quede en el oído del público la melodía rica en viejos sonidos populares de algún baile indio, la voz agónica de un Caupolicán moribundo, la vibrante palabra de arrogancia de romance tradicional con que Galvarino rechaza, amenaza, impulsa..." (Martínez Chacón 1980/81:249/250). Vgl. Lope de Vega 1969:287.

D. Amerika

als Fiktion: Drama,

Lyrik und

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steht jedoch, daß der Dramaturg seinen Auftrag nur zum Teil erfüllte. Die heiklen Szenen um die Figur García Hurtados, mehr noch die großartige Präsentation des araukanischen Helden fuhren dazu, daß sich Arauco domado, was die Konzeption der Figuren betrifft, der Ambivalenz Ercillas nähert.

2. Legitimatorische Tendenzen in den comedias der amerikanischen Thematik In den dramatischen Ausgestaltungen des Amerika-Stoffes schwingt die Frage nach der Rechtmäßigkeit des spanischen Vorgehens in Amerika immer mit', in verschiedener Intensität, durch ein direktes Verhandeln einzelner Personen im Drama oder was für die Mehrzahl der comedias gilt - durch die gesamte Anlage und Struktur der einzelnen Theaterstücke. Auf verschiedene Weise wird so die spanische Expansionspolitik in Amerika legitimiert. Es scheint fast, als wäre es den Autoren, die sich des Amerika-Stoffs für ihre Dramen annahmen, unmöglich gewesen, keine direkte politische Stellungnahme mit dieser Thematik zu verbinden. Nachdem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Spanien eine offene und kontroverse Debatte um die spanischen Herrschaftsansprüche und das Vorgehen der Spanier in den Kolonien geführt worden war, setzte sich nach 1550 eine staatlich verordnete Position durch, die die Inferiorität der amerikanischen Ureinwohner festschrieb und somit die spanische Eroberungspolitik legitimierte. Nach einem ebenfalls von der Krone verordneten 50jährigen Schweigen zu Amerika, das den Informationsfluß erheblich behinderte, galt im 17. Jahrhundert, in dem nahezu alle hier behandelten comedias verfaßt wurden, ausschließlich die offizielle Position und deren Version der Geschehnisse. Hinzu kamen die gegen Spanien gerichteten Vorwürfe der leyenda negra, die Spanien - und ganz offensichtlich auch seine Schriftsteller - in eine Verteidigungsposition drängten: Merecida o no, la mala fama de la conquista y colonización de América forzaba a los dramaturgos a adoptar una posición defensiva ante la opinión extranjera y aun ante la opinión española (Dille 1988:496).

Ein Geflecht aus gesteuerter Information, Zensurmaßnahmen, machtpolitischen Anforderungen und religiöser Überzeugung verhinderte es, daß sich die Autoren dieser Thematik auf andere Weise näherten. Daß gerade die comedia zum kulturellen Hauptträger der Legitimation spanischer Machtpolitik werden sollte, liegt zudem in den speziellen gesellschaftlichen Funktionen begründet, die das spanische Theater des Siglo de Oro zu erfüllen hatte. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem vulgo zu, den einfachen Leuten, die nicht nur zum Bühnenpersonal der comedia gehörten, sondern auch einen bedeutenden Teil des Publikums ausmachten 2 . Diese "egalisierende Personenkonstellation" 1 änderte

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S o äußert sich z.B. Christopher Laferl über die Autoren von Amerika-Dramen: "[...] todos los autores tienen algo en común: la cuestión de la justificación de la conquista" (1992a: 261). Lope de V e g a forderte in seiner 1609 veröffentlichten programmatischen Schrift Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo eine Orientierung am Geschmack des vulgo: "Y escriuo por el arte que inuentaron/ Los que el vulgar aplauso prete[n]diero[n],/ Porq[ue], c o m o las paga el vulgo, es justo/ Hablarle en necio para darle gusto". Lope de Vega, Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo. Hg.v. Juana de José Prades (Madrid 1971), 285.

392

V. Zu den Funktionen der Texte

jedoch nichts an festgeschriebenen Hierarchien: "Das von Gott gesetzte Ordnungsgefüge bleibt für das Theater des Siglo de Oro starr, und der Gedanke, daß man es ändern könnte, bleibt allen Autoren fremd" (Müller 1977:18). Dabei ragt ein integratives Moment heraus und wird zu einem der bestimmenden Wesenszüge der comedia. Gemeinsam gelten für alle auf der Bühne präsentierten Stände eine "Reihe von Wertvorstellungen, die in der 'comedia' propagiert werden" (Hayer 1983:46). Diese Wertvorstellungen, bestimmt durch den Glauben an die Monarchie, die spanische Nation und die katholische Religion, entsprechen der herrschenden Sinnwelt des Adels 2 . Somit wird das einfache Volk in das System mit einbezogen, gleichzeitig innerhalb desselben jedoch in seine Schranken verwiesen 3 . Es partizipiert am herrschenden Weltbild und wird in dessen Inhalten unterwiesen, das ihm aber eine Position am Rande, als Statist zuschreibt. José Antonio Maravall verweist in mehreren seiner Schriften auf den Propagandacharakter der Barockkultur, speziell des Theaters: Dicho en términos modernos, pero que estimamos se ajustan bien al caso, el teatro español, sobre todo después de la revolución lopesca, aparece como manifestación de una gran campaña de propaganda social, destinada a difundir y fortalecer una sociedad determinada, en su complejo de intereses y valores y en la imagen de los hombres y del mundo que de ella deriva (1990:13).

Auch wenn Maravalls soziologische Analyse wichtige Erkenntnisse liefert und die damalige Theaterproduktion integriert in ein gesamtgesellschaftliches Konzept, so kommt die dezidierte Hervorhebung des Propagandacharakters doch einer Reduzierung der Funktionsweisen der comedias gleich. Hier wird mit einer allzu modernen Begrifflichkeit das überaus komplexe Phänomen der damaligen Zeit nicht erfaßt. Der Begriff der Propaganda impliziert eine Intentionalität, wie wir sie aus dem 20. Jahrhundert kennen und wie sie zur Zeit des Siglo de Oro so sicher nicht gegeben war. Nicht vergessen werden darf hier der Aspekt der Unterhaltung 4 , eine bedeutende Funktion der comedias, sowie der Wille der Autoren zum Erfolg, der zu einer rigiden Orientierung am Publikumsgeschmack führte 5 .

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5

Zu der Schrift Lope de Vegas vgl. auch Andreas Eglseder, Der Arte Nuevo von Lope de Vega. Theaterwissenschaftliche Erschließung eines "der am häufigsten mißverstandenen Texte der spanischen Literatur", Frankfurt a.M. u.a. 1998. Hans-Joachim Müller, Das spanische Theater im 17. Jahrhundert (Berlin 1977), 12. Zum Begriff der Sinnwelt vgl. Peter L. Berger/ Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie (Frankfurt a.M. 1969), 102 ff. "[...] no se puede hablar de que el teatro español sea un arte popular más que en el sentido de que se destina al pueblo, pero no en el de que sea un arte hecho por el pueblo, y mucho menos - y en esto está lo importante - en el de que sea un arte que se oriente en los intereses del pueblo". José Antonio Maravall, Teatro y literatura en la sociedad barroca. Korrigierte und erweiterte Fassung. Hg.v. Francisco Abad (Barcelona 1990), 18. "Das Theater verdankt seine enorme Popularität seinen Unterhaltungskünstcn und seiner aktuellen Thematik, wobei es den Zuschauer unter Aufwendung aller technischen Mittel durch spannendes Spiel zu fesseln sucht, um ihn dann im Sinne der zeitgenössischen Vorstellungen zu belehren" (Müller 1977:150). Darauf verweist Sebastian Neumeister, "Die Differenzierung des Publikums im Theater des Siglo de Oro und die Interpretation der comedia. Ein rezeptionsgeschichtlichcr Bei-

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als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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G l e i c h z e i t i g darf und soll der comedia ihr i d e o l o g i s c h e r und sinnstiftender Gehalt nicht a b g e s p r o c h e n werden'. D i e Dramenproduktion des Siglo de Oro ist k o n f o r m i stisch 2 , w o b e i die politische W e l t a n s c h a u u n g n o c h dominiert wird v o n der h e i l s g e s c h i c h t l i c h e n Einbindung: In allen Phasen seiner Entwicklung steht jedoch am tiefsten Grund des spanischen Theaters die unverrückbare Wahrheit der christlichen Welt- und Heilsordnung, was dazu fuhrt, daß die irdische Wirklichkeit im Sinne eines 'Welttheaters' immer nur sub specie aelernilaiis dargestellt wird (Müller 1977:153). A l l e r d i n g s ist es der comedia auch m ö g l i c h , Kritik an g e s e l l s c h a f t l i c h e n Mißständ e n z u z u l a s s e n , w o b e i auch hier integrativ a u s s c h l i e ß e n d verfahren wird: D i e Kritik wird innerhalb der comedia thematisiert, durch die G e s a m t a n l a g e d e s D r a m a s j e d o c h wird der Mißstand erklärt, relativiert und seiner B e d e u t u n g enthoben, d.h. seiner g e s e l l s c h a f t l i c h e n Relevanz 3 . Zumeist erfährt der h e r k ö m m l i c h e Standpunkt dadurch e i n e zusätzliche Festigung. Eine Literatur, die auf diese W e i s e s y s t e m k o n f o r m verfährt 4 , der es neben der Ver-

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trag zur Kritik der Ideologiekritik". In: Bildung und Ausbildung in der Romania III. Hg.v. Rolf Kloepfer (München 1979), 66-81. Geeigneter als der Begriff der Propaganda erscheint hier der der Ideologie. Eine Literatur, die "Verkündigung und Lob des unantastbaren göttlichen und weltlichen Ordnungsgefüges" (Müller 1977:148) ist, ist in jedem Falle ideologisch. Eine ausgezeichnete Definition des durchaus umstrittenen und oft genug mißverstandenen Begriffs liefert Hannah Arendt: "Die Idee der Ideologie ist [...] ein Instrument, mit dessen Hilfe Prozesse und Ereignisse berechnet werden können. Zu diesem Instrument wird die Idee durch die ihr innewohnende Logik, durch einen Prozeß, der aus der Idee selbst folgt und der unabhängig ist von allen äußeren Faktoren [...] Ideologisches Denken ist, hat es einmal seine Prämisse, seinen Ausgangspunkt, statuiert, prinzipiell von Erfahrungen unbeeinflußbar und von der Wirklichkeit unbelehrbar". Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft (München, Zürich 2 1991 ), 718-720. Vgl. auch den Ideologiebegriff von Peter Zima: "Die Ideologie ist ein diskursives, mit einem bestimmten Soziolekt identifizierbares Partialsystem, das von der semantischen Dichotomie und den ihr entsprechenden narrativen Verfahren (Held/Widersacher) beherrscht wird und dessen Aussagesubjekt entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, seine semantischen und syntaktischen Verfahren zu reflektieren und zum Gegenstand eines offenen Dialogs zu machen. Statt dessen stellt es seinen Diskurs und seinen Soziolekt als die einzig möglichen (wahren, natürlichen) dar und identifiziert sie mit der Gesamtheit seiner wirklichen und potentiellen Referenten". Peter V. Zima, Ideologie und Theorie. Eine Diskurskritik (Tübingen 1989), 256. "Lope ha sido el más grande poeta de la conformidad"; so Amado Alonso über Lope de Vega. Amado Alonso, "Lope de Vega y sus fuentes". In: Lope de Vega. Hg.v. J. F. Gatti (Buenos Aires 1967), 196. Auf ein Beispiel dieser Art von Kritik werde ich auf den nächsten Seiten eingehen: die Kritik an der Habgier und Gewalttätigkeit der spanischen Eroberer. Schwieriger sind die Fälle, wo die Kritik nicht direkt geäußert, sondern von der modernen Forschung vermutet wird, wie z.B. zu Calderóns Ehrendramen. Vgl. hierzu Hans-Jörg Neuschäfer, "El triste drama del honor. Formas de critica ideológica en el teatro de honor de Calderón". In: Hacia Calderón. Segundo coloquio anglogermano Hamburgo 1970. Hg.v. Hans Flasche (Berlin, New York 1973), 89-108. Vgl. José Maria Diez Borque, Sociologia de la comedia española del siglo XVII (Madrid 1976), 129.

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V. Zu den Funktionen der Texte

breitung der Lehren des christlichen Dogmas vorrangig um die "Verherrlichung der nationalen Einheit" (Müller 1977:92) geht, vertritt keine oppositionellen Positionen zur Regierungspolitik. So werden prinzipiell offizielle politische Standpunkte legitimiert, zu denen natürlich auch diejenigen gehören, die die spanische Expansionspolitik betreffen. Dos cosas en Chile espero [...] la primera es ensanchar la fe de Dios; la segunda, reducir y sujetar de Carlos a la coyunda esta tierra y este mar (Lope de Vega 1969:239),

verkündet García in Lopes Arauco domado zu Beginn der comedia und benennt damit die beiden Legitimationsstrategien der spanischen Eroberungen, wie sie sich im spanischen Theater finden: eine religiöse und eine politische, die in den nächsten Kapiteln eingehender betrachtet werden .

Die Präsenz Gottes Der heilsgeschichtliche Aspekt dominiert die Handlungen der meisten comedias zur amerikanischen Thematik. Die Eroberer auf der Bühne verstehen ihre Tätigkeit als Auftrag, Seelen für Gott zu gewinnen. Daß ungläubige bzw. andersgläubige Völker christianisiert werden müssen, stand im Spanien des Siglo de Oro außer Frage. Und so bekennen sich die Indianer der Amerika-Dramen spätestens am Ende der Theaterstücke zum christlichen Glauben, wie es den historischen Tatsachen entsprach. Die Christianisierung an sich bedurfte keiner Rechtfertigung. Sie war Teil des göttlichen Auftrags an alle Christen. Wie in der theoretischen Debatte auch, diente sie den Dramaturgen des 17. Jahrhunderts als Legitimation der Usurpation Amerikas. Diese Legitimation basierte auf dem Antagonismus Christentum - Unglauben, somit Gott - Satan. Die Indianer als von Satan Verführte werden in den comedias von den im Auftrag Gottes agierenden Spaniern gerettet2. Keinem anderen gelingt es so wie Calderón in La aurora en Copacabana, den falschen Glauben der amerikanischen Einwohner zu präsentieren: als Betrug des Begründers der Inka-Dynastie Manco Capac, der in Zusammenarbeit mit Idolatría seinen Sohn als Sohn Gottes ausgibt 3 . 1

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Als Grundlage für die folgenden Ausfuhrungen dienten Laferl 1992a:261-269 und Hayer 1983, die sich als einzige dem Aspekt der Legitimation in den Amerika-Dramen widmeten, wenngleich nicht umfassend. Ansätze hierzu finden sich bei Dille 1988. Selten sind Beispiele zum falschen Glauben der Indianer in der Lyrik. Alonso de Ledesmas Gedicht "A la extensión de esta Sagrada Religion, y á la conuersion de los indios, aludiendo á ser vizcayno" (in Ledesma 1969:349) basiert auf dem Spiel um die Homonyme 'hierro' und 'yerro'. Obwohl das Gold aus Peru kommt und aus Vizcaya Eisen (hierro), so verkehren sich die Metaphern in ihr Gegenteil und verweisen auf ihren heilsgeschichtlichen Hintergrund: "Y aunque tan distante c a y / el hierro á las Indias va/ á labrar minas: mas ya/ el oro nace en Vizcaya,/ y es bien que á las Indias vaya/ á sacar yerros de allá" (Z.5-10). Der Weg ist dem realhistorischen entgegengesetzt: Das Gold aus Vizcaya (der Heimat des Ignacio de Loyola) geht nach Amerika, um dort die Irrtümer (yerros) des falschen Glaubens zu beseitigen. Vgl. hierzu Calderón de la Barca 1994:143-149.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Eine besondere Rolle spielen Wunder bei der Bekehrung. In keiner der comedias werden die einheimischen Amerikaner über ein kognitives Verstehen vom "richtigen" Glauben überzeugt. Auf eine verbale Argumentation wird verzichtet, vielmehr erzwingt militärische Gewalt - gemäß den historischen Tatsachen - die Konversion. Diese tritt jedoch in einigen der Dramen zunehmend in den Hintergrund und wird überlagert von einem oder mehreren Wundern, die die Indianer zum Christentum bekehren. Auch hier muß Calderóns La aurora en Copacabana wieder ein exemplarischer Charakter zugesprochen werden. Eine Abfolge von insgesamt elf Wundern demonstriert die direkte Präsenz Gottes. Im ersten Akt verhindern Wunder die Angriffe der Indios auf die Spanier, im zweiten entscheiden sie den militärischen Sieg der Spanier und verhindern die Hinrichtung Guacoldas und Yupanguis, während sie im dritten Akt Yupanguis Clan unterstützen und seine Statue verschönern, was schließlich zur Versöhnung der verfeindeten Sippen unter dem christlichen Glauben und zur endgültigen Flucht Idolatrías fuhrt 1 . Jedes dieser Wunder bringt die Indianer dem christlichen Glauben näher. Ein ähnliches Verfahren findet sich in Aguilars Santo fray Luis Bertrán, wo nach jedem Wunder mehr Indianer zur Konversion bereit sind. Die Wunder haben, wie die oben besprochenen allegorischen Szenen der Amerika-Dramen, eine unterweisende Funktion. Für das damalige Publikum wurde so die göttliche Mission des spanischen Auftrags betont und die Omnipräsenz Gottes demonstriert. Die Mehrzahl der Autoren verwendet hierbei Kollektivsymbole des Christentums, wie z.B. das Kreuz oder die Marienerscheinung". In anderen comedias übernehmen Träume oder Prophezeiungen in abgeschwächter Form die Funktion der Wunder. So erscheint Atabaliba in Vêlez de Guevaras Las palabras a los reyes Christus im Traum, der den Indianer auf die baldige Konversion vorbereitet 3 . Und in den Dramen des Chile-Zyklus, in denen eindeutig die militärische Komponente dominiert, sind es Prophezeiungen alter und weiser Araukaner, die die baldige Ankunft der Spanier und damit des Christentums verkünden 4 . Eine besondere Art der Legitimierung findet sich in Calderón de la Barcas auto La nave del mercader. Hier rechtfertigt die Anbindung an die Heilsgeschichte den Amerikahandel, der in der übrigen fiktionalen Literatur nahezu ausnahmslos negativ konnotiert erscheint 5 . Obwohl der Amerikahandel im 17. Jahrhundert längst fester Bestandteil des spanischen Wirtschaftssystems war, galt er nach wie vor unvereinbar mit den Glaubenssätzen der katholischen Lehre und dem gängigen Adelskodex. 1

D i e entsprechenden Passagen finden sich in Calderön 1 9 9 4 : 1 2 5 - 1 2 7 , 1 7 0 - 1 7 2 , 1 8 8 - 1 9 1 , 1 9 4 , 2 2 8 - 2 3 0 , 2 3 2 / 2 3 3 . Hier darf nicht vergessen werden, daß ein Teil der präsentierten W u n d e r bereits in Calderöns Quellen erwähnt wird.

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Ein weiteres Beispiel fur Wunder liefert Lope d e V e g a in El nuevo mundo. A l s d i e Indianer im dritten Akt z u m Zeichen ihres Aufstands das von den Spaniern errichtete Kreuz u m w e r f e n , erscheint durch ein Wunder ein n e u e s , w a s die Indios sofort zur Einsicht bringt. V g l . Lope de V e g a 1980b:42. Vgl. auch Hayer 1983:63. Eine ähnliche S z e n e , allerdings mit w e n i g e r Beweiskraft, bringt Zârate 1 9 9 3 : 2 1 6 / 2 1 7 .

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V g l . V ê l e z de Guevara o.J.: I96r. S o z.B. Leocotön in B e l m o n t e Bermüdez u.a. 1 9 6 8 : 6 0 0 - 6 0 4 ; vgl. auch Lope de V e g a 1969:242.

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Z u den B e m ü h u n g e n der ö k o n o m i s c h e n Literatur der Epoche, die Handelstätigkeiten aufzuwerten, vgl. die Ausführungen auf den Seiten 125-127.

V. Zu den Funktionen der Texte

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Calderón de la Barca wendet sich in s e i n e m auto ganz eindeutig gegen die gängigen Diskurse, w e n n er Handel und Mission gleichsetzt. Mercader-Cbiistas, der die Welt befährt, bringt amerikanischen R e i c h t u m - Weizen - mit. Diese M e h r f a c h m e tapher verweist in den geistig-religiösen Bereich. Mit d e m "Brot des Lebens" wird die Menschheit erlöst. Durch den Tatbestand der Missionierung legitimiert der Autor den Amerikahandel, der als "Mittel z u m Z w e c k " Gutes bringt und damit die traditionellen Vorbehalte offensichtlich zu v e r b a n n e n vermag.

Die spanische Eroberungspolitik als Wille Gottes [...] la Fe de mi tierra m e ha traído, y el daros al rey de España por R e y (Zárate 1993:212);

mit diesen Worten stellt H e r n á n Cortés in Zárates La conquista de México neben die Christianisierung als Motiv auch die politische M a c h t ü b e r n a h m e . Die Indianer A m e rikas sollen Untertanen des spanischen M o n a r c h e n werden. Damit benennt der Autor, wie die M e h r z a h l derer, die sich in ihren comedias der amerikanischen Thematik widmen, eindeutig politische Intentionen der spanischen Monarchie, die eine Erweiterung ihres Herrschaftsbereichs anstrebte. Die machtpolitischen Interessen der spanischen Krone waren von Anbeginn ein wichtiges Motiv für die Amerikauntern e h m u n g e n und wurden zumeist in das Sinnbild der Christianisierung transformiert. So v e r s ä u m e n es die spanischen Eroberer der comedias selten, auf ihren göttlichen Auftrag, Seelen für die christliche Nation zu gewinnen, hinzuweisen. "No vam o s a buscar oro,/ sino fama, y a ensalçar/ la Fé", heißt es zu Beginn von Vêlez de G u e v a r a s Las palabras a los reyes (o.J.:187r). Ähnliche Passagen finden sich in nahezu allen D r a m e n der Amerika-Thematik. I m m e r wird das nationale Anliegen dabei mit d e m heilsgeschichtlichen verknüpft. Durch die Anbindung an das christliche D o g m a schien die nationale Geschichte erst ihren Sinn zu erhalten. Auch die spanische Öffentlichkeit war von einer göttlichen Mission der Nation ü b e r z e u g t ' . Besonders deutlich zeigt sich die V e r b i n d u n g von politischem Machtstreben und heilsgeschichtlicher B e g r ü n d u n g in Lope de Vegas El Brasil restituido. Das Drama behandelt die Ereignisse der Jahre 1624/25, als holländische T r u p p e n die Stadt der portugiesischen Kolonie in Brasilien Bahía de T o d o s Santos e i n g e n o m m e n und deren Gouverneur g e f a n g e n g e n o m m e n hatten. Dieser Angriff reiht sich ein in eine Serie von O k k u p a t i o n e n spanischer Gebiete in der Karibik u n d Brasilien von seiten der Holländer, aber auch Englands und Frankreichs (aufgrund der Annektion Portugals durch Spanien war Brasilien von 1580-1640 spanisches Herrschaftsgebiet), die vorwiegend ö k o n o m i s c h e und machtpolitische Interessen verfolgten. Spanien reagierte j e d o c h prompt: Eine Flotte mit 52 Schiffen und 12 500 Soldaten eroberte unter d e m K o m m a n d o von Fadrique de T o l e d o y Osorio Bahía zurück".

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Laferl zitiert hierfür Antonio Cervera de la Torre, den Beichtvater von Felipe II., der aus der Bibel "un encargo divino directo a Espana" ableitet (Laferl 1992a:266). Für einen kurzen Bericht der historischen Ereignisse vgl. John Loftis, Renaissance Drama

in England and Spain. Topical Allusion and History Play (Princcton 1987), 199/200; Die-

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Lope überdeckt diese eindeutig politisch-ökonomisch begründete Auseinandersetzung mit einer religiösen Kontroverse. In seiner comedia sind es die aus Portugal nach Brasilien geflohenen Juden, die aus Angst vor der Inquisition Holland zu Hilfe rufen 1 . N a c h der Einnahme Brasiliens durch die Holländer erfolgt die heilsgeschichtliche Anbindung in Lopes Drama über allegorische Szenen. Brasil als Anhängerin des katholischen Glaubens klagt über die ungläubigen Juden und Holländer 2 . Sie schickt Fama zur Monarquía de España, um militärische Hilfe zu erbitten 3 . D i e Begründung der spanischen militärischen Intervention erfolgt im Drama somit über den religiösen Aspekt, der zur Legitimierung dient. "Die spanische Monarchie in ihrer Funktion als universeller Garant der katholischen Religion" (Hayer 1983:53) eilt zu Hilfe. Auch Shannon weist auf die vordergründig heilsgeschichtliche Anbindung hin: His [Lopes] vision of the role of the Spaniards in America as crusaders for Catholicism gains a new dimension in El Brasil restituido. Spain [...] becomes a universal champion of Christianity. Its world mission is to eradicate all forms of heterodoxy. The idolatrous Indians are only one example of Spain's struggle for religious uniformity. The Dutch and the Jews also form part of the equation. Protestants, Jews, and Indians all seem to fall short of divine grace because they do not form part of the Universal Communion (Shannon 1989:183). Brasilien wird hier zur Kulisse um innereuropäische politische, ökonomische und religiöse Auseinandersetzungen. Was am Beispiel von El Brasil restituido nachgewiesen wurde, gilt auch für andere Dramen der Epoche. Die Dominanz der heilsgeschichtlichen Komponente ist eine Konstruktion der Autoren, die eine Legitimation einschließt, dabei jedoch nicht notwendigerweise mit der historischen Realität übereinstimmt 4 . In den comedias gilt die göttliche Mission Spaniens als gegeben. Von den bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts geführten innerspanischen Debatten um die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungspolitik finden sich in den Bühnenwerken des 17. Jahrhunderts kaum Spuren. Lediglich in Avilas El gobernador prudente wird das Recht der spanischen Nation hinterfragt: [...] ¿qué razón fuera de injusta intención,

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go Martínez Torrón, "Valores informativos en el teatro de Lope de Vega. La fuente de El Brasil restituido". In: Lope de Vega y los orígenes del teatro español. Actas del I Congreso Internacional sobre Lope de Vega. Hg.v. Manuel Criado de Val (Madrid 1981), 151-153. Daß die jüdische Bevölkerung Brasiliens nichts mit der Auseinandersetzung zu tun hatte, scheint erwiesen. Vgl. Loftis 1987:205. Zur antisemitischen Tendenz der comedia vgl. Ingrid Simson, "Un ejemplo de antisemitismo en el teatro de Lope de Vega: El Brasil restituido". In: El olivo y la espada. Estudios sobre el antisemitismo en España (siglos XVIXX). Hg.v. Pere Joan i Tous und Heike Nottebaum (Tübingen 2003), 229-242. "Pues viendo que no puede persuadirme [der Teufel],/ vltimamente solicita a Olanda/ por medio de vnos bárbaros hebreos/ que le han comunicado sus desseos;/ que por este camino yntenta en vano/ yntroducir su error y apostasía,/ y que le nieguen a Filipe Hispano/ estas riberas la obedienzia mía" (Lope de Vega 1968:35), so die Worte Brasils. Vgl. Lope de Vega 1968:37/38. Der missionarische Aspekt des Unternehmens Amerika stand keineswegs immer im Vordergrund, vor allem nicht zu Beginn der Conquista. So war bei der ersten Amerikafahrt Colons kein Geistlicher zugegen. Lope de Vega hat diese Tatsache in El nuevo mundo abgeändert, indem er den Missionar Fray Buyl, der tatsächlich erst an der zweiten Fahrt Colons teilnahm, in sein Drama integrierte.

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V. Zu den Funktionen der Texte

os determina y consiente desta región de Occidente tan amplia jurisdición? (Avila 1915:71); so wendet sich der alte Weise Colocolo an den spanischen Feldherrn García Hurtado de Mendoza. Bereits zuvor hatte Caupolicán generelle Zweifel an der Rechtmäßigkeit der spanischen Politik angemeldet (Avila 1915:17). Die Antwort auf derlei Fragen fiel dann wieder eindeutig im Sinne der spanischen Monarchie aus: [•••] Si el Papa debe instruir, también mi Rey oprimir con fuerza, y tienen los dos, como inmediatos de Dios, poder para reducir (Avila 1915:72).

Das nationale Anliegen1 Zwar konstruiert Lope in seinen comedias zur Amerika-Thematik einen dominanten heilsgeschichtlichen Motivationsstrang, gleichzeitig betont er aber - wie kein anderer der Autoren von comedias - den nationalen Charakter der Unternehmung. Während die Kirche den Indianern den wahren Glauben versprach, zielte die politische Legitimation auf die "Zivilisation" ab, die die Bewohner Amerikas unter dem Herrschaftsbereich der spanischen Monarchie zu erwarten hatten: A los Católicos Reyes va [Colón] a pedir orden y leyes, y que por mares profundas domen su yugo y coyundas a aquestos bárbaros bueyes (Lope de Vega 1980b:31). Vor allem die Schlußapotheosen der drei Amerika-Dramen Lopes heben den nationalen Aspekt hervor. In El nuevo mundo ist diese am ausfuhrlichsten präsentiert. Das Drama endet mit einem fulminanten Empfang Colons am Hof der Katholischen Könige, bei dem König Fernando die Taten Colons ausführlich preist und dabei sowohl den politischen wie auch den religiösen Vorteil erwähnt. Seine Rede spielt verschiedentlich auf die Reichtümer Amerikas an. Der König endet mit den Worten: Hoy queda gloriosa España de aquesta heroica victoria, siendo de Cristo la gloria y de un genovés la hazaña, y de otro mundo segundo Castilla y León se alaba (Lope de Vega 1980b:44).1 1

Das Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts war keine Nation im modernen politischen Sinn. Der Begriff des Nationalen soll hier gemäß den damaligen Konditionen benutzt werden.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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In Aranco domado ist nur noch der militärische und nationale Triumph Thema der Siegesfeier, der Erfolg der Christianisierung bleibt unerwähnt2. Vor dem Standbild des Monarchen Felipe II. zählt Garcia Hurtado de Mendoza dessen militärische Erfolge auf und läßt die spanischen Soldaten die Hand des Standbilds küssen3. Hayer spricht folgerichtig von "Siegesfeier und Huldigungszeremonie" (1983:80)4. Eine ähnliche Szene findet sich am Schluß von El Brasil restituido, allerdings ohne zeremoniellen Hintergrund. Der siegreiche Feldherr Fadrique befragt ein Bildnis Felipes IV. nach der korrekten Behandlung der besiegten Holländer5. Durch diese Szenen, die jeweils am Ende der comedia den entsprechenden Herrscher direkt oder zumindest als Bild auf die Bühne bringen6, wird abschließend der militärische Sieg gefeiert. Gleichzeitig wird damit neben der Christianisierung ein zweiter Legitimationsstrang benannt, der jedoch, da der König weltlicher Vertreter Gottes ist, in enger Verbindung zum religiösen Aspekt steht. Denn nicht nur das Seelenheil der Indianer war den Spaniern ein Anliegen, sondern auch die weltliche Ordnung, die nur durch die spanische Herrschaft gewährt schien. Die "Belohnung" für die spanischen Mühen, der militärisch-politische Triumph, der nur in El nuevo mundo noch den religiösen Aspekt in die Schlußszene mit einschließt, verweist auf die Bedeutung der nationalen Komponente in den Dramen Lope de Vegas7. Die Legitimierung der spanischen Verbrechen Eine besondere Bedeutung kommt dem Argument der Christianisierung zu, wenn es darum geht, das Verhalten der spanischen Eroberer in Amerika zu rechtfertigen. In einigen der comedias wird das Vorgehen der Spanier in den Kolonien durchaus kritisch beleuchtet. Goldgier, Sexbesessenheit und Gewalt im Umgang mit den Ein1

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Zur Präsentation der Katholischen Könige in den Dramen Lopes vgl. DeLys Ostlund, The Récréation of History in the Fernando and Isabel Plays of Lope de Vega, New York u.a. 1997. Auch wenn Sohn und Frau Caupolicáns Rache schwören, so hat die Bekehrung Caupolicáns kurz vor seinem Tod doch Vorbildcharakter, dem sein Volk folgen wird. So überrascht Hayers Bemerkung, "das heilsgeschichtliche Ziel der Ausbreitung des Glaubens" sei nicht erreicht (1983:80). Vgl. Lope de Vega 1969:288/289. Über die Herrschaft des Königs und die damit verbundene Legitimation vgl. Ernst H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. Deutsche Übersetzung, München 2 1994. Vgl. Lope de Vega 1968:123/124. Zu den Schlußapotheosen vgl. Hayer 1983:78-81. Auch in den Dramen, in denen die panegyrische Funktion dominiert, ist der nationale Aspekt von besonderer Bedeutung. Sowohl in der Pizarro-Trilogie Tirsos als auch in den Dramen über Cortés am spanischen Hof geht es um das loyale Verhalten der Eroberer gegenüber der spanischen Krone, deren Herrschaftspolitik damit besonders hervorgehoben wird. Diese wiederum bedarf keiner Legitimierung, sondern gilt als gegeben. Ähnlich wie Lopes El nuevo mundo endet Vêlez de Guevaras Las palabras a los reyes, wo Femando Pizarro von Carlos V. und der Kaiserin empfangen wird, die seine Taten preisen. Im Gegensatz hierzu steht das Ende von Zárates La conquista de México (das ansonsten eine große Ähnlichkeit mit Lopes El nuevo mundo aufweist), wo Religion Hernán Cortés in ihrem Triumphwagen mitnimmt.

V. Zu den Funktionen der Texte

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heimischen sind die Hauptvorwürfe, die den Spaniern in den Dramen gemacht werden, allerdings nur den einfachen Soldaten. Die führenden Eroberer bleiben in der Regel verschont. Auch wenn diese nicht der Aristokratie entstammen, so werden ihnen doch aristokratische Wesenszüge zugeschrieben, wie z.B. Colón in Lope de Vegas El nuevo mundo, Cortés und Pizarro in den entsprechenden Theaterstücken. Ausnahmen sind hier nur Valdivia und Villagrán in Turias La bellígera española1 und Alvarado in Zárates La conquista de México2, deren Goldgier besonders hervorgehoben wird. Ansonsten jedoch betonen die spanischen Helden ihre hehren Absichten und tadeln das Fußvolk aufgrund seines Strebens nach Reichtümern, wie z.B. Colón in Lope de Vegas El nuevo mundo: "Tomad con menos codicia" (Lope de Vega 1980b:29) ist sein Rat an die goldhungrigen Spanier. Allerdings lehnt Colón die Bereicherung nicht generell ab, ihn stört nur die Priorität, die für die Soldaten die materiellen Güter einnehmen. Er setzt für sich andere Maßstäbe: "La salvación desta gente/ es mi principal tesoro" (Lope de Vega 1980b:29). Ähnliche Ziele verfolgt Cortés in Zárates La conquista de México, im Gegensatz zu seinem Gefolge: [...] no por codicia salí de mi casa [...] que otro intento vive en mí; la fe de Cristo profeso, ésta ensalzar imagino, ésta adoro, ésta confieso (Zárate 1993:210).

Während beispielsweise Calderón die Schandtaten der spanischen Soldaten unerwähnt läßt, werden diese in den meisten comedias präsentiert. Es stellt sich hier die Frage, ob damit tatsächlich eine Kritik am Verhalten der Spanier verbunden ist, wie es z.B. Dille Lopes El nuevo mundo und Zárates La conquista de México unterstellt3, oder ob damit eventuell eine andere Funktion bezweckt wird. Die Greueltaten der spanischen Eroberer und deren Gefolge waren in Spanien spätestens seit dem Auftreten von las Casas am spanischen Hof hinlänglich bekannt. Eine Integration der Thematik in das Drama bedeutete eine weitergehende Orientierung an den realen historischen Begebenheiten. Allerdings unterliegt diese "kritische Darstellung" einigen Einschränkungen, wie z.B. der eben gezeigten Reduzierung auf die einfachen Soldaten. Trotzdem entsprechen die Vorwürfe, die in den comedias geäußert werden, den Anschuldigungen der europäischen Nationen, die Spanien des gewalttätigen Vorgehens in den Kolonien bezichtigten - wenngleich in abgeschwächter Form. Sollte es sich bei der Thematisierung dieser Inhalte um den Versuch handeln, die Thesen der leyenda negra zu widerlegen bzw. abzuschwächen? 1

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"Quisiera yo ser mar, las minas ríos,/ y que en mi casa hubieran desaguado;/ tal ha sido hasta agora mi cudicia:/ tiempla el rigor, mi Dios, de tu justicia" (Turia 1915:527), so charakterisiert sich Valdivia selbst. "Pues yo en el oro la conquista fundo" (Zárate 1993:220), sagt Alvarado, der sich über das Vorgehen von Cortés ärgert. Obwohl Alvarado einer der bedeutendsten Conquistadores war, wird er in der comedia wie ein einfacher Soldat beschrieben, um die Großartigkeit des Hernán Cortés zu betonen. Vgl. Dille 1988:498.

D Amerika

als Fiktion:

Drama,

Lyrik und

Roman

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Goldgier, Sexbesessenheit und Gewalthandlungen der einfachen Soldaten werden in den comedias als negative Charakterzüge ungebildeter und unehrenhafter Personen präsentiert, deren Verhalten mit dem der Aristokraten kontrastiert, die diese belehren und unterweisen müssen. Es wird weder die Rechtmäßigkeit der Conquista an sich angezweifelt, noch die der Bereicherung. Kritisiert werden lediglich die Exzesse. Erfolgt eine globalere Kritik, dann wird sie von Idolatría oder Demonio geäußert, den Gegnern der Spanier, deren Aussagen wenig Bedeutung zukommt 1 . Nach d e m Motto "Der Zweck heiligt die Mittel" werden die Vergehen der Spanier als bedauerliche Notwendigkeiten legitimiert". Zwar prangern die Autoren in den comedias die Gewaltakte der spanischen Soldaten an, die Indianer werden jedoch - so ist es den Dramen zu entnehmen - durch die Christianisierung hinreichend für ihre Leiden entschädigt. In diesem Sinne sind die Worte Felipes zu verstehen, der in Avilas El valeroso español y primero de su casa Hernán Cortés entlastet, dem vorgeworfen wurde, daß beim Bau seines Hauses Indianer ums Leben gekommen waren: El costar el edificio Tantas vidas no es indicio De ser Cortés desleal; Que la muerte es natural, Y entra en cualquier ejercicio; Y si el pudo por si mismo Aumentar el cristianismo En ellos, dichosos fueron Esos, que por el murieron Tan cerca de su bautismo (Avila 1951:579).

Der damalige Zuschauer konnte diese Argumentation wahrscheinlich nachvollziehen 3 . In Lope de Vegas Arauco domado wird die Hinrichtung Caupolicáns mit dessen Taufe legitimiert. Die Hinrichtung ist rechtmäßig, da sich Caupolicán verschiedener schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht hat, u.a. des Landesverrats, da er als Vasall des spanischen Königs gegen seinen akzeptierten Herrscher Stellung bezog 4 . Caupolicán selbst bittet Garcia, ihn nicht zu verschonen 5 . Durch die Taufe wird Caupolicán aus seinem Elend erlöst, er stirbt in "Triumph und Erlösung, die dieser selbst in seinem letzten Gebet preist" (Hayer 1983:66). Darüber hin-

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S o z.B. in der allegorischen Eingangsszene in Lopes El nuevo mundo, w o sich Idolatria beklagt: "[...] pues los lleva la codicia/ a hacer esta diligencia./ S o color de religiön,/ van a buscar plata y oro/ del eneubierto tesoro" (1980b: 11). In Lopes El nuevo mundo kommt der Gier der Soldaten nach Gold und Frauen darüber hinaus eine strukturelle Funktion zu, da sie verantwortlich ist für den Aufstand der Indios, die Ermordung der Spanier und die letztendliche Bekehrung der Einheimischen durch das christliche Wunder. Vgl. Lope de V e g a l980b:32-42. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch in dem auto Las cortes de la muerte von Caravajal und Hurtado de Toledo. Vgl. Caravajal/Hurtado de Toledo 1950:33. "[...] con tu gente/ alzaste infame bandera/ contra tu Rey y senor,/ de quien eras ya vasallo" (Lope de Vega 1969:282). Caupolicän selbst leugnet jedoch an anderer Stelle, j e m a l s die Herrschaft der spanischen Krone akzeptiert zu haben. Vgl. Lope de Vcga 1969:284.

V. Zu den Funktionen der Texte

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aus nimmt er christusähnliche Züge an, da er durch sein Vorbild sein Volk zum Christentum bekehrt. Sein Retter ist García Hurtado de Mendoza, der Caupolicán zur Konversion bewegt 1 . Durch die Erhöhung Caupolicáns, die über die Taufe zustande kommt, tritt die Fragwürdigkeit der Entscheidung für die Hinrichtung in den Hintergrund. Während so die Indianer für die erlittenen Qualen mit der Kenntnis der "wahren" Religion entschädigt wurden, erhielten die Spanier für ihre Mühen Gold und Reichtum. Keiner äußert dies überzeugender als Providencia in der allegorischen Szene in Lopes El nuevo mundo: D i o s j u z g a de la intención: si Él, por el oro que encierra, gana las almas que v e s , en el c i e l o hay interés, n o es m u c h o le haya en la tierra ( L o p e de V e g a 1980b: 11).

Für ihre Missionstätigkeit stehen der spanischen Krone die Reichtümer Amerikas zu. Ein weiterer realhistorischer Vorwurf, den sich einige der Eroberer gefallen lassen mußten, wurde auf den spanischen Bühnen der damaligen Zeit entkräftet: die mangelnde Loyalität von Hernán Cortés und den Pizarros gegenüber der spanischen Krone. In diesen Theaterstücken geht es vorrangig um die Beziehung der Conquistadores zum spanischen Königshaus, wobei die Autoren sich darum bemühen, mit verschiedenen Mitteln das korrekte Verhalten der in Verruf geratenen (historischen) Persönlichkeiten nachzuweisen. Die spanischen Unternehmungen in Amerika bedürfen hier keiner Legitimierung, sie gelten als gegeben und rechtens. Allenfalls das Verhalten der spanischen Eroberer muß legitimiert werden, soweit möglich. In dem anonymen Los pleytos de Fernán Cortés de Monroy, das Hernán Cortés als abgeklärten Helden idealisiert, wird der Eroberer von Pánfilo de Narváez verschiedener (auf historischer Grundlage basierender) Vergehen bezichtigt, was schließlich zur Gefangennahme von Cortés und zu einem Prozeß führt. Entkräftet werden die angeblichen Verstöße des Eroberers allein durch die wohlwollende Haltung Carlos V., der sich für die Unschuld des Conquistadors ausspricht. Dazu genügt das Wort des Kaisers; Argumente sind nicht notwendig: "Si al marques no ay quien le fia/ yo quero ser su fiador" (anonym o.J.:81). Die Autorität des Monarchen (als Vertreter Gottes) legitimiert das Verhalten von Cortés. Ähnliches geschieht in Avilas El valeroso español y primero de su casa. Auch hier sieht sich ein stark idealisierter Cortés am Ende seines Lebens mit Vorwürfen des Machtmißbrauchs konfrontiert. Die Zurückweisung der Anschuldigungen erfolgt diesmal durch Felipe II., da Carlos V. dem Eroberer gegenüber reserviert erscheint. Die Argumentation der Entkräftung der Anklagepunkte ist auch in diesem Fall eher schwach 2 , zumal das Wohlwollen, mit dem Felipe II. Cortés begegnet, vorrangig auf der Verehrung des spanischen Helden Cortés durch den französischen König basiert 3 . 1

"Mit der persönlichen Konfrontation der einander in Großmut überbietenden Gegner tritt Lope offensichtlich d e m Vorwurf der sinnlosen und ehrverletzenden Erniedrigung Caupolicäns durch die Spanier entgegen. Garcia behandelt seinen gefährlichsten Gegner nicht nur ritterlich, sondern auch als vorbildlicher Christ" (Hayer 1983:65).

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V g l . A v i l a 1951:579. V g l . A v i l a 1951:579.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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Ebenfalls um den Nachweis von loyalem Verhalten gegenüber der Krone geht es in Tirso de Molinas panegyrischer Pizarro-Trilogie. Im Mittelpunkt der Handlungen stehen die Heldentaten der Pizarro-Brüder. Zwar werden vereinzelt historisch überlieferte Vergehen der Brüder legitimiert 1 , insgesamt jedoch gelingt die Idealisierung und Heroisierung der Pizarros, die ja immerhin in einen blutigen Bürgerkrieg mit mehreren Morden und Aufständen verstrickt waren, nur durch eine verfälschte Geschichtsdarstellung. Der Christianisierung der Indianer kommt dabei nur eine marginale Rolle zu. Während in Todo es dar en una cosa und Amazonas en las Indias christlicher Glaube und Missionierung kaum erwähnt werden, sind die in La lealtad contra la envidia angeführten zwei Wunder auf die historischen Vorlagen zurückzufuhren. "Dios nuestra empresa ayuda" (Molina 1993:IV,95) kommentiert Pizarro das Geschehen und verweist damit auf die Zweckmäßigkeit der Wunder, die in erster Linie den Spaniern helfen sollen und nicht, wie in anderen comedias, zu Massenkonversionen führen. Die vordergründig personalpolitische Thematik um die Anerkennung der Leistungen der Pizarros durch die Krone fragt weder nach der Rechtmäßigkeit der Conquista noch nach dem falschen Glauben der Indianer. Honra und fama und der damalige Adelskodex sind die herausragenden Prämissen bei der Legitimierung des Verhaltens der Pizarro-Brüder. Die Erklärung für die auf diese Weise gestaltete Struktur und den Inhalt der Pizarro-Trilogie liegt ganz offensichtlich im konkreten Auftrag der Pizarro-Nachfahren begründet. *

Die Legitimation spanischer Herrschaftsansprüche sowie des inkorrekten und gewalttätigen Vorgehens der Spanier in ihren amerikanischen Kolonien ist eine der Funktionen, denen die comedias der Amerika-Thematik des 17. Jahrhunderts unterliegen. Dabei dominiert die religiöse Rechtfertigung eindeutig gegenüber der politischen. Auch wenn einige der comedias eine beachtliche historische Detailfreude verraten, so unterliegt die Darstellung des historischen Verlaufs doch dem herrschenden Weltbild. Die Dramen zur Amerika-Thematik zeigen deutlich die gesellschaftliche Orientierung an aristokratischen Richtlinien. Historische nichtadlige Helden und die Angehörigen des niederen Adels werden erhöht und idealisiert, während die Verbrechen vorwiegend von einfachen Soldaten begangen werden. Auch hier geht es nicht um historische Wahrheit, sondern um die Funktion der comedia, ein traditionelles Gesellschaftssystem unter aristokratischer Wertigkeit zu bestätigen, eine im Umbruch begriffene Gesellschaft nach autoritär-integrativem Muster zu einen. Dazu gehörte in einer Zeit des politischen, ökonomischen und sozialen Niedergangs Spaniens das Evozieren einer glorreichen Vergangenheit, das von der ehemaligen Großartigkeit des Landes etwas in die Aktualität retten sollte. Vosslers wohl eher rhetorische Bemerkung: Vor allem fehlt [Lope] jedes Gefühl und Bewußtsein dafür, daß das Spanien seiner Tage im Niedergang begriffen ist, daß ihm die Weltherrschaft zu entgleiten beginnt, daß es wirtschaftlich, politisch und kulturell überflügelt wird [...] Wenn man bedenkt, wie stark 1

So z.B. der Widerstand Gonzalo Pizarros gegen den Vizekönig in Amazonas en las Indias. Dieser sah sich zum Handeln gezwungen, als er erfuhr, daß seine Nichte gefangengehalten und belästigt wurde. Vgl. Molina 1993:111,136-138.

V. Zu den Funktionen der Texte

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das Bewußtsein des beginnenden Verfalls in den Schriften des Suárez de Figueroa, des Quevedo oder gar, wenige Jahrzehnte später, im 'Criticón' des Gracián hervortritt, so muß man Lopes gutgläubige Freude an der Größe seiner Zeit noch bemerkenswerter finden,'

verweist weniger auf Lope de Vegas Naivität als vielmehr auf Funktion und Programm der damaligen comedia. Dieser ging es mitnichten um eine Widerspiegelung historischer oder gesellschaftlicher Zustände, sondern um eine identitätsstiftende Einigung der spanischen Nation2. Und hierfür erwies sich die heilsgeschichtliche Präsentation einer nationalen Großtat als sinnvoller als die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Ereignissen. Deshalb fehlen in den Dramen weitgehend Aspekte der nur wenige Jahrzehnte vor dem Erscheinen der meisten comedias in Spanien intensiv geführten Debatten um die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungspolitik in Amerika. Diese Debatten waren aus den corrales ausgeschlossen. Dies verweist jedoch weniger auf eine mittelalterliche Fundierung der comedia3 als auf die Tatsache, daß die Autoren ganz eindeutig gegen die leyenda negra anschreiben (und damit gegen die Thesen eines las Casas). Nicht nur, daß in den comedias die Argumente der Gegner Spaniens im 16. und 17. Jahrhundert aufgenommen, abgeschwächt oder erklärt werden. Die Präsentation nationaler Großtaten gerät zu einer Verteidigung der Nation, zu deren Heroisierung im Wettstreit mit den Anklägern, die alle voll Neid auf das Weltreich blicken. Conocerán su ignorancia, con Ingalaterra y Francia, Portugal y otras naciones (Lope de Vega 1980b:31),

so Terrazas in Lopes El nuevo mundo. Jedoch würde man der comedia nicht gerecht, spräche man ihr jegliche Art von Kritik und kritischem Bewußtsein von vornherein ab. Es ist ja gerade die Vielfalt, die an der spanischen Bühnenproduktion der Epoche besticht, die ihr inhärente Widersprüchlichkeit, die verschiedene Positionen nebeneinander bestehen läßt4. Man denke nur an Lopes Fuenteovejuna mit seinem kritischen Potential. In diesem Zusammenhang muß an die Zensur erinnert werden, die über ein gewisses Maß hinaus Kritik schlechtweg unmöglich machte. Kritik war zumeist nur versteckt möglich (ein Sachverhalt, der es uns heute oft schwer macht, kritische Positionen zu erkennen und adäquat zu beurteilen). Daß kritische Positionen in den comedias der Amerika-Thematik kaum auszumachen sind bzw. nur angeführt werden, um sie sogleich zu widerlegen, liegt in den Vorwürfen der europäischen Nationen gegen Spanien begründet, die die spanischen Autoren, die sich für die amerikanische Thematik entschieden, zu einer Positionsbestimmung und zur Parteinahme für die Politik der spanischen Krone zwangen. 1 2 3 4

Karl Vossler, Lope de Vega und sein Zeitalter (München 2 1947), 230. So merkt Vossler selbst an, daß "die spanische Bühne [...] für Zeitsatire kein günstiger Boden" (1947:230) war. So ein Argument von Hayer 1983:68. Zur Anknüpfung der comedia an mittelalterliche Positionen vgl. Neumeister 1979b:293; Küpper 1990. Deshalb greifen auch Analyseansätze der comedia, wie sie z.B. Maravall liefert, der in verschiedenen Schriften den Charakter der Dramen als Propaganda und Massenphänomen herausarbeitet, zu kurz und werden - obwohl sie schlüssig sind und durchaus überzeugen - den Texten in ihrer Gesamtheit nicht gerecht.

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Trotzdem finden sich auch dem Amerikastoff verpflichtete comedias, die aus verschiedenen Gründen auf die oben beschriebenen Legitimierungsstrategien verzichten. So spielt in allen Theaterstücken der /Irawca/ja-Thematik die Christianisierung eine unbedeutende Rolle. Dafür liegt der Schwerpunkt auf den militärischen Aspekten. Völlig irrelevant für Struktur und Themenfuhrung ist sowohl die religiöse als auch die nationale Komponente in González de Bustos' gänzlich unpolitischem Unterhaltungsspektakel Los españoles en Chile. Hier wurde Amerika endgültig zur bedeutungslosen Kulisse um die Ränkespiele ehrenhafter Spanier, die sich verlieben, verkleiden, duellieren und nebenbei auch noch ein paar Schlachten erledigen. Erst am Ende, wenn sich die Indios ei geben, wird auch der christliche Glaube erwähnt: TUC[apel]. [...] y el bautismo que en la ley, que ya adoramos cristiana, vasallos queremos ser del grande león de España. T O D O S . Bautismo, señor, bautismo (González de Bustos 1898:563).

Im N a m e n seines Königs verzeiht García Hurtado den Indianern großmütig (wozu Fadrique aus El Brasil restituido noch des Einverständnisses zumindest des Bildnisses des Monarchen bedurfte). Diese comedia übt keinerlei Kritik und stellt keine Fragen. Die Spanier sind ehrenhaft und intrigant, die Indianer d u m m und gefällig. Legitimatorische Tendenzen wären hier fehl am Platz, passen nicht in die auf reine Unterhaltung reduzierte comedia der späten Produktionsphase. Als nicht notwendig erweisen sich Legitimationsstrategien in Aguilars Drama Santo fray Luis Bertrán, das die Christianisierung eines Landes in Amerika darstellt, ohne daß eine politische Inbesitznahme erfolgt 1 . Da die spanischen Machenschaften in der comedia negiert werden, erübrigt sich deren Legitimation. Eine Rechtfertigung der Christianisierung wiederum erscheint im Genre des Heiligendramas überflüssig. Auf zwei weitere comedias, die keine Legitimierungsstrategien aufweisen, Ricardo de Turias La heiligem española und Andrés de Claramontes El nuevo rey Gallinato, möchte ich im nächsten Kapitel eingehen.

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Christopher Laferl spricht bei dieser comedia von einer "Utopie im weiteren Sinne", was er vor allem mit d e m Verzicht auf die politische Machtergreifung begründet. Darüber hinaus sind utopische Aspekte in der comedia nur punktuell vorhanden, während das indianische G e m e i n w e s e n insgesamt als rauh und wild beschrieben wird. Die Missionierung ist demnach eine echte Bekehrung zum Christentum mit seiner Ethik und keine Vervollk o m m n u n g einer bereits idealen Lebensweise, wie Laferl es darlegt. Vgl. Christopher F. Laferl, "Das Bild Amerikas im barocken spanischen Fest (II): Amerika in Gaspar Aguilars Comedia 'Vida y Muerte del Santo Fray Luis Bertrán'". In: Andrea Sommer-Mathis und Christopher F. Laferl, Das Bild Amerikas im barocken spanischen Fest (Kassel 1992), 3 9 / 4 0 . Die Ausführungen Laferls zu Aguilars comedia finden sich auch in Laferl 1992a: 193-206 unter der Überschrift "Utopía en Gaspar Aguilar".

V. Zu den Funktionen der Texte

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3. Kritische Tendenzen Mehrfach wurde in den obigen Ausfuhrungen auf kritische Tendenzen in der spanischen Literatur des Siglo de Oro hingewiesen. Eine Kritik an der Conquista fand sich vor allem in der Lyrik, mit dem wohl bekanntesten Beispiel von Góngoras Soledades. Hier handelt es sich um traditionelle Topoi, die Klage über den schädlichen Charakter des Goldes und die Schiffahrt, die - mit den aktuellen Beispielen der Amerikaunternehmungen versehen - als Exempla auf allgemein menschliche Laster und Versuchungen wie die Habgier oder den Ehrgeiz verweisen, während sie gleichzeitig über einen realhistorischen Bezug zu aktueller Geschichte verfügen. Diese moralistische Literatur ist im Zusammenhang zu sehen mit gängigen Diskursen der Epoche, die unter erasmistischem, später dann neostoizistischem Einfluß Kritik an einer unchristlichen Lebensweise und an menschlichen Lastern übten. Eng mit dem Topos des schädlichen Charakters von Gold und Reichtum verbunden ist die gesellschaftskritische Haltung gegenüber einer neuen und neureichen Schicht des spanischen Volkes, den indianos. Ein weiterer kritischer Aspekt des Unternehmens 'Amerika1, der im letzten Kapitel behandelt wurde, die Kritik am inkorrekten und gewalttätigen Vorgehen der Spanier in Amerika, wird in den comedias zwar benannt, obgleich sie durch bestimmte Verfahren entkräftet wird, was letztendlich zu einer Legitimierung des spanischen Verhaltens fuhrt. Eine kritische Anklage, die keine Rechtfertigung sucht, findet sich in dem in Chile spielenden Drama Ricardo de Turias La bellígera española. Bereits die Auswahl der Episoden weist in diese Richtung. Im Gegensatz zu den anderen Theaterstücken des Chile-Zyklus geht es hier nicht um García Hurtados Heldentaten; der marqués kommt in der comedia gar nicht vor. Statt dessen wählt der Autor eine unbedeutende Episode der Kämpfe in Arauco, die Verteidigung der Stadt Concepción. Nicht die spanischen, sondern indianische Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der comedia, konkret: die Liebesgeschichte um Lautaro und Guacolda. Lautaro ist der tragische Held, dessen Konflikt um seine Liebe zu Guacolda parallel zu seinen Gefühlen seinem Vaterland gegenüber präsentiert wird. Sein Widersacher ist Rengo, der ebenfalls in Guacolda verliebt ist und aufgrund dieser Liebe zum Verräter wird 1 . Wie oben bereits dargestellt, werden die Indianer in dem Drama erhöht und idealisiert. Arauco selbst erhält höchstes Lob, wenn Laupi in einer langen Rede die Geschichte des Landes erzählt 2 . Der überwiegende Teil der comedia bietet die Perspektive der Indianer. Diese sind auf den Betrug der Spanier hereingefallen, die sich den Araukanern gegenüber als Götter ausgegeben haben 3 . Es ist vor allem das lasterhafte Verhalten der Spanier, das die Indianer den Betrug allmählich durchschauen läßt. Die Spanier sind durchwegs negativ gezeichnet, vor allem die Conquistadores Valdivia und Francisco de Villagrán: Francisco de Villagrán [...] en vez de juntarse con los que sólo salieron

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Zu den Figuren vgl. Laferl 1992b: 169/170. Vgl. Turia 1915:524-526. Vgl. Turia 1915:528.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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de la Imperial para verse con Valdivia en cierto puesto, le fué a ver con vista aguda, aunque de cudicia ciego, sacar de unas minas suyas el rubio metal de Fcbo; y como el oro es imán, y el imán atrae el [hjierro, Valdivia, por ir al oro, cometió infinitos yerros (Turia 1915:538/539), berichtet Alvarado. Die Gier der Spanier nach Gold und Frauen wird von den Araukanern mehrfach beklagt. Die einzigen ehrenhaften Spanier sind Doña Mencia, die als Heldin nicht zu überzeugen vermag 1 , und ihr Gefahrte Pedro de Villagrán, der lächerlich und schwach wirkt". Beide paktieren mit Rengo, dem Verräter, und helfen damit "den 'Bösen' und schaffen ungerechte Zustände" (Laferl 1992b: 170). Trotz einer Marienerscheinung 3 kommt es zu keiner Konversion. Die Indianer sind erstaunt und erschrocken, Mission und Christianisierung sind jedoch keine Themen. Durch die Konzentration der Handlung auf die Verteidigung der Stadt Concepción, die Doña Mencia bewerkstelligt, wird ein größerer politischer Rahmen vermieden. So werden weder spanische Herrschaftsansprüche noch die Anbindung an das spanische Königshaus thematisiert 4 . Turia ging nicht so weit, die Indianer direkt Kritik an der Rechtmäßigkeit der Conquista üben zu lassen, auch wenn in der comedia eigentlich "die Ungerechtigkeit von Fremdherrschaft an den Pranger gestellt" (Laferl 1992b: 170) wird. Araucos Protest begründet sich vorrangig auf das negative und falsche Verhalten der Spanier. Allerdings klingt auf indirekte Weise doch eine weitergehende Kritik an. Es ist Guacolda, deren Leben parallel zum Schicksal Araucos verläuft. Sie ist es, die über die Freiheit sinniert, die sie für Lautaros Liebe aufgibt 5 . A m Ende der comedia, nach dem Sieg der Spanier und dem Tod Lautaros, wird Guacolda gegen ihren Willen mit Rengo verheiratet, geht damit ebenso wie das amerikanische Volk gezwungenermaßen eine ungewollte Allianz ein. So ist Guacoldas a / w / e - D r o h u n g : pues si hoy me caso contigo es a fin de darte muerte, vengando la de mi amigo (Turia 1915:559), durchaus als Hinweis zu verstehen, daß auch Arauco mit seinem Schicksal nicht zufrieden ist und weiterhin gegen Spanien kämpfen wird. Zumal sich am Ende der comedia keinerlei Bemerkungen zu einer möglichen Glaubensbekehrung oder zum 1

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Auch wenn in der spanischen comedia der Epoche starke Frauenfiguren durchaus üblich sind, bot Turia die Wahl einer Frauenfigur als Protagonistin doch die Möglichkeit, die spanische Seite geschwächt darzustellen. Vgl. z.B. Turia 1915:557. Vgl. Turia 1915:542/543. Mehr in den Bereich des Legendären verweist die Erwähnung des Westgotenkönigs Rodrigo. Vgl. Turia 1915:542. Vgl. Turia 1915:522.

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V. Zu den Funktionen der Texte

politischen Sieg finden. Mit Ricardo de Turias La bellígera española dürfte tatsächlich die einzige noch bekannte comedia der Epoche vorliegen, die in ihrer Gesamtheit und im Rahmen des Möglichen das Vorgehen der Spanier in Amerika kritisch hinterfragt. Am Ende von Andrés de Claramontes comedia El nuevo rey Gallinato, nachdem der Spanier Gallinato dem König von Cambox geholfen hat, Chile zu besiegen, hält Tipolda, Tochter des Königs von Cambox, eine bemerkenswerte Rede: Si éstos a España se van tan vitoriosos ansí, ambiciosos volverán; porque si llegan a España con riqueza tan extraña ellos u otros con codicia si de Cambox dan noticia emprenderán esta hazaña. [...] saltarán en Cambox bravos y harán con sus embelecos que al son de sus palos huecos todos quedemos esclavos (Claramonte 1983:277).

Gemeint sind damit die Spanier, auch wenn die Gruppierung nicht näher spezifiziert wird. Zwar hat Polipolo, König von Chile, die Spanier kurz zuvor noch als "dioses en forma de hombres" (Claramonte 1983:276) bezeichnet; dennoch liefert Tipolda ein sehr realistisches Bild der Eroberer, das in der comedia als gegeben betrachtet und nicht widerlegt wird. Gallinato, gegen jeglichen Verdacht erhaben 1 , soll in Cambox bleiben, damit in Spanien niemand von den Reichtümern des Landes erfährt. Noch bemerkenswerter ist jedoch, daß Gallinato tatsächlich bleibt. Sein einziger Vorbehalt, der Unglaube der Bewohner von Cambox, wird schnell ausgeräumt, da sofort alle Indianer bereit sind, den christlichen Glauben anzunehmen. Gallinato heiratet Tipolda und wird König von Cambox. Dies ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß im 16. Jahrhundert die spanische Krone verstärkt darum bemüht war, Autonomiebestrebungen einzelner Conquistadores zu unterbinden. Sie hatte sich vehement dagegen ausgesprochen, Cortés oder den Pizarros das Vizekönigtum zu übertragen 2 . Gallinato handelt somit gegen die Vorstellungen der realhistorischen Krone, auch wenn dies in der comedia verschwiegen wird. Dafür richtet er sich nach den Wünschen der Amerikaner, die Ausbeutung und Sklaverei furchten. In dieser comedia wird nicht staatliches Handeln legitimiert, sondern das Vorgehen Gallinatos, der sich ganz offensichtlich gegen die Vorgaben der Monarchie wendet. Er nimmt die Befugnisse eines Königs in Anspruch, wenn er Adelstitel 1

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Auch wenn die Opposition nicht so deutlich ausgeführt ist wie in anderen comedias, ist doch Gallinato der Aristokrat, ehrbar, gut und königstreu, während die einfachen Spanier nach Gold gieren und rauben. Wie z.B. Ona, der den Indianern mit einem Trick ihren Proviant raubt. Vgl. Claramonte 1983:216/217. Zu Vizekönigen wurden spanische Adlige bestimmt, deren Loyalität sich die Könige sicher sein konnten. Dabei wurden bewußt Personen bevorzugt, die keine Kenner des Landes waren.

D. Amerika

als Fiktion:

Drama,

Lyrik und

Roman

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verleiht'. Allerdings betont er seine weitere Loyalität als König gegenüber der Kirche und dem spanischen Herrscher: Di que obediente estaré al rey, mi señor Filipo, y que a la Iglesia daré del reino que participo la obediencia, feudo y fe (Claramonte 1983:286).

Gallinaio garantiert dem spanischen König auch die Tributzahlungen (parias) seiner Untertanen^. Die Glaubensangelegenheiten werden hier recht beiläufig erledigt. Erst gegen Ende des Dramas fordert Gallinaio die Bekehrung, die nach einer kurzen Rede vollbracht scheint 3 . Ähnlich wie in Turias comedia hatten die Indianer die Spanier für Götter gehalten 4 . Außergewöhnlich ist außerdem, daß die Bewohner von Cambox die Spanier um militärische Unterstützung bitten und ihnen dafür Gold anbieten (das Gallinaio, ehrbar wie er ist, natürlich nicht annimmt). Die dem Theaterstück inhärente Kritik an der Ausbeutung der spanischen Kolonien ist offen und eindeutig, sie wird zudem durch nichts widerlegt. Man könnte sogar durch das besondere Ende eine Kritik an der Haltung der spanischen Krone gegenüber den Conquistadores herauslesen, wie sie z.B. die comedias, die Cortés am spanischen Hof zeigen, kennzeichnet. Wahrscheinlich zur Abschwächung dieser Kritik hatte der Autor einen allzu direkten Bezug zur Historie gemieden und das Phantasieland Cambox kreiert. Die Kritik an der spanischen Position geht allerdings weitgehend unter in dem wenig ausgefeilten spektakelhaften Drama. Sie bestimmt nicht die gesamte Struktur wie in Turias La belligera española. Es ist sicher kein Zufall, daß der einzige hier herausragende fiktionale Text, der zumindest in einem Abschnitt eindeutig an die Kontroverse um die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungen anknüpft, keine comedia ist: Vicente Espinéis Marcos de Obregón. Hier kommt es zu keiner Missionierung, zu keiner Eroberung oder Landnahme 5 . Zwar wird die Überlegenheit der Spanier weiterhin festgeschrieben, wobei der Autor auf die bewährten Legitimationsprämissen des richtigen Glaubens und der größeren Klugheit zurückgreift . Gleichzeitig aber fordert der einheimische König in seiner Schrift das Recht auf Selbstbestimmung für sein Volk 7 . Der Autor knüpft hier eindeutig an Vitorias Rechtstitel an. Der Text Espinéis geht über die Ansätze von Kritik, wie sie die oben besprochenen comedias zeigen, weit hinaus. Nicht das Verhalten einzelner Personen wird kritisiert, auch nicht das eines ganzen Volkes. Vielmehr werden Rechtmäßigkeit und Sinn der Eroberung an sich in Frage gestellt. Da sich die Spanier den Forderungen

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Vgl. Claramonte 1983:283. Vgl. Claramonte 1983:280. Vgl. Claramonte 1983:282/283. Allerdings nutzen die Spanier in El nuevo rey Gallinato diesen Tatbestand offensichtlich nicht z u m Betrug im großen Stil wie in Turias La belligera española. Vgl. hierzu die Ausführungen auf den Seiten 381-384. Vgl. Espinel 1972:11,263. Vgl. Espinel 1972:11,267.

410

V. Zu den Funktionen der Texte

des einheimischen Herrschers fügen, wird ein Gegenbild zur realen Historie entworfen, mit dem der Autor Position zu beziehen scheint, auch wenn es letztendlich unklar bleibt, ob sich die Spanier aus wahrer Einsicht oder aus militärischer Notwendigkeit zurückziehen. Die riesenhaften Inselbewohner werden für ihr falsches Verhalten bestraft, da sie den Spaniern keine Reisefreiheit gewährten (ebenfalls ein Rechtstitel Vitorias), ihnen außerdem nicht halfen, als sie in Seenot auf der Insel anlegten, und sie sogar töten wollten. Im Vergleich zu den realen Völkern Hispanoamerikas kommen die Riesen mit ihren zerstörten Idolen und den geplünderten Lebensmittelvorräten jedoch glimpflich davon. Ähnlich wie Andrés de Claramonte schwächte Espinel die Heftigkeit seiner Aussage und Kritik, die zudem seiner Zeit weit voraus war', ab durch eine weitgehend phantastische Figurenzeichnung mit mythischen und Märchenelementen. Gerade diese ermöglichten dem Roman gegenüber der comedia ein kritisches Potential, das allerdings in bezug auf die Amerikadiskussion kaum genutzt wurde. *

Im Vergleich zu den oben besprochenen Genres ist für die rein fiktionalen Texte über Amerika der Aspekt der Informationsvergabe von äußerst geringer Bedeutung. Die diesbezügliche Untersuchung der Texte kommt zu dem Ergebnis, daß die comediasGedichte und Romanfragmente viel eher Wissen sogar voraussetzen. Sie appellieren an eine "memoria común", wobei sie häufig auf sterotype Erkennungsmerkmale und Episoden rekurrieren, die der damaligen Öffentlichkeit bekannt waren. Auf die jeglicher fiktionalen Literatur inhärente Funktion der Unterhaltung, die zwar in besonderem Maße für die comedia gilt, aber auch für Epen und Romanzen, wurde hier nicht eingegangen. Sie schwingt immer mit, wenn es um Fiktion geht und nicht um bloße Gebrauchstexte, ihr Intensitätsgrad schwankt und variiert nicht nur bei den verschiedenen Genres, sondern auch von Leser zu Leser. Von großer Bedeutung für die literarisch-fiktionale Literatur des Siglo de Oro ist der Aspekt der Panegyrik. Ein Teil der hier analysierten comedias ließ sich eindeutig als Auftragsarbeiten ausmachen, für andere ist dies zu vermuten. Kaum gesammelt, geschweige denn erforscht sind die Widmungsgedichte, mit denen ebenfalls panegyrische Zwecke verfolgt wurden. Wenngleich sie als Texte eher rhetorische Übungen sind als Meisterwerke, erlauben sie doch einen guten Einblick in das damalige literarische Leben. Bei beiden Genres bestimmt der Auftrag entscheidend den Inhalt des Präsentierten. Während in der Dichtung Amerika zumeist in formelhaften Versatzstücken evoziert wird oder die Anbindung über den gepriesenen Helden erfolgt, ermöglicht im Theaterstück nur eine Verfälschung der historischen Wahrheit die Heroisierung der spanischen Helden. Da grundlegende Untersuchungen fehlen, bietet die Panegyrik - und nicht nur die auf Amerika bezogene - noch ein weites Feld für die Betätigung der Literaturwissenschaft. Auch der Aspekt der Legitimation ist eng mit dem Genre verbunden. Es sind die Autoren der comedias, die sich im 17. Jahrhundert verstärkt dazu verpflichtet fühlen,

1

Vgl. Bader 1983:140/141.

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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die spanische Expansionspolitik gegen die Vorwürfe anderer europäischer Staaten zu verteidigen. Die Legitimationsstrategie ist traditionell und orientiert sich an den Anschuldigungen der europäischen Nationen. Da diese Vorwürfe teilweise in dramatische Handlung umgesetzt werden, entsteht der (oberflächliche) Eindruck einer Kritik am spanischen Vorgehen. Bei genauer Betrachtung muß man jedoch erkennen, daß diese Kritik im nachhinein abgeschwächt und der Gegenstand des Protestes letztendlich legitimiert wird. Eine andere Art von Kritik, moralistisch-philosophische Anklagen allgemeiner Natur gegen die menschliche Habgier, verbunden mit einer aktuellen Variante, liefert die Lyrik, wobei es sich hier um aktuelle Exempla traditioneller Topoi handelt. Tatsächlich fundierte Kritik am spanischen Vorgehen dagegen findet sich nur vereinzelt, zusätzlich verdeckt durch phantasievolle Abänderungen. Hier ragt ein Fragment aus Vicente Espinels Marcos de Obregön heraus, das als einziger bekannter fiktionaler Text die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungen klar und deutlich in Frage stellt.

412

VI. Ergebnisse

VI. Ergebnisse Die Produktionssituation der Autoren der literarisch-fiktionalen Texte unterscheidet sich wesentlich von den Bedingungen, unter denen die Verfasser anderer Textsorten zur amerikanischen Thematik ihre Werke anfertigten. Es bestehen keine referentiellen Leerstellen mehr, und auf keinen Fall rekurrieren die Schriftsteller auf eigene Erfahrungen. Die Berufsautoren wählen Amerika als Stoff, so wie sie sich sonst für andere Inhalte und Themen für ihre Werke entscheiden. Nicht mehr persönliches Anliegen und Erlebnis bestimmt somit die Textproduktion, sondern der Beruf. Da die Mehrzahl der hier verhandelten Texte im 17. Jahrhundert verfaßt wurde, somit zur späteren Phase der Amerikarezeption zu rechnen ist, stand den Autoren mehr Informationsmaterial zur Verfugung, das allerdings aufgrund zensorischer Maßnahmen und des von höchster Stelle verordneten Schweigens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entweder eine ausschließlich offizielle Linie vertrat oder zu den weniger bedeutenden relaciones gehörte, die unkontrolliert und in Massen produziert und verteilt wurden. Wahrscheinlich zirkulierte eine Vielzahl uns heute unbekannter Texte in Manuskriptform am Hof und in den ihm verbundenen Kreisen. Der Informationswert dieser Werke ist anzuzweifeln, so wie auch insgesamt der Kenntnisstand über amerikanische Angelegenheiten in Spanien vorrangig von stereotypen Vorstellungen bestimmt wurde, wie sie z.B. die frühen Holzschnitte boten, in ihrer idealisierten Form dann die Romanzen der Araucana. Diese auf Vor-Urteilen basierenden Präsentationen reduzierten indianisches Sein auf wenige gängige Merkmale und standen einer weitergehenden Wissensaneignung im Weg. So daß die literarisch-fiktionale Auseinandersetzung mit amerikanischen Angelegenheiten vor allem in dieser späten Phase der Rezeption, trotz vermehrten Materials und einer größeren Distanz zu den Ereignissen, gekennzeichnet war von einer großen Unkenntnis der Autoren. Der spezielle soziokulturelle Kontext der Epoche beließ die Berufsautoren weiterhin in extremer Abhängigkeit von Hof und/oder Kirche, so daß viele, darunter auch bekannte und hochgeschätzte Autoren wie Lope de Vega, auf ständiger Suche nach Mäzenen und Aufträgen waren. So mag es kaum verwundern, daß es sich bei einem großen Teil der literarisch-fiktionalen Texte zu Amerika um Auftragsarbeiten handelt. Dies gilt vor allem für die comedias, während die Lyrik das Widmungsgedicht kennt, das zwar oft aus freien Stücken verfaßt wird, jedoch verbunden mit der Hoffnung, eine bestimmte Gunst zu erhalten. Der panegyrische Aspekt, der bereits für die oben bearbeiteten Epen festgestellt wurde und in Ansätzen auch einen Teil der historiographischen Literatur betraf, sollte auch im Bereich der fiktionalen Dichtung nachhaltig Inhalt und Form des Dargestellten bestimmen. Die Aspekte Amerikas, die als einzige bei der spanischen Bevölkerung auf eine gewisse Resonanz stießen, Religion und Gold, dominieren auch in der literarisch-fiktionalen textuellen Variante. Auf vielfache Weise, vor allem in unzähligen Anspielungen wird in der Literatur der Reichtum aus den "Indias" evoziert, der in einer speziellen Ausgestaltung dann vor allem die lyrischen Texte beschäftigen sollte. Den "ungläubigen Wilden", die es zu missionieren gilt, widmete sich die Dramenproduktion. Waren bei den Epen die Textvarianten das Ergebnis einer Orientierung an der Gattung, die jedoch durch die dominierenden Amerikaerlebnisse der Autoren auf besondere Weise umgestaltet wurde, so daß man von einem eigenen Subgenre sprechen kann, unterliegt die Thematik 'Amerika' bei den literarisch-fiktionalen Texten

D. Amerika als Fiktion: Drama, Lyrik und Roman

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den strengen V o r g a b e n der Genres, außerdem der speziellen historisch-politischen Situation. Bei der comedia handelt es sich um eine vergleichsweise j u n g e Gattung, die zunächst in den corrales, später dann auf den Palastbühnen e n o r m e T r i u m p h e feiern konnte. N e b e n d e m stark ausgeprägten Unterhaltungscharakter und den weitreichenden Zugeständnissen an das Publikum, die den Autoren den Erfolg sichern sollten, oblag der comedia ein besonderer gesellschaftlicher Auftrag. Galt sie d o c h als Volkstheater, das nicht nur verschiedene Stände auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum z u s a m m e n b r a c h t e . Dabei k a m der comedia eine einigende Funktion zu, die j e d o c h weiterhin die herrschende Adelsideologie transponierte und den unterprivilegierten Schichten ihren angestammten Platz innerhalb der Gesellschaft zuwies. Die comedia wandte sich verstärkt historischen Inhalten zu, auch aktuellen. Da es sich bei der A m e r i k a - T h e m a t i k j e d o c h u m ein besonders heikles, unbeliebtes, nachgerade gefährliches T h e m a handelte, m a g es k a u m verwundern, daß ein Teil der D r a m e n als Auftragsarbeiten ausgemacht werden konnte, während bei fast allen übrigen D r a m e n der panegyrische Auftrag zumindest zu vermuten ist. So kennt die comedia im Gegensatz z u m Epos den spanischen Conquistador als Helden, allerdings ist seine glorifizierende Präsentation von den N a c h f a h r e n erkauft, m u ß z u d e m die überlieferte Historie in den meisten Fällen arg verdreht werden, u m ein einigermaßen passables Heldenbild zu erlangen. Personal und T h e m e n f u h r u n g unterliegen nahezu ausnahmslos den A n f o r d e r u n gen des Genres. So finden sich die Indianer stark hispanisiert und trotz einer gewissen Bandbreite ihrer Präsentation d e m christlichen Weltbild verpflichtet, das sie in j e d e m Fall den "wahren" Glauben akzeptieren läßt. T h e m e n und Verhaltensweisen, die der systemstabilisierenden Funktion des spanischen Theaters des Siglo de Oro zuwiderlaufen könnten, wurden ausgeschlossen. Darüber hinaus "zwangen" Gattung und historisch-politische Situation die Autoren, die amerikanische T h e m e n auf die B ü h n e brachten, zu einer Stellungnahme, die das spanische V o r g e h e n in Amerika legitimierte, was vorrangig über die heilsgeschichtliche A n b i n d u n g erfolgte. Diesen Theaterstücken oblag eine didaktisch unterweisende K o m p o n e n t e , die auch einigen autos sacramentales eignete, die A m e r i k a in ihre allegorischen Ausgestaltungen christlicher Glaubensweisheiten integrierten. Die Präsentation spanischer Heldentaten diente d e m Evozieren einer nationalen Größe auf der Bühne, die im realen Spanien des 17. Jahrhunderts nicht m e h r bestand. D a ß d e n n o c h auch kritische Positionen auf der B ü h n e vertreten werden konnten, wenngleich abgesichert durch bestimmte V o r s i c h t s m a ß n a h m e n ( A n o n y mität, Einbindung in ein eher phantastisches Ambiente), ist der Vielfalt zu verdanken, die ebenfalls charakteristisches M e r k m a l der damaligen D r a m e n p r o d u k t i o n w a r und die eine ausschließlich konformistische Ausrichtung der comedia ohne W i d e r sprüchlichkeit zu verhindern half. Gattungsübergreifend scheint die moralistisch orientierte spanische Auseinandersetzung mit Amerika, die den schädlichen Charakter des Goldes hervorhebt und A m e r i k a als Lieferantin dieses Goldes als schuldig erklärt. Finden sich hierzu doch Beispiele im Theater, vor allem über die Figur des indiano, in Prosatexten und in der politischen Traktatliteratur. Bei den literarisch-fiktionalen Genres ist es j e d o c h vor allem die Lyrik, die sich dieser Thematik annimmt.

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VI. Ergebnisse

Die Gedichte knüpfen hierbei an eine literarische Tradition an, die bis in die Antike zurückreicht, und aktualisieren diese durch realhistorische Exempla, die gleichzeitig auf damals gängige Amerika-Diskurse verweisen. So oszilliert diese Lyrik, die mit der menschlichen Habgier zugleich den Goldhunger der Conquistadores anzuprangern scheint, zwischen allgemeiner Belehrung und Kritik an realhistorischen Zuständen. Doch auch die Lyrik bezieht Position für Spanien, wenn es darum geht, spanische Interessen gegen Angriffe der anderen europäischen Staaten zu verteidigen. Dort wird dann metaphernreich der Verlust des Goldes beklagt, das andere Länder abschöpfen und dessen schädliche Wirkung die gleichen Autoren in anderen Gedichten anprangerten. Wie im Fall der comedia impliziert auch hier das Thema 'Amerika' eine politische Stellungnahme. Erstaunlich ist das Fehlen einer Thematisierung amerikanischer Belange in der flktionalen Prosa. Lediglich sprachliche Anspielungen auf den Reichtum von "las Indias" und indianos fanden Aufnahme in Romane und Kurzgeschichten, außerdem liegen uns zwei Romanfragmente vor, die von Amerika berichten. Bei einem der beiden Fragmente, einem Ausschnitt aus Vicente Espinels Marcos de Obregön, handelt es sich allerdings um den einzigen uns erhaltenen spanischen Text der Epoche, der die Rechtmäßigkeit der spanischen Eroberungen radikal in Frage stellt (eine Position, die wir bei las Casas beispielsweise vergeblich suchen). Eines der Ergebnisse der Untersuchungen zu den flktionalen Texten über Amerika ist die enorme Zweckgerichtetheit der Diskurse, die den Autor nie beim Stoff verweilen oder ihn diesen gestalten läßt, ohne zuvorderst einer Funktion zu gehorchen. So liegt einem Teil der comedias ein Auftrag von Personen zugrunde, die mit verfälschter historischer Darstellung das beschädigte Image eines Ahnherrn wiederherstellen möchten. Die wenigen Indianer auf den Bühnen des Siglo de Oro dienen vornehmlich dazu, die Amerikapolitik Spaniens zu legitimieren oder die integrative Kraft des christlichen Glaubens zu demonstrieren. Die dargestellte Wirklichkeit ist im Fall der Lyrik vorrangig der traditionellen Topik verpflichtet, die durch Exempla aktualisiert wird. Traditionsreiche Versatzstücke begründen die Umsetzung politischer Thesen in Poesie. In der comedia ist es die Orientierung an den außerliterarischen stereotypen Vorstellungen in Verbindung mit dem Rückgriff auf eine mittelalterliche Tradition, die amerikanische Realitäten fiktionalisiert. Der Bezug zur Wirklichkeit, der im Epos noch einen großen Teil des Gehalts bestimmen sollte, wird in der literarisch-fiktionalen Literatur ersetzt durch die Zweckgerichtetheit des jeweiligen Textes. Der Wahrheitsanspruch ist längst aufgegeben, dafür wird eine bestmögliche Präsentation gefordert, u m die gewünschte Funktion zu erzielen. Diese Feststellung fügt sich ein in die damals noch vorherrschende Konzeption von Dichtung, die weder an der Wirklichkeit orientiert verfahrt, noch ein Originalitätspostulat vertritt. Vielmehr werden traditionelle Versatzstücke optimal gestaltet. Weder Lyrik noch Drama verweisen auf das Neue, nie Gesehene. Die Zweckrationalität der literarisch-fiktionalen Diskurse korreliert mit der Tatsache, daß es in diesen Texten nie wirklich um Amerika geht, das lediglich als Kulisse für spanische Angelegenheiten dienlich ist. Ob als Dekor für das Unterhaltungsspektakel der comedia de capa y espada, zur Demonstration der Übermacht des christlichen Glaubens oder auch zur Versinnbildlichung der Thesen Vitorias - es dominieren die spanischen Diskurse über spanische Inhalte, für die Amerika lediglich ein exotisches Exemplum ist.

E. Schlußbetrachtung

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E. SCHLUßBETRACHTUNG La poesia, puente colgante entre historia y verdad Octavio Paz

1. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war eine aus theoretischen Vorüberlegungen resultierende Skala, die die spanische historiographische und fiktionale Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, die Amerika thematisiert, gemäß ihres Fiktionsgehalts kategorisiert. Die auf diese Weise aufgestellten Gruppierungen verschiedener literarischer Textsorten wurden zum Gegenstand der einzelnen Teile der Studie, wobei es das jeweilige Amerikabild zu untersuchen galt. Die beiden historiographischen Kategorien wurden integriert in eine umfassende Betrachtung des Informationsprozesses über Amerika und der Rezeption amerikanischer Angelegenheiten im zeitgenössischen Spanien (B. III). Diese Darlegungen dienten dazu, ein Gesamtpanorama der Akzeptanz Amerikas in Spanien zu erstellen; gleichzeitig sollte ausreichend Hintergrundinformation geliefert werden, um die im folgenden erarbeiteten Produktionsprozesse von fiktionaler Literatur über Amerika besser nachvollziehen und in einen gesamtgesellschaftlichen Prozeß einordnen zu können. Die Informationsvermittlung über Amerika unterlag bereits früh einer strengen königlichen Kontrolle. Dies führte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufgrund innen- wie außenpolitischer Konflikte zur Verordnung eines nahezu völligen Schweigens über Amerika, was die Publikationen betraf. Das in enormen Mengen gesammelte Informationsmaterial über die Kolonien wurde in Geheimschränken verwahrt und der Öffentlichkeit vorenthalten. Bereits die ersten Zeugnisse der Wahrnehmung des indianischen Fremden lassen die Projektion europäischer Wünsche und Ängste erkennen, verbunden mit einem zweckrationalen Interesse. So wird Amerika zum utopischen Ort, zum irdischen Paradies, gleichzeitig aber auch zum Ort der Verdammnis, zur Wohnstätte Satans auf Erden. Diese Berichterstattung führte in Verbindung mit einem noch traditionellen Informationswesen, das mündliche und auch visuelle Kanäle favorisierte, zu Amerikabildern, die die Unkenntnis über amerikanische Kulturen und stereotype Vorstellungen fortschrieben. Der durchschnittliche Rezipient amerikanischer Phänomene hatte keinerlei Möglichkeit, sich den vorgefertigten Bildern zu entziehen und zu anderen Bewertungen zu gelangen. Die damalige schriftliche Information über Amerika erscheint uns heute in hohem Maße fiktionalisiert, was neben den bereits genannten intentioneilen und ideologischen Gründen vor allem auf die Vorstellungswelt der damaligen Menschen zurückzufuhren ist', die nicht rational geschult zwischen Wirklichkeit und Phantasiewelt zu unterscheiden vermochten, so daß sich Reminiszenzen antiker Mythen und Märchen ohne weiteres mit realistischen historischen Schilderungen vermengten. Eine an Verkaufsstrategien ausgerichtete Editionspolitik, die einem an Ritter- und Schäferromanen orientierten Lesepublikum Sensationen bieten wollte, bewirkte ein übriges. 1

V g l . hierzu auch die Darlegungen von Norbert Elias über den zivilisatorischen P r o z e ß zu

Beginn der Neuzeit. Vgl. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. tische undpsychogenetische Untersuchungen. 2 Bände, Frankfurt a.M. 2 1976.

Soziogene-

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I. Zusammenfassung der wichtigsten

Ergebnisse

In den Jahrzehnten nach den ersten Amerikafahrten und Eroberungen begegneten zumindest die humanistisch gebildeten Kreise Amerika und seinen Bewohnern mit Neugier und Wohlwollen; zudem wurde der Kontinent für viele Spanier zum Projektionsort ihrer verschiedenen Wünsche. Erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Amerika zunehmend negativ besetzt. Die Offenheit zu Beginn der Beziehung zwischen Amerika und Spanien, die las Casas einen großen Einfluß am spanischen Hof gewährte und eine intensiv geführte Diskussion um das "Menschsein" der Indianer und die Bedingungen der Mission ermöglichte, ist in enger Verbindung zu sehen mit den Auswirkungen von Renaissance und Humanismus, wohingegen das allmähliche Verschließen vor dem Fremden und das daraus resultierende negative Amerikabild mit den Prämissen von Gegenreformation und Barock korrelierte. Das 17. Jahrhundert war die Zeit, in der die negativen Amerikadiskurse dominierten. Die Inferiorität der amerikanischen Ureinwohner war festgeschrieben. Amerika wurde zur verpönten Peinlichkeit, das für all das zu stehen schien, was der traditionelle Adelskodex ablehnte: Galten doch Eroberung, Besiedlung und auch der Handel mit den Kolonien als Unternehmen der "kleinen Leute", die Geschäfte betrieben und Profite erzielten, so daß sich ein "neureicher" Geldadel herausbildete; außerdem sorgte das gewalttätige Vorgehen der Conquistadores in Amerika für einen schlechten R u f Spaniens bei seinen europäischen Nachbarn. Religion und Gold waren die einzigen Aspekte Amerikas, die eine breitere Öffentlichkeit interessierten, und so sollten sie auch die wichtigsten Amerikadiskurse bestimmen. Während der religiöse Aspekt jedoch mit der Kontroverse von Valladolid als erledigt erschien, machte die moralistische Literatur in der Folgezeit Amerika und seine Goldvorkommen zunehmend als Ursache allen spanischen Übels aus. Guevaras frühe Klage gegen das falsche Vorgehen der Eroberer war einem Diskurs gewichen, der den Conquistador als Opfer des schädlichen Einflusses des neuen Kontinents bedauerte. Ein Erkennen des anderen in seiner Eigenheit war nur sehr wenigen spanischen Amerikareisenden möglich, die engen Kontakt zu den fremden Kulturen unterhielten, deren Schriften aber nicht zu ihrer Zeit veröffentlicht wurden. Infolgedessen blieb der spanischen Bevölkerung nur die stereotype Vorstellung des amerikanischen Indianers, die Ablehnung oder Gleichgültigkeit hervorrief. Diese Gleichgültigkeit sollte sich vor allem auf dem kulturellen Sektor bemerkbar machen: So war Amerika in der Festkultur unterrepräsentiert, und auch die bildende Kunst reagierte auf amerikanische Phänomene weitgehend mit Nichtbeachtung. Amerika war in jedem Fall in Spanien nur eine Marginalie im kulturellen Diskurs der Epoche. Die folgende Untersuchung galt der Rezeption amerikanischer Inhalte in der fiktionalen Literatur des Siglo de Oro. Ein erster Teil (C) widmete sich den hybriden fiktional-historiographischen Gattungen der Epen und Romanzen. Während einige der Texte eher historiographisch ausgerichtet waren, orientierten sich andere verstärkt an literarisch-fiktionalen Vorgaben. Bei einem Großteil der Epen handelt es sich um Augenzeugenberichte, in denen an den Ereignissen direkt Beteiligte eigenes Erleben schildern, wobei der Anteil der autobiographischen Passagen variiert. Tatsächlich scheint es in diesen Werken vorrangig um eine realistische Darstellung Amerikas und der damaligen Ereignisse zu gehen. Allerdings gehorchten die Texte zusätzlichen Zielen, wie der panegyrischen Lobpreisung oder der Legitimation. Trotz des dominanten historiographischen Gehalts der Werke verfolgten ihre

E.

Schlußbetrachtung

417

Verfasser - Soldaten, Missionare und sonstige Amerikareisende - , die sich als Gelegenheitsautoren betätigten, auch künstlerische Ambitionen, die sie das traditionsreiche Genre des Epos mit seiner nicht ganz einfach zu bewältigenden metrischen Struktur für ihren informationsreichen Bericht wählen ließen und nicht die einfachere Prosaform der historicis und relaciones. In dieser Gruppierung der historiographisch-fiktionalen Gattungen ist noch am ehesten eine Alteritätserfahrung der Autoren zu erkennen. Dies gilt jedoch nur für die Spanier, die über einen längeren Zeitraum engen Kontakt zu einheimischen Amerikanern unterhielten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Missionar Escobedo, der zwar weiterhin seinem eigenen Normensystem eng verbunden bleibt, aber dennoch mit nahezu ethnologischem Blick die Charakteristika der anderen Kultur erkennt und beschreibt, auch wenn er sie dann im Vergleich zu seiner eigenen Tradition ablehnt. Die Distanz zu Spanien und das Erleben neuer, fremder Realitäten führte offensichtlich zu einer erhöhten Bereitschaft und Fähigkeit, das Andere zu erkennen und in seiner Eigenschaft zu akzeptieren, denn gerade in den Epen begegnen die Augenzeugen ihren Gegnern, Indianern wie Piraten, zum Teil mit Sympathie. Dieser Sachverhalt soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch in den Epen eine ausschließlich und dezidiert spanische Perspektive vertreten wird. Die größere Anzahl der Epen und Romanzen kennzeichnet ihr ausgeprägter Bezug auf literarische Traditionen. Gerade das traditionsreiche Genre des Epos bot eine Vielzahl an exemplarischen Motiven, Themen, Strukturelementen, Handlungssequenzen, Charakterzeichnungen usw., die auf verschiedene Weise von den Autoren adaptiert wurden. Die spanischen Hofschriftsteller, die niemals amerikanischen Boden betraten, mußten auf literarische Quellen, vornehmlich der antiken und italienischen Epentradition, zurückgreifen. Aber auch jene Autoren, deren Epen auf eigenem Erleben beruhten, bedienten sich dieser Quellen, so daß angesichts einer vorrangig fiktionalliterarischen Gestaltung der referierten Geschichte der autobiographische Gehalt in den Hintergrund tritt. Viel Literatur, wenig Historie, mag das verkürzt auf einen Nenner gebrachte Ergebnis der Untersuchungen zu Ercillas Araucana lauten, und damit zum größeren und vor allem bekannteren Teil dieser Art von Literatur. Zwar ist der konkrete Auftrag nicht in j e d e m Fall nachweisbar; dennoch gehorchen die meisten Epen panegyrischen Ansprüchen. Die vorrangige Funktion dieser Texte liegt im Bereich der Lobrede für eine bestimmte Person, auch wenn gleichzeitig mit der Darstellung ein Anliegen verbunden ist, das in Amerika begründet liegt. So ist Ercillas Araucana in erster Linie ein Lobgedicht auf Felipe II., mit dem der Autor sich Vorteile materieller und ideeller Art erhofft, gleichzeitig geht es Ercilla aber auch um eine Hervorhebung des heldenhaften Verhaltens der Araukaner. Der Informationscharakter, der vorrangig die Epen und Romanzen der historiographischen Ausrichtung kennzeichnete, spielt hier eine eindeutig untergeordnete Rolle. Eine ebenfalls dominante literarische Tradition läßt sich für Rosas de Oquendos Kunstromanzen feststellen, die ein kritisches Bild der hispanoamerikanischen Kolonialgesellschaft liefern und damit einen Gegenentwurf zu frühen utopischen Ideen über Amerika. Die spanischen Epen der amerikanischen Thematik können aufgrund ihrer einheitlichen Charakteristika als eigenständiges Subgenre der spanischen Epik verstanden werden, dessen hybrider Charakter sich zwischen Historie und Dichtung be-

418

1. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

wegt, wobei eine Annäherang an die Historiographie zu verzeichnen ist, auch wenn es zu keiner Grenzüberschreitung kommt. Dabei wird aktuelles historisches Geschehen vermittelt, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Textes bisweilen noch nicht abgeschlossen war. Vor allem die Werke der Autoren, die als Augenzeugen an den dargestellten historischen Prozessen und Ereignissen beteiligt waren, verzichteten auf die traditionelle neutrale Erzählerfigur und integrierten statt dessen ein autobiographisches Ich in die Gesänge. Diese strukturelle Eigenheit hatte Auswirkungen auf die (von den klassischen Formen geforderte) Objektivität der Erzählung und den Wahrheitsgehalt und ging einher mit dem Fehlen einer traditionellen Heidenfigur. Obgleich sich die spanischen Hofautoren weniger von den antiken und italienischen Vorbildern der Epen entfernten als die Amerikareisenden, so sind doch auch ihre Werke einer neu zu konstituierenden Subgattung von Amerika-Epen zuzurechnen, zumal sie alle über aktuelles historisches Geschehen berichten und in anderen Aspekten ebenfalls innovativ verfuhren (wie z.B. Lope de Vegas Konzept des AntiHelden zeigt). Während im Bereich des Epos die amerikanische Thematik eine eigene Subgattung zu etablieren vermochte und somit eine größere Anzahl epischer Texte über Amerika vorliegt, ist bei den rein fiktionalen Gattungen (Drama, Lyrik, Narrativik), die in Teil D behandelt wurden, Amerika als Thema und Motiv nur noch als Marginalie auszumachen, die sich vorrangig in Anspielungen zum sagenhaften Reichtum der Kolonien erschöpft. Allerdings ist Amerika inzwischen ein historischer Stoff wie andere auch, den nicht mehr der Bezug auf eine referentielle Leerstelle kennzeichnet und mit dem keine persönlichen Erlebnisse mehr verbunden werden. Da die meisten Texte aus dem 17. Jahrhundert stammen, ist der neue Kontinent mit seinen besonderen Lebensbedingungen bereits in verschiedene Diskurse und Positionen integriert, so daß inzwischen auf eine - wenngleich bescheidene - literarische Amerikatradition zurückgegriffen werden kann. Vor allem in der Araucana fanden die Autoren eine bereits fiktional verarbeitete literarische Ausgestaltung eines Amerikastoffes vor, der zum Vorbildtext par excellence avancierte. Wie die Untersuchung der fiktionalen Literatur deutlich zeigte, bestimmte die Wahl des Genres die entsprechende Ausgestaltung der Thematik. Damit dominierte die literarische Tradition, die sich - anders als bei den Epen - den Stoff unterwarf, so daß Amerika vornehmlich als Kulisse oder Exemplum fungierte und dabei ausschließlich spanischen Diskursen verpflichtet war. Im Gegensatz zu den historiographischen und fiktional-historiographischen Texten spielt hier die Informationsvergabe keine Rolle mehr, es wird vielmehr vorhandenes Wissen über Amerika vorausgesetzt und an eine memoria comün (Juan Goytisolo) appelliert1. Die noch relativ junge Gattung der comedia konzentrierte sich bei der Thematisierung amerikanischer Realitäten auf die spanischen Eroberungen, wobei vor allem die Indianerfiguren und die religiöse Problematik interessierten. Beides gehorchte den strengen Anforderungen der Gattung, die Indianer als spanische caballeros und damas auf die Bühne brachten, die sich nur durch wenige stereotype Merkmale vom übrigen Personal der Dramen unterschieden. Wenngleich die Indianer der comedias 1

D i e s e F u n k t i o n ü b e r n a h m e n t e i l w e i s e die stereotypen Präsentationen. S o b e i s p i e l s w e i s e F e d e r n den " I n d i a n e r " .

signalisierten

E.

ScMußbetrachtung

419

auf das traditionelle Vorbild des "wilden Mannes" rekurrierten, verlangte das Genre doch deren Integration in das christliche Weltgefiige, das sie in jedem Fall den christlichen Glauben annehmen ließ. Während die Indianerfiguren im Drama des Siglo de Oro durch eine extreme Hispanisierung den Spaniern gleichgemacht werden, so daß das Andere weitgehend vermieden wird, erfolgt gleichzeitig die Festschreibung der paternalistischen Haltung Spaniens, die zur szenischen Gestaltung der Inferiorität des anderen fuhrt. Die Legitimierung des spanischen Vorgehens in Amerika bewerkstelligte in der comedia vor allem die heilsgeschichtliche Anbindung des Kontinents an europäische Glaubensvorstellungen. Die einigen comedias inhärenten Allegorien und die autos sacramentales garantierten die heilsgeschichtliche Integration Amerikas in die christliche Weltsicht. Diese Texte bzw. Textpassagen innerhalb der comedias verfolgten eine eindeutig didaktische Funktion, wie sie allgemein den autos sacramentales eignet. Gleichzeitig erfolgte die Legitimierung des spanischen Vorgehens auch auf einer politischen Ebene. Die comedias verherrlichen auf der Bühne nationale Großtaten eines Imperiums, das im 17. Jahrhundert nicht mehr in seiner Größe bestand. Diese Legitimierungsstrategien bestätigen erneut die systemintegrierende Funktion der comedia. Mit ihren Dramen bezogen die Dramaturgen Position gegenüber den Vorwürfen anderer europäischer Staaten, die die aggressive expansionistische Amerikapolitik Spaniens kritisierten. Offensichtlich war mit dem Thematisieren amerikanischer Inhalte notwendigerweise eine politische Stellungnahme verbunden, der sich nur wenige Autoren entziehen konnten und/oder wollten. Wie die Epen kam auch ein Teil der comedias zur Amerikathematik panegyrischen Zwecken nach, wobei in einigen Fällen konkrete Aufträge nachgewiesen werden konnten, die die Familien von Eroberern, deren Ansehen durch eigenes Verschulden oder literarische Kampagnen (Ercilla) Schaden genommen hatte, an namhafte Dramaturgen vergaben. Mit dem Ziel der Laudatio und der Verherrlichung der entsprechenden historischen Persönlichkeit wird dabei - je nach der "Problematik" des Falls - Geschichte verzerrt und verändert, Perspektiven werden neu eingestellt, und im Notfall, wenn es gar nicht gelingen will, durch bloße Veränderungen den erwünschten positiven Effekt zu erzielen, wird die Geschichte eben neu geschrieben (Tirso de Molina). Nur wenige Amerikabilder finden sich in der Lyrik, die verstärkt auf die literarische Tradition zurückgriff. Neben kaum aussagekräftigen panegyrischen Widmungsgedichten, die formelhaft Conquistadores oder Vizekönige umschmeicheln, findet sich eine Reihe von Gedichten, die Positionen der politischen und satirischen Traktatliteratur aufgriffen und metaphorisch umsetzten. Diese lyrische Dichtung über den schädlichen Charakter von Seefahrt und Reichtum verband eine traditionelle Topik mit aktuellen politischen und moralistischen Diskursen, die sie mit Beispielen der Zeitgeschichte anreicherte. Dabei wurde Amerika zum Exemplum für eine allgemeine Klage gegen die menschliche Habgier, womit jedoch gleichzeitig politisch-historisch Stellung bezogen wurde. In einem weiteren Schritt machten die Autoren lyrischer Gedichte dann Amerika mit seinen Goldvorkommen als Schadensverursacher des spanischen Niedergangs aus. Damit trägt die Lyrik dem allgemeinen öffentlichen Diskurs Rechnung, der Amerika im 17. Jahrhundert ausschließlich negativ konnotierte. So erklärt es sich auch, daß utopi-

420

2. Von der Kundgabe

zu Legitimation

und

Exemplum

sches Gedankengut nur in der Form der christlichen Jenseitsutopie Eingang in die spanische fiktionale Literatur der Epoche fand. Kritische Positionen, die an die intensiven Debatten und Kontroversen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts anknüpfen, finden sich kaum in der fiktionalen Literatur des Siglo de Oro, wobei es hier den politisch-gesellschaftlichen Kontext zu beachten gilt. Daß kritische Stellungnahmen bezüglich der spanischen Amerikapolitik nicht ungefährlich waren, beweisen die Vorsichtsmaßnahmen der wenigen Autoren, die kritische Passagen in ihre comedias integrierten. Letztendlich liegt mit Vicente Espinels Schelmenroman Marcos de Obregön der einzige literarisch-fiktionale Text vor, der zunächst in einem Ausschnitt in Anlehnung an die Thesen Vitorias die Rechtmäßigkeit der spanischen Usurpationen in Frage stellt. Zwar wird auch hier die Inferiorität der fremden Riesen hervorgehoben, die dem falschen Glauben angehören, dennoch wird den Einheimischen - einmalig in der spanischen Literatur der Epoche - ein Recht auf Selbstbestimmung zugestanden. Durch das Schaffen einer phantastischen Umgebung in seinem Romanfragment, dem ein kritischer realpolitischer Bezug nicht ohne weiteres nachgewiesen werden konnte, wußte sich Espinel vor zensorischen Maßnahmen zu schützen. Die Ausfuhrungen der einzelnen Kapitel zeigen deutlich, wie stark die verschiedenen Gattungen die jeweilige Ausgestaltung der amerikanischen Thematik und deren Funktionen bestimmten. So findet sich die eingangs erarbeitete Skala, die die verschiedenen Genres der spanischen Literatur über Amerika gemäß ihrem Fiktionsgehalt kategorisiert, bestätigt. Lyrik, Dramatik und Narrativik verfügten über den höchsten Fiktionsgehalt, wo Amerika zu Kulisse und Exemplum mutiert und im übrigen die literarische Tradition vorherrscht. Während ein Teil der Epen und Romanzen in Richtung Fiktion tendiert, orientiert sich der andere mehr an der historiographischen Literatur. Trotzdem kommt es bei der historiographisch-fiktionalen Literatur zu keiner Grenzüberschreitung, womit auch die oben angeführten Kriterien der Abgrenzung von fiktionaler Literatur und Historiographie eine Bestätigung erfahren.

2. Von der Kundgabe zu Legitimation und Exemplum In jedem Fall überrascht die deutliche Zweckgerichtetheit der literarischen Diskurse, die Amerika thematisieren. Diese ist im Kontext der damaligen Zeit zu sehen, die weder den autonomen freischaffenden Künstler kannte, noch das autonome Kunstwerk. War es doch eigentlich erst die Forderung des 20. Jahrhunderts, das Kunstwerk durch Ästhetisierung der Funktionalität zu entziehen: Adorno sah die 'Negation objektiv verpflichtenden Sinns' als Inbegriff des emanzipatorischen Potentials moderner Kunst. In ihr sollten die traditionellen Normen, Konventionen, Sinnsynthesen und Lebensformen [...], in denen der aufklärerische Geist Unreflektiertes, Unlegitimiertes und Gewaltsames entdeckte, in Frage gestellt werden, indem das Kunstwerk vermöge seines ästhetischen Charakters sich der Funktional isierung entzog. 1

1

Hans-Peter Rodenberg, Der imaginierte Indianer. Zur Dynamik von Kulturkonßikt und Vergesellschaftung des Fremden (Frankfurt a.M. 1994), 359. Rodenberg bezieht sich auf A. Wellmer, Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne. Vernunftkritik nach Adorno, Frankfurt a.M. 1985.

E.

Schlußbetrachtung

421

Darüber hinaus war das Thema 'Amerika' von vornherein mit einer politischen Normativität besetzt, die Stellungnahmen erforderte. Als heikles und fiir die Autoren nicht ungefährliches Thema wurde es zudem oft nur bemüht, wenn ein konkreter Auftrag vorlag. Es sind die herausragenden Werke einer Epoche, denen es gelingt, eine wie auch immer gelagerte Funktionalität zu überwinden. Nicht offensichtlich auf einen Zweck ausgerichtete Texte ragen in ihrer pluralen Lesbarkeit aus der damaligen Literaturproduktion heraus und lassen durch ihre vielfaltige Sinngebung zumindest heute eine wahrscheinlich trotzdem bestehende dominante Funktionsweise vergessen. Bei einem Theaterstück wie Calderóns La vida es sueño z.B. tritt die Frage nach einem eventuellen Auftrag oder einer sonstigen Zweckgerichtetheit völlig in den Hintergrund. Dagegen ist Tirso de Molinas Pizarro-Trilogie ohne Kenntnis des konkreten Auftrags nicht zu verstehen. Es ist somit ein Zusammenhang zwischen der Qualität eines Textes und der Funktion zu konstruieren, allerdings nicht in dem Sinn, daß Auftragskunst generell als qualitativ minderwertig einzustufen wäre (was die Beispiele Calderóns ja gerade widerlegen). Vielmehr ist an dieser Stelle festzuhalten, daß dem qualitätsmäßig herausragenden Kunstwerk die Funktionalisierung nichts anhaben kann. Trotzdem soll hier die These gewagt werden, daß die Amerikathematik aufgrund ihrer starken Zweckgerichtetheit und der heiklen politischen Implikation das "große" Kunstwerk zum Thema auf jeden Fall unmöglich machte 1 . Ein erstes Anliegen der Autoren, die über Amerika berichteten, war die Information, wichtigste Funktion der historiographischen Texte. Auch ein Teil der Epen und Romanzen wurde verfaßt, um das Lesepublikum über die neu entdeckten Länder mit ihren besonderen Begebenheiten zu informieren. Dennoch sind die Texte, deren alleiniges Anliegen der Information gilt, selten, denn bereits die ersten cartas relatorias waren durch andere Funktionen überlagert, die die besondere interne Gestaltung beeinflussen sollten. So beschreibt Colón in seinem ersten Bericht an Luis de Santángel und die Könige die Indianer als besonders sanft und gütig, um deren schnelle Versklavung und damit Gewinn in Aussicht zu stellen und zugleich vom eigentlichen Scheitern seiner Expedition, die weder Gold noch Gewürze gefunden hatte, abzulenken. Vespucci dagegen bietet sensationelle Berichte über Kannibalismus und sexuelle Praktiken der Indianer, verbunden mit einer ungerechtfertigten Hervorhebung der eigenen Verdienste, womit sich geschäftstüchtige Editoren in Europa einen hohen Umsatz versprachen, indem sie die Sensationsgier eines nach Abnormitäten verlangenden Publikums befriedigten. Hernán Cortés wiederum benutzt die Briefe an Karl V., um sein rechtswidriges und eigenmächtiges Verhalten gegenüber dem König zu legitimieren und seine Gegner zu widerlegen. Und auch bei den idealisierenden Darstellungen der Indianer durch las Casas handelt es sich letztendlich um eine nicht realitätsnahe Berichterstattung, die durch Übertreibungen Einfluß zu nehmen versucht in einer Auseinandersetzung machtpolitischer Art. Die Publikation historiographisch-informativer Texte wurde jäh unterbunden durch das von Felipe II. verordnete Schweigen zu Amerika. An historischen Texten 1

Góngoras Soledades wären hierfür kein Gegenargument, da sich nur ein kleiner Abschnitt der amerikanischen Thematik widmet.

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2. Von der Kundgabe zu Legitimation und Exemplum

konnte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lediglich José de Acostas Historia moral y natural de las Indias erscheinen, ein Werk, das die offizielle Linie der Position Spaniens gegenüber Amerika und seinen Bewohnern vorgab. Allerdings konnten zur gleichen Zeit offensichtlich unbehelligt einige Epen publiziert werden, von denen jedoch nur die Elegías von Castellanos den Schwerpunkt auf die Informationsvergabe legten 1 . Von diesem Text erschien im 16. Jahrhundert ein erster Teil, während der Discurso del Capitán Francisco Draque zensiert und seine Veröffentlichung verboten wurde. Andere Epen, deren Informationscharakter manifest ist, wie z.B. Escobedos Florida, wurden zu dieser Zeit verfaßt, jedoch nicht publiziert, wobei die Gründe hierfür nicht bekannt sind. Ein Teil der Epen erschien zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch eine in Spanien mit Vehemenz geführte Debatte über die Modalitäten um Eroberung und Mission Amerikas. Gleichzeitig ist dies die Blütezeit der Renaissance, in der die Neugier gegenüber dem Neuen dominierte und antike und vor allem italienische Literaturtraditionen Einfluß auf die spanische Literatur nehmen sollten. Es ist auch die Zeit der christlich-erasmistischen Reformen, in der sich christlich-philosophische Diskurse etablierten, zumeist mit deutlichem Rückgriff auf antike Muster, die zunehmend Motive und Fragestellungen zu den neu entdeckten Kulturen und zur Behandlung der Einheimischen integrierten. Hier wurde Amerika zur Projektionsfläche der christlich-philosophischen Ideen um Utopie, Zivilisationskritik und ideales Leben. In den utopischen und vor allem moralistischen, bisweilen auch satirisch-kritischen Diskursen wurde Amerika dann als austauschbares Exemplum thematisiert. An diese Diskurse knüpfte vor allem die Lyrik an, indem sie in moralistischer Manier auf den schädlichen Charakter des amerikanischen Goldes verwies oder den immateriellen Reichtum mit dem Gold aus "las Indias" kontrastierte. Zwar finden sich Beispiele für derlei Gedichte bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts, und einen Höhepunkt dieser moralistisch-christlichen Rede gegen Amerika und die indianos stellt ganz sicher das 19. Kapitel der Las cortes de la muerte dar; der Schwerpunkt dieser Art von Lyrikproduktion liegt jedoch im 17. Jahrhundert und dem Barockzeitalter, wo die Nichtigkeit des irdischen Lebens auch am Schaden des materialistischen Strebens demonstriert wird. Der in Folge der Auswirkungen des tridentinischen Konzils und der Gegenreformation abrupt beendete erasmistisch-christliche Diskurs erfährt trotz ähnlicher Thematik im 17. Jahrhundert dann, vornehmlich bei Góngora und Quevedo, eine wesentliche Umdeutung. Jegliches utopische Moment der idealen christlichen Gemeinschaft scheint verloren, statt dessen werden neben einer allgemeinen Moralistik realhistorische Mißstände und vermeintliche Ursachen des Niedergangs Spaniens benannt. Einfluß nahm hier auch eine Auseinandersetzung um die ökonomische Lage Spaniens und die Goldlieferungen aus Amerika. Obwohl Thematik und teilweise auch Argumentation der Texte des 16. und 17. Jahrhunderts sich ähneln, dient die Kritik jetzt weniger dem Angriff auf die spanische Amerikapolitik als vielmehr ihrer Verteidigung.

1

Dennoch kann das Erscheinen der Epen als Hinweis dafür gewertet werden, daß die Zensur bei den fiktionalen Genres nicht so streng verfuhr wie bei den historiographischen Texten.

E. Schlußbetrachtung

423

Im 17. Jahrhundert, nachdem mit dem Tod Felipes II. das von diesem verordnete Schweigen über Amerika geendet hatte, war Spaniens Position gegenüber Amerika festgeschrieben: Die Inferiorität der einheimischen Amerikaner wurde als Tatsache betrachtet; Spanien hatte korrekt gehandelt und den Indianern mit der Bekehrung das Heil gebracht. Einzig die europäischen Staaten attackierten das Land aus Neid und verbreiteten Gerüchte über Greueltaten, denen entgegnet werden mußte. Es gab keine Diskussionen mehr über Amerika und Spaniens Kolonialpolitik, die offenen Fragen schienen beantwortet. Genau diese Position findet sich im Amerikabild der comedia des 17. Jahrhunderts wieder, deren Diskursproduktion gemäß den königlichen Geboten selektiert und organisiert wird1. Und dennoch ist der spanischen comedia der Epoche aufgrund einer großen Bandbreite auch eine gewisse Widersprüchlichkeit inhärent, die sich zumindest zu einem Teil aus der Orientierung am Publikumsgeschmack ergab. Zu jener Zeit des politischen und ökonomischen Niedergangs des spanischen Weltreichs gehörte es zu den Aufgaben der Kultur, mittels der Beschwörung einer (ehemaligen) Größe Spaniens nationale Identität zu schaffen. Nun fällt auf, daß im Theater des Siglo de Oro zwar durchaus auf die "nationale Großtat" der spanischen Krone in Amerika hingewiesen wird, die Amerikaunternehmung in den comedias aber dennoch nicht durchgehend als Abfolge ruhmreicher Taten spanischer Helden unter der Ägide der spanischen Könige präsentiert erscheint. Vielmehr dominiert eine Verteidigungshaltung, die wie unter Zwang sich bemüht, die spanische Politik gegenüber den von den anderen europäischen Staaten geäußerten Vorwürfen zu legitimieren. Das somit politische Theater übernimmt legitimatorische Funktionen, die wiederum darauf hinweisen, daß die Vorwürfe der europäischen Staaten von spanischer Seite ernstgenommen wurden und zu einer großen Verunsicherung führten, die einer vehementen Legitimierung bedurfte. Das Hauptargument der Rechtfertigung der spanischen Amerikapolitik war religiöser Natur. In den meisten comedias finden sich Allegorien, die eine didaktische Funktion hatten und wahrscheinlich darüber hinaus der Absicherung der Autoren dienten, um Zweifeln an der korrekten ideologischen Ausrichtung des Dramas von vornherein zu begegnen. Auch den autos sacramentales, die sich amerikanischen Themen widmeten, ging es um eine didaktische Vermittlung religiöser Inhalte und mit der heilsgeschichtlichen Einbindung Amerikas in die christliche Weltsicht um eine Bestandsaufnahme und definitive Festlegung der Position Spaniens in bezug auf die amerikanischen Angelegenheiten. Insbesondere die Überlegungen über den legitimatorischen Aspekt der AmerikaDramatik verdeutlichen, daß es sich bei der Amerikathematik - vor allem im 17. Jahrhundert - mitnichten um einen historischen Stoff wie jeden anderen auch handelte, sondern um ein heikles, ausgesprochen kompliziertes politisches Thema, dessen Einbindung in die fiktionale Literatur nur gemäß genau festgelegter Prämissen erfolgen konnte. Eine dominante Funktion der Literatur über amerikanische Inhalte ist die Panegyrik, die mit Ausnahme der Romanzen alle hier verhandelten Genres des 16. und 17. Jahrhunderts umfaßte. Dabei gilt es die Lobdichtung, die aus Eigeninitiative ent1

Zu den Prozeduren, die die G e f a h r e n des D i s k u r s e s zu b ä n d i g e n h e l f e n , vgl. F o u c a u l t 1 9 7 1 : 7 - 8 ; vgl. auch F o u c a u l t 1 9 6 6 : 1 7 5 .

424

2. Von der Kundgabe zu Legitimation und Exemplum

steht, zu unterscheiden vom literarischen Auftragswerk, für das der Autor entlohnt wurde. Bereits in der Historiographie finden sich Berichte, sogenannte relaciones de méritos, an die Könige oder andere einflußreiche Persönlichkeiten, in denen die Verfasser diese würdigen und dabei ihre eigenen Verdienste hervorheben, in der Hoffnung, auf diese Weise für die Bemühungen in Amerika gebührend entlohnt zu werden. Verstärkt findet sich der panegyrische Aspekt dann in den Epen, wobei Ercillas Araucana das bekannteste und darüber hinaus ein sehr prägnantes Beispiel ist. Das eigentliche Anliegen des Autors scheint die Lobpreisung Felipes II. zu sein, des direkten Adressaten des Gedichts, dessen Heldentaten und Verdienste an verschiedenen Stellen des Werks ausführlich erwähnt werden. Ercilla erhoffte sich mit seinem Epos eindeutig die Gunst des Königs, materielle wie ideelle Vorteile. Konkrete Auftragsarbeiten erledigten die Hofschriftsteller, wobei im Bereich der Epen der Auftrag an Lobo Lasso de la Vega von Seiten der Familie Cortés als erwiesen gilt, während andere Aufträge nur vermutet werden können (wie z.B. der für Lope de Vegas Dragontea). Im Bereich der comedia sind einige Auftragsarbeiten bekannt, und es wurde oben dargelegt, inwieweit diese spezielle Produktionssituation die Texte selbst beeinflußte, auch wenn die geforderte Verherrlichung nicht immer gelang (Lopes Arauco domado). Zur Panegyrik ist auch eine Vielzahl von Widmungsgedichten zu zählen, die im amerikanischen Kontext erstellt wurden, Lobgedichte auf Eroberer, Vizekönige und andere hochgestellte Persönlichkeiten. Obwohl die panegyrische Komponente für den Literaturbetrieb des Siglo de Oro eine herausragende Rolle spielte, wurde dieser Aspekt bisher von der Literaturwissenschaft zu wenig bearbeitet und beachtet. Eine weitergehende Miteinbeziehung dieses Faktors würde im Bereich der fiktionalen Literatur eventuell zu einer Neubewertung einiger Autoren und Werke führen. Das über die historiographische, historiographisch-fiktionale und die fiktionale Literatur vermittelte Amerikabild paßt sich den Anforderungen der jeweiligen Genres, aber auch außerliterarischer Bedingungen und Begebenheiten an, so daß in der Literatur des Siglo de Oro zu weiten Teilen ein stark verzerrtes Bild von Amerika und seinen Bewohnern geliefert wurde. Neben der Reduzierung Amerikas auf Religion und Gold ist die frühe Dichotomisierung in den idealisierten "edlen Wilden" und den verdammten grausamen "Barbaren" zu konstatieren. Bereits in der Anfangszeit, als Ergebnis der frühen cartas relatorias, etablierte sich ein Bild des amerikanischen Indianers, wie es sich auf den sehr vereinfachten Darstellungen der ersten Holzschnitte präsentierte: Die Amerikaner waren wild, nackt, sie trugen Federn, Pfeil und Bogen und frönten dem Kannibalismus. Dieses in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild des Indianers wurde mit dem Erscheinen von Ercillas Araucana in Spanien abgelöst durch eine literarisierte und idealisierte Darstellung, die den Araukaner zum indianischen Helden stilisierte, ein Bild, das vor allem durch zugehörige Romanzen eine weite Verbreitung fand. Diese Rezeption herrschte vor zu einer Zeit, als historiographische Schriften über die realen Zustände in Amerika in Spanien nicht veröffentlicht werden konnten. Handelte es sich schon bei Ercillas araukanischen Kämpfern um dem Renaissanceideal nachempfundene Indianer, so verstärkte sich die Abkehr von realistischen Vorgaben noch zusehends bei der Etablierung des indianischen Personals im spanischen Theater des 17. Jahrhunderts. Diese Figuren sind zwar durchaus unterschiedlich an-

E.

Schlußbetrachtung

425

gelegt, so daß z.B. ihr Grad an "Wildheit" variiert, gemeinsam ist ihnen allerdings ein Moment der Hispanisierung sowie die Bereitschaft zur Bekehrung zum christlichen Glauben. Hier zeigt sich, wie die Indianerfiguren auf den spanischen Bühnen des 17. Jahrhunderts den Anforderungen der comedia zu gehorchen hatten: Eine auf ihr Recht zur Selbstbestimmung pochende autochthone amerikanische Volksgruppe hätte den eng gesteckten Rahmen des mit dem Theater verbundenen Wertesystems gesprengt. Das Bild des Indianers, wie es das Theater des 17. Jahrhunderts vermittelt, korreliert weitgehend mit dem offiziellen Diskurs, der das Verhältnis Spaniens zu Amerika bestimmte. Dieser hatte die Inferiorität der Indianer ebenso verordnet wie Spaniens paternalistische Haltung Amerika gegenüber. Das an Amerika begangene Unrecht wurde geleugnet bzw. mußte legitimiert werden. Neben der Überlegenheit Spaniens gegenüber der indianischen Kultur, wie sie sich z.B. ausgeprägt in der comedia und den autos sacramentales Calderöns findet, konnte in der Theaterproduktion der damaligen Zeit jedoch noch eine andere Art des Umgangs mit dem Anderen ausgemacht werden: eine Vereinnahmung durch Gleichsetzung, konkret: durch Hispanisierung. Gerade wenn die indianischen Figuren der comedias idealisiert werden, verlieren sie weitgehend ihre indianischen Charakteristika (nur die Federn bleiben erhalten), so daß das Indianische neutralisiert erscheint. Solchermaßen hispanisiert werden die Indianerfiguren zu wahren spanischen Helden. Trotz der Präsentation von Amerikabildern und der thematischen Einbindung amerikanischer Aspekte war das reale Amerika, wie die Untersuchung eindeutig gezeigt hat, für die Literatur gänzlich uninteressant. Vielmehr dient Amerika als Anlaß für eine Reflektion über interne spanische Probleme oder christlich-philosophische Abstrakta. Es geht in der Literatur deshalb nie um Amerika, sondern immer nur um spanische Angelegenheiten. Die einzelnen Motive, Versatzstücke oder Exempla werden in die Texte integriert, um ausfuhrlich spanische Belange zu thematisieren. Dies gilt nicht nur für die Lyrik, sondern auch für die comedias, wo die Indianer letztendlich nur Statistenrollen bekleiden. Sogar in den Epen und Romanzen dominiert der spanische Aspekt, auch wenn hier noch am ehesten eine realistische Annäherung an Amerika zu konstatieren ist. Ähnliches ist über die Historiographie zu vermuten. Alterität wird nur dort erfahren, wo ein enges Zusammenleben mit Indianern unter weitgehender Aufgabe zweckrationaler Interessen stattfindet. Die Anpassung an die fremde Kultur erfolgt dann unter weitgehender Aufgabe des spanischen Wertesystems, wie es offensichtlich bei Sahagün geschah. Escobedos Florida dagegen, ein Text, der einen überraschend genauen, realistischen, nahezu ethnologischen Blick seines Verfassers verrät, bleibt dezidiert weiterhin dem spanisch-christlichen Wertesystem verhaftet. Überblickend läßt sich feststellen, daß den drei Genres, die vorrangig amerikanische Themen aufnahmen - Epos, Lyrik und comedia - , jeweils eine andere Relation zwischen Gattung und Thematik zugrunde liegt. Während im Fall der epischen Dichtung der Stoff quasi seine eigene Gattung schafft, wählt die Lyrik eine traditionelle Thematik, für die Amerika und seine Inhalte zum Exemplum werden. Auch für die comedia wählt der Dramaturg einen Stoff, der jedoch aufgrund seiner brisanten politischen Thematik nur innerhalb streng geregelter Bahnen bearbeitet werden kann. Die unterschiedliche Beziehung zwischen Genre und Stoff wird ermöglicht durch die spezielle Geschichte der einzelnen Gattungen.

426

3. Historiographie, Fiktion und das Andere

Das Epos verfugte bereits über eine lange, bis in die Antike zurückreichende Tradition, mit einer großen Bandbreite an Variationen, weswegen trotz des Rückgriffs auf Vorbilder noch viele Möglichkeiten der Kreation offenstanden. Wie die Untersuchung gezeigt hat, orientierten sich die spanischen Hofautoren wesentlich strenger an den literarischen Vorgaben, während die zumeist wenig gebildeten Amerikafahrer offensichtlich über mehr Freiheiten verfügten bzw. sich diese nahmen. Ihr vorrangiges Ziel war es, Selbsterlebtes zu berichten, wenngleich in ästhetisch anspruchsvoller Form. Es versteht sich, daß die Form für diese Autoren nicht den gleichen Stellenwert hatte wie für ihre in Spanien verbliebenen Hofkollegen. Aufgrund der Dominanz des Stofflichen kann man sagen, daß der Stoff in Anlehnung an das epische Genre sich eine eigene Subgattung schafft, da diese in ihren Eigenheiten wesentlich vom Inhalt des Erzählten her geprägt wird. Auch die Lyrik wird durch die Tradition bestimmt. Amerika erscheint hier zum Exemplum degradiert innerhalb einer vorgefertigten Thematik, so daß die Amerikamotive tatsächlich austauschbar sind, adaptiert an die Anforderungen des Genres. Hier bestimmt die Gattung den Stoff und paßt ihn ihren Gegebenheiten an. Gleiches gilt für die comedia, nur daß Amerika hier nicht als Exemplum dient, sondern als politisches Thema mit legitimatorischer Funktion. Der comedia als relativ neuer Gattung liegt ein strengerer Regelkanon zugrunde als der Epik, wobei sie zusätzlich auf ihren politischen Gehalt hin kontrolliert wird. Zwar spielt hier der Stoff gegenüber der Lyrik eine bedeutendere Rolle, trotzdem bestimmt auch hier das Genre die Inhalte und läßt nur das zu, was Zielen und Funktionen genehm ist. In Lyrik und Dramatik dominieren folglich textinterne Strukturen und die ästhetischen Ansprüche, die im Fall der comedia dann noch von außerliterarischen Forderungen beeinflußt werden, während in den Epen, zumindest in den vorrangig der Information verpflichteten der Augenzeugen, das integrierte Thema die Ausrichtung der Gattung bestimmt, allerdings unter weitgehender Berücksichtigung gattungsspezifischer Merkmale und gemäß zumindest minimaler ästhetischer Anforderungen. Diese Feststellungen erlauben die Vermutung, daß das Genre der Epik in Spanien als "Auslaufmodell" über kein eindeutig festgelegtes Programm mehr verfugte, während die Lyrik, die ebenfalls auf eine lange Tradition zurückblicken konnte, durch den italienischen erneuernden Einfluß als Gattung gefestigt war. Zwar unterlag auch die spanische Epik italienischem Einfluß, diesem kam jedoch aufgrund der großartigen spanischen Epenproduktion des Mittelalters nicht der Stellenwert zu wie den Vorbildern im Bereich der Lyrik. Die Beobachtungen decken sich mit der Tatsache, daß auch die comedia ein neues Genre mit genau festgelegter Programmatik war. Der Roman der damaligen Zeit war noch nicht so weit entwickelt, daß er die Möglichkeiten, die die amerikanische Thematik ihm bot, hätte ergreifen können. Vicente Espinel war mit seinem Romanfragment, der Parabel über die Unrechtmäßigkeit der Eroberung fremder Völker, nicht nur thematisch seiner Zeit weit voraus. Der "große" Roman über Amerika sollte erst viel später geschrieben werden; dann allerdings nicht in Spanien. 3. Historiographie, Fiktion und das Andere Mit dem eingangs erarbeiteten klassifizierenden Modell zur Literatur über Amerika wurde die Historiographie von den fiktionalen literarischen Genres abgegrenzt, wo-

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Schlußbetrachtung

427

bei damit jedoch keine Oppositionsbildung propagiert werden sollte; vielmehr sind die beiden Schreibweisen als sich ergänzende Größen zu verstehen. Während es das Hauptanliegen der Historiographie ist, vergangenes Geschehen möglichst wahrheitsgetreu zu rekonstruieren und zu berichten, somit der Bezug zur außerliterarischen Realität dominiert, schafft die Fiktion sich ihre eigene ästhetische Welt. Dabei regelt nicht Mimesis die Relation zwischen Fiktion und Realität: "All writing, all composition, is construction. We do not imitate the world, we construct versions of it. There is no mimesis, only poiesis. No recording, only constructing" 1 . Mit dem Begriff der Poiesis soll die "produktive Seite des künstlerischen Schaffens" 2 betont werden, die das selbst geschaffene System über die Bezüge zur Außenwelt stellt 3 : Literatur ahmt demzufolge nicht eine vorgegebene Wirklichkeit nach, sondern konstituiert ihren imaginären Referenten - eine durch Sprache evozierte Vorstellungswelt - selbst (Nünning 1995:60).

Dies gilt auch für das fiktionale Schreiben über historische Begebenheiten. Auch hier kreiert der Text seine eigene Wirklichkeit, wenngleich Bezüge zu außerliterarischen Geschehnissen zu erkennen sind. Anstelle eines mimetischen Abbildens realer Ereignisse regeln andere Prämissen die Konstruktion einer imaginären Wirklichkeit: In den fiktionalen Texten des Siglo de Oro sind dies die Anforderungen des gewählten Genres, sowie die speziellen Funktionen, denen das literarische Werk unterliegt. Auch wenn die fiktionale Literatur sich ihre eigene imaginäre Welt schafft, so ist sie doch in ihrer Produktion niemals ihrem historischen und gesellschaftlichen Ort entbunden, sondern stets den bestehenden Diskursen verpflichtet. Dies galt besonders für die Epoche des Siglo de Oro, deren Autoren sich noch in starker Abhängigkeit von Staat und/oder Kirche befanden. So regelte letztendlich die Position des Autors die dem Text inhärente Funktion: Informationsvergabe, die panegyrische Ausrichtung mit und ohne konkreten Auftrag, die Legitimation der spanischen Eroberungspolitik, der sich offensichtlich nur die Autoren von Epen entziehen konnten, das Feiern nationaler Triumphe oder - in seltenen Fällen - die Kritik an spanischen Positionen. Bei der Betrachtung von Historiographie und Fiktion darf weder der Blick auf den weiten Grenzbereich und die hybriden Gattungen zwischen den beiden Größen fehlen, noch die Berücksichtigung der Tatsache, daß sich die konkreten Texte den Modellen bisweilen entziehen. Während die innersystemisch kreierte fiktionale Welt sich dann dem real überlieferten Wissen annähert (wohlgemerkt nicht der Realität selbst, da diese als vergangene nur noch textuell als Wissen überliefert werden kann), beginnt auf der anderen Seite die Historiographie, ihre Vorgabe der Orientierung an Wahrheit und Überlieferung anderen Prämissen zu öffnen. So schuf der spanische Mönch Escobedo beispielsweise seine eigene textuelle Welt in seinem Epos La Florida, die durch seine christlich-spanisch geprägte persönliche Perspektive bestimmt war. Diese verwies jedoch stringent auf reales indianisches Leben, das sich zu Teilen auch mit einem neutralen Bericht decken würde (so es diesen denn

1 2 3

Robert Scholes, Structural Fabulation. An Essay on Fiction of the Future (London 1975), 7. Ansgar Nünning, Von historischer Fiktion zu historiographischer Metaßktion I "Theorie, Typologie und Poetik des historischen Romans" (Trier 1995), 56. Zum Begriff der Poiesis vgl. Hans Robert Jauß, Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik (Frankfurt a.M. 1991), 103-124.

428

3. Historiographie,

Fiktion und das

Andere

jemals gäbe). Auf der anderen Seite hindern traditionelle Vorurteile und zweckrationales Denken Colon daran, in seinen Berichten nur vorgefundene Realitäten zu schildern. Eine bedeutende Rolle kam in vorliegender Studie den anderen und allgemein dem Anderen zu. Es stellt sich nun die Frage, auf welche Weise die Integration des anderen in den historiographischen Diskurs sich von der in den fiktionalen unterscheidet. Verfährt die Geschichtsschreibung ausschließlich ethnographisch und filtert das von vielen Beobachtete über fremde Menschen und Kulturen heraus? Beschränken sich die Genres der fiktionalen Schreibweise auf das Schaffen von Phantasiegestalten, den "imaginierten Indianer" 1 ? Es wird wenig überraschen, daß auch hier die Diskurse komplex und nicht von sich aus kategorisierend verfahren. Mit Todorov wurde oben bereits darauf hingewiesen, daß eine idealtypische Position, die den anderen als gleich und anders zugleich erfaßt und respektiert, kaum möglich ist. Die Haltung dem Fremden gegenüber ist bis heute gekennzeichnet durch eine dichotomische Wertung, die idealisiert oder (häufiger) verdammt, durch Assimilierung und Verdeckung oder Unterwerfung. Bereits der phänomenologisch erfaßte andere hat mit dem realen Lebewesen, das geschaut wird, nicht mehr allzuviel gemein. Er ist vielmehr der konzeptuelle Fremde, dessen Wahrnehmung, mehr dann noch seine Beschreibung einem bestimmten Programm gehorcht und zweckdienlich ist für verschiedene Projektionen des Beobachters 2 . Somit sind die konzeptuellen Fremden "als zeitlose, quasi keiner Geschichte und keiner Logik unterworfene konstruiert" 3 , das Ergebnis widersprüchlicher Projektionen und Verwertungen. Es mag kaum verwundern, daß die Integration des anderen, des Indianers in die Literatur des Siglo de Oro nach nämlichen Prämissen geregelt wird, wie sie oben für die Konstruktion der imaginären Wirklichkeit festgestellt wurden. Gattung und Tradition auf der einen Seite, ein dominanter Funktionszusammenhang auf der anderen bestimmen die Art der Präsentation des indianischen Seins, und zwar der fiktionalen wie der historiographischen Schreibweise, wobei bei den Augenzeugen noch die eigene Erfahrung hinzukommt, die jedoch - wie festgestellt - ebenfalls durch VorWissen gesteuert erscheint. Es ist eines der wichtigen Ergebnisse dieser Studie, daß die Autoren aller Textsorten über Amerika der Intentionalität ihrer Werke unterliegen. Waren die Augenzeugen gedrängt von persönlichen Ambitionen, waren die in Spanien verbliebenen Schriftsteller auf besondere Weise in den öffentlichen politischen Diskurs über Amerika verstrickt, so daß es keinem gelang, sich daraus zu lösen. Dies gilt auch für die wenigen Beispiele einer kritischen Präsentation, die durch bestimmte Verfahren die Kritik zu verschleiern sich bemühte. Dies erklärt auch die Tatsache, daß es ein Gelehrter wie Montaigne war, der nie nach Amerika reiste und doch das größte Verständnis für das Indianische aufbringen konnte. Distanz und fehlende Intentionalität sollten erst den klaren und nüchternen Blick ermöglichen. 1 2 3

So der Titel der Studie von Hans-Peter Rodenberg 1994. Die Notion des konzeptuellen Fremden basiert auf dem Werk von Zygmunt Bauman. Vgl. z.B. Zygmunt Bauman, Modernity and the Holocaust (Oxford 1989), 39. Uli Bielefeld, Das Fremde innen und der Fremde außen. Diskussionspapier 11 -90, Hamburger Institut für Sozialforschung (Hamburg 1990), 23.

E.

Schlußbetrachtung

429

Jegliche Wahrnehmung des anderen und die damit verbundene Äußerung über die Begegnung mündet in einen Diskurs über das Eigene, unabhängig davon, ob es sich um eine historiographische oder fiktional-literarische Schreibweise handelt. Zwar mag der ethnographische Bericht versuchen, das Andere exakt und detailliert zu beschreiben, schaffen Drama oder Roman idealisierte Phantasiegestalten - gemeinsam ist den beiden Schreibweisen bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Anderen, daß es ihnen nie um dieses Andere geht. Der Dialog des Textes fuhrt in jedem Fall auf das Eigene zurück. So betreibt die Literatur immer die Ethnographie der eigenen Kultur. Auch wenn von den Amerikareisenden das Andere in der spanischen Literatur verstärkt thematisiert wird, verweisen selbst Werke mit dokumentarischen Passagen stets auf die spanische Perspektive1. Das Andere dient somit ausschließlich der Auseinandersetzung mit dem Selbst. Diese von der Forschung vor allem für die Aufklärung konstatierte Tatsache gilt ebenso bereits für das 16. und 17. Jahrhundert, das mit zunehmender Konzentration auf das Individuelle das Andere mit entdeckte. Die Literatur des Siglo de Oro über Amerika ist somit ein ausnahmslos spanischer Diskurs über spanische Belange, auch wenn Perspektive, Intention und Schreibweisen variieren.

1

Als Ausnahmen dürften hier nur wenige Texte gelten, wie z.B. das Werk Sahagüns, der jedoch seine eigene spanische Position weitgehend aufgab.

Anhang I: Klassifizierung der Literatur über Amerika

430

F. ANHANG

Anhang I: Klassifizierung der Literatur über Amerika

historia general/ particular

historiographische Literatur y / II.

historiographische Literatur mit autobiographischer Perspektive

historische Gebrauchsliteratur

relaciones geográficas cartas relatorias historias relaciones

III.

IV.

historiographischfiktionale Texte

Epen Romanzen

fiktionale Texte

Drama Lyrik Roman( fragmente)

H i s t 0 r 0 g r a P h i e

F i k t i 0 n

431

F. Anhang

Anhang II: Spanische Epen und epische Gedichte des 16. und 17. Jahrhunderts zur amerikanischen Thematik' Hernán Alvarez de Toledo, El Purén indómito (Ms. Ende des 16. Jhs., 1862) anónimo, La Conquista del Perú (Poema heroico de 1537) (Ms. 1537-39, 1848) anónimo (Fragment ohne Titel) 2 (Ms. 1575-1590, 1909) Diego de Avalos (Davalos) y Figueroa, Miscelánea

austral (Teil 1 1602)

Silvestre de Balboa Troya y Quesada, Espejo de paciencia

(1608)

Martín Barco de Centenera, La Argentina y conquista del río de la Plata (1602) Juan de Castellanos, Elegías de varones ilustres de Indias (Teil 1 1589, alle 4 Teile 1930-32) Juan Cortés Ossorio, Las Cortesiadas

(Fragment) (Ms. 17. Jh.)

Alonso de Ercilla y Zúñiga, La Araucana 1.-3. Teil 1590)

(1. Teil 1569, 2. Teil 1578, 3. Teil 1589,

Alonso Gregorio de Escobedo, La Florida (Ms. Ende 16. Jh.) Bartolomé de Góngora, Octava maravilla, que en verso heroico contiene güedades y Conquista de Nueva España (Fragment) (Ms. ca. 1630) Gabriel Lobo Lasso de la Vega, El Cortés valeroso, y Mexicana Gabriel Lobo Lasso de la Vega, Mexicana

(1594)

Félix Lope de Vega Carpió, La Dragontea

(1598)

las anti-

(1588)

Juan de Mendoza y Monteagudo, Las guerras de Chile (Ms. ca. 1660, 1888) Juan de Miramontes y Zuázola, Armas antarticas (Ms. ca. 1607-1615, 1879) Mateo Rosas de Oquendo, La Victoria Naval Peruntina (Ende 16. Jh., 1955) Diego de Santistevan Osorio, Quarta y quinta parte de la Araucana Melchor Xufre del Aguila, Compendio guerra del reino de Chile (1630)

historial

(1597)

del descubrimiento,

conquista

y

Luis de Zapata de Chaves, Cario famoso (Ausschnitt) (1566)

1

2

In den Klammem wird das Jahr der Veröffentlichung angegeben. Bei Texten, die nicht im 16. oder 17. Jahrhundert veröffentlicht wurden, enthält die Klammer die geschätzte Entstehungszeit des Manuskripts (Ms.) und das Datum einer eventuellen späteren ersten Publikation. Nicht aufgeführt werden hier die in den hispanoamerikanischen Kolonien geborenen oder aufgewachsenen Autoren, deren Werke in vorliegender Studie nicht berücksichtigt wurden. Hierzu gehören z.B. Pedro de Oña oder auch Pedro de la Cadena, Verfasser von Los actos y hazañas valerosas del capitán Diego Hernández de Serpa, der im Alter von zwei Jahren nach Amerika (Ecuador) kam. Der Text findet sich in Romero 1909:269-284.

432

Anhang III: Comedias des 16. und 17.

Jahrhunderts

Anhang III: Comedias des 16. und 17. Jahrhunderts zur amerikanischen Thematik1 Gaspar de Aguilar, Vida y muerte del Santo fray Luis Bertrán (1608) anonym, Cuarta parte de la famosa comedia del español entre todas las naciones y clérigo agradecido (1634) anonym, Los pleytos de Fernán Cortés (Ms., 17. Jh.) Gaspar de Avila, La sentencia sin firma (1652) Gaspar de Avila, El gobernador prudente (1663) Gaspar de Avila, El valeroso español y primero de su casa (1668) Andrés de Baeza, Más la amistad que la sangre (1658) Luis Belmonte Bermúdez, Antonio Mira de Amescua, Conde de Bastos, Juan Ruiz de Alarcón y Mendoza, Luis Vélez de Guevara, Francisco de Ludeña, Jacinto de Herrera, Diego de Villegas, Guillén de Castro, Algunas hazañas de las muchas de don García Hurtado de Mendoza, Marqués de Cañete (1622) Pedro Calderón de la Barca, La aurora en Copacabana (1688) Miguel de Cervantes, El rufián dichoso (1615) Andrés de Claramonte, El nuevo rey Gallinato (1983, 1. Hälfte 17. Jh.) Juan Antonio Correa, Pérdida, y restauración de la Bahía de Todos Santos (1670) Francisco Gonzalez Bustos, Los españoles en Chile (1652) Félix Lope de Vega Carpió, El nuevo mundo descubierto por Cristóbal Colón (1614) Félix Lope de Vega Carpió, Arauco domado (1625) Félix Lope de Vega Carpió, El Brasil restituido (1625) Tirso de Molina, Todo es dar en una cosa (1. Teil der Pizarro-Trilogie) (1635) Tirso de Molina, Amazonas en las Indias (2. Teil der Pizarro-Trilogie) (1635) Tirso de Molina, La lealtad contra la envidia (3. Teil der Pizarro-Trilogie) (1635) Agustín Moreto y Cavana, San Luis Bertrán (1666) Agustín Moreto y Cavana, Santa Rosa del Perú (1676) Juan Pérez de Montalbán, La monja Alférez (o.J., 1. Hälfte 17. Jh.) Alonso Remón, Primera parte del español entre todas las naciones y clérigo agradecido (1629) 1

Angegeben wird hier das Datum des ersten Drucks, soweit bekannt. Bei den Manuskripten und späteren Veröffentlichungen erfolgt eine ungefähre Datierung des Zeitpunkts der Entstehung, wie sie die Forschung annimmt. Hier soll daran erinnert werden, daß die Dramen des Siglo de Oro oft erst spät publiziert wurden, zumeist nach den ersten Auffuhrungen.

F. Anhang

433

Francisco de la Torre y Sevil, La batalla de los dos. Primera parte de la vida de San Luis Beltrán (Ms., 17. Jh.) Ricardo de Turia, La bellígera española (1616) Luis Vélez de Guevara, Las palabras a los reyes y gloria de los Pizarros (o.J., ca. 1630) Luis Vélez de Guevara, La mayor desgracia de Carlos V y hechicerías de Argel (1633) Fernando de Zárate y Castronovo, La conquista de México (1668)

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