Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung: Begriff, Inhalt und Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit vertragsärztlichen Leistungen [1 ed.] 9783428540341, 9783428140343

Stefan Bauer-Schade erörtert in seiner Arbeit die Frage, mit welchen Instrumenten Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärz

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Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung: Begriff, Inhalt und Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit vertragsärztlichen Leistungen [1 ed.]
 9783428540341, 9783428140343

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 28

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung Begriff, Inhalt und Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit vertragsärztlichen Leistungen

Von Stefan Bauer-Schade

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN BAUER-SCHADE

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 28 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung Begriff, Inhalt und Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit vertragsärztlichen Leistungen

Von Stefan Bauer-Schade

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-14034-3 (Print) ISBN 978-3-428-54034-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84034-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg als Dissertation angenommen. Sie teilt das Schicksal vieler sozialrechtlicher Arbeiten, die bereits im Entstehungsprozess von der gesetzgeberischen Aktivität überholt werden. Im vorliegenden Falle war dies das GKV-Versorgungsstrukturgesetz. Das Manuskript wurde bereits im März 2011 abgeschlossen. Die im Zuge des am 01.01.2012 in Kraft getretenen Versorgungsstrukturgesetzes zu verzeichnenden Neuerungen wurden für die Publikation berücksichtigt. Allerdings konnte die nach Abschluss des Manuskripts ergangene Rechtsprechung ebenso wenig eingearbeitet werden wie die seitdem erschienene Literatur, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie lag bei Abschluss der Arbeiten noch nicht vor. Allerdings stellt die Arbeit die wesentlichen gesetzgeberischen Erwägungen für die Neugestaltung der Bedarfsplanung dar. Mein Dank gebührt zahlreichen Personen und Institutionen, die die Entstehung der Arbeit in Halle und Wien sowie ihre Veröffentlichung unterstützt haben. Besonders hervorheben möchte ich die folgenden: Professor Dr. Winfried Kluth hat mich nicht nur ermutigt, das vorliegende Thema ausführlich wissenschaftlich zu erörtern. Er hat meine juristische Ausbildung und wissenschaftliche Entwicklung von Anfang an fördernd begleitet, auch später als ich die Universität verließ, um mein Referendariat zu absolvieren. Seinem Zuspruch verdanke ich meine wissenschaftlichen Gehversuche. Er war mein jahrelanger Mentor, dem ich an dieser Stelle für all seine Förderung danken möchte. Professor Dr. Reimund SchmidtDe Caluwe danke ich nicht nur für die Erstellung des Zweitgutachtens, sondern vor allem für die Bereitschaft, den Arbeitsprozess mit Rat zu begleiten, und sein Vorbild, die gefundenen Ergebnisse stets aufs Neue kritisch zu hinterfragen. Professor Dr. Helge Sodan danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die von ihm betreute Schriftenreihe. Die Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium der Friedrich-NaumannStiftung für die Freiheit mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Das Stipendium ermöglichte mir ein Höchstmaß an Freiheit, mich dem vorliegenden Thema zu widmen. Der Druck der Arbeit wurde durch großzügige Druckkostenzuschüsse der Ludwig Sievers Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e. V. ermöglicht. Hierfür danke ich herzlich. Herrn Wilhelm Stach danke ich herzlich dafür, dass er die Last der Korrektur­ arbeiten übernommen hat und bereit war, seine Zeit für die Besprechung von Ver-

6

Vorwort

besserungsmöglichkeiten zu opfern. Hierdurch wurde eine Vielzahl sachlicher Mängel sowie sprachlicher Ungenauigkeiten und Schwurbeleien beseitigt. Josephine Skrzypczak danke ich für ihre Bereitschaft, allerlei Rechtsfragen zu durchdenken und gefundene Ergebnisse auf die Probe zu stellen. Meinen Eltern, Romy und Hans-Joachim Bauer, danke ich für die lebenslange liebevolle Förderung, insbesondere während des Studiums. Anna und Valentin danke ich für all das Schöne in meinem Leben. Euch widme ich diese Arbeit. Lüneburg, im Februar 2013

Stefan Bauer-Schade

Inhaltsverzeichnis Einführung. Läutet dem Arzt in strukturschwachen Regionen das Totenglöckchen? . . . 25

Teil 1 Grundlagen

31

1. Kapitel Problemstellung

31

2. Kapitel Begriffsverständnis

34

A. Maßstäbe für eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Allgemeine Verhältniszahlen nach der Bedarfsplanungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Unterversorgung nach der Bedarfsplanungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3. Kapitel

Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland

41

A. Blick in die Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Internationaler Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Deutscher Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Interpretation der Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Versorgungsdefizite als regionales bzw. lokales Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Die aktuelle Versorgungssituation: nicht flächendeckend versorgte Regionen . . 44 II. Ursachen für die nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung . . . . . . . . 46

4. Kapitel Zusammenfassung

48

8

Inhaltsverzeichnis Teil 2



Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und ihre Sicherstellung im geltenden Recht

50

1. Kapitel

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung im Gesundheitsrecht

50

A. Textbefund: flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und vergleichbare Begriffe im SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Der Begriff der flächendeckenden Gesundheitsversorgung im SGB V . . . . . . . . 51 1. Flächendeckende Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung, § 73b Abs. 4 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Flächendeckende Sicherstellung der integrierten Versorgung, § 140a Abs. 1 S. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Flächendeckende Sicherstellung des Krankentransports, § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Flächendeckung und Richtlinien zur Qualitätssicherung, § 137 Abs. 3 S. 3 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Flächendeckende zahnärztliche Gruppenprophylaxe, § 21 Abs. 1 S. 2 SGB V 56 6. Bedarfsplanung und flächendeckende Versorgung, § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V 57 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Vergleichbare Begriffe im SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Bedarfsgerechte Versorgung, § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Gleichmäßige Versorgung, § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Ausreichende und zweckmäßige Versorgung, §§ 70 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Ausreichende Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Zweckmäßige Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Maß des Notwendigen, § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Bedarfsplanung, Unterversorgung und Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Unterversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Die Ziele der GKV gem. § 1 SGB V und flächendeckende Versorgung . . . . . . . . 63 V. Sachleistungsprinzip und flächendeckende Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 VI. Soziale Rechte nach dem SGB I und flächendeckende Versorgung . . . . . . . . . . . 64 VII. Die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum GKV-Versorgungungsstrukturgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 B. Textbefund: flächendeckende Gesundheitsversorgung und vergleichbare Begriffe in der Ärzte-ZV und der Bedarfsplanungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Inhaltsverzeichnis

9

I. Ärzte-ZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Bedarfsplanungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Kapitel

Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Grundgesetz

68

A. Objektiv-rechtliche Vorgaben des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Sozialstaatsprinzip . . . . . . . 69 II. Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Grundrechte . . . . . . . . . . . 72 I. Die Leistungs- und Teilhabefunktion der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Grundsatz: zurückhaltende leistungsrechtliche Interpretation . . . . . . . . . . . . 73 2. Ausnahmen: Existenzminimum und Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Existenzminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Art. 2 Abs. 2 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Die abwehrrechtliche Grundrechtsdimension: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozial­ staatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Nicht-flächendeckende Versorgung als Auflösung der Angemessenheit von Beitrag und Leistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Konsequenzen der Beseitigung des Angemessenheitszusammenhangs zwischen Beitrag und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Die Schutzpflichtdimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

3. Kapitel

Die Komposition der verschiedenen Regelungen mit Unterversorgung als Gegenstand

90

A. Unterversorgung im SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 B. Bedarfsplanungs-RL: Konkretisierung des Feststellungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 95 C. Bundesmantelvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

10

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel



Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung

98

A. Die Wirkungsweise des Leistungserbringerrechts und die Akteure der Gesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Sachleistungs- und Dienstleistungsprinzip als Charakteristikum der Gesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Akteure und gesetzliche Aufgabenverteilung bzgl. der Gesundheitsversorgung . 101 1. Die Hauptakteure: Krankenkassen und KV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Allgemeiner Sicherstellungsauftrag, § 72 Abs. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Besonderer Sicherstellungsauftrag, § 75 Abs. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Aufgaben der Krankenkassen und ihrer Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Aufgaben der Kassenärztlichen (Bundes-)Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Weitere Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Zulassungsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Gemeinsamer Bundesausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B. Die gesetzlichen Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Sicherstellung und freier Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Sicherstellungsinstrumente nach dem Vierten Kapitel, Achter Titel SGB V . . 116 a) Bedarfsplanung als Grundlage aller Sicherstellungsbemühungen . . . . . . . 116 b) Maßnahmen der KV zur Abwendung bzw. Beseitigung der Unterver­ sorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Öffentlichkeit des Bedarfs – Die Ausschreibungspflicht gem. § 15 Ärzte-ZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Dienstleistungsfunktion der KV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Finanzielle Anreize, § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Darlehen und Investitionszuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Sicherstellungszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (3) Umsatzgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (4) Sonstige finanzielle Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 dd) Sonstige Maßnahmen nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . 125 ee) Betrieb von/Beteiligung an unmittelbar der ärztlichen Versorgung ­dienenden Einrichtungen, § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . 125 ff) Kommunale Eigeneinrichtungen, § 105 Abs. 5. S. 1 SGB V . . . . . . . . 129 gg) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Inhaltsverzeichnis

11

c) Anordnung von Zulassungsbeschränkungen, § 100 Abs. 2 SGB V, § 16 Ärzte-ZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Verfassungsmäßigkeit von Zulassungssperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Prüfungsmaßstab – Berufsausübungs- oder Berufszulassungsregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) Anwendung des Prüfungsmaßstabs auf Zulassungssperren . . . . 136 cc) Rechtmäßigkeit des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) § 104 Abs. 1 SGB V als Verordnungsvorbehalt? . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Verfassungsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (4) Einschränkung des § 104 Abs. 1 SGB V aus teleologischen und rechtslogischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (5) Einschränkung der gefundenen Lösung durch die Rechtsprechung des BSG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 d) Ausnahme von Zulassungsbeschränkungen im Fall vorheriger Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in unterversorgten Planungsbereichen, § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Maßnahmen zur Sicherstellung außerhalb des Achten Titels des 4. Titels des SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Aufhebung der Altersgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Beschränkung des Versorgungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Zulassung von polnischen und ungarischen Ärzten, § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Hintergrund der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Entzug der Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGB V nach Wegfall der ­Unterversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten, § 116 SGB V, §§ 31 Abs. 1 lit. a, 31a Ärzte-ZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Unterversorgung als Gegenstand der § 116 SGB V, § 31a Ärzte-ZV? . 153 bb) Anforderungen an die Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 cc) Rechtsfolgen der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 dd) Ende der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 ee) Vorteile und Risiken der Ermächtigung bei Minderversorgung . . . . . 159 e) Ermächtigung von Krankenhäusern, § 116a SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Inhalt und Rechtsfolge der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Rechtsanspruch auf Ermächtigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 cc) Institutsermächtigung nur bei bestehender Unterversorgung? . . . . . . 164 f) Schwierigkeiten der Ermächtigung von Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . 165

12

Inhaltsverzeichnis g) Errichtung von Eigeneinrichtungen der Krankenkassen, § 140 SGB V . . . 166 aa) Bestandseinrichtungen gem. § 140 Abs. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Neue Eigeneinrichtungen gem. § 140 Abs. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 h) Vergütungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Ausnahmen von Fallzahlenbegrenzungen gem. § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Vergütungsanreize gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F. . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Überblick über die Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Die Bedeutung der Orientierungswerte und des EBM für die ­Vergütung der Vertragsärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Die Überprüfungspflichten gem. § 87 Abs. 7 SGB V a.F . . . . . . . 172 (4) Bewertung der Vergütungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 cc) Vergütungsanreize nach § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . 177 i) Kooperations- und Niederlassungsmodelle als Sicherstellungsinstrumente 177 aa) MVZ gem. § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Gemeinschaftspraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Organisationsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Berufsausübungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 cc) Zweigpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Keine Beeinträchtigung der Versicherten am Vertragsarztsitz . . . 183 (2) Anfechtungsbefugnis der Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Auswirkungen auf die Unterversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 dd) Ausnahme von der Residenzpflicht gem. § 24 Abs. 2 S. 3 ÄrzteZV a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 ee) Keine Verlegung des Vertragsarztsitzes gem. § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV . . 188 ff) Nebentätigkeiten von Vertragsärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 j) Die Abschmelzung des Arztvorbehaltes als Sicherstellungsinstrument . . . 190 aa) Der Arztvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Die Reduzierung persönlicher ärztlicher Aufgaben im geltenden Recht 191 cc) Praktische Ausgestaltung und Auswirkungen auf die Versorgung . . . 193

C. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen bei Fehlschlagen der ­Sicherstellungsbemühungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen gem. § 72a SGB V 195 II. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen bei Unterversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Inhaltsverzeichnis

13

5. Kapitel

Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente

197

A. Kategorisierung der Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Kategorisierung nach den Adressaten der Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . 198 1. Der Vertragsarzt als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Die KV als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Die Krankenkassen als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Der Landesausschuss als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5. Der Zulassungsausschuss als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 6. Der Bewertungsausschuss als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7. Die Ärztekammern als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Kategorisierung nach dem Inhalt der Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . . . . 201 1. Steigerung der Attraktivität der vertragsärztlichen Versorgung . . . . . . . . . . . 201 a) Attraktivitätssteigerung durch finanzielle Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Attraktivitätssteigerung durch Teilzeittätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Kooperations-, Anstellungs- und Niederlassungsmöglichkeiten . . . . . . . . 202 2. Versorgung durch nicht-freiberufliche Ärzte – Ausweitung der Leistungs­ erbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Zugangsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 B. Sicherstellungsinstrumente als Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. Recht und Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Das Steuerungspotenzial des (Gesundheits-)Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Die Fruchtbarkeit der sog. Steuerungswissenschaft für die Interpretation der bestehenden Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Steuerungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Sozialwissenschaftlicher Steuerungsbegriff nach Mayntz . . . . . . . . . . . . . 211 b) Sicherstellungsinstrumente als Wirtschaftslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c) Sicherstellungsinstrumente als Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Fazit: der hier zugrunde gelegte Steuerungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Ziele der Steuerung im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Sicherstellungsinstrumente und Steuerung – Systematisierung anhand des öffentlichen Wirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Direkte Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Marktzugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 cc) Sperrung von Zulassungsbereichen gem. § 100 Abs. 2 SGB V . . . . . 221 dd) Delegation ärztlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

14

Inhaltsverzeichnis b) Direkte Steuerung des Marktverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Indirekte Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Unspezifische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Schwierigkeiten und Auswirkungen der Wirtschaftslenkung im Gesundheits­ wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Externe Steuerung durch „Beifahrer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Existenzielle Bedeutung der Gesundheitsversorgung und Grundrechte der ­Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Wirtschaftslenkung und das Leitbild des freien Berufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Finanzielle Anreize und gemäßigtes Gewinnstreben . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Freiberuflichkeit und Öffnung der ambulanten Versorgung der Ver­sicherten für angestellte Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4. Zentrales Problem: systemexterne Ursachen, systeminterne Lösungen . . . . . 229

6. Kapitel Zusammenfassung

232

Teil 3

Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung de lege ferenda

233

1. Kapitel

Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems

234

A. Marktzugangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Änderung der Rahmenbedingungen für die Zulassung zum Medizinstudium . . . 234 1. Aufhebung des Numerus Clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Ausweitung der Universitätskapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Einführung einer sog. „Vorabquote“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Funktionsweise der „Vorabquote“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Bindung der Studierenden an die Voraussetzungen der „Vorabquote“? . . . 237 aa) Probleme der Bindung an die Zusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Mildere Maßnahmen zur Durchsetzung der verfolgten Ziele . . . . . . . 238 4. Weitere Reformvorschläge im Bereich des Medizinstudiums . . . . . . . . . . . . . 240 II. Abbau von Überversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Rechtliche Probleme des Abbaus von Überversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Finanzierung des Ankaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Inhaltsverzeichnis

15

a) Querfinanzierung durch einen allgemeinen Topf der KV? . . . . . . . . . . . . 241 b) Gründe gegen eine Querfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Zuweisung unterversorgter Planungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Grundrechtspositionen des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Wettbewerb des ambulanten Sektors mit Forschung, Ausland und stationärem Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Hohe Fluktuation der Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 IV. Erhöhung der Anzahl der Leistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Anwerben ausländischer Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Delegation/Substitution ärztlicher Aufgaben unter gleichzeitiger „Hochzonung“ der Ausbildungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 B. Direkte Marktverhaltenskontrolle: Zweig-, Gemeinschafts- und Filialpraxen, mobile Arztpraxen, Rotation und Telemedizin, Arbeitszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Zweigpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Beitrag zur Ärztekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Teilnahme an Notdiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Gemeinschaftspraxen und Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Ärztegemeinschaft in einer Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Rotation in Kooperationspraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Vernetzte Versorgungspraxen (mit Telemedizin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung durch das Berufsrecht . . . . . . . 256 2. Arzthaftung bei fehlerhafter Diagnose durch Einsatz von Telemedizin . . . . . 257 a) Sorgfaltsmaßstab im Arzthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Abgesenkter Sorgfaltsstandard bei Unterversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Datensicherheit und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Datenübermittlung und Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Sicherheit und Schutz der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Vergütung telemedizinisch erbrachter Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Kosten für die Einrichtung eines Telemedizin-Netzwerks . . . . . . . . . . . . . . . 262 IV. Mobile Arztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Indirekte Verhaltenssteuerung: Anreize und Attraktivitätssteigerungen . . . . . . . . . . . 264 I. Verbesserte Positionierung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium . . . . . . . 264 II. Finanzielle Anreize im Rahmen der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 III. Bessere Vergütung der „Problemärzte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 D. Sonstige Instrumente: Fahrdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 E. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

16

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel



Mögliche Sicherstellungsinstrumente bei einem Systemwandel

271

A. Öffentlicher Gesundheitsdienst in langfristig irregulär versorgten Gebieten . . . . . . . 271 I. Öffentlicher Gesundheitsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Rechte der verbliebenen Vertragsärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Vergleichbarkeit der Ausgangslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Inhalt des § 72a SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 III. Sachgerechtigkeit der Ausweitung des § 72a SGB V auf die irreguläre Versorgung 276

3. Kapitel

Sicherstellungsinstrumente in Österreich

277

A. Der status quo der Gesundheitsversorgung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 B. Die vertragsärztliche Versorgung in Österreich im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Die verschiedenen Regelungsebenen des österreichischen Gesundheitssystems . 280 II. Die Einbeziehung der Ärzte in die Gesetzliche Krankenversicherung . . . . . . . . . 283 III. Gegenstände der Gesamtverträge gem. § 338 Abs. 1 ASVG . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Stellenplanung als Vorgabe für die optimale vertragsärztliche Versorgung . . . 284 2. Die Auswahl des Vertragsarztes durch den Hauptverband . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Sonstige Regelungen der vertragsärztlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 C. Sicherstellungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung als Ziel des Gesundheitsrechts 290 II. Sicherstellungsinstrumente nach dem Gesamtvertrag und dem ÄrzteG . . . . . . . . 291 III. Honorarregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch Planstellenbewirtschaftung 293 V. Das Selektivvertragssystem als Schlüssel für eine bedarfsgerechte Verteilung der Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 D. Anwendbarkeit auf das deutsche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I. Neuregelung der Bedarfsplanung in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II. Abschied vom Anspruch auf Zulassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4. Kapitel Fazit

303

Inhaltsverzeichnis

17

Teil 4 Reformvorschläge

305

A. Ausweitung der Leistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 B. Abbau und Verhinderung von Überversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Flexibilisierung des Berufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 D. Finanzielle Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 E. Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 F. Finanzierungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Verzeichnis der verwendeten Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Abkürzungsverzeichnis A&R Arzneimittel und Recht a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort am Ende a. E. a. F. alte Fassung abgedr. abgedruckt ABl Amtsblatt abl. ablehnend Abs. Absatz Abschn. Abschnitt ABSF Ausführungsbestimmungen zur Verwendung der Mittel aus dem Sicherstellungsfonds (Brandenburg) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ÄK Ärztekammer allg. allgemein Alt. Alternative amtl. amtlich Änd. Änderung ÄndG Änderungsgesetz Anh. Anhang Anl. Anlage Anm. Anmerkung AOK Allgemeine Ortskrankenkasse AöR Archiv des öffentlichen Rechts Apothekengesetz (Österreich) ApoGÖ Art. Artikel ÄrzteG Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Österreich) Ärzte-ZV Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ArztR Arztrecht ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Österreich) Aufl. Auflage ausf. ausführlich Az Aktenzeichen BÄK Bundesärztekammer BÄO Bundesärzteordnung Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz Beck-OK Beck’scher Online-Kommentar Bedarfsplanungs-RL Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung

20

Abkürzungsverzeichnis

Begr. Begründung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BMV Bundesmantelvertrag BR Bundesrat BR-Drs. Drucksachen des Bundesrats BSG Bundessozialgericht BSGE Amtliche Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise BT Bundestag BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfGE Bundesverfassungsgerichtsentscheidung BVerwGE Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung bzgl. bezüglich bzw. Beziehungsweise ca. circa d. h. das heißt Deutsches Ärzteblatt DÄBl DÄBl Int Deutsches Ärzteblatt International dass. dasselbe Deutsche Demokratische Republik DDR ders. derselbe dies. dieselbe, dieselben Diss. Dissertation DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift DOK Die Ortskrankenkasse Die öffentliche Verwaltung DÖV DRdA Das Recht der Arbeit (Österreich) Drucks. Drucksache DuD Datenschutz und Datensicherheit DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt e. V. eingetragener Verein ebd. ebenda EBM Einheitlicher Bewertungsmaßstab EDV Elektronische Datenverarbeitung EG 1) Europäische Gemeinschaften 2) Einführungsgesetz EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992) einschl. einschließlich endg. endgültig Entsch. Entscheidung entspr. entsprechend Entw. Entwurf

Abkürzungsverzeichnis

21

Erg. Ergänzung Erl. Erläuterung etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EuGH Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Vertrag über eine Europäische Union EUV evtl. eventuell EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende, -r, -s; für Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung FAS Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ ff. folgende Fn. Fußnote FS Festschrift G+G Gesundheit + Gesellschaft GBl. Gesetzblatt gegr. gegründet gem. gemäß; gemeinsam GesR Gesundheitsrecht GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GGW Gesundheit + Gesellschaft Wissenschaft GKV Gesetzliche Krankenversicherung GKV-GMG Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-OrgWG Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-VStG Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-WSG Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung gpk gesellschaftspolitische kommentare grds. Grundsätzlich GVBl Gesetz- und Verordnungsblatt h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung HeilBerG Heilberufegesetz Hinw. Hinweis HKaG Heilberufe-Kammergesetz (Bayern) HKG Kammergesetz für die Heilberufe (Niedersachsen) Hrsg. Herausgeber HS. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts (Band) i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel

22

Abkürzungsverzeichnis

i. d. S. in diesem Sinn i. E. im Einzelnen i. E. im Ergebnis i. e. S. im engeren Sinne i. S. im Sinne i. Ü. im Übrigen in Verbindung mit i. V. m. i. w. S. im weiteren Sinne insb. insbesondere JA Juristische Arbeitsblätter JR Juristische Rundschau jur. juristisch Juristische Ausbildung JURA JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung KOM Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Eingegangene Dokumente und Veröffentlichungen KrankenhausFinG Krankenhausfinanzierungsgesetz krit. kritisch Kassenärztliche Vereinigung(en) KV lfd. laufend Lfg. Lieferung LG Landgericht Lit. Literatur lit. littera (Buchstabe) LS Leitsatz LSG Landessozialgericht meines Erachtens m. E. mit weiteren Nachweisen m. w. N. MBO (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte MedR Medizinrecht Mio. Million(en) Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung MPIfG Mrd. Milliard(en) mtl. monatlich Mv. Mecklenburg-Vorpommern; Mecklenburg-Vorpommerisch MVZ Medizinisches Versorgungszentrum n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht o. a. oder anderes o. ä. oder ähnliches ÖÄK Österreichische Ärztekammer OECD Organisation for Economic Co-operation an Development öffentl. öffentlich

Abkürzungsverzeichnis

23

OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht PartGG Partnerschaftsgesellschaftsgesetz PVS Politische Vierteljahresschrift qkm Quadratkilometer Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen RDG Reihungskriterien-VO Reihungskriterien-Verordnung (Österreich) Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung Seite; Satz S. s. siehe s. a. siehe auch s. o. siehe oben s. u. siehe unten SDSRV Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes e. V. SG Sozialgericht Die Sozialgerichtsbarkeit SGb SGB I Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil SGB V Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung Slg. Sammlung so genannte (r, s) sog. SozR Sozialrecht (Folge), Entscheidungssammlung Sp. Spalte st. Rspr. ständige Rechtsprechung StGB Strafgesetzbuch str. streitig Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (Österreich) SVA u. a. und andere; und anderes; unter anderem; unter anderen und ähnliches u. ä. u. ö. und öfter Urt. Urteil usw. und so weiter v. vom; von; vor; versus v. a. vor allem v. H. von Hundert VAEB Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (Österreich) VÄndG Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze Var. Variante VDStRL Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verf. Verfassung VerfGH Verfassungsgerichtshof VersR Versicherungsrecht VerwArch Verwaltungsarchiv VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof

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Abkürzungsverzeichnis

vgl. vergleiche VO Verordnung VSSR Vierteljahresschrift für Sozialrecht VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwVfG Verwaltungverfahrensgesetz weit. Nachw. weitere Nachweise World Health Organisation WHO WRV Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung) z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil z. Zt. zur Zeit zahlr. zahlreich ZESAR Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZgS Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Ziff. Ziffer ZMGR Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP zul. zuletzt zust. zustimmend zutr. zutreffend

„Der (…) Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Ernst-Wolfgang Böckenförde1

Einführung Läutet dem Arzt in strukturschwachen Regionen das Totenglöckchen? Der Landarzt ist eine Figur von epischer Bedeutung.2 Gustave Flaubert hat ihm in „Madame Bovary“ ein zweifelhaftes Denkmal gesetzt.3 Von überschaubaren ärztlichen Fähigkeiten und geringer Durchsetzungsstärke ist Charles Bovary der Inbegriff des Mittel­maßes und zugleich Abbild des ländlichen Stumpfsinns. Bovarys Ehefrau Emma verstrickt sich in Romanzen, um ihrer Ehe zu entfliehen, bevor sie schließlich zum Giftfläschchen greift. Auch Franz Kafka hat sich dem Landarzt gewidmet.4 Er zeichnet einen engagierten, doch vor vielfältige Schwierigkeiten des ländlichen Alltags gestellten Mann, der sich aufgrund der gegebenen Umstände als „zwecklos“ wahrnimmt, unnötig von seinen Patienten beansprucht wird, zu denen er keine Beziehung aufbauen kann und deren unerfüllbare Erwartungen er beklagt. Der Landarzt und sein Wirken wird in der Literatur – im Gegensatz zu seiner medialen Romantisierung in vielen Groschenromanen und Vorabendserien – also in recht düsteren Farben gemalt, sein Umfeld unvorteilhaft und trist dargestellt. Dem scheint sich die reale Situation insbesondere in strukturschwachen Gebieten teilweise anzunähern, die diese Arbeit vornehmlich (aber nicht ausschließlich) in den Blick nimmt. Der Landarzt ist nicht alleiniger Betrachtungsgegenstand dieser Arbeit. Vielmehr geht es um unterversorgte und von Unterversorgung bedrohte Regionen, die häufig strukturschwach sind, aber nicht zwingend ein ländliches Gepräge haben (auch wenn dies häufig der Fall ist). Auch größere Städte, sogar Großstädte sind betroffen oder drohen von einer Mangelversorgung betroffen zu werden. Der Begriff des Landarztes ist deshalb zwar griffig, greift dabei aber zu kurz. Die wohnortnahe flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen ist ein Zustand, der bis in die jüngste Zeit nicht anders vorstellbar schien. Dies hat sich geändert, obwohl so viele Ärzte praktizieren wie nie zuvor.

1 Böckenförde,

Recht, Staat, Freiheit, S. 92 (112). kurzen, pointierten Überblick gibt Hank, FAS vom 11.04.2010, S. 37. 3 Flaubert, Madame Bovary. 4 Kafka, Die Erzählungen, S. 253. 2 Einen

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Einführung

Das Problemfeld der defizitären Versorgung wurde zuerst von den Standesvertretern der Akteure im Gesundheitssystem thematisiert und hat nach und nach auch die Politik erreicht.5 So wurde das Thema des Ärztemangels in strukturschwachen Gebieten im April 2010 öffentlichkeitswirksam auf die Tagesordnung der Politik und Medien gesetzt, bevor es den üblichen Verlauf abnehmender medialer Aufmerksamkeit genommen hat und schließlich keiner größeren Beachtung mehr wert schien.6 In der Rechtswissenschaft hingegen wird das Problem bislang eher stiefmütterlich behandelt, sie beschäftigt sich mit speziellen Fragen, etwa des Haftungsrechts. So sind bislang keine nennenswerten Beiträge über nicht-flächendeckende Gesundheitsversorgung zu verzeichnen, von Ausführungen in der Kommentar­ literatur zum SGB V und zur Ärzte-ZV (insbesondere zu den Vorschriften zur Bekämpfung von Unterversorgung) einmal abgesehen.7 Die Rechtswissenschaft hat sich dieses drängenden Problems also bisher nicht mit einem angemessenen Aufwand angenommen. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, diese Lücke zu schließen. Dabei soll herausgearbeitet werden, dass und inwieweit die nicht-flächendeckende Gesundheitsversorgung ein – zu behebendes – Rechtsproblem darstellt. Die Überlegungen werden sich auf die vertragsärztliche Versorgung beschränken, da hier die dringendsten Probleme entstehen. Dabei wird zu zeigen sein, dass die Ursachen einer unbefriedigenden vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten kaum mit den Mitteln des Gesundheits-8, Berufs- und Sozialrechts zu beheben sind, da diese Ursachen hauptsächlich auf einer komplett anderen Ebene liegen. Dem demographischen und strukturellen Wandel in bestimmten Regionen, die deshalb geringe Anziehungskraft auf Ärzte ausstrahlen, kann nur im begrenzten Rahmen durch gesundheits- sozial- und berufsrechtliche Instrumente begegnet werden. Die vertragsärztliche Versorgung lässt sich gleichsam als Spiegel der Attraktivität einer Region begreifen, deren Steigerung Aufgabe der Raumplanung und der Kommunen ist. Das Gesundheitsrecht kann nur innerhalb seines eigenen Systems auf diese Herausforderungen reagieren, ohne an die Ursachen der mangelnden Attraktivität einer Region reichen zu können. Dennoch: Sicherstellungsinstrumente sind erforderlich, um wenigstens im geringen Rahmen Erfolge bewirken zu können und den Mangel so 5 Vgl. BT-Drucks. 15/3581: Die flächendeckende ambulante hausärztliche Versorgung sichern; Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP (2009), S.  88 f. 6 Angestoßen wurde die Diskussion vom Bundesgesundheitsminister der 17. BundestagsLegislaturperiode, Rösler, in einem Interview mit der FAS vom 04.04.2010, S. 33. 7 Hingewiesen sei jedoch auf folgende Monographie, die jedoch nicht mehr für die Ver­ öffentlichung der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden konnte: Kühl, Sicherstellung ambulanter medizinischer Versorgung in ländlichen Regionen, Baden Baden 2012. 8 Zum Begriff des Gesundheitsrechts vgl. Hart, MedR 2000, 1, der das Gesundheitsrecht weit versteht und als das Rechtssystem bezeichnet, „das die individuelle und systemische Versorgung der Bürger mit Gesundheitsgütern und -dienstleistungen regelt.“

Einführung

27

gut wie möglich einzuhegen. Für Regionen, deren Attraktivität etwa infolge einer sehr dünnen Besiedlung so gering ist, dass sich dort mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Vertragsarzt mehr niederlassen wird, sind Instrumente zu entwickeln, die mit dem Mangel umgehen und seine Wirkungen dämpfen. Es sind jedoch systemübergreifende Diskussionen und Lösungen erforderlich, um die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Die Attraktivität einer Region zu steigern ist zentrale Aufgabe der Raumplanung und Wirtschaftspolitik. Dem kann sich die Arbeit nicht widmen, sie beschränkt sich auf den Bereich des Gesundheitsrechts und versucht, dessen Mechanismen und Auswirkungen darzustellen, jedoch in dem Bewusstsein, dass das Gesundheitsrecht nur ergänzend wirken kann und nur beschränkte Effekte auf die Niederlassungsentscheidung der Ärzte hat. Das liegt auch an der Ausgestaltung des Sozialrechts, das auf einen privaten Leistungserbringerstand zurückgreift, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen, ohne dass Weisungsrechte oder „harte“ Befugnisse bestehen, um die Niederlassung in einer bestimmten Region zu erzwingen. Das bekannte und eingangs zitierte Böckenförde-Diktum,9 das die Schwierigkeiten freiheitlicher, säkularisierter Staaten beschreibt, die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie die soziale Regulierung individueller Freiheit zu verankern und somit auch ihre eigene Existenz zu sichern, ist deshalb in abgewandelter Form auch auf den Sozialstaat anwendbar. Auch die Bereitstellung sozialer Leistungen hat die Grundrechte der Leistungserbringer zu achten, vor allem, wenn sich der soziale Staat dafür entscheidet, die Leistungen durch Private zu erbringen. Auf diese Leistungserbringer hat der Staat nur einen begrenzten Zugriff, die Ziele des Gesetzgebers laufen deshalb schon aus diesem Grund Gefahr, nicht verwirklicht zu werden. Zudem machen es das Recht und die Praxis der Bedarfsplanung den Ärzten leicht, sich nicht in einer unterversorgten Region niederzulassen, da die vorhandenen Sanktionsmaßnahmen spät eingreifen und zudem einer Überversorgung von Planungsbereichen nicht entschieden genug begegnet wird. Deshalb lebt der Sozialstaat in seiner derzeitigen Ausprägung von der Bereitschaft der Vertragsärzte, sich auch in unattraktiven, strukturschwachen Regionen niederzulassen, wobei er diese Bereitschaft nicht erzwingen kann, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben. Der soziale Leistungsstaat bewegt sich im Spannungsfeld von Grundrechtsgewährleistung in Bezug auf die Versicherten und Grundrechtswahrung hinsichtlich der privaten Leistungserbringer. Ausdruck des derzeitigen Systems ist die nicht bedarfsgerechte Verteilung der Vertragsärzte: ihre Konzentration in attraktiven Regionen einerseits, ihr Mangel in strukturschwachen und/oder unattraktiven Regionen andererseits. Diese erste, grobe Problembeschreibung wird im ersten Teil der Arbeit verfeinert, auch unter Rückgriff auf öffentlich zugängliche empirische Erkenntnisse. Zudem werden eine Arbeitsdefinition für den Begriff der flächendeckenden ver-

9 Zum

Böckenförde-Diktum Dirsch, ZfP 2009, 123 ff.; Schröder, JZ 2010, 869 ff.

28

Einführung

tragsärztlichen Versorgung entwickelt und die Maßstäbe für eine bedarfsgerechte Versorgung umschrieben. Im zweiten Teil geht es um die flächendeckende Gesundheitsversorgung als Rechtsbegriff. Wie zu zeigen sein wird, kennt das Sozialrecht keinen einheitlichen Begriff der flächendeckenden Versorgung, es setzt ihn aber voraus. Besonders deutlich wird dies an zwei Punkten: der flächendeckenden Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung der Versicherten gem. § 73b Abs. 1, 4 SGB V zum einen, da hier die flächendeckende Verteilung von Hausärzten vorausgesetzt wird, sowie den Vorschriften, die die Reaktion auf eine (drohende) Unterversorgung zum Gegenstand haben zum anderen. Ferner war es das explizite Anliegen des Gesetzgebers bei Erlass des Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-VStG), die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Darüber hinaus wird die flächendeckende Versorgung mit (vertrags-)ärztlichen Leistungen vom Verfassungsrecht gefordert, insb. dem Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG, dem medizinischen Existenzminimum gem. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, dem allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG und vor allem der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Dieses Grundrecht ist deshalb so wichtig, da eine gesetzliche Krankenversicherungsund Beitragspflicht nur dann ein gerechtfertigter Eingriff in die grundrechtliche Freiheit der Versicherten sein kann, wenn Beitrag und Leistung in einem äquivalenten Verhältnis stehen. Eine irreguläre Versorgung der Versicherten infolge eines Ärztemangels ist in besonderen Fällen geeignet, die Entsprechung von Beitrag und Leistung aufzuheben, sodass die Versicherungs- und Beitragspflicht nach Instrumenten verlangt, die eine dem Beitrag entsprechende Versorgung aller Versicherungspflichtigen sicherzustellen vermögen. Der Begriff der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ist eng verknüpft mit dem der Unterversorgung, der nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis in den meisten Fällen als Gegenbegriff zur flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung herangezogen werden kann. Der Terminus der Unterversorgung wird in verschiedenen Stellen des SGB V verwendet, insbesondere in §§ 100, 105, 116 f. SGB V. Weiterhin hat der Begriff in Vorschriften der Ärzte-ZV und der Bedarfsplanungs-RL Niederschlag gefunden, wo er auch definiert wird (§ 28  Bedarfsplanungs-RL). Um die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und ihre Sicherstellung zu analysieren, ist es erforderlich, die einzelnen Instrumente zur Abwehr bzw. Beseitigung einer (drohenden) Unterversorgung darzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Aufgaben und Kooperationsbereiche der einzelnen Akteure des Gesundheitssystems herausgearbeitet werden. Die breite Akteurslandschaft soll „entflochten“ und die Aufgaben und Berührungspunkte der einzelnen Akteure im Hinblick auf die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung dargestellt werden. Die unterschiedlichen rechtlichen Ebenen, die sich der Unterversorgung widmen, werden in ihrer Komposition vorgestellt, um die Rege-

Einführung

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lungssystematik zu verdeutlichen. Daran anschließend wird das erste Hauptziel der Arbeit verfolgt und eine Darstellung und Analyse der einzelnen im SGB V, der Ärzte-ZV sowie im ärztlichen Berufsrecht verstreuten Normen vorgenommen, die die Instrumente zur Abwehr bzw. Beseitigung der (drohenden) Unterversorgung regeln. Die rechtswissenschaftliche Analyse dieser Normen bildet den Ausgangspunkt für das weiterführende zweite Hauptziel der Arbeit: eine die in den verschiedenen Gesetzen geregelten Sicherstellungsinstrumente umspannende Systematik zu entwerfen. Dabei werden die Instrumente zunächst akteursspezifisch und im Anschluss daran anhand des Oberbegriffs der Steuerung geordnet. Unter verschiedenen Steuerungsbegriffen verspricht eine Anknüpfung an der Systematisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts (Marktzugangskontrolle, direkte und indirekte Marktverhaltenskontrolle) den größten Erkenntnisgewinn. Die jüngeren Versuche, das Sozialrecht als Ausprägung des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu begreifen,10 können hier gleichsam im Zuge einer Nagelprobe auf ihre Fruchtbarkeit überprüft werden. Dem gesetzlichen akteursbezogenen Ansatz folgend werden die flächen­ deckende Versorgung und ihre Sicherstellung in erster Linie aus der Sicht der Akteure des Gesundheitssystems betrachtet, die (grund-)rechtlichen Positionen der Versicherten aber insbesondere im zweiten Kapitel des zweiten Teils der Arbeit in den Blick genommen. Dabei interessieren auch die Vorgaben des Verfassungsrechts für die flächendeckende Ausgestaltung der medizinischen Versorgung und die damit verbundene Rolle des Grundgesetzes als Auftrag und evtl. Reformmotor, der Gesetzgeber und Akteure der GKV dazu antreibt, (neue) Instrumente zu entwickeln, die der Sicherstellung einer regulären medizinischen Versorgung für jedermann dienen können. Der dritte Teil erörtert die diskutierten und diskussionswürdigen Sicherstellungsinstrumente, deren Auswirkungen und speziell ihre rechtlichen Implikationen. Die Reformdebatte ist im vollen Gange. Seit dem Frühjahr des Jahres 2010 werden vermehrt öffentlichkeitswirksam neue Vorschläge zur Reform des Gesundheitswesens in die Diskussion eingebracht, die auch die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung zum Gegenstand haben. Eine Vielzahl dieser Vorschläge wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz umgesetzt. Allerdings wurden einige Ansätze nicht im Gesetz berücksichtigt. Diese und andere möglichen Instrumente werden anhand der Kategorien des öffentlichen Wirtschaftsrechts systematisiert. Darüber hinaus werden die mit diesen Vorschlägen verbundenen rechtlichen Fragen erörtert, wobei aufgrund fehlenden Normtextes keine rechtswissenschaftliche Betrachtung lege artis möglich ist. Es ist bloß möglich, rechtliche Aus- und Einwirkungen darzustellen. Dabei wird ein Blick über die 10 Vgl. dazu etwa Hänlein, NZS 2003, 617 ff.; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, Wißmann, in: v. Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 ff.

30

Einführung

deutsche Rechtsgrenze hinaus gewagt und das österreichische Gesundheitsrecht daraufhin untersucht, ob es Sicherstellungsinstrumente bereithält, die auch in das deutsche Gesundheitsrecht eingeführt werden können. Die Arbeit schließt im vierten Teil mit den Reformvorschlägen, die in den vorangegangenen Teilen entwickelt werden. Zu hoffen bleibt, dass Flaubert und Kafka am Ende „nur“ Prosa verfasst, nicht aber der Wirklichkeit vorgegriffen und gleichsam prophetisch dem Vertragsarzt in strukturschwachen Regionen das Totenglöckchen geläutet haben.

Teil 1

Grundlagen 1. Kapitel

Problemstellung1 Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesärztekammer (BÄK) haben in einer Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlenentwicklung für das Jahr 2017 einen Bedarf von insgesamt 76.975 Ärzten prognostiziert.2 Die Altersstruktur der Ärzte, die rückläufige und geringe Absolventenzahl der Medizinstudenten sowie die durch die teilweise unattraktiven Arbeitsbedingungen hervorgerufene erhöhte Abwanderung der Ärzte ins Ausland oder lukrativere Berufssparten führten demnach dazu, dass offene Stellen nicht besetzt werden können. Auch die Gesundheitsministerkonferenz schlug im Jahr 2010 Alarm und hat für die Primärversorgung eine um 20 % erhöhte „Anforderung“ vorausgesagt.3 Die Abbruchquote, die von KBV und BÄK angegeben wird (ca. 40 %), wird allerdings vom Medizinischen Fakultätentag und der Hochschul-Informations-System GmbH in Zweifel gezogen. Demnach stiegen die Absolventenzahlen an, die Abbruchquote sei mit 5 % sehr gering.4 Betrachtet man die Altersstruktur der Ärzte, so ist Folgendes festzustellen: Das Durchschnittsalter der Vertragsärzte lag 2006 bei 51,1 Jahren, im Jahr 1991 noch bei 46,6 Jahren. Das Durchschnittsalter der Krankenhausärzte betrug im Jahr 2006 40,9 Jahre gegenüber 38,1 Jahren im Jahr 1991. Waren Ende 1993 noch 6,7 % der berufstätigen Ärzte 60 Jahre oder älter, so waren es 2006 bereits 11, 4 %.5 In den neuen Bundesländern ist der Anteil der Hausärzte, die 60 Jahre und älter sind, doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern

1 Zum

Überblick vgl. auch Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 2 f., abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 2 Kopetsch, Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung: Daten, Fakten, Trends, Folie abrufbar unter http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Arztzahlstudie_09102007.pdf. 3 Beschlüsse der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.07.2010, TOP 5.3.2, abrufbar unter http://www.gmkonline.de. 4 Vgl. die Pressemitteilung des Medizinischen Fakultätentags vom 16.04.2010. 5 Vgl. Kopetsch, Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung: Daten, Fakten, Trends, Folie 0128.

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Teil 1: Grundlagen

und lag im Jahr 2002 zwischen 24,4 % (Sachsen-Anhalt) und 27,9 % (Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern).6 Daraus folgt, dass der demographische Wandel auch die (insbesondere niedergelassene) Ärzteschaft erfasst,7 die Gründe hierfür sind vielfältig.8 Die Altersstrukturentwicklung der Ärzte folgt dabei der gesellschaftlichen Entwicklung. Mit dem Begriff des demographischen Wandels werden im Wesentlichen zwei Phänomene beschrieben: die Alterung der Bevölkerung zum einen, ihr Rückgang zum anderen, der mit einer seit knapp 40 Jahren sinkenden Geburtenhäufigkeit zusammenhängt.9 Das Schrumpfen der Gesellschaft konnte lange Zeit durch Zuwanderung ausgeglichen werden, was jedoch mittlerweile nicht mehr der Fall ist.10 Dabei ist die Schrumpfung der Gesellschaft progressiv, da sich jede Generation nur zu zwei Dritteln ersetzt (Bevölkerungsimplosion) und das reproduktive Gleichgewicht über mehrere Generationen nicht gewahrt wurde.11 Der demographische Wandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Versichertenstruktur, sondern er schlägt auch auf die Infrastruktur der betroffenen Regionen durch. Frauen im gebärfähigen Alter wandern aus diesen Regionen ab. Schrumpfende Geburtenzahlen ziehen die Schließung von Schulen und anderen Einrich 6 Vgl. die Aufschlüsselung bei Klose/Uhlemann/Gutschmidt, Ärztemangel-Ärzteschwemme?, S. 13. 7 Vgl. auch knapp Orlowski, VSSR 2007, 157 (171). 8 Zum einen hat die Ärzteschaft nach Aussagen der KBV ein Nachwuchsproblem; der Anteil der jungen Ärzte nehme seit 1993 ab. Gleiches gelte für Studierende der Humanmedizin, auch die Absolventenzahlen im Fach Humanmedizin gingen zurück. Die Absolventen ihrerseits stellen ihre Fähigkeiten in immer größerem Maß nicht den Patienten unmittelbar zur Verfügung, sondern wählen lukrativere Berufe (vgl. Kopetsch, Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung: Daten, Fakten, Trends, Folien 0129 ff.; dazu auch das Statement von Köhler, abrufbar unter http://www.kbv.de/veranstaltungen/print/11146.html). Zum anderen wandern vermehrt Ärzte ins Ausland ab. 2007 arbeiteten ca. 16.000 deutsche Ärzte im Ausland, mit steigender Tendenz. Im Jahr 2006 wanderten über 2.500 Ärzte aus. Die Immigration ausländischer Ärzte kompensiert die Abwanderung deutscher Ärzte (noch) nicht. Zu beachten ist auch, dass die Mehrzahl der Absolventen des Medizinstudiums weiblich ist (vgl. Kopetsch, DÄBl 2008; 105(19): A-985). Die Last der Kindererziehung wird trotz vielfältiger Reformbemühungen noch immer zu großen Teilen von den Frauen getragen, die sich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemühen müssen und deshalb im Zweifel die Anstellung in Krankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren der selbständigen Niederlassung mit all ihren Belastungen vorziehen. Als weitere negativ wirkende Rahmenbedingung ist die – im Vergleich zur Bewerberzahl – geringe Anzahl der Studienplätze für Humanmedizin zu nennen. Auf einen Studienplatz kommen vier Bewerber, die Auswahl erfolgt zum großen Teil über die Abiturnote (vgl. die Pressemitteilung des Medizinischen Fakultätentags vom 16.04.2010). 9 Vgl. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 38 ff. Zu Ausmaß und Auswirkungen des demographischen Wandels vgl. Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, sowie Kröhnert/Hoßmann/Klingholz, Die demografische Zukunft von Europa, zur Entwicklung in den europäischen Staaten. 10 Zu den Gründen (insb. Anpassung der Fertilität der Zuwanderer an die der deutschen Frauen) vgl. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 50. 11 Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 52 f.

1. Kap.: Problemstellung

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tungen nach sich, die nicht mehr ausgelastet werden können, die Infrastruktur kann nicht mehr finanziert werden und liegt brach.12 Da die gut ausgebildete junge (zumeist weibliche) Bevölkerung die betroffenen Regionen verlässt,13 gibt es nur wenige Fachkräfte für die Wirtschaft, was eine Neuansiedlung von Unternehmen unattraktiv macht. Somit bleiben häufig schlecht ausgebildete sowie alte (von chronischen Krankheiten und Multimorbidität besonders häufig betroffene)14 Menschen zurück,15 die Attraktivität der Regionen sinkt. Außerdem führt das Schrumpfen der Bevölkerung dazu, dass sich die Regionen entleeren16 und gleichsam zersiedelt sind. Es konzentrieren sich kaum Menschen in den betroffenen Regionen, sondern sie sind dort verstreut, was lange Wegstrecken der Hausärzte für Hausbesuche bedeutet. Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft ist eine älter werdende, schrumpfende Ärzteschaft besonders kritisch: Ältere Menschen sind im Durchschnitt anfälliger für Krankheiten und Träger mehrerer Krankheiten gleichzeitig. Sie sind deshalb durchschnittlich auf mehr ärztliche Leistungen angewiesen.17 Wenn es immer mehr alte Menschen gibt, die mehr ärztliche Leistungen be­ nötigen, so steigt die Nachfrage bezüglich ärztlicher Leistungen. Gleichzeitig jedoch entspricht die Arztzahlentwicklung nicht der Nachfrageentwicklung bezüglich ärztlicher Leistungen: Wenn es prozentual immer mehr alte Ärzte gibt, so ist absehbar, dass die erhöhte Nachfrage der Versicherten nicht mehr vollständig befriedigt werden kann, weil das verhältnismäßige Angebot an Ärzten und ärztlichen Leistungen immer mehr schrumpfen wird. Eine alternde Gesellschaft verlangt somit nach mehr ärztlichen Leistungen, die eine alternde und mittelfristig schrumpfende Ärzteschaft, die sich zudem nicht in strukturschwachen Gebieten niederlassen möchte, nicht vollumfänglich anbieten können wird.

12 Vgl. für Sachsen-Anhalt Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 110 ff. 13 Vgl. für Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 76, 110 ff. 14 Schuler-Harms, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 15, Rn. 3. 15 Vgl. Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 96, speziell für Sachsen-Anhalt S. 113. 16 Vgl. für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 78, 83 ff., 112 f. 17 Vgl. Enquete-Kommission Demographischer Wandel, Abschlussbericht, BT-Drucks. 14/ 8800, S. 184 f.; Ritter, Der Preis der deutschen Einheit, S. 146.

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Teil 1: Grundlagen

2. Kapitel

Begriffsverständnis Um die Steuerungsinstrumente darzustellen, die eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicherstellen können, ist zunächst erforderlich, den Begriffshorizont näher zu umreißen. Das Gesundheitsrecht definiert den Begriff der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung nicht, sondern kennt nur zu vermeidende Extreme, zwischen denen dieser Begriff angesiedelt werden kann: Über- und Unterversorgung (vgl. §§ 100 ff. SGB V), wobei eine flächendeckende Versorgung aber auch im Fall der Überversorgung vorliegt. Diese Standortbestimmung ist zu ungenau, deshalb bedarf es einer konkreten Bestimmung des Begriffs der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung. Diese könnte folgendermaßen aussehen: „Die flächendeckende Versorgung mit Gesundheitsleistungen setzt voraus, dass jeder Mensch innerhalb einer bestimmten Frist und innerhalb einer definierten geographischen Nähe Zugang zu medizinischen Leistungen erhält.“18

Die gegebene Beschreibung ist noch recht vage und konkretisierungsbedürftig („bestimmte Frist“, „definierte geographische Nähe“). Allerdings ist in dieser Definition ein wesentlicher Aspekt angesprochen: Ein entscheidendes Kriterium der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ist die Wohnortnähe bzw. die zumutbare Erreichbarkeit von Gesundheitsleistungen ausgehend vom konkreten Aufenthaltsort. Die flächendeckende Versorgung setzt voraus, dass jeder Versicherte vertragsärztliche Dienstleistungen in der Nähe seines Wohnortes bzw. Aufenthaltsortes in Anspruch nehmen kann. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Wartezeiten zu legen, die für die Bestimmung der Versorgungssituation herangezogen werden können.19 Denn die individuelle Versorgungssituation hängt im besonderen Maße davon ab, wie schnell die Versicherten ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen können, bzw. wie lange sie auf einen Behandlungstermin warten müssen. Zumutbare Wartezeiten sind deshalb ein Indikator für die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung. Die Wartezeiten müssen so ausgestaltet sein, dass die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen weder unzumutbar erschwert, noch der negative Verlauf der Erkrankung forciert wird. Zudem ist die freie Arztwahl in die Überlegungen einzubeziehen, die gem. § 76 Abs. 1 SGB V den Versicherten (mit gewissen Einschränkungen)20 garantiert wird und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt gewährleisten soll.21 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch dann eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung vorliegt, wenn innerhalb zumutbarer 18 So die Arbeitsdefinition von Zerth, Flächendeckende Versorgung in einem liberalen Gesundheitssystem, S. 18. 19 Vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2009, Az. B 6 KA 21/08 R, Rn. 18 – juris. 20 Vgl. zu den Beschränkungen Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 76, Rn. 5 ff. 21 Vgl. Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 76, Rn. 4.

2. Kap.: Begriffsverständnis

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Wegstrecken und Wartezeiten nur ein Arzt zu erreichen ist. Dann beschränkt sich die freie Arztwahl auf die mit zumutbarem Aufwand erreichbaren Ärzte, eventuell reduziert sie sich sogar auf nur einen verfügbaren Arzt der erforderten Fachrichtung. Gerade im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis, das durch die freie Arztwahl abgesichert werden soll, ist es erstrebenswert, dass zumindest zwei Ärzte (der erforderten Fachrichtung) so erreichbar sind, dass die Inanspruchnahme zumutbar ist. Dies wird ausdrücklich etwa im österreichischen Gesundheitsrecht festgehalten. So normiert § 342 Abs. 1 Nr. 1 HS. 2 ASVG, dass bei der Aufstellung der Stellenpläne (= Bedarfspläne) die Auswahl zwischen mindestens zwei ärzt­ lichen Leistungserbringern zu berücksichtigen ist, wobei beide Leistungserbringer in angemessener Zeit erreichbar sein sollen. Gerade chronisch kranke und multimorbide Versicherte, die häufig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, sind auf einen Arzt angewiesen, zu dem sie Vertrauen fassen, weshalb die Auswahl zwischen zumindest zwei Vertragsärzten der gleichen Fachrichtung, die innerhalb zumutbarer Wartezeiten in Anspruch genommen werden können und deren Praxissitz sich in zumutbarer Entfernung vom Wohnort des Versicherten befindet, konstitutiv für eine flächendeckende Versorgung ist. Die (grobe) Arbeitsdefinition der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ist unter Zugrundelegung der genannten relevanten Kriterien wie folgt zu formulieren: Die Versicherten sind flächendeckend mit vertragsärztlichen Leistungen versorgt, wenn sie innerhalb zumutbarer Wartezeiten und unter Inkaufnahme einer zumutbaren Wegstrecke mindestens zwei Vertragsärzte derjenigen Fachrichtung in Anspruch nehmen können, deren Fachwissen für die Behandlung der Beschwerden des Versicherten erforderlich ist.

Dabei bietet auch diese Arbeitsdefinition keine trennscharfen Maßstäbe, sie ist für den Einzelfall konkretisierungsbedürftig, insbesondere im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Wegstrecken und der Wartezeiten. Allerdings genügt diese Begriffsumreißung für die vorliegende Aufgabe, die flächendeckende vertragsärzt­ liche Versorgung und ihre Sicherstellung zu untersuchen, zumal im Folgenden auf konkrete Maßstäbe zurückgegriffen wird.

A. Maßstäbe für eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung Die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses22 (Bedarfsplanungs-RL) gibt griffige Maßstäbe, anhand derer der Arbeitsbegriff klar umrissen werden kann. 22 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung, Neufassung vom 15.02.2007 (veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007, S. 3 491), zuletzt geändert am 10.04.2008 (veröffentlicht im Bundesanzeiger 2008, S. 2 231).

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Teil 1: Grundlagen

I. Allgemeine Verhältniszahlen nach der Bedarfsplanungs-RL Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA)23 ist dafür zuständig, die Maßstäbe für die Bedarfsplanung festzulegen, anhand derer sich die ausreichende Versorgung, Überversorgung oder Unterversorgung feststellen lassen, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9, § 101  SGB  V.24 Der Begriff der Unterversorgung wird in dieser Arbeit als Gegenbegriff zur flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung25 der Versicherten verwendet, wenn auch mit gewissen Einschränkungen im Einzelfall. Eine Region ist somit grundsätzlich dann flächendeckend mit vertragsärztlichen Leistungen versorgt, wenn keine Unterversorgung vorliegt.26 Die genannten Maßstäbe hat der GBA in der Bedarfsplanungs-RL durch Verhältniszahlen festgelegt.27 Sie sind gem. § 99 Abs. 1 S. 1 SGB V für die Aufstellung der Bedarfspläne durch die KV maßgeblich und bestimmen, in welcher Relation Einwohner und Ärzte stehen sollen.28 Dabei wird nach raumplanerischen Kriterien (Verdichtungsgrad der Regionen)29 zwischen vier Regionstypen unterschieden (Agglomerationsräume,30 verstädterte Räume,31 ländliche Räume,32 Sonderregionen33). Bis auf die Sonderregionen werden alle Regionstypen nach der Bevölkerungsdichte bzw. nach der Stadtgröße in verschiedene Ordnungsnummern unterteilt, § 6 Bedarfsplanungs-RL. Den einzelnen Ordnungsnummern wer-

23 Der

GBA wird aus den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildet und ist rechts­ fähig, § 91 Abs. 1 SGB V. Das Beschlussgremium besteht aus Vertretern der den GBA bildenden Vereinigungen sowie unparteiischen Vertretern, § 91 Abs. 2 SGB V. Vgl. dazu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8, Rn. 36 ff.; zur alten Fassung: Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 91, Rn. 8. 24 Dazu BSGE 86, 242 (246); BSG SozR 4–2500 § 101 Nr. 1. 25 Der Begriff der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung hat gemeinsame Schnittpunkte mit dem Begriff der ausreichenden Versorgung der Versicherten, da auch dieser Begriff zwischen Unter- und Überversorgung angesiedelt ist. Allerdings geht er auch über den Begriff hinaus, da auch dann eine flächendeckende Versorgung der Versicherten vorliegt, wenn eine Überversorgung zu verzeichnen ist. 26 Als Synonym für die flächendeckende Versorgung bietet sich die bedarfsgerechte Versorgung an. 27 Vgl. zu den Verhältniszahlen BSG SozR 4–2500, § 101, Nr. 1. 28 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 31. 29 BSG, Urteil vom 05. November 2003, Az. B 6 KA 53/02 R, Rn. 21 – juris. 30 Regionen, die Oberzentren mit einer Größenordnung von über 300.000 Einwohnern oder eine Bevölkerungsdichte über 300 Einwohner/qkm haben, § 6 Bedarfsplanungs-RL. 31 Regionen, die Oberzentren von über 100.000 Einwohnern oder eine Bevölkerungsdichte von über 15 E/qkm bei einer Mindestdichte von 100 E/qkm haben, § 6 Bedarfsplanungs-RL. 32 Regionen mit einer Bevölkerungsdichte von weniger als 150 E/qkm und ohne Oberzentren von über 100.000 Einwohnern, sowie Regionen mit Oberzentren von über 100.000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte um/unter 100 E/qkm, § 6 Bedarfsplanungs-RL. 33 Sonderregionen sind kreisfreie Städte und Landkreise des Ruhrgebiets, § 6 Bedarfsplanungs-RL.

2. Kap.: Begriffsverständnis

37

den die Allgemeinen Verhältniszahlen (Arzt/Einwohner) für jede Fachrichtung der Vertragsärzte zugeordnet. Die konkrete Aufschlüsselung ist in § 6 Bedarfsplanungs-RL normiert. Im Überblick ist zu erkennen, dass die Arztdichte innerhalb des konkreten Regionstyps mit der Bevölkerungsdichte zunimmt. So kommt beispielsweise im Regionstyp 1 (Agglomerationsräume) in der ersten Ordnungsnummer (Kernstädte) auf 1.585 Einwohner ein Hausarzt. In der Ordnungsnummer 4 (ländliche Kreise) des Regionstyps 1 kommt ein Hausarzt auf 1.752 Einwohner. Zudem sehen die Allgemeinen Verhältniszahlen vor, dass die Versorgungsdichte mit Hausärzten weit höher ist als die Versorgungsdichte mit Fachärzten, wobei die Versorgungszahlen bezüglich der Fachärzte nach den einzelnen Fachrichtungen differenziert zugeordnet werden. Die Bedarfszahlen beruhen auf der Ist-Verteilung der Ärzte zum 31. Januar 1990, die in der Bedarfsplanungs-RL als Soll-Verteilung festgeschrieben wurde.34 Allerdings ist der GBA verpflichtet, die ermittelten Verhältniszahlen anzupassen oder neu festzulegen, wenn dies zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung erforderlich ist; hierbei ist insbesondere die demographische Entwicklung zu berücksichtigen, § 101 Abs. 2 Nr. 3 SGB V. Die Bedarfsplanungs-RL regelt darüber hinaus die so genannten Planungsbereiche.35 Diese stellen die räumliche Grundlage für die Ermittlungen zum allgemeinen Stand der vertragsärztlichen Versorgung und zum jeweiligen örtlichen Stand der vertragsärztlichen Versorgung sowie zur Feststellung der Überversorgung oder Unterversorgung dar. Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des GKV-VStG galt Folgendes: Grundsätzlich sollten sich die Planungsbereiche an den Gebietsgrenzen der kreisfreien Städte und Landkreise orientieren und somit dem Gebiet der Kreise und kreisfreien Städte entsprechen, § 2 Abs. 3 S. 1 BedarfsplanungsRL.36 Durch die Festlegung, dass sich die Planungsbereiche an den Gebietsgrenzen der Landkreise bzw. kreisfreien Städte orientieren sollen, wurde zum einen der Zugang der Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung sichergestellt.37 Zum anderen wurde durch die Anlehnung der Planungsbereiche an diese Gebiete ein Ortsbezug der vertragsärztlichen Versorgung gewährleistet. Die Bedarfsplanung erfolgte für die einzelnen Planungsbereiche und sollte somit bewirken, dass die Versicherten eines Planungsbereiches ausreichend mit vertragsärztlichen Leistungen versorgt werden. Durch die explizite Normierung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs (§ 100 Abs. 3 SGB V) hatte die Bedarfsplanung nicht nur die ausreichende vertragsärztliche Versorgung in der Fläche des Planungsbereiches sicherzustellen, sondern sie war auch auf die örtliche Versorgung konzentriert, was durch im Zuge

34 Vgl.

Nowack, DÄBl. 2004, 101(19): A-1324 f. Zuständigkeit des GBA für die Festlegung der Planungsbereiche vgl. BSGE 86, 242  (244 ff.). 36 Die Abweichung von diesem Grundsatz ist nur in atypischen Konstellationen zulässig, vgl. BSGE 81, 207 (209); Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 29. 37 Vgl. die Fallkonstellation in BSGE 86, 242. 35 Zur

38

Teil 1: Grundlagen

von Kreisgebietsreformen38 vergrößerte Landkreise eine erhöhte Bedeutung erlangt hat. Das GKV-VStG hat hier eine Modifikation erforderlich gemacht. Gem. § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V sind die regionalen Planungsbereiche mit Wirkung zum 01. Januar 2013 so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung sicher­ gestellt wird.39 Somit lässt sich holzschnittartig festhalten, dass die Bedarfsplanungs-RL bislang noch bestimmt, dass innerhalb der jeweiligen Regionstypen die Ärztedichte mit zunehmender Bevölkerungsdichte steigt und dass die Versorgungsdichte mit Hausärzten höher ist als mit Fachärzten, wobei die Versorgungsdichte mit Fachärzten von der konkreten Fachrichtung abhängig ist. Für die hausärztliche Versorgung wird somit die Forderung der Wohnortnähe medizinischer Versorgung aufgestellt, der auch für die fachärztliche Versorgung gilt. Da jedoch die allgemeinen Verhältniszahlen zwischen hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung differenzieren, sind nach geltender Rechtslage nicht die gleichen Maßstäbe an eine flächendeckende Versorgung mit fachärztlichen Leistungen anzulegen, die für eine flächendeckende Versorgung mit hausärztlichen Leistungen gelten. II. Unterversorgung nach der Bedarfsplanungs-RL Das SGB V und die Ärzte-ZV verwenden zwar den Begriff der Unterversorgung, definieren ihn jedoch nicht. Nähere Aussagen zum Begriff trifft vielmehr die Bedarfsplanungs-RL. § 28 der Bedarfsplanungs-RL legt fest, dass Unterversorgung zu verzeichnen ist, wenn in bestimmten Planungsbereichen Vertragsarztsitze, die für die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten vorgesehen sind, dauerhaft nicht besetzt werden können und dadurch die Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen un­zumutbar erschwert wird, was auch durch die Ermächtigung von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen nicht behoben werden kann.40 Die Unterversorgung im hausärztlichen Bereich ist zu vermuten, wenn der Stand der hausärztlichen Versorgung den in den Planungsblättern ausgewiesenen Bedarf um mehr als 25 % unterschreitet. Eine Unterversorgung im fachärztlichen Bereich ist zu vermuten, wenn der Stand der fachärztlichen Versorgung den in den Planungsblättern ausgewiesenen Bedarf um 50 % unterschreitet. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Altersstruktur der Vertragsärzte eine Verminderung der Zahl 38 Genannt seien etwa die Kreisgebietsreformen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2007, Sachsen im Jahr 2008 und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006. 39 Der GBA hat hierauf reagiert und die Arbeiten an einer neuen Fassung der Bedarfsplanungs-RL aufgenommen, die am 01.01.2013 in Kraft treten soll. 40 Vgl. Sproll, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 100 SGB V, Rn. 2; Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 100, Rn. 2. Zum Problem, dass § 28 Bedarfsplanungs-RL und § 116a  SGB V logisch kollidieren vgl. unten, Teil 2, Kap. 3, C.

2. Kap.: Begriffsverständnis

39

der Vertragsärzte erwarten lässt, so dass mit einer Minderversorgung von 25 % im hausärztlichen bzw. von 50 % im fachärztlichen Bereich zu rechnen ist, § 29 Bedarfsplanungs-RL. Im Folgenden wird anknüpfend an die Vorgaben der Bedarfsplanungs-RL grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Unterversorgung im vertragsärztlichen Bereich dann vorliegt, wenn eine Minderversorgung im Bereich der Hausärzte bzw. eine Minderversorgung im Bereich der Fachärzte nach den Vorgaben von § 28 Bedarfsplanungs-RL zu verzeichnen ist. Allerdings haben die Fraktionen von SPD und Grünen in der 15. Legislaturperiode41 sowie der GKV-Spitzenverband42 mit Recht darauf hingewiesen, dass die Feststellung von Unterversorgung an starren Verhältniszahlen der Versorgungsrealität nicht gerecht wird. Vielmehr muss der Morbiditätsgrad der Bevölkerung berücksichtigt werden.43 Zusätzlich müssen auch regionale Besonderheiten berücksichtigt werden, etwa eine vorhandene Zersiedelung, was lange Wegstrecken für Versicherte und Ärzte bedeutet. Diese Kriterien wurden bei der Festlegung der Bedarfszahlen bislang zu wenig berücksichtigt.44 Gem. § 101 Abs. 2 Nr. 3 SGB V ist nunmehr bei der Festlegung der Bedarfszahlen die demographische Entwicklung zu berücksichtigen. Eine schnell alternde Bevölkerung in den betroffenen Gebieten ist überdurchschnittlich häufig auf mehr und intensivere ärztliche Behandlungen angewiesen. Die Verhältniszahlen drücken den tatsächlichen Bedarf dieser Versicherten dabei bislang nur unzureichend aus. Deshalb ist die flächendeckende Versorgung im Einzelfall anhand der Zumutbarkeit von Weg- und Wartezeiten zu bestimmen. Die Zumutbarkeit lässt sich anhand zweier Kriterien konkretisieren: der Mobilität der betroffenen Versicherten, wobei eine Betrachtung der durchschnittlichen Mobilität der schwächsten Gruppe der Versicherten (Alte, Multimorbide, sozial Schwache) zielführend sein dürfte, und der Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand durch die Wartezeiten verschlechtert. Je immobiler die Betroffenen und je weiter die Wegstrecke zum Arzt, desto geringer ist die Zumutbarkeit der Wegstrecke und somit der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen. Gleiches gilt, je länger die Wartezeiten sind und damit verbunden die Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert. Gerade im hausärztlichen Bereich sind lange Weg- und Wartezeiten weniger akzep­tabel als im fachärztlichen Bereich, weil der Hausarzt eine Lotsenfunktion im Gesundheitswesen hat.45 Die Verhältniszahlen und Versorgungsgrade eines Planungsbereichs drücken die tatsächliche Versorgung insbesondere dann nicht hin 41 BT-Drucks.

15/3581, S. 4. GKV-Spitzenverband, Perspektiven für Reformen, S. 8, abrufbar auf http.://www. gkv-spitzenverband.de unter der Rubrik „Presse“ und „Positionspapiere“. 43 BT-Drucks. 15/3581, S. 4. 44 Zu den Reformbemühungen im Rahmen der Bedarfsplanung vgl. Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), K § 105, Rn. 23 ff. 45 Vgl. zur Lotsenfunktion des Hausarztes BT-Drucks. 15/3581, S. 2. 42 Vgl.

40

Teil 1: Grundlagen

reichend aus, wenn benachbarte Planungsbereiche ebenfalls nicht hinreichend versorgt sind und eine Ausweichmöglichkeit der Versicherten in nahe gelegene Regionen nicht gegeben ist.46 Deshalb wird im Rahmen dieser Arbeit zwar grundsätzlich an den Maßstäben der Bedarfsplanungs-RL festgehalten, da sie hinreichend präzise sind und das Begriffsverständnis fördern. Allerdings sind die Bedarfszahlen für diese Arbeit nur Orientierungswerte, die im Einzelfall eine irreguläre Versorgung nicht ausschließen, auch wenn die Versicherten nach den Maßstäben der Bedarfsplanungs-RL ausreichend versorgt sind.

B. Zwischenergebnis Der Begriff der flächendeckenden Versorgung ist von der Erreichbarkeit der Leistungserbringer durch die Versicherten sowie der Zumutbarkeit von Warte­ zeiten geprägt. Das Kriterium der Erreichbarkeit ist jedoch nicht einheitlich zu verstehen, sondern abhängig von der konkreten Leistungsart und der konkreten Region, in der der Versicherte die Leistung in Anspruch nehmen will. Eine flächendeckende Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen liegt grundsätzlich vor, wenn der Versorgungsgrad mit Ärzten 75 % (für den hausärztlichen Bereich) bzw. 50 % (für den fachärztlichen Bereich) der in der Bedarfsplanung festgelegten Arztstellen nicht unterschreitet. Der Begriff orientiert sich jedoch nicht allein an diesen starren Zahlen.47 Vielmehr sind diese Vorgaben Ausdruck der wohnortnahen und somit zumutbaren ärztlichen Versorgung. Ist trotz einer nach den Bedarfszahlen nicht feststellbaren Unterversorgung eine wohnortnahe und zumutbare vertragsärztliche Versorgung nicht gegeben, so liegt nach dem hier entwickelten Begriffsverständnis dennoch eine defizitäre Versorgung vor. Die Gefahr der Verhältniszahlen besteht darin, dass die prekäre Versorgungslage Einzelner durch die Statistik „herausgerechnet“ wird und sie aufgrund des der Ermittlung der Bedarfszahlen zugrunde liegenden optimierungswürdigen Verfahrens zudem den tatsächlichen Bedarf nicht realitätsgerecht abbilden. Deshalb ist die verhältnismäßige Versorgungssituation stets anhand der tatsächlichen Versorgungssituation des Einzelnen zu überprüfen. Mithin kann auch dann von einer nicht-flächendeckenden Versorgung gesprochen werden, wenn eine Unterversorgung nicht festgestellt ist.

46 Vgl.

BT-Drucks. 15/3581, S. 2. kritisiert etwa der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, dass die Morbiditätsstruktur der Bevölkerung in der Bedarfsplanung zu wenig Berücksichtigung findet: Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens (Kurzfassung), S. 169, abrufbar unter http://www.svr-gesundheit. de/Startseite/Startseite.htm. 47 So

3. Kap.: Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland

41

3. Kapitel

Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland Die These, dass eine schrumpfende Ärzteschaft den absehbaren Mehrbedarf an ärztlichen Leistungen nicht hinreichend befriedigen können wird, steht in einem deutlichen Kontrast zum Befund der sog. „Ärzteschwemme“, der gleichzeitig mit dem einer drohenden Unterversorgung erhoben wird. Viele Planungsbereiche in der vertragsärztlichen Versorgung sind überversorgt. Trotzdem wird bereits heute eine nicht-flächendeckende Versorgung mit Ärzten beklagt. Wie passt das zu­ sammen?

A. Blick in die Statistik48 Betrachtet man die einschlägigen Statistiken und zieht man die internationalen Vergleichszahlen, so kommt die Frage auf, wieso das Problem der – teilweisen – nicht-flächendeckenden Versorgung überhaupt thematisiert wird. I. Internationaler Befund Zum einen gab es nach Erhebungen der WHO in Deutschland seit 1991 einen kontinuierlichen Anstieg an Ärzten. Im Jahre 2005 waren 60.000 Ärzte mehr tätig als noch im Jahre 1991.49 Diese absoluten Zahlen sagen jedoch noch nichts über die Versorgung des Einzelnen aus. Dazu ist es zunächst dienlich, die Versorgungsdichte pro 100.000 Einwohner in den Blick zu nehmen und diese Daten in Relation zu anderen Ländern zu setzen. Die WHO hat auch zu diesem Aspekt Daten erhoben. Die Arztdichte in Deutschland lag im Jahr 2005 bei 340 Ärzten/100.000 Einwohner. In Norwegen (368/100.000 Einwohner), den Niederlanden (371/100.000 Einwohner) und Russland (422/100.000 Einwohner) war sie höher. Im Jahr 2003 48 Die statistischen Angaben beziehen sich auf die Daten, die von der WHO im Jahr 2005 veröffentlicht wurden. Die Vergleichsländer, auf die im Folgenden eingegangen wird sind: Polen, Schweden, Russland, die Niederlande, Schweiz und Spanien. Die Daten wurden der Website des Statistischen Bundesamtes entnommen. Auf sie wird in diesem Abschnitt ausschließlich Bezug genommen. Sie sind abrufbar auf http://www.gbe-bund.de. Dabei sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Rankingsystem der WHO, das die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gesundheitssysteme untersucht hat, einer fundamentalen methodischen Kritik ausgesetzt sieht. Die folgende Darstellung bezieht sich deshalb nicht auf das Ranking, sondern allein auf die Zahlen zur Gesundheitsversorgung, soweit sie vorliegen. Vgl. zur Kritik die Publikation des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-Systemforschung, abrufbar unter http://www.igsf.de/pminternationallang.pdf. 49 Waren im Jahre 1991 noch 221.072 Ärzte tätig, so waren es 2005 schon 281.309 Ärzte.

42

Teil 1: Grundlagen

war die Arztdichte in Polen jedoch geringer als im gleichen Jahr in Deutschland (224/100.000 Einwohner). Das gleiche galt für Schweden im Jahr 2004 (325/100.000 Einwohner).50 II. Deutscher Fokus Zum anderen ist für die Versorgung mit Vertragsärzten im Bundesdurchschnitt eine Überversorgung zu verzeichnen. Der Begriff der Überversorgung wird in § 101 SGB V verwendet. Die Überversorgung ist ein Kriterium der Bedarfs­ planung,51 die den KV (im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen) obliegt und eine ausgeglichene Arztverteilung sicherstellen soll.52 Wird der im Bedarfsplan festgelegte Versorgungsgrad (der als 100 % ausgedrückt wird) um 10 % überschritten, so liegt eine Überversorgung vor, § 101 Abs.1 S. 3 SGB V i. V. m. § 14  Bedarfsplanungs-RL. Der alle Arztgruppen global zusammenfassende Versorgungsgrad betrug im Jahr 2006 bundesweit 124 %. Der Gesamtversorgungsgrad innerhalb der jeweiligen Planungsbereiche der KV lag ebenfalls stets deutlich über 100 %.53

B. Interpretation der Zahlen Die absolute Zahl der einzelnen Leistungserbringer in einem Staat hilft nicht dabei, den Grad der Versorgung festzustellen. Dazu ist vielmehr erforderlich, dass die Anzahl der Leistungserbringer in Relation zur Größe der Bevölkerung gesetzt wird. Die Aussagen zur Versorgungsdichte sind deshalb besser geeignet, den Grad der Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen zu bestimmen. Das Kriterium der Versorgungsdichte ist jedoch ebenfalls kritisch zu betrachten. Denn indem die Anzahl der Leistungserbringer in Relation zu der Bevölkerungszahl gesetzt wird, werden regionale Besonderheiten verwischt. Die Versorgungsdichte drückt die Zahl der Leistungserbringer pro 100.000 Einwohner bezogen auf den Gesamtstaat aus. Die nicht-flächendeckende Versorgung in einzelnen Regionen wird durch die Regel-, oder gar Überversorgung in anderen Regionen statistisch ausgeglichen. Die Statistiken der WHO über die Versorgungsdichte ermöglichen zwar einen Vergleich der deutschen Versorgungsdichte mit der anderer

50 Vgl. den Nachweis des Statistischen Bundesamtes, a. a. O. Für Schweden und Polen lagen keine Daten aus dem Jahr 2005 vor. Deshalb wurden die aktuellsten Daten mit den deutschen Ergebnissen des gleichen Jahres verglichen. 51 Vgl. weiterführend zur Bedarfsplanung unten, Teil 2, Kap. 1, A. III., Kap. 3. 52 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 26 f. 53 Siehe dazu Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 16 f.

3. Kap.: Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland

43

Staaten. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, ob dieser Vergleich für jede Region Deutschlands zutrifft. Deshalb darf die Gesamtversorgungssituation, die eine Überversorgung mit Ärzten in allen Planungsbereichen nahe legt, nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einzelnen Regionen erhebliche Versorgungsprobleme bestehen.54 Denn die Versorgungsrate verwischt die regionalen Unterschiede, indem die Unterversorgung der betroffenen Regionen statistisch durch die Überversorgung anderer Regionen ausgeglichen wird.

C. Versorgungsdefizite als regionales bzw. lokales Problem Darum ist die Bezugnahme auf die Versorgungssituation einzelner Regionen bzw. Orte der Schlüssel, um das Problem der flächendeckenden Versorgung zu erfassen. Wenn die Statistik von der Gesamtanzahl der Leistungserbringer ausgeht und diese zur Größe der Bevölkerung ins Verhältnis setzt, wird eine einheitliche Versorgungsdichte suggeriert, die nicht besteht. Die hohe Versorgungsdichte etwa am Starnberger See, in Köln, München, Hamburg oder anderen Großstädten mit attraktiver Infrastruktur (und einem vergleichsweise hohen Anteil von privat Ver­sicherten) kaschiert die in bestimmten Regionen Deutschlands existierende weniger hohe Arztdichte. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass ein größerer Planungsbereich insgesamt zwar ausreichend versorgt sein kann, es jedoch möglich ist, dass es in diesem Planungsbereich zu lokalen Versorgungsdefiziten kommt.55 Das bedeutet, dass eine nicht-flächendeckende Versorgung kein bundesweites, sondern ein regionales bzw. lokales Phänomen ist. Die nicht-flächendeckende Versorgung erfasst auch nicht ganze Bundesländer, sondern erstreckt sich (derzeit) auf bestimmte Landstriche. Die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte und die Überalterung der Bevölkerung lassen jedoch vermuten, dass sich die Unterversorgung innerhalb der nächsten beiden Dekaden zu einem erheblichen, über die bereits betroffenen Gebiete weit hinausreichenden Problem entwickeln wird.

54 Vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 17, die von erheblichen Allokationsproblemen in der Versorgungsdichte auf regionaler Ebene sprechen. 55 Dies hat der Gesetzgeber erkannt und zum Anlass genommen, §§ 100 Abs. 3, 101 Abs. 1 Nr. 3a SGB V in das SGB V einzufügen, die den besonderen lokalen Versorgungsbedarf in einem nicht unterversorgten Planungsbereich zum Gegenstand haben, vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 33; Orlowski, VSSR 2007, 157 (171 f.).

44

Teil 1: Grundlagen

I. Die aktuelle Versorgungssituation: nicht flächendeckend versorgte Regionen Die vertragsärztliche Versorgung ist für die Jahre 200656 und 200957 hinsichtlich der einzelnen Planungsbereiche einzeln nach jeder Fachrichtung untersucht worden. Dabei fällt das auch räumliche Nebeneinander von Über- und Unterversorgung ins Auge. Über- und Unterversorgung existieren parallel nebeneinander und auch in unmittelbarer räumlicher Nähe. Als Beispiel sei der Saal(e)kreis/SachsenAnhalt genannt:58 Dieser wies sowohl im Jahr 2006 als auch im Jahr 2009 eine Unterversorgung bei den Hausärzten und einer Vielzahl von Facharztrichtungen auf. Jedoch war die Stadt Halle, die vom Saal(e)kreis umschlossen wird, mit Haus­ ärzten und Fachärzten überversorgt.59 Die im Durchschnitt geringste Versorgungsdichte war bei den Hausärzten zu verzeichnen (2006: 107 % Versorgungsdichte). 2006 und 2009 war jeweils ein Planungsbereich (Saal[e]kreis/Sachsen-Anhalt) mit Hausärzten unterversorgt. Jedoch war eine drohende Unterversorgung in einigen Regionen Sachsen-Anhalts, Niedersachsens und Brandenburgs zu verzeichnen. Dies wird umso bedeutsamer, als die Altersstruktur der Hausärzte besonders ungünstig ist. Knapp 23 % der Hausärzte sind im Bundesdurchschnitt 60 Jahre und älter.60 In den von der drohenden Unterversorgung betroffenen Bundesländern sind es ca. 30 % (Brandenburg, Sachsen-Anhalt). Auch im fachärztlichen Bereich fanden sich unterversorgte Regionen. So waren im Jahr 2006 18 Planungsbereiche im Bezug auf Anästhesisten unter­versorgt, und zwar in Rheinland-Pfalz und den neuen Bundesländern mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns. Im Übrigen lag in den meisten Planungsbereichen eine Überversorgung mit Anästhesisten vor.61 Im Jahr 2009 waren drei Planungsbereiche unterversorgt, nämlich in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Vier weitere Planungsbereiche waren von Unterversorgung bedroht (Thüringen, Sachsen, Brandenburg).62 Im Hinblick auf Augenärzte gab es im Jahr 2006 nur einen unterversorgten Planungsbereich (Saalkreis, Sachsen-Anhalt), 2009 war ebenfalls nur ein Planungsbereich unterversorgt (Landkreis Odenwaldkreis, Hessen). Jedoch war in anderen 56 Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas,

S. 19 ff. 2011. Abrufbar unter http://www.wido.de/arztzahlen.html. 58 Die aus dem Jahr 2006 stammenden Zahlen berücksichtigen nicht die Gemeinde- und Land­kreisreformen, die ab diesem Zeitpunkt stattgefunden haben. So wurde bspw. der Saalkreis mit dem Landkreis Merseburg-Querfurt zum Saalekreis zusammengelegt. Die Zahlen aus dem Jahr 2009 hingegen berücksichtigen diese Änderungen. 59 Vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 19  ff.; Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S.  14 ff. 60 Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 17. 61 Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 35 ff. 62 Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 20 ff. 57 Klose/Rehbein, Ärzteatlas

3. Kap.: Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland

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Planungsbereichen eine drohende Unterversorgung zu verzeichnen (2006: Enzkreis/Baden-Württemberg; Freyung-Grafenau/Bayern; Regen/Bayern; Peine/Niedersachsen; Odenwaldkreis/Hessen; 2009 zudem Mittlerer Erzgebirgskreis, Sachsen). Allerdings lässt sich die drohende Unterversorgung in diesen Bereichen als punktuelles Versorgungsproblem einstufen, da die umliegenden Planungsbereiche grundsätzlich eine hohe Versorgungsdichte aufwiesen.63 Im Bereich der HNO-Ärzte lag im Jahr 2006 eine Unterversorgung in vier von 395 Planungsbereichen vor.64 In 15 Planungsbereichen bestand die Möglichkeit der Unterversorgung.65 Im Jahr 2009 waren zwei Planungsbereiche unter­ versorgt,66 weitere 16 Planungsbereiche wiesen eine Versorgung unter dem optimalen Versorgungsgrad auf.67 Eine Unterversorgung mit Hautärzten war im Jahr 2006 in drei Planungsbereichen zu verzeichnen.68 Die Gefahr einer künftigen Unterversorgung bestand in 10 Planungsbereichen.69 Im Jahr 2009 waren zwei Planungsbereiche unterversorgt,70 weitere 23 Planungsbereiche waren unter dem Optimum versorgt.71 Dabei weisen in Sachsen-Anhalt drei zusammenhängende Planungsbereiche zwar keine Unterversorgung, aber eine geringe Versorgungsdichte mit Hautärzten auf, sodass für diese Region von einer nicht nur punktuellen geringen Versorgungsdichte ausgegangen werden kann.72 Ausgeprägt war die Unterversorgung im Jahr 2006 im Bereich der Nervenärzte. In diesem Jahr waren sieben der 395 Planungsbereiche nicht hinreichend versorgt.73 Bei zwölf weiteren Planungsbereichen bestand die Möglichkeit der künftigen Unterversorgung.74 Im Jahr 2009 war nur noch ein Planungsbereich unterver-

63 Vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 43  ff.; Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S.  28 ff. 64 Saalkreis/Sachsen-Anhalt; Enzkreis/Baden-Württemberg; Kyffhäuserkreis/Thüringen; Land­ kreis Uecker-Randow/Mecklenburg-Vorpommern, vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 91. 65 Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 91 ff. 66 Saalekreis/Sachsen-Anhalt; Enzkreis, Baden-Württemberg, vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 56 ff. 67 Vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 56 ff. 68 Eichstätt/Bayern; Enzkreis/Baden-Württemberg; Mansfelder Land/Sachsen-Anhalt, vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 103. 69 Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 103 ff. 70 Lüchow-Dannenberg/Niedersachsen; Enzkreis/Baden-Württemberg, vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 63 ff. 71 Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 63 ff. 72 Vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 64. 73 Landkreis Tischenreuth/Bayern; ehem. Saalkreis/Sachsen-Anhalt; Aschersleben-Staßfurt/ Sachsen-Anhalt; Quedlinburg/Sachsen-Anhalt; Altenkirchen/Rheinland-Pfalz; Annaberg/Sachsen; Greiz/Thüringen, vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 127. 74 Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 127.

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Teil 1: Grundlagen

sorgt.75 Bei 12 weiteren Planungsbereichen, zumeist in Sachsen-Anhalt, bestand eine nicht hinreichende Versorgung.76 Auch im Bezug auf Radiologen lag eine vermehrte Zahl an unterversorgten Planungsbereichen vor. 2006 waren acht Planungsbereiche nicht hinreichend dicht versorgt.77 2009 war es noch ein Planungsbereich.78 Auch bei anderen Facharztrichtungen war im Jahr 2006 in einigen Planungs­ bereichen eine Unterversorgung zu verzeichnen.79 Auffällig ist, dass die unterversorgten Planungsbereiche in den meisten Fällen zwischen ausreichend versorgten bzw. überversorgten Planungsbereichen verstreut waren. Zudem lässt sich das Problem der Unterversorgung nicht auf die neuen Bundesländer reduzieren, auch wenn es in diesen verstärkt auftritt.

II. Ursachen für die nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung Manche Regionen drohen zu vergreisen.80 Da die Gesellschaft altert und deshalb mehr medizinische Leistungen benötigt, die Ärzteschaft aber ebenfalls vom demographischen Wandel erfasst wird und die gesteigerte Nachfrage nicht befriedigen kann, ist davon auszugehen, dass sich die Versorgungssituation noch verschärft.81 Da es immer weniger Mediziner und immer mehr Nachfrage geben wird, werden die Ressourcen automatisch beschränkt. Hinzu kommen regionale Besonderheiten. Die Zukunftsfähigkeit einer Region hängt in besonderem Maße von ihrer Nähe zu großen wirtschaftsstarken Städten ab.82 In den abgelegenen Regionen bündeln sich die Probleme: wenige Arbeits 75 Saalekreis/Sachsen-Anhalt,

vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 76 ff. 2011, S. 76 ff. 77 Lüchow-Dannenberg/Niedersachsen; Fürth/Bayern; Elbe-Elster/Brandenburg; Müritz/ Mecklenburg-Vorpommern; Mittlerer Erzgebirgskreis/Sachsen; Bördekreis/Sachsen-Anhalt; Sömmerdaim/Thüringen; Leipziger Land/Sachsen, vgl. Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas, S. 163. 78 Landkreis Kusel/Rheinland-Pfalz, vgl. Klose/Rehbein, Ärzteatlas 2011, S. 92 ff. 79 Internisten: ein unterversorgter Planungsbereich (Landkreis Wittmund/Niedersachsen); Kinderärzte: ein unterversorgter Planungsbereich (Bad Kissingen/Bayern); Orthopäden: ein unterversorgter Planungsbereich (Saalkreis/Sachsen-Anhalt); Urologen: ein unterversorgter Planungsbereich (Saalkreis/Sachsen-Anhalt), vgl. dazu die Ausführungen bei Klose/Rehbein/ Uhlemann, Ärzteatlas, S. 68 f., 114 f., 138 f., 172 f. 80 Vgl. etwa die Studie von Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 10 ff. 81 Vgl. auch das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens (Kurzfassung), S. 14 f. 82 Kröhnert/Medicus/Klingholz, Die demografische Lage der Nation, S. 11. 76 Klose/Rehbein, Ärzteatlas

3. Kap.: Der Stand der Gesundheitsversorgung in Deutschland

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plätze, fehlende Ausbildungsmöglichkeiten, fehlender qualifizierter Nachwuchs, vergleichsweise geringes bürgerschaftliches Engagement, mangelnde Auslastung der lokalen Infrastruktur und Verödung der Innenstädte.83 Infrastrukturell schwach entwickelte Regionen ohne einen hinreichend ausgeprägten Arbeitsmarkt veranlassen die mobile Bevölkerung, ihren Wohnort in wirtschaftlich stärkere Regionen zu verlagern. Es bleibt die immobile (zumeist alte) Bevölkerung zurück,84 was der Attraktivität der Regionen zusätzlich abträglich ist und Arbeitgeber davon abhält, sich in diesen Gebieten niederzulassen, da kein ausreichender Fachkräftepool zur Verfügung steht. Ein ansprechendes kulturelles Angebot, Ausbildungsmöglichkeiten, insbesondere Schulen und Einkaufsmöglichkeiten für Mediziner und deren Angehörige besteht nur eingeschränkt, weshalb diese nicht in die betroffenen Regionen gelockt werden können.85 Auch die Zusammensetzung der Versicherten ist zu berücksichtigen: In den von irregulärer vertragsärztlicher Versorgung betroffenen Regionen dominieren die gesetzlich Versicherten. Die für die Ärzte (noch) besonders lukrativen Privatpatienten86 hingegen sind oftmals nicht in einer solchen Zahl vorhanden, dass sich die Niederlassung der Vertragsärzte lohnt. Hinzu kommt der erhöhte Arbeitsaufwand, der nicht mit einer entsprechenden Vergütung des Arztes einhergeht. In zersiedelten Gebieten mit einem hohen Durchschnittsalter der Bevölkerung, speziell in kleinen Orten, sind viele Versicherte auf die Hausbesuche des Hausarztes angewiesen. Dies bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand des Arztes, der sich nicht in einer entsprechenden Vergütung widerspiegelt.87 Zugleich bedeuten wenige Ärzte in einer Region, dass der Kassenärztliche Notdienst auf wenige Schultern verteilt wird und die Ärzte in kurzen Zeitabständen zusätz­ liche Arbeit zu verrichten haben.88 Das Bild des Landarztes – medial stark romantisiert – ist für viele junge Mediziner nicht attraktiv. Der hohe Arbeitsaufwand, die befürchtete vergleichsweise geringe Entlohnung, die häufigen Notdienste, die oftmals nicht besonders anspruchsvollen Behandlungen, der Anstieg der Berufshaftpflicht für niedergelassene Mediziner89 sowie die geringe infrastrukturelle Entwicklung vieler ländlicher Regionen schrecken die Mediziner ab. Hinzu kommen schlechte Berufschancen für den Partner (gegebenenfalls mit der Folge, dass der

83 Kröhnert/Medicus/Klingholz,

Die demografische Lage der Nation, S. 10. FAZ vom 28.02.2009, S. 6. 85 Vgl. Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (429 ff.). 86 Pointiert zur Attraktivität der Privatpatienten für Vertragsärzte Herbert, Diagnose: unbezahlbar, S. 73 ff. 87 Vgl. das Beispiel, das Hägler in der Süddeutschen Zeitung vom 14./15.02.2009, S. 39 gibt. 88 Die Arbeitsbelastung im Allgemeinen und die Zahl der Notdienste im Besonderen hat einen erheblichen Einfluss auf die Niederlassungsentscheidung von Ärzten, vgl. dazu Günther/ Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (429 ff.). 89 Vgl. dazu etwa Flintrop/Korzilius, DÄBl 2010, 107 (15): A-692 ff.: Verdoppelung der Jahresprämien auch ohne Inanspruchnahme der Haftpflicht. 84 Vgl.

48

Teil 1: Grundlagen

Partner längere Wegstrecken zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen muss)90 des Arztes sowie eventuell weite Strecken für die Kinder des Arztes zur Schule und in Vereine etc. Gerade der letzte Aspekt hat erhebliche Auswirkungen auf die Niederlassungsentscheidung von Ärzten,91 was bei strukturschwachen Regionen mit wenigen Kindern und der daraus mittelfristig folgenden Konzentration von Schulen (insbesondere Gymnasien) in zentralen Orten von herausgehobener Bedeutung ist. Zudem ist der Beruf des „Landarztes“ mit geringem Prestige verbunden und wird von den Medizinern häufig nicht als besonders reizvolle Herausforderung angesehen. Doch auch Stadtteilen von größeren Städten droht die nicht-flächendeckende Versorgung.92 Dies hat teilweise vergleichbare Gründe wie die irreguläre Versorgung in ländlichen Gebieten: Regionen/Stadtteile mit hohem Anteil an Personen mit Migrationshintergrund (was Verständigungsschwierigkeiten und somit erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand der Mediziner bedeuten kann) haben oftmals eine für niedergelassene Ärzte unattraktive Patientenzusammensetzung, da wenige Privatpatienten zum Patientenstamm gehören. Hinzu kommen wenig attraktive Wohnbedingungen in den betroffenen Stadtteilen. Dadurch wird die Niederlassung von Vertragsärzten weniger lukrativ.

4. Kapitel

Zusammenfassung Der hier verwendete Arbeitsbegriff der nicht-flächendeckenden Versorgung beschreibt die Sachverhalte, in denen die Versicherten nicht wohnortnah versorgt werden können und erhebliche Wegstrecken in Kauf nehmen müssen, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Der Begriff der flächendeckenden Versorgung bildet den Gegenbegriff zur Unterversorgung. Für die vertragsärztliche Versorgung legt § 28 Bedarfsplanungs-RL fest, was unter einer Unterversorgung zu verstehen ist. Die allgemein aufgestellten Anforderungen werden durch die exakten Vorgaben der Bedarfsplanungs-RL konkretisiert. Von einer Unterversorgung ist bei niedergelassenen Hausärzten dann auszugehen, wenn die Allgemeinen Bedarfszahlen um 25 % unterschritten werden. Bei nieder-

90 Dieser Faktor spielt für die Niederlassungsentscheidung von Ärzten jedoch nur eine geringe Rolle, vgl. Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (429): nur geringe Auswirkung einer 30-minütigen Fahrtzeit des Partners. 91 Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (429, 435). 92 Kleinhubert, Der Spiegel vom 12.01.2009, S. 38 nennt das Beispiel der Unterversorgung mit Kinderärzten in sog. „Problemvierteln“ großer Städte.

4. Kap.: Zusammenfassung

49

gelassenen Fachärzten ist von einer Unterversorgung auszugehen, wenn die Bedarfszahlen um 50 % unterschritten werden. Im Einzelfall kann trotz statistischer regulärer Versorgung dennoch eine nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung zu verzeichnen sein, da die bestehenden Verhältniszahlen den tatsächlichen Bedarf nicht immer realitätsgerecht abbilden. Obwohl das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich den Gesundheitssystemen anderer Staaten nicht unterlegen ist, ist bereits heute in bestimmten Regionen eine nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung zu verzeichnen, die paradoxerweise gemeinsam mit Überversorgung in anderen Regionen auftritt. Es sind somit ausreichend viele Ärzte vorhanden, die aber ungünstig verteilt sind. Die bedarfsgerechte Verteilung der Ärzte ist deshalb die zentrale Aufgabe, um die nicht-flächendeckende Versorgung zu verhindern bzw. zu beseitigen. Dabei sind jedoch die (Grund-) Rechtspositionen der Mediziner zu berücksichtigen und damit die Grenzen- und Lenkungsmöglichkeiten zu sehen, die in die Planungserwägungen einbezogen werden müssen. Als Ursachen für die nicht-flächendeckende Versorgung lassen sich folgende Aspekte herausstellen: erhöhter Arbeitsaufwand der Mediziner in den betroffenen Regionen, eine als gering empfundene Vergütung, mangelnde Attraktivität der betroffenen Regionen mangels hinreichender infrastruktureller Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf gute Schulen für die Kinder und Arbeitsmarktchancen für den Partner, die Zusammensetzung der Patienten (geringer Anteil von Privatpatien­ ten), die erhöhte Inanspruchnahme der Ärzte im Rahmen des Notdienstes und die begrenzte Anziehungskraft des Landarztberufs. Es ist absehbar, dass sich diese Ungleichverteilung verstärken wird und weitere Regionen von der nicht-flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung bedroht sein werden. Die Gründe dafür liegen im Vergütungssystem, im demographischen Wandel und in der mangelnden Attraktivität der betroffenen Regionen für die Ärzte.

Teil 2

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und ihre Sicherstellung im geltenden Recht Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata Die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ist kein Arbeitsgegenstand, der „nur“ wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn verspricht, sondern auch praktische Relevanz, ja sogar soziologische und politische Brisanz, besitzt. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit der Begriff der flächendeckenden Gesundheitsversorgung im geltenden Gesundheitsund Verfassungsrecht verankert ist und wie die Aufgabenaufteilung der einzelnen Akteure des Gesundheitssystems im Hinblick auf die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ausgestaltet wird. Zentrales Anliegen dieses Teils ist es, die einzelnen Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung darzustellen, zu analysieren und kategorisieren.

1. Kapitel

Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung im Gesundheitsrecht Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

Zunächst ist von Interesse, ob das Gesundheitsrecht die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung anstrebt, bzw. voraussetzt.

A. Textbefund: flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und vergleichbare Begriffe im SGB V Das SGB V ist das zentrale Normwerk für die GKV. Deshalb ist zunächst dieser Gesetzestext daraufhin zu untersuchen, welche Bedeutung das Gesetz der flächendeckenden Versorgung beimisst.

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

51

I. Der Begriff der flächendeckenden Gesundheitsversorgung im SGB V Der Begriff der flächendeckenden Versorgung wird im SGB V nur sparsam verwendet und bezieht sich zumeist (mit Ausnahme des § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V) nicht auf die Gesundheitsversorgung insgesamt, sondern auf die einzelnen Versorgungsformen wie die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs. 4 SGB V), die integrierte Versorgung (§ 140a Abs. 1 S. 2 SGB V), die Versorgung mit Krankentransportleistungen (§ 133 Abs. 1 S. 3 SGB V) und die zahnärztliche Gruppenprophylaxe bei Kindern (§ 21 Abs. 1 S. 2 SGB V). Außerdem wird der Begriff „flächendeckend“ noch im Zusammenhang mit den Richtlinien und Beschlüssen des GBA im Hinblick auf zugelassene Krankenhäuser verwendet (§ 137 Abs. 3 S. 3 SGB V). Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung wird dabei nicht explizit benannt. Das SGB V kennt somit den Begriff der flächendeckenden Versorgung, verwendet ihn jedoch nicht im Hinblick auf die gesamte Gesundheitsversorgung, sondern nur in Bezug auf besondere Bereiche. Um die Relevanz dieser Begriffe für die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung insgesamt zu klären, muss geprüft werden, ob der Begriff im SGB V in einer einheitlichen Weise verwendet wird. Ist dies nicht der Fall, kann der Begriff „flächendeckend“ nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung ein allgemeines Ziel des SGB V darstellt. 1. Flächendeckende Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung, § 73b Abs. 4 S. 1 SGB V Um die flächendeckende Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung zu erreichen, haben die Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen Verträge mit den in § 73b Abs. 4 S. 2 SGB V genannten Vertragspartnern abzuschließen, die an der hausärztlichen Versorgung gem. § 73 Abs. 1a SGB V teilnehmen.1 Zur Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung sind nur so viele Ärzte unter Vertrag zu nehmen, wie für die Realisierung der Programme erforderlich ist.2 Die Analyse des Begriffs muss von der gesetzgeberischen Wertung ausgehen, dass die hausarztzentrierte Versorgung ein besonderes obligatorisches Versorgungsangebot der Krankenkassen an ihre Versicherten ist. Die Krankenkassen sind dazu verpflichtet, ihren Versicherten anstelle der vertragsärztlichen Regelversor-

1 Vgl.

zur hausarztzentrierten Versorgung Schwanenflügel, NZS 2006, 285 ff.; Schulteis, Hausarztzentrierte Versorgung; Rehborn, VSSR 2004, 157; Kamps, ZMGR 2004, 91. 2 Schwanenflügel, NZS 2006, 285 (286).

52

Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

gung die hausarztzentrierte Versorgung anzubieten, § 73b Abs. 1 SGB V.3 Da die Krankenkassen ihren Versicherten diese Versorgungsform zur Verfügung zu stellen haben, müssen auch alle Versicherten der Krankenkasse Zugang zur hausarztzentrierten Versorgung haben. Die hausarztzentrierte Versorgung muss deshalb in allen Regionen des Kassenbezirks zur Verfügung stehen4 und der Zugang aller Versicherten zu diesem Versorgungsmodell gewährleistet sein. Dabei setzt diese Norm voraus, dass es eine flächendeckende Verteilung der Hausärzte gibt, da die Regelung ansonsten Unmögliches verlangen würde. Die flächendeckende Verfügbarkeit der hausarztzentrierten Versorgung bedarf notwendigerweise der flächendeckenden Verfügbarkeit von Hausärzten, die in diese Versorgungsform eingebunden werden können und setzt die flächendeckende Verteilung der Hausärzte somit voraus. Daraus lässt sich zumindest für die hausärztliche Versorgung schlussfolgern, dass das SGB V die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung anstrebt, jedoch ohne dafür (strukturelle) Vorgaben zu machen oder ausführende Definitionen zu geben. 2. Flächendeckende Sicherstellung der integrierten Versorgung, § 140a Abs. 1 S. 2 SGB V Auch die integrierte Versorgung ist eine besondere Versorgungsform. Sie ist auf eine interdisziplinäre Behandlung ausgerichtet, § 140a Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Einbeziehung der Leistungserbringer erfolgt über Selektivverträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern (Integrationsverträge).5 Der Begriff der flächendeckenden Versorgung wird im Zusammenhang mit der integrierten Versorgung auf spezielle Weise verwendet.6 Die Verträge zur inte­ grierten Versorgung sollen eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung ermöglichen. Diese wird dann verfolgt, wenn entweder die Behandlung einer versorgungsrelevanten Volkskrankheit (Schlaganfall, Diabetes, Bandscheibenerkrankungen) in einer größeren Region umfassend in einer integrierten Versorgung angeboten oder in einer kleineren Region das gesamte oder ein großer 3 Zum obligatorischen Charakter der hausarztzentrierten Versorgung vgl. Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 73b, Rn. 3. 4 Huster, in: Becker/Kingreen, SGB V (Hrsg.), § 73b, Rn. 3. 5 Vgl. dazu und zur daraus folgenden Frage, ob und wieweit das Vergaberecht beim Abschluss der Integrationsverträge anwendbar ist Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 73 ff. Nach der Entscheidung des EuGH, Rs. C-300/07, NJW 2009, 2427, mit Anm. Kingreen, NJW 2009, 2417 ff. und der Änderung des § 69 SGB V durch das GKV-OrgWG vom 12.12.2008 kann diese Frage mittlerweile als geklärt betrachtet werden, vgl. auch Engelmann, in: Prütting (Hrsg.) Fachanwaltskommentar Medizinrecht, § 69 SGB V, Rn. 4; Bauer, NZS 2010, 365. 6 Vgl. zur Flächendeckung bei Integrationsverträgen knapp Schuler-Harms, in: Fehling/ Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 15, Rn. 22.

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

53

Teil des Krankheitsgeschehens der Versicherten in einer integrierten Versorgung ermöglicht wird.7 Die Integrationsverträge sollen mithin darauf gerichtet sein, dass den Ver­ sicherten die Behandlung von Volkskrankheiten (in größeren Regionen) bzw. die gesamte Krankenbehandlung (auch in kleineren Regionen) im Wege der integrierten Versorgung angeboten werden kann. Diese Regelung, die durch das GKV-WSG eingeführt wurde, erklärt sich in erster Linie vor dem Hintergrund der im Gesetzentwurf vorgesehenen Beschränkung der Anschubfinanzierung gem. § 140d SGB V auf die bevölkerungsbezogene Flächendeckung.8 § 140a SGB V formuliert entgegen dem ursprünglichen Entwurf mit einer Soll-Vorschrift nur die Zielsetzung der bevölkerungsbezogenen Flächendeckung, von der in besonderen Fällen abgewichen werden kann.9 Die bevölkerungsbezogene Flächendeckung ist ein Rechtsbegriff, den der Gesetzesentwurf zum GKV-WSG nicht abschließend definiert, sondern nur mit zwei Regelbeispielen („insbesondere“) beschreibt.10 Dabei setzt die Gesetzesbegründung unterschiedliche Schwerpunkte, abhängig von dem Integrationskonzept: Integrationsverträge, die auf die umfassende Behandlung von Volkskrankheiten ausgerichtet sind, sind dann bevölkerungsbezogen flächendeckend, wenn sie sich auf eine größere Region (mehrere Stadt- oder Landkreise) erstrecken. Sonstige Integrationskonzepte, die die Behandlung des gesamten oder eines Großteils des Krankheitsgeschehens zum Gegenstand haben, sind auch dann bevölkerungsbezogen flächendeckend, wenn sich die Versorgung auf kleinere Regionen beschränkt.11 Die Differenzierung leuchtet ein, weil die Behandlung von Volkskrankheiten eine besondere Spezialisierung bedeutet und einen größeren Einzugsbereich verlangt, damit das Versorgungsmodell ausgelastet wird. Ein Versorgungsmodell, das die Behandlung sämtlicher oder eines Großteils von Krankheiten zum Gegenstand hat, ist hingegen zur Auslastung nicht auf einen größeren Einzugsbereich angewiesen, da es keine Spezialisierung auf besondere Krankheiten gibt. Das Gesetz verwendet deshalb bereits in dieser Norm keinen einheitlichen Begriff der flächendeckenden Versorgung. 7 BT-Drucks.

16/3100, S. 152; Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140a, Rn. 10. dazu BT-Drucks. 16/3100, S. 152 f. Die Anschubfinanzierung für Integrationsverträge, die ab dem 01.04.2007 abgeschlossen worden sind, sollte sich nach dem Gesetzentwurf auf solche Integrationskonzepte beschränken, die eine bevölkerungsspezifische Flächendeckung zum Gegenstand haben. Diese Beschränkung wurde jedoch im Gesundheitsausschuss zurückgenommen und hat deshalb keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Die Anschubfinanzierung sollte auch für solche sinnvolle Integrationsprojekte gewährt werden, die keinen Bevölkerungsbezug aufweisen, BT-Drucks. 16/4247, S. 49; Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140a, Rn. 11. 9 Vgl. Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140a, Rn. 11. 10 Vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 152. 11 Vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 152. 8 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

3. Flächendeckende Sicherstellung des Krankentransports, § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V § 133 SGB V regelt subsidiär die Modalitäten der Vergütung des Rettungsdienstes und anderer Krankentransporte. Wenn weder landes-, noch kommunalrechtliche Regelungen im Hinblick auf die Entgelte des Krankentragsports existieren, so schließen die Krankenkassen oder ihre Landesverbände Verträge über die Vergütung von Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen, § 133 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Krankenkassen bzw. ihre Landesverbände haben beim Abschluss der Verträge die Sicherstellung der flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung zu beachten, § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V. Da die Verträge nach § 133 Abs. 1 SGB V allein die Vergütung der Krankentransporteinrichtungen- und Unternehmen zum Gegenstand haben,12 ist die Forderung einer flächendeckenden Versorgung mit Krankentransportleistungen in erster Linie auf die Bemessung der Vergütung zu beziehen.13 Bei der Bemessung einer angemessenen Vergütung der Krankentransportleistungen muss insbesondere die flächendeckende Versorgung mit diesen Leistungen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die flächendeckende Versorgung mit Rettungs- und Krankentransportleistungen durch die Vergütungsverträge nicht gefährdet werden darf. Die Krankenkassen müssen deshalb Preisdumping unterlassen, weil es die Ver­ sorgungsqualität zu gefährden vermag.14 Der Sicherstellungsauftrag des § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V bezieht sich außerdem nach Ansicht des BSG auf die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgungsstruktur im Hinblick auf Rettungsdienst und Krankentransportleistungen. Er verpflichtet demnach die Krankenkassen, mit einer ausreichenden Anzahl von Leistungserbringern Vergütungsverträge abzuschließen, so dass die Versicherten jederzeit Rettungsdienst- oder Krankentransportleistungen in Anspruch nehmen können.15 Eine gesetzliche Grundlage für die Prüfung, ob die Einbeziehung des Transportunternehmens für die flächendeckende Versorgung erforderlich ist, ergibt sich aus § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V nicht. Die Krankenkasse kann deshalb nicht unter Hinweis auf § 133 Abs. 1 S. 3 SGB V den Abschluss eines Vergütungsvertrages mit einzelnen Transportunternehmen verweigern.16 Der Begriff der flächendeckenden Versorgung bezieht sich somit auf zwei Sachverhalte. Zum einen geht es darum, dass die Krankenkassen eine angemessene 12 BSG,

SozR 3–2500 § 133 Nr. 1, S. 7; Geisler/Temming, NZS 2005, 125 (126). NZS 2005, 125 (127); Welti, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 133, Rn. 15. 14 Welti, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 133, Rn. 15. 15 BSG, SozR 3–2500 § 133 Nr. 1, S. 7. 16 BGH NJW 1990, 1531; BSG, SozR 3–2500 § 133 Nr. 1, S. 7; Geisler/Temming, NZS 2005, 125 (127). 13 Geisler/Temming,

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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Vergütung entrichten, die die Unternehmer und Einrichtungen nicht davon abschreckt, an der Versorgung teilzunehmen; zum anderen haben die Krankenkassen mit einer ausreichenden Anzahl an Rettungsdienst- und Krankentransportunternehmen Vergütungsverträge abzuschließen, so dass jeder Versicherte jederzeit Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen in Anspruch nehmen kann. Daraus lässt sich das Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung ableiten, die sich allerdings nicht auf die vertragsärztliche, sondern allein die Krankentransportversorgung bezieht. Durch eine punktuelle Regelung lässt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit auf ein allgemeines Regelungsziel ­schließen. 4. Flächendeckung und Richtlinien zur Qualitätssicherung, § 137 Abs. 3 S. 3 SGB V § 137 SGB V hat die Qualitätssicherung der vertragsärztlichen und stationären Versorgung zum Gegenstand. Der GBA fasst für die stationäre Versorgung gem. § 137 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V u. a. Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen nach §§ 17, 17b KrankenhausFinG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses im besonderen Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie über Mindestmengen für die einzelnen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Wenn die erforderliche Mindestmenge bei diesen planbaren Leistungen nicht erreicht wird, dürfen diese Leistungen nicht erbracht werden, § 137 Abs. 3 S. 2 SGB V. Allerdings können die zuständigen Landesbehörden bestimmte Leistungen in einem Katalog zusammenfassen, bei denen dieses Verbot die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte, § 137 Abs. 3 S. 3 SGB V. Der Inhalt des Begriffs der flächendeckenden Versorgung in dieser Norm hängt somit von einigen Voraussetzungen ab. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bezieht sich in diesem Zusammenhang allein auf planbare stationäre Leistungen, deren Qualität von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt (sog. Mindestmengen).17 Der Gesetzgeber geht von der Vorstellung aus, dass gerade im stationären Bereich die Qualität der Leistung davon abhängt, dass sie häufig und deshalb routinemäßig erbracht wird.18 Kann ein Krankenhaus die vorgeschriebene Mindestmenge einer bestimmten Leistung nicht erbringen, so ist es ihm gänzlich untersagt, diese Leistung anzubieten, weil sonst keine Gewähr für eine hinreichende Qualität der Leistungserbringung gegeben ist. Der Begriff der flächendeckenden Versorgung bezieht sich auf diese Mindestmengenleistungen. Die zuständige Landesbehörde kann solche Leistungen benennen, die für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung erforderlich sind. Die Erbrin 17 Vgl. 18 Vgl.

dazu Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2006, 630 ff. Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2006, 630 (631).

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

gung dieser Leistungen wird den Krankenhäusern auch dann nicht untersagt, wenn die festgelegte Mindestmenge nicht erbracht wird. § 137 Abs. 3 S. 3 HS 1 SGB V schafft somit eine Ausnahme von der strengen Rechtsfolge des § 137 Abs. 3 S. 2 SGB V. Das SGB V setzt sich somit zwar das Ziel der flächendeckenden Versorgung der Versicherten mit stationären Leistungen, sagt jedoch nicht, welche Leistungen erforderlich sind, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Es überträgt diese Aufgabe den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden. Allerdings hat die zuständige Landesbehörde den Begriff der flächendeckenden Versorgung auszulegen und ihr Handeln am Ziel der Sicherstellung auszurichten. Der Begriff der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit stationären Leistungen ist ein bundesrechtlicher, der nicht ins Belieben der zuständigen Landesbehörden gestellt wird. § 137 Abs. 3 S. 3 HS 1 SGB V setzt einen einheitlichen Begriff der flächendeckenden Versorgung voraus, den die Landesbehörden ihren Ausnahmeentscheidungen zugrunde legen müssen. Zu beachten ist dabei, dass die Landesbehörden bestimmte Leistungen in einem Katalog sammeln müssen, die für die flächendeckende Versorgung unerlässlich sind. Das SGB V geht deshalb im Hinblick auf die stationäre Versorgung davon aus, dass zumindest nicht alle Mindestmengenleistungen erforderlich sind, um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Die flächendeckende Versorgung bezieht sich in § 137 Abs. 3 S. 3 HS 1 SGB V somit nicht auf die Erreichbarkeit aller stationärer Leistungen, sondern auf das Angebot bestimmter, für die stationäre Ver­ sorgung unerlässlicher Leistungen. Deshalb lässt sich zwar das Ziel der flächendeckenden Versorgung der Ver­ sicherten mit bestimmten stationären Leistungen aus dem SGB V ableiten. Die Vorschrift regelt jedoch nur einen bestimmten Bereich der Versorgung, weshalb sich nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen lässt, dass die flächendeckende Versorgung der Versicherten dem SGB V als allgemeines Ziel zugrunde liegt. 5. Flächendeckende zahnärztliche Gruppenprophylaxe, § 21 Abs. 1 S. 2 SGB V Für die zahnärztliche Gruppenprophylaxe bei Kindern haben die Krankenkassen auf flächendeckende Maßnahmen hinzuwirken, § 21 Abs. 1 S. 2 SGB V. Ziel dieser Vorschrift ist es, allen Versicherten bis zwölf Jahre Leistungen zur Ver­ fügung zu stellen, die auf die Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen gerichtet sind.19 Der Begriff der flächendeckenden Maßnahme bezieht sich auf die Prävention und bedeutet vor diesem Hintergrund, dass die Präventions- und

19 Welti,

in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 21, Rn. 3.

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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Früherkennungsmaßnahmen möglichst allen Kindern angeboten werden müssen. Dies gelingt durch Gruppenuntersuchungen in Kindergärten und Schulen (§ 21 Abs. 1 S. 4 HS. 1 SGB V), da so die meisten Kinder erreicht werden können. Auch hier gilt, dass eine punktuelle Regelung vorliegt, aus der sich nicht mit hinreichender Gewissheit ableiten lässt, dass die flächendeckende Versorgung der Versicherten dem SGB V alle Leistungen übergreifendes Ziel zugrunde liegt. 6. Bedarfsplanung und flächendeckende Versorgung, § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V Anders ist dies bei § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V. Diese Norm wurde durch das GKVVersorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG)20 geändert. Ihrem geltenden Regelungsgehalt nach sind die Planungsbereiche in der Bedarfsplanungs-RL so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird.21 In dieser Norm zeichnet sich exemplarisch das Bestreben des Gesetzgebers ab, das er mit dem GKV-VStG verfolgt. Die Regelung befindet sich systematisch an einer Schlüsselstelle des Vertragsarztrechts, nämlich der Bedarfsplanung. Da § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V dem GBA vorgibt, die Planungsbereiche so festzulegen, dass die flächendeckende Versorgung sichergestellt wird, kommt deutlich zum Ausdruck, dass die flächendeckende Versorgung ein wesentliches Anliegen des Sozialgesetzgebers ist. Die Bedarfsplanungs-RL ist der Kompass für die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen im Rahmen ihrer Entscheidung, ob Unterversorgung vorliegt. An diese Feststellung knüpft das SGB V an verschiedenen Stellen besondere Rechtsfolgen, insbesondere im Hinblick auf Anreize, aber auch repressive Maßnahmen wie Zulassungsbeschränkungen nach § 100 Abs. 2 SGB V. 7. Zwischenergebnis Der Begriff der Flächendeckung wird im SGB V vereinzelt und uneinheitlich verwendet. Abhängig von Norminhalt hat der Begriff unterschiedliche Dimensionen und unterschiedliche Rechtsfolgen. Allerdings lässt sich das allgemeine Ziel der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung aus § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V herauslesen, der die Anforderungen an eine Planungsbereichfestlegung grob vorgibt. Ferner liegt eine flächendeckende Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen mehreren Regelungen denklogisch zugrunde, indem das Gebot aufgestellt wird, dass

20 BT-Drucks.

17/6906, S, 1 ff. dazu die der Regelungen vorangegangenen Vorschläge des GKV-Spitzenverbandes „Zukunft der ambulanten Versorgung – differenzierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung“, S. 3 f., abrufbar unter http://www.gkv-spitzenverband.de, sowie Röslers, FAZ vom 09.07.2010, S. 12, vgl. auch v. Hardenberg, Süddeutsche Zeitung vom 29.04.2010, S. 6. 21 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

die flächendeckende Versorgung für wesentliche Bereiche der Gesundheitsversorgung (Hausärzte, Zahnprophylaxe, stationäre Behandlung, Krankentransport) gefordert wird. II. Vergleichbare Begriffe im SGB V Es wäre unzureichend, allein auf den Begriff der flächendeckenden Versorgung abzustellen, um zu erforschen, ob das SGB V dieses Ziel verfolgt. Denn das SGB V verwendet auch andere Begriffe, denen ein vergleichbarer Inhalt beigemessen werden kann und die dem SGB V als alle Leistungsformen umfassende Prinzipien zugrunde liegen. In erster Linie ist an die Begriffe des § 70 Abs. 1 SGB V zu denken, der die Grundsätze der Versorgung formuliert und dabei auch das Wirtschaftlichkeitsgebot näher umreißt.22 Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben nach dieser Norm eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Begriffe, die als Synonym für die flächen­ deckende Versorgung verwendet werden könnten. 1. Bedarfsgerechte Versorgung, § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V verpflichtet die Akteure (Leistungserbringer und Krankenkassen), eine medizinische Versorgung zu gewährleisten, die sich am tatsächlichen Bedarf und somit der Morbiditätsstruktur der Bevölkerung ausrichtet.23 Der Begriff der bedarfsgerechten Versorgung ist nicht näher bestimmt und bezieht sich vor allem auf die quantitative Seite der Leistungserbringung.24 Die Akteure sind dazu angehalten, die notwendigen Leistungserbringer zuzulassen und ein Leistungsspektrum zu eröffnen, das dem quantitativen Bedarf der Versicherten gerecht wird.25 Es steht somit die legitimierte Nachfrage der Versicherten nach Gesundheitsleistungen und damit auch nach vertragsärztlichen Leistungen im Vordergrund. Da der Auftrag, eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, nicht auf bestimmte Regionen oder Versicherte beschränkt ist, sondern sich auf den gesamten Versichertenkreis bezieht, lässt sich die Verpflichtung zur bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten als Forderung nach einer alle Versicherten umfassenden und somit flächendeckenden Gesundheitsversorgung verstehen. 22 Vgl.

Ihle, Ärztliche Leitlinien, Standards und Sozialrecht, S. 49 ff. in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 70, Rn. 1. 24 Klückman, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 70, Rn. 5. 25 Klückman, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 70, Rn. 5. 23 Scholz,

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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Deshalb muss auch in strukturschwachen Regionen eine an dem tatsäch­ lichen Bedarf ausgerichtete Gesundheitsversorgung angeboten werden. Dieser Gedanke kommt mittlerweile in § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V zum Ausdruck, in dem Bedarfs­planung und Flächendeckung nunmehr auch ausdrücklich zusammengeführt ­werden. 2. Gleichmäßige Versorgung, § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V Dieses Ergebnis wird dadurch bestärkt, dass die bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung der Versicherten gleichmäßig sichergestellt werden soll. Im räumlichen Zusammenhang haben die Beteiligten der GKV für eine ausreichende Bereitstellung von geeigneten Leistungsträgern zu sorgen.26 Die medizinische Versorgung soll im gesamten Gebiet möglichst auf einheitlichem Niveau angeboten werden. Ein entscheidendes Mittel, um eine gleichmäßige medizinische Versorgung zu ermöglichen, ist die Bedarfsplanung im Bereich der Vertragsärzte gem. §§ 99 ff. SGB V. Das SGB V strebt somit eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Ärzte, abhängig vom Bedarf der Versicherten an. Wenn mehr Versicherte in einer Region leben, so ist der Bedarf nach medizinischen Leistungserbringern in der Regel höher als in einer dünn besiedelten Region. Relevant ist auch die Morbiditätsstruktur der Bevölkerung einer Region, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers die maßgebende Größe für den Behandlungsbedarf der Bevölkerung darstellt, vgl. § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V.27 Für die Festlegung der Bedarfszahlen spielt dies jedoch bislang keine Rolle.28 Die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung verbietet deshalb in erster Linie, dass sich die Leistungserbringer in bestimmten Regionen zu Lasten anderer Regionen konzentrieren. Es muss in strukturell ähnlichen Gebieten (im Hinblick auf Bevölkerungsgröße, Bevölkerungsdichte, Morbiditätsstruktur und Bedarf der Versicherten) eine ähnliche Ärztedichte geben. Damit ist ausgeschlossen, dass die strukturell schwachen und dünn besiedelten Regionen benachteiligt oder gar von der medizinischen Versorgung ausgespart werden. Der Begriff der gleich­ mäßigen Versorgung hat deshalb sowohl einen qualitativen als auch eine quantitativen Aspekt: In quantitativer Hinsicht muss die Gesundheitsversorgung in allen Regionen zur Verfügung gestellt werden. Man kann nicht von einer gleichmäßigen Versorgung sprechen, wenn sich die Leistungserbringer in bestimmten Regionen konzen­ trieren, in den anderen Regionen hingegen nur wenige Leistungserbringer tätig werden, die den Bedarf nicht decken können. 26 Klückman,

in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 70, Rn. 6. knapp Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 87a, Rn. 3. 28 Dazu zu Recht kritisch BT-Drucks. 15/3581, S. 4. 27 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Die gleichmäßige Gesundheitsversorgung bezieht sich aber auch auf die Versorgungsqualität. Versicherte dürfen nicht solche Behandlungen vorenthalten werden, die den Versicherten in anderen Regionen zur Verfügung stehen. Die Verpflichtung, den medizinischen Standard und den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse anzuwenden, bezieht sich nicht nur auf ausreichend versorgte und strukturstarke Regionen, sondern auch auf unterversorgte, strukturschwache Regionen. Den Versicherten dürfen deshalb in unterschiedlichen Regionen grundsätzlich nicht unterschiedliche Behandlungen angeboten werden. Das spricht dafür, dass alle Versicherten die gleichen Leistungen erhalten können müssen und die personellen Voraussetzungen dafür vorzuliegen haben. 3. Ausreichende und zweckmäßige Versorgung, §§ 70 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 SGB V a) Ausreichende Versorgung § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V hat einen engen Bezug zum Wirtschaftlichkeitsgebot, das in §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V verankert ist.29 Die ausreichende Versorgung begrenzt die Versorgung sowohl im Positiven als auch im Negativen. Die Ver­ sicherten haben keinen Anspruch darauf, dass sie über das Maß des Ausreichenden hinaus behandelt werden (Bezug zum Wirtschaftlichkeitsgebot). Gleichzeitig dürfen die Maßnahmen nicht unzureichend sein, um die Erkrankung des Ver­sicherten zu behandeln.30 Der Begriff der ausreichenden Behandlung muss für jeden Einzelfall neu ausgefüllt werden. Nähere Richtwerte, wann eine Behandlung mehr als ausreichend und deshalb überflüssig ist, gibt das Gesetz nur, indem die Leistungs­erbringer angehalten werden, das Maß des Notwendigen nicht zu überschreiten, § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V. Darin erschöpft sich der Inhalt des Begriffs der ausreichenden Versorgung jedoch nicht. Denn wie § 92 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 9 SGB V belegt, wohnt dem Begriff der ausreichenden Versorgung das Ziel der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung inne. Gem. § 92 Abs. S. 1 Nr. 9 SGB V hat der GBA in einer Richtlinie die Bedarfsplanung zu regeln, was dazu dienen soll, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche ärztliche Versorgung sicherzustellen. Die Bedarfsplanung hat die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärzt­lichen Versorgung zum Gegenstand und ist damit nach Vorstellung des Gesetzgebers ein Mittel zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung,31 29 Klückman,

in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 70, Rn. 9. Ärztliche Leitlinien, Standards und Sozialrecht, S. 49: Festlegung des Mindeststandards der Leistungsverpflichtung. 31 Die Begriffe der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit haben keinen nennenswerten Bezug zur flächendeckenden Versorgung der Versicherten, sodass allein die ausreichende Ver­ sorgung als Anknüpfungspunkt für die Bedarfsplanung in Betracht kommt. 30 Ihle,

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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­ eshalb sich aus diesem Begriff das Ziel der flächendeckenden vertragsärztlichen w Versorgung ableiten lässt. b) Zweckmäßige Versorgung Damit eine Behandlung zweckmäßig ist, muss sie zur Diagnostik und Therapie der Erkrankung dienlich sein. Es sind also alle Maßnahmen zu unterlassen, die unnötigerweise durchgeführt werden, da sie keinen Erfolg versprechen und damit überflüssig sind. Die Maßnahmen müssen darauf gerichtet sein, die Gesundheit des Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder den Gesundheitszustand zu verbessern (§ 1 SGB V), d. h., es dürfen keine Behandlungen „ins Blaue“ er­ folgen. Aus diesem Begriff lässt sich nicht der Zweck der flächendeckenden Versorgung herauslesen, es sei denn, man rubriziert unter „zweckmäßige Versorgung“ ein Verbot der Überversorgung und kommt damit an die Nahtstelle zur notwendigen Versorgung. 4. Maß des Notwendigen, § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V Gem. § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V soll das Maß des Notwendigen nicht überschritten werden. Den Versicherten sollen keine Behandlungen zur Verfügung gestellt werden, die nicht erforderlich sind. Dies hat nicht nur wirtschaftliche und somit systemstabilisierende Gründe, sondern zeugt auch von einem Maßhalten und damit der Wahrung der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Versicherten.32 Diesem sollen nicht alle möglichen Leistungen angeboten werden, sondern nur die Maß­ nahmen zur Verfügung stehen, die auch tatsächlich Erfolg versprechen und zur Behandlung notwendig sind. Fraglich ist, ob sich aus dieser Formulierung des § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V ein Hinweis auf die Mindestversorgung und somit die Flächendeckung der Gesundheitsversorgung entnehmen lässt, die nicht unterschritten werden darf. Der Wortlaut des § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V beschränkt den Umfang der Behandlungen nur nach oben, indem das Maß des Notwendigen nicht zu überschreiten ist. Das Maß des Notwendigen schreibt als Präzisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V)33 für die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern (Viertes Kapitel des SGB V) eine Obergrenze fest. Dafür sprechen die übereinstimmenden Formulierungen in § 12 Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V und in § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V. Dieser Begriff hat somit einen klaren Bezug zum 32 Vgl. zum Maßhalten als medizinischer Tugend Höffe, Medizin ohne Ethik?, S. 212 ff. („Besonnenheit“). Dabei knüpft das Maßhalten an die aristotelische Ethik an, die die Mitte zwischen zwei Extremen als Tugend bezeichnet und diese als Weg zur Glückseligkeit versteht, vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch II 6 f. 33 Vgl. Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 70, Rn. 1.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Wirtschaftlichkeitsgebot und ist deshalb auf die Schonung materieller, finanzieller, zeitlicher und personeller Ressourcen ausgerichtet. Eine Manifestierung des Mindestmaßes der medizinischen Versorgung lässt sich aus diesem Begriff deshalb nicht ableiten. Zwar könnte argumentiert werden, dass § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V die not­wendige medizinische Behandlung als Standard festschreibt, der einzuhalten ist. Denn wenn das Maß des Notwendigen nicht überschritten werden darf, dann ist dieses Maß anzustreben, weshalb das Gesetz von einer regulären Versorgung ausgeht, die alle notwendigen Behandlungen erfasst und dies als Standardversorgung festlegt. Dagegen spricht jedoch, dass der Begriff des Notwendigen eine wirtschaft­liche und deshalb kostendämpfende Stoßrichtung hat. Eine Interpretation des Wortlauts des § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V, die aus dem Maß des Notwendigen ableitet, dass dieses auch flächendeckend gewährt werden muss, würde den Begriffsinhalt überspannen.

5. Zwischenergebnis § 70 Abs. 1 SGB V als Grundsatznorm des Leistungserbringerrechts legt durch die Komposition verschiedener Begriffe die Forderung nach einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung fest. Dass ein gesetzlicher Mindeststandard existiert, ergibt sich aus den Begriffen der bedarfsgerechten, gleichmäßigen und ausreichenden Versorgung. Das Maß des Notwendigen bestimmt die Reichweite der anderen Begriffe näher, indem er sie begrenzt. Deshalb kann aus der Zusammenschau der in § 70 Abs. 1 SGB V normierten Begriffe der Schluss auf das Postulat einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gezogen werden, die die erforderlichen Leistungen erfasst, darüber jedoch nicht hinausgeht. Denn den hier angeführten rechtlichen Begriffe wird nur dann in der Praxis entsprochen, wenn die vertragsärztliche Versorgung flächendeckend zur Verfügung gestellt wird.

III. Bedarfsplanung, Unterversorgung und Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Unterversorgung Bislang wurde nach Anhaltspunkten gesucht, die positiv ausdrücken, dass das SGB V die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung anstrebt. Es ist aber auch hilfreich, die Negativfolie aufzulegen und zu prüfen, welche Zustände das SGB V vermeiden will, um Rückschlüsse auf den Stellenwert der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ziehen zu können. Dabei fällt insbesondere der Achte Abschnitt des 4. Kapitels des SGB V über die Bedarfsplanung, Über­ versorgung, Unterversorgung ins Auge. Dieser verwendet den Begriff der Unterversorgung, der in der Bedarfsplanungs-RL konkretisiert wird.

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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Grundlage aller Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Unter­ versorgung ist die Bedarfsplanung, die eine ausgewogene vertragsärztliche Versorgung der Versicherten ermöglichen soll. Dazu haben die KV im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen sowie im Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden nach Maßgabe der vom GBA erlassenen Richtlinien auf Landesebene einen Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und jeweils der Entwicklung anzupassen, § 99 Abs. 1 SGB V. Die Bedarfsplanung soll es den Versicherten ermöglichen, vertragsärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen34 und ist somit ein klares Indiz dafür, dass das SGB V eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung anstrebt. Gem. § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V obliegt den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen die Feststellung, dass in bestimmten Gebieten Unterversorgung mit vertragsärztlichen Leistungen eingetreten ist oder in absehbarer Zeit einzu­ treten droht. Die Landesausschüsse haben den für die betroffenen Gebiete zuständigen KV eine angemessene Frist zur Beseitigung oder Abwendung der Unterversorgung einzuräumen, § 100 Abs. 1 S. 2 SGB V. Gem. § 105 Abs. 1 SGB V haben die KV mit Unterstützung der KBV entsprechend den Bedarfsplänen alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern. Das Gesetz nennt nur die „Gegenspieler“ Überversorgung und Unterversorgung, die es zu beseitigen bzw. abzuwenden gilt. Der „Normalzustand“ hingegen wird nicht ausdrücklich benannt, am ehesten kommen die Begriffe bedarfsgerechte und ausreichende Versorgung in Betracht, was sich aus §§ 92 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 9, 99 und 70 Abs. 1 SGB V ergibt. Da das SGB V den Begriff der Unterversorgung somit implizit als Antipoden zur ausreichenden/bedarfsgerechten, also flächendeckenden Gesundheitsversorgung einführt und vor allem spezielle Instrumente zur Verfügung stellt, die die Unterversorgung abwenden bzw. beseitigen sollen, folgt, dass das Gesetz eine flächendeckende Gesundheitsversorgung der Versicherten erreichen will. IV. Die Ziele der GKV gem. § 1 SGB V und flächendeckende Versorgung Das allgemeine Zielprogramm des SGB V, das in § 1 Abs. 1 S. 1 zusammen­ gefasst ist, beschreibt die Aufgabe der Krankenversicherung, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Diese Ziele werden im Leistungsrecht der §§ 11 ff. SGB V konkretisiert.35 34 Vgl. 35 Vgl.

Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.). SGB V, § 99, Rn. 5. Becker/Kingreen, in: dies. (Hrsg.), SGB V, § 1, Rn. 3, 10.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Dabei lässt sich aus dieser einleitenden Vorschrift ableiten, dass die flächen­ deckende Versorgung mit den einzelnen Leistungen vorausgesetzt wird. Da ohne Einschränkungen von den Versicherten gesprochen wird, deren Gesundheit erhalten bzw. wiederhergestellt oder deren Zustand verbessert werden soll, sind die umschriebenen Aufgaben auch in den Regionen zu erfüllen, in denen die Versorgungslage schwierig ist oder zu werden droht. Ohne eine ausreichende Anzahl von Ärzten werden die allgemeinen Ziele des § 1 Abs. 1 S. 1 SGB V gefährdet, weshalb sich aus dieser Vorschrift immanent ein Sicherstellungsauftrag ergibt, der jedoch durch spezielle Regelungen konkretisiert werden muss. § 1 Abs. 1 S. 1 SGB V ermächtigt deshalb für sich genommen nicht dazu, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Allerdings setzt diese Vorschrift voraus, dass die vertragsärztliche Versorgung flächendeckend gewährleistet wird. V. Sachleistungsprinzip und flächendeckende Versorgung Das in § 2 Abs. 2 SGB V verankerte Sachleistungsprinzip36 verpflichtet die Krankenkassen, den Versicherten die erforderlichen und anerkannten Gesundheitsleistungen zu verschaffen.37 Dies allein umschreibt die Pflicht der Krankenkassen jedoch nicht vollständig. Vielmehr muss die Krankenkasse aus dem Sachleistungsprinzip heraus dafür sorgen, dass „überhaupt Leistungserbringer (…) für den Versicherten, der GKV-relevante Bedarfe anmeldet, tatsächlich und problemadäquat verfügbar sind.“38 Das Sachleistungsprinzip verlangt deshalb von den Krankenkassen, dass sie eine hinreichende Versorgung mit Leistungserbringern sicherstellen, sodass alle Versicherten tatsächlich auf diese Leistungserbringer zurückgreifen können. Die flächendeckende Gesundheitsversorgung ist deshalb in einem die GKV tragenden Strukturprinzip verankert. VI. Soziale Rechte nach dem SGB I und flächendeckende Versorgung Die Interpretation der Vorschriften des SGB V wird gestützt durch den Allgemeinen Teil des SGB, insbesondere § 4 i. V. m. § 2 Abs. 2 SGB I. Zwar regelt auch das SGB I nicht ausdrücklich die flächendeckende Versorgung mit den gesetz­ lichen sozialen Leistungen. Allerdings sind die Vorschriften des SGB so auszulegen und insbesondere das Ermessen dergestalt zu betätigen, dass die sozialen Rechte weitgehend verwirklicht werden, § 2 Abs. 2 SGB I. Zu den sozialen Rech 36 Dazu

näher unten, Teil 2, Kap. 4, A. I. 82, 375 (386); Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 122; Schulin, JZ 1986, 476 (480). 38 Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 122. 37 BGHZ

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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ten zählt auch das Recht auf Zugang zur Sozialversicherung, § 4 SGB I. Wer in der Sozialversicherung versichert ist, hat im Rahmen der GKV ein Recht auf die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit, § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB I. Auf diese Weise wird das Zielprogramm des SGB V im SGB I festgelegt und dem Einzelnen ein Anspruch auf Sozialversicherung mit entsprechenden Leistungen eingeräumt, wobei allein am Versichertenstatus angeknüpft wird, der Wohnsitz mithin keine Rolle spielt. Dem liegt zugrunde, dass mit der Versicherungspflicht Ansprüche der Ver­ sicherten einhergehen, die erst die Pflichtversicherung legitimieren. Jeder Ver­ sicherte hat somit Anspruch auf soziale Leistungen. Damit ist zwar über den Ort der Leistungserbringung noch nichts gesagt, allerdings muss jeder Versicherte Zugang zu den gesetzlichen Leistungen haben. Deshalb lässt sich aus dem Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs das Recht zum allgemeinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und deshalb die öffentliche Verpflichtung ableiten, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. VII. Die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum GKV-Versorgungungsstrukturgesetz Die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum GKV-VStG ist das deutlichste Zeichen des Gesetzgebers, dass die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung angestrebt wird:39 „Die Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist ein zentrales gesundheitspolitisches Anliegen. (…). Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung zielt daher darauf ab, (…) auch künftig eine flächendeckende wohnortnahe medizinische Versorgung zu sichern (…).“

B. Textbefund: flächendeckende Gesundheitsversorgung und vergleichbare Begriffe in der Ärzte-ZV und der Bedarfsplanungs-RL Die vertragsärztliche Versorgung ist nicht nur Gegenstand des SGB V, sondern auch der Ärzte-ZV und der Bedarfsplanungs-RL. Diese Regelwerke konkretisieren die Vorgaben des SGB V und können daher hilfreich dafür sein festzustellen, ob das Gesundheitsrecht die flächendeckende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen anstrebt. 39 BT-Drs.

17/6906, S. 1.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

I. Ärzte-ZV40 Die Ärzte-ZV kennt den Begriff der flächendeckenden Versorgung nicht. Auch der Begriff der gleichmäßigen Versorgung wird in diesem Regelwerk nicht verwendet. Jedoch ist die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung das Ziel der Bedarfsplanung nach §§ 12 ff. Ärzte-ZV, vgl. § 12 Abs. 1 Ärzte-ZV. Die Bedarfsplanung strebt demnach an, auch eine mittel- und langfristige Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Das ist – im Hinblick auf das SGB V, das durch die Ärzte-ZV konkretisiert wird – in dem Sinne zu verstehen, dass eine ausreichende, bedarfsgerechte und gleichmäßige, d. h. flächendeckende Gesundheitsversorgung als Ziel vorgegeben wird. Die Bedarfsplanungs- und Zulassungspraxis wird als ein entscheidender Schlüssel für die Sicherstellung der regulären Gesundheitsversorgung angesehen. Gestützt wird dies durch § 31a Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV, der den Begriff der ausreichenden Versorgung nennt. Die Zulassungsausschüsse haben den Krankenhausärzten mit abgeschlossener Weiterbildung mit Zustimmung des Krankenhausträgers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Zudem verwendet § 16b Abs. 1 Ärzte-ZV den Begriff der bedarfsgerechten Versorgung, allerdings im Zusammenhang mit der Überversorgung. Diese ist zu vermuten, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 10 vom Hundert überschritten ist, § 16b Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV. Die Ärzte-ZV gibt die Reihenfolge der Maßnahmen und die Befugnisse der einzelnen Akteure des SGB V zur Beseitigung der Unterversorgung vor, §§ 15 f. Ärzte-ZV. Auf diese Weise wird § 100 Abs. 1 SGB V konkretisiert. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass die flächendeckende vertragsärzt­ liche Versorgung der Versicherten zwar nicht explizit in der Ärzte-ZV genannt aber dennoch angestrebt wird. Dies ergibt sich aus sinnverwandten Begriffen im Zusammenhang mit dem SGB V und der zentralen Stellung der Ärzte-ZV bezüglich der Bekämpfung der Unterversorgung.

40 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 8230–25, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874) geändert worden ist. Die Ärzte-ZV wird vom BSG z. T. als formelles Gesetz qualifiziert, vgl. BSGE 91, 164 (165).

1. Kap.: Flächendeckende Versorgung im Gesundheitsrecht

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II. Bedarfsplanungs-RL41 Auch die Bedarfsplanungs-RL des GBA verwendet den Begriff der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung bzw. Gesundheitsversorgung nicht. Allerdings stellt die Richtlinie Voraussetzungen für die bedarfsgerechte und gleichmäßige Gesundheitsversorgung auf, § 35 Bedarfsplanungs-RL. Die Voraussetzungen sind: 1. Innerhalb der einzelnen Planungsbereiche für die fachärztliche Versorgung sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den in der hausärztlichen Versorgung und den in der fachärztlichen Versorgung tätigen Ärzten bestehen, wobei der Anteil der in der hausärztlichen Versorgung tätigen Ärzte 60 v. H. der Gesamtzahl der im Planungsbereich tätigen Ärzte betragen sollte. 2. Auch innerhalb der hausärztlichen Versorgung sollte ein ausgewogenes Verhältnis der dafür vorgesehenen einzelnen Arztgruppen unter Berücksichtigung der Bevölkerungsstruktur bestehen. Die Kriterien beziehen sich deshalb zunächst auf die Verteilung der Vertragsarztsitze zwischen Fachärzten und Hausärzten. Zwischen diesen soll ein ausgewogenes Verhältnis bestehen. Es ist auch intendiert, dass in einem Planungsbereich nicht unverhältnismäßig viele Hausärzte oder Fachärzte tätig sein sollen. Darüber hinaus soll die Bevölkerungsstruktur auch bei der hausärztlichen Versorgung berücksichtigt werden. Der Begriff des Bedarfs wird auch in §§ 28 f. Bedarfsplanungs-RL (Definition der Unterversorgung bzw. vermuteten oder drohenden Unterversorgung) verwendet und damit die Versorgungssituation der Versicherten einbezogen. Denn der Begriff des Bedarfs richtet sich an der Versorgungslage und Morbidität der Ver­ sicherten aus,42 wenn sich dies auch nicht stets in den geltenden Bedarfszahlen und ihrer Festlegung widerspiegelt. Da die Bedarfsplanungs-RL zudem das Verfahren im Hinblick auf die Feststellung der Unterversorgung, die Mitteilung an den Landesausschuss sowie die Prüfung durch den Landesausschuss regelt (§§ 30 ff. Bedarfsplanungs-RL)43 und bzgl. der Maßnahmen des Landesausschusses zur Beseitigung der Unterversorgung auf das SGB V und die Ärzte-ZV verweist, stellt auch die Bedarfsplanungs-RL die flächendeckende Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen sicher.

41 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 15. Februar 2007 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007 S. 3 491, zuletzt geändert am 18. März 2010 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010 S. 2 133. 42 Vgl. zum Begriff des Bedarfs Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 264 ff. 43 Zum Feststellungsverfahren vgl. unten, Teil 2, Kap. 3, C.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

C. Ergebnis Auch wenn die Regelungen des Vertragsarztrechts keinen einheitlichen Begriff der flächendeckenden Versorgung verwenden, wird sie dennoch vorausgesetzt. Dies ergibt sich aus den sinnverwandten Begriffen des SGB V (ausreichende, gleichmäßige, bedarfsgerechte Versorgung),44 dem Sachleistungsprinzip, dem SGB I sowie insbesondere aus der Tatsache, dass SGB V, Ärzte-ZV und Bedarfsplanungs-RL eine bedarfsgerechte und ausreichende Versorgung der Ver­ sicherten anstreben und insbesondere Regelungen vorsehen, die Unterversorgung als abzuwendende bzw. zu beseitigende Gefahr festlegen. Darüber hinaus verfolgt das GKV-VStG explizit das Ziel der flächendeckenden Versorgung.

2. Kapitel

Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Grundgesetz Nach der Analyse der einfachrechtlichen Rechtslage ist zu untersuchen, ob durch Verfassungsinterpretation Erkenntnisse für eine flächendeckende (vertragsärztliche) Gesundheitsversorgung der Versicherten gewonnen werden können. Auf diese Weise kann der Rang der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung im Rechtssystem klarer bestimmt werden. Ergibt sich die verfassungsrechtliche Verankerung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung, so ist eine irreguläre Versorgung unter besonderen Umständen auch ein verfassungsrecht­liches Problem, das dazu zwingt, über Reformen des geltenden Gesundheitsrechts nachzudenken. Für eine verfassungsrechtliche Einordnung der flächendeckenden Versorgung kommen sowohl objektiv-rechtliche als auch subjektiv-rechtliche Vor­ gaben als Anknüpfungspunkte in Betracht.

A. Objektiv-rechtliche Vorgaben des Grundgesetzes Objektiv-rechtliche Ansatzpunkte für das verfassungsrechtliche Gebot einer flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung sind das Sozialstaatsprinzip und der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.

44 Dies ist in bundesrechtlicher Hinsicht auch für den Bereich der stationären Versorgung der Fall, vgl. § 1 Abs. 1 KrankenhausFinG.

2. Kap.: Versorgung und Grundgesetz 

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I. Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Sozialstaatsprinzip Das Sozialstaatsprinzip45 enthält einen Gestaltungsauftrag46 und schreibt die staatliche Verantwortung für ein menschenwürdiges Existenzminimum, die Schaffung von Sicherheit gegen die Wechselfälle des Lebens, die Verwirklichung faktischer Chancengleichheit,47 sowie die Wahrung und Mehrung des allgemeinen Wohlstandes fest.48 Es begründet die staatliche Pflicht, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen49 und erteilt den Auftrag an den Staat, gesellschaftliche Probleme50 sowie die verfassungsrechtliche Zielsetzung und die Wirklichkeit zu harmonisieren.51 Dabei ist das aktivierende Element des Sozialstaatsprinzips besonders hervorzuheben: Der freiheitliche Sozialstaat ist verpflichtet, die allgemeinen Voraussetzungen zum Gebrauch der Grundrechte zu gewährleisten52 (ohne dass damit ein Anspruch der Grundrechtsträger auf die Gewährleistung einhergeht).53 Die Grundrechte wären bloß formale Freiheiten, wenn die Grundrechtsträger nicht die Mittel haben, um die in den Grundrechten verkörperten Freiheiten zu verwirklichen.54 Das Freiheitsrecht ist ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch neh-

45 Ausführlich zum Sozialstaatsprinzip: Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, S. 120 ff.; Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 50 ff.; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 16; Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 28, Rn. 20 ff. 46 Dazu Butzer, Die Sozialstaatsentwicklung unter dem Grundgesetz, S. 53 f. 47 Das bedeutet, dass faktisch gleiche, von den wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden innerhalb der Gesellschaft unabhängige Entwicklungschancen bestehen müssen, vgl. Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, S. 130; Herzog, in: Maunz/­Dürig, Art. 20 VIII, Rn. 39 f. 48 Vgl. Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 28, Rn. 32 ff.; Butzer, Die Sozial­staatsentwicklung unter dem Grundgesetz, S. 53 f. 49 BVerfGE 22, 180 (204); BVerfGE 59, 231 (262 f.); Meinke, In Verbindung mit, S. 38; ­Papier, in: Maydell/Ruland (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, S. 73 (74); Steiner, Das Recht auf soziale Gesundheitsversorgung, S. 168. Kritisch zum Begriff der sozialen Gerechtigkeit: v. Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, S. 213 ff. 50 Schimmelpfeng-Schütte, ZRP 2006, 180 (181). 51 Zacher, in: Isensee/Kirchhof Hrsg.), HStR, Bd. II, § 28, Rn. 34 ff.; Papier, in: Maydell/ Ruland (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, S. 73 (74). 52 Ramm, JZ 1972, 137 (145); Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, S. 129; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 (Sozial­ staat), Rn. 21. 53 Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 21. 54 Abwehr- und Leistungsrechten liegen unterschiedliche Freiheitsbegriffe zugrunde. Während die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte die grundrechtlich geschützten Güter wie selbstverständlich voraussetzen, zielt die leistungsrechtliche Dimension darauf ab, dass der Grundrechtsträger einen Anteil an den sozialen Lebensgütern erhält, um seine grundrechtlich verbürgte Freiheit auszuüben, vgl. dazu Sartorius, Das Existenzminimum im Recht. S.  59 f.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

men zu können, wertlos.55 Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet deshalb den Gesetz­ geber, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Grundrechte auch einen materiellen (bzw. realen) Gehalt bekommen.56 Die Verfassung gibt jedoch nicht die Mittel vor, die zur Erfüllung dieses Ziels Anwendung finden.57 Für die Gesundheitsversorgung verlangt das Sozialstaatsprinzip, dass der Staat dem Einzelnen „Schutz der sozialen Existenz vor den Wechselfällen des Lebens“58 bieten muss, wozu auch die Hilfsbedürftigkeit aufgrund einer Krankheit zu zählen ist.59 Der Staat muss dem Einzelnen eine Grundsicherung gegen Krankheit zur Verfügung stellen, um ihm ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.60 Der öffentlichen Hand ist es verwehrt, sich vollständig aus dem sozialen Schutz bei Krankheit zurückzuziehen.61 Die genaue Ausgestaltung dieser Grundsicherung wird dadurch jedoch nicht vorgegeben. Die Forderung des Sozialstaatsprinzips, dem Einzelnen eine Grundsicherung gegen Krankheit zur Verfügung zu stellen, bezieht sich auf jeden einzelnen Staatsbürger. Für sie alle muss der Staat Vorkehrungen treffen, damit er seinem Verfassungsauftrag nachkommt. Deshalb erstreckt sich die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates auf die gesundheitliche Grundversorgung, die jedoch nur dann gewährleistet ist, wenn sie flächendeckend etabliert wird. II. Flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Aus Sicht der Raumordnung und Regionalpolitik ist interessant, dass das Grundgesetz die Einheitlichkeit bzw. die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erwähnt. Eventuell lässt sich daraus die Forderung nach einer einheitlichen Gesundheitsversorgungsqualität für jedermann ableiten. Allerdings besteht über die Frage kein Einvernehmen, welchen Rang die Forderung der Gleichwertigkeit (bzw. anknüpfend am alten Wortlaut des GG die Ein 55 BVerfGE

33, 303 (331); Sartorius, Das Existenzminimum im Recht S. 60. Vgl. auch Kingreen, Der Sozialstaat im europäischen Verfassungsverbund, S. 132 f. van Parijs, Real Freedom for All, S. 22 ff. spricht von „leximin opportunity“. 56 Zur Terminologie der formalen und realen Freiheit in Politikwissenschaft und Philosophie sowie zur Kritik am engen (negativen) Freiheitsbegriff, wie ihn bspw. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 13 ff. verwendet, vgl. van Parijs, Real Freedom for All, S. 21 ff. 57 BVerfG NJW 2010, 505 (507); BVerfGE 22, 180 (204); 94, 241 (263); Butzer, Die Sozialstaatsentwicklung unter dem Grundgesetz, S. 53 f. 58 BVerfGE 28, 324 (348). 59 BVerfGE 68, 193 (209). 60 Eykmann, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen im Gesundheitswesen, S. 16. 61 Schmidt-De Caluwe, SDSRV 51 (2004), 29 (41); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 213; Egger, SGb 2003, 76.

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heitlichkeit) der Lebensverhältnisse hat. So wird von einem Verfassungsauftrag oder einer Staatszielbestimmung gesprochen.62 Die Forderung findet ihren Niederschlag in Art. 72 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG.63 In diesem Rahmen ist die Gleichwertigkeit/Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse allein eine Kompetenzausübungsschranke (Art. 72 Abs. 2 GG)64 bzw. ein Faktor für die Verteilung der sog. Gemeinschaftssteuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, Art. 106 Abs. 3 S. 1, 4 Nr. 2 GG). Aus diesen marginalen Aussagen des Grundgesetzes lässt sich deshalb nicht das allgemeine Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ableiten, zumal sich die genannten Vorschriften auf besondere Ausschnitte beziehen und das Verhältnis der Länder zum Bund zum Gegenstand haben, mithin dem Föderalismus zuzuordnen sind.65 Die Bürger hingegen werden nur mittelbar in die Forderung nach gleichwertigen Lebensverhältnissen ein­ bezogen.66 Dass die Verfassung das Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen im Bundesgebiet aufstellt, wird jedoch auch aus anderen Bestimmungen gelesen. So verknüpft Hettlage die Bestimmung des Art. 72 Abs. 2 GG mit der Sozialstaatsklausel und gewinnt so einen Verfassungsauftrag zur Herstellung vergleichbarer Lebensbedingungen.67 Dagegen ist vorgebracht worden, dass durch einen solchen Auftrag die im Föderalismus angelegte Vielfalt aufgegeben und einem

62 Vgl. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 540. Ablehnend Reichel, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, S. 214 ff., die vertritt, dass der Verfassung das Ziel möglichst gleicher Lebensverhältnisse nicht zu entnehmen sei. Vielmehr sei die Geichwertigkeit der Lebensverhältnisse ein politisches Ziel, das stark im deutschen Bewusstsein verankert sei, allerdings durch die Föderalismusreform I (2006) eine erhebliche Abschwächung erfahren habe. 63 Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG spricht – wie die alte Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG – von der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. 64 Arndt, JuS 1993, 360 (362) versteht die Formulierung in Art. 72 Abs. 2 GG als Ausdruck des erforderlichen „Ausgleich(s) zwischen föderaler Selbständigkeit einerseits und unabdingbarer Mindestintegration der Bundesländer in den Gesamtstaat andererseits.“ Ähnlich Weyl, DÖV 1980, 813. 65 Ablehnend auch Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 540. 66 Aber auch wenn man davon ausgeht, dass Art. 72 Abs. 2 GG die Gleichwertigkeit als Verfassungsauftrag festschreibt, so ist die praktische Relevanz gering. Das Bundesverfassungsgericht legt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse dahin gehend aus, dass allein eine erhebliche, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigende Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse in den Ländern verhindert werden soll, vgl. BVerfGE 106, 62 (144), 112, 226 (244). Dazu Reichel, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, S. 112; Kersten, UPR 2006, 245 (248). 67 Hettlage, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 31 (1973), 99 (100). Ähnlich Isensee, Rechtstheorie, Beiheft 20, 129 (155): Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Art. 72 Abs. 2 GG als „Umschreibung des sozialen Verfassungsziels“. Aus der finanzverfassungsrechtlichen Literatur seien genannt Carl, AöR 114 (1989), 450 (463 ff.); Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71 (83 f.). Vgl. auch Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 532 ff. m. w. N.

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unitarischen Verständnis der Vorzug gegeben werde.68 Allerdings hat dieses Argument durch die Abschwächung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG (die Norm spricht nicht mehr von einheitlichen, sondern von gleichwertigen Lebensbedingungen) an Durchschlagskraft eingebüßt.69 Deshalb ist für die Bestimmung der Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse noch am ehesten die Anknüpfung am Sozialstaatsprinzip fruchtbar.70 Danach verlangt der „Grundsatz“ der Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse, dass ein Mindeststandard der Versorgung mit öffentlichen Gütern gewährleistet wird.71 Somit wird nicht mehr verlangt, als dasjenige, was das Sozialstaatsprinzip selbst vorgibt, mithin ein Grundbestand, der die Verwirklichung der grundrechtlichen Freiheiten ermöglichen hilft.72 Das Gebot der Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse ergibt sich somit aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und erfasst nur die Sicherstellung eines Mindeststandards.73 Wenn die Versicherten faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden, sind die sozialstaatlichen Mindeststandards nicht mehr gewährleistet. Dies bezieht sich jedoch nur auf Extremfälle der Fehlversorgung, nämlich wenn die Wegstrecken und Wartezeiten unzumutbar sind und eine Versorgung durch andere Leistungserbringer, insb. Krankenhäuser nicht erfolgen kann.

B. Nicht-flächendeckende vertragsärztliche Versorgung und Grundrechte Neben diesen objektiv-rechtlichen Anknüpfungspunkten des GG ist auf die subjektiv-rechtlichen Bestimmungen der Verfassung, mithin die Grundrechte, einzugehen. Dabei ist auf die unterschiedlichen Dimensionen der Grundrechte abzustellen, insbesondere die leistungsrechtliche (status positivus) und die abwehrrechtliche (status negativus) Dimension.74

68 Vgl. nur Arndt, JuS 1993, 360 (362), der allerdings von einem aus dem Bundesstaats­ prinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG fließenden Verfassungsauftrag ausgeht; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 535; Selmer, VVDStRL 52 (1993), 10 (22). 69 Durch den Begriff der vergleichbaren Lebensbedingungen kommt die Akzeptanz der Unterschiede und Besonderheiten der Bundesländer und Regionen besser zum Ausdruck als durch den Begriff der Einheitlichkeit. 70 Vgl. auch Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 539, 541; Reichel, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, S. 213 f. 71 Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 541 m. w. N. 72 Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 541. 73 So auch Reichel, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, S. 213 f. 74 Vgl. zur Statuslehre Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 418 ff.

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I. Die Leistungs- und Teilhabefunktion der Grundrechte An erster Stelle kommt die Leistungs- und Teilhabefunktion der Grundrechte als Anknüpfungspunkt in Betracht. 1. Grundsatz: zurückhaltende leistungsrechtliche Interpretation Grundsätzlich sind leistungsrechtliche Aufladungen der Grundrechte mit spitzen Fingern anzufassen,75 dies gilt insbesondere für die Interpretation der Grundrechte als soziale Grundrechte.76 Über die im Grundgesetz verankerten Grundrechte mit leistungsrechtlichem Gehalt77 hinaus sollte eine leistungsrechtliche Interpretation der Grundrechte nur sehr sparsam erfolgen. Zwar kennt das Grundgesetz einzelne Grundrechte mit sozialem Anstrich,78 jedoch existiert kein anspruchsbegründendes soziales Grundrecht.79 Denn soziale Grundrechte können 75 Vgl. die Nachweise bei Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb., Rn. 89 mit Fn. 363. Zu den Verfassungsberatungen im Parlamentarischen Rat vgl. Enders, VVDStRL 64 (2005), 7 (11 f.). 76 Als soziale Grundrechte werden das Recht auf Arbeit, Bildung, angemessene Wohnung und soziale Sicherheit bezeichnet, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 454. Diese Rechte sind z. T. in einzelnen Landesverfassungen der Bundesländer verankert (vgl. den Überblick bei Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 396 mit Fn. 7 ff.); das Recht auf Arbeit wird in den meisten europäischen Verfassungen garantiert, teilweise auch das Recht auf Wohnraum, z. B. Art. 23 Abs. 3 Belgische Verfassung; Art. 22 Abs. 2 Niederländische Verfassung, Art. 75 Polnische Verfassung. Der Gesundheitsschutz ist ebenfalls Gegenstand verschiedener Verfassungsbestimmungen, etwa in Art. 68 Polnische Verfassung; Art. 64 Portugiesische Verfassung. Soziale Rechte waren in der WRV (Art. 163 Abs. 2, 161, 155) und teilweise auch in der DDRVerfassung von 1974 verankert (Art. 24, Recht auf Arbeit). Zur Indienstnahme des Individuums in der DDR durch die gleichzeitige Pflicht zur Arbeit gem. Art. 24 Abs. 2 S. 2 DDR-Verf. vgl. Isensee, Der Staat 19 (1980), S. 367 (380); Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 70; zur Rechtswirklichkeit des Arbeitsrechts in der DDR vgl. Markovits, Gerechtigkeit in Lüritz, S. 63 ff. Zu den sozialen Grundrechten allgemein vgl. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, vor Art. 1, Rn. 47.; zu den sozialen Grundrechten auf europäischer Ebene (Recht auf Arbeit) vgl. Pitschas, VSSR 2000, 207 (212 ff.); Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 146. 77 Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 4 GG. 78 Vgl. etwa Art. 6 Abs. 4 GG (Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft); Art. 6 Abs. 5  GG (Gesetzgebungsauftrag zur Gleichstellung der unehelichen Kinder); Art. 33 Abs. 5 GG (grundrechtsgleiches Recht der Beamten auf Fürsorge). Dazu Eykmann, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen im Gesundheitswesen, S. 7; Isensee, Der Staat 19 (1980), S. 367 (370). Auch die Menschenwürdegarantie hat in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) eine soziale Dimension und zielt auf die Gewährleistung eines Existenzminimums ab, vgl. dazu BVerfGE 82, 60 (80, 85); BVerfG NJW 2010, 505; Starck, JZ 1981, 457 (459); Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 1 Abs. 1, Rn. 74. 79 Badura, Der Staat 14 (1975), S. 17; Eykmann, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen im Gesundheitswesen, S. 7; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb., Rn. 81; Papier, in: Maydell/Ruland (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, S. 73. Vgl. aber die Konzeption bei Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 465 ff.

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nicht als gerichtlich durchsetzbare subjektiv-rechtliche Ansprüche fungieren. Die Verwirklichung dieser Rechte knüpft nämlich anders als die abwehrrechtliche Grundrechtsdimension nicht an eine vor-staatliche Sphäre an, sondern setzt ein positives staatliches Tun (die Gewährung des Zugangs zu den Lebensgütern durch Gesetzgeber und Verwaltung) voraus.80 Der in den sozialen Grundrechten verankerte Leistungsanspruch ist so allgemein, dass aus ihm keine konkreten Rechtsansprüche gewonnen werden können.81 Indem das Grundgesetz das Bild des freiheitlichen Verfassungsstaates vorgibt, wird außerdem ausgeschlossen, dass dem Staat ein für die Verwirklichung der sozialen Grundrechte erforderlicher Umverteilungsanspruch bezüglich Kapital, Arbeit und Wohnung zusteht.82 Vielmehr wenden sich die sozialen „Grundrechte“ an den Staat und verpflichten ihn zur Erfüllung des in ihnen verkörperten Auftrags.83 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Durchsetzbarkeit sozialer Grundrechte von der konjunkturellen Lage abhängig ist. Sie steht unter dem Vorbehalt des Möglichen, da die Verteilungsmasse der Lebensgüter begrenzt ist.84 Gegen eine leistungsrechtliche Interpretation sprechen allgemein die Budgethoheit des Parlaments85 und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.86 Denn sonst wäre der Gesetzgeber ständig gefordert, die sich aus der Leistungsdimension der Grundrechte ergebenden Ansprüche zu befriedigen. Zudem besteht bei einer ambitionierten leistungsrechtlichen Grundrechtsinterpretation die Gefahr, dass der Freiheitsbegriff verwässert wird. Versteht man Grundrechte als Abwehrrechte, so ist es dem Grundrechtsträger überlassen, welchen Inhalt er seiner Freiheit gibt – er bestimmt sie selbst. Bei Leistungsrechten müssen der Freiheitsbegriff, sein Inhalt und die Art und Weise der Freiheitsbetätigung durch die öffentliche Gewalt definiert werden. Es ist denkbar, dass diese Definition auch auf die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte zurückwirkt und die geschützten Tätigkeiten definiert und dadurch beschränkt, indem ein einheitlicher Freiheitsbegriff angewendet wird.87 Eine leistungsrechtliche Grundrechtsinterpretation sollte deshalb zumindest nur sehr eingeschränkt erfolgen. 80 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 146 (150 ff.); Badura, Der Staat 14 (1975), S. 17 (25 ff.). 81 Böckenförde, in: ders./Jekewitz/Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, S. 7 (11). 82 Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb., Rn. 81. 83 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 146 (153 f.). 84 Isensee, Der Staat 19 (1980), S. 367 (381), mit Hinweis auf die „wohlerworbenen Rechte“ der Beamten in der Weimarer Republik. 85 Der haushaltsrechtliche Einwand gewinnt durch das Argument an Gewicht, dass auch die bundesstaatliche Haushaltsstabilität durch die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes (insb. Art. 109 Abs. 2; 112 S. 2; 115 Abs. 1 GG) einen verfassungsrechtlichen Stellenwert einnimmt. 86 Vgl. Jarass, AöR 110 (1985), S. 363 (389); Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 15, 17; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb., Rn. 90 m. w. N. 87 Vgl. Könemann, Der verfassungsunmittelbare Anspruch auf das Existenzminimum, S. 73 m. w. N.

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2. Ausnahmen: Existenzminimum und Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip) Ausnahmen von der grundsätzlichen Zurückhaltung bei der leistungsrechtlichen Grundrechtsinterpretation werden im Rahmen des Existenzminimums88 und des mit dem Sozialstaatsprinzip verbundenen Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gemacht. a) Existenzminimum Zur Begründung des Existenzminimums wird in der Regel die Menschenwürde (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip)89 herangezogen, zu der das Existenzminimum einen engen Bezug hat.90 Soll die Menschenwürde nicht „zur kleinen Münze“91 verkommen, so ist sie nur in besonders gelagerten Fällen heranzuziehen. Deshalb ist auch mit dem Begriff des Existenzminimums sparsam zu verfahren. Es besteht sonst die Gefahr, dass der Begriff des Existenzminimums überfrachtet wird und an juristischer Schlagkraft verliert, so dass der juristischen Bewertung kein klar umrissener Rechtsbegriff offen steht.92 Das Existenzminimum entzieht sich einer unabänderlichen Fixierung, da es von einer Vielzahl von Einflüssen geprägt ist (gesellschaftliche Anschauungen, technologische Entwicklung, Leistungskraft des Staates).93 Es begegnet somit er­ heblichen Problemen, den Inhalt des Existenzminimums positiv zu umschreiben. Die Aufgabe des Existenzminimums ist es, das selbstbestimmte Leben und die Autonomie des Einzelnen zu sichern.94 Zentrales Anliegen des Existenzminimums ist es, Armut zu vermeiden.95 Darin erschöpft sich jedoch nicht sein Ge 88 Zum Existenzminimum vertiefend Könemann, Der verfassungsunmittelbare Anspruch auf das Existenzminimum, S. 20 ff.; Sartorius, Das Existenzminimum im Recht, S. 54 ff.; Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 108 ff. 89 Das Bundesverfassungsgericht zieht für die Begründung des Rechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG zusammen, vgl. BVerfGE 40, 121 (133); 45, 187 (228); 82, 60 (85); 113, 88 (108 f.). Vgl. auch Schnapp, NZS 2010, 136, allerdings ohne Stellungnahme. 90 Vgl. Neumann, NZS 2006, 393; ausführlich ders., NVwZ 1995, 426 ff.; Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 108 ff. Das Bundesverfassungsgericht bildet die Konstruktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, NJW 2010, 505, dazu Schnath, NZS 2010, 297 (298). 91 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 1 Abs. 1, Rn. 29 (1. Lieferung, 1958); Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 332 f. 92 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 1 Abs. 1, Rn. 114, der ebenfalls einer restriktiven Auslegung des Existenzminimums zuneigt. 93 BVerfG NJW 2010, 505 (508); Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 1 Abs. 1, Rn. 114. 94 Wallerath, JZ 2008, 157 (162); Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 417. 95 Vgl. v. Arnauld, in: ders./Musil, Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 251 ff.; Schnapp, NZS 2010, 236.

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halt. Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner SGB II- Entscheidung davon aus, dass das Existenzminimum nicht nur eine objektive Pflicht des Staates dahingehend umfasst, dass dem Einzelnen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins zur Verfügung gestellt werden, sofern er sie nicht aus einer eigenen Erwerbsarbeit, seinem Vermögen oder durch Zuwendung Dritter produzieren kann.96 Vielmehr korrespondiere mit dieser Pflicht ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers.97 Dieser verfassungsunmittelbare Leistungsanspruch erstrecke sich nur auf die Mittel, die unbedingt erforderlich sind, um ein menschenwürdiges Dasein aufrecht zu erhalten. Das Existenz­minimum umfasse dabei einheitlich sowohl die physische Gesundheit des Menschen, als auch die Sicherung der Möglichkeit, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen und zu einem Mindestmaß am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen.98 Das Grundgesetz gebe den Anspruch auf Gewährung eines Existenzminimums dem Grunde nach vor. Die genaue Ausgestaltung der Mittel, die der Sicherung des Existenzminimums dienen sollen, obliege dem Gesetzgeber. Er müsse den verfassungsunmittelbaren Anspruch durch einen gesetzlichen Anspruch absichern.99 Denn die erforderlichen Mittel könnten nicht aus der Verfassung abgeleitet werden, da der Anspruch von vielfältigen und wandelbaren Umständen abhänge.100 Allerdings müsse der gesetzliche Leistungsanspruch so ausgestaltet sein, dass er den gesamten existenznotwendigen Bedarf des Einzelnen abdeckt. Bei einer fehlerhaften Bestimmung des Existenzminimums sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.101 Dabei stellt das Bundesverfassungsgericht in erster Linie darauf ab, dass „alle existenznotwendigen Aufwendungen

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NJW 2010, 505 (507 f.); dazu Schnath, NZS 2010, 297 ff. NJW 2010, 505 (507 f.). Die Begründung, dass das Grundrecht die Würde jedes individuellen Menschen schütze und sie in solchen Lagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden könne, ist jedoch unbefriedigend. Sie wiederholt nur die Voraussetzungen für die Konstruktion einer objektiven Leistungspflicht. Dass das Existenzminimum auch einen Anspruch vermittelt, muss aber gerade vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 1 GG näher begründet werden. M. E. kann dazu auf die Subjektqualität des Einzelnen abgestellt werden, die in Art. 1 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt. Der Einzelne ist nicht bloß passiver Empfänger staatlicher Almosen, sondern kann als Mitglied der Gesellschaft Schutz verlangen. Letztlich wäre das Existenzminimum defizitär, wenn es nicht ein subjektives Recht vermitteln würde, das gerichtlich geltend gemacht werden kann. 98 BVerfG NJW 2010, 505 (508), mit der Begründung, dass der Mensch als Person notwendig in sozialen Bezügen existiert. Zu den beiden Gehalten des Existenzminimums (physisches Existenzminimum und soziokulturelles bzw. konventionelles Existenzminimum); Schnath, NZS 2010, 297 (299); vgl. auch v. Arnauld, in: ders./Musil, Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 251 (261 f.). 99 BVerfG NJW 2010, 505 (508). 100 BVerfG NJW 2010, 505 (508) nennt die gesellschaftlichen Anschauungen über das für das Existenzminimum Erforderliche, die konkrete Lebenssituation des Betroffenen sowie die wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten. 101 BVerfG NJW 2010, 505 (508). 97 BVerfG

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folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht zu bemessen“ sind.102 Die Bemessung sei fortlaufend zu überprüfen und weiter zu entwickeln.103 Das Bundesverfassungsgericht überprüft deshalb nur, ob das Verfahren zur Bemessung des Existenzminimums nachvollziehbar und tragfähig ist und ob die zugrunde gelegten Zahlen verlässlich sind.104 Das Bundesverfassungsgericht hat sich auf diese Weise aus dem sozialpolitischen Diskurs herausgehalten und die Entscheidungslast zurück in die Hand des Gesetzgebers gelegt; die Chance, mit Verfassungsbeschwerden auf den Kern der Sozialgesetzgebung zielen zu können und auf diese Weise Veränderungen herbeizuführen, ist kaum gegeben.105 Dass das Bundesverfassungsgericht in einer so elementaren Frage der sozialen Teilhabe faktisch auf eine Vertretbarkeits­ kontrolle reduziert und gleichsam wie ein Buchhalter allein die Rechnungen des Gesetzgebers prüft, mag man kritisieren. Die Hürden, die der Gesetzgeber bei der Bemessung zu nehmen hat, sind indes nicht gering. Besonderen Schwierigkeiten sieht sich das Bestreben ausgesetzt, das Existenz­ minimum für die Gesundheitsversorgung und damit das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) zu formulieren. Denn Abstufungen im Bereich des Lebens und der Gesundheit drohen die Rechtsgüter als solche in Frage zu stellen und betreffen nicht bloß den Umfang der möglichen Grundrechtsausübung.106 Da Leben und Gesundheit transzendentale Rechtsgüter107 sind, kommt ihnen ein besonderes Gewicht zu.108 Es liegt daher nahe, für diese Rechtsgüter Existenzminimum und Versorgungsmaximum gleichzusetzen,109 Das Bundes­ verfassungsgericht geht implizit davon aus, dass die Leistungen der GKV zumindest das Existenzminimum gewähren,110 macht jedoch keine Aussage darüber, ob die Leistungen des SGB V darüber hinausgehen. Im Kern geht es um das Problem, ob die GKV von Verfassungs wegen als Vollversicherung ausgestaltet werden muss, oder ob einzelne Leistungen ausgegliedert und der privaten Vorsorge anheim gestellt werden können. Bricht man das Problem herunter, muss zwischen sozialer Integration und der Ermöglichung des Grundrechtsgebrauchs auch für finanzschwache Versicherte und ihre (gesundheitlichen) „Chancen- und Startgleichheit“ in der 102 BVerfG

NJW 2010, 505 (508). NJW 2010, 505 (508). 104 BVerfG NJW 2010, 505 (508 a. E.). 105 Schnath, NZS 2010, 297 f. 106 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 431. 107 Leben und körperliche Unversehrtheit sind deshalb transzendental, weil sie die Bedingung der Möglichkeit sind, die sonstigen grundrechtlich geschützten Freiheiten auszuüben und sie aus diesem Grunde einen Ermöglichungscharakter haben; vgl. dazu Huster, JZ 2008, 859; Kersting, in: ders. (Hrsg.), Politische Philosophie des Sozialstaates, S. 467 (477 ff.); Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 417. 108 Das Bundesverfassungsgericht spricht beim Recht auf Leben von einem „Höchstwert“ innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung, vgl. BVerfGE 39, 1 (42). 109 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 436. 110 BVerfG NJW 2010, 505 (509). 103 BVerfG

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

„Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft“111 auf der einen Seite112 sowie der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems auf der anderen Seite113 ab­gewogen werden. Für das hier behandelte Problem ist die Frage, ob der Leistungskatalog der GKV und das medizinische Existenzminimum identisch sind, jedoch von untergeordneter Relevanz. Werden nämlich Versicherte aufgrund fehlender Zugangsmöglichkeiten von den Leistungen des SGB V ausgeschlossen, so ist davon auszugehen, dass das Existenzminimum der Versicherten nicht hinreichend berücksichtigt wird. Die Beeinträchtigung des Existenzminimums lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die staatlichen Leistungen im Gesundheitsbereich unter dem Vorbehalt des Möglichen stehen:114 Denn den Versicherten in flächendeckend v­ ersorgten Gebieten wird eine Vielzahl von Leistungen angeboten. Es wäre ein Widerspruch innerhalb des Gesundheitssystems, wenn auf der einen Seite ein umfassender Leistungskatalog bereitgehalten würde, auf der anderen Seite hingegen nicht einmal die notwendige (Grund-) Versorgung mit stationären und vertragsärztlichen Leistungen gewährleistet werden könnte. Der Staat115 ist deshalb vor dem Hintergrund des Existenzminimums dazu verpflichtet, für den Gesundheitsschutz zu sorgen und eine hinreichende Ausgestaltung des Gesundheitssystems zu be­wirken.116 Für die Gesundheitsversorgung folgt daraus, dass jeder Bürger einen Zugang zu medizinischer Versorgung haben muss. Die genaue Ausgestaltung der Gesundheits­ 111 Vgl. Huster, in: Rauprich/Marckmann/Vollmann (Hrsg.), Gleichheit und Gerechtigkeit in der modernen Medizin, S. 187 (198 f.). 112 Dieser Seite gibt etwa Neumann, NZS 2006, 393 (395, 397) den Vorzug. 113 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 431; ders., NVwZ 2006, 771 ff. betont diesen Aspekt. 114 Zu dem Vorbehalt des finanziell Möglichen und seinen Auswirkungen auf die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte vgl. Wallerath, JZ 2008, 157 (166), mit Verweis auf Luthe, Optimierende Sozialgestaltung, S. 22, 213 f.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20, Rn. 122; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 1, Rn. 30 einerseits, Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 438 ff. andererseits. 115 Es ist nicht zu verkennen, dass der „Staat“ als Forschungsobjekt durch Globalisierung, Europäisierung und Demokratisierung einer gewissen Erosion unterliegt. Dabei soll nicht dem Ausklingen der Epoche des Staates bzw. der Entstaatlichung das Wort geredet werden, wie Schmitt, Der Begriff des Politischen, S. 12, 17 es tat (ihm folgend etwa Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 11 ff.; vgl. zur Entstaatlichung auch Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 11 ff.; zu alldem Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 44 ff. m. w. N.). Vielmehr ist ein gewandeltes und demokratisiertes Staatsverständnis zugrunde zu legen, das sich deutlich durch die Entwicklung einer Distanzlosigkeit des Staates auszeichnet (Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 47). Der Staat schreitet nicht seinem Ende entgegen, vielmehr wandeln sich seine Funktion (z. B. Leistungsverwaltung, Wettbewerbsgewährleistung), sein Bild in der Öffentlichkeit und sein Selbstverständnis, was sich etwa in der Ersetzung von Subordinationsverhältnissen durch Kooperation und somit Gleichrangigkeit von öffentlicher Hand und Privatem sowie in der Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf supranationale Institutionen (begrenzter Souveränitätsverzicht) widerspiegelt. Der Begriff des Staates ist deshalb nicht überflüssig oder antiquiert. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung des Funktionswandels der öffentlichen Sphäre und der Europäisierung weiterhin passend. 116 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 432.

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versorgung, insbesondere die Dichte der medizinischen Versorgung, kann hingegen das Existenzminimum nur dann berühren, wenn nicht jedermann die Möglichkeit hat, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn er dafür zumutbare Wegstrecken in Kauf nehmen muss. Das Existenzminimum kann nur dann betroffen sein, wenn die medizinische Versorgung so ausgestaltet ist, dass sie für bestimmte Personen nicht mehr oder nur unzumutbar erreichbar ist und diese faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind. b) Art. 2 Abs. 2 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 GG wird unter der Überschrift Teilhabe und Leistung in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip gelesen.117 Diese Verbindung gebietet es, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereitzuhalten.118 Es wird ein eng begrenztes Leistungsrecht ins Leben gerufen, das den Staat dazu verpflichtet, bestimmte Handlungen vorzunehmen. Das Sozialstaatsprinzip aktiviert dabei eine spezielle leistungsrechtliche Dimension des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die diesem in „Reinform“ nicht zukäme. Gleichzeitig konkretisiert Art. 2 Abs. 2 GG staatliche Pflichten, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben.119 Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, eine leistungsfähige medizinische Versorgungsstruktur aufzubauen und zu unterhalten, zu der jeder Zugang hat.120 Da der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum bzgl. der Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung hat, korrespondieren mit dieser Verpflichtung in der Regel keine Ansprüche auf konkrete Leistungen.121 Wenn der Staat es nicht vermag, ein System der Gesundheitsversorgung zu organisieren, zu dem jeder Versicherte zumutbaren Zugang hat, so verletzt er seine aus Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip fließende Pflicht, eine Gesundheitsinfrastruktur bereitzuhalten, die jedermann zugänglich ist. Dies bezieht sich jedoch nur auf eine dergestalt tief greifende unzureichende Versorgung, die den Einzelnen von der Gesundheitsversorgung faktisch ausschließt. In diesen Fällen besteht die staatliche Pflicht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine ausreichende Gesundheitsversorgung sicherzustellen, zu der jeder Zugang auf zumutbare Weise hat. 117 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 60; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 69; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GrundgesetzKommentar, Art. 2 II, Rn. 96; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 2, Rn. 94; Murswiek, in: Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 225. 118 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn  60; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 69; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GrundgesetzKommentar, Art. 2 II, Rn. 96. 119 Murswiek, in: Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 224. 120 Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 60. 121 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 2, Rn. 225.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

II. Die abwehrrechtliche Grundrechtsdimension: Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip Die flächendeckende Gesundheitsversorgung folgt auch aus der abwehrrecht­ lichen Dimension der allgemeinen Handlungsfreiheit (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip). Dies folgt aus der GKV als Pflichtversicherung, die mit einer Beitragspflicht einhergeht und deshalb die allgemeine Handlungsfreiheit als Abwehrrecht aktiviert. Das Bundesverfassungsgericht liest auch die allgemeine Handlungsfreiheit gemeinsam mit dem Sozialstaatsprinzip122 und hält dabei fest, dass an ein öffentlichrechtliches Pflichtversicherungssystem bestimmte verfassungsrechtliche Anforderungen zu stellen sind, die sich mit dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) umschreiben lassen.123 Die allgemeine Handlungsfreiheit – gestützt durch das Sozialstaatsprinzip – verlangt demnach, dass eine hinreichende Äquivalenz von Rechten und Pflichten im Versicherungsverhältnis besteht.124 Der Versicherte wird durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit vor der Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung geschützt, ohne dass er einen Anspruch auf konkrete Behandlungen hat. Der Schutz des Einzelnen vor Krankheit ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine Aufgabe des Staates, der der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung der GKV als System mit risikounabhängigen und allein am Versicherteneinkommen orientierten Beiträgen nachgekommen ist. Weil den Versicherten in der Regel keine Mittel zur Verfügung stünden, um sich selbständig gegen Krankheit abzusichern, sei die Vorenthaltung bestimmter Leistungen im System der GKV ein zu rechtfertigender Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit.125 Wenn dem Versicherten besondere Leistungen für die Behandlung seiner Krankheit durch gesetzliche Bestimmungen vorenthalten würden, so bedürfe dies einer besonderen Rechtfertigung.126 Diese Rechtsprechung ist insbesondere von Heinig stark kritisiert worden.127 Konsequenz dieser Rechtsprechung sei, dass die GKV von Verfassungs wegen 122 In

der Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht die Frage zu klären, ob ein gesetzlich Krankenversicherter, der an einer regelmäßig tödlichen und unheilbaren Krankheit leidet und für deren Behandlung keine wissenschaftlich gesicherte Behandlung existiert, einen Anspruch auf die Erstattung von Leistungen hat, deren medizinischer Nutzen nicht geklärt ist, bei der aber die entfernte Möglichkeit besteht, dass sie die Heilung oder die spürbare positive Veränderung des Krankheitsverlaufs bewirkt, vgl. den Leitsatz von BVerfGE 115, 25. Dieser ist nunmehr in Gesetzesform gegossen worden, § 2 Abs. 1a SGB V. 123 Schmidt-De Caluwe, SGb 2006, 619 (620). 124 Schmidt-De Caluwe, SGb 2006, 619 (620); dies wurde bereits in BVerfGE 79, 223 (236) festgestellt, vgl. Vießmann, VSSR 2010, 105 (129). 125 BVerfGE 115, 25 (44); Kritik zu diesem Punkt bei Heinig, NVwZ 2006, 771 (772). 126 BVerfGE 115, 25 (44). 127 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 421 ff.; ders., NVwZ 2006, 771 ff. Kritik auch bei Wenner, GesR 2009, 169 (178).

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als Vollversicherung auszugestalten und jede Nichtübernahme von Behandlungskosten per se rechtfertigungsbedürftig sei.128 Dies ergebe sich jedoch nicht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip. Außerdem sei die These des Gerichts zu bezweifeln, dass die in der GKV Versicherten keine eigenen Mittel haben, um weitere Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Da sich der Kreis der Versicherten in der GKV nicht nur nach deren Schutzbedürftigkeit, sondern auch nach dem Finanzierungsbedarf der GKV richte und in der GKV 90 % der Deutschen versichert seien, treffe dies zwar auf einen Teil der gesetzlich Versicherten, nicht jedoch auf alle versicherten Personen zu. Nicht alle in der GKV Versicherten seien vorsorgeunfähig.129 Zu bedenken sei auch, dass die Angemessenheit von Beitrag und Leistung nicht in erster Linie durch Leistungserweiterungen, sondern durch Beitragssenkungen herzustellen sei.130 1. Nicht-flächendeckende Versorgung als Auflösung der Angemessenheit von Beitrag und Leistung? Auch Heinig lässt eine zentrale Aussage der Entscheidung unbeanstandet, nämlich dass die allgemeine Handlungsfreiheit vor der Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung schützt.131 Dies ist Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen: Wenn schon nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Herausnahme einzelner Leistungen aus dem Leistungskatalog im Einzelfall gegen die allgemeine Handlungsfreiheit i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip verstößt, so liegt es nahe, dass erst recht die faktische Nichtverfügbarkeit der Leistungen, die im Leistungskatalog enthalten sind, einen Verstoß gegen diese Verfassungsbestimmungen darstellt. Denn anders als im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall geht es nicht „nur“ um den Ausschluss einer medizinische Behandlung, die im Einzelfall die Lebensqualität zumindest spürbar zu steigern vermag, sondern um den Zugang zu einer Vielzahl medizinischer Leistungen, deren Nutzen wissenschaftlich nachgewiesen ist und die im Leistungskatalog enthalten sind. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung allein den Fall behandelte, dass der Leistungsausschluss durch Rechtssatz erfolgt. Die nicht-flächendeckende Versorgung stellt sich hingegen als faktischer Leistungsausschluss bzw. faktische Hürde im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung dar.132 Das SGB V sieht nämlich besondere Regelungen vor, die 128 Heinig,

Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 425; ders., NVwZ 2006, 771 (772). Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 425. 130 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 427; ders., NVwZ 2006, 771 (772). 131 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 427; ders., NVwZ 2006, 771 (772); ebenso Vießmann, VSSR 2010, 105 (128 f.) m. w. N. 132 Zwar schließt die fehlende Wohnortnähe den Versicherten nicht per se vom Zugang zu Gesundheitsleistungen aus, er ist zunächst darauf verwiesen, längere Wegstrecken in Kauf zu nehmen, um sich ärztlich behandeln zu lassen. Allerdings setzt dies voraus, dass der Versicherte mobil ist und ihm die Krankheit ausreichend Zeit lässt, um den Weg zum Arzt auf sich zu nehmen. 129 Heinig,

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Unterversorgung vermeiden bzw. beseitigen sollen.133 Die Ausgangssituationen bei einem normativen und einem faktischen Leistungsausschluss sind somit unterschiedlich. Betrifft der rechtliche Leistungsausschluss ein normatives Handeln, das ohne besonderen Aufwand korrigiert werden kann, so ist der faktische Leistungsausschluss im Sinne einer nicht-flächendeckenden Versorgung nur durch eine Vielzahl von einzelnen Maßnahmen zu beseitigen, die von Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen sowie verschiedenen Kooperationsorganen ergriffen werden müssen.134 Es liegt somit nicht in der Hand eines Einzelnen, die faktischen Zugangshemmnisse aufzulösen. Die Beseitigung nicht-flächendecker Gesundheitsversorgung ist deshalb von einer Vielzahl von Faktoren und Akteuren abhängig und bezieht auch die Leistungserbringer mit ein, die für die flächendeckende Gesundheitsversorgung unabdingbar sind. Das erschwert die Ausweitung der Gedanken der entscheidenden Kammer auf die nicht-flächendeckende Versorgung. Allerdings: Die Grundrechtsbeeinträchtigung der Betroffenen ist vergleichbar. Für die Grundrechtsträger macht es keinen Unterschied, ob die Leistungen aufgrund rechtlicher Regelungen oder faktischer Entwicklungen nicht verfügbar sind. In beiden Fällen besteht ein Ausschluss von Leistungen, die für die Gesundheitsversorgung des Versicherten eine hohe Bedeutung haben. Die Betroffenen sind jeAn der Mobilität der Versicherten lässt sich jedoch dann zweifeln, wenn alte und gebrechliche Menschen oder Personen mit erheblichen gesundheitlichen Beschwerden nicht wohnortnah versorgt werden können. Betrachtet man zudem, dass sich die Unterversorgung in erster Linie auf ländliche Gebiete bezieht, ist darüber hinaus oftmals die Fortbewegungsmöglichkeit an sich eingeschränkt (alte Personen ohne Pkw, eingeschränkter öffentlicher Personennahverkehr). Es sind diese Menschen, für die eine nicht-wohnortnahe Versorgung unter Umständen einem Ausschluss von der Gesundheitsversorgung nahe käme. Zwar ist der eingeschränkten Mobilität der Versicherten oftmals durch den am Rettungsdienst angeschlossenen Krankentransport, durch die Beförderung mit dem Taxi oder durch ärztliche Hausbesuche zu begegnen. Jedoch bedeutet die Unterversorgung eines Gebietes eine Mehrbelastung der niedergelassenen Ärzte, da weniger Ärzte für mehr Patienten zuständig sind, als es die Bedarfsplanung vorsieht. Deshalb ergeben sich nicht nur teilweise erhebliche Wegstrecken, sondern auch lange Wartezeiten. Diese verbinden sich mit kurzen Behandlungszeiten, da die Ärzte bei mehr Patienten weniger Zeit für den Einzelnen aufwenden können. Die Gefahr von Fehldiagnosen und Falschbehandlungen steigt ebenso wie die Belastung von Patienten und Ärzten. Bei nicht-flächendeckender Versorgung entsteht deshalb die Gefahr der Fehl- oder gar der Nichtbehandlung. Durch lange Wartezeiten besteht die Möglichkeit, dass Diagnosen zu spät erfolgen, notwendige Therapien spät bzw. zu spät einsetzen und eine regelmäßige Kontrolle behindert wird. Ist zudem eine regelmäßige ärztliche Behandlung innerhalb kurzer Zeiträume erforderlich, so bedeuten lange Wegstrecken u. U. die Unzumutbarkeit bzw. Nichtverfügbarkeit der Therapie. In strukturschwachen Gebieten besteht zudem die Möglichkeit, dass nicht nur ein Planungsbereich, sondern mehrere benachbarte Planungsbereiche nicht ausreichend versorgt werden können, was zum faktischen Ausschluss der dort ansässigen Versicherten von der Gesundheitsversorgung führen würde. Eine nicht-flächendeckende Versorgung birgt deshalb die Gefahr, dass bestimmte Versicherte von erheblichen Teilen der medizinischen Versorgung ausgeschlossen werden bzw. die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der medizinischen Behandlung so widrig sind, dass an der Zumutbarkeit der Eigenleistung des Versicherten gezweifelt werden kann. 133 Dazu ausführlich unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 134 Vgl. dazu unten, Teil 2, Kap. 4, B. II.

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weils durch die gesetzliche Versicherungspflicht dazu gezwungen, ihre Beiträge zu entrichten, ohne die im konkreten Fall erforderlichen bzw. potentiell hilf­reichen Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Unabhängig davon, dass es auf die Modalität des Grundrechtseingriffs nicht ankommt, sondern allein die faktische Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens maßgeblich ist,135 erfolgt der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit durch die gesetz­liche Versicherungspflicht. Die Rechtfertigung dieses Eingriffs muss auch über die Angemessenheit von Beitrag und Leistung erfolgen. Wenn der Versicherte keine (zumutbare) Möglichkeit hat, die erforderliche medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, so ist er ein bloß zahlendes Mitglied, ohne dass er von dem Pflichtversicherungssystem in hinreichender Form profitieren könnte. Steht keine flächendeckende Gesundheitsversorgung zur Verfügung, so sind die betroffenen Versicherten von der Solidargemeinschaft insofern ausgeschlossen. Zwar haben die Versicherten keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf bestimmte Leistungen. Jedoch besteht eine Verpflichtung des Staates, die Leistungen, die er gewährt, auch flächendeckend anzubieten. Ansonsten fallen bestimmte Mitglieder der GKV aus dem Leistungsrahmen, weshalb ihre Beiträge in keinem angemessenen Verhältnis zu den verfügbaren Leistungen stehen. Dies betrifft jedoch nur solche Versicherte, die faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind. Das stellt erhöhte Anforderungen an den Grad der nicht-flächen­ deckenden Versorgung, die nur in besonders gelagerten Fällen eintreten: Der Ausschluss des Einzelnen von der Gesundheitsversorgung ist nicht in jedem Fall der irregulären Versorgung gegeben. Längere Warte- und Wegzeiten begründen für sich genommen noch nicht die mangelnde Äquivalenz von Beitrag und Leistung. Erst wenn sich die längeren Weg- und Wartezeiten als faktischer Ausschluss von der Gesundheitsversorgung darstellen, entfällt die Äquivalenz. Die im Rahmen der Angemessenheit entwickelte Annäherung an die verfassungs­ rechtlich relevante unzureichende Gesundheitsversorgung ist deshalb nicht identisch mit den in Teil 1 entwickelten Kriterien für die nicht-flächendeckenden Versorgung. Denn auch wenn eine Unterversorgung im Sinne der Bedarfs­planungs-RL besteht, kann die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen trotzdem mit zumutbarem Eigenbeitrag (Wegstrecke) sowie innerhalb zumutbarer Wartezeiten erfolgen. Das verfassungsrechtlich abgesicherte Gebot der flächendeckenden Versorgung erstreckt sich deshalb nur auf Ausnahmefälle. Zudem ist zu bedenken, dass diese Erwägungen vom Bestand des bisherigen Systems der Pflichtversicherung (für die betroffenen Versicherten) abhängig sind. Die nicht-flächendeckende Versorgung vermag es deshalb in Ausnahmefällen, den Angemessenheitszusammenhang zwischen Beitrag und Leistung aufzulösen.

135 Zum Eingriffs-Begriff vgl. Holoubek, in: Merten/Papier, Grundsatzfragen der Grundrechts­ dogmatik, S. 17 ff.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

2. Konsequenzen der Beseitigung des Angemessenheitszusammenhangs zwischen Beitrag und Leistung Liegt in der nicht-flächendeckenden Versorgung in bestimmten Fällen somit die Auflösung des Angemessenheitszusammenhanges von Beitrag und Leistung, so sind die sich daraus ergebenden Konsequenzen näher zu untersuchen. Ein erster Lösungsansatz besteht in der Aufhebung der Versicherungspflicht für die in den nicht-flächendeckend versorgten Versicherten, die faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind. Dadurch würde die Auflösung des Angemessenheitszusammenhangs zwischen Beitrag und Leistung verhindert. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig, aufgrund absehbarer Finanzierungsschwierigkei­ ten der GKV136 jedoch politisch kaum durchsetzbar. Die Aufhebung der Versicherungspflicht entbindet den Staat außerdem nicht von seiner sich aus dem Existenzminimum ergebenden Verpflichtung, der Bevölkerung zumindest eine Grundversorgung an medizinischen Leistungen zur Verfügung zu stellen.137 Deshalb kommt die Aufhebung der Pflichtversicherung für die Betroffenen nicht ernsthaft in Betracht. Es bleibt deshalb nur die Möglichkeit, die Gesundheitsleistungen flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass der Grundrechtsadressat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, damit alle Versicherten auch tatsächlich von den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems profitieren können. Aus diesem Schluss ergibt sich eine bemerkenswerte grundrechtstheoretische Konsequenz: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Bundesverfassungsgericht eine (objektive) Leistungspflicht des Staates konstruiert, ausgehend von der abwehrrechtlichen Dimension der allgemeinen Handlungsfreiheit, speziell der Verhältnismäßigkeit des mit der Pflichtversicherung verbundenen Grundrechteingriffs. Der Grundrechtsadressat wird zur Leistungserbringung und ggf. Leistungsausweitung verpflichtet, auch wenn der Grundrechtsträger keinen Anspruch auf die konkrete Leistung hat.138 Die Angemessenheit von Beitrag und Leistung setzt voraus, dass die Leistungen angeboten werden, die für die Gesundheitsversorgung ausreichend und zweckmäßig sind.139 Wenn die Leistungen nicht ausreichend sind, entsteht die staatliche Verpflichtung zur Behebung des Missstandes durch die Anhebung der Leistungen auf ein ausreichendes Maß. Aus der Etablierung einer Pflichtversicherung folgt nach der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts deshalb die Pflicht, alle Beitragszahler an den Leistungen der GKV auf zumutbare Weise teilhaben zu lassen.

136 Vgl. dazu knapp Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 15 (17) sowie das GKV-Finanzierungsgesetz, BT-Drucks. 17/3040. 137 Vgl. dazu oben, Teil 2, Kap. 2, B. I. 2. a). 138 BVerfGE 115, 25 (44) schließt einen Anspruch auf bestimmte Leistungen explizit aus. 139 So formuliert es § 12 Abs. 1 SGB V.

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Da die Reduzierung der Beiträge für die von der Unterversorgung betroffenen Versicherten keinen Gewinn bringt,140 muss die GKV ihre Leistungen flächendeckend zur Verfügung stellen. Die flächendeckende Gesundheitsversorgung ist deshalb als Gewicht auf der Ebene der Angemessenheit der Pflichtversicherung in die Waagschale zu werfen. Bleibt der Gesetzgeber bei der allgemeinen Versicherungspflicht, so gebietet es der Äquivalenzzusammenhang von Leistung und Gegenleistung (als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit), dass die Leistungen der GKV auf zumutbare Weise in Anspruch genommen werden können, so dass kein faktischer Leistungsausschluss besteht. Dies begründet in Ausnahmefällen die staatliche Pflicht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossenen Versicherten wieder in eine ausreichende und angemessene medizinische Versorgung zu integrieren. III. Die Schutzpflichtdimension der Grundrechte Den Grundrechten wird nicht nur eine subjektiv-rechtliche Dimension beigemessen, sondern seit dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch eine objektiv-rechtliche.141 Diese objektive Grundrechtsdimension wird als dogmatischer Angelpunkt für die Schutzpflichten142 verwendet.143

140 Denn

auch reduzierte Beiträge heben das Missverhältnis von Beitragszahlungspflicht und faktischem Versorgungsausschluss nicht auf. 141 Grdl. BVerfGE 7, 198 (205); beispielhaft aus der folgenden Rspr.: BVerfGE 35, 79 (114); 39, 1 (41). Vgl. dazu Schuppert/Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 18 f. 142 Dass die Schutzpflichtendimension nahezu einhellig anerkannt wird (vgl. nur Bauer, Der Verfassungsstaat zwischen Ohnmacht und Aktionismus, S. 9 f.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 60 ff.; 82 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 30 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 61 ff.), ist vor dem Hintergrund der gleichzeitigen restriktiven Handhabung von Leistungsrechten (s. o., Teil 2, Kap. 2, B I. 1.) zunächst verwunderlich. Strukturell sind beide Grundrechtsdimensionen verwandt, indem sie das Recht auf ein staatliches Tun begründen (vgl. dazu Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 390 ff.). Die ungleiche Handhabung ist aber deshalb berechtigt, weil die Gefährdungsquellen der Grundrechtsdimensionen unterschiedliche sind: Die Schutzpflichten setzen in ihrer ursprünglichen Konzeption an der Freiheitsgefährdung durch Dritte an, die Leistungsrechte beziehen sich auf einen sozial diffus verursachten Freiheitsmangel, vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 392. Zudem sind die zu ergreifenden Maßnahmen verschieden: Die Leistungsrechte verlangen, dass dem Einzelnen die Voraussetzungen für die Ausübung von Freiheitsrechten verschafft werden; die Schutzpflichten verlangen in erster Linie, dass der Staat Regelungen etabliert, die den Einzelnen vor Übergriffen Dritter bzw. eindeutig zu verortenden Gefahrenquellen schützen und dass die Einhaltung der Regeln überwacht wird, vgl. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 119 einerseits; Kingreen, Der Sozialstaat im europäischen Verfassungsverbund, S. 139, andererseits. 143 Vgl. dazu BVerfGE 39, 1 (41 f.), das über diesen Weg der Frage ausweichen konnte, ob die Grundrechtsträger ein subjektives Recht auf Schutz des Staates haben. Aus der Literatur sei beispielhaft Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 63 genannt.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) verlangt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seiner „objektivrechtlichen Funktion als wertentscheidende Grundsatznorm“, dass sich der Staat schützend und fördernd vor das Rechtsgut stellt, um seiner Schutzpflicht nachzukommen.144 Dies ist vor dem Hintergrund der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dahingehend zu verstehen, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht vollkommen ungeeignet oder unzulänglich sind.145 Hier ist zunächst zu bedenken, dass die Schutzpflichten ursprünglich für eine Dreiecks-Konstellation entwickelt wurden, in der der Staat den Grundrechtsträger vor Übergriffen eines privaten Dritten schützt.146 Da Krankheiten aber in der Regel nicht auf Eingriffen Privater beruhen, ist bei der nicht-flächendeckenden Gesundheitsversorgung dieses Dreiecksverhältnis nicht gegeben.147 Deshalb ist zu erwägen, ob die Schutzpflichtdimension der Grundrechte über das Gefährdungs-Dreieck hinaus auch dann aktiviert wird, wenn das geschützte Rechtsgut unabhängig von einem Übergriff Dritter gefährdet ist. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der Schutzpflichten wird in erster Linie die schutzgutsbezogene Konzeption dieser dogmatischen Figur angeführt.148 Weil die Schutzpflicht die umfassende Gefahrenabwehr für grundrechtliche Schutzgüter bezwecke, sei eine Beschränkung der Schutzpflichten auf von Dritten herbeigeführte Gefahren unbefriedigend.149 Es sei deshalb nicht darauf abzustellen, dass das geschützte Rechtsgut von einem Dritten gefährdet wird, sondern vielmehr darauf, dass sich die Gefahrenquelle eindeutig verorten lässt.150 Implizit geht auch das Bundesverfassungsgericht in der eben dargestellten Entscheidung davon aus, dass die Schutzpflichten nicht nur bei einem Übergriff Dritter aktiviert werden. Die entscheidende Kammer führt aus, dass es mit der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht zu vereinbaren sei, wenn der Staat mit dem System der GKV Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten übernehme, er aber bei tödlichen Krankheiten

144 BVerfGE

77, 170 (214). NJW 1997, 3085; 1998, 1775 (1776); vgl. auch Huster, JZ 2008, 859 (860). 146 Vgl. nur BVerfGE 39, 1 ff. In dieser Entscheidung hatte der Senat die Gefährdung des Ungeborenen durch die eigene Mutter im Fall des Schwangerschaftsabbruchs zu behandeln. Zur Dreiecks-Konstellation vertiefend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff. 147 Dies übersieht Eykmann, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen im Gesundheitswesen, S. 9 f. 148 Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 102 ff.; Sachs, in: Stern/Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. III/1, S. 733 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 124; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 80 f.; im Ergebnis auch Kingreen, Der Sozialstaat im europäischen Verfassungsverbund, S. 134 ff. 149 Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 103; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 80. 150 Kingreen, Der Sozialstaat im europäischen Verfassungsverbund, S. 134. 145 BVerfG

2. Kap.: Versorgung und Grundgesetz 

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eine zum Kernbereich der Leistungspflicht gehörende Leistung nicht zur Verfügung stelle.151 Die Gegner einer Erweiterung der Schutzpflichtenkonstellation verweisen darauf, dass durch die Ausweitung der Schutzpflicht der dogmatische Unterschied der Schutzpflichten zu den Leistungsrechten verwischt werden würde.152 Dieser beziehe sich gerade auf die Gefahrenquelle und die daraus resultierenden Handlungspflichten des Staates.153 Der Staat sei zum Schutz nur verpflichtet, wenn die Gefährdung von Dritten ausgehe. Es seien Regelungen aufzustellen, die dem Schutz dieser Rechtsgüter dienten und die Einhaltung dieser Regelungen zu gewährleisten.154 Bei Gefährdungen, die nicht von Privaten ausgingen, könne der Staat keine Regelungen treffen und die Beachtung derselben einfordern. Eine diffuse Hilfsbedürftigkeit ziele darauf ab, dass bestimmte Leistungen, etwa der Daseinsvorsorge, angeboten werden.155 Deshalb sei eine Erweiterung der Schutzpflichten auf Fälle, in denen die Gefährdung nicht von Privaten ausgehe, nicht angemessen. Krings weist zudem darauf hin, dass durch eine schutzgutsbezogene Interpretation der Schutzpflichten eine subjektiv-rechtliche Begründung der­selben nicht möglich wäre. Schutzpflichten basierten ebenso wie die Abwehrrechte auf einem Angriff auf die Freiheitssphäre, der nur von außen erfolgen könne.156 Deshalb ist die GKV, die nicht in erster Linie vor den Folgen privater Übergriffe schützt, nach dieser Auffassung kein Ausdruck der Schutzpflicht, sondern der leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte. Bedenkt man aber, dass die Schutzpflichten nicht rein objektiv-rechtlich sind, sondern dem Grundrechtsträger ein Schutzanspruch zusteht,157 ist eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Schutzpflichten und Leistungsrechten nicht möglich.158 Denn auch der Schutzanspruch ist auf eine Leistung ausgerichtet. Die nicht-flächendeckende Gesundheitsversorgung stellt deshalb zumindest dann einen Verstoß gegen das Untermaßverbot dar, wenn die Maßnahmen nicht vor­ gehalten werden, die das medizinische Existenzminimum verlangt.

151 BVerfGE

115, 25 (Leitsatz und S. 41 ff.); auch Vießmann, VSSR 2010, 105 (136) inter­ pretiert die Aussagen der Kammer in diese Richtung. 152 Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 119; dies sieht auch Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 80 f. Ablehnend ebenfalls: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, S. 945 f.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für Risiken in der Technik, S. 113 ff. 153 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 392 154 Suhr, JZ 1980, 166 (167, 169); ders., Die Entfaltung des Menschen durch den Menschen, S.  14 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 119. 155 Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 119. 156 Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzpflichten, S. 211 f. 157 Vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 6 m. w. N. 158 Vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 6, 10.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

IV. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG Im Vergleich zu Versicherten in regulär versorgten Gebieten sind die von der nicht regulären Versorgung betroffenen Versicherten deutlich schlechter gestellt, müssen aber den gleichen Beitragssatz entrichten. Die nicht-flächendeckende Versorgung beinhaltet deshalb auch gleichheitsrechtliche Probleme. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird.159 Er bindet gem. Art. 1 Abs. 3 GG alle staatliche Gewalt.160 Da mit Einführung des so genannten Gesundheitsfonds der Beitragssatz vereinheitlicht wurde (§§ 241, 241a SGB V),161 treffen alle Versicherten im Verhältnis zu ihrem Einkommen die gleichen Beitragszahlungspflichten. Bei nicht-flächendeckender Versorgung bestehen zwar grundsätzlich auch die gleichen Ansprüche gegen die Versicherungsträger, diese laufen jedoch mangels Versorgungsmöglichkeit ins Leere, sodass eine faktische Ungleichbehandlung der betroffenen Versicherten gegenüber den regulär versorgten Versicherten vorliegt. Solange die Versicherungspflicht aufrechterhalten und die Mangelversorgung nicht beseitigt wird, besteht eine Ungleichbehandlung, die sich zumindest im Rahmen der Grundversorgung nicht mit finanziellen Schwierigkeiten der GKV rechtfertigen lässt. Es verstößt somit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn allen Versicherten die gleichen Beitragszahlungspflichten auferlegt, aber nicht die gleichen Versorgungsmöglichkeiten (im Grundversorgungsbereich) zur Verfügung gestellt werden.162 Auf diese Weise wird Art. 3 Abs. 1 GG nicht als Leistungsrecht interpretiert.163 Da die Ansprüche der Versicherten durch den Gesetzgeber formuliert (und durch den GBA konkretisiert) wurden, hat er vollzugsfähige, öffentlich-rechtliche Ansprüche geschaffen, an deren Erfüllung die Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1 GG an­ gelegt werden müssen.

159 Vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3, Rn. 4 ff. Eine vergleichbare Formulierung findet sich bei Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26. 160 Er verankert somit die Rechtssetzungs- und Rechtsanwendungsgleichheit, vgl. Papier, in: Maydell/Ruland (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, S. 73 (109); Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 51. 161 Unabhängig davon ist den Krankenkassen die Möglichkeit unbenommen, höhere Beiträge zu erheben, um kostendeckend zu arbeiten, vgl. § 242 Abs. 1 SGB V. 162 Ähnlich Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 38, die auf die Verteilungsgerechtigkeit abstellt. Demnach müssen allen Versicherten identische Leistungen zur Verfügung stehen, weshalb eine im Wesentlichen gleiche Infrastruktur an Vertragsärzten in allen Gebieten gegeben sein müsse. Der Begriff der Verteilungsgerechtigkeit ist jedoch m. E. zu wenig konturiert, um konkrete Anforderungen ableiten zu können. Zudem ist es eher missverständlich, einen Begriff, der in erster Linie die Distribution verschiedener geldwerter Ressourcen umschreibt, auf die räumliche Verteilung von Ärzten zu beziehen, auch wenn deren erbrachte Leistungen ebenfalls geldwert sind. 163 Vgl. zur mangelnden leistungsrechtlichen Dimension des Art. 3 Abs. 1 GG Arndt, JuS 1993, 360 (361).

2. Kap.: Versorgung und Grundgesetz 

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Darüber hinaus ist die Äquivalenz von Beitrag und Leistung nicht nur eine Frage der allgemeinen Handlungsfreiheit i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip, sondern auch des allgemeinen Gleichheitssatzes. Aufgrund des die Sozialversicherung beherrschenden Versicherungsprinzips muss grundsätzlich eine Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen bestehen,164 wobei wegen des Solidarprinzips jedoch Abweichungen zulässig sind.165 Wie oben dargelegt, stellt sich die nicht-flächendeckende Gesundheitsversorgung dann als Aufkündigung der Äquivalenz von Beitrag und Leistung dar, wenn die Leistungen vom Versicherten faktisch nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt deshalb ebenfalls entweder die Aufhebung der Versicherungspflicht für die betroffenen Gebiete oder die hinreichende Einbeziehung der Betroffenen in die Gesundheitsversorgung. Allerdings ist der Staat wegen seiner Aufgabe, das Existenzminimum zur Verfügung zu stellen, dazu verpflichtet, für die nicht ausreichend versorgten Gebiete eine medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Erfüllt er diese Pflicht nicht, liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz i. V. m. dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum vor. V. Zwischenergebnis Die Verfassung verlangt die flächendeckende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Dies ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip sowie den Grundrechten. Dabei sind jedoch nicht die strengen Maßstäbe des Sozialrechts an die Dichte der Gesundheitsversorgung zu stellen. Vielmehr verlangt die Verfassung nur, dass niemand faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden darf. Ein solcher faktischer Ausschluss verstößt gegen das medizinische Existenzminimum gem. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG, die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip, die bei einer Pflichtversicherung die Äquivalenz von Beitrag und Leistung verlangt, das Untermaßverbot aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung lassen dem Gesetzgeber und der Gesundheitsverwaltung einen breiteren Spielraum als das Gesundheitsrecht.

164 BVerfGE 165 Vgl.

79, 87 (99 ff.); 90, 226 (240). Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3, Rn. 55.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

C. Zusammenfassung Der Begriff der flächendeckenden Versorgung wird im Gesundheitsrecht verwendet, jedoch nicht einheitlich. Dennoch setzt das Gesundheitsrecht die flächen­ deckende vertragsärztliche Versorgung voraus, was sich aus §§ 73b Abs. 4 und 70 Abs. 1 SGB V sowie dem Sachleistungsprinzip, den Maßnahmen zur Abwendung bzw. Beseitigung (drohender) Unterversorgung gem. dem SGB V, der Ärzte-ZV und der Bedarfsplanungs-RL und schließlich dem SGB I ergibt. Auch das Verfassungsrecht verlangt eine flächendeckende Gesundheitsversorgung der (versicherten) Bevölkerung, wobei die Maßstäbe für die Flächendeckung nicht identisch mit denen des Gesundheitsrechts sind. Die Verfassung ist nur dann verletzt, wenn einzelne Personen faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind und sich im Falle einer Pflichtversicherung Beitrag und Leistung nicht entsprechen. Dabei muss die Versorgung nicht zwingend durch Vertragsärzte erfolgen. Das führt dazu, dass zwei verschiedene Begriffe der flächen­ deckenden Versorgung existieren, die sich aus den Besonderheiten der jeweiligen Regelungswerke ergeben. Grundsätzlich wird in dieser Arbeit der engere gesundheitsrechtliche Begriff der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung verwendet.

3. Kapitel

Die Komposition der verschiedenen Regelungen mit Unterversorgung als Gegenstand Der Begriff der Unterversorgung ist als Gegenbegriff zur regulären bzw. flächendeckenden Versorgung bereits eingeführt worden. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die flächendeckende Versorgung nicht sichergestellt ist, wenn ein Planungsbereich unterversorgt ist. Instrumente, die der Abwendung oder Beseitigung (drohender) Unterversorgung dienen, sollen somit die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Weil der Begriff der Unterversorgung für die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung deshalb eine große Bedeutung hat und Gegenstand verschiedener Normen des Sozialrechts ist, soll im Folgenden das Zusammenspiel dieser Regelungen dargestellt werden. Rechtsätze des SGB V zur Unterversorgung werden ergänzt durch die Ärzte-ZV, die Bedarfsplanungs-RL des GBA sowie die zwischen dem Spitzenverband Bund und der KBV geschlossenen Bundesmantelverträge.

3. Kap.: Regelungen mit Unterversorgung 

91

A. Unterversorgung im SGB V § 100 SGB V ist die zentrale Vorschrift des SGB V im Hinblick auf die Unterversorgung. Dabei hat sie einen eher technischen Anstrich. Sie behandelt in erster Linie Zuständigkeitsfragen und Abläufe bei der Bekämpfung der (drohenden) Unterversorgung, weniger hingegen die möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterversorgung. Das Gesetz selbst bietet dem Rechtsanwender keine Legaldefinition des Begriffs der Unterversorgung; dies hat der GBA im Rahmen der BedarfsplanungsRL (§§ 28 f.) übernommen.166 § 100 Abs. 1 SGB V trifft vielmehr eine Zuständigkeitsverteilung: Der Landesausschuss gem. § 90 SGB V hat die Feststellung zu treffen, dass innerhalb eines Zulassungsbezirks Unterversorgung eingetreten ist oder einzutreten droht. Er hat der zuständigen KV eine angemessene Frist zur Beseitigung oder Abwendung der Unterversorgung einzuräumen. § 105 Abs. 1 SGB V konkretisiert die den KV möglichen Maßnahmen und bezieht ausdrücklich finanzielle Anreize, auch die Zahlung von Sicherstellungszuschlägen für die betroffenen Gebiete in den Kreis der ergreifbaren Maßnahmen ein, § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V.167 § 100 Abs. 2 SGB V verpflichtet die Landesausschüsse bei anhaltender Unterversorgung, Zulassungsbeschränkungen in anderen Gebieten nach der Zu­ lassungsverordnung anzuordnen. Diese Anordnung entfaltet eine bindende Wirkung für die Zulassungsausschüsse, die keine weiteren Mediziner mehr in den gesperrten Gebieten zulassen dürfen. Die Zulassungsausschüsse sind zwar anzuhören, § 100 Abs. 2 SGB V. Ein Benehmen zwischen Zulassungsausschuss und Landesausschuss wird hingegen nicht verlangt, vielmehr entscheidet der Landesausschuss verbindlich. § 100 Abs. 3 SGB V ermöglicht eine Ausweitung der Sicherstellungsmaß­ nahmen gem. § 105 SGB V für die Planungsbereiche, die zwar rechnerisch regulär versorgt sind, in denen jedoch ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf besteht.168 Es handelt sich somit um bestimmte Regionen innerhalb eines Planungsbereichs, die unterversorgt sind, der Planungsbereich insgesamt jedoch keine Unterversorgung aufweist. Für diese Regionen soll die Unterversorgung

166 Dazu

oben, Teil 1, Kap. 2. ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Reichweite des § 105 Abs. 1 SGB V nach dem Wortlaut der Norm nicht allein in der Bekämpfung der Unterversorgung erschöpft. Vielmehr ist die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung allgemein Gegenstand dieser Regelung. Die Ermächtigung des § 105 Abs. 1 SGB V zu Maßnahmen der KV bezieht sich deshalb nicht allein auf Maßnahmen zur Beseitigung oder Abwendung von Unterversorgung, sondern greift auch dann ein, wenn keine Unterversorgung zu verzeichnen ist. 168 Vgl. Sproll, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 100 SGB V, Rn. 18. 167 Es

92

Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

festgestellt und die Sicherstellungsmaßnahmen örtlich begrenzt angewendet werden können.169 § 104 SGB V verweist für das Verfahren der Zulassungsbeschränkungen auf die Zulassungsverordnungen. Diese bestimmen, unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang und für welche Dauer Beschränkungen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten Zulassungsbeschränkungen in regulär versorgten Gebieten zulässig sind, soweit andere Maßnahmen nicht erfolgreich waren. Dabei können die Zulassungsverordnungen Härtefallregelungen vorsehen und die Reichweite der Bindung der Zulassungsausschüsse an die Entscheidung des Landesausschusses regeln, § 104 Abs.  1 SGB V. B. ÄrzteZV als § 100 Abs. 1, 2 SGB V konkretisierendes Recht Die Verordnungsermächtigung der §§ 98, 104 Abs. 1 SGB V ist Grundlage für die Regelungen der Ärzte-ZV über die Unterversorgung und das Verfahren zur Behebung der Unterversorgung gem. § 16 Abs. 2–4 Ärzte-ZV.170 Für die Abwehr bzw. Beseitigung der (drohenden) Unterversorgung sind ausweislich der Systematik der Ärzte-ZV171 die §§ 15, 16 Ärzte-ZV relevant.172 169 Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 100, Rn. 4. Auf den zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf wird im Weiteren nicht explizit eingegangen, die Erkenntnisse über die Unterversorgung und ihrer Bekämpfung gem. § 105 SGB V sind aber auch auf den zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf anwendbar. 170 Vgl. zur Verordnungsermächtigung des § 104 Abs. 1 SGB V Kaltenborn, in: Becker/ Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 104, Rn. 1. 171 Die §§ 15 f. Ärzte-ZV stehen im IV. Abschnitt der Ärzte-ZV unter der Überschrift „Unterversorgung“. 172 § 15 Ärzte-ZV hat folgenden Wortlaut: Weist der Bedarfsplan einen Bedarf an Vertragsärzten für einen bestimmten Versorgungsbereich aus und werden über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten Vertragsarztsitze dort nicht besetzt, so hat die Kassenärztliche Vereinigung spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums Vertragsarztsitze in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern auszuschreiben. § 16 Ärzte-ZV hat folgenden Wortlaut: (1) Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat von Amts wegen zu prüfen, ob in einem Planungsbereich eine ärztliche Unterversorgung besteht oder droht. Die Prüfung ist nach den tatsächlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Zieles der Sicherstellung und auf der Grundlage des Bedarfsplans vorzunehmen; die in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Beurteilung einer Unterversorgung vorge­ sehenen einheitlichen und vergleichbaren Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren sind zu berücksichtigen. (2) Stellt der Landesausschuß eine bestehende oder in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung fest, so hat er der Kassenärztlichen Vereinigung aufzugeben, binnen einer von ihm zu bestimmenden angemessenen Frist die Unterversorgung zu beseitigen. Der Landesausschuß kann bestimmte Maßnahmen empfehlen. (3) Dauert die bestehende oder in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung auch nach Ablauf der Frist an, hat der Landesausschuß festzustellen, ob die in § 100 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestimmten Voraussetzungen für Zulassungsbeschränkungen gegeben sind und zur Beseitigung der bestehenden oder in absehbarer Zeit drohenden Unterversorgung mit verbindlicher Wirkung für einen oder mehrere Zulassungsausschüsse Zu-

3. Kap.: Regelungen mit Unterversorgung 

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§§ 15 und 16 Ärzte-ZV haben unterschiedliche Ansatzpunkte. Während sich § 15 Ärzte-ZV an die KV wendet und die Ausschreibung des Bedarfs an Vertragsärzten binnen Halbjahresfrist vorschreibt, konkretisiert § 16 Ärzte-ZV das Verfahren für die Feststellung und Beseitigung der Unterversorgung. Der Begriff der Unterversorgung wird durch die Ärzte-ZV nicht definiert. § 15 Ärzte-ZV steht zwar unter dem Titel der Unterversorgung, jedoch ist die Unterversorgung kein Tatbestandsmerkmal der Norm. Vielmehr sind die KV unabhängig vom Vorliegen einer Unterversorgung dazu verpflichtet, die Vertragsarztstellen öffentlich auszuschreiben, die im Bedarfsplan ausgewiesen sind und die über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht besetzt werden.173 § 15 Ärzte-ZV regelt deshalb in erster Linie die Abwehr eines Versorgungsdefizits und ist somit den Regelungen über die Abwehr und Beseitigung der Unterversorgung i. e. S. vorgelagert. Den KV wird aufgegeben, unabhängig von der Feststellung einer (drohenden) Unterversorgung die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Versorgungslücken zu schließen bzw. zu vermeiden. Dadurch soll eine Versorgungslage vermieden werden, die sich zu einer Unterversorgung ausweiten könnte. § 16 Ärzte-ZV konkretisiert insbesondere § 100 Abs. 1, 2 SGB V. Demnach hat der Landesausschuss von Amts wegen zu prüfen, ob in einem Planungs­ bereich eine Unterversorgung besteht oder droht. Die Prüfung ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse auf Grundlage des Bedarfsplanes vorzunehmen, wobei das Ziel der Sicherstellung zu berücksichtigen ist, § 16 Abs. 1 S. 2, HS 1 ÄrzteZV. Zugrunde zu legen sind die einheitlichen und vergleichbaren Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren, die in §§ 27 ff. Bedarfsplanungs-RL aufgeführt sind, § 16 Abs. 1 S. 2, HS 2 Ärzte-ZV. Stellt der Landesausschuss auf dieser Grundlage eine (drohende) Unterversorgung fest, so hat er den KV aufzugeben, die Unterversorgung innerhalb einer vom Landesausschuss zu bestimmenden angemessenen lassungsbeschränkungen anzuordnen. Die betroffenen Zulassungsausschüsse sind vor der Anordnung zu hören. (4) Für die Dauer der bestehenden oder in absehbarer Zeit drohenden Unterversorgung sind als Beschränkungen zulässig: a) Ablehnung von Zulassungen in Gebieten von Zulassungsbezirken, die außerhalb der vom Landesausschuß als unterversorgt festgestellten Gebiete liegen; b) Ablehnung von Zulassungen für bestimmte Arztgruppen in den in Buchstabe a bezeichneten Gebieten. (5) Der Zulassungsausschuß kann im Einzelfall eine Ausnahme von einer Zulassungsbeschränkung zulassen, wenn die Ablehnung der Zulassung für den Arzt eine unbillige Härte bedeuten würde. (6) Der Landesausschuß hat spätestens nach jeweils sechs Monaten zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen fortbestehen. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. (7) Die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen ist in den für amtliche Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen. 173 Die Ausschreibung soll dabei in den für die amtlichen Bekanntmachungen der KV vor­ gesehenen Blättern erfolgen.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Frist zu beseitigen, § 16 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV. Dazu kann der Landesausschuss bestimmte Maßnahmen empfehlen, § 16 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV. § 16 Abs. 3–7 Ärzte-ZV regelt die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen detailliert. Die Landesausschüsse haben bei bestehender oder drohender Unterversorgung zu prüfen, ob die in § 100 Abs. 2 SGB V genannten Voraussetzungen für Zulassungsbeschränkungen vorliegen. Ist dies der Fall, so hat der Landesausschuss nach Anhörung der betroffenen Zulassungsausschüsse Zulassungs­ beschränkungen mit verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse anzuordnen, § 16 Abs. 3 Ärzte-ZV. Gem. § 16 Abs. 4 Ärzte-ZV sind für die Dauer der (drohenden) Unterversorgung folgende Beschränkungen zulässig: die Ablehnung von Zulassungen in Gebieten von Zulassungsbezirken, die außerhalb der unterversorgten Gebieten liegen sowie die Ablehnung von Zulassungen für bestimmte Arztgruppen in Gebieten von Zulassungsbezirken, die außerhalb der unterversorgten Gebiete liegen. Während die erste Alternative den Landesausschüssen gestattet, die regulär versorgten Zulassungsbezirke außerhalb des von (drohender) Unterversorgung betroffenen Gebietes für alle Vertragsarztgruppen zu sperren, ermöglicht die zweite Alternative eine Differenzierung nach den betroffenen Arztgruppen.174 Wenn die (drohende) Unterversorgung nur für eine bestimmte Facharztgruppe zu verzeichnen ist, besteht kein Anlass, die regulär versorgten Gebiete auch für die anderen Arztgruppen zu sperren. Die Zulassungsbeschränkungen sind jedoch nicht zwingend anzuordnen, vielmehr kann der Landesausschuss im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn die Ablehnung der Zulassung für einen Arzt eine unbillige Härte darstellen würde, § 16 Abs. 5 Ärzte-ZV. Der Landesausschuss hat regelmäßig spätestens alle sechs Monate zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Zulassungsbeschränkungen noch vorliegen. Dazu sind die betroffenen Zulassungsausschüsse zu hören, § 16 Abs. 6 Ärzte-ZV. Die Ärzte-ZV regelt zwar nicht, welche Rechtsfolge der Wegfall der Voraussetzungen für die Anordnung der Zulassungsbeschränkungen nach sich zieht. Allerdings ist die regelmäßige Prüfpflicht dahingehend zu verstehen, dass bei Wegfall der Voraussetzungen die Zulassungsbeschränkungen aufgehoben werden müssen. Die Pflicht zu einer regelmäßigen Überprüfung der Voraussetzung von Zulassungsbeschränkungen wäre überflüssig, wenn sich daran nicht die Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen anschließen würde. Dies wird gestützt durch § 16 Abs. 7 Ärzte-ZV, der die Landesausschüsse verpflichtet, die Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen in den für amtliche Bekanntmachungen der KV vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen. Da sich diese Pflicht gesetzessystematisch direkt an die Pflicht zur regelmäßigen Prüfung anschließt, ist davon auszugehen, dass der Wegfall der Voraussetzungen der Zulassungsbeschränkungen dazu führt, dass die Zulassungsbeschränkungen aufzuheben sind. 174 Zur Rechtmäßigkeit des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV im Hinblick auf die mögliche Anordnung von Zulassungssperren bei bloß drohender Unterversorgung vgl. unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. c) cc).

3. Kap.: Regelungen mit Unterversorgung 

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Außerdem regelt § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV die Zulässigkeit von Zweigpraxen. Diese sind eine Möglichkeit, die Unterversorgung der Versicherten abzuwehren.175 Hinzuweisen ist zudem auf §§ 31 f. Ärzte-ZV, die die Ermächtigung von Ärzten regeln, wenn dies für die Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung erforderlich ist. § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV lässt die Ermächtigung von geeigneten Ärzten bzw. in besonderen Fällen von ärztlich geleiteten Einrichtungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu, sofern dies erforderlich ist, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden. Die Ermächtigung ist somit ein Instrument zur Sicherstellung der ausreichenden, flächendeckenden Versorgung.176

B. Bedarfsplanungs-RL: Konkretisierung des Feststellungsverfahrens Der Mehrwert der Bedarfsplanungs-RL177 gegenüber dem SGB V und der ­ rzte-ZV im Hinblick auf die Unterversorgung besteht in erster Linie darin, dass Ä sie die Maßstäbe für die Bedarfsplanung aufstellt, die gem. § 99 Abs. 1 S. 1 SGB V bei der Erstellung des Bedarfsplans zu beachten sind. Jedoch können die KV gem. § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V von der Richtlinie abweichen, soweit dies zur Berücksichtigung der regionalen Demographie und Morbidität für eine bedarfsgerechte Versorgung erforderlich ist. Des Weiteren gibt die Bedarfsplanungs-RL eine Definition der (drohenden) Unterversorgung sowie eine Vermutungsregelung, die hinreichend praxistauglich ist. Eine Unterversorgung liegt vor, wenn in bestimmten Bereichen Vertragsarztsitze, die im Bedarfsplan für eine bedarfsgerechte Versorgung vorgesehen sind, nicht nur vorübergehend nicht besetzt werden können und dadurch eine unzumutbare Erschwernis in der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen eintritt, die nicht durch die Einbeziehung von Ärzten/ärztlich geleiteten Einrichtungen via Ermächtigung beseitigt werden kann, § 28 Bedarfs­ planungs-RL. Gem. § 29 Bedarfsplanungs-RL ist eine Unterversorgung zu vermuten, wenn der ausgewiesene Bedarf an Hausärzten um 25 % und der ausgewiesene Bedarf an Fachärzten um 50 % unterschritten wird. Die Definition des § 28 Bedarfsplanungs-RL ist insofern bemerkenswert, als zumindest die dort angesprochene Ermächtigung von ärztlich geleiteten Einrichtungen (gem. § 116a SGB V) gerade voraussetzt, dass die Unterversorgung festgestellt wurde. Auch die Ermächtigung von Krankenhausärzten setzt einen quantitativen Bedarf und somit ein Versorgungsdefizit in der betroffenen Region voraus.178 Dies führt zu Friktionen innerhalb des Gesundheitsrechts: Während 175 Dazu

vertiefend unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. h) cc). vertiefend unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. d) e). 177 Zur Wirksamkeit der Bedarfsplanungs-RL vgl. BSGE 82, 41 (42 ff.). 178 Dazu unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. d) aa). 176 Dazu

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

§ 28  Bedarfsplanungs-RL die Ermächtigung (und ihre Erfolglosigkeit) als Voraussetzung für das Vorliegen der Unterversorgung begreift, verlangt das SGB V zumindest in § 116a SGB V ausdrücklich die bestehende Unterversorgung und sieht die Ermächtigung von Krankenhäusern als ein Instrument zur Beseitigung derselben an. Da ein Instrument nicht Voraussetzung für das Bestehen einer Unterversorgung sein und gleichzeitig das Bestehen einer Unterversorgung voraussetzen kann, liegt ein sozialrechtliches Paradoxon vor. Aufgrund der höherrangigen Regelung des § 116a SGB V179 ist dieses Paradoxon dahingehend aufzulösen, dass die Unterversorgung allein voraussetzt, dass die Behinderungen der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen nicht durch die Ermächtigung von Krankenhausärzten (gem. § 116 SGB V) beseitigt werden können. Die Ermächtigung von Krankenhäusern hingegen kann kein Kriterium für die Definition des Begriffs der Unterversorgung sein. Zu beachten ist zudem, dass § 8a Bedarfsplanungs-RL den Demographiefaktor berücksichtigt. In einem Planungsbereich, der nach den Verhältniszahlen regulär versorgt ist, kann aufgrund demographischer Besonderheiten dennoch eine quantitative Unterversorgung vorliegen, etwa weil ungewöhnlich viele ältere Menschen mit einem erhöhten Versorgungsbedarf in dem Planungsbereich leben.180 Die Definition der Unterversorgung bzw. die Vermutungsregelung erhält über § 16 Abs. 1 Ärzte-ZV Gewicht für die Beurteilung der Versorgungslage durch die Landesausschüsse. Diese haben demnach die in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Beurteilung einer Unterversorgung vorgesehenen einheitlichen Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren zu berücksichtigen, wenn die Überprüfung eines Planungsbereichs im Hinblick auf Unterversorgung erfolgt, § 16 Abs. 1 Ärzte-ZV. Die einheitlichen Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren zur Beurteilung der Versorgungslage sind in den §§ 27 ff. Bedarfsplanungs-RL niedergelegt. Die Definition und die Vermutungsregelung der Bedarfsplanungs-RL erhalten somit über § 16 Abs. 1 Ärzte-ZV Geltungskraft für die Beurteilung der Landesausschüsse. Indem das Gesundheitsrecht durch eine stufenweise Regelung der Unterversorgung geprägt ist (§§ 100, 98 SGB V, §§ 15 f. ÄrzteZV, §§ 27 ff.  Bedarfsplanungs-RL), kann von einem Kaskadensystem gesprochen werden,181 wenn es um die Feststellung und Beseitigung von (drohender) Unterversorgung geht.

179 Vgl. zum Rechtscharakter der Richtlinien des GBA sowie zu ihrem Rang Knittel, in: Krauskopf, Gesetzliche Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 92 SGB V, Rn. 8 ff. 180 Vgl. Kaltenborn/Völger, GesR 2012, 129 (130). 181 Es ergeben sich strukturelle Ähnlichkeiten zum Kaskadensystem des Vergaberechts (§§ 97 ff.  GWB; §§ 4 ff.  VgV, VOA/VOB/VOF), vgl. dazu Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und Freiheit der Leistungserbringer, S. 73 (80 f.); Lux, JuS 2006, 969 (970); Vollmöller, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6, Rn. 8; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 9, Rn. 6.

3. Kap.: Regelungen mit Unterversorgung 

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C. Bundesmantelvertrag182 Der Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) wird zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der KBV abgeschlossen. Er enthält Vorschriften über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, den Betrieb von Praxen und Zweigpraxen, das Angebot von Sprechstunden, die Verordnung von Arzneimitteln, die Berichtigung von Honoraransprüchen sowie die Verantwortung der Vertragsärzte für von ihnen verursachte Schäden.183 Der BMV-Ä sieht an einzelnen Stellen Instrumente vor, die die ausreichende Versorgung der Versicherten mit ärztlichen Leistungen sicherstellen sollen. So regelt § 5 Abs. 1 BMV-Ä Teil A,184 dass die Zulassungsausschüsse über die Ermächtigungstatbestände des § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV185 hinaus auch dann geeignete Ärzte bzw. ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter Leistungen ermächtigen können, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist. Da § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV die Ermächtigung zur Beseitigung bzw. Abwendung der (drohenden) Unterversorgung vorsieht und § 5 Abs. 1 BMV-Ä Teil A die Ermächtigung gerade für andere, weitergehende Fälle regelt, kann die Ermächtigung im BMV-Ä nicht dazu dienen, die Unterversorgung zu beseitigen bzw. eine drohende Unterversorgung abzuwenden. Die Regelung des BMV-Ä186 stützt sich dabei auf § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV. Daraus ergibt sich, dass § 5 Abs. 1 BMV-Ä Teil A keine Regelungen im Zusammenhang mit der Unterversorgung trifft, sondern allein die Sicherstellung ärzt­ licher Maßnahmen zum Gegenstand hat, die über die Abwehr von Unterversorgung hinausgehen. Allerdings enthält § 7 Abs. 1 BMV-Ä Teil A187 die Möglichkeit, Fachwissenschaftler der Medizin unter engen Voraussetzungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen, wenn dies erforderlich ist, um die ausreichende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Zudem regelt der BMV-Ä die 182 Der Bundesmantelvertrag besteht aus zwei Teilen: Teil A ist der Vertrag zwischen KBV und den AOK. Teil B enthält die Vereinbarungen zwischen KBV und Ersatzkassen. 183 Vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 13, Rn. 1. 184 Die Norm hat folgenden Wortlaut: Die Zulassungsausschüsse können über die Ermächtigungstatbestände des § 31 Absatz 1 ÄrzteZV hinaus gemäß § 31 Absatz 2 Ärzte-ZV geeignete Ärzte und in Ausnahmefällen ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen auf der Grundlage des EBM ermächtigen, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist. 185 § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV erlaubt die Ermächtigung von geeigneten Ärzten bzw. ärztlich geleiteten Einrichtungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, wenn dies erforderlich ist, a) um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden oder b) einen begrenzten Personenkreis zu versorgen, bspw. Rehabilitanden in speziellen Einrichtungen. 186 Eine wortlautidentische Regelung trifft § 9 Abs. 1 Bundesmantelvertrag Teil B. 187 Eine wortlautidentische Regelung trifft § 11 Abs. 1 Bundesmantelvertrag Teil B.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Zulässigkeit von Zweigpraxen, indem er ein Genehmigungserfordernis aufstellt.188 Die Eröffnung von Zweigpraxen ist eine Möglichkeit, die Unterversorgung zumindest abzumildern. Der BMV-Ä macht damit nur im begrenzten Umfang Aussagen über die Unterversorgung und ergänzt die übrigen Regelungen nur in einzelnen Punkten.

D. Zusammenfassung Das System des Sozialrechts ist im Hinblick auf die Feststellung und Beseitigung bzw. Abwendung (unmittelbar drohender) Unterversorgung zusammenfassend wie folgt zu beschreiben: § 100 Abs. 1 SGB V verpflichtet die Landesausschüsse dazu, die (unmittelbar drohende) Unterversorgung festzustellen und den KV die Aufgabe zu übertragen, diese innerhalb einer angemessenen Frist abzuwenden bzw. zu beseitigen. Haben die Maßnahmen der KV keinen Erfolg, hat der Landesausschuss im Falle der Unterversorgung Zulassungssperren in regulär versorgten Gebieten zu verhängen, § 100 Abs. 2 SGB V. Die Feststellung der Unterversorgung hat gem. der auf Grundlage der §§ 98, 104 Abs. 1 SGB V erlassenen Ärzte-ZV aufgrund einheitlicher Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren zu erfolgen, § 16 Abs. 1 Ärzte-ZV. Diese einheitlichen Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren sind in der Bedarfsplanungs-RL festgelegt, werden auf diese Weise der Entscheidung der Landesausschüsse zugrunde gelegt und sind somit von ihnen zu beachten. Darüber hinaus regeln §§ 15, 16 Ärzte-ZV Näheres zur Beseitigung bzw. Abwendung der (drohenden) Unterversorgung. Der Bundesmantelvertrag geht über die genannten Regelungen kaum hinaus und hält sich im Hinblick auf die Beseitigung der Unterversorgung zurück.

4. Kapitel

Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung Die öffentliche Hand ist verpflichtet, die vertragsärztliche Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Das vierte Kapitel beschäftigt sich damit, wie die Verantwortung für die Sicherstellung verteilt ist und mit welchen Instrumenten sie gewährleistet werden soll.

188 Vgl.

jeweils § 1a Nr. 19 der Bundesmantelverträge Teil A und B.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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A. Die Wirkungsweise des Leistungserbringerrechts und die Akteure der Gesundheitsversorgung Zunächst wird das System der Leistungserbringung nach dem SGB V umrissen, um seine Wirkungsweise zu verdeutlichen. I. Sachleistungs- und Dienstleistungsprinzip als Charakteristikum der Gesundheitsversorgung Die Sicherstellung der gesamten Gesundheitsversorgung erfolgt durch ein zu einem erheblichen Teil aus der unmittelbaren staatlichen Sphäre ausgegliedertes Gesundheitssystem, das der gemeinsamen Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV) die Aufgabe zuweist, die Versicherungsleistungen selbst (in Natur)189 zur Verfügung zu stellen und nicht bloß die anfallenden Behandlungskosten zu übernehmen. Auf diese Weise entstehen Verhältnisse zwischen Krankenkassen und Versicherten (Versicherungsverhältnis), Krankenkassen und Leistungserbringern (Leistungserbringungsverhältnis) sowie Leistungserbringern und Versicherten (Behandlungsverhältnis).190 Die Verpflichtung der Krankenkassen, die Leistungen selbst zur Verfügung zu stellen, wird (missverständlich) als Sachleistungsprinzip bezeichnet.191 Der Begriff der Sachleistung ist dabei umfassend zu verstehen und bezieht sich nicht allein auf gegenständliche Leistungen, etwa von Hilfsmitteln, sondern erfasst auch Dienstleistungen wie etwa die ärztliche Behandlung.192 Der Versicherte muss die erforderlichen Kosten nicht vorschießen und wird nicht mit dem Risiko der Rückerstattung belastet.193 Der Anspruch des Versicherten auf Versorgung (als Gegenstand des Leistungsrechts) besteht gegenüber der Krankenkasse, §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 31 ff. i. V. m. § 2 Abs. 1, 2 SGB V. Die Krankenkassen leisten aber nicht selbst, sondern greifen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einen existierenden Gesundheitsmarkt zurück, §§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 70 Abs. 1, 72 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB V, und bedienen sich

189 Schmitt,

in: Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 28, Rn. 1. Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 119 f. 191 Vgl. knapp BVerfGE 11, (31); Schmidbauer, in: Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, § 3, Rn. 1 f.; Noftz, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 2, Rn. 4, 16. Krit. zum Sachleistungsprinzip und mit einem Plädoyer für das Kostenerstattungsprinzip Fischer, in: Blanke (Hrsg.), Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 139 (152 ff.); Eichenhofer, JZ 1999, 363 (364), bevorzugt den Begriff des unmittelbaren Dienstleistungsangebots der Krankenkassen; s. auch Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 121. 192 Vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 121 f. 193 Noftz, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 2, Rn. 4, 19. 190 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

der vorhandenen Leistungserbringer.194 Dies erfolgt durch Vertragsschluss mit den Leistungserbringern, vgl. §§ 69 ff. (insb. § 72 Abs. 2) SGB V.195 Die Leistungserbringer schließen jedoch in der Regel keine Individualverträge mit den Krankenkassen. Vielmehr werden die für die Vertragsärzte relevanten Vereinbarungen als Kollektivverträge zwischen den KV (bzw. KBV) und den Landesverbänden der Krankenkassen (bzw. dem Spitzenverband Bund) getroffen.196 Dabei ist zwischen Bundesmantelverträgen, die zwischen der KBV und dem Spitzenverband Bund geschlossen (§ 82 SGB V) und Gesamtverträgen, die zwischen den KV und den Landesverbänden der Krankenkassen verhandelt werden (§ 83 SGB V), zu unterscheiden.197 Die Leistungen des Gesundheitsmarktes werden den Krankenkassen erst durch eine normative Betrachtung zugeordnet.198 Eigenes medizinisches Personal weisen die Krankenkassen in der Regel nicht auf.199 Die Versicherten müssen sich die Leistungen nicht auf dem freien Markt selbst beschaffen und vorfinanzieren, sondern können auf ein großes Angebot zugelassener Leistungserbringer zurückgreifen.200 Dieser Rückgriff auf einen privaten Leistungserbringerstand ist Ursache für das zentrale Spannungsfeld des SGB V. Der gewährleistende Sozialstaat legt sich selbst die Verpflichtung auf, soziale Leistungen zu erbringen, auf diese Weise zur Grundrechtsverwirklichung der Versicherten beizutragen und freiheitsaktivierend tätig zu werden. Dazu bedient er sich Privater, deren Grundrechte er zu achten hat. Auf diese Weise entsteht eine innere Spannung des Gewährleistungsstaates, die aus der Grundrechtsgewährung einerseits und der Grundrechtswahrung andererseits resultiert.

194 Vgl. Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 319 f.; zu Ausnahmen vgl. Wasem, in: Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 3, Rn. 159; Schmidt am Busch, Die Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem, S. 209 ff. Das Gesundheitssystem lässt sich somit als Paradebeispiel des Gewährleistungsstaatsmodells begreifen, das zwischen Aufgabenqualifikation und Aufgabenwahrnehmung unterscheidet: Staatsaufgaben müssen nicht unmittelbar durch die Verwaltung wahrgenommen werden, vgl. dazu Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), 319 (324 f.); Knauff, DÖV 2009, 581 f. 195 Schmitt, in: Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 29, Rn. 4; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 12, Rn. 2; Scholz, in: Becker/ Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 2, Rn. 6. 196 Vgl. Engelmann, NZS 2000, 1 (4), Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheits­ reform, § 12, Rn. 1; Haverkate, VSSR 1999, 177 (178 f.). Allerdings besteht teilweise die Möglichkeit der Krankenkassen, Selektivverträge mit Leistungserbringern abzuschließen, vgl. etwa §§ 140 ff.  SGB V. 197 Weiterführend Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 13, Rn. 1 ff. 198 Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 121. 199 Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 119; vgl. zu den engen Ausnahmen bei Eigeneinrichtungen § 140 SGB V. 200 BSG MedR 2002, 47 (49); Schmidbauer, in: Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, § 3, Rn. 2.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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II. Akteure und gesetzliche Aufgabenverteilung bzgl. der Gesundheitsversorgung Indem das SGB V die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung auf die Krankenkassen überträgt, zugleich aber die Etablierung kasseneigener medizinischer Versorgungsstellen nur als Ausnahme gestattet, muss das SGB V bestimmten Stellen die Zuständigkeit für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung zu­ weisen, da diese durch private Leistungserbringer erfolgt. 1. Die Hauptakteure: Krankenkassen und KV Überblickt man das Vierte Kapitel des SGB V (Beziehungen der Kranken­kassen zu den Leistungserbringern), das das Leistungserbringungsrecht regelt, so treten für die vertragsärztliche Versorgung zwei Hauptakteure in den Vordergrund: die Krankenkassen (bzw. ihre Verbände) und die KV bzw. KBV.201 Deutlich wird dies bereits an prominenter Stelle des Vierten Kapitels. § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V verpflichtet Krankenkassen und Leistungserbringer, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. § 72 Abs. 1 SGB V konkretisiert dies für die vertragsärztliche Versorgung, indem die einzelnen Leistungserbringer aufgezählt werden. Die KV haben in § 75 Abs. 1 SGB V ihren ersten Auftritt; ihnen wird die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufgetragen. Das Verhältnis von KV und Krankenkassen bedarf einer näheren Untersuchung, um die Verteilung der Aufgaben im Hinblick auf die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufschlüsseln zu können. Dabei muss zwischen allgemeinem und speziellem Sicherstellungsauftrag differenziert werden.202 a) Allgemeiner Sicherstellungsauftrag, § 72 Abs. 1 SGB V Die grundsätzliche Regelung trifft § 70 SGB V. Demnach ist es Aufgabe von Krankenkassen und Leistungserbringern, eine bedarfsgerechte und gleich­mäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Der allgemeine Sicherstellungsauftrag203 gem. § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V gestaltet dies für die vertragsärztliche Versorgung näher aus und weist die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sämtlichen Protagonisten (Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Medizinischen 201 Zu

den KV vgl. Kluth, MedR 2003, 123 ff. dazu etwa Möschel, MedR 2003, 133 f. 203 Vgl. zum Inhalt des allgemeinen Sicherstellungsauftrags Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 72, Rn. 3; Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Rn. 316. 202 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Versorgungszentren, Krankenkassen) als gemeinsame Aufgabe zu. Diese haben bei der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zusammenzuwirken. Die KV treten gem. § 77 Abs. 1 SGB V für die Vertragsärzte in die Sicherstellungspflicht ein. Allerdings trifft die Vertragsärzte die Pflicht, die vertragsärztlichen Leistungen zu erbringen.204 § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V wird präzisiert durch § 72 Abs. 2 SGB V. Die vertragsärztliche Versorgung ist durch schriftliche Verträge zwischen den KV und den Verbänden der Krankenkassen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des GBA so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist. Die vertragsärztliche Versorgung wird in der Regel nicht individualvertraglich, sondern durch kollektiv-rechtliche Beziehungen zwischen den (Verbänden der) Krankenkassen und den KV ausgestaltet.205 § 73 Abs. 2 SGB V listet in einem Katalog die Gegenstände der vertragsärztlichen Versorgung auf.206 b) Besonderer Sicherstellungsauftrag, § 75 Abs. 1 SGB V § 75 Abs. 1 SGB V wälzt die Aufgabe der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten allein auf die KV über. Nur sie haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V festgelegten Umfang sicherzustellen und gegenüber den Krankenkassen und deren Verbänden die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Davon ist auch der Kassenärztliche Notdienst erfasst,

204 Wahl,

Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 225 f. in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 72, Rn. 3. 206 Die kassenärztliche Behandlung umfasst folgende Maßnahmen: 1. ärztliche Behandlung, 2. zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2, 2a. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht, 3. Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, 4. ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, 5. Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 6. Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen, 7. Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, 8. Verordnung häuslicher Krankenpflege, 9. Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen, 10. medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1, 11. ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b, 12. Verordnung von Soziotherapie. 205 Huster,

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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§ 75 Abs. 1 S. 2 SGB V.207 Sehen §§ 70, 72 Abs. 1, 2 SGB V somit die gemeinsame Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der Versicherten vor, so wird dies durch § 75 Abs. 1 SGB V konkretisiert. Die tatsächliche Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist Aufgabe der KV. Sie haben die Exekutivbefugnis bezüglich der Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Sicherstellungsauftrag wird dabei auf den ersten Blick nicht recht deutlich. Schneider zieht die Unterscheidung wie folgt: § 75 Abs. 1 SGB V als besonderer Sicherstellungsauftrag sei ein Mittel zur Herbeiführung und Aufrechterhaltung der vertragsärztlichen Versorgung.208 Der allgemeine Sicherstellungsauftrag des § 72 Abs. 1 SGB V setze diesen Zustand der sichergestellten vertragsärztlichen Versorgung voraus.209 § 75 Abs. 1 SGB V sei deshalb eine Generalklausel, die eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der KV unter Ausschluss der Krankenkassen aufstellt.210 Das leuchtet aber nicht ein. Denn bereits § 72 Abs. 2 SGB V formuliert Maßnahmen, die die vertragsärztliche Versorgung sicherstellen sollen.211 Diese kooperativen Maßnahmen sind von den KV gem. § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V zu beachten.212 Die Trennlinie zwischen allgemeinem und speziellem Sicherstellungsauftrag ist vielmehr im Hinblick auf die Adressaten und die inhaltliche Konkretisierung des Sicherstellungsauftrags zu ziehen. Richtet sich der allgemeine Sicherstellungsauftrag an die vertragsärztlichen Leistungserbringer und die Krankenkassen, so verpflichtet der spezielle Sicherstellungsauftrag die KV sowie die KBV. Anders als § 72 Abs. 1 SGB V setzt der spezielle Sicherstellungsauftrag voraus, dass die KV bzw. KBV existieren. Der Umfang des allgemeinen Sicherstellungsauftrags wird durch unbestimmte Rechtsbegriffe beschrieben und ist deshalb im hohen Maße konkretisierungsbedürftig. Der spezielle Sicherstellungsauftrag hingegen bezieht sich auf die in § 73 Abs. 2 SGB V aufgeführten Leistungsgegenstände und nimmt auch die gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse im Hinblick auf die vertragsärztliche Versorgung auf. Der spezielle Sicherstellungsauftrag ist deshalb erheblich präziser gefasst als der allgemeine Sicherstellungsauftrag. Das Verhältnis von allgemeinem und speziellem Sicherstellungsauftrag lässt sich deshalb folgendermaßen skizzieren: Der allgemeine Sicherstellungsauftrag beschreibt stark konkretisierungsbedürftig die Pflicht aller Beteiligten zur gemeinsamen Kooperation und ist deshalb die Grundlage für die Einbeziehung privater 207 Den gleichen Regelungsinhalt hat der Bundesmantelvertrag für Vertragsärzte, vgl. § 4 BMV-Ä Teil B. 208 Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Rn. 316; Töns, DOK 1977, 845 (849). 209 Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Rn. 316; Töns, DOK 1977, 845 (849). 210 Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Rn. 320, vgl. zur Kritik Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 224. 211 Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 223. 212 Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 223.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Leistungserbringer in die GKV. § 72 Abs. 2 SGB V gibt die allgemeine Zielsetzung für die Ausgestaltung dieses Sicherstellungsauftrags und stellt Kriterien auf, die bei der Ausgestaltung durch Verträge und Richtlinien des GBA beachtet werden müssen. Der spezielle Sicherstellungsauftrag knüpft dabei am allgemeinen Sicherstellungsauftrag an und konkretisiert die gesetzliche Kooperationspflicht von Leistungserbringern und Krankenkassen. Während § 72 Abs. 1 SGB V nur die Pflicht zur Kooperation festlegt und in § 72 Abs. 2 SGB V eine vertragliche Kooperation normiert, gestaltet § 75 Abs. 1 SGB V die Modalitäten der Zusammenarbeit näher aus. Erst der spezielle Sicherstellungsauftrag gibt hinreichend Auskunft über den Umfang der vertragsärztlichen Versorgung und die genaue Aufgabenverteilung. § 72 Abs. 1 SGB setzt den Zustand der sichergestellten vertragsärztlichen Ver­sorgung nicht voraus, sondern strebt ihn ebenso an wie der spezielle Sicherstellungsauftrag. Die Hauptfunktion des besonderen Sicherstellungsauftrags besteht darin, festzulegen, dass die Krankenkassen nicht beliebig mit einzelnen Ärzten Versorgungsverträge schließen können, sondern die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in erster Linie durch Kollektivverträge mit den KV bzw. der KBV erfolgt. Es ist weitestgehend ausgeschlossen, Sicherstellungspflichten individualvertraglich zu begründen, weil das Gesetz die Sicherstellungspflicht der KV und KBV festschreibt.213 Nur in gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen kommt eine selektivvertragliche Begründung von Sicherstellungspflichten in Betracht.214 Die Sicherstellung erfolgt durch den Abschluss gemeinsamer Verträge und die Vergütungsstrukturen, die das SGB V vorgibt. Die KV haben die ausschließliche Verantwortung nur für einzelne, gesetzlich ausdrücklich festgelegte Materien.215 Im Übrigen gilt der Grundsatz der Kooperation, wie sich aus verschiedenen Regelungen des SGB V ergibt. § 75 Abs. 1 SGB V normiert zudem ein grundlegendes Strukturprinzip der GKV. Durch den besonderen Sicherstellungsauftrag werden Versicherung und Versorgung getrennt.216 Die Krankenkassen sollen sich soweit wie möglich aus der unmittelbaren Versorgung der Versicherten heraushalten und dies den Leistungserbringern überlassen. Die Krankenkassen haben in erster Linie die Finanzierung des Krankheitsbedarfs der Versicherten zu gewährleisten.217 213 Wahl,

Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 224. (§§ 63–66 SGB V), Strukturmodelle bzw. hausarztzentrierte Versorgung (§§ 73a, b SGB V) und integrierte Versorgung (§§ 140 ff. SGB V); vgl. Möschel, MedR 2003, 133 (134). Zur Kritik der KBV an den Selektivverträgen vgl. Mihm, FAZ vom 13.01.2010, S. 9. Durch die Selektivverträge wird der Sicherstellungsauftrag für diesen Bereich von den KV auf die Krankenkassen übertragen, vgl. Kluth, MedR 2003, 123. 215 Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 223. 216 Vgl. Kirchhof, DVBl. 1982, 933 (935). 217 Kirchhof, DVBl. 1982, 933. 214 Modellvorhaben

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c) Aufgaben der Krankenkassen und ihrer Verbände Die Zuständigkeitsbereiche der Krankenkassen und ihrer Verbände umfassen insbesondere die Kooperation mit den anderen Akteuren. Die Kooperation lässt sich zum einen in eine vertragliche und zum anderen in eine institutionelle Zusammenarbeit der (Verbände der) Krankenkassen gemeinsam mit anderen Akteuren unterscheiden. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass sich der Anspruch der Versicherten auf vertragsärztliche Versorgung gegen die Krankenkassen richtet, § 2 Abs. 1, 2 SGB V. Diesem Anspruch kommen die Krankenkassen in erster Linie durch die Einbindung der Vertragsärzte in die Versorgung der Versicherten nach.218 Sie schließen die Bundesmantel- und die Gesamtverträge mit den KV/KBV, die die Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung regeln (insbesondere die Vergütung, §§ 82 Abs. 2, 83 SGB V)219 und setzen somit die Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche Versorgung. Die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden zudem mit den KV die Landesausschüsse gem. § 90 SGB V. Darüber hinaus bildet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam mit der KBV und der Deutschen Krankenhausgesellschaft den GBA gem. § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V. Dieser erlässt Richtlinien, die Regelungen zur Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung aufstellen.220 Diese Richtlinien haben den Zweck, die vertragsärztliche Versorgung zu sichern, § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V. § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V enthält einen nicht abschließenden Katalog mit Bereichen, die der GBA durch Richtlinien näher regeln kann.221 Zudem entrichten die Krankenkassen die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die KV, § 85 Abs. 1, 2 SGB V. Die Gesamtvergütung stellt die finanzielle Basis für die gesamte vertragsärztliche Versorgung und somit die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags dar, § 85  Abs. 1 SGB V. Die KV und einzelnen Leistungserbringer können keine über die Gesamtvergütung hinausgehenden Vergütungsansprüche aus der Erfüllung des Sicherstellungsauftrags gegenüber den 218 Daneben besteht noch die Möglichkeit der Kostenerstattung unter den Voraussetzungen des § 13 SGB V. 219 Des Weiteren sind die KV Partner bei den Arzneimittelvereinbarungen gem. § 84 Abs. 1 SGB V, die der wirtschaftlichen Verwendung von Arzneimitteln durch die Vertragsärzte dienen sollen, vgl. Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 84, Rn. 1 ff. Da diese Vereinbarungen in erster Linie der Kostendämpfung im Gesundheitswesen dienen und nicht primär auf die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung abzielen, wird auf diese Vereinbarung nicht weiter eingegangen. Vgl. vertiefend dazu Becker, Die Steuerung der Arzneimittelversorgung im Recht der GKV; Clemens, in: FS Küttner, S. 193 ff.; Sodan/Schlüter, NZS 2006, 455 ff. 220 Vgl. schon BT-Drucks. 1/3904, 17 zur kassenärztlichen Versorgung; Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 91, Rn. 2 f.; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8, Rn. 36. 221 Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 92, Rn. 2.

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Krankenkassen geltend machen.222 Die Gesamtvergütung stellt somit die finan­ zielle Komponente der Beziehungen zwischen Krankenkassen und KV zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung und neben den kooperativen Elementen (Bundesmantelvertrag, Gesamtvertrag, GBA, Landesausschüsse) den größten Anteil der Krankenkassen an der Erfüllung des ihnen zugewiesenen allgemeinen Sicherstellungsauftrags dar. d) Aufgaben der Kassenärztlichen (Bundes-)Vereinigung Die Hauptverantwortung für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung tragen die KV. Diese Aufgabenzuweisung findet Ausdruck in zahlreichen durch das SGB V geregelten Aufgaben der KV. Dazu zählt insbesondere, die den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und sie zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten, § 75 Abs. 2 S. 2, 3 SGB V. Sie können Dienstleistungsaufgaben gegenüber ihren Mitgliedern wahrnehmen, indem sie Dienstleistungsgesellschaften gründen, § 77a SGB V. Die KV/KBV sind zudem Vertragspartner der (Verbände der) Krankenkassen: Die KV schließen mit den Landesverbänden der Krankenkassen Gesamtverträge nach § 83 SGB V ab. Diese regeln die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten und insbesondere die Vergütung der Vertragsärzte, §§ 82 Abs. 2, 85 Abs. 1, 2 SGB V.223 Die KBV sind die Vertragspartner des Spitzenverbandes Bund beim Abschluss der Bundesmantelverträge, § 82 Abs. 1 SGB V.224 Eine weitere wesentliche Aufgabe der KV ist die Verteilung der Gesamtvergütung, die die Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die KV zahlen, § 85 Abs. 4 S. 1 SGB V. Die KV rechnen die vertragsärztlichen Leistungen mit den Leistungserbringern ab und vergüten sie.225 Die KV sitzen darüber hinaus an einer Schlüsselstelle des Zulassungsregimes für Vertragsärzte – sie führen das Arztregister. Ein Eintrag in das Arztregister ist Voraussetzung dafür, dass der Einzelne zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wird, § 95 Abs. 2 S. 1, 2 i. V. m. Abs. 1 SGB V. Über die Zulassung entscheidet der Zulassungsausschuss, der u. a. 222 Vgl. BSGE 19, 270 (272), Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 62; Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 15 (36 ff.). 223 Des Weiteren sind die KV Partner bei den Arzneimittelvereinbarungen gem. § 84 Abs. 1 SGB V, die der wirtschaftlichen Verwendung von Arzneimitteln durch die Vertragsärzte dienen sollen, vgl. Axer, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 84, Rn. 1 ff. Da diese Vereinbarungen in erster Linie der Kostendämpfung im Gesundheitswesen dienen und nicht primär auf die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung abzielen, wird auf diese Vereinbarung nicht weiter eingegangen. Vgl. vertiefend dazu Becker, Die Steuerung der Arzneimittelversorgung im Recht der GKV; Clemens, in: FS Küttner, S. 193 ff.; Sodan/Schlüter, NZS 2007, 455 ff. 224 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8, Rn. 22. 225 Vgl. vertiefend Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 62 ff.

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aus Vertretern der KV gebildet wird. Diese Schlüsselposition wird durch die Kompetenzen der KV im Bereich der Bedarfsplanung verstärkt. Sie haben auf dem Wege der Kooperation mit verschiedenen anderen Akteuren die Bedarfspläne zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und den Entwicklungen anzupassen, § 99 Abs. 1 SGB V. Diese Bedarfspläne sind die Richtschnur für die weitere Zulassungspraxis. Sie geben den Bedarf an Vertragsärzten wieder und sind deshalb Grundlage für die weiteren Maßnahmen der Bedarfsplanung, insbesondere um Unter- und Überversorgung zu vermeiden bzw. zu beseitigen. Durch die Beteiligung der KV an der Aufstellung der Bedarfspläne legen auch die KV die verfügbaren Stellen im Hinblick auf die Bedarfsplanung bereits fest und haben somit eine Schlüsselrolle in der Bedarfsplanung und der Zulassungspraxis. Das Gesetz verleiht ihnen zudem die primäre Verantwortung für die Beseitigung bzw. Verhinderung von Unterversorgung. Die KV haben die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um eine unmittelbar drohende oder bereits eingetretene Unterversorgung abzuwenden bzw. zu vermeiden, §§ 100 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB V. Sie sind somit die maßgebenden Aufgabenträger für die Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung. 2. Weitere Akteure Krankenkassen und KV/KBV sind zwar die Hauptakteure, jedoch nicht die einzigen Protagonisten im Bereich der Sicherstellung der (flächendeckenden) vertragsärztlichen Versorgung. Das SGB V weist nämlich den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen sowie den Zulassungsausschüssen bestimmte Aufgaben im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu. Diese beziehen sich auf die Bedarfs­planung. a) Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen sind Rechtssubjekte mit Teilrechtsfähigkeit226 und werden nach § 90 Abs. 1 SGB V aus den KV und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen für den Bereich jedes Landes227 gebildet. Sie werden gesetzlich als Einrichtungen der genannten Träger errichtet.228 Die Aufgaben der Landesausschüsse bestimmen sich nach dem SGB V. Die Landesausschüsse haben Kompetenzen im Rahmen der Bedarfsplanung (§ 99 Abs. 2, 3 SGB V), bei der Feststellung der Über- und Unterversor 226 Vgl. Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 90, Rn. 12; allg. Müller, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. 1, § 34, Rn. 1 f. 227 In Nordrhein-Westfalen existieren – historisch bedingt – zwei Landesausschüsse, vgl. dazu Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 90, Rn. 3. 228 Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 90, Rn. 2.

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gung und der Anordnung entsprechender Zulassungsbeschränkungen (§§ 100, 103 SGB V).229 Sie beraten die Bedarfspläne nach § 99 Abs. 1 SGB V und entscheiden im Falle, dass sich KV und Krankenkassen nicht einvernehmlich auf einen Bedarfsplan einigen können. Ihnen obliegt die Feststellung, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit einzutreten droht, § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V. Sie haben weiterhin die Aufgabe, den KV eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb derer die Unterversorgung behoben bzw. abgewendet werden soll, § 100 Abs. 1 S. 2 SGB V. b) Zulassungsausschüsse Gem. § 96 Abs. 1 SGB V bilden die KV, die Landesverbände der Kranken­kassen sowie die Ersatzkassen für jeden Zulassungsbezirk jeweils einen Zulassungsausschuss für Ärzte und Zahnärzte. Diese haben die Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen zur Aufgabe, § 96 Abs. 1 SGB V. Dazu gehören alle Aufgaben, die den Zulassungsausschüssen zur Entscheidung zugewiesen sind, also insbesondere die Entscheidungen über die Zulassung, die Ermächtigung, das Ruhen, den Entzug und das Ende der Zulassung gem. § 95 SGB V.230 Darüber hinaus sind die Zulassungsausschüsse zuständig für die Entscheidungen über die Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit (§ 33 Abs. 2 Ärzte-ZV).231 c) Gemeinsamer Bundesausschuss Der GBA wird aus den KBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildet, § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V. Der GBA ist das zentrale Gremium im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Leistungsanspruchs der Versicherten und somit auch für den Umfang der vertragsärztlichen Versorgungsleistung. Er erlässt gem. § 92 SGB V Richtlinien über die vertragsärztliche Versorgung und trifft Einzelregelungen insb. für die Versorgung mit Heil-, Hilfs- und Arzneimitteln.232 Die Richtlinien sollen die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung konkretisieren und damit Standards für die Gesundheitsversorgung setzen.233 Ziel der Richtlinien ist es, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu gewähren, § 92 Abs. 1 SGB V.234 Aus § 92 Abs. 1 SGB V ergibt 229 Schmidt-De

Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 90, Rn. 11. in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 96, Rn. 2. 231 Joussen, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 96, Rn. 2. 232 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8, Rn. 36. 233 Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 92, Rn. 1. 234 Vgl. Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 313. 230 Joussen,

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sich deshalb in erster Linie, dass der GBA die Wirtschaftlichkeit der Gesundheits­ versorgung der Versicherten durch den Erlass von Richtlinien gewährleisten soll.235 Allerdings nennen eine Reihe anderer Normen weitere Zwecke der Richtliniensetzung durch den GBA. So sollen etwa gem. §§ 92 Abs. 2 Nr. 5, 135 Abs. 1 SGB V die Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungs­ methoden auch der Qualitätssicherung der Gesundheitsversorgung dienen.236 Für bestimmte Untersuchungen und Leistungen bei Krankheit regeln die Richt­ linien sogar den Leistungsanspruch unmittelbar, vgl. §§ 22 Abs. 5, 25 Abs. 4 S. 2, 26 Abs. 2, 27a Abs. 4 SGB V.237 Der GBA ist somit ein exekutives Normsetzungsorgan, wobei die Norm­setzung gerichtlich überprüfbar ist.238 Die Normsetzungskompetenz ist vom Gesetzgeber durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 91 Abs. 1 S. 2 SGB V) und die Verbindlichkeit der Beschlüsse des GBA für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Institutionen sowie für die Versicherten ausdrücklich vorgesehen.239 Dies wird vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation des GBA teilweise als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen, da zumindest die hin­ reichende Beteiligung der Versicherten stark angezweifelt wird.240 Jedoch soll hier auf die Diskussion nur verwiesen werden.241 III. Ergebnis Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist eine Kooperationsaufgabe von Krankenkassen (und ihren Verbänden) und den KV (bzw. KBV). Die Kooperation findet grundsätzlich auf zwei Wegen statt; zum einen durch Vertrags 235 So auch Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 318 f.; Frieß, Die Steuerungsinstrumente der Selbstverwaltung im SGB V, S. 80. 236 Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 319. 237 Vgl. Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 319. 238 Das BSG überprüft die Beschlüsse des GBA daraufhin, ob sie die Grenzen der gesetz­ lichen Ermächtigung einhalten, vgl. BSG SozR 4–2500 § 92 Nr. 5, Rn. 76 ff. 239 Vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8, Rn. 38. 240 So Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 92, Rn. 10. 241 Die Verfassungsmäßigkeit der Normsetzungskompetenz des GBA bejahend: Hauck, NZS 2010, 600 ff., Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 115 ff., 269 ff.; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 92, Rn. 4; Seeringer, Der Gemeinsame Bundesausschuss nach dem SGB V, S. 149 ff.; ablehnend etwa: LSG Niedersachsen-Bremen, NZS 2001, 32 ff.; Butzer/Kaltenborn, MedR 2001, 333 ff.; Hänlein, Rechtsquellen im Sozial­ versicherungsrecht, S. 454 ff.; Kingreen, NJW 2006, 877 (880); Sodan, NZS 2000, 581 ff.; Taupitz, MedR 2003, 7 (11); Wigge, NZS 2001, 578 (579); Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 94 f.; Rennert, JZ 2009, 976 (980); Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 92, Rn. 9 ff. (m. w. N.). Vgl zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch den Beitrag von Neumann, NZS 2010, 593 ff.

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schluss, zum anderen durch die Zusammenarbeit in gemeinsam gebildeten Gremien bzw. Ausschüssen. Die Hauptverantwortung liegt bei den KV, die die vertragsärztliche Tätigkeit überwachen und die Aufgabe haben, die reguläre Versorgung sicherzustellen. Die Krankenkassen (bzw. ihre Verbände) sind nur in zweiter Linie für direkte Maßnahmen im Hinblick auf die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig.

B. Die gesetzlichen Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung Die Gesundheitsversorgung wird in weiten Bereichen im Wege der funktio­nalen Selbstverwaltung durch die KV sichergestellt, § 75 Abs. 1 SGB V. Die tatsäch­ liche Leistungserbringung als öffentliche Aufgabe erfolgt durch Private und ist somit aus der staatlichen Sphäre ausgegliedert. Das SGB V muss deshalb Mechanismen vorsehen, die eine Fehlentwicklung der Versorgungslage beseitigen bzw. dieser vorbeugen können. Weil die öffentliche Hand – mit einer Vokabel des Privatisierungsrechts – die Aufgabenverantwortung242 für die Erfüllung der Aufgabe trifft, die unter Inanspruchnahme privater Leistungserbringer erfolgt, müssen Instrumente geschaffen werden, mit denen der Aufgabenverantwortung tatsächlich nachgekommen werden kann. Denn die privaten Leistungserbringer unterliegen hinsichtlich des Leistungsortes nicht der Weisung der öffentlichen Hand. Anders als beim Betrieb eines öffentlichen Gesundheitsdienstes kann der Staat die Ver­ teilung der Leistungserbringer im jetzigen System nicht dadurch erreichen, dass medizinische Versorgungseinheiten in irregulär versorgten Gebieten errichtet, bzw. Vertragsärzte in diese unterversorgten Gebiete versetzt werden. Da das Sachleistungsprinzip unter Rückgriff auf den Markt privater Leistungserbringer etabliert wurde, ergibt sich deshalb die Notwendigkeit, Steuerungsinstrumente zur Verfügung zu stellen, die die bedarfsgerechte Verteilung der Mediziner und Krankenhäuser durch Anreize sicherstellen können. Dabei ist es eine denknotwendige Möglichkeit dieses Regelungssystems, dass die Bemühungen scheitern. Denn da die Leistungserbringer bzgl. des Ortes der Leistungserbringung nicht positiv weisungsabhängig243 und die Gründe für die Mediziner, ihre Leistungen nicht in bestimmten Gebieten zu erbringen, vielfältig sind, beinhaltet eine „sanfte“ Lenkung keine Erfolgsgarantie. 242 Die Aufgabenverantwortung bezeichnet die Letztverantwortung eines Trägers einer öffentlichen Aufgabe dafür, dass die Aufgabe tatsächlich erfüllt wird, vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 8, Rn. 2. 243 Den Vertragsärzten ist es verwehrt, sich in überversorgten und gesperrten Planungs­ bereichen niederzulassen, vgl. § 103 Abs. 1, 2 SGB V. Das SGB V sieht jedoch keine Regelung vor, die den Ärzten vorschreibt, sich in bestimmten Gebieten niederzulassen und an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.

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I. Sicherstellung und freier Markt Dass über Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden Gesundheits­ versorgung überhaupt nachgedacht wird, muss zunächst vor dem Hintergrund eines liberalen Rechts- und Sozialstaatsverständnisses hinreichend begründet werden.244 Denn Sicherstellungsinstrumente können nach diesem Verständnis erst dann eingreifen, wenn das angestrebte Ziel der flächendeckenden Gesundheitsversorgung nicht durch marktinterne und marktmäßige Verteilung erreicht wird.245 Es ist somit der Begründungszwang angesprochen, der für staatliche246 (grundrechtsrelevante)247 Handlungen besteht. Betrachtet man das Gesundheitssystem als Markt, in dem die allgemeinen Marktregeln (Angebot und Nachfrage) zumindest im Grundsatz Geltung beanspruchen, so ist die gesellschaftliche bzw. marktinterne Lösung von marktbezogenen Fragen grundsätzlich gegenüber einer staatlichen Lösung vorrangig.248 Es liegt deshalb zunächst an den beteiligten Marktteilnehmern, Lösungen zu entwickeln, die die Probleme des Marktes zu beseitigen oder zu mildern vermögen. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund eines bloß wirtschaftspolitischen Verständnisses von Markt und Staatseingriff relevant. Denn auch verfassungsrechtlich ist die wirtschaftliche Betätigung in den privaten Bereich verlagert. Dies ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 sowie Art. 9 Abs. 3 GG und darüber hinaus aus dem Konzept des Steuerstaates.249 Eingriffe des Staates 244 Dieses vor allem in den USA vertretene Verständnis des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft soll hier als Kontrastfolie zum dominierenden wohlfahrtsstaatlichen Verständnis genutzt werden. Vgl. zu den unterschiedlichen Vorstellungen Eifert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 17 f.; zum wohlfahrtsstaatlichen Staats- und Gesellschaftsverständnis Stolleis, Konstitution und Intervention, S. 253 ff. 245 Vgl. etwa zur US-amerikanischen Liberalisierungs- und Regulierungsdebatte Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn.  17 ff. 246 Der Staat wird hier vor dem Hintergrund der kooperativen Strukturen innerhalb der GKV zwischen Krankenkassen und ihren Verbänden (als Vertreter der öffentlichen Hand) sowie den Leistungserbringern und ihren Verbänden als kooperierende Öffentlichkeit begriffen. Darüber hinaus ist der demokratisch legitimierte Gesetzgeber, der den normativen Steuerungsrahmen der Gesundheitsversorgung setzt, als Staat angesprochen. 247 Mit Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 50 f., 239 ff. ist darauf zu verweisen, dass die Vorgaben des GKV-Rechts nicht in erster Linie als Ermöglichung der beruflichen Tätigkeit der Leistungserbringer anzusehen sind, sondern als Beschränkung ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Berufsfreiheit. Vgl. zum parallelen Problem der ärztlichen Berufsordnungen, insb. der verbindlichen Richtlinien gem. § 13 MBO-Ärzte Bauer, Indikationserfordernis und ärztliche Therapiefreiheit: Berufsrechtlich festgelegte Indikationen als Einschränkungen ärztlicher Berufsfreiheit?, S. 13 ff. 248 Zur Begründung vgl. nur Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 31 ff. 249 Vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (16). Die viel beschworene sog. wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes (BVerfGE 50, 290 [238]) ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Da die Freiheit des Berufs und Eigentum garantiert sind und die Eigentumsgarantie die Verfügung über das Eigentum beinhaltet, liegt dem Grundgesetz die Vorstellung einer marktmäßig organisierten

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in den Markt, die die Modalitäten des wirtschaftlichen Prozesses oder die Ergebnisse desselben beeinflussen, stellen Abweichungen des „verfassungs­rechtlichen Normalzustandes“250 dar, die sich bei einer Grundrechtsbeeinträchtigung verfassungsrechtlich (gemäß dem Übermaßverbot) rechtfertigen und dem Vorbehalt des Gesetzes genügen müssen.251 Doch ist die Prämisse zu hinterfragen:252 Handelt es sich bei der GKV tatsächlich um einen nach den allgemeinen Regeln funktionierenden Markt?253 Ein freier Markt zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Marktteilnehmer im Wege der Verhandlung über das angebotene Gut und dessen Preis einigen können.254 Es ist nicht zu verkennen, dass zentrale Marktmechanismen (Angebots- und Preisbildung) der GKV nicht zwischen den Versicherten und den Leistungserbringern ausgehandelt werden255 und sich deshalb einer individuellen Absprache entziehen. Die Angebots- und Preisbildung findet zwischen den Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenkassen statt, die auf diese Weise ihre Nachfragemacht besser nutzen können.256 Das allein schließt nicht aus, dass die GKV als freier Markt bezeichnet werden kann. Gegen einen freien Markt spricht jedoch, dass das Pflichtenprogramm der Leistungserbringer bis ins Detail normativ festgelegt ist. Der Gesetzgeber und der GBA formulieren die Qualitätsanforderungen und den abWirtschaft zugrunde, vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3, Rn. 9; Sodan, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 35 ff. Verstärkt wird dies durch Art. 119 Abs. 1 AEUV (ex Art. 4 Abs. 1 EG), indem dort die Tätigkeit von Mitgliedsstaaten und Gemeinschaft dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist (Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3, Rn. 10). 250 Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (16). 251 Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (16). 252 Aus ökonomischer Sicht lehnt Kühn, VSSR 1999, 197 (198  ff.) die Anwendung der Marktprinzipien auf die GKV ab, weil der Wettbewerb den Versicherten das Risiko der Unterversorgung aufbürde, das sie nicht abwehren können, die mikroökonomische Theorie des Marktverhaltens auf die medizinische Versorgung nicht anwendbar sei, da ein Informationsungleichgewicht zwischen Ärzten und Patienten vorliege und eine Korrektur des Verhältnisses erst im Nachhinein stattfinde, der Patient nicht in der Lage sei, Qualität und Preis der Ver­ sorgung zu kontrollieren und weil die Ökonomisierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses die professionellen und ethischen Normen des Arztberufes verdrängen könne. 253 Vgl. zum Verhältnis von Sozial- und Wirtschaftspolitik Goldschmidt, Freiburger Diskus­ sionspapiere zur Ordnungsökonomik 06/4, S. 2 ff. 254 Vgl. grundlegend zum freien Markt und seinen Vorzügen Smith, Der Wohlstand der Nationen, Buch 4, Kapitel 2 mit seiner berühmten Konstruktion der „invisible hand“ sowie seiner Preistheorie (Buch 1, Kapitel 5 ff.), die zwischen natürlichem Preis und Marktpreis unterscheidet, wobei letzter durch Angebot und Nachfrage bestimmt und vom natürlichen Preis determiniert wird, jedoch auch von ihm abweichen kann, der natürliche Preis jedoch Ausdruck des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage ist, da der natürliche Preis die Produktionskosten gerade deckt. 255 Diese Aufgaben sind auf die Verbände der Krankenkassen und die KV übertragen worden, es existiert überwiegend ein Kollektivvertragssystem. 256 Vgl. Kluth, MedR 2005, 65 (67).

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rechnungsfähigen Leistungskatalog. Eine Besonderheit besteht zudem darin, dass die Leistungsbeziehungen zwischen Versichertem und Leistungserbringer nicht gegenseitig, sondern nur einseitig sind. Der Leistungserbringer muss die gesetzlich geschuldete Leistung anbieten, der Versicherte (Leistungsempfänger) hat jedoch keine Gegenleistung im Gewande der Zahlungspflicht zu erbringen. Die finanzielle Honorierung erfolgt vielmehr (über die KV) durch die Krankenkassen.257 Da Leistungsnachfrager und Kostenträger nicht identisch sind, haben sie gegenläufige Interessen, die sich zu Zielkonflikten entwickeln können. Deshalb werden die Versicherten als Leistungsnachfrager an sich von den „Marktprozessen“ ferngehalten.258 Dies führt zu einer Asymmetrie des Gesundheits-„Marktes“, weil die eigentlichen Verbraucher der medizinischen Leistungen erstens kaum Einfluss auf die Ausgestaltung des Rechte- und Pflichtenprogramms der Leistungserbringers und somit das Angebot haben und zweitens den Preis für die Leistung nicht selbst festlegen können, da sich auch die Vergütung ihrem unmittelbaren Einfluss entzieht. Zwar gibt es in den letzten Jahren die Tendenzen zu einer „Vermarktlichung“ des Gesundheitssektors.259 Diese beziehen sich insbesondere auf die Etablierung von mehr Wettbewerb260 im Gesundheitswesen.261 Der Wettbewerb soll auf verschiedenen Ebenen verwirklicht werden, etwa zwischen den Krankenkassen, die um die Versicherten konkurrieren, zwischen den Leistungserbringern, die um die Inanspruchnahme durch die Versicherten sowie um die Versicherungen in Wettbewerb stehen, sowie in den Sektoren der Gesundheitsversorgung, insbesondere zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor.262

257 Der Versicherte wird vor allem dazu verpflichtet, die Beiträge an seine Krankenkasse zu entrichten. Die Höhe der Beiträge hängt nicht vom Alter oder dem Gesundheitszustand, des Versicherten ab, sondern allein von seinem Einkommen und somit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, § 220 i. V. m. § 226 Abs. 1 SGB V. Weitere Aufwendungen, speziell gegenüber dem Leistungserbringer, hat der Versicherte grds. nicht zu tätigen (vgl. zu den Ausnahmen der Zuzahlungen z. B. §§ 31 Abs. 3, 32 Abs. 2, 33 Abs. 8 SGB V). Die Abrechnung der medizinischen und therapeutischen Leistungen findet deshalb nicht zwischen Leistungserbringern und Versichertem, sondern zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen statt. Diese vergüten die erbrachten Leistungen. 258 Vgl. Engelmann, VSSR 1999, 167 f. 259 Igl, in: ders. (Hrsg.), Das Gesundheitswesen in der Wettbewerbsordnung, S. 5 (6). 260 Dem dienen das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I S. 2190); das Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts vom 22.12.2006 (BGBl I S. 3439) sowie das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 (BGBl I S. 378), vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 2, Rn. 16 ff., 21 ff. Auch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl. I S. 2426) dient der Verwirklichung des Wettbewerbs, vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/9559, S. 1 f. 261 Vgl. dazu Mühlhausen, Der Mitgliederwettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen, S. 20 ff.; Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (174 f.), fordert die Etablierung eines „kooperativen Wettbewerbs“. 262 Vgl. Spiecker gen. Döhlmann, in: Schmehl/Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Bd. 1 (Wettbewerb), S. 1 (3).

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Gegen die Anwendung eines klassischen Wettbewerbsmodells auf die GKV wird vorgebracht, dass neben der hohen Regelungsdichte im Gesundheitsrecht auch die sozialpolitische Zielsetzung des SGB V einem solchen Modell entgegenstehe.263 Dieser Einwand überzeugt vor dem Hintergrund eines „ordoliberalen“ Marktverständnisses nicht. Denn Wettbewerb ist aus dieser Blickrichtung nicht Ziel der Wirtschaftsordnung, sondern ein Mittel zur Schaffung und Sicherung von Wohlstand. Walter Eucken drückte dies mit den Worten aus, dass es schlechthin nichts gebe, was nicht sozial wichtig wäre.264 Dieses auch der sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende Wettbewerbsverständnis265 löst die scheinbare Konkurrenz von Sozialpolitik und Wirtschaft auf. Der bloße Hinweis auf die sozialpolitische Ausrichtung der GKV kann deshalb die Ablehnung eines wettbewerblichen Gesundheitssystems nicht rechtfertigen. Jedoch ist das Gesundheitssystem dem Wohl der Bevölkerung im besonderen Maße verpflichtet, weshalb eine höhere Bindung der Akteure an gemeinwohldienende Rechtssätze gerechtfertigt ist, als in anderen wirtschaftlichen Bereichen.266 Wenn man trotz der Besonderheiten der GKV von einer marktmäßigen Organisation ausgeht, muss sich der Staat nach marktwirtschaftlichem Verständnis soweit wie möglich eines regulierenden Eingriffs in den Markt enthalten. Aus ökonomischer Sicht ist eine staatliche Regulierung aber gerechtfertigt, wenn als gemeinnützig bezeichnete Ziele nicht anders erreicht werden.267 Wenn der Markt nicht in der Lage ist, von sich aus gesellschaftlich als erforderlich und gemeinnützig angesehene Ergebnisse zu erzielen, so ist auch vor dem Hintergrund des freien Marktes eine „Regulierung“ zulässig.268 Entscheidend ist aber, zunächst die Marktentwicklung abzuwarten und erst dann steuernd einzugreifen, wenn der Markt die als erforderlich angesehenen Ergebnisse nicht produzieren kann. Staatliche Eingriffe können bei einem solchen Verständnis nur Reaktionen auf im so-

263 Mühlhausen, Der Mitgliederwettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, S.  23 f. 264 Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 313, vgl. dazu Goldschmidt, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik 06/4, S. 10 f. 265 Vgl. nur Erhard, Wohlstand für alle, S. 8: „(a)uf dem Wege über den Wettbewerb (wird) (…) – im besten Sinne des Wortes – eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt“; dazu Goldschmidt, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik 06/4, S. 10; Dettling, A&R 2008, 243 (244 f.). 266 Ähnlich Dettling, A&R 2008, 243 (244 f.). Zum Begriff des Gemeinwohls und seiner verfassungsrechtlichen Relevanz im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Grundrechtseingriffen vgl. Engel, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 103 ff. 267 Hurley, in: Culyer/Newhouse (Hrsg.), Handbook of Health Economics, Vol. 1A (2000), 55 (67); Zerth, Flächendeckende Versorgung in einem liberalen Gesundheitssystem, S. 46. 268 Vgl. zur ökonomischen Sicht Zerth, Flächendeckende Versorgung in einem liberalen Gesundheitssystem, S. 46 ff.

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zialstaatlichen Sinne als „Fehlentwicklungen“ zu bezeichnende Ergebnisse des Marktes sein.269 Die flächendeckende Gesundheitsversorgung ist ein gesellschaftlich und rechtlich angestrebtes Gemeinwohlgut, dessen Verwirklichung die Gemeinschaft (der Versicherten) vom Markt gerade vor dem Hintergrund der allgemeinen Versicherungspflicht verlangen darf. Die Verwirklichung des Gemeinwohls ist im Recht der GKV durch die Kooperation von „Steuerungsstaat und Gesellschaft“270 zu bewirken. Da die GKV u. a. eine Ausprägung des am Gemein- und Individualwohl orientierten Sozialstaatsprinzips ist,271 sind „ökonomiemoderierende“272 Eingriffe, die bestimmte sozialstaatliche Ergebnisse gewährleisten sollen, systemimmanent und folgerichtig. II. Sicherstellungsinstrumente Das Sozialrecht trifft für die nicht-flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit vertragsärztlichen Leistungen eine Vielzahl von Regelungen, die an verschiedenen Punkten Anreize setzen und sich gegenseitig ergänzen. Die Hauptaufgabe für die Sicherstellung der regulären Gesundheitsversorgung liegt bei den KV, §§ 100 Abs. 1 S. 2, 105Abs. 1 SGB V. Sie wird im Achten Titel des SGB V unter der Systematik Bedarfsplanung, Unterversorgung, Überversorgung geregelt und in der Ärzte-ZV, der Bedarfsplanungs-RL sowie vereinzelt in den Satzungen der KV näher konkretisiert. Darüber hinaus finden sich Sicherstellungsinstrumente in anderen Teilen des SGB V. Diese Trennung der Maßnahmen wird der nachfolgenden Untersuchung zugrunde gelegt, um die Adressaten der Instrumente detailliert herauszuarbeiten.

269 Zwar

ist es grundsätzlich schwierig, vom Markt bestimmte Ergebnisse zu erwarten, da sich dieser spontan entwickeln soll und jede Vorgabe die Spontaneität des Marktes bremsen kann. Jedoch können im vom Sozialstaatsprinzip determinierten Gesundheitsmarkt bestimmte Erwartungen an den Markt gestellt werden, wenn sich diese auf Gemeinwohlbelange wie die flächendeckende Gesundheitsversorgung beziehen. 270 Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 16; der Begriff des Steuerungsstaates geht zurück auf Kaufmann, in: Grimm (Hrsg.): Staatsaufgaben, S. 15 (28 ff.); vgl. auch Rossen, Vollzug und Verhandlung, S. 97. 271 Dabei wird nicht übersehen, dass die gesetzlichen Regelungen der GKV keine Freiheitsbedingung für die Leistungserbringer, sondern eine Einschränkung ihrer Berufsfreiheit darstellen. Allerdings ist vor dem Hintergrund der GKV als gemeinwohlorientiertem Wirtschafts­ bereich eine stärkere Bindung der Leistungserbringer an Gemeinwohlzwecke gerechtfertigt als in sonstigen wirtschaftlichen Bereichen. 272 Begriff bei Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 39.

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1. Sicherstellungsinstrumente nach dem Vierten Kapitel, Achter Titel SGB V Die Bedarfsplanung wurde 1976 als Pflicht der KV eingeführt273 und geht auf eine damals bestehende Ungleichverteilung der Ärzte zurück.274 Im Anschluss an das Kassenarzturteil des Bundesverfassungsgerichts, durch das die Zulassung nach einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl aufgehoben wurde,275 hatte jeder Arzt Anspruch auf Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung an einem frei gewählten Kassenarztsitz, sofern er die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen des § 368a Abs. 3 RVO erfüllte.276 Das führte zu einer Konzentration der Kassenärzte in den Ballungsgebieten und zu einer Minderversorgung der ländlichen Gebiete und Stadtrandgebiete mit Allgemeinärzten.277 Diese Ungleichverteilung sollte durch die Bedarfsplanung beseitigt und so die Versorgung aller Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen gewährleistet werden.278 Die Maßnahmen des Achten Teils des SGB V, auch die Instrumente der Bedarfsplanung, sind somit von vornherein auch unter dem Eindruck einer realen Gefährdung der vertragsärztlichen Versorgung in bestimmten Gebieten eingeführt worden. a) Bedarfsplanung als Grundlage aller Sicherstellungsbemühungen An der Spitze der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung steht die Bedarfsplanung, ohne jedoch selbst als Sicherstellungsinstrument bezeichnet werden zu können. Durch die den Vorgaben der Bedarfsplanungs-RL folgenden Bedarfspläne für die Länder wird das Bemühen zum Ausdruck gebracht, alle Versicherten ausreichend mit vertragsärztlichen Leistungen zu versorgen. Gem. § 99 Abs. 1 SGB V hat die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch Bedarfspläne zu erfolgen, die von den KV aufgestellt werden, wobei sich die KV mit den Landesverbänden der Krankenkassen, den Ersatzkassen sowie den zuständigen Landesbehörden ins Benehmen setzen müssen. Bei der Festsetzung des Bedarfs sind die Kooperationspartner an die Bedarfsplanungs-RL und 273 Gesetz zur Weiterentwicklung des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 28.12.1976, BGBl. I S. 3871. 274 Vgl. Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 29. 275 Die Regelung des § 368 Abs. 1 S. 1 RVO legte faktisch eine Bedürfnisklausel fest, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts einer objektiven Berufszulassungsregelung nahe kam und gegen die Berufsfreiheit der Kassenärzte gem. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verstieß, vgl. BVerfGE 11, 30 ff. 276 Vgl. Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 29. 277 Jacobs, Die Entziehung der Zulassung als Vertragsarzt, S. 19; Heberer, Steuerungsmöglichkeiten bei der Zulassung zur Kassenarztpraxis, S. 7; Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 29. 278 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 7/3336, S. 17 f. Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 29.

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die darin festgelegten Maßstäbe gebunden, § 99 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die KV dürfen von der Bedarfsplanungs-RL aber abweichen, soweit es zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, insbesondere der regionalen Demografie und Morbi­ dität, für eine bedarfsgerechte Versorgung erforderlich ist, § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V. Zudem sind bei der Aufstellung der Bedarfspläne die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung, Landesplanung und Krankenhausplanung zu berücksichtigen, § 99 Abs. 1 S. 2 SGB V. Der Stellenplan ist in geeigneter Weise zu veröffentlichen, § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V. Kommt das Benehmen nicht zustande, kann jeder der Beteiligten den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anrufen, der über den Bedarfsplan entscheidet, § 99 Abs. 2, 3 SGB V. Die Bedarfsplanung ist die Grundlage für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. Ohne Bedarfsplan kann nicht festgestellt werden, ob die vertragsärztliche Versorgung flächendeckend gewährleistet ist oder ob Unterversorgung vorliegt. Da die Feststellung der Unterversorgung die Voraussetzung für alle Sicherstellungsinstrumente ist, steht der Bedarfsplan am Anfang aller Sicherstellungsbemühungen. Er drückt das Bestreben aus, eine bedarfsgerechte vertragsärztliche Versorgung zu gewährleisten.279 § 99 SGB V formuliert keine Mechanismen, die die Bedarfsplanung durchsetzen sollen, sondern setzt die wesentlichen Eckpfeiler für die Aufstellung von Bedarfsplänen nach bundesweit einheitlichen Maßstäben. Die Durchsetzung des Bedarfsplans ist Aufgabe der folgenden Sicherstellungsinstrumente. b) Maßnahmen der KV zur Abwendung bzw. Beseitigung der Unterversorgung § 100 Abs. 1 S. 2 SGB V fixiert die Verantwortung der für die betroffenen Gebiete zuständigen KV, die Unterversorgung abzuwenden bzw. zu beseitigen. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V ergänzt diese Vorschrift und überträgt den KV (mit Unterstützung der KBV) die Aufgabe, alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V ist die Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahmen der KV, § 100 Abs. 1 SGB V hingegen regelt das Verfahren zwischen Landesausschüssen und KV bei Feststellung und Beseitigung der (drohenden) Unterversorgung. Hinzu kommen auf verschiedenen Normebenen genauer ausgestaltete Maßnahmen der KV zur Abwendung bzw. Beseitigung der Unterversorgung. Die Maßnahmen werden im Folgenden nach ihren Funktionen systematisiert dargestellt.

279 Vgl. Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 99 SGB V, Rn. 2.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

aa) Öffentlichkeit des Bedarfs – Die Ausschreibungspflicht gem. § 15  Ärzte-ZV § 15 Ärzte-ZV sieht vor, dass die KV nach spätestens sechs Monaten offene Vertragsarztsitze in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern ausschreiben, sofern der Bedarfsplan einen Bedarf an Vertragsärzten für einen bestimmten Bereich ausweist. § 15 Ärzte-ZV stellt somit das Gebot auf, den Bedarf an Vertragsärzten öffentlich zu machen. Dies ist die erste Stufe der Förderung vertragsärztlicher Tätigkeit in unterversorgten Gebieten, da Interessenten so auf die freien Sitze aufmerksam gemacht werden können. bb) Dienstleistungsfunktion der KV Eine zentrale Aufgabe der KV bei der Beseitigung bzw. Abwehr von Unter­ versorgung ist die Erbringung verschiedener Dienstleistungen gegenüber den (niederlassungswilligen) Ärzten. Sie sollen beratend als Ansprechpartner und Kontaktmittler tätig werden. Die KV sollen die Ärzte, die zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bereit sind, im Hinblick auf ihre Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung beraten, vgl. § 12 Abs. 4 Ärzte-ZV. Dies erfasst auch die Interessenten für einen freien Vertragsarztsitz. Die KV erläutern die Anforderungen, Möglichkeiten, Risi­ ken etc. näher und stellen dem niederlassungswilligen Arzt so eine ausreichende Informationsbasis zur Verfügung, aufgrund derer er über seine Niederlassung in dem unterversorgten Gebiet entscheiden kann. Diese Dienstleistungsfunktion wird durch die einzelnen KV präzisiert. So sieht die KV Niedersachsen etwa Niederlassungsseminare, Informationsveranstaltungen an Krankenhäusern und Universitäten sowie die Kontaktaufnahme mit den Gemeinden zur Unterstützung der niederlassungswilligen Ärzte vor.280 Hinzu kommt die weiterführende fördernde Beratungs- und Weiterbildungsfunktion der KV, insbesondere durch die Bereitstellung von Fördermitteln und die Integration der KV in die Weiterbildungsstrukturen.281 So sieht die KV Nieder­ sachen die Förderung der Weiterbildung von Vertragsärzten in Verbindung mit einer konkreten Niederlassungspflicht vor.282

280 Vgl.

Flintrop, DÄBl 2006, 103 (51–52): 75. Flintrop, DÄBl 2006, 103 (51–52): 75. 282 Vgl. Flintrop, DÄBl 2006, 103 (51–52): 75. 281 Vgl.

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cc) Finanzielle Anreize, § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V Der Gesetzgeber sieht die finanziellen Anreize gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V seit dem 01.01.2012 als den zentralen monetären Leuchtturm, der die vertragsärztliche Versorgung auch in strukturschwachen Planungsbereichen sicherstellen soll. Bis zu diesem Zeitpunkt kam der niederlassungssteuernden Vergütungsregelung des § 87 Abs. 2e SGB V a. F. die Schlüsselrolle dabei zu, eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung zu erreichen. Gem. § 105 Abs. 1a SGB V können Strukturfonds eingerichtet werden, in die 0,1 % der jeweiligen Gesamtvergütung durch die KV und eine gleich hohe Summe durch die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen eingezahlt werden sollen.283 Die Mittel sollen von den KV flexibel eingesetzt werden können. Das Gesetz gibt in nicht abschließender Aufzählung („insbesondere“) folgende Möglichkeiten vor: Zuschüsse zu den Investitionskosten für die Neuniederlassung oder die Gründung von Zweig­praxen, für Zuschläge zur Vergütung und zur Ausbildung sowie für die Vergabe von Stipendien. Dabei gab es diese Strukturfonds teilweise bereits vor Inkrafttreten des GKVVStG. Die KV haben finanzielle Anreize entwickelt, um die Niederlassung in den irregulär versorgten Gebieten zu fördern. Die Instrumente unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Für die Auswertung der Instrumente werden besonders stark betroffene Bundesländer in den Blick genommen und die Regelungen der KV Mecklenburg-Vorpommern, KV Brandenburg und KV Sachsen-Anhalt erörtert. (1) Darlehen und Investitionszuschüsse Die KV können den niederlassungswilligen Ärzten Darlehen gewähren, mit denen diese ihre Niederlassung finanzieren können. Hinzu kommen Investitionszuschüsse bei Praxisneugründungen, die ein erhebliches Volumen haben (50.000 EUR) und die mindestens fünfjährige Niederlassung in dem unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Gebiet sowie die Wahrnehmung des vollen Versorgungsauftrags unter Angebot einer entsprechenden Anzahl von Sprechstunden und Hausbesuchen als Bedingung enthalten.284

283 Kaltenborn/Völger,

GesR 2012, 129 (135). Abschnitt VII, § 2 Abs. 1 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in MecklenburgVorpommern. 284 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

(2) Sicherstellungszuschläge § 105 Abs. 1 S. 1 HS 2 SGB V sah darüber hinaus bis zum 31.12.2009 und sieht seit dem 01.01.2011 wieder die Möglichkeit der KV vor, die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dadurch zu gewährleisten, dass an die Vertragsärzte in (potentiell) unterversorgten Gebieten285 Sicherstellungszuschläge gezahlt werden. Auf diese Weise soll die Niederlassung von Vertragsärzten in unterversorgten Gebieten lukrativ werden. Sicherstellungszuschläge sind Zuschläge zum Honorar,286 sie funktionieren als Kompensation für die vermehrte Inanspruchnahme der bereits niedergelassenen Mediziner:287 Wird der Vertragsarzt von mehr als einer speziell festgelegten Anzahl von Patienten in Anspruch genommen, so wird für jeden über diese Zahl hinausgehenden behandelten Patient ein pauschaler Betrag pro Quartal gezahlt.288 Teilweise wird auch eine pauschale Geldsumme bei Niederlassung des Vertragsarztes gezahlt und als Sicherstellungszuschlag bezeichnet.289 Andere KV bezeichnen diese Geldzahlungen als Investitionskostenzuschüsse, weshalb eine genaue Einordnung dieser pauschalen Geldsummen schwierig ist, da sie unterschiedlich „verbucht“ werden kann. (3) Umsatzgarantien Zudem kommen Umsatzgarantien als finanzielle Anreize in Betracht. Deren Ansatzpunkt ist, dass die Übernahme bzw. Eröffnung einer Praxis, die oftmals mit einem hohen finanziellen Aufwand des Arztes einhergeht, nur dann attraktiv ist, wenn sich diese Investitionen durch einen ausreichenden Patientenstamm mit entsprechenden abrechnungsfähigen Leistungen in einem akzeptablen Zeitraum amortisieren. In unterversorgten Gebieten besteht jedoch – aufgrund der Strukturschwäche der Regionen – die Gefahr, dass der niederlassungswillige Arzt nicht genügend Patienten behandeln kann und sich die Investitionen deshalb nicht lohnen. In diesen Fällen wird sich der Arzt überlegen, ob er sich wirklich (in diesem Gebiet) niederlassen will, ob er im Krankenhaus tätig wird, ob er seine Arbeitskraft 285 § 105 Abs. 1 SGB V

bezieht sich nicht allein auf die Unterversorgung, sondern hat die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt zum Gegenstand. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten ist aber ein entscheidendes Anwendungsfeld des § 105 Abs. 1 SGB V. 286 Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 105, Rn. 13. 287 Vgl. für Mecklenburg-Vorpommern http://www.kvmv.info/aerzte/25/10/Sicherstellungs zuschlaege.htm. 288 In Mecklenburg-Vorpommern: 10 EUR, vgl. http://www.kvmv.info/aerzte/25/10/Sicher stellungszuschlaege.htm; in Sachsen-Anhalt: 3 € für jeden Versicherten, sobald der Vertragsarzt mehr als 500 Versicherte im Quartal behandelt, jedoch nur für maximal 5 Jahre, vgl. http:// www.kvsa.de/index.php?cid=112027000185. 289 So etwa in Sachsen-Anhalt, wo die KV bei Praxisübernahme in einem sog. Fördergebiet 15.000 EUR zur Verfügung stellt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, vgl. http:// www.kvsa.de/index.php?cid=112027000185.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) als (zumeist angestellter)290 Arzt anbietet, ob er in die Forschung geht oder ob er sich in einer finanziell attraktiveren Region (auch im Ausland) niederlässt. Da die Ärzte nicht auf eine Niederlassung festgelegt sind, haben sie die Auswahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten der beruflichen Entfaltung. Die Niederlassung in einer strukturschwachen Region mit der Möglichkeit eines vergleichsweise niedrigen Einkommens ist deshalb vielfach unattraktiv. Aus diesem Grund finanzieren die KV aus den Sicherstellungsfonds291 Umsatzgarantien für Niederlassungen in unterversorgten Regionen.292 Durch die Umsatzgarantie wird den Ärzten, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen, ein bestimmtes Einkommen zugesichert,293 unabhängig von der Inanspruchnahme des Arztes durch die Patienten.294 Ein nur kleiner Patientenstamm stellt deshalb in un 290 Vgl. Rixen, in: Wienke/Dierks (Hrsg.): Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin, S. 123 (124). Die Möglichkeit der abhängigen Beschäftigung von Ärzten in MVZ eröffnet § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V. 291 Die Sicherstellungsfonds dienen dazu, die Aufgaben zu finanzieren, die den KV im Rahmen ihres gesetzlichen Sicherstellungsauftrags obliegen. Dazu gehören die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung in strukturschwachen Regionen und die Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung. Darüber hinaus dienen die Sicherstellungsfonds dazu, effiziente Versorgungsformen im Bereich der zuständigen KV im haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich zu fördern sowie versorgungsspezifische Vergütungsdefizite auszugleichen, vgl. dazu beispielhaft die Ausführungsbestimmungen zur Verwendung der Mittel aus dem Sicherstellungsfonds gem. § 2 Abs. 5 des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Ver­ einigung Brandenburg (ABSF), S. 3 (Sicherstellungsfonds, Abs. 2). Sie werden aus der Verwaltungskostenumlage der Ärzte finanziert, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, vgl. Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 12. 292 Vgl. Flintrop, DÄBl 2006, 103 (51–52): 75. 293 Die Höhe des Einkommens richtet sich dabei stets nach dem durchschnittlichen Einkommen der jeweiligen Facharztgruppe. Die einzelnen KV haben in Bezug auf die Höhe der Umsatzgarantie jedoch unterschiedliche Regelungen getroffen. Während z. B. die KV Niedersachsen (vgl. dazu Flintrop, DÄBl 2006, 103 [51–52]: 75) sowie die KV Sachsen-Anhalt (§ 7 Abs. 2 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung) die Umsatzgarantie in der Höhe des durchschnittlichen Einkommens der jeweiligen Facharztgruppe zusichert, legen die Ausführungsbestimmungen der KV Brandenburg zur Verwendung der Mittel aus dem Sicherstellungsfonds fest, dass die Umsatzgarantie pro Quartal grundsätzlich zwei Drittel des Durchschnittsumsatzes je Quartal der jeweiligen Facharztgruppe betragen soll, ABSF Teil A, Abs. 3. Die Bestimmungen der KV Mecklenburg-Vorpommern fixieren, dass die Umsatzgarantie das durchschnittliche Einkommen der entsprechenden Fachrichtung nicht um mehr als ein Viertel unterschreiten dürfen, Abschnitt VII, § 1 Abs. 1 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings trifft dieses Statut eine andere Regelung, wenn der Vertragsarztsitz durch einen Vertragsarzt besetzt wird, der seine Praxis bislang in einem überversorgten Gebiet hatte. In diesem Fall beträgt die Umsatzgarantie mindestens den durchschnittlichen Umsatz der letzten vier Quartale der bisherigen Praxis, Abschnitt VII, § 1 Abs. 10 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in MecklenburgVorpommern. 294 Vgl. Flintrop, DÄBl 2006, 103 (51–52): 75.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

terversorgten Regionen kein finanzielles Risiko für die niederlassungswilligen Ärzte dar. Die Ärzte haben somit Planungssicherheit295 und sind nicht gezwungen, auf die Niederlassung in einem unterversorgten Gebiet zu verzichten, weil die Höhe ihres eigenen Einkommens ungewiss ist. Die Detailbestimmungen zur Verwendung der Mittel aus dem Sicherstellungsfonds bzw. die Richtlinien zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung machen nähere Vorgaben zur Gewährung der Umsatzgarantie. Demnach kann einem Bewerber um einen dringlich zu besetzenden Vertragsarztsitz für die Anlaufphase seiner Praxis eine Umsatzgarantie gewährt werden. Sie wird auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt und beginnt mit der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit.296 Die Gewährung der Umsatzgarantie wird zum Teil von der vollen vertragsärztlichen Tätigkeit und mangelnden Alternativen zur Umsatzgarantie für die Besetzung eines dringlich zu besetzenden Vertragsarztsitzes abhängig gemacht.297 Sie kann somit als (subsidiäre) Starthilfe für sich niederlassende Ärzte in unterversorgten Gebieten bezeichnet werden.298 Teilweise wird das Recht des Vertrags­ arztes, die volle Umsatzgarantie zu behalten, davon abhängig gemacht, dass er seinen Vertragsarztsitz einen bestimmten Zeitraum lang besetzt.299

295 Flintrop,

DÄBl 2006, 103 (51–52):75. Brandenburg auf acht Quartale, ABSF Teil A, Abs. 4; in Sachsen-Anhalt wird nach der Anzahl der Einwohner differenziert. Die Garantiedauer beträgt zwischen 12 Monaten (in Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern) und 18 Monaten (in den übrigen Gebieten), § 7 Abs. 3 Richtlinien der KV Sachsen-Anhalt für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung; in Mecklenburg-Vorpommern ist die Umsatzgarantie auf 12 Monate beschränkt, Abschnitt VII, § 1 Abs. 1 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in MecklenburgVorpommern. 297 § 7 Abs. 4 Richtlinien der KV Sachsen-Anhalt für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung; Abschnitt VII, § 1 Abs. 6 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. 298 Hervorzuheben ist zudem, dass der im Quartal erzielte Vergütungsanspruch mit der Garantie­summe verrechnet wird, vgl. für Brandenburg ABSF Teil A, Abs. 5; für Sachsen-Anhalt § 7 Abs. 2 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung; Abschnitt VII, § 1 Abs. 3 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. 299 In Mecklenburg Vorpommern fünf Jahre, vgl. Abschnitt VII, § 1 Abs. 9 Statut über die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben und von Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. 296 In

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

123

(4) Sonstige finanzielle Anreize Die KV können weitere finanzielle Anreize setzen. So kommt etwa eine höhere Vergütung für den Notfalldienst in den unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Gebieten in Betracht.300 Außerdem fördern die KV zum Teil die Weiterbildung von Ärzten, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin befinden.301 § 105 Abs. 1a S. 3 SGB V spricht die Zuschläge zur Ausbildung in prekär versorgten Planungsbereichen explizit an. Das ist deshalb sinnvoll, weil die Weiterbildung für Allgemeinmedizin nicht im Krankenhaus erfolgen kann, sondern der Weiterbildungs­ assistent in eine vertragsärztliche Praxis gehen muss, um dort die notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Damit sind im Vergleich zu einer rein klinischen Weiterbildung Gehaltseinbußen verbunden, die bereits die Entscheidung für die Weiterbildung zum Vertragsarzt negativ beeinflussen können. Dem sollen die zusätzlichen Förderungen der Weiterbildungsassistenten begegnen und so einen finanziellen Anreiz setzen, dass sich die jungen Ärzte für eine Weiterbildung zum Allgemeinmediziner entscheiden. Auf Antrag wird monatlich ein bestimmter Betrag ausbezahlt, wobei die Zahl der geförderten Stellen begrenzt ist. So fördert die KV Sachsen-Anhalt die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin (innerhalb der dreijährigen Ausbildung) maximal 20 Stellen mit monatlich jeweils 2.040 EUR.302 Die Gewährung ist an die spezielle Anforderung geknüpft, dass sich der Weiterbildungsassistent ein halbes Jahr vor Abschluss seiner Weiterbildung durch die KV in Zulassungsfragen mit dem Ziel der Niederlassung in Sachsen-Anhalt beraten lässt. Die KV reagiert damit auf den sich abzeichnenden Mangel an Allgemeinmedizinern, die als Lotse und Koordinator im Gesundheitswesen eine wesentliche Funktion haben.303 Die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin ist somit ein finanzieller Anreiz für den Weiterbildungsassistenten, der jedoch nicht an die tatsächliche Niederlassung in Sachsen-Anhalt geknüpft ist. Anders verhält es sich bei Stipendien für Studierende der Medizin. Die KV Sachsen-Anhalt beteiligt sich mit jährlich max. 75.000 EUR an einem Stipendienprogramm für Medizinstudenten, sofern die Mittel aus dem Vorjahr zusätzlich zur Verfügung stehen und sich Dritte mit einem Betrag, der mindestens ebenso hoch 300 So etwa in Sachsen-Anhalt, vgl. Dienel, Die Zukunft der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum am Beispiel Sachsen-Anhalts, abrufbar unter http://www.daten.best-ageconference.com/2009/dienel/pdf, S. 5. 301 Etwa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Hessen, Berlin, Thüringen, Brandenburg. Vgl. etwa für Brandenburg Teil D ABSF; für Sachsen-Anhalt § 1a Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. 302 § 1a Abs. 1, 2 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärzt­ lichen Versorgung. 303 Vgl. zur Rolle der Hausärzte im Gesundheitswesen etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 93 ff., insb. S. 98.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

ist, an dem Stipendienprogramm beteiligen.304 Auch Stipendien können aus den Strukturfonds finanziert werden, § 105 Abs. 1a S. 2 SGB V. Die Fördermittel sind auf max. 18.000 EUR pro Student zu begrenzen und sollen an Studierende des vierten bis sechsten Studienjahres vergeben werden, die nach Abschluss des Studiums eine Facharztweiterbildung wählen, für die in Sachsen-Anhalt Bedarf besteht. Die Stipendien sind anteilig entsprechend dem an­ genommen Bedarf in den Fachgebieten zu verteilen.305 Die geförderten Studierenden verpflichten sich im Gegenzug, nach Abschluss seiner Weiterbildung für mindestens drei Jahre in einer Region Sachsen-Anhalts mit Sicherstellungsbedarf vertragsärztlich zu praktizieren.306 Die Stipendienprogramme setzen in einer frühen Phase der ärztlichen Aus­ bildung ein und sind deshalb geeignet, Mediziner dafür zu gewinnen, sich über einen bestimmten Zeitraum in den irregulär versorgten Regionen an der vertragsärztlichen Versorgung zu beteiligen und so einen Beitrag zur Versorgung der Versicherten in strukturschwachen Regionen zu leisten. Auf diese Weise entsteht eine win-win-Situation: Die Studierenden können auf bequeme Weise ihr Studium finanzieren, wohlmöglich ohne nebenbei arbeiten zu müssen. Gleichzeitig wird der medizinische Nachwuchs zumindest für eine bestimmte Zeit in die irregulär versorgten Gebiete gelenkt und so die Möglichkeit geschaffen, dass sich die Nachwuchsmediziner dauerhaft in der Region niederlassen. Allerdings birgt eine frühe Festlegung auf eine bestimmte Fachrichtung und die Karriere als Vertragsarzt in einer bestimmten (strukturschwachen) Region das Risiko, dass sich der Stipendiat aus vielfältigen Gründen (etwa Familiengründung, Arbeitsangebot, Interessenwandel etc.) entgegen der ursprünglichen Zusicherung für eine andere Fach­ richtung, die Karriere als klinischer Mediziner, Forscher oder den Wegzug aus dem Bundesland, in dem er studiert hat, entscheidet. Diese Entscheidung ist legitim, da Studierende zu einem so frühen Zeitpunkt ihres Studiums häufig keinen vertieften Einblick in den medizinischen Alltag eines Krankenhauses oder Vertragsarztes erhalten. Jedoch ist es dann geboten, dass er das Stipendium zurückzahlen muss und keine weiteren Leistungen erhält, da in diesem Fall – ähnlich wie im Rahmen des § 49 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 49a Abs. 1 S. 1 VwVfG (Auflage) – eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Geldleistung nicht erfüllt wird.307

304 Vgl.

§ 4 Abs. 1 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärzt­ lichen Versorgung. Auch Thüringen sieht ein solches Stipendienprogramm mit späterer Niederlassungspflicht vor, vgl. http://aerzteblatt-student.de/doc.asp?docid=111528. 305 § 4 Abs. 2 S. 1, 2, 3 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. 306 § 4 Abs. 2 S. 4 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärzt­ lichen Versorgung. 307 Dies schlägt auch das Bundesministerium für Gesundheit vor: Eckpunkte zum Ver­ sorgungsgesetz, S. 15, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de.

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dd) Sonstige Maßnahmen nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V gibt den KV einen breiten Spielraum, um die vertragsärztliche Versorgung zu fördern, ohne diese Maßnahmen explizit zu nennen. Am Beispiel der Maßnahmen, die die KV Sachen-Anhalt entwickelt hat, soll ein Überblick über die Reaktionsmöglichkeiten der KV gegeben werden.308 Die KV fördert die Stiftungsprofessur Allgemeinmedizin, gibt Zuschüsse für Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin an den Medizinischen Fakultäten des Landes,309 lässt Nebenbetriebsstätten für Mediziner zu, strukturiert die Notfalldienstbereiche um, führt Existenzgründerseminare und Niederlassungstage durch und schließt Koopera­ tionsverträge mit Kommunen. Zudem setzt sie Anreize für niedergelassene Mediziner, Medizinstudenten im Rahmen ihrer Famulatur in ihrer Praxis auszubilden.310 ee) Betrieb von/Beteiligung an unmittelbar der ärztlichen Versorgung dienenden Einrichtungen, § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V gestattet den KV als besondere Maßnahme i. S. v. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V,311 eigene Einrichtungen zu betreiben, die unmittelbar der Versorgung der Versicherten dienen, bzw. sich an solchen Einrichtungen zu beteiligen.312 Die KV können Notarztpraxen, Notfallambulanzen, Einrichtungen zum Betrieb medizinisch-technischer Großgeräte (z. B. Computer-Tomographie, MagnetResonanz-Tomographie für radiologische Diagnostik) sowie mobile Dienste zur Versorgung von Arztpraxen mit bestimmten technischen Leistungen unterhalten, soweit dies erforderlich ist, um die Versorgung zu gewährleisten.313 Die in diesen Einrichtungen erbrachten Leistungen sind aus der Gesamtvergütung, nicht aber aus den Verwaltungsetats der KV zu vergüten, § 105 Abs. 1 S. 3 SGB V.

308 Vgl. Dienel, Die Zukunft der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum am Beispiel Sachsen-Anhalts abrufbar unter http://www.daten.best-age-conference.com/2009/dienel/pdf, S. 5. 309 Vgl. § 2 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. 310 § 3 Richtlinien der KV für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Ver­ sorgung. 311 Der Betrieb von bzw. die Beteiligung an einer Einrichtung, die der unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten dient, ist eine besonders hervorgehobene Maßnahme i. S. v. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V. Das ergibt sich daraus, dass § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V ohne nähere Voraussetzungen die Ermächtigung der KV regelt, geeignete Maßnahmen zur Sicher­ stellung Verbesserung und Förderung der vertragsärztlichen Versorgung zu ergreifen. Daran knüpft § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V an, regelt jedoch eine besondere Voraussetzung des Betriebs von, bzw. Beteiligung an medizinischen Einrichtungen. 312 Vgl. knapp Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 105, Rn. 2; Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 17 f. 313 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 18.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Die Eigeneinrichtungen können den freiberuflichen Ärzten zur Verfügung gestellt oder von den KV selbst mit angestellten Ärzten geführt werden.314 Man kann zwischen solchen Eigeneinrichtungen unterscheiden, die in erster Linie assistierende Funktion für die Vertragsärzte haben und jenen Eigeneinrichtungen, die ärztliche Leistungen selbst erbringen. Ist in einer Region (drohende) Unterversorgung zu verzeichnen, so können die KV die notwendige medizinische Versorgung selbst übernehmen bzw. die verbliebenen Vertragsärzte mit eigenen Leistungen unterstützen, die unmittelbar der medizinischen Versorgung der Versicherten dienen. Auf diese Weise soll eine Versorgungslage hergestellt werden, die als regulär bezeichnet werden kann, bzw. die irreguläre Versorgung zumindest abmildert. Es ist zu vermuten, dass gerade die Versorgung mit medizinisch-technischen Großgeräten zur Diagnostik in strukturschwachen Gebieten langfristig an Bedeutung gewinnen wird. Das hängt mit den hohen Investitionskosten zusammen, die mit der Anschaffung dieser Geräte verbunden sind, ohne dass die vollständige Auslastung als gesichert erscheint.315 Darüber hinaus können Ärzte, die die für eine eigene Praxis erforderlichen Investitionen scheuen, die Eigeneinrichtungen als Praxis für die vertragsärztliche Tätigkeit nutzen. Sie werden dann als Vertragsarzt tätig, nicht als Angestellter der KV. So sehen etwa die Vorschriften der KV Brandenburg vor, dass die Eigeneinrichtungen mit dem Ziel der Überwindung wirtschaftlicher Hindernisse bei der Praxisübernahme bzw. Praxisneugründung errichtet werden.316 Die Errichtung von Eigeneinrichtungen ist zudem vor dem Hintergrund der oben dargestellten Stipendienmodelle für Medizinstudenten sinnvoll. Diese sollen sich nach der fachärzt­ lichen Weiterbildung für einen bestimmten Zeitraum in den irregulär versorgten Gebieten niederlassen. Dafür bietet es sich an, Eigeneinrichtungen als Praxissitz zur Verfügung zu stellen, da eine dauerhafte Niederlassung noch nicht von Anfang an absehbar ist. Der Kauf einer eigenen Praxis mit ungewissen Veräußerungsmöglichkeiten wird in diesen Fällen oftmals zu riskant sein, so dass die Anreizwirkung der Stipendien mit der Bereitstellung entsprechender Praxisräume kumuliert, was die Stipendien nochmals attraktiver erscheinen lässt. Möglich ist außerdem, dass die Eigeneinrichtungen zum Sprungbrett für eine eigenständige vertragsärztliche Einrichtung werden, etwa bei festem Patientenstamm. Es ist anzustreben, dass die im Rahmen der Eigeneinrichtung tätigen Ärzte die Einrichtung als eigene Praxis fortführen. Werden die Eigeneinrichtungen der KV vom Personal der KV betrieben, so sind die dort tätigen Ärzte Angestellte der KV.317 Eine Übernahme dieser Praxen durch selbständige Ärzte ist lukrativ, weil auf diese Weise die anfänglichen Investitionen in eine Praxis entfallen, 314 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 18; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 105, Rn. 2. 315 Alternativ bestünde etwa die Möglichkeit, die Großgeräte der Krankenhäuser in die vertragsärztliche Versorgung einzubeziehen. 316 Teil B Abs. 1 ABSF. 317 Neumann, Beck-OK Sozialrecht, § 105 SGB V, Rn. 2.

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da diese aus den Sicherstellungsfonds und speziell für Eigeneinrichtungen ge­ bildeten Rücklagen finanziert werden.318 Die Arbeit in der Eigeneinrichtung kann somit von den Ärzten als Etablierung ihrer Tätigkeit in der Region genutzt und gegebenenfalls später in eine „echte“ Niederlassung münden. Zudem können die sich neu niederlassenden Ärzte auf die Eigeneinrichtungen als Service-Einrichtungen zurückgreifen.319 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die KV mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen über den Betrieb bzw. die Beteiligung an einer solchen Einrichtung ins Benehmen setzen, § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V. Das Gesetz macht keine weiteren Vorgaben für den Inhalt des Benehmens. Auch den näheren Regelungen der KV über die Verwendung der Mittel aus den Sicherstellungsfonds lassen sich keine näheren Angaben dazu entnehmen.320 Fraglich ist, ob über das Benehmen hinaus weitere, gesetzlich nicht explizit geregelte Anforderungen an den Betrieb bzw. die Beteiligung an einer medizinischen Einrichtung durch die KV zu stellen sind. Flint321 und Neumann322 sehen die Maßnahme nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V als subsidiär an. Sie könne erst dann eingreifen, wenn „die Maßnahmen nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V nicht ausreichten, Versorgungslücken zu schließen.“323 Dem Wortlaut des § 105 Abs. 1 SGB V ist jedoch nicht zu entnehmen, dass in der Vorschrift die Subsidiarität des Betriebs von bzw. der Beteiligung an medizinischen Einrichtungen enthalten ist. Vielmehr setzt § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V eine einzige Voraussetzung für diese Maßnahme: das Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen. Zudem ist der Betrieb bzw. die Beteiligung an einer medizinischen Einrichtung keine gesonderte Maßnahme, die auf einer eigenen Ermächtigungsgrundlage des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V beruht. Vielmehr stellt sich diese Maßnahme aus gesetzessystematischen Gründen als eine Maßnahme i. S. v. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V dar. Auch der Betrieb von bzw. die Beteiligung an einer Einrichtung, die unmittelbar der medizi­nischen Versorgung dient, ist eine geeignete Maßnahme zur Gewährleistung, Verbesserung und Förderung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V. Wenn diese speziellen Maßnahmen gegenüber den von der Ermächtigungsgrundlage des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V erfassten Maßnahmen 318 Vgl.

Teil B Abs. 2 ABSF. scheint ein Hintergrund der Formulierung in Teil B Abs. 1 ABSF zu sein: „In Planungsbereichen/Altkreisen, in denen (…) eine Gefährdung der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung besteht oder droht, können Eigeneinrichtungen mit dem Ziel der Überwindung wirtschaftlicher Hindernisse bei der Praxisübernahme bzw. Praxisneugründung errichtet werden.“ 320 Teil B ABSF regelt allein verschiedene Finanzierungs- und Verwaltungskostenfragen der Eigeneinrichtungen. 321 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 17. 322 Neumann, Beck-OK Sozialrecht, § 116 SGB V, Rn. 2. 323 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 17. 319 Dies

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als subsidiär betrachtet werden, so ist dem entgegenzuhalten, dass auch der Betrieb bzw. die Beteiligung an einer solchen Einrichtung auf der Ermächtigung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V beruht und selbst eine Maßnahme nach dieser Norm darstellt.324 Das Gesetz unterscheidet damit weder nach seinem Wortlaut, noch nach seiner Systematik zwischen Maßnahmen nach § 105 Abs. 1 S. 1 und § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V. Aus den grundsätzlichen Aufgabenverteilungsstrukturen des SGB V, das zwischen der Versorgung der Versicherten durch die Vertragsärzte und der vertragsärztlichen Selbstverwaltung (durch die KV) differenziert und für die KV regelmäßig keinen unmittelbaren Versorgungs-, sondern allein einen Sicherstellungsauftrag vorsieht, ist jedoch zu schließen, dass die medizinische Versorgung in der Regel unmittelbar durch die Vertragsärzte, nicht jedoch durch die KV erbracht werden soll.325 Dies gilt auch in defizitär versorgten Gebieten. Die Ausschreibung eines offenen Vertragsarztsitzes und der Hinweis auf entsprechende Förderungsmöglichkeiten in dem unterversorgten Gebiet müssen deshalb der unmittelbaren Versorgung der Versicherten durch die KV vorgehen. Zudem soll nicht verkannt werden, dass es in der Regel zweckdienlich sein kann, zunächst andere Maßnahmen zu ergreifen, um eine bedarfsgerechte Ver­ sorgung sicherzustellen. Das SGB V verbietet es aber nicht, dass die KV zur Beseitigung bzw. Abwendung von Unterversorgung sofort eigene Einrichtungen etablieren, um die Versicherten angemessen zu versorgen. Dies sollte jedoch vor dem Hintergrund der Trennung von vertragsärztlicher Versorgung und vertragsärzt­ licher Selbstverwaltung nur dann geschehen, wenn die unmittelbare Versorgung der Versicherten durch Einrichtungen der KV für absehbare Zeit der einzige Weg ist, um die medizinische Versorgung der Betroffenen zu ermöglichen. Ist ein Vertragsarztsitz öffentlich ausgeschrieben und kein Antrag auf Zulassung eingegangen, bzw. die Versorgungslage so prekär, dass ein dringender Versorgungsbedarf besteht, so können die KV vorübergehend die Versorgung der Versicherten durch eigene Einrichtungen übernehmen (bzw. die vertragsärztliche Versorgung durch Eigeneinrichtungen unterstützen), bis eine ausreichende vertragsärztliche Versorgung wiederhergestellt ist. Es erscheint jedoch neben den systematischen Erwägungen auch aus praktischer Sicht als zu statisch, wenn die KV verpflichtet sind, die Maßnahmen nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V anzuwenden, um erst nach deren Scheitern die Etablierung von Eigeneinrichtungen anzustreben. Aus den genannten Gründen haben sich die KV dann aus der unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten zurückzuziehen, sobald wieder eine reguläre Versorgung etabliert ist bzw. diese Versorgung durch die KV nicht mehr erforderlich ist, um die Versicherten bedarfsgerecht zu versorgen.

324 § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V gestaltet allein die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme näher aus, ist jedoch nicht als selbständige Ermächtigungsgrundlage anzusehen. 325 So auch Neumann, Beck-OK Sozialrecht, § 116 SGB V, Rn. 2.

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ff) Kommunale Eigeneinrichtungen, § 105 Abs. 5. S. 1 SGB V Das GKV-VStG hat die kommunalen Eigeneinrichtungen als weiteres Sicherstellungsinstrument in § 105 Abs. 5 S. 1 SGB V verankert. Demnach können Kommunen mit Zustimmung der KV in begründeten Ausnahmefällen eigene Einrichtungen zur unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten betreiben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Versorgung auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, § 105 Abs. 5 S. 2 SGB V. Die Errichtung kommunaler Eigeneinrichtungen ist damit eine subsidiäre Maßnahme. Der Vorrang gebührt der privaten Niederlassung. Aufgrund des klaren Wortlautes der Norm und ihres Charakters als Ausnahmevorschrift, die dementsprechend eng aus­ zulegen ist, geht der Errichtung kommunaler Eigeneinrichtungen zugleich die Etablierung einer durch die KV betriebenen Eigeneinrichtungen gem. § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V vor. § 105 Abs. 5 S. 3 SGB V stellt klar, dass der Zulassungsausschuss die Einrichtung auf Antrag zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit angestellten Ärzten, die in das Arztregister eingetragen sind, zu ermächtigen hat. Die Ärzte handeln in Beziehung zu dem nichtärztlichen Betreiber der Eigeneinrichtung jedoch weisungsfrei, § 105 Abs. 5 S. 5 SGB V.

gg) Zusammenfassung Die KV sowie die Kommunen haben vielfältige Möglichkeiten, um eine bestehende oder drohende Unterversorgung zu beseitigen bzw. abzuwenden. An erster Stelle steht die Information der Ärzteschaft über bestehenden Bedarf an Vertragsärzten durch Ausschreibung. Hinzu kommen diverse Dienstleistungen sowie die finanzielle Förderung der niederlassungswilligen Ärzte. Schließlich können sich die KV an der unmittelbaren Leistungserbringung beteiligen, indem sie Eigeneinrichtungen gründen bzw. sich an Einrichtungen beteiligen, die der unmittelbaren Versorgung der Versicherten dienen. Auch die Kommunen können dann Eigeneinrichtungen mit angestellten Ärzten betreiben, wenn sonst eine reguläre Versorgung nicht zu erreichen ist. c) Anordnung von Zulassungsbeschränkungen, § 100 Abs. 2 SGB V, § 16 Ärzte-ZV Für den Fall der bereits eingetretenen und andauernden Unterversorgung verpflichtet § 100 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 16 Abs. 4 Ärzte-ZV die Landesausschüsse, Zulassungsbeschränkungen in den Gebieten von Zulassungsbezirken anzuordnen, die außerhalb der als unterversorgt festgestellten Gebieten liegen. Durch die Sperrung anderer Bezirke als des betroffenen soll eine Verhaltenssteuerung des Nieder-

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lassungswilligen bewirkt werden.326 Da andere Zulassungsbezirke des Gebietes, für das der Landesausschuss zuständig ist,327 für die Zulassung gesperrt werden, kann sich der niederlassungswillige Arzt nur in dem unterversorgten Planungsbereich niederlassen, sofern er in diesem Bundesland praktizieren möchte. Dadurch werden die Wahlmöglichkeiten des Arztes dergestalt reduziert, dass er entweder in dem unterversorgten Planungsbereich an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ganz verzichtet oder sich in einem anderen Bundesland an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen ist nach dem Wortlaut des § 100 Abs. 2 SGB V als ultima ratio für den Fall der Unterversorgung zu verstehen. Trotz des Ergreifens geeigneter anderer Maßnahmen durch die KV, die die Unterversorgung beseitigen sollten, muss diese fortbestehen.328 Gem. § 16 Abs. 4 ÄrzteZV, der § 100 Abs. 2 SGB V konkretisiert, kann die Zulassungssperre entweder generell für alle Arztgruppen (lit. a) oder für bestimmte Arztgruppen (lit. b) angeordnet werden.329 Allerdings sieht § 16 Abs. 5 Ärzte-ZV vor, dass der Zulassungsausschuss im Einzelfall eine Ausnahme von der Zulassungsbeschränkung zulassen kann, wenn die Ablehnung der Zulassung eine unbillige Härte bedeuten würde. Dadurch wird die strikte Bindung des Zulassungsausschusses an die Anordnung der Zulassungssperren durch den Landesausschuss aufgeweicht. Allerdings fixiert die Ärzte-ZV keine Maßgaben, anhand derer das Vorliegen eines besonderen Härte­falls beurteilt werden könnte.330 Die Anordnung von Zulassungssperren wegen Unterversorgung wurde bislang praktisch kaum relevant.331 Deshalb liegen keine ausreichenden empirischen Erkenntnisse vor, die gesicherte Aussagen darüber machen können, ob die Zulassungssperren die Unterversorgung beseitigen können.332 Der Gesetzgeber hat bis

326 Flint,

in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 42. ein Bundesland, § 90 Abs. 1 SGB V. 328 Vgl. Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 23. 329 Vgl. Meschke, in: Bäune/Meschke/Rothfuß (Hrsg.), Kommentar zur Zulassungsverordnung für Ärzte und Zahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 16 Ärzte-ZV, Rn. 10; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 6. Dieser weist zudem auf den Mangel hin, dass das Sozialrecht nicht vorsieht, dass innerhalb des unterversorgten Gebietes selbst Zulassungssperren angeordnet werden können. Es ist nach seiner Auffassung für die Sicherstellung der regulären vertragsärztlichen Versorgung aber nicht prima facie ungeeignet, Zulassungssperren für das unterversorgte Gebiet anzuordnen, die sich allein auf bestimmte Arztgruppen beziehen. Denn wenn bspw. eine Unterversorgung mit allgemeinärztlichen Leistungen bei gleichzeitiger Überversorgung von Internisten zu verzeichnen ist, werde die Zulassung von Allgemeinärzten praktisch unmöglich gemacht. 330 Dazu krit. Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 7. 331 Stand Januar 2009: Zulassungssperren wegen Unterversorgung wurden in mehr als 30 Jahren erst einmal angeordnet (1982 im Bereich der KV Bayern), vgl. Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 6. 332 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 6. 327 Also

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zum Inkrafttreten des GKV-VStG die Verhaltenssteuerung durch finanzielle Anreize gegenüber der Anordnung von Zulassungssperren bevorzugt, wenn die Anreize nachweisbar effektiv sind, vgl. § 87 Abs. 7 S. 2 SGB V a. F. aa) Verfahren Dauert die Unterversorgung an, obwohl die oben genannten Maßnahmen ergriffen wurden,333 so haben die Landesausschüsse Zulassungsbeschränkungen anzuordnen. Sie haben kein Entschließungsermessen.334 Gem. § 16 Abs. 3 Ärzte-ZV hat der Landesausschuss festzustellen, ob die in § 100 Abs. 2 SGB V bestimmten Voraussetzungen für Zulassungsbeschränkungen gegeben sind und Zulassungsbeschränkungen zur Beseitigung der Unterversorgung mit verbindlicher Wirkung für einen oder mehrere Zulassungsausschüsse anzuordnen. Die betroffenen Zu­ lassungsausschüsse sind vor der Anordnung von Zulassungssperren zu hören335 und können sich in diesem Rahmen zur aktuellen Versorgungssituation und zu den mittlerweile vorliegenden Zulassungsbewerbungen äußern.336 Das Recht sieht keine Befristung der Zulassungssperren vor.337 Allerdings muss der Landesausschuss nach spätestens sechs Monaten prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen weiterhin bestehen, wobei auch in diesem Fall die Zulassungsausschüsse zu hören sind, § 16 Abs. 6 ÄrzteZV.338 Daraus folgt, dass die Zulassungsbeschränkungen aufzuheben sind, sofern die Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungssperren nicht mehr vor­ liegen.339 § 16 Abs. 7 Ärzte-ZV sieht vor, dass Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für die amtlichen Bekanntmachungen der KV vorgesehenen Blättern veröffentlicht werden müssen. bb) Verfassungsmäßigkeit von Zulassungssperren Die Sperrung von Planungsbereichen bedeutet eine starke Beschränkung der Nieder­lassungsfreiheit des Arztes. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden indes in erster Linie gegenüber Zulassungssperren bei Überversorgung gem. § 103

333 Zur Zulässigkeit der Anordnung von Zulassungssperren bei drohender Unterversorgung vgl. unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. c) cc). 334 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 38. 335 § 16 Abs. 3 S. 2 Ärzte-ZV. 336 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 39. 337 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 43, ist jedoch der Ansicht, dass die Zulassungsbeschränkungen befristet werden können. 338 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 40; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 6. 339 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 100 SGB V, Rn. 6.

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Abs. 1 SGB V geltend gemacht.340 Aber auch im Rahmen des § 100 Abs. 2 SGB V stellen sich Fragen nach der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die ärztliche ­Berufsfreiheit. (1) Prüfungsmaßstab – Berufsausübungs- oder Berufszulassungsregelung?341 Die Sperrung von Zulassungsbezirken muss sich vor dem Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schützt die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Der Arbeitsplatz ist der Ort, an dem der Einzelne einem gewählten Beruf nachgehen möchte.342 Die freie Wahl des Arbeitsplatzes bezieht sich nicht nur auf abhängig Beschäftigte,343 sondern auch auf Selb­ ständige, insb. Freiberufler. In dieser Funktion wirkt die Berufsfreiheit als Freiheit der Berufsniederlassung.344 Sie ist der Freiheit der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert sie, da die Wahl des Arbeitsplatzes zeitlich nach der Berufswahl erfolgt. Zugleich ist sie der Berufsausübung vorgeordnet, da diese erst am gewählten Arbeitsplatz stattfindet.345 Die Freiheit der Berufsniederlassung schützt somit davor, dass dem Leistungserbringer der gewünschte Niederlassungsort verwehrt, bzw. er gezwungen wird, seinen Beruf an einem bestimmten Ort auszuüben.346 Das BSG versteht Zulassungssperren als Beschränkungen der Berufsausübung und ordnet die Niederlassungsfreiheit somit der Berufsausübungsfreiheit zu; außerdem legt es unter Verweis auf die Einschätzungsprärogative des Gesetz­ gebers nur einen zurückhaltenden Prüfungsmaßstab an.347 Ein Eingriff in die Frei 340 Zur Diskussion vgl. Boecken, NZS 1999, 417; Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 122 ff.; Herweck-Behnsen, NZS 1995, 211 (213 ff.); Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 103, Rn. 5. Bundesverfassungsgericht (MedR 2001, 639 [640]) und BSG (SozR 3-2500 § 103 Nr. 2, S. 11 ff.; NZS 1999, 98 [99]) gehen von der Verfassungsmäßigkeit der Zulassungssperren aus. 341 Die Unterscheidung ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum einheitlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit relevant. Gem. der sog. DreiStufen-Lehre sind unterschiedlich starke Anforderungen an Eingriffe in die Berufsausübung und die Berufszulassung/Berufswahl zu stellen. Dabei wird in erster Linie an den Zweck der Grundrechtsbeschränkung und die Wahrscheinlichkeit der dem Gemeinwohlgut drohenden Gefahren angeknüpft, vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 (401 ff.). 342 BVerfGE 84, 133 (146); BVerfG NJW 2003, 125 (126); Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 12, Rn. 440; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 12, Rn. 86. 343 So Uber, Freiheit des Berufs, S. 81; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 12, Rn. 58. 344 Rittstieg, in: Denninger/Hoffmannn-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Alternativ-Kommentar GG, Art. 12, Rn. 109; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 12, Rn. 86; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 12, Rn. 440. 345 BVerfGE 84, 133 (146). 346 Vgl. BVerfGE 84, 133 (146). 347 Vgl. BSG SozR 3-2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff. Ebenso Jarass, in: ders./Pieroth, GGKommen­tar, Art. 12, Rn. 1. Das Bundesverfassungsgericht (MedR 2001, 639) hatte die Frage

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heit der Berufsniederlassung sei grundsätzlich verboten, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.348 Diese Anforderungen sind nach Ansicht des BSG nicht besonders hoch. Da es sich bei den Zulassungssperren nicht um absolute Zugangshindernisse handele, komme der Eingriff in die Berufsausübung nicht einer Berufswahlregelung nahe.349 Der Vertragsarzt werde nur vom Zugang zu bestimmten Planungsbereichen ausgeschlossen, nicht jedoch von allen Planungsbereichen. Er habe weiterhin die Möglichkeit, sich in anderen Planungsbereichen niederzulassen.350 Das BSG zieht dabei eine Parallele zu anderen Berufen. Es verhalte sich nämlich bei der Zulassungssperre bestimmter Planungsbereiche wie bei anderen Berufen, in denen nicht an jedem Ort, sondern nur in bestimmten Bereichen noch freie Arbeitsplätze zu finden sind.351 Für den Prüfungsmaßstab bedeutet dies, dass die strengeren Anforderungen, die an berufswahlnahe Berufsausübungsregelungen zu stellen sind, keine Anwendung auf örtliche Zulassungssperren finden. Es reicht nach Ansicht des BSG vielmehr aus, dass die Zulassungssperren den allgemeinen (niedrigen) verfassungsrechtlichen Anforderungen an Berufsausübungsregelungen genügen.352 Als Anforderungen an die örtlichen Zulassungssperren formuliert das Gericht ausreichende Erwägungen des Allgemeinwohls, die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Zulassungssperre für die Zweckerreichung sowie die Wahrung der Grenze der Zumutbarkeit bei der Abwägung zwischen der beeinträchtigten Berufsfreiheit und dem geförderten Gemeinwohlbelang (Angemessenheit).353

(im Zusammenhang mit Zulassungssperren bei Überversorgung) noch offen gelassen. Zwar bezeichnete die erkennende Kammer die Einordnung örtlicher Zulassungsbeschränkungen als Berufswahlregelungen als eher fern liegend. Eine abschließende Klärung sah es jedoch nicht als erforderlich an, da auch die Anforderungen an Berufswahlregelungen gewahrt wurden; vgl. auch Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 99, Rn. 14. 348 Für die Festlegung dieser Voraussetzungen orientiert sich das Bundesverfassungsgericht an der Schwere des Eingriffs. Greift eine Regelung in ähnlich schwerwiegender Weise in die Freiheit der Berufsausübung ein wie eine objektive Zulassungsschranke, so ist sie nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts und unter Wahrung des Grund­satzes der Verhältnismäßigkeit zulässig, vgl. BVerfGE 84, 133 (148). Das bedeutet, dass abhängig von der Intensität des Eingriffs die Anforderungen zur Anwendung kommen, die an Berufs­ ausübungsregeln, subjektive oder objektive Berufszulassungsregeln gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 11, 30 [42 ff.]; 12, 144, [147]) und ihm beispielsweise folgend das BSG (vgl. BSG SozR 3-2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff.) wandeln somit die sog. Drei-StufenLehre ab. Die Anforderungen an Eingriffe in die Berufsfreiheit richten sich nicht stets nach einem starren Schema, sondern werden flexibel angewendet. 349 BSG SozR 3-2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff.; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 103 SGB V, Rn. 3. 350 BSG SozR 3-2500, §  103 Nr. 2, S. 11 ff. Diese Überlegung stellt auch das Bundes­ verfassungsgericht an (MedR 2001, 639). 351 BSG SozR 3-2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff. 352 BSG SozR 3-2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff. 353 Vgl. allgemein zu diesen Anforderungen BVerfGE 68, 193 (218); 70, 1 (28); 94, 372 (390); BSGE 80, 256 (261); BSG SozR 3–2500, § 103 Nr. 2, S. 11 ff.; Bauer, Verfassungsstaat zwischen Ohnmacht und Aktionismus, S. 8 ff.; Kluth, JA 1999, 606 ff.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Insbesondere die Parallele von (öffentlich veranlasster) Zulassungssperre und (der privaten Ordnung354 geschuldetem) Arbeitsplatzmangel in bestimmten Orten ist irreführend. Sie verkennt die unterschiedlichen Ursachen der Niederlassungsbeschränkung. Geht sie bei Arbeitsplatzmangel auf marktbedingte und somit staatsexterne Ursachen zurück, so ist eine Zulassungssperre eine finale Beschränkung355 der ärztlichen Niederlassungsfreiheit.356 Die öffentliche Hand kann sich aber zur Rechtfertigung ihrer Eingriffe bzw. für die Formulierung von Anforderungen an dieselben nicht auf Mechanismen berufen, die in der staatsexternen Sphäre wirken. Dies würde die besondere Bindung der öffentlichen Hand an die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG überspielen. Eine Bezugnahme auf den „normalen“ Arbeitsmarkt und seine Strukturen ist deshalb abzulehnen. Doch auch schon die Ausgangsüberlegung, dass die Niederlassungsfreiheit der Berufsausübung zuzuordnen ist, ist anzuzweifeln. Denn zumindest für die hier behandelten Fälle der Zulassungssperre einzelner Planungsbereiche ist auf den Wahlcharakter, nicht aber auf den Ausübungscharakter der Berufsfreiheit abzustellen.357 Auch das Bundesverfassungsgericht betont den Wahlcharakter der Niederlassungsfreiheit bzw. der Arbeitsplatzwahl.358 Dies ist berechtigt, denn es geht insb. bei Zulassungssperren darum, einen bestimmten Arbeitsplatz zuzuweisen oder zu verwehren. Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG stellt die Berufsausübung sowie die Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte unter grundrechtlichen Schutz.359 Er unterscheidet somit grundsätzlich zwischen Berufs(ort)wahl 354 Dazu

näher Bachmann, Private Ordnung. ist der sog. klassische Eingriffs-Begriff umschrieben. Vgl. dazu Holoubek, in: Merten/Papier (Hrsg.), Grundsatzfragen der Grundrechtsdogmatik, S. 17 ff. 356 Hinzu kommt, dass sich der grundsätzlich selbständige Arzt nicht am lokalen Arbeitsmarkt orientieren muss, da er freiberuflich wirtschaftet (vgl. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 147 ff.; Kluth, MedR 2005, 65  69]) und nicht angestellt ist. 357 Zwar wird die Lehre vom einheitlichen Schutzbereich hier angezweifelt (Teil 2, Fn. 359). Die unterschiedlichen Anforderungen an Berufsausübungsregelungen, subjektive und objektive Berufszulassungsregelungen hingegen sind logisch. Denn auch wenn wie hier zwischen einem einfachen Gesetzesvorbehalt für Berufsausübungsregelungen sowie verfassungsimmanenten Schranken für Berufszulassungsregelungen differenziert wird, sind aufgrund der unterschiedlichen Eingriffsintensitäten entsprechende Anforderungen an die Eingriffe zu stellen, die sich mit denen der sog. Drei-Stufen-Theorie decken, vgl. auch Bauer, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts, S. 343 (345 f. mit Fn. 9). 358 Vgl. BVerfGE 84, 133, 146: „Obwohl Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich nur Re­ gelungen der Berufsausübung, nicht auch der Berufs- und Arbeitsplatzwahl vorsieht, gilt für die Arbeitsplatzwahl nichts anderes als für die Berufswahl. Auch sie unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, die freilich dem hohen Rang der Wahlfreiheit, wie er in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, Rechnung tragen müssen.“ 359 Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Lehre vom einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, die die Grundlage der sog. Drei-Stufen-Theorie darstellt und den ein­ fachen Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG entgegen Wortlaut und Systematik auch auf die Berufswahl erstreckt, ist aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend. So ist der 355 Damit

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und Berufsausübung.360 In dieser grundsätzlichen Zweiteilung der Berufsfreiheit überwiegt der Wahlcharakter der Niederlassungsfreiheit und ist auch systematisch im Wahlschwerpunkt361 der Berufsfreiheit verortet, da es um den konkreten Ort der Niederlassung geht, für den sich der Arzt entscheidet. Dass bei der Niederlassungsfreiheit der Wahlaspekt in den Vordergrund zu stellen ist, gilt umso mehr, wenn eine Beschränkung der Freiheit der Berufsniederlassung anhand von Kriterien, die der Einzelne nicht beeinflussen kann (etwa die Sperrung eines Gebietes wegen der Unterversorgung eines anderen Gebietes) erfolgt. Damit wird nicht der besondere Charakter der Wahl des Arbeitsplatzes in Abrede gestellt, die sich zwischen Berufsausübung und Berufswahl bewegt. Allerdings ist zumindest für Fälle der Zulassungssperren, die die Niederlassung an einem bestimmten Ort aufgrund von Kriterien untersagt, die der Einzelne nicht beeinflussen kann, der Wahl­ charakter in den Fokus zu rücken, um der Schwere des Eingriffs auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung gerecht zu werden.362 Denn die Sperrung eines Planungsbereiches weist eine erhebliche Eingriffsqualität auf. Die Möglichkeit, für andere Planungsbereiche eine Zulassung zu erhalten, ist nur eine Abmilderung des Eingriffs.363 Bei der Zulassungssperre eines Planungsbereichs wegen Unterversorgung eines anderen Planungsbereichs liegt somit eine Regelung vor, die sich aufgrund ihrer Mehrwert der Theorie gegenüber einer mit dem Wortlaut der Verfassung besser zu verein­ barenden Auslegung im Sinne der verfassungsunmittelbaren Schranken (Eingriffe in die Berufswahl nur zugunsten von Rechtsgütern von Verfassungsrang, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 316) zweifelhaft. Das Bundesverfassungsgericht trägt dem Wortlaut zwar im Rahmen der Angemessenheitsprüfung Rechnung, indem an die Eingriffe unterschiedlich strenge Anforderungen gestellt werden. Jedoch erscheint bereits eine wortlautkonforme Auslegung der Eingriffsmöglichkeit als vorzugswürdig, weil das Gericht in seiner ApothekenEntscheidung davon ausging, dass ein Eingriff in die Berufswahl nicht zulässig ist, wenn der einfache Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht auch auf diesen Bereich Anwendung finden würde (BVerfGE 7, 377 [401]). Dies ist jedoch durch die Konstruktion der verfassungsunmittelbaren Schranken überholt, da die Grundrechte auch dann nicht schrankenlos gelten, wenn sie keinem Gesetzesvorbehalt unterliegen, vgl. Bauer, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, S. 343 (345 f. mit Fn. 9). Zur weiteren Kritik an der berufsgrundrechtlichen Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts vgl. bspw. Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 199 ff.; Brüning, JZ 2009, 29 (31); Thye, Der Apotheker in seiner Apotheke, S. 21; Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 177 ff. (insb. S. 182 ff.). 360 Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 1. 361 Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG. 362 Im Ergebnis unterscheiden sich die beiden Ansichten nicht. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch die hier vertretene Auffassung kommen zur Anwendung der Anforderungen, die objektive Zulassungsschranken an einen Eingriff in die Berufsfreiheit stellen, da aufgrund der besonderen Eingriffsqualität die Anforderungen an Zulassungssperren zur Anwendung kommen, die auch für Berufswahlregelungen gelten, vgl. BVerfG MedR 2001, 639. 363 Dabei wird jedoch zu differenzieren sein, wie weit der gewünschte, aber gesperrte Zu­ lassungsort, an dem der Vertragsarzt seinen Wohnsitz wählen will und der mögliche Zulassungsort auseinander liegen. Insbesondere ist darauf abzustellen, ob der Vertragsarzt seinen Wohnsitz in dem ursprünglich gewünschten, aber gesperrten Zulassungsbereich nehmen kann, oder ob dies mit seiner Pflicht, am Bereitschafts- und Notfalldienst teilzunehmen, kollidiert.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Eingriffsintensität vor den Maßstäben der objektiven Berufszulassungsregeln rechtfertigen muss. Sie ist mithin entgegen dem BSG nur zur Abwehr dringender oder mit hoher Wahrscheinlichkeit drohender Gefahren für ein überragend wichtiges Gut der Gemeinschaft zulässig.364 (2) Anwendung des Prüfungsmaßstabs auf Zulassungssperren Nachdem der Prüfungsmaßstab festgelegt wurde, ist dieser auf Zulassungs­ sperren gem. § 100 Abs. 2 SGB V anzuwenden. Die Zulassungssperren sind nur zur Verfolgung der genannten Zwecke zulässig. Zudem müssen sie geeignet und erforderlich zur Zweckerreichung sein. Schließlich dürfen verfolgter Zweck und Freiheitsbeeinträchtigung nicht außer Verhältnis stehen. Zunächst muss die flächendeckende Gesundheitsversorgung einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellen. Die Unterversorgung eines Gebietes ist eine erhebliche Fehlfunktion des Gesundheitssystems, die als Marktversagen bezeichnet werden kann: „Von einem Marktversagen kann in einem weiteren Sinne immer dann gesprochen werden, wenn der Markt nicht die gesellschaftlich erwünschten Leistungen erbringt.“365 Zudem wird auf die allokationseffiziente Verteilung von Gütern hingewiesen, die bei Marktversagen nicht gegeben sei.366 Die Gesellschaft und der Gesetzgeber erwarten vom Gesundheitssystem die aus­ reichende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen, die bei Unterversorgung nicht gegeben ist. Die Unterversorgung eines bestimmten Gebietes gefährdet den ausreichenden Zugang der Versicherten zu medizinischen Leistungen. Die Sperrung der Zu­ lassungsbezirke, die nicht von der Unterversorgung betroffen sind, ist als letztes Mittel vorgesehen, um die Versicherten wirksam in die Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Nur wenn die oben dargestellten Maßnahmen die Unterversorgung nicht beseitigen können, soll durch die Anordnung von Zulassungssperren bewirkt werden, dass sich die niederlassungswilligen Vertragsärzte am Bedarf der Ver­ sicherten orientieren und sich in der unterversorgten Region niederlassen. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Pflichtversicherung, die die Äquivalenz von Beitrag und Leistung verlangt,367 sowie in Anbetracht der Tatsache, dass die Gesundheits 364 Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfGE 7, 377 (401 ff.); 102, 197 (214); 75, 284 (269); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 50; Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Art. 2, Rn. 39. 365 Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (15 mit Fn. 16). Marktversagen kann u. a. dadurch bedingt sein, dass der Markt unvermeidbar unvollkommen ist, was durch eine bestimmte Nachfrageerwartung hervorgerufen wird. Kluth nennt als Beispiel die flächendeckende Versorgung zu sozialverträglichen ­Konditionen. 366 Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 19. 367 Vgl. BVerfGE 115, 25 (44); Schmidt-De Caluwe, SGb 2006, 619 (620). Zur Kritik vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 421 ff., sowie ders., NVwZ 2006, 771 ff. Vertiefend oben, Teil 2, Kap. 2, B. II. 1.

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versorgung als öffentliche Aufgabe ausgestaltet ist, ist die tatsächliche Einbeziehung aller Versicherten in die medizinische Versorgung der GKV ein überragend wichtiges Gut.368 Es wird der Schutz der Gesundheit der Versicherten angestrebt, der verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 GG (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip) verankert ist. Außerdem ist die Anordnung von Zulassungssperren in regulär versorgten Gebieten prima facie zur Zweckverfolgung geeignet, da sie es vermag, die Wiederherstellung der regulären Versorgung in unterversorgten Gebieten zu fördern. Wenn andere Planungsbereiche für die Zulassung niederlassungswilliger Ärzte gesperrt sind, haben diese Ärzte weiterhin die Möglichkeit, sich in den unterversorgten Gebieten niederzulassen. Dadurch wird die Niederlassung gezielt in defizitär versorgte Regionen gelenkt. Es bedarf jedoch einer empirischen Überprüfung der Zulassungssperren. Darüber hinaus muss die Zulassungssperre erforderlich in dem Sinne sein, dass kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Herstellung der regulären vertragsärztlichen Versorgung existiert.369 Die Zulassungssperre ist als ultima ratio ausgestaltet, die erst dann eingreift, wenn alle anderen Maßnahmen keinen Erfolg zeitigen. Das Gesetz sieht somit eine Stufung vor und verlangt, alle milderen, eventuell besser geeigneten Maßnahmen vorrangig anzuwenden. Sind alle Instrumente vorrangig zum Einsatz gekommen, so gibt es keine gleich geeignete, weniger einschneidende Maßnahme, um die reguläre Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Das setzt jedoch voraus, dass die Landesausschüsse den KV ausreichend Zeit lassen, damit sie die milderen Mittel ausprobieren und auswerten können. § 100 Abs. 2 SGB V impliziert somit ein Stillhalte-Gebot für die Landesausschüsse. Ohne dieses würde der Charakter der Zulassungssperren als ultima ratio verschüttet. Ein weiterer Ausdruck der Erforderlichkeit war die Regelung des § 87 Abs. 7 S. 2 SGB V a. F., wonach der Gesetzgeber die Steuerung des vertragsärztlichen Niederlassungsverhaltens daraufhin überprüfen wollte, ob durch Vergütungsanreize die Erforderlichkeit der Zulassungsbeschränkungen entfällt.370 Dies war verfassungsrechtlich angezeigt, denn die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit als Berufswahlregelung darf erst erfolgen, wenn mildere Mittel (Berufsausübungsregelungen) keinen Erfolg haben.371

368 Das Bundesverfassungsgericht sieht die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung als über-

ragend wichtiges Gemeingut an, vgl. BVerfGE 78, 179 (192); BVerfG MedR 2001, 639 f. Zur „Volksgesundheit“ als überragend wichtigem Gemeinschaftsgut vgl. BVerfGE 7, 377 (414); BVerwGE 65, 323 (339). 369 Zur Definition vgl. BVerfGE 30, 292 (316). 370 Vgl. zur Regelung des § 87 Abs. 2e, Abs. 7 SGB V a. F. unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. h) bb). 371 Grundlegend BVerfGE 11, 30 (47 f.): Vorrang von Anreizen gegenüber der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.

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Schließlich muss die Anordnung von Zulassungssperren für die regulär versorgten Planungsbereiche (und die damit verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit) in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Die Freiheit der Wahl des Arbeitsortes wird durch die Anordnung von Zulassungssperren zwar berührt, indem sich der betroffene niederlassungswillige Arzt nicht an dem von ihm gewünschten Ort niederlassen kann. Allerdings ist die Anordnung von Zulassungsschranken territorial zumindest auf das Gebiet beschränkt, über das der Landesausschuss zu entscheiden hat. Die betroffenen Ärzte werden deshalb nicht per se von der Teilnahme an der Gesundheitsversorgung der Versicherten ausgeschlossen, sondern ihre Tätigkeit in einen bestimmten Raum gesteuert. Die Ärzte können sich in allen Zulassungsbezirken niederlassen, für die eine Zulassungssperre bislang nicht angeordnet wurde. Auf der anderen Seite steht die reguläre Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen. Diese Versorgung wird durch das Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG, das medizinische Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip), den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip und den Grundsatz der Äquivalenz von Beitrag und Leistung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip) gefordert.372 Es muss zumindest eine gleiche, ausreichende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gewährleistet sein. Der Gesetzgeber wird deshalb durch die Verfassung dazu verpflichtet, die Gesundheitsversorgung seiner Bürger sicherzustellen. Zudem ist das gegenwärtige Pflichtversicherungssystem als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu werten, der sich durch eine gleichmäßige Gesundheitsversorgung der Versicherten und die Äquivalenz von Beitrag und Leistung rechtfertigt. Das Bestehen von Unterversorgung bei gleichzeitiger Versicherungspflicht vermag es in bestimmten Fällen, die Äquivalenz von Beitrag und Leistung aufzuheben. Die Versicherungspflicht ist in diesem Fall nicht mehr gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat in diesem Fall zwei Möglichkeiten: Entweder stellt er eine angemessene Gesundheitsversorgung sicher oder er hebt die Versicherungspflicht für die von der Unterversorgung betroffenen Versicherten auf. Die zweite Möglichkeit kollidiert jedoch mit dem verfassungsrechtlich verbürgten medizinischen Existenzminimum, wenn die Aufhebung der Versicherungspflicht dazu führt, dass die Betroffenen von einer medizinischen Mindestversorgung ausgeschlossen sind. Vor diesem Hintergrund ist die örtlich beschränkte Zulassungssperre regulär versorgter Planungsbereiche gegenüber der regulären Versorgung der Versicherten von geringerem Gewicht. Dies wird durch die Möglichkeit der Zulassungsausschüsse bestärkt, gem. § 16 Abs. 5 Ärzte-ZV, Ausnahmen von den Zulassungs­ beschränkungen vorzusehen, wenn eine andere Entscheidung eine unbillige Härte darstellen würde. Auf diese Weise können unzumutbare Beeinträchtigungen der 372 Dazu

ausführlich oben, Teil 2, Kap. 2, B. I. 2., II., IV.

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niederlassungswilligen Ärzte durch die Ausführung der sozialrechtlichen Vorschriften im Einzelfall vermieden werden. Zudem wurde die in § 24 Ärzte-ZV a. F. normierte Residenzpflicht der Vertragsärzte am Ort der Niederlassung aufgehoben. Dadurch wird die Schwere des Eingriffs abgemildert, indem der Arzt seinen Wohnsitz nicht am Ort seines Arztsitzes nehmen muss und sich privat in einer attraktiveren Gegend niederlassen kann. Da den Vertragsärzten vor diesem Hintergrund eine große Auswahl an Niederlassungsorten verbleibt und es eine Härteklausel gibt, ist der Eingriff in die Wahl des Arbeitsortes im Vergleich zum Ziel der Sicherstellung der ausreichenden Gesundheitsversorgung aller Versicherten nicht als unzumutbarer Eingriff anzusehen und mithin angemessen. Deshalb ist die Anordnung von Zulassungssperren bei bestehender Unterversorgung mit der Berufsfreiheit vereinbar.373 cc) Rechtmäßigkeit des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV § 100 Abs. 2 SGB V wird insbesondere hinsichtlich des Verfahrens durch § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV konkretisiert, wobei § 16 Abs. 3 Ärzte-ZV anders als § 100 Abs. 2 SGB V die Anordnung von Zulassungssperren bereits bei drohender Unterversorgung vorsieht. § 100 Abs. 2 SGB V gestattet die Anordnung der Zulassungssperren nur bei eingetretener und anhaltender Unterversorgung. Die Rechtmäßigkeit des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV wird deshalb vor dem Hintergrund des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und der in Art. 80 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Gesetzesakzessorietät374 der Verordnung375 in Zweifel gezogen.376 Rechtsverordnungen müssen sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage bewegen und daher die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage beachten.377 Allerdings ordnet das BSG die Ärzte-ZV zu großen Teilen nicht als Rechtsverordnung, sondern als Gesetz im formellen Sinne ein.378 Es begründet dies damit, 373 Grundlegend zur Vereinbarkeit von Zulassungssperren mit dem Grundgesetz BSG SozR 3-2500 § 103 Nr. 2, S. 11 ff. Vgl. auch Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 100, Rn. 7, der die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen bei Unterversorgung gegenüber Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung als verfassungsrechtlich weniger problematisch ansieht. 374 Begriff bei Schmidt-Aßmann, FS Vogel, S. 477 (487 ff.). 375 Zu den Anforderungen, die an Rechtsverordnungen zu stellen sind, vgl. Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20, Rn. 19; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 103, Rn. 17 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 80, Rn.  14 ff.; Schmidt-Aßmann, FS Vogel, S. 477 (487 ff.). 376 Vgl. Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 36 f.; Francke, in: Wannagat (Hrsg.), SGB V, § 100, Rn. 5. 377 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13, Rn. 14. Vgl. den Grundsatz bereits bei Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 68: „Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor.“ 378 BSG MedR 2004, 114 (115).

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

dass der Gesetzgeber verschiedene Änderungen an der Ärzte-ZV durch formelle Gesetze vorgenommen habe und die so geänderten Vorschriften der Ärzte-ZV dadurch am Rang des formellen Gesetzes teilnähmen.379 Aber auch die Vorschriften der Ärzte-ZV, die nicht durch formelles Gesetz geändert worden seien, hätten den Rang eines formellen Gesetzes, wenn der Gesetzgeber sie durch die Änderung der Ärzte-ZV in seinen Willen aufnehme.380 Da der hier interessierende § 16 Ärzte-ZV durch das GKV-WSG geändert wurde,381 hat die Vorschrift unter Zugrundelegung der Auffassung des BSG den Rang eines formellen Gesetzes und zwar in ihrer gesamten Fassung, da auch die unveränderten Teile der Vorschrift in einem so engen Zusammenhang mit den vorgenommenen Änderungen stehen, dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Vorschrift nach Maßgabe der Kriterien des BSG in seinen Willen aufgenommen hat. Trotzdem wird § 16 Ärzte-ZV anhand des SGB V überprüft und für teilweise rechtswidrig erklärt,382 was voraussetzt, dass § 16 Ärzte-ZV einen niedrigeren Rang hat als das SGB V. Nachfolgend werden die Frage nach der Vereinbarkeit von § 16 Abs. 3, 4 ÄrzteZV mit dem SGB V gestellt und verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Diese orientieren sich an den unterschiedlichen Ausgangspunkten in Literatur und Rechtsprechung über den Charakter der Ärzte-ZV. Zunächst wird eine Lösung anhand des Befundes gesucht, dass die Ärzte-ZV eine Rechtsverordnung darstellt, deren Rechtmäßigkeit davon abhängig ist, dass sie im Einklang mit den Vorschriften des SGB V steht. Im Anschluss daran wird der Rechtsprechung Rechnung getragen, die den hier relevanten Vorschriften der Ärzte-ZV den Rang eines formellen Gesetzes einräumt. Dabei ist zu fragen, inwieweit die Rechtmäßigkeit der Ärzte-ZV überhaupt am Maßstab des SGB V überprüft werden kann und ggf. eine alternative Lösung zu suchen. (1) Darstellung des Problems § 100 Abs. 2 SGB V verlangt die andauernde Unterversorgung eines Zulassungsbezirks. § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV hingegen lässt (im Einklang mit dem Wortlaut des § 104 SGB V) die in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung für die Anordnung von Zulassungssperren genügen. Die Landesausschüsse dürfen nach § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV Zulassungssperren bei in absehbarer Zeit drohender Unterversorgung anordnen, nach § 100 Abs. 2 SGB V ist dies nicht möglich, weshalb das gleiche Verhalten (der Landesausschüsse) sowohl verboten als auch erlaubt ist. Somit liegt ein Normkonflikt vor, der sich dadurch auszeichnet, dass eine Norm 379 BSG

MedR 2004, 114 (115). MedR 2004, 114 (115) mit Verweis auf BVerfG DVBl 2003, 1148 (1149). 381 Art. 21 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007, BGBl. I S. 378. 382 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 37. 380 BSG

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ein bestimmtes Verhalten untersagt, die andere Norm es hingegen ge­stattet.383 Ein Normkonflikt nagt an den Grundlagen der Rechtsordnung, da er ihre Widerspruchsfreiheit in Frage stellt.384 Welcher der sich widersprechenden Regelungen ist der Vorzug zu geben? Dabei ist jedoch bereits fraglich, ob das Problem tatsächlich besteht. Dies wäre nicht der Fall, wenn das SGB V sowohl die drohende als auch die eingetretene Unterversorgung als Unterversorgung bezeichnet. In diesem Fall wäre auch die absehbare Unterversorgung (mithin die erst drohende Unterversorgung) als Unterversorgung im Sinne des Gesetzes zu bezeichnen; § 100 Abs. 2 SGB V und § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV würden dann keine unterschiedlichen Regelungen treffen, sodass kein Normkonflikt vorläge. Dafür sprechen die Systematik des § 100 Abs. 1 SGB V, der unter der Überschrift „Unterversorgung“ steht, sowie die Tatsache, dass die Sicherstellungsinstrumente gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB V an die Feststellung gem. § 100 Abs. 1 SGB V und somit auch an die Feststellung der in absehbaren Zeit drohenden Unterversorgung anknüpfen. Da sich § 100 Abs. 2 SGB V ausdrücklich auf § 105 Abs. 1 SGB V bezieht, liegt es nahe, dass von der andauernden Unterversorgung auch die unmittelbar bevorstehende Unterversorgung erfasst sein soll. Dies würde die Effektivität der Zulassungssperren gem. § 100 Abs. 2 SGB V erhöhen, da bereits frühzeitig durch ein starkes Mittel der Verhaltenslenkung eingegriffen werden kann, so dass die Unterversorgung nicht eintritt. Aus dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG lässt sich keine konkrete Aussage entnehmen, die für die Lösung des Problems förderlich wäre. Er begründet nur die Änderung des Wortes „unmittelbar“ in „in absehbarer Zeit“ in § 100 Abs. 1 SGB V, die eine Verringerung der Anforderungen an einen Feststellungsbeschluss bedeuten sollte.385 Allerdings ist unklar, weshalb die Anforderungen an einen Feststellungsbeschluss abgesenkt werden sollen, wenn weiterhin bestimmte Maßnahmen von der erleichterten Anwendbarkeit ausgeschlossen sind. Gegen eine Ausweitung des Begriffs der Unterversorgung auch auf die drohende Unterversorgung sprechen die Systematik des Gesetzes und der Wortlaut des § 100 Abs. 1, 2 SGB V. § 100 Abs. 1 SGB V beauftragt die KV über den Landesausschuss, bestimmte Maßnahmen zur Beseitigung oder Abwendung bestehender oder drohender Unterversorgung zu ergreifen. § 100 Abs. 2 SGB V hingegen erfasst nur Maßnahmen der Landesausschüsse im Fall der andauernden Unterver 383 Vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 46 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 117; Ischebeck, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen i. S. v. § 266a Abs. 1 StGB während der materiellen Insolvenz der GmbH, S. 112. Die zitierten Autoren verwenden jedoch den Begriff des Normwiderspruchs. 384 Vgl. Ischebeck, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen i. S. v. § 266a Abs. 1 StGB während der materiellen Insolvenz der GmbH, S. 119. 385 BT-Drucks. 16/447, S. 45.

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sorgung und spricht explizit davon, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet werden kann und dieser Zustand andauert. Das ist bei in absehbarer Zeit drohender Unterversorgung gerade nicht der Fall, da die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung noch gewährleistet wird, weil die Unterversorgung noch nicht eingetreten ist. Da das SGB V an anderen Stellen die drohende Unterversorgung ausdrücklich aufgreift,386 verwendet das Gesetz den Begriff der drohenden Unterversorgung speziell und fasst ihn gerade nicht unter den Terminus der Unterversorgung. Deshalb ist die Differenzierung in eingetretene und in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung ernst zu nehmen. Die in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung ist nur für die Maßnahmen der KV gem. § 105 Abs. 1 SGB V und solche Maßnahmen relevant, die das SGB V ausdrücklich auch auf die drohende Unterversorgung erstreckt. Davon ist bei der Anordnung von Zulassungssperren durch die Landesausschüsse gem. § 100 Abs. 2 SGB V nicht auszugehen, da sie voraussetzt, dass die Unterversorgung noch andauert. Das bedeutet, dass die Zulassungssperren gem. § 100 Abs. 2 SGB V nur bei eingetretener Unterversorgung angeordnet werden dürfen, was deren Charakter als ultima ratio unterstreicht. Davon weicht die Regelung des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV ab. (2) § 104 Abs. 1 SGB V als Verordnungsvorbehalt? Diese Abweichung ist dann zulässig, wenn in der Ermächtigung des § 104 Abs. 1 SGB V ein sog. Verordnungsvorbehalt zu erblicken ist. Davon ist auszugehen, wenn das Gesetz dazu ermächtigt, dass die Rechtsverordnung von einzelnen Vorschriften des Gesetzes abweichen darf.387 § 104 Abs. 1 SGB V ermöglicht die subsidiäre Zulassungsbeschränkung auch dann, wenn die Unterversorgung bloß einzutreten droht. Daher weicht bereits die Ermächtigungsgrundlage von der gesetzlichen Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V ab. Es stellt sich deshalb die Frage, ob § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV tatsächlich gegen das Gesetz verstößt, oder ob das SGB V die Sperrung von regulär versorgten Zulassungsbezirken bereits dann gestattet, wenn in einem Zulassungsbezirk bloß eine drohende Unterversorgung zu verzeichnen ist. Dafür spricht der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage (§ 104 Abs. 1 SGB V). Allerdings wird § 100 Abs. 2 SGB V teilweise als materielle Ermächtigungsrundlage für § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV aufgefasst. Die Differenzierung Flints, der zwischen der formellen Ermächtigung (§ 104 Abs. 1 SGB V) und dem materiel 386 So in §§ 105, 87 Abs. 2e S. 1 lit. b SGB V a. F. Die Orientierungswerte für Unterver­ sorgung und drohende Unterversorgung sollten die der Regelversorgung regelmäßig übersteigen, § 87 Abs. 2e S. 1, 2 SGB V a. F.; dazu unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. g) bb). 387 Vgl. BVerfGE 8, 155 (171); Bryde, in: Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 80, Rn. 3; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 663 f.; Pieroth, in: ­Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 80, Rn. 14.

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len Anknüpfungspunkt für die Ermächtigung (§ 100 Abs. 2 SGB V) unterscheidet388 und deshalb davon ausgeht, dass § 100 Abs. 2 SGB V die inhaltlichen Vorgaben für die Ärzte-ZV macht, überzeugt aber nicht. Vielmehr entspricht es dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 SGB V, wenn die Verordnungsermächtigung so ausgelegt wird, dass die Sperrung von Zulassungsbezirken bereits bei drohender Unterversorgung durch den Verordnungsgeber geregelt werden kann. Denn diese Vorschrift überweist es an die Ärzte-ZV, die Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungssperren festzulegen und nimmt dabei keinen Bezug auf § 100 Abs. 2 SGB V. Als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Ärzte-ZV ist allein § 98 SGB V anzusehen,389 der speziell durch § 104 Abs. 1 SGB V ergänzt wird.390 Für eine weitere, wenn auch nur materielle, Ermächtigungsgrundlage in § 100 Abs. 2 SGB V besteht kein Anhaltspunkt. Es besteht somit bereits ein Spannungsverhältnis auf der Ebene des SGB V, das sich in einem Normkonflikt zwischen § 100 Abs. 2 SGB V und § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV fortsetzt. (3) Verfassungsrechtliche Aspekte § 104 Abs. 1 SGB V und §§ 15 f. Ärzte-ZV beachten die Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG, indem die Regelungsinhalte der Ärzte-ZV durch die Ermächtigungsnorm hinreichend bestimmt sind. § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV hält sich im Rahmen des Wortlautes der Verordnungsermächtigung des § 104 Abs. 1 SGB V. Die Zulassungssperren verstoßen grundsätzlich nicht gegen die Freiheit der Berufswahl.391 Es stellt sich aber die Frage, ob das Spannungsverhältnis durch restrik­tive Auslegung des § 104 Abs. 1 SGB V zu lösen ist. Denn die Sperrung von regulär versorgten Zulassungsbezirken in solchen Fällen, in denen sich die Unterversorgung eines anderen Zulassungsbezirks oder Gebietes erst abzeichnet, könnte einen Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit darstellen.392 Wenn die Anordnung von Zulassungssperren in regulär versorgten Gebieten bei drohender Unterversorgung eines anderen Gebiets gegen die Freiheit des Berufs verstößt, dann ist der Normkonflikt zugunsten des § 100 Abs. 2 SGB V zu lösen und die Verordnungsermächtigung des § 104 Abs. 1 SGB V entsprechend restriktiv zu interpretieren. Die Regelung des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV wäre dann rechts- und verfassungswidrig und mithin nichtig.393 Die Vorschriften könnten dann keine Beachtung mehr verlangen.

388 Flint,

in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 37. Joussen, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 98, Rn. 1 f. 390 Francke, in: Wannagat (Hrsg.), SGB V, § 104, Rn. 1. 391 Vgl. oben, Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. c) bb). 392 Angedeutet bei Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 37. 393 Vgl. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 103, Rn. 79. 389 Vgl.

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Ein Eingriff in die Berufswahl ist auch dann zulässig, wenn dadurch eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinwohlgut abgewendet werden kann.394 Wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, ohne dass sich die Versorgungslage nachweisbar entspannt, ist davon auszugehen, dass die ergriffenen Maßnahmen keinen Erfolg gezeigt haben. Dies lässt sich insbesondere daran ablesen, ob die ausgeschriebenen Vertragsarztsitze besetzt wurden. Ist dies nicht der Fall, so schließt es Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus, dass schon bei einer drohenden Unterversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet werden.395 Vielmehr würde es eine erhebliche Gefährdung der Gesundheitsversorgung der Versicherten bedeuten, wenn die Zulassungsbeschränkungen erst angeordnet werden könnten, sobald die Unterversorgung tatsächlich eintritt. Dies hieße, dass die zuständigen Stellen ein geeignetes Instrument solange zurückhalten müssten, bis ein verfassungsrechtlich unerwünschter Zustand eintritt, um diesen dann mit geeigneten Mitteln zu beseitigen. Vor dem Hintergrund der Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit ist jedoch zu bedenken, dass an den Begriff der drohenden Unterversorgung erhebliche Anforderungen zu stellen sind. Die drohende Unterversorgung muss eine erhebliche Gefährdung der medizinischen Versorgung der Versicherten bedeuten. Die bloße Unterschreitung der regulären Versorgung genügt dafür nicht, wofür auch die Ausgestaltung der Zulassungssperren als ultima ratio spricht. Vielmehr muss sich die Versorgungslage am Rand der Unterversorgung bewegen, so dass jederzeit eine Unterversorgung eintreten könnte. Unter diesen Voraussetzungen verstößt die Regelung des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV nicht gegen die Verfassung. Auf diesem Wege ergibt sich somit keine Lösung des Normkonflikts. (4) Einschränkung des § 104 Abs. 1 SGB V aus teleologischen und rechtslogischen Gründen Der Gesetzgeber gestattet es dem Verordnungsgeber nach dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 SGB V, Zulassungssperren auch bei drohender Unterversorgung vorzusehen und setzt sich damit in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V. Denn auch wenn die Ärzte-ZV den Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage entspricht, setzt sie sich doch in Konflikt mit einer höherrangigen Rechtsnorm, nämlich § 100 Abs. 2 SGB V. Der Gesetzgeber kann aber dem Verordnungsgeber nicht die Freiheit lassen wollen, gegen höherrangiges Recht zu verstoßen. Deshalb muss die Lösung des Konflikts auf der Ebene des SGB V gesucht werden. Um den Widerspruch aufzulösen, ist die Verordnungs­ ermächtigung des § 104 Abs. 1 SGB V dahingehend auszulegen, dass die Verord 394 Vgl. BVerfGE 102, 197 (214); 75, 284 (269); Breuer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VI (Hrsg.), § 148, Rn. 50; Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Art. 2, Rn. 39. 395 A. A., allerdings ohne nähere Begründung Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 37.

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nung den Landesausschüssen zu untersagen hat, Zulassungssperren bei bloß drohender Unterversorgung anzuordnen. § 104 Abs. 1 SGB V verlangt demnach vom Verordnungsgeber eine Regelung, die festlegt, dass eine Zulassungssperre bei in absehbarer Zeit bevorstehender Unterversorgung nicht angeordnet werden darf. Damit wird der Wortlaut des § 104 Abs. 1 SGB V respektiert und das Spannungsverhältnis innerhalb des SGB V aufgelöst. Dies entspricht im Großen und Ganzen dem Ergebnis des hier kritisierten Ansatzes Flints. Allerdings ist der Begründungsansatz ein anderer, da es keiner Konstruktion einer materiellen Ermächtigungsgrundlage bedarf, die über § 104 Abs. 1 SGB V hinausgeht. Deshalb entspricht § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV zwar dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 SGB V, nicht jedoch dem Sinn der Vorschrift, der sich aus dem Zusammenhang mit § 100 Abs. 2 SGB V ergibt. § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV ist deshalb insofern gesetzeswidrig, als auch die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen bei bloß drohender Unterversorgung als zulässige Maßnahme angesehen wird. Die Norm ist deshalb so zu reduzieren, dass die Zulassungsbeschränkungen allein für den Fall der eingetretenen und andauernden Unterversorgung anzuordnen sind, nicht hingegen im Fall der drohenden Unterversorgung. (5) Einschränkung der gefundenen Lösung durch die Rechtsprechung des BSG? Allerdings ergibt sich aus der Rechtsprechung des BSG die Frage, ob eine solche normhierarchische Lösung überhaupt zulässig ist, da die Ärzte-ZV nach der Ansicht des Gerichts den Rang eines formellen Gesetzes hat und deshalb norm­ hierarchisch nicht unterhalb des SGB V steht. § 16 Ärzte-ZV wurde durch das GKV-WSG geändert und steht deshalb unter Zugrundelegung der Ansicht des BSG im Range eines formellen Gesetzes. Trotz teilweise laut gewordener Zweifel an der Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Änderung der Ärzte-ZV,396 soll diese Ansicht hier zugrunde gelegt und überprüft werden, wie sich der Normwiderspruch gleichrangiger Regelungen auflösen lässt. Zur Auflösung von Normkonflikten stehen grundsätzlich folgende Regeln zur Verfügung: Lex superior derogat legi inferiori, lex posterior derogat legi priori, lex specialis derogat legi generali.397 Diese Konfliktlösungsregeln sind jedoch für das hier beschriebene Problem nicht fruchtbar. Denn dass es sich um Normen unterschiedlichen Ranges handelt, 396 Krit. etwa Knittel, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 116, Rn. 2, der die fehlende Zuständigkeit des Gesetzgebers für die Änderung der ÄrzteZV rügt. Das Vorgehen des Gesetzgebers wird hingegen von Schlenker, MedR 1990, 18 (21 mit Fn. 17) und Friederichs, MedR 1990, 129 (130 f.) als verfassungsmäßig angesehen. 397 Vgl. Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 270 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 213; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 73.

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muss unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG gerade bestritten werden, sodass die lex-superior-Regel nicht zur Lösung beitragen kann. Zudem sind auch der Achte Abschnitt des SGB V sowie § 16 Ärzte-ZV nicht vom Reformeifer des Sozialgesetzgebers ausgespart worden. Sowohl § 100 SGB V als auch § 16 Ärzte-ZV sind etwa durch das GKV-WSG geändert worden,398 weshalb die lex-posterior-Regel nicht hilfreich ist.399 Zwar regeln § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV das Verfahren für die Anordnung von Zulassungssperren detailliert. Allerdings werden hinsichtlich der hier interessierenden Voraussetzungen für die Zulassungssperren keine spezielleren Vorgaben gemacht als in § 100 Abs. 2 SGB V, vielmehr wiederholt § 16 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV den Wortlaut des § 100 Abs. 2 SGB V und fügt die drohende Unterversorgung als Anordnungsgrund hinzu. Deshalb kann auch auf diesem Wege keine Lösung gefunden werden. Deshalb bleibt nur noch der Rückgriff auf die allgemeinen Grundrechts­lehren, da beide Regelungen in die Berufsfreiheit der Ärzte eingreifen. Da die Regelung des § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV bereits bei absehbarer Unterversorgung Beachtung verlangt und deshalb an den Eingriff geringere Anforderungen stellt als § 100 Abs. 2 SGB V, der nur bei bestehender Unterversorgung zum Tragen kommt, ist ein Eingriff nach § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV höheren Anforderungen unterworfen. Deshalb lässt sich hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Feld führen, da die Anordnung von Zulassungssperren als ultima ratio ausgestaltet ist und deshalb nur in einem engen Feld zur Anwendung kommen soll. Das spricht dafür, den Normkonflikt zugunsten der Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V zu lösen und eine andauernde Unterversorgung zu verlangen. Zwar wird unter bestimmten Voraussetzungen die Berufsfreiheit der Ärzte nicht verletzt, wenn Zulassungssperren bei bloß drohender Unterversorgung angeordnet werden. Dennoch ist der damit verbundene Eingriff intensiver als der Eingriff, der in der Sperrung von Planungsbereichen bei eingetretener Unterversorgung zu erblicken ist. Da sich der Gesetzgeber für zwei verschieden intensive Eingriffe eines vergleichbaren Lebenssachverhalts entschieden hat, ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die mildere Regelung abzustellen und dieser der Vorzug zu geben, gerade weil bei bloß drohender Unterversorgung mehr Möglichkeiten der KV und Kommunen bestehen, zumindest die verbliebenen Ärzte zum Bleiben zu motivieren und neue Ärzte für eine Niederlassung in der dem betroffenen Gebiet zu gewinnen. Zwar wird der Ansatz, Normkonflikte unter Rückgriff auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu lösen, wenn keine andere Möglichkeit der Entflechtung besteht, (für das Verhältnis von Zivilrecht und Strafrecht) kritisch betrachtet, da 398 § 100 SGB V wurde durch Art. 1 des GKV-WSG, § 16 Ärzte-ZV durch Art. 21 GKV-WSG geändert. 399 Es soll nur erwähnt werden, dass die Eigenschaft der lex-posterior-Regel als Konfliktlösungsnorm bestritten wird, was hier jedoch keine Rolle spielt. Vgl. dazu Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 573; Ischebeck, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen i. S. v. § 266a Abs. 1 StGB während der materiellen Insolvenz der GmbH, S. 125.

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sich dort häufig nicht feststellen lässt, welche Norm die verhältnismäßigere ist.400 Diese Bedenken greifen hier aber nicht durch, da die Anordnung von Zulassungssperren nur bei bestehender Unterversorgung ein Grundrechtseingriff von geringerer Intensität ist als die Anordnung von Zulassungssperren bei in absehbarer Zeit eintretender Unterversorgung. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG zum Normrang der Ärzte-ZV ist deshalb der Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V der Vorzug zu geben, weshalb Zulassungssperren nur bei bestehender Unterversorgung angeordnet werden dürfen. (6) Zwischenergebnis Unabhängig davon, welcher Rang der Ärzte-ZV beigemessen wird, ist der Normkonflikt zwischen § 100 Abs. 2 SGB V und § 16 Abs. 3, 4 Ärzte-ZV zugunsten der Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V zu lösen. Deshalb ist die Anordnung von Zulassungssperren allein bei bestehender und anhaltender Unterversorgung zulässig, nicht aber bei bloß drohender Unterversorgung. d) Ausnahme von Zulassungsbeschränkungen im Fall vorheriger Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in unterversorgten Planungsbereichen, § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 SGB V Schließlich kann die Teilnahme an der Versorgung in einem unterversorgten Planungsbereich einen Wettbewerbsvorteil darstellen, wenn sich der Arzt später in einem attraktiven Planungsbereich niederlassen will, für den jedoch Zulassungssperren verhängt worden sind. Das SGB V sieht vor, dass auch in zulassungsbeschränkten Planungsbereichen eine Praxisnachfolge für ausscheidende Ärzte möglich sein soll. Bei der Nachbesetzung der Stelle soll – sofern sich mehrere Personen um den Vertragsarztsitz bewerben – der Zulassungsausschuss u. a. berücksichtigen, ob einer der Bewerber eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Abs. 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat, § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 SGB V. Ein solches Verfahren ist in der österreichischen Zulassungspraxis schon länger etabliert. Am Erfolg dieses Instruments muss jedoch gezweifelt werden. Denn zum einen ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in einem unterversorgten Planungsbereich nur ein Auswahlkriterium unter mehreren. Zum anderen sind 400 Ischebeck, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen i. S. v. § 266a Abs. 1 StGB während der materiellen Insolvenz der GmbH, S. 121 f.

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die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem unterversorgten Planungsbereich hoch. Eine fünfjährige Tätigkeit ist ein erheblicher Zeitraum. Hinzu kommt, dass Erziehungs- und Pflegezeiten nicht in den Zeitraum eingerechnet werden. Gem. § 103 Abs. 4 S. 7 SGB V verlängert sich vielmehr der Zeitraum um diese Zeiten. Ob das Instrument deshalb tatsächlich Erfolg haben wird, muss erst nachgewiesen werden. Allzu hohe Erwartungen sollten hieran jedoch nicht geknüpft werden. 2. Maßnahmen zur Sicherstellung außerhalb des Achten Titels des 4. Titels des SGB V Das Gesetz sieht außerhalb der Bedarfsplanung weitere Instrumente zur Sicherstellung der regulären vertragsärztlichen Versorgung vor. Diese sind unsystematisch im SGB V verstreut und werden teilweise in der Ärzte-ZV konkretisiert. a) Aufhebung der Altersgrenzen Bis zur Änderung des § 95 Abs. 7 SGB V durch das GKV-OrgWG401 endete die Zulassung mit dem Ablauf des Kalendervierteljahrs, in dem der Vertragsarzt das 68. Lebensjahr vollendet hatte.402 Dies galt jedoch nicht, wenn (unmittelbar drohende) Unterversorgung festgestellt wurde, § 95 Abs. 7 S. 8 SGB V a. F. Im Falle der Unterversorgung wurde in dem betroffenen Gebiet die Altersgrenze aufgehoben. Dies betraf nicht nur niedergelassene (selbständige) Vertragsärzte, sondern auch Ärzte, die an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angestellt waren sowie solche, die bei einem niedergelassenen Vertragsarzt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen, § 95 Abs. 7 S. 7, HS 1, 2 a. F.; § 95 Abs. 9 S. 4 i. V. m. § 95 Abs. 7 S. 7 SGB V a..F.403 Durch die Aufhebung der 401 Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008, BGBl. I S. 2426 (2427 f.). Zu den Änderungen, die durch das Gesetz insb. im Bereich der Hilfs- und Heilmittelbeschaffungen vorgenommen wurden vgl. Knispel, GesR 2009, 236. Zur Problematik nach altem Recht, ob bei Einzelverträgen das Vergaberecht Anwendung findet und die durch die Neufassung des § 69 SGB V geklärt werden sollte vgl. etwa Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 75 ff.; Boldt, NJW 2005, 3757; Byok, GesR 2007, 553; Gabriel, NZS 2007, 344; Hartmann/Suoglu; SGb 2007, 405; Koenig/Engelmann/Hentschel, MedR 2003, 562; Lorff, ZESAR 2007, 104. 402 Vgl. zur alten Rechtslage noch Joussen, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 95, Rn. 12; Orlowski, VSSR 2007, 157 (170 f.). Zur Verfassungsmäßigkeit der alten Fassung vgl. BVerfG NJW 1998, 1776; zur Vereinbarkeit mit Europarecht Boecken, NZS 2005, 393. Vgl. zu allen Fragen zusammenfassend BSG GesR 2008, 300 ff., das eine Vorlage an den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens abgelehnt hat. 403 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 27; Orlowski, VSSR 2007, 157 (170 f.).

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Alters­grenze in unterversorgten Gebieten sollten ältere Ärzte dazu animiert werden, weiter an der Versorgung der Versicherten teilzunehmen, damit die Versorgungsdefizite nicht noch stärker wurden. In einem unterversorgten Gebiet sollten die verbliebenen Ärzte nicht gezwungen werden, sich aufgrund ihres Alters aus der Versorgung der Versicherten zurückzuziehen. Die Aufhebung der Altersgrenze war im ursprünglichen Gesetzentwurf404 nicht vorgesehen, sondern wurde erst durch Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/ CSU und SPD405 in das Gesetz einbezogen. Somit gilt rückwirkend seit dem 01. Oktober 2008, dass die Altersgrenze von 68 Jahren aufgehoben ist. Die Ärzte können über das Alter von 68 Jahren hinaus an der Versorgung der Versicherten teilnehmen. Zur Begründung führt der Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/ CSU und SPD aus:406 „Die bisherigen Erfahrungen mit diesen Leistungserbringern, die über das 68. Lebensjahr hinaus Patientinnen und Patienten behandeln, rechtfertigen es, die Altersgrenze ganz auf­ zuheben. Die Aufhebung der Altersgrenze bedeutet für die Betreffenden mehr Planungssicherheit und mehr Gestaltungsspielraum bei der Organisation ihrer Nachfolge. Zugleich können Versorgungsprobleme vermieden werden, wenn die Betreffenden über das 68. Lebensjahr hinaus tätig bleiben, weil sie keinen Nachfolger finden.“

Der Gesetzgeber führt somit zwei Gründe für die Streichung der Altersgrenze an: zum einen die nicht eingetreten Risiken, die zur Rechtfertigung der Altersgrenze als hinreichend erachtet wurden.407 So sollten die Altersgrenzen unter anderem dazu dienen, dass der medizinische Nachwuchs bessere Chancen auf einen Vertragsarztsitz hat.408 Zum anderen geht der Gesetzgeber mittlerweile davon aus, dass eine Altersgrenze dazu führen kann, dass sich die Versorgungsgefährdung der Versicherten verstärkt. Durch die Aufhebung der Altersgrenze werden somit Versorgungslücken vermieden. Die Aufhebung der Altersgrenze für Vertragsärzte und die bei diesen angestellte Ärzte ist somit kein spezifisches Instrument zur Abwendung der Unterversorgung, weil die Altersgrenzen insgesamt abgeschafft wurden. Dennoch ist die Aufhebung der Altersgrenzen nach Ansicht des Gesetzgebers ein ­Instrument zur Sicherstellung der regulären, flächen­deckenden Gesundheitsversorgung der Versicherten.

404 BT-Drucks.

16/9559.

405 Vgl. Ausschuss-Drucks.

16(14)0413 vom 18.09.2008. 16(14)0413 vom 18.09.2008, Änderungsantrag 11. 407 Vgl. nur BVerfG NJW 1998, 1776 (1777). 408 Vgl. bloß BSG, GesR 2008, 300 (301). 406 Ausschuss-Drucks.

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b) Beschränkung des Versorgungsauftrags Das SGB V und die Ärzte-ZV sehen zudem vor, den Versorgungsauftrag in unterversorgten Gebieten auf die Hälfte zu beschränken, § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V, § 19a Ärzte-ZV. Die Begründung zum Gesetzentwurf zum GKV-WSG führt dazu aus:409 „Zur Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten (insbesondere auch zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie) sowie zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen wird nunmehr die Möglichkeit vorgesehen, den sich aus der Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer vollzeitigen Tätigkeit beschränken zu können. Der Arzt erhält in diesem Fall eine sog. „Teilzulassung“ mit beschränktem Versorgungsauftrag. Möglich ist dabei zum einen der Fall, dass ein Leistungserbringer von vornherein nur eine „Teilzulassung“ beantragt. Möglich ist zum anderen aber auch der Fall, dass ein Arzt den sich aus seiner Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag nachträglich auf die Hälfte reduzieren möchte. In beiden Fällen kann der Arzt gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt (wieder) eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag beantragen.“

Auf diese Weise kann die vertragsärztliche Tätigkeit stärker an den Bedürfnissen der Ärzte ausgerichtet werden, was zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führt. Es sollen deshalb die Ärzte in die vertragsärztliche Ver­sorgung eingebunden werden, die sich bei vollem Versorgungsauftrag z. B. aufgrund der Betreuung ihrer Kinder nicht um die Zulassung als Vertragsarzt bemühen, bzw. ihre Zulassung aufgrund der Betreuung zurückgeben würden und somit auf die Teilnahme an der Versorgung der Versicherten verzichten müssten.410 Letztlich wird damit der sich wandelnden Zusammensetzung der Ärzteschaft Rechnung getragen, da in absehbarer Zeit die Mehrheit der Ärzte weiblich sein wird; knapp 56 % der Erstmeldungen bei Ärztekammern werden von Frauen eingereicht.411 Mit der Reduzierung des Versorgungsauftrags ist zudem von einer entsprechenden Reduzierung des Rechts auf Teilnahme an der Versorgung der Versicherten auszugehen. Die teilweise zugelassenen Vertragsärzte dürfen nur ein entsprechend reduziertes Maß an Leistungen erbringen, vgl. § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. Vertragsärzte sollen nicht über ihren Versorgungsauftrag hinaus Leistungen erbringen und abrechnen.412 Durch die Möglichkeit, den Versorgungsauftrag später voll zu übernehmen, wird das Instrument zusätzlich attraktiv gestaltet, da die Ärzte nicht dauerhaft innerhalb des reduzierten Versorgungsauftrags tätig werden müssen. Sobald es die fami­liäre Situation ermöglicht, können sie den vollen Versorgungsauftrag wahrnehmen, 409 BT-Drucks.

16/2747, S. 21 f. (Begründung zu Art. 1 Nr. 5 lit. c). in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 28. Für Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ergibt sich aufgrund der Schulpflicht der Patienten zudem oftmals das Problem, dass eine Therapie nur halbtags möglich ist, vgl. Schiller/Pavlovic, MedR 2007, 86 (87). 411 Vgl. Kopetsch, DÄBl 2008, 105 (19): A-985 f. 412 Schiller/Pavlovic, MedR 2007, 86 (87). 410 Flint,

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dementsprechend mehr Versicherte betreuen und somit die Chance auf einen besseren Verdienst erhöhen. Dem reduzierten Versorgungsauftrag (mit „Rückfahrkarte“) liegt somit das Ziel zugrunde, dass in einer von Unterversorgung betroffenen oder bedrohten Region jeder Arzt gehalten bzw. angesiedelt werden muss, um die Versicherten ausreichend von dem Gesundheitssystem profitieren zu lassen.413 Allerdings ist auch die Kehrseite dieses Instruments zu beachten: Der reduzierte Versorgungsauftrag bedeutet auch die geringere Versorgung der Ver­sicherten als der volle Versorgungsauftrag. Reduzierte Versorgungsaufträge m ­ üssen deshalb in der Bedarfsplanung berücksichtigt werden, weshalb nicht bloß auf die Zahl der niedergelassenen Ärzte pro Einwohner abgestellt werden darf. Steigert sich die Akzeptanz des reduzierten Versorgungsauftrags, so ist dem im Rahmen der Bedarfsplanung Rechnung zu tragen, da ansonsten ein reales Absinken der erbring­baren Leistungen durch die zugelassene Anzahl an Vertragsärzten kaschiert ­würde.414 c) Zulassung von polnischen und ungarischen Ärzten, § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V § 95 Abs. 2a S. 1 SGB V legt als besondere Voraussetzung für die Zulassung als Vertragsarzt fest, dass der Antragssteller auf Grund des bis zum 18.06.1993 geltenden Rechts darauf vertrauen konnte, zukünftig eine Zulassung zu erhalten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Unterversorgung festgestellt ist, § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V. aa) Hintergrund der Regelung Hintergrund der Regelung sind die Assoziierungsverträge, die die (damaligen) Europäischen Gemeinschaften (und ihre Mitgliedsstaaten) mit Polen und Ungarn abgeschlossen haben. Der Zugang der Ärzte aus den Assoziierungsländern zur vertragsärztlichen Versorgung sollte begrenzt werden.415 Dies erfolgt auf dem Wege 413 Es ergeben sich jedoch evtl. Akzeptanzprobleme, wenn die teilweise Zulassung nicht übertragbar bzw. fortführungsfähig ist. Es stellt sich nämlich die Frage, ob ein Arzt mit Vollzulassung auf die Hälfte seines Versorgungsauftrages verzichten und diese Hälfte von einem Nachfolger fortführen lassen kann. Es steht somit die Verkehrsfähigkeit einer teilweisen Zulassung in Rede. Der Wortlaut des Gesetzes sagt zu einem Recht auf teilweisen Verzicht der Zulassung nichts. Vgl. zu diesem Problem Schiller/Pavlovic, MedR 2007, 86 (89 f.); Orlowski/ Halbe/Karch, Vertragsrechtsänderungsgesetz, S. 14. 414 Vgl. dazu Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens – Kurz­ fassung –, S. 101. 415 Vgl. Kruse, in: ders./Hänlein (Hrsg.), Sozialgesetzbuch  V, § 95, Rn. 30; Hess, in: ­Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V, Rn. 34a.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

des Vertrauens auf die Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da die Ärzte aus Nicht-EU-Staaten laut der Rechtslage bis zum 18.06.1993 keinen Anspruch auf eine deutsche Approbation hatten, konnten sie nicht darauf vertrauen, eine Zulassung als Vertragsarzt zu erhalten.416 Konsequenz der Norm ist, dass die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung de facto auf Ärzte mit einer Staatsangehörigkeit der Staaten beschränkt ist, die bereits zum 18.06.1993 Mitglied der Europäischen Gemeinschaften waren. § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V macht davon eine Ausnahme und gestattet eine Zulassung für Ärzte aus Polen und Ungarn in solchen Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Unterversorgung gem. § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V festgestellt hat. Ärzte aus Polen und Ungarn können deshalb als Vertragsarzt in unterversorgten Planungs­bereichen zugelassen werden. bb) Entzug der Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGB V nach Wegfall der Unterversorgung? Ob die Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGB V zu entziehen ist, wenn keine Unterversorgung mehr vorliegt, ist unklar.417 Gem. dieser Vorschrift ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Voraus­ setzung für die Zulassung ist u. a. gem. § 95 Abs. 2a S. 1 SGB V, dass der Antragssteller auf Grund der bis zum 18.06.1993 geltenden Rechtslage auf die Zulassung vertrauen konnte. Von dieser Voraussetzung macht § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V eine Ausnahme, sofern in dem Planungsbereich, für den der Antragssteller die Zulassung beantragt, Unterversorgung festgestellt wurde. § 95 Abs. 2a S. 2 SGB V stellt deshalb keine eigene Voraussetzung für die Zulassung dar, sie dispensiert vielmehr die Voraussetzung gem. § 95 Abs. 2a S. 1 SGB V. Da bei einem Wegfall der Unterversorgung jedoch der Dispensgrund entfällt, lebt § 95 Abs. 2a S. 1 SGB V wieder auf. Das spricht dafür, die Unterversorgung als Voraussetzung für die Zulassung zu begreifen und deshalb den Wegfall der Unterversorgung als Grund für die Ent­ ziehung der Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGB V einzuordnen. Allerdings knüpfen die typischen Entziehungsgründe am persönlichen Verhalten des Vertragsarztes an.418 Die Entziehung der Zulassung ist deshalb von ihm beeinflussbar. Dies ist beim Wegfall der Unterversorgung hingegen nicht der Fall, weshalb eine Entziehung einen besonders intensiven Eingriff in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG bzw. unter entsprechender Anwendung der Anforderungen des

416 Vgl.

Zum Hintergrund Kruse, in: ders./Hänlein (Hrsg.), Sozialgesetzbuch V, § 95, Rn. 30. in: ders./Hänlein (Hrsg.), Sozialgesetzbuch V, § 95, Rn. 81, führt den Wegfall der Unterversorgung als Entziehungsgrund nicht auf und verweist auf den Wegfall der Voraus­ setzungen des § 95 Abs. 2 SGB V. 418 Kruse, in: ders./Hänlein (Hrsg.), Sozialgesetzbuch V, § 95, Rn. 82 ff. 417 Kruse,

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Art. 12 Abs. 1 GG auf Art. 2 Abs. 1 GG in die allgemeine Handlungsfreiheit419 dieser Ärzte bedeuten würde, die als Unionsbürger den Grundsatz der Nichtdiskriminierung für sich in Anspruch nehmen können. Da die Entziehungsgründe des § 95 SGB V grundsätzlich an der Person des Arztes ansetzen, ist davon auszugehen, dass der Wegfall der Unterversorgung als nicht personenbezogener Umstand nicht die Entziehung der Zulassung rechtfertigen kann und die aufgrund der Unterversorgung zugelassenen Ärzte aus Polen und Ungarn auch dann weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen können, wenn die vertragsärztliche Versorgung wieder ausreichend sichergestellt ist. Ansonsten würde der qualitative Unterschied von Zulassung und Ermächtigung verwischt. d) Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten, § 116 SGB V, §§ 31 Abs. 1 lit. a, 31a Ärzte-ZV Krankenhausärzte sowie Ärzte, die in Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen tätig sind (stationär tätige Ärzte) können vom Zulassungsausschuss zur vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt werden, wenn sie eine abgeschlossene Weiterbildung vorweisen können, § 116 Abs. 1 S. 1 SGB V. Sie sind zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen, wenn und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten nicht sichergestellt werden kann, ohne dass die besonderen Behandlungsmethoden oder Kenntnisse der dafür geeigneten Krankenhausärzte verfügbar sind und die Ärzte die erforderliche Weiterbildung absolviert haben, § 116 S. 2 SGB V. Der Oberarzt- oder Chefarztstatus ist dafür keine Voraussetzung.420 Für die Wirksamkeit der Ermächtigung ist die Zustimmung des Einrichtungsträgers erforderlich, § 116 S. 1 SGB V.421 aa) Unterversorgung als Gegenstand der § 116 SGB V, § 31a Ärzte-ZV? § 116 S. 2 SGB V, § 31a Ärzte-ZV finden ihrem Wortlaut nach nur Anwendung, wenn ein bestimmter Qualitätsstandard gesichert werden soll (qualitativ-spezieller 419 Vgl. zum Streit, ob sich Unionsbürger auf die Bürgerrechte des Grundgesetzes berufen können oder ob die allgemeine Handlungsfreiheit (evtl. mit gehobenen Anforderungen) eingreift Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 21 einerseits, Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG-Kommentar, 2. Aufl., 2006, Bd. 1, Vorb., Rn. 115 andererseits. 420 Vgl. BT-Drucks. 11/2237, S. 201 Kruschinsky, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 7; Knittel, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB V, § 116, Rn. 4. 421 Die Ermächtigung ist gem. § 31 Abs. 8 S. 1 i. V. m. § 21 Ärzte-ZV daran geknüpft, dass der zu ermächtigende Arzt keine geistigen oder sonstige in der Person liegenden schwerwiegenden Mängel aufweist, insb., wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung (auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung) rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig war.

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Bedarf).422 Über die Ermächtigung der stationär tätigen Ärzte im Fall der Unterversorgung (quantitativ-allgemeiner Bedarf) macht der Wortlaut der Vorschriften hingegen keine Aussage. Dennoch werden die Vorschriften dahin gehend aus­gelegt, dass § 116 S. 2 SGB V, § 31a Ärzte-ZV auch den quantitativ-allgemeinen Bedarf erfassen.423 § 116 SGB V wird teilweise als einheitliche Ermächtigungsgrundlage verstanden, wobei § 116 S. 1 SGB V die persönlichen Voraussetzungen und das Verfahren, § 116 1 S. 2 SGB V hingegen die sachlichen Voraussetzungen regelt.424 Es ist nach dieser Auffassung somit für die sachlichen Voraussetzungen an die Ermächtigung auf den Wortlaut des § 116 S. 2 SGB V abzustellen.425 Mit diesem ist der quantitativ-allgemeine Bedarf jedoch schwer zu vereinbaren.426 Begründet wird die These einer einheitlichen Ermächtigungsgrundlage mit teleologischen Erwägungen, allerdings ohne nähere Begründung.427 Knittel428 und Junge429 sehen die Ermächtigung aus allgemein-quantitativen Gründen als nicht von § 116 S. 2 SGB V (und dem diese Norm konkretisierenden) § 31a Ärzte-ZV erfasst an. Eine Ermächtigung aus allgemein-quantitativen Gründen finde ihre Stütze vielmehr in § 31 Ärzte-ZV. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 116 S. 2 SGB V, der die Einbeziehung der besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Kenntnisse von hierfür geeigneten stationär tätigen Ärzte zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung der Versicherten normiert. § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV hingegen gestattet die Ermächtigung dieser 422 Hohnholz,

in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 4; Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 100, Rn. 30; Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), § 116, Rn. 16 f. 423 BSG SozR 3–2500, § 116 Nr. 4, S. 29; SozR 3–2500, § 116 Nr. 11 S. 59; SozR 3–2500, § 116 Nr. 24, S. 111 f.; Hohnholz, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 4; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar SGB V, § 116, Rn. 7; Kingreen, Beck-OK SGB V, § 116, Rn. 8. 424 Vgl. Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 4. 425 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 4. Das BSG geht bei der Einbeziehung des quantitativ-allgemeinen Bedarfs als Voraussetzung für eine Ermächtigung von § 31a Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV aus, der wortlautidentisch mit § 116 S. 2 SGB V ist, vgl. BSG, ArztR 1999, 180; SozR 3–2500 § 116 Nr. 10, Rn. 4. Das BSG stellt deshalb für den quantitativ-allgemeinen Bedarf nicht auf die Voraussetzungen des § 116 S. 1 SGB V ab, sondern vielmehr auf die des § 116 S. 2 SGB V i. V. m. § 31a Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV. Vgl. auch Knittel, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 116 SGB V, Rn. 12a. 426 Trotzdem nehmen Rspr. und Literatur zumeist an, dass § 116 S. 2 SGB V auch den allgemeinen quantitativen Bedarf umfasst, vgl. BSG SozR 3–2500, § 116 Nr. 11 S. 59; SozR 3-2500, § 116 Nr. 4, S. 29; SozR 3-2500, § 116 Nr. 24, S. 111 f.; SozR 4–2500, § 116 Nr. 4; Hohnholz, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 4; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar SGB V, § 116, Rn. 7; Kingreen, Beck-OK SGB V, § 116, Rn. 8; Becker, in: ders./ Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 17; Rothfuß, in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 31 Ärzte-ZV, Rn. 8; Wenner, GesR 2007, 337 (338). 427 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 4. 428 Knittel, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 116, Rn. 4, allerdings ohne Begründung. 429 Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 67.

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Ärzte ausdrücklich auch zur Abwendung von drohender oder bestehender Unterversorgung.430 Gegen die erste Auffassung lässt sich zudem vorbringen, dass der Wortlaut des § 116 SGB V auch die Ermächtigung im Falle eines quantitativ-allgemeinen Bedarfs erfasst, allerdings nicht im Rahmen des § 116 S. 2 SGB V, sondern in § 116 S. 1 SGB V. Denn § 116 S. 1 SGB V eröffnet generell die Möglichkeit, stationär tätige Ärzte mit einer abgeschlossenen Weiterbildung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen. Der Zulassungsausschuss hat hierbei einen Ermessensspielraum. § 116 S. 2 SGB V hingegen ordnet die Ermächtigung (als gebundene Entscheidung) dieser Ärzte an, wenn die o. g. Voraussetzungen vorliegen. Das bedeutet, dass § 116 SGB V zwei Ermächtigungstatbestände beinhaltet, die verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen (Ermessensspielraum bzw. gebundene Entscheidung), wobei S. 2 einen qualifizierten Fall der Ermächtigung regelt.431 Darum sprechen die besseren Gründe dafür, den Wortlaut des § 116 SGB V ernst zu nehmen und die Differenzierung zwischen den Rechtsfolgen zu respektieren. Die Ermächtigung zur Abwehr von Unterversorgung ist vom Wortlaut des § 116 S. 1 SGB V (und § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV) erfasst und zieht einen Ermessensspielraum des Zulassungsausschusses nach sich. Das Ermessen dürfte sich bei drohender und eingetretener Unterversorgung und der Unfruchtbarkeit anderer Sicherstellungsinstrumente allerdings auf Null reduzieren, so dass nur die Ermächtigung als ermessensfehlerfreie und somit rechtmäßige Entscheidung angesehen werden kann.432 Diese Auslegung, die einen Rechtsanspruch der stationär tätigen Ärzte nach § 116 S. 2 SGB V nur im Fall der qualitativ-speziellen Versorgung befürwortet, kann sich auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesundheits-Reformgesetzes stützen. Diese führt zur (im Entwurf als § 124 SGB V vorgesehene) Einbeziehung von (damals bloß) Krankenhausärzten in die vertragsärztliche Versorgung aus:433 „Die Regelung stellt außerdem klar, dass jeder geeignete Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung (nicht stets der Chefarzt) einen Rechtsanspruch auf Ermächtigung hat, soweit und solange eine ausreichende Versorgung der Versicherten ohne die von ihm beherrschten besonderen Methoden und Kenntnisse nicht sichergestellt ist. Beherrscht beispielsweise nur der Oberarzt eine bestimmte Behandlungsform, darf nur er, nicht sein Chefarzt, ermächtigt werden.“

Die Gesetzesbegründung nimmt somit im Zusammenhang mit dem Rechts­ anspruch auf Ermächtigung (§ 116 S. 2 SGB V) allein den qualitativ-speziellen Bedarf in den Blick. Vor diesem Hintergrund ist eine teleologische Auslegung des § 116 S. 2 SGB V dahingehend, dass diese Vorschrift auch den quantitativ-all­ gemeinen Bedarf erfasst, nicht überzeugend. Deshalb ist davon auszugehen, dass § 116 SGB V zwei Ermächtigungsgrundlagen enthält, von denen § 116 S. 1 SGB V 430 Junge,

Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 67. Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 4. 432 Zur Ermessensreduzierung vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 24 f. 433 BT-Drucks. 11/2237, S. 201. 431 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

u. a. den quantitativ-allgemeinen Bedarf, § 116 S. 2 SGB V den qualitativ-speziellen Bedarf erfasst. Eine wortlautkonforme Auslegung, die zugleich eine bessere Grundlage für die Einbeziehung des quantitativ-allgemeinen Bedarfs in § 116 SGB V darstellt, ist deshalb vorzugswürdig. Somit ist eine Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auch bei quantitativ-allgemeinem Bedarf zulässig434 und stützt sich auf § 116 S. 1 SGB V. Allerdings führt dieses Auslegungsergebnis zu Interpretationsschwierigkeiten innerhalb der Ärzte-ZV. Denn es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV und § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV stehen. Da § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV nahezu wortlautidentisch mit § 116 SGB V ist, § 31 Abs. 1 lit. a ÄrzteZV jedoch nach hier vertretener Ansicht den quantitativ-allgemeinen Bedarf regelt und sich dafür auf § 116 S. 1 SGB V stützen kann, ist zu klären, ob § 31a Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV eine eigenständige Bedeutung zukommt. Der Sinn des § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV wird deutlich, wenn man diese Vorschrift so begreift, dass spezielle Anforderungen an die Ermächtigung gem. § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV gestellt werden, sofern Klinikärzte ermächtigt werden sollen. Da sich § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV auf alle Ermächtigungen bezieht und die Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten nur einen Teil des Regelungsgehalts der Norm ausmacht, regelt § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV diese Ermächtigung mit weiteren Anforderungen. So werden etwa die erforderlichen Qualifikationen des Arztes festgeschrieben. Zudem ist eine Spezialregelung in § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV deshalb sinnvoll, weil allein die persönliche Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten erfolgen soll, wenn ein qualitativ-spezieller Bedarf besteht. Die übrigen Ermächtigungsformen sollen hingegen in diesem Fall ausgeschlossen sein. Deshalb lassen sich mit der hier vertretenen Auslegung die Existenz des § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV und § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV erklären und die Vorschriften in ein sinnvolles Verhältnis zueinander setzen. Die Gegenauffassung muss das Verhältnis von § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV und § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV erläutern, da es der Regelung der Ermächtigung dieser Ärzte bei einer bestehenden (oder der in § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV rechtswidrig normierten drohenden) Unterversorgung in § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV an sich nicht bedürfte, da die sachlichen Voraussetzungen für die persönliche Ermächtigung von Klinikärzten bereits in § 31a Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV mitgeregelt wären. Auch aus diesem Grund ist das hier gefundene Ergebnis gegenüber der als „allgemeine Meinung“435 bezeichneten Auffassung vorzugswürdig. 434 Vgl. BSGE 70, 167 (173); BSGE 56, 295 (297) Hohnholz, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 4; Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 17. 435 So Rothfuß, in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 31 Ärzte-ZV, Rn. 8. Eine solcher Ersatz von Argumenten überzeugt nicht, vgl. den Beitrag von Pilniok, JuS 2009, 394 ff.

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bb) Anforderungen an die Ermächtigung Die Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung hat den Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte bei der ambulanten Versorgung zu berücksichtigen.436 Das BSG hat sich in verschiedenen Entscheidungen mit den daraus ergebenden Anforderungen an die Einbeziehung von Krankenhausärzten in die ambulante Versorgung der Ver­sicherten auseinandergesetzt.437 Der Rechtsprechung des BSG liegt dabei eine am Wortlaut des § 116 S. 2 SGB V, § 31a Ärzte-ZV orientierte Auslegung zugrunde. Demnach ist ein Arzt (nur) zu ermächtigen, solange und soweit die niedergelassenen Ärzte keine ausreichende und zweckmäßige Krankenpflege erbringen. Eine Einbeziehung der stationär tätigen Ärzte komme erst bei einer Minderversorgung in Betracht und dürfe nur dazu dienen, Versorgungslücken zu schließen.438 Eine Versorgungslücke sei zu verzeichnen, wenn ein quantitativ-allgemeiner oder ein qualitativ-spezieller Bedarf bestehe. Zwar wird der Auffassung des BSG hier nicht gefolgt. Allerdings lassen sich die in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Anforderungen an eine Ermächtigung auch auf § 116 S. 1 SGB V übertragen. Für die Ermittlung des Bedarfs (und zur Feststellung der Minderversorgung) ist der jeweilige Planungsbereich zugrunde zu legen und zu prüfen, ob im jeweiligen Planungsbereich eine ausreichende Anzahl von niedergelassenen Ärzten aller Fachrichtungen zur Versorgung der Versicherten zur Verfügung steht. Für die Ermächtigung ist es nicht erforderlich, dass die (drohende) Unterversorgung gem. § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V festgestellt wird, da die Ermächtigung gerade dazu dienen soll, diese Feststellung abzuwenden.439 Da § 116 S. 1 SGB V zudem nicht das Erfordernis einer festgestellten Unterversorgung formuliert, kann auf § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV zurückgegriffen werden, der die Ermächtigung von Ärzten auch im Falle der unmittelbar drohenden Unterversorgung vorsieht. Den Zulassungsgremien steht bei der Beurteilung, ob eine Unterversorgung eingetreten ist oder einzutreten droht, ein Beurteilungsspielraum zu.440 Der konkrete Bedarf ergibt sich aus dem nach § 99 SGB V zu erlassenden Bedarfs-

436 Vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 2, S. 12 ff.; SozR 3-2500 § 116 Nr. 4, S. 28; K ­ ruschinsky, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 15. 437 Vgl. bloß BSGE 56, 295 (297); BSGE 70, 167 (173); BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 2. 438 Vgl. etwa BSGE 56, 295 (297); 70, 167 (173). Zur Vereinbarkeit der Subsidiarität der Ermächtigung mit der Berufsfreiheit der Krankenhausärzte vgl. BVerfGE 16, 286 (294 ff., insb. 298 ff.). 439 Ebenso Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 72; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 98 SGB V, Rn. 17; a. A.: Kruschinsky, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 13. Bei der Institutsermächtigung gem. § 116a SGB V ist dies anders, da der Wortlaut der Norm nur die vom Landesausschuss festgestellte Zulassung erfasst, vgl. dazu unten, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. e) cc). 440 BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2, S. 6.

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plan.441 Die Feststellung des Bedarfs darf jedoch nicht gleichsam statisch allein anhand des Bedarfsplans erfolgen. Ergibt sich aus tatsächlichen Besonderheiten (insbesondere geographischen Gegebenheiten) eine Abweichung von Bedarfsplan und tatsächlicher Versorgungssituation, so ist auf die tatsächliche Versorgungslage abzustellen.442 Denn „eine statistisch nach den Bedarfsplanungskriterien festgestellte Unterversorgung rechtfertigt keine Ermächtigung, wenn eine tatsächliche Minderversorgung wegen der Mitversorgung der Versicherten durch Ärzte eines benachbarten Planungsbereiches nicht besteht.“443 Die Ermächtigung aus quantitativ-allgemeinen Gründen darf somit nur im Falle einer tatsächlich eingetretenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Minderversorgung erteilt werden. cc) Rechtsfolgen der Ermächtigung Die Ermächtigung bewirkt, dass die in § 116 Abs. 1 S. 1 SGB V genannten Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet sind und eine Gebietsbezeichnung führen dürfen, § 95 Abs. 4 S. 1 SGB V.444 Sie hat deshalb statusbegründenden Charakter.445 Die gesetzlichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich.446 Zudem wird mit der Ermächtigung die Mitgliedschaft in der zuständigen KV begründet, § 77 Abs. 3 S. 1 SGB V.447 Die im Rahmen der Ermächtigung erbrachten Leistungen werden nach den vertragsarztrechtlichen Grundsätzen aus der Gesamt­ vergütung vergütet, § 120 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Vergütung wird von den KV an die Einrichtungsträger entrichtet und von diesen an die ermächtigten Ärzte weitergeleitet, § 120 Abs. 1 S. 3 SGB V.448 Das Rechte- und Pflichtenprogramm des ermächtigten Arztes ist somit identisch mit dem des zugelassenen Vertragsarztes. Vertragsärzte können gegen die Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten gerichtlich mit einer defensiven Konkurrentenklage vorgehen.449 441 BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 4; Nr. 19; Knittel, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 116, Rn. 12a; Kruschinsky, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Nr. 15; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, SGB V, § 116, Rn. 8. 442 BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2. 443 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, SGB V, § 116, Rn. 8 mit Verweis auf BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2. 444 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 6; Kruschinsky, in: Hauck (Hrsg.), SGB V, K § 116, Rn. 7; Grühn, in: Wannagat (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 4. 445 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 6. 446 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 6. 447 Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 77, Rn. 6. 448 Von der Vergütung werden jedoch die Verwaltungskosten der KV sowie die dem Krankenhaus entstehenden Kosten abgezogen, § 120 Abs. 1 S. 3 SGB V. 449 BVerfG MedR 2004, 680 ff.; vgl. dazu Steinhilper, MedR 2004, 682 ff.; Stollmann, SGb 2008, 40 ff.; Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 65 f. Die niedergelassenen Ärzte können gegen die Ermächtigung klagen, da die einschlägigen Vorschriften des SGB V und der Ärzte-ZV nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts drittschützend

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dd) Ende der Ermächtigung Allerdings ist die Ermächtigung nicht ebenso hochwertig wie die Zulassung. Die Ermächtigung ist nach § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. Insbesondere in der zeitlichen Bestimmung der Ermächtigung zeigt sich ein Unterschied zur Zulassung. Bereits aus § 116 S. 2 SGB V ergibt sich, dass die Ermächtigung nur solange zu erteilen ist, wie eine ausreichende Versorgung der Versicherten sonst nicht gewährleistet ist.450 Die Befristung verschafft dem ermächtigten Arzt zugleich Rechtssicherheit, da die befristete Ermächtigung nicht widerrufen werden darf, auch wenn sich die Bedarfslage so ändert, dass die ambulante Versorgung der Versicherten im ausreichenden Maße durch niedergelassene Ärzte erbracht werden kann.451 Die Ermächtigung ist aber zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass in dem ermächtigten Arzt Versagungsgründe vorgelegen haben, die ihn für die vertragsärztliche Versorgung ungeeignet erscheinen lassen, § 31 Abs. 8 S. 1, 2 Ärzte-ZV.452 Die Ermächtigung ist darüber hinaus mit Wirkung für die Zukunft453 zu widerrufen, wenn nachträglich durch einen in der Person des Arztes liegenden Grund der mit der Ermächtigung verfolgte Zweck nicht erreicht wird, § 31 Abs. 8 S. 3 Ärzte-ZV. ee) Vorteile und Risiken der Ermächtigung bei Minderversorgung Bei Unterversorgung kann die ärztliche Versorgung der Versicherten somit u. a. durch stationär tätige Ärzte sichergestellt werden. Auf diese Weise wird ein zentraler Anlaufpunkt für die Versicherten geschaffen, die von der Unterversorgung betroffen sind. Ihre fachgerechte Versorgung wird auf diese Weise ermöglicht. Die ermächtigten Ärzte erhalten die Vorteile, die eine vertragsärztliche Versorgung mit sich bringt, ohne mit den Risiken belastet zu sein, die eine selbständige Berufsausübung in sich birgt. Insbesondere entfallen die Kosten für eine Praxis und die Anschaffung von Geräten, die Anstellung von Personal etc. Der Arzt kommt somit in den Genuss der Vergütung und kann auf diese Weise sein Gehalt auf­bessern. Gleichzeitig jedoch steigt seine Arbeitsbelastung, da er neben seinen arbeits­ sind. Das Bundesverfassungsgericht hat dies mit dem restriktiv geregelten Marktzugang der Vertragsärzte sowie der budgetierten und somit beschränkten Vergütung begründet. Dem folgt mittlerweile auch das BSG, vgl. NZS 2008, 105. Zur alten Rspr., die die Klagebefugnis der niedergelassenen Ärzte abgelehnt hat, vgl. Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116, Rn. 24. 450 Vgl. BSGE 70, 167 (173). 451 BSG SozR 3–2500 § 116 Nr. 2, S. 15. 452 Gem. § 21 Ärzte-ZV ist ein Arzt für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet, wenn er geistige oder sonstige in der Person liegende schwerwiegende Mängel aufweist, insb., wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung (auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung) rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig war. 453 Rothfuß, in: Bäune/MeschkeRothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertrags­ ärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 31 Ärzte-ZV, Rn. 39.

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vertraglich geschuldeten Aufgaben weitere Aufgaben übernimmt. Trotzdem ist die Ermächtigung eine attraktive Option für Ärzte, den Versicherten ihre Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen und nicht pauschal durch das Arbeitsentgelt, sondern auch individuell durch Vergütung der erbrachten Leistungen entlohnt zu werden. Auf diese Weise entsteht für die Beteiligten eine win-win-Situation. Die Ermächtigung ist deshalb ein geeignetes Mittel zur bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten bei eingetretener Minderversorgung. Allerdings beinhaltet die persönliche Ermächtigung insb. von Krankenhausärzten auch die Gefahr, dass die bestehende Unterversorgung verschärft wird. Da die ermächtigten Ärzte aufgrund der klinischen Infrastruktur und den vorzuhaltenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten gegenüber den meisten niedergelassenen Vertragsärzten einen Wettbewerbsvorteil haben, besteht die Möglichkeit, dass die Versicherten vermehrt die ermächtigten Krankenhausärzte in Anspruch nehmen. Das verschärft jedoch auch die Situation der niedergelassenen Ärzte, deren Inanspruchnahme reduziert werden kann. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass die weitere Niederlassung in dem betroffenen Gebiet durch die persönliche Ermächtigung von Krankenhausärzten für die zugelassenen Vertragsärzte noch unattraktiver wird und sie ihren Vertragsarztsitz in einen anderen Planungsbereich verlegen. Dann würde ein Instrument zur gedachten Sicherstellung der ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung zur Verschärfung der Versorgungssituation führen. Dies mag auch aufgrund der Arbeitsbelastung der Klinikärzte keine sehr wahrscheinliche Gefahr sein. Zwingend ausgeschlossen ist sie jedoch nicht. Deshalb sind die Ermächtigungen auf ihre Auswirkungen auf die Versorgungssituation insbesondere im Hinblick auf die zugelassenen Vertragsärzte zu überprüfen. Die Befristung der Ermächtigung dürfte jedoch in der Regel ein angemessenes Mittel zur Vermeidung eines übergroßen Konkurrenzdrucks auf die niedergelassenen Vertragsärzte sein. Hinzuweisen ist jedoch auf die angespannte Personalsituation in den Krankenhäusern, von denen 80 % offene Arztstellen zu verzeichnen haben, die nicht besetzt werden können.454 Auch wenn sich der Mangel zumeist auf Assistenzärzte bezieht, die ohnehin nicht zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden können, bedeuten offene Planstellen doch einen vermehrten Arbeitsaufwand auch der Fachärzte, weshalb Bedenken gegenüber dem angestrebten Ziel bestehen, dass die Ermächtigung von Krankenhausärzten die Versorgungssituation der Versicherten tatsächlich verbessern kann.455 Wohl auch vor diesem Hintergrund ist die Erweiterung der persönlichen Ermächtigung durch das GKV-VStG auf solche Ärzte zu verstehen, die in anderen Einrichtungen als Krankenhäusern tätig sind.

454 Mihm,

FAZ vom 16.02.2010, S. 1. auch Pitschas, in: ders. (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der Gesundheitsreform und GKV-Modernisierungsgesetz, S. 35 (54 f.), allerdings zur Ermächtigung von Kranken­ häusern gem. § 116a SGB V. 455 Skeptisch

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e) Ermächtigung von Krankenhäusern, § 116a SGB V Im Fall der festgestellten Unterversorgung können auch zugelassene Krankenhäuser für das Fachgebiet, in dem eine vertragsärztliche Unterversorgung existiert, zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden, soweit und solange dies zur Deckung der Unterversorgung erforderlich ist, § 116a SGB V. Zudem können Krankenhäuser auch dann zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden, wenn der Landesausschuss für das Gebiet, in dem das Krankenhaus liegt, einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf gem. § 100 Abs. 3 SGB V festgestellt hat. Dies stellt eine sog. Institutsermächtigung456 und einen Spezialfall der § 98 Abs. 2 Nr. 11 SGB V, § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV dar.457 Die Ermächtigung erfolgt dabei auf Antrag des Krankenhauses. aa) Inhalt und Rechtsfolge der Ermächtigung Die Ermächtigung bewirkt gem. § 95 Abs. 4 S. 1 SGB V, dass das Krankenhaus zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Sie ist zu befristen. Die Vergütung richtet sich nach § 120 SGB V, weshalb die Leistungen des Krankenhausträgers aus der Gesamtvergütung vergütet werden. Die gesetzlichen Bestimmungen zur vertragsärztlichen Versorgung gelten auch für den ermächtigten Krankenhausträger. Die Ermächtigung darf gem. § 116a SGB V nur solange und soweit erteilt werden, wie dies erforderlich ist, um eine ausreichende vertragsärztliche Versorgung zu gewährleisten. Bei Wegfall der Unterversorgung ist die Ermächtigung gem. § 95 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 S. 1 SGB V zu entziehen.458 bb) Rechtsanspruch auf Ermächtigung? Die Institutsermächtigung des § 116a SGB V wird zum Teil gegenüber der persönlichen Ermächtigung des § 116 SGB V als nachrangig angesehen. Es bestehe der Vorrang der persönlichen Ermächtigung nach § 116 SGB V.459 Die Gegenansicht geht davon aus, dass mit der Neuregelung des § 116a SGB V der obligatorische Vorrang der persönlichen Ermächtigung von Krankenhausärzten obsolet

456 Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 75; Becker, in: ders./ Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a , Rn  3. 457 Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 75. 458 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 6; dazu krit. Degener-Hencke, NZS 2003, 629 (630), mit Hinweis auf die Planungssicherheit der Krankenhäuser. 459 Degener-Hencke, NZS 2003, 629 (630); Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 2.

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geworden ist.460 Denn wenn die Voraussetzungen für eine Institutsermächtigung vorlägen, so reduziere sich das Ermessen des Zulassungsausschusses auf Null. Daraus folge ein Rechtsanspruch der Krankenhausträger aus § 116a SGB V i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG.461 Hinter der unterschiedlichen Beurteilung vom Vorrang der persönlichen Ermächtigung gegenüber der institutionellen Ermächtigung steht die Frage, ob § 116a SGB V einen Rechtsanspruch des Krankenhausträgers auf institutionelle Ermächtigung vermittelt, der allein von den Voraussetzungen des § 116a SGB V, mithin von der Feststellung der Unterversorgung durch den Zulassungsausschuss und dem Antrag auf Ermächtigung durch das Krankenhaus abhängig ist. Dagegen spricht neben dem Wortlaut, der dem Zulassungsausschuss einen Ermessensspielraum einräumt,462 bereits die Begründung des Gesetzentwurfes zum GKV-Modernisierungsgesetz (GMG),463 die ausdrücklich keinen Rechtsanspruch der Krankenhausträger auf Ermächtigung einräumen wollte:464 „Ein Anspruch auf Ermächtigung wird nicht eingeräumt, denn es ist möglich, dass in einem unterversorgten Planungsbereich mehrere Krankenhäuser den Antrag stellen oder dass die persönliche Ermächtigung eines Krankenhausarztes zur Behebung der Unterversorgung ausreicht.“

Die Entwurfsbegründung geht somit nicht nur davon aus, dass kein Rechts­ anspruch auf Ermächtigung besteht, sondern auch, dass die persönliche Ermächtigung gegenüber der institutionellen Ermächtigung vorrangig ist.465 Den Inhalt der Entwurfsbegründung stellt zwar auch Kuhlmann nicht in Frage. Er verweist jedoch darauf, dass die Neuregelung ohne einen solchen Rechtsanspruch sinnlos wäre. Der Bedarf würde in diesem Falle nicht gedeckt und die Versicherten nicht ausreichend versorgt.466 Dagegen spricht jedoch, dass dafür ein Rechtsanspruch der Krankenhausträger auf Ermächtigung nicht erforderlich ist. Denn wenn die Unterversorgung zunächst auf andere Weise, insbesondere durch persönliche Ermächtigung abgewendet werden kann, so muss eine institutionelle Ermächtigung nicht zwingend erfolgen. Erst wenn die persönliche Ermächtigung die Unterversorgung nicht zu beheben vermag, ist die institutionelle Ermächtigung zu erteilen, so dass als ermessensfehlerfrei nur dann die Institutsermächtigung angesehen werden kann. Gegen einen 460 Kuhlmann,

KH 2004, 13 (15). KH 2004, 13 (15). 462 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 4. 463 BT-Drucks. 15/1525, S. 119. 464 So auch Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 4. 465 Gegen die Nachrangigkeit der Institutsermächtigung gegenüber der persönlichen Ermächtigung sprechen sich Rothfuß, in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 31 Ärzte-ZV, Rn. 16; Hess in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 116a SGB V, Rn. 4 und Wenner, GesR 2007, 337 (339 ff.) aus. 466 Kuhlmann, KH 2004, 13 (15). 461 Kuhlmann,

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Rechtsanspruch auf eine Institutsermächtigung und somit für den Vorrang der persönlichen Ermächtigung spricht auch der Wortlaut des § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV, wonach ärztlich geleitete Einrichtungen nur in besonderen Fällen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden dürfen, sofern dies notwendig ist, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden. Die Ermächtigung von Ärzten ist hingegen nicht auf besondere Fälle beschränkt. Daraus ergibt sich der Vorrang der persönlichen Ermächtigung gegenüber der Institutsermächtigung. Das Gesetz sieht keinen Rechtsanspruch des Krankenhausträgers vor, da ansonsten unter Umständen mehrere Krankenhaus­träger Anspruch auf eine Ermächtigung nach § 116a SGB V hätten.467 Gestützt wird dies durch den Zweck des § 116a SGB V, Unterversorgung abzuwenden. Durch einen Rechtsanspruch auf Institutsermächtigung, der allein vom Vorliegen einer Unterversorgung abhängig ist, besteht die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung zulasten der niedergelassenen Vertragsärzte, die keine vergleichbaren Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie haben wie die Kliniken. Die Krankenhausträger sind diesbezüglich in einer vorteilhaften Situation. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die Versicherten deshalb eher die ermächtigten Kliniken in Anspruch nehmen und die niedergelassenen Ärzte aus diesem Grund weniger frequentiert werden, weshalb die Niederlassung in diesem Gebiet zusätzlich unattraktiv wird. Daraus ergibt sich das Risiko, dass durch ein Instrument der Sicherstellung ausreichender medizinischer Versorgung die Unterversorgung verschärft werden könnte, auch wenn dies durch die Befristung der Ermächtigung keine sonderlich realistische Gefahr ist. Allerdings sind die Leistungen des Krankenhausträgers aus der Gesamtvergütung zu vergüten, § 120 SGB V. Die Budgetierung der Gesamtvergütung und die Teilnahme der Krankenhausträger an der vertragsärztlichen Versorgung verschärfen den Konkurrenzdruck. Aus diesen Gründen und wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers ist die institutionelle Ermächtigung gegenüber der persönlichen Ermächtigung nachrangig. SGB V und Ärzte-ZV schließen somit einen Rechtsanspruch von Krankenhäusern auf Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bei Unterversorgung aus. Es müssen weitere besondere Umstände hinzukommen, die eine institutionelle Ermächtigung rechtfertigen. Niedergelassene Vertragsärzte können die Nachrangigkeit der institutionellen Ermächtigung vor den Sozialgerichten geltend machen, da auch § 116a SGB V drittschützende Wirkung hat. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 116 SGB V ist sinngemäß auch auf § 116a SGB V anwendbar.468 Deshalb können sich die zugelassenen Vertragsärzte gegen eine institutionelle Ermächtigung mittels einer defensiven Konkurrentenklage zur Wehr setzen.469 Diese ist be 467 Vgl. nochmals die Begründung zum Entwurf des GKV-GMG, BT-Drucks. 15/1525, S. 119. 468 Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 8. 469 Kingreen, Beck-OK, § 116a, Rn. 5; Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 8.

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gründet, wenn keine Unterversorgung vorliegt oder die inhaltlichen Begrenzungen („soweit“) der institutionellen Ermächtigung nicht eingehalten werden.470 cc) Institutsermächtigung nur bei bestehender Unterversorgung? § 116a SGB V verlangt für eine rechtmäßige Institutsermächtigung, dass der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für bestimmte Planungs­bereiche Unterversorgung festgestellt hat. Im Vergleich mit § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V fällt auf, dass die drohende Unterversorgung nicht von § 116a SGB V erfasst ist, da § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V zwischen eingetretener und drohender Unterversorgung differenziert, § 116a SGB V hingegen nur von festgestellter Unterversorgung spricht. Der Begriff der festgestellten Unterversorgung umfasst nicht die in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung.471 Das Gesetz unterscheidet in § 100 Abs. 1 SGB V zwischen der eingetretenen und der in absehbarer Zeit drohenden Unterversorgung und knüpft ausdrücklich im Rahmen von § 105 SGB V (und knüpfte in der vor Inkrafttreten des GKV-VstG geltenden Fassung in § 87 Abs. 2e S. 1 lit. b SGB V a. F.) Maßnahmen an die drohende Unterversorgung. Zudem ist die Ermächtigung nur zu erteilen, solange und soweit dies zur Deckung der Unterversorgung erforderlich ist. Eine Institutsermächtigung ist aber nicht zur Deckung der Unterversorgung erforderlich, wenn die Unterversorgung erst in absehbarer Zeit droht. Deshalb ist von der Institutsermächtigung gem. § 116a SGB V nur bei bereits eingetretener Unterversorgung Gebrauch zu machen. Das entspricht ihrem subsidiären Charakter gegenüber der persönlichen Ermächtigung gem. § 116 Abs. 1 SGB V472 und der potentiellen Wettbewerbsverzerrung durch die Institutsermächtigung, die deshalb nicht bei drohender Unterversorgung erfolgen soll. Dem widerspricht jedoch § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV, der auch die Instituts­ ermächtigung regelt und dafür die unmittelbar drohende Unterversorgung genügen lässt. Somit liegt auch bei der Institutsermächtigung ein Normkonflikt zwischen Ärzte-ZV und SGB V vor, der dahingehend aufzulösen ist, dass für die Institutsermächtigung eine Unterversorgung festgestellt werden muss und eine unmittelbar drohende Unterversorgung nicht genügt. Begründet werden kann dies auch hier mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.473 Da die Institutsermächtigung bedeutet, dass für die niedergelassenen Ärzte ein sehr potenter Wettbewer 470 Becker,

in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn. 8. Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. c) )aa (1). Implizit auch Becker, in: ders./Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 116a, Rn.5 unter Verweis auf Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 100, Rn. 2. 472 Dazu BSGE 79, 159; 82, 216; Hänlein, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), Sozialgesetzbuch V, §§ 117–119b, Rn. 5. 473 Gegen die Fruchtbarkeit der üblichen Normkonfliktlösungsregeln bestehen die gleichen Bedenken wie oben, Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. c) aa) (5). 471 s. o.,

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ber auf den Markt der vertragsärztlichen Versorgung tritt, schont die Regelung des § 116a SGB V, die höhere Anforderungen an die Institutsermächtigung stellt, die Interessen der niedergelassenen Ärzte in größerem Umfang als die Regelung des § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV, die dafür bereits eine in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung genügen lässt.474 § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV wird dadurch nicht sinnentleert, da die Ermächtigung gem. § 116 S. 1 SGB V nicht an eine festgestellte Unterversorgung anknüpft. Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV wird jedoch dahingehend reduziert, dass die Institutsermächtigung allein bei einer fest­ gestellten Unterversorgung erteilt werden darf. f) Schwierigkeiten der Ermächtigung von Krankenhäusern Inwiefern sich die Ermächtigung von Krankenhäusern als taugliches Mittel zur Milderung bzw. Beseitigung von ambulanten Versorgungsengpässen erweist, bleibt abzuwarten. Pitschas hat mit Recht auf die personelle Situation der Kliniken hingewiesen, die durch Personalüberforderung und Personalknappheit gekennzeichnet ist.475 Solange die Arbeitszeiten der Krankenhausärzte nicht den europäischen Vorgaben angepasst werden, bleibt die Personaldecke der Kliniken dünn und lässt voraussichtlich kaum Kapazitäten für eine ambulante Versorgung der Versicherten im Rahmen der Ermächtigung zu.476 Ob die Ermächtigung nach § 116a SGB V die Versorgungssituation der Versicherten tatsächlich zu bessern vermag, muss sich deshalb erst erweisen.

474 Das

setzt voraus, dass durch die Schaffung von Wettbewerb durch öffentliche Maßnahmen überhaupt in die Berufsfreiheit der Ärzte eingegriffen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht schließt dies zwar aus, vgl. BVerfGE 105, 252 ff.; BVerfGE 105, 279 ff.; 106, 275 ff. Allerdings überzeugen diese Entscheidungen zumindest dann nicht, wenn die ermächtigten Krankenhäuser von Kommunen betrieben werden oder Universitätskliniken sind. Vgl. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bauer, Indikationen und die Therapie­ freiheit der Ärzte, S. 21 ff.; Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2 ff.); Huber, JZ 2003, 290 (293); Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 239 ff. 475 Pitschas, in: ders. (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der Gesundheitsreform und GKV-Modernisierungsgesetz, S. 35 (54 f.). Auch die Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen bleiben vom Ärztemangel nicht verschont, so dass bereits erste Krankenhäuser Modelle ent­ wickeln, die die Anstellung von Assistenzärzten im ausreichenden Maße gewährleisten sollen. So zahlt etwa das Altmark-Klinikum Gardelegen Medizinstudenten ein monatliches Stipendium, wenn sich diese im Gegenzug verpflichten, ihre Facharztausbildung im Klinikum zu absolvieren, vgl. http://www.altmark-klinikum.de/Gardelegen/. 476 Pitschas, in: ders. (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der Gesundheitsreform und GKV-Modernisierungsgesetz, S. 35 (54 f.).

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g) Errichtung von Eigeneinrichtungen der Krankenkassen, § 140  SGB V Keine Maßnahme der KV (gem. § 105 Abs. 1 SGB V) und deshalb auch nicht der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen zwingend vorgeordnet ist die Errichtung von Eigeneinrichtungen der Krankenkassen gem. § 140 SGB V. Nach dieser Norm können Krankenkassen Einrichtungen, die der Versorgung der Versicherten dienen, weiter betreiben, wenn sie am 01.01.1989 bestanden. Gem. § 140 Abs. 2 SGB V können sie neue Eigeneinrichtungen errichten, soweit sie die Durchführung ihrer Aufgaben bei der Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation auf andere Weise nicht sicherstellen können. Im Fall des kollektiven Zulassungsverzichts und dem damit verbundenen Übergang des Sicherstellungsauftrags gem. § 72a SGB V dürfen die Krankenkassen Eigeneinrichtungen darüber hinaus auch dann errichten, wenn dadurch der übergegangene Sicherstellungsauftrag erfüllt werden soll, § 140 Abs. 2 S. 2 SGB V. § 140 Abs. 1 SGB V formuliert mithin den Bestandsschutz bereits bestehender Eigeneinrichtungen, während § 140 Abs. 2 SGB V ein grundsätzliches Verbot von neuen Eigeneinrichtungen normiert,477 weshalb die Krankenkassen kaum Eigeneinrichtungen und unmittelbare Leistungen vorweisen.478 Dies ist vor dem Hintergrund der Rollenverteilung im Gesundheitssystem folgerichtig, da die Krankenkassen in erster Linie die Aufgabe haben, den Versorgungsbedarf der Versicherten zu finanzieren.479 Die Grundrechte der Leistungserbringer sowie die aufgrund der Financier-Eigenschaft der Krankenkassen mögliche Wettbewerbsverzerrung bei übermäßiger Eigenleistung der Krankenkassen verlangen eine Reduktion unmittelbarer Sachleistungen der Krankenkassen auf das absolut notwendige Minimum.480 Die Krankenkassen sollen durch die Finanzierung der vertragsärztlichen Leistungen „reale Freiheit bei der Auswahl der benötigten Leistungen und des Leistungserbringers“ vermitteln.481 Die unmittelbare Versorgung des Bedarfs der Versicherten durch eigene Leistungen der Krankenkassen hingegen verschiebt die Gewichte innerhalb des Gesundheitssystems zulasten der Leistungserbringer. Um dies zu vermeiden, ist die grundsätzliche Aufgabenteilung zwischen Versicherung und Versorgung soweit wie möglich durchzuhalten.482

477 Kaempfe,

in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140, Rn. 3 f. Schuler-Harms, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 15, Rn. 8; Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 192 ff. 479 Kirchhof, DVBl. 1982, 933. 480 Vgl. dazu etwa BGHZ 82, 375 ff.; Kirchhof, DVBl. 1982, 933 (935), der darauf hinweist, dass die Abgabengewalt der Krankenkassen nicht mit dem Gewinn von Anteilen am Gesundheitsmarkt durch unmittelbare Leistungen vermengt werden darf. 481 Kirchhof, DVBl. 1982, 933 (935). 482 Kirchhof, DVBl. 1982, 933 (935). 478 Vgl.

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aa) Bestandseinrichtungen gem. § 140 Abs. 1 SGB V Eigeneinrichtungen, die bereits zum 01.01.1989 existierten, genießen auch weiterhin Bestandsschutz, § 140 Abs. 1 SGB V. Die Inanspruchnahme dieser Einrichtungen durch die Versicherten ist Ausdruck der freien Arztwahl, § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V. Sie richtet sich dabei aber nach den hierfür von Krankenkassen und KV abgeschlossenen Verträgen, § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V.483 Durch die Anpassung der Bestandseinrichtungen an den Versorgungsbedarf und die Möglichkeit, MVZ zu gründen (§ 140 Abs. 1 S. 2 SGB V) sollen diesen Einrichtungen die gleichen Möglichkeiten wie den privaten Leistungserbringern eingeräumt werden. Dies bezieht sich insbesondere auf den Abschluss spezieller Verträge, vor allem Inte­ grationsverträge gem. § 140a ff. SGB V, Verträge über die ambulante Erbringung hochspezialisierter Leistungen oder Leistung über seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach § 116b Abs. 2 SGB V.484 Die Bestandseinrichtungen können daher flexibel auf die Versorgungslage reagieren und in den Grenzen der Landeskrankenhausplanung sowie der Zulassungsbeschränkungen angepasst werden.485 Daher liegt es nahe, dass die Bestandseinrichtungen im Fall von Unterversorgung einen höheren Versorgungsauftrag im Rahmen der ambulanten Versorgung übernehmen. Da die Bestandseinrichtungen jedoch schon 1989 bestanden haben müssen, ist die Versorgung der versicherten durch die Bestandseinrichtungen nicht flexibel, sondern daran geknüpft, dass die Unterversorgung im Einzugsbereich der Eigeneinrichtung zu verzeichnen ist. Nur in diesem Fall können Bestandseinrichtungen gem. § 140 Abs. 1 SGB V einen Beitrag dazu leisten, die Versorgungssituation der Versicherten zu normalisieren. Aufgrund des Stichtags ist etwa eine solche Versorgung in den neuen Bundesländern ausgeschlossen. bb) Neue Eigeneinrichtungen gem. § 140 Abs. 2 SGB V Die Versorgung durch neue Eigeneinrichtungen ist hingegen stark begrenzt. Die Neuerrichtung ist nur für ein eingeschränktes Aufgabenspektrum bzw. nur für besondere Versorgungsengpässe zulässig. Die Neuerrichtung nach § 140 Abs. 2 S. 1 SGB V bezieht sich ausschließlich auf die Bereiche der Vorsorge und der Rehabilitation. Die übrigen ärztlichen Maßnahmen dürfen nicht im Rahmen einer neuen Eigeneinrichtung erbracht werden. Darüber hinaus stehen auch die zulässigen Tätigkeitsbereiche unter dem Vor­behalt, dass die Versorgung nicht durch die Leistungserbringer sichergestellt werden kann.486 483 Vgl.

auch Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, § 140 SGB V, Rn. 1. BT-Drucks. 15/4751, S. 45. 485 Kaempfe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140, Rn. 4. 486 Kaempfe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 140, Rn. 4. 484 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Für den speziellen Fall des kollektiven Zulassungsverzichts mit der Folge, dass der Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen gem. § 72a Abs. 1 SGB V übergeht, können die Krankenkassen Eigeneinrichtungen gründen, die nicht den strengen Vorgaben des § 140 Abs. 2 S. 1 SGB V unterliegen. Sie sind insbesondere nicht auf Maßnahmen der Vorsorge und Rehabilitation beschränkt. Auf die Unterversorgung ist § 72a SGB V jedoch nicht analog anwendbar.487 Im Fall der Unterversorgung können deshalb keine Neueinrichtungen der Krankenkassen gegründet werden, die diagnostische und therapeutische vertragsärztliche Leistungen zum Gegenstand haben. Neue Eigeneinrichtungen gem. § 140 Abs. 2 SGB V leisten somit für die wichtigsten Bereiche keinen Beitrag zur Versorgung der Versicherten. Hier besteht ein Ansatzpunkt für Änderungen, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen öffentlichen Gesundheitsdienst in dauerhaft unterversorgten Planungsbereichen. cc) Zwischenergebnis Die Eigeneinrichtungen der Krankenkassen sind nur in Ausnahmefällen in der Lage, die Versorgungslage bei Unterversorgung zu entspannen und leisten somit in der Regel keinen nennenswerten Beitrag für die reguläre Versorgung der Ver­ sicherten im Falle der irregulären Versorgung. h) Vergütungsanreize In der Konzeption des Gesetzgebers spielen Vergütungsanreize für die Vermeidung bzw. die Beseitigung der Unterversorgung eine zentrale Rolle. Deren Wirkung wird jedoch durch die Gesundheitswissenschaften trotz ihres großen Stellenwerts bei der Niederlassungsentscheidung gerade im Hinblick auf die Steuerung der Ärzte in unterversorgte strukturschwache Regionen in Zweifel gezogen.488 Das Vergütungsrecht der Vertragsärzte wurde im Zuge des GKV-VStG erneut umfassend reformiert. Dabei hat der Gesetzgeber Abschied genommen von dem bisherigen, sehr detaillierten Steuerungsansatz und insbesondere den KV ein größeres Maß an Flexibilität eingeräumt, indem „ausfüllungsbedürftige Rahmenregelungen“489 normiert worden sind.490 487 Vgl.

dazu unten, Teil 2, Kap. 4, C. Potential von monetären Anreizen sehr skeptisch Günther/Kürstein/Riedel-Heller/ König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (428 ff.); dies., Health Services Research 45(1) (2010), 212 (219 ff.): es bedürfe eines zusätzlichen monatlichen Nettoeinkommens von ca. 8.800 EUR, damit sich ein Arzt entgegen seiner ursprünglichen Entscheidung für eine Stadtpraxis zu einer Niederlassung in einer strukturschwachen Region entschließt, weshalb effektive monetäre Anreize faktisch unmöglich zu setzen seien. 489 Rixen, GesR 2012, 337. 490 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/6906, S. 42. Zum reformierten Ansatz vgl. vertiefend Rixen, GesR 2012, 337 ff. 488 Zum

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aa) Ausnahmen von Fallzahlenbegrenzungen gem. § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V Die Vergütung der Vertragsärzte ist ständiger Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Ärzten, Krankenkassen, Verbänden und Politik. Der politische Balanceakt findet seinen Niederschlag in §§ 85 ff. SGB V. Dabei wurden insbesondere die Regelleistungsvolumina in Zweifel gezogen, die auf § 87b Abs. 1, 2 SGB V a. F. basierten. Das GKV-VStG hat den Begriff der Regelleistungungsvolumina getilgt. Nunmehr regelt § 87b Abs. 2 SGB V, dass der Verteilungsmaßstab Regelungen enthalten soll, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird. Zur alten Rechtslage: § 87b SGB V a. F. hat ab dem 01.01.2009 die Verteilung der Vergütung geregelt und die Euro-Gebührenordnung nach § 87a SGB V a. F. zum Maßstab, § 87b Abs. 1 SGB V a. F. Gem. § 87b Abs. 2 SGB V a. F. waren Regelleistungsvolumina vorgesehen, um die Ausweitung ärztlicher Leistungen zu verhindern. Diese haben die abrechenbare Menge an Leistungen festgelegt. Ist die im Regelleistungsvolumen festsetzte Menge an Leistungen überschritten worden, so sind die das Volumen überschreitenden Leistungen nur anteilig, d. h. mit abgestaffelten Preisen vergütet worden, wobei davon abgewichen werden konnte, wenn sich die Zahl der Patienten außergewöhnlich stark erhöhte, § 87 Abs. 2 S. 3 SGB V a. F. Dies war speziell für Vertragsärzte in einem irregulär versorgten Planungsbereich belastend, da sie in der Regel eine besonders hohe Patientenzahl betreuen mussten, aber nur die durchschnittliche Fallzahl vollständig vergütet wurde. Deshalb sah § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V a. F. vor, dass bei der Festlegung der Regelleistungsvolumina unter anderem die Morbiditätsstruktur und der Versorgungsgrad zu berücksichtigen waren. Bei der Festlegung der Regelleistungsvolumina konnte somit insbesondere berücksichtigt werden, dass wenige Ärzte viele Versicherte versorgen müssen, was die Festlegung einer entsprechend hohen Durchschnittszahl der vollständig zu vergütenden Leistungen bedeutete. Da die Regelleistungsvolumina quartalsweise festgelegt worden sind (um Versorgungsengpässe am Jahresende zu vermeiden),491 konnte die tatsächliche Leistungserbringung durch die Ärzte relativ zeitnah in den Regelleistungsvolumina abgebildet werden. Die Überlegungen des ersten Gesundheitsministers der 17. Legislaturperiode, Rösler, der eine Ausnahme der Landärzte von den Mengenbegrenzungen anregte,492 waren vor diesem Hintergrund weitgehend obsolet, auch weil § 87b Abs. 3 S. 3 SGB V a. F. die Möglichkeit vorsah, Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Darunter fiel m. E. auch der besondere Anstieg von Patienten in einem unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Planungsbereich. Zwar wurden dadurch nicht die Regelleistungsvolumina aufgegeben, jedoch dem 491 Scholz,

in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 87b, Rn. 4. vom 17.04.2010, S. 16: „Wir müssen darüber nachdenken, ob Ärzte in unterversorgten Gegenden von der Mengenbegrenzung ausgenommen werden könnten.“ 492 FAZ

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Versorgungsbedürfnis und der Versorgungslage der Versicherten entsprechend festgelegt.493 Der Gesetzgeber hat sich im Zuge einer umfassenden Reform des vertragsärztlichen Vergütungsrechts dazu entschlossen, auch § 87b Abs. 3 SGB V zu modifizieren. Diese Norm sieht nunmehr vor, dass im Verteilungsmaßstab vorgesehene Regelungen der Fallzahlenbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten eines Planungsbereichs angewendet werden dürfen, für den der Landesausschuss gem. § 100 Abs. 1, 3 SGB V eine (drohende) Unterversorgung bzw. einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf festgestellt hat. Im Ergebnis ändert sich für die betroffenen Ärzte nichts. Sie haben keine Sanktionen zu fürchten, wenn sie deshalb die Fallzahlenbegrenzungen nicht einhalten können, weil sie in einem Planungsbereich mit (drohender) Unterversorgung bzw. zusätzlichem lokalem Versorgungsbedarf praktizieren. bb) Vergütungsanreize gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F. Die Sicherstellungszuschläge gem. § 105 Abs. 1 HS 2 SGB V durften im Jahr 2010 nicht mehr für die vertragsärztliche Versorgung gewährt werden, § 105 Abs. 5 SGB V a. F. Das verwunderte auf den ersten Blick, da die Finanzierung der Praxen von niederlassungswilligen Ärzten durch Sicherstellungszuschläge gewährleistet und den Ärzten das finanzielle Risiko einer schlecht laufenden Praxis abgenommen wurde, was eine nicht zu unterschätzende Anreizfunktion hatte. Hintergrund dieser Regelung war, dass für die Vertragsärzte andere finanzielle Anreize gesetzt wurden, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Auch diese Regelung ist im Zuge des GKV-VStG aufgehoben worden.494 Sie soll hier dennoch dargestellt werden, um die unterschiedlichen Ansätze des Gesetzgebers aufzuzeigen. (1) Überblick über die Regelung Im Rahmen des für die Vergütung der ärztlichen Leistungen maßgeblichen einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sollten unter anderem bundeseinheitliche 493 Dies hatte den Vorteil, dass zum einen die angemessene Vergütung der „Landärzte“ sichergestellt war und es zum anderen nicht zu einer rasanten Leistungsausweitung kam, die dem Willen nach einer Umsatzsteigerung geschuldet war. Ansonsten unterläge die Menge der erbrachten Leistungen keiner wirksamen Kontrolle und eventuell erforderlichen Dämpfung, was eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Vertragsärzte bedeutet hätte, die nicht in unterversorgten Gebieten tätig waren. Eine Leistungsausweitung der Vertragsärzte in unterversorgten Regionen ist vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG nur auf Grundlage einer hinreichenden Kontrolle möglich und darf sich nur auf den aus der Unterversorgung resultierenden verhältnismäßigen Mehrbedarf beziehen. 494 BT-Drucks. 17/6906, S. 16.

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Orientierungswerte festgelegt werden, die die Vergütung der ärztlichen Leistung für den Regelfall, für den Fall der Unterversorgung und den Fall der Überversorgung bestimmen, § 87 Abs. 2e S. 1 SGB V a. F. Dabei sollte der Orientierungswert für die Unterversorgung den Orientierungswert für die Regelversorgung so überschreiten, dass die Festlegung der Orientierungswerte eine steuernde Wirkung auf das vertragsärztliche Niederlassungsverhalten hatte, § 87 Abs. 2e S. 2 SGB V a. F. Zudem sollten die Orientierungswerte für überversorgte Regionen die Orientierungswerte der Regelversorgung so unterschreiten, dass von der Differenz ebenfalls eine steuernde Auswirkung auf das Niederlassungsverhalten ausging § 87 Abs. 2e S. 2 SGB V a. F.495 (2) Die Bedeutung der Orientierungswerte und des EBM für die Vergütung der Vertragsärzte Diese zunächst recht technisch klingenden Regelungen hatten eine enorme Auswirkung auf die Leistungsvergütung der Vertragsärzte. Das hing mit der Bedeutung der Orientierungswerte für den EBM und des EBM für die Vergütung der einzelnen Leistungen zusammen. Der EBM hat für den vertragsärztlichen Bereich die Funktion einer Gebührenordnung, § 87a Abs. 2 S. 5 SGB V. Er ist ein „Kernstück“496 des Bundesmantelvertrags-Ärzte, den die Gesamtverträge inkor­ porieren, §§ 87 Abs. 1 S. 1, 82 Abs. 1 S. 2 SGB V.497 Der EBM bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander, § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V. Der EBM soll einen bundeseinheitlichen Orientierungswert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen festlegen. Dabei war zwischen Leistungen im Regelfall, bei festgestellter Unterversorgung und festgestellter Überversorgung zu differenzieren und ein zur Niederlassungssteuerung geeignetes Verhältnis zwischen den Leistungen in den unterschiedlich versorgten Gebieten festzusetzen, § 87 Abs. 2e S. 1, 2 SGB V a. F. Deshalb wurden gleiche Leistungen in verschiedenen Planungsbereichen unterschiedlich vergütet, je nachdem ob in dem Planungsbereich eine Regelversorgung herrschte, oder ob eine Unter- bzw. Überversorgung festgestellt worden ist. Die Leistungen in unterversorgten Planungsbereichen wurden deshalb höher vergütet als im Regelfall, wobei die Vergütung in regelmäßig versorgten Planungsbereichen ihrerseits höher war als in Planungsbereichen, in denen eine Überversorgung festgestellt wurde, vgl. § 87 Abs. 2e S. 2 SGB V a. F. § 87 Abs. 2e S. 3 SGB V a. F. sah eine Übergangsregelung vor, die die differenzierte Leistungsvergütung nur für die Ärzte festlegte, die sich neu in einem Pla 495 Vgl.

die knappe Darstellung bei Knieps/Leber, VSSR 2008, 177 (183). in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 87, Rn. 1. 497 Zur Kritik an der Regelung des EBM und der Regelleistungsvolumina vgl. nur Preis, MedR 2010, 139 (143 f.), der bei den Vergütungsregelungen des SGB V für „planwirtschaft­ liche Regelungen“ typische fehlsteuernde Effekte feststellt. 496 Scholz,

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nungsbereich als Vertragsarzt niederließen (Neufälle). Für bereits niedergelassene Vertragsärzte (Altfälle) galt eine Übergangsphase, die jedoch im Gesetz nicht exakt festgelegt war.498 Vielmehr sprach § 87 Abs. 2e S. 3 SGB V a. F. von einer möglichst zeitnahen Angleichung der Neu- und Altfälle. Die Orientierungswerte gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F. waren Grundlage für die regionale Euro-Gebührenordnung. Die Partner der Gesamtverträge (KV, Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen) vereinbarten auf Basis der Orientierungswerte bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Punktwerte die zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden waren, § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V. Somit lässt sich zusammenfassen, dass die im EBM festgelegten Orientierungswerte Einfluss auf die regionale Euro-Gebührenordnung hatten und die Staffelung der Leistungsvergütung auf diesem Wege auch tatsächlich Anwendung fand. Im Ergebnis wurden die gleichen Leistungen abhängig vom Versorgungsgrad der Planungsbereiche unterschiedlich hoch vergütet und zwar in der Weise, dass eine die Niederlassung steuernde Wirkung entfaltet werden soll. (3) Die Überprüfungspflichten gem. § 87 Abs. 7 SGB V a.F Der Bewertungsausschuss war verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31.03.2012 die Steuerungswirkung der auf Grundlage der Orientierungswerte vereinbarten Punktwerte auf das ärztliche Niederlassungsverhalten Auskunft zu geben, § 87 Abs. 7 S. 1 SGB V a. F.499 Auf der Grundlage dieses Berichts sollte das Bundesministerium für Gesundheit seinerseits bis zum 30.06.2012 dem Bundestag zu berichten, ob auch für den Bereich der ärztlichen Versorgung auf die Steuerung des Niederlassungsverhaltens durch Zulassungsbeschränkungen verzichtet werden könne. Hätte sich herausgestellt, dass die finanziellen Anreize über die Leistungsvergütung die Verteilung der Vertragsärzte ebenso wirksam steuern wie die Zulassungsbeschränkungen nach der Bedarfsplanung, so wären sie als im Vergleich zur Bedarfsplanung die Berufsfreiheit weniger beschränkendes Mittel schon aus grundrechtlicher Sicht vorzugswürdig gewesen (da die Erforderlichkeit der Bedarfsplanung zur Beschränkung der ärztlichen Berufsfreiheit nicht mehr gegeben wäre).500 Die Vergütungsanreize liefen somit in einer Testphase parallel neben den Zulassungsbeschränkungen der Bedarfsplanung, was es ermöglicht hätte, die Wirksamkeit dieser Anreize auf das Niederlassungsverhalten zu überprüfen und zeitgleich auf das starke Instrument der Zulassungssperren zurück 498 Sog.

Besitzstandsregelung, vgl. Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 87, Rn. 14. diese Norm ist durch Art. 1 Nr. 22 GKV-VStG aufgehoben worden. 500 Krit. gegenüber der Potenz der Bedarfsplanung im Hinblick auf eine gleichmäßige Verteilung der Vertragsärzte Junge, Recht auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, S. 117; Preis, MedR 2010, 139 (146). 499 Auch

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greifen zu können. Der Gesetzgeber hat sich gegen diese Konzeption entschieden und die Regelung noch vor Ablauf des Überprüfungszeitraums gestrichen. Rixen zufolge hat diese Regelung das Niederlassungsverhalten der Ärzte nicht maßgeblich beeinflusst. Dies liege zum einen daran, dass die Niederlassungsentscheidung von Ärzten nicht eindimensional auf die Höhe der Vergütung reduziert werden könne; zum anderen sei die Regelung zu kompliziert und seien die Ergebnisse zu intransparent gewesen.501 (4) Bewertung der Vergütungsanreize Die Niederlassungssteuerung gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F. funktionierte auf dem Wege der Ungleichbehandlung von faktisch gleichen Leistungen, abhängig vom Ort der Leistungserbringung. Der EBM sollte so konkretisiert werden, dass die gleiche Leistung an unterschiedlich versorgten Orten jeweils unterschiedlich hoch vergütet wurde. Damit waren insbesondere vier Probleme verbunden. Erstens musste sich die Ungleichbehandlung der Leistungen bei den Neufällen (also den Ärzten, die sich nach Inkrafttreten der gestaffelten Orientierungswerte in einem Planungsbereich niederlassen) wegen des allgemeinen Gleichheits­ satzes gem. Art 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich rechtfertigen, da hier wesentlich Gleiches ungleich behandelt wurde. Denn es wurden identische Leistungen unterschiedlich vergütet, abhängig vom Versorgungsstatus des Ortes, an dem der Vertragsarzt seinen Sitz hatte und an dem er die Leistungen erbrachte. Da es um die Sicherstellung der wohnortnahen vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten, mithin die Verfügbarkeit gesetzlich zugesicherter Leistungen und deshalb um die Äquivalenz von Beitrag und Leistung (sowie in besonderen Fällen um das Existenzminimum) ging, war eine solche Ungleichbehandlung jedoch gerechtfertigt, zumal die Neufälle in der Wahl des Niederlassungsortes frei sind und auch die Orientierungswerte in ihre Entscheidung einfließen lassen konnten. Interessant wäre gewesen, die Effektivität der Regelung empirisch zu erforschen. Hätte sich herausgestellt, dass die Regelung des § 87 Abs. 2e SGB V keinen Effekt auf die Verteilung der Ärzte und die bedarfsgerechtere Versorgung der Versicherten hat,502 so wäre vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG die ungleiche Vergütung aufzuheben gewesen, da dann kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung bestanden hätte. Zudem ist festzuhalten, dass die Festlegung der Orientierungswerte keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf eine dauerhafte über-

501 Rixen,

GesR 2012, 337 (339). solchen Schluss legt die Studie von Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 ff. nahe: Sofern nicht ein erhebliches zusätzliches Einkommen gewährt wird, das die Nachteile der Strukturschwäche der Region ausgleichen kann, lassen sich die meisten Ärzte nicht in einem solchen Gebiet nieder. 502 Einen

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durchschnittliche Vergütung in unterversorgten Gebieten entfaltete. Denn im Erfolgsfall würde aus einem unterversorgten Planungsbereich ein regulär versorgter, was auch die Anpassung der Vergütung bedeutet hätte. Da die gesetzliche Regelung aber diese Dynamik abbildete, konnte sich der einzelne Vertragsarzt nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen im Hinblick auf die dauerhafte überdurchschnittliche Vergütung der Leistungen berufen. Er musste damit rechnen, dass dieses Steuerungsinstrument Erfolg hat und deshalb seine Vergütung abnimmt. Zweitens stellte sich die Frage, ob sich die „Altfälle“ in den überversorgten Gebieten auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen konnten. Schließlich wurden ihre Leistungen nach Ablauf einer Übergangsfrist zur Besitzstandswahrung geringer vergütet als in anderen Planungsbereichen, in denen keine Überversorgung herrschte. Da der Gesetzgeber keine abgeschlossenen Fälle nachträglich anderes regelte, sondern die Vergütung für die Zukunft modifiziere, handelte es sich bei der Einführung des § 87 Abs. 2e SGB V um eine Änderung des Rechts für Sachverhalte der Zukunft. Mithin lag keine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung), sondern eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) vor.503 Diese kann der Gesetzgeber grundsätzlich ohne Beschränkungen vollziehen,504 da es prinzipiell keinen „rechtsstaatlichen Schutz des Kontinuitätsvertrauens“ gibt.505 Die Änderung der Rechtslage mit Wirkung für die Zukunft ist stets auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände bezogen, deshalb ist ein Vertrauen in den künftigen Fortbestand der Rechtslage nur dann schutzwürdig, wenn der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.506 Darüber hinaus ist zu bezweifeln, ob sich die Altfälle aus der damaligen Vergütungspraxis auf ein schutzwürdiges Vertrauen im Hinblick auf ihre Vergütung berufen konnten. In diversen Reformen des Vergütungsrechts seit 2004507 wurden unter anderem Regelleistungsvolumina eingeführt, die die Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit begrenzen sollen, vgl. § 87b Abs. 2 SGB V a. F.. Zudem galt vor der vorletzten Reform der §§ 85 ff. SGB V, dass die einzelnen Leistungen keinen vorher festgesetzten Wert hatten, sondern sich der Punktwert aufgrund der Gesamt­vergütung gem. § 85 Abs. 1 SGB V erst in Ansehung der gesamten erbrachten Leistungen ergeben hat. Deshalb war der Honoraranspruch offen, da nur ein Anspruch auf Teil-

503 Zur Unterscheidung und den verfassungsrechtlichen Anforderungen vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 (Rechtsstaatsprinzip), Rn. 164; Jarass, in: ders./ Pieroth, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 68 ff. 504 Vgl. BVerfGE 97, 271 (289); 101, 239 (263); 103, 392 (403); 109, 96 (122); BVerwGE 110, 265 (270); BSGE 88, 43 (46 f.). 505 Zitat von Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 71; vgl. auch BVerfGE 38, 61 (83); 68, 193. (222 f.); Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 242 f. 506 BVerfGE 30, 292 ff. (404); 102, 68  (96 ff.); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 71. 507 Vgl. Den Überblick über die wesentlichen Änderungen des Vergütungsrechts seit 2004 bei Auktor, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), SGB V, Vor §§ 85 ff, Rn. 6.

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habe an der Gesamtvergütung bestand.508 Die Übergangsregelung ermöglichte es den Altfällen, zu kalkulieren und die Verlegung des Vertragsarztsitzes in einen anderen, nicht überversorgten Planungsbereich zu organisieren bzw. auf sonstige Weise auf die Reduzierung der Vergütung zu reagieren. Drittens endete die Anreizwirkung der gestaffelten Orientierungswerte, wenn der Anreiz besonders wirksam war und sich Ärzte in einem unterversorgten Gebiet niederließen. Es bestand deshalb die Möglichkeit, dass mit dem Ende des Anreizes auch die Ärzte das Gebiet wieder verlassen (oder sich gar nicht in einem unter­versorgten Planungsbereich niederlassen), wenn es sich etwa um ein strukturschwaches Gebiet handelte und der finanzielle Anreiz der Hauptgrund für die Niederlassung war. Das Instrument der gestaffelten Orientierungswerte lief somit Gefahr, Opfer seiner eigenen Wirksamkeit zu werden, sofern es funktionierte.509 Denn im Erfolgsfall würde der Wegfall des Anreizes geeignet sein, dass sich die Vertragsärzte in attraktiveren Gebieten niederlassen, sodass es eines dauerhaften Anreizes zur Niederlassung in strukturschwachen und von Unterversorgung gefährdeten Regionen bedurfte. Die gestaffelten Orientierungswerte konnten dies allein nicht leisten. Aufgrund der getätigten Investitionen, die zumeist für den Aufbau einer Praxis nötig sind, war diese Möglichkeit zwar nicht ganz ausgeschlossen, stellte jedoch keine allzu große Gefahr dar. Allerdings: Auf der anderen Seite stand und fiel die Legitimität der gestaffelten Orientierungswerte mit der tatsächlichen Anreizwirkung zur Niederlassung in unterversorgten Gebieten. Denn wenn die Niederlassung der Vertragsärzte nicht über die Orientierungswerte gesteuert werden konnten, war eine Ungleichbehandlung der Vertragsärzte im Hinblick auf die Leistungsvergütung nicht gerecht­fertigt. Der Niederlassungsanreiz durch eine gestaffelte Vergütung steckte somit in einem Dilemma. Viertens: Verlegt der Vertragsarzt seinen Sitz aus einem überversorgten in einen unterversorgten oder regulär versorgten Planungsbereich (wie es von der gesetzlichen Regelung intendiert ist), so ist nach dem Schicksal seiner bis dahin getätigten Investitionen zu fragen, d. h., ob er eine Praxisnachfolge realisieren kann. Das hing davon ab, ob der durch den Wegzug freiwerdende Vertragsarztsitz neu besetzt werden konnte, oder ob die bei Überversorgung festzulegenden Zu 508 Vgl.

dazu Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes, S. 80 f.; Boecken, in: v. Wulffen/ Krasney (Hrsg.), FS 50 Jahre Bundessozialgericht, S. 363 ff.; ders., in: Empter/Sodan (Hrsg.), Markt und Regulierung, S. 139 (154 ff.) Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 15 (36 ff.). Der Bewertungsausschuss hat auf Grundlage des § 87c Abs. 1 SGB V für das Jahr 2009 einen bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert von 3,5001 Cent festgelegt, vgl. DÄBl 2009, 106 (12): A-575; Steinhilper, MedR 2009, 464 (465). 509 Dies gilt umso mehr, wenn die Aufwendungen des Arztes für den Einrichtung der Praxis nur marginal waren, etwa weil die Gemeinde aufgrund eines lange Zeit unbesetzten Vertragsarztsitzes die Praxisräume mietfrei zur Verfügung stellt und der Arzt die vorhandenen Geräte entweder nur mit einer geringen Selbstbeteiligung finanzieren muss oder sie in die neue Praxis mitnehmen kann.

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lassungsbeschränkungen eine Praxisnachfolge ausschlossen. Diese Frage regelt § 103 Abs. 4 S. 1 SGB V.510 Demnach ist ein Vertragsarztsitz in einem gesperrten Planungsbereich unverzüglich von der KV auszuschreiben, wenn der Vertragsarztsitz durch Erreichen der Altersgrenze,511 Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll. Durch diese Regelung soll ein Ausgleich zwischen dem Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GKV und dem Interesse an der Werterhaltung der Arztpraxis erreicht werden.512 Das Gesetz benennt den Fall des Wegzugs nicht als Grund für eine Ausschreibung des frei werdenden Vertragsarztsitzes. Zwar unterscheidet § 95 Abs. 7 S. 1 SGB V zwischen Wegzug und Verzicht, allerdings ist die Niederlassung in dem Zuständigkeitsbereich eines anderen Zulassungsausschusses von einer neuen Zulassung dieses Zulassungsausschusses abhängig ist. Deshalb setzt der Antrag auf eine neue Zulassung in einem anderen Zulassungsbereich den Verzicht des Arztes auf seine bisherige Zulassung voraus.513 Dies ist der Punkt, an dem die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und daran anknüpfend die Praxisnachfolge ansetzen. Durch den Verzicht des Vertragsarztes auf seine bisherige Zulassung kann er seine Arztpraxis auch dann an einen Nachfolger veräußern, wenn er bislang seinen Arztsitz in einem Planungsbereich hatte, für den Zulassungssperren angeordnet waren. Auf diese Weise korrespondierten die Anreizregelungen des § 87 Abs. 2e SGB V a. F. SGB V mit den Nachfolgeregelungen des § 103 Abs. 4 SGB V. Allerdings zieht die Regelung des § 103 Abs. 4 SGB V bislang das Problem nach sich, dass es in einem überversorgten Planungsbereich effektiv zu keinem Abbau der Überversorgung kommt.514 Um diesem Missstand zu begegnen, gibt § 105 Abs. 3 SGB V den KV die Möglichkeit, den Verzicht des Vertragsarztes auf die Zulassung finanziell zu fördern, was auch den Erwerb der Praxis zum Verkehrswert umfasst.515

510 Vgl.

BSG MedR 2001, 159 (160). Regelungen zur Altersgrenze wurden allerdings mit Wirkung vom 01.10.2008 auf­ gehoben, vgl. Kruse, in: ders./Hänlein (Hrsg.), SGB V, § 95, Rn. 92. Deshalb sollte dieser Punkt keine Relevanz mehr besitzen. 512 Murawski, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), SGB V, § 103, Rn. 8. 513 Hess in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V, Rn. 56; Stellpflug, Vertragsarztrecht/Vertragszahnarztrecht, Rn. 172; Bäune, in: ders./­Meschke/ Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte­ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 6. 514 Vgl. die Darstellung von Hardenbergs in der Süddeutschen Zeitung vom 29.04.2010, S. 6. 515 Vgl. das Positionspapiers des GKV-Spitzenverbandes „Zukunft der ambulanten Versorgung – differenzierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung“, abrufbar unter http://www.gkvspitzenverband.de. 511 Die

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cc) Vergütungsanreize nach § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V Doch auch nachdem die Vergütungsanreize des § 87 Abs. 2e SGB V a. F. ent­ fallen sind, sieht das Gesetz andere Instrumente vor, die ebenfalls die Vergütung der betroffenen Ärzte verbessern sollen. Gem. § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V können zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten, insbesondere in Planungsbereichen, in denen eine (drohende) Unterversorgung festgestellt worden ist, Zuschläge auf den Orientierungswert für besonders förderungswürdige Leistungen sowie für Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern vereinbart werden. Die Begründung des Regierungsentwurfs des GKV-VStG nennt bzgl. der besonders förderungswürdigen Leistungserbringer und förderungswürdige Leistungen beispielhaft die Haus­ besuchstätigkeit.516 § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V ist zeitgleich mit der Streichung der regionalen Zuund Abschlagsregelung des § 87 Abs. 2e SGB V in Kraft getreten. Deshalb kann die Norm nicht dergestalt ausgelegt werden, dass in irregulär versorgten Planungs­ bereichen sämtliche Leistungserbringer förderungswürdig sind. Denn dadurch würden die regionalen Zuschläge durch die Hintertür wieder eingeführt. Vielmehr ist eine herausgehobene Bedeutung der Leistungserbringer bzw. einzelner Leistungen über den bloßen Befund der irregulären Versorgung hinaus erforderlich. Die zusätzlich erforderlichen Mittel sind dadurch aufzubringen, dass die Gesamtvergütung entsprechend erhöht wird. Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 87a Abs. 3 SGB V.517 i) Kooperations- und Niederlassungsmodelle als Sicherstellungsinstrumente Über die genannten Maßnahmen hinaus können auch andere Möglichkeiten genutzt werden, um Unterversorgung zu beseitigen bzw. abzuwenden. Diese bestehen in der Kooperation verschiedener Ärzte, insbesondere in MVZ sowie in dem Betrieb von Gemeinschafts- und Filial- oder Zweigpraxen. Zwar gehörte die Einzelpraxis lange Zeit zum Berufsbild des freiberuflichen Vertragsarztes,518 jedoch etablieren sich aus unterschiedlichen Gründen (fortschreitende medizinische Entwicklung, Notwendigkeit der Spezialisierung)519 Kooperationen zwischen Ärzten und auch zwischen Ärzten und nicht-ärztlichen 516 BT-Drucks. 17/6906,

S. 62. S. 62. 518 Vgl. Taupitz, NJW 1992, 2318 (mit Fn. 5); Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 185. 519 Vgl. Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 186 ff. 517 BT-Drucks. 17/6906,

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Leistungserbringern in immer stärkerem Maße. Die Möglichkeit der beruflichen Kooperation scheint vor allem aus finanziellen Gründen einen spürbaren Einfluss auf die Niederlassungsentscheidung der Ärzte zu haben. Eine Einzelpraxis wird von diesen insbesondere auch mit einem finanziellen Nutzenabschlag in Ver­ bindung gebracht.520 Hier sind die MVZ, Gemeinschafts- und Zweigpraxen von Interesse. aa) MVZ gem. § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V MVZ sind zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt, § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V. Sie sind fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die ins Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind, § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V. Dazu müssen in den Einrichtungen Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Tätigkeitsschwerpunkten tätig sein. Es genügt dabei nicht, dass die Ärzte der hausärztlichen Arztgruppe oder der psychotherapeutischen Arztgruppe angehören, § 95 Abs. 1 S. 3 SGB V.521 Die MVZ müssen zwar ärztlich geleitet sein, betrieben werden können sie dank einer Besitzstandsklausel in § 95 Abs. 1a S. 3 SGB V jedoch auch von finanzkräftigen Gesellschaften, die z. B. MVZ-Ketten bilden können,522 sofern die MVZ bereits vor dem 01.01.2012 zugelassen waren. Nach diesem Zeitpunkt zugelassene MVZ können grundsätzlich nur Vertragsärzte und Krankenhäuser MVZ gründen, um die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidung zu gewährleisten, § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V.523 Das führt dazu, dass das wirtschaftliche Risiko nur noch mittelbar von den im MVZ tätigen Ärzten getragen werden muss. Da die MVZ die wirtschaftlichen Risiken des einzelnen Arztes minimieren und ihm insbesondere im AngestelltenVerhältnis ein festes Einkommen bei fixierten Arbeitszeiten zusteht, erfreut sich diese Kooperationsform einer steigenden Beliebtheit.524 Es ist möglich, dass ein

520 Vgl.

Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Ver­ sorgungsforschung, Bd. 2, S. 419 (429). 521 Vgl. zum Tatbestandsmerkmal der fachübergreifenden Einrichtung Fiedler/Weber, NZS 2004, 358 f.; Wigge, MedR 2004, 123 (125 f.); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 16, Rn. 10. 522 s. Martini, NJW 2009, 2116; Nienhaus, FAS vom 13.07.2008, S. 33. Zur Möglichkeit von Kliniken, MVZ zu gründen krit. Dahm, MedR 2010, 597. 523 Weiterhin ist durch das GKV-VStG u. a. die Rechtsform der MVZ auf Personengesellschaften, eingetragene Genossenschaften und GmbH beschränkt und die Anforderung aufgestellt worden, dass die Leitung des MVZ rechtlich und tatsächlich durch einen Arzt erfolgt, der selbst im MVZ tätig sein muss, vgl. § 95 Abs. 1 S. 3, Abs. 1a S. 1 SGB V. 524 Vgl. Nienhaus, FAS vom 13.07.2008, S. 33. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder nimmt deshalb ausdrücklich auf die MVZ Bezug, vgl. die Beschlüsse der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.02.2010, TOP 5.3.2 (C 2), abrufbar unter http://www. gmkonline.de.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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Vertragsarzt mit eigener Niederlassung als angestellter Arzt in Teilzeittätigkeit oder als freier Mitarbeiter im MVZ tätig wird.525 Die Zulassung des MVZ unterliegt den gleichen Regeln der Bedarfsplanung wie die Zulassung von Vertragsärzten. In überversorgten Gebieten ist die Gründung eines MVZ deshalb nicht möglich, es sei denn, ein in dem überversorgten Planungsbereich niedergelassener Vertragsarzt verzichtet auf seinen Vertragsarztsitz und lässt sich im MVZ anstellen, so dass er seinen Vertragsarztsitz „mitnimmt“, § 103 Abs. 4a SGB V.526 Allerdings unterliegen die MVZ nach Ansicht des LSG Sachsen hinsichtlich der Eröffnung von Nebenbetriebsstätten keinen Beschränkungen.527 Die MVZ bewirken eine Konzentration der Ärzte an einem Punkt oder wenigen Punkten des Planungsbereichs. Vielfach werden die Vertragsarztsitze aus der Peripherie „abgesaugt“ und in einem Ort gebündelt, was im Falle der Unterversorgung eines Planungsbereichs eine zusätzliche Verschlechterung der Versorgungslage für die Peripherie bedeutet.528 Dieser Effekt kann jedoch durch einen entsprechenden Zuschnitt der Planungsbereichs abgemildert werden529 und spricht nicht zwingend gegen die MVZ. Um eine bloß rechnerische Normalversorgung zu vermeiden, die allein durch eine Bündelung der vertragsärztlichen Versorgung an einem oder zentralen Ort oder wenigen zentralen Orten statistisch „vorgegaukelt“ wird, müssen die Planungsbereiche so organisiert werden, dass eine zumutbare Ent­ fernung aller Bereiche der Peripherie zu dem Versorgungsort gewährleistet ist, so dass trotz einer Konzentration der Versorgung von einer wohnortnahen vertragsärztlichen Versorgung im gesamten Planungsbereich gesprochen werden kann.530 § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV sieht in der Fassung durch das GKV-VStG vor, dass die Verlegung eines Vertragsarztsitzes, den das MVZ aufkauft, nur dann genehmigt werden darf, wenn dadurch die Versorgung nicht verschlechtert wird. Hinzuweisen ist zudem darauf, dass MVZ vermehrt von Krankenhäusern betrieben werden, die insbesondere die Nachsorge der stationären Behandlung übernehmen und so in den ambulanten Leistungserbringermarkt Einzug halten.531 Auf diese Weise entsteht 525 Vgl. Krauskopf, in: ders. (Hrsg.); Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB V,

§ 95, Rn. 40. dazu BT-Drucks. 15/1525, 112; Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 103, Rn. 16; Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 103, Rn. 29a. 527 LSG Sachsen, Urt. v. 09.04.2010, Az. L 1 KA 8/09. 528 Vgl. etwa Feld, FAZ vom 03.07.2008, S. 35; Nienhaus, FAS vom 13.07.2008, S. 33. 529 Aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 3 Bedarfsplanungs-RL, die als Planungsbereiche bislang die Landkreise, kreisfreien Städte oder die Kreisregionen in der Zuordnung des Bundes­ amtes für Bauplanung und Raumordnung vorsieht, kann bei dem Zuschnitt der Planungsbereiche von dieser Regelung nur im Einzelfall unter Angabe einer genauen Begründung abgewichen werden, vgl. BSG NZS 1998, 494 (495 f.); Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 99, Rn. 6. 530 Zu den Reformüberlegungen in diesem Bereich vgl. unten, Teil 3, Kap. 1, A. II. 531 Vgl. dazu Wenner, GesR 2009, 505 (509 f.). 526 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

für die verbliebenen Vertragsärzte ein enormer Wettbewerbsdruck durch einen ­finanziell potenten Konkurrenten, was dazu führen kann, dass sich die Vertragsärzte lieber in den „Schoß“ des MVZ retten, auf die Zulassung verzichten und im MVZ als angestellter Arzt tätig werden (unter Umständen in der bisherigen Praxis als Filiale des MVZ gem. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV).532 Durch die Konzentration der Ärzte können für die Versicherten jedoch auch Chancen entstehen, da sie die medizinischen Leistungen „aus einer Hand“533 erhalten und die Wegstrecken von einem Arzt zum anderen unter Umständen entfallen.534 Es muss sich aber erst herausstellen, ob die MVZ einen direkten Einfluss auf die Niederlassungsbereitschaft in unterversorgten bzw. irregulär versorgten Gebieten entfalten können. Das MVZ bietet somit sowohl Chancen als auch Risiken für die Versorgungs­ situation der Versicherten, wobei die Risiken durch die Konzentration der Vertragsärzte vor dem Hintergrund einer wohnortnahen Versorgung überwiegen. Dem ist durch einen angemessenen Zuschnitt der Planungsbereiche zu begegnen. bb) Gemeinschaftspraxen Den Vertragsärzten wurden in den letzten Jahren verbesserte Möglichkeiten der beruflichen Kooperation eingeräumt. Diese ist Gegenstand des ärztlichen Berufsrechts und in der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO) geregelt,535 wobei zwischen Organisationsgemeinschaft und Berufsgemeinschaft zu differenzieren ist, § 18 Abs. 1 MBO.536 (1) Organisationsgemeinschaft Die Organisationsgemeinschaft ermöglicht es Ärzten, gemeinsame Praxisräume und Einrichtungsgegenstände zu nutzen. Die Behandlung des Patienten erfolgt jeweils durch den einzelnen Arzt auf eigene Rechnung und im eigenen Namen, nicht aber im Namen und auf Rechnung der Organisationsgemeinschaft.537 Die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten der Praxisräume und Geräte sowie die Personal 532 Dazu

Wenner, GesR 2009, 505 (510). Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 16, Rn  9. 534 Nienhaus, FAS vom 13.07.2008, S. 33. 535 Die MBO ist für die Ärzte nicht verbindlich, jedoch wurden die Regeln der MBO weitgehend von den Ärztekammern mit für die Ärzte verbindlicher Wirkung übernommen, vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, Einl. Vor §§ 1 ff. MBOÄ, Rn. 4. Deshalb wird in dieser Arbeit der Einfachheit halber auf die Regelungen der MBO verwiesen. 536 Vgl. Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufs an das Gewerbe, S. 190 ff. 537 Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufs an das Gewerbe, S. 192. 533 BT-Drucks. 15/1525, 74;

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kosten werden durch die Anzahl der Kooperationspartner geteilt, weshalb eine Gemeinschaft Kosten spart, zugleich aber zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen durch jeden einzelnen Partner berechtigt. Finanziell sind die Organisationsgemeinschaften somit lukrativ. Im Hinblick auf die Beseitigung der Unterversorgung lässt sich jedoch kein spezifischer Mehrwert der Organisationsgemeinschaft feststellen. Zwar mag die Teilung von Kosten interessant für den einzelnen Arzt sein. Es ist jedoch anzuzweifeln, dass dies einen gewichtigen Einfluss auf die Niederlassung in ein irregulär versorgtes Gebiet hat, zumal die Errichtung von Organisationsgemeinschaften nicht auf unterversorgte Gebiete beschränkt ist. (2) Berufsausübungsgemeinschaft Berufsausübungsgemeinschaften zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Ärzte gleicher oder verschiedener Fachrichtungen die ärztliche Tätigkeit gemeinsam ausüben.538 Die Ärzte beschäftigen gemeinsames Personal und bedienen sich der Praxisräume und Geräte. Der Patientenstamm wird auf gemeinsame Rechung behandelt, weshalb es nur eine Karteiführung gibt. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen dem Patienten und der Berufsausübungsgemeinschaft, mithin allen Ärzten der Gemeinschaftspraxis zustande.539 Die Berufsausübungsgemeinschaft kann gem. § 18 Abs. 3 S. 3 MBO überörtlich organisiert sein. Das bedeutet, dass an mehreren Orten Praxen der Gemeinschaft eingerichtet werden. § 18 Abs. 3 S. 3 MBO verpflichtet die Berufsausübungsgemeinschaft aber, dass an jedem Praxissitz verantwortlich mindestens ein Mitglied der Berufsausübungs­ gemeinschaft hauptberuflich tätig ist.540 Durch die Berufsausübungsgemeinschaft wird eine verbesserte Kooperation der Ärzte erreicht und die Personal-, Praxis- und Gerätekosten geteilt, was lukrativ für die Niederlassung sein kann. Bei der Berufsausübungsgemeinschaft bestehen ähnliche Chancen und Risiken für die Versorgung der Versicherten wie bei den MVZ. Ob die Organisationsform der Berufsausübungsgemeinschaft einen spürbaren Einfluss auf die medizinische Versorgung in irregulär versorgten Gebieten hat, muss sich erst erweisen.

538 BGHZ 97, 273 (276); Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufs an das Gewerbe, S. 191. 539 Vgl. Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufs an das Gewerbe, S. 191. 540 Von der hauptberuflichen Tätigkeit ist auszugehen, wenn die überwiegende Arbeitszeit am Praxissitz verbracht wird, vgl. Mitteilungen der BÄK, DÄBl 2008, 105 (19): A-1019 (A-1022).

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

cc) Zweigpraxen Die Vertragsärzte haben nach dem Berufsrecht gem. § 17 Abs. 2 MBO die Möglichkeit, neben ihrem Praxissitz an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu werden.541 Dies setzt voraus, dass die Ärzte Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung ihrer Patienten an allen Orten ihrer Tätigkeit treffen, woraus sich auch die Beschränkung der Tätigkeitsorte auf insgesamt drei erklärt.542 Alle Tätigkeitsorte sollen vom Arzt innerhalb kurzer Zeit erreicht werden können. Die MBO macht jedoch keine Vorgaben über die maximale Entfernung der Praxisorte, allerdings geht die BÄK von einer Entfernung von ca. 30 Minuten aus.543 Da die MBO trotz neuer Kooperationsformen und der Möglichkeit des Arztes, an mehreren Orten tätig zu werden, an dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung festhält,544 sind die Einschränkungen der Entfernung der Orte nachvollziehbar. Der Arzt kann aber einen anderen Arzt mit der Versorgung der Versicherten an seinen Tätigkeitsorten beauftragen (was dazu führt, dass der Behandlungsvertrag mit dem beauftragten Arzt zustande kommt) oder die Ver­sorgung, wenn er in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig ist, durch einen Partner oder einen angestellten Arzt mit vergleichbarer Qualifikation sicherstellen lassen.545 Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch GKV-VStG die Residenzpflicht gem § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV aufgehoben worden ist. Nunmehr genügt es, wenn der Arzt am Ort der Zweigpraxis eine Sprechstunde hält. Gem. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV546 soll die Zweigpraxis genehmigt werden, wenn die Abwägung zwischen der verbesserten Versorgung am Ort der Zweigpraxis und der mit der verminderten Arbeitsfähigkeit einhergehenden stärker angespannten Versorgungslage am Ort des Vertragsarztsitzes der verbesserten Versorgung am Ort der Zweigpraxis ein stärkeres Gewicht beimisst.547 Auch § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ermöglicht es, Zweigpraxen zu betreiben, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertrags 541 Das

LSG Sachsen legt das Tatbestandsmerkmal „Arzt“ in § 17 Abs. 2 BO eng aus und versteht darunter allein approbierte natürliche Personen, nicht hingegen MVZ, vgl. LSG Sachsen, Urt. v. 09.04.2010. Az. L 1 KA 8/09 – juris. 542 Vgl. Mitteilungen der BÄK, DÄBl 2008, 105 (19): A-1019 (A-1020). 543 Mitteilungen der BÄK, DÄBl 2008, 105 (19): A-1019 (A-1020). 544 Vgl. Mitteilungen der BÄK, DÄBl 2008, 105 (19): A-1019. Zum Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung vgl. auch § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV sowie Bäune, in: ders./ Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 32 Ärzte-ZV, Rn. 1 f.; Peikert, MedR 2000, 352. 545 Mitteilungen der BÄK, DÄBl 2008, 105 (19): A-1019 (A-1020). 546 Vgl. hierzu den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum VÄndG, BT-Drucks., 16/2474; Harney/Müller, NZS 2008, 286. 547 Vgl. hierzu Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 15, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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arztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Die Zweigpraxis muss nicht im selben KVBezirk liegen wie der Vertragsarztsitz. Liegt die Zweigpraxis in einem anderen KV-Bezirk als der Vertragsarztsitz, so hat der Arzt Anspruch auf Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss des KV-Bezirks. Liegt die Zweigpraxis im selben KV-Bezirk wie der Vertragsarztsitz, so hat der Arzt Anspruch auf Zulassung, § 24 Abs. 3 S. 2 Ärzte-ZV.548 (1) Keine Beeinträchtigung der Versicherten am Vertragsarztsitz Die Vertragspartner des BMV-Ä haben die Voraussetzung konkretisiert, dass keine Beeinträchtigung der Versicherten am Vertragsarztsitz eintreten darf.549 Gem. § 17 Abs. 1 BMV-Ä muss der Arzt bei einem vollen Versorgungsauftrag zumindest 20 Stunden in der Woche an seinem Vertragsarztsitz anwesend sein und Sprechstunden abhalten, bei einem Teilversorgungsauftrag 10 Stunden in der Woche. Die Sprechstunden können auch von einem angestellten Arzt abgehalten werden. Die Präsenzzeit an der Zweigpraxis darf die Anwesenheitsdauer des Arztes am Vertragsarztsitz nicht überschreiten.550 Die Versorgung am Ort der Zweigpraxis kann sowohl qualitativ als auch quantitativ verbessert werden. Bei der qualitativen Verbesserung spielen bedarfsplanerische Gesichtspunkte keine Rolle, wohl aber bei der quantitativen Versorgung.551 Die Errichtung einer Zweigpraxis ist auch dann aus Gründen der qualitativen Versorgung der Versicherten zulässig, wenn der Planungsbereich gesperrt ist. Die qualitative Verbesserung der Versorgung bezieht sich insbesondere auf besondere Behandlungsmethoden oder besondere Kenntnisse des Arztes, die ein besonderes Behandlungsangebot nach sich ziehen.552 Da es bei der irregulären Versorgung in erster Linie um die quantitative Verbesserung der Versorgung geht, steht diese hier im Mittelpunkt.553

548 Es stellt sich dann die Frage nach dem Konkurrentenschutz der am Ort der Zweigpraxis oder deren näherer Umgebung niedergelassenen Vertragsärzte. Die Widerspruchberechtigung von Konkurrenten gegen die Zulassung bzw. Ermächtigung bejahend Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, § 24 Ärzte-ZV, Rn. 128; bei Zweigpraxen außerhalb der Mitglieds-KV: Bäune, in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, § 24 Ärzte-ZV, Rn. 63; Wollersheim, GesR 2008, 281 (287); ablehnend BSG, Urt. v. 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08 R, Rn. 18 (m. w. N.) – juris. 549 Vgl. Harney/Müller, NZS 2008, 286 (287). 550 Vgl. dazu auch Harney/Müller, NZS 2008, 286 (287). 551 Vgl. Harney/Müller, NZS 2008, 286 (288 ff.). 552 Harney/Müller, NZS 2008, 286 (290). 553 Das BSG weist darauf hin, dass die Verbesserung der quantitativen Versorgung zugleich aus Sicht des Versicherten eine qualitative Versorgungsverbesserung bedeutet, Urt. v. 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08 R, Rn. 52 – juris.

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Die Literatur geht im Falle der Unterversorgung eines Planungsbereichs davon aus, dass eine Zweigpraxis die Versorgung in diesem Gebiet verbessern kann.554 Das SG Marburg hingegen differenziert:555 „Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.“

Ist der Ort der Zweigpraxis im Gegensatz zum restlichen Planungsbereich regulär versorgt, so ist nach dieser Ansicht durch die Zweigpraxis keine Verbesserung der Versorgung anzunehmen.556 Dies steht jedoch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur bedarfsplane­ rischen Gesamtentscheidung sowie zu anderen Aussagen des Gerichts. So führt das SG Marburg nämlich auch aus:557 „Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind.“

Da der Gesetzgeber auf die Planungsbereiche abstellt und es den Versicherten aus einem Planungsbereich zumutbar ist, mehrere Kilometer Wegstrecke zum Arzt in Kauf zu nehmen, kann eine Zweigpraxis die Versorgung eines Planungsbereichs auch dann verbessern, wenn sie in einem Ort angesiedelt ist, der regulär versorgt ist. Stellt man auf den gesamten Planungsbereich ab, so ist jede Nieder­lassung rechnerisch eine Verbesserung der Versorgungssituation.558 Zwar kann dagegen eingewendet werden, dass die tatsächliche Versorgung gerade nicht verbessert wird, wenn ein regulär versorgter Ort weitere Versorgungsangebote hinzugewinnt und der umliegende Planungsbereich weiterhin unterversorgt bleibt. Stellt man jedoch auf die Zumutbarkeit für die Versicherten ab, eine bestimmte Wegstrecke in Kauf zu nehmen, so ist eine Verbesserung der Versorgungslage für die umliegende Region ebenfalls gegeben. Das sieht wohl auch das BSG so, das allerdings allein auf die Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis abstellen will und die Versorgung des Planungsbereichs als nicht maßgeblich erachtet. Es führt aus, dass das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringern kann, die bei den

554 Bäune, in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24, Rn. 37; Harney/Müller, NZS 2008, 286 (290). 555 SG Marburg, Beschl. v. 27.08.2007, S 12 KA 374/07 ER, Rn. 25 – juris. 556 Auch das BSG stellt – allerdings ohne Begründung – auf den Ort der Zweigpraxis ab, nicht auf den Versorgungsbedarf des Planungsbereichs, Urt. v. 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08 R, Rn. 52 – juris. 557 SG Marburg, Beschl. v. 27.08.2007, Az. S 12 KA 374/07 ER, Rn. 26, Urt. v  07.03.2007, Az. S 12 KA 7001/06, Rn. 55 f. – juris. 558 Harney/Müller, NZS 2008, 286 (290).

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen, etwa infolge einer ungleichmäßigen Verteilung der Leistungserbringer im Planungsbereich.559 In dem beschriebenen Fall reduziert die Zweigpraxis in einem an sich regulär versorgten Planungsbereich den Patientendruck auf die bereits ansässigen Ärzte. Im Falle der Unterversorgung der umliegenden Gebiete werden die Ärzte am regulär versorgten Ort stark von Versicherten aus der Umgebung in Anspruch genommen, was längere Wartezeiten für die Versicherten aus diesem Ort und aus der Umgebung nach sich zieht. Man kann von einem sich bildenden Versorgungsnukleus sprechen. Dann aber verbessert eine Zweigpraxis die Versorgungssituation sowohl für die Versicherten aus diesem Ort als auch aus der Umgebung, da sich die Wartezeiten für alle verringern, weshalb eine Unterscheidung zwischen der Versorgung des Zweigpraxisortes und des übrigen Planungsbereichs nicht trennscharf vollzogen werden kann und darüber hinaus auch nicht sachgerecht ist. Hinzu kommt, dass der Arzt Anspruch auf Zulassung in einem Planungsbereich hat, sofern dieser einen bedarfsgerechten Versorgungsgrad aufweist. Der Zulassungsausschuss kann den Ort der Niederlassung des Vertragsarztes im Planungsbereich jedoch nicht vorgeben. Wenn dies schon nicht für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag möglich ist, dann erst recht nicht für die Errichtung einer Zweigpraxis, an die geringere Anforderungen gestellt werden.560 Eine dem § 100 Abs. 3 SGB V entsprechende Regelung für die Überversorgung einer Region existiert nicht. Deshalb ist nicht allein auf die Versorgungslage im Ort der geplanten Zweigniederlassung abzustellen, sondern zumindest die nähere Umgebung bzw. der gesamte Planungsbereich in den Blick zu nehmen. In einem irregulär versorgten Gebiet, für das die Vermutungswirkung der Unterversorgung gem. § 29 Bedarfsplanungs-RL nicht besteht, gilt das gleiche. Auch hier ist von einer nicht bedarfsgerechten Versorgung auszugehen, was die Errichtung einer Zweigpraxis zur Verbesserung der Versorgungssituation erforderlich macht.561 Deshalb ist festzuhalten: Ist der Planungsbereich unterversorgt oder droht Unterversorgung und ist der geplante Ort der Zweigniederlassung gleichzeitig aus­ reichend versorgt, so muss bei der Zulassung der Zweigpraxis auch auf die Versorgungslage des Planungsbereichs abgestellt werden. Zu betrachten ist insbesondere die nähere Umgebung, da die vertragsärztliche Versorgung der Umgebung auch durch die in dem regulär versorgten Ort niedergelassenen Ärzte erfolgt, was einen erhöhten Patientendruck und längere Wartezeiten bedeutet. Eine Zweigpraxis mindert diesen Patientendruck und die Wartezeiten. Voraussetzung ist jedoch, dass der regulär versorgte Ort gut erreichbar ist und sich die ärztliche Versorgung nicht zu-

559 BSG,

Urt. v. 28.10.2009, Az  B 6 KA 42/08 R – juris. Harney/Müller, NZS 2008, 286 (290). 561 Harney/Müller, NZS 2008, 286 (290). 560 So

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

lasten der Peripherie in diesem Ort konzentriert, so dass unzumutbare Wegstrecken für die Versicherten entstehen.562 (2) Anfechtungsbefugnis der Konkurrenten Gegen eine Zweigpraxisgenehmigung ist nach jüngerer Rechtsprechung des BSG kein Drittwiderspruch (negative Konkurrentenklage) der Konkurrenten zulässig, die ihren Arztsitz an dem Ort oder in dem Umfeld betreiben, in dem andere Ärzte ihre Zweigpraxis eröffnen wollen. Eine Berechtigung zur defensiven Konkurrentenklage besteht nach Ansicht des Gerichts nur dann, wenn der Kläger und der Konkurrent im selben Gebiet die gleichen Leistungen anbieten, dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert wird (nicht bei bloßer Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs) und der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber dem des Anfechtenden nachrangig ist. Davon sei auszugehen, wenn die Einbeziehung des Konkurrenten in die Versorgung vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird. In einer Zweigpraxisgenehmigung sei aber keine Erweiterung der Teilnahme der Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung zu erblicken. Durch sie komme es nicht zu einer Statusgewährung, da diese durch die Zulassung zur vertragsärzt­ lichen Versorgung erfolgt. Zudem sei die Zweigpraxisgenehmigung nicht nachrangig gegenüber der Zulassung der bereits niedergelassenen Ärzte, da der Konkurrent bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, es keine gesetzliche Vorrangsanordnung in § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV gebe und die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor Konkurrenz schütze.563 (3) Auswirkungen auf die Unterversorgung Es ist festzuhalten, dass die Errichtung von Zweigpraxen geeignet ist, die Versorgung der Versicherten in einem irregulär versorgten Planungsbereich zu verbessern und den Auswirkungen der irregulären Versorgung zu begegnen. Da Zweigpraxen vor allem eine verbesserte Erreichbarkeit des Arztes ermöglichen und die 562 Dies ist jedoch keine Frage der Zulässigkeit von Zweigpraxen, sondern des Zuschnittes der Planungsbereiche und deshalb in diesem Bereich zu regeln. Das Modell der zentralen Versorgung, wie es etwa in Hessen angedacht wird (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Koordination und Integration- Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung – , S. 162), legt es vielmehr nahe, dass die vertragsärztliche Versorgung der Peripherie durch zentrale Orte erfolgen kann und eine Bündelung der Versorgung nicht zu Lasten der Peripherie gehen muss. 563 Vgl. zu alldem BSG, Urt. v. 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08 R – juris; Darstellung auch bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (311 f.).

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Arbeitsbelastung auf mehr Schultern verteilt wird, kann durch dieses Instrument den Bedürfnissen nach Wohnortnähe der ärztlichen Versorgung und zumutbaren Wartezeiten sowie nach einem angemessenen Arzt-Patienten-Verhältnis und einer akzeptablen Arbeitsbelastung der Ärzte Rechnung getragen werden. Die Möglichkeit, eine Zweigpraxis zu errichten, erfreut sich zunehmender Beliebtheit – auch zum Leidwesen der am Ort der Zweigpraxis bereits niedergelassenen Vertragsärzte, was zu einigen gerichtlichen Entscheidungen über Konkurrentenklagen geführt hat.564 Allerdings sind mit der Errichtung einer Zweigpraxis teilweise auch negative Folgen verbunden. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Teilnahme am Notdienst, da sich die Pflicht zur Teilnahme am Notdienst auch auf den Ort der Zweigpraxis erstreckt.565 Das LSG Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass die Pflicht zur Teilnahme am Notdienst am Praxissitz anknüpft und ist der Auffassung, dass dadurch weder die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG, noch der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werde, da die zusätzliche Heranziehung des Arztes zum ärztlichen Notdienst aus vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sei und keine unzumutbare Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Positionen bedeute.566 Die Zweigpraxis diene dem Arzt nicht zur Erschließung neuer Einkommensquellen, sondern der verbesserten Versorgung der Versicherten, die auch die Teilnahme am Notfalldienst erfasse, weshalb die Zweigpraxis keine einseitigen Vorteile zugunsten des Vertragsarztes begründen dürfe. Zudem würden andernfalls die Kollegen des Vertragsarztes stärker durch die Teilnahme am Notdienst belastet, ohne dass sie in den Genuss der finanziellen Vorteile einer Zweigpraxis kämen, weshalb es der Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG faktisch gebiete, auch die Zweigpraxis als notfalldienstrelevant einzustufen.567 Auch auf einen eventuellen Zusatzbeitrag zur Ärztekammer ist hinzuweisen. Das VG Arnsberg hat, wenn auch für den Beitrag zur Zahnärztekammer, für Recht erkannt, dass eine Satzungsregelung unwirksam ist, die den Betreibern einer Zweigpraxis zur Entrichtung des Grundbeitrags für die Erstpraxis und eines zu 564 Vgl. für das Jahr 2009 den Überblick bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (316 f.). 565 Für Nordrhein-Westfalen vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.12.2009, Az. L 11 B 19/09 KA ER, Rn. 31 ff. – juris. Das Gericht stützt sich dabei zum einen auf eine systematische Auslegung der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der ÄK Nordrhein und der KV Nordrhein, zum anderen aber auch auf das Telos des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Da der Arzt seinen Patienten grds. rund um die Uhr zur Verfügung stehen müsse und sich diese Pflicht auch auf den Ort der Zweigpraxis erstrecke, sei der Vertragsarzt auch an diesem Ort zur Teilnahme am Notdienst verpflichtet. 566 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.12.2009, Az. L 11 B 19/09 KA ER, Rn. 32 ff. – juris. 567 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.12.2009, Az. L 11 B 19/09 KA ER, Rn. 35 ff. – juris.

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sätzlichen Beitrags in Höhe des für die Erstpraxis erhobenen Beitrags abverlangt.568 Die Erwägungen greifen jedoch auch bei Zusatzbeiträgen für Zweig­ praxen von Vertragsärzten durch. Der Kammerbeitrag muss sich demnach am Prinzip der gleichmäßigen Heranziehung ausrichten und sich an einer eventuellen Umsatzsteigerung orientieren. Die pauschale Verdoppelung des Beitragssatzes unabhängig vom tatsächlich erwirtschafteten höheren Umsatz verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).569 dd) Ausnahme von der Residenzpflicht gem. § 24 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV a. F. Bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG galt für Vertragsärzte das Prinzip der Residenzpflicht, § 24 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV.570 In unterversorgten Gebieten galt dies schon nach altem Recht nicht, § 24 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV a. F. Grundsätzlich sollte die Nähe des Wohnortes zum Praxissitz die schnelle Erreichbarkeit des Arztes und die Abhaltung der Sprechstunden gewährleisten.571 War die Versorgungssituation jedoch so angespannt, dass eine Unterversorgung vorlag, so musste sich der Arzt nicht in der zumeist strukturschwachen Region niederlassen, sondern konnte seinen Wohnsitz nach selbstbestimmten Maßstäben wählen. Der Arzt konnte deshalb in einer attraktiveren Region leben, als der, in der seine Praxis hatte, was die Entscheidung für eine berufliche Niederlassung in einem unterversorgten Gebiet erleichterte. ee) Keine Verlegung des Vertragsarztsitzes gem. § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV Der Vertragsarzt muss sich die Verlegung seines Vertragsarztsitzes innerhalb eines Planungsbereiches vom Zulassungsausschuss genehmigen lassen, § 24 Abs. 7 SGB V. Der Vertragsarzt hat dabei grundsätzlich einen Anspruch auf Genehmigung, wenn dem nicht Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen.572

568 VG Arnsberg,

Urt. v. 21.08.2009, Az. 13 K 98/09, Rn. 60 f – juris (= NWVBl 2009, 484). Urt. v. 21.08.2009, Az. 13 K 98/09, Rn. 60 f – juris. 570 Bäune, in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 22. 571 BSG, MedR 2004, 405 (406); SG Münster, GesR 2007, 219; Bäune, in: in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 22. 572 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V, Rn. 56; Krauskopf in: ders. (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 95 SGB V, Rn. 33; Schallen, Zulassungsverordnung, Rn. 722; Bäune, in: in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 7. 569 VG Arnsberg,

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Als Verlegung des Vertragsarztsitzes ist jede Änderung der Praxisanschrift innerhalb eines Zulassungsbezirks zu verstehen.573 Einer Genehmigung steht dabei insbesondere ein lokaler Versorgungsbedarf – auch in ansonsten überversorgten Planungsbereichen – entgegen.574 Wenn am bisherigen Vertragsarztsitz ein lokaler Versorgungsbedarf besteht, so entfällt der Anspruch des Vertragsarztes darauf, dass die Verlegung des Vertragsarztsitzes genehmigt wird. Auf diese Weise wird dem tatsächlichen Bedarf Rechnung getragen und den Zulassungsausschüssen die Möglichkeit zum flexiblen Handeln gegeben, ohne dass die Position des Arztes übermäßig beeinträchtigt würde. Da die Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen versagt werden kann, vermeidet die Ärzte-ZV einen Automatismus, der zur Verschärfung der örtlichen Bedarfslage führen könnte. An dieser Regelung hat auch des GKV-VStG nichts geändert, sondern nur klargestellt, dass die Verlegung des Vertragsarztsitzes nur dann erfolgen kann, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen, etwa die Herbeiführung von Versorgungsproblemen an dem bisherigen Sitz des Arztes.575 ff) Nebentätigkeiten von Vertragsärzten § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV gestattet es dem Vertragsarzt, Nebentätigkeiten nachzugehen, sofern er für die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten persönlich im erforderlichen Maß zur Verfügung steht; ansonsten wird er von der Norm als ungeeignet für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung angesehen. Das BSG ging bislang davon aus, dass der Vertragsarzt nur dann persönlich im erforderlichen Maß für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung steht, wenn er neben der Wahrnehmung eines hälftigen Versorgungsauftrags nicht mehr als zwei Drittel seiner Wochenarbeitszeit für die Nebentätigkeit, höchstens also 26 Wochenstunden aufwendet.576 Der Gesetzgeber hat jedoch eine flexible Regelung gewünscht und § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV geändert. Nunmehr soll es in erster Linie maßgebend sein, „dass (…) der Vertragsarzt in der Lage ist, trotz seiner anderen Arbeitszeiten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubie-

573 Bäune, in: in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 6 mit Hinweis auf die gegenteilige Auffassung von Krauskopf in: ders. (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 95 SGB V, Rn. 33, der auf den Planungsbereich abstellt. 574 Bäune, in: in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 24 Ärzte-ZV, Rn. 11. 575 Vgl. BT-Drucks. 17/6906, S. 105. 576 BSG, Urt. v. 13.10.2010, Az. B 6 KA 40/09 R, Rn. 16 – juris.

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ten. Wird dies gewährleistet, ist künftig eine Nebenbeschäftigung auch bei einer Überschreitung der aktuell von der Rechtsprechung entwickelten Zeitgrenzen möglich.“577 Durch die Regelung wird es dem Arzt ermöglicht, sowohl als Vertragsarzt als auch etwa im stationären Sektor tätig zu sein und flexibilisiert dadurch die Grenzen der Berufsfreiheit des Vertragsarztes. j) Die Abschmelzung des Arztvorbehaltes als Sicherstellungsinstrument Als Instrument zur Abschwächung des Ärztemangels und somit zur Gewähr­ leistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung ist auch die Aufweichung des Arztvorbehaltes (dazu gleich) anzusehen, da so die Anzahl der Leistungserbringer vergrößert wird. aa) Der Arztvorbehalt § 15 Abs. 1 SGB V legt fest, dass die ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht wird, sofern nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V etwas anderes bestimmt ist. Als ärztliche Leistungen sind alle Verrichtungen zu bezeichnen, die üblicherweise in einer Praxis von einem Arzt ausgeführt werden.578 Der Arzt ist deshalb grundsätzlich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet.579 Als persönliche Leistungen des Arztes werden auch diejenigen angesehen, die der Arzt zwar nicht eigenhändig erbringt, die jedoch von ihm veranlasst, überwacht und verantwortet werden, vgl. § 15 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä.580 Das nicht-ärztliche Personal muss zur Leistungserbringung qualifiziert sein.581 Der Arztvorbehalt weist den ärztlichen Leistungserbringern somit ein Behandlungsmonopol zu, von dem andere im Gesundheitswesen tätige Personen aus­ geschlossen sind.582

577 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum GKV-VStG, BTDrucks. 17/6906, S. 104. 578 Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 15, Rn. 10. 579 Vgl. BSGE 39, 288 (289); Peikert, MedR 2000, 352; Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 15, Rn. 8. 580 Vgl. dazu Steinhilper, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 26, Rn. 9 f. 581 Steinhilper, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 26, Rn. 54. 582 Vgl. Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 15, Rn. 3. Dieses Arztmonopol wird auch in § 2 BÄO manifestiert. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Behandlungsmonopols vgl. BVerfGE 78, 155 (161 ff.).

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bb) Die Reduzierung persönlicher ärztlicher Aufgaben im geltenden Recht Zur Reduzierung der persönlich durch den Arzt zu erbringenden Leistungen sah der Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahre 2005 eine Prüfung vor, „inwieweit nichtärztliche Berufe stärker in Versorgungskonzepte eingebunden werden können“.583 Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinen Gutachten aus den Jahren 2007584 und 2009585 eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen gefordert und insb. die Verlagerung bislang dem Arztvorbehalt unterfallender Aufgaben auf das nicht-ärztliche Personal verlangt.586 Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP aus dem Jahr 2009 sah eine verstärkte Übernahme ärztlicher Leistungen durch nichtärztliches Personal vor, gerade vor dem Hintergrund der flächendeckenden Gesundheitsversorgung.587 Diese als Delegation588 zu bezeichnenden Tendenzen der Reduzierung persönlich durch den Arzt zu erbringender Leistungen haben bereits im Gesetz Niederschlag gefunden.589 So sieht § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V die Möglichkeit vor, dass Hilfeleistungen durch andere Personen ausgeübt werden können, sofern der Arzt diese anweist und verantwortet.590 Zudem regelt § 63 Abs. 3c SGB V ein Modellvorhaben für die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht-ärztliches Personal. Gem. § 28 Abs. 1 SGB V sollen die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb eines vergleichsweise überschaubaren Zeitraums eine Liste der delegations­fähigen Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung erstellen. Danach sollen die Leis-

583 Gemeinsam

für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 2005, S  104; vgl. auch Spickhoff/Seibl, NZS 2008, 57. 584 Kooperation und Verantwortung, Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, abrufbar unter http://www.svr-gesundheit.de/Gutachten/Gutacht07/Kurzfassung%20 2007.pdf, S. 15 ff. 585 Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens – Kurzfassung –, S 137. 586 So explizit das Gutachten aus dem Jahr 2009: Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 137. 587 Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP, S. 88 f. 588 Die rechtlichen Probleme der Delegation können hier nicht vertieft werden. Vgl. dazu die jüngeren Ausführungen von Bergmann, MedR 2009, 1 ff.; Frahm, VersR 2009, 1576 ff.; Spickhoff/Seibl, NZS 2008, 57 ff.; dies., MedR 2008, 463 ff. 589 Unter Delegation wird dabei die Übertragung von bestimmten Tätigkeitsbereichen oder Einzelaufgaben an ärztliche und nichtärztliche Mitarbeiter (entsprechend ihren Fähigkeiten und Erfahrungen) zur selbständigen Erledigung verstanden, soweit nicht die Art und Schwere der Tätigkeit und Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme gerade die dem delegierenden Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt, vgl. BGH NJW 1975, 2245 (2246) (zu den zwingend durch den Arzt vorzunehmenden Handlungen); Frahm, VersR 2009, 1576. 590 Vgl. dazu Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 15, Rn. 12 f.

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tungen ausgewertet und die Übertragbarkeit auf nichtärztliches Personal sowie ihre Honorierung geprüft werden.591 Es bietet sich aber auch weiterhin an, die Negativfolie aufzulegen und die Grenzen der Delegation zu benennen. Diese werden im Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit erblickt, der die Anamnese, die Untersuchung, die Diagnose- und Indikationsstellung sowie solche Eingriffe umfasst, die wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit oder der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzen.592 Das beschreibt insbesondere operative Eingriffe, schwierige Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen sowie ärztliche Untersuchungen, Diagnostik und die ärztliche Beratung des Patienten.593 Die anderen Tätigkeiten sind grundsätzlich delegierbar, müssen vom Arzt aber angewiesen, überwacht und verantwortet werden, so dass der Arzt eine hinreichende organisatorische Struktur errichten muss.594 Bei den delegierbaren Leistungen kann zwischen generell delegationsfähigen und im Einzelfall delegationsfähigen Leistungen unterschieden werden. In der Literatur werden als generell delegationsfähige Leistungen Laborleistungen, radiologische Leistungen Dauerkatheterwechsel und der Wechsel einfacher Verbände bezeichnet.595 Bei im Einzelfall delegationsfähigen Leistungen darf der Arzt im Einzelfall qualifizierte Mitarbeiter zur Erbringung der Leistungen beauftragen, wenn seine persönliche Leistungserbringung nach Art und Schwere des Krankheitsbildes oder des Eingriffs nicht erforderlich ist. Zudem ist zu verlangen, dass der Mitarbeiter die erforderliche Qualifikation, Zuverlässigkeit und Erfahrung hat, um die Leistung zu erbringen. Dies umfasst Infusionen, Injektionen und Blutentnahmen.596 Insgesamt muss die zu delegierende Leistung mit der Qualifikation des nichtärztlichen Personals korrespondieren. Je besser das Personal qualifiziert ist, desto mehr Leistungen können auch delegiert werden. Die Grenze der Delegation ist jedoch der umschriebene Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit.

591 Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 15 f., abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 592 LSG Baden-Württemberg,, Urt. v. 01.09.2004, L 5 KA 3947/03 – juris; Peikert, MedR 2000, 352 (355 f.); Bäune, in: in: ders./Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV), § 32 Ärzte-ZV, Rn. 7. 593 Steinhilper, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 26, Rn. 58. 594 Vgl. Bergmann, MedR 2009, 1 (6) zur klinischen Organisation. Zu den Anforderungen an die Überwachung vgl. etwa BGHZ 89, 263 (272). 595 Narr, MedR 1989, 215 (216); Peikert, MedR 2000, 352 (355 ff.). 596 Stellungnahme der BÄK v. 16.02.1974, DMW 1974, 1380; Stellungnahme der DKG und der BÄK zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen durch das Krankenpflegepersonal v. 11.03./18.04.1980, DÄBl 1980, 1710; Narr, MedR 1989, 215.

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cc) Praktische Ausgestaltung und Auswirkungen auf die Versorgung Da bestimmte Leistungen auf nicht-ärztliches Personal übertragen werden können, werden die Ärzte durch die Delegation entlastet und haben mehr Zeit, sich auf die ärztlichen Kernaufgaben zu konzentrieren. Das kann zum einen eine verbesserte Behandlung des einzelnen Patienten bedeuten, da der Arzt mehr Zeit hat, sich mit seinen Beschwerden zu befassen. Zum anderen kann der Arzt aber auch mehr Patienten behandeln, was die Wartezeiten reduziert und die Versorgungslage entspannt. Deshalb beziehen sich die Effekte der Delegation auf die Auswirkungen der irregulären Versorgung, nicht jedoch auf ihre Beseitigung. Es gibt bereits Modellvorhaben gem. § 63 Abs. 3c S. 1 SGB V. In Hessen etwa werden im Werra-Meißner-Kreis im Rahmen eines Modellvorhabens Mobile Praxisassistentinnen eingesetzt. Diese sind besonders geschult (durch interne Fortbildung) und suchen immobile chronisch kranke Patienten in deren Wohnung auf.597 Sie überprüfen deren Allgemeinzustand und die richtige Einstellung der Medikamente. Der Arzt entscheidet auf Grundlage des Berichts der Mobilen Praxisassistentin, ob ein persönlicher Besuch bei dem Patienten angezeigt ist. Der Einsatz Mobiler Praxisassistentinnen gestaltet zum einen die Arbeit des Arztes effektiver, zum anderen wird die Verschlechterung der Erkrankung der Patienten frühzeitig erkennbar.598 In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen wurde das Modellvorhaben AGNeS (Arztentlastende, Gemeindenahe, e-Healthgestützte Systemische Intervention) etabliert, das auch in den alten Bundesländern Einzug halten soll.599 Besonders geschulte sog. Gemeindeschwestern besuchen die Patienten in deren Wohnung, nehmen bestimmte diagnoseunterstützende Aufgaben wahr (allgemeiner Gesundheitszustand, Blutdruckmessung, Blutzuckermessung), sind Ansprechpartner der Versicherten in Gesundheitsfragen und übernehmen bestimmte pflegerische Leistungen, etwa den Wechsel von Verbänden und sonstige Maßnahmen der Wundpflege sowie die Verabreichung von Medikamenten.600 Die Ergebnisse des Hausbesuchs werden in einen mobilen Computer eingegeben und dem Hausarzt durch e-Health übermittelt. Der Arzt muss den Patienten zuvor persönlich untersucht und die einzelnen Maßnahmen angeordnet haben. Die Gemeindeschwester darf keine Maßnahmen ergreifen, die sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit und Unvorhersehbarkeit nicht beherrschen kann.601 Eine Substitution ärztlicher Leistungen wird mit den Modellvorhaben daher nicht verfolgt.602 597 Vgl.

Müller, FAZ vom 28.02.2009, S. 66. Müller, FAZ vom 28.02.2009, S. 66. 599 Vgl. Rabbata, DÄBl Int 2009, 106 (1–2): 2. Zur Anspielung des Modellnamens auf eine DDR-Fernsehserie vgl. Burchert/Keuper, in: Keuper/Puchta (Hrsg.), Deutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall, S. 421 (427). 600 Vgl. Burchert/Keuper, in: Keuper/Puchta (Hrsg.), Deutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall, S. 421 (427 f.). 601 Vgl. http://www.auw.de/2008/12/schwester-agnes-bald-regelversorgung/. 602 Vgl. http://www.auw.de/2008/12/schwester-agnes-bald-regelversorgung/. 598 Vgl.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Andere Modelle verfolgen die besondere Schulung von Praxisassistentinnen, etwa das Modell EVA (Entlastende Versorgungsassistentinnen) von der Ärztekammer und KV Westfalen Lippe und das Modell VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) des Deutschen Hausärzteverbandes e. V.603 Die Delegation der Hausbesuche und der dort ausgeübten Tätigkeiten können für den hausärztlichen Bereich als Einzelleistungen oder Leistungskomplexe besonders gefördert werden, vgl. § 87 Abs. 2b S. 1 HS 2 SGB V (im Unterschied zur sonst geltenden Versichertenpauschale gem. § 98 Abs. 2b S. 1 HS 1).604 Eine Evaluation, die die Erfahrungen von Hausärzten und Patienten mit dem Modell AGNeS erforschte, hat festgestellt, dass der weit überwiegende Teil der teilnehmenden Hausärzte durch das Modellvorhaben entlastet wurde und sich die Therapietreue der Versicherten verbessert hat. Fast alle befragten Patienten gaben an, dass die Gemeindeschwestern kompetente Ansprechpartner für Gesundheitsfragen sind.605 Gerade im Hinblick auf die Arztentlastung sind die Ergebnisse jedoch nicht unumstritten, da es in der Studie keine Kontrollgruppe und publizierte patientenindividuelle Arztarbeitszeiten gab.606 Die Leistungserbringung durch nicht-ärztliches Personal wird in anderen Ländern schon seit Längerem praktiziert (auch unter Zubilligung einer erheblichen verantwortung bzw. der Substitution ärztlicher Leistungen durch nichtEigen­ ärzt­liches Personal, die jedoch mit einem Hochschulstudium des Personals einhergeht). Dabei wurden bislang keine signifikanten qualitativen Unterschiede zwischen identischen Leistungen festgestellt, die von Ärzten oder geschultem nicht-ärztlichen Personal erbracht werden.607 Die Delegation erscheint somit als eine geeignete Möglichkeit, die Auswirkungen der irregulären Versorgung abzumildern, ohne sie jedoch in ihrem Ursprung zu beseitigen.

C. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen bei Fehlschlagen der Sicherstellungsbemühungen? Zeigen die Sicherstellungsbemühungen keine Wirkung, stellt sich die Frage, ob der Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergeht.

603 Vgl. Burchert/Keuper, in: Keuper/Puchta (Hrsg.), Deutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall, S. 427 (428). 604 Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 87, Rn. 11. 605 Vgl. Berg u. a. DÄBl Int 2009; 106 (1–2): 3–9. 606 Vgl. Lichte/Hermann/Klement, DÄBl Int 2009; 106 (20): 357. 607 Vgl. etwa die Ergebnisse des HealthPolicyMonitor der Bertelsmann-Stiftung für die Nurse-Practitioners in den Niederlanden, abrufbar unter http://www.hpm.org/en/Surveys/BEOZ_ Maastricht_-_Netherlands/12/Update_on_Nurse_Practitioners.html.

4. Kap.: Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung 

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I. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen gem. § 72a SGB V § 72a SGB V regelt wie bereits dargestellt den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen und ihre Verbände. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung wird durch Einzel- und Gruppenverträge zwischen Krankenkassen und geeigneten Leistungserbringern geregelt, wenn der Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergeht, § 72a Abs. 3 S. 1 SGB V. Dabei sind die Leistungserbringer nicht beim Vertragsschluss zu berücksichtigen, die in einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung als Vertragsarzt verzichtet haben, § 72a Abs. 3 S. 3 SGB V. Sie sind nicht mehr berechtigt, die Versicherten im Rahmen des Sachleistungsprinzips zu versorgen.608 § 95b Abs. 2 SGB V ordnet für die an einer kollektiven Verzichtsaktion Teilnehmenden einen sechsjährigen Ausschluss von der vertragsärztlichen Versorgung an. Innerhalb dieser Frist darf diesen Ärzten keine Zulassung erteilt werden,609 wogegen teilweise Bedenken vorgebracht werden.610 Auch eine Inanspruchnahme dieser Ärzte durch die Versicherten im Wege der Kostenerstattung gem. § 13 Abs. 2 S 8 SGB V ist grundsätzlich ausgeschlossen.611 Die freie Arztwahl gem. § 76 Abs. 1 SGB V erstreckt sich nicht auf diese Leistungserbringer, sondern ist auf die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen oder anderweitig einbezogenen Leistungserbringer beschränkt.612 Neben dem Vertragsschluss mit geeigneten Leistungserbringern können die Krankenkassen auch Eigeneinrichtungen gem. § 140 Abs. 2 errichten, § 72a Abs. 3 S. 2 SGB V.613 II. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen bei Unterversorgung? Der Übergang des Sicherstellungsauftrags nach § 72a SGB V ist nur auf bestimmte Fälle anwendbar, in denen die Vertragsärzte einen Kollektivverzicht ihrer Zulassung anstreben.614 Dies ist bei der hier behandelten Fragestellung jedoch 608 Vgl.

BSG GesR 2008, 90 (91 f.). dazu BSG, Urt. v. 17.06.2009, Az. B 6 KA 16/08 R – juris; Platzer/Matschiner, NZS 2008, 244. 610 Krit. zur gesetzlichen Regelung, insb. mit Blick auf den Widerspruch beim Betriebs­ übergang Joussen, SGb 2008, 388; die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Sanktionen verneinend Schinnenburg, MedR 2005, 26. 611 Vgl. BSG GesR 2008, 90 (92 ff.), wobei das Gericht sowohl für die Versorgung im Rahmen des Sachleistungsprinzips als auch für die Kostenerstattung Ausnahmen zulässt („Systemversagen“ i. S. v. § 13 Abs. 3 SGB V, bzw. Notfall i. S. v. § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V). 612 BSG GesR 2008, 90 (91 f.). 613 Vgl. dazu oben, Teil 2, B. II. 2. g). 614 Vgl. Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 72a, Rn. 2. 609 Vgl.

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nicht relevant. Vielmehr geht es um die Frage, ob der Sicherstellungsauftrag auch dann auf die Krankenkassen übergeht, wenn die KV die Gesundheitsversorgung der Versicherten in einem Planungsbereich nicht flächendeckend sicherstellen kann, da dort eine Unterversorgung vorliegt. Eine ausdrückliche Regelung, die den Übergang des Sicherstellungsauftrags von den KV auf die Krankenkassen im Falle der fortdauernden Unterversorgung zum Gegenstand hat, existiert nicht. Zwar spricht das Gesetz die Verletzung des Sicherstellungsauftrags durch die KV an, § 75 Abs. 1 S. 3, 4 SGB V. Jedoch erstreckt sich die Regelung allein auf die schuldhafte Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrags. Dies wird im Fall der Unterversorgung oftmals zu bezweifeln sein, wenn die KV Anstrengungen unternehmen, um die reguläre Gesundheitsversorgung der Versicherten zu ermöglichen, aber die Anreize zur Niederlassung trotzdem nicht ausreichend sind, um genügend Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im betroffenen Planungsbereich zu animieren. Zudem wird auch in diesem Fall der Sicherstellungsauftrag nicht auf die Krankenkassen übergeleitet. Vielmehr haben die Krankenkassen bloß das Recht, die vereinbarten Vergütungen zurückzubehalten, § 75 Abs. 1 S. 3 SGB V. Zwar könnte über eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 1 SGB V dahin­ gehend nachgedacht werden, dass der Sicherstellungsauftrag nicht nur im Falle des Kollektivverzichts, sondern auch der Unterversorgung übergeht. Voraus­ setzung für eine Analogie ist jedoch eine Regelungslücke, die sich vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung von gleichen Sachverhalten nicht rechtfertigen lässt.615 Da der Gesetzgeber jedoch den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen allein für den Fall des Kollektivverzichts und die schuldhafte Verletzung des Sicherstellungsauftrags durch die KV allein mit der teilweisen Zurückbehaltung der Gesamtvergütung sanktioniert, hat er das Regel-AusnahmeVerhältnis im Rahmen des Sicherstellungsauftrags abschließend geregelt. Zudem lässt sich § 105 SGB V gerade als Konkretisierung des Sicherstellungsauftrags im Fall der (drohenden) Unterversorgung verstehen.616 Eine Regelungslücke liegt deshalb nicht vor. Zudem kann auch nicht von vergleichbaren Sachverhalten ausgegangen werden: Beim kollektiven Zulassungsverzicht geht es um eine konzertierte Aktion der teilnehmenden Vertragsärzte, die ein bestimmtes politisches Ziel durchsetzen wollen.617 Liegt eine Unterversorgung vor, ist von einer Absprache der Ärzte nicht auszugehen. Es bleibt deshalb bei der grundsätzlichen Aufgabenverteilung bei der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung: Die KV sind für die Sicherstellung zuständig, der Sicherstellungsauftrag geht auch im Fall der fortdauernden Unterversorgung nicht auf die Krankenkassen über. 615 Vgl. BGHZ 149, 165 (174); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 493 ff. 616 Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 3; Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 105, Rn. 2; Francke, in: Wannagat/Eichenhofer (Hrsg.), SGB, § 105 SGB V, Rn. 3. 617 Vgl. Joussen, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 95b, Rn. 1.

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D. Zusammenfassung Der Gesetzgeber und die „Gesundheitsverwaltung“ dürfen steuernd auf die Leistungserbringung einwirken, um bestimmte Marktergebnisse zu erreichen (hier: die ausreichende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen). Dazu stellt der Gesetzgeber verschiedene Instrumente zur Verfügung, die an verschiedenen Punkten ansetzen: An der Spitze steht die Bedarfsplanung, darüber hinaus sind die Dienstleistungsfunktion der KV, die Vergütung der Vertragsärzte und andere finanzielle Anreize, die Zulassung bzw. Ermächtigung, Eigeneinrichtungen der Krankenkassen, KV und Kommunen, Kooperationsmöglichkeiten der Vertragsärzte, Niederlassungsregelungen und die Abschmelzung der ärztlichen Aufgaben zu nennen. Auf diese Weise wird ein Instrumentenmix geschaffen, der unübersichtlich im SGB V, in der Ärzte-ZV, dem BMV-Ä sowie im ärztlichen Berufsrecht verstreut ist. Dabei kommt es teilweise zu widersprüchlichen Regelungen auf der Ebene des SGB V und der Ärzte-ZV, wobei die Auflösung des Widerspruchs zugunsten der Regelung des SGB V erfolgen muss. Zeigen die Sicherstellungsbemühungen keine Wirkung, so bleibt es bei der Aufgabenverteilung gemäß dem besonderen Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 SGB V; der Sicherstellungsauftrag geht nicht auf die Krankenkassen über.

5. Kapitel

Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente Die Sicherstellungsinstrumente wurden bereits dergestalt systematisiert, dass zwischen Maßnahmen des Achten Teils des SGB V anderen im Gesundheitsrecht geregelten Sicherstellungsinstrumenten differenziert wurde. Diese Differenzierung war noch recht unpräzise, stand doch zunächst im Mittelpunkt, die Wirkungsweise und Grenzen der Sicherstellungsinstrumente zu erörtern und einen Überblick zu gewinnen. Eine systematische Verfeinerung wird im folgenden Kapitel vorgenommen.

A. Kategorisierung der Sicherstellungsinstrumente Eine Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente kann auf zwei Wegen erfolgen. Erstens können Instrumente kategorisiert und unter gemeinsame Ober­ begriffe geordnet werden, wobei sich diese Kategorisierung zum einen nach dem Adressaten der Sicherstellungsinstrumente richtet, zum anderen von der konkreten Art der Einwirkung des Sicherstellungsinstruments abhängig ist. Die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung der versicherten Bevölkerung ist ein gesetzlich angestrebter Zustand, der durch verschiedene Mechanismen erreicht bzw. erhalten werden soll. Den meisten Sicher-

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stellungsinstrumenten ist gemeinsam, dass sie auf das Verhalten der Leistungserbringer Einfluss nehmen und es so steuern sollen, dass die gesetzlich angestrebten Ziele erreicht werden. Deshalb bietet sich zweitens eine Systematisierung anhand des Steuerungspotentials der Sicherstellungsinstrumente und daran anschließend der Kategorien der Wirtschaftslenkung618 an. Da die Sicherstellungsinstrumente ergebnis- und somit folgenorientiert sind und die Folgenorientierung des Rechts einen hohen Stellenwert in der Steuerungsdiskussion einnimmt,619 wird kurz auf die theoretischen Grundlagen der Verhaltenssteuerung durch Recht eingegangen und nach dem konkreten Steuerungspotential der bestehenden Sicherstellungs­ instrumente gefragt. I. Kategorisierung nach den Adressaten der Sicherstellungsinstrumente Die Sicherstellungsinstrumente verpflichten die KV, Krankenkassen, die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen sowie sonstige Institutionen. 1. Der Vertragsarzt als Adressat Der Vertragsarzt wird nur im Bereich der Delegation und der beruflichen Kooperation unmittelbar vom Gesetz angesprochen, im Übrigen werden die Sicherstellungsinstrumente nur vermittelt über andere Adressaten zur Anwendung gebracht. Dies ist nach den Grundentscheidungen des SGB V für das Sachleistungsprinzip und Kollektivverträge sowie seines Charakters als Verwaltungsrecht folgerichtig, da die Vertragsärzte in der KV organisiert sind, auf die durch das SGB V eingewirkt wird und die als gesetzesvollziehende Stelle erster Adressat des SGB V im Bereich des Vertragsarztwesens ist. Ist doch der Vertragsarzt derjenige, dessen Verhalten durch die Sicherstellungsinstrumente beeinflusst werden soll und somit der Hauptakteur, um den sich die Sicherstellung dreht. 2. Die KV als Adressat § 100 Abs. 1 SGB V betraut die KV mit der Abwendung bzw. Beseitigung der (drohenden) Unterversorgung und rückt sie auf diese Weise ins Zentrum der Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung. Das spiegelt 618 Zur wirtschaftslenkenden Gesetzgebung und ihrem Vordringen in neue Lebensbereiche, ihren Ursachen und Grenzen vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 ff. 619 Vgl. Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 4, Rn. 67 ff.

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die Grundentscheidung des SGB V wider, das die KV als Hauptakteur für die vertragsärztliche Versorgung etabliert und ist somit Ausdruck der Aufgabenverteilung gem. § 75 Abs. 1 SGB V. Um dieser Position gerecht zu werden, haben sie gem. § 105 Abs. 1 SGB V verschiedene Befugnisse: die Information der Ärzteschaft über bestehenden Bedarf an Vertragsärzten durch Ausschreibung, diverse Dienstleistungen sowie die finanzielle Förderung der niederlassungswilligen Ärzte, die unmittelbare Beteiligung an der ambulanten Versorgung der Versicherten durch Gründung von bzw. Beteiligung an Eigeneinrichtungen. Außerdem sind die KV durch Kooperation in den verschiedenen Ausschüssen an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt.

3. Die Krankenkassen als Adressaten Die Krankenkassen haben in erster Linie die Aufgabe des Financiers des Gesundheitswesens, können sich aber durch (Bestands-)Einrichtungen an der unmittelbaren Versorgung der Versicherten beteiligen, was jedoch nur geringes Gewicht hat. Im Übrigen sind die Krankenkassen im Wege der Kooperation in den folgenden Ausschüssen an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt.

4. Der Landesausschuss als Adressat Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist die Stelle, von der die Einleitung sämtlicher Maßnahmen abhängig ist. Ohne die Feststellung der Unterversorgung bzw. drohenden Unterversorgung ist keine andere Stelle des SGB V befugt, Maßnahmen gegen die (drohende) Unterversorgung einzuleiten. Er beauftragt die KV, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Die KV werden zu Exekutivorganen des gesetzlichen Zielprogramms nach Auftrag der Landesausschüsse, was ihre Kompetenzen im Falle der Unterversorgung verglichen mit dem weit reichenden Sicherstellungsauftrag des § 75 SGB V einzudampfen scheint. Die KV erhalten keine Entscheidungshoheit über die Feststellung der Unterversorgung bzw. die Frist zur Beseitigung derselben. Vielmehr wird in einem solchen Krisenfall des Gesundheitssystems die Kooperationsstruktur des SGB V aufgewertet, indem die Landesausschüsse die faktische Aufsicht über die Beseitigung der defizitären Versorgung der Versicherten erhalten. Zwar sieht das Gesetz kein Weisungsrecht des Landesausschusses gegenüber den KV im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen vor. Allerdings dürfen und müssen die KV erst nach der Feststellung einer Unterversorgung durch die Landesausschüsse tätig werden und die reguläre Versorgung innerhalb einer vom Landesausschuss gesetzten Frist wieder herstellen. Weiterhin dürfen die Landesausschüsse den KV bestimmte Maßnahmen vorschlagen, die sie zur Beseitigung der Unterversorgung als geeignet ansehen, § 16 Abs. 2

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S. 2 Ärzte-ZV.620 Zudem haben die KV keinen Zugriff auf das schärfste gesetz­ liche Reaktionsmittel, die Anordnung von Zulassungssperren für regulär versorgte Planungsbereiche, wobei die Anordnung Bindungswirkung gegenüber den Zulassungsausschüssen entfaltet, § 100 Abs. 2 SGB V. Letzteres erklärt sich aus der Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Akteuren, da die Zulassungsentscheidungen nicht den KV übertragen sind. Die KV sollen auch im Fall der Unterversorgung keinen Zugriff auf Kompetenzen erhalten, die anderen Akteuren zugewiesen sind. Die Befugnisse des Landesausschusses sind sehr begrenzt, von subsidiärer Natur, haben jedoch eine erhebliche Eingriffsintensität. Der Landesausschuss ist somit der Initiator der Sicherstellungsbemühungen und greift dann ein, wenn alle anderen Instrumente fehlschlagen. Er steht somit an Anfang und Ende der Sicherstellungsbemühungen und bildet damit deren Rahmen. Dies macht ihn zu einem zentralen Akteur für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. 5. Der Zulassungsausschuss als Adressat Der Zulassungsausschuss ist der Türöffner621 zum Markt der vertragsärztlichen Versorgung. Er wird gem. § 96 Abs. 2 SGB V von den KV und den Landesverbänden der Krankenkassen gebildet und ist paritätisch mit deren Vertretern besetzt.622 Sie haben die Aufgabe, die Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, die die Voraussetzungen für die Zulassung gem. §§ 95 Abs. 2, 2a, 95a SGB V erfüllen und den Umfang der Zulassung zu bestimmen (vgl. § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V). Darüber hinaus sind sie für die Ermächtigung der Krankenhausärzte und Krankenhäuser gem. §§ 116 f. SGB V zuständig. Der Zulassungsausschuss hat aufgrund des Anspruchs des Arztes auf Zulassung bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nur geringe Entscheidungsbefugnisse. Zudem ist er an die Zulassungssperren des Landesausschusses gem. § 100 Abs. 2 SGB V gebunden. Seine Hauptfunktionen liegen deshalb zum einen in der Zulassung von Vertragsärzten in gesperrten Planungsbereichen nach § 103 Abs. 4 S. 6 Nr. 3 SGB V sowie in der Ermächtigung gem. §§ 116 f. SGB V, wobei ihm für seine Entscheidung teilweise ein Ermessensspielraum zusteht.

620 Dabei macht de Ärzte-ZV jedoch keine Aussage zur Verbindlichkeit der Vorschläge. Aufgrund des Wortlauts der Norm, die von „vorschlagen“ spricht, ist nicht davon auszugehen, dass eine Bindungswirkung besteht. 621 Zum Begriff des Türöffners aus allokierender Sicht Rixen, Sozialrecht als Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 67 ff.; aus Sicht des zugangsfordernden Grundrechtsträgers zu sozialen Dienstleistungen Reimer, in: von Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 224 ff. 622 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 18, Rn. 1.

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6. Der Bewertungsausschuss als Adressat Der Bewertungsausschuss, der von der KBV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildet wird, hat seine Sicherstellungsfunktion nahezu vollständig eingebüßt. Er legt den EBM für vertragsärztliche Leistungen als Bestandteil des Bundesmantelvertrags-Ärzte fest, § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V. In diesem sollten Orientierungswerte für den Fall der Unter-, Über- und Regelversorgung so festgelegt werden, dass eine Steuerungsfunktion auf das Niederlassungsverhalten der Ärzte ausgeht, § 87 Abs. 2e S. 1 Nr. 2 SGB V a. F. Diese Regelung ist jedoch aufgehoben worden. Da der Gesetzgeber seine Einschätzung, dass die Vergütung das zentrale Instrument der Niederlassungssteuerung ist (vgl. noch § 87 Abs. 7 SGB V a. F.), aufgegeben hat, kommt dem Bewertungsausschuss im Rahmen der Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Bedeutung keine nennenswerte Bedeutung mehr zu. 7. Die Ärztekammern als Adressaten Die Ärztekammern haben nach den gesundheitsrechtlichen Vorgaben keine nennenswerten Vorgaben oder Befugnisse. Allein bei der Zusammenarbeit von Ärzten ist ihnen die berufliche Kooperation anzuzeigen. II. Kategorisierung nach dem Inhalt der Sicherstellungsinstrumente Die Sicherstellungsinstrumente lassen sich am fruchtbarsten nach ihrem Inhalt unter gemeinsamen Oberbegriffen zusammenfassen. Dabei ergeben sich grundsätzlich drei Kategorien, die teilweise noch Unterkategorien bilden: Steigerung der Attraktivität der vertragsärztlichen Versorgung; Ausweitung des Kreises der Leistungserbringer (incl. Delegation ärztlicher Leistungen) und Zugangs­beschränkungen. 1. Steigerung der Attraktivität der vertragsärztlichen Versorgung Den Schwerpunkt der Sicherstellungsinstrumente bilden Maßnahmen, die die vertragsärztliche Versorgung in irregulär versorgten Gebieten attraktiver machen sollen. a) Attraktivitätssteigerung durch finanzielle Anreize Zentral für die Steigerung der Attraktivität der vertragsärztlichen Versorgung in irregulär versorgten Gebieten sind auch nach der Reform durch das GKV-VStG

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die finanziellen Anreize. Die Vergütungsanreize sind neu strukturiert worden. Das SGB V misst den finanziellen Anreizen nach wie vor eine herausgehobene Bedeutung zu, wie sich aus §§ 87a Abs. 2, 105 Abs. 1, 1a SGB V ergibt. Niederlassungswillige Ärzte sollen durch finanzielle Anreize dazu bewogen werden, ihre Praxis in strukturschwachen und gering versorgten Gebieten zu eröffnen. Das finanzielle Interesse der Mediziner wird somit durch die genannten Vorschriften besonders berücksichtigt und ist der zentrale Ansatzpunkt (­neben Zulassungssperren), um Ärzte aus anderen Regionen in den unterversorgten Planungsbereich zu locken, während die anderen Sicherstellungsinstrumente in erster Linie an den in der unterversorgten Region oder in ihrer Nähe ansässigen Personen bzw. Einrichtungen anknüpfen. b) Attraktivitätssteigerung durch Teilzeittätigkeit Die Möglichkeit, den vertragsärztlichen Versorgungsauftrag zu halbieren, so dass sich Arbeit und Familie besser vereinbaren lassen, ist nicht auf unterversorgte Gebiete beschränkt. Dieses Instrument kann niederlassungswillige Ärzte an jedem Ort dazu bewegen, trotz Familie an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten teilzunehmen und ist deshalb auch bei irregulärer Versorgung ein Element, das die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung attraktiv machen kann. Dies wird an Bedeutung gewinnen, da eine zunehmende Anzahl an Frauen den Medizinerberuf ergreift und die Lasten der Kindererziehung noch immer zu einem großen Teil von Frauen getragen werden. c) Kooperations-, Anstellungs- und Niederlassungsmöglichkeiten Nicht zu unterschätzen ist der Trend, dass immer mehr Mediziner nicht die mit der freiberuflichen Tätigkeit verbundenen Risiken und Belastungen tragen wollen.623 Die Teilung der Verwaltungslasten und Personalkosten durch berufliche Kooperation und die Möglichkeit, als angestellter Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, sind sinnvolle Reaktionsmöglichkeiten auf diese Entwicklung. Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, variabel im Bereich der Kooperation, Niederlassung und der Art der Berufsausübung (angestellt oder freiberuflich) tätig sein zu können. Eine solche Flexibilisierung ist erforderlich, um die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung attraktiv zu gestalten, da diese in Konkurrenz um die Ärzte mit der stationären Versorgung, der Forschung und den Gesundheitssystemen anderer Staaten steht. 623 Vgl. Koufen, Wirtschaftswoche vom 12.01.2010, abrufbar unter http://www.wiwo.de/ politik-weltwirtschaft/vergoldete-landarztpraxen-in-der-pampa-419010/print/.

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2. Versorgung durch nicht-freiberufliche Ärzte – Ausweitung der Leistungserbringer Durch die Möglichkeit, stationär tätige Ärzte und Krankenhäuser zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen, wird der Kreis der Leistungserbringer ausgeweitet und auf diese Weise der Mangel zu beseitigen versucht. Gleiches gilt für die Versorgung der Versicherten durch Einrichtungen der Krankenkassen und KV. Auch in diesen Fällen wird die Anzahl der ambulant tätigen Ärzte durch Einbeziehung von nicht freiberuflichen Ärzten erhöht und auf diese Weise die Versorgungssituation entspannt. Das ist sinnvoll, um die Arbeitsbelastung der einzelnen Ärzte zu reduzieren und ihre Tätigkeit nicht noch unattraktiver zu machen, was die Gefahr heraufbeschwören könnte, dass auch die verbliebenen Ärzte die Region verlassen und so die Versorgungssituation verschärfen. Zum anderen ist die Ausweitung der Leistungserbringer primär für die Versicherten positiv, da sie kürzere Wartezeiten und evtl. auch kürzere Wegstrecken in Kauf nehmen müssen. Allerdings wohnen den Maßnahmen tendenziell kontraproduktive Züge inne, teilweise sind sie nur schwer mit der angespannten Personalsituation in Krankenhäusern vereinbar.624 Trotzdem ist die Ausweitung der Leistungserbringer ein logischer und notwendiger Schritt, um eine reguläre Versorgung der Versicherten zu ermöglichen. Die Ausweitung der ambulanten ärztlichen Leistungserbringung auf Krankenhäuser, Krankenhausärzte sowie angestellte Ärzte der KV und Krankenkassen geht einher mit der Verringerung derjenigen Aufgaben, die tatsächlich vom Arzt ausgeübt werden. Zum einen haben die Ärzte durch die Abschmelzung ihrer Aufgaben mehr Zeit, sich auf weniger Aufgaben zu konzentrieren. Zum anderen führt die Delegation dazu, dass die Leistungserbringung auf mehr Personen verteilt wird, weshalb auch durch Delegation eine faktische Ausweitung der in die Versorgung einbezogenen Personen bewirkt wird, da bislang ärztliche Tätigkeiten von nicht-ärztlichem Personal ausgeübt werden. Die Delegation stößt nach geltender Rechtslage jedoch schnell an ihre Grenzen, weshalb de lege ferenda eine bessere Ausbildung des nicht-ärztlichen Personals ins Auge zu fassen ist, die es rechtfertigt, diesem Personal solche Aufgaben zu übertragen, die es bisher nicht übernehmen durfte.625 3. Zugangsbeschränkungen Zuletzt sind Marktzugangsbeschränkungen als Maßnahmen zu nennen, die das Niederlassungsverhalten von Ärzten beeinflussen sollen, ohne eine Anreizfunktion zu entfalten. Da die Ärzte nicht bestimmten Planungsbereichen zugewiesen werden können, soll die Zuweisungswirkung faktisch durch die Sperrung der regu 624 Vgl. Mihm, FAZ vom 16.02.2010, S. 1: Im Jahr 2009 fehlten 5.000 Klinikärzte, wobei 80 % der Kliniken vom Ärztemangel betroffen waren. 625 Dazu unten, Teil 3, Kap. 1, A. 2.

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lär- und überversorgten Gebiete erreicht werden.626 Die Zulassungsbeschränkung ist eine konfrontative Maßnahme, die der Kooperation entgegengesetzt ist, auch wenn sie von einem kooperativ ausgerichteten Organ angeordnet wird. Sie hat jedoch nur eine beschränkte räumliche Wirkung für den Zulassungsausschuss eines Landes. Der Arzt ist somit frei, sich im Zuständigkeitsbereich eines anderen Zulassungsausschusses niederzulassen, weshalb Zulassungssperren verpuffen können, was besonders bei unterversorgten Gebieten in der Nähe von Landesgrenzen möglich ist. Deshalb liegt es nahe, die Aufgabe der Zulassungssperren auf eine höhere Entscheidungsebene zu verlagern, um Ausweicheffekten zu begegnen. Allerdings sind bestimmte Niederlassungstendenzen auszumachen. Hausärzte lassen sich tendenziell in der Nähe ihres Heimatortes nieder, Fachärzte neigen dazu, sich in der Nähe ihres Studienortes niederzulassen.627 Legt man dieses Verhalten zugrunde, sind die Ausweichmöglichkeiten nicht mehr als so gravierend anzusehen. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Mobilität der Mediziner gerade ins Ausland hoch ist. Die Effektivität der Zulassungssperren hängt somit von verschiedenen Faktoren ab, die nicht durch die Bedarfsplanung in ihrer jetzigen Form beeinflusst werden können.

B. Sicherstellungsinstrumente als Steuerung Die Systematisierung nach dem Inhalt der Sicherstellungsinstrumente kann noch verfeinert werden, wenn der dem Begriff der Sicherstellung innewohnende Steuerungsaspekt der einzelnen Instrumente herauspräpariert wird. Das setzt voraus, dass das Recht privates Verhalten überhaupt steuern kann und dass ein Steuerungsbegriff existiert, der auf die Sicherstellungsinstrumente anwendbar ist. Auf diese Weise soll eine höhere Abstraktionsebene gefunden werden, die eine Anwendung der Dogmatik des öffentlichen Wirtschaftsrechts ermöglicht. I. Recht und Steuerung Das Recht beansprucht Beachtung im Sinne einer generellen Gültigkeit.628 Seine Rechtsfolgenanordnung tritt ein, sofern der Tatbestand der Norm erfüllt ist und die Rechtsfolgenanordnung nicht aus bestimmten Gründen von Gesetzes wegen außer Kraft gesetzt wird. Indem geltende Rechtsnormen Beachtung und Anwendung verlangen,629 wohnt dem Recht wesensimmanent ein Steuerungswille 626 Ähnlich wirkt die Möglichkeit der Zulassungsausschüsse, die Verlegung eines Arztsitzes innerhalb eines Zulassungsbezirks nicht zu genehmigen, wenn an dem bisherigen Vertragsarztsitz lokaler Versorgungsbedarf besteht, vgl. § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV. 627 Vgl. den Beitrag von Müller in der FAZ vom 26.11.2008, abrufbar unter http://www.faz.net. 628 Vgl. Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 334. 629 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 334, Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 201.

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inne. Recht beeinflusst menschliches Verhalten, indem es bestimmte Rechtsfolgen formuliert, die für den Einzelnen positiv, negativ oder neutral sind. Deutlich wird dies im Strafrecht, dessen Legitimation u. a. in der Spezialprävention und somit in der Beeinflussung individuellen Verhaltens gesucht wird.630 1. Das Steuerungspotenzial des (Gesundheits-)Rechts Auch das Recht der GKV versucht, sowohl das Verhalten der Versicherten (vgl. etwa die Möglichkeiten der Krankenkassen, gem. § 20 SGB V die Teilnahme an Präventionskursen zu finanzieren oder für die Einbeziehung der Versicherten in bestimmte Versorgungsmodelle gem. § 53 Abs. 3 SGB V eine Zuzahlungsermäßigung oder Prämienzahlung vorzusehen631), als auch der Leistungserbringer (etwa durch die Deckelung des Vertragsarztbudgets gem. § 85 Abs. 1, 4 SGB V)632 zu beeinflussen und so erwünschte Ergebnisse zu erreichen. Das Steuerungspotential des Rechts, vor allem des Parlamentsgesetzes, wird jedoch von den Sozialwissenschaften633 und – gleichsam im geistigen Vollzug dieser – teilweise in der Rechtswissenschaft skeptisch betrachtet.634 Dabei wird sowohl die Ansicht vertreten, dass Recht die Gesellschaft überhaupt nicht be­ einflussen kann, als auch argumentiert, dass Recht zwar Einfluss auf die Gesellschaft hat, sich aber auf die Unterstützung der gesellschaftsinternen Regelfindung beschränken muss.635 Vor allem Luhmann wird die exponierte Auffassung zugeschrieben, dass die politische Steuerung anderer gesellschaftlicher Teilsysteme grundsätzlich unmög 630 Vgl.

zu den Legitimationsansätzen des Strafrechts Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 3, Rn. ff.; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 21 ff. Die Spezialprävention findet in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB Niederschlag. Der Steuerungswille des Gesetzgebers liegt auch der Grundrechtsdogmatik zugrunde, indem die vom Staat ergriffenen Mittel geeignet sein müssen, das mit einem Grundrechtseingriff verbundene Ziel zu erreichen. 631 Dazu etwa Sodan, NJW 2007, 1313 (1315); Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 53, Rn. 13. 632 Dazu Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes, S. 69 ff.; Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 9 (36 ff.). 633 Vgl. dazu etwa Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik; Teubner, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 ff.; ders., Recht als autopoietisches System, S. 87 ff. Überblick bei Pöcker, Der Staat 41 (2002), 616 ff. Allerdings besteht kein Konsens in den Sozialwissenschaften hinsichtlich des Steuerungsdefizits des Gesetzes, vgl. etwa mit anderem Urteil als Luhmann Scharpf, PVS 30 (1989), 10 ff. (dazu Benz, Der moderne Staat, 2009, S. 213 ff.) und Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 1 f., abrufbar unter http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de/pu/workpap/ wp05-1/wp05-1.html. 634 Vgl. die Nachweise bei Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 38. 635 Vgl. Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 38 m. w. N.

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lich und eine Umsetzung politischer Vorgaben durch die Gesellschaft ausgeschlossen ist.636 Auch wenn diese Zusammenfassung vereinfacht ist, so ist dies der Ausgangspunkt für die Erforschung der Steuerungskraft politischer Entscheidungen.637 Luhmanns Skepsis folgt aus der von ihm entwickelten Systemtheorie638 und damit verbundenen Kausalitätserwägungen.639 Die Systemtheorie geht von verschiedenen Teilsystemen der Gesellschaft aus, die selbstreferentiell und von einander unabhängig sind, sowie jeweils eine eigene Rationalität entwickeln.640 Allerdings bestehe zwischen diesen Systemen eine strukturelle Kopplung.641 Zwischen den Teilsystemen existiere eine Kommunikationsbarriere, da sich jedes System eines eigenen binären Codes bediene, der nicht ohne weiteres auf die anderen sozialen Systeme anwendbar sei. Der jeweilige binäre Code ermögliche die Kommunikation innerhalb eines sozialen Systems, begrenze sie aber auch.642 Das Rechtssystem nutze den Code Recht/Unrecht, die Wirtschaft den Code zahlen/nicht zahlen, die Regierung bzw. Opposition bedienten sich des Codes Macht haben/nicht haben.643 Die Steuerungsmedien der Politik (Geld und Recht) könnten die anderen sozialen Systeme nicht zielgerichtet in ihrem Verhalten beeinflussen, da diese 636 Vgl. Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 2; Scharpf, PVS 30 (1989), 10 mit Verweis auf Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 324 (325). Luhmann (a. a. O.) formuliert: „Die gesellschaftspolitischen Hoffnungen suchen dagegen einen Adressaten, der auch die Systeme, die sich selbst steuern, noch kontrollieren könnte, und denken hierbei an Politik. Das führt (…) in Diskrepanzen von theoretischer, aber auch hoher praktischer und nicht zuletzt politischer Tragweite, die den Diskurs über das Verhältnis von Politik und Wirtschaft belasten und die Vorstellung des 19. Jahrhunderts immer neu beleben, daß das, was die Wirtschaft an Selbststeuerung nicht (oder nicht befriedigend) erbringen könne, eben von der Politik geleistet werden müsse. Aber diese Vorstellung kollidiert hart mit dem Faktum funktionaler Differenzierung, das es ausschließt, daß Systeme wechselseitig füreinander einspringen können. Keine Politik kann die Wirtschaft, kann Teilbereiche der Wirtschaft, kann auch nur einzelne Betriebe sanieren; denn dazu braucht man Geld, also Wirtschaft.“ 637 Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 2. Luhmann selbst weist in erster Linie darauf hin, dass es „wenig sinnvoll“ sei, die Frage nach der Steuerbarkeit komplexer Systeme zu stellen, leugnet jedoch nicht die Effekte von „Steuerungsbemühungen“, vgl. PVS 30 (1989), 4. Vgl. auch Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 324 f.: „Es fällt schwer, ja ist so gut wie unmöglich, den Begriff der Steuerung ganz aufzugeben und die Zukunft einfach kommen zu lassen, wie sie kommt. Schon die Zeitsemantik der modernen Gesellschaft, ihre Akzentuierung der Unterschiede zwischen Vergangenheit und Zukunft, scheint dies zu verbieten. Andererseits ist nicht leicht zu erkennen, dass und wie wenigstens einige der mit Steuerung verbundenen Erwartungen gerettet werden können.“ 638 Grundlegend Luhmann, Soziale Systeme; zur Anwendung der Systemtheorie auf das Recht vgl. Huber, Systemtheorie des Rechts. 639 Luhmann wendet sich auch gegen vereinfachende Ursache-Wirkungs-Relationen, die seiner Ansicht nach der politikwissenchaftlichen Steuerungsdiskussion zugrunde liegen, vgl. PVS 30 (1989), 4 ff. 640 Vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 51 ff. 641 Vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 38 ff.; ders., Soziale Systeme, S. 290 ff., vgl. auch die Zusammenfassung bei Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 36 ff. 642 Vgl. Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 2. 643 Vgl. Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 2.

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nicht denselben Code verwendeten.644 Da die einzelnen Systeme autonom seien und eine eigene Rationalität entwickelten, manipulierten Gesetze als externe, hierarchische Regeln den Prozess der systeminternen, zirkulären und evolutionären Regelfindung und gingen dabei an den Bedürfnissen der Teilsysteme vorbei.645 Teubner fragt deshalb: „Wie soll man durch Gesetzgebung aus dem geschlossenen Zirkel des Rechts ausbrechen und in die geschlossenen Zirkel der gesellschaft­ lichen Welten eindringen?“646 Diese Arbeit schließt sich zumindest der absoluten Steuerungsskepsis nicht an. Die Prämisse, dass Recht und Gesellschaft operativ abgeschlossene Teil­ systeme sind, die sich durch eine Systemautonomie auszeichnen, auf die von außen nicht zugegriffen werden kann (dies ist ein zentraler Bestandteil des Autopoiese-Konzepts)647 vermag nicht zu überzeugen. Zum einen wirken rechtliche Regelungen auf das Verhalten Einzelner ein,648 insbesondere in der Verbindung mit Geldleistungen oder Geldentzug,649 wie etwa die Umweltprämie als staatliches Konjunkturprogramm im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gezeigt hat und die GKV als System belegt.650 Zum anderen sind politische Entscheidungen in einem demokratischen und den Grundrechten verpflichteten System nicht schematisch als externe und in die gesellschaftliche Autonomie eingreifende Regelungen aufzufassen. Die deutsche Staats- und Gesellschaftsordnung ist auf eine gegenseitige Befruchtung ausgerichtet, auf Austausch sowie Systemund Perspektivwechsel, was aus der Verantwortlichkeit der Politik gegenüber dem Wahlvolk sowie aus der Verantwortlichkeit der Politik gegenüber dem gesellschaftlich anerkannten freiheitlichen Grundkonsens des Grundgesetzes, insb. der Grundrechte folgt.651 Durch die Verantwortlichkeit des Gesetzgebers gegenüber dem Wahlvolk, den Wahlakt und den ständigen Rechtfertigungsdruck gesetzgeberischer Entscheidungen vor den Grundrechten kommt es zu einem Austausch gesellschaftlicher und rechtlicher Erwartungen und Informationen, die in die unterschiedlichen „Systeme“ einfließen.652 Dies wird verstärkt durch das Leitbild der 644 Mayntz/Scharpf,

MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 2 f. Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 37. 646 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 90. 647 Vgl. Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 90. 648 Dies erkennt auch Luhmann, PVS 30 (1989), 4 (8) an. 649 Vgl. Mayntz/Scharpf, MPIfG Working Paper 05/1, Januar 2005, S. 3. 650 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 19, führt aus, dass die Steuerungsunfähigkeit des Rechts in der täglichen Praxis nicht bestätigt werde. 651 Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 40 f. betont, dass die demokratische Legitimation durch das Staatsvolk der Systemtheorie wesensfremd ist, da sie allein auf die Legitimation der Teilsysteme und der dort getroffenen Entscheidungen abstellt. 652 Dies soll nicht als eine Identifizierung des Staates mit der Gesellschaft verstanden werden, deren Unterscheidung Grundlage für die Grundrechtsdogmatik sind, vgl. Wißmann, in: ­Arnauld/ Musil, Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (145 f.). Allerdings kommt es zu intensiven Berührungen und Befruchtungen der gesellschaftlichen und staatlichen Sphäre, vgl. dazu Wißmann, in: Arnauld/Musil, Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (146 f.). 645 Vgl.

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Kooperation als „selbstverständliches Grundmuster des Verwaltungshandelns im freiheitlichen Staat“.653 Insbesondere die Exekutive, aber auch Gesetzgeber und Judikative sind auf einen Austausch mit gesellschaftlichen Gruppen ausgerichtet.654 Kooperation führt zu einer „nutzbringenden Verschränkung staatlicher und privater Handlungslogik.“655 Erwähnt sei zudem auf die Auffassung Lepsius’, der meint, dass eine systemtheoretische Erkenntnistheorie nicht mit der Wertentscheidung der Menschenwürde vereinbar sei. Diese gehe vom Menschen als Subjekt aus, von dem aus die Rechts- und Verfassungsordnung ihren Ausgangspunkt nehme. Der Mensch sei in der Systemtheorie jedoch verschwunden und nur Element eines Teilsystems, weshalb seine Subjektqualität verloren gehe.656 Gegen die absolute Steuerungsskepsis spricht aus rechtswissenschaftlicher Sicht zudem ein fundamentaler Grund: Das Verständnis von der Autonomie der einzelnen Teilsysteme, die ihre Regeln selbst kreieren, ohne dass der Input anderer Teilsysteme Einfluss auf die Regelentwicklung nehmen könnte,657 streitet gegen die Grundannahmen der Rechtswissenschaft. Denn die Rechtsgeltung und somit die Beachtung des Rechts durch den Einzelnen ist integraler Bestandteil des Selbstverständnisses des Rechtssystems und des geordneten Zusammenlebens. Würde die Voraussetzung aufgegeben, dass Recht gilt und – notfalls gerichtlich und mit staatlichen Zwangsmaßnahmen – durchgesetzt wird, so würde die Legitimation für das Gewaltmonopol des Staates sowie für staatliche Rechtsetzung und Konfliktlösung aufgegeben. Zumindest aus rechtswissenschaftlicher Perspektive kann der These von der Steuerungsunfähigkeit des Rechts nicht ausgegangen werden, ohne die eigene Disziplin zu „beerdigen“. Deshalb wird hier als gegeben vorausgesetzt, dass sich gesellschaftliche Prozesse und individuelles Verhalten durch politisches Handeln und somit auch durch Rechtsetzung beeinflussen lassen – was die tägliche Praxis zeigt.

653 Zitat bei Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (143). 654 Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (143). 655 Zitat bei Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (143). 656 Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, S. 53 ff. Dass die Menschenwürdegarantie gegen einen wissenschaftlichen Erklärungsansatz ins Feld geführt wird, vermag jedoch nicht zu überzeugen. 657 Vgl. dazu Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 95 f.

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2. Die Fruchtbarkeit der sog. Steuerungswissenschaft658 für die Interpretation der bestehenden Sicherstellungsinstrumente Insbesondere die sog. Neue Verwaltungsrechtswissenschaft659 hat auf die Skepsis reagiert, die dem Gesetz als Steuerungsinstrument entgegen gebracht wird, indem sie diese Anstöße aufgenommen und einen neuen Ansatz konzipiert hat, der darauf gerichtet ist, den Steuerungscharakter des Rechts zu beleben und dabei in erster Linie die Rechtsetzung zum Gegenstand hat, nicht aber die Rechtsanwendung.660 Zudem wendet sich nach dieser Konzeption der Blick des Verwaltungsrechts vom Freiheitsschutz der Grundrechtsträger, zentralen rechtsstaatlichen Aspekten wie der Gesetzmäßigkeit und Rechtsförmlichkeit der Verwaltung und Rechtsschutz ab und konzentriert sich auf die Effektivität und die Sachangemessenheit des Verwaltungsrechts und des Verwaltungshandelns.661 Die Neue Verwaltungsrechtswissenschaft geht grundsätzlich davon aus, dass die Verwaltung als Steuerungsadressat angesprochen ist, Private hingegen nur mittelbar von der Steuerungswirkung betroffen sein sollen.662 Das liegt darin begründet, dass die Steuerungsdiskussion in der Verwaltungsrechtswissenschaft (auch) um die Frage kreist, wie die Verwaltung demokratisch legitimiert werden kann und eine zentrale Antwort im Parlamentsgesetz und seiner entscheidungssteuernden Wirkung gefunden wurde,663 wobei das Gesetz aber gerade hinsichtlich dieser Wirkung angezweifelt wird. Dieser Ansatz im Verwaltungsrecht hatte zunächst Hochkonjunktur,664 wird aber auch skeptisch betrachtet.665 So wird darauf aufmerksam gemacht, dass der steue 658 Vgl. zum Bestreben, die Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft zu begreifen Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 18 ff. 659 Zu Begriff und Ziel vgl. Vosskuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1, Rn. 1; Bumke, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.); Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 73 (103); Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.); Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9. 660 Vgl. Appel, VVDStRL 67 (2007), 227 (242 f. mit Fn. 56). 661 Vgl. Lepsius, Steuerungsdiskussion, Parlamentarismuskritik und Systemtheorie, S. 3 ff. Dagegen Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 21 (Er­ gänzung, nicht Ersatz). 662 Vgl. Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 69; Appel, VVDStRL 67 (2007), 226 (246 f.). 663 Vgl. zur Frage nach der Steuerungsfähigkeit des Parlamentsgesetzes Pöcker, Der Staat 41 (2002), 616 ff.; dem Grunde nach Möllers, VerwArch 90 (1999), S. 187 (188 f.). 664 Vgl. Menne-Haritz, Die Verwaltung 33 (2000), 1; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1, Rn. 1; Bumke, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.); Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 73 (103); Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.); Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9. 665 Vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 20 ff.; ders., Die Verwaltung 42 (2009), 309 (311 ff.); Grzeszick, Die Verwaltung 42 (2009), 105 (105; 112 ff.); Lepsius, Steuerungs­diskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik.

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rungswissenschaftliche Ansatz der sog. Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft „in der Regel auf eine Reform des geltenden Verwaltungsrechts gerichtet ist und deshalb für seine dogmatische Betrachtung (…) irrelevant sein dürfte.“666 Für einzelne Bereiche haben steuerungstheoretische Ansätze jedoch nicht nur rechtspolitische, sondern auch rechtsdogmatische Ergebnisse geliefert.667 Die Fixierung der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft auf die Rechtsetzung ist eine unmittelbare Reaktion auf die Skepsis, die dem Gesetz entgegen gebracht wird. Durch optimierte Rechtsetzung und vor allem durch die Konzentration auf die Steuerung der Verwaltung (und somit die Einhaltung des binären Codes der Politik bzw. staatlichen Sphäre) soll den Einwänden der Sozialwissenschaft Rechnung getragen und ihnen zugleich der Boden entzogen werden.668 In dieser Arbeit geht es jedoch nicht um einen auf Rechtsentwicklung gerichteten Steuerungsbegriff, sondern um die Steuerungsfähigkeit des geltenden Rechts in einem konkreten Bereich. Dieser Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Interpretation des geltenden Rechts. Zudem zeichnen sich die von der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft verfolgten Ansätze und verwendeten Begriffe durch ein ausgesprochen hohes Abstraktionsniveau aus, das den Blick auf eine mög­liche Subsumtion gleichsam verstellt, weshalb die Ansätze der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft hier nicht vertieft werden. 3. Steuerungsbegriff Vor der Bestimmung des Steuerungsbegriffs ist das Ausgangsproblem in Erin­ nerung zu rufen, dass die unmittelbare Gesundheitsversorgung in erster Linie durch private Leistungserbringer erfolgt. Da die Steuerungswirkung der Sicherstellungsinstrumente in erster Linie auf das Verhalten der Leistungserbringer (aller­dings angestoßen und vermittelt durch Maßnahmen der Sozialverwaltung) gerichtet ist, die die Ergebnisse der dem Sozialrecht zugrunde liegenden Zielvorgaben erfüllen sollen, ist hier eine diese Besonderheiten erfassende Definition der Steuerung beizubringen. Dafür kann an drei unterschiedlichen Punkten angesetzt werden.

666 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 24. Den Fokus auf die Rechts­ erzeugung legen auch Grzeszick, Die Verwaltung 42 (2009), 105 (106); Appel, VVDStRL 67 (2007), 227 (243); Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1, Rn. 15. 667 Vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 24, der den Begriff der Ver­ antwortungsteilung ins Feld führt, mit Hinweis auf Schuppert, Verwaltungswissenschaft. 668 Vgl. Lepsius, Steuerungsdiskussion, Parlamentarismuskritik und Systemtheorie, S. 3 ff. Dagegen Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 21.

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a) Sozialwissenschaftlicher Steuerungsbegriff nach Mayntz Mayntz versteht unter Steuerung die gerichtete Änderung der autonomen Dynamik eines „Steuerungsobjekts“, durch die entweder „eine Struktur entgegen bestehenden Veränderungstendenzen bewahrt, ein spontaner Wandlungsprozess umgelenkt oder auch eine aus sich heraus stabile Struktur verändert werden soll“.669 Steuerungsobjekt ist zunächst der Gesundheitsmarkt, genauer: die Leistungs­ erbringer, deren Leistungen bedarfsgerecht verteilt werden sollen. Allerdings spricht das SGB V in erster Linie die KV und andere nicht-ärztliche Akteure an, die Versorgung sicherzustellen und ermächtigt sie dazu, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die gesetzlich vorgezeichnet sind. Jedoch stehen die Leistungserbringer im Mittelpunkt, ihr Verhalten soll konkret beeinflusst werden, weshalb sich das Gesetz bestimmter Stellen bedient, um die Zielvorgaben umzusetzen. Man kann somit von zwei Steuerungsobjekten (Verwaltung und Leistungserbringer) sprechen. Es geht bei der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung zum einen darum, einen Wandlungsprozess (Alterung der Ärzteschaft in bestimmten Regionen, Abwanderung der jungen Ärzte) umzulenken und eine dadurch entstehende Struktur zu verändern. Zum anderen soll vermieden werden, dass Unterversorgung als Dauerzustand existiert. Die Unterversorgung ist deshalb von autonomer Dynamik, weil sie ohne gesetzgeberisches und administratives Einschreiten nicht zum Erliegen kommen würde. Wenn nicht bestimmte Anreize gesetzt und angemessene Versorgungsformen entwickelt werden, besteht die Gefahr, dass einzelne Regionen dauerhaft von Ärztemangel geprägt sein werden. Vor diesem Hintergrund sind die bestehenden Sicherstellungsmaßnahmen als Steuerung zu qualifizieren. b) Sicherstellungsinstrumente als Wirtschaftslenkung Hilfreich ist zudem, auf den Begriff der Wirtschaftslenkung zurückzugreifen. Dieser erfasst alle staatlichen Maßnahmen, die der Korrektur von Marktversagen (dem Markt gelingt die allokationseffiziente Güterverteilung nicht)670 oder sonstigen Zielen der Marktordnung dienen, wobei es genügt, dass die Maßnahmen einen anderen Primärzweck verfolgen und die Auswirkung auf den Markt nur als Sekundäreffekt eintritt.671 Durch Maßnahmen der Wirtschaftslenkung sollen bestimmte, gesamtwirtschaftlich erwünschte Zustände hervorgerufen werden.672 669 Vgl. Mayntz, in: Ellwein/Hesse/Mayntz/Scharpf (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Bd. 1 (1987), S. 89 (93 f.). 670 Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 19. 671 Vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (14 f.). 672 Vgl. BVerwGE 71, 183 (190); Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5, Rn. 2; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 30 I; Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 67;

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Unter diese Definition lassen sich auch die Instrumente zur Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung subsumieren. Sie sind hoheitliche Maßnahmen, die dazu dienen sollen, bestimmte Marktergebnisse (Versorgung aller Versicherten mit den gesetzlichen Leistungen) zu erzielen. Zwar erfolgt die Durchsetzung zumeist nicht unmittelbar durch den Staat, sondern in der Regel durch die Selbstverwaltung, die sich gerade durch Staatsferne auszeichnet.673 Jedoch nimmt die Selbstverwaltung öffentliche Aufgaben wahr und ist durch die Rechtsaufsicht nicht vollständig aus der staatlichen Sphäre ausgegliedert. c) Sicherstellungsinstrumente als Regulierung Als dritte Möglichkeit, den Begriff der Steuerung fassbar zu machen, bietet es sich an, am Terminus der Regulierung anzusetzen, da diese auf die Bewirkung privaten Verhaltens durch Verwaltungsrecht gerichtet ist. Das ist aber deswegen schwierig, weil sich noch kein einheitlicher Regulierungsbegriff herausgebildet hat.674 So wird der Begriff der Regulierung teilweise entsprechend dem sozialwissenschaftlichen Steuerungsbegriff verstanden und beschreibt demnach jede gewollte staatliche Beeinflussung wirtschaftlicher oder sozialer Prozesse (im Gegensatz zur Selbstregulierung).675 In diesem Sinne umfasst die Regulierung neben Zwangsmaßnahmen auch Anreizmechanismen, die die überkommene Vorstellung von einer primär handlungsethisch motivierten Tätigkeit abgelöst haben,676 sowie jegliche sonstige Art der Einflussnahme des Staates677 auf staatsexterne Bereiche. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (14 ff.). 673 Vgl. zur Staatsferne bzw. Autonomie der (funktionalen) Selbstverwaltung Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 25 f. 674 Vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 1; Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (246 ff.); ders., in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 1, jedoch mit dem Bemühen um eine griffige Definition; Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 39 (41); Röhl, JZ 2006, 831 f.; Bumke, Die Verwaltung 41 (2008), 227 (228 f.). Überblick über die Facetten des Regulierungsbegriffs auch bei Döhler/Wegrich, dms 1/2010, 31 ff. 675 Vgl. dazu Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 2, 5; Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 39 (41). 676 Hinter dem steuerungswissenschaftlichen Ansatz steht die Überlegung, dass die Funktion des Rechts in der steuernden Regelung von Verhalten besteht, vgl. Eifert, VVDStRL 67 (2008), 286 (293 f.); Grzesczick, Die Verwaltung 42 (2009), 105. Der Steuerung liegt zudem die Vorstellung zugrunde, dass moderne, industrialisierte und arbeitsteilig organisierte Gesellschaften nicht auf einer individuellen Handlungsmoral beruhen, sondern durch Vorteilserwartungen, also Anreize funktionieren. Dabei schließen sich ökonomisches Anreizsystem und Ethik nicht zwingend aus, vgl. Goldschmidt, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik 06/4, S.  4 f. 677 Zum hier vorausgesetzten Staatsverständnis vgl. oben, Teil 2, Fn. 115.

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Schneider weist darauf hin, dass sich die Regulierung auf staatsnahe oder öffentlich gebundene Bereiche bezieht.678 Mit Röhl679 und Ruffert680 ist weiterhin davon auszugehen, dass der Regulierungsbegriff im besonderen Maße durch Wettbewerbsbezug geprägt ist. Die Regulierung soll in bislang vom Wettbewerb weitestgehend unberührten Marktbereichen dafür sorgen, dass der Zugang zu den Leistungen sichergestellt und die von den Wettbewerbern erhobenen Preise kontrolliert und behördlich festgelegt ­werden.681 Die Regulierung ist in erster Linie auf ein bestimmtes Ergebnis ausgerichtet, nämlich dass ein bestimmter, über den Einzelfall hinausgehender Ordnungszweck erreicht wird.682 Als steuernder Akteur ist der Staat angesprochen.683 Er setzt durch Recht die Gemeinwohlzwecke, die es zu erreichen gilt und gibt den Spielraum vor, innerhalb dessen die Ziele verfolgt werden sollen. Das Recht der Regulierung überlässt Gebiete der Daseinsvorsorge der privaten Betätigung, moderiert diese aber sozial dergestalt, dass jeder die Möglichkeit des Zugangs zu diesen Leistungen hat.684 Damit lässt sich festhalten, dass sich die Regulierung auf staatsnahe oder öffentlich gebundene Bereiche bezieht und Maßnahmen umfasst, die für Wettbewerb sorgen sollen, um Monopole aufzubrechen bzw. zu vermeiden.685 Die Regulierung der Telekommunikationsdienstleistungen stellt sich in erster Linie als Entgeltregulierung (§§ 30 ff. TKG) und Netzzugangsregulierung dar (§§ 16 ff.  TKG),686 die durch die Pflicht zur Universaldienstleistung flankiert werden.687 Es findet eine proaktive Wirtschaftsaufsicht statt, die sich auf private Akteure erstreckt688 und die Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Ziele fördern soll. Ruffert definiert Regu-

678 Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 39 (41 f.) m. w. N. 679 Röhl, JZ 2006, 831 (832). 680 Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 24 f. 681 Vgl. Röhl, JZ 2006, 831 f. 682 Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 5. 683 Eiferts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 6. 684 Diese Leistungen werden als Universaldienstleistungen beschrieben, vgl. Rixen, in: ­Wienke/ Dierks (Hrsg.): Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin, S. 123 (131) mit Hinweis auf § 78 Abs. 1 TKG. 685 Vgl. für die Referenzgebiete der Regulierung (Telekommunikation, Post, Energie, Bahn) §§ 1 f.  TKG, §§ 1 f.  PostG, § 1 Abs.  2  EnWG, § 1 AEG. 686 Vgl. Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 39 (44 ff.). 687 Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 50. 688 Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 39 (41).

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lierung im Anschluss an ihre Wesensmerkmale als „dasjenige hoheitliche Handeln, mit dem die Verwaltung auf einen Wirtschaftssektor oder wirtschaftlich geprägten Teil eines Lebensbereichs einwirkt, um sowohl Bedingungen für Wettbewerb zu schaffen und aufrecht zu erhalten, als auch anstelle einer staatlichen Eigen­ vornahme die Gemeinwohlsicherung im betreffenden Sektor oder Lebensbereich zu erfüllen.“689 Zwar sind die Gesundheitsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse i. S. d. Art.  14  AEUV690 einzuordnen und es besteht zwischen der Regulierung und den Dienstleistungen im öffentlichen Interesse eine Art verwandtschaftliches Verhältnis, da sich auch die Regulierung durch einen besonderen Gemeinwohlbezug auszeichnet und eine Anwendung der Regulierung als Systematisierungskategorie für die Instrumente zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Dennoch ist der Annäherungsversuch an den Regulierungsbegriff hier wenig fruchtbar.691 Das liegt vor allem am Ziel der typischen Regulierungsmaterien (Telekommunikation, Energie, Post),692 Wettbewerb herzustellen, der bislang aufgrund staatlicher Leistungserbringung nicht oder nur beschränkt existierte.693 Zentrale Aufgabe der Regulierung ist der Übergang zum Marktprinzip.694 Der Gesundheits-„Markt“ wird jedoch nach deutscher Konzeption im Hinblick auf die ambulante ärztliche Versorgung seit jeher nicht von staatlichen Leistungserbringern beherrscht. Vielmehr wurden stets Private in die Leistungserbringung einbezogen, die miteinander im Wettbewerb standen. Zudem ist die Etablierung eines Marktes nicht Hauptanliegen des SGB V, insbesondere nicht der Sicherstellungsinstrumente. Es geht um die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben durch Private, deren Qualität und Sicherstellung durch die Verwaltung überwacht wird.695 Darüber hinaus zielt die Regulierung bislang nicht auf Freiberufler, sondern auf gewinnorientierte Unternehmen mit Monopol- oder Oligopolstellung ab, die ausreichend Kapital zur Verfügung haben,

689 Ruffert,

in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 58. NZS 2010, 177 (182). Vgl. dazu die Initiativen auf europäischer Ebene, Kommission: „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss sozialer Dienstleistungen: Europas neues Engagement“, KOM (2007), 725 endg.; Staats- und Regierungschefs der EU: „Protokoll über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, ABl. 2007 Nr. C 306/147, ABl. 2008 Nr. C 115/308 sowie die neue Formulierung des Art. 14 AEUV, der die gemeinsame Sozialverantwortung der Union und der Mitgliedsstaaten zum Ausdruck bringt. Zu alldem Pitschas, NZS 2010, 177 (181 ff.). 691 Anders: Franzius, Bedarfsplanung als spezifisches Regulierungsrecht, abrufbar unter http://www.jura.uni-frankfurt.de/ineges/Veranstaltungen/Thesenpapier_Franzius.pdf. 692 Vgl. zu den Netzwirtschaften als Referenzgebiete des Regulierungsrechts knapp Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 44 ff. 693 Vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5, Rn. 8, § 13, Rn. 8. 694 Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (165 f.); Ruffert, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 7, Rn. 24 f. 695 Vgl. Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (165). 690 Pitschas,

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um auch die sozial erwünschten Aufgaben der flächendeckenden Versorgung und erschwing­lichen Preise zu erfüllen. Vertragsärzte, die nach bisherigem Verständnis als Freiberufler teilweise einer Kooperationsformbeschränkung696 sowie bei der Möglichkeit der Organisation in einer juristischen Person des Privatrechts einem Fremdbesitzverbot697 unterliegen, sind deshalb nicht Adressaten des Regulierungsrechts in seiner bisherigen Ausgestaltung. Sieht man davon ab, können die Ziele der Regulierung aus dem Öffentlichen Wirtschaftsrecht698 auch auf das die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen bezogen werden. Die Sicherstellungsinstrumente entziehen sich jedoch einem der primären Anliegen des Regulierungsrechts, Wettbewerb herzustellen. Denn Wettbewerb ist erstens kein Mittel zur Beseitigung der irregulären Versorgung. Zweitens sollen die Sicherstellungsinstrumente überhaupt eine ausreichende und reguläre Gesundheitsversorgung sicherstellen, weshalb die Etablierung von Wettbewerb als nachrangiges Ziel angesehen werden muss. Darüber hinaus sind der Regulierungsbegriff und die Regulierungsdogmatik zum einen bislang noch so unkonturiert und zum anderen so stark mit den genannten Rechtsmaterien und der Privatisierung öffentlicher Aufgaben verwoben, dass eine Anlehnung des Steuerungsbegriffs für die Sicherstellungsinstrumente im Rahmen der GKV keinen Erkenntnisgewinn mit sich brächte. Deshalb wird hier darauf verzichtet.699 d) Fazit: der hier zugrunde gelegte Steuerungsbegriff Da die Elemente der Wirtschaftslenkung mit denen des sozialwissenschaft­ lichen Steuerungsbegriffs von Mayntz weitgehend übereinstimmen, kann ein einheitlicher Begriff der Steuerung gebildet werden: Steuerung ist ein auf ein bestimmtes Ergebnis (hier: ein konkretes Marktergebnis) zielender Vorgang, der mit

696 Vgl. für das Verbot der Berufsausübungs-GmbH in Bayern Art. 18 Abs. 1 S. 1 HKaG; in Brandenburg § 31 Abs. 2 HeilBerG; in Sachsen § 16 Abs. 4 HeilBerG; in Berlin § 31 Berliner Kammergesetz; in Niedersachsen § 32 HKG. §§ 19 Abs. 3, 20 Abs. 1 Nr. 4 HeilBerG LSA erlauben die Kooperation Kapitalgesellschaften hingegen ausdrücklich. Vgl. dazu Ratzel, in: ders./Lippert, Musterberufsordnung für Ärzte, § 18, Rn. 37. 697 Ratzel, in: ders./Lippert, Musterberufsordnung für Ärzte, § 18, Rn. 37. 698 Flächendeckende Versorgung, universelles Angebot, bestimmte Qualität der Dienstleistungen, Durchsetzung der Ziele durch eine besondere Verwaltungsorganisation und somit durch staatliche „Hege“, vgl. Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (147), der den zitierten Begriff der Hege verwendet. 699 Vgl. zu weitergehenden Bemühungen, die staatliche Kooperation mit privaten Akteuren im Sozialrecht mit dem Begriff der Regulierung in Übereinstimmung zu bringen Wißmann, in: Arnauld/Musil (Hrsg.), Strukturfragen des Sozialverfassungsrechts, S. 139 (165 ff.), der freilich eingesteht, dass man sich vorläufig mit der „Bildung von systematischen Teilschnittmengen begnügen“ müsse (S. 166). Er schlägt dazu den Begriff des kooperativen Wettbewerbs und somit die Verbindung von dem Wettbewerb geöffneter Leistungserbringung (zur Herbeiführung von Effizienzsteigerungen) und Kooperation zwischen Leistungserbringern und Verwaltung (zur Sicherstellung besonderer Qualitätsanforderungen) vor (S. 175 f.).

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den Instrumenten des Rechts und innerhalb seiner Grenzen700 das Verhalten privater Akteure so beeinflussen will, dass das angestrebte Ergebnis erreicht wird. II. Ziele der Steuerung im Gesundheitswesen Das Hauptziel der Steuerung im Gesundheitswesen ist die Durchsetzung des geltenden Gesundheitsrechts. Da die in der GKV Versicherten gesetzliche Ansprüche auf Gesundheitsversorgung haben, sollen die Steuerungsinstrumente der Verwirklichung ihrer gesetzlichen Rechte dienen. Die Durchsetzung des geltenden Gesundheitsrechts verfolgt zugleich verschiedene weitere Ziele: –– Zum einen die Bereitstellung der erforderlichen Gesundheitsleistungen und dadurch die Absicherung der Versicherten gegen die Wechselfälle des Lebens.701 –– Zum anderen wird auch dem Sicherstellungsauftrag der KV Geltung verschafft und auf diese Weise dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung702 Rechnung getragen, da den KV als mittelbarer Staatsverwaltung der gesetzliche Sicherstellungsauftrag übertragen wurde und die Steuerungsinstrumente der Verwirklichung des Sicherstellungsauftrags dienen. –– Schließlich werden durch die Sicherstellungsinstrumente auch das Funktionieren und somit die Legitimation des Gesundheitssystems in seiner Ausgestaltung als gesetzliche Pflichtversicherung gestützt. Denn das auf einer Pflichtversicherung basierende System der GKV verliert seine (verfassungsrechtliche)703 Rechtfertigung, wenn Personen aus dem versicherungspflichtigen Kreis von der Teilhabe am gesetzlichen Gesundheitssystem ausgeschlossen werden oder von vornherein nicht an ihm partizipieren können. Maßnahmen, die die tatsächliche Einbeziehung aller Versicherungspflichtigen in das gesamte Leistungsspektrum der GKV anstreben, zielen auf die Anerkennung der Ausgestaltung der GKV als Pflichtversicherung. Ihnen liegt somit nicht allein die qualitativ hochwertige und ökonomische vertragsärztliche Versorgung zugrunde, sondern die Sicherung und Akzeptanz der vertragsärztlichen Versorgung in einem bestimmten Gebiet sowie der GKV überhaupt.

700 Zum Recht als Grenze der Steuerung vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Vosskuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19, Rn. 5. 701 Vgl. zu diesem Terminus Art. 161 WRV. 702 Zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rn.  1 ff. 703 Vgl. zum Entfall der Angemessenheit von Beitrag und Leistung in der GKV bei nicht verfügbaren Gesundheitsleistungen und Fortbestehen der Versicherungspflicht oben, Teil 2, Kap. 2, B. II.

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III. Sicherstellungsinstrumente und Steuerung – Systematisierung anhand des öffentlichen Wirtschaftsrechts Als Steuerungsinstrumente im Recht der GKV werden im Allgemeinen Wett­ bewerb, Kooperation und Kontrolle verstanden.704 Diese Steuerungsinstrumente weisen jedoch für den hier behandelten Ausschnitt des Rechts der GKV teilweise Schwächen auf, die eine Anknüpfung der Sicherstellungsinstrumente an diesen Kategorien als untauglich erscheinen lassen. Insbesondere der Wettbewerb ist bei defizitärer Versorgung nicht geeignet, bestimmte Marktprozesse anzustoßen. Denn die Unterversorgung ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass den Versicherten keine ausreichenden ärztlichen Leistungen zur Verfügung stehen. Der Wettbewerb unter den ärztlichen Leistungserbringern ist stark eingeschränkt, da sich weniger Ärzte als in der Bedarfsplanung vorgesehen um die Versicherten bemühen müssen und deshalb jeder Arzt mehr Patienten behandeln muss. Wettbewerb ist deshalb in der Situation der Unterversorgung kein geeignetes Steuerungsinstrument, um die Unterversorgung zu beseitigen. Das Steuerungsinstrument der Kontrolle wird zumeist auf die ordnungsgemäße Art der Leistungserbringung und die Systemtreue,705 auf die Kontrolle der Kooperationspartner durch Patientenvertreter,706 sowie auf die Kontrolle der Selbstverwaltung durch Staatsaufsicht bezogen.707 Es bietet daher keinen griffigen Ansatzpunkt für eine Kategorisierung der hier behandelten Sicherstellungsinstrumente. Zudem sind diese Steuerungsinstrumente nicht hinreichend differenziert, um einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Deshalb – und um die These, dass das Sozialrecht im Rahmen des Gesundheitswesens als öffentliches Wirtschaftsrecht anzusehen ist, an einem konkreten Bereich zu überprüfen – werden die oben dargestellten Sicherstellungsinstrumente daraufhin abgeklopft, ob sie als Maßnahmen der partiellen Wirtschaftslenkung aufgefasst werden können.708 Diese kennt grundsätzlich zwei Typen der Verhaltenssteuerung: direkte und indirekte Verhaltenssteuerung. Die bestehenden Sicherstellungsinstrumente sollen anhand dieser Zweiteilung der Verhaltenssteuerungstypen 704 Vgl. die Beiträge in den drei von Schmehl/Wallrabenstein herausgegebenen Bänden „Steu­erungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens“ (Band 1: Wettbewerb, Band 2: Kooperation; Band 3: Kontrolle). 705 Vgl. etwa Keller, in: Schmehl/Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Bd. 3: Kontrolle, S. 27 ff., der sich mit der Kontrolle als Instrument gegen Missbrauch im Gesundheitswesen auseinandersetzt. 706 Schlacke, in: Schmehl/Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Bd. 3: Kontrolle, S. 41 ff. 707 Schmehl, in: ders./Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Bd. 3: Kontrolle, S. 1 ff. 708 Die globale Wirtschaftslenkung setzt den Markt vollständig oder teilweise außer Kraft und soll hier nicht näher thematisiert werden. Vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik der Globalsteuerung Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 30 II.

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eingeordnet und auf diese Weise der Grundstein zu einer Systematisierung der Instrumente gelegt werden, die der Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung dienen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den dritten Teil der Arbeit interessant, da diese Systematik auch auf die zu entwickelnden Sicherstellungsinstrumente angewendet werden kann. 1. Direkte Verhaltenssteuerung Die direkte Verhaltenssteuerung zielt darauf ab, den Marktzugang und die Berufsausübung zu regeln.709 Sie greift durch rechtliche Gebote oder Verbote ein­ seitig in den „wirtschaftsrechtlichen Status“ ein.710 Die Marktzugangskontrolle –– kann durch ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder durch ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt erfolgen. Das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt beschreibt einen grundsätzlichen Zulassungsanspruch, der nur bei Vorliegen bestimmter Gründe versagt werden darf.711 Es zielt auf eine vorbeugende Überwachung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Interesse bestimmter Verwaltungszwecke, insbesondere der Wirtschaftslenkung, ab.712 –– Dagegen ist das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt als grundsätzliches Verbot konstruiert, von dem im Einzelfall abgewichen werden kann, so dass der Marktzugang in begründeten Ausnahmefällen gestattet werden kann.713 –– Des Weiteren kann die Markzugangskontrolle als Kontingentierung ausgestaltet werden, die den Markt nur für eine beschränkte Anzahl von Teilnehmern öffnet und für diese eine Rangfolge festlegt.714

709 Vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (18). Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 30 II bezeichnet dies als unmittelbare Wirtschaftslenkung. 710 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 30 II. 711 Vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (18); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 51. Das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist hingegen für die hier behandelte Problematik nicht von Relevanz, da dieses sozial an sich unerwünschte Tätigkeiten verbietet und nur in Ausnahmefällen gestattet, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 55. Die Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ist aber nicht sozial unerwünscht. 712 Huber, in: Schmidt-Aßmann/Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kap., Rn. 192; Gromitsaris, VerwArch 88 (1997), 52. 713 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, § 35, Rn. 91 f. 714 Vgl. Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (18).

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Die Marktverhaltenskontrolle erfolgt im Wege der begleitenden Überwachung, durch Anordnungen und Untersagungen sowie durch vertragliches Handeln.715 a) Marktzugangskontrolle Die Regulierung des Zugangs zum Gesundheitsmarkt für Vertragsärzte erfolgt Rahmen der GKV über die Instrumente der Zulassung sowie der Ermächtigung, § 95 Abs. 1 SGB V.716 Zudem sind auch die Sperrung von Zulassungsbezirken gem. § 100 Abs. 2 SGB V und die Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliches Personal daraufhin zu überprüfen, ob sie als Marktzugangskontrolle verstanden werden können. aa) Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist an bestimmte persön­ liche und sachliche Voraussetzungen geknüpft. In persönlicher Hinsicht verlangt § 95 Abs. 2 SGB V die Eintragung des Arztes in das Arztregister. Diese setzt ihrerseits voraus, dass der Zulassungswillige die Approbation als Arzt sowie eine abgeschlossene Weiterbildung als Allgemeinarzt oder Facharzt nachweisen kann, § 95a Abs. 1 SGB V. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch des Arztes auf Eintragung in das Arztregister.717 Allerdings zieht diese Eintragung nicht automatisch die Zulassungsfähigkeit des Arztes als Vertragsarzt nach sich. Wenn er sich körperlich nicht für die vertragsärztliche Versorgung der Ver­sicherten eignet (§ 21 Ärzte-ZV) oder den zulässigen Umfang von Nebentätigkeiten überschreitet, sodass er nicht mehr im erforderlichen Umfang für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung steht (§ 20 Ärzte-ZV), so besteht kein Anspruch des Arztes auf Zulassung zur Teilnahme vertragsärztlichen ­Versorgung.718 In sachlicher Hinsicht ist die Zulassung zudem an die Bedarfsplanung gebunden. So kann die Zulassung eines Arztes zwar nicht vollständig versagt werden. Jedoch kann sie dem Arzt für bestimmte Regionen vorenthalten werden, § 100 Abs. 2 SGB V. Die Zulassung für den vom Arzt gewünschten Ort hängt von einem Umstand ab, den er selber nicht beeinflussen kann, nämlich der Versorgungsdichte. Liegt kein Sperrungsgrund (hier: Unterversorgung) vor, so besteht

715 Vgl.

Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5, Rn. 17 ff. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 14, Rn. 1. 717 Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 1. 718 Zudem ist nicht jedes Fachgebiet geeignet, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vertreten zu werden, vgl. dazu BSG GesR 2010, 88 (keine Bindung des Zulassungsausschusses an den Arztregistereintrag), Darstellung bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (312). 716 Vgl.

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ein Anspruch des Arztes auf Zulassung für den von ihm gewünschten Planungs­ bereich. Es besteht der Grundsatz der freien Zulassung.719 Daraus ergibt sich, dass die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt, das durch eine Kontingentierung ergänzt wird.720 Die Zulassungssperren von Gebieten, die nicht von der Unterversorgung betroffen sind, stellen ebenso Kontingentierungen dar, wie die Sperrung überversorgter Gebiete. Auch sie beschränken die Zulassung in bestimmten Gebiete aufgrund von Verhältniszahlen und begrenzen so den Markt für Vertragsärzte in den betroffenen Gebieten. Die Zulassung (verbunden mit Zulassungssperren) ist somit ein Element direkter Steuerung. Darunter ist auch die gem. § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV mögliche Versagung der Genehmigung, den Vertragsarztsitz zu verlegen, zu fassen. In diesem Fall wird es dem Vertragsarzt verwehrt, einen konkreten Marktbereich zu verlassen und sich auf einem anderen regionalen Markt zu positionieren. bb) Ermächtigung Die Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten und Krankenhäusern ist an erster Stelle von dem Vorliegen einer Unterversorgung bzw. eines quantitativ-all­ gemeinen Versorgungsbedarfs abhängig, §§ 116, 116a SGB V. Hinzu kommt das Erfordernis, dass die Krankenhäuser zugelassen sind und die Krankenhausärzte eine abgeschlossene Weiterbildung vorweisen können. Von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt kann hier aber nicht gesprochen werden, da kein Rechtsanspruch auf Ermächtigung bei Vorliegen der Ermächtigungsvoraussetzungen gibt, sondern die Verwaltung ihr Ermessen fehlerfrei betätigen muss. Zudem soll der Zugang von stationär tätigen Ärzten und Krankenhäusern zum Markt der vertragsärztlichen Versorgung die Ausnahme bleiben und ist somit grundsätzlich nicht erwünscht. Es liegt daher nahe, die Ermächtigung als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (Ausnahmebewilligung) zu qualifizieren, die nur in bestimmten Fällen zum Tragen kommen darf. Der Befreiungsvorbehalt wird erst bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (die Ermächtigung ist erforderlich, um eine bestehende Unterversorgung zu beseitigen) aktiviert, die nicht von den potentiellen Marktteilnehmern beeinflussbar sind. Eine Kontingentierung ist in der Ermächtigung nicht zu erblicken, da die Sperrung von Zulassungsbereichen für diese Form der Einbeziehung ärztlicher Leistungserbringer bzw. ärztlich geleiteter Einrichtungen nicht relevant ist.

719 Wenner, Vertragsarztrecht

nach der Gesundheitsreform, § 16, Rn. 26. im Hinblick auf die Kontingentierung Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (18).

720 Ebenso

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cc) Sperrung von Zulassungsbereichen gem. § 100 Abs. 2 SGB V Die Sperrung von Zulassungsbereichen gem. § 100 Abs. 2 SGB V ist eine bedarfsorientierte Kontrolle des Marktzugangs, da sie den Niederlassungsort indirekt bestimmt. Durch die Sperrung von Zulassungsbereichen wird dem Arzt untersagt, sich an dem von ihm bevorzugten Ort niederzulassen. Die Sperrung ist von objektiven Umständen (andauernde Unterversorgung in anderen Gebieten des Zulassungsbereichs) abhängig, die der Arzt nicht beeinflussen kann. Da auf diese Weise der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung räumlich beschränkt wird, sind die Zulassungssperren gem. § 100 Abs. 2 SGB V als Marktzugangsregelungen anzusehen, die mit der Kontingentierung vergleichbar sind. Zwar wird bei der Sperrung von Zulassungsbereichen keine Zulassungsreihenfolge festgelegt, jedoch ist die Bedarfsplanung darauf ausgerichtet, bestimmte Regionen nur für eine bestimmte Anzahl von Ärzten je Fachrichtung zu öffnen. Im Fall der Zulassungssperren gem. § 100 Abs 2 SGB V wird der für die Sperrung einer bestimmten Region relevante Versorgungsgrad herabgesetzt. Sieht § 103 Abs. 1 SGB V Zulassungsbeschränkungen grundsätzlich nur bei Überversorgung vor, so genügt bei andauernder Unterversorgung die reguläre Versorgung anderer Gebiete. Im Falle der Unterversorgung sind somit auch bei einem regulären Versorgungsgrad Zulassungsbeschränkungen möglich, was dazu führt, dass bis zur Beseitigung der Unterversorgung diese regulär versorgten Regionen gesperrt werden. Da die Ärzte eine Zulassung benötigen, um sich an einem bestimmten Ort niederzulassen und die Zulassung davon abhängig ist, dass die Verhältniszahlen von Ärzten und Einwohnern den rechtlichen Vorgaben entsprechen, wird durch die Bedarfsplanung ein Kontingent an verfügbaren Arztsitzen je Fachrichtung festgeschrieben, das im Wege der Zulassung und der Sperrung von Planungsbereichen gem. § 100 Abs. 2 SGB V durchgesetzt werden soll. Auch die Vorschrift des § 103 Abs. 4 S. 6 Nr. 3 SGB V, der die Zulassungs­ sperren abmildert, ist als Marktzugangsregelung anzusehen. dd) Delegation ärztlicher Leistungen Die einzelnen, auf unterschiedlichen Normebenen angesiedelten Arztvorbehalte schließen die Personen von der Erbringung der dem jeweiligen Arztvorbehalt unterfallenden Leistungen aus, die keine Ärzte sind. Somit wird für den Markt der ärztlichen Leistungen ein Zugangshindernis geschaffen: die Approbation. Werden die den Arztvorbehalten unterfallenden Maßnahmen ausgedünnt und die Maßnahmen teilweise auf nicht-ärztliches Personal übertragen, so ist darin eine Erweiterung des Leistungserbringerspektrums721 und somit ein geöffneter Markt zu erblicken. 721 Vgl.

Kluth, MedR 2010, 372 (377 f.); für den Augenoptikerberuf ders., gpk 2008, 39; ders., GewArch 2009, 110 (112).

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Zwar wird dadurch der Arztvorbehalt als solcher nicht aufgegeben, mithin ein Kreis von Aufgaben beibehalten, die allein von Ärzten übernommen werden. Jedoch besteht hinsichtlich der freigesetzten Aufgaben die Möglichkeit der Neuzuteilung und somit der Wahrnehmung durch Nicht-Ärzte, was zugleich die Ausweitung ihres Leistungsspektrums und somit eine Neupositionierung auf einem bislang verschlossenen Markt bedeutet und somit den Marktzugang berührt. b) Direkte Steuerung des Marktverhaltens Das Marktverhalten der ärztlichen Leistungserbringer wird in erster Linie durch den Versorgungsauftrag bestimmt.722 Dieser legt die zu erbringenden Leistungen fest und erfasst alle lege artis erfolgenden Maßnahmen zur Erkennung, Heilung, Verhütung und Linderung von Krankheiten und Leiden, § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V.723 Die Überprüfung der Qualität der ärztlichen Leistungserbringung erfolgt im Rahmen des Berufsrechts und des Arzthaftungsrechts. Die Ärzte sind auch zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet, § 95d SGB V.724 Die Sicherstellungsinstrumente lassen sich jedoch in der Regel nicht als direkte Steuerung des Marktverhaltens einordnen, da sie weder in erster Linie die konkrete Art der Leistungserbringung regeln, noch die Qualität der Leistungserbringung im Blick haben. Allerdings sind die Regelungen über Kooperation, Anstellung und Niederlassung von Ärzten den Leistungserbringungsregeln zuzuordnen. Sie haben nämlich die Frage zum Gegenstand, auf welche Weise Ärzte gesetzliche Leistungen gegenüber den Versicherten erbringen können. Somit geht es zwar nicht um das „Ob“ der Leistungserbringung und das „Wie“ hinsichtlich der Qualität. Allerdings steht das „Wie“ hinsichtlich des Organisationsrahmens in Frage, was sich als konkrete Art der Leistungserbringung beschreiben lässt. Gleiches gilt für die Beschränkung des Versorgungsumfangs. Durch diese wird der zeitliche Rahmen und somit eine wesentliche Voraussetzung für die Leistungserbringung geregelt. 2. Indirekte Verhaltenssteuerung Die indirekte Verhaltenssteuerung ist darauf angelegt, erwünschte oder un­ erwünschte Verhaltensweisen zu subventionieren bzw. zu unterbinden. Dies kann dergestalt geschehen, dass auf unerwünschte Tätigkeiten eine Lenkungsabgabe zu entrichten ist und so eine finanzielle Sanktion verhängt wird. Erwünschte Verhal-

722 Vgl.

Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 387. Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 387 ff. mit Aufzählung der kon­ kreten Leistungsposten. 724 Dazu Scholze/Finkeißen, MedR 2004, 141 ff.; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 392. 723 Rixen,

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tensweisen können hingegen durch finanzielle Anreize gefördert werden.725 Die indirekte Verhaltenssteuerung soll mit staatlichen Maßnahmen das Marktverhalten verändern, wobei die Veränderung vom Willen der Marktteilnehmer abhängt. Der Wirtschaftsteilnehmer behält somit seine Entscheidungsfreiheit.726 Die finanziellen Anreize auf Grundlage des § 105 Abs. 1, 1a SGB V sollen die Niederlassung in irregulär versorgten Gebieten attraktiv machen und so dazu beitragen, die ausreichende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen sicherzustellen. Die Ärzte können sich entscheiden, ob sie dem Anreiz folgen und sich in den betroffenen Gebieten niederlassen, oder ob sie auf die Anreize verzichten und ihren beruflichen Sitz in einem anderen Gebiet wählen. Finanzielle Anreize sind somit das Paradebeispiel für eine indirekte Verhaltenssteuerung. Eine Doppelstellung nimmt das Auswahlkriterium des § 103 Abs. 4 S. 4 Nr. 4 SGB V ein. Demnach kann, sofern sich mehrere Personen auf einen Vertragsarztsitz in einem überversorgten Planungsbereich bewerben, die vorherige mehrjährige Tätigkeit eines Vertragsarztes in einem defizitär versorgten Planungsbereich für die Bewerberauswahl von Gewicht sein. Dieses Instrument ist zum einen eines der Marktzugangskontrolle, zum anderen aber auch der indirekten Verhaltens­ steuerung, da dem Vertragsarzt keine Entscheidung aufgezwungen, sondern ein bestimmtes Verhalten bloß besonders berücksichtigt wird. 3. Unspezifische Instrumente Es gibt jedoch auch Instrumente, die sich nicht in die obigen Kategorien einordnen lassen. Das erklärt sich dadurch, dass sich diese Instrumente durch eine (mittelbare) staatliche Beteiligung an der Versorgung der Versicherten auszeichnen und nicht versuchen, das Handeln und Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte zu beeinflussen. Eine solche mittelbare Beteiligung der öffentlichen Hand an der vertragsärztlichen Versorgung kann entweder durch die KV (§ 105 Abs. 1 S. 2 SGB V), Kommunen (§ 105 Abs. 5 S. 1 SGB V) oder die Krankenkassen (§ 140 SGB V) auf dem Wege des Betriebs von Eigeneinrichtungen dieser Körperschaften erfolgen. 4. Zwischenergebnis Die Sicherstellungsinstrumente lassen sich fast vollständig anhand der Kategorien der Wirtschaftslenkung und mithin des öffentlichen Wirtschaftsrechts systematisieren. Die Anwendung der im öffentlichen Wirtschaftsrecht entwickelten 725 Kluth, in: Schmidt-Aßmann/Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 11 (18 f.). 726 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 30 II.

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Denkraster ist deshalb auch dafür nützlich, die Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente zu entwickeln und bestätigt die These, dass das Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht begriffen werden kann, zumindest für diesen Teil­ bereich des Sozialrechts. IV. Schwierigkeiten und Auswirkungen der Wirtschaftslenkung im Gesundheitswesen Das Ergebnis, dass die Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts auch auf die Sicherstellungsinstrumente anwendbar ist, kann aber nicht darüber hinweg­ täuschen, dass die Lenkung der Gesundheitsversorgung vielfältigen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. 1. Externe Steuerung durch „Beifahrer“ Der Begriff der Wirtschaftslenkung bzw. Steuerung ruft die Assoziation hervor, dass die Lenkung von außen erfolgt und sich auf sachgerechte Erwägungen stützt. Allerdings ist der Staat selbst in unterschiedlicher Weise in das Gesundheitssystem integriert: als Financier, Leistungserbringer, Versicherer und Marktteilnehmer.727 Durch die Regelung des Gesundheitssystems durch den Staat können sich deshalb Interessenkonflikte und einseitige Lastenverteilungen abzeichnen.728 2. Existenzielle Bedeutung der Gesundheitsversorgung und Grundrechte der Betroffenen Die Sicherstellung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung hat des Weiteren eine existenzielle Bedeutung für die betroffenen Versicherten, da sie darauf angewiesen sind, mit ärztlichen Leistungen versorgt zu werden, damit ein hohe Lebensqualität gewährleistet ist. Die Gesundheitsversorgung ist eine staatliche Aufgabe, die zudem mit so geringem finanziellen Aufwand wie möglich sichergestellt werden soll. Schließlich stellen die Grundrechte Hürden für die Steuerung von Gesundheitsmarktprozessen und -ergebnissen auf. Die Grundrechte der Leistungserbringer verlangen bei der Herbeiführung bestimmter Marktergebnisse wie der flächen­deckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen die Beachtung

727 Spiecker gen. Döhmann, in: Schmehl/Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Gesundheitssystem, Bd. 1: Wettbewerb, S. 1 (3); Poledna, in: Schaffhauser/Poldena (Hrsg.), Wettbewerb im Gesundheitsrecht, S. 27 (49). 728 Vgl. zur Möglichkeit von Interessenkonflikten Kirchhof, DVBl 1982, 933 (935).

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der Berufs­freiheit der ärztlichen Leistungserbringer, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips.729 3. Wirtschaftslenkung und das Leitbild des freien Berufs Die Wirtschaftslenkung in Gestalt der Sicherstellungsinstrumente hat zudem Einfluss auf das Leitbild des freien Berufs. Freiberufliche Tätigkeiten sind geprägt durch eine besondere berufliche Qualifikation oder die schöpferische Begabung des Berufsträgers, eine wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Auftraggeber und die Gesellschaft über die rein gewerbliche Ebene hinausgehende Funktion der erbrachten Dienstleistung und die Herausbildung hoher berufsethischer Standards, die durch besondere Berufsorganisationen fortentwickelt und überwacht werden. Zudem sind der persönliche Einsatz bei der Berufsausübung, Eigenverantwortlichkeit und fachliche Unabhängigkeit wesentliche Merkmale des freien Berufs,730 vgl. § 1 II PartGG. In besonderer Weise wird zudem das eingeschränkte bzw. gezügelte Gewinnstreben der Freiberufler betont.731 Die freien Berufe befinden sich jedoch im Wandel, weshalb richtigerweise nicht alle genannten Kriterien status­ begründend sind.732 Die Sicherstellungsinstrumente in Form der Wirtschaftslenkung rütteln an zwei wesentlichen Merkmalen des Freien Berufs: zum einen an dem beschränkten Gewinnstreben, das durch finanzielle Anreize zumindest in Frage gestellt wird, zum anderen an der selbständigen Ausübung der Tätigkeit, die durch Anstellung von Ärzten geschmälert wird.

729 Dies ist natürlich kein Spezifikum des Gesundheitssystems, sondern ein allgemeiner Grundsatz, dem staatliches grundrechtsrelevantes Verhalten verpflichtet ist. Die grundrechtsrelevanten Aspekte wurden bereits bei den einzelnen Sicherstellungsinstrumenten angesprochen. 730 Kluth/Goltz/Kujath, Die Zukunft der freien Berufe in der Europäischen Union, S. 5; ­Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 68 ff.; Gabriel, NZS 2007, 344 (350); Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 73 (101). 731 Vgl. BVerfGE 17, 232 (239); RGZ 66, 143 (148); Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 46; Kluth, in: Wienke/Dierks (Hrsg.), Zwischen Hippokrates und S ­ taatsmedizin, S. 29 (38 f.), der jedoch mit Blick auf den Apothekerberuf nicht von einer Unvereinbarkeit des Gewinnstrebens mit dem Freien Beruf ausgeht; Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 42 f., die dieses Kriterium jedoch bereits aus einkommenssteuerrechtlicher Perspektive für überdenkenswert hält; für die Apotheker EuGH, Rs. C 171/07 u. C-172/07 (Apothekerkammer des Saarlandes u. a./Saarland u. a.), NJW 2009, 2112 (2114) mit Hinweis auf die besondere Ausbildung und die berufsgerichtliche Überwachung; krit. zu diesem Urteil etwa Martini, NJW 2009, 2116. Das Bundesverfassungsgericht hingegen betont den Doppelcharakter der Apotheker als Gewerbetreibende einerseits und Freiberufler andererseits, BVerfGE 17, 232 (238). 732 Vgl. zum Erfordernis, das Berufsethos der Freien Berufe wieder freizulegen Kluth, JZ 2010, 844 (insb. 849 ff.).

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

a) Finanzielle Anreize und gemäßigtes Gewinnstreben Insbesondere die Anreizwirkungen der Vergütung gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F., § 87a Abs. 2 SGB V sowie die finanziellen Anreize gem. § 105 Abs. 1 SGB V stellen die Relevanz des Kriteriums des beschränkten Gewinnstrebens in Frage. Gestützt wurde dies durch die vom Gesetzgeber in Normrang gegossene Möglichkeit, dass die Erforderlichkeit von Zulassungsbeschränkungen gem. § 100 Abs. 2 SGB V durch die differenzierte Vergütung entfallen könnte, vgl. § 87 Abs. 7 SGB V a. F. Demnach hielt es der Gesetzgeber für möglich, dass Vergütungsanreize (und somit das Gewinnstreben der Vertragsärzte) mindestens ebenso effektiv sein könnten wie die Zulassungssperren. In diesem Fall hätte (vor allem) die Aussicht auf eine überdurchschnittliche Vergütung die Niederlassung in einer regelmäßig strukturschwachen Region bewirkt. Dies wäre mit dem Leitbild des gezügelten Gewinnstrebens nur schwer zu vereinbaren gewesen. Deshalb hat insbesondere die gesetzliche Regelung des § 87 Abs. 2e i. V. m. Abs. 7 SGB V a. F. deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber dem gezügelten Gewinnstreben keine allzu große Bedeutung für die Freien Berufe beigemessen hat. Daran hat sich auch durch das GKV-VStG nichts Wesentliches geändert. Zwar hat der Gesetzgeber die Vergütungsanreize teilweise gestrichen; zugleich hat er jedoch den KV die Möglichkeit belassen, ihre Aufgabe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch finanzielle Instrumente zu erfüllen und in § 87a Abs. 2 SGB V neue Vergütungsanreize etabliert. Zugleich hat er mit dem neuen § 105 Abs. 1a SGB V die bisher teilweise bereits etablierten Sicherstellungsfonds im Gesetz verankert und dadurch der Bedeutung finanzieller Anreize weiteren Nachruck verliehen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Erfordernis des gemäßigten Gewinnstrebens im Jahr 2008 mit wenig Begründungsaufwand beerdigt: „Sie (die freien Berufe, S. B.-S.) betätigen sich mit Gewinnerzielungsabsicht selbständig und nachhaltig und beteiligen sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (…).“733 Das bedeutet nicht, dass am gesellschaftlichen Auftrag der Vertragsärzte gezweifelt wird. Dass dieser aber ein Gewinnstreben ausschließt, ist vor dem Hintergrund der Praxis734 und der gesetzlichen Regelungen der § 87 Abs. 2e SGB V a. F., § 105 Abs. 1 SGB V eine kaum mehr haltbare Behauptung. Vielmehr wird durch das Kriterium des gezügelten Gewinnstrebens den Ärzten ein Rechtfertigungszwang für den wirtschaftlichen Betrieb ihrer Praxis auferlegt. Durch die sozialrechtlichen Vorgaben (Wirtschaftlichkeitsgebot, Maß des Notwendigen als Grenze der anzuwendenden Maßnahmen gem. §§ 12, 72 Abs. 2 SGB V) wird ein hin­ reichender Ausgleich zwischen dem Gewinnstreben des Arztes und der Finanzier 733 BVerfGE 120, 1 (31), im Bezug auf die Herausnahme der Freien Berufe aus dem Gewerbe­ steuerrecht. 734 Vgl. zu den Protesten der Ärzte im Zuge des GKV-OrgWG, der teilweise verlangten „Vorkasse“ sowie der Reaktion der Politik http://www.focus.de/politik/deutschland/kriminalitaetschmidt-verlangt-ende-saemtlicher-aerzteproteste_aid_419028.html; pointiert zur Verschreibungspraxis in den Arztpraxen Herbert, Diagnose: unbezahlbar, S. 11 ff.

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barkeit des Gesamtsystems gefunden. Das Standesethos wird zudem durch die Berufsorganisationen gewahrt. Das spricht dafür, dieses Kriterium aufzugeben.735 Zwar stellt der EuGH auch auf das gezügelte Gewinnstreben ab, um das deutsche apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot zu rechtfertigen.736 Allerdings weicht der deutsche Gesetzgeber bei den Vertragsärzten von diesem Kriterium ab. Es ist deshalb folgerichtig, die Freiberuflichkeit und die mit ihr verbundenen besonderen Qualitätsanforderungen der Leistungen nicht allzu eng mit dem gemäßigten Gewinnstreben zu verweben, sondern vielmehr den besonderen sozialen Bezug und die gesellschaftliche Bedeutung der Leistungserbringung hervorzuheben. Dass Ärzte als Freiberufler auch aus einem sozialen bzw. altruistischen Antrieb tätig werden, wird durch die Aufgabe des Kriteriums des gezügelten Gewinnstrebens weder in Frage gestellt, noch diskreditiert.737 Die Schwerpunkte hängen dabei jedoch vom Einzelfall ab.738 Dass der einzelne Arzt Gewinn anstrebt, steht nicht zwingend im Widerspruch zu dem besonderen Charakter der ärztlichen Leistung. Die Negation des Gewinnstrebens ist jedoch geeignet, dem Arzt einen großen Teil des Risikos des Gesundheitssystems aufzulasten. Das Gesundheitssystem zeichnet sich durch eine Verteilung knapper Ressourcen aus. DRGs und evidence based medicine sowie die pauschalen Leistungsvergütungen führen in Verbindung mit der Gesamtvergütung dazu, dass die Ärzte häufig das Risiko tragen, dass auch die Erbringung von Leistungen, die den Anforderungen der §§ 12 Abs. 1 S. 1, 72 Abs. 2 SGB V entsprechen, nicht kostendeckend vergütet wird bzw. der Arzt die Rationierungslast trägt, die in erster Linie vom Gesetzgeber zu schultern wäre.739 Da der Anspruch der Versicherten jedoch unabhängig davon besteht, ob der Arzt kostendeckend arbeiten kann oder nicht, trägt der Arzt das finanzielle Risiko dafür, dass ein verfassungsund sozialrechtlich geforderter Zustand durch ihn herbeigeführt wird. Durch das Abstellen auf das gemäßigte Gewinnstreben wird es dem Gesetzgeber, den Krankenkassen und den KV erleichtert, die einzelnen Leistungen, die zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erbracht werden, nicht vollumfänglich zu vergüten. Eine berufsrechtliche Verpflichtung, jedem Patienten zu helfen und bei gleichen

735 Krit. zu diesem Kriterium Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 42 f.; 57 ff.; zur „Kommerzialisierung“ der Freien Berufe als Ausdruck der (gegenseitigen) Annäherung der Freien und der gewerblichen Berufe vgl. Kämmerer, Die Zukunft der Freien Berufe zwischen Deregulierung und Neuordnung, S. H 39 ff. 736 EuGH, Rs. C-171/07 u. C-172/07 (Apothekerkammer des Saarlandes u. a./Saarland u. a.), NJW 2009, 2112 (2114). 737 Ähnlich Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 58 f. Anders RGZ 66, 143 (148), das betont, dass der „den allgemeinen Interessen dienende Beruf des Arztes über dem Niveau der einer Gelderwerbstätigkeit (steht)“ und „auf die Stufe eines gewerblichen Unternehmens nicht herabgezogen werden (darf)“. Vgl. dazu auch Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 42. 738 Vgl. Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 59. 739 Zu den Anforderungen an eine Rationierung vgl. bloß Brech, Triage und Recht, S. 88 f.

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Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

Erkrankungen die gleiche Versorgung angedeihen zu lassen,740 ist gegenüber dem gemäßigten Gewinnstreben vorzugswürdig und unterstreicht den Gemeinwohl­ bezug des Arztberufes eindrücklicher. b) Freiberuflichkeit und Öffnung der ambulanten Versorgung der Versicherten für angestellte Ärzte Die wirtschaftliche Selbständigkeit ist kein Wesensmerkmal des Arztberufs an sich, da Klinikärzte angestellt und deshalb nicht selbständig tätig sind.741 Allerdings wird der Vertragsarzt bislang als Domäne der wirtschaftlichen Selbständigkeit angesehen, da die eigene Praxis, die auf eigene Rechnung betrieben wird, das Leitbild des Vertragsarztes darstellt. Durch die Möglichkeit, Ärzte anzustellen, verblasst dieses Leitbild.742 Zwar setzt die Anstellung von Ärzten in einer Praxis voraus, dass eine Praxis von einem oder mehreren Ärzten betrieben wird, diese somit das wirtschaftliche Risiko tragen, die wesentlichen Aspekte der Organisation der Praxis bestimmen und deshalb selbständig sind, da keine Weisungsabhängigkeit besteht. Jedoch werden angestellte Ärzte in die vertragsärztliche Versorgung einbezogen. Verstärkt wird dies dadurch, dass MVZ auch (zumindest bei vor dem 01.01.2012 erfolgter Zulassung) von kapitalgesellschaftlich strukturierten Rechtsträgern betrieben werden können, § 95 Abs. 2 S. 2 SGB V.743 Gleiches gilt für die Ermächtigung von stationär tätigen Ärzten und Krankenhäusern sowie den Betrieb von Eigeneinrichtungen der Krankenkassen und KV. Der Markt der selbständigen Ärzte wird durch angestellte Ärzte und gewerblich orientierte Krankenhäuser erweitert. Die vertragsärztliche Versorgung ist somit zwar noch ein Hauptbetätigungsfeld von selbständigen Ärzten, jedoch sind sie nicht (mehr) die alleinigen Akteure. Die Möglichkeit, Ärzte anzustellen, bedeutet eine Flexibilisierung des ärztlichen Berufsrechts und den ersten Schritt weg vom Leitbild des selbständigen Arztes in seiner Praxis hin zu einem stärker an den sich wandelnden Bedürfnissen der Ärzte ausgerichteten Berufsbild.

740 Kluth,

in: Wienke/Dierks (Hrsg.), Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin, S. 29 (38 f.) beschreibt das gemäßigte Gewinnstreben auf diese Weise. 741 Von den nach bisherigem Verständnis statusbegründenden Merkmalen werden deshalb in diesem Bereich Abstriche gemacht, vgl. Kluth, JZ 2010, 844 (845). 742 Vgl. auch Lang, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 15, Rn. 12: „moderne Herausforderungen, die das klassische Bild des freiberuflich tätigen Arztes verändern“; zur abhängigen Beschäftigung und Freien Berufen knapp Kämmerer, Die Zukunft der Freien Berufe zwischen Deregulierung und Neuordnung, S. H 40. 743 Martini, NJW 2009, 2116.

5. Kap.: Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente

229

4. Zentrales Problem: systemexterne Ursachen, systeminterne Lösungen Das zentrale Problem der Wirtschaftslenkung im Gesundheitswesen im Hinblick auf die Sicherstellung flächendeckender Versorgung ist aber, dass das Gesundheitssystem mit seinen steuernden Eingriffen versucht, primär systemexterne Ursachen mit systeminternen Maßnahmen zu beseitigen. Der Rückgriff auf einen privaten Markt der Leistungserbringung – und sei er noch so streng reglementiert – ist stets der Gefahr des Marktversagens in der Hinsicht ausgesetzt, dass die gewünschten Marktergebnisse (flächendeckende hochwertige Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen) nicht von einem privat organisierten und somit auch individuellen Präferenzen folgenden Leistungserbringerstand erbracht werden können. Das liegt daran, dass die Versorgung der Versicherten mit vertragsärzt­ lichen Leistungen auch von Aspekten abhängig ist, die außerhalb des Gestaltungsbereiches des Gesundheitsrechts liegen744 und auf die eine gesundheitsrechtliche Kodifizierung deshalb keinen oder bloß marginalen Einfluss hat. Um diesen Aspekt besser zu verdeutlichen, ist es hilfreich, auf das Tiebout-­ Modell745 zurückzugreifen. Tiebout legt in einem theoretischen Konzept mit besonderen (kaum realistischen) Voraussetzungen746 den Wettbewerb von Gemeinden um die Niederlassung von Personen sowie die Anforderungen an den Erfolg der einzelnen Gemeinden dar.747 Dabei geht es um die Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich Personen in einer bestimmten Gemeinde niederlassen, wenn diese mit anderen Gemeinden im Wettbewerb um die Niederlassung von Personen und Unternehmen steht. Nach Tiebout wählt der Einzelne die Gemeinde aus, die seine Nachfrage bzw. seine Präferenzen bzgl. öffentlicher Güter am besten befriedigt und ihm gleichzeitig eine vergleichsweise attraktive Steuerlast auferlegt. Demnach geht es bei der Niederlassung in einer Gemeinde in erster Linie 744 Ähnlich formuliert der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung – , S. 170: „Unbeschadet der Notwendigkeit oder Berechtigung finanzieller und nicht-monetärer Anreize vermag die Gesundheitspolitik das Kernproblem der drohenden Unterversorgung, das primär in der mangelnden Attraktivität der betroffenen Regio­ nen wurzelt, alleine wohl kaum befriedigend zu lösen.“ 745 Dieses Modell wird von Troppens, InfrastrukturRecht 2010, 330 (331 ff.) verwendet. 746 Tiebout, The Journal of Political Economy, Vol. 64 (1956), S. 416 (419 f.) nennt folgende Voraussetzungen: (1) die vollkommene Mobilität der Bevölkerung, (2) die umfassende Kenntnis der Bevölkerung bzgl. der öffentlichen Güter und Steuerbelastungen, (3) eine große Anzahl an Gemeinden, zwischen denen sich der Einzelne entscheiden kann, (4) es bestehen keine Beschränkungen bzgl. der Arbeitsmöglichkeiten, (5) die kommunalen Güter können nur von den Gemeinedeeinwohnern genutzt werden, (6) es gibt für jede Gemeinde eine optimale Größe bzw. eine optimale Einwohnerzahl, (7). die Gemeinden können über das Angebot öffent­licher Güter und die Höhe Steuerbelastung der Einwohner selbst entscheiden, um Attraktivitäts­ steigerungen zu erzielen, damit sie ihre optimale Einwohnerzahl erreichen. 747 Tiebout, The Journal of Political Economy, Vol. 64 (1956), S. 416 (418 ff.) spricht selbst von einem „extreme model“.

230

Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

um das Angebot öffentlicher Infrastruktur und Dienstleistungen. Die Gemeinden stehen deshalb unter dem Druck, ihre Attraktivität zu erhöhen (durch Bereitstellung öffentlicher Güter und vergleichsweise geringe Steuerlasten), um eine möglichst gute Wettbewerbsposition zu haben. Die Bewohner nehmen somit eine Kosten-Nutzen-Analyse bzgl. ihres Wohn- und Arbeitsortes vor.748 Wendet man dieses Modell auf die Ärzte an, so ist festzustellen, dass auf Landesebene bereits vielfältige Instrumente bereit stehen, um Ärzte in bestimmte Regionen zu locken. Dabei spielen auch die Gemeinden eine große Rolle, die ihre Attraktivität für Ärzte durch besondere Leistungen steigern wollen. Es besteht ein Wettbewerb der Gemeinden (und Regionen) um die niederlassungswilligen Ärzte, und zwar bundes- bzw. europaweit. Nach Tiebout müsste ein marktmäßiger Mechanismus wirken, der darin besteht, dass die Gemeinden die Bereitstellung einer überdurchschnittlichen Infrastruktur und sonstiger Güter749 niederlassungswillige Ärzte zur Ansiedlung in ihrem Gebiet bewegen. Festzuhalten ist allerdings, dass die Gemeinden keine identischen Ausgangsbedingungen haben, wie sich insbesondere bei den von Unterversorgung betroffenen bzw. bedrohten strukturschwachen Regionen zeigt. Diese haben erhebliche Nachteile gegenüber attraktiven Regionen mit vielen Einwohnern, hoher Wirtschaftskraft und guter Infrastruktur. Da die strukturschwachen Regionen Einwohner verlieren und kaum attraktiv für Unternehmensansiedlungen sind, müssen sie Infrastruktur abbauen, was wiederum zum Verfall ihrer Attraktivität beiträgt. Dies führt dazu, dass die Gemeinden kaum aus eigener Kraft in der Lage sein werden, eine Infrastruktur vorhalten zu können, die Ärzte zur Niederlassung in ihrem Gebiet motivieren kann. Aus dem Tiebout-Modell folgt, dass die Attraktivität einer Region, in sich der Leistungserbringer niederlassen und seinen Lebensmittelpunkt wählen soll, nicht in erster Linie von den Vorgaben des Rechts der GKV abhängt. Die Zusammensetzung des Patientenstamms,750 die Anzahl der Notdienste, die dauerhafte Möglichkeit des Gewinns durch die eigene Arbeit, das kulturelle Angebot der näheren Umgebung, die Möglichkeit, Freundschaften zu schließen und eine ansprechende Freizeitgestaltung zu organisieren, das Vorhandensein guter Schulen und (Freizeit-) Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kinder der Leistungserbringer und die Möglichkeit für den Partner des Leistungserbringers, ebenfalls einer Arbeit nachzugehen und auf diese Weise zum Familienunterhalt beizutragen und sich selbst zu verwirklichen, sind primär Aspekte, die das System der GKV kaum bzw. gar nicht steuern kann, da sie einer gesundheitsrechtlichen Regelung in nur begrenztem Maße bzw. gar nicht zugänglich sind. Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung der Versicherten ist deshalb in erster Linie von Faktoren abhängig, auf 748 Vgl.

Troppens, InfrastrukurRecht 2010, 330 (331). Finanzautonomie der deutschen Gemeinden ist gering, weshalb fiskalische Aspekte nur eine untergeordnete Rolle für die Attraktivitätssteigerung der Gemeinden spielen, vgl. nur Troppens, InfrasturkturRecht 2010, 330 (332). 750 Insb. der Anteil der Privatpatienten, der Multimorbiden, der alten Menschen und Haus­ besuchsbedürftigen ist hier relevant. 749 Die

5. Kap.: Systematisierung der Sicherstellungsinstrumente

231

die das Recht der GKV geringen Einfluss hat, sofern es am Leitbild des selbständigen und freiberuflichen Vertragsarztes festhält und die direkte Leistungserbringung aus der staatlichen Sphäre ausgliedert und der privaten Tätigkeit überlässt. Vielmehr ist die Attraktivität der von Unterversorgung betroffenen bzw. bedrohten Regionen bzw. Gemeinden zu steigern. Dies ist Aufgabe der Raumordnung und der Infrastrukturentwicklung sowie der Wirtschaftspolitik. Der fehlende Wille von Vertragsärzten zur Niederlassung ist nur eine Auswirkung unattraktiver Rahmenbedingungen, die in erster Linie durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu beseitigen ist. Finanzielle Anreize haben nur eine geringe Auswirkung auf das Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte, vorhandene Strukturschwächen können durch eine erhöhte Vergütung kaum ausgeglichen werden: Sind jedoch bestimmte Rahmenbedingungen gegeben (gute Schulen und Betreuungsangebote für die Kinder in der Umgebung, geringe Anzahl der Bereitschaftsdienste), so steigt die Bereitschaft der niederlassungswilligen Ärzte, eine Praxis auf dem Land zu eröffnen.751 Im Recht der GKV ist in den Reformbemühungen der letzten Jahre zwar der Wille zu einer Flexibilisierung und erhöhten Freiheit der Leistungserbringer, Versicherten und Krankenkassen zu registrieren.752 Diese Flexibilisierungstendenzen sind zum einen sinnvoll und erforderlich, da sie die vertragsärztliche Versorgung für neue Modelle öffnen und so einen Beitrag zur Sicherstellung der vertragsärzt­ lichen Versorgung auch in strukturschwachen Regionen leisten können. Zum anderen liegt die Grenze der Flexibilisierungsbemühungen aber gerade im System der GKV und dem ihm zugrunde liegenden Sachleistungsprinzip, das den Rückgriff auf private Leistungserbringer voraussetzt. Da die Ursachen für die nicht-flächendeckende Versorgung primär systemextern sind, muss festgehalten werden, dass gesundheitssysteminterne Regelungen und Modelle nur geringen Einfluss auf die Entscheidung der Mediziner nehmen können, sich gerade in den gefährdeten Regionen niederzulassen. Dies bestätigt jedoch nicht die Theorie von der Steuerungsunfähigkeit des Rechts. Denn der Steuerungsimpuls muss an der richtigen Stelle ansetzen, damit er wirkt.

751 Vgl. Günther/Kürstein/Riedel-Heller/König, in: Schwartz/Angerer (Hrsg.), Report Versor­ gungsforschung, Bd. 2, S. 419 (428 ff.): Müssen in strukturschwachen Regionen zusätzlich 8.800 EUR netto monatlich gezahlt werden, um einen Vertragsarzt zur Niederlassung zu bewegen, so sind es bei Vorliegen attraktiver Rahmenbedingungen der Infrastruktur „nur“ zusätzlich zwischen 4.000 und 5.000 EUR zusätzlichen Monatseinkommens, die einen Arzt zur Niederlassung auf dem Land motivieren können. 752 Das bezieht sich insbesondere auf besondere Bonusprogramme der Krankenkassen sowie deren Möglichkeit, Individualverträge mit einzelnen Leistungserbringern abzuschließen, die Wahlfreiheit der Versicherten im Hinblick auf die Krankenkassen und die Möglichkeit der Ärzte, sich zu Kooperationsgemeinschaften zusammenzuschließen (Stichwort MVZ), bzw. sich von anderen Ärzten in abhängiger Beschäftigung anstellen zu lassen und so das Risiko der Selbständigkeit zu umgehen.

232

Teil 2: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung de lege lata

6. Kapitel

Zusammenfassung Sowohl das Gesundheits- als auch das Verfassungsrecht setzen eine flächen­ deckende Versorgung der Versicherten mit Gesundheitsleistungen, insbesondere vertragsärztlichen Leistungen voraus. Das ergibt sich für das Gesundheitsrecht aus dem Sachleistungsprinzip der GKV, der Forderung nach einem flächendeckenden Angebot der hausärztlichen Versorgung, das die flächendeckende hausärztliche Versorgung voraussetzt, aus der zentralen Vorschrift des § 70 Abs. 1 SGB V (bedarfsgerechte, gleichmäßige und ausreichende Versorgung der Versicherten) und insbesondere aus den Vorschriften des SGB V und der Ärzte-ZV, die die Abwehr bzw. Beseitigung der (drohenden) Unterversorgung zum Gegenstand haben, da die Unterversorgung den Gegenbegriff zur flächendeckenden Versorgung darstellt. Dabei stellt das Gesundheitsrecht eine Vielzahl von Sicherstellungsinstrumenten zur Verfügung, die im gesamten Gesundheitsrecht verstreut sind. Zu nennen sind Zulassungs- und Ermächtigungsregelungen, Kooperations- und Niederlassungsvorgaben, die Ausweitung der Leistungserbringer durch Delegation und finanzielle Anreize. Dabei kommt es teilweise zu Widersprüchen zwischen verschiedenen Normen, die jedoch auflösbar sind. Auch bergen einige Sicherstellungsinstrumente erhebliche Schwierigkeiten in sich. Diese Instrumente lassen sich anhand ihrer Adressaten, ihres Inhalts und des Begriffs der Steuerung systematisieren, wobei die Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts mit ihren Kategorien des Marktzugangs, der direkten und indirekten Marktverhaltenskontrolle den weit überwiegenden Teil der Sicherstellungsinstrumente erfasst und harmonisch abbildet, weshalb sie einen brauchbaren Rahmen für die bestehenden und zu entwickelnden Sicherstellungsinstrumente bietet. Die Wirtschaftslenkung sieht sich ihrerseits erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt, wobei besonders gravierend ist, dass das bestehende Gesundheitsrecht gesundheitssystemexternen Ursachen mit gesundheitssysteminternen Instrumenten begegnet, was wenig Anlass zu Optimismus im Hinblick auf den Erfolg der Sicherstellungsinstrumente gibt.

Teil 3

Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung de lege ferenda Ziel dieses dritten Teils ist es, solche Sicherstellungsinstrumente darzustellen und kritisch zu überprüfen, die das geltende Recht noch nicht vorsieht. Denn die Verfassungskonformität der GKV muss auch dann zu gewährleistet sein, wenn die geltenden Maßnahmen keinen Erfolg bewirken. Dies ist nicht vollkommen unwahrscheinlich, da die Gründe für eine (drohende) Unterversorgung in erster Linie systemexterner Natur sind, die Beseitigung bzw. Abwendung derselben jedoch durch systeminterne Maßnahmen erfolgen soll. Die Maßnahmen sind zudem nur wenig erprobt: Die Evaluierung der Vergütungsanreize gem. § 87 Abs. 2e SGB V a. F. wurde nicht durchgeführt; die Sperrung von Planungs­ bereichen wegen Unter­versorgung ist bislang nicht in einem solchen Umfang erfolgt, dass sich ihre Effektivität hinreichend bewerten ließe. Deshalb richtet sich das Erkenntnisinteresse auf die öffentlich diskutierten Sicherstellungsinstrumente und weitere denkbare Maßnahmen. Zurückgegriffen wird dabei in erster Linie auf die Diskussion, die in der allgemeinen Presse oder der Fachpresse geführt wird. Um den Blickwinkel zu erweitern, wird das österreichische Gesundheitssystem in die Betrachtung einbezogen. An diesem – dem deutschen System der GKV trotz der zwangsläufigen Eigenheiten ähnlichen – Gesundheitssystem und der Sicherstellungsinstrumente, die es bereithält, soll nach Ansatzpunkten gesucht werden, die auch auf das deutsche System anwendbar sind. Dafür wird das österreichische Gesundheitsrecht daraufhin überprüft, welche Möglichkeiten es bereithält, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu erreichen. Die Erkenntnisse werden im Anschluss im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit in das deutsche System hinterfragt. Dabei müssen sich Darstellung und Bewertung an normativen Eckpfeilern orientieren. Deshalb wird versucht, die Instrumente und die mit ihnen verbundenen Chancen und Risiken stets auf das geltende Recht zurück zu beziehen. Anknüpfungspunkt dafür sind in erster Linie die Rechtspositionen der Leistungserbringer; aber auch andere rechtlich abgesicherte Positionen sind zu berücksichtigen, etwa die in der Bedarfsplanung zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interessen. Für die in Frage kommenden Sicherstellungsinstrumente bietet sich eine Systematisierung nach den im zweiten Teil entwickelten Kategorien an: Marktzugangs-

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

regelungen, direkte Marktverhaltenskontrolle, indirekte Marktverhaltenskontrolle und sonstige Instrumente. Schließlich ist nach der Finanzierbarkeit dieser Sicherstellungsinstrumente, mithin nach der Prioritätensetzung bei der Finanzierung von gesetzlichen Krankenversicherungsleistungen zu fragen.

1. Kapitel

Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems Zunächst sollen die Instrumente vorgestellt werden, die sich innerhalb des bestehenden Aufgabenverteilungssystems der GKV bewegen.

A. Marktzugangsregelungen Die in bestimmten Regionen der Bundesrepublik Deutschland drohende Unterversorgung sowie die Etablierung des Begriffs „Ärztemangel“ in der breiten Öffentlichkeit gegen Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts hat im Jahr 2010 zu einer Debatte geführt, die durch den ersten Gesundheitsminister der 17. Legislaturperiode, Rösler, angestoßen worden ist.1 Gegenstand der Diskussion waren neue Sicherstellungsinstrumente. Dabei haben sich die Überlegungen auf den Berufszugang, insbesondere die Reform des Medizinstudiums konzentriert.2 I. Änderung der Rahmenbedingungen für die Zulassung zum Medizinstudium Die Reformüberlegungen bzgl. der Rahmenbedingungen für die Zulassung zum Medizinstudium hatten die Aufhebung des Numerus Clausus, die Erhöhung der Kapazitäten der Medizinischen Fakultäten sowie eine sog. „Vorabquote“ für die Studienbewerber zum Gegenstand, die sich bereit erklären, nach dem Studium als Vertragsarzt in einem unterversorgten Planungsbereich tätig zu werden.

1 Vgl.

FAS vom 04.04.2010, S. 33. FAS vom 04.04.2010, S. 1, 33; Mihm, FAZ vom 06.04.2010, S. 11; ders., FAZ vom 07.04.2010, S. 11; Amann/Mrusek, FAS vom 11.04.2010, S. 1, Sonnet/Amann, FAS vom 11.04.2010, S. 36; Hibbeler, DÄBl 2010, 107 (15): A-688. 2 Vgl.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

235

1. Aufhebung des Numerus Clausus Einen Schwerpunkt in der genannten Diskussion bildete die Abschaffung des Numerus Clausus für das Studienfach Medizin, der von der Stiftung für Hochschulzulassung (ehemals ZVS) festgelegt wird. Dabei ist der Numerus Clausus abhängig vom Abiturdurchschnitt in dem Bundesland, in dem das Abitur erworben wurde. Die Auswahlgrenze für das Fach Medizin lag im Wintersemester 2009/2010 zwischen 1,0 und 1,2.3 Der Numerus Clausus soll mit der Begründung aufgegeben werden, dass die Abiturnote nichts darüber aussage, ob der Bewerber ein guter Arzt sein könne. Vielmehr komme es auf zwischenmenschliche Fähigkeiten („Fähigkeit zur mensch­ lichen Zuwendung“) an,4 die sich in der Abiturnote nicht abbilden ließen.5 Es ist aber auf zwei Punkte zu verweisen, die den Vorschlag als wenig fruchtbar erscheinen lassen. Zum einen erfolgt die Zulassung durch die ZVS nur für 20 % der Bewerber. 20 % werden durch Wartezeit und 60 % durch Auswahl der Hochschulen zugelassen.6 Auch wenn sich die Hochschulen häufig primär an der Abiturnote orientieren,7 ist hervorzuheben, dass die Hochschulen bereits die Möglichkeit haben, die Medizinstudenten anhand anderer Kriterien als der Abiturnote auszuwählen. Das Bundesministerium für Gesundheit und die Landesgesundheitsministerien beabsichtigen, auf die Landeskultusministerien Einfluss auszuüben, damit der Abiturnote ein geringerer Stellenwert als bislang eingeräumt wird. Statt­dessen sollen andere (justiziable) Kriterien verstärkt berücksichtigt werden, und zwar bundesweit verbindlich. Genannt werden etwa eine Berufsausbildung im medizinischen Bereich oder ein Freiwilliges Soziales Jahr.8 Zum anderen ist nicht zu erkennen, inwiefern die Abschaffung des Numerus Clausus dazu dienen kann, der (drohenden) Unterversorgung zu begegnen. Es sollen nur die Modalitäten der Studienzulassung geändert werden, auf die Aus­ bildungskapazitäten und die Erhöhung der Absolventenzahlen übt dies wahrscheinlich jedoch nur einen geringen Einfluss aus.

3 Vgl.

die Rubrik „Auswahlgrenzen“ auf http://www.hochschulstart.de. die Aussagen von Rösler in der FAS vom 04.04.2010, S. 33. 5 Auch der ehemalige Präsident der BÄK, Hoppe, bevorzugte als Auswahlkriterien für ­Medizinstudenten zum einen die soziale Kompetenz, zum anderen Engagement im Gesundheitsbereich, vgl. Mihm, FAZ vom 07.04.2010, S. 11. 6 Vgl. Hibbeler, DÄBl 2010, 107 (15): A-688 f. Diese Quotierung findet ihre Stütze in Art. 10 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung. 7 Vgl. Hibbeler, DÄBl 2010, 107 (15): A-688 f. 8 Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 18, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 4 Vgl.

236

Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

2. Ausweitung der Universitätskapazitäten Einen größeren Bezug zum Problem der Unterversorgung hat die Ausweitung der Universitätskapazitäten sowie der damit verbundene Anstieg der Studien­ anfänger und somit der künftigen Medizinabsolventen.9 So war etwa die Errichtung einer Medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld geplant, an der jährlich 100 Bewerber das Medizinstudium aufnehmen sollten.10 Aber auch an den Ausbau vorhandener Kapazitäten ist zu denken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Medizinstudium im hohen Maße kostenintensiv ist11 und zwingend an Kapazitätsgrenzen stößt, insbesondere wenn es um Plätze für Studienpraktika geht (etwa in der Anatomie). Diese Kapazitäten können nicht unbegrenzt erweitert werden, zum einen aus Gründen der universitären Infrastruktur, zum anderen aus Kostengründen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Investitionen in den Ausbau dieser Kapazitäten die Chance nimmt, das Geld für andere universitäre Vorhaben aufzuwenden. Somit kommt es zu einer finanziellen Priorisierung der medizinischen Fakultäten, die Transparenz erfordert. Das Bundesministerium für Gesundheit befürwortet die befristete Beteiligung des Bundes an den Kosten der erhöhten Studienkapazitäten.12 Die Erhöhung der Studierendenzahlen kann aber die zurzeit unbefriedigende Situation entspannen, dass viele Bewerber lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, wenn sie ein Medizinstudium aufnehmen wollen. Vor dem Hintergrund der Berufswahlfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG ist diese Erhöhung somit positiv zu beurteilen. Die Erhöhung der Studentenzahlen (bei gleich bleibend niedrigen Abbruchquoten)13 ist ein erster und folgerichtiger Schritt, um die erforderlichen Arztzahlen zu erreichen. Allerdings ist in Erinnerung zu rufen, dass auch aktuell kein Ärztemangel zu verzeichnen ist, sondern die Ärzte ungünstig verteilt sind. Ein bloßes Mehr an Medizinabsolventen bietet somit noch keine Gewähr dafür, dass das Gespenst der Unterversorgung gebannt wird. Vielmehr bedarf es weiterer Instrumente, um eine bedarfsgerechte Niederlassungssteuerung zu erreichen.

9 Dies wurde von Rösler in einem Atemzug mit der Abschaffung des Numerus Clausus vorgeschlagen, vgl. FAS vom 04.04.2010, S. 33; Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 17, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. Vgl. auch Mihm, FAZ vom 06.04.2010, S. 11. 10 Vgl. Hibbeler, DÄBl 2010, 107 (15): A-688 f. Dieses Vorhaben wurde jedoch bislang nicht umgesetzt, die Finanzierung ist nicht gesichert. 11 Das Statistische Bundesamt berechnet die Gesamtkosten für einen Medizinstudenten bis zum erfolgreichen Abschluss auf ca. 200.000 EUR, vgl. die Studie Hochschulstandort Deutschland 2007, S. 33, abrufbar unter www.destatis.de. 12 Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 17, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 13 Die Abbruchquote wird von der Hochschul-Informations-System GmbH mit fünf Prozent angegeben, vgl. die Pressemitteilung des Medizinischen Fakultätentages vom 16.04.2010.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

237

3. Einführung einer sog. „Vorabquote“ Ein Instrument für eine Niederlassungssteuerung, das bereits bei Aufnahme des Medizinstudiums einsetzt, ist die so genannte „Vorabquote“.14 a) Funktionsweise der „Vorabquote“ Diese Quote ist ein bekanntes Instrument der Studienzulassung und erlaubt Abweichungen von der Auswahl nach Abiturnote oder Wartezeiten.15 Es wird ein bestimmter Prozentsatz der Studienplätze für solche Bewerber freigehalten, die ein bestimmtes Kriterium erfüllen. Ein wesentlicher Vorschlag des ersten Bundes­ministers für Gesundheit der 17. Legislaturperiode Rösler, zielte auf die Erweiterung der Quotenregelungen für die Bewerberinnen und Bewerber ab, die sich bei der Bewerbung dazu bereit erklären, sich für einen gewissen Zeitraum in einem unterversorgten Planungsbereich niederzulassen (sog. Vorab- oder „Landarztquote“).16 Die „Vorabquote“ nimmt einen bestimmten Prozentsatz (das Bundesministerium für Gesundheit schlug 3–5 % der verfügbaren Studienplätze für Medizin pro Jahr vor)17 an Studienplätzen je Hochschulort aus dem allgemeinen Vergabepool, so dass die Bewerber und Bewerberinnen, die sich unter Zugrundelegung der Kriterien der „Vorabquote“ bewerben, nicht in die strengen Numerus-Clausus-Grenzen fallen oder sich im Wettbewerb mit einer großen Anzahl von Bewerbern um die Studienplätze befinden. Das bedeutet, dass diese Bewerberinnen und Bewerber eine größere Chance haben, schnell das Medizinstudium aufnehmen zu können, auch wenn ihre Abiturleistungen schlechter sind als die ihrer Mitbewerber. Die Quote ist deshalb für eine Vielzahl von Bewerbern attraktiv. b) Bindung der Studierenden an die Voraussetzungen der „Vorabquote“? Die „Vorabquote“ hat jedoch zwei miteinander verbundene Schwachstellen: den Zeitpunkt der Festlegung und die Durchsetzbarkeit nach dem Studium.

14 Dazu

Mihm, FAZ vom 06.04.2010, S. 11. der Vergabeverordnung der Stiftung für Hochschulzulassung zum Wintersemester 2010/2011 sieht verschiedene Quoten vor, die vorab von den festgelegten Studienzahlen je Hochschulort abzuziehen sind. Für das Fach Medizin betrifft dies ausländische Staatsangehörige, Sanitätsoffiziere, Härtefälle, Bewerberinnen und Bewerber mit besonderer Hochschulberechtigung sowie Bewerberinnen und Bewerber, die Medizin im Zweitstudium absolvieren wollen. 16 Vgl. Mihm, FAZ vom 06.04.2010, S  11; ders., FAZ vom 07.04.2010, S. 11. 17 Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 19, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 15 §  6

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

aa) Probleme der Bindung an die Zusage Die Bewerber auf die Studienplätze im Fach Medizin müssen sich, wenn sie von der „Vorabquote“ profitieren wollen, frühzeitig festlegen, dass sie sich als Vertragsarzt in einem Planungsbereich mit bestimmten Eigenschaften (Unterversorgung) niederlassen wollen. Zu diesem Zeitpunkt haben die Bewerber jedoch noch keinen Einblick in die Vor- und Nachteile der klinischen bzw. vertragsärzt­ lichen Tätigkeit. Erst im Laufe des klinischen Studiums kommen die Studierenden in Kontakt mit der Praxis.18 Es stellt sich deshalb die Frage, inwiefern es einem Studierenden zumutbar ist, an seiner zu Beginn des Studiums getroffenen Ent­ scheidung festgehalten zu werden. Denn im Laufe des Studiums können sich die Vorstellungen des Einzelnen bezüglich seiner beruflichen Laufbahn wandeln. So kann der Studierende Gefallen an einer angestellten Tätigkeit im Klinikum finden oder seine Vorliebe für eine Fachrichtung entdecken, die der vertragsärzt­lichen Zulassung nicht offen steht,19 etwa die Rechtsmedizin. Vor dem Hintergrund der subjektiven Berufswahlfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG erscheint es als nicht angemessen, den Grundrechtsträger an einer früheren Entscheidung festzuhalten, die er kurz nach seiner schulischen Ausbildung und in der Regel in Unkenntnis der tatsächlichen praktischen Gegebenheiten getroffen hat. Der Einzelne muss das Recht haben, eine frühere Entscheidung korrigieren zu können, gerade wenn es um einen wesentlichen Abschnitt seiner beruflichen Laufbahn und eine erhebliche Verpflichtungsdauer geht, wobei im besonderen Maße zu berücksichtigen ist, dass die berufliche Betätigung auch Ausdruck der persönlichen Selbstverwirklichung ist.20 Die Bindung des Arztes an eine vor Beginn seines Studiums getroffene Entscheidung würde eine erhebliche Belastung des Grundrechtsträgers bedeuten. Zudem sind vielfältige Umstände denkbar, die eine Niederlassung in einer unterversorgten Region ausschließen und zudem zumindest von der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sind, etwa die Auswanderung in ein anderes Land21 oder ein Partner, der in einer Region lebt und arbeitet, in der keine Unterversorgung herrscht. bb) Mildere Maßnahmen zur Durchsetzung der verfolgten Ziele Aufgrund der großzügigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit der Vertragsärzte (vor dem Hintergrund der 18 Dies ist auch der Kritikpunkt des Präsidenten der BÄK, Hoppe, vgl. Mihm, FAZ vom 07.04.2010, S. 11. 19 Vgl. zu dieser Frage BSG GesR 2010, 88, Übersicht bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (312). 20 Vgl. BVerfGE 103, 172 (183): die Berufsfreiheit „konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung.“ 21 Zum Grundrechtsschutz der Ausreise vgl. BVerfGE 6, 32 (35 f.).

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

239

Stabilität und Funktionsfähigkeit der GKV) ist zwar anzunehmen, dass auch eine solche – freiwillig eingegangene – Selbstverpflichtung als verfassungskonform angesehen werden würde. Allerdings sind vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs zunächst mildere Durchsetzungsmechanismen zu entwickeln, die den Studierenden dazu veranlassen, möglichst bei seiner ursprünglichen Entscheidung zu bleiben. Dass die Niederlassung in ein unterversorgtes Gebiet überhaupt durchgesetzt werden muss, erklärt sich aus dem Charakter der „Vorabquote“, die eine Abweichung vom bisherigen System des Numerus Clausus darstellt, das als eine Art Bestenauslese fungiert. Wird von diesem Prinzip Abstand genommen, so müssen die Ziele, die mit der „Vorabquote“ verfolgt werden, bestmöglich umgesetzt werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die „Vorabquote“ zu einer Hintertür umfunktioniert würde, die von Bewerbern genutzt wird, die keine realistische Chance auf eine baldige Zulassung haben. Da die „Vorabquote“ das Leistungsprinzip außer Kraft setzt, müssen vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG22 Anstrengungen unternommen werden, um tatsächlich einen hohen Anteil an Landärzten aus den Studierenden zu rekrutieren, die das Medizinstudium auf dem Wege der „Vorabquote“ aufnehmen können. Finanzielle Anreize erscheinen dafür grundsätzlich als geeignet. So könnte etwa eine Beteiligung des Studierenden an seinen Ausbildungskosten vorgesehen werden, wenn er sich entscheidet, die Anforderungen der „Vorabquote“ nach Abschluss des Studiums bzw. nach der fachärztlichen Weiterbildung nicht zu erfüllen und sich nicht als Vertragsarzt in einem unterversorgten Planungsbereich niederzulassen, obwohl er die „Vorabquote“ bei der Bewerbung um einen Studienplatz genutzt hatte, um überhaupt (bzw. zu so einem frühen Zeitpunkt) Medizin studieren zu können. Auf diese Weise behält der Grundrechtsträger die Freiheit, eine Karriere nach seinen aktuellen Vorstellungen zu planen, wobei der Entscheidung alle Umstände des ärztlichen Alltags aus eigener Erfahrung zugrunde gelegt werden können. Zugleich wird ein starker finanzieller Anreiz gesetzt, die ursprüngliche Verpflichtung einzuhalten, was vor dem Hintergrund der Systemgerechtigkeit sinnvoll ist. Allerdings birgt diese Lösungsmöglichkeit die Gefahr des Scheiterns der ursprünglichen Zielsetzung, da sich der Grundrechtsträger gleichsam von seiner ursprünglichen Verpflichtung „freikaufen“ kann. Auf der anderen Seite ist eine finanzielle Überlastung des Bewerbers zu vermeiden. Aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten, die die Bindung an die ursprüngliche Zusage betreffen, ist von einer „Vorabquote“ Abstand zu nehmen.

22 Den allgemeinen Gleichheitssatz können die Bewerber geltend machen, die sich aufgrund des Leistungsprinzips um einen Studienplatz bewerben. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Bewerbern, die von der „Vorabquote“ profitieren wollen, muss durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Diese Rechtfertigung bietet die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten in strukturschwachen Gebieten. Allerdings muss die „Vorabquote“ tatsächlich durchgesetzt werden können, ansonsten entfiele die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Bewerber.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

4. Weitere Reformvorschläge im Bereich des Medizinstudiums Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat weitere Vorschläge gemacht, wie durch die Reform des Medizinstudiums die hausärztliche Versorgung flächendeckend sichergestellt werden kann.23 Diese Vorschläge umfassen neben der „Vorabquote“ die bevorzugte und flächendeckende Einrichtung allgemeinmedizinischer Lehrstühle, die Reform der Approbationsordnung dergestalt, dass hausärztliche Kenntnisse im Vergleich zu fachärztlichem Spezialwissen größeres Gewicht erhalten, die Möglichkeit für alle Studieninteressierten, vor Beginn des Studiums in einer hausärztlichen Praxis zu hospitieren, ein sog. „Liaison-Programm“ zwischen medizinischen Fakultäten und hausärztlichen Praxen in ländlichen Räumen sowie die Verpflichtung, dass ein Abschnitt des Praktischen Jahres im hausärztlichen Bereich absolviert wird. Diese Vorschläge sind sinnvoll und werden teilweise schon umgesetzt. II. Abbau von Überversorgung Zudem soll am Gegenproblem – der Überversorgung – angesetzt werden. Es wird das Phänomen hervorgehoben, dass sich eine Überversorgung nur schwer abbauen lässt, da Vertragsärzte ihre Praxis an einen Nachfolger veräußern können (vgl. § 103 Abs. 4 SGB V) und es so effektiv keine Abnahme von Vertragsärzten in überversorgten Gebieten gibt.24 1. Rechtliche Probleme des Abbaus von Überversorgung Dies hemmt eine bedarfsgerechte Verteilung der Vertragsärzte, da trotz Zulassungssperren der status quo nicht verändert wird und es keinen Anreiz für die niederlassungswilligen Ärzte gibt, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen. Dies ist Ausgangspunkt für die Überlegung, in überversorgten Gebieten frei werdende Vertragsarztsitze nicht neu zu besetzen, was auf ein faktisches Veräußerungsverbot der Praxis durch den bisherigen Vertragsarzt hinausläuft. Dies ist ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 GG, da die Praxis einen erheblichen Verkehrswert hat (Räumlichkeiten, Ausstattung, Lage und Patientenstamm). Ein faktisches Veräußerungsverbot muss daher mit einem finanziellen Ausgleich für den bisherigen Praxisinhabers einhergehen, etwa in Höhe

23 Vgl. die Beschlüsse der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.02.2010, TOP 5.3.2 (A), abrufbar unter http://www.gmkonline.de. Zu den teilweise vergleichbaren Vorschlägen des Bundesministeriums für Gesundheit vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 19 ff., abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 24 v. Hardenberg, Süddeutsche Zeitung vom 29.04.2010, S. 6.

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des Verkehrswertes der Praxis.25 Durch ein ausgleichspflichtiges Veräußerungsverbot (bzw. ein Vorkaufsrecht der KV, vgl. die Neuregelung des § 105 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 103 Abs. 4 SGB V) werden die Interessen des Arztes am Werterhalt seiner Rechtsposition einerseits und die Interessen der Allgemeinheit an einer bedarfsgerechten Versorgung miteinander in Ausgleich gebracht. Wenn frei werdende Vertragsarztsitze nicht besetzt und mit einem ausgleichspflichtigen Verbot gegenüber dem bisherigen Inhaber, die Praxis zu veräußern, verbunden wird, werden die Interessen beider Seiten gewahrt und ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung einer flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung entworfen. Allerdings ist dieses Instrument nicht neu, § 105 Abs. 3 SGB V gibt den KV bereits die Möglichkeit, Vertragsärzte durch finanzielle Anreize zum Verzicht auf die Zulassung zu bewegen. Dies umfasst auch den Aufkauf der Praxis zum Verkehrswert.26 Zudem ist die Altersgrenze von 62 Jahren, ab der der Verzicht gefördert werden konnte, durch das GKV-VStG gestrichen worden, um die Überversorgung effektiver abbauen zu können. 2. Finanzierung des Ankaufs Es stellt sich die Frage, wer die Kosten für den Ankauf der Arztpraxen übernehmen muss. Grundsätzlich wären die notwendigen Mittel durch die KV aufzubringen, da der Ankauf dazu dient, ihren Sicherstellungsauftrag zu erfüllen.27 § 105 Abs. 3 S. 2 SGB V ist diesbezüglich wenig präzise. Eine finanzielle Förderung ist auch durch den Aufkauf der Arztpraxis durch die KV möglich, wenn auf eine Ausschreibung zur Nachbesetzung verzichtet wird. Damit wird lediglich klargestellt, dass die finanziellen Mittel von den KV bereitzustellen sind. a) Querfinanzierung durch einen allgemeinen Topf der KV? Zu berücksichtigen ist dabei aber auf der einen Seite, dass die Befugnisse der KV an der jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsgrenze enden. Das bedeutet, dass die KV eines Bundeslandes mit vielen überversorgten Planungsbereichen die Aufgaben einer KV eines anderen Bundeslandes mit unterversorgten Planungsberei 25 Vgl. Klose/Uhlemann, GGW 6/2006, 7 (16); v. Hardenberg, Süddeutsche Zeitung vom 29.04.2010, S. 6. 26 Vgl. das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes „Zukunft der ambulanten Versorgung – differenzierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung, S. 5, abrufbar unter http://www. gkv-spitzenverband.de. 27 Vgl. das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes „Zukunft der ambulanten Versorgung – differenzierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung, S. 5, abrufbar unter http://www. gkv-spitzenverband.de. Dort wird auf die Möglichkeit der KV hingewiesen, gem. § 105 Abs. 3 SGB V den freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt vom 62. Lebensjahr an finanziell zu fördern.

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chen subventioniert. Gerade wenn Unter- und Überversorgung nahe beieinander liegen und zudem durch eine Landesgrenze getrennt sind (vorstellbar in den Regionen Berlin – Brandenburg; südöstliches Sachsen-Anhalt – Raum Leipzig; nordwestliches Sachsen-Anhalt – südliches Niedersachen, vor allem Braunschweig und Göttingen), hilft die KV eines Bundeslandes durch den Ankauf von Arztpraxen, die vertragsärztliche Versorgung in einem anderen Bundesland sicherzustellen und übernimmt auf diese Weise mittelbar teilweise Aufgaben einer anderen KV. Deshalb müsste in diesen Fällen entweder ein finanzieller Ausgleich erfolgen oder die Zuständigkeit für den Ankauf von Praxen an eine höhere Stelle abgegeben werden, deren Kompetenz nicht an der Landesgrenze endet und die deshalb eine großräumige Planung verfolgt. Denkbar wäre etwa, in den genannten Räumen ein gemeinsam gebildetes und finanziertes Gremium zu etablieren, das für den Ankauf der Praxen in überversorgten Planungsbereichen zuständig ist, oder diese Zuständigkeit an die KBV zu übertragen. b) Gründe gegen eine Querfinanzierung Auf der anderen Seite ist aber festzuhalten, dass die mit einer Überversorgung verbundene Versorgungskonzentration einer Region zu Lasten anderer Regionen erfolgt. Es ist der KV jedes Landes in Kooperation mit den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen aufgegeben, Überversorgung zu vermeiden. Tritt eine Überversorgung ein, liegt die Vermutung nahe, dass der Landesausschuss des überversorgten Bundeslandes seine Aufgabe gem. § 103 Abs. 1 SGB V nicht hinreichend wahrgenommen hat und es dadurch zur Konzentration zu Lasten anderer Regionen kommt – gerade wenn die Ärztekonzentration nicht auf einen Bevölkerungsrückgang im Planungsbereich zurückzuführen ist. Da der Landesausschuss gem. § 90 Abs. 1 SGB V u. a. durch die KV gebildet wird, ist eine Querfinanzierung des Abbaus der Überversorgung durch andere KV nicht sachgerecht. Vielmehr ist die Kostenverantwortung von der KV zu tragen, die für den überversorgten Planungsbereich zuständig ist; es gilt somit das Verursacherprinzip für die Kostentragung. Eventuell ist eine anteilige Kostentragungspflicht der Landes­ verbände der Krankenkassen sowie der Ersatzkassen einzuführen, da diese auch den Landesausschuss bilden. III. Zuweisung unterversorgter Planungsbereiche Ein bislang wenig diskutiertes, aber nicht fern liegendes Instrument stellt die vorübergehende Anweisung an Ärzte dar sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen dar, wenn sie sich um die Zulassung in einem regulär versorgten Planungsbereich bemühen. Dies könnte beispielsweise der Durchsetzung der „Vorabquote“ dienen, wenn sich ein Arzt niederlassen will. Denkbar ist aber auch, jedem Arzt die zumindest vorübergehende Niederlassung in einer unterversorgten Re-

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gion abzuverlangen, der sich niederlassen will und am System der GKV teilnehmen möchte. Auf diese Weise würde ein hinreichend großer Pool entstehen, aus dem niederlassungswillige Ärzte abgeschöpft und in irregulär versorgte Regionen verteilt werden können. In Betracht kommt die Pflichtzuweisung einer bestimmten irregulär versorgten Region oder die Vorgabe, dass sich der Arzt in einer irregulär versorgten Region seiner Wahl niederlässt. Dabei könnten sie während der Pflichtdauer von beispielsweise zwei oder drei Jahren in einer Gemeindepraxis tätig werden, so dass die anfänglichen Investitionskosten entfallen. In Österreich ist es für Fachärzte beispielsweise üblich, dass diese zunächst eine gewisse Zeit auf dem Land arbeiten, bevor sie die Chance erhalten, einen lukrativen Vertragsarztsitz in der Stadt zu erhalten. Gegen ein solches Instrument, dem der Vorteil der Effektivität nicht abzusprechen ist, streiten jedoch insbesondere drei gewichtige Gründe. 1. Grundrechtspositionen des Arztes An erster Stelle sind die Grundrechte der Ärzte zu nennen. Die verpflichtende Zuweisung in eine bestimmte Region, die eine so geringe Anreizwirkung ausstrahlt, dass sich zu wenige Ärzte bereit erklären, dort freiwillig als Vertragsarzt tätig zu werden, greift in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), sowie unter Umständen in das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ein. Zwar könnte der Arzt darauf verzichten, überhaupt als Vertragsarzt tätig zu werden, da in diesem Fall die Zuweisung einer Praxis in einer unterversorgten Region nicht eingreifen würde. Der Arzt würde demnach mit seiner beruflichen Entscheidung selbst festlegen, ob er in einer unterversorgten Region arbeiten und leben muss. Da die Entscheidung für die selbständige Tätigkeit jedoch ebenfalls von der Berufsfreiheit umfasst ist,28 wird durch eine solche Zwangszuweisung dieser Aspekt der Freiheitsausübung erheblich berührt. Es ist eine wesentliche Entscheidung, ob der Arzt angestellt oder selbständig tätig wird; dabei kommen zu einem wesentlichen Teil die persönliche Lebensplanung und die Selbstverwirklichung des Arztes zum Ausdruck. Deshalb bestehen für den Arzt zumindest dann keine Handlungsoptionen, wenn er die selbständige Tätigkeit als Vertragsarzt in eigener Praxis als sein berufliches Lebensziel ansieht und deshalb zwingend in einer unterversorgten Region tätig werden muss. Im Rahmen der Angemessenheit des Eingriffs in die Berufsfreiheit (konkret: in die Wahl des Arbeitsplatzes) ist zu bedenken, dass die Verpflichtung des Arztes, in einer (bestimmten) irregulär versorgten Region tätig zu werden, stärker in die Berufsfreiheit eingreift als Zulassungssperren gem. § 100 Abs. 2 SGB V. Denn in die 28 Da auch die selbständige Tätigkeit durch die Berufsfreiheit geschützt wird (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 12, Rn. 268), ist auch die Entscheidung, selbständig tätig zu sein, von der Berufsfreiheit umfasst, da der Grundrechtsschutz sonst defizitär wäre.

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sen Fällen hat der Arzt mehrere Auswahlmöglichkeiten, insbesondere hat er die Option, sich in einem regulär versorgten Ort seiner Wahl niederzulassen, der noch nicht von Zulassungssperren betroffen ist. Vor dem Hintergrund der Versorgung der Versicherten und der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV wäre dieser Eingriff in die Berufsfreiheit unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts29 grundsätzlich gerechtfertigt,30 da Funktionsfähigkeit und Stabilität des Systems der vertragsärztlichen Versorgung in Rede stehen. Allerdings dürfte dieses Mittel nur als ultima ratio eingesetzt werden, wenn kein anderes Instrument, insbesondere auf der Stufe der Berufsausübung, wirksam ist.31 Die Pflichtzuweisung führt unter Umständen dazu, dass der Arzt nicht den Wohnsitz wählen kann, den er bevorzugt. Zum anderen sind die Einwirkungen auf das Freizügigkeitsrecht gem. Art. 11 GG zu beachten. Die Pflichtzuweisung genügt zwar nicht dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG. Allerdings wird zusätzlich zum qualifizierten Gesetzesvorbehalt auch kollidierendes Verfassungsrecht herangezogen, um einen Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit zu rechtfertigen.32 Die Ausführungen zur Berufsfreiheit gelten deshalb entsprechend. Jedoch können aus der „verfassungsrechtlichen Grundsatznorm“33 des Ehe- und Familienrechts gem. Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken erwachsen. Wenn der Ehepartner des Vertragsarztes aufgrund der Strukturschwäche der Region keinen Arbeitsplatz findet, liegt es nahe, dass sich die Eheleute und die Familie an unterschiedlichen Orten niederlassen. Die Pflicht eines Vertragsarztes, vorübergehend in einer irregulär versorgten Region tätig zu werden, kann im Einzelfall zu einer erzwungenen Trennung von seinem Ehepartner und seiner Familie führen. Abhängig von der Ausgestaltung der Pflichtzuweisung ist es denkbar, dass dieser Eingriff vor dem Hintergrund, dass die Funktionsfähigkeit der GKV ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ist, verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.34 Allerdings ist an Ausnahme- und Härtefallregelungen zu denken, 29 BVerfGE

68, 193 (218); 70, 1 (30); 77, 84 (107); 82, 209 (230). ergibt sich insb. aus dem vorübergehenden Charakter der Pflichtzuweisung, da sich der Arzt nach Ablauf einer bestimmten Frist in der von ihm bevorzugten Region niederlassen kann. Das BSG hat festgestellt, dass sich die Vereinbarkeit von Zulassungsbeschränkungen mit der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG erst dann als problematisch darstellen würde, wenn der Arzt seinen Niederlassungswunsch weder an seinem angestrebten Ort noch in irgend einem anderen Planungsbereich verwirklichen könnte, vgl. BSGE 79, 152 (157 f.); 81, 207 (212); 82, 41 (47). 31 Vgl. BVerfGE 11, 30 (47 f.): die Notwendigkeit, dünn besiedelte Regionen vertragsärztlich zu versorgen, rechtfertigt starre Verhältniszahlen nicht, vielmehr ist nach alternativen Instrumenten zu suchen, bevor die Niederlassungsfreiheit beschränkt wird. 32 BVerfG NJW 1996, 3145 (3146); Baldus, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 11, Rn. 28; Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Art. 11, Rn. 15 m. w. N. 33 Badura, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 6, Rn. 67. 34 Das BSG würde in einer erzwungenen Trennung wohl keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG erblicken, da der Gesetzgeber nicht gezwungen sei, alle mit der Ehe und Elternschaft verbundenen wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen, vielmehr komme ihm 30 Dies

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damit die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall gewahrt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist in der Pflichtzuweisung kein Verstoß gegen Grundrechte der Leistungserbringer zu erblicken. 2. Wettbewerb des ambulanten Sektors mit Forschung, Ausland und stationärem Sektor Allerdings ist fraglich, wie weit die „Sozialbindung“ des freiberuflichen Arztes geht und ob die individuellen Interessen des Arztes insbesondere an einem geregelten Familienleben und der Niederlassung an einem Ort seiner Wahl tatsächlich gegenüber den öffentlichen Interessen nachrangig zu sein haben. Denn die vertragsärztliche Versorgung steht in einem Wettbewerb mit dem stationären Sektor, der Forschung, pharmazeutischen Herstellern, Beratungsunternehmen, ausländischen Gesundheitssystemen und weiteren Akteuren, die sich um die Leistungen von Ärzten bemühen.35 Eine Pflichtzuweisung würde das Risiko beinhalten, dass die vertragsärztliche Versorgung an Attraktivität verliert und ein „voting by feet“ durch die niederlassungswilligen Ärzte stattfindet. Denn diese haben die Wahl bezüglich ihres Arbeitsumfelds und des Arbeitsortes. Da viele Kliniken Stellen nicht besetzen können,36 bieten sich gute Berufsmöglichkeiten im stationären Sektor. Außerdem können die deutschen Ärzte von der Niederlassungsfreiheit bzw. der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 45 ff., 49 ff. AEUV Gebrauch machen und innerhalb der Europäischen Union37 beruflich tätig werden. Zudem werden Ärzte vermehrt von Unternehmen, etwa aus der pharmazeutischen Industrie oder von Beratungsunternehmen umworben. Das bedeutet, dass sich der ambulante Sektor der GKV in einem Wettbewerb mit einer Vielzahl anderer Anbieter von Arbeitsmöglichkeiten befindet und die Attrak­tivität der vertragsärztlichen Versorgung für die Ärzte dementsprechend hoch sein muss. Wird an die Niederlassung jedoch die Bedingung geknüpft, zunächst in einem irregulär versorgten Gebiet tätig zu werden, so ist dies prima facie geeignet, die Attraktivität der vertragsärztlichen Versorgung als Ganzes erheblich zu reduzieren. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung spricht somit gegen die Einführung einer Pflichtzuweisung niederlassungswilliger Ärzte in irregulär versorgte Gebiete. Ein solches Instrument birgt deshalb die Möglichkeit, die Umsetzung des Sicherstellungsauftrags der KV gem. § 75 Abs. 1 SGB V zu gefährden und wäre somit kontraproduktiv. ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wenn er den besonderen Schutz des Art. 6 GG näher festlege, vgl. BSGE 82, 41 (49). 35 Vgl. Flintrop, DÄBl 2009, 106 (48): A-2387. 36 Vgl. Franke, Via medici 2008, 13 (2), 30 ff. 37 Aufgrund des Freizügigkeitsabkommens Schweiz-EU gelten die Freizügigkeitsregelungen seit 2007 für deutsche Staatsangehörige (ohne Kontingentierungen) auch für die Schweiz, so dass deutsche Ärzte auch dort tätig werden können.

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3. Hohe Fluktuation der Ärzte Schließlich würde eine vorübergehende Pflichtzuweisung der Vertragsärzte in irregulär versorgte Gebiete bedeuten, dass die Ärzte die Region mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Ablauf der Dauer der Pflichtzuweisung verlassen. Das bedeutet, dass es zu einer hohen Fluktuation der Ärzte kommt und eine planbare Versorgung der Versicherten nur schwer durchführbar ist. Die Versicherten müssen sich den neuen Ärzten vorstellen, es besteht die Gefahr, dass Mehrfachuntersuchungen durchgeführt werden und sich die Veränderungen des Gesundheitszustands der Versicherten nur schwer überwachen lassen. Es ist somit an der dauerhaften Qualität der Leistungserbringung zu zweifeln, da etwa die Behandlung chronisch Kranker gerade langfristig angelegt sein soll und hinreichende Kenntnisse des Arztes über die Besonderheiten des Krankheitsverlaufes und der Person des Versicherten erforderlich sind, um eine erfolgreiche und effektive Versorgung zu gewährleisten. Dass dies im Rahmen einer zeitlich begrenzten Pflichtzuweisung möglich ist, muss bezweifelt werden. Jedoch stellt die zeitlich begrenzte Versorgung der Versicherten eine Verbesserung der bisherigen Lage dar, zudem besteht die Möglichkeit, dass sich Ärzte zur dauerhaften Niederlassung in dem Gebiet entscheiden. IV. Erhöhung der Anzahl der Leistungserbringer Die Erhöhung der Leistungserbringerzahl in irregulär versorgten Gebieten ist der zentrale Ansatzpunkt, um eine bedarfsgerechte Personenzahl in die Versorgung der Versicherten einzubeziehen. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, die Zahl zu erhöhen. An erster Stelle ist die Ausweitung der Zahl der ärztlichen Leistungserbringer (etwa ausländischer Ärzte) zu nennen, die durch Anreizsysteme zu bewirken ist. Allerdings sind auch über den Rand des bisherigen Systems hinausgehende Instrumente in die Überlegungen einzubeziehen. So wird bereits eine verstärkte Delegation ärztlicher Leistungen auf nichtärztliches Personal diskutiert, wobei über eine Anhebung des Ausbildungsniveaus des nichtärztlichen Personals nachzudenken ist. 1. Anwerben ausländischer Ärzte Einzelne KV haben besondere Anstrengungen unternommen, um deutsch­ sprachige Ärzte aus dem Ausland zu einer Niederlassung in ihrem Zuständigkeitsbereich zu bewegen. So besteht ein Abkommen zwischen dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg mit der Österreichischen Ärztekammer, das die Ausbildung und Beschäftigung österreichischer Ärzte im Land Brandenburg zum Gegenstand hat.38 Da in Österreich nur begrenzte 38 Auch

die KV Sachsen wirbt mit Erfolg um österreichische Ärzte.

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Weiterbildungskapazitäten bestehen, ist dieses Abkommen für die österreichischen Ärzte attraktiv, da sie in Brandenburg die fachärztliche Weiterbildung absolvieren können. Die Anwerbung ausländischer Ärzte ist solange unproblematisch, als es keine gravierenden Verständigungsschwierigkeiten zwischen Arzt und Versichertem gibt. Da ärztliche Maßnahmen grundsätzlich die Einwilligung des Patienten (inform­ed consent) voraussetzen,39 ist die Information des Patienten über seinen Gesundheitszustand und die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten Grundvoraussetzung für die Einwilligung. Das setzt aber voraus, das sich Arzt und Patient zumindest über diese Punkte verständigen können. Dafür sind keine perfekten Sprachkenntnisse des behandelnden Arztes erforderlich, allerdings muss er die Angaben des Patienten korrekt verstehen und sich selber so ausdrücken können, dass es zu keinen Missverständnissen kommt und der Patient keine für ihn nicht verwertbaren Information erhält. Da sich der – auch im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten begrüßenswerte – Trend abzeichnet, dass vermehrt Ärzte aus Mittel- und Osteuropa auf dem deutschen Gesundheitsmarkt tätig werden, müssen hinreichende Anstrengungen der ÄK und KV unternommen werden, damit die erforderlichen Sprachkenntnisse vermittelt werden. Zu denken ist etwa an ein Austauschprogramm für Medizinstudenten oder Kollege in den Universitätsstädten dieser Länder, die Sprachkenntnisse sowie die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitswesens, insbesondere der vertragsärztlichen Versorgung vermitteln. Kooperationen zwischen den berufsständischen Organisationen und Universitäten mit dem Ziel, ausländische Ärzte zu einer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auch in irregulär versorgten Gebieten zu motivieren, sind erste Schritte. Allerdings muss beachtet werden, dass die Abwerbung der Ärzte nicht zu Lasten der Gesundheitsversorgung der Heimatländer dieser Ärzte erfolgt, so dass in diesen Ländern Versorgungsengpässe entstehen. 2. Delegation/Substitution ärztlicher Aufgaben unter gleichzeitiger „Hochzonung“ der Ausbildungsanforderungen40 Der Gesetzgeber ist der Forderung der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, die Delegation ärztlicher Leistungen auszuweiten,41 durch die Neufassung des § 28 SGB V nachgekommen worden. Nach dieser Regelung legen die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraumes für 39 Vgl.

statt aller Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, S. 103 m. w. N. in diesem Abschnitt vorgestellten Erwägungen wurden bereits – teils sprachlich etwas modifiziert – veröffentlicht in Bauer, Deutsche Optiker Zeitung 7/2011, 26 sowie in ders., Gew­Arch 2012, 13.  41 Beschlüsse der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.02.2010, TOP 5.3.2 (D), abrufbar unter http://www.gmkonline.de 40 Die

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die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten nichtärztliche Leistungserbringer ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Es wurden bereits Modelle der Delegation vorgestellt, die der Entlastung des Arztes und somit der Effektuierung seiner Tätigkeit dienen.42 Diese setzen am Ausbildungsniveau der Praxisassistentinnen an. Der Arztvorbehalt korrespondiert mit der Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals, schließlich wird durch den Arztvorbehalt ein ärztliches Monopol für bestimmte Tätigkeiten geschaffen, das sich nur dadurch rechtfertigen kann, dass diese Tätigkeiten allein von Personen mit ärztlicher Approbation (und evtl. fachärztlicher Weiterbildung) ausgeübt werden können. Steigen das Ausbildungsniveau des nichtärztlichen Personals und somit auch dessen Fertigkeiten, so kann es mehr Tätigkeiten übernehmen, die bislang allein dem Arzt aufgrund seiner Ausbildung vorbehalten sind.43 Denn die Aufrechterhaltung des Arztvorbehalts ist für diese Tätigkeiten dann nicht mehr erforderlich. So liegt die Möglichkeit nahe, dass für den Beruf der Praxisassistentin ein Fachhochschulstudium zur Voraussetzung wird, in dem grundlegende medizinische Kenntnisse vermittelt und eingeübt werden, wodurch die Praxisassistentinnen befähigt werden, bestimmte Maßnahmen eigenverantwortlich auszuüben. Überschneiden sich die Fähigkeiten von Ärzten und nicht-ärztlichem Personal aufgrund der verbesserten („hochgezonten“) Ausbildung des nicht-ärztlichen Personals, so liegt kein Grund vor, den Arztvorbehalt für Tätigkeiten aufrecht zu erhalten, die mit identischer Qualität auch von NichtÄrzten ausgeübt werden können. Dies führt neben der Delegationsfähigkeit von mehr Leistungen, die weiterhin der Anordnung und Überwachung des Arztes unterliegen, auch zu einer Substitution bislang ärztlicher Leistungen durch Praxisassistentinnen, die diese Leistungen aufgrund eigener Ausbildung eigenverantwortlich wahrnehmen können.44 Dies zieht das Abschmelzen der vom Arztvorbehalt umfassten Aufgaben nach sich, die nur noch die Tätigkeiten umfassen, die aufgrund des Medizinstudiums und der Weiterbildung zum Facharzt allein von Ärzten ausgeübt werden können. Damit sind vor allem zwei Vorteile verbunden. Zum einen wird die Anzahl der Leistungserbringer vergrößert, was zu einer Entspannung der Versorgungslage beitragen kann. Zum anderen wird das Berufsrecht des nicht-ärztlichen Personals insofern liberalisiert (und das mit dem Arztvorbehalt verbundene ärztliche Monopol auf bestimmte Tätigkeiten reduziert), als die Mög-

42 Vgl.

oben, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. i) bb). Hochzonung der Ausbildungsanforderungen und der damit verbundenen Ausweitung der möglichen Tätigkeiten in den Gesundheitsberufen vgl. Kluth, MedR 2010, 372 (377 f.); speziell für den Augenoptikerberuf vgl. ders., gpk 6/2008, S. 39; ders., GewArch 2009, 110 (112). 44 Bergmann, MedR 2009, 1 (2) nennt anhand der Beispiele Kanadas und der Niederlande die sehr weitgehende eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des nicht-ärztlichen Personals bezüglich der Erhebung der Anamnese, der körperlichen Untersuchung, der medizinischen Diagnostik, der Verschreibung von Medikamenten und der Überweisung an Fachärzte. 43 Zur

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lichkeit besteht, einen größeren Kreis von Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich zu erfüllen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat (erfolglos) einen Gesetzesantrag45 zur Einführung einer Modellklausel gestellt, um die Berufsgesetze verschiedener Gesundheitsberufe zu modifizieren.46 Bestätigt wird dieser Ansatz durch einen Blick über die Grenze. Beispielsweise in den Niederlanden ist der Zugang zum Beruf der Nurse Practitioners an ein Fachhochschulstudium gekoppelt.47 Um die Verhältnismäßigkeit der erhöhten Berufszugangsanforderungen zu wahren, wären Übergangsregelungen für bereits tätiges nicht-ärztliches Personal sowie die Möglichkeit zur Weiterbildung dieser Personen einzuführen.48 Weitergehend sind die Fragen der Haftung für fehlerhaftes Verhalten des nicht-ärztlichen Personals zu klären. Die Haftung von Fehlern infolge einer Delegation erfolgt über die § 831 BGB (Eigenverschulden des Arztes bei Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen bei deliktischer Haftung) und § 278 BGB (Zurechnung auch des Fremdverschuldens des nichtärztlichen Personals bei Haftung wegen Pflicht­ verletzung aus dem Behandlungsvertrag).49 Werden die Aufgaben aufgrund der besseren Kenntnisse durch nicht-ärztliches Personal substituiert, wird verstärkt eine Eigenhaftung der Angehörigen dieser Berufe gem. §§ 276, 823 BGB eintreten, sodass die Etablierung einer Haftpflichtversicherung für diese Berufe zu erwägen ist. Eine Substitution von Leistungen muss dabei mit der Beibehaltung des bisherigen Behandlungsstandards einhergehen, der nicht abgesenkt werden sollte. Eine Ausweitung der Leistungserbringer zulasten der Behandlungsqualität wäre nicht wünschenswert. Schließlich müsste das Verhältnis von Arzt und Assistenzberufen neu justiert werden, wenn die Assistenzberufe kraft eigener Ausbildung ein besseres Wissensniveau und somit eine höhere Stufe fachlichen Könnens erklimmen. Die für das deutsche Gesundheitswesen diagnostizierte „besondere Arztfixierung“50 führt zu einer Hierarchie,51 die durch ein höheres Ausbildungsniveau der Assistenzberufe eingeebnet werden könnte. Dem Arzt käme dann die Steuerungs- und Koordinie 45 BR-Drucks.

256/08. Kluth, MedR 2010, 372 (373). 47 Vgl. de Jong, Die Schwester/Der Pfleger 09/2006, 698 ff. Kluth, MedR 2010, 372 (373 mit Fn. 10) verweist auf die romanischen Länder; Bergmann, MedR 2009, 1 (2) nennt die Niederlande und Kanada. 48 Vgl. Kluth, GewArch 2009, 110 (112) für den Augenoptikerberuf. 49 Bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht-ärztliches Personal muss sich der Arzt in jedem Einzelfall vergewissern, dass das Personal über die erforderliche Qualifikation verfügt, vgl. Laufs, NJW 1993, 1497 (1503); Broglie, in: Ehlers/Broglie (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, Rn. 743. 50 Vgl. Kluth, MedR 2010, 372 (378) mit Verweis auf Döhler, Die Regulierung von Professionalisierungsgrenzen, S. 221 f., von dem das Zitat stammt. 51 Zu den möglichen Gründen dieses Phänomens vgl. Kluth, MedR 2010, 372 (378); Döhler, Die Regulierung von Professionalisierungsgrenzen, S. 221 f. 46 Vgl.

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rungsaufgabe, gleichsam das Management des Praxisteams52 sowie die Ausübung der verbliebenen, dem Arztvorbehalt unterfallenden Tätigkeiten zu.53 Bessere Kenntnisse des Praxispersonals können den Arzt auch bei der Dokumentation und sonstigen Verwaltungsaufgaben entlasten. Dies hat den Vorteil, dass sich der Arzt auf seine Kernaufgaben konzentrieren, mehr Versicherte behandeln und mehr Zeit für die Versicherten aufwenden kann, die ärztliches Fachwissen benötigen. Das würde zu einer verbesserten Qualität der Versorgung sowie zu einer größeren Zahl von behandelten Versicherten führen. Die Übertragung bisher dem Arzt vorbehaltener Aufgaben auf nichtärztliches Personal würde den Wandel des Berufsbildes des Arztes nach sich ziehen. Die Substitution bislang ärztlicher Leistungen durch nicht-ärztliches Personal kraft eigener Qualifikation nähert Ärzte und nicht-ärztliches Personal einander an, wobei es zu Verwischungen der Berufsgrenzen kommen kann. Es wird somit die Stellung des Arztes angetastet, jedoch nur bezüglich der Tätigkeiten, die kein Medizinstudium erfordern. Ein Angriff auf den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung des Arztes ist in einer solchen Substitution nicht zu erblicken, da der Arztvorbehalt auf das notwendige Minimum reduziert wird. Die gleichen Gründe sprechen dafür, Pflege und vertragsärztliche Versorgung besser zu verzahnen. So liegt es nahe, häusliche Pflegedienste, die häufig Grundmaßnahmen durchführen (wie die Messung des Blutdrucks und Blutzuckerspiegels), insoweit in die vertragsärztliche Versorgung einzubeziehen, als die Ergebnisse dieser Untersuchungen elektronisch an den behandelnden Hausarzt weitergegeben werden könnten. Auf diese Weise würde eine regelmäßige Unter­ suchung von Grundwerten des Patienten stattfinden, die sich auch der Arzt zunutze machen könnte. Auffälligkeiten könnten schneller entdeckt und behandelt werden. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Finanzierung dieser Leistungen, da Pflege- und Krankenversicherung aus unterschiedlichen Töpfen finanziert werden. Es würde sich deshalb anbieten, einen gemeinsamen Finanzpool zu gründen, aus dem diese Leistungen finanziert werden.

B. Direkte Marktverhaltenskontrolle: Zweig-, Gemeinschafts- und Filialpraxen, mobile Arztpraxen, Rotation und Telemedizin, Arbeitszeiten Der Niederlassungsform wird für die Zukunft ein besonderes Gewicht für die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung zugeschrieben. Die Etablierung von Gemeinschafts-, Zweig- bzw. Filialpraxen, mobilen 52 Kluth,

MedR 2010, 372 (378). die Vorschläge zur Arbeitsaufteilung in Primärversorgungspraxen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 160 f. 53 Vgl.

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Arztpraxen, der Rotation und Telemedizin sowie die hinreichend attraktive Ausgestaltung dieser Leistungserbringungsmöglichkeiten werden als wegweisend angesehen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Unterschiede zur indirekten Marktverhaltenskontrolle, die Attraktivitätssteigerungen insbesondere durch finanzielle Anreize zum Gegenstand hat, teilweise verschwimmen. I. Zweigpraxen Die Neugründung der Zweigpraxis kann aus den Strukturfonds der KV gem. § 105 Abs. 1a SGB V finanziell gefördert werden. Die Errichtung einer Zweigpraxis hat auch Nachteile für den Vertragsarzt: Er muss gegebenenfalls höhere Kammerbeiträge entrichten und vor allem häufiger am Notfalldienst teilnehmen. Eine Attraktivitätssteigerung könnte an diesen Punkten ansetzen und den Kammerbeitrag für Zweigpraxen in irregulär versorgten Planungsbereichen aufheben und die Ärzte mit einer Zweigpraxis in irregulär versorgten Planungsbereichen von Notdiensten ausnehmen bzw. diese stark reduzieren. Dies würde zum einen bedeuten, dass die Grundrechtseingriffe, die mit diesen Maßnahmen verbunden sind (Kammerbeitrag als Eingriff zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG;54 Teilnahme am Notdienst als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG sowie als Frage des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG55) entfielen oder die Grundrechtspositionen der Vertragsärzte weniger stark als nach geltender Rechtslage berühren würden. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass für die Eröffnung einer Zweigpraxis zumindest eine attraktive Notfalldienstregelung eine Rolle spielen kann. Allerdings stehen die Kammerbeiträge und die Teilnahme am Notdienst nicht vollkommen zur Disposition, Ausnahmen müssen speziell vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein. 1. Beitrag zur Ärztekammer Der Beitrag zur Ärztekammer ergibt sich ausweislich der einzelnen Beitragsordnungen aus der finanziellen Kraft eines Vertragsarztes, also aus dem in der Praxis erwirtschafteten Umsatz.56 Ausnahmen vom Ärztekammer-Beitrag bzw. Ermäßigungen werden innerhalb der Beitragsordnungen geregelt und resultieren i. d. R. 54 Zur Grundrechtsrelevanz von Beiträgen und zu den einschlägigen Grundrechten vgl. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 308 ff. 55 Vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.12.2009, Az. L 11 B 19/09 KA ER, Rn. 31 ff.  – juris. 56 Vgl. bloß § 3 Abs. 5 i. V. m. der Bemessungstabelle der Beitragsordnung der ÄK SachsenAnhalt.

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aus fehlenden Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit. In dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis fügt sich der Erlass bzw. die Reduktion des Beitragssatzes für Zweigpraxen in irregulär versorgten Gebieten nicht ein. Denn auch solche Zweigpraxen dienen neben der verbesserten Versorgung der Versicherten auch der Umsatzsteigerung des Vertragsarztes. Ein nicht am Umsatz der Zweigpraxis orientierter ermäßigter (oder gar entfallender) Beitragssatz würde eine Ungleichbehandlung der Ärzte bedeuten, die ihre Hauptniederlassung in dem irregulär versorgten Planungsbereich haben und deren Beitrag sich nach ihrem Umsatz bemisst. Solange die ÄK daran festhalten, dass die in irregulär versorgten Planungsbereichen niedergelassene Ärzte einen nach ihrem Einkommen bemessenen ÄK-Beitrag zu entrichten haben, ist keine Bemessung der ÄK-Beiträge von Ärzten mit einer Zweigniederlassung in diesen Planungsbereichen zulässig, die sich nicht an dem Einkommen der Zweigpraxis orientiert. Allerdings könnte als Anreiz ein prozentualer Abschlag der Beitragszahlungen vorgesehen werden, der alle Ärzte begünstigt, die eine (Zweig-) Praxis in einem irregulär versorgten Planungsbereich haben und dort an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. 2. Teilnahme an Notdiensten Das LSG Nordrhein-Westfalen legt § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV dahingehend aus, dass diese Norm die Teilnahme von Vertragsärzten an der Notfallversorgung in dem Planungsbereich vorschreibt, in dem sie eine Zweigniederlassung haben.57 Zudem gebiete es der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG, dass alle Vertragsärzte mit Niederlassung in einem Planungsbereich an der Notfallversorgung teilnähmen, da ansonsten ein bestimmter Kreis von Vertragsärzten diesbezüglich benachteiligt werde.58 Speziell aus diesem Grund ist eine Befreiung von Notfalldiensten auch dann nicht möglich, wenn der Planungsbereich irregulär versorgt ist, in dem sich die Zweigniederlassung befindet. In diesen Fällen haben die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte bereits eine besondere Belastung durch die Notfalldienste zu bewältigen, da sich weniger Ärzte als vorgesehen bei den Notfalldiensten abwechseln müssen und daher der Entlastung bedürfen. Der Ausschluss von Vertragsärzten aus der Notfallversorgung, die in dem irregulär versorgten Planungsbereich nur eine Zweigniederlassung haben, ist aus diesen Gründen unzulässig, solange am bisherigen System der vertragsärztlichen Notfallversorgung festgehalten wird. Nunmehr sollen die Vertragsärzte mit den Kliniken im Hinblick auf die Organisation des Notdienstes kooperieren.59

57 LSG

Nordrhein-Westfalen, MedR 2010, 591 (593 ff.). Nordrhein-Westfalen, MedR 2010, 591 (595). 59 Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, S. 13, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de. 58 LSG

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

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II. Gemeinschaftspraxen und Rotation Die Möglichkeit der Kooperation und Aufgabenverteilung zwischen Ärzten ist ein Ansatzpunkt für Attraktivitätssteigerungen. 1. Ärztegemeinschaft in einer Praxis Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen sieht die verbesserte Organisation der Versichertenversorgung als zentrale Aufgabe des Gesundheitswesens an.60 Um dem künftigen Leistungsbedarf gerecht zu werden, müssten sich die bislang als kleine Praxiseinheiten organisierten Hausarztpraxen in größere Praxiseinheiten umorganisieren, in denen zwischen zwei und 10 Hausärzten tätig sein und gemeinsam 10.000 bis 20.000 Versicherte versorgen würden.61 Auf diese Weise würden die Kosten für Praxismiete und Mitarbeiter geteilt, eine effektive Versorgung ermöglicht und insbesondere eine Urlaubsvertretung sichergestellt. Die Verteilung des Notdienstes könne auf diese Weise ebenfalls den Bedürfnissen der Vertragsärzte stärker Rechnung tragen. Insgesamt werde die grundsätzliche Strukturierung der hausärztlichen Versorgung in ärzt­lichen Kooperationen somit für Vertragsärzte attraktiv, zumal das finanzielle Risiko verteilt werde. Jedoch sind drei Aspekte zu nennen, die gegen die grundsätzliche Organisation der Primärversorgung in größeren Versorgungseinheiten sprechen. Zum einen besteht diese Möglichkeit schon heute, trotzdem scheint die Einzelpraxis nicht gänzlich unattraktiv, da die persönliche, wirtschaftliche und berufliche Unabhängigkeit des Arztes in einer solchen Praxis größer ist als in einer Kooperationspraxis. Zudem stellt sich die Frage des Austritts aus einer solchen Gemeinschaft. Da sich eine solche Praxis in der Regel als Gesellschaft organisiert,62 ist zwar eine Kündigung des Gesellschaftervertrags durch jeden Gesellschafter grds. jederzeit möglich, vgl. § 723 Abs. 1 S. 1 BGB, § 9 Abs. 1 PartGG i. V. m. § 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB. Dies bewirkt jedoch, dass sich die Gesellschaft auflöst, sofern der Gesellschaftervertrag keine Fortsetzungsklausel gem. § 736 Abs. 1 BGB, § 9 Abs. 1 PartGG i. V. m. § 131 Abs. 3 HGB enthält.63 Der Austritt aus einer ärztlichen Kooperation ist somit mit höheren Hürden ver 60 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurz­ fassung –, S. 151 ff. Dem Sachverständigenrat schwebt bzgl. der hausärztlichen Versorgung eine Primärversorgungspraxis vor, die eine funktionale Aufgabenteilung innerhalb des Praxisteams und eine vorausschauende Organisation der Versorgung voraussetzt. 61 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 152. 62 Zumeist als GbR gem. §§ 705 ff. BGB, es ist aber auch eine Organisation in einer Partnerschaftsgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 PartGG möglich, vgl. Wertenbruch, DÄBl 2001, A 2595. 63 Ulmer/Schäfer, in: Münchener Kommentar BGB, Bd. 5, § 723, Rn. 19.

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bunden als die Abwicklung einer Einzelpraxis, es stellt sich dann die Frage nach der Veräußerbarkeit des Gesellschafteranteils des ausscheidenden Gesellschafters (und der damit verbundenen Veräußerung der von dem ausscheidenden Arzt mit­ finanzierten Praxiseinrichtung). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich mehrere Hausärzte in einem unterversorgten Bereich so konzentrieren müssen, dass sie eine ärztliche Kooperation gründen können. Das bedeutet in unterversorgten Gebieten die Zentralisierung der hausärztlichen Versorgung, die Fahrdienste oder Hausbesuche nach sich zieht, um die wenig mobilen bzw. immobilen Versicherten versorgen zu können. Die ärztliche Zusammenarbeit unter einem Dach bietet somit zwar Attraktivitätsvorteile, die jedoch im Hinblick auf die damit verbundene Konzentration der hausärztlichen Versorgung in einem Zentrum Folgeprobleme nach sich ziehen und darüber hinaus nicht die Gewähr dafür bieten, den überwiegenden Teil der niederlassungswilligen Ärzte anzusprechen. Trotzdem bieten diese Kooperationsmöglichkeiten Chancen für die Bekämpfung der Unterversorgung, indem finanzielle Risiken minimiert sowie die Last des Notdienstes und der Verwaltungsaufgaben besser verteilt werden. 2. Rotation in Kooperationspraxen Eine andere Möglichkeit, Versicherte in irregulär versorgten Gebieten zumindest wieder zum Teil mit vertragsärztlichen Leistungen zu versorgen, stellen die von der KBV64 vorgeschlagenen Kooperations- oder Filialpraxen dar. Dieser Ansatz ist ein Gegenentwurf zur Zentralisierung der vertragsärztlichen Versorgung und sieht die Errichtung von Kooperationspraxen in der Fläche vor, wodurch eine ärztliche Grundversorgung gewährleistet werden soll.65 Die Gemeinden stellen Praxisräume zur Verfügung, die abwechselnd von verschiedenen Vertragsärzten zur Abhaltung der Sprechstunde genutzt werden, wobei die Vertragsärzte ihren Sitz an einem anderen Ort haben. Auf diese Weise werden die Versicherten zumindest zu bestimmten Zeiten vertragsärztlich versorgt. Zudem besteht der Anreiz für die Vertragsärzte darin, ihre bisherige Praxis und ihren bisherigen Wohnsitz behalten zu können und – wenn überhaupt – einen nur geringen Mietzins für die Kooperationspraxis zu entrichten. Allerdings sind auch zwei Schwierigkeiten zu erkennen: Zum einen die kontinuierliche Behandlung der Versicherten durch unterschiedliche Ärzte, was Mehrfachuntersuchungen wahrscheinlicher macht, als wenn sich ausschließlich ein Arzt

64 Vgl. etwa Ärzte Zeitung vom 12.01.2010: KBV warnt vor drohendem Ärztemangel, abrufbar unter http://www.aerztezeizung.de. 65 Vgl. dazu knapp Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 162. In Sachsen-Anhalt sind mindestens fünf Filialpraxen geplant, vgl. den Internetauftritt der KV Sachsen-Anhalt, http://www.kvsa.de.

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den Versicherten widmet. Zum anderen ist die Frage zu beantworten, nach welchen Maßgaben der Notfalldienst organisiert werden soll. Eine Kooperationspraxis ist nicht zwingend als Zweigpraxis anzusehen (weshalb es einer berufsrecht­ lichen Verankerung der Kooperationspraxis bedarf), die rotierenden Ärzte müssen ihren Wohnsitz nicht unbedingt in einer solchen Nähe zur Kooperationspraxis haben, dass der Notfalldienst sichergestellt wäre. Deshalb muss dieses Problem durch andere Ansätze gelöst werden, etwa durch einen gemeinsamen Notfalldienst von Krankenhäusern und Vertragsärzten oder die Sicherstellung des Notfalldienstes durch angestellte Ärzte der KV. Rotationspraxen haben somit den Vorteil, dass auch solche Gebiete, in denen sich aufgrund ihrer Strukturschwäche und mangelnden Attraktivität mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kein Vertragsarzt dauerhaft niederlassen wird, zumindest zeitweise vertragsärztlich versorgt werden können. Die damit verbundenen Folgeprobleme (Notfalldienst, diskontinuierliche Behandlung der Versicherten) sind lösbar und können die Chancen dieses Instruments nicht entscheidend schmälern. III. Vernetzte Versorgungspraxen (mit Telemedizin) In Sachsen-Anhalt wurde ein Modellvorhaben gem. § 63 SGB V realisiert, das dem demographischen Wandel und der Ausdünnung der Regionen Rechnung tragen soll. Zentrale Bestandteile des Projekts TRANSAGE sind die oben genannten Filialpraxen sowie vernetzte Versorgungspraxen.66 Diese sind als Gegenmodell zu den MVZ konzipiert und gerade nicht darauf gerichtet, die Vertragsärzte eines Zulassungsbezirks zum großen Teil an einem Ort zu konzentrieren. Vielmehr bleibt es bei einer Streuung der Praxen und somit bei einer besseren Erreichbarkeit der vertragsärztlichen Leistungserbringer, was insbesondere Auswirkungen auf die zurückzulegende Wegstrecke hat. Die Kooperation der Leistungserbringer erfolgt auf dem Wege der Vernetzung, u. a. unter Zuhilfenahme der Telemedizin.67 Realisierbar ist Telemedizin als (1) Echtzeit-Konsultation (Videokonferenz, Tele-Monitoring), (2) store-and-forward-Kommunikation (verschlüsselte e-Mails), (3) Kombination der Echtzeitkonferenz mit der Analyse zuvor übermittelter Daten und (4) ein datenbankgestütztes, global verfügbares System, das Patientendaten als

66 Vgl.

die Homepage des Projekts http://www.transage.de. ist die Erbringung oder Unterstützung medizinischer Dienstleistungen durch Telematik. Telematik ist ein Begriffskonstrukt, das aus den Begriffen „Telekommunikation“ und „Informatik“ gebildet wird und hat die Datenfernübertragung zum Gegenstand, Dierks, DuD 30 (2006), 142 f.; ders., in: Dierks/Feusner/Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1 (3) m. w. N. Die Telemedizin ist seit Ende der 1990’er Jahre vermehrt ins Zentrum der Diskussion gerückt, vgl. etwa die Einbecker Empfehlungen zu Rechtsfragen der Telemedizin, MedR 1999, 557; Kern, MedR 2001, 495; Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197. Vertiefend zur Telemedizin Dierks/Feußner/Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin. 67 Telemedizin

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Kommunikationsgrundlage bereit hält.68 Dies ermöglicht es, eine umfangreiche (fachärztliche) Diagnostik durchzuführen und die Behandlung zu planen, auch wenn der konsultierte Facharzt nicht vor Ort ist. So können etwa Ultraschalluntersuchungen durch den Hausarzt vorgenommen werden, die Befundung hingegen erfolgt durch einen Facharzt, etwa für Innere Medizin. Dazu werden z. B. die Ultra­schallaufnahmen an den Arzt übermittelt, der den Befund erstellen soll. Diese Übermittlung ist in der Regel ohne großen Zeit- und Qualitätsverlust möglich.69 Somit wird dem Ärztemangel durch ein pragmatisches Instrument Rechnung getragen. Der status quo der Ärztedichte wird durch Filialpraxen und Telemedizin nicht verändert, wohl aber die Qualität der Versorgung gesteigert sowie die Wartezeiten und die Belastung der Versicherten durch Wegstrecken verringert. Telemedizin kann dabei helfen, die Wege zum Facharzt auf ein Minimum zu begrenzen und so die Versicherten und die Ärzte zu entlasten. Damit sind aber auch Probleme verbunden. 1. Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung durch das Berufsrecht § 7 Abs. 3 MBO verbietet es dem Arzt, individuelle ärztliche Behandlungen, insbesondere auch Beratung, ausschließlich brieflich, in Zeitungen bzw. Zeitschriften oder ausschließlich über Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchzuführen. Die ausschließliche Fernbehandlung ist somit berufsrechtlich untersagt.70 Unter einer Fernbehandlung wird der Lebenssachverhalt verstanden, dass der Patient oder für ihn ein Dritter Angaben an den Arzt übermittelt, der die Diagnose und Behandlung vornehmen soll, ohne dass der Arzt die Möglichkeit hat, den Patienten unmittelbar zu untersuchen und dennoch die Diagnose stellt und Behandlungsvorschläge unterbreitet.71 Der Einsatz von Telemedizin ist nicht unter den Begriff der Fernbehandlung gem. § 7 Abs. 3 MBO zu subsumieren.72 Denn in der Regel handelt es sich um die

68 Burg/Haeffner,

DÄBl 2002, 99 (27): A-1888 f. etwa Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197. 70 Vgl. auch Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 7, Rn. 51; Kern, MedR 2001, 495 (496). 71 Vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 7, Rn. 50; Kern, MedR 2001, 495 (496). Zudem wird vom Arzt verlangt, dass er sich ein eigenes Bild vom Patienten macht, um zu entscheiden, welche Vorgehensweise bei der Diagnose angemessen ist, vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 7, Rn. 52 mit Verweis auf BGH, NJW 1979, 1248; Uhlenbruck in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 49, Rn. 2. 72 Vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 7, Rn. 52. 69 Vgl.

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Konsultation eines weiteren Arztes, die ein eigenes Behandlungsverhältnis zwischen Patienten und Konsiliarius begründet.73 Da die ärztliche Behandlung nicht nur auf der Telekommunikation beruht, ist darin keine ausschließliche Fernbehandlung zu erblicken.74 Auch wenn der hinzugezogene Arzt eine mitbestimmende Rolle bei der Therapie übernimmt, etwa durch Anordnung bestimmter Medikationen, befindet sich der Patient in unmittelbarer Beziehung zu dem Arzt, des­ raxis er aufsucht. Das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung betrifft sen P die auf dem Wege der Telemedizin hinzugezogenen Ärzte somit nicht, weil der Schutzzweck der Norm auf diese Handlungen keine Anwendung findet. 2. Arzthaftung bei fehlerhafter Diagnose durch Einsatz von Telemedizin Telemedizin kann eine unmittelbare Beziehung zwischen Arzt und Patient häufig nicht ersetzen, oftmals ist gerade der direkte Eindruck des Arztes entscheidend für das Stellen der Diagnose und die Festlegung der Therapie. Zu denken ist etwa an die teilweise aufwändigen Diagnosemethoden der Inneren Medizin (etwa Gastroenterologie und kardiologische Untersuchungen). Mit der Fernbehandlung ist das Risiko der „defizitären Befundung“75 verbunden, da der Arzt nur einen begrenzten Eindruck von Patienten bekommen kann.76 Dies gilt gerade bei älteren Menschen mit verschiedenen Krankheiten, die es zunächst umfassend zu über­ blicken gilt, um etwa eine unerwünschte Wechselwirkung verschiedener Arzneimittel zu vermeiden. Es stellt sich die Frage, ob der Arzt die aufgrund einer defizitären Befundung entstehenden Schäden nach Maßgabe des Arzthaftungsrechts ersetzen muss. a) Sorgfaltsmaßstab im Arzthaftungsrecht Dafür muss sich die fehlerhafte Diagnose als Behandlungsfehler darstellen,77 der als rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzung des Behandlungsvertrages 73 Vgl. Dierks, in: ders./Feußner/Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1 (23) m. w. N. Daraus ergibt sich das Folgeproblem, ob durch Telemedizin der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung noch gewahrt ist, vgl. dazu Einbecker, Empfehlungen zu Rechts­ fragen der Telemedizin, MedR 1999, 557; Dittmar/Wohlgemuth/Nagel, GGW 2009, 16 (22): Die Telemedizin darf nur dann eingesetzt werden, wenn keine nennenswerten Defizite im Vergleich zum unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt bestehen. 74 So auch Dierks, in: ders./Feußner/Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1 (23). 75 Dierks, DuD 30 (2006), 142 (146). 76 Dierks, DuD 30 (2006), 142 (146). 77 Diagnosefehler werden begrifflich vom Behandlungsfehler umfasst, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 157.

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(gem. § 280 Abs. 1 BGB) oder als rechtswidrige und schuldhafte Verletzung der Rechtsgüter des Patienten (gem. § 823 Abs. 1 BGB) zu qualifizieren sein muss.78 Maßgeblich für die vertragliche Arzthaftung ist zunächst der Inhalt des Behandlungsvertrages.79 Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Arzt zur sachgerechten ärztlichen Versorgung, die dem medizinischen Standard entspricht.80 Der Arzt muss einen objektiven Sorgfaltsmaßstab einhalten, der sich aus dem Standard der jeweiligen Fachrichtung ergibt.81 Im Hinblick auf die Telemedizin liegen die Risiken auf der Hand, da es keinen unvermittelten Kontakt zwischen Arzt und Patient gibt. Es besteht somit die Gefahr, dass das diagnoserelevante Bild nicht in seiner Gesamtheit erfasst wird und es somit zu fehlerhaften Diagnosen kommt.82 b) Abgesenkter Sorgfaltsstandard bei Unterversorgung? Wird durch den (notwendigen) Einsatz von Telemedizin der Sorgfaltsstandard abgesenkt, der für die Diagnose gilt? Abzulehnen ist dies für die Fälle, in denen der Arzt die Möglichkeit hat, den Patienten unvermittelt zu untersuchen. Denn dann besteht tatsächlich die Möglichkeit, eine weniger fehleranfällige Diagnose zu erstellen.83 Wird die Telemedizin jedoch eingesetzt, um in irregulär versorgten Gebieten eine Versorgungslage herzustellen, die annähernd den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, so wird im Einzelfall nicht immer davon auszugehen sein, dass die unvermittelte Diagnostik durch den Facharzt möglich ist. In diesen Fällen muss der diagnostizierende Arzt alle Anstrengungen unternehmen, um sich ein umfassendes Bild vom Patienten und von den relevanten Faktoren zu verschaffen, etwa durch Anweisung des Arztes, in dessen Praxisräumen sich der Arzt aufhält bzw. durch sonstige Informationsbeschaffung. Unter diesen Umständen senken sich die Sorgfaltsanforderungen auf das Maß herab, das ein besonnener und gewissenhafter Arzt des jeweiligen Fachgebiets84 unter Einsatz derselben Diagnosemöglichkeiten an den Tag legt. Denn vom behandelnden Arzt darf nichts Unmögliches verlangt werden. Sind die KV, Landesausschüsse, Krankenkassen und 78 Zu den Ersatzvoraussetzungen nach Vertragsrecht und Deliktsrecht vgl. Deutsch/Spickhoff,

Medizinrecht, Rn. 164 ff.; Broglie, in: Ehlers/Broglie (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, Rn. 707 ff., 804 ff. 79 Vgl. Broglie, in: Ehlers/Broglie (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, Rn. 717 ff. 80 Broglie, in: Ehlers/Broglie (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, Rn. 719. Zum medizinischen und rechtlich geforderten Standard vgl. Buchner, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, S. 63 ff.; Kohte, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, S. 79 ff. 81 Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 823, Rn. 111. 82 Vgl. Dierks, DuD 30 (2006), 142 (146). 83 So auch Dierks, DuD 30 (2006), 142 (146). 84 Der Facharztstandard bleibt somit bestehen, vgl. dazu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 25, Pflüger, VersR 1999, 1070 ff.; Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 ff. Vgl. zu diesen Standardmaßstäben Broglie, in: Ehlers/Broglie (Hrsg.), Arzthaftungsrecht, Rn. 726.

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Kommunen nicht in der Lage, eine den rechtlichen Maßgaben entsprechende vertragsärztliche Versorgung herzustellen, so sind von den verbleibenden Ärzten nur solche Anstrengungen zu verlangen, die unter diesen Bedingungen auch tatsächlich unternommen werden können. Es ist deshalb bei fehlerhaften Diagnosen auf Grundlage der Verwendung der Telemedizin für jeden Einzelfall festzustellen, ob der diagnostizierende Arzt die Möglichkeit gehabt hätte, die Diagnose auf unvermittelte Art vorzunehmen. Kommt die Überprüfung zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, so sind die abgesenkten Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen und das ärztliche Handeln daran zu messen. Dabei wird jedoch der Sorgfaltsmaßstab nicht global abgesenkt werden können; vielmehr wird nach den verschiedenen Diagnosen zu unterscheiden sein. Sofern der unmittelbare Eindruck des Arztes erforderlich ist, wie es etwa bei einer Vielzahl neurologischer Erkrankungen der Fall ist, so sind diese auch weiterhin unmittelbar durch den Facharzt durchzuführen, bzw. eine Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs abzulehnen, was faktisch auf einen Ausschluss der telemedizinischen Erbringung dieser Leistungen hinausläuft. Gleiches gilt, wenn die Diagnose eine gleichsam handwerkliche Ausbildung voraussetzt, die nur der Facharzt genossen hat. Dies kann bereits bei endoskopischen Untersuchungen der Fall sein. Sollte sich die Telemedizin durchsetzen, ist der GBA berufen, einen Katalog derjenigen Leistungen zu erstellen, die keinen unvermittelten Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzen. Dies könnte etwa in dem Rahmen geregelt werden, dass nur die erwünschten telemedizinischen Leistungen abgerechnet werden können. 3. Datensicherheit und Datenschutz Ein wesentliches Problem ist zudem die Sicherheit der übertragenen und meist äußerst sensiblen Patientendaten. Dabei stellen sich zwei Fragen. Erstens: In welchem Verhältnis steht die Datenübermittlung zur (strafbewehrten)85 ärztlichen Schweigepflicht? Zweitens: Welche datenschutzrechtlichen Vorschriften muss der Arzt bei der Übermittlung von Patientendaten beachten?

85 Vgl. § 203 Abs. 1 StGB. Die ärztliche Schweigepflicht wird zudem berufsrechtlich in § 9 MBO fixiert. Die MBO ist für die Ärzte zwar nicht bindend. Allerdings haben die LÄK entsprechende Regelungen in ihre Berufsordnungen aufgenommen, die für die Ärzte Bindungswirkung haben. Hier wird der Einfachheit halber auf die Regelungen der MBO Bezug genommen, da die dort getroffene Regelung auf dem Wege der Berufsordnungen der LÄK für alle Ärzte gilt.

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a) Datenübermittlung und Schweigepflicht Es liegt kein gem. § 203 Abs. 1 StGB strafbares86 oder gem. § 9 MBO berufswidriges Verhalten vor, wenn der Patient der Datenübermittlung zustimmt, wobei die Zustimmung auch konkludent erfolgen kann.87 Übermittelt der behandelnde Arzt bestimmte Patientendaten, etwa dem Patienten zuzuordnende und zu befundende Aufnahmen, nach Absprache mit dem Patienten einem anderen Arzt, so ist von der Zustimmung des Patienten ausgehen, sofern er der Weitergabe nicht widerspricht.88 Da die Telemedizin gerade darauf ausgerichtet ist, einen anderen Arzt in die Behandlungsplanung einzubeziehen, ist in der Regel davon auszugehen, dass eine Zustimmung zu der Datenübermittlung erteilt wird und somit ein strafrechtlich relevantes bzw. berufsrechtswidriges Verhalten nicht vorliegt.89 b) Sicherheit und Schutz der Daten Sicherheit und Schutz der Daten müssen gewährleistet werden. Es müssen zum einen die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die übermittelten Daten eindeutig dem richtigen Patienten zugeordnet werden können.90 Zum anderen sind die Daten so zu sichern, dass keine nachträglichen Änderungen der Daten, des Absenders und der Datenzuordnung möglich sind (Schutz der Datenwahrheit).91 Um die Daten vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen, müssen alle technischen Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen werden, insbesondere sichere Netzwerke, verschlüsselter Datenverkehr und sichere Server. Im Hinblick auf die Übermittlung von Daten bedarf es besonderer Sicherungsmaßnahmen, da sich die Einwilligung des Patienten zur Datenübermittlung nur auf solche Übermittlungen bezieht, für die entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergriffen wurden.92 Die MBO verpflichtet die Ärzte bei der elektronischen Speiche 86 Die Frage, ob eine Zustimmung des Betroffenen die Rechtswidrigkeit entfallen lässt oder bereits den Tatbestand ausschließt, ist hier von geringem Interesse, vgl. die Nachweise bei Cierniak, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, § 203, Rn. 54 mit Fn.  265 f. 87 Vgl. die Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026, (A-1029); zur strafrecht­lichen Bewertung vgl. Cierniak, in: Joecks/Miebach, Münchener Kommentar zum StGB, § 203, Rn. 54. 88 Ähnlich: Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1029). 89 Ausnahmen sind denkbar, bspw. bei der Weigerung des Patienten, seine Daten an einen bestimmten Arzt zu übermitteln, dem er nicht hinreichend vertraut. 90 Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 (200). 91 Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 (200); Schmidt, in: Dierks/Feußner/Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin, S. 101 ff. Zu weiteren Sicherungsmaßnahmen, insb. zum Schutz der Daten vor dem Zugriff Unbefugter via Internet vgl. die Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1029). 92 Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 (201 f.).

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rung von Aufzeichnungen, diese mittels einer elektronischen Signatur hinreichend zu schützen, § 10 Abs. 5 MBO. Durch eine solche elektronische Signatur wird die Sicherheit der Daten (Datenwahrheit) gewährleistet, da eine Veränderung der Daten nur durch Bruch der Signatur vorgenommen werden kann.93 Treten die beteiligten Ärzte regelmäßig miteinander in Verbindung, wie es bei vernetzten Praxen angelegt ist, so ist es sinnvoll, ein gesichertes Datennetz einzurichten und zu nutzen. In diesen Datennetzen werden die übermittelten Daten nochmals verschlüsselt94 und somit ein Sicherheitsgewinn gegenüber der elektronischen Signatur erreicht. Darüber hinaus ist der Datenschutz zu berücksichtigen, der seine grundrechtliche Verankerung im Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG findet.95 Die Patientendaten sind personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder.96 Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung solcher Daten ist nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene einwilligt, § 4 BDSG. Die Daten sind grundsätzlich nur beim Betroffenen zu erheben, § 4 Abs. 2 S. 1 BDSG.97 In der Regel wird dem Gebot des Datenschutzes durch die Zustimmung des Patienten in die Aufzeichnung und Übermittlung Rechnung getragen.98 Der Patient hat einen Anspruch auf Einblick in die Daten bzw. auf Auskunft.99 Unrichtige Daten müssen berichtigt werden, was sich sowohl aus dem Behandlungsvertrag als auch aus § 35 Abs. 1 BDSG ergibt.100

93 Vgl. zur elektronischen Signatur Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1028). 94 Vgl. die Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1029 f). 95 Grundlegend BVerfGE 65, 1 ff. 96 Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 (200). 97 Ärzte sind als natürliche Personen nichtöffentliche Stellen i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 2 Abs. 4 BDSG an das BDSG gebunden. Vgl. zu den Normadressaten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG Simitis, in: ders. (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, § 2, Rn. 118 ff. 98 Die gem. § 9 BDSG erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen werden durch die Technische Anlage zu den Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis erfüllt, vgl. ebda., DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1027). 99 Vgl. Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Daten­ verarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1027). § 34 BDSG regelt das Auskunftsrecht des Betroffenen (bzw. sein Recht auf Kenntnisnahme gem. Abs. 6) und knüpft dabei an die Vorgaben der Volkszählungs-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. BVerfGE 65, 1 (43) legt als zentrale Anforderung des Rechts auf personelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fest, dass der Einzelne das Recht auf Kenntnis von den über ihn erhobenen Daten hat; vgl. dazu auch Dix, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, § 35, Rn. 1 ff. 100 Vgl. Empfehlungen der BÄK und KBV zur Schweigepflicht, Datenschutz und Daten­ verarbeitung in der Arztpraxis, DÄBl 2008, 105 (19): A-1026 (A-1027).

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

4. Vergütung telemedizinisch erbrachter Leistungen Die Erbringung telemedizinischer Leistungen wurde bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG in Test- und Entwicklungsphasen finanziell gefördert. Nach der Erprobungsphase und dem damit verbundenen Wegfall der Förderung sind die Maßnahmen häufig nicht weitergeführt worden, da die Leistungen nicht hinreichend vergütet worden sind.101 Die Vergütungskataloge stellten meist Voraussetzungen auf, die die Abrechnung telemedizinisch erbrachter Leistungen ausschlossen, insbesondere den direkten Kontakt von Arzt und Patient.102 Nunmehr gilt gem. § 87 Abs. 2a S. 6 i. V. m. Abs. 2 S. 2 SGB V, dass der EBM bzgl. telemedizinisch erbrachter Leistungen angepasst werden soll. Dadurch sollen diese Leistungen gefördert werden. Darüber hinaus sollen die telemedizinisch erbrachten Leistungen als Einzelleistungen geregelt und nicht unter die Versichertenpauschalen gefasst werden, § 87 Abs. 2c SGB V. In dieser vergütungsrechtlichen Privilegierung findet die nicht geringe Erwartungshaltung des Gesetzgebers gegenüber der Tele­medizin ihren Ausdruck. 5. Kosten für die Einrichtung eines Telemedizin-Netzwerks Um die Telemedizin durchführen zu können, müssen zudem Investition ge­ tätigt werden, die der einzelne Arzt zu tragen hat. Es ist eine technische Infrastruktur aufzubauen, die die teilnehmenden Ärzte verbindet. Dafür sind Computeranlagen und EDV in den Praxen sowie eine technische Infrastruktur in der Region (Breitband-Internet für die schnelle Übertragung großer Datenmengen) erforderlich, die Gewähr dafür bieten, dass die übersendeten Daten in einer solchen Qualität und Zeitdauer beim Empfänger eingehen, dass eine dem Sorgfaltsmaßstab ent­sprechende Diagnostik möglich ist.103 Zudem sind besondere Investitionen erforderlich, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten, insbesondere die Einrichtung und Pflege eines gesicherten Datennetzes. Die Kosten für diese Investitionen gehen über das hinaus, was in regulär versorgten Gebieten für die Praxis-EDV anfällt, da die Telemedizin dort keine ebenso tragende Rolle spielen wird, wie es in Zukunft für die unterversorgten Gebiete zu erwarten ist. Zudem bedarf es einer hinreichenden Schulung der Praxismitarbeiter an der EDV, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen. Es liegt nahe, die entstehenden Kosten aus den Sicherstellungsfonds der KV zu finanzieren, da die Telemedizin dazu dient, den Sicherstellungsauftrag der KV zu erfüllen. 101 Vgl. Dittmar/Wohlgemuth/Nagel, GGW 2009, 16 (22); Schneider, in: Dierks/Feußner/ Wienke (Hrsg.), Rechtsfragen der Telemedizin, S. 109 (112 ff.). 102 Vgl. Dittmar/Wohlgemuth/Nagel, GGW 2009, 16 (22); Dierks, DuD 30 (2006), 1 (3). 103 Zumindest gegenwärtig sind Breitbandinternetzugänge gerade in strukturschwachen Regionen oftmals nicht verfügbar.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

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IV. Mobile Arztpraxen Das bisherige vertragsärztliche System basiert auf einem festen Vertragsarztsitz, an dem der Vertragsarzt von den Versicherten aufgesucht und in Anspruch genommen werden kann, vgl. bloß §§ 18 Abs. 1, 32 Abs. 1 Ärzte-ZV (Vertragsarztsitz als Voraussetzung für Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung), § 17 MBO (Praxis­sitz). Eine mobile Leistungserbringung unabhängig von einem Praxissitz ist hingegen grundsätzlich nicht möglich, § 17 Abs. 3 MBO.104 Die KV Sachsen und Troppens haben mobile Arztpraxen in die Diskussion eingebracht, die im bisherigen Berufsrecht und in der Ärzte-ZV nicht vorgesehen sind.105 Dieser bislang wenig detaillierte Vorschlag bricht mit dem Grundsatz des Vertragsarztsitzes. In der Schweiz werden bereits mobile Arztpraxen eingesetzt, die einzelne Gemeinden anfahren.106 Dies sind umfunktionierte Rettungsfahrzeuge mit einer Labor­ausstattung, sodass bestimmte Laborergebnisse vor Ort ermittelt werden können. Es ist aber fraglich, ob eine mobile Vertragsarztpraxis hinreichend attraktiv ist, um eine ausreichende Anzahl von Ärzten zur Teilnahme zu motivieren. Das Rotations­modell in festen Praxisräumen scheint aufgrund der Verfügbarkeit für die Patienten und der Möglichkeit der Ärzte, in verschiedenen Orten tätig zu werden, einer mobilen Arztpraxis vorzugswürdig. Zudem stellt sich die Frage nach der bedarfsplanerischen Überprüfbarkeit der mobilen Arztpraxis, da die Bedarfsplanung den Vertragsarztsitz voraussetzt und deshalb von der mobilen Arztpraxis unter­laufen werden kann. Es bedürfte zusätzlicher Instrumente, um die Bedarfsplanung zu sichern und die Wettbewerbssituation unter den Konkurrenten in ausreichend versorgten bzw. überversorgten Planungsbereichen nicht zusätzlich zu verschärfen. Mit diesem Modell sind somit auch wettbewerbsrechtliche Probleme verbunden. Deshalb liegen die Vorteile dieses Instruments gegenüber einem Rotationsmodell in Kooperationspraxen nicht auf der Hand. Allerdings ist vorstellbar, dass die mobile Praxis als ein Rotationssystem ähnlich wie bei der Kooperations­ praxis organisiert wird und die Leistungserbringung an festgesetzten Tagen in festgelegten unterversorgten Orten erfolgt. Die Probleme lassen sich durch den Einsatz spezieller Instrumente eindämmen, jedoch erscheint eine mobile Arztpraxis

104 Vgl.

Ratzel, in: ders./Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 17, Rn. 2 mit Fn. 7: keine Tätigkeit im „Umherziehen“. Als Ausnahme sieht § 17 Abs. 3 MBO lediglich die Gestattung der aufsuchenden medizinischen Gesundheitsversorgung vor, wenn sichergestellt ist, dass die beruflichen Belange nicht beeinträchtigt werden und die Berufsordnung beachtet wird, vgl. dazu Ratzel, in: ders./Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, § 17, Rn. 9 ff. 105 Vgl. Schilder, FAZ vom 09.04.2010, S. 4; Troppens, InfrastrukturRecht 2010, 330 (333). 106 Vgl. den Bericht des Schweizer Fernsehens, abrufbar unter http://www.tagesschau.sf.tv/ Nachrichten/Archiv/2010/08/13/Schweiz/Mobile-Arztpraxen-statt-Hausaerzte.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

eher als eine Verlegenheitslösung, die erst dann eingesetzt werden sollte, wenn die Koope­rationspraxen und die Delegations-Modelle keine ausreichende und bedarfs­gerechte Versorgung sicherstellen.

C. Indirekte Verhaltenssteuerung: Anreize und Attraktivitätssteigerungen Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen, die neue Anreize und Attraktivitäts­ steigerungen zum Gegenstand haben. I. Verbesserte Positionierung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium Um die Attraktivität des Hausarztbildes zu verbessern, ist es notwendig, den Medizinern frühzeitig einen Einblick in den Aufgabenbereich und den Umfang der allgemeinärztlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Die Allgemeinmedizin spielt im Medizinstudium bislang nur eine Nebenrolle, dies wird aber sukzessive geändert. So werden in einzelnen Bundesländern, etwa in Sachsen-Anhalt, spezielle Lehrstühle für Allgemeinmedizin eingerichtet, die in der bisherigen Ausbildung zu kurz kommt.107 Dort können die Tätigkeitsfelder des Allgemeinmediziners verdeutlicht und diese Fachrichtung in ihrer Attraktivität vermittelt werden. Darüber hinaus könnte das Praktische Jahr im Rahmen des Medizin­studiums dergestalt modifiziert werden, dass neben der klinischen Ausbildung auch ein Pflichtzeitraum in einer allgemeinmedizinischen Praxis108 abgeleistet werden muss.109 Dies würde dazu führen, dass sich die Studierenden ein besseres Bild von dieser Tätigkeit machen können und sich eher für eine Weiterbildung in diesem Fach entscheiden. Auf diese Weise könnten Vorbehalte der Mediziner gegenüber dem Fach der Allgemeinmedizin relativiert werden, was eventuell zu einer größeren Akzeptanz der Weiterbildung in Allgemeinmedizin führen würde.

107 Vgl. § 2 Richtlinien der KV Sachsen-Anhalt für Maßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. 108 Zu denken ist aber auch an sonstige Fachrichtungen, bei denen ein Nachwuchsmangel besteht. 109 Vgl. den Vorschlag der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.02.2010, TOP 5.3.2 (A 6), abrufbar unter http://www.gmkonline.de.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

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II. Finanzielle Anreize im Rahmen der Ausbildung In einzelnen Bundesländern werden bereits Stipendien für Studierende ausgelobt, die sich nach dem Studium in dem Bundesland zum Facharzt weiterbilden bzw. nach der fachärztlichen Weiterbildung in einem unterversorgten Gebiet zumindest für einen bestimmten Zeitraum als Vertragsarzt niederlassen.110 Die Stipendien werden bislang nur an eine geringe Zahl von Studierenden vergeben. Eine Ausweitung der Stipendien ist sinnvoll, sofern sie sich als wirksame Instrumente zur Beseitigung bzw. Verhinderung von Unterversorgung erweisen.111 Es sind verschiedene Auswahlkriterien denkbar, etwa die Leistung des Stipendiaten, die Bereitschaft, die Weiterbildung in einem von Versicherten besonders stark nachgefragten Fachbereich zu absolvieren,112 sowie die Bereitschaft des Stipendiaten, sich nach der abgeschlossenen Weiterbildung als Vertragsarzt in einer defizitär versorgten Region niederzulassen. Da die KV mit den Stipendien das Ziel verfolgen, strukturschwache ländliche Regionen mit ausreichenden ärztlichen Leistungen zu versorgen, ist die Bereitschaft der Studierenden, sich zumindest für eine Zeit in einem solchen Gebiet niederzulassen und an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten teilzunehmen, als für die Auswahl für ein Stipendium maßgebend anzusehen. Stoßen die finanziellen Mittel aufgrund der großen Bewerberzahl an ihre Grenzen, so kann ergänzend die Leistung der Studierenden als Auswahlkriterium hinzugezogen werden. Sie kann jedoch nicht die Verpflichtung der Studierenden ersetzen, nach der abgeschlossenen Weiterbildung in einer irregulär versorgten Region des Zuständigkeitsbereichs der KV an der vertragsärzt­ lichen Versorgung teilzunehmen, die das Stipendium gewährt. Die Entscheidung der Mediziner, sich nach dem Studium doch nicht in einer irregulär versorgten Region als Vertragsarzt niederzulassen, ist legitim, da Studierende zu einem frühen Zeitpunkt ihres Studiums häufig keinen vertieften Einblick in den medizinischen Alltag eines Krankenhauses oder Vertragsarztes erhalten. In diesem Fall dürfen die StipendiatInnen nicht daran gehindert werden, sich neu zu orientieren. Jedoch ist es dann geboten, dass sie das Stipendium zurückzahlen müssen und keine weiteren Leistungen erhalten. Allerdings könnten die Stipendien auch erst zu einem späteren Zeitpunkt des Studiums gewährt werden, etwa nach dem bestandenen Physikum oder nach dem sechsten Semester, wenn bereits Einblicke in wesentliche Bereiche des Medizinerberufs gewonnen wurden und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen werden wird. Je fundierter die Einblicke der Studierenden in den Medizinerberuf, desto eher ist es ihnen zuzumuten, dass sie an ihrer Entschei 110 Etwa Sachsen-Anhalt, Sachsen, Rheinland-Pfalz (Förderung eines Doktoranden, der im Bereich der Allgemeinmedizin promoviert und später auf diesem Gebiet arbeiten möchte). 111 Die Durchschlagskraft der bisherigen Stipendien konnte nicht eruiert werden. 112 Oftmals Allgemeinmedizin, jedoch ist auch an andere Facharztgruppen zu denken, sofern in dem Zuständigkeitsbereich der KV ein Versorgungsdefizit mit diesen Fachärzten besteht, etwa an Neurologen, Orthopäden und Internisten.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

dung festhalten müssen, sich (zeitweise) als Vertragsarzt in einem unterversorgten Planungsbereich niederzulassen. Die KV Sachsen-Anhalt, das sachsen-anhal­tische Ministerium für Gesundheit und Soziales sowie die AOK Sachsen-Anhalt gewähren deshalb erst Studierenden ab dem 4. Fachsemester ein Stipendium, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium an der vertragsärztlichen Versorgung in einer unterversorgten Region in Sachsen-Anhalt teilzunehmen.113 Der Hartmann-Bund hat im Jahr 2010 vorgeschlagen, Stipendien an Medizinstudenten auszuzahlen, die sich im Praktischen Jahr befinden und somit kurz vor Abschluss ihres Studiums stehen.114 Normalerweise erhalten die Studierenden in diesem Abschnitt kein Geld. Um mehr Studierende für eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin mit dem Ziel der Niederlassung in ländlichen Gebieten zu motivieren, könnte eine Förderung für die Studierenden eingeführt werden, die einen Teil ihres Praktischen Jahres in einer Praxis für Allgemeinmedizin in einer strukturschwachen Region absolvieren.115 Die Studierenden hätten so einen Anreiz, Einblicke in eine so genannte „Landarztpraxis“ zu gewinnen und sich vor Beginn ihrer fachärztlichen Weiterbildung zu entscheiden, ob eine solche Tätigkeit ihrem Lebensentwurf entspricht. III. Bessere Vergütung der „Problemärzte“ Die Vergütungsanreize im Rahmen der Weiterbildung116 drohen zu verpuffen, wenn sie nicht nach der Weiterbildung beibehalten werden. Es ist somit folgerichtig, die Vergütung der einzelnen Facharztgruppen auch danach zu bemessen, welche Fachärzte am dringendsten benötigt werden und bei welchen Facharztgruppen der Bedarf nicht gedeckt ist.117 Das bedeutet vor allem, dass den Hausärzten (in der Regel Fachärzte für Allgemeinmedizin) eine ihrer Bedeutung entsprechende Vergütung gewährt werden muss118 und auch die Hausbesuche besser vergütet werden.119 Der Hausarzt wird als zentraler Weichensteller und wichtigs 113 Vgl. die Pressemitteilung Nr. 058/2010 des Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 05.07.2010. 114 Vgl. v. Lucius, FAZ vom 01.07.2010, S. 4. 115 So der Vorschlag des Hartmann-Bundes, der eine Förderung von 600 EUR monatlich anregt, vgl. v. Lucius, FAZ vom 01.07.2010, S. 4. 116 Vgl. zur Förderung von Weiterbildungsassistenten in der Allgemeinmedizin Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. g) aa) (4). 117 Es wird bspw. die bessere Vergütung von „Landärzten“, also Hausärzten in strukturschwachen Gebieten vorgeschlagen, vgl. Mihm, FAZ vom 17.04.2010, S. 16. Aber auch bei Kinderärzten, Gynäkologen und Augenärzten besteht in vielen betroffenen Gebieten ein nicht gedeckter Bedarf, vgl. etwa die Angaben der KV Brandenburg, abrufbar unter kvbb.de unter „Zulassung“ in der Rubrik „Fördermöglichkeiten“. 118 Zur Bedeutung des Hausarztes vgl. nur Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 149 ff. 119 Vgl. die Beschlüsse der 83. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 01.02.2010, TOP 5.3.2 (C 1), abrufbar unter http://www.gmkonline.de.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

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ter „allokie­render gatekeeper“120 angesehen. Er ist erster Anlaufpunkt, koordiniert die Behandlung, überweist an Kollegen und weitere Gesundheitsberufe und führt die verschiedenen erlangten Erkenntnisse zusammen, um die Therapie entsprechend zu gestalten. Fehlt ein Hausarzt, so entfällt diese koordinierende Stelle, was die Gefahr von Mehrfachuntersuchungen und unabgestimmten Therapieversuchen nach sich zieht. Aufgrund dieser zentralen Position müssen die finanziellen Anreize vor allem für Hausärzte gelten. Soweit für die Entscheidung, welche Facharztweiterbildung eingeschlagen werden soll, auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen (was nicht auszuschließen ist), so ist dem durch eine entsprechende Priorisierung der Arztvergütung Rechnung zu tragen. Deshalb sollen insbesondere Fachärzte für All­ gemeinmedizin ihrer Bedeutung entsprechend vergütet werden und ein Anreiz für junge Ärzte gesetzt werden, die sich zum Facharzt für Allgemeinmedizin weiterbilden wollen. Dies bewirkt eine Ungleichbehandlung der Facharztgruppen, die jedoch durch den Zweck gerechtfertigt ist, eine ausreichende Menge an Fachärzten für Allgemeinmedizin und sonstiger Facharztgruppen, für die ein besonderer Bedarf besteht, zur Verfügung stellen zu können. Die Rechtfertigung gilt jedoch nur solange, wie ein besonderer Bedarf nach der priorisierten Arztgruppe besteht, wobei alle Aspekte der gesetzlich vorgesehenen vertragsärztlichen Versorgung berücksichtigt werden müssen, insbesondere die absehbare Veränderung des Bedarfs der Versicherten, die Altersstruktur und eventuelle Nachwuchsprobleme einzelner Facharztgruppen. Durch die Priorisierung der Vergütung kann flexibel auf die Veränderungen des Bedarfs und der Ärzteschaft reagiert werden, wenn auch die Vergütung allein nicht ausreichen wird, um entsprechende Anreize zu setzen. Probleme können allerdings dann auftreten, wenn die Vergütungsanreize Wirkung entfalten und dementsprechend eine ausreichende Versorgung mit bislang im Rahmen der Vergütung bevorzugten Ärzten zu verzeichnen ist. Dann stellt sich die Frage nach dem Vertrauensschutz der bislang besser vergüteten Ärzte im Hinblick auf die Wahrung der bislang gewährten höheren Vergütung. Dabei ist aber schon zu bezweifeln, ob diesbezüglich überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen gebildet werden kann, weil die Vergütung der Vertragsärzte von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Zum anderen kann die Priorisierungsregelung aus Trans­ parenzgründen so formuliert werden, dass sie unter dem Vorbehalt des Mangels an Ärzten dieser Fachrichtung steht. Schließlich ist zu bedenken, dass die Bevorzugung als Ungleichbehandlung von Ärzten vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein muss. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Anlass für die Ungleichbehand 120 Begriff bei Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 67 ff.; vgl. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S.  149 ff.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

lung wegfällt. Deshalb kann bei einer mittlerweile ausreichenden Versorgung mit Ärzten einer früheren „Problemarztgruppe“ kein schutzwürdiges Vertrauen dieser Ärzte in den Bestand ihres Vergütungsvorteils entstehen. Im Übrigen kommen zwei Möglichkeiten in Betracht, den Vergütungsvorteil zu beseitigen: entweder eine entsprechende Erhöhung der Vergütung anderer Arztgruppen oder die Absenkung der Vergütung der bislang bevorzugten Arztgruppen. Zu bedenken ist jedoch, dass dieser Vergütungsanreiz eine recht lange Vorlaufzeit voraussetzt, nämlich die Weiterbildungszeit zum Facharzt in dem Fach, für das ein dringender Bedarf besteht. Es bedarf daher der dauerhaften Ermittlung, welcher Bedarf in dieser Zeit entstehen wird und ob die Ärzte sich entsprechend dieses Bedarfs weiterbilden oder ob sich in bestimmten Fachrichtungen Bedarfslücken auftun werden, um entsprechende Vergütungsanreize festzulegen. Dafür ist die KBV (ggf. in Kooperation mit der BÄK) prädestiniert, da sie die Informationen der einzelnen KV bündeln und auswerten kann. Aber auch eine Erhebung durch das Bundesministerium für Gesundheit ist denkbar, vgl. schon § 87 Abs. 7 SGB V a. F.

D. Sonstige Instrumente: Fahrdienste Schließlich bietet es sich an, den Blickwinkel zu ändern. Bislang stand der Arzt im Mittelpunkt, der in der Nähe des Patienten praktiziert und somit eine wohn­ ortnahe Versorgung der Versicherten gewährleistet. Wenn aber in bestimmten Orten und Regionen dauerhaft kein Arzt zur Niederlassung bereit ist und zudem die Kooperationspraxen und Delegations-Modelle nicht fruchten, so ist darüber nachzudenken, wie der Patient zum Arzt kommt. Es wurde die Idee der Fahrdienste in die Diskussion eingebracht, die die Versicherten zu den Vertragsärzten bringen sollen.121 Dies ist eine pragmatische Lösung, die sich mit dem status quo der Versorgung arrangiert und trotzdem die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten sicherstellen soll. Die Übernahme der Beförderungskosten durch die Kranken­kassen oder die KV ist vor dem Hintergrund, dass die Versicherten keine wohnortnahe vertragsärztliche Versorgung in Anspruch nehmen können, zwingend.122 Dieser

121 Vgl. etwa Troppens, InfrastrukturRecht 2010, 330 (333); Sachverständigenrat zur Be­ gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens – Kurzfassung –, S. 163, schlägt Anruftaxis oder Bürgerbusse vor. Das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes „Zukunft der ambulanten Versorgung – differenzierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung, S. 5, regt die Einrichtung eines regelmäßigen Shuttle-Service für den Transport der Versicherten an. 122 Die Frage ist jedoch, ob die Kosten aus den Sicherstellungsfonds der KV beglichen werden müssten, da die KV ihrer Aufgabe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht in ausreichendem Maß nachgekommen sind. Wenn auch die in der irregulär versorgten Region verbliebenen Ärzte von ihrer Vergütung einen Teil abgeben müssten, damit die Ver­ sicherten in ihre Praxis kommen, würden die finanziellen Anreize jedoch konterkariert.

1. Kap.: Diskutierte Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems 

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Umgang mit dem Mangel kann jedoch weitergehende Anstrengungen der KV nicht ersetzen, die auf die Herstellung einer regulären Versorgung in der betroffenen Region abzielen.

E. Finanzierung Die besonderen Instrumente zur Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung sind mit Kosten verbunden, die über den Finanzbedarf hinausgehen, der in regulär versorgten Gebieten entsteht, insbesondere durch die finanziellen Anreize und die Bereitstellung einer Gesundheitsinfrastruktur sowie Fahrdienste. Für Praxisbeschäftigte mit einer verbesserten Ausbildung werden höhere Personalkosten entstehen als bei den bisherigen Angestellten. Dieser erhöhte Bedarf ist grundsätzlich in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn er dazu dient, Nieder­lassungsbeschränkungen zu vermeiden und die reguläre vertragsärztliche Versorgung durch Anreize, sonstige Berufsausübungsregelungen oder Fahrdienste sicherzustellen.123 Wer muss für die entstehenden Mehrkosten aufkommen? Grundsätzlich sind die KV für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig, weshalb sie die finanziellen Lasten zu tragen haben. Das muss bedeuten, dass eine Umverteilung der Gesamtvergütung erfolgt, die zu Lasten der Ärzte geht, die in einer regulär versorgten oder gar überversorgten Region praktizieren (vgl. § 105 Abs. 1a SGB V). Bestehen in dem Zuständigkeitsbereich einer KV sowohl Über- als auch Unterversorgung, so ist es vor dem Hintergrund des Anreizes sinnvoll, dass die Vergütung der Vertragsärzte in überversorgten Gebieten zum Teil reduziert wird und für die Sicherstellungsmaßnahmen aus dem Sicherstellungsfonds aufgewendet werden.124 Dies könnte etwa dergestalt erfolgen, dass die Vergütung der Ärzte, die in regulär versorgten bzw. überversorgten Gebieten praktizieren, reduziert wird. Auf diese Weise würden sich widersprechende Anreize – höhere Vergütung für Ärzte in Problemregionen einerseits, deren Beteiligung an den Kosten für die Sicherstellung andererseits – entstehen. Im Übrigen ist es Aufgabe der KV, mit den Krankenkassen solche Finanzmittel zu vereinbaren, dass die Sicherstellungsinstrumente finanziert werden können. Die Kosten für Fahrdienste in irregulär versorgten Gebieten könnten von den Krankenkassen übernommen werden, etwa nach Ausstellung eines Transportscheins. Die Mehrkosten für die Versicherten müssen nicht zwingend mit Beitragssatzsteigerungen einhergehen. Um diese zusätzlichen Kosten zu kompensieren, sind auch die Streichung bestimmter Maßnahmen aus dem Leistungskatalog oder finanzielle Einbußen der Mediziner denkbar, die in überversorgten oder bedarfsgerecht versorgten Regionen praktizieren. Aufgrund des allgemeinen Gleich 123 Vgl.

BVerfGE 11, 30 (48). Klose/Uhlemann, GGW 6/2006, 7 (16).

124 Ähnlich

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

heitssatzes und der allgemeinen Handlungsfreiheit der von der Unterversorgung betroffenen Versicherten ist die Sicherstellung einer regulären Versorgung gegenüber dem Interesse der Versicherten an dem Beibehalten des bisherigen Leistungskataloges vorrangig. Entscheidend ist, dass jeder Versicherte seinem Beitrag entsprechende Leistungen erhält, die zumindest das medizinische Existenzminimum abdecken. Eine Verschlankung des Leistungskatalogs, um die Mehrkosten zu finanzieren, ist jedoch politisch wenig realistisch.

F. Zusammenfassung Die diskutierten und denkbaren Sicherstellungsmaßnahmen lassen sich mit Ausnahme der Fahrdienste in die Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts einordnen. Als Berufszugangsregelungen sind die angedachten Veränderungen des Medizinstudiums, insbesondere die Einführung einer Vorabquote, Änderungen der Bedarfsplanung, Zuweisung von Ärzten in bestimmte Regionen sowie die Ausweitung von Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen in Verbindung mit erhöhten Ausbildungsanforderungen an das nicht-ärztliche Personal zu qualifizieren. Unter die direkte Marktverhaltenskontrolle fallen neue Niederlassungs- Kooperations- und Leistungserbringungsmöglichkeiten, namentlich Zweig-, Filial- und Rotationspraxen, mobile Arztpraxen und der Einsatz von Telemedizin. Die indirekte Marktverhaltenssteuerung umfasst Stipendien, die bessere Vergütung von Ärzten der Fachrichtungen, bezüglich derer ein besonderer Bedarf besteht. Nicht alle diskutierten Instrumente sind sinnvoll (Abschaffung des Numerus Clausus). Die übrigen Instrumente zeichnen sich jedoch zumeist durch einen weit reichenden Regelungsbedarf aus, da Folgeprobleme absehbar sind, die gelöst werden müssen. Zudem weisen auch die hier vorgestellten Instrumente einen systeminternen Bezug auf, der nicht die Ursachen der Fehlversorgung zu beseitigen vermag. Allerdings bieten die Instrumente teilweise die Möglichkeit, mit dem eingetretenen Mangel kreativ umzugehen und eine Versorgungssituation zu schaffen, die als bedarfsgerecht bezeichnet werden kann. Solange die Attraktivität der betroffenen Regionen nicht steigt, sind gerade diese Instrumente von besonderer Relevanz, um die gesetzlich geforderte Versorgung herbeizuführen. Eine Erhöhung des Versichertenbeitrags ist für die Finanzierung der Sicherstellungsinstrumente nicht zwingend erforderlich.

2. Kap.: Mögliche Sicherstellungsinstrumente bei einem Systemwandel 

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2. Kapitel

Mögliche Sicherstellungsinstrumente bei einem Systemwandel Das deutsche System der GKV ist durch eine Mischung von öffentlicher Versicherung und privater Leistungserbringung geprägt, die ihren Niederschlag im Sachleistungsprinzip findet. Dennoch wird durch den Sicherstellungsauftrag der KV gem. § 75 Abs. 1 SGB V die öffentliche Bedeutung und öffentlich-rechtliche Einbindung der privaten Leistungserbringung deutlich gemacht. Die öffentlichrechtliche Bindung der privaten Leistungserbringer geht jedoch nicht so weit, dass sie ausschließlich der Weisung der KV, Zulassungsausschüsse oder Krankenkassen bzgl. des Niederlassungsortes unterliegen.

A. Öffentlicher Gesundheitsdienst in langfristig irregulär versorgten Gebieten Eine Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitsrechts könnte die private ärztliche Leistungserbringung punktuell durch eine öffentliche Leistungserbringung ergänzen. Die öffentliche Hand würde die Leistungen selbst erbringen, die der private Leistungserbringermarkt nicht bereitzustellen vermag. I. Öffentlicher Gesundheitsdienst Es könnte an die Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes etwa nach spanischem125 Vorbild in langfristig irregulär versorgten Gebieten gedacht werden, der durch die Krankenkassen oder die KV betrieben wird. Als verantwort­ liche Organisationsstellen könnten aber auch die Gesundheitsämter der Bundesländer fungieren. Zwar haben die Länder neben dem vertragsärztlichen und dem stationären Sektor den öffentlichen Gesundheitsdienst eingerichtet. Hauptaufgaben des öffent­ lichen Gesundheitsdienstes sind jedoch die Prävention, Gesundheitsförderung, die Bevölkerungsmedizin, der Katastrophen- und Zivilschutz, die Überwachung des Verkehrs mit bestimmten Produkten sowie die Gesundheitsplanung und Ge-

125 Der Gesundheitsdienst in Spanien wird teilweise von den Regionen, zumeist aber vom nationalen Gesundheitsinstitut (INSALUD) organisiert und zumeist in Gesundheitszentren durch Ärzte erbracht, die beim INSALUD angestellt sind. Allerdings erbringen auch frei niedergelassene Ärzte Gesundheitsleistungen. Dazu müssen sie aber Verträge mit dem INSALUD schließen. Die Finanzierung des Gesundheitssystems (Sistema Nacional de Salúd) erfolgt durch Steuern, nicht durch Beiträge. Vgl. dazu Bathelt, Rheinisches Ärzteblatt 8/2005, 14 f.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

sundheitsberichterstattung.126 Diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind dem öffentlichen Gesundheitsdienst hingegen nicht als eigene Aufgabe zugewiesen.127 Dies könnte jedoch geändert werden. Dafür wäre die Errichtung einer Gesundheitsinfrastruktur erforderlich, insbesondere die Einrichtung und Unterhaltung von Praxisräumen. Diese könnten durch die Gemeinden vorgehalten bzw. als Eigeneinrichtungen der Krankenkassen (vgl. bereits § 140 SGB V) oder KV (vgl. bereits § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V) bereitgestellt werden.128 Die an der Versorgung teilnehmenden Ärzte wären nicht als selbständige Vertragsärzte tätig, sondern als Angestellte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, etwa in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem beamtenrechtlichen Verhältnis. Die dargestellten,129 mit der freiberuflichen Tätigkeit verbundenen grundrechtlichen Schranken bestünden in einem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Dienstverhältnis nicht, sofern der Arzt seinen Wohnsitz frei wählen kann.130 Bei einem beamtenrechtlichen Verhältnis bestünde sogar die Möglichkeit, eine Dienstwohnung einzurichten, die vom Arzt zu beziehen wäre, um die Dienstpflichten vollständig zu erfüllen, vgl. etwa § 74 Abs. 2 BeamtenG LSA. Im Übrigen müsste dem Arzt bei Eintritt in den öffentlichen Gesundheitsdienst bekannt gemacht werden, dass er mit wechselnden Dienstorten innerhalb des Landes rechnen muss. Ein beamtenrechtliches Dienstverhältnis brächte berufliche und persönliche Planungssicherheit sowie attraktive Arbeits-, Gehalts-131 und Ruhestandsregelungen132 und darüber hinaus vergleichsweise geringe Abgabenlasten133 mit sich. Die Berufung von Lehrern in ein Beamtenverhältnis hat sich als Vorteil für die berufenden Bundesländer im Wettbewerb um Lehrer erwiesen,134 was die Attraktivität des Beamtenstatus nahe legt, die auch für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in irregulär versorgten Gebieten eingesetzt werden könnte. 126 Vgl.

bloß § 1 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt vom 21. November 1997, GVBl. LSA 1997, S. 1023. 127 § 2 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt spricht nur von einer ergänzenden Gesundheits­ versorgung der Bevölkerung im Bedarfsfall, wobei ein besonderes Gewicht auf die Hilfeleistungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes gelegt wird. 128 Zu den Eigeneinrichtungen der KK und KV nach geltendem Recht vgl. oben, Teil 2, Kap. 4, B. II. 1. b) ee). 129 Oben, Teil 3, Kap. 1, A. IV. 1. 130 Zwar hat der Beamte seine Wohnung so zu nehmen, dass er in der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird, vgl. etwa § 74 Abs. 1 ­BeamtenG LSA. Damit ist jedoch keine Residenzpflicht am Ort der Leistungserbringung verbunden. 131 Nach dem Landesbesoldungsgesetz, vgl. etwa § 83 BeamtenG LSA. 132 Nach dem Beamtenversorgungsgesetz, vgl. § 85 BeamtenG LSA. 133 Vgl. die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft vom 15.10.2009: Arbeitnehmer zur Kasse gebeten, abrufbar unter http://www.iwkoeln.de unter der Rubrik „Infodienste“ und „iwd“. 134 Vgl. den Artikel „Zwei-Klassen-Gesellschaft im Lehrerzimmer“ auf http://www.sued deutsche.de.

2. Kap.: Mögliche Sicherstellungsinstrumente bei einem Systemwandel 

273

II. Rechte der verbliebenen Vertragsärzte Bei einer solchen Umstrukturierung des Gesundheitsdienstes ist aber zu berücksichtigen, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in Konkurrenz zur vertragsärzt­ lichen Versorgung treten würde. Das hätte Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der verbliebenen Vertragsärzte und eventuell auf die Veräußerbarkeit ihrer Praxen. Allerdings ist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinzuweisen, dass die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor staatlicher Konkurrenz schützt.135 Begründet wird dies damit, dass das Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht davor schütze, dass der Grundrechtsträger seine Kunden behält. Kluth ist der Ansicht, dass die Berufsfreiheit nur „Erwerbchancen“ sichere, die durch einen grundrechtsgebundenen Wettbewerber aber nicht per se beschnitten würden. Ein faktischer Eingriff liege erst dann vor, wenn durch den Auftritt des Grundrechtadressaten auf dem Markt auch die „Wettbewerbsbedingungen“ beeinflusst würden.136 Diese Ansicht wird teilweise mit dem Argument abgelehnt, dass eine öffentliche Beeinträchtigung der Berufsausübung in weiten Teilen137 ohne Rechtfertigungsdruck erfolgen könnte.138 Möge der Ansatz, dass die Berufsfreiheit nicht vor privater Konkurrenz schütze, vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit des Konkurrenten folgerichtig sein,139 so greife dies bei der Konkurrenz durch die öffent­ liche Hand nicht durch, da hier keine Grundrechtskollision vorliege. Die Frage kann hier dahingestellt bleiben, denn auch wenn man von einem Grundrechtseingriff durch staatliche Konkurrenz ausgeht, ist dieser Eingriff verfassungsgemäß, weil das verfolgte Ziel und die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit nicht außer Verhältnis stehen. Die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang. Das Hinzutreten staatlicher Konkurrenz auf den Leistungserbringermarkt ist eine mildere Maßnahme als die Verhängung von Zulassungssperren oder die Pflichtzuweisung von Ärzten in bestimmte Planungsbereiche. Die staatliche Konkurrenz wirkt sich nämlich erst dann spürbar auf die privaten Leistungserbringer aus, wenn die Versicherten den staatlichen Gesundheitsdienst in Anspruch nehmen.

135 BVerwGE 39, 329 (336); Kluth, WiVerw 2000, 184 ff. m. w. N.; zur Rechtsprechung vgl. ders, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 51 ff. Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Art. 12, Rn. 16 m. w. N. 136 Kluth, WiVerw 2000, 184 (199 f.). 137 Vgl. zu den einzelnen Gründen, die nach dieser Ansicht einen Eingriff begründen können Jarass, in: ders./Pieroth, GG-Kommentar, Art. 12, Rn. 16. 138 Vgl. zu den dogmatischen Brüchen gerade im Rahmen der Berufsfreiheit Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 199 ff.; Bauer, Indikationserfordernis und ärztliche Therapie­freiheit, S. 19 ff., 28 f.; Huber, JZ 2003, 290 (293); Schnapp, in: ders./Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, § 4, Rn. 60. 139 Huber, JZ 2003, 290 (292).

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

Demgegenüber steht das Interesse der Allgemeinheit an einer flächendeckenden, d. h. wohnortnahen Versorgung aller Versicherten, das die Berufsfreiheit der verbliebenen Ärzte überwiegt. Um die Konkurrenzsituation abzumildern, können bestimmte Anforderungen an die Errichtung des Gesundheitsdienstes gestellt werden. So liegt es nahe, den Gesundheitsdienst nur dann zu etablieren, wenn in einem Planungsbereich Unterversorgung besteht, da bei einer drohenden Unterversorgung in der Regel noch nicht davon auszugehen ist, dass die Vorgaben des Sozial­staatsprinzips und der Grundrechte der Versicherten tangiert werden. In diesem Fall überwiegt das öffentliche Interesse an einer bedarfsgerechten Versorgung die Interessen der Vertragsärzte. III. Finanzierung Da es Aufgabe der KV ist, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen, liegt es nahe, dass sie zur Übernahme der Kosten verpflichtet werden, die aus der Einrichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes entstehen. Allerdings erfolgt die Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, weshalb eine Finanzierung aus der Gesamt­vergütung eine Systemvermischung darstellen würde. Daher wären die Kosten aus dem Länderfinanzaufkommen zu begleichen.

B. Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen Es könnte daran gedacht werden, den Anwendungsbereich des § 72a SGB V (Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen bei kollektivem Zulassungsverzicht) zu erweitern.140 I. Vergleichbarkeit der Ausgangslagen Die KV sind für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig, während den Krankenkassen in erster Linie die Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung obliegt, §§ 75 Abs. 1, 85 Abs. 1 SGB V. § 72a SGB V sieht den Übergang des Sicherstellungsauftrags von den KV auf die Krankenkassen bei kollektivem Zulassungsverzicht und dadurch hervorgeru 140 Grds. offen für eine Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die Verbände der Krankenkassen: Kluth, MedR 2003, 123 (128); krit. gegenüber einer Erosion des Sicherstellungsauftrags zumindest im Hinblick auf selektivvertragliches Handeln der Krankenkassen: Hess, MedR 2003, 137 ff.

2. Kap.: Mögliche Sicherstellungsinstrumente bei einem Systemwandel 

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fener fehlender Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung vor. Diese Regelung könnte auf die dauerhafte Unterversorgung einer Region ausgeweitet werden, da auch in diesem Fall die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist. Entscheidend wäre dabei, dass die Sicherstellung durch alle Krankenkassen erfolgt, etwa in der Rechtsform eines gemeinsamen Verbandes, damit sich die Zuständigkeit der Krankenkassen tatsächlich auf alle Versicherten erstreckt.141 Dabei wird nicht übersehen, dass die Ausgangspunkte der Unterversorgung und des Kollektivverzichts unterschiedlich sind. Während die Unterversorgung Ausdruck mangelnder Attraktivität der betroffenen Region und anders ausgerichteter Lebensentscheidungen der Ärzte ist, richtet sich der kollektive Zulassungsverzicht gegen das System der vertragsärztlichen Versorgung als solches142 und birgt ein erhebliches Erpressungspotential insbesondere gegenüber den Krankenkassen und KV und dem Gesetzgeber. Dennoch liegt im Bezug auf die Effekte des vertragsärztlichen Verhaltens eine vergleichbare Situation vor: die mangelnde Bereitschaft der Ärzte, in einer bestimmten Region zu den angebotenen Bedingungen an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. II. Inhalt des § 72a SGB V Der Zweck des § 72a SGB V besteht darin, zum einen den Krankenkassen ein effektives Instrument zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung an die Hand zu geben und zum anderen die Ärzte von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen, die sich an einer Kollektivverzichtsaktion beteiligt haben.143 Die Krankenkassen schließen gem. § 72a Abs. 3 SGB V oder deren Landesverbände sowie die Ersatzkassen einheitlich und gemeinsam Einzel- oder Gruppenverträge mit Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern oder sonstigen geeigneten Einrichtungen und können Eigeneinrichtungen gem. § 140 Abs. 2 SGB V organisieren, um ihrem Sicherstellungsauftrag nachzukommen. Gem. § 72a Abs. 5 SGB V können auch Verträge mit Ärzten oder geeigneten Einrichtungen mit Sitz im Ausland abgeschlossen werden, soweit die Verträge nach Abs. 3 nicht genügen, um die Siche­rstellung der Versorgung zu gewährleisten. Dass die Krankenkassen den Sicherstellungsauftrag übernehmen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass sie sek 141 Vgl.

Hess, MedR 2003, 137, der die Krankenkassen wegen der auf ihre Versicherten begrenzten Zuständigkeit und ihrer damit seiner Ansicht nach verbundenen „Singularinteressen“ nicht als die richtige Stelle für die Sicherstellung ansieht. 142 Vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2009, Az. B 6 KA 16/08 R – juris: Der Kollektivverzicht ist auf die „Zerstörung des vertragsärztlichen Versorgungssystems“ ausgerichtet; vgl. auch die Darstellung bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (318 f.). 143 Huster, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, § 72a, Rn. 1; zum sechsjährigen Ausschluss des einzelnen Arztes von der vertragsärztlichen Versorgung gem. § 95b Abs. 2 SGB V vgl. BSG, Urt. v. 17.06.2009, Az. B 6 KA 16/08 R – juris, Darstellung bei Bauer/Gietzelt, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, S. 295 (318 f.).

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

torenübergreifende Regelungen und Versorgungskonzepte initiieren können, die KV hingegen auf die vertragsärztliche (ambulante) Versorgung beschränkt sind;144 so obliegt die Ermächtigung von Krankenhäusern gem. § 116a SGB V nicht allein den KV, sondern dem Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in gemeinsamer Selbstverwaltung. Somit findet ein Austausch der Vertragspartner statt: Die Verträge werden unmittelbar zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern geschlossen, ohne dass die KV „dazwischen geschaltet“ werden. Die KV wirken nur noch insofern an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit, als diese Versorgung weiterhin durch zugelassene oder ermächtigte Ärzte bzw. ermächtigte Einrichtungen durchgeführt wird, § 72a Abs. 2 SGB V. III. Sachgerechtigkeit der Ausweitung des § 72a SGB V auf die irreguläre Versorgung Die Ausweitung dieser Regelung auf die nicht-flächendeckende vertragsärzt­ liche Versorgung muss im Hinblick auf das Sicherstellungspotenzial durch sach­ liche Gründe gerechtfertigt sein, um eine Reform zu rechtfertigen. Dies ist jedoch bzgl. der meisten Regelungsinhalte des § 72a SGB V zu bezweifeln. Zwar werden die KV teilweise als Ursache der Fehlversorgung bezeichnet, weil die Mediziner der Fachgruppen den größten Einfluss innerhalb der KV haben, die vor allem in Ballungsgebieten tätig seien: „gut organisierte Seilschaften von Orthopäden, Radiologen und Internisten“, die vor allem ihre eigenen Fachrichtungen bedienten.145 Allerdings wurde festgestellt, dass die Gründe für die irreguläre Versorgung der betroffenen Regionen in erster Linie infrastruktureller Natur sind. Ein bloßer Austausch der Akteure durch den Übergang des Sicherstellungsauftrags wird deshalb nur begrenzte Effekte haben. Dies bezieht sich insbesondere auf die vertragliche Einbindung von Leistungserbringern. Die Bereitschaft von Ärzten, sich in unattraktiven Gebieten niederzulassen, wird sich kaum dadurch positiv beeinflussen lassen, dass die Krankenkassen unmittelbar mit ihnen Versorgungsverträge schließen. § 72a SGB V stellt den Krankenkassen mit Ausnahme der Möglichkeit, Eigen­einrichtungen zu betreiben und Leistungserbringer mit Sitz im Ausland in die Versorgung einzubeziehen, keine Instrumente zur Verfügung, die nicht auch die KV einsetzen können. Allerdings können durch Individualverträge bestimmte Anreize gesetzt werden, die durch Kollektivverträge mit den KV nicht möglich wären, etwa die Einbeziehung in bestimmte Versorgungsprogramme mit der Aussicht auf eine vermehrte Inanspruchnahme durch die Versicherten sowie eine lukrative Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen. Dies bedarf jedoch

144 In

diese Richtung argumentiert Rebscher, MedR 2003, 145. Der Spiegel vom 12.04.2010, S. 80 f.

145 Elger,

3. Kap.: Sicherstellungsinstrumente in Österreich

277

einer Erprobung, weshalb an eine Experimentierklausel mit Evaluierungspflicht, etwa in einem zu schaffenden § 72a Abs. 7 SGB V, zu denken wäre. Der weitere Vorteil des § 72a SGB V liegt darin, dass die Krankenkassen Eigeneinrichtungen gem. § 140 SGB V betreiben können, § 72a Abs. 3 S. 2 SGB V. Dies stellt eine Ausformung des öffentlichen Gesundheitsdienstes dar. Gegenüber der Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes in dauerhaft unterversorgten Regionen zeigt dieses Instrument jedoch keine nennenswerten Vorteile. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Ausweitung des Anwendungs­ bereiches des § 72a SGB V auf die Unterversorgung keine besonderen Vorteile verspricht – arbeitsvertragliche Weisungsrechte der Krankenkassen gegenüber angestellten Ärzten in Bezug auf den Arbeitsort ausgenommen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Überleitung des Sicherstellungsauftrages auf die Krankenkassen (und damit mit deren Möglichkeit zum Abschluss von Selektivverträgen) mit der Bindung der Krankenkassen an das Vergaberecht und Kartellrecht einhergeht, vgl. § 69 Abs. 2 S. 1 SGB V.146

3. Kapitel

Sicherstellungsinstrumente in Österreich Durch den Föderalismus, der aufgrund der Aufgabenzuweisung des § 105 Abs. 1 SGB V an die KV auch der Entwicklung der Sicherstellungsinstrumente zugrunde liegt, werden bereits verschiedene Maßnahmen erarbeitet und angewendet. Auf diese Weise besteht auf der Ebene der Länder bereits die Möglichkeit der gegenseitigen geistigen Befruchtung, des Austauschs und des Lernens, was schließlich zu besseren Rechtsinstrumenten führen kann.147 Dieser positive Effekt soll im folgenden Kapitel auf eine höhere organisatorische Ebene gehoben werden. Dafür soll ein vergleichbares Gesundheitssystem im Hinblick auf die Sicherstellung der flächendeckenden ärztlichen Versorgung un 146 Dazu

schon Möschel, MedR 2003, 133 (134 ff.); vgl. zu dem vor Änderung des § 69 Abs. 2 SGB V bestehenden Meinungsstand über die Anwendbarkeit des Vergaberechts bei Selektivverträgen der Krankenkassen Bauer, Gesetzliche Krankenversicherung und die Freiheit der Leistungserbringer, S. 73 (80 ff.). Zur öffentlichen Auftraggebereigenschaft der Krankenkassen vgl. EuGH, Rs. C-300/07, NJW 2009, 2427 ff.; dazu etwa Kingreen, NJW 2009, 2417 ff. 147 Zu diesem dem Föderalismus innewohnenden Vorteil vgl. Bauer, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, S. 343 (352 f.); Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, § 126, Rn. 330 („stille Warnung vor landespolitischer Introvertiertheit“), wobei Isensee, a. a. O., Rn. 329 und Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 44 ff., darauf hinweisen, dass sich die normativen Werte des Föderalismus einem Kosten-Nutzen-Kalkül gerade auch im Hinblick auf die Effizienz eines föderalen Systems entziehen und deshalb zumindest für die verfassungsrechtliche Diskussion an der Durchschlagskraft der These zweifeln, dass der Föderalismus zu verbesserten Landesrechtsordnungen führen kann.

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

tersucht werden. Das österreichische Gesundheitssystem bietet sich dafür in besonderer Weise an. Denn trotz einiger gewichtiger Unterschiede im Vergleich zum deutschen Gesundheitssystem ist auch das österreichische System der ambulanten ärztlichen Versorgung eine öffentliche Aufgabe (mit Pflichtversicherung),148 die nicht durch einen staatlichen Gesundheitsdienst, sondern durch Rückgriff auf private Leistungserbringer wahrgenommen wird, wobei das Sachleistungsprinzip vorherrscht.149 Auch in Österreich ist ein kooperatives System zu verzeichnen, wenn auch keine KV existieren, sondern vertragliche Beziehungen zwischen dem Hauptverband der Versicherungsträger und der für das jeweilige Bundesland zuständigen ÄK (bzw. der ÖÄK) sowie zwischen den Sozialversicherungsträgern und einzelnen Ärzten bestehen.150 Zu untersuchen ist deshalb, ob die verantwort­ lichen Stellen in Österreich Instrumente entwickelt haben, die auch auf die deutsche vertragsärztliche Versorgung anwendbar sind.

A. Der status quo der Gesundheitsversorgung in Österreich Das österreichische Gesundheitssystem wird mit dem Phänomen des Ärzte­ mangels und den damit verbundenen Problemen wenig konfrontiert; in den Medien findet dieses Thema kaum Niederschlag. Die Neubesetzung frei werdender Arztstellen ist zumeist unproblematisch, es kommen auf eine Stelle meist 20 Bewerber, bei attraktiven Stellen sind es bis zu 100 Bewerber. Allerdings wurden in den Jahren 2009/2010 auch in Österreich die ersten Stimmen laut, die auf die sich zuspitzende Lage bestimmter Landarztpraxen hinweisen, für die kein Nachfolger gefunden werden kann, was sich mittelfristig noch verschärfen wird.151 Dabei spielt jedoch ein spezifisch österreichisches Problem eine Rolle: die Hausarzt­ apotheken. In kleinen Gemeinden mit nur einem Hausarzt und einer bestimmten Entfernung bis zur nächsten Apotheke darf der Hausarzt eine Apotheke führen, aus der er Arzneimittel abgibt, vgl. §§ 29 ff. ApoGÖ. Dies ist eine wesentliche Finanzquelle der Hausärzte, da die behandelten Fälle selten ausreichen, um das Auskom-

148 Zur obligtorischen Versicherung vgl. Korinek/Leitl-Staudinger, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 485 (492 f.). 149 Vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (569), die jedoch darauf hinweisen, dass nach verbreiteter Ansicht in der Regel nicht die Heilbehandlung selbst, sondern die Deckung des Heilbehandlungsbedarfs unter Bereitstellung von Gesundheitsgütern geschuldet wird, was jedoch den Unterschied zwischen Sachleistungsprinzip und Kostenerstattung marginalisiere. 150 Vgl. den Überblick bei Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 ff. 151 Vgl. etwa den Bericht der Kleinen Zeitung, abrufbar unter http://www.kleinezeitung.at/ steiermark/2354528/land-aerzte.story sowie die Mitteilung der Österreichischen Ärztekammer, abrufbar unter http://www.multiart.at/oeaek_newsroom/index.php?m=viewarticle&ar=270.

3. Kap.: Sicherstellungsinstrumente in Österreich

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men des Arztes zu sichern. Die Voraussetzungen für den Betrieb einer Hausarztapotheke sind verschärft worden, weshalb weniger Hausarztpraxen die Apotheken vorhalten können und es deshalb für die übrigen Stellen, die keine Hausarzt­ apotheke mehr vorhalten dürfen, Nachfolgeprobleme gibt. Darüber hinaus wurde die Zukunft der Regionen in Österreich ebenfalls in diesem Zeitraum öffentlich diskutiert. So titelte die Wiener Zeitung:152 „Das Land verwaist, die Städte boomen“ und referierte eine langfristige Strukturentwicklungsanalyse, die die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen österreichischen Regionen für das Jahr 2050 prognostiziert. Dabei wird eine zunehmende Konzentration der Bevölkerung in den städtischen Zentren unter gleichzeitigem Rückgang der Landbevölkerung (insbesondere in Kärnten und der Steiermark) vorhergesagt, wobei sich dieser Bevölkerungsrückgang anders als in den neuen Bundesländern Deutschlands schleichend vollziehen wird.153 Gleichzeitig wird der Anteil der älteren Menschen (und deren Lebenserwartung) zunehmen, die ihren Lebensabend mehrheitlich nicht in den Städten, sondern auf dem Land verbringen, was besondere Herausforderungen an die Gesundheitsinfrastruktur stellten wird.154 Die Relation von Ärzten und Bevölkerung liegt in den meisten Bundesländern über dem OECD-Schnitt,155 die Zahl der praktizierenden Ärzte nahm zwischen 1990 und 2007 um 3,2 % zu, was ebenfalls besser als OECD-Schnitt ist.156 Dabei ist jedoch anzumerken, dass diese Zahlen nicht besonders aussagekräftig sind, da regionale Besonderheiten verwischt werden können, wie die deutsche Situation belegt.157 Zwar gibt es zwischen den Bundesländern starke Unterschiede im Hinblick auf die Arztdichte. Dennoch ist auch in den stärker ländlich geprägten Bundesländern (Vorarlberg, Steiermark, Burgenland, Tirol) mit wenigen großen Zentren eine hinreichend große Arztdichte zu verzeichnen, insbesondere bei den Allgemeinmedizinern.158 Auch dies schließt jedoch lokale bzw. regionale Unterversorgung nicht aus. Zudem sind die österreichischen Hochschulen ein beliebter Anlaufpunkt für deutsche Studierende, die dem Numerus Clausus im Fach Humanmedizin ausweichen wollen. Dem war die Bundesrepublik Österreich durch besondere An 152 Wiener

Zeitung vom 07./08.08.2010, S. 1. Huber (Büro für Raumordnung im Bundeskanzleramt), zitiert in Wiener Zeitung vom 07./08.08 2010, S. 8. 154 Vgl. Wiener Zeitung vom 07./08.08.2010, S. 8. 155 Vgl. die OECD-Daten: Gesundheit auf einen Blick 2009, S. 65. Demnach liegt die Zahl der praktizierenden Ärzte in Österreich bei 3,8/1000 Einwohner, der OECD-Schnitt liegt bei 3,1 Ärzte/1000 Einwohner. Österreich nimmt damit den 6. Platz ein. Allerdings differenzieren diese Zahlen nicht zwischen niedergelassenen und in Kliniken tätigen Ärzten. 156 Vgl. die OECD-Daten: Gesundheit auf einen Blick 2009, S. 65. 157 Vgl. oben, Teil 1, Kap. 3. 158 Vgl. die Statistik, die dem Regionalen Strukturplan Gesundheit Wien 2015 zugrunde liegt, abrufbar unter http://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/gesundheitsfonds/pdf/planungenamb-bereich.pdf, S. 22. 153 So

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

forderungen entgegen getreten, was jedoch vom EuGH für europarechtswidrig erklärt wurde.159 Auf der anderen Seite „exportiert“ Österreich Ärzte im größeren Umfang,160 unter den KV in Deutschland entbrennt ein regelrechter Wettbewerb um diese Mediziner, da in Österreich nicht genügend Weiterbildungsstellen verfügbar sind. Das Bild, das die österreichische Gesundheitsversorgung zeichnet, ist deshalb zwar uneinheitlich, von Ärztemangel und Versorgungslücken kann jedoch derzeit nicht gesprochen werden. Wenn in 10–15 Jahren allerdings ca. 50 % der praktizierenden Ärzte in den Ruhestand treten werden, wird voraussichtlich auch in Österreich die Diskussion um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung entbrennen.

B. Die vertragsärztliche Versorgung in Österreich im Überblick Um die österreichischen Sicherstellungsinstrumente darstellen zu können, ist es zunächst angezeigt, die Funktionsweise und Besonderheiten des österreichischen Gesundheitssystems im Hinblick auf die ambulante ärztliche Versorgung der Versicherten zu erläutern. Dabei wird zu zeigen sein, dass das österreichische Gesundheitsrecht im besonderen Maße zergliedert und daher unübersichtlich und zudem noch stärker durch Kooperation geprägt ist als das deutsche System. I. Die verschiedenen Regelungsebenen des österreichischen Gesundheitssystems Das grundlegende Regelwerk für das österreichische Gesundheitswesen ist das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG).161 Es umfasst wesentliche Bereiche der österreichischen Sozialleistungen (Kranken-, Unfall- und Pensionsversiche­ rung), vgl. § 2 Abs. 1 ASVG. Jedoch regelt das ASVG nicht die Sozialversicherung für alle Personen, sondern beschränkt sich auf die im Inland unselbständig Beschäftigten, die den Dienstnehmern (Arbeitnehmern) gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen (Hebammen, Lehrer, Erzieher, etc.) und die Pensionisten. Für Per 159 EuGH, Rs. C-147/03 (Kommission ./. Österreich). Allerdings wurde das Urteil des EuGH, das die in der französischen Gemeinschaft Belgiens praktizierte Begrenzung der Studienplätze für Ausländer auf 30 % der verfügbaren Kapazitäten als grundsätzlich zulässig bewertet und die Feststellung der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch einen unbegrenzten Zugang von EU-Ausländern zum Medizinstudium den mitgliedsstaatlichen Gerichten überlässt (Rs. C-73/08, Nicolas Bressol u. a., Céline Chaverot u. a. ./. Gouvernement de la Communauté française) in Österreich mit großem Interesse verfolgt und breiter Zustimmung aufgenommen, da dort ein vergleichbarer Regelungsansatz besteht. 160 Vgl. Kopetsch, DÄBl 2008, 105 (19): A-985 (A-987). 161 Bundesgesetz v. 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 i. d. F. vom 01.08.2010.

3. Kap.: Sicherstellungsinstrumente in Österreich

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sonen, die selbständig in der Land- und Forstwirtschaft (sowie deren Angehörige, sofern diese über 15 Jahre alt und hauptberuflich im Betrieb tätig sind) sind, trifft das Bauern-Sozialversicherungsgesetz162 eigene Regelungen. Das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz163 etabliert eine eigene Kranken- und Pensionsversicherung für die Mitglieder der Wirtschaftskammern, die betrieblich tätigen Personen sowie eine Krankenversicherung für die Gewerbepensionisten. Die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu Bund, Ländern und Gemeinden stehenden Bediensteten werden ebenfalls in einer eigenen Krankenversicherung ver­ sichert, die das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz164 regelt.165 Da die meisten Personen unter den vom ASVG erfassten Personenkreis fallen, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf dieses Gesetz. Die Regelungen des ASVG sind speziell vor der Kontrastfolie des deutschen SGB V sehr knapp und wenig detailliert. Das ASVG setzt zwar die wesentlichen Pfeiler des österreichischen Gesundheitsrechts, seiner Funktionsweise und Finanzierung, überweist die Regelung der Einzelheiten jedoch an den Hauptverband der Versicherungsträger und die Ärztekammern, die zu diesem Zweck Gesamt­verträge abschließen, vgl. § 338 Abs. 1 i. V. m. §§ 341, 342 ASVG. Diese Gesamtverträge sind die wesentlichen Regelungswerke im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung in Österreich und recht schillernd, stellen sie doch nach herrschender Auffassung privatrechtliche Verträge mit normgleicher Wirkung dar.166 Dass es nicht nur einen Gesamtvertrag, sondern mehrere dieser Vereinbarungen gibt,167 liegt daran, dass der Hauptverband den Vertrag für die einzelnen Sozialversicherungs-

162 Bundesgesetz vom 11. Oktober 1978 über die Sozialversicherung der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Bauern-Sozialversicherungsgesetz – BSVG), BGBl. Nr. 559/1978. 163 Bundesgesetz vom 11. Oktober 1978 über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz – GSVG), BGBl. Nr. 560/1978. 164 Bundesgesetz vom 31. Mai 1967 über die Kranken- und Unfallversicherung öffentlich Bediensteter (Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz – B-KUVG), BGBl. Nr. 200/ 1967. 165 Vgl. zu den verschiedenen Sozialversicherungsgesetzen, deren Umfang und den versicherten Personenkreis Seidl, Sozialversicherungsrecht, S. 35 f.; 54 ff. 166 Vgl. Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (35 f.) m. w. N. und Verweis auf § 338 Abs. 1 ASVG: „privatrechtliche Verträge“. Dabei ist eine privatrechtliche Vereinbarung mit Normwirkung auch im deutschen Recht bekannt: der Tarifvertrag. Die normgleiche Wirkung wird dabei ausdrücklich gesetzlich festgelegt, vgl. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG; vgl. zum Tarifvertrag und den Erklärungsansätzen für seine normative Wirkung Hromadka/Matschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 13, Rn. 8 ff.; Rieble, ZfA 2000, 5 ff.; Waltermann, ZfA 2000, 53 ff. Die vertragsärztlichen Normverträge nach dem SGB V hingegen sind öffentlich-rechtlicher Natur; sie sind nur Gegenstand des BGB, sofern eine analoge Anwendung seiner Vorschriften möglich ist (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V), vgl. Boerner, Normenverträge im Gesundheitswesen. 167 Die aktuellen Gesamtverträge sind abrufbar unter http://www.hauptverband.at.

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träger168 schließt und verschiedene Sozialversicherungsträger bestehen. Die einzelnen Sozialversicherungsträger, für die der Hauptverband den Gesamtvertrag abschließt, müssen dem ausgehandelten Vertrag zustimmen.169 Im Folgenden beschränken sich die Betrachtungen auf den Gesamtvertrag zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), der mit Wirkung vom 01.06.2010 in Kraft getreten ist, da dieser Vertrag für das gesamte Bundesgebiet Geltung hat und einen breiten Personenkreis erfasst. Zudem ist das österreichische Ärztegesetz170 zu erwähnen. Dieses regelt vor allem das ärztliche Standesrecht einschließlich Disziplinarrecht, Fragen der Zulassung zum Arztberuf (insbesondere der fachärztlichen Weiterbildung sowie der Anerkennung von in EU-Mitgliedsstaaten erworbenen Qualifikationen), Aspekte der Berufsausübung sowie die Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Ärzte­ kammern (einschließlich der Begründung der Pflichtmitgliedschaft für Ärzte).171 Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung der Versicherten hingegen ist kein ausdrücklicher Gegenstand des Ärztegesetzes, allerdings findet sich eine vereinzelte Regelung, die im Rahmen der Berufsausübung auch eine der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dienende Funktion entfalten kann. Somit ist festzuhalten, dass die wesentlichen Regelungen zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung auf Grundlage des § 338 Abs. 2 ASVG durch die Gesamtverträge zwischen dem Hauptverband der Versicherungsträger und den Ärztekammern aufgestellt werden und des Weiteren das ÄrzteG kaum Aussagen zu diesem Problem macht.

168 In Österreich sind die persönlichen Anknüpfungspunkte für die Einbeziehung in die verschiedenen Krankenkassen zum einen die Art der ausgeübten Tätigkeit und zum anderen das Regionalprinzip. So sind für Arbeiter und Angestellte die Gebietskrankenkassen und Betriebskrankenkassen zuständig, die Bergleute und Eisenbahner werden in der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB) versichert, ebenso bestehen jeweils eigene Versicherungsanstalten für Bauern und öffentlich Bedienstete, vgl. Korinek/Leitl-Staudinger, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 486 ff. Zu den einzelnen Sozialversicherungsträgern vgl. Seidl, Sozialversicherungsrecht, S. 37 ff. 169 Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (573). 170 Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 169/1998 i. d. F. vom 01.08.2010. 171 Umfassend zum ÄrzteG Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts, Bd. 1, S. 422 ff.; Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, Ärztegesetz mit Kommentar.

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II. Die Einbeziehung der Ärzte in die Gesetzliche Krankenversicherung Anders als in Deutschland bestehen in Österreich keine KV, sondern allein Ärzte­kammern als Berufsorganisationen der Ärzteschaft. Diese nehmen keine den KV vergleichbare Funktion im Rahmen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sowie der Verteilung der Vergütung ein. Eine dem § 75 Abs. 1 SGB V entsprechende Norm besteht in Österreich nicht. Dies ist vor dem Hintergrund folgerichtig, dass die Versicherungsträger Individual- bzw. Selektivverträge mit einzelnen Ärzten abschließen.172 Durch diesen Vertragsschluss wird der Arzt berechtigt und verpflichtet, den Versicherten ärztliche Leistungen zukommen zu lassen; im Gegenzug kann er die erbrachte Leistung direkt mit dem Versicherungsträger abrechnen.173 Erst der Einzelvertrag begründet die Beziehungen zwischen Arzt und Versicherungsträger.174 Der Arzt hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags. Die Konkurrenz um einen freien Vertragsarztsitz ist auch deshalb sehr groß. Wird ein Arzt beim Vertragsschluss nicht berücksichtigt, so kann er seine Leistungen zunächst den Personen anbieten, die nicht in den Gesetzlichen Krankenversicherungen versichert sind. Der Arzt kann seine Leistungen darüber hinaus aber auch den Versicherten zur Verfügung stellen; er wird dann als „Wahlarzt“ bezeichnet. Nimmt ein Versicherter die Leistungen eines Wahlarztes in Anspruch, muss er die Kosten vorstrecken und bekommt diese nur anteilig vom Versicherungsträger erstattet.175 Deshalb ist die Tätigkeit als Wahlarzt weniger lukrativ als die vertragsärztliche. Insgesamt wird die freiberufliche ärztliche Tätigkeit gerade für Berufsanfänger faktisch erheblich erschwert, wenn der Bewerber beim Vertragsschluss nicht berücksichtigt wird.176

172 Zur Einbeziehung der Ärzte in die vertragsärztliche Versorgung vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (596 f.); knapp Dujmovits, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Bd. 1, S. 397 (427 ff.). 173 Vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (573 f.); Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31. 174 Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (596). 175 Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (32). 176 Dujmovits, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Bd. 1, S. 397 (427 mit Fn. 174); Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (576).

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III. Gegenstände der Gesamtverträge gem. § 338 Abs. 1 ASVG Die Möglichkeit des gleichsam freihändigen Vertragsschlusses der Versicherungsträger mit einzelnen Ärzten zieht die Frage nach sich, inwiefern die Versicherungsträger rechtlichen Bindungen bei der Bedarfsfestlegung und der Auswahl der Vertragspartner unterworfen sind. Über beide Aspekte geben der Gesamtvertrag und teilweise das ASVG Auskunft. 1. Stellenplanung als Vorgabe für die optimale vertragsärztliche Versorgung Gem. § 342  ASVG sind im Gesamtvertrag auch die Zahl und die örtliche Ver­ teilung der Vertragsärzte zu vereinbaren. Dies geschieht durch den so genannten Stellenplan. Dabei gibt das Gesetz vor, dass eine ausreichende ärztliche Versorgung sichergestellt sein muss, wobei die Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsstruktur in die Festlegung des erforderlichen Bedarfs eingeht. Es sollen in der Regel zwei Ärzte in angemessener Zeit erreichbar sein, vgl. § 342 Abs. 1  Nr. 1 ASVG.177 Der diese Vorgaben konkretisierende Stellenplan ist Bestandteil des Gesamt­ vertrags und legt die Kassenplanstellen fest, gegliedert nach Arztkategorien und Verwaltungsbezirken.178 Die Festlegung des Bedarfs und der damit benötigten Stellen erfolgt also durch vertragliche Übereinkunft zwischen den Partnern des Gesamtvertrags. So regelt etwa der Gesamtvertrag zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA, dass im I. Bezirk der Stadt Wien 12 Ärzte für Allgemein­ medizin tätig werden dürfen, im XXI. Bezirk hingegen 74. In Mattersburg (Burgenland) dürfen 20 Allgemeinmediziner als Vertragsarzt tätig sein. In Steyr Land (Oberösterreich) dürfen nach diesem Stellenplan 25 Allgemeinmediziner in die vertragsärztliche Versorgung einbezogen werden, in Graz (Steiermark) sind es 114. Für alle Fachärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten teilnehmen können, werden solche Bedarfszahlen vereinbart. Der Stellenplan wird „in regelmäßigen Abständen einer einvernehmlichen Revision unterzogen“, wobei zwischenzeitliche Anpassungen des Plans unter Voraussetzung des Einvernehmens zwischen den Vertragsparteien zulässig sind.179 177 Vgl. Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (32). 178 Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (575 ff.). 179 Vgl. die Allgemeinen Bestimmungen Nr. 1 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA.

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Auch in Österreich ist somit eine Bedarfsplanung bekannt (und wird als Planstellenbewirtschaftung bezeichnet),180 wobei die gesetzliche Regelung die Einzelheiten den Partnern des Gesamtvertrags überlässt. Dies stellt vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Gesamtvertrag nach herrschender Auffassung um einen privatrechtlichen Vertrag mit Normwirkung handelt,181 einen erheblichen Unterschied zur deutschen Regelungstechnik dar, die auf der Ebene des SGB V nur die groben Vorgaben zeichnet und die Konkretisierung dem GBA (mit der Bedarfs­planungs-RL) überlässt. Allerdings sind diesbezüglich die Vorgaben des ASVG an den Inhalt des Gesamtvertrags detaillierter als die des SGB V in der Fassung vor dem GKVVStG, insbesondere sollen die Bevölkerungsstruktur (etwa Alter und Morbidität) und die freie Arztwahl berücksichtigt werden. Der österreichischen Regelungstechnik liegt dabei die Vorstellung zugrunde, dass die beteiligten Verbände sachgerechte und den Interessen der von ihnen Vertretenen entsprechende Regelungen treffen können.182 Die Verträge stehen einer gerichtlichen Kontrolle offen.183 2. Die Auswahl des Vertragsarztes durch den Hauptverband Die Auswahl des Vertragspartners hat bestimmte Vorgaben zu berücksichtigen. Der Gesamtvertrag legt fest, dass die Verträge ausgeschrieben werden müssen.184 Der Bewerber richtet seinen Antrag auf Vertragsschluss an die zuständige Ärztekammer,185 die dem Hauptverband einen begründeten Besetzungsvorschlag unterbreitet.186 Ist der Hauptverband nicht mit dem Vorschlag der Ärzte­kammer einverstanden, so unterbreitet er ihr einen begründeten Gegenvorschlag binnen Monatsfrist.187 Der Vertragsschluss mit einem Arzt ist nur im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer möglich,188 es besteht daher ein gewisser Einigungszwang 180 Vgl. Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (32). 181 Vgl. Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (35 f.) m. w. N. und Verweis auf § 338 Abs. 1 ASVG: „privatrechtliche Verträge“. 182 Vgl. Resch, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 149 (151). 183 Vgl. bloß OGH, DRdA 1993, 369; DRdA 1996, 148; Resch, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 149 (151 f.) m. w. N. 184 Allgemeine Bestimmungen, Nr. 3 zum Stellenplan für Ärzte für Allgemeinmedizin und für Fachärzte des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 185 § 3 Abs. 2, 3 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 186 § 3 Abs. 5 S. 2 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 187 § 3 Abs. 5 S. 3 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 188 Vgl. § 3 Abs. 5 S. 4 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA.

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der Gesamtvertragspartner, der jedoch durch die Möglichkeit entspannt wird, dass die Landesschiedskommission verbindlich über den Vertragsschluss entscheidet,189 so dass eine Blockade des Vertragsschlussverfahrens und somit die Gefahr einer nicht bedarfsgerechten Versorgung vermieden werden kann. Der Gesamtvertrag wird Bestandteil des Individualvertrags und ist von den Vertragsparteien schon deshalb zu berücksichtigen, weil die individualvertrag­liche Vereinbarung insoweit unwirksam ist, als sie gegen den Gesamtvertrag verstößt, § 341 Abs. 3 ASVG. Die Auswahlkriterien werden ebenfalls im Gesamtvertrag erwähnt, wobei darauf verwiesen wird, dass dazu eine Richtlinie zwischen den Gebietskrankenkassen und der jeweiligen ÄK vereinbart werden soll; der Gesamtvertrag nimmt auf diese Richtlinie Bezug.190 Allerdings sind der Regelungsautonomie der Akteure in diesem Bereich Grenzen gesetzt: Der Bundesminister für Soziales und Genera­ tionen hat die sog. Reihungskriterien-Verordnung erlassen,191 die bestimmte verbindliche192 Kriterien aufstellt, die für die Auswahl des Vertragsarztes relevant sein dürfen (§ 2 der Reihungskriterien-Verordnung).193 Bei der Auswahl soll auf 189 § 343 Abs. 1 ASVG;

§ 3 Abs. 5 S. 5 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 190 Vgl. die Allgemeinen Bestimmungen Nr. 4 lit. a) zum Stellenplan des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozial­versicherungsträger für die SVA. 191 Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Kriterien für die Reihung der ärztlichen BewerberInnen um Einzelverträge mit den Kranken­ versicherungsträgern (Reihungskriterien-Verordnung), BGBl Teil II 2002, 4031. 192 Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (579). 193 § 2 der Reihungskriterien-Verordnung hat folgenden Wortlaut: Abs. 1: Die Kriterien für die Reihung der BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern sind: 1. die fachliche Eignung, die auf Grund der Berufserfahrung als Ärztin/Arzt zu beurteilen ist; dabei sind jedenfalls Tätigkeiten als niedergelassene Ärztin/niedergelassener Arzt, als Praxisvertreterin/Praxisvertreter sowie als angestellte Ärztin/angestellter Arzt zu berücksichtigen; zusätzlich können Tätigkeiten als Notärztin/Notarzt oder als Ärztin/Arzt im Bereitschaftsdienst oder eine Tätigkeit im Rahmen einer Lehrpraxis berücksichtigt werden; 2. zusätzliche fachliche Qualifikationen, die insbesondere durch Vorlage von Diplomen über die erfolgreiche Absolvierung einer fachlichen Fortbildung, die von der Österreichischen Ärztekammer verliehen oder anerkannt werden, nachzuweisen sind; 3. der Zeitpunkt der ersten Eintragung in eine BewerberInnenliste um Einzelverträge nach Erlangung des Rechtes zur selbständigen Berufsausübung als Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin bzw. als Fachärztin/Facharzt und die allenfalls darauf folgende nach zeitlichen und örtlichen Gesichts- punkten zu beurteilende regelmäßige Bewerbung um Einzelverträge; in Bundesländern, in denen eine derartige BewerberInnenliste bis zum In-Kraft-Treten dieser Verordnung nicht besteht, ist dem Zeitpunkt der ersten Eintragung jener Zeitpunkt gleichzuhalten, zu dem die Bewerberin/der Bewerber die Voraussetzungen für eine Eintragung in die nunmehr zu schaffende BewerberInnenliste erstmals erfüllt hätte; 4. die Zusage, sich ernsthaft zu bemühen, einen behindertengerechten Zugang zur Praxis nach den Bestimmungen der ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen“ sowie der ÖNORM B 1601 „Spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen“ bei Vertragsbeginn oder innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsbeginn zu schaffen.

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die fachliche Qualifikation, den Zeitpunkt der Antragsstellung (als Ausdruck des Prioriätsprinzips, das jedoch durch die anderen Kriterien relativiert wird), die Zusage, einen barrierefreien Zugang zur Praxis errichten zu wollen, sowie sonstige Aspekte abgestellt werden.194 Dabei werden die einzelnen Kriterien durch die Verordnung bereits gewichtet, da ein Punkte-Korridor (Mindest- und Höchstpunkte je Kriterium) vorgegeben wird, in dem sich die Akteure bewegen können, wobei die festgelegten Mindestpunkte unterschiedlich hoch sind, abhängig vom Gewicht, das der Verordnungsgeber dem jeweiligen Kriterium für die vertragsärztliche Tätigkeit beimisst, § 3 der Reihungskriterien-VO.195 Die Anwendbarkeit des nationalen Vergaberechts auf die Einzelverträge hatte der OGH im Jahr 2002 abgelehnt,196 inwiefern dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur vergleichbaren Problematik im deutschen Recht der GKV197 zu halten sein wird, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.198 (2) Als weitere Kriterien für die Reihung können berücksichtigt werden: 1. ein geleisteter Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst sowie zurückgelegte Mutterschutzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz 1979 und zurückgelegte Karenzzeiten, auch wenn diese in einem anderen EG-Mitgliedstaat oder EWR-Staat zurückgelegt wurden; 2. die soziale Förderungswürdigkeit, etwa auf Grund von bestehenden Sorgepflichten für Kinder oder auf Grund von gegenwärtiger Arbeitslosigkeit. 194 Vgl. § 2 der Reihungskriterien-Verordnung. 195 § 3 der Reihungskriterien-Verordnung hat folgenden Wortlaut: Abs. 1: Die Bewertung der BewerberInnen hat nach einem Punktesystem in der Weise zu erfolgen, dass für die Erfüllung der Kriterien – nach § 2 Abs. 1 Z 1 15 bis 35 Punkte, – nach § 2 Abs. 1 Z 2 fünf bis 15 Punkte, – nach § 2 Abs. 1 Z 3 fünf bis 20 Punkte, – nach § 2 Abs. 1 Z 4 zwei bis fünf Punkte, – nach § 2 Abs. 2 Z 1 und 2 jeweils bis fünf Punkte erreicht werden können. Dabei darf der auf Grund der Kriterien nach § 2 Abs. 2 Z 1 und 2 erreichte Anteil an der Gesamtpunktezahl 30 % nicht überschreiten. Abs. 2: Der Krankenversicherungsträger und die Ärztekammer können gemeinsam die Invertragnahme der/des Erstgereihten mit Begründung ablehnen, wenn erhebliche Bedenken bestehen, dass der mit dem Einzelvertrag verbundene Versorgungsauftrag durch diese Bewerberin/ diesen Bewerber nicht erfüllt werden kann. Abs. 3: Sind zwei oder mehrere BewerberInnen erstgereiht, so gilt jene Bewerberin/jener Bewerber als allein erstgereiht, die/der mehr Punkte für die fachliche Qualifikation (Summe der Punkte nach § 2 Abs. 1 Z 1 und 2) erreicht hat. Liegt auch bei der fachlichen Qualifikation Punktegleichstand vor, so ist die Entscheidung über die Vergabe auf Grund eines Hearings der Erstgereihten vor VertreterInnen des Krankenversicherungsträgers und der Ärztekammer zu treffen; die Frauenquote im jeweiligen Versorgungsgebiet ist zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann zwischen Krankenversicherungsträger und Ärztekammer vereinbart werden, ein Hearing jener BewerberInnen, deren Punktezahl innerhalb einer Bandbreite von 5 % der Punkte­ zahl der/des Erstgereihten liegt, durchzuführen. 196 OGH, JBl 2002, 36; Dujmovits, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Bd. 1, S. 397 (428). 197 EuGH, Rs. C-300/07, NJW 2009, 2427 ff.; dazu etwa Kingreen, NJW 2009, 2417 ff. 198 Zur Anwendbarkeit des Vergaberechts bei der Einbeziehung der Ärzte vgl. bloß Resch, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 149 (152 ff.).

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3. Sonstige Regelungen der vertragsärztlichen Tätigkeit Der Gesamtvertrag macht die wesentlichen Vorgaben für die ärztliche Berufsausübung. So werden etwa Fragen der Stellvertretung,199 des Umfangs und Ziels der ärztlichen Behandlung,200 der Behandlungspflicht, etwa im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung von Krankenbesuchen und zur Leistung der Ersten Hilfe,201 199 § 7 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Haupt­ verband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 200 Vgl. § 8 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA: Abs. 2: Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die vertragsärztliche Behandlung hat in diesem Rahmen alle Leistungen zu umfassen, die auf Grund der ärztlichen Ausbildung und der dem Vertragsarzt zu Gebote stehenden Hilfsmittel sowie zweckmäßigerweise außerhalb einer stationären Krankenhausbehandlung durchgeführt werden können. Muss ärztliche Hilfe in einem besonderen Ausmaß geleistet werden, ist dies auf Verlangen der SVA vom Arzt zu begründen. Abs. 3: Durch die Krankenbehandlung soll die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wieder hergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Abs. 4: Wissenschaftlich nicht erprobte Heilmethoden dürfen für Rechnung der SVA nicht angewendet werden. Ärztliche Leistungen, die nicht der Beseitigung oder Linderung gesundheitlicher Störungen dienen, werden von der SVA nicht vergütet. Abs. 5: Der Anspruchsberechtigte darf während desselben Krankheitsfalles innerhalb eines Vierteljahres einen Arztwechsel nur mit Zustimmung der SVA, welche den behandelnden Arzt vorher anhört, vornehmen. Abs. 6: Der Vertragsarzt wird ärztliche Leistungen im Falle der Anspruchsberechtigung für die Behandlung seiner eigenen Person, des Ehegatten, der Kinder, Enkel und Eltern, soweit diese mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, der SVA nicht verrechnen, er ist jedoch zur Verordnung von Arzneimitteln und Verbandsmaterial für Rechnung der SVA in diesen Fällen berechtigt. Abs. 7: Die vertragsärztliche Behandlung erfolgt entweder in der Ordination zu der der SVA bekanntgegebenen und veröffentlichten oder zu der zwischen dem Arzt und dem Patienten vereinbarten Sprechzeit oder durch Krankenbesuche beim erkrankten Anspruchsberechtigten. Abs. 8: An Sonn- und gesetzlich gebotenen Feiertagen sowie während der Nachtzeit dürfen Vertragsärzte auf Rechnung der SVA nur in dringenden Fällen beansprucht werden. Liegt Dringlichkeit nicht vor, ist dies vom Vertragsarzt gesondert zu vermerken. Abs. 9: Die Behandlung der Anspruchsberechtigten der SVA bei stationärem Aufenthalt in öffentlichen und privaten Krankenanstalten durch die dort beschäftigten Vertragsfachärzte ist keine Behandlung im Sinne des Vertrages. 201 Vgl. § 9 (Behandlungspflicht) des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA: Abs. 1:Die Behandlungspflicht in der Ordination besteht gegenüber allen Anspruchsberechtigten, die den Arzt für Allgemeinmedizin bzw. den Vertragsfacharzt aufsuchen. Krankenbesuche sind vom Vertragsarzt für Allgemeinmedizin durchzuführen, wenn dem Erkrankten wegen seines Zustandes das Aufsuchen des Arztes für Allgemeinmedizin in der Ordination nicht zugemutet werden kann. Abs. 2: Wien: a) In Wien ist jeder Arzt für Allgemeinmedizin innerhalb eines vom Ordina­ tionssitz aus zu denkenden Umkreises mit einem Halbmesser von 1,5 km zu Krankenbesuchen der Anspruchsberechtigten der SVA verpflichtet. Ferner ist der Arzt für Allgemeinmedizin zu

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der Behandlungs-, bzw. Präsenzzeiten,202 Verwendung der e-Card,203 Teilnahme am Sonn- und Feiertagsdienst,204 zur Verordnung von Heilmitteln und Heilbehelfen,205

Krankenbesuchen von Anspruchsberechtigten der SVA auch außerhalb dieses Umkreises verpflichtet, sofern der Ordinationssitz eines anderen Vertragsarztes für Allgemeinmedizin nicht näher gelegen ist. In diesem Fall hat der Vertragsarzt für Allgemeinmedizin bei Krankenbesuchen Anspruch auf Vergütung der Wegegebühren dergestalt, dass innerhalb des Umkreises mit einem Halbmesser von 1,5 km Wegegebühren nicht in Rechnung gestellt werden können. Bei Überschreiten dieses Umkreises kann für die ersten 500 m außerhalb des Umkreises die Wegegebühr für 1 km, für jeden weiteren begonnenen Kilometer die Wegegebühr für einen weiteren Kilometer verrechnet werden. b) Zur Ersten-Hilfe-Leistung bei drohender Lebensgefahr ist jeder Vertragsarzt verpflichtet, innerhalb eines Umkreises mit einem Halbmesser von 1,5 km vom Ordinationssitz und auch außerhalb dieses Umkreises wohnhafte Anspruchsberechtigte der SVA zum vertraglich fest­ gesetzten Honorar einmalig zu behandeln. c) Die Vertragsfachärzte sind zu Krankenbesuchen im Allgemeinen nicht verpflichtet. Hingegen hat der Vertragsfacharzt einer Berufung unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen nach lit. a Folge zu leisten, wenn ein in seiner Behandlung stehender Patient bettlägerig wird oder wenn die Berufung durch einen Vertragsarzt erfolgt. d) Der Vertragsarzt ist berechtigt, auch außerhalb eines Umkreises mit einem Halbmesser von 1,5 km vom Ordinationssitz wohnhafte Anspruchsberechtigte der SVA über deren ausdrückliches Verlangen vertragsmäßig zu behandeln. In diesen Fällen verrechnet der Vertragsarzt die Wegegebühren privat mit dem Anspruchsberechtigten. Abs. 3: Übrige Bundesländer: a) In Orten unter 5.000 Einwohnern besteht für Ärzte für Allgemeinmedizin für Krankenbesuche eine Behandlungsverpflichtung nur für den nächsterreichbaren Vertragsarzt. Als nächsterreichbarer zur Behandlung verpflichteter Vertragsarzt ist im Allgemeinen der nächstordinierende anzusehen; in geschlossenen Orten gilt dies für alle Vertragsärzte. Ist der nächstordinierende Vertragsarzt an der Leistung der Vertragsarzthilfe durch Krankheit, Urlaub, Abwesenheit oder sonstige triftige Gründe verhindert, so geht die Verpflichtung zur Leistung der vertragsärztlichen Hilfe auf denjenigen Vertragsarzt über, der unter Berücksichtigung dieser Umstände für den Anspruchsberechtigten der sonst nächsterreichbare ist. Die Verhinderung des nächstordinierenden Arztes ist in diesem Fall vom behandelnden Arzt anzumerken. b) In Orten mit über 5.000 Einwohnern, die unter lit. c vermerkte Sonderregelung aus­ genommen, ist jeder Arzt für Allgemeinmedizin innerhalb eines vom Ordinationssitz aus zu denkenden Umkreises mit einem Halbmesser von einem Kilometer zu Krankenbesuchen bei den Anspruchsberechtigten der SVA verpflichtet, die innerhalb dieses Umkreises wohnen. Für Anspruchsberechtigte außerhalb dieses Umkreises ist er zu Krankenbesuchen verpflichtet, sofern der Ordinationssitz eines anderen praktischen Vertragsarztes nicht näher ist, als die Ent­ fernung vom Ordinationssitz des Vertragsarztes zum Kranken beträgt. Die vertragliche Regelung macht weiterhin detaillierte Ausführungen zur Höhe der Weg­ gebühren und zu der Frage, wer diese Kosten zu tragen hat (der Sozialversicherungsträger oder der Versicherte). Auch § 11 dieses Gesamtvertrags regelt Fragen des Hausbesuchs. 202 § 10 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Haupt­ verband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 203 § 15 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 204 § 16 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Haupt­ verband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 205 § 21 des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Haupt­ verband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA.

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zur Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit,206 zur Streitbeilegung207 und zur Beendigung des Einzelvertragsverhältnisses208 geregelt.

C. Sicherstellungsinstrumente Die Reaktionsmöglichkeiten des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA sowie des ÄrzteG auf eine irreguläre Versorgung der Versicherten sind kaum ausgeprägt. I. Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung als Ziel des Gesundheitsrechts Das ASVG verfolgt einen Versorgungsauftrag, nämlich die Sicherstellung einer ausreichenden Krankenbehandlung, vgl. § 338 Abs. 2 S. 1 ASVG. Der Formulierung drückt aus, dass eine nicht-ausreichende Versorgung ein zu vermeidender Zustand ist. Durch die Gesamtverträge ist eine Versorgung herbeizuführen, die den Bedürfnissen der Versicherten vernünftigerweise entspricht. Zudem regelt das ASVG, dass jeder Versicherte die Auswahl zwischen mindestens zwei Ärzten haben soll, § 342 Abs. 1. Nr. 1 ASVG. Des Weiteren sehen die Gesamtverträge Stellenpläne vor, die eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten zum Ziel haben. Dies sind klare Belege dafür, dass das österreichische Gesundheitsrecht die flächendeckende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen anstrebt.209

206 §§ 28 ff. des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. Zu den Honorarordnungen vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (584 ff.). 207 §§ 33 f. des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 208 §§ 35 f. des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 209 Die flächendeckende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen wird von Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (576 f.) als öffentliches Interesse bezeichnet.

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II. Sicherstellungsinstrumente nach dem Gesamtvertrag und dem ÄrzteG Als Grundlage aller Bemühungen, die vertragsärztliche Versorgung flächen­ deckend sicherzustellen, ist die Information des potentiellen Bewerberkreises anzusehen. Diese wird im Gesamtvertrag vereinbart.210 Das ÄrzteG stellt eine dem deutschen Recht vergleichbare Regelung auf, die ein gewisses Sicherstellungspotential entfalten kann: die Kooperation in so genannten Gruppenpraxen gem. § 52a ÄrzteG.211 Im Rahmen des deutschen Rechts wurde 210 Allgemeine Bestimmungen, Nr. 3 zum Stellenplan für Ärzte für Allgemeinmedizin und für Fachärzte des Gesamtvertrags zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die SVA. 211 § 52a ÄrzteG (Gruppenpraxen) hat folgenden Wortlaut: Abs. 1: Die Zusammenarbeit von Ärzten kann weiters auch als selbstständig berufsbefugte (§ 3 Abs. 1) Gruppenpraxis erfolgen. Eine Gruppenpraxis kann auch mit einem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs errichtet werden; in diesem Fall richtet sich die Frage der Berufsberechtigung auch nach dem Zahnärztegesetz. Abs. 2: Die Berufsbefugnis einer Gruppenpraxis ergibt sich aus der Berufsbefugnis der an der Gruppenpraxis als persönlich haftende Gesellschafter beteiligten Ärzte, Zahnärzte und Dentisten. Unter den Gesellschaftern mit gleicher Fachrichtung ist die freie Arztwahl des Patien­ten zu gewährleisten. Abs. 3: Die Zusammenarbeit als Gruppenpraxis hat in der Rechtsform einer offenen Gesellschaft im Sinne des § 105 des Bundesgesetzes über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch – UGB), BGBl. I Nr. 120/2005, zu erfolgen. Abs. 4: Der Gruppenpraxis dürfen nur zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte, Zahnärzte und Dentisten als persönlich haftende Gesellschafter angehören. Andere Personen dürfen der Gruppenpraxis nicht als Gesellschafter angehören und daher am Umsatz oder Gewinn nicht beteiligt sein. Abs. 5: Jeder Gesellschafter ist allein zur Geschäftsführung und Vertretung befugt. Die vorübergehende Einstellung oder Untersagung der Berufsausübung bis zur Dauer von sechs Monaten hindert Ärzte nicht an der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, wohl aber an der Vertretung und an der Geschäftsführung. Abs. 6: Über Fragen der Ausübung eines bestimmten Berufes (Abs. 2) entscheiden ausschließlich die entsprechend berufsbefugten Gesellschafter. Gegen den Willen jener Gesellschafter, die über die den Gegenstand einer Entscheidung überwiegend betreffende Berufs­ berechtigung verfügen, darf keine Entscheidung getroffen werden. Alle Gesellschafter müssen ihre Rechte in eigenem Namen und für eigene Rechnung innehaben. Die treuhändige Über­ tragung und Ausübung von Gesellschaftsrechten ist unzulässig. Die selbstständige Ausübung des ärztlichen Berufes darf nicht an eine Weisung oder Zustimmung der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung) gebunden werden. Abs. 7: Die Tätigkeit der Gesellschaft muss auf die Ausübung des ärztlichen, zahnärztlichen oder Dentistenberufes einschließlich der erforderlichen Hilfstätigkeiten und die Verwaltung des Gesellschaftervermögens beschränkt sein. Abs. 8: Eine Gruppenpraxis kann nur einen Berufssitz im Bundesgebiet haben. Jeder Sitz einer Gruppenpraxis ist auch gleichzeitig Berufssitz der an ihr beteiligten Ärzte. Abs. 9: In der Firma der Gruppenpraxis sind jedenfalls der Name eines Gesellschafters und die in der Gruppenpraxis vertretenen Fachrichtungen anzuführen. Abs. 10: Soweit in diesem Bundesgesetz auf Ärzte bzw. Ärzte für Allgemeinmedizin, approbierte Ärzte bzw. Fachärzte abgestellt wird, sind die jeweiligen Bestimmungen auf Gruppenpraxen gegebenenfalls sinngemäß anzuwenden.

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für Berufsausübungsgemeinschaften auf das Potential hingewiesen, das diese Kooperationsformen in sich bergen, insbesondere im Hinblick auf die Verteilung der Kosten für Miete, Personal und Infrastruktur auf mehrere Schultern. Es lässt sich aber (noch) nicht mit Gewissheit sagen, ob solche Berufsausübungsgemeinschaften einen spürbaren Einfluss auf die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung haben. Allerdings vermögen sie es, die vertragsärztliche Betätigung attraktiver zu machen.212 § 45 Abs. 3 ÄrzteG erlaubt den Ärzten zudem, ihren Beruf an maximal zwei Orten auszuüben, was zu einer Verbesserung der Versorgungslage führen kann. Da in Deutschland durch die Etablierung der Zweigpraxen ein ähnliches Instrument besteht, gilt ebenso wie für die anderen Instrumente, dass aus diesem kein Erkenntnisgewinn für das deutsche Recht folgt. III. Honorarregelungen Die Gesamtverträge regeln auch die Honorarordnungen, die die abrechenbaren Leistungen zumeist in Punkten ausdrücken.213 Interessant sind die Honorarordnungen für solche Gebiete, die nicht in erster Linie städtisch, sondern (auch) ländlich geprägt sind, wie dies in der Steiermark und in Tirol der Fall ist. Diese Honorarordnungen kennen eine breite Klaviatur von Kostendämpfungs­ maßnahmen,214 nämlich Fallbegrenzungen (ein maximaler Punktwert pro Fall und Quartal), Fallzahllimite (Kappung der Vergütung bestimmter Leistungen ab Erreichen einer festgelegten Anzahl dieser Leistungen) und fixierte Jahreshonorarsummen.215 Für die Arztgruppen werden nach Fachrichtung gestaffelte begrenzte Ausnahmen von den Fallzahlbegrenzungen vorgesehen. Dies bezieht sich auf die erste Leistung pro Fall und Quartal, die mit einem zusätzlichen Punktwert vergütet wird, wobei Allgemeinmediziner einen höheren Punktwert erhalten als Fachärzte. Allerdings erfolgt dabei keine Differenzierung zwischen Stadt und Land, so dass die Tätigkeit als Allgemeinmediziner selbst besonders honoriert wird, unabhängig vom Ort der Leistungserbringung. Zudem wird die Erstbehandlung im Quartal durch Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie besser vergütet als die Erstleistung der Allgemeinmediziner.216 Ärztliche Hausbesuche werden durch Kilometerpauschalen und Inanspruchnahmezuschläge zusätzlich vergütet und somit attraktiv gemacht. Auch dies gilt 212 Vgl.

schon oben, Teil 2, Kap. 4, B. II. 2. h) bb) (2). in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (584 f.). 214 Sie finden ihre gesetzliche Grundlage in § 342 Abs. 2 ASVG, zur Zulässigkeit der Kostenbegrenzungen vgl. Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (586 f.). 215 Vgl. Abschnitt B I (Besondere Bestimmungen) der Honorarordnung für Tirol. 216 Vgl. zu alldem Abschnitt B I Nr. 7 der Honorarordnung für Tirol. 213 Selb/Schrammel,

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aber für Stadt und Land, mit Ausnahme einer besonderen Erschwerniszulage für schlecht befahrbare Wege,217 sodass für das Land Tirol keine Differenzierung zwischen Land- und Stadtpraxen bei der Vergütung zu verzeichnen ist, die einen steuernden Einfluss auf das Niederlassungsverhalten der Ärzte entfalten könnte. Anders ist dies in der Steiermark, die voraussichtlich von einem möglichen Ärztemangel betroffen sein wird. Die Honorarordnung für dieses Gebiet sieht eine Erschwerniszulage für Landärzte vor. Ärzten, die ihren Sitz an bestimmten, festgelegten Orten haben, wird eine Zulage von 25 oder 50 % auf ihr Gesamthonorar gewährt, wobei bestimmte Leistungen nicht in das Gesamthonorar einbezogen werden, etwa Bereitschaftsdienste. Dies entspricht einer Ausformung der – mittlerweile gesetzlich wieder zugelassenen – Sicherstellungszuschläge in Deutschland. Zudem wird eine Art Umsatzgarantie für Praxen mit kleinem Patientenstamm etabliert. Diese sieht vor, dass 500 Fälle pro Quartal vergütet werden, auch wenn weniger Fälle behandelt wurden. Die Differenz wird mithin erstattet. Allerdings werden maximal 100 Fälle vergütet, die nicht behandelt wurden. Für jeden Differenzfall wird ein festgelegter Betrag gezahlt. Die KV in Deutschland sehen in ihren § 105 Abs. 1 SGB V umsetzenden Statuten ebenfalls solche Möglichkeiten vor (Umsatzgarantie). Die Sonderzulage ist jedoch daran gebunden, dass der Arzt mindestens 300 Fälle im Quartal behandelt und dass die Zahlung der Sonderzulage für diese Planstelle zwischen den Parteien des Gesamtvertrags vereinbart worden ist, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung der Umsatzgarantie in der Steiermark strenger sind als die der KV in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Auswahl der Planstelle richtet sich nach der verkehrsgeographischen Lage, der Entfernung zum nächstgelegenen Vertragsarzt und der Anzahl der in diesem abgeschiedenen Gebiet wohnenden Versicherten und deren Angehörigen.218 Die Erschwerniszulage ist auf Allgemeinmediziner beschränkt. Die Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versorgung in abgelegenen Gebieten erfolgt in der Steiermark mithin über bestimmte Vergütungsanreize, die auch dem deutschen Recht bekannt sind. IV. Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch Planstellenbewirtschaftung Die besondere Vergütung der Landärzte erfolgt zudem nur punktuell und deshalb nicht bundeseinheitlich, weshalb nicht von einer grundsätzlichen Tendenz der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mittels Vergütung gesprochen werden kann. Vielmehr kommt der Planstellenbewirtschaftung (Bedarfs­ planung) die Hauptrolle im Hinblick auf die Sicherstellung der flächendeckenden 217 Vgl. Abschnitt

B IV der Honorarordnung für Tirol. der Honorarordnung für die Steiermark.

218 Vgl. VIII. Nr. 2 Abs. 3

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vertragsärztlichen Versorgung zu, wie sich bereits aus § 338 Abs. 1 i. V. m. § 342 Abs. 1 Nr. 1 ASVG219 ergibt. Es ist Aufgabe des Gesamtvertrags, die Möglich­ keit der Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistungen sicherzustellen, § 338 Abs. 2 ASVG. § 342 ASVG bestimmt den Inhalt der Gesamtverträge näher und stellt diesbezüglich auf die Bedarfsplanung ab, weshalb das Gesetz die Bedarfsplanung als zentrales Sicherstellungsinstrument vorsieht. Dabei wirkt die Planstellenfestlegung auf zwei Wegen. Zunächst erfolgt die Bestimmung des Bedarfs einvernehmlich durch die Partner des Gesamtvertrags anhand gesetzlich grob vorgegebener Maßstäbe, wobei auch die Morbiditätsstruktur der Bevölkerung sowie die freie Arztwahl Berücksichtigung finden. Dadurch wird den Bedürfnissen der Versicherten stärker Rechnung getragen als im bis 2012 geltenden deutschen System der Bedarfsplanung. Dies gibt den Vertragspartnern die Möglichkeit, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und eine bedarfs­gerechte Versorgung sicherzustellen. Darüber hinaus werden die Planstellen regelmäßig überprüft und können auch außerplanmäßig einvernehmlich geändert werden. Dies führt zu einer stärkeren Flexibilität der Vertragspartner und zu einer kürzeren Reaktionszeit auf bestehenden tatsächlichen Bedarf. Auffällig ist allerdings, dass die österreichische Bedarfsplanung keine sanktionsähnlichen Mechanismen vorsieht. Die Sperrung eventuell überversorgter Gebiete entsprechend § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V kennt das österreichische Gesundheitsrecht nicht.

219

§ 338 ASVG hat folgenden Wortlaut: Abs. 1: Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände zu den freiberuflich tätigen Ärzten, Dentisten, Hebammen, Apothekern und anderen Vertragspartnern werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt. (…). Abs. 2: Durch die Verträge nach Abs. 1 ist die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. (…) § 342 Abs. 1 ASVG hat folgenden Wortlaut: Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln: 1. die Festsetzung der Zahl der Vertragsärzte, und zwar bei den zur Praxisausübung in Österreich berechtigten Ärzten (Zahnärzten) unterteilt nach örtlichen Sprengeln, die derart festzusetzen sind, daß unter Berücksichtigung der örtlichen und Verkehrsverhältnisse die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Behandlung gesichert ist; in der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten freigestellt sein; (…).

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V. Das Selektivvertragssystem als Schlüssel für eine bedarfsgerechte Verteilung der Ärzte Dass dem österreichischen Gesundheitsrecht im Rahmen der Planstellenbewirtschaftung die Verhängung von Zulassungssperren fremd ist, ist m. E. neben dem großen Arztpool, auf den die GKV zurückgreifen kann, darauf zurückzuführen, dass die Hürden für den Marktzugang für niederlassungswillige Ärzte in Österreich höher sind als in Deutschland. Dies liegt am Selektivvertragssystem, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass kein Anspruch der Ärzte auf Abschluss eines Individualvertrags und somit auf Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung besteht.220 Auf diese Weise werden tatsächlich nur die ausgewiesenen freien Vertragsarztstellen besetzt, es kommt nicht zur Überversorgung bestimmter Gebiete. Durch die Festlegung genauer Zahlen und den Verzicht auf einen Puffer, den das deutsche System kennt,221 wird ein enger Markt mit starren Grenzen geschaffen, sodass der Arzt, sofern er als Vertragsarzt tätig werden möchte, sich auf jede freie Stelle bewerben muss, um seine Chancen zu vergrößern.222 Das System der österreichischen Planstellenbewirtschaftung und Individualverträge verhindert Ausweichbewegungen der Ärzte: Es kann sich keine Überversorgung aufbauen, deren Beseitigung später erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Auf diese Weise erfolgt eine der Bedarfsplanung entsprechende Niederlassung der Ärzte ohne ungewollte Konzentration in attraktiven Gebieten zu Lasten abgelegener Regionen, was gegenüber dem deutschen System einen interessanten Unterschied darstellt. Die Niederlassungschancen der Ärzte sind deshalb sehr begrenzt. Zugleich ist in Österreich nach Information der ÖÄK für die Fachärzte folgende Praxis etabliert: Bevor sich ein Facharzt in einer (finanziell) attraktiven Region niederlassen darf, etwa einer Großstadt oder deren näheren Umgebung, muss er seine Ordination zunächst im ländlichen Raum haben und hat erst nach einer gewissen Zeit eine realistische Aussicht, bei der Vergabe einer Planstelle in der Stadt berücksichtigt zu werden. Diese Möglichkeit wurde bereits für das deutsche Recht vorgestellt.223 Gleichzeitig bekommen die Sozialversicherungsträger am Verhandlungstisch eine bedeutendere Stellung als dies in Deutschland der Fall ist. Die Möglichkeit des Hauptverbandes, bei der Festlegung der Vertragsarztsitze mitzubestimmen, 220 Vgl. nochmals Kopetzki, in: Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg.), Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung, S. 31 (32). 221 Eine Überversorgung mit der Folge der Zulassungssperre gem. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V ist erst dann zu verzeichnen, wenn der ausgewiesene Versorgungsgrad um 10 % überschritten wird, vgl. § 14 Bedarfsplanungs-RL. 222 Rechtlich ist dies zulässig, gem. § 45 Abs. 1, 2 ÄrzteG haben Ärzte das Recht, ihren Beruf im gesamten Bundesgebiet auszuüben, wobei ein Arzt maximal zwei Berufssitze haben darf, § 45 Abs. 3 ÄrzteG. Das ÄrzteG beschränkt den Vertragsarzt dabei nicht in der Wahl seines Wohnortes, da eine Residenzpflichtregelung, die dem § 24 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV a. F. entspricht, nicht existiert. 223 Vgl. oben, Teil 3, Kap. 1, A. IV.

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impliziert, dass auch die Finanzierbarkeit des vertragsärztlichen Systems einen hohen Stellenwert erhält und als Korrektiv zur Interessenvertretung der Ärzte wirkt, die durch die Ärztekammern wahrgenommen wird. Da die Sozialversicherungs­ träger aber nicht nur die Finanzierbarkeit des Systems, sondern auch auf die ausreichende Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen gewährleisten sollen, soll durch die Interessenkonfrontation bei der Festlegung der Anzahl der Planstellen ein Ausgleich zwischen Finanzierung und Versorgung hergestellt werden. Dieser Modus wird jedoch teilweise kritisch gesehen.224 Dadurch wird zwar kein Instrument geschaffen, das die Vertragsärzte unmittelbar in die weniger attraktiven Regionen verteilt, da keine Pflicht zum Abschluss eines Einzelvertrags besteht. Jedoch sind die Chancen groß, dass mittelbar eine Besetzung der Planstellen erreicht wird, die in strukturschwachen Regionen liegen, wenn die Planstellen in attraktiven Regionen bereits besetzt sind.225 Nach Information der ÖÄK bewerben sich auch in den ländlichen Gebieten bis zu 20 Ärzte auf eine freie Planstelle. Letztlich wird das Angebot an Vertragsarztstellen so knapp wie nötig gehalten, ohne dass Ausnahmen vorgesehen werden. Gleichzeitig besteht eine hohe Nachfrage nach den freien Planstellen, da nur sie die selbständige Tätigkeit in eigener Praxis und im „sicheren Schoß“ der Gesetz­ lichen Krankenversicherung bedeuten. Die Tätigkeit als Wahlarzt ist gegenüber der vertragsärztlichen Tätigkeit ökonomisch defizitär, sodass diese Option nur nachrangig gezogen wird, wenn kein Selektivvertrag mit einem Sozialversicherungsträger zustande kommt. Auf diese Weise wird aber nicht verhindert, dass Ärzte ins Ausland abwandern oder in anderen Sektoren in Österreich arbeiten. Ist die ländliche Region nicht attrak­tiv genug, wird sich auch der niederlassungswillige Vertragsarzt in Österreich überlegen, ob er in einem abgelegenen Gebiet tätig wird. Allerdings ist festzuhalten, dass durch die große Nachfrage der Ärzte und das demgegenüber geringe Angebot an freien Planstellen die niederlassungswilligen Ärzte gezwungen sind, jede sich bietende Chance gleichsam als Sprungbrett für eine spätere Ordination in einer größeren Stadt zu ergreifen, wovon auch die abgelegenen Gebiete profitieren können. Begünstigt wird dies durch die im Vergleich zu Deutschland kleine Fläche Österreichs und eine geringere Bevölkerungszahl. All dies gewinnt an Effektivität, da der Arzt kein subjektives Recht auf Zu­ lassung zum Vertragsarztmarkt hat, weil die Einzelverträge privatrechtlicher Natur sind. Dadurch hat der einzelne Arzt keine wehrhafte Position, die durchsetzbar wäre. Er kann allein die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben bei der Auswahl des Vertragsarztes überprüfen lassen. Das ist im Vergleich zum deutschen Sys 224 Nach Ansicht von Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (577) liegt der Verdacht nahe, dass die Festlegung der Plan­ stellen in erster Linie dem Schutz der Vertragsärzte vor unerwünschter Konkurrenz diene. 225 Vgl. auch Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, S. 551 (577).

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tem eine unbefriedigende Situation für den niederlassungswilligen Arzt, da dort ein Anspruch auf Zulassung besteht, sofern die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung der Vertragsärzte ist somit das entscheidende Nadelöhr, das durch strikte Festlegung (und somit Kontingentierung) der Planstellen ein schlagkräftiges Instrument der Niederlassungslenkung darstellt. Denn anders als im deutschen System bestehen kaum Ausweichmöglichkeiten der niederlassungswilligen Ärzte in andere Regionen, so dass die Chance, auch abgelegene Gebiete vertragsärztlich zu versorgen, größer ist als nach dem deutschen Modell der Bedarfsplanung.

D. Anwendbarkeit auf das deutsche System Können diese Aspekte des österreichischen Vertragsarztsystems in das deutsche Recht der GKV übernommen werden? Dafür müssten einige Schrauben im deutschen Gesundheitsrecht neu eingestellt werden. Dabei ist es m. E. nicht entscheidend, welche Rechtsform Gesamtvertrag und Einzelvertrag haben und ob es von Vorteil ist, ob der Hauptteil des Vertragsarztrechts durch den Gesetzgeber oder durch Verträge zwischen den beteiligten Interessengruppen geregelt wird.226 Vielmehr geht es um die Fragen, ob der Themenkomplex der Bedarfsplanung, insbesondere die Überversorgung, befriedigend geregelt ist und ob die Ärzte bei Vorliegen bestimmter Kriterien einen Anspruch auf Niederlassung haben sollen. Beide Fragen hängen eng miteinander zusammen. I. Neuregelung der Bedarfsplanung in Deutschland? Ein zentrales Problemfeld im Hinblick auf die Sicherstellung der flächen­ deckenden vertragsärztlichen Versorgung ist in Deutschland das gleichzeitige Bestehen von Über- und Unterversorgung als Ausdruck einer unzureichenden Bedarfsplanung.227 Vor Inkrafttreten des GKV-VStG bildeten die Bedarfszahlen den tatsächlichen Bedarf nur bedingt ab, da die regionalen Besonderheiten (zersiedelte Gebiete, schlechte Verkehrswege) und die Morbidität keine tragenden Kriterien für die Festlegung der Vertragsarztstellen waren.228 Dies hat der Gesetzgeber erkannt und einen entsprechende Auftrag an den GBA erteilt, die Planungsberei 226 Zumindest die Festlegung des Bedarfszahlen und daraus folgend der Anzahl der Vertragsarztsitze jedoch wird bei einer unbeteiligten Stelle besser aufgehoben sein, die kein Interessenvertreter der Ärzte ist, um sachfremde Entscheidungsgründe von vornherein auszuschließen. Ansonsten bestünde der Anlass für den Verdacht, dass die Ärzte vor Konkurrenz geschützt werden sollen, vgl. dazu Selb/Schrammel, in: Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozial­versicherungsrechts, S. 551 (577). 227 Vgl. schon Klose/Uhlemann, GGW 6/2006, 7 (12 f.). 228 Klose/Uhlemann, GGW 6/2006, 7 (11 ff.).

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che so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung gewährleistet wird, § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V. Aber selbst wenn regionale Spezifika und die Morbidität der Versicherten in die Bedarfsplanung einbezogen werden, verbleibt ein großer Problemkreis: die Möglichkeit einer über den Bedarf hinausgehenden Ver­sorgung, ohne dass es zur Sperrung des Planungsbereichs kommt. Der Abbau von Überversorgung stellt ein gravierendes Problem dar, da sich die Überversorgung durch den auf Art. 14 Abs. 1 GG basierenden Bestandsschutz der Vertragsarzt­praxis verfestigt. Aber diesem Aspekt bereits vorgelagert entsteht durch das Zusammenspiel von SGB V und Bedarfsplanungs-RL ein breiter Raum für Zulassungen, selbst wenn der Bedarf ausreichend (zu 100 %) gedeckt ist. Anders als in Österreich können bis zu 10 % mehr Vertragsärzte eines Fachgebiets in einem Planungsbereich zugelassen werden, als für eine optimale Versorgung notwendig wäre, ohne dass Zulassungssperren erfolgen. Für die Stadt Wien würde dies bedeuten, dass zusätzlich zu den 880 Allgemeinmedizinern, die in dem Gesamtvertrag zwischen der Österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger für die SVA vereinbart wurden, 88 weitere Allgemeinärzte tätig werden dürften, ohne dass die Stadt als überversorgt gelten würde. Der Vorteil des österreichischen Systems, dass Ausweichmöglichkeiten der Vertragsärzte versperrt werden, ist im deutschen System nicht verankert. Dies liegt auch an der Regelung SGB V, da § 101 Abs. 1 S. 3 SGB V einen breiten Puffer von 10 % vorsieht, den die Versorgungsdichte über dem Optimum liegen darf, bevor überhaupt das Vorliegen von Überversorgung anzunehmen ist. Diese Regelung stellt die Grundlage für Ausweichmöglichkeiten der Vertragsärzte dar. Die Anwendung des österreichischen Grundsatzes, dass allein die festgelegten Planstellen besetzt werden dürfen, würde für das deutsche Recht bedeuten, dass eine Überversorgung ab einem Versorgungsgrad von 100 % der vorgesehenen Stellen plus eine Stelle zu verzeichnen ist. Sobald sich ein Arzt zusätzlich in einem ausreichend zu (100 %) versorgten Planungsbereich niederlässt, müsste demnach der Planungsbereich als überversorgt gelten – mit der in § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V geregelten Folge der Sperrung des Zulassungsbereichs. Auf diese Weise würde der auch im österreichischen Gesundheitsrecht angestrebte Zustand viel effektiver verfolgt, dass keine Region zu Lasten eines anderen Gebietes über Bedarf versorgt wird. Jedoch sind dabei zwei Voraussetzungen vor dem Hintergrund aufzustellen, dass die Streichung des Puffers mit der demzufolge besseren Möglichkeit, Planungsbereiche gem. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V zu sperren, einen stärkeren Eingriff in die Berufsfreiheit der niederlassungswilligen Vertragsärzte bedeuten würde als bisher: Erstens müssten tatsächlicher Bedarf und die festgelegten Bedarfszahlen deckungsgleich sein, es muss somit Abstand von der bisherigen Regelungspraxis der Bedarfsplanungs-RL genommen und der tatsächliche Bedarf ermittelt werden. Dies bedeutet eine regionalspezifische Bedarfsplanung, die die Morbidität und

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regionale Besonderheiten berücksichtigt. Dabei müssen aber bundesweit vergleichbare Kriterien entwickelt und angewendet werden, damit die Bedarfsplanung einheitlich bleibt und nur regionalen Besonderheiten Rechnung trägt. Eine Differenzierung der Bedarfszahlen nach Bevölkerungsdichte und Raumstruktur genügt nicht, da in diesem Fall den Besonderheiten der betroffenen Gebiete nicht ausreichen Rechnung getragen werden würde. Nur die tatsächlich bedarfsgerechte Festlegung der Bedarfszahlen verhindert, dass der Vertragsarztmarkt des Planungsbereichs zu klein gehalten wird, ohne dass es den bislang vorgesehenen Puffer gibt. Denn die Sperrung eines Zulassungsbereichs als Berufswahlregelung kann nur dann vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein, wenn die Bedarfszahlen realitätsgerecht ermittelt werden.229 Ansonsten würde eine sachlich ungerechtfertigte Verknappung von Vertragsarztsitzen er­ folgen, die den niederlassungswilligen Arzt unberechtigt in seiner Berufsfreiheit beschränkt. Zweitens wären die Bedarfszahlen – ähnlich wie in Österreich zwischen den Parteien der Gesamtverträge vereinbart – in kurzen und regelmäßigen Abständen zu überprüfen und ggf. an die tatsächlichen Änderungen des Bedarfs anzupassen, damit die Vertragsarztstellen nicht zu knapp festgelegt werden. Ein steigender Bedarf aufgrund der demographischen Entwicklung einer Region oder des verstärkten Zuzugs etwa in städtische Gebiete muss sich deshalb auch in den Bedarfs­ zahlen widerspiegeln, damit die Bedarfsplanung sachgemäß und der Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt ist. Auf diese Weise würde eine dem tatsächlichen Bedarf entsprechende Verteilung der Vertragsärzte ermöglicht, da das Instrument der Zulassungssperre schneller eingriffe als bislang. Dabei müsste sichergestellt werden, dass die Zulassungssperren tatsächlich zum Einsatz kommen, mithin die Befugnis zur Sperrung von Zulassungsbereichen bei der richtigen Stelle verortet ist. Die bestehende Über­ versorgung in vielen Regionen Deutschlands230 gibt zu der Vermutung Anlass, dass dies bislang nicht der Fall ist. Dabei wäre die weitere Definition der Überversorgung verbunden mit der schnelleren Möglichkeit, Zulassungssperren zu verhängen, nur der erste Schritt, um eine bedarfsgerechte Verteilung der Vertragsärzte zu erreichen. Die vertrags­ ärztliche Versorgung selbst muss hinreichend attraktiv sein, um Ausweichmöglichkeiten in den stationären Sektor, die Forschung, Wirtschaft oder das Ausland möglichst auszuschließen. In erster Linie bedarf es einer Aufwertung der strukturschwachen Regionen. Jedoch würde auf diese Weise die Anzahl der verfügbaren Vertragsarztstellen reduziert, was die Bereitschaft der niederlassungswil­

229 Vgl. Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 28. Zum Kriterium der Sach­ gerechtigkeit, wenn auch vor dem Hintergrund des Leistungsrechts des menschenwürdigen Existenzminimums vgl. BVerfG NJW 2010, 505 (508, 511 f.). 230 Vgl. dazu Klose/Rehbein/Uhlemann, Ärzteatlas.

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ligen Ärzte steigern könnte, einen Vertragsarztsitz in unterversorgten Gebieten zu besetzen. In dieser Hinsicht kann das österreichische System – angepasst an die Voraussetzungen des deutschen Gesundheitsrechts – fruchtbar für neue Sicher­ stellungsinstrumente im Rahmen des Marktzugangs sein. Mit dem GKV-VStG hat der Gesetzgeber einen ersten Schritt unternommen, um bestehende Überversorgung abzubauen. Ab dem 01.01.2013 entscheidet der Zulassungsausschuss darüber, ob für einen Zulassungsbezirk, für den Zulassungssperren angeordnet worden sind, ein freigewordener Vertragsarztsitz nachbesetzt wird. Wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, kann der Zulassungsausschuss einen Nachbesetzungsantrag ablehnen. Dies gilt jedoch nicht für Antragssteller, die Ehegatte, Lebenspartner oder Kind bzw. an­ gestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes ist oder mit ihm die Praxis bisher gemeinsam betrieben hat, § 103 Abs. 3a S. 3 SGB V. Im Falle der Ablehnung hat die KBV dem Vertragsarzt eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen, § 103 Abs. 3a S. 8 SGB V. Durch dieses Instrument kann zwar gegen bestehende Überversorgung vor­ gegangen werden, wenn auch abzuwarten ist, inwiefern die Ausnahmeregelung des § 103 Abs. 3a S. 3 HS 2 SGB V die Effektivität dieses Instruments abschwächt. § 103 Abs. 3a S. 2 SGB V setzt jedoch an den bestehenden Zulassungssperren an, die ihrerseits eine Überversorgung voraussetzen. Ein strengeres Verständnis des Begriffs der Überversorgung ist deshalb nicht obsolet, sondern weiterhin bedenkenswert. II. Abschied vom Anspruch auf Zulassung? Wie dargelegt funktioniert der österreichische Ansatz des Selektivvertrags zwischen Sozialversicherungsträger und Arzt in der Weise, dass kein Kontrahierungs­ zwang, mithin kein Anspruch des Arztes auf Abschluss eines Einzelvertrags besteht. Verspricht dieser Ansatz Vorteile gegenüber dem bisherigen deutschen System? Das subjektiv-öffentliche Recht ermöglicht es dem Einzelnen, unabhängig von staatlichen Zugeständnissen, seinen Rechtskreis selbstbestimmt zu gestalten, kurzum: Das subjektive Recht verleiht seinem Träger „Rechtsmacht.“231 Einen bestehenden Anspruch aufzugeben ist deshalb grundsätzlich abzulehnen. Solange das öffentliche Interesse auch dadurch verfolgt werden kann, dass ein subjek­ tives Recht auf Zulassung besteht, ist dies vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip beizubehalten und gegenüber einer bloß verfahrensrechtlich abgesicherten Rechtsposition des Bewerbers vorzugswürdig.

231 Kraft,

in: Kluth/Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungsprozessrecht, S. 13 (24 f.).

3. Kap.: Sicherstellungsinstrumente in Österreich

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Allerdings sagt dies noch nichts über die Ausgestaltung des Anspruchs aus. Es ist nämlich dem Gesetzgeber überlassen, ob der bestehende Anspruch absolut oder nur unter bestimmten Bedingungen und Wechselwirkungen zum Tragen kommt, solange sich diese Anspruchsbeschränkungen auf sachliche Gründe stützen. Das deutsche Gesundheitsrecht belegt, dass der Anspruch auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zumindest für bestimmte Gebiete unter dem Vorbehalt der verfügbaren Kapazitäten steht, vgl. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V. Werden die Vertragsarztsitze durch eine engere Definition der Überversorgung und damit verbunden eine strengere Anwendung der Zulassungssperren gem. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V verknappt, so werden in attraktiven Regionen mehr Bewerber als verfügbare Plätze vorhanden sein. In diesem Fall besteht nur ein Anspruch auf ein sachgerechtes Auswahlverfahren, das sich an den österreichischen Reihungskriterien orientieren könnte. Darüber hinaus ist – angelehnt an die Zusage in Österreich, einen barrierefreien Zugang zur Praxis zu ermöglichen – wegen des häufig auch engen räumlichen Nebeneinanders von Über- und Unterversorgung an ein weiteres Kriterium zu denken, das besonders stark zu gewichten wäre: Die Zusage, eine Zweigpraxis in einem nahen, unterversorgten Planungsbereich zu eröffnen oder sich am Betrieb einer Rotationspraxis zu beteiligen, bis dieser Planungsbereich bedarfsgerecht versorgt ist. Auf diese Weise würde der umfassende Anspruch auf Zulassung sogar eventuell wieder aufleben, da es vom Einzelnen abhängt, ob er bestimmte Vorteile bzgl. der Auswahl in die Waagschale wirft. Um der verfassungsrechtlichen Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, ist als weiteres Auswahlkriterium darauf abzustellen, ob der Bewerber einen Ehepartner und/ oder Kinder hat, die ihren Wohnsitz bzw. Arbeits-/Ausbildungsplatz in dem Planungsbereich haben, in dem sich der Bewerber nieder­lassen möchte. Im Übrigen bestünde der Anspruch auf Zulassung nur in solchen Planungsbereichen, die noch nicht bedarfsgerecht versorgt sind und reduzierte sich andernfalls auf eine fehlerfreie Auswahl der Bewerber. Dies ist vor dem Hintergrund der bedarfsgerechten Verteilung der Vertragsärzte hinzunehmen, da die Sperrung eines Zulassungsbereichs noch nicht den vollständigen Ausschluss von der vertragsärztlichen Versorgung bedeutet. Vielmehr bestünde der Anspruch auf Zulassung zum Vertragsarzt weiter fort, nur eben nicht in dem gewünschten Planungsbereich, sondern in einem noch nicht gesperrten. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Versicherten und der Allgemein­ heit, eine bedarfsgerechte vertragsärztliche Versorgung in allen Regionen zu etablieren. Der Arzt ist darüber hinaus nicht gezwungen, als Vertragsarzt tätig zu werden. Ist die freie Arztstelle für ihn nicht attraktiv, so hat er die Möglichkeit, in anderen Sektoren tätig zu werden. Vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit der GKV wäre eine solch strenge Bedarfsplanung mithin ein verhältnismäßiger Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit. Das System des Selektivvertrags ist demgegenüber nicht vorzugswürdig, da es keine erkennbaren Vorteile mit sich bringt und der grundsätzliche Ausschluss

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Teil 3: Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung de lege ferenda

eines Anspruchs auf Zugang zum Vertragsarztmarkt vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit nicht erforderlich ist, da eine mildere und gleich geeignete Regelungstechnik ersichtlich ist.

E. Zusammenfassung Das Problem des „Landärztemangels“ in Österreich dringt erst langsam in das öffentliche Bewusstsein und wird bislang wenig wahrgenommen. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die vor Versorgungsengpässen in zehn bis fünfzehn Jahren warnen, weil Landarztpraxen nicht neu besetzt werden können. Das zeigt sich auch im österreichischen Gesundheitsrecht, das bislang kaum spezifische Instrumente entwickelt hat, um der sich abzeichnenden Veränderung der Versorgungsstruktur zu begegnen. Das österreichische Vertragsarztsystem wird nur begrenzt durch das ASVG gesteuert, vielmehr erfolgen die wesentlichen Regelungen durch Gesamtverträge zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und den Ärztekammern. Das österreichische Gesundheitssystem ist daher im starken Maße kooperativ ausgerichtet. Dabei ist eine Zergliederung des Gesamtvertragssystems zu verzeichnen. Die Gesamtverträge und das ÄrzteG machen kaum Aussagen über die Instrumente, die die vertragsärztliche Versorgung auch in abgelegenen Regionen sicherstellen sollen. Allerdings sieht die Honorarordnung für die Steiermark Erschwerniszulagen für Landärzte vor, die als Sicherstellungszuschläge und Umsatzgarantien bezeichnet werden können. Gesamtvertrag und ÄrzteG regeln die Ausschreibung der freien Stellen, die Möglichkeit des Arztes, seinen Berufssitz an zwei Orten zu haben und Kooperationsmöglichkeiten von Vertragsärzten. Die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung erfolgt in Österreich primär durch das System der Bedarfsplanung, das durch strenge Kontingentierung Ausweichmöglichkeiten der niederlassungswilligen Ärzte in attraktive Gebiete faktisch nicht zulässt. Sind die verfügbaren Stellen besetzt, bleibt den Bewerbern mit Wunsch nach einer eigenen Praxis nur die Wahl zwischen der Tätigkeit als Wahlarzt oder der Besetzung der offenen Planstelle, auch wenn diese in einem abgelegenen Gebiet verortet ist. Das österreichische System der Bedarfsplanung bietet interessante Ansätze für das deutsche Gesundheitsrecht, die sich auf die Definition der Überversorgung und die damit verbundene Verknappung der Vertragsarztsitze auf das bedarfsgerechte Maß beziehen. Durch ein engeres Verständnis des Begriffs der Überversorgung und die damit verbundene Möglichkeit, die Zulassungssperren gem. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V schneller als bislang zum Einsatz zu bringen, besteht die Chance, eine bedarfsgerechte Verteilung der Vertragsärzte besser als bislang zu erreichen. Das setzt jedoch voraus, dass die Bedarfszahlen dem tatsächlichen Bedarf

4. Kap.: Fazit

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entsprechen und in kurzen Abständen regelmäßig überprüft sowie ggf. dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Der Anspruch des Arztes auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist gegenüber dem österreichischen System des Selektivvertrags, das dem Arzt keinen Anspruch auf Vertragsschluss vermittelt, vorzugswürdig und deshalb beizubehalten. Bei verknappten Vertragsarztsitzen besteht jedoch kein Anspruch auf Zulassung in dem gewünschten Planungsbereich, sondern auf verfahrensfehlerfreie Auswahl anhand sachgerechter Kriterien, insbesondere der Zusage, eine Zweigpraxis in einem unterversorgten Planungsbereich zu betreiben oder sich am Betrieb einer Rotationspraxis zu beteiligen. Im Übrigen besteht der Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in den Zulassungsbereichen mit hinreichenden Kapazitäten fort.

4. Kapitel

Fazit Die hier vorgestellten Steuerungsinstrumente bieten im begrenzten Umfang verschiedene Möglichkeiten, um die Sicherstellung einer bedarfsgerechten vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Dabei wird es aufgrund der anhaltenden fehlenden Attraktivität der betroffenen Regionen verstärkt darauf ankommen, kreativ mit dem bestehenden Ärztemangel umzugehen und eine Versorgung bereitzustellen, die als bedarfsgerecht bezeichnet werden kann. Diese sind insbesondere in Fahrdiensten, neuen Modellen der Leistungserbringung (etwa in Rotationspraxen oder durch Telemedizin) und der Ausweitung der Leistungserbringer insbesondere durch eine verbesserte Ausbildung der Praxisassistentinnen zu erblicken. Dabei setzen auch diese Instrumente am bestehenden Gesundheitssystem an und nehmen die tatsächlichen Ursachen der (drohenden) Unterversorgung kaum in den Blick. Das Gesundheitsrecht ist zwangsläufig ein weitestgehend abgeschlossenes System, das auf seinen eigenen Regelungsgegenstand beschränkt ist und auf die tatsächlichen Veränderungen nur in den Grenzen seiner eigenen Systemlogik reagieren kann. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Gesundheitspolitik solche rechtlichen Maßnahmen zur Verfügung stellt, die einen Behelf bei anhaltender Strukturschwäche der Region darstellen können. Die tatsächliche Ursachenbeseitigung muss an der Infrastruktur und somit der Raumordnung, Wirtschafts- und Kulturpolitik ansetzen, um die Attraktivität der betroffenen Regionen zu steigern. Dies kann das Gesundheitsrecht nicht leisten, sondern nur die Auswirkungen auf das vertragsärztliche Versorgungssystem abzumildern versuchen. Die Hauptverantwortung auch für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung liegt daher faktisch – entgegen den sozialrechtlichen Regelungen – bei Kommunen und Ländern, da sie dafür verantwortlich sind, attraktive Rahmen­

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bedingungen für die Niederlassung bereitzustellen. Da die Kommunen speziell in den betroffenen Gebieten nur begrenzt über eigene Finanzaufkommen verfügen, haben strukturschwache Regionen bislang kaum Möglichkeiten, ihre Attraktivität zu erhöhen, zumal durch eine anhaltende Abwanderung vor allem junger und gut ausgebildeter Personen in den neuen Bundesländern die Standortbedingungen dauerhaft erodieren. Durch die Abwanderung der Bevölkerung wird die Infrastruktur abgeschmolzen, was der Attraktivität der Region zusätzlich abträglich ist. Deshalb ziehen diese Regionen kaum neue Einwohner an. Es liegt deshalb die Vermutung nahe, dass verschiedene strukturschwache Regionen der neuen Bundesländer dauerhaft keine Möglichkeit haben werden, ihre Attraktivität zu steigern und so auch nicht Vertragsärzte dazu bewegen, sich dort niederzulassen. Die Aufgabe des Gesundheitsrechts kann deshalb nur darin bestehen, einen möglichst breiten Reaktionsrahmen zur Verfügung zu stellen, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich Vertragsärzte in den betroffenen Regionen niederlassen, bzw. demgegenüber nachrangig Mangelverwaltungsinstrumente zu etablieren, die die Unterversorgung abmildern. Ein wesentlicher Schritt dafür ist die grundsätz­ liche Neuausrichtung der Bedarfsplanung, die sich am tatsächlichen Bedarf ausrichten muss,232 weshalb Morbidität, Alters- und Regionalstruktur in die Festlegung der Bedarfszahlen einzugehen haben. Zudem ist es hilfreich, den Begriff der Überversorgung enger zu fassen und den 10 % – Puffer gem. § 14 Bedarfsplanungs-RL aufzugeben. Auf diese Weise würde eine bedarfsgerechte Versorgung ermöglicht, ohne dass sich Ärzte zu Lasten bestimmter Regionen in anderen Gebieten konzentrieren können. Dies setzt jedoch eine konsequente Anwendung der bestehenden Zulassungssperren bei Überversorgung voraus, was bislang nicht der Fall ist, wie die Versorgungssituation vielen Regionen Deutschlands belegt. Deshalb muss über eine Neuordnung der Zuständigkeit für die Zulassungsentscheidung nachgedacht werden, die bei der bisherigen Kooperation von Ärzten und Krankenkassen nicht richtig aufgehoben zu sein scheint. Ohne strengere Zulassungskontrollen wird die vertragsärztliche Versorgung der strukturstarken Regionen mit bedarfs­gerechter Versorgung oder gar Überversorgung weiterhin zu Lasten der Versorgung in den strukturschwachen Regionen gewährleistet. Ohne eine Neuausrichtung der Bedarfsplanung sowie eines stärkeren Bewusstseins, dass Überversorgung und Unterversorgung eng miteinander zusammenhängen, werden die bestehenden und diskutieren Sicherstellungsinstrumente kaum Wirkung zeigen können. Die nur begrenzte Auswirkung des Gesundheitsrechts auf das Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte wird durch eine unzureichende Bedarfsplanung und Zulassungspraxis noch weiter geschmälert.

232 Dazu

Flint, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, K § 105, Rn. 28.

Teil 4

Reformvorschläge Die Niederlassungsbereitschaft der Ärzte hängt nur in begrenztem Maß von den Faktoren ab, die das Gesundheitsrecht steuern kann. Das Gesundheitsrecht ist deshalb berufen, die vertragsärztliche Tätigkeit zu erleichtern und Konzepte zur Verfügung zu stellen, damit die Versicherten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben versorgt werden können.

A. Ausweitung der Leistungserbringer An erster Stelle steht dabei die Ausweitung der Leistungserbringer, da nur so auf die steigende Nachfrage nach medizinischen Leistungen reagiert werden kann. Dabei bieten sich die Ausweitung der Universitätskapazitäten an, ebenso das Anwerben ausländischer Ärzte mit hinreichenden Sprachkenntnissen. Bislang vom Gesetzgeber in weiten Bereichen vernachlässigt wurden die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen. Die verbesserte Ausbildung des nichtärztlichen Praxispersonals ist ein wesentlicher Schritt zur Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Leistung. Denn durch eine verbesserte Ausbildung, etwa ein Fachhochschulstudium, kann das nichtärztliche Personal mehr Aufgaben kraft eigener Qualifikation wahrnehmen und so die Leistung selbst erbringen und den Arzt zugleich entlasten. Zudem sind Synergieeffekte zwischen dem vertragsärzt­ lichen Bereich und dem Bereich der häuslichen Pflege erzielbar. Um ausländische Ärzte anzuwerben sind Maßnahmen der KV und Ärztekammern im Ausland erforderlich, die über das deutsche Gesundheitssystem informieren und die erforderlichen Sprachkenntnisse vermitteln.

B. Abbau und Verhinderung von Überversorgung Über- und Unterversorgung bestehen teilweise auch in enger räumlicher Nähe nebeneinander. Die Vertragsärzte konzentrieren sich in den überversorgten Planungsbereichen zu Lasten der unterversorgten Planungsbereiche. Die Überversorgung muss deshalb effektiv verhindert und abgebaut werden. Der Abbau bestehender Überversorgung kann durch ein Vorkaufsrecht der KV für zu veräußernde Vertragsarztsitze geschehen, das gleichbedeutend mit einem Veräußerungsverbot an andere Interessenten ist.

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Teil 4: Reformvorschläge

Die Verhinderung künftiger Überversorgung kann durch einen strengeren Maßstab für die Feststellung von Überversorgung gewährleistet werden. Wenn die Planungsbereiche grundsätzlich bei einem Versorgungsgrad von 100 % plus 1 Vertragsarzt als überversorgt gelten, greifen die Zulassungssperren effektiv ein und verhindern. Österreich praktiziert ein vergleichbares Modell mit Erfolg. Als Auswahlkriterien für die Zulassung kommen die Bereitschaft, eine Zweigpraxis in einem benachbarten/nahe gelegenen unterversorgten Planungsbereich zu betreiben, sich am Betrieb einer Rotationspraxis in einem benachbarten/nahe gelegenen Planungsbereich zu beteiligen und die bisherige Tätigkeit in einem unterversorgten Planungsbereich in Betracht.

C. Flexibilisierung des Berufsrechts Die Leistungserbringung muss erleichtert werden, insb. die Errichtung von Zweigpraxen und Kooperationsmöglichkeiten. Die Einrichtung von Praxisräumen durch die KV oder Gemeinden, die abwechselnd von verschiedenen Ärzten benutzt werden, ist eine realistische Möglichkeit, die vertragsärztliche Versorgung in strukturschwachen Regionen sicherzustellen, die dauerhaft unterversorgt sind. Als Gegenentwurf zu den MVZ bieten die Vernetzten Versorgungspraxen die vertragsärztliche Versorgung in der Fläche und sind deshalb förderungswürdig. Dafür bietet es sich an, den Einsatz von Telemedizin ausdrücklich berufsrechtlich zuzulassen und hinreichend zu vergüten, d. h. die telemedizinisch erbrachten Leistungen in den EBM aufzunehmen. Schließlich ist in besonderen Fällen vom Erfordernis des Vertragsarztsitzes Abstand zu nehmen und eine fahrende Praxis zuzulassen. Auf diese Weise kommt der Vertragsarzt zu den Versicherten, die nicht mehr mobil sind und sonst von einer vollwertigen vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wären.

D. Finanzielle Anreize Die Tätigkeit der sog. „Landärzte“ muss auch finanziell lukrativ sein. Dafür bieten sich schon im Studium und im Rahmen der Weiterbildung finanzielle Anreize an, etwa Stipendien für Studierende, die sich später als Hausarzt in einer unterversorgten Region niederlassen wollen oder Zuschläge für Weiterbildungsassistenten der Allgemeinmedizin, die die vergleichsweise schlechte Bezahlung dieser Weiterbildungsassistenten kompensieren. Zudem ist es sinnvoll, die Vertragsärzte, deren Fachrichtungen besonders stark nachgefragt werden, besser zu vergüten als andere Vertragsärzte.

Teil 4: Reformvorschläge

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E. Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes Die Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes ist geeignet, die Unterversorgung zu beseitigen und alle Versicherten an ambulanten ärztlichen Leistungen partizipieren zu lassen. Zumindest für solche Planungsbereiche, die dauerhaft unterversorgt sind und deren vertragsärztliche Versorgung sonst nicht sichergestellt ist, ist die Errichtung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes sinnvoll.

F. Finanzierungsregelungen § 105 Abs. 1a SGB V sieht vor, dass die Sicherstellungsfonds nicht aus dem Verwaltungsetat, sondern aus der Gesamtvergütung zu speisen sind.1 Den KV könnte aber auch ermöglicht werden, zur Beseitigung und Abwendung von (drohender) Unterversorgung einen landesgrenzüberschreitenden Fonds einzurichten, aus dem die Sicherstellungsbemühungen finanziert werden.

1 Kaltenborn/Völger,

GesR 2011, 129 (135).

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Sachwortverzeichnis Abiturnote  32, 235, 237 Abwehrrecht  74, 80, 87 AGNeS  193, 194, 329 allgemeine Grundrechtslehren  146 allgemeine Handlungsfreiheit  28, 80, 81, 83, 84, 89, 138, 153, 238, 251, 270 –– abwehrrechtliche Dimension  80, 84 allgemeiner Gleichheitssatz  88, 89, 170, 173, 187, 239, 251, 252, 267, 270 Allgemeinmedizin  123, 125, 264, 265, 266, 267, 284, 285, 286, 288, 289, 291, 306 Allgemeinwohl  133, 187 Altersgrenze  148, 149, 176, 241 Altersstruktur  31, 32, 38, 43, 44, 267, 316, 329 Altersstrukturentwicklung 32 Analogie 196 Anästhesist  44 Angehörige  249, 291, 293, 294 Angemessenheit 81, 83, 84, 85, 133, 216, 243 Angemessenheit von Beitrag und Leistung  81, 83, 84, 216 Anreizsysteme 246 Anspruch –– gesetzlich  76 –– verfassungsunmittelbar  76 Approbation  152, 219, 221, 248 Äquivalenz von Beitrag und Leistung  83, 89, 136, 138, 173 Äquivalenz von Rechten und Pflichten im Versicherungsverhältnis  80 Arbeitnehmerfreizügigkeit 245 Armut  75 Arztdichte  37, 41, 43, 279 Ärzte –– Verteilung  37, 49, 59, 173, 295 Ärztekammer 19, 23, 150, 180, 187, 194, 201, 246, 251, 278, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 294, 296, 298, 302, 305, 330

Ärztekammer-Beitrag 251 Ärztemangel  26, 28, 32, 165, 190, 203, 211, 234, 236, 254, 256, 278, 280, 293, 303, 312, 313, 316, 320, 328, 330 Ärzteschwemme  32, 41, 316 Ärzte-ZV  38 Arzthaftung  257, 258 Arzthaftungsrecht  222, 249, 257, 258, 311 Arztpraxen 125, 226, 241, 242, 250, 251, 263, 270, 330 Arztregister  106, 129, 178, 219 Arztvorbehalt  190, 191, 221, 222, 248, 250 Arztzahlentwicklung  31, 33 Assoziierungsverträge 151 ASVG  19, 35, 280, 281, 282, 284, 285, 286, 290, 292, 294, 302 Attraktivitätssteigerung  201, 202, 230, 251 Aufgabenverantwortung 110 Augenarzt  44 Ausbildung  22, 119, 123, 124, 203, 225, 238, 246, 248, 249, 259, 264, 265, 269, 288, 303, 305 Ausbildungsniveau  248, 249 Ausnahme- und Härtefallregelungen  244 Auswahlkriterien  235, 265, 286, 306 Autopoiese 207 BÄK  19, 31, 181, 182, 192, 235, 238, 260, 261, 268 Beamtenstatus 272 Bedarf  31, 38, 39, 40, 49, 58, 59, 76, 92, 95, 107, 118, 124, 129, 136, 154, 155, 156, 157, 162, 189, 199, 266, 267, 268, 269, 270, 294, 297, 298, 299, 302, 304 Bedarfsplan  42, 63, 92, 93, 95, 108, 117, 118, 158 Bedarfspläne  36, 107, 108, 116 Bedarfsplanung  19, 27, 35, 36, 37, 39, 40, 42, 57, 59, 60, 62, 63, 66, 67, 82, 95, 107, 115, 116, 117, 148, 151, 172, 176, 179, 184, 197, 204, 214, 217, 219, 221, 233,

332

Sachwortverzeichnis

241, 263, 268, 270, 285, 293, 294, 295, 297, 298, 299, 301, 302, 304, 309, 326, 328, 329 Bedarfsplanungsrichtlinie  19, 28, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 42, 48, 57, 62, 65, 67, 68, 83, 90, 91, 93, 95, 96, 98, 115, 116, 117, 179, 185, 285, 295, 298, 304 Bedarfszahlen  37, 39, 40, 48, 59, 67, 284, 297, 298, 299, 302, 304, 320 Behandlungsfehler 257 Behandlungsmonopol 190 Behandlungsstandard 249 Behandlungsverhältnis 99 Behandlungsvertrag  181, 182, 249, 257, 258, 261 Beiträge  26, 83, 85, 88, 111, 112, 113, 136, 198, 211, 212, 213, 217, 218, 220, 223, 252, 271, 317, 324 Beitragspflicht  28, 80 Beitragssatz  88, 252 Beitragssatzsteigerungen 269 Beitragssenkungen  81 Bereitschaftsdienste  231, 293 Berufsausübung  132, 133, 134, 135, 159, 202, 218, 225, 244, 272, 273, 278, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 291, 295 Berufsausübungsfreiheit  132, 251 Berufsausübungsgemeinschaft  181, 182, 292 Berufsausübungsregelung  133, 134, 137, 269 Berufsbild 250 Berufsfreiheit  111, 115, 116, 132, 133, 134, 135, 138, 139, 143, 144, 146, 152, 157, 165, 172, 186, 187, 190, 225, 238, 243, 244, 273, 274, 298, 299, 300, 301, 302, 309, 310, 316 Berufsgemeinschaft 180 Berufshaftpflicht  47 Berufsniederlassung  132, 133, 135 Berufsrecht 134, 135, 180, 186, 187, 219, 222, 228, 238, 275, 277, 306, 308 Berufswahl  132, 134, 135, 143, 144, 310 Berufswahlregelung  133, 137, 299 Beschränkung des Versorgungsauftrags  150 Besitzstandsklausel 178 Besitzstandswahrung 174 Bestandseinrichtungen 167 Bestandsschutz  166, 167, 298 Bestenauslese 239

Bevölkerungsdichte  36, 38, 59, 284, 299 Bevölkerungsimplosion 32 Bevölkerungsstruktur  67, 284, 285 Bewertungsausschuss  172, 175, 201 Bundesausschuss der Ärzte und Kranken­ kassen 92 Bundesmantelvertrag 20, 97, 98, 100, 103, 106 Bundesmantelvertrag-Ärzte  171, 201 Bundesmantelverträge  90, 98, 106, 191, 247 Code –– binärer  206, 210 Daseinsvorsorge  87, 213 Datenschutz  20, 259, 260, 261 Datenübermittlung  259, 260 Datenwahrheit 260 Definition 34 Delegation 191, 192, 193, 194, 198, 201, 203, 219, 221, 232, 246, 247, 248, 249, 270, 305, 308, 309, 312, 325 Demographie  95, 328 Demographiefaktor 96 demographischer Wandel  32, 46, 49, 255 Deutsche Krankenhausgesellschaft  36, 105, 108 Dienstleistungen von allgemeinem Interesse  214 Dienstleistungsfunktion  118, 197 Dienstleistungsgesellschaften 106 DRG 227 drittschützende Wirkung  163 Drittwiderspruch 186 EDV  20, 262 Eigeneinrichtungen  100, 126, 127, 128, 129, 166, 167, 168, 195, 197, 199, 223, 228, 272, 275, 276, 277 Eigenhaftung 249 Eingriff –– faktischer 273 Eingriffsqualität 135 einheitlicher Bewertungsmaßstab  170 Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers  132 elektronische Signatur  261 Entgeltregulierung 213

Sachwortverzeichnis Entlastende Versorgungsassistentinnen  194 Entschließungsermessen 131 Ermächtigung  38, 91, 95, 97, 108, 109, 125, 128, 142, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 183, 197, 200, 219, 220, 228, 276 Ermächtigungsgrundlage  117, 127, 128, 139, 142, 143, 144, 154 Ermessensspielraum  155, 162, 200 Erschwerniszulage 293 Euro-Gebührenordnung  169, 172 Europäische Union  19, 225, 245, 316 evidence based medicine  227 Existenzgründerseminare 125 Existenzminimum  28, 69, 70, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 84, 87, 89, 138, 173, 270, 299, 308, 317, 320, 322, 324, 326 –– medizinisches  78, 87, 270 –– menschenwürdiges 69, 89 Experimentierklausel 277 Facharzt  37, 38, 39, 44, 49, 67, 95, 160, 204, 243, 248, 265, 266, 267, 284, 285, 291, 292, 295 Facharztgruppe  94, 121 Facharztweiterbildung  124, 267 Fachhochschulstudium  248, 249, 305 Fachwissenschaftler der Medizin  97 Fahrdienste  254, 268, 269, 270 Fallbegrenzungen 292 Fallzahlenbegrenzungen  169, 170 Fallzahllimite 292 Famulatur 125 Fernbehandlung  256, 257 –– ausschließliche  256, 257 Feststellungsbeschluss 141 Filialpraxen  250, 254, 255, 256 finale Beschränkung  134 Financier  166, 224 finanzielle Anreize  91, 119, 120, 123, 131, 170, 197, 201, 202, 223, 225, 232, 241, 251, 306 Föderalismus  71, 277, 315 Fortsetzungsklausel 253 freie Arztwahl  34, 167, 195, 285, 291, 294 freie Berufe –– Leitbild 225 freier Markt  111, 112

333

Freiheitsbeeinträchtigung 136 Freiheitsbegriff  70, 74 Freiheitssphäre  87 Freizügigkeitsrecht 244 Fremdbesitzverbot  215, 227 funktionale Selbstverwaltung  110 GBA  36, 37, 38, 51, 55, 57, 60, 63, 67, 88, 90, 91, 96, 102, 104, 105, 106, 108, 109, 112, 259, 285, 297 –– demokratische Legitimation  109 Gebiete –– strukturschwache 25, 26, 33, 82, 126, 239, 266 gebundene Entscheidung  155 Gefahrenabwehr  86 Gefahrenquelle  86, 87 Gemeindeschwester 193 Gemeindeschwestern  193, 194 Gemeinschaftspraxis  180, 181, 253, 326 Gemeinschaftssteuern  71 Gemeinwohlbelang  133, 136, 244, 273 Gemeinwohlbezug  214, 228 Gemeinwohlzweck  115, 213 Gesamtvergütung 105, 106, 119, 125, 158, 161, 163, 174, 177, 196, 227, 269, 274, 307 Gesamtvertrag  106, 281, 284, 285, 286, 288, 291, 297, 298, 302 Gesamtverträge  100, 105, 106, 171, 172, 281, 282, 284, 290, 292, 294, 299, 302, 329 Gesellschaft –– alternde 33 Gesellschaftervertrag 253 Gesetzentwurf  53, 149, 150 Gesetzesvorbehalt  134, 244 Gesetzgeber  29, 43, 55, 70, 74, 76, 79, 80, 85, 88, 89, 109, 111, 112, 119, 130, 136, 137, 138, 140, 144, 146, 149, 168, 170, 173, 174, 184, 189, 196, 197, 201, 208, 226, 227, 244, 247, 275, 297, 300, 301, 305 –– Entscheidungsspielraum  79 –– Gestaltungsfreiheit  74, 86 Gestaltungsauftrag 69 Gesundheitsämter 271 Gesundheitsfonds  88 Gesundheitsinfrastruktur  79, 269, 272, 279 Gesundheitsleistungen 34

334

Sachwortverzeichnis

Gesundheitsmarkt 99, 100, 115, 166, 211, 219, 247 Gesundheitsversorgung –– Wirtschaftlichkeit 109 Gewinnstreben  225, 226, 227, 228 –– gemäßigtes 226 GKV –– Finanzierungsbedarf  81 –– Finanzierungsschwierigkeiten  84 GKV-VStG  21, 28, 37, 57, 65, 68, 119, 129, 131, 160, 168, 169, 170, 172, 177, 178, 179, 182, 188, 189, 190, 201, 226, 241, 262, 285, 297, 300 Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse  68, 70, 71, 72, 316, 321 Grundfreiheiten 247 Grundgesetz 21, 29, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 78, 79, 80, 88, 89, 111, 132, 139, 153, 207, 310, 311, 312, 314, 315, 319, 320, 322 Grundrecht auf Eigentum  240 Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit  75, 77, 79, 89 Grundrechte  27, 69, 72, 73, 74, 78, 85, 86, 87, 89, 100, 134, 135, 166, 207, 224, 243, 245, 251, 274, 308, 309, 313, 315, 318, 319, 321 –– Leistungsdimension  74 –– objektiv-rechtliche Vorgaben  85 –– soziale  73, 74, 321 –– subjektiv-rechtliche Vorgaben  85 Grundrechtsadressat  84 Grundrechtsausübung  77 Grundrechtsbeeinträchtigung  82, 112 Grundrechtsdimension –– abwehrrechtliche  74 Grundrechtseingriff  84, 147, 205, 273, 314 Grundrechtsgebrauch  77 Grundrechtsgewährung 100 Grundrechtsinterpretation  74, 75, 309 Grundrechtskollision 273 Grundrechtsträger  69, 74, 82, 84, 85, 86, 87, 209, 238, 239, 273 –– Leistungsanspruch  76 Grundrechtsverwirklichung 100 Grundrechtswahrung  27, 100 Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung 250

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit  146, 164 Gruppenuntersuchungen 57 Haftung  21, 249 Härteklausel 139 Hauptverband der Versicherungsträger  278, 281, 282 Hausarzt  28, 31, 37, 38, 44, 48, 52, 67, 95, 194, 253, 266 –– Lotsenfunktion  39 Hausarztapotheken 278 Hausärzte  33, 39, 44, 52, 58, 67, 123, 194, 204, 254, 267, 278, 330 hausärztliche Versorgung 38, 51, 67, 232, 253, 254 hausarztzentrierte Versorgung  28, 51, 52, 104, 316 Hausbesuche  33, 47, 82, 194, 254, 266, 292 Hautarzt  45 HNO-Arzt  45 Inanspruchnahmezuschläge 292 indirekte Verhaltenssteuerung  217, 223 informationelle Selbstbestimmung  261 informed consent  247 Infrastruktur  32, 43, 47, 88, 160, 230, 231, 236, 262, 292, 303, 304, 324 Institutsermächtigung  157, 161, 162, 164 Integrationsverträge  52, 53, 167 integrierte Versorgung  51, 52, 53, 104, 309, 313, 321 interdisziplinäre Behandlung  52 Investitionskosten  119, 126, 243 Investitionszuschüsse 119 Kammerbeitrag  188, 251 Kapazitätsgrenzen 236 Kartellrecht 277 Kaskadensystem 96 Kassenarztsitz 116 Kassenarzturteil 116 KBV  22, 31, 32, 63, 90, 97, 100, 101, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 117, 201, 242, 254, 260, 261, 268, 300, 328 Kilometerpauschalen 292 kollektiver Zulassungsverzicht  196, 274, 323 Kollektivverträge  100, 104, 198, 276

Sachwortverzeichnis Kommunen  26, 125, 129, 146, 165, 197, 223, 259, 303, 320 Kommunikationsbarriere 206 Kompetenzausübungsschranke  71 Konfliktlösungsregeln 145 Konkurrentenklage –– defensive  158, 163, 186 Konkurrenz –– staatliche 273 Konsiliarius 257 Kontingentierung  218, 220, 221, 297, 302 Kontinuitätsvertrauen –– Schutz 174 Kontrahierungszwang 300 Kontrolle  82, 170, 217, 221, 285, 316, 323 Kooperation  51, 78, 103, 104, 105, 107, 109, 115, 177, 178, 180, 181, 191, 198, 199, 201, 202, 204, 208, 215, 217, 222, 242, 253, 255, 268, 280, 291, 304, 323, 327, 330 Kooperationsformbeschränkung 215 Kooperationspraxis  253, 254, 255, 263, 264, 268 Kostenerstattung  105, 195, 278 Kosten-Nutzen-Analyse 230 Krankenhausplanung  56, 117 Krankenkassen  36, 51, 52, 54, 56, 57, 58, 61, 63, 64, 82, 88, 92, 96, 97, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 117, 119, 152, 164, 166, 167, 168, 169, 172, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 201, 203, 205, 223, 227, 228, 231, 242, 258, 268, 269, 271, 272, 274, 275, 276, 277, 282, 304, 308, 309, 310, 314, 316, 319, 321, 325 Krankenpflege  102, 157 Krankentransport  54, 102 KV  22, 36, 42, 63, 91, 93, 94, 95, 98, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 112, 113, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 137, 141, 142, 146, 158, 166, 167, 168, 172, 176, 183, 187, 194, 196, 197, 198, 199, 200, 203, 211, 216, 223, 226, 227, 228, 241, 242, 245, 246, 247, 251, 254, 255, 258, 262, 263, 264, 265, 266, 268, 269, 271, 272, 274, 276, 277, 278, 280, 283, 293, 305, 306, 307

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Länderfinanzaufkommen 274 Landesausschuss  67, 91, 92, 93, 94, 96, 98, 117, 130, 131, 138, 147, 152, 157, 161, 164, 170, 199, 200, 242 Landesausschuss der Ärzte und Kranken­ kassen 107 Landesausschüsse 57, 63, 91, 94, 96, 98, 105, 107, 129, 131, 137, 140, 141, 142, 198, 199, 258 Landeskrankenhausplanung 167 Landesverbände  54, 105, 108, 119, 172, 242, 275 Landesverbände der Krankenkassen  42, 63, 100, 106, 107, 116, 127, 200, 242 Lebenserwartung 279 Legaldefinition  91 Leistungs- und Teilhabefunktion der Grundrechte  73 Leistungsausschluss  81, 85 Leistungsausweitung  84, 170 Leistungserbringer  27, 35, 40, 42, 43, 52, 54, 58, 59, 60, 61, 64, 72, 82, 84, 96, 99, 100, 101, 103, 104, 105, 106, 110, 111, 112, 113, 115, 132, 134, 148, 149, 150, 166, 167, 175, 177, 178, 185, 190, 195, 198, 201, 203, 205, 210, 211, 214, 215, 217, 220, 222, 224, 225, 230, 231, 232, 233, 245, 246, 248, 249, 255, 271, 273, 276, 277, 278, 303, 305, 308, 309, 325, 327 Leistungserbringung  55, 58, 65, 84, 99, 110, 129, 169, 173, 182, 190, 192, 194, 197, 203, 214, 215, 217, 222, 227, 229, 231, 246, 250, 257, 263, 271, 272, 292, 303, 306, 311, 317, 320, 322, 325 Leistungserbringungsverhältnis 99 Leistungskatalog  78, 81, 97, 113, 269 Leistungsprinzip 239 Leistungsrecht  63, 79, 87, 88 Leistungsrechte  69, 74, 85, 87 lex posterior  145 lex specialis  145 lex superior  145 Marktergebnisse  197, 212, 224, 229 Marktordnung 211 Marktregeln –– allgemeine 111 Marktverhalten  222, 223

336

Sachwortverzeichnis

Marktverhaltenskontrolle  219, 232, 234, 250, 251, 270 Marktversagen  136, 211 Marktzugang  159, 218, 222, 295 Marktzugangsbeschränkungen 203 Marktzugangskontrolle  29, 218, 219, 223 Maß des Notwendigen  58, 60, 61, 62, 226, 288 Mehrfachuntersuchungen  246, 254, 267 Menschenwürde  75, 208, 320, 325 menschenwürdiges Dasein  70, 76 Mindestmengen  55, 323 mobile Arztpraxen  263 Mobile Praxisassistentinnen  193 Mobilität  39, 82, 204, 229 Modellklausel 249 Modellvorhaben  104, 190, 191, 193, 194, 255 Monopol –– ärztliches 248 Morbidität  67, 95, 117, 285, 297, 298, 304 Morbiditätsgrad  39 Morbiditätsstruktur  40, 58, 59, 169, 294 Multimorbidität 33 MVZ  22, 121, 148, 167, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 228, 231, 255, 306 Nachfrage  33, 46, 58, 112, 229, 296, 305 Nebenbetriebsstätten  125, 179 Nebentätigkeiten  189, 219 Nervenarzt  45 Netzzugangsregulierung 213 neue Bundesländer  31, 46, 304 Neue Verwaltungsrechtswissenschaft  209 Nichtdiskriminierung 153 Niederlassung  27, 32, 47, 48, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 126, 127, 129, 135, 137, 139, 146, 160, 163, 168, 172, 175, 176, 179, 181, 184, 188, 196, 202, 222, 223, 226, 229, 230, 231, 238, 239, 242, 245, 246, 252, 266, 268, 295, 297, 304, 312, 313, 328 Niederlassungsfreiheit 131, 132, 134, 137, 244, 245 Niederlassungssteuerung  171, 173, 201, 236, 237 Normkonflikt  140, 141, 143, 145, 146, 147, 164 Normrang  147, 226

Normsetzungskompetenz 109 Normsetzungsorgan –– exekutives 109 Notdienst  47, 102, 187, 230, 251, 252 Notfallversorgung  121, 252 Numerus Clausus  234, 235, 236, 239, 270, 279 Nurse Practitioners  249, 329 öffentlicher Gesundheitsdienst  110, 271, 272, 273, 274, 277, 307 öffentliches Wirtschaftsrecht 29, 99, 165, 204, 209, 210, 217, 222, 223, 224, 232, 267, 270, 283, 287, 322 Ordnungszweck 213 Organisationsgemeinschaft 180 Orientierungswerte  40, 142, 171, 172, 173, 175, 201 Österreich 19, 20, 23, 243, 246, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 285, 294, 295, 296, 298, 299, 301, 302, 306 Parlamentsgesetz  209, 321 Patientendaten  255, 259, 260, 261 Pflege  250, 262, 305, 310 Pflichtverletzung  249, 257 Pflichtversicherung 65, 80, 83, 84, 85, 89, 90, 136, 216, 278 Pflichtversicherungssystem  80, 83, 138 Pflichtzuweisung  243, 244, 245, 246, 273 planbare stationäre Leistungen  55 Planstellenbewirtschaftung  285, 293, 295 Planungsbereich  27, 38, 39, 43, 44, 45, 46, 67, 82, 90, 91, 92, 93, 96, 110, 119, 123, 127, 130, 131, 133, 135, 146, 147, 152, 157, 160, 162, 168, 169, 170, 171, 173, 174, 175, 177, 179, 183, 184, 185, 186, 189, 196, 200, 202, 203, 220, 221, 223, 233, 234, 237, 238, 239, 241, 242, 244, 251, 252, 263, 266, 274, 298, 299, 301, 303, 305, 306 Planungsbereiche  37, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 57, 67, 82, 91, 133, 134, 137, 138, 164, 172, 179, 180, 184, 186, 200, 242, 273, 298, 305, 306, 307 Prävention  56, 271 Präventionskurse 205 präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt  218

Sachwortverzeichnis Praxisassistentin  193, 194, 248, 303 Praxisnachfolge  147, 175, 176 Praxissitz  35, 126, 181, 182, 187, 188, 263 Preisdumping 54 Primärversorgung  31, 253 Priorisierung  236, 267, 326 private Vorsorge  77 Prüfungsmaßstab  132, 136 Punktwert  172, 174, 292 Radiologe  46 Rationierungslast 227 Raumordnung  70, 117, 179, 231, 279, 303 Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit  75, 86, 89, 138 Rechtsanspruch  74 Rechtsetzung  208, 209, 210, 322 Rechtsfähigkeit 109 Rechtsfolgenanordnung 204 Rechtsstaatsprinzip  174, 300 Regelleistungsvolumina  169, 171, 174 Regelungslücke 196 Regulierung 27, 114, 175, 212, 213, 214, 215, 219, 249, 309, 311, 317, 321, 324, 327 repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt  218, 220 Residenzpflicht  139, 182, 188, 272 Rettungsdienst  54, 55, 82 Rotation  250, 251, 253, 254 Rotationsmodell 263 Rückwirkung –– echte 174 –– unechte 174 Sachleistungsprinzip  64, 68, 90, 99, 110, 195, 198, 231, 232, 271, 278, 312 Schutz von Ehe und Familie  243 Schutzpflichten  85, 86, 87, 311, 315 Schweigepflicht –– ärztliche 259 Schweiz  41, 245, 263, 330 Selbständigkeit  71, 228, 231 Selbstregulierung 212 Selbstverwaltung  99, 109, 110, 128, 212, 217, 251, 276, 313, 317, 321, 323 Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts  99

337

Selektivverträge  52, 100, 104, 277, 283, 308 Sicherstellungsauftrag  54, 64, 101, 102, 103, 104, 128, 166, 168, 194, 195, 196, 197, 199, 216, 241, 262, 271, 275, 319 –– allgemeiner  101, 103, 106 –– besonderer 103 Sicherstellungsfonds  19, 121, 127, 226, 262, 268, 269, 307 Sicherstellungszuschläge  91, 120, 170, 293, 302, 329 Solidargemeinschaft  83 Solidarprinzip  89 Sonderzulage 293 Sorgfaltsmaßstab  257, 258, 259, 262 soziale Leistungen –– Anspruch auf  65 soziale Marktwirtschaft  114 Sozialstaat  27, 69, 70, 75, 77, 78, 80, 81, 85, 86, 87, 100, 136, 314, 315 Sozialstaatsprinzip  28, 68, 69, 70, 72, 73, 75, 79, 80, 81, 89, 115, 137, 138, 274, 316 Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA)  282 Spitzenverband Bund  36, 90, 97, 105, 108, 201 Sprachkenntnisse  247, 305 Sprechstunden  97, 119, 183, 188, 189 Staatsangehörigkeit 152 Staatszielbestimmung 71 Standesethos 227 stationäre Versorgung  55, 56 status negativus  72 status positivus  72 Stellenplan  117, 284, 285, 286, 291 Stellenpläne  35 Steuerung  29, 105, 106, 137, 168, 172, 204, 205, 206, 210, 211, 212, 215, 216, 217, 220, 222, 224, 232, 278, 281, 283, 284, 285, 287, 295, 309, 311, 318, 319, 322, 326, 329 Steuerungsadressat 209 Steuerungsbegriff  204, 210, 211, 212, 215 Steuerungsinstrumente 34, 109, 110, 113, 216, 217, 224, 303, 313, 319, 323, 325 Steuerungspotential des Rechts  205 Steuerungsskepsis  207, 208 Steuerungswirkung  172, 209, 210 Stillhalte-Gebot 137

338

Sachwortverzeichnis

Stipendien 119, 123, 124, 126, 265, 270, 306 Stipendienprogramm  123, 124, 328 Stipendium  124, 165, 265, 328 strukturelle Kopplung  206 Strukturfonds  119, 124, 251 Strukturprinzip  64, 104 Strukturschwäche  120, 173, 244, 255, 303 Studienkapazitäten 236 subjektives Recht  76, 85, 296, 300 Substitution 193, 194, 247, 248, 249, 250, 270, 305, 308, 309 Systemtheorie  205, 206, 207, 208, 209, 210, 315, 318 Systemtreue 217 Teilhabe und Leistung  79 Telemedizin 250, 251, 255, 256, 257, 258, 260, 262, 270, 303, 306, 311, 321, 323, 324, 326 Tiebout-Modell  229, 230 TRANSAGE  255, 330 transzendentale Rechtsgüter  77 Übergang des Sicherstellungsauftrags 166, 194, 195, 196, 274, 276 Übergangsregelung  171, 175, 249 Übermaßverbot  112, 317 Überversorgung  19, 27, 34, 35, 36, 37, 42, 43, 44, 49, 61, 62, 63, 66, 67, 107, 115, 130, 131, 133, 139, 171, 174, 175, 185, 221, 240, 241, 242, 295, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 304, 305, 306 ultima ratio  130, 137, 142, 144, 146, 244 Umsatzgarantien 120, 121, 122, 293, 302, 312 Umsatzsteigerung  170, 188, 252 Umweltprämie 207 Ungleichbehandlung  88, 170, 173, 175, 239, 252, 267 Unionsbürger 153 Universaldienstleistung 213 Universitätskapazitäten  236, 305 Untermaßverbot  87, 89 Unterversorgung  19, 25, 26, 28, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46, 48, 57, 62, 63, 66, 67, 68, 82, 83, 85, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 107, 108, 112, 115,

117, 118, 119, 120, 123, 126, 128, 129, 130, 131, 135, 136, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 159, 160, 161, 162, 164, 167, 168, 169, 170, 171, 175, 177, 179, 181, 184, 185, 186, 188, 195, 196, 198, 199, 211, 217, 219, 220, 221, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 238, 254, 258, 265, 269, 270, 274, 275, 277, 279, 297, 301, 303, 304, 305, 307 Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung  80, 81 venire contra factum proprium  80 Veräußerungsverbot  240, 305 Vereinbarkeit von Familie und Beruf  150 Verfassung  24, 70, 71, 72, 73, 74, 76, 89, 90, 111, 135, 138, 144, 309, 314, 315 –– subjektiv-rechtliche Vorgaben  72 Verfassungsauftrag  70, 71, 72 Verfassungsinterpretation 68 Verfassungsrecht –– objektiv-rechtliche Vorgaben  68 –– subjektiv-rechtliche Vorgaben  68 Vergaberecht  52, 148, 277, 309, 316, 319 Vergütungsanreize  137, 168, 170, 172, 173, 177, 202, 226, 233, 266, 267, 268, 293 Vergütungsregelung 119 Verhaltenslenkung 141 Verhaltenssteuerung  129, 131, 198, 217, 218, 222, 223, 264 –– direkte 218 Verhältnismäßigkeit 61, 84, 85, 132, 133, 146, 164, 245, 249 Verhältnismäßigkeitsprinzip 225 Verhältniszahlen  36, 37, 38, 39, 40, 49, 96, 116, 220, 221, 244 Vermarktlichung des Gesundheitssektors  113 vernetzte Praxen  261 vernetzte Versorgungspraxen  255 Vernetzung 255 Verordnungsermächtigung  92, 143, 144 Verordnungsgeber  143, 144, 287 Versicherungspflicht  65, 83, 84, 85, 88, 89, 115, 138, 216 –– Aufhebung  84

Sachwortverzeichnis Versicherungsprinzip  89 Versicherungsträger  88, 283, 284 Versorgung –– ausreichende  36, 60, 62, 63, 66, 68, 97, 136, 154, 155, 159, 184, 197, 223, 232, 267, 268, 290, 294, 296 –– bedarfsgerechte 28, 36, 37, 38, 58, 63, 66, 67, 68, 95, 117, 128, 160, 185, 233, 239, 241, 264, 274, 286, 290, 294, 304 –– gleichmäßige  59, 62, 66, 67, 188 –– wirtschaftliche 60 –– zweckmäßige  60, 61 Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis  194 Versorgungsauftrag  119, 150, 151, 167, 169, 183, 185, 189, 202, 222, 287, 290 Versorgungsbedarf –– erhöhter 96 Versorgungsdichte  37, 38, 41, 42, 43, 44, 45, 219, 298, 316 Versorgungsgrad 40, 42, 45, 66, 169, 172, 185, 221, 295, 298, 306 Versorgungslage  40, 64, 67, 93, 96, 110, 126, 128, 144, 158, 167, 168, 170, 179, 182, 184, 185, 193, 248, 258, 292 Versorgungslücken  93, 127, 149, 157, 280 Versorgungsmaximum  77 Versorgungsverträge  104, 276 Verteilungsmaßstab  169, 170 Vertragsarztgruppen  94 Vertragsarztrecht 23, 57, 68, 99, 100, 113, 273, 297, 324 Vertragsarztsitz  122, 128, 175, 176, 179, 182, 183, 188, 189, 263, 306 Vertrauensschutz  173, 267 Vertrauenstatbestand 174 Vertrauensverhältnis  34, 35 Verursacherprinzip 242 Volkskrankheit 52 Vollversicherung  77, 81 Vorabquote 234, 237, 238, 239, 240, 242, 270 Vorbehalt des Gesetzes  112 Vorkaufsrecht  241, 305 voting by feet  245 Wahl des Arbeitsplatzes  132, 135, 243 Wahlarzt  283, 296, 302

339

Wahlvolk 207 Wartezeiten  34, 35, 39, 40, 72, 82, 83, 184, 185, 187, 193, 203, 236, 237, 256 –– zumutbare  34, 35 Wegstrecke  35, 39, 184, 255 Wegstrecken  33, 35, 39, 48, 72, 79, 81, 180, 186, 203, 256 weisungsfreie Tätigkeit  129 Weiterbildung  66, 118, 123, 124, 126, 153, 155, 219, 220, 239, 247, 248, 249, 264, 265, 266, 282, 306 Weiterbildungsassistent 123 Wettbewerb 112, 113, 114, 165, 213, 214, 215, 217, 224, 229, 230, 237, 245, 272, 280, 312, 314, 318, 321, 323, 325, 327 Wettbewerbsverzerrung  163, 164, 166 Wettbewerbsvorteil  147, 160 WHO  41 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung  141 Wirtschaftlichkeitsgebot  58, 60, 62, 226 Wirtschaftsaufsicht –– proaktive 213 Wirtschaftslenkung  198, 211, 215, 217, 218, 223, 224, 225, 229, 232, 310 Wirtschaftspolitik  27, 112, 114, 231, 312 Wohnortnähe  34, 38, 81, 187 zahnärztliche Gruppenprophylaxe  51, 56 Zersiedelung  39 Zugang zu medizinischer Versorgung  78 Zulassung  93, 94, 106, 108, 116, 128, 130, 135, 137, 148, 150, 151, 152, 153, 157, 159, 176, 179, 180, 183, 185, 186, 195, 197, 200, 219, 220, 221, 228, 234, 235, 238, 239, 241, 242, 263, 266, 282, 296, 300, 301, 303, 306, 314, 315 Zulassungsausschuss  66, 91, 92, 93, 94, 97, 106, 107, 108, 129, 130, 131, 138, 147, 153, 155, 162, 183, 185, 188, 189, 200, 204, 271, 276, 300 Zulassungsbeschränkungen 57, 91, 92, 93, 94, 108, 129, 130, 131, 133, 137, 138, 139, 144, 145, 147, 166, 167, 172, 176, 221, 226, 244, 314 Zulassungsbezirk  91, 94, 108, 130, 136, 140, 143, 189, 204, 255

340

Sachwortverzeichnis

Zulassungssperre  94, 98, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 172, 176, 200, 202, 204, 220, 221, 226, 240, 243, 244, 273, 295, 298, 299, 300, 301, 302, 304, 306 Zulassungsverzicht –– kollektiver  166, 168

Zumutbarkeit  35, 39, 40, 82, 133, 184 zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf  37, 91, 92, 161, 170 Zwangszuweisung 243 Zweigniederlassung  185, 252 Zweigpraxis  95, 97, 98, 119, 177, 178, 182, 183, 186, 188, 251, 252, 292, 306, 327