Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln [1 ed.] 9783428554508, 9783428154500

»The Europeanisation of the Control of Price Adjustment Clauses in General Terms and Conditions«Although the GTC control

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Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln [1 ed.]
 9783428554508, 9783428154500

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Schriften zum Europäischen Recht Band 183

Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln

Von Lilian Gutkin

Duncker & Humblot · Berlin

LILIAN GUTKIN

Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 183

Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln

Von Lilian Gutkin

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15450-0 (Print) ISBN 978-3-428-55450-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85450-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum 14.06.2017 berücksichtigt. Der Abschluss des Werks gibt Anlass, mich von Herzen bei allen zu bedanken, die zu seinem Gelingen beigetragen haben. Mein Dank gilt in erster Linie meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Wolfgang Wurmest, LL.M. (Berkeley), der die Untersuchung angeregt hat. An seinem Lehrstuhl habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin eine äußerst lehrreiche Zeit und das denkbar beste Umfeld zum Anfertigen der Arbeit gehabt. In zahlreichen Gesprächen hat er mir wertvolle Anregung gegeben. Zugleich hat er das Gelingen der Arbeit durch das in mich gesetzte Vertrauen und seine stets geduldige Betreuung wesentlich gefördert. Professor Dr. Phillip Hellwege M.Jur. (Oxford) danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die darin enthaltenen hilfreichen Hinweise. Ein herzlicher Dank gebührt meinen Freunden und Kollegen, die mir durch ihre Ermunterungen und ihr offenes Ohr stets zur Seite gestanden haben. Durch sie wird mir die Promotionszeit immer in schöner Erinnerung bleiben. Ein besonderer Dank geht an Lina Redmann, Thomas Heuermann, Maximilian Kübler-Wachendorff und Florian Siegwart für das Korrekturlesen der Arbeit. Simon Jahn danke ich für seine Hilfe bei der Formatierung der Arbeit. Größten Dank schulde ich meinen Eltern Olga Oreshnykova und Gennady Gutkin. Durch ihren Zuspruch und ihre bedingungslose Unterstützung haben sie meine persönliche und akademische Entwicklung stets gefördert. Ohne ihren Rückhalt würde es diese Arbeit nicht geben. Augsburg, im Mai 2018

Lilian Gutkin

Inhaltsübersicht Einleitung

31

A. Anlass und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Systematisierung von Preisanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Teil 1

Allgemeiner Teil 

59

Kapitel 1

Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen

59

A. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 B. Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten im Rahmen der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Rechtliche Bindungswirkung der Vorlageentscheidungen des EuGH . . . . . . . . . . . . 80 Kapitel 2

Die Auslegung der Klauselrichtlinie

82

A. Auslegung der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Bedeutung des Richtlinienanhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Teil 2 Transparenzkontrolle

101

Kapitel 3 Grundlagen

101

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

10

Inhaltsübersicht Kapitel 4



Formelle Transparenz

164

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Kapitel 5

Materielle Transparenz

186

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Teil 3 Inhaltskontrolle

265

Kapitel 6 Grundlagen

265

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Kapitel 7

Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses

306

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Kapitel 8

Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

348

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Inhaltsübersicht

11

Teil 4

Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

370

Kapitel 9

Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

370

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Kapitel 10

Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln

385

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

5. Teil Ergebnisse

438

A. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht . . . . 438 B. Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 C. Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 D. Wirksamer Preisänderungsvorbehalt im Rahmen von Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Inhaltsverzeichnis Einleitung

31

A. Anlass und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Systematisierung von Preisanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I.

Systematisierung in der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

II. Eigene Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Preisanpassungsklauseln als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Preisbestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Differenzierung nach dem Anpassungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Automatikklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (1) Kostenelementeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (2) Marktpreisklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (3) Spannungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (4) Gleitklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Preisänderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (a) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (b) Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Teil 1

Allgemeiner Teil 59 Kapitel 1



Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen

59

A. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

14

Inhaltsverzeichnis

B. Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten im Rahmen der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I.

Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Océano Grupo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

II. Der verweigerte Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Freiburger Kommunalbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Sachverhalt und wesentliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Mostaza Claro und Pannon GSM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Der Beginn eines Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. VB Pénzügyi Lízing Zrt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Distanzierung von Freiburger Kommunalbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 C. Rechtliche Bindungswirkung der Vorlageentscheidungen des EuGH . . . . . . . . . . . . 80

Kapitel 2

Die Auslegung der Klauselrichtlinie

82

A. Auslegung der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I.

Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

II. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Bedeutung der systematischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Systematische Auslegung im Rahmen der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . 88 III. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Bedeutung des Richtlinienanhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Teil 2 Transparenzkontrolle 101

Kapitel 3 Grundlagen 101 A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I.

Systematischer Standort des Transparenzprinzips in der Richtlinie . . . . . . . . . . 103

Inhaltsverzeichnis

15

1. Zuordnung zur Einbeziehungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Zuordnung zur Missbräuchlichkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Intransparenz als informationelles Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Umfang der Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Deklaratorische Klauseln nach Art. 1 Abs. 2 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Reichweite von Art. 1 Abs. 2 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Transparenzkontrolle von Klauseln i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL . . . . . . . . . . . 111 2. Hauptleistungs- und Preisbestimmungsklauseln nach Art. 4 Abs. 2 RL . . . . 112 3. Mündliche und schriftliche Klauseln nach Art. 5 S. 1 RL . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Transparenzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) „Normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher“ als Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Verständnishorizont eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Berücksichtigung von Individualumständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Kontrollmaßstab der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Berücksichtigungsfähige Individualumstände im Rahmen der Transparenz­ kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Berücksichtigung der Individualaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Berücksichtigung der individuellen Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Transparenz in formeller und materieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Schranken des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Praktikabilitätsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Keine Pflicht zur Rechtserläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I.

Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Umsetzung von Art. 5 S. 1 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

II. Systematische Einordnung des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Transparenzkontrolle und Einbeziehungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) § 305 c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Transparenzkontrolle und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Transparenzkontrolle und Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

16

Inhaltsverzeichnis III. Transparenzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Berücksichtigung von Individualumständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Kombinationslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Berücksichtigungsfähige Individualumstände im Rahmen der Transparenz­ kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Berücksichtigung der Individualaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Berücksichtigung der individuellen Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Transparenz in formeller und materieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Schranken des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Praktikabilitätsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Keine Pflicht zur Rechtserläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 161

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 163

Kapitel 4

Formelle Transparenz

164

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I.

Verständlichkeit in formeller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II. Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Vertragssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Fachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Bezugnahme auf Rechtsnormen ohne Wiedergabe ihres Inhalts . . . . . . . . . . 169 III. Zusammenfassung der formellen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln nach der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I.

Verständlichkeit in formeller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

II. Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Vertragssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Fachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Bezugnahme auf Rechtsnormen ohne Wiedergabe ihres Inhalts . . . . . . . . . . 176 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Verweisungen im Rahmen von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Kein Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Ende der Leitbildrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis

17

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 184

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 184 III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen . 185

Kapitel 5

Materielle Transparenz

186

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I.

Irreführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II. Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Unbestimmte Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Konkretisierung von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Vorgaben aus der Klauselrichtlinie und anderen Richtlinien . . . . . . . . . . . 190 aa) Nr. 1 lit. j und l des Anhangs der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Angabe eines triftigen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Vorgaben aus anderen sektorspezifischen Richtlinien . . . . . . . . . . . . 194 b) Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Konkretisierung von Anlass und Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) Abwicklungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Zusammenfassung der materiellen Transparenzanforderungen an Preisänderungs­ klauseln nach der Klauselrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I.

Irreführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

II. Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Konkretisierung von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 210 a) Konkretisierungserfordernis von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen 210 b) Konkretisierungsfähigkeit von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Konkretisierung des Anlasses der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Unbestimmte Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Kostenänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Kostenelementeklauseln in Form von Automatikklauseln . . . . . . . . . 217 (1) Anforderungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (a) Wiedergabe einer realitätsgetreuen Kostenkalkulation . . . . . 221

18

Inhaltsverzeichnis (b) Bindung des Preisänderungsrechts an in Erfahrung zu bringende Referenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (c) Schutz des Betriebsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (d) Verständnishorizont eines angemessen verständigen Durchschnittskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (3) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Preisänderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (1) Geringere Konkretisierungsanforderungen bei Preisänderungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Anforderungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (a) Keine abschließende Aufzählung aller preisbildenden Fakto­ ren und ihres relativen Gewichts erforderlich . . . . . . . . . . . . 236 (b) Bezugnahme auf betriebsinterne Faktoren . . . . . . . . . . . . . . 237 (c) Rein rechnerische Möglichkeit einer zusätzlichen Gewinnererzielung irrelevant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (d) Information über die veränderten preisbildenden Faktoren . . 240 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Steigerung des Wertes der Leistung und Wertverfall der Gegenleistung . 242 4. Konkretisierung des Modus der Preisanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Automatikklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Preisänderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5. Abwicklungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Benennung einer Obergrenze für den Umfang der Anpassung . . . . . . . . . . . 248 2. Keine Kompensation durch Einräumung eines Lösungsrechts . . . . . . . . . . . 249 a) Kompensation bei „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ einer transparenten Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Bewertung der Kompensationsmöglichkeit bei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ einer Konkretisierung . . . . . . . . . . . 250 aa) Die mit einer Kompensationsmöglichkeit verbundenen Risiken . . . . . 251 bb) Keine Erforderlichkeit einer Kompensationsmöglichkeit . . . . . . . . . . 252 cc) Keine Vereinbarkeit der Kompensationsmöglichkeit mit der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Inhaltsverzeichnis I.

19

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 255 1. Einzelaspekte des materiellen Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Irreführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH zu Preisänderungsklauseln . . . . . 259

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 259 1. Irreführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Konkretisierung des Anlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Kostenänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Automatische Kostenelmenteklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Preisänderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Wertsteigerungen der Leistung sowie dem Wertverfall der Gegenleistung 262 3. Konkretisierung des Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4. Abwicklungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen . 263 Teil 3 Inhaltskontrolle 265 Kapitel 6 Grundlagen 265 A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I.

Umfang der Inhaltkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Deklaratorische Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Hauptleistungs- und Preisbestimmungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

II. Missbräuchlichkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Verhältnis von Missverhältnis und Gebot von Treu und Glauben . . . . . . . . . 269 2. Prüfungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten zum Nachteil des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Dispositives, nationales Recht als Vergleichsmaßstab . . . . . . . . . . . . . 273 bb) Hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 cc) Berücksichtigung von materiell-rechtlichen und prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 dd) Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 278

20

Inhaltsverzeichnis b) Gebot von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Harmonisierter Maßstab von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Objektives Verständnis von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 dd) Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Bedeutung des Richtlinienanhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 d) Kontrollmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Der Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . 286 cc) Vertragskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 dd) Das Preis-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 I.

Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 RL in § 307 Abs. 1, 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Umsetzung des Richtlinienanhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

II. Kontrollmaßstäbe der Inhaltskontrolle von einseitigen Preisänderungsklauseln 295 1. Schranken des § 309 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Umsetzung von Nr. 1 lit. l und j in § 309 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Voraussetzungen des § 309 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. § 307 BGB als Prüfungsmaßstab für Preisänderungsklauseln in langfristigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Legitimes Interesse an der Verwendung von Preisänderungsklauseln in langfristigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als Prüfungsmaßstab von Preisänderungsklauseln 302 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 304

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 305

Kapitel 7

Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses

306

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 I.

Zulässige sachliche Gründe für die Preisanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

II. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Inhaltsverzeichnis

21

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I.

Zulässige sachliche Gründe für die Preisanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 1. Allgemeine Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Nachträgliche, unkalkulierbare Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Laufzeit des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 c) Erhebliche Veränderungen der Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Änderungen der für die Preisbildung relevanten Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Steigerung des Werts der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Anknüpfung an den Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Zulässigkeit von Spannungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 bb) HEL-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4. Wertverfall der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

II. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Quantitative Begrenzung des Umfang der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . 330 a) Verbot einer überproportionalen Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Wahrung von Preisvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 c) Erhaltung der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 d) Ausstrahlungswirkung der Preise für Neuabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . 332 e) Preissenkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 aa) Ausdrückliche Rechtspflicht zu Preissenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 334 bb) Gleichbehandlung von Preissteigerung und -senkung in Hinblick auf Anlass, Umfang und Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 cc) Begrenzung der Preissenkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 f) Saldierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Zeitliche Begrenzung des Änderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 343

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 344 1. Zulässige sachliche Gründe für Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen . 347

22

Inhaltsverzeichnis Kapitel 8



Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

348

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I.

Keine Kompensation einer missbräuchlichen Klausel durch Einräumung eines Lösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

II. Erforderlichkeit eines Lösungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Lösungsrecht nur bei überhöhten Preiserhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Zu hohe Preiserhöhung im Verhältnis zum ursprünglichen Preis . . . . . . . . . . 351 III. Angemessene Ausgestaltung des Lösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Keine Kompensation inhaltlich unangemessener Klauseln durch Einräumung eines Lösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Erforderlichkeit eines Lösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 1. Lösungsrecht nur bei überhöhten Preiserhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Zu hohe Preiserhöhung im Verhältnis zum ursprünglichen Preis . . . . . . . . . . 361 III. Angemessene Ausgestaltung eines Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 1. Formale Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. Keine wirtschaftlichen oder faktischen Hindernisse bei der Ausübung . . . . . 363 IV. Lösungsrecht des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 366

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 368 III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen . 369 Teil 4

Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

370

Kapitel 9

Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

370

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 I.

Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

II. Vertragswirksamkeit im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 III. Rechtsfolgen missbräuchlicher Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 I.

Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

II. Rechtsfolgen unangemessener Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

Inhaltsverzeichnis

23

1. Rückzahlungsanspruch infolge unwirksamer Preisänderungsklausel . . . . . . 380 2. Gesamtnichtigkeit des restlichen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung in der nationalen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 384

Kapitel 10 Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln



385

A. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 I.

Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 1. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht . . . . . . . 388 3. Unzulässigkeit der Beschränkung der Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

II. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1. Auffassung der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 a) Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 b) Voraussetzungen einer zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . 396 III. Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln . . . . . 398 B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 I.

Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 1. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 2. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht . . . . . . . 402

II. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 III. Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln . . . . . 405 1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Ergänzungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b) Verschärfung der Voraussetzungen durch das Unzumutbarkeitskriterium in Energielieferungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 aa) Das Unzumutbarkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 bb) Bewertung des Unzumutbarkeitskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 (1) Keine Vereinbarkeit mit dem nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . 411 (2) Keine Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . 412 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 2. Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

24

Inhaltsverzeichnis a) Ausschluss der ergänzenden Vertragsauslegung bei unwirksamen Preis­ änderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Die „Fristenlösung“ des BGH im Rahmen von Rückforderungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 aa) Maßstab der „Fristenlösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 bb) Bewertung der „Fristenlösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (1) Keine Vereinbarkeit der Fristenlösung mit dem Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 (a) Benachteiligung des Verbrauchers durch Rügeobliegenheit . 421 (b) Perpetuierung einer unangemessenen Klausel . . . . . . . . . . . 422 (c) Versteckte geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . 423 (2) Keine Vereinbarkeit der Fristenlösung mit der Klauselrichtlinie . . 425 (a) Unzulässige Beschränkung der Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (b) Unzulässige geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . 427 (c) Unzulässige Beschränkung des Effektivitätsgrundsatz . . . . . 428 (d) Verstärkung des Machtgefälles zwischen den Parteien . . . . . 429 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 I.

Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht 433

II. Schlussfolgerungen für die Ersetzung unwirksamer Preisänderungsklauseln im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 III. Schlussfolgerungen für die Ersetzung unwirksamer Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Teil 5 Ergebnisse

438

A. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht . . . . 438 I.

Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Das Transparenzgebot als separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit 438 2. Transparenzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 a) „Normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher“ als Transparenzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 b) Berücksichtigung der Individualaufklärung im Rahmen der Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 3. Praktikabilitätsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 4. Arten der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 a) Formelle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 b) Materielle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

Inhaltsverzeichnis

25

5. Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 a) Formelle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 b) Materielle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 c) Keine Kompensation mangelnder Abschlusstransparenz . . . . . . . . . . . . . . 443 II. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 1. Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten 444 2. Verstoß gegen Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 3. Berücksichtigung der in Art. 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien . . . . . . . . . 445 4. Inhaltliche Angemessenheit von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . 446 a) Bewahrung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 446 b) Erforderlichkeit eines Lösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 III. Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 1. Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 2. Beurteilung der Unwirksamkeit des Restvertrages nach einem objektiven Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 3. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 4. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht . . . . . . . 449 5. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 6. Rechtsfolgen bei unwirksamen Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 B. Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 I.

Systematisierung von Preisanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

II. Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 1. Formelle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 a) Optische Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 b) Verwendung von Fachbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 c) Verweisungen auf Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 2. Materielle Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 a) Irreführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 b) Konkretisierung des Anlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 aa) Kostenänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (1) Automatische Kostenelementeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (2) Preisänderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 bb) Wertsteigerungen der Leistung und Wertverfall der Gegenleistung . . 454 c) Konkretisierung des Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 d) Abwicklungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 e) Keine Kompensation der Abschlussintransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 III. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Wahrung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses . . . . 456

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Inhaltsverzeichnis a) Zulässige sachliche Gründe für Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 b) Begrenzung des Umfangs der Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 2. Erforderlichkeit eines Lösungsrechts bei zu hohen Preiserhöhungen . . . . . . . 457

C. Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 D. Wirksamer Preisänderungsvorbehalt im Rahmen von Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht am Ende a. E. Alte Fassung a. F. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft/Union ABl. Abs. Absatz Archiv für die civilistische Praxis AcP Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV AG Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen GeschäftsbedingunAGBG gen Alt. Alternative Anm Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage Der Betriebs-Berater BB Bd. Band BeckOGK Beck-online Großkommentar BeckOK Beck’scher Online Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ bzw. beziehungsweise Common Market Law Review CMLR Computer und Recht CR das heißt d. h. Der Betrieb DB Draft Common Frame of Reference DCFR ders./dies. derselbe/dieselbe Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ European Case Law Identifier ECLI ed./eds. editor/editors Europäische Gemeinschaft EG European Law Review ELR endg. endgültig engl. englisch Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft EnWZ European Review of Contract Law ERCL European Review of Private Law ERPL Erw. Erwägungsgrund et cetera etc.

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Abkürzungsverzeichnis

Europäische Union Europäischer Gerichtshof Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht – Journal of European Consumer and Market Law Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschafts- und Steuerrecht EWS f./ff. folgende/fortfolgende Fn. Fußnote frz. französisch FS Festschrift Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GPR Gewerblicher Rechtsschutz und Urherberrecht GRUR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht GWR Hrsg. Herausgeber(in) Hs. Halbsatz im Sinne von i. S. v. in Verbindung mit i. V. m. Zeitschrift Immobilien & Baurecht IBR Praxis des Internationalen Privat-Verfahrensrechts IPRax IR InfrastrukturRecht Juristische Blätter JBl. Juristische Rundschau JR Juristische Ausbildung JURA jurisPR-BGHZivilR juris PraxisReport Zivilrecht Juristische Schulung JuS JZ JuristenZeitung LG Landgericht lit. litera LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Linmaier-Möhring mit Anmerkung m. Anm. mit weiteren Nachweisen m. w. N. Monatsschrift für deutsches Recht MDR Multimedia und Recht MMR Münchner Kommentar MüKo Neue Juristische Wochenschrift NJW NJW-Rechtsprechungs-Report, Zivilrecht NJW-RR Nr. Nummer Zeitschrift für Versicherung und Recht NVersZ Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnrecht NZM Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RabelsZ Recht der Elektrizitätswirtschaft RdE Recht der internationalen Wirtschaft RIW Richtlinie 93/13/EG des Rates v. 05.04.1993 über missbräuchliche RL Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95 v. 21.04.1993, 29) Rs. Rechtssache Zeitschrift für Schiedsverfahren SchiedsVZ International Institute for the Unification of Private Law UNIDROIT EU EuGH euvr

Abkürzungsverzeichnis Urt. Urteil v. vom verb. Rs. verbundene Rechtssache VerbKrG Verbraucherkreditgesetz VersR Versicherungsrecht Vgl. Vergleiche Verbraucher und Recht VuR WM Wertpapier-Mitteilungen Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZMR Zeitschrift für neues Energierecht ZNER Zeitschrift für Zivilprozess ZZP

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Einleitung A. Anlass und Ziel der Untersuchung Obgleich die AGB-Kontrolle bereits seit 21 Jahren von der mindestharmonisierenden Klauselrichtlinie 93/13/EG1 (RL) überlagert wird, erfährt das AGB-Regime erst seit wenigen Jahren eine deutliche Europäisierung. Seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.19952 bildet die Klauselrichtlinie aufgrund des Vorrangs des Europarechts einen zweiten Regelungsmaßstab für die Kontrolle von AGB in Verbraucherverträgen3 mit Gewerbetreibenden.4 Gestützt auf Art. 95 EG-Vertrag (heute Art. 114 AEUV) wurde die Richtlinie, zum Schutz der Verbraucher sowie mit dem Ziel der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen erlassen. Sie findet auf alle zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geschlossenen Klauseln Anwendung, sofern diese nicht im Einzelnen ausgehandelt sind. Die Richtlinie gibt den Mitgliedsstaaten vor, wie ihr nationales Recht der Klauselkontrolle mindestens beschaffen sein muss und wirkt sich damit unmittelbar auf Grundfragen des Schuldrechts aus. Die Klauselrichtlinie war eine der ersten gemeinschaftsrechtlichen Akte, der über eine auf einzelne Aspekte oder Sektoren beschränkte Harmonisierung des Zivilrechts hinausging. Insbesondere die Reichweite (§ 310 Abs. 3 Nr. 1, 2 BGB) sowie der Prüfungsmaßstab (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, vorher § 24 a AGBG) der §§ 305 ff. BGB haben durch die Klauselrichtlinie eine Modifizierung erfahren. Wenngleich das schon seit Jahrzehnten vor Erlass der Richtlinie kodifizierte deutsche Recht der AGB-Kontrolle darüber hinaus den Vorgaben der Richtlinie weitgehend entspricht – weswegen der Gesetzgeber auch auf eine ausdrückliche Umsetzung verzichtet hat – darf die eigenständige, vorranginge Relevanz der Klauselrichtlinie für die Inhaltskontrolle nicht unterschätzt werden. Schließlich ist die Klauselrichtlinie Teil  des Unionsrechts, einer autonomen normativen Ordnung, deren Inhalt durch den EuGH als übernationale Instanz verbindlich bestimmt wird. 1

Richtlinie 93/13/EG des Rates v. 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95 v. 21.04.1993, 29). 2 Zur Entstehungsgeschichte der Klauselrichtlinie vgl. Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 52 ff., 65 ff.; Damm, JZ 1994, 161 ff.; BeckOGK/Lehmann-Richter, § 305 BGB (18.12.2015) Rn. 40.1. 3 Zum persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341; EuGH v. 15.01.2015, Rs. C-537/13 (Šiba/Devėnas), ECLI:EU:C:2015:14; EuGH v. 03.09.2015, Rs. C-110/14 (Costea/ SC Volksbank Romania), ECLI:EU:C:2015:538; EuGH v. 19.11.2015, Rs. C-74/15 (Tarcău/ Banca Comercială Intesa Sanpaolo România), ECLI:EU:C:2015:772. 4 Staudinger/Coester, Neub. 2013, Vor § 307 BGB Rn. 7, § 307 BGB Rn. 61; in diese Richtung auch Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 78.

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Diese Aufgabe hat der EuGH seit dem mehr als zwanzigjährigen Bestehen der Klauselrichtlinie mit unterschiedlicher Intensität wahrgenommen. Deutete seine Vorgehensweise in der Rechtssache Océano Grupo5 zunächst auf eine europäische Klauselkontrolle hin, so hat er sich seit dem Vorlageverfahren Freiburger Kommunalbauten6 nur sehr zurückhaltend zur Auslegung der Klauselrichtlinie geäußert. Trotz des weitreichenden Anwendungsbereichs der Klauselrichtlinie kann dem EuGH daher nicht der Vorwurf gemacht werden, er wäre zu integrationsfreundlich auf dem Gebiet der AGB-Kontrolle gewesen. Eine weitgehende Vereinheitlichung der Vertragsbedingungen im Rahmen von Verbraucherverträgen blieb aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters der Klauselrichtlinie und des weiten Beurteilungsspielraums der Mitgliedsstaaten zunächst aus. Mit seiner jüngsten Rechtsprechung, die von zahlreichen Vorlageverfahren erfreulicherweise angetrieben wird, scheint der EuGH nunmehr die Klauselrichtlinie, ein seit vielen Jahren „schlummerndes EU-Dornröschen, wachgeküsst“7 zu haben.8 Er gibt immer mehr Kriterien vor, die bei der Beurteilung der Angemessenheit einer konkreten Klausel zu beachten sind und präjudiziert so zum Teil die Beurteilung durch die nationalen Gerichte.9 Insbesondere Vorlagen, die einseitige Preisänderungsrechte des Verwenders betrafen, haben den EuGH dazu bewegt, seine selbstauferlegte Zurückhaltung Stück für Stück aufzuheben. Unter Anerkennung des Interesses an der Verwendung von Preisanpassungsklauseln10 hat sich der EuGH in den Vorlageverfahren Invitel11, RWE12 , Kásler13 und Matei14 zu den gemeinschaftsrechtlichen Wirksamkeitsvoraus 5

EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346. 6 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C:2004:209. 7 Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 458. 8 In diese Richtung auch MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 48; Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Pfeiffer, EuZW 2013, 241, 242; derselbe, NJW 2017, 913, 914; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 165; derselbe, ZEuP 2017, 102, 109 ff.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 30. 9 Ausführliche Darstellung bei Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 35; Henze, GPR 2013, 35, 37; Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 318; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Micklitz in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), Consumer Law, 127, 152 Rn. 3.21 a; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 136; MüKo/ Wurmnest, § 307 Rn. 27. 10 Vgl. EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46 mit Bezugnahme auf Nr. 1 lit. j, l, Nr. 2 lit. b, d des Anhangs der Richtlinie 93/13/EG. 11 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26. 12 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46, 49. 13 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73. 14 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74, 76.

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setzungen von Preisänderungsklauseln in AGB geäußert. Über die Anforderungen, die an die AGB-rechtliche Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln zu stellen sind, herrscht in der nationalen Rechtsprechung15 und Literatur16 bereits seit den 80er Jahren eine lebhafte Debatte, wobei die Vorgaben der Klauselrichtlinie hierbei allerdings allenfalls am Rand behandelt wurden.17 Preisanpassungsklauseln sind ein sowohl von der Gesetzgebung18 als auch von der Rechtsprechung anerkanntes Mittel, um das vereinbarte Äquivalenzverhältnis über die Laufzeit des Vertrages zu bewahren. So führt der BGH in ständiger Rechtsprechung aus, dass Preisänderungsklauseln dazu dienen, „einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht.“19 Der Vertragspartner kann auf diese Weise den bei Vertragsschluss vereinbarten Preis nachträglich an veränderte Umstände anzupassen, ohne Verträge beenden, neu verhandeln bzw. abschließen zu müssen. Preisanpassungsklauseln entsprechen damit dem Gebot der wirtschaftlichen Vernunft.20 Sie sind in vielen Geschäftsbereichen conditiones sine quibus non für die Eingehung langfristiger Vertragsbeziehungen, insbesondere von Dauerschuldverhältnissen.21 Vor allem in Massengeschäften der Banken-, Energie- und Versicherungsbranche sind Preisanpassungsklauseln regelmäßig Bestandteil von AGB. Da 15 Vgl. BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I; zu Tagespreisklauseln BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21 Rn. 14; BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603 Rn. 14; BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69 Rn. 10; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 340; BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3135; zu den Bestimmtheitsanforderungen von Kostenelementeklauseln BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 12 – Pay-TV; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 11 – Internetprovider. 16 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen; Beckmann, Die Zulässigkeit Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz; Beggerow, Preisanpassungsklauseln in Kaufverträgen über Neuwagen; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte. 17 Mangels Rechtsprechung des EuGH wurden die Vorgaben der Klauselrichtlinie zu Preisänderungsklauseln bisher in den jeweiligen Schriften nur am Rande behandelt, vgl. Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, und Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, behandeln nur die Entscheidung in RWE. 18 BT-Dr. 7/3919, 27.  19 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21 Rn. 9; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115 f.; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn.  22; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 22; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 34 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46 – Augsburger Stromvertrag. 20 Horn, NJW 1985, 1118; Büdenbender, NJW 2013, 3601. 21 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 129; Erm, JR 2013, 543, 548; Borges, DB 2006, 1199; Rehart/ Lolacher, MMR 2016, 305.

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sie als Preisnebenabreden, anders als unmittelbare Preisabreden, Art und Umfang des Entgelts nicht selbst regeln, sondern den Preis lediglich modifizieren, unterliegen sie den in §§ 307 ff. BGB normierten Anforderungen an Transparenz und inhaltliche Angemessenheit.22 Trotz Anerkennung eines berechtigten Interesses an der Verwendung von Preisänderungsklauseln, gibt der BGH aber den Vertragsparteien oftmals, wie es Schmidt treffend auf den Punkt gebracht hat,23 „Steine statt Brot“. Seit den 80er Jahren hat er nämlich etliche Preisänderungsklauseln in verschiedenen Branchen aus inhaltlichen oder die Transparenz betreffenden Gründen kassiert. Dabei gibt er kaum Formulierungsalternativen vor, wie die Wirksamkeit einer Klausel im konkreten Fall zu erreichen ist, sondern setzt immer höhere, zum Teil in sich intransparente,24 ja sogar kaum noch erfüllbare25 Anforderungen an Preisänderungsklauseln. Den häufigsten Unwirksamkeitsgrund bildet dabei die Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Klauseln,26 die dem Verwender gegebenenfalls einen unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zulasten der Verbraucher zur Erzielung eines zusätzlichen Gewinns gewähren kann. Diese strenge Rechtsprechung erscheint angesichts dieses Risikos zwar legitim, jedoch dürfen die Anforderungen an die Konkretisierung von Preisänderungsklauseln nicht überspannt werden. Zu hohe Bestimmtheitsanforderungen stehen im Spannungsverhältnis zum Verständlichkeitsgebot und bergen in sich wiederum die Gefahr der Intransparenz.27 Branchenübergreifend herrscht daher Rechtsunsicherheit, wie Preisänderungsklauseln in Standardverträgen mit Verbrauchern ausgestaltet sein müssen, um den von dem BGH aufgestellten AGB-rechtlichen Anforderungen zu genügen. Diese Problematik hat nunmehr durch die zu Preisänderungsklauseln ergangene Rechtsprechung des EuGH an neuem Fahrtwind gewonnen. Der BGH nimmt in

22 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 255; BGH v. 12.03.1987, BGHZ 100, 157, 173; BGH v. 13.07.1994, BGHZ 127, 35, 41; BGH v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27, 29; BGH 24.03.1999, BGHZ 141, 137, 141. 23 Schmidt, NJW 2003, 947, 948; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 55 spricht von „Zucker­brot und Peitsche“. 24 So bereits Schmidt, NJW 2003, 947: „Die (intransparenten) Urteile des BGH zu Reisepreisänderungsklauseln.“ 25 Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424. spricht vom „faktischen Ende von Preisanpassungsklauseln“; derselbe, in FS Westermann, 707, 708; Borges, DB 2006, 1199 ff.; Eckhoff, GWR 2016, 243; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 132. 26 Vgl. nur BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718  – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 12 – Pay-TV; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 11 – Internetprovider. 27 In diese Richtung auch Büdenbender, NJW 2007, 2945, 2951; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 107; zu den Grenzen des Transparenzgebots Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424, 426; derselbe, in FS Westermann, 707, 713 behandelt die Grenzen des Transparenzgebots.

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seiner jüngsten Rechtsprechung auf die Vorgaben des EuGH Bezug28 und musste sogar seine Rechtsprechung zu Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen ändern. So hält die Nachbildung von gesetzlichen Preisänderungsregelungen in Energielieferungsverträgen, die für den Tarifkundenbereich gelten, im Sonderkundenbereich nicht den Transparenzanforderungen des Art. 5 RL und der Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG29 Stand.30 Bei der Formulierung von wirksamen Preisänderungsklauseln in Verbraucherverträgen gilt es daher, nicht nur die Anforderungen der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch die Anforderungen zu beachten, die der EuGH an Preisänderungsklauseln stellt.31 Unter Berücksichtigung eben dieser hat der BGH in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.201532 eine mögliche Lösung für eine wirksame Preisänderungsklausel geliefert, die einer ausführlichen Beurteilung unterzogen werden muss. Die jüngste Judikatur des EuGH gibt folglich Anlass dazu, die deutsche AGBRechtsprechung in Hinblick auf ihre Konformität mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie und der Rechtsprechung des EuGH zu untersuchen.33 Dabei darf allerdings nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass die vorgegebenen Strukturprinzipien insofern lediglich mindestharmonisierend sind, als es den Mitgliedsstaaten nach Art. 8 RL erlaubt ist, strengere Regelungen zur Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus aufzustellen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, aufbauend auf dem Vergleich der durch die Klauselrichtlinie und den EuGH vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Wirksamkeitsanforderungen von Preisänderungsklauseln mit der auf nationaler Ebene zu diesen Anforderungen ergangenen Rechtsprechung, die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu definieren, die an Preisänderungsklauseln als Bestandteil von AGB zu stellen sind.

28 Exemplarisch BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 25 ff.; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 47 ff.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 25 ff. – Augsburger Stromvertrag; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 28 ff.; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 33. 29 Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zur Aufhebung der Richtlinie 93/30/EG (ABl. Nr. L 176 v. 15.07.2003, 57). 30 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.), ECLI:EU:C:2013:180. 31 Mangels Rechtsprechung des EuGH wurden die Vorgaben der Klauselrichtlinie zu Preisänderungsklauseln bisher in den jeweiligen Schriften nur am Rande behandelt, vgl. Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, und Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, behandeln nur die Entscheidung in RWE. 32 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 – Augsburger Stromvertrag (LG Augsburg – 2 HK O 3775/13 als Erstinstanz). 33 In diese Richtung auch Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 458; Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961 ff.

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B. Systematisierung von Preisanpassungsklauseln Klauseln, die eine zukünftige Preisanpassung ermöglichen, finden sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zahlreicher Geschäftszweige, etwa in der Energie-, Automobil-, Versicherungs-, Bank-, Bau- und Reisebranche. So unterschiedlich diese Bereiche sind, so vielfältig ist die Ausgestaltung solcher Klauseln, um den Besonderheiten der jeweiligen Vertragsart gerecht zu werden. Diese Vielgestaltigkeit führt dazu, dass Preisänderungsklauseln nach unterschiedlichen Gesichtspunkten kategorisiert werden können, etwa nach dem Anpassungsmechanismus oder danach, welche Referenzgrößen für die Preisänderungsbefugnis maßgeblich sind. Die Vielfalt an Einteilungsmöglichkeiten hat zur Konsequenz, dass in der Rechtsprechung und der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Termini für die einzelnen Erscheinungsformen von Preisanpassungsklauseln verwendet wird. Da die Wirksamkeitsvoraussetzungen, die in der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitet werden sollen, je nach Klauselart variieren können, muss eine eigene Systematik und terminologische Basis für die verschiedenen Erscheinungsformen von Preisanpassungsklauseln entwickelt werden, die eine einheitliche Verwendung der Terminologie im weiteren Verlauf der Darstellung ermöglicht. I. Systematisierung in der Rechtsprechung und Literatur In der europäischen Judikatur ist bisher keine Systematisierung der verschiede­ nen Preisanpassungsklauseln erkennbar. Der Gerichtshof spricht lediglich von Klauseln, die es dem Gewerbetreibenden erlauben, die Entgelte für die zu erbrin­ gende Leistung einseitig zu ändern.34 In Nr. 1 lit. l des Anhangs der Klauselrichtlinie wird zwischen Klausel unterschieden, die „den Preis zum Zeitpunkt der Lieferung festsetzen und erhöhen“. Nr. 2 lit. d des Anhangs privilegiert Preisindexie­ rungsklauseln. Eine erste systematische Kategorisierung von Klauseln, die die zukünftige Preisanpassung ermöglichen, nahm der BGH im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln vor.35 Er differenzierte im Rahmen von § 3 S. 2 WährG36 zwischen

34 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.), ECLI:EU:C:2013:180, Rn.  46, 49; in Bezug auf Zinsanpassungsklauseln EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76. 35 BGH v. 30.10.1974, BGHZ 63, 132; vgl. Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 8 f. 36 Siehe § 3 WährG in Kraft bis 31.12.1998: „Geldschulden dürfen nur mit Genehmigung der für die Erteilung von Devisengenehmigungen zuständigen Stelle in einer anderen Währung als in Deutscher Mark eingegangen werden. Das gleiche gilt für Geldschulden, deren Betrag in Deutscher Mark durch den Kurs einer solchen anderen Währung oder durch den Preis oder eine Menge von Feingold oder von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden soll.“

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„typischen genehmigungsbedürftigen Gleitklauseln“37, die eine automatische Preisänderung für den Fall der Änderung einer Bezugsgröße vorsahen, und „genehmigungsfreien Leistungsvorbehalten“38, die die Preisänderung in das billige Ermessen einer änderungsbefugten Parteien stellen. In einem Urteil zu Tagespreisklauseln aus dem Jahr 1983 unterschied der BGH zudem, „ob […] auf eine Preisbestimmung bei Vertragsschluß überhaupt verzichtet wird (Preisvorbehalt) oder ob der letztlich zu entrichtende Betrag über ein Preisänderungsrecht des Verkäufer (Preisanpassungsklauseln) festgelegt werden soll“39. Auch in der Literatur ist eine Differenzierung zwischen Klauseln erkennbar, die die Änderung eines bei Vertragsschluss festgelegten Ausgangspreis erlauben, und solchen, die sich die Bestimmung eines bei Vertragsschluss offen gebliebenen Preises vorbehalten. Allerdings sind die verwendeten Begrifflichkeiten für diese Klauseltypen keineswegs einheitlich. Vielmehr ist sowohl in der Rechtsprechung40 als auch in der Literatur eine Zufälligkeit bei der Verwendung der Begrifflichkeiten zu erkennen. Klauseln, die zur Änderung eines bei Vertragsschluss festgelegten Ausgangspreise befähigen, werden als Preisanpassungs-, Preisänderungs-, Preissteigerungs-, Preiserhöhungsklauseln oder Preisänderungsvorbehalte bezeichnet, wobei diese Begriffe oft synonym verwendet werden. Für Klauseln mit einem offen gebliebenen Ausgangspreis wird überwiegend die Bezeichnung „Preis­vorbehalt“, „Leistungsvorbehaltsklausel“, „Bestimmungsvorbehalt“ oder „Preisvorbehaltsklausel“ verwendet.41 Darüber hinaus wird der Terminus „Preisvorbehalt“ oder „Leistungsbestimmungsrecht“ auch für solche Klauseln gewählt, bei denen sich ein von der Klausel unabhängiger Preis ermitteln lässt42 oder der bei Vertragsschluss festgelegte Preis für „unverbindlich“ oder „freibleibend“ erklärt und dem Verwender oder einem Dritten das Recht zu einer einseitigen Leistungsbestimmung i. S. v. § 315 BGB eingeräumt wird. Als Beispiel dafür werden Tages- und Listenpreisklauseln angeführt.43 37

BGH v. 30.10.1974, BGHZ 63, 132, 134. BGH v. 30.10.1974, BGHZ 63, 132, 136. 39 BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603, 1604; Bestätigung in BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335 Rn. 11. 40 Vgl. zur Zufälligkeit der Terminologie exemplarisch BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134. 41 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335 Rn. 11; BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; Beckmann, Die Zulässigkeit Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 6; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 55; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 11 f.; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 22 ff., 140 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 19 f.; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 13; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 29; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 2 f.; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 10; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 1. 42 BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 19. 43 BGH v. 14.11.2003, NJW-RR 2004, 263, 265; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 12; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; Graf v. Westphalen/ Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 13; Wolf, ZIP 1987, 341. 38

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Innerhalb der Erscheinungsformen von Preisanpassungsklauseln war die ältere Judikatur insoweit undeutlich, als nicht ersichtlich war, ob die Preisänderungsklauseln nach Anpassungsmechanismen oder nach Änderungsfaktoren kategorisiert werden sollen.44 Teilweise differenzierte der BGH, wie er es im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln gemacht hat, nach dem Anpassungsmodus.45 Teilweise bezeichnete er alle Preisänderungsklauseln als Kostenelementeklauseln, die auf die Veränderung bestimmter Kostenfaktoren Bezug nehmen und der Weitergabe der Kosten an den Vertragspartner dienen, ohne nach dem jeweiligen Anpassungsmechanismus zu unterscheiden.46 Er stellte damit die gleichen Anforderungen an automatische Preisänderungsklauseln wie auch an Klauseln, in denen die Preisanpassung im billigen Ermessen einer berechtigten Partei liegt. Nunmehr bezieht sich der BGH47, wie auch das Schrifttum,48 immer mehr auf die Unterscheidung aus dem Preisklauselgesetz. Der BGH unterscheidet demnach in begrüßenswerter Weise i. S. v. § 1 Abs. 2 PrKlG zwischen automatischen „Spannungsklauseln“ und „Kostenelementeklauseln“ sowie „Leistungsvorbehalten“, die den Umfang der Preisänderung in das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten stellen. Bei der Differenzierung zwischen Automatikklauseln und Preisänderungsvorbehalten wird aber auch von qualifizierten und einfachen Preisänderungsklauseln gesprochen.49 Als Oberbegriff für Preisänderungsklauseln und Preisvorbehalte verwendet der BGH und die Literatur vermehrt die Bezeichnung Preisanpassungsklauseln.50 Daneben wird von einigen Stimmen als Oberbegriff der Terminus „Preisklauseln“ verwendet.51 44

So auch Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89. Exemplarisch BGH v. 02.01.1981, 82, 21, 24; BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 20. 46 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 24. – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 18 f. – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 10 – Pay TV. 47 BGH v. 17.12.2008, NJW 2009, 578 Rn. 15; BGH 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 24; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 28; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 44; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag. 48 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 14; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 87; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 2; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  19 f.; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 586; Grün/Ostendorf, BB 2014, 259; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 109, 133. 49 Schöne, WM 2004, 262; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 109, 133. 50 BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 26; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag; Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 48; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 4; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 9; Büdenbender, NJW 2013, 3601; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 14; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 87; Wolf, ZIP 1987, 341, 342. 51 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 Rn. 10; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 29; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 1. 45

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Andere wählen die Bezeichnung „Preiserhöhungsklausel“.52 Wiedemann spricht von „Preisbestimmungsklauseln“.53 II. Eigene Systematik Diese uneinheitliche, vom Zufall geprägte Verwendung der obengenannten Termini lässt ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Terminologie erkennen. 1. Preisanpassungsklauseln als Oberbegriff Klauseln, die die nachträgliche Bestimmung eines Preises oder dessen Änderung ermöglichen, können insofern unter einem Oberbegriff zusammengefasst werden, als es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Preis bei Vertragsschluss offen gelassen und später bestimmt oder bei Vertragsschluss festgelegt und dann abgeändert wird.54 Es ist zu überlegen, ob sich ein Oberbegriff aus dem Gesetz ergibt. Aus dem Europarecht ergeben sich hierzu keine Vorgabe. Dies Klauselrichtlinie spricht lediglich von einer „Änderung“ oder „Erhöhung“ der Preise. Das Preisklauselgesetz spricht von „Preisklauseln“. Jedoch nimmt diese Bezeichnung in keiner Weise auf den Anpassungsmechanismus Bezug. Ferner können unter Preisklauseln auch gerade die lediglich der Transparenzkontrolle unterliegenden Preishauptabreden55 oder sämtliche Klauseln, die den Preis der versprochenen Leistung betreffen, verstanden werden.56 Der Terminus ist für analytische Zwecke damit zu ungenau.57 § 309 Nr. 1 BGB ist mit der Bezeichnung „Preiserhöhungsklauseln“ überschrieben. Dieser Begriff ist jedoch deswegen missverständlich, weil auch eine Preissenkung, etwa bei einer Verminderung des Referenzwertes, an den eine Preisanpassungsklausel anknüpft, erfolgen kann. Die Bezeichnung „Preisbestimmungsklauseln“ ist ebenfalls nicht gelungen, als sie zu der Vorstellung führt, dass der Preis erstmals bestimmt werden soll. Da nur etwas geändert werden kann, wenn es vorher festgelegt worden ist, passt der Terminus „Preisänderungsklauseln“, nicht auf Preisbestimmungsvorbehalte, die die nachträgliche Bestimmung eines bei Vertragsschluss offen gelassenen Preises erlauben.58 52 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  11; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 18; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB, Rn. 12 ff. 53 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 10. 54 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 11 spricht von Anpassung eines Vertrages im weiteren Sinne, wenn eine Vertragsbedingung offen gelassen wurden und von Anpassung im engeren Sinne für den Fall der Änderung. 55 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 17 f. 56 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 14. 57 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 10. 58 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 20. 

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Demnach ist als Oberbegriff für Klauseln, die den Preis nachträglich bestimmen oder eine nachträgliche Änderung erlauben, der Begriff „Preisanpassungsklauseln“ vorzuziehen. Eine Ungenauigkeit besteht lediglich darin, dass nicht alle Entgelte als „Preis“ bezeichnet werden, obwohl sie unter diesen Oberbegriff fallen können. Der Terminus Preisanpassung soll jedoch nicht nur für Entgelte von Waren, Dienstleistungen oder Werken dienen, sondern sich auch auf Miet-, Pacht- oder Darlehenszinsen sowie Prämien für Versicherungen beziehen.59 2. Preisbestimmungsvorbehalte Eine Untergruppe von Preisanpassungsklauseln bilden Preisvorbehalte. Preisvorbehaltsklauseln werden dahingehend verstanden, dass sich der Verwender eine nachträgliche Preisbestimmung oder Preisänderung eines für „unverbindlich“ oder „freibleibend“ erklärten Preises vorbehält. Es wird argumentiert, dass nicht ausschlaggebend sei, ob die Parteien die Festsetzung der Gegenleistung unterlassen oder dem Preis die Verbindlichkeit abgesprochen hätten.60 Jedoch sprechen Preisanpassungsklauseln, indem sie eine Änderung des vereinbarten Entgelts ermöglichen, dem Ausgangspreis zugleich ebenfalls die Verbindlichkeit ab.61 Die erstgenannte Auffassung lässt die von der Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung zwischen Preisvorbehalten und Preisanpassungsklauseln hinfällig erscheinen. Demnach ist es besser danach zu differenzieren, ob sich ein von der Preisanpassungsklausel unabhängiger Ausgangspreis im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zumindest bestimmen lässt. Fehlt die Vereinbarung eines Ausgangspreises bei Vertragsschluss, so handelt es sich bei der Klausel, die dem Anpassungsberechtigten ein einseitiges Preisbestimmungsrecht i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB einräumt – um eine klare begriffliche Abgrenzung zu Preisänderungsvorbehalten zu demonstrieren – um einen „Preisbestimmungsvorbehalt“.62 Der Vertragspartner begibt bei einer solchen Klausel in Bezug auf die Bestimmung des Preises bewusst in die Hände des Klauselverwenders.63 Lediglich reine Tages- oder Listenpreise, bei denen in den Verträgen überhaupt kein Preis beziffert wurde, sondern der jeweils gültige Tages- oder Listenpreis im Zeitpunkt der Lieferung maßgeblich sein soll, sind daher als Preisbestimmungsvorbehalte einzuordnen.64 Sofern der jeweilige 59

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 14. Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 12. 61 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 14 spricht von der Unbrauchbarkeit einer solchen Differenzierung; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, 40. 62 BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603, 1604; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  17; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 44; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 21.  63 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15. 64 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 44; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 26. 60

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Tages- oder Listenpreis am Tag des Vertragsschlusses mit dem Zusatz „freibleibend“ oder „unverbindlich“ und dem Verweis auf die jeweilige Listen- oder Tagespreisliste versehen ist, liegt dagegen eine Preisanpassungsklausel in Form eines Preisänderungsvorbehalts vor.65 3. Preisänderungsklauseln a) Allgemeines Eine weitere Untergruppe von Preisanpassungsklauseln bilden Preisänderungsklauseln, die eine nachträgliche Änderung eines bei Vertragsschluss festgelegten oder zumindest der Höhe nach bestimmbaren Preises ermöglichen. Da hier ein Preis besteht, der bei Vorliegen bestimmter Bedingungen geändert werden kann, ist die Bezeichnung „Preisänderungsklausel“ geeigneter als der Terminus „Preisanpassungsklausel“.66 Sie unterliegen, da sie als Preisnebenabreden den Preis lediglich modifizieren,67 sowie im Umkehrschluss aus § 309 Nr. 1 BGB, der ein Verbot für bestimmte Preiserhöhungsklauseln enthält, vollumfänglich der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Zu den Preisänderungsklauseln zählen auch solchen Klauseln, die versuchen, den kontrollpflichtigen Preisänderungsbereich durch eine einheitliche sprachlichtechnische Ausgestaltung von Ausgangspreis und Änderungspreis zu umgehen, indem die Preisberechnungsformel nicht nur der Berechnung zukünftiger Änderungen, sondern auch der Bestimmung des bei Vertragsbeginn geltenden Preises dient.68 Auf den ersten Blick könnte man im Einklang mit der Instanzrechtsprechung davon ausgehen, dass eine solche Klausel lediglich den bei Vertragsschluss gültigen Preis bestimmt und damit als Preishauptabrede nur auf ihre Transparenz gemäß § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2, 1 BGB überprüft werden könne.69 Jedoch handelt es sich bei derartigen Klauseln, wie der BGH70 zutreffend betont hat, um

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MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 17; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 42. 66 So auch Wolf, ZIP 1987, 341 342; Hentschel, Anpassung und Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 10; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 13.  67 BGH v. 12.03.1987, BGHZ 100, 157, 173; BGH v. 13.07.1994, BGHZ 127, 35, 41; BGH v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27, 29; BGH 24.03.1999, BGHZ 141, 137, 141. 68 Vgl. BGH v. 24.03.10, BGHZ 185, 96 Rn. 16 f. mit folgender Spannungsklausel AP = 2,43 + (0,092 x (HEL – 19,92)). 69 OLG des Landes Sachsen-Anhalt v. 26.2.2013 – U 168/12, juris Rn. 68 f.; LG München I v. 09.08.2007, WuM 2008, 100 Rn. 3; LG München v. 13.01.2012, RdE 2012, 166 Rn. 31; LG Kassel v. 22.2.2012 – 4 O 200/11, juris Rn. 55 ff.; LG Hof v. 23.5.2012 – 1 HK O 73/11, juris Rn. 53 ff. 70 BGH v. 06.02.1985, BGHZ 93, 358, 362; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 19; BGH v. 24.03.2010, WM 2010, 1050 Rn. 24; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 30; BGH v. 17.09.2014, NJW 2014, 3508 Rn. 17.

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automatische Preisänderungsklauseln.71 Sofern sich der Wert der enthaltenen Faktoren bei Vertragsschluss ermitteln lässt, kann auch der Ausgangspreis anhand der Berechnungsformel mathematisch exakt bestimmt werden. Die gewählte Regelungstechnik ermöglicht es aber nicht nur den Ausgangspreis zu ermitteln, sondern regelt auch künftige Preisänderungen. Die Auslegung darf folglich nicht bei der Bestimmung des Ausgangspreises stehen bleiben, sondern es muss die zweite Funktion der Klausel berücksichtigt werden. Andernfalls wird einer auf die Transparenz beschränkten „Umgehung der Inhaltskontrolle Tür und Tor geöffnet.“72 b) Differenzierung nach dem Anpassungsmodus Es gibt zahlreiche Erscheinungsformen von Preisänderungsklauseln. Diese können zum einen anhand der verschiedenen Vertragsarten, in denen diese verwendet werden,73 zum anderen anhand der jeweiligen maßgeblichen Preiserhöhungsfaktoren74 sowie nach Anpassungsmechanismen,75 kategorisiert werden. Die Unterscheidung nach den verschiedenen Vertragsarten ist für die vorliegende Untersuchung wenig zielführend, als vorrangig die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen, losgelöst von der jeweiligen Vertragsart, bestimmt werden sollen. Das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung kann durch Steigerungen der Selbstkosten des Gläubigers76, Veränderung des Wertes der Leistung77, oder eine Wertminderung der Gegenleistung78 beeinträchtigt werden.79 Bei einer Differenzierung nach diesen Preiserhöhungsfaktoren, ist allerdings nochmals eine Unter­ 71

So auch de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträge, 141; Kühne, NJW 2014, 2714; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 95. 72 BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 30. 73 Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, 18 ff. unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Verträgen. 74 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 4.  75 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 4; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 43 ff.; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 14; Horn, NJW 1985, 1118,1119; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 17 ff.; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 19 ff.; Wolf, ZIP 1987, 341. 76 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115 f.; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn.  22; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 22; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 34 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46 – Augsburger Stromvertrag. 77 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 262; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 22. 78 BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115. Rn. 12; BGH v. 01.07.1992, BGHZ 119, 55 Rn. 18. 79 So auch Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 162, 255.

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teilung nach den Anpassungsmodi erforderlich, da etwa auf gesteigerte Kosten durch verschiedene Klauselarten reagiert werden kann. Folglich eignen sich diese nicht als Abgrenzungskriterium. Sie dienen in der vorliegenden Untersuchung lediglich als Oberbegriffe für die Beweggründe, die zur Preisänderung befähigen, innerhalb derer, sofern unterschiedliche Wirksamkeitsanforderungen bestehen, zwischen den jeweiligen Anpassungsmechanismen differenziert wird. Das Preisklauselgesetz enthält in § 1  Abs.  2  PrKlG Legeldefinitionen für bestimmte Klauselarten. Das Preisklauselgesetz verfolgt in erster Linie währungspolitische Ziele. Es soll inflationären Tendenzen entgegenwirken,80 indem es inkongruente Indexierungen grundsätzlich verbietet. § 1 Abs. 2 PrKlG sieht zulässige Ausnahmetatbestände davon vor. Die Zulässigkeit nach dem Preisklauselgesetz indiziert jedoch nicht die AGB-rechtliche Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel.81 Zwar sind die in § 1 Abs. 2 PrKlG genannten Definitionen grundsätzlich nur für die Auslegung des Preisklauselgesetzes relevant, allerdings ermöglichen sie auch eine allgemeine Einteilung der Preisänderungsklauseln nach Anpassungsmechanismen und den wichtigsten Preiserhöhungsfaktoren.82 Gemäß § 1 Abs. 2 PrKlG ist demnach zwischen automatischen Kostenelementeklauseln und Spannungsklauseln sowie Leistungsvorbehalten, die die Preisänderung in das billige Ermessen des Verwenders stellen, zu unterscheiden. Auch der BGH unterscheidet in seiner jüngsten Rechtsprechung zwischen den in § 1 Abs. 2 PrKlG geregelten Klauselarten und stellt unterschiedliche Anforderungen an Automatikklauseln und Preisänderungsvorbehalte, die den Umfang der Anpassung in das billige Ermessen des Verwenders i. S. v. § 315 BGB stellen. Dies spricht für eine Kategorisierung der Klauselarten nach dem jeweiligen Anpassungsmodus, Automatismus oder Anpassung nach billigem Ermessen, wobei diese Anpassungsmechanismen wiederum mit Bezug auf § 1 Abs. 2 PrKlG nach Preisänderungsfaktoren unterteilt werden können. Als dritter Anpassungsmodus kommt daneben die Neuverhandlung des Preises in Betracht. Die Preisänderung erfolgt hier einvernehmlich. Lediglich für den Fall, dass sich die Parteien nicht über eine Änderung einigen können, wird ein subsidiärer Anpassungsmechanismus vorgesehen.83 Preisänderungsklauseln können demnach nach dem Anpassungsmodus in Automatikklauseln, Preisänderungsvorbehalte und Neuverhandlungsklauseln eingeteilt werden.

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BR-Drs. 68/07, 68; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 24. BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 31; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 7; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 47; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 13; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 8. 82 Thomas AcP 209 (2009), 84, 88. 83 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 32; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 50. 81

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aa) Automatikklauseln Automatikklauseln führen zu einer automatischen unbedingten Anpassung des Entgelts für die Geltungsdauer des Vertrages, indem sie die Höhe des Ausgangspreises in Akzessorietät zu objektivierbaren Bezugsgrößen und deren Veränderung stellen. Eine Automatikklausel gleicht damit einer mathematischen Berechnungsformel für die zukünftige Preisentwicklung.84 Sie darf keinerlei Ermessensspielraum für den Anpassungsberechtigten im Hinblick auf den Änderungsumfang offen lassen. Die Auswirkung der Veränderung einer Bezugsgröße auf den vereinbarten Preis muss sich mathematisch exakt aus der Preisänderungsklausel ergeben. Der bei Vertragsschluss ausgehandelte Preis bleibt dabei solange maßgeblich, bis eine Veränderung der in der Klausel festgesetzten Parameter erfolgt.85 Die Preisanpassung kann je nach tatbestandlicher Ausgestaltung fortlaufend, in wieder­kehrenden Intervallen oder bei Eintritt eines bestimmten Umstandes erfolgen.86 Die Anpassungssituation wird folglich bereits bei Vertragsschluss vollständig geregelt. Rechtlich handelt es sich bei einer Automatikklausel um einen antizipierten Änderungsvertrag nach § 311 Abs. 1 BGB. Die Änderung tritt allerdings erst bei Veränderung der festgelegten Parameter ein, so dass sie unter einer aufschiebenden Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 1 BGB steht. Die Veränderung der Bezugsgrößen bestimmt gleichzeitig den Inhalt des Änderungsvertrages.87 Dagegen sieht Horn in Automatikklauseln eine Art Vertragsdurchführung, weil der Anpassungsvorgang bereits bei Vertragsschluss feststeht.88 Dieser Ansicht ist jedoch insofern nicht zuzustimmen, als das Maß der Veränderung der Bezugsgrößen regelmäßig unbestimmt ist. Lediglich bei einer jährlichen Preisänderung um einen bestimmten Prozentsatz, kann von einer Vertragsdurchführung gesprochen werden.89 Der Vorteil einer automatischen Preisänderungsklausel ist, dass die Bestimmung des Vertragspreises jeglichem parteilichen Belieben entzogen ist.90 Folglich scheidet eine willkürliche Benachteiligung einer der Parteien im Anpassungszeitpunkt aus. Das Anpassungsergebnis lässt sich mathematisch exakt errechnen, so dass die Rechtsfolgen für beide Vertragsparteien vorhersehbar sind.91 Die Preisänderung 84

Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 33; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 17; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89. 85 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 46; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Recht, 108; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 17; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21. 86 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 46; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 4.  87 Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 44. 88 Horn, NJW 1985, 1118, 1120. 89 Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 113; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 17.  90 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 255. 91 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9; Horn, NJW 1985, 1118, 1120; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 113.

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kann zudem bereits zum Zeitpunkt der Veränderung des Parameters erfolgen, es kommt nicht auf den Zugang der Änderungserklärung wie bei Anpassungsklauseln an, die einen Willensakt zur Anpassung erfordern.92 Nachteilhaft an dieser Gestaltungsmöglichkeit ist allerdings, dass der Tatbestand des festgelegten Automatismus äußerst präzise konzipiert sein muss. Es sind die richtigen Bezugsgrößen, die zu einer Änderung des Preises führen sowie deren Auswirkungen auf den Ausgangspreis, in der Klausel vollständig zu erfassen und exakt zu formulieren.93 Wird der Automatismus dagegen an Faktoren geknüpft, die im Einflussbereich des Verwenders liegen, wie etwa an den eigenen Listenpreis oder Konditionen im Neugeschäft des Klauselverwenders sowie unbestimmte Begriffe, deren Ausgestaltung im Ermessen des Anpassungsberechtigten liegt, so handelt es sich um keine andere Situation als bei Einräumung eines einseitigen Preisänderungsvorbehalts, der den Umfang der Anpassung in das billige Ermessens des Verwenders legt. Es erfolgt gerade keine automatische Anpassung an die geänderten Verhältnisse, sofern sich ein Parameter verändert, der Einfluss auf die Preisbildung hat, jedoch nicht in der Klausel aufgeführt ist. Vielmehr ist ein rechtsgeschäftlicher Willensakt durch eine der Parteien oder Dritte oder die Aufnahme einer Anpassungsklausel erforderlich, um den Besonderheiten des nicht geregelten Einzelfalls gerecht zu werden. Es werden folglich nicht alle zukünftigen Entwicklungen erfasst.94 Die Stabilität und Exaktheit, die eine Automatikklausel bietet, führt gleichzeitig zur Starrheit und mangelnder Flexibilität in der Rechtsfolge.95 Daher erweist sich die Automatikklausel als weniger leistungsfähiges Mittel zur vertraglichen Risikovorsorge96 Sie eignet sich am besten für Verträge, bei denen Art und Umfang der Leistung konstant bleiben.97 Automatikklauseln lassen sich je nach Anlass für die Preisänderung und der damit verbundenen Wahl der Bezugsgrößen in folgende Untergruppen aufteilen. (1) Kostenelementeklauseln Kostenelementeklauseln sehen wegen und auf der Grundlage nachträglicher Mehrkosten für die zu erbringende Leistung eine automatische Preisanpassung 92

Palandt/Grüneberg, Anh zu § 245, § 1 PrKlG Rn. 3; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 264. 93 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 17. Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21. 94 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 36 – Augsburger Stromvertrag; Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 106; Horn, NJW 1985, 1118, 1120; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9. 95 Horn, NJW 1985, 1118, 1120; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Recht, 120. 96 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9. 97 Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Recht, 120.

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vor.98 § 1  Abs.  2  Nr.  3  PrKlG enthält eine Legaldefinition der Kostenelemente­ klausel. Danach handelt es sich um Klauseln, die den vereinbarten Preis in Abhängigkeit zu der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter und Dienstleistungen stellen, die unmittelbaren Einfluss auf die Selbstkosten des Gläubigers für die Erbringung der Leistung haben. Der Preis steht in Akzessorietät zu den Kosten, die für die Beschaffung der Leistung erforderlich sind. Dabei sind verschiedene Ausgestaltungen möglich. Die Preisänderung kann an einen Kostenfaktor oder an mehrere Kostenfaktoren geknüpft werden. Dabei ist bei letzteren eine Gewichtung der verschiedenen Faktoren im Verhältnis zueinander erforderlich, um eine automatische Anpassung zu ermöglichen. Sogenannte Kostenfaktoren können z. B. Rohstoffkosten, Herstellungskosten, Transportkosten oder Lohnkosten sein. Allerdings wirft die Kopplung des Preisanpassungsrecht an die konkrete Kostenstruktur verschiedene Schwierigkeiten auf: Zum einen können bei Vertragsschluss nicht alle Selbstkosten des Gläubiger und die Entwicklung der jeweiligen Kostenfaktoren exakt prognostiziert werden, so dass die Gefahr besteht, dass die Veränderung nicht erfasster oder neuer Kosten bei der Preisentwicklung nicht berücksichtigt wird.99 Ferner ist es zweifelhaft, ob die Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Rechtsfolgen für den Vertragspartner noch gegeben ist, wenn alle möglichen Kostenfaktoren einschließlich ihrer Gewichtung in der Klausel aufgeschlüsselt werden.100 Daneben besteht durch die Offenlegung aller Kostenfaktoren die Gefahr, dass Konkurrenten die exakte Kalkulation des Verwenders ermitteln können.101

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BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 20; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 18; Wolf, ZIP 1981, 235, 240. 99 BGH v. 25.11.2016, BGHZ 208, 52 Rn. 36, 39 – Augsburger Stromvertrag; Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 106; Horn, NJW 1985, 1118, 1120; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 21; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9. 100 BGH v. 25.11.2016, BGHZ 208, 52 Rn. 37 – Augsburger Stromvertrag; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 68; Borges, DB 2006, 199, 1202; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromliefer- und Netznutzungsverträge im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 113; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 24; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 118; Schöne, WM 2004, 262, 265; Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424, 426; derselbe, in FS Westermann, 707, 711. 101 BGH v. 25.11.2016, BGHZ 208, 52 Rn. 43– Augsburger Stromvertrag, für Preisänderungsvorbehalte; Borges, DB 2006, 1199, 1203; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Eckhoff, GWR 2016, 243, 246; Kessel/Schwedler, NJW 2010, 585, 587; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 24; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 117 f.; Schmid, NJW 2003, 947, 948; Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424, 426; derselbe, in FS Westermann, 707, 712.

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(2) Marktpreisklauseln Das Preisänderungsrecht kann auch in Abhängigkeit zu einem Marktpreis, also den durchschnittlich von Marktteilnehmern verlangten Preis gestellt werden, sofern ein solcher für die betreffende Leistung existiert. Marktwertklauseln tragen der Wertveränderung der zu erbringenden Leistung Rechnung und ermöglichen eine Anpassung anhand der Wettbewerbssituation.102 Häufig nehmen Listen- oder Tagespreisklauseln auf einen Marktpreis Bezug, jedoch kann sich eine Listenoder Tagespreisklausel auch nur auf vom Hersteller oder Lieferanten einseitig festgesetzte Preise beziehen. Ist dies der Fall, handelt es sich insbesondere bei Tagespreisklauseln nicht um Automatikklauseln, sondern um Preisänderungsvorbehalte, da das Ausmaß der Preisänderung dann in das Ermessen des Verwenders gestellt wird.103 Lässt sich ein von der Klausel unabhängiger Preis, insbesondere ein zunächst geltender Tages- oder Listenpreis, dagegen nicht ermitteln, so liegt jedoch, wie oben erläutert, ein automatischer Preisbestimmungsvorbehalt vor.104 (3) Spannungsklauseln Spannungsklauseln erlauben es dem Verwender die Steigerung des Wertes der zu erbringen Leistung an den Vertragspartner weiterzugeben sowie auch auf den Wertverfall der Gegenleistung zu reagieren.105 Entsprechend der Definition in § 1  Abs.  2  Nr.  2  PrKlG und der Bezeichnung „Spannungs“-Klausel106 wird der Wert des geschuldeten Entgelts in ein Spannungsverhältnis zu dem künftigen Wert der Güter oder Leistungen gesetzt, die im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind und häufig im Wettbewerb zum geschuldeten Gut stehen.107 Der Unterschied zu Kostenelementeklausel besteht darin, dass Spannungsklauseln unabhängig von der tatsächlichen Kostenentwicklung die Erhaltung einer bestimmten Wertrelation bewirken.108 Die Anpassung erfolgt automatisch bei Änderung des Wertes des Vergleichsgutes. Voraussetzung für eine solche Klausel ist, dass ein geeignetes Vergleichsgut besteht, das einer überprüfbaren Preisentwicklung unterliegt, was im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist.109 102 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252 Rn. 23; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 22 Zulässigkeit der Anpassung bei Änderung der ortsüblichen Vergleichsmiete; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 20.  103 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 22; BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603, 1604; BGH v. 01.02.1984, 90, 69, 70: „[…] gilt der am Tag der Lieferung gültige Preis des Verkäufers.“; Wolf, ZIP 1987, 341, 348. 104 Vgl. Einleitung B. 2.  105 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 179. 106 BGH v. 17.09.1954, NJW 1954, 1684, 1685. 107 BGH v. 02.02.1983, NJW 1983, 1909, 1910; BGH v. 08.06.2006, BGHZ 168, 96 Rn. 14; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 28. 108 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 29. 109 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 590.

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Zur Bestimmung des Vergleichsguts wird der Begriff der Gleichartigkeit weit ausgelegt. Hierbei ist eine gewisse Pauschalierung geboten.110 In der Gasversorgung wird etwa der Preis für leitungsgebundenes Gas üblicherweise an die Ent­wicklung des Preises für extra leichtes Heizöl gekoppelt, man spricht von sog. „HEL-Klauseln“. Der Preis für extra leichtes Heizöl ist dabei aufgrund der Preisnotierung tagesaktuell einsehbar. (4) Gleitklauseln Im Gegensatz zu Spannungsklauseln nehmen Gleitklauseln zur Anpassung des Preises Bezug auf den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind, insbesondere auf statistische Indizes oder auch bestimmte Gehälter. Verändert sich die vertragsfremde Bezugsgröße, verändert sich automatisch der vereinbarte Ausgangspreis. Die häufigste Erscheinungsform von Gleitklauseln sind Indexklauseln, die auf einen amtlichen Index Bezug nehmen.111 Meistens wird festgesetzt, dass die Anpassung bei Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes oder nach einer bestimmten Zeitperiode erfolgt. § 1 Abs. 1 PrKlG sieht für die Verwendung von Gleitklauseln ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vor, der gemäß § 2 Abs. 1 PrKlG die in §§ 3 bis 7 PrKlG genannten Gleitklauseln für zulässig erklärt. Insbesondere sind unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 PrKlG Gleitklauseln in langfristigen Verträgen mit Versorgungs- oder Abfindungscharakter sowie in Mietverträgen mit einer Mindestdauer von zehn Jahren zulässig, sofern sie auf amtliche Preisindizes von Bund, Ländern oder der EU oder künftige Entwicklung von Gehältern Bezug nehmen.112 Ferner gibt es eine unbedingte Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 PrKlG für das Miet- und Fernwärmerecht sowie für Erbbau-, Finanz-, Devisen- und Wehrbeschaffungsverträge, §§ 4 bis 7 PrKlG.113 Gleitklauseln werden in langfristigen Verträgen verwendet und dienen dazu, den Vertragspartner an dem Risiko des Kaufkraftschwundes der Gegenleistung zu beteiligen.114 Allerdings werden andere Faktoren, die zu einer Veränderung des Entgelts führen könnten, wie die für die Preisbildung relevanten Kosten oder der Wert der Leistung, dadurch nicht realitätsgetreu erfasst.115 Zudem wird die allgemeine

110

Staudinger/Schmidt, Neub. 2013, Vorbem zu §§ 244 ff. BGB, D 249. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 47; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 13. 112 Palandt/Grüneberg, Anh zu § 245 BGB, § 3 PrKlG Rn. 1; MüKo/Grundmann, § 245 BGB Rn. 77. 113 MüKo/Grundmann, § 245 BGB, Rn. 78. 114 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 20, 179. 115 BGH v. 23.05.2014, NZM 2014, 837, Rn. 11, 24: So wurde bei einer Kopplung des Erbbauzinses an das Gehalt eines Landesgerichtspräsidenten zwar dem Geldwertschwund Rechnung getragen. Allerdings konnten auf Grundlage dieser Klausel weder die von dem Erbbau­berechtigten 111

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Geldentwertung in der Regel automatisch durch Weitergabe der gesteigerten Kosten oder Anknüpfung an den Marktpreis für das geschuldete oder ein vergleichbares Gut auf den Kunden umgewälzt, so dass die eigenständige Bedeutung von solchen Indexklauseln als gering eingestuft werden kann. bb) Preisänderungsvorbehalte (1) Allgemeines Preisänderungsvorbehalte sind Klauseln, die einer der Parteien oder einem Dritten bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen, insbesondere Änderungen bestimmter Bezugsgrößen, die Befugnis zur Anpassung des bei Vertragsschluss vereinbarten Ausgangspreises nach billigem Ermessen i.S.v.§ 315 Abs. 1 BGB einräumen.116 Der Unterschied zu Automatikklauseln liegt darin, dass dem Anpassungsberechtigten bezüglich des Ausmaßes der Anpassung des bei Vertragsschluss festgesetzten Preises ein mehr oder weniger begrenzter Ermessensspielraum verbleibt. Der Preisänderungsumfang ist dabei gerade nicht anhand einer mathematisierten Berechnungsformel, die keinerlei Gestaltungsspielraum übrig lässt, zu ermitteln.117 Zur Änderung des Ausgangspreises ist die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung erforderlich, so dass diese erst mit Zugang der Änderungserklärung wirksam wird.118 Dieses einseitige Änderungsrecht ist den §§ 315 ff. BGB unterworfen, da der Fall der Änderung eines vereinbarten Preises dem Fall der Erstbestimmung einer offen gebliebenen Leistung gleichgestellt wird.119 Ob es sich im Einzelfall um eine Automatikklausel oder einen Preisänderungsvorbehalt handelt, ist durch Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.120

tatsächlich gezogenen Mieteinnahmen noch die Entwicklung des Werts der baulichen Nutzung des Erbbaugrundstücks berücksichtigt werden. 116 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen. 47; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Recht, 147; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 24; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 10; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89. 117 BGH v. 05.07.1991, NJW-RR 1992, 142; BGH v. 11.10.2006, NJW 2007, 210 Rn. 17; BGH v. 05.2012, NZA-RR 2013, 328 Rn. 21; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 21 – Augsburger Stromvertrag; Palandt/Grüneberg, Anh zu § 245 BGB Rn. 3; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25; Lübke-Detring, Preisklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 724. Wolf, ZIP 1987, 341, 352. 118 Palandt/Grüneberg, Anh zu § 245 BGB, § 1 PrKlG, Rn. 3; Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 47. 119 Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rn. 1; Horn NJW 1985, 1118, 1121. 120 Vgl. für verschiedene Auslegungsmöglichkeiten BGH v. 17.12.2008, NJW 2009, 578 Rn. 15; Bork, JZ 2006, 682, 683; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89.

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Preisänderungsvorbehalte werden nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKlG sowohl in der Rechtsprechung als auch Literatur als „Leistungsvorbehalte“121 aber auch als „Leistungsbestimmungsvorbehalte“122 oder „Preisvorbehalte“123 bezeichnet. Der Terminus „Leistungsvorbehalte“ ist jedoch misslich, da der Anschein erweckt wird, als ob der Preis zurückgehalten werden könnte.124 In Abgrenzung zu den oben erläuterten Preisbestimmungsvorbehalten, die der Bestimmung eines bei Vertragsschluss offen gelassenen Preises dienen, eignet sich die Bezeichnung „Preisänderungsvorbehalt“ am besten.125 Sinn einer solchen Klauselgestaltung ist es, die Preisanpassung in einem gewissen Punkt variabel zu gestalten. Durch die Einräumung einer einseitigen Änderungsbefugnis nach billigem Ermessen kann der Anpassungsberechtigte flexibler als im Fall einer automatischen Anpassungsklausel auf die veränderten Umstände reagieren. Er kann nicht nur über den Umfang der Anpassung frei entscheiden, sondern auch, ob er von seinem Anpassungsrecht Gebrauch macht.126 Daher erfordern solche Klauseln eine geringere Bestimmtheit als Automatikklauseln.127 Die Flexibilität, die ein solcher Anpassungsmechanismus ermöglicht, kann allerdings auf Kosten der Vorsehbarkeit der Rechtsfolgen gehen sowie eine unangemessene Anpassung zum Nachteil einer Vertragspartei ermöglichen. Preisänderungsvorbehalte lassen sich zur näheren Untersuchung in eine Tatbestands- und eine Rechtsfolgenseite aufteilen. (2) Tatbestand Im Tatbestand von Preisänderungsklauseln wird der Punkt festgesetzt, ab dem eine Änderung des vereinbarten Ausgangspreises nach dem Ermessen eines Berechtigten erfolgen kann.128 Dieser Zeitpunkt kann generell oder konkret ausgestaltet sein: 121 Exemplarisch BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn.  15  – Augsburger Stromvertrag; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 13. 122 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 5; Horn, NJW 1985, 1118, 1120. 123 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1BGB Rn.  12; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 588; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 88; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 1. 124 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25.  125 So auch de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 23; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 134; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 10. 126 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 255; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 15. 127 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37 – Augsburger Stromvertrag. 128 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 15.

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Der Tatbestand eines Preisänderungsvorbehalts ist generalklauselartig formuliert, etwa wenn die Klausel das Preisänderungsrecht an allgemeine Kostenentwick­ lungen oder die Änderung der wirtschaftlichen Wertverhältnisse anknüpft.129 Des Weiteren können in Preisänderungsvorbehalten auch gar keine Anpassungsvoraussetzungen benannt sein, z. B. wenn die Klausel lediglich einen bei Vertragsschluss vereinbarten Preis für „unverbindlich“ erklärt.130 Die Preisänderungsbefugnis kann aber auch an die oben genannten Bezugsgrößen gekoppelt sein. Steigen die Selbstkosten für die Erbringung der Leistung, verändert sich ein bestimmter Index, der Marktwert der geschuldeten Leistung oder etwa der Wert eines vergleichbaren Gutes, so kann dies als Anlass genommen werden, eine der Parteien oder einen Dritten zur Änderung des Preises nach seinem billigen Ermessen zu berechtigen.131 Gleichzeitig steckt das Maß der Veränderung die Grenzen ab, innerhalb derer der Verwender Preisanpassungen nach billigem Ermessen vornehmen darf. Aufgrund dieser Ermessenskonkretisierung rücken Preisänderungsvorbehalte näher an Automatikklauseln heran. Folglich könnte man innerhalb der Preisänderungsvorbehalte ebenfalls zwischen Kostenelemente-, Spannungs- und Indexklauseln differenzieren, wobei der Anpassungsautomatismus durch eine Anpassungsbefugnis des Anpassungsberechtigten ersetzt wird, so dass man den Zusatz „ermessenseröffnend“ hinzufügen könnte.132 Allerdings werden diese Termini im Schrifttum und in der jüngsten Rechtsprechung im Einklang mit der Terminologie aus § 1 Abs. 2 PrKlG nur für automatische Preisänderungsklauseln verwendet.133 Die Veränderung der Bezugsgrößen bestimmt nur mittelbar die Preisanpassung. Vielmehr liegt diese im billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten, so dass der Begriff des „Änderungsvorbehalts“ im Vordergrund stehen muss. (3) Rechtsfolge Liegen die Voraussetzungen des Tatbestandes vor, so liegt es im Ermessen des Anpassungsberechtigten, der in der Regel der Gläubiger der Gegenleistung ist, ob und in welchem Umfang er den Ausgangspreis ändern möchte.

129 BGH v. 13.05.1975, BGHZ 62, 314; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 82; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 24; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 28; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 125; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25 f. 130 BGH 06.12.1984, NJW 1985, 855; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1, Rn. 42. 131 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 5 f.; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 26.  132 So de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 29.  133 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 26.

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(a) Bestimmtheit Die Rechtsfolgenseite kann auch mehr oder weniger konkret ausgestaltet sein: Sofern die Anpassung nicht in das „freie Belieben“ des Anpassungsbefugten gestellt ist, hat die Anpassung i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Das bedeute nicht, dass nur ein Anpassungsergebnis möglich ist, vielmehr steht dem Anpassungsberechtigten ein Gestaltungsspielraum zu, der durch die geforderte „Billigkeit“ des Verhaltens i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB begrenzt wird.134 Die Grenze der Billigkeit gibt lediglich vor, dass die Anpassung nur von der Klausel gedeckt ist, sofern ihre Überprüfung den zu § 315 BGB entwickelten Grundsätzen standhält.135 Allerdings kann auch in Preisänderungsvorbehalten der Anpassungsumfang teilweise in der Klausel vorgegeben sein. Mit zunehmender Klauselbestimmtheit verringert sich dabei der Ermessensspielraum des Anpassungsbefugten.136 Überschneidungen zwischen Automatikklauseln und Preisänderungsvorhalten können sich dann ergeben, wenn neben dem Tatbestand einer Anpassungsklausel auch der Änderungsumfang, so konkret formuliert ist, dass dem Anpassungsberechtigten lediglich eine „Subsumtionskompetenz“ verbleibt.137 Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Änderung einer Bezugsgröße nicht nur den Tatbestand des Preisänderungsvorbehalts konkretisiert, sondern gleichzeitig auch den Umfang der Anpassung bestimmt: „Wenn sich nach Abschluss des Vertrags die Gestehungspreise für Flüssiggas, die Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten oder die Mineralöl- bzw. Mehrwertsteuersätze ändern, kann S (die Bekl.) im Umfang der Veränderung dieser Kostenfaktoren pro Liefereinheit den vorstehend angegebenen derzeitigen Gaspreis ändern.“138 Da eine solche Klausel dem Anpassungsberechtigten eine Subsumtionskompetenz und ein Initiativrecht hinsichtlich des „Ob“ der Preiserhöhung gewährt sowie zur Preisänderung weiterhin einen Festsetzungsakt des Anpassungsberechtigten erforderlich ist, werden solche Klauseln in der Literatur zum Teil als Preisänderungsvorbehalte eingeordnet.139 Dagegen bezeichnet Hentschel derartig konkrete Klauseln als eigenständigen Typus im Rahmen der vertraglichen Anpassungsmechanismen, der durch das Initiativrecht und einen konkret bestimmten 134

MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29. BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2178 Rn. 27. 136 Veranschaulicht durch die Bestimmtheitsskala bei Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 124. 137 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 124; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 143. 138 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717 – Flüssiggas I. 139 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 124; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 83 f. 135

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Anpassungsumfang des Verwenders gekennzeichnet ist und sich daher weder Automatikklauseln noch Preisänderungsvorbehalten zuordnen lässt.140 Jedoch darf bei Preisänderungsvorbehalten das Auswahlermessen des Anpassungsberechtigten nicht vollkommen eingeschränkt werden. Es ist mit dem Charakter eines nach billigen Ermessen ausgestalteten Preisänderungsvorbehalts nicht vereinbar, wenn die Klausel so konkret ausgestaltet ist, dass dem Anpassungsberechtigten gar kein Ermessenspielraum mehr verbleibt.141 Für eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB besteht bei solchen konkret ausgestalteten Klauseln kein Raum mehr. Es kann lediglich die Ausübung des Initiativrechts einer Überprüfung unterzogen werden; der Preisänderungsumfang wird dagegen durch Subsumtion unter den Klauseltatbestand bestimmt. Daher sind Klauseln, die dem Anpassungsberechtigten lediglich ein Initiativrecht, jedoch aufgrund der konkreten, einer mathematisierten Berechnungsformel gleichenden, Ausgestaltung keinen Ermessenspielraum gewähren, Automatikklauseln zuzuordnen.142 Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob bei einer derart konkretisierten Preisänderungsklausel, wie der oben Genannten, hinsichtlich des Umfangs der Anpassung noch ein Ermessenspielraum vorliegt. De Wal argumentiert damit, dass solchen Klauseln, wie die oben Skizzierte, nach der kundenfreundlichsten Auslegung insofern einen Ermessenspielraum einräumen, als der Verwender nicht dazu verpflichtet sei, die Veränderung der für die Preisbildung relevanten Faktoren vollständig an den Vertragspartner weiterzugeben, sondern diese lediglich bis zu dieser Obergrenze weitergeben könne. Schließlich stehe der Kunde bei einem Preisänderungsvorbehalt besser da, als bei einer Verpflichtung des Verwenders den Preis vollständig weiterzugeben.143 Freilich ist ein Preisänderungsvorbehalt für den Vertragspartner vorteilhafter als eine Automatikklausel,144 allerdings überzeugt de Wals Argumentation nicht. Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders. Nach ständiger Rechtsprechung führt diese Auslegungsregel im Verbandsprozess sowie im Individualprozess dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungsmöglichkeiten diejenige zugrunde zu legen sei, die zur Unwirksamkeit der Klausel führe. Diese scheinbar „kundenfeindlichste“ Auslegung sei im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden

140 Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 138, 43 ff. 141 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37 – Augsburger Stromvertrag. 142 Zustimmend BGH v. 05.07.1991, NJW-RR 1992, 142; BGH v. 11.10.2006, NJW 2007, 210 Rn. 17; BGH v. 05.2012, NZA-RR 2013, 328 Rn. 21; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 21 – Augsburger Stromvertrag.; Palandt/Grüneberg, Anh zu § 245 BGB Rn. 3; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25; Lübke-Detring, Preisklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 724; Wolf, ZIP 1987, 341, 352. 143 de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 27. 144 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 21; Borges, DB 2006, 1199, 1200; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1439.

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günstigste.145 Demnach ist solchen derart detaillierten Klauseln der kundenfeindlichste Inhalt beizumessen, nach dem der Anpassungsberechtigte keinen Ermessenspielraum hinsichtlich des Anpassungsumfangs hat und dem Vertragspartner nicht die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle zusteht. Folglich handelt es sich bei der oben genannten Klausel um eine automatische Kostenelementeklausel.146 (b) Ausübungskontrolle Die konkret getroffene Preisgestaltung unterliegt gemäß § 315 Abs. 3 BGB der Ausübungskontrolle des Richters. Durch die Ausübungskontrolle wird das Ergebnis einer konkret erfolgten Preisanpassung nach Billigkeitsgesichtspunkten überprüft, während bei einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel beurteilt wird, ohne dass eine Preisanpassung bereits erfolgt sein muss.147 III. Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich die behandelten Klauseln aus meiner Sicht so syste­matisieren, dass Preisänderungsklauseln, die die Abänderung eines bei Vertragsschluss zumindest bestimmbaren Preises ermöglichen, und Preisbestimmungsvorbehalte, die zur Bestimmung eines bei Vertragsschluss offen gelassenen Preises dienen, unter dem Oberbegriff der Preisänderungsklauseln erfasst werden können. Je nach Anpassungsmechanismus lassen sich Preisänderungsklauseln wiederrum in Automatikklauseln, Preisänderungsvorbehalte, bei denen die Änderung des Preises im billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten liegt, und Neuverhandlungsklauseln einteilen. Automatikklauseln können je nach Bezugsgröße, deren Veränderung die Anpassung auslöst und bestimmt, in Kostenelementeklauseln, Spannungsklauseln, Marktpreisklauseln und Indexklauseln kategorisiert werden. Auch bei Preisänderungsvorbehalten kann die Preisänderungsbefugnis durch die Veränderung dieser Faktoren bedingt sein. Allerdings steht bei diesen Klauseln die Anpassung nach billigem Ermessen i. S. v. § 315 BGB im Vordergrund. Graphisch lässt sich dies wie folgt veranschaulichen: 145

BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 19. So auch BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; vgl. als weiteres Beispiel BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn 43: „Ändern sich die allgemeinen veröffentlichten Tarifpreise (Haushalt und Gewerbe) der W., so ist W. berechtigt, die Vertragspreise angemessen zu ändern.“ „Bei kundenfeindlichster Auslegung kommt vielmehr auch ein Klauselverständnis in Betracht, nach dem der Bekl. wegen der festen, nach Art eines Index vorgenommenen Koppelung der Preisänderungen an die Änderungen der Grundversorgungspreise kein der Überprüfung zugänglicher Ermessensspielraum zusteht […].“ 147 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 14; Thomas, AcP 2009, 84, 96; MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 9. 146

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Preisanpassungsklauseln Preisänderungsklauseln Automatikklauseln

Preisbestimmungsvorbehalte

Preisänderungsvorbehalte

Neuverhandlungsklauseln

Kostenelementeklauseln Spannungsklauseln Marktpreisklauseln Indexklauseln

C. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden Preisanpassungsklauseln mit Ausnahme von Preisbestimmungsvorbehalten und Neuverhandlungsklauseln. Diese Eingrenzung fußt auf folgenden Erwägungen. Da die materielle Klauselkontrolle im Vordergrund steht, sollen lediglich Preisanpassungsklauseln Untersuchungsgegenstand sein, die im vollen Umfang der Inhaltskontrolle unterliegen; also nicht nur auf ihre Transparenz, sondern auch auf ihre inhaltliche Ausgewogenheit überprüft werden können. Ausführungen zu der Frage, ob AGB i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB vorliegen und wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, sind dagegen aus der Untersuchung ausgeklammert. Diese Fragen sind bei Preisänderungsklauseln, die in Massengeschäften verwendet werden, in der Regel unproblematisch. Da Preisbestimmungsvorbehalte nicht im vollen Umfang der Inhaltkontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterworfen sind, sind sie folglich nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Zwar begründet der BGH die Kontrollfähigkeit eines Preisbestimmungsvorbehalts damit, dass eine solche Klausel von dem gesetzlichen Leitbild, nach dem Leistung und Gegenleistung unmittelbar im Vertrag zu bestimmen seien, und damit von Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB abweiche.148 Allerdings ist dieses gesetzliche Leitbild nicht zwingend, wie die Existenz der §§ 315, 316 BGB beweist. Der Vertrag ist nicht stets unwirksam, wenn der Preis bei Vertragsschluss nicht festgelegt wird. Vielmehr kann er im Zweifel durch 148 BGH v. 09.07.1981, BGHZ 81, 229, 232; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 255; BGH v. 12.01.1994, BGHZ 124, 351, 362; BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11 Rn. 36; gleiche Argumentation auch bei BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 19 obwohl hier ein Preisänderungsvorbehalt vorlag; für die Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle auch Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 13; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 143.

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den Gläubiger bestimmt werden.149 Darüber hinaus lässt der BGH unberücksichtigt, dass durch einen Preisbestimmungsvorbehalt der Preis erstmalig festgesetzt wird, so dass man von einer Preishauptabrede ausgehen muss.150 Eine nachträgliche Preisbestimmung lässt sich demnach mit einer Preisvereinbarung bei Vertragsschluss vergleichen. Die Festlegung von Preisbestimmungen ist gerade Sache der Parteien. Es fehlt an gesetzlichen Preisregelungen, die bei Unwirksamkeit gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der vertraglichen Regelung treten können.151 Preis­ bestimmungsvorbehalte unterliegen daher nach § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2, 1 BGB lediglich der Transparenzkontrolle. Es muss dem Vertragspartner hinreichend transparent verdeutlicht werden, dass er sich hinsichtlich der Preisbestimmung vollkommen dem Vertragspartner ausliefert.152 Einfache Neuverhandlungsklauseln weisen die Besonderheit auf, dass die Preisänderung nur einvernehmlich erfolgt. Sie lockern damit weder die Vertragsbindung, noch weichen sie vom Konsensprinzip und damit von Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 3 BGB ab.153 Folglich findet außerhalb der Transparenzkontrolle keine Inhaltskontrolle von solchen Klauseln statt, weshalb sie nicht Teil der vorliegenden Untersuchung sind. Neben der Definition von Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln in Form von Automatikklauseln und Preisänderungsvorbehalten ist es das Ziel dieser Untersuchung, die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln durch die Klauselrichtlinie aufzuzeigen. Dieser Richtschnur folgend ergibt sich eine weitere Einschränkung des Untersuchungsgegenstanden. Es werden die Wirksamkeitsvoraussetzungen nur von solchen Preisanpassungsklauseln untersucht, die der Klauselrichtlinie unterliegen. Da Verträge mit Unternehmern nicht von der Klauselrichtlinie umfasst sind, sind nur solche Preisänderungsklauseln Untersuchungsgegenstand, die Bestandteil von Verbraucherverträgen sind. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der so definierten Preisänderungsklauseln sollen unabhängig von einer bestimmten Vertragsart definiert werden. Zur Veranschaulichung werden die hier entwickelten Lehren jedoch am Beispiel von Preisänderungsvorbehalten in Energielieferungsverträgen mit Sonderkunden, die zunehmend auch Verbraucher sind,154 verdeutlicht. Die Wahl dieses Beispiels lässt

149

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 116; Hilber, BB 2011, 2691, 2694. MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 16, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 119; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 44; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 17. 151 BGH v. 07.05.1991, BGHZ 114, 330, 333; BGH v. 30.11.1993, BGHZ 124, 254, 256; BGH v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27 Rn. 9. 152 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 15. 153 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 113; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 51. 154 BT-Dr. 14/6040, 160; Graf v. Westphalen, ZIP 2008, 669, 670; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 205, 206. 150

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sich damit begründen, dass trotz einer Fülle von Gerichtsentscheidungen in diesem Bereich größte Rechtsunsicherheit herrscht, wie Preisänderungsklauseln AGBrechtlich wirksam ausgestaltet sein müssen. Dabei sind Preisänderungsklauseln im Energiesektor aufgrund von Faktoren, auf die die Energieversorgungsunternehmen keinen Einfluss haben, wie politischen Entscheidungen im In- und Ausland, aber auch in den Förderländern, Entwicklungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sowie unternehmensinternen Entscheidungen von Vorlieferanten, unabdingbar für die Gestaltung von langfristigen Leistungsbeziehungen. Die bestehende Rechtsunsicherheit ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der EuGH in der Rechtssache RWE die bisherige Rechtsprechung des BGH, die die wortgetreue Übernahme von gesetzlichen Preisänderungsregelungen für Grundversorgungskunden oder Verweis auf diese in Sonderkundenverträgen als AGB-rechtlich wirksam erachtete, als unvereinbar mit dem europäischen Transparenzgebot der Klauselrichtlinie und der Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG155 erklärt hat. Mit Entscheidung vom 31.07.2013 gab der BGH unter Verweis auf die Bindungswirkung der Entscheidung des EuGH seine bisherige Rechtsprechung auf.156 Der letzte „sichere Hafen“157 für Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen ist damit Vergangenheit. Die bestehende Rechtsunsicherheit sorgt ferner dafür, dass nicht nur Verbraucherverbände, sondern auch Wettbewerber darauf abzielen, ihren Konkurrenten die Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln zu untersagen, um sich gegen wettbewerbswidrige Vorteile eines Konkurrenten zu erwehren.158

D. Gang der Untersuchung Das Untersuchungsprogramm wird in fünf Teilen durchschritten. In einem Grundlagenteil (1. Teil) wird die Kompetenzverteilung zwischen EuGH und BGH sowie die Reichweite der Entscheidungen des EuGH erläutert (Kapitel 1). Anschließend werden allgemeine Auslegungsmethoden der europäisch-autonomen Auslegung der Klauselrichtlinie erörtert (Kapitel 2). Der 2. Teil behandelt die Transparenzkontrolle. Diesbezüglich werden zunächst die europarechtlichen Grundlagen, insbesondere in Hinblick auf den systematischen Standort und Transparenzmaßstab herausgearbeitet. Anschließend soll die Anwendung dieser Standards durch die deutsche Rechtsprechung verglichen werden (Kapitel 3). Darauf aufbauend werden die formellen (Kapitel 4) und materiellen Transparenzanforderungen von Preisänderungsklauseln bestimmt (Kapitel 5). 155 Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zur Aufhebung der Richtlinie 93/30/EG (ABl. Nr. L 176 v. 15.07.2003, 57). 156 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111. 157 Markert, LMK 2016, 384185 spricht von „safe haven“. 158 Vgl. BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 – Augsburger Stromvertrag.

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Einleitung

Der 3. Teil widmet sich der Inhaltskontrolle. Zunächst wird unter anderem der Missbräuchlichkeitsmaßstab und seine Umsetzung im deutschen Recht untersucht sowie der Prüfungsmaßstab für die Kontrolle von Preisänderungsklauseln definiert (Kapitel 6). Anschließend wird analysiert, wie eine Preisänderungsklausel ausgestaltet sein muss, um das bei Vertragsschluss festgelegte Äquivalenzverhältnis zu wahren (Kapitel 7). Schließlich wird untersucht, inwiefern die Einräumung eines Lösungsrechts für den Verbraucher erforderlicher Bestandteil einer wirksamen Preisänderungsklausel ist (Kapitel 8). Der 4.  Teil  behandelt die Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben. Neben den Rechtsfolgen von missbräuchlichen Klauseln im Allgemeinen (Kapitel 9) wird dabei ein besonderes Augenmerk auf die ergänzende Vertragsauslegung gelegt (Kapitel 10). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse rundet die Arbeit ab.

Teil 1

Allgemeiner Teil  Kapitel 1

Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unterliegen hinsichtlich des Rechts der Klauselkontrolle und seiner Ausgestaltung den Vorgaben der Klauselrichtlinie. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist daher bei der AGB-rechtlichen Kontrolle insbesondere klärungsbedürftig, wie in Hinblick auf die Auslegung und Anwendung der Klauselrichtlinie die Kompetenzen zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten verteilt sind.

A. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung Jedes deutsche Gericht ist, insbesondere mangels einer expliziten Umsetzung der Klauselrichtlinie, verpflichtet, die §§ 305 ff. BGB im Rahmen von Verbraucherverträgen richtlinienkonform, folglich unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Klauselrichtlinie auszulegen und anzuwenden.1 Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung geht sowohl nach EuGH2 als auch BGH3 sowie im Schrifttum größtenteils vertretener Meinung4 auf das Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 S. 1 AEUV ergänzt durch

1

EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial SA/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores SA), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 30–32. 2 EuGH v. 10.04.1984, Rs. C-14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein Westphalen), ECLI:EU:C:1984:153, Rn. 26; EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 (Marleasing/Comercial Internacional de Alimentación), ECLI:EU:C:1990:395, Rn. 8; EuGH v. 19.10.2010, C-555/07 (Seda Kücükdeveci/Swedex), ECLI:EU:C:2010:21, Rn. 48. 3 BGH v. 21.12.2011, NJW 2012, 1073 Rn. 25. 4 Canaris, in FS Bydlinski, 47, 55 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Euro­ päische Gemeinschaft, 296 ff.; Gebauer, in Gebauer/Wiedemann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4 Rn. 29, 32, Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 121; Roth/ Jopen, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 4; a. A. Hommelhoff, in Canaris (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, 889, 892 stellt auf den Umsetzungswillen des Gesetzgebers ab; Lutter, JZ 1992, 593, 604 in Fn. 135 stellt auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ab.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

die Pflicht zur Loyalität nach Art. 4 Abs. 3 EUV zurück. Als Sonderfall der unionskonformen Auslegung ist es Ziel der richtlinienkonformen Auslegung, die „volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht.“5 Zu den Vorgaben der Richtlinie zählen nicht nur die Vorschriften der Richtlinie, sondern auch ihre Begründungserwägungen sowie die Rechtsprechung des EuGH. Sofern der Wortlaut der auszulegenden Norm nach den klassischen Auslegungsmethoden ein Auslegungsspektrum eröffnet, das eine Interpretation im Sinne der Klauselrichtlinie zulässt, können etwaige Divergenzen zwischen dem nationalen Recht und dem Gemeinschaftsrecht auf diese Weise aufgelöst werden.6 Die richtlinienkonforme Auslegung begründet jedoch nicht die Grundlage für eine Auslegung contra legem.7 Die nationalen Richter können der richtlinienkonformen Auslegung nur dann Rechnung tragen, wenn hinreichend geklärt und präzisiert ist, wie der Inhalt der Richtlinie zu verstehen ist.8 Aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts und der Erzielung und Wahrung der Rechtsvereinheitlichung kommt dem EuGH für die Auslegung, Konkretisierung und Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts eine Monopolstellung zu, die durch das Vorlageverfahren gewährleistet und geregelt wird.9 Nach Art.  267  Abs.  1  lit.  b AEUV entscheidet der EuGH im Vorlageverfahren nicht nur über die Auslegung der EU-Verträge, sondern auch über Sekundärrecht. Unterinstanzliche Gerichte können, letztinstanzliche Gerichte müssen, sofern eine Frage über die Auslegung der Klauselrichtlinie entscheidungserheblich ist, diese nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof vorlegen. Eine Vorlagebedürftigkeit ist nach der acte-clair-Doktrin lediglich dann zu verneinen, sofern die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts „derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt“, die betreffende Rechtsfrage bereits entschieden ist oder, wenn die Frage nicht vollkommen identisch ist, durch eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH geklärt ist.10 An einer Auslegungsbedürftigkeit fehlt es ferner, soweit die §§ 305 ff. BGB über den Mindestschutzstandart der Klauselrichtlinie hinausgehen, da Art. 8 RL strengere Verbraucherschutzvorschriften zulässt.

5 EuGH v. 24.01.2012, Rs. C-282/02 (Maribel Dominguez/Centre informatique du Centre Ouest Atlantique und Préfet de la région Centre), ECLI:EU:C:2012:33, Rn. 27 m. w. N. 6 Staudinger/Coester, Neub. 2013, 307 BGB Rn. 80; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, Einl. BGB Rn. 98; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 120; Leenen, JURA 2012, 753, 755. 7 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 65. 8 Leenen, JURA 2012, 753, 756. 9 Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn.  138; zu den Vorlagevoraussetzungen und -grenzen sowie Ablauf des Vorlageverfahrens, vgl. Niestedt, in Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 11 ff. 10 EuGH v. 06.02.1982, Rs. 283/81 (C. I. L. F. I. T./Ministero della Sanità), ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 13 ff.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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Sofern eine Klausel nach dem nationalen Recht für unverbindlich erklärt wird, ist eine Vorlage an den EuGH ebenfalls stets überflüssig.11 In Hinblick auf die Klauselrichtlinie liegt aufgrund der generalklauselartigen Formulierung des Missbräuchlichkeitsmaßstabs in Art. 3 Abs. 1 RL und der vielen anderen unbestimmten Begriffe gerade keine acte-clair-Lage vor. Dem Richtlinien­ text einschließlich der Begründungserwägungen und des Richtlinienanhangs lassen sich nur wenige zweifellos klare Vorgaben entnehmen. Auch in früheren Verfahren wurde bisher nicht für die nötige Klärung gesorgt.12 Fragen, die die Auslegung der Klauselrichtlinie betreffen, sind folglich dem EuGH vorzulegen. Damit liegt die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen seit Inkrafttreten der Klauselrichtlinie nicht mehr im ausschließlichen Kompetenzbereich des nationalen Gesetzgebers.

B. Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten im Rahmen der Inhaltskontrolle Das durch das Vorlageverfahren gewährleistete Auslegungsmonopol scheint eine klare Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten zu begründen. Der EuGH legt auf Vorlageersuchen der nationalen Gerichte die Vorschriften der Klauselrichtlinie abschließend und verbindlich aus, während die nationalen Gerichte diese Auslegung auf den konkreten Einzelfall anwenden, also etwa auf die Inhaltskontrolle einzelner Vertragsklauseln. Die umfassende Auslegung des in der Generalklausel des Art.  3  Abs.  1  RL geregelten Missbräuchlichkeitsmaßstabs, der auf ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien und auf das Gebot von Treu und Glauben abstellt, würde bei Anwendung dieser klaren Aufgabenverteilung jedoch zu einer unendlichen Anzahl an Vorlageentscheidungen führen. Daher wird bereits seit Erlass der Klauselrichtlinie eine rege Diskussion über die Reichweite der Vorlagepflicht der nationalen Gerichte bei Zweifeln über die richtlinienkonforme Auslegung des § 307  Abs.  1,  2  BGB im Lichte der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 RL geführt. Es stellt sich die Frage, ob praktisch alle Zweifelsfragen über die Wirksamkeit einer Klausel im Sinne der Klauselrichtlinie dem EuGH vorgelegt werden müssten oder, ob die Konkretisierung vielmehr im Rahmen der Rechtsanwendung durch die nationalen Gerichte erfolgen solle. Während die Befürworter13 aufgrund des Auslegungsmonopols des Gerichtshofs und des damit verbundenen Harmonisierungsziels eine weitest mögliche euro 11 Heinrichs, NJW 1998, 1447, 1454; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  8 RL Rn.  23; Nassal, WM 1994, 1645, 1648. 12 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 66 f.; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 218, 228. 13 Basedow, in FS Hirsch, 51; MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn.  44 f.; Coester, in FS Heinrichs, 99, 104; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 115; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 140; Hau, IPraX 2001, 96, 97; Heiderhoff, WM

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

päisch-autonome Auslegung der Generalklausel durch den EuGH fordern, argumentieren die Gegenstimmen14 insbesondere mit dem Mangel eines einheitlichen, europäischen-autonomen normativen Vergleichsmaßstabs zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit. Zum Teil wurde sogar bestritten, dass der EuGH für die Auslegung von in Richtlinien enthaltenen Generalklauseln zuständig sei. Durch die Ausgestaltung als Generalklausel sei den Mitgliedsstaaten bewusst ein Umsetzungsermessen eingeräumt worden, das nicht dadurch genommen werden dürfe, dass dem EuGH eine Kompetenz zur Auslegung der Generalklausel eingeräumt werde.15 Zudem könne die Auslegung einer Generalklausel nicht ohne Anwendung auf den Einzelfall beurteilt werden.16 Die Generalklausel wird damit als eine Art Delegationsnorm verstanden. Gerade in Hinblick auf das Harmonisierungsziel der Richtlinie ist aber durch die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Begriffen kein geringeres Maß an Rechtsvereinheitlichung gewollt. Vielmehr soll eine nicht abschließende Anzahl von Einzelfällen erfasst werden. Auch Generalklauseln und unbestimmte Begriffe unterliegen dem Gebot der autonomen Auslegung des Unionsrechts.17 Befeuert wird diese Debatte nicht zuletzt dadurch, dass der EuGH die Reichweite seines Auslegungsmonopols hinsichtlich der Inhaltskontrolle einer Vertragsklausel in der Vergangenheit nicht immer einheitlich definiert hat.18 Die Rechtsprechung des EuGH zum Umfang seiner Auslegungs- und Beurteilungskompetenz in Bezug auf die Klauselrichtlinie und die Generalklausel des Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 RL im Besonderen hat vielmehr drei Entwicklungsstufen durchlaufen.19

2003, 509, 511; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 406; Leible, RIW 2001, 422, 426 f.; Markward, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 97 ff; 101 f.; Nassal, WM 1994, 1645, 1650; Pfeiffer, ZEuP 2003, 141, 148; Remien, ZEuP 1994, 34, 59; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 440; Weatherill, ERPL 1995, 307, 316 ff.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 25 ff. 14 Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 80; Canaris, EuZW 1994, 417; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 536 ff., 556 ff.; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2196 differenziert danach, ob „ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen ist“; H. Roth, JZ 1999, 529, 536 f.; W.-H. Roth, in FS Drobnig, 135, 141, 143. 15 W.-H. Roth, in FS Drobnig, 135, 141; in diese Richtung auch Canaris, EuZW 1994, 417. 16 Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 80. 17 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 90; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen, 408 f.; Heiderhoff, WM 2003, 509, 511. 18 Pfeiffer, EuZW 2013, 241 f. spricht von einer „nicht ganz gradlinig verlaufenden Entwicklung“. 19 Ähnliche Einteilung bei Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 109 ff.; derselbe, ZEuP 2017, 102, 106 ff.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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I. Die Anfänge 1. Océano Grupo Ein erster Hinweis zur Kompetenzverteilung zwischen EuGH und den nationalen Gerichten findet sich im Verfahren Océano Grupo. Gegenstand des Verfahrens war eine Gerichtsstandsvereinbarung, die als ausschließlichen Gerichtsstand den Sitz des Unternehmens vorsah. Da der Juzgado de Primera Instancia solche Klauseln wiederholt für unangemessen erklärt hatte, legte er dem EuGH lediglich die Frage vor, inwiefern das spanische Gericht nach der Klauselrichtlinie befugt sei, die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel entgegen des spanischen Rechts von Amts wegen zu prüfen, ohne dass es eines besonderen Antrags des Verbrauchers bedürfe.20 Ohne Begründung seiner Kompetenz stellte der EuGH, bevor er auf die Vorlagefrage einging, in einem obiter dictum21 die Missbräuchlichkeit der fraglichen Klausel anhand einer umfassenden Auslegung und Subsumtion fest, obgleich dies nicht Gegenstand der Vorlagefrage war. Den missbräuchlichen Charakter der Klausel begründete der EuGH damit, dass der Verbraucher zur Anerkennung des Gerichtsstandes gezwungen sei, auch wenn er gegebenenfalls weit entfernt wohne. Bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert könnten ihn daher die mit der Prozessführung verbundenen Kosten daran hindern, den Rechtsweg zu bestreiten oder überhaupt eine Verteidigung anzustreben. Während für den Gewerbetreibenden eine solche Klausel lediglich vorteilhaft sei, da er seine Prozessführung an einem Ort vereinen könnte, werde dem Verbraucher die Möglichkeit erschwert oder gar genommen, Rechtsbehelfe vor Gericht einzulegen.22 Damit ließe sich diese Klausel unter die in Nr. 1 q des Anhangs der Klauselrichtlinie aufgeführte Kategorie von Klauseln subsumieren. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung sei „als missbräuchlich im Sinne des Art. 3 der Richtlinie anzusehen.“23 Sodann widmete sich der EuGH der Vorlagefrage und bejahte eine amtswegige Befugnis der nationalen Gerichte unter Bezugnahme auf Art. 6 RL, der zur Gewährleistung eines größtmöglichen Schutzes des Verbrauchers eine Unverbindlichkeit von missbräuchlichen Klauseln vorsieht.24 Ausgangspunkt für seine Argumen 20

EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 19. 21 So MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB, Rn. 37; Hakenberg, ZEuP 2001, 888, 901; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 113 hinterfragt das obiter dictum. Er geht davon aus, dass der EuGH die Frage der Missbräuchlichkeit, um den Anwendungsbereich zu eröffnen, prüft und verweist auf die französische und englische Fassung der Entscheidung, in denen der EuGH die Missbräuchlichkeit nicht so klar herausgestellt hat. 22 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 22. 23 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 24. 24 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores SA), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 26.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

tation bildete die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers als immer wiederkehrende Formel, auf die er seine Argumentation in zahlreichen Entscheidungen stützt.25 Der Verbraucher sei gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Position. Das bestehende Ungleichgewicht könne nur durch Eingreifen von dritter, unabhängiger Seite ausgeglichen werden.26 2. Würdigung Der überwiegende Teil der Literatur versteht dieses obiter dictum zur Missbräuchlichkeit der Gerichtsstandsklausel als Bekenntnis des EuGH zu einer weitgehenden Konkretisierungs- und Beurteilungsbefugnis im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 RL, die er wahrnehmen will und wird.27 Eine derartige Befugnis wurde auch von Generalanwalt Saggio in seinem Schlussantrag unterstützt. Zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit sei lediglich eine Auslegung des Wortlauts von Art. 3 Abs. 1 und 2 RL erforderlich.28 Dagegen dränge sich nach einer weniger verbreiteten Ansicht bei einer einseitig vorteilhaften Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Gewerbetreibenden eine Argumentation des EuGH mit Nr. 1 q des Anhangs der Richtlinie geradezu auf. Abschließende Aussagen zur Reichweite der Auslegungskompetenz des EuGH ließen sich daraus daher nicht entnehmen.29 Während sich die Befürworter einer Letztkonkretisierungsbefugnis durch das obiter dictum indirekt bestärkt fühlen durften,30 kritisierten die Gegenstimmen31 eine solche umfassende Prüfungskompetenz des EuGH mit Blick auf dem Wortlaut des Art.  267  AEUV und den Mangel eines gemeinschaftsrechtlichen Missbräuchlichkeitsmaßstabs:

25 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium SL), ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 29; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/ Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn 39. 26 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 25, 27. 27 MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 44; Bieder, in Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches System, 155, 158; Borges, NJW 2001, 2061, 2062; Freitag, EWiR 2000, 783, 764; Möllers, JZ 2002, 121, 125; Rösler, in Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, 125; Röthel, ZEuP 2005, 418, 423. 28 GA Saggio, Schlussanträge v. 16.12.1999, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:1999:620, Rn. 18. 29 Leible, RIW 2000, 422, 426; Pfeiffer, ZEuP 2003, 144, 149; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 53. 30 So auch Trillmich, Klauselkontrolle im Spanischen Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 272. 31 Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 78 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 538 ff.; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2196; ­Joerges, ZEuP 1995, 181, 199; Lipp, NJW 2001, 2657, 2658; W.-H. Roth, in FS Drobnig, 135, 145.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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Die Vorgehensweise des EuGH widerspräche der gesetzlichen Wertung des Art. 267 AEUV, der dem EuGH lediglich die Auslegung des Sekundärrechts übertrage. Durch die Vornahme einer Subsumtion erfolge ein „Einbruch in die Prüfungskompetenz der nationalen Gerichte“.32 Das Unionsrecht enthalte gerade kein umfassend kodifiziertes gemeineuropäisches Vertragsrecht als Vergleichsmaßstab zur abschließenden Feststellung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel, so dass die Beurteilung einer konkreten Klausel den nationalen Gerichten unter Heranziehung des nationalen dispositiven Rechts zu überlassen sei.33 Der EuGH dürfe nicht zu einem „Oberrevisionsgericht für AGB in Verbraucherverträgen“ werden, da er sonst mittelbar über den Maßstab der Missbräuchlichkeit eine umfassende Harmonisierung der Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten bewirken könne.34 Eine solche weitreichende Prüfungskompetenz sei weder für den EuGH noch für die Recht suchenden Parteien von Vorteil. Würden die Gerichte jede Frage zur gemeinschaftsrechtlichen Wirksamkeit einer Klausel dem EuGH vorlegen, so wäre dieser schnell durch eine Flut von Vorlagen überlastet,35 während die ihr Recht suchenden Parteien lange Zeit auf eine Entscheidung warten müssten.36 Der Ansatz des EuGH, ist insbesondere mit Blick auf den gerade erst beginnenden Vereinheitlichungsprozess der Richtlinie und den intendierten Mindestschutzstandard für den Verbraucher zu begrüßen. Andernfalls würde sich der intendierte Teilharmonisierungseffekt durch die Verwendung der zwei unbestimmten Rechtsbegriffe „Treu und Glauben“ und „erhebliches, ungerechtfertigtes Missverhältnis“ im Kern in Grenzen halten. Zwar konnte der EuGH zugegebenermaßen in dieser Entscheidung auf Nr.  1  lit.  q des Anhangs und damit auf einen vereinheitlichten Vergleichsmaßstab zurückgreifen, so dass keine abschließende Aussage über seine Prüfungskompetenz getroffen werden kann. Jedoch ließ das Vorlageverfahren Océano Grupo den Anschein zu, dass der EuGH seine Konkretisierungsaufgabe wahrnehmen will und wird, sofern ein europäischer, vereinheitlichter Maßstab, insbesondere ein Verbotstatbestand des Anhangs der Richtlinie einschlägig ist, oder eine klare, einseitig zu Lasten des Verbrauchers gehende, Sachlage besteht. Er setzte damit einen lobenswerten Anreiz für weitere Vorlagefragen der nationalen Gerichte.

32 Borges, NJW 2001, 2061, 2062; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 539; Hakenberg, ZEuP 2001, 888, 902. 33 Heiderhoff, WM 2003, 509, 511; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2196. 34 Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 81; derselbe, NJW 2001, 2061, 2062; Canaris, EuZW 1994, 417; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 401. 35 Hakenberg, ZEuP 2001, 888, 902; Lipp, NJW 2001, 2657, 2658; Tonner, JZ 1996, 533, 559. 36 Joerges, ZEuP 1995, 181, 199.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

II. Der verweigerte Dialog Schien der Weg für eine Vereinheitlichung der AGB-Kontrolle durch den Fall Océano Grupo geebnet, so schloss sich der EuGH in der zweiten Entwicklungsstufe bedauerlicherweise den Gegnern einer Letztkonkretisierung an. Im Mittelpunkt stand dabei die Entscheidung des EuGH in dem Vorlageverfahren Freiburger Kommunalbauten. 1. Freiburger Kommunalbauten a) Sachverhalt und wesentliche Gründe Inspiriert von dem Vorgehen des EuGH in der Rechtssache Océano Grupo, ging der BGH37 davon aus, dass die nationalen Gerichte dem EuGH einzelne vorformulierte Klauseln aus Verbraucherverträgen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit nach Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 RL im Verfahren nach Art 267 AEUV vorlegen könnten. Daher sollte der EuGH in dem Fall Freiburger Kommunalbauten auf Vorlage des VIII. Zivilsenats über die Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem Bauträgervertrag entscheiden, die die Besteller zur Zahlung der gesamten Vergütung – ungeachtet des Baufortschritts – verpflichtete, sobald der Unternehmer eine Bankbürgschaft des § 7  MaBV gestellt hatte. Der BGH tendierte dazu die Klausel entgegen der Vorleistungspflicht des Unternehmers nach § 641 BGB für wirksam zu halten, wollte aber eine Entscheidung des EuGH im Hinblick auf die europäische Rechtsangleichung einholen.38 Im Gegensatz zu seiner Entscheidung in der Rechtssache Océano Grupo versagte der Gerichtshof eine konkrete Beurteilung des missbräuchlichen Charakters. Er stellte lediglich fest, dass die streitige Klausel „jedenfalls zu einem Nachteil für den Verbraucher führe“. Die Feststellung der Missbräuchlichkeit nach Art. 3 Abs. 1 RL wies er, da es sich um eine Wertungsentscheidung handele, aufgrund folgender Kompetenzverteilung, den nationalen Gerichten zu:39 „Der Gerichtshof [kann] im Rahmen der Ausübung der Zuständigkeit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die ihm in Art. 234 EG [Art. 267 AEUV] übertragen ist, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber zur Definition des Begriffes der missbräuchlichen Klauseln verwendeten allgemeinen Kriterien auslegen (kann). Dagegen kann er sich nicht zur Anwendung dieser allgemeinen Kriterien auf eine bestimmte Klausel äußern, die anhand der Um 37

BGH v. 02.05.2002, ZIP 2002, 1197. EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU: C:2004:209, Rn. 14, 16; BGH v. 02.05.2002, ZIP 2002, 1197 Rn. 16; anders jedoch die Beurteilung des Senats nach der Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH, DNotI-Report 2005, 53. 39 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU: C:2004:209, Rn. 18. 38

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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stände des konkreten Falls zu prüfen ist.“40 Damit befürwortete der EuGH eine gespaltene Prüfungszuständigkeit, nach der er lediglich zur Auslegung und Definition allgemeiner Kriterien der Missbräuchlichkeit befugt sei. Die Subsumtion der konkreten Klausel unter diese Kriterien sowie die abschließende Feststellung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel ist dagegen Aufgabe der nationalen Gerichte. Der EuGH folgte mit dieser Kompetenzverteilung den Schlussanträgen von Generalanwalt Geelhoed. Danach bedürfe „was missbräuchlich ist […] keiner einheitlichen Auslegung“.41 Der Gerichtshof rechtfertigte seine Entscheidung damit, dass Art. 3 RL „nur abstrakt die Faktoren“ benenne, die für die Bestimmung des missbräuchlichen Charakters maßgeblich seien. Er wiederholte auch seine Entscheidung aus dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Königreich Schweden, nach der der Anhang der Klauselrichtlinie gerade keine Vermutung für den missbräuchlichen Charakter einer Klausel begründe.42 Ferner könne insbesondere die Beurteilung der Missbräuchlichkeit nach den Kriterien des Art. 4 Abs. 1 RL eine Prüfung des nationalen Rechts implizieren, die allerdings in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte falle.43 Geelhoed deutete allerdings in seinem Schlussantrag auch die wahren Gründe an. Neben der klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen EuGH und den nationalen Gerichten diene die gewählte Kompetenzverteilung der Vermeidung einer Überlastung des EuGH durch eine Flut von Vorabscheidungsverfahren, die die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel betreffen. Es sei ein „ökonomischer Gebrauch“ des Vorabentscheidungsverfahrens geboten.44 Da die Selbstbeschneidung des EuGH in Freiburger Kommunalbauten in Bezug auf eine konkrete Klauselbeurteilung im Spannungsverhältnis zu seiner Entscheidung in der Rechtssache Océano Grupo stand, rechtfertigte er seine abschließende Feststellung des missbräuchlichen Charakters in der Rechtssache Océano Grupo damit, dass die in Frage stehende Klausel „ausschließlich und ohne Gegenleistung zugunsten des Verbrauchers für den Gewerbetreibenden vorteilhaft war, weil sie unabhängig vom Vertragstyp die Wirksamkeit des gerichtlichen Schutzes“ begrenzte. Er könne daher die Missbräuchlichkeit dieser Klausel feststellen, „ohne dass alle Umstände des Vertragsschlusses geprüft und die mit dieser Klausel verbundenen Vor- und Nachteile im Rahmen des auf den Vertrag anwendbaren nationalen Rechts gewürdigt werden mussten.“45 40 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU: C:2004:209, Rn. 22. 41 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 25.09.2003, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/ Hofstetter), ECLI:EU:C:2003:504, Rn. 30. 42 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn. 19. 43 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn. 22. 44 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 25.09.2003, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/ Hofstetter), ECLI:EU:C:2003:504, Rn. 29. 45 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn. 23.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

b) Würdigung Diese Entscheidung des EuGH wird im Schrifttum auf verschiedene Weise interpretiert: Von einigen Stimmen wird Freiburger Kommunalbauten nicht als gänzliche Selbstrücknahme verstanden, sondern lediglich dahingehend interpretiert, dass der EuGH versucht die Entscheidungen Océano Grupo und Freiburger Kommunal­ bauten auf Grundlage der jeweils streitgegenständlichen Vertragsklauseln vonein­ ander abzugrenzen. In dem Vorlageverfahren Océano Grupo war eine Würdigung des auf diesen Vertrag anwendbaren nationalen Rechts sowie der Umstände des Einzelfalls für die Feststellung der Missbräuchlichkeit gerade nicht erforderlich. Folglich handele es sich im Vergleich zu der Entscheidung in der Rechtssache Océano Grupo lediglich um eine „Akzentverschiebung“, nach der der EuGH nun nicht beliebige Klauseln beurteile, sondern seine Verwerfungskompetenz auf Ausnahmefälle, wie Evidenzfälle sowie Fälle, bei denen für die Entscheidung ein gemeinschaftsrechtlicher Maßstab existiert, beschränke.46 Diese Selbstbeschränkung des EuGH mangels eines gemeinschaftsrechtlichen Referenzmaßstabs wird als eine „sach- und zeitgerechte Aufgabenverteilung“ verteidigt. Dadurch werde insbesondere die Gefahr einer mittelbaren Missbrauchskontrolle von Rechtsvorschrif­ten durch den EuGH gebannt.47 Dagegen betrachten andere die Entscheidung als eindeutige Abkehr von dem Vorgehen in der Rechtssache Océano Grupo,48 bei der der EuGH geradezu „den Dialog verweigert“49. Zwar überzeugt die erstgenannte Ansicht in Hinblick auf den Mangel eines vereinheitlichten, kodifizierten Prüfungsmaßstabs und entspricht einer nach Art. 267 AEUV sachgerechten Kompetenzverteilung. Nach dieser müsse die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den Einzelfall und die konkrete Interessenabwägung gerade im ausschließlichen Aufgabenbereich der nationalen Gerichte bleiben. Jedoch hat es der EuGH in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten unterlassen, die Kriterien „erhebliches ungerechtfertigtes Missverhältnis“ und „Treu und Glauben“ zu definieren. Eine Auslegung wäre unproblematisch möglich gewesen und hätte der Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den

46

Bieder, in Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 155, 159; Freitag, EWiR 2004, 397, 397; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 400; Markwardt, ZIP 2005, 152, 156; Volmer, ZfIR 2004, 461, 462. 47 Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2478; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 401; Röthel, ZEuP 2005, 418, 424 f. 48 Basty, DNotZ 2004, 767, 768 f.; Tilmann, GPR 2004, 182 ff.; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 74 spricht von einer „judical self restraint“; Wittwer, ERL 2004, 380, 384; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 56 spricht von „Kurswechsel“; Hilbig, SchiedsVZ 2010, 74, 75 spricht von „Schritt zurück“. 49 Basedow, in FS Hirsch, 51, 57.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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nationalen Gerichten entsprochen.50 Wie in dem Fall Océano Grupo hätten auch in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten die Wertungen des Anhangs der Klauselrichtlinie, insbesondere Nr. 1 lit. b und o des Anhangs der Klauselrichtlinie, für die Beurteilung fruchtbar gemacht werden können.51 Der EuGH wertete dagegen die Bedeutung des Anhangs zwar in Einklang mit der Entscheidung in dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Königreich Schweden, jedoch im Vergleich zu dem Vorgehen in dem Fall Océano Grupo, deutlich ab.52 Mit dieser Zurückhaltung setzte er gerade keinen Anreiz für nationale Gerichte, Fragen zur Auslegung des Begriffes der missbräuchlichen Klauseln dem EuGH vorzulegen. Vielmehr bekräftigte er seine passive Haltung durch die Argumentation, mit der er seine Kompetenzverteilung begründete. Diese überzeugt allerdings in keiner Weise:53 Zum einen können auch die „abstrakten Faktoren“ des Art. 3 RL Anhaltspunkte für die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Unionsrecht geben. Sie seien gerade keine Leerformeln. Insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben werde in zahlreichen anderen Richtlinien, wie der Handelsvertreter-Richtlinie54, verwendet sowie bereits in einigen Urteilen55 herangezogen. Darüber hinaus enthält bereits die Richtlinie selbst Anhaltspunkte, wie etwa der Grundsatz von Treu und Glauben zu interpretieren sei.56 Obwohl nicht von der Hand zu weisen ist, dass der missbräuchliche Charakter einer Klausel mangels eines auf Ebene des Unionsrechts vereinheitlichten Schuldrechts regelmäßig in Abhängigkeit zum Grad der Abweichung der Klausel vom dispositiven nationalen Recht zu beurteilen ist, kann in Anlehnung an den Fall Océano Grupo die Missbräuchlichkeit von vielen international verwendeten Klauseln, die insbesondere den Verbraucher einseitig benachteiligen, gerade ohne Prüfung des jeweils maßgeblichen nationalen Rechts beurteilt werden. Ebenso kann sich der EuGH das anwendbare nationale Recht von den nationalen Gerichten vortragen lassen.57

50

So auch Markwardt, ZIP 2005, 152, 157; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 57; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 119. 51 Wittwer, ERL 2004, 380, 384; Auf Nr. 1 lit. o des Anhangs haben sich auch die Beklagten, Herr und Frau Hofstetter, berufen; a. A. Markwardt, ZIP 2005, 152, 154. 52 Loos, ERCL 2007, 439, 441; Stempel, Treu und Glauben im Unionsrecht, 115. 53 Ausführliche Kritik bei Basedow, in FS Hirsch, 51, 59 ff.; Coester, in FS Heinrichs, 99, 106; Heiderhoff, WM 2003, 509, 510 ff.; Remien, RabelsZ 66 (2002), 503, 519; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 228; Staudinger, DNotZ 2002, 166, 176 ff.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 114 ff.; derselbe, ZEuP 2017, 102, 108. MüKo/Wurmnest, § 307 BGB, Rn. 26. 54 Richtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. Nr.  L 382/17, v. 31.12.1986,17–21). 55 Vgl. Beispiele in Basedow, in FS Hirsch, 51, 60. 56 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 16 bis 18 in der Präambel. 57 Coester, in FS Heinrichs, 99, 115; Stempel, ZEuP 2017, 102, 104.

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Vor allem der Aussagehalt des Anhangs der Klauselrichlinie darf nicht unterschätzt werden. Zwar stellt dieser seit dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Königreich Schweden eben keine Vermutung für die Missbräuchlichkeit einer Klausel auf, sondern ist lediglich als „eine als Hinweis dienende nicht erschöpfende Liste“58 anzusehen. Jedoch bietet er eine Gesamtschau an Regelbeispielen und gibt der Generalklausel des Art. 3 RL dadurch seine unionsautonome Kontur.59 Der Verstoß gegen den Klauselkatalog muss zu einer sorgfältigen Prüfung anregen sowie ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel sein.60 Daher ist der EuGH verpflichtet, sich dazu zu äußern, ob eine ihm vorgelegte Klausel vom Klauselkatalog erfasst ist.61 Eine Prüfung des nationalen Rechts ist etwa auch bei Klauseln, bei denen sich die Missbräuchlichkeit aus der Natur der Sache ergibt, nicht erforderlich.62 Ferner bestehen außerhalb der Richtlinie gemeinschaftsrechtliche Vergleichsmaßstäbe, die zur Feststellung der Missbräuchlichkeit herangezogen werden können:63 Der EuGH könnte auf vertragsrechtliche Regelungen aus anderen Rechtsakten64 oder auf allgemeine Rechtsgrundsätze aus dem acquis communautaire sowie im Besonderen auf Wertmaßstäbe, die den dem Verbraucherschutz dienenden Richtlinien gemein sind,65 bei seiner Interpretation zurückgreifen. Es können sich auch durch eine rechtsvergleichende Untersuchung Übereinstimmungen zwischen den nationalen Rechten bezüglich Wertungen des Vertragsrechts ergeben. Anhaltspunkte dazu finden sich in den von der Lando-Kommission66 zusammengestellten Principles of European Contract Law, dem DCFR67 sowie in den UNIDROIT-Grundregeln68.69 58 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C: 2002:281, Rn. 20. 59 Basedow, in FS Hirsch, 51, 62; Coester, in FS Heinrichs, 99, 106; Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2479; Hau, IPRax 2001, 96, 97; Heiderhoff, WM 2003, 509. 512; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln, 140 f.; Leible, RIW 2001, 422, 426 f.; Markwardt, ZIP 2005, 152, 154; Nassal, WM 1994, 1645, 1651; Remien, RabelsZ 66 (2002), 503, 519; Staudinger, DNotZ 2002, 166, 176. 60 Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2479; Leible, RIW 2001, 422, 427; Pfeiffer, in FS Thode, 615, 624; zögernd Nassal, JZ 1995, 689, 691. 61 So auch Basedow, in FS Hirsch, 51, 62. 62 Basedow, in FS Hirsch, 51, 59; Pfeiffer, in FS Thode, 615, 624. 63 Pfeiffer, ZEuP 2003, 141, 148; Basedow, in FS Hirsch, 51, 59; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 26. 64 Fornasier, ZeuP 2014, 414, 424 f. 65 Nassal, JZ 1995, 689, 692; Leible, RIW 2001, 422, 426; Staudinger, DNotZ 2002, 166, 178. 66 Lando/Beale (Hrsg.), Principles of European Contract Law, Parts I and II; Lando/Clive/ Prüm/Zimmermann (Hrsg.), Principles of European Contract Law, Part III. 67 Bar/Clive/Schulte-Nölke (Hrsg.), Principles, Definitions and Modul Rules of European Private Law – Draf Common Frame of Reference – Outline Edition. 68 Abgedruckt in ZEuP 1997, 890 ff. 69 In diese Richtung Basedow, AcP 210 (2010), 157, 186 f.; Heinig, EuZW 2009, 885, 886 f.; Markwardt, ZIP 2005, 152, 154; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 126; MüKo/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 26; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.07.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:401 Rn. 54 in Hinblick auf den DCFR.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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Ebenso ergibt sich eine Kompetenz, sofern es gerade an einer spezialvertraglichen Regelung für eine Frage fehlt.70 Insbesondere ist die Entscheidung des EuGH allerdings im Hinblick auf den harmonisierenden Charakter der Richtlinie zu beanstanden.71 Basedow spricht hier von einer „abgebrochenen Harmonisierung“.72 Indem der EuGH den Schlussanträgen von Geelhoed73 folgt, setzt er sich über das in Art. 1 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 14 der Klauselrichtlinie normierte Harmonisierungsziel der Richtlinie vollständig hinweg.74 Eine Rechtsangleichung kann aber nur durch die Konkretisierung der abstrakten Faktoren „Treu und Glauben“ und „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ erreicht werden.75 Durch seine Selbstrücknahme nahm der Gerichtshof eine unterschiedliche Beurteilung der Missbräuchlichkeit gleicher Klauseln allerdings in Kauf. Ein eigenständiger Verbraucherschutz durch die Richtlinie kann dadurch bedauerlicherweise nicht verwirklicht werden.76 Leider hat der EuGH diese Punkte nicht bedacht und damit den nationalen Gerichten die Motivation genommen, weitere Vorlageverfahren einzuleiten. 2. Mostaza Claro und Pannon GSM Ein Dialog zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten kam auch in den nachfolgenden Entscheidungen Mostaza Claro77 und Pannon GSM 78 nicht in Gang. Vielmehr bekräftigte der EuGH in diesen Fällen seine Zurückhaltung und distanzierte sich deutlich von Océano Grupo. In beiden Fällen gab der EuGH allerdings wichtige Impulse zur amtswegigen Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel durch die nationalen Gerichte. Während der EuGH in der Rechtssache Océano Grupo lediglich die Kompetenz der nationalen Richter zur amtswegigen Prüfung festgestellt hatte, wurde 70

Remien, ZEuP 1994, 34, 59. Basedow, in FS Hirsch, 51, 58; Hesselink, ERCL 2006, 366, 370; Loos, ERCL 2007, 439, 445; Röthel, ZEuP 2005, 418, 425; Staudinger, DNotZ 2002, 166, 176 f.; Tilmann, GPR 2004, 182, 189. 72 Basedow, in FS Hirsch, 51, 58. 73 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 25.09.2003, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/ Hofstetter), ECLI:EU:C:2003:504, Rn. 17: „Das Gemeinschaftsrecht stellt nur die abstrakten Rahmenbedingungen auf […].“; Rn. 18: „Die Beantwortung der Frage, welche Art von Klauseln dieses erhebliche und ungerechtfertigte Missverhältnis verursachen kann […] den nationalen Behörden überlassen“ werden. 74 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 117. 75 Basedow, in FS Hirsch, 51, 58. 76 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 75. 77 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C:2006:675. 78 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU: C:2009:350. 71

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

in den Vorlageverfahren Mostaza Claro und Pannon GSM eine Prüfungsverpflichtung von Amts wegen zum Schutze des Verbrauchers angenommen.79 Hinsichtlich der Kompetenzverteilung zur Prüfung des missbräuchlichen Charakters hielt der EuGH in dem Fall Mostaza Claro an seiner Entscheidung in Freiburger Kommnalbauten fest, er könne sich nicht zur Anwendung des Art. 3 Abs. 1 RL auf die konkrete Klausel äußern.80 Auf den Ausnahmefall in der Rechtssache Océano Grupo ging er hingegen nicht ein.81 Dabei wäre auch hier, da es sich um eine missbräuchliche Schiedsklausel handelte, eine Bezugnahme auf Nr. 1 lit. q des Anhangs der Klauselrichtlinie möglich gewesen.82 In dem Vorlageverfahren Pannon GSM begrenzte der EuGH sogar seine Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Qualifizierung einer Klausel als missbräuchlich erneut: Gegenstand des Verfahrens war eine Gerichtsstandsvereinbarung mit gleichem Inhalt wie in dem Fall Océano Grupo. Obwohl der EuGH die Kriterien, anhand derer er die Missbräuchlichkeit der Klausel in der Entscheidung Océano Grupo beurteilt hatte, wiederholte, stellte er gerade nicht die Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel abschließend fest, wie dies in der Rechtssache Océano Grupo der Fall war. Er bestätigte lediglich seine Kompetenzverteilung aus dem Fall Freiburger Kommunalbauten,83 wobei er klarstellte, dass die nationalen Gerichte die Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Vertragsklausel im Licht der im Urteil enthaltenen abstrakten Ausführungen des Gerichtshofs vorzunehmen haben. Dabei solle das nationale Gericht berücksichtigen, dass eine solche Klausel als missbräuchlich angesehen werden könne.84 Weiter bekräftige er seine Kompetenzverteilung, indem er seine Rechtsprechung in dem Fall Océano Grupo im Sinne der Kompetenzverteilung in der Entscheidung Freiburger Kommunalbauten dahingehend korrigierte, dass er auch in dem Fall Océano Grupo lediglich die vom Gemeinschaftsgesetzgeber zur Definition des Begriffs der missbräuchlichen Klausel verwendeten allgemeinen Kriterien ausgelegt habe.85 Damit nahm er gänzlich Abstand von seinem Vorgehen in der Rechtssache Océano Grupo. 79 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C: 2006:675, Rn 27 ff; EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 29 ff.; Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 315; MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 42. 80 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C: 2006:675, Rn 21 ff; EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 40. 81 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C: 2006:675, Rn. 9; Basedow, in FS Hirsch, 51, 57. 82 Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 58; a. A. Loos, ERCL 2007, 239, 444. 83 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C: 2009:350, Rn. 37 ff. 84 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C: 2009:350, Rn. 44. 85 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C: 2009:350, Rn. 42.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

73

Betrachtet man das Vorgehen des EuGH in den Vorlageverfahren Mostaza Claro und Pannon GSM zusammen, so scheint es, als habe der EuGH bereits in dem Fall Mostaza Claro die Weichen für die Entscheidung Pannon GSM gestellt.86 Die in dieser Entscheidung vorgenommene Korrektur der Rechtsprechung in dem Fall Océano Grupo stellt eine konsequente Vorgehensweise dar und bringt die Vorlageverfahren Océano Grupo und Freiburger Kommunalbauten in Einklang.87 Allerdings lässt sich diese Reinterpretation nur unter „starker Biegung“88 des Wortlautes in der Rechtssache Océano Grupo vornehmen, der gerade keinen Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte erkennen lässt.89 Der EuGH erteilte damit, auch seiner in Freiburger Kommnalbauten im Ansatz verbleibenden Prüfungskompetenz für Evidenzfälle90 eine Absage, die der letzte Hoffnungsschimmer in Hinblick auf das Ziel der Mindestharmonisierung war.91 Er lehnte es endgültig ab, die Missbräuchlichkeit in Bezug auf eine konkrete Klausel festzustellen. Eine Tendenz des EuGH die vorliegende Gerichtsstandsvereinbarung für missbräuchlich zu erklären, kristallisiert sich zwar zwischen den Zeilen heraus,92 jedoch kommt den nationalen Richtern das „letzte Wort“ bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit zu. Es besteht nun die Möglichkeit, dass eine einseitig den Verbraucher belastende Gerichtsstandsklausel etwa aufgrund einer geringen Entfernung zwischen den Gerichtsorten dennoch wirksam sein könnte.93 3. Zwischenfazit Im Ergebnis gestand der EuGH in dieser Entwicklungsphase den nationalen Gerichten einen sehr weiten Beurteilungsspielraum zu. Nach der Festlegung der Kompetenzverteilung in der Entscheidung Freiburger Kommmunalbauten folgten kaum Impulse zur Annäherung der materiell-rechtlichen Missbrauchsprüfung. Eine Auslegung der „allgemeinen Kriterien der Missbräuchlichkeit“, auf die er seine Kompetenz beschränkte, unterblieb in jeder Entscheidung, so dass der Er 86

So auch Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge,

58.

87

Pfeiffer, NJW 2009, 2369. Pfeiffer, NJW 2009, 2369; MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 45. 89 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 24. 90 Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2480; Pfeiffer, in Kniffka u. a. (Hrsg.), FS Thode, 615, 624. 91 MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 45; Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 962; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 60 f.; Pfeiffer, NJW 2009, 2369; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 28. 92 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 40 „alle Kriterien erfüllt, um als missbräuchlich im Sinne der Richtlinie qualifiziert werden zu können.“; Pfeiffer, NJW 2009, 2369; Heinig, EuZW 2009, 885, 887; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 60. 93 Heinig, EuZW 2009, 885, 887. 88

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

kenntnisgewinn eines Vorlageverfahrens angezweifelt werden konnte.94 Insbesondere aufgrund der in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten vorgebrachten Argumentation schien ein Dialog zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten hinsichtlich einer harmonisierten Missbräuchlichkeitskontrolle beinahe verweigert. Dies konnte man auch an der Zurückhaltung der nationalen Gerichte in den nachfolgenden Jahren erkennen. So lehnte der BGH eine Vorlage bei einer Kündigungsausschlussklausel ab, indem er die Klausel selbst unter die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 RL subsumierte und die Voraussetzungen als nicht gegeben ansah.95 Ebenso unterließ es das in der Rechtssache Asturcom Telecomunicaciones SL vorlegende Gericht, den EuGH nach allgemeinen Kriterien zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit der streitgegenständlichen Schiedsklausel zu fragen.96 Die Furcht des Gerichtshofs von Vorlagefragen überrollt zu werden, blieb damit unbegründet. Im Zentrum der Vorlagen stand vielmehr die Frage der Offizialmaxime, wobei die Verpflichtung der nationalen Gerichte zur amtswegigen Prüfung auch auf andere Verfahrensarten und -phasen ausgeweitet wurde.97 Im Ergebnis wurde dadurch lediglich die nationale Verfahrensautonomie begrenzt und vereinheitlicht,98 während der Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel geradezu grenzenlos und konturenlos blieb. So kann sich ein Verbraucher zwar der amtswegigen Prüfung einer missbräuchlichen Klausel vor jedem mitgliedsstaatlichen Gericht sicher sein, jedoch nicht der Erklärung der Unwirksamkeit durch diese. Eine Verpflichtung zur Offizialmaxime ist allerdings zur Gewährleistung eines effektiven und vor allem gemeinschaftsrechtlich einheitlichen Verbraucherschutzes nur sinnvoll, sofern ein einheitlicher Standard gewährleistet werden kann.99 Der „Beginn der Epoche des einheitlichen europäischen Zivilrechts“, wie ihn Nassal für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Klauselrichtlinie prophezeite, blieb damit vollständig aus.100

94

So auch Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge,

62.

95

BGH v. 14.07.2004, NZM 2004, 734. EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones SL/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn. 25. 97 EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones SL/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615. 98 Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419. 99 So auch Basedow, AcP 210 (2010), 157, 175 f.; in diese Richtung auch Dutta, ZZP 2013, 153, 158 f. der richtigerweise feststellt, dass die Klauselrichtlinie das Prozessrecht stärker harmonisiert als das Recht der Klauselkontrolle; Stempel, Treu und Glaub im Unionsprivatrecht, 168 bezeichnet dies „als in gewisser Weise schizophren“. 100 Nassal, WM 1994, 1645, 1653. 96

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

75

III. Der Beginn eines Dialogs Seit 2009 nimmt jedoch die Vorlagepraxis der nationalen Gerichte deutlich zu. Obgleich Gegenstand vieler Entscheidung weiterhin verfahrensrechtliche Fragen sind, die die amtswegige Prüfung von missbräuchlichen Klauseln durch die nationalen Gerichte betreffen,101 hat der Gerichtshof scheinbar begonnen seine in dem Fall Freiburger Kommunalbauten vorgebrachten Argumente zu revidieren und so seine Aufgabe der Auslegung allgemeiner Kriterien der Missbräuchlichkeit ernsthafter wahrzunehmen.102 Zwar hält er an seiner in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten entwickelten Arbeitsteilung fest. So erklärte er eine Klausel in einem Darlehensvertrag, die den Verzugszinssatz auf das Zehnfache des gesetzlichen Zinssatzes festsetzte, nicht direkt für missbräuchlich.103 Trotz dieser anhaltenden Zurückhaltung, liefert der Gerichtshof aber auch immer mehr Hinweise, wie die unbestimmten Rechtsbegriffe der Richtlinie zu verstehen sind, so dass der sehr weite Beurteilungsspielraum der nationalen Richter eine Einschränkung erfährt.104 Zum Teil wird sogar von einer Präjudizierung der Urteile der nationalen Gerichte gesprochen.105 Diese lobenswerte Entwicklung ist nicht zuletzt auch dem Formulierungsgeschick der nationalen Gerichte geschuldet.106 Die nationalen Gerichte fragen nicht mehr nach der Missbräuchlichkeit einer Klausel, sondern verwenden vielmehr eine offene „kann“-Formulierung, die es dem EuGH ermöglicht lediglich abstrakte Kriterien zu nennen.107Micklitz/Reich sprechen damit zu Recht

101 Exemplarisch: EuGH v. 09.11.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:659, Rn. 27; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 41. 102 MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 48; Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 165; derselbe, ZEuP 2017, 102, 109 ff.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 30; Pfeiffer, EuZW 2013, 241, 242; a. A. Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 965 spricht von geringen „erforderlichen und wünschenswerten Impulsen zu Gunsten einer Verstärkung des Verbraucherschutzes“; vgl. auch Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 65; Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 244, nach deren Ansicht, der EuGH die Konkretisierungsbefugnis weiterhin bei den Mitgliedsstaaten belässt. 103 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 55; kritisch dazu Fornasier, ZEuP 2014, 410, 421; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 128. 104 Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 35; Henze, GPR 2013, 35, 37; Kohler/Seyr/Puffer-Mariette, ZEuP 2015, 335, 343; Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 318; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Micklitz in Reich/Micklitz/Rott/ Tonner (Hrsg.), Consumer Law, 127, 152 Rn. 3.21 a; Stempel, Treu und Glauben im Unions­ privatrecht, 136. 105 Fornasier, ZEuP 2014, 410, 419; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB, Rn. 76; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459. 106 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB, Rn. 74, 76; in diese Richtung auch Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 64. 107 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 55.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

von der Klauselrichtlinie als „schlummerndes EU-Dornröschen“, das durch die neue EuGH-Rechtsprechung „wachgeküsst wird“.108 1. VB Pénzügyi Lízing Zrt. Den Wendepunkt bildet die Entscheidung in VB Pénzügyi Lízing Zrt.109 In dieser Entscheidung präzisierte der Gerichtshof angesichts einer Vielzahl von Vorlagefragen, die die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten betrafen, die „allgemeinen Kriterien“, für deren Auslegung er zuständig sei, ohne dabei auf Freiburger Kommunalbauten zu verweisen. Die Zuständigkeit erstrecke sich „auf die Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Vertragsklausel“ in Art. 3 Abs. 1 RL und im Anhang der Richtlinie sowie auf die Kriterien […], die das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vertragsklausel im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie anwenden darf oder muss, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.“110 Durch die Benennung der auslegungsbedürftigen Kriterien gibt er, im Gegensatz zu seiner Entscheidung in Freiburger Kommunalbauten, in begrüßenswerter Weise klar zu verstehen, dass ihm Auslegungsfragen zur Definition abstrakter Missbräuchlichkeitsmerkmale vorgelegt werden dürfen und sollen.111 Diese „neue Formel“ hat der EuGH in weiteren Entscheidungen bestätigt.112 Die Kompetenz des EuGH erstrecke sich folglich darauf, den nationalen Gerichten Hinweise an die Hand zu geben, die diese bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel zu beachten haben.113

108

Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 458. So auch Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 318. 110 EuGH v. 09.11.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C: 2010:659, Rn. 44. 111 Pfeiffer, LMK 2010, 311868; Riegel, Einheitliche unionsweite Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge, 63. 112 Exemplarisch: EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/ Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn.  22; EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  66; EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13  (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 40; EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kővári u. a.), ECLI:EU:C:2014:1857, Rn. 25. 113 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 22; EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/ Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn 66. 109

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

77

2. Distanzierung von Freiburger Kommunalbauten Darüber hinaus distanziert sich der EuGH in weiteren Vorlageentscheidungen immer mehr von seiner in der Rechtssaceh Freiburger Kommunalbauten zur Vermeidung einer Überlastung vorgebrachten, als falsch erwiesenen Argumentation.114 Insbesondere der Klauselkatalog des Anhangs der Richtlinie rückt bei den Hinweisen des Gerichtshofs immer mehr in den Vordergrund und wird zu einer Art „grauen Liste“ aufgewertet.115 Zwar handelt es sich nach Art.  3  Abs.  3  RL um eine als Hinweis dienende, nicht erschöpfende Liste, die, wie der EuGH in dem Fall Kommission/Schweden116 festgestellt hat, gerade keine Vermutung für die Missbräuchlichkeit einer Klausel begründet. Jedoch wird sie nun als „wesentliche Grundlage“ für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit angesehen.117 Der EuGH zieht die Verbotstatbestände des Anhangs sogar für solche Klauseln heran, die nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der jeweiligen Bestimmung fallen, und kombiniert diese.118 In VB Pénzügyi Lízing Zrt. gab der EuGH den nationalen Gerichten ferner eine genaue Abfolge der jeweils bei der Missbrauchskontrolle durchzuführenden Prüfungsschritte vor.119 In der Rechtssache Aziz äußerte er sich zum ersten Mal zu der Auslegung der Kriterien „erhebliches Missverhältnis“ und „Treu und Glauben“ i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL, die er in Freiburger Kommunalbauten noch als „abstrakte Faktoren“ bezeichnet hatte. In dem Fall Aziz sprach er hingegen dem nationalen dispositiven Recht eine Leitbildfunktion für die Bestimmung des Missverhältnisses zu und legte das Gebot von Treu und Glauben unionsrechtlich einheitlich aus.120 Indem er das Gebot von Treu und Glauben damit vollständig für eine Harmonisierung zugänglich macht, bekennt er sich zur Konkretisierungskompetenz der Generalklausel. Der EuGH nimmt diese Befugnis seither in den Vorlageverfahren auch tatsächlich wahr und konkretisiert seine Auslegungshinweise durch immer mehr Details. Dabei gibt er den Gerichten konkrete Prüfungskriterien und damit einen Rahmen 114

So auch Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Stempel, Treu und Glauben im Unions­ privatrecht, 141. 115 So auch MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 49; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 130 f. 116 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C: 2002:281, Rn. 20. 117 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 26; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 55. 118 Henze, GPR 2013, 35, 37; Mathiak, EuZW 2012, 786, 789. 119 EuGH v. 09.11.2010 – Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C: 2010:659, Rn. 27. 120 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 68 f.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

für die Abwägung an die Hand, wobei er insbesondere auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abstellt und zunehmend die konkreten Umstände des Einzelfalls einbezieht.121 Zum Teil können die nationalen Gerichte sogar kaum eine andere Entscheidung, als die vom EuGH intendierte, treffen. Da er aber den nationalen Gerichten immer noch das „letzte Wort“ bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel überlässt, trägt er dem mindestharmonisierenden Charakter der Klauselrichtlinie und der Kompetenzverteilung aus Art 267 AEUV hinreichend Rechnung. Seine Formel zur arbeitsteiligen Kompetenzverteilung hat der EuGH in der Rechtssache Pohotovosť s r. o. auch auf die Transparenzkontrolle übertragen.122 Regelungen zur Transparenz sind in der Richtlinie in Art. 4 Abs. 2 RL und Art. 5 RL normiert. So wies der EuGH in Pohotovosť s r. o. den nationalen Richtern die Beurteilung zu, ob eine Zinsklausel, in der die Angabe des effektiven Jahreszinses fehle, nach Art. 4 Abs. 2 RL klar und verständlich sei.123 Gleichzeitig stellte er allerdings fest, dass das Fehlen der Angabe des effektiven Jahreszinses ein erheblicher Faktor für die Beurteilung sein könne,124 und gab damit eine Richtung für die Entscheidung des nationalen Gerichts vor. Seit dieser Entscheidung sind verstärkt Vorlagefrage zu den Transparenzanforderungen zu beobachten, deren Gegenstand insbesondere Preisanpassungsklauseln125 und Klauseln aus Darlehensverträgen betreffend den effektiven Jahreszins126 sind. Dabei konkretisierte der EuGH unter anderem was unter „klar und verständlich“ i. S. v. Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL zu verstehen sei.127 Als Maßstab stellte er dabei auf den „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ ab.128 So wie zur Missbräuchlichkeit nach Art. 3 Abs. 1 RL gibt der EuGH auch zu den Transparenzanforderungen, die 121 Exemplarisch: EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  73–75; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 54. 122 So auch MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 29; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 129. 123 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 72; Bestätigung dieser Arbeitsverteilung in EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242, Rn.  30; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282 Rn. 74. 124 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 71. 125 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180. 126 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012: 144; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127. 127 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 71 ff. 128 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

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eine Klausel erfüllen muss, detaillierte Auslegungshinweise, die die Entscheidung der nationalen Gerichte teilweise präjudizieren.129 Darüber hinaus haben die nationalen Gerichte vermehrt Vorlagefragen betreffend die Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln gestellt. Daraufhin hat der EuGH seine Anforderungen bezüglich der Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln, sowohl in Hinblick auf die Klausel selbst,130 als auch in Bezug auf die Wirksamkeit des restlichen Vertrages konkretisiert.131 Insgesamt lässt sich der neueren Judikatur des EuGH zur Klauselrichtlinie ein gewisses Kohärenzdenken entnehmen. Die Urteile nehmen aufeinander Bezug und ergänzen sich. Dabei stützt der EuGH seine Entscheidungen immer öfter auch auf Vorgaben anderer verbraucherschützender, sektorspezifischer Richtlinien.132 IV. Ergebnis Die jüngste Rechtsprechung des EuGH ist zu begrüßen. Zwar hält der Gerichtshof an seiner in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten aufgestellten Kompetenzverteilung fest, er gibt allerdings vermehrt Hinweise, wie die Vorgaben der Klauselrichtlinie zu verstehen sind. Er nimmt die zum Fall Freiburger Kommunalbauten geäußerte Kritik an und löst sich immer mehr von seiner in dieser Entscheidung selbst auferlegten Zurückhaltung. Dadurch scheint er – wie die zunehmende Vorlagepraxis der nationalen Gerichte zeigt – die Abschreckungswirkung von dem Fall Freiburger Kommunalbauten zu revidieren und nationale Gerichte zu einem Dialog aufzufordern. In begrüßenswerter Weise kommt er dadurch der von Generalanwältin Trstenjak in ihrem Schlussantrag zu VB Pénzügyi Lízing geäußerten Forderung immer mehr nach: Es sei Aufgabe des EuGH „schrittweise die abstrakten Kriterien der Missbräuchlichkeitskontrolle zu präzisieren und mit wachsender Erfahrung Konturen einer gemeinschaftlichen Missbrauchskontrolle zu erarbeiten.“133 129

Exemplarisch EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 24 ff.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/ SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76 f. 130 EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 65 ff.; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 57 ff.; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 77 ff; C-482/13 Rn. 31. 131 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 31. 132 Vgl. etwa EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 71; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 43, 47; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 45. 133 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 06.10.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./ Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:659, Rn. 99.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH löst auch das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Mindestharmonisierung der Klauserichtlinie und dem Rechtsanwendungsmonopol der Mitgliedsstaaten in angemessener, Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV entsprechender, Weise auf: Zum einen können dem EuGH Vorlagefragen bezüglich der Auslegung normativer Kriterien der Richtlinie in ihrer allgemeinen Bedeutung für die Entscheidung eingeholt werden. Ferner kann der EuGH nach Kriterien, die für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel maßgeblich sind, gefragt werden. Insbesondere besteht eine Verpflichtung zur Vorlage, sofern Anhaltspunkte für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel im Unionsrecht vor allem aus dem Anhang der Klauselrichtlinie, aber auch sei es aus rechtsvergleichender oder rechtsaktübergreifender Betrachtung, oder sei es aufgrund anerkannter Rechtsgrundsätze des Unionsrechts in Betracht kommen.134 Der EuGH kann dadurch auf Grundlage einer kohärenten Auslegung des Unionsprivatrechts festlegen, welche Inhalte und Auswirkungen von Klauseln Art. 3 Abs. 1 RL widersprechen und so schrittweise einen autonomen Missbräuchlichkeitsmaßstab entwickeln. Auf diese Weise könnte die vom EuGH propagierte amtswegige Prüfungspflicht europäisch-autonom mit Leben gefüllt werden. Die Fragen, ob eine Klausel unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls tatsächlich missbräuchlich ist, ist dann „Anwendung“ der Richtlinie und steht nur den nationalen Gerichten zu.

C. Rechtliche Bindungswirkung der Vorlageentscheidungen des EuGH Die im Vorlageverfahren ergangenen Urteile über die Auslegung haben Bindungswirkung inter partes für das vorlegende Gericht des Ausgangsverfahrens und für alle Instanzgerichte, die im Rahmen von Rechtsmitteln und Rückverweisungen in derselben Rechtssache zu entscheiden haben.135 Die Gerichte sind verpflichtet in diesem und in weiteren Verfahren über den gleichen Streitstand nach Maßgabe des EuGH zu entscheiden. Der Inhalt der Vorabentscheidungsverfahrens darf dabei weder überprüft, abgeändert noch gar ignoriert werden.136 Der EuGH nennt lediglich die Auslegungskriterien, die das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vertragsklausel im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie anwenden darf oder muss. Das letzte Wort über die Missbräuchlichkeit einer konkreten Klausel unter Berücksichtigung dieser Kriterien anhand der Umstände

134 In diese Richtung auch Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 169 f.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 26. 135 BGH v. 21.04.1994, NJW 1994, 2607, 2608; EuGH v. 24.06.1969, Rs. 29/68 (Milch-, Fettund Eierkontor/Hauptzollamt Saarbrücken), ECLI:EU:C:1969:27, Rn. 3. 136 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, Art. 276 AEUV Rn. 102; Wegener, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 48.

Kap. 1: Bedeutung der Klauselrichtlinie bei Verbraucherverträgen 

81

des Einzelfalls haben die nationalen Gerichte.137 Da die Richtlinie einen Mindeststandard festlegt, müssen Klauseln, die den Anforderungen des Unionsrechts nicht genügen, für unwirksam erklärt werden. Dagegen können Klauseln, die nach der Richtlinie nicht unverbindlich sein müssten, sofern das vorlegende Gericht die Kriterien zu Gunsten des Verbrauchers strenger auslegt, dennoch verworfen werden, wenn dies mit dem übrigen Unionsrecht im Einklang steht.138 Außerhalb des Ausgangsverfahrens wird eine faktische Bindungswirkung erga omnes, insbesondere auf die acte-clair-Doktrin139 und die Vorlagepflicht der letztinstanzlichen Gerichte nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, gestützt. Da diese ausnahmsweise von der Vorlagepflicht befreit sind, sofern dieselbe Frage bereits durch den Gerichtshof entschieden ist, folgt daraus im Umkehrschluss, dass diese Gerichte die Vorlageentscheidungen zwingend beachten müssen. Sie müssen die Vorschrift in dieser Auslegung, sofern eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, auch auf andere, nicht vollkommen identische Fälle anwenden. Bei einer acte éclairé folgt damit aus der Vorlagefreiheit eine Anwendungspflicht. Um keine Staatshaftungsansprüche zu riskieren, können die nationalen letztinstanzlichen Gerichte in vergleichbaren Fällen nur dann abweichen, wenn sie diese Frage erneut dem EuGH vorlegen.140 Der EuGH kann dann durch Beschluss auf die vorangegangene Bindungswirkung verweisen oder seine Rechtsprechung ändern. Damit kommt den Entscheidungen im Vorlageverfahren eine über den Einzelfall hinaus­gehende faktische Bindungswirkung für letztinstanzliche Gerichte zu. Dagegen kann aufgrund der in Art. 267 Abs. 2 AEUV verankerten Unabhängigkeit der Untergerichte nach verbreiteter Ansicht eine Vorlagepflicht für diese verneint werden.141 Die Wirkung des Auslegungsurteils erfasst dabei in zeitlicher Hinsicht alle Sachverhalte seit Inkrafttreten der auszulegenden Vorschrift; d. h. auch in Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte.142 Den Vorlageentscheidungen kommt folglich eine ­ex-tunc Wirkung zu. In extremen Ausnahmefällen ist eine Begrenzung der Wirkung allerdings nur in dem Urteil möglich, in dem erstmals über die Auslegungsfrage entschieden wird. Dafür müsste guter Glaube der Betroffenen und eine Gefahr 137

EuGH v. 09.11.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C: 2010:659, Rn. 44. 138 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 8 Rn. 23. 139 EuGH v. 06.02.1982, Rs. 283/81 (C. I. L. F. I. T./Ministero della Sanità), ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 14. 140 BGH v. 21.04.1994, NJW 1994, 2607, 2608; Althammer, in Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 37, 48; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, Art. 276 AEUV Rn. 105; Wegener, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 51. 141 Althammer, in Gsell/Hau (Hrsg.), Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 37, 49; Wegener, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 51; a. A. Ehrike, in Streinz, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 72. 142 EuGH v. 27.03.1980, Rs. 61/79 (Amministrazione delle finanze dello Stato/Denkavit italiana), ECLI:EU:C:1980:100, Rn.  16; EuGH v. 06.03.2007, Rs. C-292/04 (Meilicke u. a./ Finanzamt Bonn-Innenstadt), ECLI:EU:C:2007:132, Rn. 34; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 58.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

schwerwiegender Störungen vorliegen.143 Eine Begrenzung der Wirkung der Entscheidung in der Rechtssache RWE, mit der in Deutschland einer Vielzahl von Preisänderungsklauseln in Gaslieferungsverträgen für unwirksam erklärt wurden, auf einen Zeitraum von 20 Monaten, damit die Unternehmer und der Gesetzgeber eine Anpassung an die Folgen des Urteils vornehmen können, hat der EuGH abgelehnt.144 Da die Entscheidung über die Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Preisänderungsklauseln den nationalen Gerichten obliege, könnten die durch die Unwirksamkeit entstehenden finanziellen Folgen für die Gasversorgungsunternehmen durch den EuGH mangels Prüfungskompetenz nicht bestimmt werden.145 Kapitel 2

Die Auslegung der Klauselrichtlinie Nachdem die Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten geklärt wurde, ist nunmehr zu zeigen, wie das EU-Klauselrecht auszulegen ist. Da der EuGH das Auslegungsmonopol innehat, bestimmt dieser vorrangig die Methoden der Auslegung. Allerdings ist die Wissenschaft unterstützend heranzuziehen, weil er diese methodische Aufgabe nicht allein zu leisten vermag.

A. Auslegung der Klauselrichtlinie Wenngleich der Vorbildcharakter des deutschen AGB-Rechts für die Klauselrichtlinie nicht anzuzweifeln ist,146 muss eine Norm des Unionsrechts, losgelöst von ihrer Herkunft oder des Begriffsverständnisses des nationalen Rechts, im Inte­resse der Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Anwendung europäisch-autonom ausgelegt werden.147 Es besteht die Vermutung, dass Begriffe des Gemeinschaftsrechts 143 EuGH v. 02.02.1988, Rs. 24/86 (Blaizot/Université de Liegé u. a.) ECLI:EU:C:1988:43, Rn. 28; EuGH v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Union royale belge des sociétés de football association u. a./Bosman u. a.), ECLI:EU:C:1995:463, Rn. 141; EuGH v. 10.01.2006, Rs. C-402/03 (Skov u. a./Bilka u. a.), ECLI:EU:C:2006:6, Rn. 51; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 59. 144 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 64. 145 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 59 ff. 146 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Vor Art. 1 RL Rn. 25 m. w. N. 147 EuGH v. 18.01.1984, Rs. 327/82 (Ekro B. V. Vee-en Vleeshandel/Produktschap voor Vee en Vlees), ECLI:EU:C:1984:11, Rn. 11; EuGH v. 14.7.1993, Rs. C-125/92 (MuloxIBC/Hendrick Geels), ECLI:EU:C:1993:306, Rn. 10 f.; EuGH v. 19.9.2000, Rs. C-287/98 (Grossherzogtum Luxemburg/Berthe Linster), ECLI:EU:C:2000:468, Rn. 43; EuGH v. 18.10.2011, Rs. C-34/10 (Oliver Brüstle/Greenpeace), ECLI:EU:C:2011:669, Rn. 25; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 111; Gebauer, in Gebauer/Widmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 116; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 4 ff.

Kap. 2: Die Auslegung der Klauselrichtlinie 

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einen eigenständigen unionsautonomen Inhalt haben.148 Ein Rekurs auf das nationale Recht läuft dem Ziel einer Angleichung der Schutzniveaus durch einheitliche Auslegung zuwider, so dass Rückverweise auf das nationale Recht Ausnahmen darstellen. Nach dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts ist die Klauselrichtlinie am „Geist, der Systematik und dem Wortlaut“149 der betreffenden Vorschriften auszulegen. Die klassischen Auslegungsmethoden, Wortlaut, Systematik, Historie und Telos verlieren folglich nicht ihre Gültigkeit. Sie sind allerdings um die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts zu modifizieren.150 Teilweise bestehen Überschneidungen zwischen diesen Auslegungsarten, so dass es eine Frage der Definition ist, welche Argumente bei der jeweiligen Auslegungsmethode berücksichtigt werden. Die Anzahl der Verwendungsmöglichkeiten der Auslegungsmethoden hat in der folgenden Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr werden lediglich die grundlegenden Besonderheiten behandelt, die bei der Interpretation der Normen der Klauselrichtlinie zu beachten sind.151 I. Wortlaut Auch für die Auslegung des Unionsrechts bildet der Wortlaut der betreffenden Norm den Ausgangspunkt.152 Der EuGH beginnt beinahe jede Entscheidungsbegründung mit dem Wortlaut der in Frage stehenden Vorschrift.

148 EuGH v. 16.07.2009, Rs. C-5/08 (Infopaq International/Danske Dagblades Forening), ECLI:EU:C:2009:465, Rn. 27; EuGH v. 03.07.2012, Rs. C-128/11 (UsedSoft/Oracle International Corp.), ECLI:EU:C:2012:407, Rn. 39; exemplarisch für die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt.), ECLI:EU:C:2014:282, Rn 37 f.; Gebauer, in Gebauer/Widmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4 Rn. 8; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, 336; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 6, 13. 149 EuGH v. 05.02.1963, Rs. 26/62 (Van Gend en Loos/Administratie der Belastingen), ECLI:EU:C:1963:1, Rn. 27; EuGH v. 14.10.1999, Rs. C-223/98 (Adidas), ECLI:EU:C:1999:500, Rn. 23; EuGH v. 15.04.2010, Rs. C-518/08 (Fundación Gala-Salvador Dalí/Société des auteurs dans les arts graphiques et plastiques), ECLI:EU:C:2010:191, Rn. 25: „sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.“ 150 Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, ff.; Gebauer, in Gebauer/Widmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 116; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Vor Art. 1 RL Rn. 13; Lutter, JZ 1992, 593, 598 f.; Leenen, JURA 2012, 753, 757. 151 Vgl. beinahe mustergültige Interpretation des Art. 1 Abs. 2 RL in GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 35 ff. 152 Gebauer, in Gebauer/Widmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, S. 113 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Vor Art. 1 RL 93/13/EG, Rn. 12.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Die wichtigste Besonderheit der grammatikalischen Auslegung im Gemeinschaftsrecht bildet die sprachliche Vielfalt.153 Für das Sekundärrecht existieren gemäß Art. 55 Abs. 1 EUV, Art. 342 AEUV, Art. 4 Verordnung zur Regelung der Sprachfrage für die EWG Nr. 1/58 mittlerweile 24 Amtssprachen, die gleichermaßen verbindlich sind. Eine isolierte Betrachtung lediglich einer bestimmten sprachlichen Fassung widerspricht gerade dem durch das Sekundärrecht verfolgten Ziel der Rechtsangleichung und dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Sprachen. Allerdings stimmen die Textfassungen aufgrund unterschiedlicher Sprachstrukturen und Übersetzungsfehler zwangläufig nicht immer überein.154 Daher muss der eigentlichen Richtlinienwortlaut ermittelt werden.155 Angesichts der normativen Gleichwertigkeit aller Amtssprachen ist eine Vorschrift „im Lichte ihrer Fassung in allen Sprachen auszulegen“156. Mehrere verschiedene Textversionen der Mitgliedsstaaten müssen bei der Wortlautauslegung miteinander verglichen werden, um eine einheitliche Lösung für alle Fassungen zu finden.157 Sofern kein Gesetzessprachgebrauch besteht, ist für die Feststellung des Wortsinns grundsätzlich auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch abzustellen.158 Kommen alle Sprachfassungen zu einem einheitlichen Verständnis, so deutet dies auf die vom Wortlaut nahegelegte Auslegung hin. Dennoch bedarf dieses Ergebnis einer Bestätigung durch die anderen Auslegungsmethoden.159 Stehen die Sprachfassungen dagegen im Widerspruch zueinander, ist eine Lösung „nach dem allgemeinen Aufbau und Zweck der Regelung“ zu ermitteln.160 Die Auslegung bleibt folglich nicht beim Wortlaut stehen, sondern dient vielmehr als Grundlage für weitere Auslegungsmethoden.161 Da der Wortsinn durch die Vielfalt der sprachlichen Fassungen tendenziell weit verstanden werden kann, kommt der gramma­tikalischen Aus-

153

Colneric, ZEuP 2005, 225, 226; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 10; Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 337; Lutter, JZ 1992, 593, 599; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 14 ff.; Schroeder, JuS 2004, 180, 184. 154 Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1180; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 10. 155 Vgl. exemplarisch für eine Berücksichtigung verschiedener Sprachfassungen bei der Auslegung des Begriffs des Gewerbetreibenden nach der Klauselrichtlinie, EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 25–28. 156 EuGH v. 27.01.2005, Rs. C-188/03 (Junk/Kühnel), ECLI:EU:C:2005:59, Rn. 33; EuGH v. 03.06.2010, Rs. C-569/08 (Internetportal/Marketing) ECLI:EU:C:2010:311, Rn. 35; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 26. 157 Gebauer, in Gebauer/Widmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 113; Lutter, JZ 1992, 593, 599; Rösler, RabelsZ 71 (2007), 495, 505. 158 EuGH v. 10.03.2005, Rs. C-336/03 (easyCar/Office of Fair Trading), ECLI:EU:C:2005:150, Rn. 21; EuGH v. 05.07.2012, Rs. C-49/11 (Content Services/Bundesarbeitskammer), ECLI:EU:C: 2012:419, Rn. 32. 159 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 199, 205. 160 EuGH v. 27.10.1977, Rs. 30/77 (Regina/Pierre Bouchereau), ECLI:EU:C:1977:172 Rn. 14. EuGH v. 28.03.1985, Rs. 100/84, (Kommission/Großbritannien), ECLI:EU:C:1985:155, Rn. 17. 161 Schroeder, JuS 2004, 180, 182.

Kap. 2: Die Auslegung der Klauselrichtlinie 

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legung ein geringeres Gewicht als in einem Rechtssystem mit einer einheitlichen Sprache zu.162 II. Systematik Bei der systematischen Auslegung sollen der Kontext und die systematische Stellung einer Norm, innerhalb des sie enthaltenden Rechtsakts und im Gesamtgefüge der Rechtsordnung, Aufschluss über ihren Sinngehalt geben. Dabei kann zwischen der rechtaktinternen und der rechtsaktübergreifenden Auslegung differenziert werden. 1. Bedeutung der systematischen Auslegung Ausgangspunkt für die systematische Auslegung bildet die äußere Ordnung des Rechtsaktes. Daneben ist aber auch die innere Ordnung des Rechtsaktes als auch des Gesamtrechtssystems zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Folgerichtigkeit und Einheit der Rechtsordnung sind die Normen und Rechtsakte nicht unabhängig voneinander, sondern vielmehr als ein nach Prinzipien geordnetes Regelungsganzes zu verstehen.163 Der Stellenwert der systematischen Auslegung im Sekundärrecht ist umstritten. Aufgrund des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips gemäß Art.  5  EUV ist der Unionsgesetzgeber nur in bestimmten Bereichen tätig geworden. Er hat nur in solchen Bereichen für Harmonisierung gesorgt, in denen Handlungsbedarf für das Funktionieren der Marktprozesse erforderlich war.164 Es mangelt daher an einem allgemeinen Teil oder an geschriebenen allgemeinen Grundsätzen. Sowohl die Regelungen innerhalb eines Einzelaktes als auch die Einzelakte im System des Unionsrechts als Gesamtrechtsordnung sind fragmentarisch und punktuell. Aufgrund dieser Tatsache wird der Auslegung anhand der Systematik zum Teil keine große Bedeutung beigemessen.165 162 Colneric, ZEuP 2005, 225, 227; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 108. Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 18 f.; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 10; Schulte-Nölke, in Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 143, 157. 163 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 25; Höpfner/ Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 12. 164 Vgl. die ausführliche Darstellung von Basedow, AcP 210 (2010), 158, 167. 165 Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, 447: „das Gemeinschaftsrecht [wird] dem systematischen Niveau nationaler Kodifikationen kaum gerecht; Lutter, JZ 1992, 593, 603 weist der systematischen Auslegung keinen eigenen Gliederungspunkt zu, sondern behandelt sie kurz im Rahmen der teleologischen Auslegung; Höpfner/Rüthers, AcP (209) 2009, 1, 12; Ritter, JZ 1995, 849, 851; Schroeder, JuS 2004, 180, 183; a. A. Riesenhuber, System und Prinzipien, 220 ff.; Basedow, JuS 2004, 89, 93.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Die neuere Entwicklung der Rechtsprechungspraxis des EuGH im Rahmen der Klauselrichtlinie spricht allerdings gegen ein solches Verständnis.166 Der EuGH geht von einer sinnvollen Einheit und Kohärenz des Rechtsaktes und des gesamten Gemeinschaftsrechts aus, indem jede Norm nur im Systembezug mit den anderen Normen korrekt verstanden werden kann. Jede Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist „in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts […] auszulegen.“167 Der Gerichtshof berücksichtigt die systematische Auslegung in seinen Entscheidungen sowohl rechtsaktintern168 als auch rechtsaktübergreifend169. In den neueren Entscheidungen zur Klauselrichtlinie bedient sich der EuGH wiederholt der rechtsaktübergreifenden Auslegung. Er stellt Querverbindung zwischen der Klauselrichtlinie und weiteren verbraucherschützenden sektorspezifischen Sekundärrechtsakten her.170 In der Rechtssache Pohotovost stellte er fest, dass die nach der früheren Verbraucherkreditrichtlinie171 statuierte Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses ein „maßgeblicher Faktor“ für die Beurteilung der Transparenz einer Klausel sein könne.172 In Pereničová befasste er sich mit der Frage, ob die Unlauterkeit einer Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG173 die Missbräuchlichkeit einer zusammenhängenden Vertragsklausel nach Art. 3 Abs. 1 RL indiziere.174 In RWE führte der EuGH aus,

166

Vgl. ausführliche Darstellung bei Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 902 ff., 915 ff.; Martens, Methodenlehre, 433, 449. 167 EuGH v. 06.02.1982, Rs. 283/81 (C. I. L. F. I. T./Ministero della Sanità), ECLI:EU:C:1982:335 Rn. 20. 168 Exemplarisch EuGH v. 13.02.2002, Rs. C-168/00 (Simone Leitner/TUI Deutschland), ECLI:EU:C:2002:163, Rn.  23; EuGH v. 04.10.2007, Rs. C-429/05 (Rampion/Franfinance), ECLI:EU:C:2007:575, Rn.  48; exemplarisch für die Klauselrichtlinie EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 66 f. 169 Exemplarisch EuGH v. 24.06.2010, Rs. C-375/08 (Luigi Pointi u. a.), ECLI:EU:C:2010:365, Rn.  64 f.; EuGH v. 07.12.2010, C-585/08 (Pammer/Reederei Karl Schlüter) und 144/09 (Hotel Alpenhof/Oliver Heller), ECLI:EU:C:2010:740, Rn.  41 ff.; EuGH v. 21.07.2011, Rs. C-150/10 (Bureau d’ intervention et de restitution belge/Beneo-Orafti), ECLI:EU:C:2011:507, Rn.  64 ff.; EuGH v. 05.07.2012, Rs. C-49/11 (Content Services/Bundesarbeitskammer), ECLI:EU:C:2012:419, Rn. 44 ff. 170 So auch Fornasier, ZEuP 2014, 410, 423; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 138; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 458. 171 4. Richtlinie 87/102/EWG des Rates v. 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit (Abl. Nr. L 42, 48). 172 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 71. 173 Richtlinie 2005/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinie 97/7/ EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Ver­ ordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 149, 22). 174 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 43, 47.

Kap. 2: Die Auslegung der Klauselrichtlinie 

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dass das Transparenzgebot des Art. 5 S. 1 RL dem Transparenzgebot in der Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG175 entspreche.176 Dieses Vorgehen ist zu begrüßen.177 Insbesondere die Richtlinien, die von der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ausgehen, müssen als ein kohärentes „Verbraucherschutzrecht“ begriffen werden.178 Generalanwältin Trstenjak fordert zutreffend, dass die dem Schutz des Verbrauchers dienenden Rechtsakte als Teil eines „einheitlichen Gesamtregelungswerks aufgefasst werden, die einander ergänzen“179. Den zahlreichen Verzahnungen zwischen diesen Rechtsakten, die bei einer gesamtsystematischen Betrachtung sichtbar werden, müsse im Rahmen der Auslegung Rechnung getragen werden.180 Obgleich die systematische Auslegung einer Richtliniennorm aufgrund des fragmentarischen Charakters des jeweiligen Rechtsaktes und des Unionsprivatrechts in seiner Gesamtheit und seiner Mehrschichtigkeit komplex ist und sich nicht auf den ersten Blick erschließt,181 darf dieser keine vollkommene Absage erteilt werden. Das europäische Privatrecht ist ein „Recht im Werden“, das sich immer mehr zu einer Gesamtrechtsordnung verdichten soll. Die Entwicklung eines Gemeinschaftsrechts verläuft dabei im Vergleich zum nationalen Recht in umgekehrte Richtung nämlich vom Besonderen zum Allgemeinen.182 Gerade durch eine „kohärente Auslegung“ der bereits harmonisierten Elemente kann dieser Prozess gefördert werden. Nur so lassen sich Rechtssicherheit und Einheitlichkeit bei der Anwendung des Unionsrechts zur Erzielung eines umfassenden Schutzes für den Verbraucher gewährleisten. Vor allem die zahlreichen unbestimmten Begriffe der Klauselrichtlinie könnten auf diese Weise eine Konkretisierung durch andere verbraucherschützende sektorspezifische Richtlinien, denen eine höhere Detailtiefe innewohnt, erfahren.

175 Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zur Aufhebung der Richtlinie 93/30/EG (ABl. Nr. L 176 v. 15.07.2003, 57). 176 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 45. 177 So auch MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 50; Fornasier, ZEuP 2014, 410, 424. 178 Nassal, 1995, 689, 692 f. zeigt Prinzipien auf, die allen verbraucherschützenden Richtlinien gemein sind; Bestätigung in Markward, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 131 ff.; Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 95 ff.; Orlando, ERCL 2011, 25, 38 fordert z. B. eine „normative Koordinierung“ zwischen den Richtlinien 2005/29 und der Klauselrichtlinie; Rösler, RabelsZ 71 (2007), 496, 498 f.; Staudenmayer, EuZW 2005, 103 bezeichnet das Verbraucherrecht als größtes zusammenhängendes Rechtsgebiet. 179 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 88. 180 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 88. 181 So auch Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 451. 182 Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 22, 110.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Folglich darf die Relevanz einer systematischen Auslegung innerhalb eines Rechtsaktes und zwischen Rechtsakten zur Förderung der Kohärenz des Unionsrechts nicht unterschätzt werden. 2. Systematische Auslegung im Rahmen der Klauselrichtlinie Grundlage jeder systematischen Auslegung ist es, aufzuzeigen, dass sich bestimmte Rechtsnormen als sinnvolles Ganzes verstehen lassen. Da jedes Argument zulässig ist, dass dieses Verhältnis unterstreicht, können die Möglichkeiten der systematischen Auslegung nicht abschließend dargestellt werden.183 Darüber hinaus lassen sich die Möglichkeiten der systematischen Auslegung aufgrund Überschneidungen mit dem Wortlautargument und der Auslegung am Telos der Norm auch einer von diesen Auslegungsmethoden zuordnen. Sowohl bei der rechtsaktinternen als auch bei rechtaktübergreifenden Auslegung anhand der Systematik können insbesondere die Komplementarität und Spezialität der anderen Normen und Rechtsakte Hilfestellung für die Interpretation einer Norm bieten. Innerhalb eines Rechtsaktes sind Vorschriften ausgehend von der Gliederung des Sekundärrechtsaktes in Abschnitte, Artikel, Absätze und Sätze in Zusammenhang mit anderen Normen des Rechtsaktes zu betrachten.184 Innerhalb der Klauselrichtlinie kann – wie zu zeigen sein wird – insbesondere eine Konkretisierung der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 RL durch die Klauselverbote des Anhangs vorgenommen werden, auf den Art. 3 Abs. 3 RL explizit verweist. Innerhalb der rechtsaktübergreifenden Auslegung von Richtlinien ist der Grundsatz lex superior derogat legi inferiori zu beachten, der eine primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts gebietet.185 Da das Primärrecht für die Auslegung der Klauselrichtlinie kaum fruchtbar gemacht werden kann,186 ist im Rahmen der Auslegung der Klauselrichtlinie verstärkt auf das weitere, vom Verbraucherschutz geprägte sekundärrechtliche Gemeinschaftsrecht einzugehen. Nach Grundmann lassen sich drei Fallgruppen zur rechtsaktübergreifenden Interpretation zwischen Rechtsakten gleichen Rangs bilden.187 Zum einen besteht ein Wechselspiel zwischen Wortlautargument und systematischer Auslegung insofern, als gleiche Begriffe nicht nur innerhalb eines Rechtsaktes, sondern auch in unterschiedlichen

183

Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 449. Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 23. 185 Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 896. 186 Micklitz/d’Usseaux, ZEuP 1998, 104, 116; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucher­ verträgen, 8. 187 Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 894 f. 184

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Richtlinien im Zweifel gleich auszulegen sind, wenn diese Richtlinien den gleichen Zweck verfolgen oder die gleiche Materie behandeln. Dem Grundsatz der Einheit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung soll gerade durch eine kohärente Terminologie zur Vermeidung von Widersprüchen Rechnung getragen werden.188 Dieses Ziel wird auch durch einen gemeinsamen Leitfaden der Gesetzgebungsorgane gefördert.189 Dies gilt auch in umgekehrter Weise, wenn die Bezeichnung bestimmter Institute zwar richtlinienübergreifend nicht dieselbe ist, sich jedoch Funktionsäquivalente abzeichnen.190 Nach der zweiten Fallgruppe können durch rechtsaktübergreifende Auslegung Einzelregelungen eines Sekundäraktes per Analogie auf einen anderen Regelungsbereich übertragen werden. Parallelprobleme aus anderen Bereichen des Sekundärrechts, insbesondere des vereinheitlichen Verbraucherrechts, können so zur Auslegung der Klauselrichtlinie herangezogen werden.191 So könnte die Generalklausel der Klauselrichtlinie durch Heranziehung von spezielleren Regelungen aus anderen Sekundärrechtsakten konkretisiert werden. Ferner können aus einer Zusammenschau spezieller Regelungen zu einer bestimmten Frage rechtsaktübergreifende Grundsätze entwickelt werden.192 Zuletzt ist bei der systematischen Auslegung in Anlehnung an eine innere Ordnung des Gemeinschaftsrechts als Gesamtrechtssystem das Prinzip des effet utile zu beachten.193 Danach sind zwei Regelungsakte mit gleichem Regelungsgehalt so auszulegen, dass beide Normen ihre praktische Wirksamkeit entfalten können. Hier lässt sich ein fließender Übergang des systematischen Arguments in die teleologische Methode beobachten. III. Telos Nach allgemeiner Ansicht gebührt der Auslegung anhand des mit der Richtliniennorm verfolgten Sinn und Zwecks der Vorrang.194 Die Mehrzahl der Urteile des 188 EuGH v. 04.10.2011, Rs. C-403/08 (Football Association Premier League/QC Leisure u. a.) und Rs. C-429/08 (Murphy/Media Protection Services), ECLI:EU:C:2011:631, Rn. 188; Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 450. 189 Leitlinie 6 des Gemeinsamen Leitfadens des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die in den Gemeinschaftsorganen an der Abfassung von Rechtstexten mitwirken. 190 Vgl. ausführliche Darstellung bei Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht zum Begriff von Treu und Glauben. 191 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Vor Art. 1 RL Rn.13. 192 Fleischer, ZeuP 2000, 772, 785 entnimmt den zahlreichen sekundärrechtlichen Informa­ tionspflichten sechs übergreifende Postulate; Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 920 ff. folgert aus den sektorspezifischen Informationspflichten ein allgemeines Transparenzgebot. 193 So auch Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 12.  194 Gebauer, in Gebauer/Wiedemann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4 Rn. 7; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 4 Rn. 109; Martens, Methodenlehre im Unionsrechts, 456; Rösler, RabelsZ 71 (2007), 495, 503; Schulte-Nölke, in Schulze (Hrsg.), Die Auslegung des europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 143, 159.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

EuGH greift auf die teleologische Interpretation zurück;195 so etwa auch bei der Interpretation von Art.  6 Abs. 1 RL196 oder von Art. 5 Abs. 1 RL197. Bei Richtlinien kann der historische Gesetzeszweck insbesondere durch Heranziehung der Begründungserwägungen und der Ermächtigungsgrundlage ermittelt werden. Die Begründungserwägungen geben Auskunft über die mit der Richtlinie verfolgten Ziele. Die Ermächtigungsgrundlage verdeutlicht die Verbindung der Richtlinie mit den Zielen des Primärrechts.198 Zu den Zielen der Klauselrichtlinie zählen nach Begründungserwägung Nr. 2, 3 und 5 bis 7 neben dem Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln die Errichtung und Förderung des Binnenmarktes. Diese übergreifenden Zwecke sind allerdings für die Interpretation einer Norm wenig aussagekräftig. Vielmehr ist aus diesen generellen Zielsetzungen der spezifische Zweck der umstrittenen Norm zu konkretisieren.199 Das allgemeine Richtlinienziel der Rechtsharmonisierung darf insofern nicht unberücksichtigt bleiben, als bei mehreren Auslegungsalternativen die harmonisierungsfreundliche vorzuziehen ist.200 Da die Rechtsordnung des Unionsrechts ein „Recht im Werden“ ist, muss dieser „Dynamik“ auch im Rahmen der teleologischen Auslegung Rechnung getragen werden. Eine Vorschrift ist daher im Lichte ihres Entwicklungsstandes im Zeitpunkt der Anwendung auszulegen.201 Dies bezieht sich zwar vorrangig auf das Primärrecht, jedoch ist auch die Konkretisierung des Missbrauchstatbestands in Art. 3 Abs. 1 RL ein „fortdauernder Vorgang“, was bei der Auslegung dieser Norm zu bedenken ist.202 Es herrscht eine Diskussion, inwiefern Richtliniennormen, die unter anderem zum Schutz des Verbrauchers erlassen wurden, aufgrund dieses Regelungsziels in dubio pro consumente ausgelegt werden sollen.203 Der Entscheidungspraxis des EuGH lässt sich ein solcher Grundsatz allerdings nicht explizit entnehmen.204 Da 195

Martens, Methodenlehre im Unionsrechts, 456. EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 66 f. 197 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 72. 198 Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530; Colneric, ZEuP 2005, 225, 228. 199 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 42. 200 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 44. 201 EuGH v. 06.02.1982, Rs. 283/81 (C. I. L. F. I. T./Ministero della Sanitá), ECLI:EU:C:1982:335 Rn. 20. 202 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.10.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:659, Rn. 99; für eine dynamische Auslegung von generalklauselartigen Bestimmungen auch W-H, Roth, RabelsZ 75 (2011), 787, 805. 203 Zustimmend Rösler, JZ 2006, 400 ff.; derselbe, RabelsZ 71 (2007), 495, 507 ff.; 518; Tonner, JZ 2006, 402 ff.; a. A. Riesenhuber, JZ 2005, 829 ff. und JZ 2006, 404 ff. gegen Rösler und Tonner; Leenen, JURA 2012, 753, 758. 204 Vgl. ausführliche Darstellung der Rechtsprechung des EuGH in Micklitz/Rott, in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 102; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 57. 196

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der Verbraucherschutz nicht der einzig erklärte Zweck der Klauselrichtlinie ist, sondern diese vielmehr zum Ziel hat, die Interessen von Verbraucher und Gewerbe­ treibenden in Einklang zu bringen und den Binnenmarkt zu fördern, ist eine pauschale Auslegung in dubio pro consumente zu eindimensional und führt nicht stets zu einem sachgerechten Ergebnis.205 Vielmehr ist im Einklang mit dem EuGH mit herkömmlichen Auslegungsmethoden zu arbeiten. Der EuGH bedient sich zur Auslegung verbraucherschützender Richtlinien eines Verbraucherleitbilds. Wie zuvor im Recht der Grundfreiheiten und im Lauterkeitsrecht,206 stellt er nun auch im Rahmen der Auslegung der Klauselrichtlinie auf das Leitbild des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ ab.207 In einem solchen Verbraucherleitbild werden die verschiedenen mit einer Richtlinie verfolgten Ziele und zugrundeliegenden Prinzipien in einer Art „Kurzformel“ in Ausgleich gebracht. Insbesondere soll ein Ausgleich zwischen der geforderten Selbstbestimmung und dem erforderlichen Verkehrsschutz erreicht werden.208 Jedoch spiegelt ein solches Leitbild nur einen Teil der maßgeblichen Wertungen wider und muss immer im Zusammenhang mit dem jeweiligen Regelungsbereich betrachtet werden. Sie sind wie unbestimmte Rechtsbegriffe nur so viel Wert wie man in sie hineinlegt.209 Ein wichtiger Aspekt der teleologischen Auslegung ist der Grundsatz des effet utile: Danach sind Rechtsnormen so auszulegen, dass sie ihren größtmöglichen Nutzen, ihre praktische Wirksamkeit, im Rahmen des Unionsrechts entfalten können. In ständiger Rechtsprechung verlangt der EuGH, dass bei mehreren möglichen Auslegungsmethoden einer unionsrechtlichen Norm diejenige Auslegung gewählt werden müsse, die die praktische Wirksamkeit dieser Vorschrift zu wahren geeignet sei.210 Der praktische Nutzen einer Norm ist aus der Norm selbst und den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts zu entnehmen. Der Gedanke des effet 205 In diese Richtung auch Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 462; Leenen, JURA 2012, 753, 758; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 61. 206 EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 14; EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-210/96 (Gut Springheide/ Rudolf Tusky), ECLI:EU:C:1998:369, Rn. 31; EuGH v. 28.01.1999, Rs. C-303/97 (Verbraucherschutz/Sektkellerei Kessler), ECLI:EU:C:1999:35, Rn. 36; EuGH v. 13.01.2000, Rs. C-220/98 (Estee Lauder Cosmetics/Lancaster Group) ECLI:EU:C:2000:8, Rn. 27. 207 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt.), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74. 208 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 265; Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 165. 209 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 266 f. 210 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08(Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn.  26; EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C:2002:281, Rn. 15, 21; EuGH v. 19.11.2009, Rs. C-402/07 (Sturgeon/Condor) und C-432/07 (Böck und Lepuschitz/Air France) ECLI:EU:C:2007:619, Rn. 47; EuGH v. 07.10.2010, Rs. C-162/09 (Secretary of State of Work and Pensions/Lassal), ECLI:EU:C:2010:592, Rn. 51.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

utile wirkt dabei auf zweierlei Weise:211 Er definiert zum einen die Reichweite einer Norm. Danach sind die Rechtsvorschriften so auszulegen, dass ein Regelungsziel so weit wie möglich oder bestmöglich erreicht werden kann. Zum anderen gewährleistet der Grundsatz des effet utile gleichzeitig, dass keine Norm in der Rechtsordnung überflüssig ist. So darf einer europäischen Regelung „nicht jede praktische Wirkung genommen werden“. Bei der Anwendung des effet-utileGrundsatzes ist jedoch insofern Vorsicht geboten, als eine Betonung des effet utile zur Ausblendung gegenläufiger, aber nicht im Unionsrecht verankerter Individualinteressen führen kann.212 Einen weiteren Ausdruck der teleologischen Methode bildet die vom Gerichtshof praktizierte, generell enge Auslegung von Ausnahmen im Hinblick auf die Ziele bestimmter Richtlinie.213 So legt er auch im Rahmen der Klauselrichtlinie Art. 4 Abs. 2 RL214 sowie Art. 1 Abs. 2 RL215, die bestimmte Klauseln von der Inhaltskontrolle ausschließen, generell eng aus. Zwar leuchtet der Grundsatz der engen Auslegung mit Blick auf das übergeordnete Ziel der Rechtsharmonisierung ein, jedoch stellt dieser eine konturlose, im Zweifel dem Telos des Rechtsaktes nicht gerecht werdende Pauschalisierung dar.216 Die Regelung einer Ausnahme ist vielmehr Ausdruck einer im Gesetzgebungsprozess getroffenen Abwägung zugunsten eines anderen Ziels als der intendierten Harmonisierung oder des bezweckten Schutzes. Folglich ist von diesem Grundsatz Abstand zu nehmen und auch bei der Auslegung von Ausnahmen in gewohnter Weise vorzugehen.217 IV. Historie Der Interpretation des Sekundärrechts anhand des subjektiven Willens der historischen europäischen Gesetzgebung218 wird in der Literatur zum Teil ein geringes Gewicht zugesprochen. Sie diene lediglich zur Bestätigung eines Auslegungsergeb 211 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 45; Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 464 ff. 212 Gebauer, in Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4 Rn. 7; Martens, Methodenlehre im Unionsrecht, 467 f. 213 EuGH v. 13.12.2001, Rs. 481/99 (Heininger/Bayerische Hypo- und Vereinsbank), ECLI:EU:C:2001:684, Rn. 31; EuGH v. 28.10.2010, Rs. C-203/09 (Volvo Car Germany/Autohof Weidensdorf), ECLI:EU:C:2010:647, Rn. 42; EuGH v. 10.05.2011, Rs. 203/99 (Henning Veedfald/Arhus Amtskommune), ECLI:EU:C:2001:258, Rn.  15; zustimmend Colneric, ZEuP 2005, 225, 228. 214 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt.), ECLI:EU:C:2014:282, Rn 42. 215 EuGH v. 10.09.2014, Rsn. C-34/13 (Kušionová/SMART Capital), ECLI:EU:C:2014:2189, Rn. 77. 216 Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 63; 217 So auch Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3071. 218 Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 13 der den historischen Gesetzgeber als eine Metapher für den historischen Komplex der Gesetzesentstehung sieht.

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nisses.219 Diese Ansicht mag mit Blick auf den Mangel aussagekräftiger Gesetzesmaterialien220 und den besonderen Kompromiss- und Verhandlungscharakter des europäischen Rechtsetzungsverfahrens221 stimmen. Insbesondere kann nur auf veröffentlichte Materialien zurückgegriffen werden.222 Für die Klauselrichtlinie gilt dies angesichts der langen Entstehungsgeschichte der Richtlinie und den dabei veröffentlichten Vorentwürfen indes nicht in dieser Allgemeinheit, weshalb eine historische Interpretation hier durchaus in Betracht kommt.223 Dagegen darf die Relevanz des „Vorbildrecht“ für die Auslegung einer Richtlinie aufgrund der Autonomie des Gemeinschaftsrechtssystems nicht überschätzt werden. Es kann lediglich Hinweise für eine mögliche Interpretation geben.224 Aufschluss über den Willen und die Beweggründe des historischen Gesetzgebers bieten darüber hinaus die Erwägungsgründe,225 mit denen Verordnungen und Richtlinien gemäß Art. 296 Abs. 2, 297 AEUV zu versehen sind. Ihre Bedeutung ist von nicht von unterschätzbarem Wert:226 Der EuGH greift in zahlreichen Entscheidungen,227 wie auch bei der Auslegung der Klauselrichtlinie,228 auf die Erwägungsgründe zurück. Aufgrund ihrer Formulierung als allgemeine Grundsätze können sie für den Wortsinn, die Systematik, die Entstehungsgeschichte und vor allem den Sinn und Zweck einer Richtlinie fruchtbar gemacht werden. Da sie – wie die Formulierung „[…] in Erwägung nachstehender Gründe[…] hat folgende Richtlinie erlassen“ ergibt  – formell gerade nicht zum Richtlinientext gehören, stellt die Bezugnahme auf einen Erwägungsgrund kein systematisches, sondern 219 Lutter, JZ 1992, 593, 599; Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Colneric, ZEuP 2005, 225, 228, Leenen, JURA 2012, 753, 557; a. A. Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 13; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 32; Wegener, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EU-Vertrag Rn. 14. 220 Basedow, AcP 210 (2010), 158, 168 f.; Schulte-Nölke, in Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 143, 158. 221 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Wegener, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 14. 222 Vgl. Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 35. 223 BeckOGK/Lehmann-Richter, § 305 BGB (18.12.2015) Rn. 50. 224 Lutter, JZ 1992, 593, 601; Riesenhuber, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 39. 225 Vgl. Gemeinsamer Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die in den Gemeinschaftsorganen an der Abfassung von Rechtstexten, Ziff. 10: „Zweck der Erwägungsgründe ist es, die wichtigsten Bestimmung des verfügenden Teils in knapper Form zu begründen […].“ 226 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 37; Köndgen, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 50; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 15; a. A. Basedow, AcP 210 (2010), 158, 168 f. der die Erwägungsgründe als „deutlich kürzer, oft unvollständig und manchmal sogar rätselhaft und widersprüchlich“ bezeichnet. 227 Siehe Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH, 260 f. 228 Exemplarisch EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 64; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/ OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn 52, 67.

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ein historisches Argument dar, sofern sie Anhaltspunkte für den Willen des historischen Gesetzgebers enthält. Als wesentliche Erkenntnisquelle für den Willen des historischen Gesetzgebers können sie aus methodischer Sicht Stellungnahmen von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Rechtsausschuss gleichgestellt werden.229 Jedoch gehen sie aufgrund ihrer Stellung als integraler Bestandteil des Gesetzgebungsdokuments und ihrer Formulierung als allgemeine Rechtsgrundsätze sogar darüber hinaus. Sie sind als eine Art „policy statement“, das allen Regelungen des Rechtsaktes zugrunde liegt, zu begreifen.230 Nach EuGH sei der verfügende Teil eines Gemeinschaftsrechtsaktes untrennbar mit seiner Begründung verbunden.231 Folglich ist eine mit den Erwägungsgründen im Einklang stehende Auslegung des Richtlinientextes unabdingbar. Es gilt das Gebot der „begründungskonformen“ Auslegung der Richtlinie.232 Die Erwägungsgründe der Klauselrichtlinie geben in Erwägungsgrund Nr. 2, 3 und 5 bis 7 Auskunft zum historischen Hintergrund der Richtlinie: Danach bestünden zahlreiche Unterschiede zwischen den Vorschriften über missbräuchliche Klauseln mit Verbrauchern. Ferner könnte die Unkenntnis von den nationalen Vorschriften die Verbraucher daran hindern, Waren und Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten nachzufragen. Darüber hinaus enthalten die Begründungs­ erwägungen der Klauselrichtlinie Anhaltspunkte, wie ein bestimmter in der Richtlinie verwendeter Begriff nach dem Willen des historischen Gesetzgebers zu verstehen ist. Wichtige Anhaltspunkte zur Konkretisierung der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 RL finden sich in Erwägungsgrund Nr. 15, und 16. Nr. 17 nimmt zur Bedeutung des Anhangs Stellung. Soweit die Erwägungsgründe weitgehend den Telos der Klauselrichtlinie enthalten, können diese auch im Rahmen der subjektiv-teleologischen Auslegung Berücksichtigung finden.233

B. Bedeutung des Richtlinienanhangs Das größte materielle Konkretisierungsmaterial für die Auslegung der Generalklausel in Art. 3 Abs. 1 RL findet sich in der Liste im Anhang der Richtlinie. Die Richtlinie gliedert sich in elf Artikel und einen Anhang. Nach Art. 3 Abs. 3 RL 229 Höpfner/Rüthers, AcP (209) 2009, 1, 15; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, 179, 463. 230 Köndgen, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 50; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, 179. Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH, 261 spricht von „Leitgedanken“. 231 EuGH v. 19.11.2009, verb. Rs. C-402/07 und C-432/07 (Sturgeon/Condor Flugdienst), ECLI:EU:C:2009:716, Rn. 42. 232 Köndgen, in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 6 Rn. 50; GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 37; exemplarisch EuGH v. 10.12.1985, Rs. 290/84 (Hauptzollamt Schweinfurt/Mainfrucht), ECLI:EU:C:1985:493, Rn. 35 f. 233 Vgl. 1. Teil Kapitel 2 B. III.

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enthält der Anhang eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste von Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können. Darin enthalten sind 17 Klauselverbote (Nr.  1  lit.  1  a  bis  q) mit und ohne Wertungsmöglichkeit sowie vier Privilegierungstatbestände (Nr. 2 lit. a bis d). Während den elf Artikeln der Richtlinie eine normativ bindende Wirkung zukommt, ist der Verbindlich­ keitsgrad der Klauselverbote für die Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 RL umstritten. Obwohl der EuGH noch in dem Fall Océano Grupo unmittelbar auf Nr. 1 lit. q des Anhangs Bezug nahm,234 um eine Klausel für unwirksam zu erklären, stellte er in dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Königreich Schweden auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 RL ab und entschied, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die im Anhang genannten Klauseln für missbräuchlich zu erklären. Der Anhang bezwecke auch nicht, dem Verbraucher unmittelbar Rechte zu gewähren. Insbesondere bestehe keine Pflicht der Mitgliedsstaaten die Verbote des Richtlinienanhangs in ihre Umsetzungsbestimmungen aufzunehmen.235 In weiteren Entscheidungen bestätigte der Gerichtshof den unverbindlichen, lediglich als Hinweis für die Missbräuchlichkeit dienenden und nicht erschöpfenden Charakter des Anhangs,236 obgleich er in einer Reihe von Entscheidungen auf diesen Bezug nahm.237 Diese Haltung entspricht auch dem 17. Erwägungsgrund, der dem Richtlinienanhang nur einen Beispielscharakter zuweist. Seit der Entscheidung Invitel scheint der EuGH jedoch seinen Kurs insofern geändert zu haben, als der Anhang nunmehr, obwohl die Missbräuchlichkeit einer streitigen Klausel zwar nicht ohne Weiteres lediglich auf der Basis des Anhangs der RL endgültig beurteilen werden könne,238 eine „wesentliche Grundlage“ sei, auf die das zuständige Gericht seine Beurteilung der Missbräuchlichkeit stützen könne.239 Dabei hat er die Bestimmungen des Anhangs auch für solche Klauseln herangezogen, die nicht unmittelbar den jeweiligen Verbotstatbestand erfüllen. Er hat die Bestimmungen kombiniert und auf Grundlage dieser verallgemeinerungsfähige Anforderungen für die

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EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 24. 235 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C: 2002:281, Rn. 20 f. 236 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn.  20; EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 38. 237 Exemplarisch EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI: EU:C:2010:685, Rn. 58; EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 26. 238 So schon bereits in EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C:2002:281, Rn. 20; EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C:2004:209, Rn. 20. 239 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 26; Bestätigung in EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 55.

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Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln aufgestellt.240 In RWE griff der EuGH sogar auf Klauseln des Richtlinienanhangs zurück, ohne seine Unverbindlichkeit zu betonen.241 Der Verstoß gegen ein im Anhang aufgeführtes Klauselverbot führt folglich nicht zwangsläufig zur Missbräuchlichkeit einer Klausel. Dies entspricht zum einen der Entstehungsgeschichte242 und der aus ihr resultierenden Ausgestaltung des Anhangs gerade nicht als schwarze Liste stets unverbindlicher Klauseln. Zum anderen wird dies der Kompetenzverteilung zwischen EuGH und den nationalen Gerichten und dem Kontrollmaßstab der Richtlinie gerecht, der eine ergänzende Berücksichtigung der konkret-individuellen Umstände vorsieht.243 Es steht im Ermessen der zuständigen Gerichte einen Verstoß gegen einen Verbotstatbestand des Klauselkatalogs des Anhangs aufgrund der Umstände des konkreten Falls i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL zu korrigieren.244 Darüber hinaus bleibt es dem Ermessen der Gerichte überlassen auch im Klauselanhang nicht genannte Klauseln für unwirksam zu erklären.245 Der Richtlinienanhang stellt gerade keinen Mindeststandard für die nationalen Verbotskataloge dar.246 Nach dem Wortlaut der 17. Begründungserwägung können die Mitgliedsstaaten sowohl strengere, wie es auch Art. 8 RL vorsieht, aber auch die Tragweite des Klauselkatalogs begrenzende Verbotsklauseln erlassen.247 Auch die weitreichende unbestimmte Formulierung des Verbots­

240 So auch Henze, GPR 35, 37; Mathiak, EuZW 2012, 786, 789; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 131. 241 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46, 49, 52, vgl. Fornasier, ZEuP 2014, 410, 422; Stempel, ZEuP 2017, 102, 115. 242 Während zunächst „eine Liste von typischerweise missbräuchlichen Klauseln“ vorgesehen war, KOM (93) 11 endg. – SYN 285 v. 26.01.1993, 3, 6, einigten sich die Mitgliedsstaaten auf eine Liste mit Beispiels- und Minimalcharakter; vgl. Ausführungen zur Entstehungsgeschichte bei Heinrichs, in FS Reich, 527–531; Henkel, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 13 f. 243 So auch Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 139 die allerdings von einem konkret-individuellen Kontrollmaßstab der Richtlinie ausgeht. 244 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.12.2011, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 81. 245 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C:2002:281, Rn.  20; EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C:2004:209, Rn. 20; EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 25; EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 70. 246 MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 10; a. A. Heiderhoff, WM 2003, 509, 512; Remien, ZEuP 1994, 34, 61 lässt diese Frage offen. 247 Vgl. englische Fassung von Erwägungsgrund Nr. 17: The scope oft these terms may be the subject of amplification or more restrictive editing by the Member States in their national laws; MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 11; a. A. Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 101; Basedow, in FS Brandner, 651, 658 die Erwägungsgrund Nr. 17 dahingehend verstehen, dass der Anhang Mindestregeln aufstellt.

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katalogs spricht insofern gegen den Charakter eines Mindeststandards, als dem Richter gleichwohl Wertungsmöglichkeiten verbleiben.248 Allerdings ist der Richtlinienanhang dennoch mehr als eine indikative, informative Auslegungshilfe für die Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 RL mit lediglich unverbindlichem Beispiels- und Minimalcharakter, wie es in dem 17. Erwägungsgrund und zum Teil im Schrifttum249, suggeriert wird. Insbesondere spricht die von der Richtlinie bezweckte Rechtsvereinheitlichung trotz der fehlenden Umsetzungsverpflichtung gegen einen unverbindlichen Charakter.250 Ferner dürften die im Anhang in Nr. 2 enthaltenen Privilegierungen auf eine gewisse Verbindlichkeit hindeuten.251 Der Richtlinienanhang statuiert, was nach der Auffassung des Richtliniengebers im Regelfall als missbräuchlich für den Verbraucher zu verstehen ist.252 Dies bestärkt auch der EuGH, indem er seit dem Vorlageverfahren VB Pénzügyi Lízing Zrt. seine Auslegungskompetenz explizit auf den Richtlinienanhang erweitert hat.253 Der Stellenwert dieser Orientierungspunkte darf daher nicht unterschätzt werden.254 Es ist allerdings umstritten, welches Gewicht dem Verbotskatalog für die Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 RL zukommt.255 Während einige Stimmen in der Literatur ihm eine gewisse Indizwirkung zuschreiben,256 sprechen andere von einer

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Vgl. Beispiele in MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 11. Damm, JZ 1994, 161, 175; Eckert, WM 1993, 1070, 1076; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 6 Rn. 406; Joerges, ZEuP 1995, 181, 183; Kappus, NJW 1994, 1847, 1848; Nassal, JZ 1995, 689, 691. 250 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl., RL Anh Rn. 1. 251 Micklitz, in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), European Consumer Law, 67, 157 Rn. 3.23. 252 Heinrichs, in FS Reich, 527, 535; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 16; Kapnapoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 140; Nassal, Allgemeine Geschäftsbedingungen, in Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Rn. 61; Remien; ZEuP 1994, 34, 60 ff. 253 EuGH v. 09.11.2010 – Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI: EU:C:2010:659, Rn. 39. 254 Zustimmend Micklitz, in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), European Consumer Law, 67, 157 Rn. 3.23; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 16.  255 Eingehende Diskussion bei Basedow, in FS Hirsch, 51, 62; Coester, in FS Heinrichs, 99, 106; Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2479; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 140 f.; Leible, RIW 2001, 422, 427; Remien, ZEuP 1994, 34, 61; Heiderhoff, WM 2003, 509, 512; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl., Art.  3 RL Rn. 32. 256 GA Geelhoed, Schlussanträge v. 31.01.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C:2002:66, Rn. 28; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122; Freitag/Riemenschneider, WM 2004, 2470, 2479; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 116 f; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 33; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 581. 249

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Vermutungswirkung.257 Die Aufwertung des Verbotskatalogs durch den EuGH von einer „Informationsquelle“ in dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/ Königreich Schweden258 zu einer „wesentlichen Grundlage“ für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit in der Entscheidung Invitel,259 lässt immer mehr eine Entwicklung des Klauselkatalogs von einem exemplarischen Indiz zu einer widerlegungsbedürftigen Vermutung für die Missbräuchlichkeit einer Klausel erkennen.260 Dieser Wandel ist insbesondere in Hinblick auf einen durch die Richtlinie bezweckten, immer stärker harmonisierten Verbraucherschutz und das Ziel der Rechtklarheit und -sicherheit zu begrüßen.261 Die Generalklausel bekommt so eine unionsautonome Kontur. Allen Klauseln im Anhang ist gemein, dass sie eine Verschiebung der Symmetrie der Rechte und Pflichten der Parteien zu einer bestimmten Frage enthalten und damit den Tatbestand einer Benachteiligung erfüllen.262 Folglich kann dem Anhang die gleiche Bedeutung, die das dispositive Recht bei der Feststellung eines Missverhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien hat, zugesprochen werden.263 Er enthält „widerlegungsbedürftige Regelwertungen“ für die Konkretisierung des Missbräuchlichkeitsmaßstabs des Art. 3 Abs. 1 RL,264 die die nationalen Gerichte zu berücksichtigen haben.265 Sofern eine Klausel unter einen Verbotstatbestand der Klauselliste fällt, ist dieser die Richtigkeitsgewähr zu entziehen.266 Anschließend ist im Rahmen einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses und anderer Klausel zu ermitteln, ob die betroffene Klausel gegen Treu und Glauben verstößt.267 Dies wider 257 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 141; Leible, RIW 2001, 422, 427; Remien, ZEuP 1994, 34, 61; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 415; Pfeiffer, EuZW 2002, 467; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 443; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 101; MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 12. 258 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), Slg. 2002, I-4147, Rn. 22. 259 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt.), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 26. 260 Zustimmend Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459; Ebers, LMK 2012, 333, 520; 261 Zustimmend Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 459. 262 Heinrichs, in Ludwig/Micklitz/Tonner (Hrsg.), FS Reich, 527, 535; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 16; Heiderhoff, WM 1993, 509, 512; Micklitz, in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), European Consumer Law, 67, 157 Rn. 3.23. 263 So auch Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 443 vergleicht den Anhang mit „Soll-Vorschriften“. 264 So auch Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122. 265 Heinrichs, in FS Reich, 527, 535; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122. 266 Basedow, in FS Hirsch, 51, 62. 267 Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 16; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 443.

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spricht insofern auch nicht der von der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 RL geforderten unverbindlichen sowie nicht erschöpfenden Wirkung des Anhangs, als den nationalen Gerichten das letzte Wort über die Missbräuchlichkeit einer Klausel nach dem Maßstab von Treu und Glauben bleibt. Für die Abweichung vom Unwirksamkeitsverdikt des Richtlinienanhangs bedarf es allerdings einer sachgerechten Begründung.268 Darüber hinaus kann der Anhang nicht nur herangezogen werden, wenn es um Klauseln, die einen Verbotstatbestand erfüllen, geht, sondern es können aus der Zusammenschau der Tatbestände auch allgemein gültige Wertungen für ähnliche oder andere Klauseln entwickelt werden.269

C. Zusammenfassung Zusammengefasst sind die Normen der Klauselrichtlinie einschließlich des Anhangs im Rahmen dieser Untersuchung nach den klassischen europäischen Auslegungsmethoden auszulegen. Dabei müssen die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts hinreichend berücksichtigt werden: Der Wortlaut ist zwar der Ausgangspunkt der Auslegungen, jedoch kommt ihm aufgrund der Vielfalt der sprachlichen Fassungen der Klauselrichtlinie ein geringeres Gewicht als in einem Rechtssystem mit einer einheitlichen Sprache zu. Bei der systematischen Auslegung ist die Stellung der Norm sowohl rechtsaktintern als auch, trotz des fragmentarischen Charakters des Unionsprivatrechtsrechts, zur Förderung eines kohärenten Verbraucherschutzrechts rechtsaktübergreifend zu untersuchen. Von vorrangiger Bedeutung für die Auslegung ist das Telos der Norm, das aus der Norm selbst oder aus den Erwägungsgründen zu ermitteln ist. Im Rahmen der historischen Auslegung darf die Bedeutung der Erwägungsgründe nicht unterschätzt werden. Sie sind im Rahmen der Klauselrichtlinie die wesentliche Erkenntnisquelle für den Willen des historischen Gesetzgebers und sollen zur Klärung von Definitions- und Interpretationsfragen beitragen. 268

Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  122; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 79; MüKo/Wurmnest, § 308 Rn. 5. 269 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444 f. spricht von Verhältnismäßigkeit, Gleichheit von Rechten, vertragsrechtlichen Grundwertungen wie Sicherung der vertraglichen Einigung, Bewahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses, Schutz der Vertragsbindung; derselbe, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 33; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 67 ff. entnimmt dem Anhang folgende Grundwertungen: Vertragstreue, Verbot der Bindung durch bloße Willensfunktion, Stabilität des Preis-Leistungsverhältnisses, Einstandspflicht für den Vertragszweck, Achtung der Rechtsgüter des Verbrauchers, Vermeidung asymmetrischer Vertragsgestaltungen, Verbot einseitiger Abwicklungsprivilegien sowie Verbot treuwidriger Rechtsschutzverkürzungen; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 102 f. unterscheidet zwischen der formellen und materiellen Vertragstreue; Ausführliche Untersuchung bei Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?.

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Teil 1: Allgemeiner Teil 

Das größte materielle Konkretisierungsmaterial für die Auslegung der Generalklausel in Art. 3 Abs. 1 RL findet sich in der Liste im Anhang der Richtlinie. Sofern eine Klausel einen der aufgeführten Tatbestände erfüllt, besteht eine widerlegungsbedürftige Vermutung für ihre Missbräuchlichkeit. Darüber hinaus enthält der Anhang aber auch verallgemeinerungsfähige Wertungen für ähnliche oder andere Klauseln.

Teil 2

Transparenzkontrolle Kapitel 3

Grundlagen A. Europarechtliche Vorgaben Das Unionsverbraucherrecht wird von dem Gedanken durchzogen, dass die Unterrichtung des Verbrauchers „eines der grundlegenden Erfordernisse des Verbraucherrechts“1 sei. So sah bereits das vom Rat 1975 verabschiedete „Erste Programm“ die Durchführung einer Politik „zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher“ vor.2 Der Verbraucherschutz durch Information soll dabei anderen Schutzmechanismen, insbesondere zwingendem Recht, insofern vorgehen, als er den geringsten Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien darstellt und gleichzeitig die Stellung des Verbrauchers aufwertet.3 Die Bedeutung des Informationsgebots spiegelt sich auch in den zahlreiche verbraucherschützen Richtlinien wider, die Pflichten zur Aufarbeitung und Weitergabe von Informationen normieren. Nicht selten findet sich in den Richtlinien gar eine Überfülle von Informationspflichten.4 Eng verknüpft mit dem Informationsgebot ist das Transparenzgebot. So stellen eine Vielzahl von verbraucherschützenden Richtlinien den konkreten Informationspflichten die Pflicht zur klaren und verständlichen Informationswiedergabe voraus.5 1 EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 18. 2 Verbraucherschutzprogramm von 1975, ABl. Nr. C 92 v. 25.04.1975, 1 ff.; vgl. zum Stellenwert der Unterrichtung in der Verbraucherpolitik zusammenfassend EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 14 ff.; Dreher, JZ 1997, 167, 170 ff. m. w. N. 3 Exemplarisch EuGH v. 20.02.1979, Rs. 120/78 (Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Brandwein), ECLI:EU:C:1979:42, Rn. 13; EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/ Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 14; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 566; Oppermann, Europarecht, Rn. 2043. 4 Kritisch Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 5 Rn. 249 m. w. N. 5 Exemplarisch Art. 3 Pauschalreise-Richtlinie 90/314/EWG fordert „klare und genaue Angaben“; Art. 4 Abs. 1 Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG spricht von der Zurverfügungstellung auf „deutliche und verständliche Weise“; Art. 4 Abs. 2 Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG verlangt eine „klare, prägnante und auffallende Weise“; Art. 7 Abs. 1 S. 2 VerbraucherrechteRichtlinie 2011/83/EU „Diese Informationen müssen lesbar und in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein.“

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie in Art. 4 Abs. 2, Art. 5 S. 1 RL bildet dabei die einzige nicht-sektorspezifische Regelung, die auf alle Verträge unter Verwendung von nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklauseln Anwendung findet. Während Art. 4 Abs. 2 RL die Klarheit und Verständlichkeit von Klauseln über den Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/Leistungs­verhältnis fordert, enthält Art.  5  S.  1  RL das allgemeine Transparenzgebot. Danach muss der Gewerbetreibende, soweit alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt sind, diese stets klar und verständlich abfassen. Diese Regelung ist als eine Art Generalnorm zu verstehen, die auch auf Informationspflichten übertragen werden muss, die keine explizite Verpflichtung zur transparenten Informationswiedergabe enthalten und nicht in standardisierten Verträgen erfasst sind. Schließlich dienen vertragliche Regelungen, nur wenn sie klar und verständlich dargestellt sind, der Information des Verbrauchers. Es kann folglich von einem allgemeinen Transparenzgebot bei Informationspflichten gesprochen werden.6 Die herausragende Bedeutung des in Art. 5 S. 1 RL verankerten Transparenzprinzips hat auch der EuGH in dem Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Königreich der Niederlande festgestellt:7 Da das Transparenzprinzip dem Schutz des Verbrauchers diene, genüge zur Umsetzung des Art. 5 S. 1 RL nicht der bloße Verweis auf die ständige Rechtsprechung der nationalen Gerichte. Vielmehr sei ein Tätigwerden des Gesetzgebers durch Erlass einer Rechtsvorschrift geboten. Das Transparenzgebot soll, wie der EuGH später präzisierte, insbesondere die zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden bestehende Informationsasymmetrie ausgleichen.8 Neben der Vertragstransparenz zum Schutze der Verbraucher, dient das Transparenzgebot aber auch der „Transparenz des Marktes“, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Angebote zu vergleichen.9 Dies entspricht auch den Zielen der Richtlinie, die neben dem Verbraucherschutz zur Förderung des Binnenmarktes beitragen soll. Zusammengefasst ist das Transparenzprinzip daher als ein rechtsaktübergreifendes Grundprinzip des europäischen Verbraucherschutzes und Vertragsrechts einzustufen.10 6

Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 918 f.; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 5 Rn. 256. 7 EuGH v. 10.05.2001, Rs. C-144/99 (Kommission/Königreich der Niederlande), ECLI:EU:C: 2001:257, Rn.  20 mit Bezugnahme auf GA Tizzano, Schlussanträge v. 23.01.2001, ECLI:EU:C:2001:50, Rn. 26–31. 8 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 71; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România SA), ECLI:EU:C: 2015:127, Rn. 73. 9 EuGH v. 04.03.2004, Rs. C-264/02 (Cofinoga Mérignac/Sylvain Sachithanathan), ECLI:EU:C:2004:127, Rn.  26; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn.  70; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Micklitz, in Reich/ Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), European Consumer Law, 125, 144, Rn. 3.18; Gozzo, Das Transparenzprinzip und missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 20. 10 Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 919; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 5 Rn. 257; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucher­ verträge, 131; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Staudenmayer, in Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.),

Kap. 3: Grundlagen

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In seiner neuesten Rechtsprechung zur Klauselrichtlinie geht der EuGH verstärkt auf das Transparenzgebot ein. Hintergrund dafür ist, dass die Klarheit und Verständlichkeit losgelöst von einer Prüfung des nationalen Rechts beurteilt werden kann, so dass die eben in Bezug auf die allgemeine Missbrauchskontrolle beschriebene Zurückhaltung nicht angezeigt ist.11 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und der Vorgaben der Klauselrichtlinie werden im Folgenden die allgemeinen Grundlagen für die Transparenzkontrolle von Preisänderungsklauseln dargestellt. Im Zusammenhang dieser Erläuterung wird zunächst eine systematische Verortung (I.) und Konkretisierung des Umfangs des Transparenzprinzips (II.) vorgenommen. Danach werden der Transparenzmaßstab des „normal informierten, angemessen aufmerksamen Verbrauchers“ (III.) sowie die Schranken des Transparenzgebots (IV.) diskutiert. Zum Schluss werden die aus den europäischen Grundlagen des Transparenzgebots folgenden Schlussfolgerungen für die Kontrolle von Preisänderungsklauseln zusammengefasst (V.). I. Systematischer Standort des Transparenzprinzips in der Richtlinie Der Wortlaut des Art. 5 RL und des Art. 4 Abs. 2 RL enthält keine Aussage zum systematischen Standort des Transparenzgebots und den Rechtsfolgen von intransparenten Klauseln. Art. 5 S. 2 RL statuiert lediglich eine Auslegungsregel, nach der bei Unklarheit über die Bedeutung einer Klausel die für den Verbraucher günstigere Auslegung greift. Für die Verletzung des Verständlichkeitsgebots enthält Art. 5 S. 2 RL dagegen keine Rechtsfolge. Daher herrscht Streit darüber, ob Art. 5 S. 1 RL bei der Einbeziehungskontrolle12 oder der Missbräuchlichkeitskontrolle13

Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 63, 73; Staudinger, WM 1999, 1546, 1550; Micklitz, ZeuP 1998, 253, 266; Klauer, Europäisierung des Privatrechts, 110: spricht vom „wichtigsten gemeinsamen Charakteristikum des gegenwärtigen Gemeinschaftsprivatrechts; kritisch Schmidt, Die Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 284. 11 Fornasier, ZEuP 2014, 410, 420; MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 50; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 460; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 142. 12 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.10 Rn. 34; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 588; Heinrichs, FS Trinkner, 157, 172 ff.; Remien, ZEuP 1994, 34, 63; Graf v. Westphalen, EWS 1993, 161, 165. 13 Basedow, VersR 1999, 1045 ff.; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 208 ff.; Eckert, WM 1993, 1070, 1076; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vor § 307 BGB Rn. 21; Guillen, VuR 1994, 309 ff.; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 329; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 144; Micklitz, in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), European Consumer Law, 125; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 54, 58, Art. 5 RL Rn. 24; Reich, NJW 1995, 1857, 1858; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 475; Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationales Privatrecht, 223, 242; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucher­verträgen, 283.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

zu berücksichtigen ist oder ob die Mitgliedsstaaten gar frei in ihrer Entscheidung über die systematische Einordnung des Transparenzgebots sind14. 1. Zuordnung zur Einbeziehungskontrolle Gestützt auf die Systematik und die Entstehungsgeschichte15 wurde nach Erlass der Klauselrichtlinie vertreten, das Transparenzgebot sei ausschließlich der Einbeziehungskontrolle zuzuordnen, da nur hinreichend klare und verständliche Klauseln zur Kenntnis genommen und damit in den Vertrag einbezogen werden können: Weder Art. 6 und Art. 7 RL noch Art. 3 und Art. 4 Abs. 1 RL nehmen Bezug auf unklare und unverständliche Bedingungen, so dass eine systematische Konnexität zwischen Inhaltskontrolle und Transparenz gerade nicht ersichtlich sei.16 Die Auslegungsregel in Art.  5  S.  2  RL und der Umstand, dass Art.  5  S.  1  RL nur auf „schriftlich niedergelegte Klauseln“ abstellt, werden ebenfalls für eine Einordnung des Transparenzgebots zu einer Art „Allgemeine[m] Teil“ angeführt.17 Das Transparenzprinzip in Art. 5 S. 1 RL sei im Zusammenhang mit Erwägungsgrund Nr.  20, der eine Möglichkeit der Kenntnisnahme fordert, zu sehen und sei damit lediglich ein „Überbleibsel“ der im ersten Vorschlag enthaltenen umfassenden Einbeziehungskontrolle.18 2. Zuordnung zur Missbräuchlichkeitskontrolle Allerdings kann die Entstehungsgeschichte der Klauselrichtlinie auch herangezogen werden, um das Transparenzgebot im Rahmen der Inhaltskontrolle einzuordnen.19 Eine ausdrückliche Regelung zur Einbeziehung ist gerade nicht in die Richtlinie aufgenommen worden.20 Nur in Erwägungsgrund Nr. 20 wird die Mög 14

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, 5. Aufl. 2009, Art. 5 RL, Rn. 1,8; Joppich, Die Kodifikation des Transparenzgebots in § 307 BGB, 16.  15 ABl Nr. C 73 v. 24.03.1992, 7, 10: Art. 5 Abs. 2 a. F. des geänderten Richtlinienvorschlags vom 05.03.1992 sah vor, dass Vertragsklauseln nur dann „als vom Verbraucher angenommen anzusehen sind, „wenn dieser vor Vertragsschluss tatsächlich die Möglichkeit hatte, davon Kenntnis zu nehmen.“ 16 Joppich, Die Kodifikation des Transparenzgebots in § 307 BGB, 16, 45; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 172 ff. 17 Graf v. Westphalen, EWS 1993, 161, 165. 18 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 172; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 588. 19 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 327; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 282; Coester, in FS Heinrichs, 99, 111 der die Berücksichtigung des Transparenzgebots im Rahmen der Einbeziehungskontrolle als „Ausfluss typisch deutschen Rechtsdenkens“ sieht. 20 MüKo/Basedow, § 305 c BGB Rn. 2; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 433.

Kap. 3: Grundlagen

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lichkeit zur Kenntnisnahme der Klauseln gefordert. Die Entstehungsgeschichte spricht daher dafür das Transparenzgebot als Teil  der Missbräuchlichkeitskontrolle zu begreifen. Bereits der Wirtschafts- und Sozialausschluss wollte die Unverständlichkeit zu einem zusätzlichen Missbrauchskriterium machen.21 Diesen Vorschlag nahm das Europäische Parlament an und regte dazu an, dass unverständliche Vertragsklauseln als missbräuchlich gelten sollen.22 Ferner stand unter anderem das in der deutschen Rechtsprechung im Rahmen des § 9 AGBG a. F. (heute: § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) entwickelte Transparenzgebot für Art. 5 S. 1 RL Pate.23 Für die Zuordnung zur Inhaltskontrolle spricht auch die Systematik der Richtlinie: Die Intransparenz ist zwar weder in Art. 3 RL noch in Art. 4 Abs. 1 RL als Kriterium zur Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel genannt, jedoch sind die Art. 3 Abs. 1 RL konkretisierenden Maßgaben nicht auf diesen Artikel begrenzt. Ferner weist der Anhang der Richtlinie, der widerlegungsbedürftige Regelwertungen für die Konkretisierung des Missbräuchlichkeitsmaßstabs des Art. 3 Abs. 1 RL enthält,24 auch Elemente des Transparenzprinzips auf.25 Nr 1 lit. c, i, j, k, l und m sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs beziehen sich auf Klauseln, die die Rechte des Gewerbetreibenden unzureichend konkretisieren. Nr. 1 lit b des Anhangs verbietet indirekt eine Irreführung des Verbrauchers hinsichtlich der ihm zustehenden Ansprüche. In Nr. 1 lit. i des Anhangs wird eine unzureichende Möglichkeit zur Kenntnisnahme gerade als möglicher Hinweis auf den missbräuchlichen Charakter einer Klausel gesehen.26 Diese Systematik spricht auch gegen die Ansicht, die das Transparenzgebot als einen eigenständigen von der Inhaltskontrolle abgetrennten Kontrollmechanismus betrachtet.27 Die Entstehungsgeschichte und die Systematik sprechen folglich dafür das Transparenzgebot der Inhaltskontrolle zuzuordnen. Dies entspricht auch dem T ­ elos und der Bedeutung des Transparenzgebots.28 Dieses dient als richtlinienübergreifendes Grundprinzip des europäischen Verbraucherschutzes nicht nur dem Schutz des Verbrauchers, der über seine Rechte und Pflichten in klarer und ver 21 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 24.04.1991, ABl. Nr. C 159, 34, 2.5.1. – 2.5.3. 22 Europäisches Parlament v. 20.11.1992, ABl. 1991 Nr. C 326, 112, Änderung Nr. 45, Art. 2 Nr. 5 a. 23 Hondius, ERPL 1995, 241, 249. 24 Vgl. 1. Teil Kapitel 2 B. 25 Coester, in FS Heinrichs, 99, 111; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, 567; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 32; Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 175. 26 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 147; für eine Zuordnung dieser Vorschrift nur zur Inhaltskontrolle, Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedinungen, einseitig gestellte Vertragsbedinungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 350. 27 So aber Evermann, die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 63; Herrmann, ZEuP 1999, 663, 668. 28 Coester, in FS Heinrichs, 99, 110.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

ständlicher Form informiert werden soll, sondern soll auch eine „Transparenz des Marktes“ gewährleisten, die dem Verbraucher einen Vergleich der Angebote ermöglicht.29 Folglich dient Art. 5 S. 1 RL neben der Vertragstransparenz auch der Wettbewerbstransparenz. 3. Intransparenz als informationelles Missverhältnis Jedoch stellt sich die Frage, ob die Intransparenz einer Klausel lediglich ein Abwägungsfaktor unter vielen im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 RL darstellt, der zusätzlich einen inhaltlichen Nachteil i. S. d. Art. 3 Abs. 1 RL fordert,30 oder ob die Intransparenz einer Klausel per se zu einem Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien und daher zu ihrer Unverbindlichkeit nach Art.  3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 RL führt.31 Die separate Stellung des Transparenzgebots in Art. 5 S. 1 RL sowie der Wortlaut dieser Norm, der „stets“ Klarheit und Verständlichkeit fordert, sprechen dafür, dass es zur Feststellung der Unverbindlichkeitsfolge aufgrund von Intransparenz keiner zusätzlichen inhaltlichen Benachteiligung bedarf.32 So begründet die Intransparenz einer Klausel bereits automatisch ein materielles Missverhältnis i. S. v. von Art. 3 Abs. 1 RL in Form eines informationellen Missverhältnisses. Während eine Partei hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten Kenntnis hat, bleibt die andere über diese im Unklaren, so dass ein Informationsnachteil zulasten des Verbrauchers entgegen Treu und Glauben einer intransparenten Klausel stets immanent ist. Ein solches informationelles Missverhältnis steht dabei als eigenständige Kategorie neben dem vertraglich-inhaltlichen Missverhältnis, die beide ein materielles Missverhältnis begründen.33 Dies entspricht auch dem Telos des Transparenzgebots. Den durch das Transparenzgebot verfolgten Zielen kann nur dann zu ihrer praktischen Wirkung verholfen werden, wenn die Mitgliedsstaaten im Rahmen des 29 EuGH v. 04.03.2004, Rs. C-264/02 (Cofinoga Mérignac/Sylvain Sachithanathan), ECLI:EU:C:2004:127, Rn.  26; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 70. 30 Eckert, WM 1993, 1070, 1078; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 567; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 144. 31 Micklitz/Reich, Europäisches Verbraucherrecht, 508 sehen das Transparenzgebot als Unterfall von Treu und Glauben; diesselben EuZW 2013, 457, 460 sprechen von Transparenzgebot und Missbrauchsgebot als „zwei Seiten ein und derselben Medaille“; Nassal, JZ 1995, 689, 692 sieht das Transparenzgebot als Grundsatz zur Konkretisierung der Kontrolltopoi des Art. 3 Abs. 1 RL; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 24; Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrecht, 223, 242. 32 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  5 RL Rn.  24; Kappus, NJW 2003, 322; Thode, NZBau 2002, 360, 363 f.; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 212. 33 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL, Rn. 54, 58; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 460 sprechen von Transparenzgebot und Missbrauchsgebot als „zwei Seiten ein und derselben Medaille“; in diese Richtung auch Guillen, VuR 1994, 309, 311; a. A. Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 354, 395.

Kap. 3: Grundlagen

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Art. 6 Abs. 1 RL verpflichtet sind, auch intransparente Klauseln für unverbindlich zu erklären.34 Es ist daher nicht geboten die Intransparenz einer Klausel nur als einen Abwägungsfaktor unter vielen zu betrachten. Vielmehr sind intransparente Klauseln inhaltlich unausgewogenen Klauseln gleichzustellen. Die Transparenzkontrolle trägt wie die Inhaltskontrolle zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien bei. Daher ist das Transparenzprinzip als eine separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit zu begreifen.35 Der Sanktion einer intransparenten Klausel bedarf es lediglich dann nicht, sofern es sich um eine den Verbraucher begünstigende Klausel handelt, die ihm ein Recht zuspricht oder zum Vorteil des Verbrauchers vom dispositiven Recht abweicht. Zwar wird der Verbraucher auch bei ihn begünstigenden Klauseln durch intransparente Formulierung der Vertragsbedingungen von der Durchsetzung seiner vorteilhaften Position abgehalten.36 Laut EuGH müssen die wirtschaftlichen Folgen auf Grundlage der Klausel für den Verbraucher erkennbar sein,37 was folglich auch die positiven wirtschaftlichen Folgen mitumfasst. Auf der anderen Seite befindet sich der Verbraucher, wenn ihm ein Mehr an Rechten als nach dem dispositiven Recht zugesprochen wird, gerade nicht in einer gegenüber dem Verwender schutzbedürftigen Position. Würde man solche Klauseln allein aufgrund ihrer Intransparenz nach Art. 6 S. 1 RL für unwirksam erklären, käme dem Vertragspartner ein positives Recht abhanden. Er stünde schlechter da, was dem Schutzzweck der Richtlinie zuwiderliefe.38 Mit Ausnahme von intransparenten, den Verbraucher begünstigenden Klauseln kann daher gefolgert werden, dass bereits die bloße Intransparenz einer Klausel, die nicht durch die tatsächlichen den Vertragsschluss begleitenden Umstände kompensiert wird, zur Unwirksamkeit einer Klausel führt.

34 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 328. 35 Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 439; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vor § 307 BGB Rn. 21; Guillen, VuR 1994, 309, 311; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 334; Herrmann, ZEuP 1999, 663, 668, 681; Kappus, NJW 2003, 322; Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 460; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 54, 58; Stempel, ZEuP 2017, 102, 123; Stoffels, JZ 2001, 843, 845; Thode, NZBau 2002, 360, 363 f. 36 Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 59 ff., 66; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 334; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 24; Römer, NVersZ 1999, 97, 104. 37 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 48; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 79. 38 Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 170; Langheid, NVersZ 2000, 63, 67; Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707 gegen die Intransparenz von Rechtswahlklauseln, da damit der Verlust des Günstigkeitsvergleichs einhergeht.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

4. Rechtsprechung des EuGH Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH: In dem Fall Pohotovosť s. r. o stellte der EuGH fest, dass das Unterbleiben der Angabe des effektiven Jahreszinses missbräuchlich nach Art.  3  Abs.  1  RL sein könne.39 In der Entscheidung Invitel wurde bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Preisänderungsklausel nach Art. 3 Abs. 1 RL erläutert, dass es „von wesentlicher Bedeutung ist, dass der Verbraucher anhand klarer und verständlicher Kriterien die Änderung […] vorhersehen kann.“40 Demnach kann mangelnde Transparenz zur Missbräuchlichkeit einer Klausel führen. In der Rechtssache RWE führte die Generalanwältin Trstenjak aus, dass die Intransparenz einer Klausel ein „gesondert normiertes Kriterium des Missbräuchlichkeit darstellt.“ Der EuGH bestätigte diese Aussage zwar nicht ausdrücklich, er zählte jedoch auf, dass eine Vertragsklausel den „aufgestellten Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen“ müsse.41 Zwar könnte man aufgrund dieser Formulierung darauf schließen, dass der EuGH Intransparenz und Missbräuchlichkeit als zwei voneinander zu trennende Voraussetzungen betrachtet. Jedoch widerlegte der EuGH die Aussagen der Generalanwältin nicht und wendet den Anhang, der eine widerlegliche Regelwertung für die Missbräuchlichkeit einer Klausel darstellt, auch auf die Auslegung des Art.  5  S.  1  RL an, wobei er Art.  5  S.  1  RL gemeinsam mit Art. 3 S. 1 RL zitierte. Er scheint damit stillschweigend der Ansicht der Generalanwältin zuzustimmen,42 wie auch seine weitere Judikatur beweist. In der Rechtssache Kásler erläuterte der EuGH, dass das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie, gerade nicht auf die grammatikalische und formelle Verständlichkeit beschränkt, sondern vielmehr umfassend zu verstehen sei, was der Reduzierung des Transparenzgebots auf eine rein formale Komponente wider­ spricht.43 Indem Fall Sebestyén stellte der EuGH fest, dass die Transparenz einer Klausel deren Missbräuchlichkeit nicht allein aufgrund dieses Umstandes ausschließe44 und ordnete damit das Transparenzgebot ausdrücklich der Missbräuchlichkeitskontrolle zu. Dies bestätigt er auch im Vorlageverfahren Verein für Konsumenteninformation, indem er hervorhebt, dass sich die Missbräuchlichkeit einer Klausel „insbesondere aus einer Formulierung ergeben (kann), die nicht

39 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 73. 40 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 28. 41 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 47. 42 So auch Fornasier, ZEuP 2014, 410, 420; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 138. 43 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 71. 44 EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kövàri u. a.), ECLI:EU:C: 2014:1857, Rn. 34.

Kap. 3: Grundlagen

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dem in Art. 5 RL 93/13 aufgestellten Erfordernis einer klaren und verständlichen Abfassung genügt.“45 Anstelle von einem „Missbräuchlichkeitskriterium“, wie es Generalanwältin Trstenjak bezeichnet, ist allerdings insofern deutlicher von einer gesondert geregelten Kategorie der Missbräuchlichkeit zu sprechen, als die Intransparenz bereits ein informationelles Missverhältnis zwischen den Parteien begründet, welches einen Informationsnachteil zulasten des Verbrauchers entgegen Treu und Glauben bewirkt und damit nicht lediglich einen Anhaltspunkt unter vielen für die Missbräuchlichkeit einer Klausel darstellt. Folglich sprechen die Systematik, der Inhalt sowie das Telos des Transparenzgebots der Klauselrichtlinie im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH dafür, Art. 5 S. 1 RL als eine separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit einzuordnen. Sofern die Mitgliedsstaaten das Transparenzgebot neben der Missbrauchskontrolle der Einbeziehungskontrolle zuordnen, ist dies als strengere Umsetzung i. S. v. Art. 8 RL zulässig.46 Bezogen auf Preisänderungsklauseln bedeutet diese systematische Zuordnung, dass die Intransparenz einer Preisanpassungsklausel die Rechtsfolgen des Art. 6 Abs. 1 RL nach sich zieht. II. Umfang der Transparenzkontrolle Vertragsklauseln, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden, unterliegen der Inhaltskontrolle und damit auch dem Transparenzgebot des Art. 5 S. 1 RL. Daneben wird der Umfang der Transparenzkontrolle durch Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2 RL sowie Art. 5 S. 1 RL definiert. 1. Deklaratorische Klauseln nach Art. 1 Abs. 2 RL Nach Art. 1 Abs. 2 RL ist die Klauselrichtlinie und damit auch Art. 5 S. 1 RL auf Klauseln, die auf dem Inhalt von bindende Rechtsvorschriften beruhen,47 grundsätzlich nicht anwendbar. Als Rechtsvorschriften werden nicht nur formelle Gesetze, sondern auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze und richterliche Rechtsprinzipien erfasst. Nach Erwägungsgrund Nr. 13 der Präambel ist der Begriff weit 45 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn. 68. 46 So auch Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 330. 47 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 25; EuGH v. 10.09.2014, Rs. C-34/13 (Kušionová/SMART Capial), ECLI:EU:C:2014:2189, Rn. 76.

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auszulegen, so dass sowohl das zwingende als auch das dispositive Recht davon erfasst wird.48 Es gilt in Erwägungsgrund Nr. 13 die Vermutung, dass solche Rechtsvorschriften, da sie mit Zustimmung des nationalen Gesetzgebers erlassen wurden, keine missbräuchlichen Klauseln enthalten. In Erwägungsgrund Nr. 14 werden die Mitgliedsstaaten zugleich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in den bindenden Rechtsvorschriften keine missbräuchlichen Klauseln enthalten sind. Sinn und Zweck des Art. 1 Abs. 2 RL ist es, die Rechtssetzungsautonomie der Mitgliedsstaaten zu garantieren sowie eine indirekte Überprüfung der Rechtsvorschriften durch die Judikative zu verhindern.49 Danach unterliegen lediglich von Rechtsvorschriften abweichende und gesetzesergänzende Klauseln dem Transparenzprinzip.50 a) Reichweite von Art. 1 Abs. 2 RL Unstreitig findet Art. 1 Abs. 2 RL keine Anwendung, wenn eine Klausel eine nationale Vorschrift mit Rechtsnormqualität durch Verweis auf eine Vertragskategorie oder einen Personenkreis überträgt, für die diese Rechtsnorm gerade nicht gilt. In dem Vorlageverfahren RWE51 hatte der EuGH über die Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie auf eine Preisänderungsklausel in einem Gasversorgungsvertrag mit Sonderkunden zu entscheiden, die auf eine Regelung der AVBGasV verwies. Diese Gesetzesvorschrift sah allerdings ein gesetzliches Preisänderungsrecht nur für Tarifkunden im Bereich der Grundversorgung vor. Der Gerichtshof hielt, obwohl es sich um eine bindende Rechtsvorschrift handelt, Art. 1 Abs. 2 RL richtigerweise für unanwendbar. Vertragsbedingungen, die eine gesetzliche Regelung durch Parteivereinbarung auf andere Anwendungsbereiche, für die sie gerade nicht gelten, ausdehnen, können nicht einer durch den Gesetzgeber erlassenen, ausgewogenen Regelung gleichgestellt werden.52 Zwar könnte der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 RL, der in anderen Sprachfassungen das Wort „beruhen“ mit den Begriffen „reflètent“ bzw. „reflect“ übersetzt, auf ein weites Verständnis des Art. 1 Abs. 2 RL hindeuten.53 Allerdings würde durch diese 48 KOM (93) 11 endg. – SYN 285 v. 26.01.1993, 3; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 26; EuGH v. 10.09.2014, Rs. C-34/13 (Kušionová/SMART Capial), ECLI:EU:C:2014:2189, Rn. 79; Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1818; Kapnopoulou. Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 97; Micklitz, in: Reich/Micklitz/Rott/Tonner, European Consumer Law, 3.10; Nassal, JZ 1995, 689, 691; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 1 RL, Rn. 22; Remien, ZEuP 1994, 34, 35. 49 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 1 RL, Rn. 20; Armbrüster, in: Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 171. 50 Vgl. Beispiele in Reich, NJW 1995, 1857, 1859. 51 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180. 52 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 29. 53 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 39: Die französische Fassung spricht

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Betrachtungsweise den durch die Richtlinie bezweckte Verbraucherschutz konterkariert werden, weil der Gewerbetreibende durch pauschale Verweise auf nationale Rechtsvorschriften oder Wiedergabe von diesen in seinen Vertragsbestimmungen eine Inhaltskontrolle umgehen könnte.54 Art. 1 Abs. 2 RL ist als Ausnahme von dem Anwendungsbereich der Richtlinie eng auszulegen.55 Verwendet ein Gewerbetreibender in seinen Klauseln Rechtsvorschriften, die für den abzuschließenden Vertrag oder betroffenen Personenkreis de lege lata keine Geltung beanspruchen, so weicht er damit vielmehr von dem geltenden Recht ab.56 Für den abzuschließenden Vertrag ist gerade keine ausgewogene Interessenabwägung bei Erlass der betreffenden Vorschrift erfolgt.57. Eine Rechtsvorschrift kann nur für den Anwendungsbereich „bindend“ sein, für den sie erlassen wurde. Gesetzliche Preisänderungsrechte, die kraft Verweisung auf andere Adressaten­ kreise und Anwendungsbereiche erstreckt werden, unterliegen damit dem Anwendungsbereich der Richtlinie und müssen nach Art. 5 S. 1 RL „stets klar und verständlich abgefasst sein“. b) Transparenzkontrolle von Klauseln i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL In Hinblick auf das Transparenzgebot ist das Ziel des Art. 1 Abs. 2 RL, eine indirekte Überprüfung der bindenden Vorschrift hinsichtlich ihrer Transparenz durch die Gerichte zu verhindern, zu beachten. Wird dieser Zweck nicht berührt, ist eine Transparenzkontrolle aber möglich. Bereits in dem Fall Cofidis, stellte der EuGH in Bezug auf eine Klausel in einem französischen Verbraucherkreditvertrag, die inhaltlich einem vom nationalen Gesetzgeber entworfenen Vertragsmuster entsprach, fest, dass diese nicht offensichtlich von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sei, sofern sie sich nicht darauf beschränke, zwingende Rechtsvorschriften wiederzugeben, ihr Wortlaut mehrdeutig oder die konkrete Fassung irreführend sei.58 Ist schon nicht hinreichend klar, ob eine Klausel inhaltlich einer Rechtsvorschrift entspricht, so fehlt es gerade an einer deklaratorischen von „clauses contractuelles qui reflètent des dispositions législatives ou réglementaires impéra­ tives“; die englische Fassung von „contractual terms which reflect mandatory, statutory or regu­ latory provisions“. 54 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 30 f.; in diese Richtung auch OLG Oldenburg v. 14.12.2010 – 12 U 49/07, juris Rn. 12. 55 EuGH v. 10.09.2014, Rs. C-34/13 (Kušionová/SMART Capial), ECLI:EU:C:2014:2189, Rn. 77; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 97. 56 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 50. 57 Schmidt-Salzer, FS Brandner, 259, 262 f. 58 EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 (Cofidis/Jean-Louis Fredout), ECLI:EU:C:2002:705, Rn. 21 f.; a. A. GA Tizzano, Schlussanträge v. 18.04.2002, Rs. C-4734/00 (Cofidis/Jean-Louis Fredout), ECLI:EU:C:2002:239 Rn. 42.

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Regelung, so dass die verbraucherfreundliche Auslegungsregel des Art. 5 S. 2 RL anwendbar ist. Ebenso kann die konkrete, von dem Normtext wörtlich, jedoch nicht inhaltlich abweichende Formulierung einer Klausel, einer Transparenzkontrolle unterzogen werden, ohne dass es dafür einer teleologischen Reduktion des Art. 1 Abs. 2 RL bedarf. An die Stelle der intransparenten Regelung tritt gerade die bindende, inhaltsgleiche Rechtsvorschrift, so dass die durch Art. 1 Abs. 2 RL geschützte Ausgestaltungsprärogative des nationalen Gesetzgebers auf diese Weise unangetastet bleibt.59 2. Hauptleistungs- und Preisbestimmungsklauseln nach Art. 4 Abs. 2 RL Nach Art.  4  Abs.  2  RL sind Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrages oder die Angemessenheit zwischen dem Preis und der Leistung betreffen, von der Inhaltskontrolle ausgeschlossen, sofern sie klar und verständlich sind. Art. 4 Abs. 2 RL erfüllt damit eine zweifache Funktion:60 Diese Norm eröffnet auf der einen Seite die Transparenzkontrolle für Hauptleistungs- und Preisbestimmungen und begrenzt auf der anderen Seite zugleich den Umfang der Inhaltskontrolle.61 Art. 4 Abs. 2 RL soll damit zu einer Verbesserung der Transparenz bei Angebot der Waren und Dienstleistungen beitragen, ohne die Privatautonomie in unnötiger Weise zu beschränken. Nach dem EuGH sind Ausnahmen, wie die in Art. 4 Abs. 2 RL statuierte Regel, grundsätzlich eng auszulegen.62 Er hält auch bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL an dem Prinzip der gespaltenen Zuständigkeit fest.63 Demnach haben die nationalen Gerichte „unter Berücksichtigung der Natur, der Systematik und der Bestimmung des [V]ertrages sowie seines rechtlichen und tatsächlichen Kontextes“ zu entscheiden, ob die betreffende Klausel den Hauptgegenstand festlege und ihn als solche charakterisiere oder lediglich einen „akzessorischen Charakter“ gegenüber diesem habe.64 Die restriktive Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL ergibt sich aller 59 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 1 RL Rn. 35; Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 171; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 340. 60 Nassal, JZ 1995, 689, 692. 61 EuGH v. 03.06.2010, Rs. C- 484/08 (Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid/Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios), ECLI:EU:C:2010:309, Rn. 34 62 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 42, 49; so auch Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 106 f.; kritisch Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3070. 63 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 45. 64 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn.  49 ff. bezogen auf einen Darlehensvertrag.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/ SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn.  54; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14

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dings bereits aus dem Telos der Richtlinie; sollten alle Klauseln, die etwas mit dem Hauptgegenstand zu tun haben – was in der Regel bei den meisten Vertragsbedingungen der Fall ist – von der Inhaltskontrolle ausgeschlossen sein, würde dies den Bereich der kontrollierbaren Klauseln entgegen des bezweckten Verbraucherschutzes deutlich beschränken. Der Gesetzgeber hat mit Art. 4 Abs. 2 RL eine gezielte Entscheidung zugunsten der Entscheidungsfreiheit und des freien Wettbewerbs getroffen.65 Es sollen demnach nur solche Klauseln von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden, die unmittelbar auf der Vertragsfreiheit der Parteien beruhen. Der Kern des Vertragsverhältnisses, also die essentialia negotii, sollen nicht der Inhaltskontrolle unterliegen, sofern sie klar und verständlich formuliert worden sind.66 Dies untermauert auch Erwägungsgrund Nr. 19 S. 1, nach dem nur solche Klauseln kontrollfrei sind, die den Hauptgegenstand „beschreiben“. Auch nach Nr. 1 lit. k des Anhangs der Klauselrichtlinie können als Hauptleistungsklauseln nur solche Klauseln kategorisiert werden, die die Merkmale der zu liefernden Leistung betreffen.67 Auch die zweite Ausnahme in Art.  4  Abs.  2  RL, die sich auf Klauseln über die „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen,“ bezieht, sollte eng ausgelegt werden. Die Kontrollfreiheit betrifft dabei, wie Erwägungsgrund Nr. 19 ausführt, nur das Preis-/Leistungsverhältnis.68 Für eine Überprüfung mangelt es, wie der EuGH hervorhebt, an einem rechtlichen Prüfungsmaßstab.69 Da Preis und Gegenleistung in ihrem Verhältnis zueinander durch den Mechanismus des Marktes bestimmt werden sollen, dürfen Richter gerade keine Preiskontrolle durchführen.70 Ausgehend von diesen Überlegungen hat der EuGH zu Recht eine klare Abgrenzung zwischen solchen Klauseln, die das Preis-/Leistungsverhältnis betreffen, und Preisänderungsklauseln in der Rechtssache Invitel vorgenommen.71 Der Ausschluss von Art. 4 Abs. 2 RL gelte nicht für Klauseln, „die einen Mechanismus für die Änderung der Kosten der dem Verbraucher zu erbringenden Dienstleistung“ (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn 36; kritisch zur Effizienz dieser Formel Fervers, EuZW 2014, 506, 511. 65 Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3070. 66 GA Wahl, Schlussanträge v. 12.02.2014, Rs. C-26/13  (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:85, Rn. 33. 67 Kapanopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln der EU, 106 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 27. 68 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 52; mit Anm. Riesenhuber, LMK 2014, 358903; Kapnopoulou, Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 108. 69 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 55. 70 Brandner/Ulmer, BB 1991, 701, 705. 71 Zustimmend Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 31; Remien, ZEuP 1994, 34, 62 f.; Schmidt-Salzer, in Pfeiffer (Hrsg.), FS Brandner, 259, 270; Tenreiro/Karsten, in SchulteNölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 223, 240.

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enthalten.72 Damit fallen Preisänderungsklauseln nicht unter den Tatbestand des Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 RL. Eine ausführliche, zutreffende Begründung dazu lieferte der EuGH in der Entscheidung Matei bei der Beurteilung einer Zinsanpassungsklausel:73 Zum einen würden Nr. 1 lit. j und l sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der RL74, die Regelungen zu den Voraussetzungen von Preisänderungsklauseln enthalten, ihre praktische Wirksamkeit einbüßen, wenn Preisänderungsklauseln, sofern sie klar und verständlich gemäß Art. 4 Abs. 2 RL seien, von einer Beurteilung ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit ausgeschlossen wären. Ferner sei eine getrennte Betrachtung von Preisanpassungsklauseln losgelöst von dem ursprünglich vereinbarten Entgelt nicht möglich, so dass ihnen nur ein akzessorischer Charakter zugesprochen werden könne. Sie werden zudem nicht wegen der scheinbaren Unangemessenheit des geänderten Entgeltes zu seiner Gegenleistung, sondern vielmehr aufgrund der Voraussetzungen, die es dem Verwender gestatten eine Änderung vorzunehmen, für missbräuchlich erklärt. Preisänderungsklauseln sind potentiell geeignet, das Äquivalenzverhältnis zu verschieben, so dass ein Ausschluss dieser, den durch die Richtlinie bezweckten Verbraucherschutz auf unsachgemäße Weise einschränken würde.75 Damit bestimmen sich die Transparenzanforderungen bei Vorliegen einer Preisänderungsklausel nach Art. 5 S. 1 RL, wobei dieser Norm dieselbe Tragweite wie Art. 4 Abs. 2 RL zukommt.76 3. Mündliche und schriftliche Klauseln nach Art. 5 S. 1 RL Art. 5 S. 1 RL ist seinem Wortlaut nach, im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 2 RL, auf schriftliche Klauseln begrenzt. Das Merkmal „schriftlich“ ist dabei weit auszulegen, so dass auch elektronisch gespeicherte und abrufbare Klauseln erfasst werden.77 Maßgeblich für das Vorliegen der Schriftlichkeit ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Daher genügt es, wenn ein mündlich geschlossener Vertrag anschließend schriftlich niedergelegt wird.78 Neben schriftlichen Klauseln unterliegen aber auch mündliche Klauseln dem Transparenzgebot als einem allgemeinen 72 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 23. 73 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 59 f., 62 f. 74 Der EuGH geht nur auf Nr. 1 lit. j und Nr. 2 lit. b des Anhangs ein. 75 GA Trstenjak, Schlussanträge vom 06.12.2011, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 79; Schmidt-Salzer, in FS Brandner, 259, 270. 76 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 69 ff.; 5. II; GA Mengozzi, Schlussanträge v. 13.07.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:552, Rn. 46 ff. 77 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  5 RL Rn.  3; Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/ Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 223, 242. 78 Graf von Westphalen, EWS 1993, 160, 165.

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richtlinienübergreifenden Grundsatz des europäischen Verbrauchervertragsrechts. Dies unterstützt auch Erwägungsgrund Nr. 11, nach dem Verbraucher „bei mündlichen und schriftlichen“ Verträgen den gleichen Schutz genießen müssen. Die Formulierung des Art. 5 S. 1 RL ist hingegen unglücklich gewählt. Schließlich leuchtet es mit Blick auf den verbraucherschützenden Zweck des Transparenzgebots nicht ein, warum an schriftliche Klauseln oder solche, die den Hauptgegenstand und den Preis beschreiben, höhere Transparenzanforderungen gestellt werden als an mündliche Absprachen. Es kann damit aus Art. 5 S. 1 RL nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass mündliche Klauseln undeutlich formuliert sein dürfen.79 Die Beschränkung des Transparenzgebots in Art.  5  S.  1  RL wird im Schrifttum dadurch zu überwinden versucht, dass Art.  5  S.  1  RL analog auch auf mündliche Klauseln angewandt wird80 oder Art. 5 S. 1 RL als ein spezielles Transparenzgebot für schriftlich niedergelegte Klauseln, der das allgemeine Transparenzgebot der Präambel ergänzt, verstanden wird.81 4. Zusammenfassung Preisänderungsklauseln stellen gerade keine Preisbestimmung i. S. v. Art.  4 Abs. 2 Alt. 2 RL dar, sondern enthalten lediglich einen Änderungsmechanismus, der akzessorisch zum vereinbarten Preis ist. Sie unterliegen damit sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form der Transparenzkontrolle nach Art. 5 S. 1 RL, wobei mündliche Preisanpassungsklauseln, insofern als sie ein Recht für die Zukunft regeln, kaum verwendet werden. Soweit Preisänderungsklauseln auf gesetzliche Änderungsrechte verweisen und es hinreichend transparent ist, dass sie auf solchen bindenden entweder dispositiven oder zwingenden Rechtsvorschriften beruhen, sind sie von dem Anwendungsbereich der Richtlinie nach Art. 1 Abs. 2 RL ausgeschlossen. Wird dagegen eine für einen bestimmten Adressatenkreis oder Vertragskategorie vorgesehene gesetzliche Änderungsregelung auf einen anderen Adressatenkreis oder Vertragskategorie übertragen, so ist Art. 1 Abs. 2 RL gerade nicht anwendbar.

79 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  5 RL, Rn.  4; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 146; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 173 f.; Gozzo, Das Transparenzprinzip und missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 150; Remien, ZEuP 1994, 34, 63; Ulmer, EuZW 1993, 337, 344; Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 209 nach dem die Mitgliedsstaaten aufgrund Art. 8 RL das Transparenzgebot auch auf mündliche Klauseln ausdehnen können. 80 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 173; kritisch dazu Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 Rn. 4; Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 209. 81 Kapnoupolou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 146 f.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

III. Transparenzmaßstab Die Frage, ob eine Klausel klar und verständlich ist, beurteilt sich gemäß Art. 4 Abs. 1 RL zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Grundlage für die Beurteilung der Transparenz bildet grundsätzlich der Vertragstext,82 jedoch kann die Klarheit und Verständlichkeit eines Textes nicht losgelöst von einem personenbezogenen Maßstab beurteilt werden. Zur Feststellung der Transparenz bedient man sich daher eines Verbraucherleitbilds (1.). Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Art. 4 Abs. 1 RL, der die Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitendenen Umstände verlangt, auf diesen Kontrollmaßstab hat (2.). 1. Verbraucherleitbild Ein Verbraucherleitbild beruht grundsätzlich nicht auf empirischen Beobachtungen, sondern definiert vielmehr ausgehend von den intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten die normativen Anforderungen an die Person und das Verhalten eines Verbrauchers, wobei gewisse Pauschalierungen unumgänglich sind. Es fasst verschiedene Wertungen und Prinzipien zur Vereinfachung in einer Art Kurzformel zusammen,83 so dass ihm eine Begründungs- und Rechtfertigungsfunktion zukommt.84 Insbesondere das Maß der geforderten Selbstverantwortung und der erforderlichen Schutzbedürftigkeit werden durch ein Verbraucherleitbild definiert. Je mehr intellektuelle Fähigkeiten und Selbstverantwortung dabei einem solchen Verbraucherleitbild zugesprochen werden, umso weniger Schutzmechanismen bedarf es. Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an das Verbraucherleitbild nicht zu Lasten des Verbrauchers überspannt werden. Im Folgenden ist zu ermitteln, von welchem Verbraucherleitbild im Rahmen des Transparenzgebots der Klauselrichtlinie auszugehen ist und welche intellektuellen Anforderungen damit an den Verbraucher gestellt werden können. a) „Normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher“ als Verbraucherleitbild Der EuGH hat sich zum ersten Mal in der Sache Kásler zum Verbraucherleitbild geäußert, anhand dessen die Transparenz nach Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL zu beurteilen ist. Maßstab für die Klarheit und Verständlichkeit einer Klausel sei „ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnitts 82

Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 126. Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 265 f.; zur Kontroverse zwischen normativer und empirischer Herangehensweise im Rahmen des Transparenzgebots, Stöhr, AcP 216 (2016), 558 ff. 84 Pfeiffer, NJW 2011, 1.  83

Kap. 3: Grundlagen

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verbraucher“.85 Damit orientiert sich der EuGH an demselben Bild wie die gemeinschaftsrechtliche Rechtsprechung auf dem Gebiet der Grundfreiheiten86 sowie zur Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG87, die von einem „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“88 ausgeht. Die Rechtsprechungspraxis des EuGH zum Lauterkeitsrecht stellt dabei zur Bestimmung der irreführenden Werbung hohe Anforderungen an die Verständigkeit des Verbrauchers.89 Es ist daher klärungsbedürftig, ob der Übertragung des Leitbilds des Lauterkeitsrechts auf das Verbrauchervertragsrecht zuzustimmen ist oder, ob vielmehr zur Erfüllung des durch die Richtlinie intendierten Verbraucherschutzes von einem weniger mündigen Verbraucher ausgegangen werden sollte. Grundsätzlich geht das mit der Klauselrichtlinie geschaffene Schutzsystem von einer rollenspezifischen Unterlegenheit des Verbrauchers aus. Der Verbraucher befinde sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition und besitze einen geringeren Informationsstand, was dazu führe, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimme, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können.90 Insbesondere der Umstand, dass die nationalen Gerichte aufgrund dieser Informationslücke zu einer Prüfung der Missbräuchlichkeit von Amts wegen verpflichtet seien, lässt eher das Bild eines „hilflosen, uninformierten Verbrauchers“ entstehen.91 Allerdings ist es das Ziel 85

EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282 Rn.  74; Bestätigung in EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 47. 86 EuGH v. 20.02.1979, Rs. 120/78 (Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Brandwein), ECLI:EU:C:1979:42, Rn. 13; EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 14. 87 Richtlinie 2005/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinie 97/7/ EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 149, 22). 88 EuGH v. 06.07.1995, Rs. C-470/93 (Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe/Mars), ECLI:EU:C:1995:224, Rn. 24; EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-210/96 (Gut Springheide/Tusky), ECLI:EU:C:1998:369, Rn. 31; EuGH v. 28.01.1999, Rs. C-303/97 (Verbraucherschutz/Sektkellerei Kessler), ECLI:EU:C:1999:35, Rn. 36; EuGH v. 13.01.2000, Rs. C-220/98 (Estee Lauder Cosmetics/Lancaster Group) ECLI:EU:C:2000:8, Rn. 27. 89 Vgl. eine Zusammenfassung der Anforderungen in Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.), EUWirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 114 f.: „Der europäischen Verbraucher besitzt die Eigenschaften eines selbstbewussten, aktiven Marktbürgers und handelt entsprechend.“ 90 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 25, EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium SL), ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 29; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C: 2012:349, Rn. 39. 91 Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die europäische Union, 636; Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 120 mit weiteren Bespielen aus der Rechtsprechung des EuGH.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

der Richtlinie den Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln zu schützen. Dieses Ziel bedarf hinsichtlich der prozessualen Anforderungen gerade eines paternalis­ tischen Ansatzes und trägt damit dem rechtsunkundigen Durchschnittsverbraucher hinreichend Rechnung. Neben dem Schutz durch die Missbrauchskontrolle steht jedoch der Schutz durch Information, der in der Klauselrichtlinie durch das Transparenzgebot der Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL zum Ausdruck kommt.92 Zwar beruht nach dem EuGH auch das Transparenzgebot auf dem Gedanken, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden einen geringeren Informationsstand besitzt,93 jedoch geht der EuGH im Rahmen der Beurteilung der Transparenz einer Klausel davon aus, dass einem Verbraucher die Vor- und Nachteile eines Vertragsschlusses sowie die sich dadurch ergebenden Rechte und Pflichten klar und verständlich aufgezeigt werden müssen.94 Hier ist die Vorstellung impliziert, dass der Durchschnittsverbraucher den nötigen Intellekt besitzt, um Informationen, sofern sie verfügbar und transparent sind, wahrzunehmen und zu verarbeiten.95 Der Verbraucher ist insoweit schutzbedürftig, als er wegen Intransparenz seine Rechte nicht berücksichtigen konnte. Er spricht dem Verbraucher damit nicht jegliche Verantwortung ab. Diese Vorstellung zieht sich auch durch das gesamte gemeinschaftsrechtliche Verbraucherrecht, das, wie bereits erwähnt, Verbraucherschutz vorrangig durch Zurverfügungstellung von Information als durch zwingendes Recht gewährleisten möchte. Die Rechtsstellung des Verbrauchers soll gerade durch vorvertragliche Informationen eine Aufwertung erfahren.96 Einem flüchtig lesenden Verbraucher wäre hingegen durch die Unterrichtung über seine Rechte und Pflichten nicht geholfen. Ferner könnten die Transparenzanforderungen überspannt werden, ginge man von einem unmündigen Verbraucher aus. Eine Überflutung durch Informations birgt gleichzeitig die Gefahr der Intransparenz in sich.97 Des Weiteren sprechen für ein einheitliches Verbraucherleitbild im Lauterkeitsrecht und im Recht der Klauselkontrolle die zwischen den Richtlinien bestehenden Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Ziele und Wirkungsweise. Beide Richtlinien 92 Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 44 spricht von einer doppelten Schutzrichtung. 93 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282 Rn. 72; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 73. 94 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41. 95 Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Stand Oktober 2013) Rn. 119; in diese Richtung auch Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 286. 96 EuGH v. 20.02.1979, Rs. 120/78 (Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Brandwein), ECLI:EU:C:1979:42, Rn. 13; EuGH v. 07.03.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM/Confédération du commerce Luxembourgeois), ECLI:EU:C:1990:102, Rn. 14; vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. 97 Rosenow/Schaffelhuber, ZIP 2001, 2211, 2215.

Kap. 3: Grundlagen

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dienen dem Verbraucherschutz und der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs. Bereits im ersten Verbraucherprogramm der Gemeinschaft aus dem Jahr 1975 waren beide Richtlinien als Aspekte bei der Verwirklichung des dort intendierten „Schutz(es) der Verbraucher vor missbräuchlichen Handelspraktiken“ aufgeführt.98 Der Begriff der Geschäftspraktiken in Richtlinie 2005/29/EG wird sehr weit verstanden, so dass auch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln darunter fallen kann. Die Richtlinie 2005/29/EG kann mithin als generelles Regelwerk gegenüber den speziellen Regelungen der Klauselrichtlinie begriffen werden.99 Soweit Klauseln wegen marktbezogener Unangemessenheit nach Art. 6 Abs. 1 RL für unverbindlich erklärt werden, trägt diese Sanktion, wie das Lauterkeitsrecht, zur Kontrolle und Eliminierung von marktwidrigem Unternehmerverhalten bei.100 Auch der EuGH zieht Querverweise zwischen der Klauselrichtlinie und der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. So könne die Unlauterkeit einer Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29 die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nach Art. 3 Abs. 1 RL indizieren.101 Er berücksichtigt ferner auch bei der Transparenzkontrolle die im Rahmen der Aushandlungen bereitgestellte Werbung.102 Gegen eine einheitliche Betrachtung des Klausel- und des Lauterkeitsrechts wird allerdings eingewendet, dass der Verbraucher durch den Vertragsschluss größeren Risiken ausgesetzt sei als durch Verwendung von Werbung, so dass zu seinem Schutz geringere Anforderungen an seine Mündigkeit gestellt werden müssten.103 Das Lauterkeitsrecht und das Verbrauchervertragsrecht seien nicht vergleichbar. Der EuGH stelle im Lauterkeitsrecht deswegen so hohe Anforderungen an den Verbraucher, um die Warenverkehrsfreiheit im möglichst großen Maße zu gewährleisten. Der effet utile der Lauterkeitsrichtlinie könne nur durch das Leitbild eines mündigen Verbrauchers erreicht werden.104 Ginge man dagegen auf dem Gebiet der missbräuchlichen Klauseln von einem mündigen und informierten Verbraucher aus, könnte dies zu einer Senkung der Anforderungen führen, die an die Transparenz zu stellen wären. Jedoch möchte der Gesetzgeber sowohl durch die Klauselrichtlinie als auch durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken die Warenverkehrs- und Wett 98

Entschließung des Rates vom 14.04.1975 betreffend ein Erstes Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher, ABl. Nr. C 92 v. 25.04.1975, 1 ff. 99 Orlando, ERCL 2011, 25, 38, 40; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/ 10 (Pereničová/SOS finance spol.s r.o), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 89. 100 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, S. 265; Micklitz/ Reich, EuZW 2013, 457, 458. 101 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012: 144, Rn. 43, 47. 102 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75. 103 Nebbia, Unfair Contract Terms in European Law, 140. 104 Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 132; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 266; Leible, EuZW 1998, 528.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

bewerbsfreiheit nicht unnötig einschränken, sondern vielmehr durch den Schutz der Beurteilungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit im Geschäftsverkehr des Verbrauchers zur Förderung eines funktionierenden Binnenmarktes beitragen.105 Das Leitbild eines unmündigen und flüchtigen Durchschnittsverbrauchers oder gar des schwächsten Verbrauchers wie es im Produkthaftungsrecht der Fall ist,106 würde dagegen den Verwender unangemessen benachteiligen und den Zielen der Richtlinien nicht gerecht werden.107 Das Leitbild des „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers“ schafft somit ausgehend von dem Telos der Klauselrichtlinie unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen angemessenen Ausgleich zwischen der zumutbaren Selbstverantwortung des Verbrauchers und dem erforderlichen Verkehrs- und Vertrauensschutz, den der Gewerbetreibende berücksichtigen muss. Im Ergebnis ist daher mit Blick auf das Ziel der Klauselrichtlinie und des Transparenzgebots zur Gewährleistung eines kohärentes europäischen Verbraucherrechtsschutzes sowie Unterstützung des Informationsmodells, das das unionsrechtliche Verbraucherrecht durchzieht, eine Orientierung des Transparenzgebots am Leitbild eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ geboten.108 Aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters der Klauselrichtlinie können die Mitgliedsstaaten nach Art. 8 RL aber auch von dem strengeren Leitbild eines weniger mündigen Verbrauchers ausgehen.109 Folglich ist die Transparenz von Preisänderungsklauseln am Maßstab eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ zu messen. b) Verständnishorizont eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ Zur Ermittlung des Verständnishorizonts eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ bedarf es einer weiteren Konkretisierung des Bewertungsmaßstabs. Die hierzu zu den Grundfreiheiten 105

GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn.  42; Lettl, GRUR 2004, 449, 453; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 211, 175. 106 Vgl. dazu Pfeiffer, NJW 2011, 1, 2.  107 Lettl, GRUR 2004, 449, 453; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 789. 108 Im Ergebnis zustimmend Borges, Inhaltskontrolle in Verbraucherverträgen, 43; Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 149; Coester, in FS Heinrichs, 99, 110; Dreher, JZ 1997, 167, 171; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 789 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 396; Guillen, VuR 1994, 309, 313; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 5 Rn.  204; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2197; Henkel, Inhalts­ kontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 348; Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3071; Stoffels, JZ 2001, 843, 847; Thode, NZBau 2002, 360, 364. 109 Dreher, JZ 1997, 167, 171; Nebbia, Unfair Contract Terms in European Law, 140.

Kap. 3: Grundlagen

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und im Lauterkeitsrechts erfolgten Entscheidungen können als Auslegungshilfe herangezogen werden,110 wobei die Eigenheiten des Verbrauchervertragsrechts nicht außer Acht gelassen werden dürfen.111 Das Merkmal des Durchschnittsverbrauchers kann im Rahmen der Richtlinie nur bei Standardverträgen, jedoch nicht bei Individualvereinbarungen berücksichtigt werden. Ausgehend von Art. 4 Abs. 1 RL, der bei der Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel die Berücksichtigung, der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, fordert, muss bei dem „Durchschnittsverbraucher auf den typischen Adressaten der jeweiligen Vertragsart abgestellt werden.112 So erkennt auch der EuGH an, dass das „erforderliche Informationsniveau je nach den Fallumständen und den betroffenen Produkten oder Leistungen unterschiedlich sein kann“.113 Da Preisanpassungsklauseln in den unterschiedlichsten Vertragsarten vorkommen, ist folglich auf den Durchschnittskunden als Adressat des jeweiligen Vertrages abzustellen. Die Anforderungen, die an einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dabei zu stellen sind, variieren demnach je nach situa­ tiven und vertragsbezogenen Besonderheiten der jeweiligen Vertragsart. Das Adjektiv „angemessen“ bezieht sich, wie der Vergleich mit dem englischen Wortlaut zeigt, sowohl auf das Merkmal der Aufmerksamkeit als auch auf das Merkmal der Verständigkeit. Es wird demnach weder von einem Idealverbraucher ausgegangen, der jedes Detail wahrnimmt, noch wird auf den schwächsten Verbraucher mit den schlechtesten Verständnismöglichkeiten abgestellt, was wiederum für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und des Gewerbetreibenden sorgt.114 Das Kriterium der Informiertheit nimmt auf den Kenntnisstand und die sich daraus ergebende Erwartungshaltung des Verbrauchers Bezug. Es ist grundsätzlich auf denjenigen Wissenstand abzustellen, den ein Durchschnittsverbraucher des jeweiligen Geschäfts ohne die Einholung weiterer Informationen besitzt. Normal ist ein Wissensstand, den der Durchschnittsverbraucher durch das alltägliche Leben erwirbt. Insbesondere das durch Massenmedien oder die allgemeine Schulbildung vermittelte Alltagswissen kann vorausgesetzt werden.115 Rechts- und Fachkenntnisse können dagegen nicht erwartet werden.116 So stellte auch der EuGH in der Rechtssache Šiba fest, dass das Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und Ge-

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Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 789. Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.) EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 118. 112 Pfeiffer, NJW 2011, 1. 113 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 51. 114 Lettl, GRUR 2004, 449, 454. 115 Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Pfeiffer, NJW 2001, 6.  116 Pfeiffer, NJW 2011, 1, 6. 111

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Teil 2: Transparenzkontrolle

werbetreibenden auf eine „Asymmetrie der Information zwischen den Parteien zurückzuführen ist.“ So verfügen etwa Rechtsanwälte über ein hohes Maß an Fachkenntnissen, die Verbraucher zwangsläufig nicht haben.117 Es kann ferner von fehlender Erfahrung mit dem betreffenden Geschäft und mangelnden Sonderwissen ausgegangen werden. Der Kenntnisstand hat auch Auswirkungen auf die Er­ wartungshaltung des Verbrauchers. Je weniger ein durchschnittlich informierter Verbraucher mit einer Regelung rechnen konnte, umso transparenter muss diese dargestellt und hervorgehoben werden.118 Die Merkmale der Aufmerksamkeit und Verständigkeit betreffen den Umfang, in dem ein Verbraucher Informationen wahrnehmen und verarbeiten kann.119 Mit dem Merkmal der Aufmerksamkeit ist eine klare Abgrenzung zum flüchtig lesenden Verbraucher getroffen. Es stellt sich die Frage, welcher Sorgfaltsgrad und welche Informationsbemühungen von einem Verbraucher abverlangt werden können. Wie im Lauterkeitsrecht120 muss auch im Rahmen der Klauselrichtlinie der zu erwartende Aufmerksamkeitsgrad in Abhängigkeit zu der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen gestellt werden. Der produktbezogenen Differenzierung kann die Einteilung in Erfahrungs-, Such- und Vertrauensgüter zugrunde gelegt werden.121 Bei häufig gekauften Produkten und Dienstleistungen wird sich ein Verbraucher eher flüchtig mit den Vertragsgegenstand beschäftigen, während er bei selten gekauften und hochwertigen Suchgütern mehr Sorgfalt aufwenden wird, so dass von einem Informations- und Motivationsgefälle abhängig von der Bedeutung des Geschäfts ausgegangen werden kann.122 So kann von einer erhöhten Sorgfalt und Aufmerksamkeit insbesondere bei Verträgen mit erheblicher Festlegungswirkung oder weitreichenden Folgen, wie langfristigen Darlehensverträgen, Mietverträgen oder Energielieferverträgen oder Bürgschaftsverträgen, ausgegangen werden.123 Entscheidet sich der Verbraucher für ein komplexes Rechtsprodukt, wie eine Lebensversicherung, so setzt er sich bewusst einer gewissen Komplexität aus, so dass höhere Sorgfaltsanforderungen und Informationsbemühungen von ihm erwartet werden können.124 Auf der anderen Seite können aber auch höhere Aufklärungspflichten für den Gewerbetreibenden beim Verkauf eines komplexen Gutes oder eines Vertrauensgutes entstehen. Im Fall Van Hove

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EuGH v. 15.01.2015, Rs. C-537/13 (Šiba/Devėnas), ECLI:EU:C:2015:14, Rn. 23. Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von allgemeinen Versicherungsbedingungen, 121. 119 Lettl, GRUR 2004, 449, 454. 120 EuGH v. 22.06.1999, Rs. C-342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer/Klijsen Handel BV), ECLI:EU:C:1999:323, Rn, 26; EuGH v. 20.3.2003, Rs. C-291/00 (LTJ Diffusion/Sadas Vertbaudet), ECLI:EU:C:2003:169 Rn. 52. 121 Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Pfeiffer, Art. 169 AEUV (Mai 2011) Rn. 22. 122 Lettl, GRUR 2004, 449, 454; Pfeiffer, NJW 2011, 1, 4. 123 Pfeiffer, NJW 2011, 1, 4.  124 Pfeiffer, NJW 2011, 1, 4; Rosenow/Schaffelhuber, ZIP 2001, 2211, 2215. 118

Kap. 3: Grundlagen

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führte der EuGH aus, dass bei verbundenen Verträgen einem Verbraucher nicht die gleiche Sorgfalt abverlangt werden könne, wie bei einem getrennten Vertragsschluss.125 Eine Begründung hierzu lieferte der EuGH jedoch nicht. Es stellt sich die Frage, ob nun stärker in Hinblick auf den Vertragsgegenstand differenziert werden müsste. Allerdings überzeugt die Ansicht des EuGH nicht. Das Risiko der mangelhaften Berücksichtigung eines Teils des Vertrages liegt allein bei dem Verbraucher, der sich auf ein solches „Gesamtpaket“ einlässt.126 Das Vorliegen eines Gesamtpakets muss jedoch hinreichend kenntlich für den Vertragspartner gemacht werden. Im Rahmen der Verständigkeit sind die intellektuellen Fähigkeiten des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln. Jedoch dürfen diese nicht überspannt werden, da sonst eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers droht. Es kann von einem normalen Sprachverständnis ausgegangen werden. Wörter des allgemeinen Sprachgebrauchs können verwendet werden, spezifische Markt- und Fachtermini dagegen nicht. So kann erwartet werden, dass „dermatologisch getestet“ als Hinweis, dass die Hautverträglichkeit überprüft wurde, verstanden wird.127 Einfaches Rechnen und einfache Logik können ebenfalls vorausgesetzt werden. So wisse ein verständiger Verbraucher, dass zwischen der Größe der Werbeaufdrucke und dem Ausmaß dieser Erhöhung nicht unbedingt ein Zusammenhang bestehe.128 Ferner können einfache Schlussfolgerungen unter Berücksichtigung des Klauselumfelds abverlangt werden. Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht, wenn sich der Klauselinhalt erst durch mehrmaliges Lesen und längeres Nachdenken erschließen lässt, da die Vertragsbedingungen bereits bei Vertragsschluss hinreichend klar und verständlich dargestellt sein müssen. Zusammenfassend ist unter einem „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ der Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Vertragsart zu verstehen, von dem ein normaler Wissensstand ohne Rechts- oder Fachkenntnis und die grundlegenden intellektuellen Fähigkeiten erwartet werden können, wobei in Hinblick auf den geforderte Aufmerksamkeitsgrad nach Erfahrungs-, Such- und Vertrauensgütern sowie den Folgen des Vertrages zu differenzieren ist.

125 EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 48. 126 Armbrüster, NJW 2015, 1788, 1789. 127 EuGH v. 24.10.2002, Rs. C-99/01 (Linhart/Biffl), ECLI:EU:C:2002:618, Rn. 22. 128 EuGH v. 06.07.1995, Rs. C-470/93 (Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe/Mars), ECLI:EU:C:1995:224, Rn. 24.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

2. Berücksichtigung von Individualumständen Art. 4 Abs. 1 RL bezieht sich seinem Wortlaut nach auf die Beurteilung der Missbräuchlichkeit. Da das Transparenzgebot eine gesondert normierte Kategorie der Missbräuchlichkeit ist, ist Art. 4 Abs. 1 RL grundsätzlich auch bei der Beurteilung der Klarheit und Verständlichkeit einer Klausel zu berücksichtigen.129 Neben dem Zeitaspekt fordert Art. 4 Abs. 1 RL die Berücksichtigung des Vertragsgegenstandes, der Gesamtbilanz des Vertragswerkes sowie der vertragsbegleitenden Umstände. Die Beachtung des Vertragsgegenstandes ist bereits dem Leitbild des Durchschnittsverbrauchers immanent. Der Berücksichtigung anderer Klauseln ist ebenfalls bei der Transparenzkontrolle Rechnung zu tragen, sofern ein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen den Klauseln besteht. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern das abstrakt-generelle Leitbild des Durchschnittsverbrauchers aufgrund von tatsächlichen Individualumständen einer Korrektur bedarf. a) Kontrollmaßstab der Richtlinie Während im abstrakten Kontrollverfahren eine Berücksichtigung von Individualumständen gemäß Art. 4 Abs. 1 RL i. V. m. Art. 7 Abs. 2 RL nicht vorgesehen ist,130 ordnet Art. 4 Abs. 1 RL für das Individualverfahren an, dass alle den Vertragsschluss begleitenden Umstände bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel heranzuziehen sind. Eine Differenzierung zwischen Einzelvertragsklauseln, bei denen regelmäßig nur ein konkret-individueller Maßstab angesetzt werden kann, und AGB lässt Art. 4 Abs. 1 RL dagegen nicht erkennen.131 Es ist daher klärungsbedürftig, welche Auswirkungen Art. 4 Abs. 1 RL auf den Kontrollmaßstab von Klauseln in Standardverträgen hat. Zum einen wird mit Bezug auf Art. 4 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 der Präambel, der Beispiele für mögliche vertragsbegleitende Umstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL enthält, wie die Kräfteverhältnisse der Parteien, eine mögliche Einwirkung auf den Verbraucher bei der Abgabe seiner Zustimmung oder das Vorliegen einer Sonderbestellung, vertreten, dass primär ein konkret-individueller Maßstab anzuwenden sei.132 Dagegen wird teilweise erwogen, ob Art. 4 Abs. 1 RL nicht lediglich als ein Relikt desjenigen Richtlinienentwurfes anzusehen ist, der den

129 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL, Rn. 6; Kreienbaum, Transparenz und AGBGesetz, 303, 309. 130 Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1820; Schmidt-Salzer, BB 1995, 733, 739; Damm, JZ 1994, 161, 174; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 3. 131 Damm, JZ 1994, 161, 173; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2194; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 4; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 402; Brandner, MDR 1997, 312, 314; a. A. Michalski, DB 1999, 677, 678; Remien, ZEuP 1994, 34, 57. 132 Hommelhoff/Wiedemann, ZIP 1993, 562, 568 f.; Schmidt-Salzer, BB 1995, 733, 736.

Kap. 3: Grundlagen

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Anwendungsbereich der Richtlinie noch auf im Einzelnen ausgehandelten Klauseln ausdehnte.133 Die Richtlinie weist neben den genannten individuellen Faktoren verstärkt generell-typisierende Kriterien auf:134 Während Art. 4 Abs. 1 RL auf der einen Seite auf einen individuellen Ansatz hindeutet, enthält dieser gleichzeitig eine Einschränkung in Art. 4 Abs. 1 RL für das Verbandsklageverfahren i. S. v. Art. 7 Abs. 2 RL, so dass eine abstrakt-generelle Betrachtung nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint.135 Darüber hinaus hat nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 RL eine Beurteilung der Missbräuchlichkeit nicht „nach“, sondern „unter“ Berücksichtigung individueller Umstände zu erfolgen.136 Im Einklang dazu fordern Erwägungsgrund Nr. 15 und Nr. 16 der Präambel auf erster Stufe als Schwerpunkt eine generelle Festlegung der Kriterien zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit sowie eine „globale Bewertung der Interessenlage der Parteien“ und damit eine generalisierende-überindividuelle Betrachtung.137 Auch der Richtlinienanhang lässt die Umstände des Einzelfalls außer Betracht, was primär auf einen abstrakt-generellen Beurteilungsmaßstab hindeutet, der erst auf zweiter Ebene eine Korrektur durch Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfährt.138 Die in Art. 4 Abs. 1 RL genannten Faktoren können auch sowohl individuell als auch abstrakt-generell betrachtet werden. Auch die Abschlussumstände lassen sich nach der jeweiligen gewöhnlichen Vertragssituation typisieren, weil bestimmte Verträge stets unter verallgemeinerungsfähigen, ähnlichen Umständen abgeschlossen werden. So variieren z. B. die Abschlussumstände beim Tanken an der Zapfsäule zu denen in einem Beratungszimmer einer Bank, in dem über Bankverträge verhandelt wird.139 Die Typisierung der Vertragssituation kann folglich als eine sichere Form der Individualisierung der Kontrolle betrachtet werden.140 Eine primär generell-typisierende Kontrolle entspricht auch dem Rationalisierungsgedanken, der durch AGB erreicht werden soll, und ist vor 133 Damm, JZ 1994, 161, 173; Remien, ZEuP 1994, 34, 55; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 265; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 95. 134 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 117; Damm, JZ 1994, 161, 174; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2193 f.; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 19; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 5; Schmidt, Die Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 243. 135 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn.  402; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 4. 136 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 5. 137 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 117; Damm, JZ 1994, 161, 174; Eckert, WM 1993, 1070, 107; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 127; Kling, Sprachenrisiken im Privatverkehrsrecht, 588; Brandner, MDR 1997, 312, 314; Ulmer, EuZW 1993, 337, 346. 138 Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2193; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  4 RL Rn.  5; ­Remien, ZEuP 1994, 34, 54. 139 Remien, ZEuP 1994, 34, 54 f.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 94; Damm, JZ 1994, 161, 174; Eckert, WM 1993, 1070, 1075; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 402. 140 van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 214.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

dem Hintergrund der intendierten Rechtssicherheit und Rechtseinheit geboten.141 Im Übrigen wird es im Rahmen von AGB, die gerade nicht ausgehandelt werden können, nur selten individuelle vertragsbegleitende Umstände geben.142 Auch der EuGH vertritt im Rahmen der Transparenzkontrolle eine zwischen dem individuellen und generellen Kontrollansatz vermittelnde Ansicht. So beurteilt sich die Transparenz einer Klausel danach, ob ein „normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, in Anbetracht aller einschlägigen Tatsachen, einschließlich […] der im Rahmen der Aushandlungen bereitgestellten Werbung und Informationen“, die sich für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen absehen kann.143 Der Gerichtshof stellt im Schwerpunkt auf den Aufmerksamkeitsgrad eines informierten Durchschnittsverbrauchers und damit auf einen abstrakt-generellen Kontrollmaßstab im Rahmen der Transparenzkontrolle ab, verlangt jedoch darüber hinaus zusätzlich die Berücksichtigung aller einschlägigen, den Vertragsschluss begleitenden Umstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL, wie Werbung und anderer vorvertraglicher Informationen im Rahmen der Aushandlung des Vertrages, die sowohl individuell als auch typisierend betrachtet werden können. Im Ergebnis liegt der Schwerpunkt, mit Ausnahme von Einzelvertragsklauseln, folglich bei einer generell-typisierenden Betrachtung, wobei vertragsbegleitende individuelle Umstände im Individualverfahren im Rahmen von Standardverträgen ergänzend heranzuziehen sind, sofern sie im Einzelfall vorliegen.144 Dabei wirken die vertragsbegleitenden Umstände nicht nur zugunsten des Verbrauchers,145 sondern vielmehr in beide Richtungen.146 Der Wortlaut des Art.  4 Abs. 1 RL lässt keine Differenzierung zwischen für den Verbraucher vorteilhaf 141 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 5; Remien, ZEuP 1994, 34, 56; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 245. 142 Remien, ZEuP 1994, 34, 55; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 5; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 94; Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 268. 143 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74. EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 47. 144 Zustimmend Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 38; Damm, JZ 1994, 161, 172; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 402; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 19; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 127; Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 588; Micklitz/Rott, in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 304; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 Rn. 5; Brandner, MDR 1997, 312, 314; Ulmer, EuZW 1993, 337, 346 f.; a. A. Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 95; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 217 die die Einbeziehung der Umstände des Vertragsschlusses auf Individualvertragsklauseln beschränken wollen. 145 So Michalski, DB 1999, 677, 679. 146 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 117; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2194; Brandner, MDR 1997, 312, 314; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 20; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 481.

Kap. 3: Grundlagen

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ten und nachteilhaften Umständen zu. Die Berücksichtigung von lediglich den Verbraucher begünstigenden Umständen angesichts des verbraucherschützenden Zwecks der Richtlinie, ist nicht sachgerecht, da die Klauselrichtlinie und insbesondere Art. 4 Abs. 1 RL dazu dienen sollen, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden zu schaffen. b) Berücksichtigungsfähige Individualumstände im Rahmen der Transparenzkontrolle Folglich ist im Rahmen der Transparenzkontrolle, die eine separat normierte Kategorie der Missbräuchlichkeit darstellt, im Schwerpunkt von einem objektiven, am normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher orientierten Maßstab auszugehen. Dabei sind Individualumstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL lediglich ergänzend auf zweiter Stufe heranzuziehen, die sowohl zur Transparenz einer an sich intransparenten Klausel beitragen als auch eine klar und verständlich gefasste Klausel intransparent werden lassen können. Allerdings ist insofern eine einschränkende Sicht geboten, dass Art. 5 S. 1 RL aus sich heraus „stets“ eine klare und verständliche Klauselfassung verlangt, damit der Verbraucher seine Rechte und Pflichten selbstständig aus der vorliegenden Klausel entnehmen kann. Es wird eine dauerhaft gesicherte Transparenz gefordert. Diese Forderung besteht unabhängig von den vertragsbegleitenden Umständen und entspricht dem Informationsmodell, auf dem Art. 5 S. 1 RL basiert.147 Anhaltspunkte, welche vertragsbegleitenden Umstände für die Inhaltskontrolle relevant sein können, enthält die Richtlinie in der Begründungserwägung Nr. 16 S. 2. Dort heißt es, dass besonders zu berücksichtigen ist, „welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, und ob die Güter oder Dienstleistungen auf eine Sonderbestellung des Verbrauchers hin verkauft bzw. erbracht wurden.“ Im Rahmen der Transparenzkontrolle finden jedoch lediglich solche Individualumstände Berücksichtigung, die die Möglichkeit des Verbrauchers beeinflussen, seine Rechte aus der Klausel selbst entnehmen zu können.148 aa) Berücksichtigung der Individualaufklärung Der EuGH stellt bei der Transparenzkontrolle darauf ab, ob ein „normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, in Anbetracht aller einschlägigen Tatsachen, einschließlich […] der im Rahmen der Ver 147

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 6, Art. 5 RL Rn. 16. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 6, Art. 5 RL Rn. 17.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

tragsaushandlungen bereitgestellten Werbung und Informationen“, die sich für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen absehen könne.149 Dieser Maßstab kann dahingehend interpretiert werden, dass bei der Beurteilung der Transparenz alle im Rahmen der Aushandlungen zur Verfügung gestellten Informationen, wie Auskünfte, Vertragsunterlagen sowie die verwendete Werbung, als den Vertragsschluss begleitende Umstände im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 RL zu berücksichtigen sind. Dies entspricht auch einem Regelbeispiel des Erwägungsgrundes Nr. 16 S. 2, nach dem zu berücksichtigen ist, ob „auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde“.150 Da Art. 4 Abs. 1 RL in beide Richtungen wirkt, können die im Rahmen der Aushandlungen bereitgestellten Informationen sowohl die Intransparenz einer Klausel kompensieren als auch ihre Intransparenz bewirken. Die Transparenz einer Klausel muss gemäß Art. 4 Abs. 1 RL zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beurteilt werden. Daher dürfen nachträgliche Informationen gerade nicht berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung der Werbeaussagen im Rahmen der Transparenzkontrolle ist auch vor dem Hintergrund eines kohärenten gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherrechts zu begrüßen. Es ergeben sich Parallelen zu Art.  2  Abs.  2  lit.  d Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG151, die wie die Klauselrichtlinie dem Schutz des Verbrauchers dient.152 Danach hat der Verkäufer für in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachte öffentliche Äußerungen von sich, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes einzustehen. Regelungszweck dieses Artikels ist es die berechtigte Kunden- und Verkehrserwartung zu schützen, sofern sie auf der Einbeziehung von öffentlichen Äußerungen über bestimmte Eigenschaften einer Kaufsache basieren.153 Übertragen auf die Klauselrichtlinie können nicht nur Aussagen des Gewerbetreibenden, sondern auch des Herstellers und des Gehilfen als berücksichtigungsfähige Umstände herangezogen und so die darauf beruhenden Erwartungen des Verbrauchers geschützt werden. Als Werbung kann nach der E-Commerce Richtlinie 2000/31/EG154 dabei jede 149

EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 47. 150 So auch Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 68; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/ SOS finance spol. s r.o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 123; unsicher dagegen Armbrüster, NJW 2015, 1788, 1790. 151 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. Nr. L 171 v. 07.07.1999, 12). 152 Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 66 f. 153 Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 65. 154 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178 v. 17.07.2000, 1).

Kap. 3: Grundlagen

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kommerzielle Kommunikation, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dient, verstanden werden. Zudem wird damit eine Querverbindung zur Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG gezogen. Der durch den EuGH aufgestellte Maßstab ist allerdings im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 5 S. 1 RL, der „stets“ und damit eine dauerhaft gesicherte Transparenz einer Klauselfassung fordert, zu beschränken, damit der Verbraucher die Möglichkeit hat, sich selbst über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Die Berücksichtigung von während der Aushandlung zur Verfügung gestellten Informationen befreit den Verwender nicht von der Pflicht einer transparenten Klauselfassung im Rahmen des Möglichen. Der Klauselinhalt muss sich nach erfolgter Information aus der Klausel selbst erschließen lassen, so dass eine Transparenz in grammatikalischer und formeller Hinsicht unabdingbar ist.155 Aus der Berücksichtigung aller bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Informationsunterlagen, darf daher nicht der Schluss gezogen werden, dass für die Transparenz von Klauseln stets die Beigabe von zusätzlichen Informationen erforderlich ist. Durch die während der Aushandlungen erfolgte Aufklärung kann lediglich die materielle Transparenz einer Klausel, d. h. die Verständlichkeit der aus der Klausel resultierenden Folgen, hergestellt werden. Dabei ist, um Art. 5 S. 1 RL gerecht zu werden, zwischen mündlichen und schriftlichen Erläuterungen zu differenzieren. Mündliche Erläuterungen und Auskünfte sind aufgrund ihrer Flüchtigkeit und erschwerten Darlegungs- und Beweislast von geringer Relevanz. Insbesondere die Abwicklungstransparenz einer Klausel kann durch mündliche Erläuterungen nicht hergestellt werden, da der Verbraucher im abwicklungsrelevanten Zeitpunkt seine Rechte und Pflichten nicht vollständig aus der Klausel entnehmen kann und daher auf seine Erinnerung angewiesen ist.156 Separate schriftliche Erläuterungen sind dagegen möglich, um die einzelnen Klauseln oder das Klauselwerk durch für das Verständnis der Klausel erforderliche, technische oder wirtschaftliche Hintergrundinformationen nicht zu überfrachten.157 So war in der Rechtssache Kásler, in der die Transparenz einer Klausel in einem Fremdwährungsdarlehen in Frage stand, die Entscheidung davon abhängig, ob ein Durchschnittsverbraucher aufgrund der bereitgestellten Werbung und Informationen wissen konnte, dass auf dem Wertpapiermarkt beim Umtausch einer ausländischen Währung zwischen dem

155

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 Rn. 17. Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 217, 203; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 17 ausnahmsweise zulässig, wenn eine klare aber verständliche Gestaltung unmöglich ist; a. A. Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 354; Nassal, JZ 1995, 689, 693. 157 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 Rn. 17; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzproduk­ ten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 354. 156

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Verkaufs- und Ankaufskurs ein Unterschied besteht.158 Dabei müssen die schriftlichen Zusatzinformationen in einem hinreichend klaren Zusammenhang zur betreffenden Klausel stehen. Folglich sind im Rahmen der Transparenzkontrolle von Preisänderungsklauseln auch die bei Aushandlung des Vertrages gegebenen Informationen, wie Auskünfte, Vertragsunterlagen sowie die verwendete Werbung, zu berücksichtigen. So kann, sofern etwa in der Werbung mit einem Festpreis geworben wurde, eine an sich transparente Preisänderungsklausel intransparent werden, da sie im Widerspruch zu der erfolgten Werbeaussage steht. Umgekehrt kann eine an sich formell klare und verständliche, jedoch komplizierte Preisänderungsklausel, die die Folgen nicht hinreichend transparent für den Durchschnittsverbraucher darstellt, durch Beigabe von Rechenbeispielen bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Transparenz erlangen. Hierfür müssen die zusätzlichen Informationen, weil Preisänderungsklauseln die Durchführung des Vertrages in der Zukunft betreffen, in schriftlicher Form erfolgen. bb) Berücksichtigung der individuellen Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers Während im Rahmen von Individualverträgen auf den konkreten Verbraucher und damit seinen individuellen Verständnishorizont abzustellen ist, ist fraglich, ob die Ansicht des EuGH dahingehend weiterentwickelt werden kann, dass insoweit als das durch Aufklärung bei Vertragsschluss erworbene Sonderwissen des Verbrauchers zu berücksichtigen ist, konsequenterweise auch die bereits vorhandenen individuellen Verständnismöglichkeiten des konkreten Verbrauchers bei der Transparenzkontrolle von AGB Berücksichtigung finden müssen. Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 stellt auf das Kräfteverhältnis der Verhandlungspositionen der Parteien ab. Dieses kann auch durch den relevanten Kenntnisstand des Verbrauchers bezüglich des Vertragsgegenstandes beeinflusst werden. So wird vertreten, dass Vorbildung und Geschäftserfahrung im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 RL zu berücksichtigen seien.159 Über- oder unterdurchschnittliche Kenntnisse des Verbrauchers könnten dabei sowohl zu Gunsten als auch zulasten des Verbrauchers sowie auch des Gewerbetreibenden wirken. Allerdings wäre daraus der Umkehrschluss verfehlt, gegenüber Fachleuten pauschal von einer geringeren Transparenzpflicht auszugehen; schließlich handelt der Verbraucher seiner Definition nach für

158 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73. 159 Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 45; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 118; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 407; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2194; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 144; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL, Rn. 13.

Kap. 3: Grundlagen

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private Zwecke.160 Dies entspricht auch der Ansicht des EuGH. In der Entscheidung Costea161 stellte der EuGH bei der Bestimmung der Verbrauchereigenschaft i. S. v. Art 2 lit. b  RL fest, dass obwohl „ein Rechtsanwalt über ein hohes Maß an Fachkenntnissen verfügt“162, er gegenüber dem Gewerbetreibenden eine schwächere Partei ist. Maßgeblich für die Verbrauchereigenschaft sei, ob der Vertrag mit der beruflichen Tätigkeit des Verbrauchers in Verbindung stehe.163 Folglich ist eine Fallgruppenbildung nach Fachleuten und Nichtfachleuten innerhalb einer Verbrauchergruppe nicht sachgerecht.164 Darüber hinaus besteht auch kein Grund den Gewerbetreibenden von jeglichem  – auf welche Weise auch immer erworbenen  – konkreten Sonderwissen seines Vertragspartners in Bezug auf eine konkrete Klausel in einem konkreten Vertrag profitieren zu lassen. Dies könnte vielmehr zur Einschränkung der Pflicht des Unternehmers zur transparenten Klauselfassung zu Lasten des Verbrauchers führen.165 Der EuGH stellt auf den Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung von Individualaufklärung durch den Unternehmer ab. Nur wenn der Gewerbetreibende zur Aufklärung des Verbrauchers beigetragen hat, kann ihm dies bei der Beurteilung der Transparenz zugutekommen. Der konkrete Wissensstand und Verständnishorizont des Verbrauchers unterliegt schließlich auch Beweisschwierigkeiten, so dass Missbrauch nicht ausgeschlossen wäre. Ferner ist es schwierig den berücksichtigungsfähigen Grad der Geschäftsunerfahrenheit bzw. -erfahrenheit zu definieren.166 Eine Berücksichtigung widerspricht auch dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel der Rechtssicherheit und -klarheit.167 Der Gewerbetreibende müsste sich bei jedem Abschluss vergewissern, ob der Verbraucher die Klausel verstanden hat. Es ist daher sachgerecht, wenn der Verbraucher das Risiko eines für den Gewerbetreibenden nicht erkennbaren, unterdurchschnittlichen Verständnishorizonts trägt und bei Unklarheiten zum Nachfragen angehalten ist.168 160 Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 128; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 266; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 Rn. 14; derselbe, NJW 2011, 1, 4; Schmidt-Salzer, BB 1995, 1493, 1498. 161 EuGH v. 03.09.2015, Rs. C-110/14 (Costea/SC Volksbank Romania), ECLI:EU:C:2015:538, Rn. 27. 162 EuGH v. 15.01.2015, Rs. C-537/13 (Šiba/Devėnas), ECLI:EU:C:2015:14, Rn. 23. EuGH v. 03.09.2015, Rs. C-110/14 (Costea/SC Volksbank Romania), ECLI:EU:C:2015:538, Rn. 27. 163 EuGH v. 03.09.2015, Rs. C-110/14 (Costea/SC Volksbank Romania), ECLI:EU:C:2015:538, Rn. 30. 164 A. A. Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 310 BGB Rn. 72; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn. 21. 165 Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 130. 166 Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 45. 167 Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 130; Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 46; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 351. 168 Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucher­ verträge, 86; Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 591 f.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Gegen die Berücksichtigung der individuellen Verständnishorizonts des Verbraucher spricht auch die Tatsache, dass eine ausdrückliche Regelung zur Berücksichtigung von intellektuellen Defiziten bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit in dem Geänderten Vorschlang der Kommission von 1992 durch den „Gemeinsamen Standpunkt“ des Rates vom 22.09.1992 gestrichen wurde.169 Zur Erhaltung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher ist daher eine Berücksichtigung der individuellen intellektuellen Fähigkeiten im Rahmen von Standardverträgen nur in für den Gewerbetreibenden evidenten Ausnahmefällen vorzunehmen.170 Allerdings ist in diesen Fällen eine Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht aus culpa in contrahendo sachgerechter.171 3. Transparenz in formeller und materieller Hinsicht Art. 4 Abs. 2 RL und Art. 5 S. 1 RL benennen zwei Maßstäbe, an denen die Transparenz einer Klausel zu messen ist: Die Klarheit und die Verständlichkeit. Diese müssen europäisch-autonom ausgelegt werden und dürfen nicht durch die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausgefüllt werden, trotz ihres Vorbildcharakters für Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL. Was genau unter klar und verständlich zu verstehen ist, dafür gibt die Richtlinie kaum Anhaltspunkte. In Übereinstimmung mit dem Großteil der Lehre172 geht der EuGH zutreffend von einem weiten Verständnis des Transparenzgebots aus und begründet dies mit der zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden bestehenden Informationsasymmetrie.173 Die Transparenz von Vertragsbedingungen ist nämlich nicht 169

Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, KOM (92) 66 endg., ABl. EG v. 24.03.1992 Nr. C 73, 7, 9: Nach Art. 4 Abs. 1, 2. Spiegelstrich des Geänderten Vorschlags sollte eine Vertragsklausel als mißbräuchlich bewertet sein, wenn sie „dem Verbraucher aufgrund der wirtschaftlichen Macht des Gewerbetreibenden und/oder seiner eigenen wirtschaftlichen und/oder intellektuellen Schwäche auferlegt wurde.“ 170 Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 86; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 350. 171 Ulmer, EuZW 1993, 337, 345; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 202; Borges, Inhaltkontrolle von Verbraucherverträgen, 132. 172 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  5 Rn.  8 f.; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 273; Nassal, JZ 1995, 689, 692. Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 223, 242; a. A. Heinrichs, in: Graf v. Westphalen u. a. (Hrsg.), FS Trinkner, 157, 174; Wolf/Lindacher/Horn/Pfeiffer, Art. 5 Rn. 8 ff. 173 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 69, 71 f.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C: 2015:127, Rn. 73.

Kap. 3: Grundlagen

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nur auf die bloße Verständlichkeit „in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt“, sondern umfassend zu verstehen.174 Der Verbraucher müsse in die Lage versetzt werden, die sich für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien zu erfassen175sowie zu entscheiden, ob er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden binden will, indem er sich den von diesem vorformulierten Bedingungen unterwirft.176 Folglich kann zwischen formeller und materieller Transparenz177 differenziert werden. Ziel des Transparenzgebots ist es die zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher bestehende Informationsasymmetrie zu beheben. Dieses Ziel kann nur verwirklicht werden, wenn eine Klausel in formaler und inhaltlicher Hinsicht hinreichend transparent ist. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass ein Verbraucher den Inhalt einer Klausel nicht versteht, auch wenn dieser in Hinblick auf die sprachliche Gestaltung klar und verständlich formuliert ist.178 Ebenso spricht auch der systematische Standort des Art 5 S. 1 RL als gesondert geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit für ein weites Verständnis des Transparenzgebots, so dass aus der generalklauselartigen Umschreibung durch das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot auch das Bestimmtheitsgebot und das Irreführungsverbot als weitere Ausflüsse gefolgert werden können.179 Einzelne inhaltliche Ausprägungen des Transparenzgebots finden sich auch im Richtlinienanhang, der insbesondere für die Konkretisierung bestimmter Klauseln Hinweise gibt.180 174

EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 71; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 73; EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612 Rn. 68. 175 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 44; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn.  73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C: 2016:980, Rn. 50. 176 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 44; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 70. 177 Zwischen „formaler und materieller Transparenz“ wird auch in EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 48 differenziert. 178 So auch EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 43; GA Wahl, Schlussanträge v. 12.02.1014, Rs. C-26/13 (Kásler/ OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:85, Rn. 80. 179 van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 273; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 358. 180 Siehe oben 2. Teil Kapitel 3 A. I: Nr. 1 lit. c, i, j, k, l und m des Anhangs sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs verlangen eine hinreichende Konkretisierung.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Eine Preisänderungsklausel hält demnach dem Transparenzgebot der Klauselrichtlinie stand, wenn sie in formeller und grammatikalischer Hinsicht verständlich ist und der Verbraucher die Tragweite und wirtschaftlichen Folgen einer Klausel erfassen kann. IV. Schranken des Transparenzgebots Der EuGH versteht das Transparenzgebot zwar umfassend, jedoch hat er sich bislang noch nicht zu den Grenzen dieses Prinzips geäußert. Es ist daher klärungsbedürftig, wie weit die Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Transparenz geht. 1. Praktikabilitätsvorbehalt Ausgehend von dem europäischen Transparenzmaßstab des „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ ist für das Transparenzgebot des Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL eine immanente Beschränkung erkennbar. Ein aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher kann schließlich nur eine bestimmte Menge an Informationen erfassen und verarbeiten. Eine Unterstützung dieser Ansicht zeigt sich in den Privilegierungs­ tatbeständen der Nr. 2 b und c des Richtlinienanhangs. Diese sehen gerade keine ausdrückliche Angabe der triftigen Gründe bei Preisänderungen in Kapitalmarktund Devisengeschäften vor. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Preisänderungen in solchen Bereichen auf raschen, komplexen marktabhängigen Kursund Währungsschwankungen beruhen, die aufgrund der Fülle und Komplexität von Informationen gerade nicht hinreichend verständlich für einen Durchschnittsverbraucher in einer Preisänderungsklausel formuliert werden können. Eine Überspannung der Transparenzanforderungen durch umfangreiche Texterweiterungen sowie zu detaillierte Regelungen bergen gleichzeitig stets die Gefahr der Intransparenz in sich.181 Damit erfährt das Transparenzgebot eine Beschränkung durch sich selbst. Das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie ist damit auf das Mögliche beschränkt. Eine Überstrapazierung dieses Prinzips insbesondere durch transparenzfeindliche Erweiterungen des Textumfangs, ist zu vermeiden. Folglich sind die Transparenzvorgaben erfüllt, wenn die Preisänderungsklausel im Rahmen des Möglichen hinreichend transparent ist.

181

Zustimmend Rosenow/Schaffelhuber, ZIP 2001, 2211, 2215; Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 787 sieht das Merkmal der „Griffigkeit“ als ein allen gemeinschaftlichen Informationspflichten immanentes Merkmal an.

Kap. 3: Grundlagen

135

2. Keine Pflicht zur Rechtserläuterung Die Untersuchung der Grenzen des Transparenzgebots wirft auch die Frage auf, ob das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie lediglich der Entfernung intransparenter Klauseln dient oder ob es vielmehr allgemeine positive Informationsverschaffungspflichten begründet und damit im Ergebnis den Inhalt des Vertrages determiniert.182 Der EuGH verlangt, dass der Verbraucher in die Lage versetzt werden müsse, die sich für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien zu erfassen.183 In Hinblick auf Preisänderungsklauseln leitet er aus Art. 3 und 5 RL sowie aus Nr. 1 lit. j und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der RL ab, dass es für die Transparenz einer Preisänderungsklausel maßgeblich sei, ob „die Gründe oder der Modus der Änderung […] klar und verständlich angegeben sind.“184 In der Rechtssache Invitel forderte der EuGH, dass sofern bestimmte Gesichtspunkte des Modus der Änderung des Entgelts in bindenden Rechtsvorschriften i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL aufgeführt sind oder diese Vorschriften das Recht des Verbrauchers vorsehen, den Vertrag zu beenden, es entscheidend ist, dass der Verbraucher vom Gewerbetreibenden darüber unterrichtet wird.185 Zwar deuten diese Anforderungen auf ein Verständnis des Transparenzgebots als ein umfassendes Informationsgebot hin,186 jedoch wäre es zu vorschnell, generell von einer umfangreichen Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Erläuterung aller gegenseitigen vertraglichen und gesetzlichen Rechte und Pflichten auszugehen. Vielmehr konkretisierte der EuGH in diesen Entscheidungen lediglich die Anforderungen, die an die Bestimmtheit einer Preisänderungsklausel gestellt werden müssen. Eine Preisanpassungsklausel kann schließlich aus sich heraus nur klar und verständlich sein, wenn sie hinsichtlich des Anlasses und der Modalitäten des

182

Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 460 f.; diesselben, in FS Magnus, 631, 632; Gozzo, Transparenzprinzip und missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 154; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 132; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2197; Lockett/Egan, Unfair terms in consumer agreements, Rn. 3.17. 183 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 44; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/ CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41. 184 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24–28; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 185 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 29; Bestätigung für Rechtswahlklauseln in EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn. 69. 186 Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457, 460 f; Rott, EuZW 2016, 733, 736; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 Rn. 10 spricht von einem Vollständigkeitsgebot für wesentliche Modalitäten.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Änderungsrechts hinreichend bestimmt ist. Daher ist der Verbraucher, sofern die Modalitäten einer Änderungsbefugnis in bindenden Vorschriften geregelt sind, in verständlicher Weise über ihren Inhalt zu unterrichten. Die Aufklärung über ein gesetzliches Kündigungsrecht entspricht dabei den Anforderungen des Nr. 1 lit. l des Anhangs der Richtlinie, der für den Fall einer zu hohen Erhöhung des Preises im Verhältnis zum vereinbarten Preis die Einräumung eines Kündigungsrechts für den Verbraucher fordert. Folglich könnte das Transparenzgebot auch als negativer Kontrollmechanismus verstanden werden. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass jeder negativen Transparenzkontrolle der Natur der Sache nach positive Aufklärungspflichten immanent sind, die sich im Inhalt der Klausel niederschlagen. Die Rüge der Intransparenz begründet gleichzeitig eine Aufklärungspflicht.187 Dies bestätigte der EuGH auch in der Rechtssache Verein für Konsumenteninforma­ tion. Er sah eine Rechtswahlklausel als irreführend an, sofern sie den Eindruck vermittele, dass auf den Vertrag nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar sei, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genieße, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.188 Da die Rechtsprechung des EuGH damit in beide Richtungen interpretiert werden kann, ist durch Auslegung zu ermitteln, inwiefern das Transparenzgebot Informationspflichten hinsichtlich der geltenden Rechtslage begründet. Für eine Informationsverschaffungspflicht kann insbesondere der durch die Klauselrichtlinie bezweckte Unterlegenenschutz des Verbrauchers angeführt werden. Der Verbraucher besitze gegenüber dem Gewerbetreibenden eine schwächere Verhandlungsposition und einen geringeren Informationsstand. Diese Informations­ asymmetrie soll gerade durch das Transparenzgebot ausgeglichen werden.189 Ferner spricht auch das vom EuGH angeführte Verbraucherleitbild, das von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher190 ausgeht, von dem gerade keine Rechts- oder Spezialkenntnis erwartet werden können, für eine positive umfassende Informationsverschaffungspflicht des Gewerbetreibenden, insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Rechte und Pflichten des Verbrauchers. Dies untermauern auch die zahlreichen Vorschriften in anderen Richtlinien, die Informationspflichten des Unternehmers normieren.191

187 So auch Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 370. 188 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn 71; kritisch dazu Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707. 189 EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 31; EuGH v. 15.01.2015, Rs. C-537/13 (Šiba/Devėnas), ECLI:EU:C:2015:14, Rn. 22 f.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 51. 190 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74. 191 Vgl. beispielhafte Aufzählung bei Rott, EuZW 2016, 733, 735.

Kap. 3: Grundlagen

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Dem Wortlaut des Art. 5 S. 1 RL lässt sich dagegen kein aktives Informationsgebot entnehmen. Durch eine klare und verständliche Formulierung sollen lediglich Missverständnisse und Fehldeutungen des Verbrauchers in Hinblick auf seine vertraglichen und gesetzlichen Rechte und Pflichten vermieden werden. Dies steht auch im Einklang mit der in Art. 7 Abs. 1, 2 RL normierten Zielsetzung, der Eliminierung von missbräuchlichen bzw. intransparenten Vertragsbedingungen aus Verbraucherverträgen. Lediglich in Nr. 1 lit. c, i, j, k, l und m sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs finden sich Informationspflichten für spezielle Klauselarten. Diese sind allerdings vielmehr als Konkretisierungspflichten in Hinblick auf die Transparenz der bereits im Klauselwerk vorhandenen Klauseln mit einem spezifischen Inhalt zu verstehen. Auch rechtsaktübergreifend ergibt sich keine andere Auslegung. Die meisten verbraucherschützenden Richtlinien enthalten zusätzlich zu den konkreten positiven Informationspflichten die Pflicht zur klaren und verständlichen Informationswiedergabe.192 Damit steht die negative Kontrolle der jeweiligen Klausel des Vertragswerks hinsichtlich ihrer Verständlichkeit und Klarheit im Vordergrund. Das Europäische Vertragsrecht enthält nur punktuelle Informationsverpflichtungen zur Beseitigung spezifischer Defizite.193 Ferner wird eine vollumfängliche Informationsverschaffungsverpflichtung nicht dem mit der Verwendung von AGB intendierten Rationalisierungsinteresse gerecht. Es ist nicht das Ziel von AGB jegliche Eventualitäten und die damit verbundenen Rechte zu regeln. Insbesondere darf das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie nicht mit individuellen von den jeweiligen Umständen des Vertragsschlusses abhängigen vorvertraglichen, schuldrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten verwechselt werden. Um der Verletzung von solchen Aufklärungspflichten zu begegnen, eignen sich andere Sanktionen, wie Schadensersatz oder Anfechtungsmöglichkeiten, besser als die Unwirksamkeit einer Klausel.194 Eine Überfrachtung des Klauselwerks mit zusätzlichen Informationen könnte darüber hinaus gar zur Intransparenz einer Klausel führen.195

192

Exemplarisch Art. 3 Pauschalreise-Richtlinie 90/314/EWG fordert „klare und genaue Angaben“; Art. 4 Abs. 1 Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG spricht von der Zurverfügungstellung auf „deutliche und verständliche Weise“; Art. 4 Abs. 2 Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG verlangt eine „klare, prägnante und auffallende Weise“; vgl. Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 917 f., Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 378. 193 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 302; Fleischer, ZEuP 2000, 772, 790; Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbestimmungen, 105. 194 In diese Richtung Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 132; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2197; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 379, 385. 195 Rosenow/Schaffelhuber, ZIP 2001, 2213, 2215; Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707; in diese Richtung auch Armbrüster, NJW 2015, 1788, 1789 gegen die Erweiterung der Transparenzpflichten bei verbundenen Verträgen.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Art. 5 S. 1 RL regelt folglich das „Wie“ der Klauselgestaltung und nicht das „Ob“ bestimmter Informationen.196 Es besteht damit nicht die Pflicht des Gewerbe­ treibenden den Verbraucher über alle zwingenden Rechtsvorschriften zu informieren. Jedoch darf er durch die jeweilige Formulierung nicht aktiv dazu beitragen, dass die Klausel missverständlich ist.197 Die Klauseln sind dabei so transparent zu formulieren, dass die wesentlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen einer Klausel hinreichend klar und verständlich vor Augen geführt werden. Lediglich für den Fall, dass die Wirkung einer Klausel durch bindende Rechtsvorschriften bestimmt wird und die Klausel anderenfalls missverständlich ist, ist ihr Inhalt im Einklang mit der Entscheidung in den Rechtssachen Invitel und Verein für Konsumenteninformation in der betreffenden Klausel wiederzugeben. Eine darüber hinaus gehende Aufklärung über alle gegenseitigen vertraglichen und gesetzlichen Rechte und Pflichten, vor allem eine Risikoaufklärung, kann dem Transparenzgebot der Klauselrichtlinie nicht entnommen werden.198 V. Zusammenfassung Die Transparenz von Preisänderungsklauseln beurteilt sich nach Art. 5 S. 1 RL und zieht für den Fall der Intransparenz die Rechtsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL nach sich. Zur Beurteilung der Transparenz ist auf einen „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ abzustellen, wobei die im Rahmen der Aushandlung erteilten schriftlichen Informationen, wie Auskünfte, Vertragsunterlagen oder auch Werbung berücksichtigt werden müssen. Die zu beurteilende Preisänderungsklausel muss dabei nicht nur grammatikalisch und formell hinreichend transparent sein, sondern auch im materiellen inhaltlichen Sinne, die Folgen einer Preisänderung dem Vertragspartner klar vor Augen führen. Dabei steht das Transparenzgebot allerdings unter dem Praktikabilitätsvorbehalt und begründet gerade keine positiven umfassenden Informationspflichten 196

Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 381. 197 GA Saugmansgaard Øe, Schlussanträge v. 02.06.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amanzon EU), ECLI:EU:C:2016:388, Rn. 104. 198 So auch Fleischer, ZEuP 2000, 772, 790; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.10 Rn. 33; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 302; die im Umkehrschluss zu Art. 11 Abs. 1 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, der eine umfangreiche Informationsverschaffungspflicht statuiert, eine individuelle Aufklärungspflicht ablehnen; Staudinger/Coester, Neubs. 2013, § 307 BGB Rn. 215; Rott, EuZW 2016, 733, 735; Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 385; a. A. Reich, NJW 1995, 1856, 1860 für das Erfordernis der Aufklärung bei Kreditbürgschaften; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2196 der bei wichtigen Verträgen mit großer Tragweite eine Informationspflicht des Unternehmers aus dem Transparenzgebot entnimmt; weniger weitreichend Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 10 der von einem „Vollständigkeitsgebot“ für wesentliche Moda­ litäten des Vertrages ausgeht.

Kap. 3: Grundlagen

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im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz oder der Rechtsnatur des jeweiligen Vertrages ergebenden Rechte und Pflichten. Lediglich für den Fall, dass die Wirkung einer Klausel durch bindende Rechtsvorschriften bestimmt wird und die Klausel anderenfalls missverständlich ist, ist ihr Inhalt im Einklang mit der Entscheidung in Invitel und Verein für Konsumenteninformation in der betreffenden Klausel wiederzugeben. Die Transparenzanforderungen und die darin implizierten Aufklärungspflichten variieren jedoch i. S. v. Art.  4  Abs.  1  RL nach Gewicht und Tragweite des Vertrags. Dabei können ausgehend von dem Verbraucherleitbild des EuGH und seiner aus dem umfassenden Verständnis des Transparenzgebots folgenden Forderung, wirtschaftliche Folgen einer Klausel genau nachvollziehen zu können, folgende Grundsätze aufgestellt werden:199 Je neuartiger oder komplexer ein Produkt ist, umso höhere Transparenzanforderungen sind an die Darstellung von Klauseln zu stellen, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob sich der Verbraucher sehenden Auges der Komplexität aussetzt.200 Ferner kann die Transparenz zur Gewährleistung von bestimmten wirtschaftlichen oder technischen Hintergrundwissen auch durch schriftliche, außerhalb des Klauselwerks bereitgestellte Informationen hergestellt werden. Insbesondere bedürfen Regelungen, die von den Erwartungen eines typischen Durchschnittskunden abweichen, einer besonders klaren und durchschaubaren Fassung, was auch die Darstellung der fernliegenden gesetzlichen Rechte und Pflichten implizieren kann. Des Weiteren sind Klauseln, je relevanter sie für die Abschlussentscheidung sind oder je schwerwiegender die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind – was insbesondere bei Preisänderungsklauseln der Fall sein kann – umso transparenter zu fassen.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis In Deutschland war das Transparenzprinzip bereits vor dem Erlass der Klauselrichtlinie als „tragendes Prinzip des AGB-Rechts“ anerkannt.201 Erste Anwendung fand es bereits im Rahmen einer Entscheidung zur Zulässigkeit einer einseitigen Preisänderungsklausel in einem Zeitschriftenabonnement-Vertrag:202 Der BGH erwähnte hier das Transparenzgebot noch nicht ausdrücklich, stellte jedoch fest, dass es erforderlich sei, dass der Kunde „aus der Formulierung der Klausel erkennen kann, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können.203 Erst Mitte der 80er Jahre verwendete der BGH den Begriff des „Transparenz 199 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 392 ff. 200 So auch Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 14. 201 Köndgen, NJW 1989, 943, 946; so auch Heinrichs, in Hadding/Hopt (Hrsg.), Verbraucherkredit, AGB-Gesetz und Kreditwirtschaft, 101, 102; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 556. 202 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518 – Zeitschriftenabonnement I. 203 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

gebots“.204 Endgültig etabliert wurde das Transparenzgebot in höchstrichterlichen Entscheidungen zu Zinsberechnungsklauseln in Annuitätendarlehensverträgen und Wertstellungsklauseln.205 Die Verwender von AGB seien aus Treu und Glauben verpflichtet, „die Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner eindeutig und verständlich darzustellen, damit diese sich bei Vertragsschluss hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden können.“206 Insbesondere für Preisänderungsklauseln, die auch den Ausgangspunkt für die Judikatur zum Transparenzgebot bildeten, spielt dieses Prinzip eine entscheidende Rolle: „Je unbestimmter der einseitige Gestaltungsvorbehalt des AGB-Verwenders, desto ungeschützter ist der Kunde dessen Willkürentscheidung ausgeliefert.“207 Nachstehend wird untersucht, ob die europäisch-autonomen und die nationalen Gerichte bindenden Grundlagen zur Transparenzkontrolle im Einklang mit der bisherigen Praxis der nationalen Rechtsprechung stehen. In einem einführenden Teil (I.) wird dabei die Umsetzung der Art. 5 S. 1, 4 Abs. 2 RL im § 307 BGB untersucht. Danach werden, parallel zu den europäischen Grundlagen, der systematische Standort des Transparenzgebots im deutschen AGB-Recht (II.), der Transparenz­ maßstab (III.) sowie die Grenzen des Transparenzgebots (IV.) analysiert. Dabei werden insbesondere die Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und bewertet sowie daraus Schlussfolgerungen für die Kontrolle von Preisänderungsklauseln gezogen. I. Umsetzung Im Folgenden wird aufgezeigt, wie Art. 5 S. 1, 4 Abs. 2 RL im deutschen Recht umgesetzt worden sind. 1. Umsetzung von Art. 5 S. 1 RL Ausdrücklich normierte Ausflüsse des Transparenzgebots fanden sich bereits vor Erlass der Klauselrichtlinie in Normen des AGBG zur Einbeziehungskontrolle §§ 2 Abs. 1, 3 AGBG (heute §§ 305 Abs. 2, 305 c Abs. 1 BGB) sowie in einigen Klausel­verboten der §§ 10 f. ABGB (heute §§ 308, 309 BGB).208 An einer darüber hinausgehenden ausdrücklichen Normierung im Gesetz oder Erwähnung in der Geset 204 BGH v. 23.03.1988, BGHZ 104, 82 Rn. 28; BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; davor sprach der BGH von „fehlender Konkretisierung“ vgl. BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518 – Zeitschriftenabonnement I. 205 BGH v. 04.11.1988, BGHZ 106, 42; BGH v. 17.01.1989, BGHZ 106, 259; BGH v. 10.07.1990, NJW 1990, 2383, 2384. 206 BGH v. 17.01.1989, BGHZ 106, 259, 264. 207 Köndgen, NJW 1989, 943, 944. 208 Eckert, WM 1993, 1070, 1076; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 159 ff.;

Kap. 3: Grundlagen

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zesbegründung zum AGBG fehlte es jedoch.209 Auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Klauselrichtlinie mangelte es an einer gesetzlichen Verankerung des Transparenzgebots. Der deutsche Gesetzgeber ging aufgrund der oben aufgezeigten Rechtsprechung zur Generalklausel des § 9 AGBG (heute § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) und der Einzelregelungen AGBG von einer hinreichenden Etablierung dieses Prinzips aus.210 Erst die Entscheidung des Gerichtshofs in Kommission/Königreich der Niederlande, wurde zum Anlass genommen das Transparenzgebot im Zuge der Schuldrechtsmodernisierungsreform in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB als ausdrückliche Prüfkategorie zu normieren.211 Die richtlinienkonforme Auslegung allein werde aufgrund der Bedeutung des Transparenzprinzips für die Rechtssicherheit und Publizität der Umsetzung von Art. 5 S. 1 RL nicht gerecht. Es sei eine klare und eindeutige Umsetzung der Vorschriften der Klauselrichtlinie erforderlich.212 Mit der Normierung des Transparenzgebots in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wurde jedoch keine inhaltliche Änderung der bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Transparenzgebot verfolgt.213 Sowohl Art. 5 S. 1 RL als auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB fordern, dass die Bestimmungen klar und verständlich sind. Eine Begrenzung des Wortlauts auf „schriftlich niedergelegte“ Klauseln enthält § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Dies ist unproblematisch, da zum einen nach Art. 8 RL strengere nationale Regelungen erlaubt sind sowie aus Art. 5 S. 1 RL gerade nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass mündliche Klauseln nicht den Transparenzanforderungen genügen müssen.214 § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erstreckt sich gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB wie Art. 5 S. 1 RL auch auf Einzelvertragsklauseln. Der systematische Standort des Transparenzgebots der Klauselrichtlinie ist aufgrund seiner separaten Stellung in Art. 5 S. 1 RL nicht auf den ersten Blick klar ersichtlich. Hingegen steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB in § 307 BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle. 2. Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 RL Während Art. 1 Abs. 2 RL bereits durch § 8 AGBG (heute § 307 Abs. 3 S. 1 BGB) hinreichend umgesetzt war, unterblieb die Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 RL zunächst. Obwohl in der Literatur eine Anpassung der Richtlinie an den deutlicheren 209 Köndgen, NJW 1989, 943, 946; Heinrichs, in Hadding/Hopt (Hrsg.), Verbraucherkredit, AGB-Gesetz und Kreditwirtschaft, 101, 102. 210 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/2713, 6; zustimmend Eckert, WM 1993, 1070. 1076; Heinrichs, in FS Trinkner, 157,174; Brandner, MDR 1997, 312, 313; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 310; Ulmer, EuZW 1993, 337, 344. 211 BT-Dr. 14/7052, 188; BT-Dr.14/6040, 153. 212 EuGH v. 10.05.2001, Rs. C-144/99 (Kommission/Königreich der Niederlande), ECLI:EU:C:2001:257, Rn. 17, 21; zust. Reich, VuR 1995, 1, 3; Leible, EuZW 2001, 438, 439; Staudinger, WM 1999, 1546, 1550. 213 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs.14/6040, 153. 214 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 211; vgl. 2. Teil A. II. 3. 

142

Teil 2: Transparenzkontrolle

Wortlaut der Art. 1 Abs. 2, 4 Abs. 2 RL begrüßt wurde215, sah der deutsche Gesetzgeber 1996, da die Anwendung des Transparenzgebots auf Leistungsbeschreibungen unter der Geltung des § 8  AGBG anerkannt war,216 für die Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 RL keinen Bedarf. Etwaige Lücken seien durch richtlinienkonforme Auslegung zu füllen.217 Erst nach der Entscheidung des Gerichtshofs in Kommission/Königreich der Niederlande fand Art.  4  Abs.  2  RL im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung 2001 durch § 307 Abs. 3 S. 2 BGB mit Verweis auf § 307 Abs. 1 S. 2, 1 BGB Eingang in das BGB.218 Während die erste konsolidierte Fassung219 sich eng am Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 RL orientierte, weicht die heutige Fassung des § 307 Abs. 3 S. 2 BGB deutlich von Art. 4 Abs. 2 RL ab.220 Zwar verweist § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, jedoch bezieht sich § 307 Abs. 3 BGB nicht ausdrücklich auf Hauptleistungs- und Preisklauseln. Der Wortlaut des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ist dabei insoweit unglücklich, als auch Leistungsbeschreibungen, sofern sie in die Form von AGB gefasst sind, auch vorhandene Rechtsvorschriften ergänzen können. Lediglich der Begriff der „Regelungen“ deutet darauf hin, dass leistungsbeschreibende Klauseln ausgenommen sind.221 Da Art. 4 Abs. 2 RL folglich deutlicher ist als § 307 Abs. 3 BGB, ist die Richtlinienbestimmung richtigerweise als „autoritative Leseanleitung“ des § 307 Abs. 3 BGB heranzuziehen.222 Die nationale Rechtsprechung geht dabei von einer engen Auslegung des kontrollfreien Bereichs aus. Dieser beschränke sich auf Klauseln, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung223 und damit die essentialia negotii unmittelbar festlegen, wobei erforderlich sei, dass ohne die Klausel „mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann“.224 Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, folglich nur eine mittel 215 Basedow, in Schulte-Nölke/Schulz (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 277, 281; Damm, JZ 1994, 161, 170 f.; Eckert, WM 1990, 1070, 1076; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 15; Ulmer, EuZW 1993, 337, 340; Staudinger WM 1999, 1546, 1552; Reich, VuR 1995, 1, 3; Thode, NZBau 2002, 360, 364; Stoffels, JZ 2001,843, 845; Koch, WM 2002, 2173, 2175. 216 BGH v. 23.03.1988, BGHZ 104, 82, 89, 92; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 117; BGH v. 14.10.1997 BGH v. 26.10.2005, BGHZ 165, 12, 21. 217 BT-Dr. 14/6040, 153. 218 BT-Dr. 14/7052, 188. 219 Siehe Stoffels, JZ 2001, 843, 849. 220 Kritisch Stoffels, JZ 2001, 843, 849; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 4, 12; Kötz, ZEuP 2012, 339, 341, 346; Langweid, VersR 2015, 1071. 221 MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 12. 222 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 426; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 15; a. A. Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 316. 223 BGH v. 21.04.1993, NJW-RR 1993, 1049, 1050; BGH v. 23.06.1993, BGHZ 123, 83, 84; BGH v. 30.06.1995, BGHZ 130, 150, 156; BGH v. 17.03.1999, NJW 1999, 3411 Rn. 20; BGH v. 12.12.2000, BGHZ 146, 138, 140. 224 BGH v. 23.06.1993, BGHZ 123, 83, 84; BGH v. 17.10.2007, NJW 2008, 214 Rn. 12; BGH v. 26.03.2014, NJW 2014, 2038 Rn. 34.

Kap. 3: Grundlagen

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bare Auswirkung auf Preis und Leistungen haben, unterliegen dagegen in vollem Umfang der Inhaltskontrolle.225 Der EuGH ging in Kásler ebenfalls von einer restriktiven Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL aus.226 Es sei maßgeblich, ob die betreffende Klausel den Hauptgegenstand festlegt und ihn als solche charakterisiert oder lediglich einen akzessorischen Charakter gegenüber diesem hat.227 Ob die deutsche Rechtsprechung damit strenger ist als der EuGH228 kann hier dahinstehen, schließlich kann aufgrund von Art. 8 RL der der Inhaltskontrolle entzogene Bereich auch enger gefasst werden.229 Für Klauseln, die einen „Mechanismus für die Änderung der Kosten der dem Verbraucher zu erbringenden Dienstleistung“ enthalten, gilt der Ausschluss des Art. 4 Abs. 2 RL im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH nicht.230 Vielmehr sind für Preisänderungsklauseln, die den Preis modifizieren, die Transparenzanforderungen des Art. 5 S. 1 RL zu beachten, der § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entspricht. II. Systematische Einordnung des Transparenzgebots Neben der ausdrücklichen Normierung des Transparenzgebots in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB finden sich auch einzelne Ausprägungen dieses Prinzips in den §§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB sowie 305 c Abs. 1, Abs. 2 BGB.231 Darüber hinaus kommt das Transparenzgebot auch in den Klauselverboten der §§ 308,  309  BGB zum Ausdruck. Das Bestimmtheitsgebots wird in den §§ 308 Nr. 1, Nr. 1 lit. a, Nr. 1 lit. b, Nr. 2,  Nr. 3 BGB sowie § 309 Nr. 10 lit. a BGB verwirklicht. Besondere Hinweispflichten enthalten die §§ 309 Nr. 8 lit. b bb, Nr. 11 lit. a, Nr. 12 lit. b Hs. 2, 308 Nr. 3, Nr. 5 lit. b BGB.232 Die Ausflüsse des Transparenzgebots im nationalen Recht der AGB sind daher weitergehender als die Ausgestaltung des Transparenzgebots in der Richtlinie. Da die vorliegende Untersuchung sich nur auf die Inhaltkontrolle bezieht, ist klärungsbedürftig, wie diese Ausprägungen des Transparenzgebots von 225 BGH v. 12.03.1987, BGHZ 100, 157, 173; BGH v. 13.07.1994, BGHZ 127, 35, 41; BGH v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27, 29; BGH 24.03.1999, BGHZ 141, 137, 141; Langheid, VersR 2015, 1071, 1072. 226 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 49. 227 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn.  49 ff.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C: 2015:127, Rn. 54; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C: 2015:262, Rn 36. 228 So Koch, EuZW 2015, 520; a. A. Armbrüster, NJW 2015, 1788, 1791. 229 EuGH v. 03.10.2010, Rs. C-484/08 (Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid/Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios), ECLI:EU:C:2010:309 Rn. 43, 49; BGH 13.05.2014, NJW 2014, 2420, Rn. 62; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 286. 230 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 23. 231 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 171. 232 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258, 256.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB abzugrenzen sind. Des Weiteren ist zu untersuchen, wie sich das Transparenzgebot des § 307  Abs.  1  S.  2  BGB zur Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verhält. 1. Transparenzkontrolle und Einbeziehungskontrolle Ausflüsse des Transparenzgebots im Rahmen der Einbeziehungskontrolle sind dem Transparenzgebot im Rahmen der Inhaltskontrolle vorgeschaltet.233 Klauseln, die bereits den Transparenzanforderungen im Rahmen der Einbeziehungskontrolle nicht genügen, werden nicht Vertragsbestandteil und unterliegen damit nicht der Transparenzkontrolle im Rahmen der Inhaltskontrolle. a) § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Eine Verankerung des Transparenzgebots findet sich zum einen in dem Gebot der zumutbaren Kenntnisverschaffung des § 305  Abs.  2  Nr.  2  BGB.234 Die Klauselrichtlinie enthält keine entsprechende Regelung. Art. 5 S. 1 RL ordnet das Transparenzgebot weder der Einbeziehungskontrolle noch der Inhaltskontrolle ausdrücklich zu. Jedoch setzt die Verständlichkeit einer Klausel zwangsläufig ihre Kenntnisnahmemöglichkeit voraus. Eine solche Forderung findet sich auch als Überbleibsel der geplanten Einbeziehungskontrolle in Erwägungsgrund Nr. 20 RL. Ferner sanktioniert Nr. 1 lit. i des Anhangs der RL die fehlende Möglichkeit der Kenntnisnahme. Darüber hinaus spricht auch Art. 8 RL, der den Mitgliedsstaaten den Erlass strengerer Regelungen gestattet, dafür, dass die Berücksichtigung des Transparenzaspekts im Rahmen der Einbeziehung neben der Inhaltkontrolle zulässig ist.235 Die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme in § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB bezieht sich insbesondere auf die abstrakte Wahrnehmbarkeit des gesamten Klauselwerks.236 Neben der vollständigen Verfügbarkeit der Vertragsbedingungen,237 soll insbesondere die mühelose Lesbarkeit durch § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB gewährleistet

233

MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 55. Palandt/Grüneberg § 305 BGB Rn. 39; MüKo/Basedow § 305 BGB Rn. 73; Staudinger/ Schlosser, Neub. 2013, § 305 BGB Rn. 139, 142. 235 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 330; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl. 2009, Art 5 Rn. 8; Art. 8, Rn. 5; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 568; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, § 305 BGB Rn. 106 a; Basedow VersR 1999, 1045, 1046. 236 Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 571; Kreienbaum, Transparenzgebot und AGB-Gesetz, 91; Basedow, VersR 1999, 1045, 1046. 237 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 BGB Rn. 86; Kreienbaum, Transparenzgebot, 85; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, § 305 BGB Rn. 147 ff. 234

Kap. 3: Grundlagen

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werden.238 Dafür sind insbesondere die Größe des Schriftbildes239, Druckverfahren, Papierfarbe, etc. maßgeblich. Überschneidungen zwischen § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben sich allerdings in Bezug auf das Verständlichkeitsgebot.240 Der Vertragspartner kann den Inhalt solcher Klauseln nur dann zur Kenntnis nehmen, wenn diese für ihn verständlich sind.241 Stimmen, die das Erfordernis der Verständlichkeit, insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit von Verweisungen, Verwendung von juristischen Fachbegriffen sowie salvatorischen Klauseln, in der Einbeziehungskontrolle nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB verorten,242 ist, wie aus der Gesetzesbegründung ersichtlich wird, allerdings nicht zuzustimmen. Der Verwender wird seiner Verpflichtung nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB bereits gerecht, wenn er der Vertragspartei „den Wortlaut der Bedingung zuleitet oder übergibt“.243 Im Rahmen der Einbeziehungskontrolle steht die abstrakte Wahrnehmbarkeit des Klauselwerks in seiner Gesamtheit im Vordergrund, um eine selbstbestimmte Entscheidung bei Vertragsschluss zu garantieren. Es sind lediglich grobe Verstöße gegen das Verständnisgebot, wie ein im Kern unübersichtliches Klauselwerk, zu ahnden. Das Transparenzgebot ist ausdrücklich in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB normiert und soll daher im Rahmen der Inhaltskontrolle zu einem angemessenen Interessenausgleich und zur Abwicklungstransparenz beitragen.244 Eine Würdigung des Inhalts einzelner Klauseln im Hinblick auf ihre Transparenz ist daher erst im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vorzunehmen.245 Die Überprüfung einer Klausel auf ihre grammatikalische Verständlichkeit, insbesondere auf die Verwendung von Fachtermini hin, erfordert aber bereits die Vornahme einer inhaltlichen Würdigung der betreffenden Klausel.246 Zwar ist im Rahmen von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine grobe Gliederung des Klauselwerks für die mühelose Erfassung des Textes erforderlich,247 eine Überprüfung der Gliederung eines Klauselwerkes auf seine inhaltliche Ordnung hin, kann jedoch nicht losgelöst 238 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 BGB Rn. 88; Kreienbaum, Transparenzgebot, 87; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, § 305 BGB Rn. 154.; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 5; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 BGB Rn. 140. 239 BGH 30.05.1983, BB 1983, 2074 Rn. 13; BGH v. 03.02.1986, NJW-RR 1986, 1311. 240 OLG Schleswig v. 27.03.1995, NJW 1995, 2858, 2859; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013), Rn. 6; Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rn. 39; Ulmer/Brandner/ Hensen/Habersack, § 305 BGB, Rn. 150; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 239; ausführlich dazu Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 72 ff. Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 166. 241 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 159. 242 MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 73–75; Ulmer/Brandner/Hensen/Habersack, § 305 BGB Rn. 152 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 BGB Rn. 88; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 BGB Rn. 142; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 572 für salvatorische Klauseln und Verweise 243 BT-Dr. 7/3919, 18.  244 Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 BGB Rn. 139; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 238. 245 Basedow, VersR 1999, 1045, 1046 f.; MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 73. 246 Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 571. Basedow, VersR 1999, 1045, 1047. 247 Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 BGB Rn. 140.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

von dem Inhalt der einzelnen Klauseln beurteilt werden.248 Bei Verweisungen auf andere Klauselwerke, die nicht dem betreffenden Klauselwerk beigefügt sind, trifft den Verwender eine Kenntnisverschaffungspflicht nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB.249 Dagegen können Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften, die nicht abgedruckt werden, sowie salvatorische Klauseln mit der Formel „soweit gesetzlich zulässig“ zwar der Vollständigkeit und damit der abstrakten Wahrnehmbarkeit des gesamten Klauselwerks im Wege stehen,250 allerdings können diese im Hinblick auf ihre Verständlichkeit für den Durchschnittsverbraucher auch nicht losgelöst von dem jeweiligen Klauselinhalt beurteilt werden, so dass eine Berücksichtigung auf beiden Ebenen möglich erscheint.251 Für eine restriktive Auslegung des Verständnisgebots im Rahmen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB spricht des Weiteren, dass sich die Einbeziehungskontrolle nicht auf einzelne Klauseln, sondern nur auf das Gesamtwerk bezieht.252 § 305 Abs. 2 BGB findet ferner keine Berücksichtigung bei Verbandsklagen und im unternehmerischen Verkehr.253 Folglich dürfen die Anforderungen an die Verständlichkeit im Rahmen von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht überspannt werden. Ausfluss des Transparenzprinzips im Rahmen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist lediglich die Gewährleistung einer abstrakten Wahrnehmbarkeit der AGB, die die Basis für die Verständlichkeit der AGB bildet.254 b) § 305 c Abs. 1 BGB Eine § 305 c Abs. 1 BGB entsprechende Regelung, die den Verbraucher vor überraschenden Klauseln schützt, fehlt in der Klauselrichtlinie völlig. Jedoch kann eine solche Regelung als Ausfluss des Art. 5 S. 1 RL verstanden werden.255 Zudem ist die deutsche Regelung auch aufgrund von Art. 8 RL zulässig.256 Ferner kann dem 248

Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Stand Oktober 2013), Rn. 8. BGH v. 16.12.1982, BGHZ 86, 135, 138; BGH v. 19.01.2005, BGHZ 162, 39, 47; Basedow, VersR 1999, 1045, 1051; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, § 305 BGB Rn. 152 a. 250 So OLG Karlsruhe v. 18.10.1985, NJW-RR 1986, 91, 92; OLG Schleswig v. 27.03.1995, NJW 1995, 2858, 2859; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 571; Kreienbaum, Transparenzgebot und AGB-Gesetz, 85 f.; Schwab, AGB-Recht, Rn. 210. 251 BGH v. 21.06.1990, BGHZ 111, 388 Rn. 22; BGH v. 12.10.2007, WM 2008, 313 Rn. 14 f.; BGH v. 14.01.2014, BGHZ 199, 355 Rn. 27; So bei Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013), Rn.  6–8; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn.  337; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 Rn. 88, 307 BGB Rn. 264; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 167. 252 Basedow, VersR 1999, 1045, 1046. 253 Gottschalk, AcP (206) 2006, 555, 572; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 160. 254 Gottschalk, AcP (206) 2006, 555, 571 f.; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 85. 255 MüKo/Basedow, § 305 c BGB Rn. 2; Gottschalk, AcP (206) 2006, 555, 572 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 c Rn. 98; Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer, § 305 c BGB Rn. 8 a; a. A. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 350. 256 Reich, NJW 1995, 1857, 1858. 249

Kap. 3: Grundlagen

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Überraschungs- und Überrumplungseffekt einer Klausel im Rahmen der den Vertragsschluss begleitenden Umstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL Rechnung getragen werden.257 § 305 c Abs. 1 BGB trägt allerdings nur mittelbar zur Transparenz einer Klausel bei. Der zu sanktionierende Überraschungseffekt im Rahmen von § 305 c Abs. 1 BGB ergibt sich erst aus einer Kombination von Undeutlichkeit und Ungewöhnlichkeit.258 Deswegen wird auch von einer „besonders qualifizierten Erscheinungsform der Intransparenz“ gesprochen.259 Lediglich das formale Verstecktsein einer Regelung erfüllt den Tatbestand des § 305 c Abs. 1 BGB nicht. Es ist zusätzlich die Möglichkeit der Überrumplung aufgrund hinreichend konkreter Erwartungen des Verbrauchers erforderlich.260 Das Zusammenspiel aus Intransparenz und Überrumplung widerspricht wiederum auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.261 Ausprägung des Transparenzgebots im Rahmen des § 305 c Abs. 1 BGB ist lediglich, dass der Verwender verpflichtet wird, den Verbraucher ausdrücklich auf Klauseln hinzuweisen, die im Rahmen des Gesamtwerks nicht den Erwartungen des Kunden entsprechen. Der überraschende Charakter muss durch einen hinreichend klaren und deutlichen Hinweis des Verwenders auf die Regelung kompensiert werden.262 Wie diese Ausführungen beweisen, bestehen zwischen der Einbeziehungskontrolle und der Transparenzkontrolle Überschneidungen. Jedoch umfasst die Einbeziehungskontrolle nicht alle Facetten des Transparenzgebots, so dass die Normierung des Transparenzgebots im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB keineswegs überflüssig ist.263 2. Transparenzkontrolle und Auslegung § 305 c Abs. 2 BGB stand Pate für das in Art. 5 S. 2 RL verankerte Prinzip der kundenfreundlichsten Auslegung. Voraussetzung für die Anwendung dieser Norm ist, dass eine grundsätzlich verständliche Regelung, die der Kunde zur Kenntnis nehmen kann, mehrdeutig ist. Diese Mehrdeutigkeit wird als ein Aspekt der 257

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 408; in diese Richtung GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 75 die im Rahmen der Beurteilung nach Treu und Glauben auch auf den Überraschungscharakter einer Klausel abstellen möchte. 258 Basedow, VersR 1999, 1045, 1047; Gottschalk, AcP (206) 2006, 555, 574; Staudinger/ Schlosser, § 305 c BGB Rn. 13. 259 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 160. 260 BGH v. 17.05.1982, BGHZ 84, 109, 112; BGH v. 20.02.1987, BGHZ 100, 82, 85; Basedow, VersR 1999, 1045, 1047. 261 Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013), Rn. 9; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 55. 262 BGH v. 10.11.1989, BGHZ 109, 197, 203; BGH v. 4.10.1995, BGHZ 131, 55, 59; BGH v. 20.3.2002, NJW 2002, 2710, 2711. 263 MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 55; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 563.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Intransparenz nach § 305  c  Abs.  2  BGB insofern sanktioniert, dass die für den Verbraucher günstige Auslegung gilt. Für das Verbandsverfahren schreibt Art. 5 S. 3 RL das im deutschen AGB-Recht entwickelte Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung vor. Die ständige deutsche Rechtsprechung steht insofern im Widerspruch zu dem Wortlaut des Art. 5 S. 2 RL, als sie nun auch im Individualverfahren auf erster Stufe von der kundenfeindlichsten Auslegung einer mehrdeutigen Klausel ausgeht und erst, wenn diese Klausel den §§ 307 BGB stand hält, die kundenfreundlichste Auslegung untersucht.264 Dennoch ist keine Korrektur dieser Rechtsprechung im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung erforderlich. Da die kundenfeindlichste Auslegung, sofern sie zur materiellen Unangemessenheit der Klausel führt, gleichzeitig die für den Vertragspartner günstigste Auslegung darstellt, wird hier zugleich auf der ersten Stufe eine strengere Beurteilung zugunsten des Verbrauchers vorgenommen. Ein solches strengeres Vorgehen ist aufgrund des lediglich mindestharmonisierenden Charakters der Regelung nach Art. 8 RL zulässig, weil dadurch gerade ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher begründet wird.265 3. Transparenzkontrolle und Inhaltskontrolle Des Weiteren stellt sich die Frage, wie sich das Transparenzgebot zur Inhaltskontrolle verhält. Im Gegensatz zur separierten Stellung des Transparenzgebots in Art. 5 S. 1 RL, steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB. Fraglich ist daher, ob bereits die bloße Intransparenz einer Regelung einen Kunden unangemessen benachteiligen kann und damit zur Unwirksamkeit einer Klausel nach § 306 Abs. 1 BGB führt oder ob es vielmehr einer zusätzlichen unangemessenen Benachteiligung bedarf. Die Transparenz ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung, denn sie schließt eine inhaltliche Unangemessenheit der klaren und verständigen Regelung, wie auch im Unionsrecht,266 nicht aus.267 Gegen eine Betrachtung des Transparenzgebots als eigenständiges Kontrollinstrument268 spricht aber der Wortlaut und die

264 BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1099; BGH v. 20.12.2007, BGHZ 175, 76 Rn. 9; BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 19. 265 MüKo/Basedow, § 305  c BGB Rn.  20; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 305  c BGB Rn. 146; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305 c BGB Rn. 66 a. 266 EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kövàri u. a.), ECLI:EU:C: 2014:1857, Rn. 34. 267 BGH 07.12.2010, NJW 2011, 1801 Rn. 27; BGH v. 13.05.2014, NJW 2014, 2420 Rn. 59; Staudinger/Coester, Neub. 2013 § 307 BGB Rn. 179. 268 So aber BGH v. 05.11.1998, BGHZ 140, 25, 31; BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; BGH v. 08.10.1997, BGHZ 136, 394, 401; Heinrichs, NJW 1997, 1407, 1413; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 253 ff.; Joppich, Die Kodifikation des Transparenzgebots in § 307 BGB, 17 f.; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24; Gottschalk, AcP 210 (2010), 555, 580 f.

Kap. 3: Grundlagen

149

Entstehungsgeschichte des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.269 Laut § 307 Abs. 1 S. 2 BGB „kann“ die Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Des Weiteren spricht der Verweis in § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auf § 307 Abs. 1 S. 2, 1 i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB für eine unverzichtbare Verknüpfung von Intransparenz und inhaltlicher Benachteiligung. Eine Einbeziehung des Transparenzgebots in die Vermutungsregelung des § 307 Abs. 2 BGB scheiterte dagegen.270 Die bloße Intransparenz einer Klausel führt daher nur dann zu ihrer Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, sofern das Risiko einer inhaltlichen Benachteiligung des Vertragspartners besteht.271 Dabei ist im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB allerdings keine gesonderte Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung durch Verschlechterung der materiellen Rechtslage erforderlich. Vielmehr folgt in der Regel eine Benachteiligung aus der Intransparenz selbst.272 Von einem Teil des Schrifttums wird dabei eine Benachteiligung bereits in der abstrakten Gefahr des Verlustes von Marktchancen gesehen, weil der Vertragspartner davon abgehalten werde einen Marktvergleich zu ziehen und durch Verhandlungen oder Ausweichen auf einen anderen Vertragspartner, seine Lage zu verbessern.273 Diese Auffassung widerspricht allerdings dem ökonomischen Ansatz der AGB-Kontrolle und überzeugt demnach nicht. Der Vertragspartner prüft die Vertragsbedingungen, auch bei transparenter Darstellung von diesen, aufgrund der damit verbundenen Transaktionskosten nicht.274 Die Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung ist einer intransparenten Klausel aber insofern immanent, als die andere Vertragspartei mangels Erkennbarkeit ihrer Rechte durch unverständliche oder undeutliche Darstellung oder Verschleierung der wahren Rechtslage von der Rechtswahrung und -durchsetzung abgehalten werden könnte.275

269

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 330; Staudinger/Coester, Neub. 2013 § 307 BGB Rn. 174; Stoffels, AGB-Gesetz, Rn. 564; Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 162. 270 BT-Dr. 14/7052, 188; BT-Dr. 14/6040, 153. 271 Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440; Basedow, VersR 1999, 1045, 1049; Staudinger/ Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 174; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013), Rn. 19; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 56. 272 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  174; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 331; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564 spricht von einer „unwiderleglichen Vermutung“, was aber dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte widerspricht; a. A. Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 56. 273 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  175; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 562. 274 MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 56. 275 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  178; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 334 fordert eine explizite Feststellung der Verschlechterung der materiellen Rechtslage zulasten des Kunden; ebenso MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 56.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Eine Einschränkung sei allerdings im Hinblick auf unklare für den Vertragspartner, jedoch von dem dispositiven Recht zu seinen Gunsten abweichende, Klauseln geboten.276 Anderenfalls werde das Schutzsystem des AGB-Rechts, die Rechte des Vertragspartners des Verwenders zu stärken, konterkariert. Der Verwender nütze hier seine einseitige Vertragsgestaltungsfreiheit gerade nicht zum Nachteil des Kunden aus. Des Weiteren ist die Rechtsfolge der Unwirksamkeit auch in Bagatellfällen nicht sachgerecht, wenn beim Vertragspartner, keine ernsthaften Zweifel bezüglich des Regelungsinhalts bestehen können. Im Rahmen der Klauselrichtlinie ist das Transparenzgebot als eigenständige Kategorie der Missbräuchlichkeit in Art. 5 S. 1 RL separat geregelt.277 Dabei begründet die Intransparenz einer Vertragsbedingung per se ihre Missbräuchlichkeit, da sie zu einem informationellen Missverhältnis führt, dem der Informationsnachteil für den Verbraucher immanent ist.278 Daraus ergeben sich jedoch keine Divergenzen zwischen dem europarechtlichen Transparenzgebot und der deutschen Umsetzung in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.279 Zwar begründet im deutschen Recht die Intransparenz einer Klausel nicht automatisch ihre Unwirksamkeit, jedoch ist auch im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB regelmäßig keine explizite Feststellung der unangemessenen Benachteiligung erforderlich. Lediglich für den Fall, dass eine intransparente Klausel eine den Verbraucher begünstigende Regelung beinhaltet, ist, sowohl nach der Klauselrichtlinie als auch nach dem deutschen Recht, eine Intransparenz der Klausel zugunsten des Verbrauchers zu verneinen. III. Transparenzmaßstab Auch die deutsche Rechtsprechung bedient sich wie der EuGH zur Bestimmung der Transparenz eines Verbraucherleitbilds. Da darüber hinaus Art. 4 Abs. 1 RL durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, ist zu erörtern, welche Auswirkungen dies auf den Transparenzmaßstab hat. 276

BT-Drs. 14/7052, 188, Basedow, VersR 1999, 1045, 1049; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 174; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 333; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 56; Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 439; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250 lässt die Intransparenz von vorteilhaften Klausel nur im Individualverfahren zu; a. A. Römer, NVersZ 1999, 97, 102. 277 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vor § 307 BGB Rn. 21; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 334; Herrmann, ZEuP 1999, 663, 668, 681; Kappus, NJW 2003, 322; Nassal, JZ 1995, 689, 692; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 54, 58; Stoffels, JZ 2001, 843, 845; Guillen, VuR 1994, 309, 311; Thode, NZBau 2002, 360, 363 f.; vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. I. 4. 278 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL, Rn. 54, 58. 279 Zustimmend Staudinger/Coester, Neub. 2013 § 307 BGB Rn. 212; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 354, 395 der allerdings auch im Rahmen von Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL davon ausgeht, dass nicht jegliche Form von Intransparenz zur Missbräuchlichkeit einer Klausel führt.

Kap. 3: Grundlagen

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1. Verbraucherleitbild Bei der Transparenzkontrolle stellt der BGH nicht auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Verbrauchers oder eines Fachmannes, insbesondere eines Juristen, ab, der sich umfassend mit den jeweiligen Klauseln beschäftigt. Maßgeblich ist vielmehr der Verständnishorizont eines typischerweise bei Verträgen dieser Art zu erwartenden Durchschnittskunden des Verwenders zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.280 Dieser Verbraucher ist durchschnittlich verständig und informiert,281 jedoch ein „rechtlich nicht vorgebildeter“ Durchschnittskunde.282 Es sind von ihm auch keine vertragstypischen Spezialkenntnisse zu erwarten.283 Bei Hypothekendarlehensverträgen ging der BGH von einem Durchschnittskunden ohne besondere Finanzierungserfahrung, aus der erst- oder einmalig Grundbesitz erwirbt.284 Der Durchschnittsverbraucher ist allerdings kein flüchtiger Betrachter, sondern ein aufmerksamer und sorgfältiger Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr,285 der sich um ein Verständnis bemüht. So kann eine aufmerksame Durcharbeitung der AGB sowie eine verständige Würdigung unter Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs von ihm verlangt werden,286 wobei ihm nicht jedes Nachdenken dabei erspart wird.287 Eine simple Berechnung der Bezugsdauer einer Buchreihe unter Zuhilfenahme des Einmaleins, überfordert den Verbraucher daher nicht.288 Die Anspannung seiner eigenen Erkenntniskräfte kann im Rahmen des Zumutbaren vorausgesetzt werden, so dass er über Selbstverständlichkeiten sowie auch abwegige Auslegungsmöglichkeiten ebenfalls nicht informiert werden muss.289 Der Aufmerksamkeitsgrad kann dabei je nach Vertragsgegenstand und Bedeutung der Information variieren.290 Im Rahmen des § 311 BGB hat der BGH festgestellt, dass bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen nur eine begrenzte Verpflichtung der Banken zur Risikoauf-

280 BGH v. 04.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118 f.; BGH v. 16.05.2007, NJW 2007, 2176; BGH v. 03.08.2011, NJW 2012, 54, 55. 281 BGH v. 12.06.2001, BGHZ 148, 74, 81. 282 BGH v. 03.07.1996, BGHZ 133, 184, 189; BGH v. 05.11.1998, NJW 1999, 276, 278; BGH v. 04.02.2009, BGHZ 179, 319 Rn. 17, 19; BGH v. 09.04.2014, NJW 2014, 2269 Rn. 24. 283 BGH v. 23.06.1993, BGHZ 123, 83, 85; BGH v. 19.11.2008, NJW 2009, 365 Rn. 20; BGH v. 25.02.2015, NJW 2015, 1306 Rn. 15 „Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse“. 284 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115 Rn. 13; BGH v. 23.03.1995, NJW 1995, 2286. 285 BAG v. 25.09.2008, NZA 2009, 370 Rn. 48; BGH v. 23.02.2016, NJW 2016, 1881 Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 344; Palandt/Grüneberg, 3 307 BGB Rn. 23. 286 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 23.06.1993, BGHZ 123, 83, 85; BGH v. 23.02.2005, BGHZ 162, 210, 214. 287 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 121; BGH v. 10.03.1993, NJW 1993, 2052, 2054; BGH v. 23.02.2005, BGHZ 162, 210, 214. 288 BGH v. 10.03.1993, NJW 1993, 2052, 2054; BGH v. 07.12.2010, NJW 2011, 1801 Rn. 24. 289 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 196. 290 LG Heidelberg v. 14.10.2014, BKR 2015, 154 Rn. 19; Pfeiffer, NJW 2011, 1, 4 f.; für das Lauterkeitsrecht, BGH v. 20.10.1999, GRUR 2000, 619, 621.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

klärung bestehe.291 Ebenso genügt ein flüchtiges Hinweglesen bei Verträge mit einer längerfristigen Festlegungswirkung nicht.292 Daraus kann gefolgert werden, dass ein Vertragspartner, der sich in Kenntnis der Komplexität eines Geschäfts für dieses entscheidet, nur die im Rahmen dieser Komplexität mögliche Transparenz verlangen und von ihm eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit den Vertragsbedingungen erwartet werden kann.293 Im Hinblick auf die Bedeutung des Preises für den Vertragspartner kann davon ausgegangen werden, dass der Kunde der Preisvereinbarung besondere Aufmerksamkeit widmet.294 So kann erwartet werden, dass der Kunde ein zum Vertrag gehörendes Preisverzeichnis einsieht.295 Jedoch soll für den Kunden die preis­erhöhende oder die sie sonst benachteiligende Wirkung einer Klauseln nicht erst nach intensiver Beschäftigung mit den Vertragsbedingungen erkennbar werden,296 sondern sich möglichst mühelos und ohne weitere Erläuterungen aus dem Klauselwerk ergeben.297 Der BGH geht ferner davon aus, dass ein juristisch nicht vorgebildeter Kunde zwischen den einzelnen Arten von Preisänderungsklauseln unterscheiden könne.298 Dem ist zuzustimmen, sofern der Anpassungsmodus hinreichend deutlich aus der Klausel ersichtlich ist. Hat der BGH bereits in seinen Entscheidungen zum Lauterkeitsrecht299 auf das Verbraucherleitbild des EuGH, einen „normal, informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“,300 abgestellt, so nimmt er nun auch in seinen neueren Entscheidungen zum AGB-Recht ausdrücklich auf dieses Leitbild Bezug.301 Die Ansprüche, die dabei an den Verständnishorizont von diesem gestellt werden, stimmen mit den Anforderungen überein, die der EuGH in seiner Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht aufgestellt hat und die auf das Verbraucherleitbild der Klauselrichtlinie übertragen werden können.302 Es kann daher von einem normalen „Sprach,- Logik-, Fach- und Rechenverständnis“ des 291

BGH v. 20.05.2003, NJW 2003, 2529, 2530. BGH v. 23.02.2016, NJW 2016, 1881 Rn. 34. 293 Pfeiffer, NJW 2011, 1, 4.  294 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115 Rn. 15. 295 BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; BGH v. 14.10.1997, NJW 1998, 383, 384. 296 BGH v. 24.11.1988, NJW 1989, 222, 224. 297 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115 Rn. 15. 298 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag. 299 BGH v. 11.03.2009, NJW 2010, 612 Rn. 37; BGH v. 14.01.2010, GRUR 2010, 838 Rn. 20; BGH v. 30.06.2011, NJW 2012, 1449 Rn. 19. 300 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282 Rn.  74; Bestätigung in EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 47; vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1. 301 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52, Rn. 30 – Augsburger Stromvertrag; BGH v. 23.02.2016, NJW 2016, 1881 Rn. 33 in Hinblick auf die Anforderungen an die Widerrufinformation für einen Verbraucherdarlehensvertrag. 302 Reiff, LMK 2015, 371951; Armbrüster NJW 2015, 1788, 1790; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn. 26; Schwintowski, VuR 2016, 29.  292

Kap. 3: Grundlagen

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Durchschnittsverbrauchers ohne „darüberhinausgehende Fähigkeiten“ ausgegangen werden.303 2. Berücksichtigung von Individualumständen Während die in Art.  4  Abs.  1  RL geforderte Berücksichtigung des Vertragsgegenstandes dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB durch das Abstellen auf den Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Vertragsart immanent ist, wird das berücksichtigungsfähige Kriterium der den Vertragsschluss begleitenden Umstände in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB (früher § 24 a Nr. 3 AGBG a. F.) ausdrücklich normiert. Danach sind im Rahmen von Verbraucherverträgen bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Da sich eine unangemessene Benachteiligung auch durch eine intransparente Klauselgestaltung ergeben kann, stellt sich die Frage, inwiefern der generalisierend-typisierende Maßstab der Transparenzkontrolle aufgrund der berücksichtigungspflichtigen, den Vertrag begleitenden Umständen i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu ergänzen ist.304 a) Kombinationslösung Grundsätzlich wird im Rahmen der Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen aufgrund § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB eine Kombinationslösung vertreten. Während im Verbandsprozess mangels eines zur Rede stehenden konkreten Vertrages lediglich eine generalisierende, typisierende Beurteilung der Transparenz am Maßstab des oben erläuterten Verbraucherleitbilds in Betracht kommt, wird im Individualprozess zunächst auf der ersten Stufe eine Klausel anhand eines generalisierendtypisierenden Kontrollmaßstabs beurteilt, der auf zweiter Stufe um die Berücksichtigung konkret individueller Umstände ergänzt wird.305 Diese entspricht dem 303 Pfeiffer, NJW 2011, 1, 7; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2197; Coester, in FS Heinrichs, 99, 111; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 62. 304 Bereits vor Einführung des § 24 a Nr. 3 AGBG BGH v. 15.10.1991, ZIP 1991, 1474, 1476; BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1098; BGH v. 23.05.1995, NJW 1995, 2286; BGH v. 13.06.1996, ZIP 1996, 1289, 1291; BAG v. 26.05.1993, NJW 1994, 213 Rn. 23; Berücksichtigung des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB OLG Karslruhe v. 02.02.2006, NJW-RR 2006, 605, 606; OLG Stuttgart v. 27.09.2007, NJOZ, 2008, 3109, 3111; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 21, § 310 BGB Rn. 21; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 346; Joppich, Die Kodifikation des Transparezgebots in § 307 BGB, 113; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 21; Stoffels, AGB-Recht, 566; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 3; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 211. 305 BT-Dr. 13/2713, 7 f.; BGH v. 23.09.2010, NJW 2011, 408 Rn. 28; MüKo/Basedow, § 310 BGB Rn. 81; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 402; Palandt/Grüneberg, § 310, Rn. 19; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2193; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 310 Rn. 34; Stoffels, AGB-Recht, 477 ff.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Wortlaut des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB der „auch“ die Berücksichtigung der vertragsbegleitenden Umstände fordert. Dabei sind nur solche Umstände zu beachten, die derart schwer ins Gewicht fallen, dass sich ihre Würdigung nach Treu und Glauben gebietet.306 Die Einbeziehung vertragsbegleitender Vertragsumstände darf schließlich nicht zu einer allgemeinen Billigkeitskontrolle stilisiert werden.307 Es ist vielmehr mindestens ein mittelbarer Sachzusammenhang zwischen den Einzelfallumständen und dem betreffenden Vertrag erforderlich.308 Zur Konkretisierung der im Individualprozess gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden Umstände werden, wie im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 RL, die Kriterien aus Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 der Präambel der Klauselrichtlinie herangezogen.309 Die berücksichtigungspflichtigen Individualumstände können dabei sowohl verstärkend zu Gunsten als auch abschwächend zu Ungunsten des Verbrauchers wirken.310 Die Kombinationslösung verstößt insofern nicht gegen die Vorgaben der Klauselrichtlinie, als diese nicht ausschließlich von einem konkret-individuellen Kontrollmaßstab ausgeht.311 Vielmehr ist auch im Rahmen der Richtlinie bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit und Intransparenz einer Klausel primär von einem abstrakt-generellen Maßstab auszugehen und individuelle Kriterien nur ergänzend heranzuziehen.312 Individualumstände können dabei auch nach der Richtlinie in beide Richtungen für und gegen den Verbraucher wirken. Die Berücksichtigung lediglich zu Gunsten des Verbrauchers wirkender Individualumstände wäre ebenfalls aufgrund von Art. 8 RL mit der Richtlinie vereinbar, da dadurch das intendierte Mindestschutzniveau erhöht wird.313

306

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 411; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 3. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 310 BGB Rn. 37 spricht von einer dritten Stufe, auf der in einer Gesamtabwägung über das Gewicht des Umstandes zu entscheiden ist. 307 Brors, ZIP 1998, 1663, 1665; Borges, Die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 60; Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 50. 308 Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 51. 309 Ulmer/Brandner/Hensen/Brandner, 9. Aufl. 2001, 9 AGBG Rn. 179 übernommen in Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 406–409; BGH v. 23.09.2010, NJW 2011, 408 Rn. 28; Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 43 f.; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 310 BGB Rn. 72; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 310 BGB Rn. 38–41 unterscheidet zwischen rechtlichem und persönlichem Umstand sowie situativer Hinsicht. 310 BAG v. 14.08.2007, NZA 2008, 170 Rn. 3; BGH v. 23.09.2010, NJW 2011, 408 Rn. 28; Brandner, MDR 1997, 314; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2194. 311 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 402; Palandt/Grüneberg, § 310, Rn. 19; Heinrichs, 1996, 2190, 2194; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 310 BGB Rn. 34. 312 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. a). 313 MüKo/Basedow, § 310 BGB, Rn. 81; Armbrüster, NJW 2015, 1788, 1790.

Kap. 3: Grundlagen

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b) Berücksichtigungsfähige Individualumstände im Rahmen der Transparenzkontrolle aa) Berücksichtigung der Individualaufklärung Zu den vertragsschlussbegleitenden Umständen gehören auch die Besonderheiten der Vertragsschlusssituation. Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH,314 der seit seiner Entscheidung in Kásler die Berücksichtigung der im Rahmen der Aushandlung des Vertrages bereitgestellten Werbung und Information bei der Beurteilung der Transparenz einer Klausel fordert,315 lassen auch die nationalen Gerichte die Heilung einer vorliegenden Klauselintransparenz durch Aufklärung in Form von Hinweisen und Erläuterung vor oder spätestens bei Vertragsschluss zu.316 Während die Individualaufklärung als ein im Rahmen von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB berücksichtigungsfähiger Umstand eingeordnet werden kann,317 leiten einige Stimmen in der Literatur diese Heilungsmöglichkeit aus der analogen Anwendung des § 305 b BGB318 oder § 305 Abs. 1 S. 3 BGB319 her oder schenken ihr Beachtung im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB.320 Eine berücksichtigungsfähige Aufklärung hat spätestens bei Vertragsschluss zu erfolgen, nach Vertragsschluss erteilte Zusatzinformationen können die Intransparenz nicht kompensieren.321 Erforderlich ist, dass die Aufklärung in einem sachlichen Zusammenhang zum Inhalt der intransparenten Klausel steht und jegliche aus der Intransparenz resultierende Gefahren beseitigt werden.322 So kann ein bei Antragstellung einem Versicherungsnehmer gesondert übergebenes Merkblatt zur Heilung der Intransparenz von allgemeinen Versicherungsbedingungen beitragen.323 Die Intransparenz einer Zinsberechnungsklausel kann durch zutreffende Angabe des Effektivzinses

314

So auch Reiff, LMK 2015, 371951; Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3071. EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 74. EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 75; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 47; vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III 2. b. aa). 316 BGH v. 15.10.1991, ZIP 1991, 1474, 1476; BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1098; BGH v. 23.05.1995, NJW 1995, 2286; BGH v. 13.06.1996, ZIP 1996, 1289, 1291; BAG v. 26.05.1993, NJW 1994, 213 Rn.  23; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB; Köndgen, NJW 1989, 943, 951; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 281 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 241 f. 317 OLG Karlsruhe v. 02.02.2006, NJW-RR 2006, 605, 606. 318 Köndgen, NJW 1989, 943, 951. 319 Heinrichs, in Hadding/Hopt (Hrsg.), Verbraucherkredit, AGB-Gesetz und Kreditwirtschaft, 101, 112. 320 v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, Rn. 203; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 21. 321 OLG Celle v. 15.03.1995, NJW-RR 1995, 1133. 322 BGH v. 04.10.1995, BGHZ 131, 55, 59 zu § 305 c Abs. 1 BGB; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 203; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 346, 144. 323 OLG Karlsruhe v. 02.02.2006, NJW-RR 2006, 605, 606. 315

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Teil 2: Transparenzkontrolle

kompensiert werden.324 Eine intransparente Rückkaufswertklausel in einer Lebensversicherung kann durch Zurverfügungstellung einer Rückkaufswerttabelle auf der Rückseite des Antragsformulars geheilt werden.325 Auch Werbung kann als eine Form der individuellen Aufklärung angesehen werden.326 Die Aufklärung wirkt dabei in Übereinstimmung mit der Klauselrichtlinie in beide Richtungen.327 Während die Intransparenz einer Vertragsbestimmung durch Individualaufklärung kompensiert werden kann,328 kann umgekehrt eine klare und verständliche Klausel durch eine zu ihr im Widerspruch stehende Aufklärung oder Werbeaussage unverständlich oder sogar überraschend gemäß § 305 c Abs. 1 BGB werden.329 Allerdings differenziert der BGH bei der Berücksichtigung der Aufklärung zwischen dem Verbands- und dem Individualverfahren. Bei Verbandsklagen lässt der BGH die Berufung auf außerhalb der Klausel liegende Umstände grundsätzlich nicht zu.330 Eine Berücksichtigung findet lediglich statt, sofern sich die Zusatz­ information „aus anderen Bestimmungen der mit der betreffenden Klausel in einem Formular zusammengefassten AGB ergibt.“331 Im Individualprozess dagegen kann die Intransparenz einer Klausel sowohl durch schriftliche332 als auch durch mündliche Erläuterungen beseitigt werden. Mündliche Erklärungen sind allerdings nur insoweit zu beachten, als sie Informationen enthalten, die für die Abschlussentscheidung des Kunden von Bedeutung sind. Hingegen kann die Abwicklungstransparenz durch mündliche Individualaufklärung nicht vollumfänglich hergestellt werden, weil Konfliktfragen in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt auftreten und nicht gewährleistet werden kann, dass die mündlichen abwicklungsrelevanten Zusatzinformationen richtig und vollständig wiedergegeben werden.333 Dagegen unterscheidet der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht explizit zwischen dem Individual- und Verbandsverfahren oder zwischen mündlichen und schriftlichen Zusatzinformationen sowie danach, ob der Klauselinhalt auf die Abschluss- oder die Abwicklungstransparenz abzielt.334 Allerdings ist die Rechtsprechung des BGH insofern im Einklang mit der Klauselrichtlinie, als eine individuelle Aufklärung gemäß Art. 4 Abs. 1 RL i. V. m. Art. 7 Abs. 2 RL eben 324

BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 45, 51; BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1099. OLG Stuttgart v. 27.09.2007, NJOZ 2008, 3109, 3111. 326 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 241; Reiff, LMK 2015, 371951. 327 Reiff, LMK 2015, 371951. 328 OLG Stuttgart. 27.09.2007, NJOZ 2008, 3109, 3111. 329 OLG Karlsruhe v. 02.02.2006, NJW-RR 2006, 605, 606 zu einem Merkblatt. 330 BGH v. 15.10.1991, BGHZ 116, 1 Rn. 16. 331 BGH v. 15.10.1991, BGHZ 116, 1 Rn. 12; Heinrichs, in Hadding/Hopt (Hrsg.), Verbraucherkredit, AGB-Gesetz und Kreditwirtschaft, 101, 112. 332 OLG Stuttgart v. 27.09.2007, NJOZ 2008, 3109, 3111. 333 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  203; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 346.Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 241. 334 Vgl. Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3071. 325

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falls im Verbandsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Darüber hinaus ist aber eine Berücksichtigung von typisierenden im Rahmen der Aushandlungen bereitgestellten, schriftlichen Informationen nach der Rechtsprechung des EuGH nicht ausgeschlossen sowie auch zu befürworten, sofern ihre Verfügbarkeit für jeden Verbraucher hinreichend sichergestellt ist. Andernfalls bestünde die Gefahr von allzu prohibitiven Unterlassungsverfahren.335 Da die nationalen Gerichte an die Entscheidung des EuGH gebunden sind, ist daher eine Lockerung der bisherigen Rechtsprechung geboten. Die Berücksichtigung mündlicher Erläuterungen ist dagegen auch nach dem Wortlaut von Art. 5 S. 1 RL, der „stets“ die Klarheit und Verständlichkeit einer Klauselfassung fordert, zur Kompensation fehlender Abwicklungstransparenz nicht möglich.336 bb) Berücksichtigung der individuellen Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers Ausgehend von der Zulässigkeit einer Heilung der Klauselintransparenz durch Individualaufklärung lässt sich auch im deutschem Recht die Fragen stellen, inwiefern im Rahmen der Beurteilung der Transparenz einer Klausel die Kenntnisse und Fähigkeiten des konkreten Vertragspartners zu berücksichtigen sind. Nach dem BGH ist die Chance, dass der konkrete Vertragspartner aufgrund seiner Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit über Sonderkenntnisse und weitergehende Verständnisfähigkeit verfügt, unbeachtlich.337 Dagegen wird zum Teil in der Literatur vertreten, dass sich ein Verbraucher im Individualprozess, etwa wenn er Unternehmer oder Jurist sei, sich nicht mehr auf die Verletzung des Transparenzgebots berufen könne, sofern es sich um eine für den Durchschnittsverbraucher intransparente, für ihn jedoch verständliche Klausel handelt.338 Diese Ansicht ist mit den gleichen Argumenten, die bereits im Rahmen der europarechtlichen Grundlagen vorgebracht wurden, zu widersprechen. Insbesondere Beweisschwierigkeiten, sowie die Schwierigkeit der Definition eines berücksichtigungsfähigen Grades an über- oder unterdurchschnittlichen Kenntnissen, aber auch der Gedanke der Rechtssicherheit und Rationalisierung sprechen dagegen.339 Zur Erhaltung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen dem Gewerbetreibenden und dem 335 So für das deutsche Recht, Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 205; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn.  347; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 242. 336 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. b) aa). 337 BGH v. 24.22.1988, BGHZ 106, 42, 49; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 132, BGH v. 10.03.1993, NJW 1993, 2052, 2054 auf besondere Rechenschwächen komme es im Einzelfall nicht an; BGH v. 23.05.1995, NJW 1995, 2286, 2287. 338 Palandt/Grüneberg, § 310, Rn. 19; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 410; Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 45. 339 Vgl. 2. Teil Kapitel 3. A III 2. b. bb).

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Verbraucher ist daher eine Berücksichtigung der individuellen intellektuellen Fähigkeiten im Rahmen von Standardverträgen grundsätzlich nicht geboten. Schließlich ist allein die Transparenz der betreffenden Bestimmung und gerade nicht der individuelle intellektuelle Wissenstand des Vertragspartners für die Wirksamkeit einer Klausel maßgeblich.340 3. Transparenz in formeller und materieller Hinsicht Die deutsche Rechtsprechung geht wie der EuGH341 von einem umfassenden Verständnis des Transparenzgebots aus.342 Es genügt demnach nicht, dass eine Klausel in ihrer Formulierung klar und verständlich ist. Vielmehr ist es nach Treu und Glauben geboten, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastun­gen ohne Einholung von Rechtsrat so weit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne.343 In der Literatur344 werden die Transparenzanforderungen in folgende Fallgruppen oder Anwendungsschwerpunkte unterteilt, die auf eine Systematisierung von Heinrichs345 zurückgehen: Das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot zielt auf eine klare und durchschaubare Darstellung der Rechte und Pflichten des Vertragspartners ab. Mit der zweiten Fallgruppe, dem Bestimmtheitsgebot, soll sichergestellt werden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung so genau konkretisiert sind, dass sich für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume ergeben. Durch das Irreführungsverbot als dritte Kategorie soll der Vertragspartner davor geschützt werden, dass der AGBVerwender die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt. Allerdings ist diese Einteilung keineswegs endgültig oder frei von Überschneidungen.346 Vielmehr sind die Übergänge fließend, wobei die Verletzung eines dieser Gebote immer

340 So auch Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  204; in diese Richtung auch Joppich, Die Kodifikation des Transparenzgebots in § 307 BGB, 115; Borges, Inhaltkontrolle von Verbraucherverträgen, 132. 341 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler u. a./OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C: 2014:282, Rn.  71; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 73. 342 Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3071; Fervers, EuZW 2014, 510, 512. 343 BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 08.10.1997, BGHZ 136, 394 Rn. 24; BGH v. 09.05.2001, BGHZ 147, 373, 377; BGH v. 24.03.1999, BGHZ 141, 137, 143; BGH v. 09.04.2001, BGHZ 200, 362 Rn. 37; BGH v. 28.05.2014, BGHZ 201, 271 Rn. 27. 344 Armbrüster, DNotZ 2004, 437; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 335; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 580; Kreienbaum, Transparenzgebot, 91; Oetker, JZ 2002, 337, 440; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253 ff.; Stoffels, AGB-Recht. 345 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 166. 346 Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 19; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58.

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Auswirkungen auch auf die Verständlichkeit der Klausel hat.347 Werden die durch eine Klausel entstehenden Nachteile durch die optische oder inhaltliche Ausgestaltung verschleiert, so verstößt das gegen das Irreführungs- und Täuschungsverbot; auf der anderen Seite hat dies aber auch Auswirkungen auf die Klarheit und Verständlichkeit der Klausel. Genauso haben unbestimmte Begrifflichkeiten negative Auswirkungen auf die inhaltliche Durchschaubarkeit einer Klausel. Im Klarheitsund Verständlichkeitsgebot werden folglich formale aber auch inhaltliche Aspekte zusammengefasst. Die Fallgruppe der Klarheit und Verständlichkeit ist damit viel zu umfassend konzipiert. Es ist daher sachgerechter der Differenzierung des EuGH348 zu folgen, der das Transparenzgebot in formelle und materielle Transparenzanforderungen unterteilt. Das formelle Transparenzgebot bezieht sich dabei auf die textliche Klarheit und Verständlichkeit, die sowohl durch die optische als auch durch sprachliche Gestaltung gestört sein kann. Innerhalb des materiellen Transparenzgebots ist auf eine inhaltliche Klarheit und Verständlichkeit der Klausel in Bezug auf die Rechte und Pflichten der beiden Vertragspartner zu achten, die sich auf der Grundlage der Vertragsbestimmungen ergeben.349 Dabei müssen die formellen und materiellen Anforderungen kumulativ vorliegen. Durch eine mangelnde formelle Transparenz kann bereits die Erfassung des inhaltlichen Sinngehalts und damit der objektiven Rechtslage beeinträchtigt sein. Auf der anderen Seite, kann der Vertragspartner, wie auch der EuGH festgestellt hat,350 auch bei einer textlich klaren Abfassung an der Erfassung der Tragweite der AGB-Regelung gehindert sein.351 IV. Schranken des Transparenzgebots 1. Praktikabilitätsvorbehalt Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen ohne Einholung von Rechtsrat so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Der BGH verlangt damit Transparenz nur im Rahmen des 347 Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 10.  348 Siehe 2. Teil Kapitel 3. A. III. 3.; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 71; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 73; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 48. 349 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 181 spricht ebenfalls von einem doppelten Bezugspunkt der Transparenz, der den Text sowie die objektive Rechtslage umfasst. 350 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 43. 351 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 181.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Möglichen und Zumutbaren.352 Dies lässt sich zum einen mit dem Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers begründen, der den Maßstab für die Transparenzkontrolle bildet. Dieser kann nur eine bestimmte Menge von Informationen sowie ein bestimmtes Maß an Komplexität verarbeiten. Gleichwohl kann von ihm ein gewisses Maß an Anspannung der eigenen Erkenntniskräfte erwartet werden, so dass Eindeutiges nicht erläutert werden braucht. Zudem darf das Transparenzgebot in Hinblick auf die Verfassungsrechte des Verwenders nicht überspannt werden. Weiterhin erfährt das Transparenzgebot eine Beschränkung vor allem durch sich selbst, weil umfangreiche Texterweiterungen die Gefahr der Intransparenz in sich bergen. Allzu detaillierte Regelungen können zu unübersichtlichen und nur schwer durchschaubaren Klauselwerken führen, die dem Informationsinteresse des anderen Vertragsteils keinen wesentlichen Nutzen mehr bringen, sondern ihm vielmehr abträglich sind und sogar in den Bereich der Irrführung abgleiten können.353 Eine Intransparenz der Klausel durch Überspannung der Transparenzanforderungen ist daher zu vermeiden.354 Darüber hinaus bestehen rechtliche und tatsächliche Konkretisierungsgrenzen, etwa sofern ein sachlich gerechtfertigter Ermessenspielraum des Verwenders bleiben soll oder eine abschließende Aufzählung bei kundenfeindlicher Auslegung zu Unvollständigkeiten führt. Tatsächliche Grenzen bestehen insbesondere bei Änderungsklauseln, sofern künftigen ungewissen Entwicklungen Rechnung getragen werden soll, da so eine klare Umschreibung der Voraussetzungen gerade schwierig ist.355 Der EuGH hat einen solchen Praktikabilitätsvorhalt des Transparenzgebots bisher nicht ausdrücklich festgestellt. Jedoch ist ausgehend von dem europäischen Transparenzmaßstab des „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ auch für das Transparenzgebot des Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL eine immanente Beschränkung auf das noch Praktikable erkennbar.356 2. Keine Pflicht zur Rechtserläuterung Im Einklang mit dem Transparenzgebot der Klauselrichtlinie,357 begründet nach der deutschen Rechtsprechung auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB keine Verpflichtung des AGB-Verwenders, die aus dem Vertragsverhältnis und dem Gesetz folgenden 352 BGH v. 03.03.2004, NJW 2004, 1738; BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 32 – Augsburger Stromvertrag; BAG v. 21.08.2012, NJW 2013, 410 Rn. 18. 353 BGH v. 21.06.1990, BGHZ 111, 388, 191; BGH v. 19.01.2005, BGHZ 162, 39, 45; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 38 – Augsburger Stromvertrag. 354 BGH v. 03.10.1993, NJW 1993, 2052, 2054; BGH v. 23.02.2005, BGHZ 162, 210 Rn. 8. 355 Vgl. mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 194–197. 356 Vgl 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 1.  357 Siehe 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 2. a).

Kap. 3: Grundlagen

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Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ausdrücklich oder vollständig zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren.358 Der Verwender ist nicht dazu verpflichtet, „jede Klausel gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen.“359 Es obliegt folglich dem Verbraucher selbst, sich über die gesetzliche Rechtslage Klarheit zu verschaffen. Dadurch wird dem durch das Transparenzgebot bezweckten Schutz des Verbrauchers einerseits und dem Verantwortungsprinzip als Ausfluss des Leitbildes eines mündigen Verbrauchers hinreichend Rechnung getragen. Vor allem wird so eine zu einer möglichen Informationshypotrophie führende Umfangserweiterung der AGB gerade verhindert. Sofern Hinweispflichten über bestimmte Rechtsfolgen bestehen, sind diese in § 309 Nr. 8 lit. b bb, Nr. 11 l it. a, Nr. 12 lit. b BGB sowie § 308 Nr. 3, 5 lit. b BGB gesetzlich normiert.360 Darüber hinaus lässt sich ein Informationsgebot aus § 307 BGB dann herleiten, wenn der andere Vertragsteil ein besonderes Informationsinteresse hat. Entscheidend ist, ob der Vertragspartner nach Treu und Glauben auf seine sich aus den AGB ergebenden Rechte ausdrücklich hingewiesen werden muss, deren Kenntnis von ihm nicht erwartet werden kann.361 Zudem kann sich eine Informationspflicht ergeben, wenn eine Klausel dazu geeignet ist, beim Vertragspartner einer Fehlvorstellung zu begründen und ihn an der Durchsetzung seiner Rechte zu hindern.362

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den Ausführungen zu den europarechtlichen Grundlagen der Transparenzkontrolle von Preisänderungsklauseln und ihrer Anwendung in der nationalen Rechtsprechung lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für die Transparenzanforderungen ziehen, die an Preisänderungsklauseln im Allgemeinen zu stellen sind. I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Art. 5 S. 1 RL sowie Art. 4 Abs. 2 RL wurden hinreichend in den § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und § 307 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 307 Abs. 1, S. 2, 1 BGB umgesetzt, wobei bei letzterer Norm Art. 4 Abs. 2 RL als autoritative Lesehilfe heranzuziehen 358 BGH v. 14.05.1996, BGHZ 133, 25, 32; BGH v. 05.11.1998, NJW 1999, 276, 277; BGH v. 22.03.2000, NJW 2000, 2103, 2106; BGH v. 16.04.2010, WM 2010, 1861 Rn. 18; BGH v. 09.06.2011, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 44; BGH v. 8.11.2012, WM 2014, 132 Rn. 19; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 19 – Augsburger Stromvertrag. 359 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115 Rn. 18. 360 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 256. 361 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 257. 362 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 16, 19 – Augsburger Stromvertrag.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

ist. Darüber hinaus ist das Transparenzgebot im deutschen AGB-Recht insofern weitreichender verankert, als sich Ausprägungen von diesem auch in den §§ 305 Abs.  2 Nr.  2  BGB sowie  305  c  Abs.  1,  2  BGB und in den Klauselverboten der §§ 308,  309  BGB finden. Dabei ergeben sich insbesondere Überschneidungen zwischen den Transparenzanforderungen bei der Einbeziehungskontrolle und dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Während das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie aufgrund der Systematik und des Telos im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH als eine eigenständige, in Art. 5 S. 1 RL separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit zu verstehen ist, stellt das deutsche Transparenzgebot eine spezifische Form der unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Dadurch ergeben sich im Ergebnis jedoch insofern keine Unterschiede, als sich eine unangemessene Benachteiligung regelmäßig bereits aus der Intransparenz ergibt. Auch die deutsche Rechtsprechung knüpft wie der EuGH zur Bestimmung der Transparenz an das Verbraucherleitbild des „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ der jeweiligen Vertragsart an. Dabei stimmen die Anforderungen, die an den Verständnishorizont von diesem gestellt werden, mit der lauterkeitsrechtlichen Judikatur des EuGH überein, die auf das Verbraucherleitbild der Klauselkontrolle übertragen werden kann. Dieser abstrakt-generelle Kontrollmaßstab wird i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL durch die den Vertragsschluss begleitende Umstände gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergänzt, so dass die im deutschen Recht angewandte Kombinationslösung nicht gegen die Klauselrichtlinie verstößt. Im Rahmen der Transparenzkontrolle muss sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch nach der nationalen Rechtsprechung die während der Vertragsverhandlungen erfolgte Individualaufklärung berücksichtigt werden. Der BGH lässt die Berufung auf schriftliche oder mündliche Erläuterungen allerdings nur im Individualverfahren zu. Dies ist insofern im Einklang mit der Klauselrichtlinie, als eine individuelle Aufklärung gemäß Art. 4 Abs. 1 RL i. V. m. Art. 7 Abs. 2 RL ebenfalls im Verbandsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Darüber hinaus widerspricht eine Berücksichtigung schriftlicher, im Rahmen der Aushandlungen bereitgestellten Informationen, sofern ihre Verfügbarkeit für jeden Verbraucher gewährleistet ist, auch im Verbandsverfahren nicht der Rechtsprechung des EuGH und ist zu befürworten. Andernfalls käme es zu allzu strengen Unterlassungsverfahren. Aufgrund der Bindungswirkung der Judikatur des EuGH ist folglich eine Lockerung der Rechtsprechung des BGH in Hinblick auf die Berücksichtigung von schriftlichen, außerhalb des Klauselwerks liegenden Zusatzinformationen im Verbandsverfahren geboten. Wie im deutschen Schrifttum vertreten, können jedoch mündliche Erläuterungen die Intransparenz von die Abwicklung des Vertrages regelnden Klauseln nicht heilen. Dies entspricht Art. 5 S. 1 RL, der „stets“ die Klarheit und Verständlichkeit der Vertragsbedingungen fordert. Im Übrigen ist die Berücksichtigung von über- oder unterdurchschnittlichen Kenntnissen des konkreten Verbrauchers im Rahmen von Standardverträgen sowohl nach der Klausel-

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richtlinie als nach deutschen Judikatur grundsätzlich unbeachtlich. Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ist von einem umfassenden Verständnis des Transparenzgebots auszugehen, das in formelle und materielle Transparenzanforderungen untergliedert werden kann. Während das Transparenzgebot dabei in der deutschen Rechtsprechung unter dem Praktikabilitätsvorbehalt steht, hat sich der EuGH zur Transparenz im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bisher noch nicht geäußert. Allerdings ergibt sich auch im Rahmen der Klauselrichtlinie aufgrund des Maßstabs des angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und der Tatsache, dass die Überspannung der Transparenzanforderungen die Gefahr der Intransparenz durch eine Informationsüberflutung in sich birgt, ein Praktikabilitätsvorbehalt für das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie. Darüber hinaus begründet das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie, obwohl der EuGH in seiner neuen Rechtsprechung einen gesteigerten Wert auf eine umfassende Verbraucherinformation legt, im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung keine positiven Informationspflichten über alle aufgrund des Vertragsverhältnisses und der geltenden Rechtslage ergebenden Rechte und Pflichten gegenüber dem Verbraucher. Die Klauseln müssen so transparent formuliert werden, dass die wesentlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen einer Klausel hinreichend klar und verständlich vor Augen geführt werden. Lediglich für den Fall, dass die Wirkung einer Klausel durch bindende Rechtsvorschriften bestimmt wird und die Klausel anderenfalls missverständlich ist, ist ihr Inhalt in der betreffenden Klausel wiederzugeben Trotz der grundsätzlichen Übereinstimmungen zwischen der europäischen und der deutschen Judikatur, ist die jüngste Rechtsprechung des EuGH nicht bedeutungslos. Der EuGH hat vielmehr die Grundlagen der Transparenzkontrolle harmonisiert. Er hat eine wesentliche Unterscheidung zwischen Preisklauseln, die nur der Transparenzkontrolle unterliegen und Preisänderungsklauseln getroffen, die einer Inhaltkontrolle vollumfänglich unterliegen. Zudem hat er durch das Verbraucherleitbild eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Vertragsaushandlungen bereitgestellten Informationen einen Mindestmaßstab für die unionsweite Transparenzkontrolle definiert. Ferner hat der EuGH die Bedeutung des Transparenzgebots insofern gestärkt, als er von einem weiten Verständnis dieses Grundsatzes ausgeht. Die Rechtsprechung des EuGH hat insofern zu einem beträchtlichen Angleichungsschub geführt. II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen In Übereinstimmung mit der Klauselrichtlinie bestimmt sich die Transparenz von Preisänderungsklauseln nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie unterliegen als Preisnebenabreden nicht § 307 Abs. 3 BGB bzw. Art. 4 Abs. 2 RL. Dies gilt auch für Preisänderungsklauseln, die kraft Verweisung eine für eine bestimmte Vertragskatego-

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Teil 2: Transparenzkontrolle

rie vorgesehene gesetzliche Änderungsregelung auf eine andere Vertragskategorie übertragen. Aufgrund eines umfassenden Verständnisses des Transparenzgebots muss die zu beurteilende Preisänderungsklausel dabei nicht nur grammatikalisch und formell hinreichend transparent sein, sondern auch im materiellen, inhaltlichen Sinne, die Folgen einer Preisänderung dem Vertragspartner klar vor Augen führen. Als Maßstab ist hier auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Vertragsart abzustellen, wobei schriftliche, bis zum Vertragsschluss erfolgte Erläuterungen ergänzend zur Beurteilung der Transparenz im Individualverfahren sowie im Verbandsverfahren, sofern ihre Verfügbarkeit sichergestellt ist, heranzuziehen sind. Der Verbraucher soll die aus der Preisänderungsklausel resultierenden Folgen möglichst mühelos und ohne weitere Erläuterungen verstehen. Da Preisänderungsklauseln insbesondere in Dauerschuldverhältnissen mit einer längerfristigen Festlegungswirkung oder Verträgen über Suchgüter vorkommen, kann von ihm eine sorgfältige Beschäftigung mit den Vertragsbedingungen erwartet werden. Auf der anderen Seite sind an preismodifizierende Klauseln aufgrund ihrer gegebenenfalls schwerwiegenden Folgen und der Bedeutung der Preisbestimmung für die Abschlussentscheidung hohe Transparenzanforderungen zu stellen. Das Transparenzgebot steht dabei unter einem Praktikabilitätsvorbehalt. Ferner ergeben sich aus dem Transparenzgebot keine allgemeinen Rechtserläuterungspflichten. Lediglich für den Fall, dass sich die Voraussetzungen für eine Preisänderungsbefugnis oder die sich daraus für einen Verbraucher ergebenden Rechte und Pflichten aus dem Gesetz ergeben, ist ihr Inhalt in der Preisänderungsklausel wiederzugeben. Anderenfalls werden Anlass und Modus der Preisänderung nicht hinreichend transparent dargestellt. Kapitel 4

Formelle Transparenz A. Europarechtliche Vorgaben Der EuGH fordert unter anderem eine Verständlichkeit „in formeller und grammatikalischer Hinsicht“. Da er diese Anforderungen bisher nur in einem sehr geringen Umfang konkretisiert hat, wird nachstehend untersucht, wie Klauseln in formeller (I.) und grammatikalischer Hinsicht (II.) ausgestaltet werden müssen, um dem Transparenzgebot der Klauselrichtlinie standzuhalten. I. Verständlichkeit in formeller Hinsicht Unter Verständlichkeit in formeller Hinsicht ist die optische Gestaltung der Vertragsbedingungen zu verstehen. Insbesondere die in Erwägungsgrund Nr. 20 der Präambel und Nr. 1 lit. i des Anhangs der RL geforderte tatsächliche Möglichkeit

Kap. 4: Formelle Transparenz

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der Kenntnisnahme kann nur gewährleistet werden, wenn die Klauseln nach ihrer optischen und drucktechnischen Gestaltung lesbar sind.363 Dies lässt den Schluss zu, dass sowohl die einzelnen Klauseln als auch das gesamte Klauselwerk optisch so transparent ausgestaltet sein müssen, dass der Verbraucher den Inhalt der Klausel ohne größere Schwierigkeiten vollumfänglich erfassen kann. Die Lesbarkeit einer Klausel kann bereits durch einen unverhältnismäßigen Umfang beeinträchtigt sein. Rechtsaktübergreifend lässt sich aus anderen Richtlinien364 eine Pflicht zur Prägnanz entnehmen, die unübersichtliche und übermäßig lange Ausführungen verbietet.365 Das Transparenzgebot trägt in sich die Gefahr der Intransparenz durch allzu große Erweiterungen des Textumfangs. Ein durchschnittlich aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher kann schließlich nur eine bestimmte Menge an Informationen vollständig aufnehmen und verarbeiten. Art.  4  Abs.  1  RL verlangt zudem, dass bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit alle anderen Klauseln desselben Vertrages berücksichtigt werden.366 Da Art. 4 Abs. 1 RL auch auf die Beurteilung der Transparenz angewendet werden kann,367 sind bei der Kontrolle der Transparenz einer Klausel auch die anderen Klauseln des gesamten Vertragswerks einzubeziehen. Ein Verhältnis zwischen inhaltlich zusammenhängenden Klauseln kann allerdings nur hergestellt werden, wenn sie in räumlicher Nähe zueinander dargestellt sind.368 Eine gedankliche Verknüpfung von räumlich weit entfernten Klauseln kann von einem angemessen verständigen Durchschnittsverbraucher dagegen nicht verlangt werden. In der Rechts­sache Kásler forderte der EuGH, dass das Verhältnis zwischen zusammenhängenden Klauseln in transparenter Weise dargestellt wird, so dass der Verbraucher die sich ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen vorhersehen könne.369 Dies setzt in formeller Hinsicht eine optisch klare und verständliche Gliederung der einzelnen Klauseln sowie des Gesamtwerks voraus.370 Die Unterbringung einer Klausel an versteckter Stelle, zum Beispiel unter einer inhaltlich falschen oder irreführenden 363 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 143; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 14. 364 Exemplarisch Art. 4 Abs. 2 Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG fordert die Angabe des effektiven Jahreszinses; Anhang II zur Richtlinie über Lebensversicherungen 2002/83/EG fordert „eindeutige“ Informationen. 365 Fleischer, ZEuP 2000, 772, 787 sieht das Merkmal der „Griffigkeit“ als ein allen gemeinschaftlichen Informationspflichten immanentes Merkmal an. 366 EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn.  40 f.; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 55. 367 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1.  368 Armbrüster, in: Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 167. 369 EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73 fordert das Verhältnis einer Klausel „zu den Verfahren, die andere Klauseln über die Auszahlung des Darlehens vorschreiben“, hinreichend transparent dargestellt ist; Bestätigung in EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41. 370 Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 167; Wolf/Lin­ dacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 15.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Überschrift oder einem inhaltlich falschem Themenkomplex, kann dagegen zur Intransparenz führen. In dem Fall Matei bemängelte der Gerichtshof die Transparenz einer Klausel, die den Anspruch der Bank auf eine Risikoprovision für die Einräumung des Darlehens begründete, obwohl der Bank bereits eine Hypothek als Sicherheit gewährt worden war. Der Umstand, dass die besagte Klausel, die zuvor mit dem Titel „Risikoprovision“ überschrieben war, auf Wunsch des Kreditgebers mit dem Titel „Verwaltungsprovision“ versehen werden sollte, ohne dass ihr Inhalt verändert werden sollte, bestätige, nach Ansicht des EuGH, die Intransparenz der Klausel.371 Ebenso darf sich die Wirkung einer Klausel, wie in der Entscheidung Kásler der preiserhöhende Effekt einer Regelung, nicht erst aus dem Zusammenspiel zweier Klauseln ergeben, deren Zusammengehörigkeit nicht hinreichend erkennbar ist.372 Folglich sind Preisänderungsklauseln mit einer eigenen Überschrift zu betiteln sowie in räumlicher Nähe zu Regelungen betreffend den Preis zu verorten. Ebenso sind alle zur Preisänderung in Verbindung stehenden Regelungen in räumlicher Nähe zueinander zu platzieren. II. Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht Neben der formellen Verständlichkeit soll Verständlichkeit auch in grammatikalischer Hinsicht gewährleistet werden. Diese Forderung betrifft die sprachliche Gestaltung der Klauseln und des Klauselwerks, die neben der grammatikalischen Richtigkeit auch eine syntaktische Verständlichkeit verlangt. Dabei ist die Verwen­ dung eines einfachen, knappen Satzbaus, der dem Verbraucher eine rasche Informationsverschaffung ermöglicht, auch aufgrund der oben genannten Pflicht zur Prägnanz zu bevorzugen.373 Lange, verschachtelte und komplizierte sowie mehrdeutige Satzkonstruktionen sind dagegen zu vermeiden. Im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung ist es allerdings problematisch, in welcher Sprache die AGB abzufassen sind. Ferner ist klärungsbedürftig, inwiefern Fachtermini Verwendung finden dürfen oder auf Rechtsnormen bezuggenommen werden darf, da ein normal informierter, angemessen verständiger Durchschnittsverbraucher, ohne spezielle Fach- oder Rechtskenntnisse Maßstab für die Transparenzkontrolle ist.

371

EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 77. 372 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 22–24, 73. 373 Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163, 167.

Kap. 4: Formelle Transparenz

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1. Vertragssprache Aus dem Merkmal „verständlich“ sowie Erwägungsgrund Nr. 20, der eine tatsächliche Kenntnisnahmemöglichkeit voraussetzt, kann hergeleitet werden, dass eine Klausel in einer Sprache abgefasst sein muss, die der Verbraucher versteht.374 Zwar soll die Richtlinie zu einer Förderung des Binnenmarktes beitragen, jedoch folgt aus dem Transparenzgebot nicht die Pflicht des Gewerbetreibenden sein Klauselwerk in alle EU-Sprachen übersetzen zu lassen.375 Während andere Richtlinien Angaben zur Vertragssprache enthalten,376 enthält die Klauselrichtlinie hierzu keine Regelung. Das bedeutet, dass die Parteien nicht verpflichtet werden, die Klauselbestimmungen in einer bestimmten Sprache, wie der Muttersprache oder der Sprach des Aufenthaltsortes des Verbrauchers abzudrucken.377 Es genügt, wenn das Klausel­ werk in einer für den Vertragspartner verständlichen Sprache abgefasst wird. Grundsätzlich kann jedoch auf die jeweilige Vertrags- oder Verhandlungssprache abgestellt werden.378 Haben die Parteien bei Vorverhandlungen oder Formulierung des Vertrages eine bestimmte Sprache genutzt, sind die Klauselbestimmungen in derselben Sprache zugänglich zu machen. Fraglich ist allerdings, inwiefern der Verwender das Sprachrisiko trägt. Die Sprachproblematik kann als Unterfall einer unterdurchschnittlichen Verständnismöglichkeit betrachtet werden.379 In Anlehnung an das oben Gesagte können Individualumstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL im Rahmen von Standardverträgen nur auf einer zweiten Stufe ergänzend Berücksichtigung finden. Wie jedoch oben erläutert worden ist,380 ist der individuelle Verständnishorizont des konkreten Verbrauchers unbeachtlich. Es ist die abstrakt-generelle Betrachtung anhand eines „angemessen verständigen“, d. h. sprachlich ausreichend kompetenten, Durchschnittsverbrau 374

Reich, NJW 1995, 1857, 1860; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 14, 20; Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 223, 243; Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 59. 375 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 175; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 213 f.; Max Plank Institut, RabelsZ 75 (2011), 371, 433; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 86, 132; a. A. Jansen, ZEuP 2010, 69, 88. 376 Vgl. exemplarisch Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 1 der Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG; Anhang III zur Richtlinie über Lebensversicherungen 2002/83/EG; Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 97/489/ EG; Art. 13 I c Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung; Art. 6 Abs. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL; ausführliche Darstellung mit weiteren Beispielen bei Kummer, Sprachprobleme und Sprachrisiken, 229. 377 Howells/Marten/Wurmnest, in Vogenauer/Dannemann (Hrsg.), The common European sales law in context, 190, 194; Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 53, 587; Kummer, Sprachprobleme und Sprachrisiken, 228 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien im Europäischen Vertragsrecht, 284. 378 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  213 f.: MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 63; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 86; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 282; Max Plank Institut, RabelsZ 75 (2011), 371, 434. 379 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 352. 380 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. b).

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chers maßgeblich.381 Bei gezielten grenzüberschreitenden Verträgen in grenznahen Regionen oder Verwendung von einheitlichen AGB in der gesamten Europäischen Union kann daher von dem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er das Klauselwerk in der Sprache des jeweiligen Ziellandes verfasst.382 Individuelle Sprachdefizite des Verbrauchers bei der Missbrauchskontrolle sind dagegen grundsätzlich unbeachtlich. Zwar könnte man eine Übersetzungs- und Hinweispflicht des Gewerbetreibenden, sofern er lediglich im Inland agiert, bei evidenten Sprachschwierigkeiten des Verbrauchers bejahen,383 wobei auch die Bedeutung und Tragweite des Vertrages zu berücksichtigen ist.384 Das Sprachrisiko besteht aber bereits unabhängig von der Verwendung von AGB, so dass diese Risiko nicht dem Verwender zugemutet werden darf.385 Wer sich mit einem ausländischen Verkäufer Kontakt aufnimmt, trägt auch eine gewisse Selbstverantwortung.386 Eine bessere Lösung zur Bewältigung von evidenten Sprachschwierigkeiten kann über vorvertragliche Aufklärungspflichten mit Rechtsfolge des Schadensersatzes oder die Anfechtbarkeit wegen Irrtums oder Täuschung statt über die Unverbindlichkeitsfolge i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL erreicht werden.387 2. Fachsprache Eine weitere Problematik im Rahmen der sprachlichen Gestaltung einer Klausel besteht darin, ob Fachbegriffe verwendet werden können. Der EuGH hat sich bislang nicht zu dieser Problematik geäußert. Die englische Fassungen, die von einer 381 Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 593; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 286. 382 Tenreiro/Karsten, in Schulte-Nölke/Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, 223, 243; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 213 f.; Jansen, ZEuP 2010, 69, 88; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 20; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 309; a. A. Micklitz/Rott in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn.  294 Verwender trägt Verantwortung dafür, dass Verbraucher das Vertragswerk in seiner Muttersprache erhält. 383 Reich, NJW 1995, 1857, 1861; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 352; Micklitz/Rott in Dauses (Hrsg.), EU-Wirtschaftsrecht, Verbraucherschutz (Oktober 2013) Rn. 294 wenn dem Verwender „Umstände bekannt oder hätte sie ihm bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein müssen.“ 384 Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2197; zustimmend Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 214; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn. 26. 385 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 353. 386 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 286; Howells/Marten/Wurmnest, in Vogenauer/Dannemann (Hrsg.), The common European sales law in context, 190, 206. 387 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 352; Howells/Marten/Wurmnest, in Vogenauer/Dannemann (Hrsg.), The common European sales law in context, 190, 206; Kling, Sprachrisiken im Privatverkehrsrecht, 594.

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„plain intelligible language“ spricht, sowie die spanische Fassung deuten auf eine Formulierung der Klauseln in einer für einen juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher verständlichen Alltagssprache hin.388 Zudem verlangt Art. 5 Abs. 1 RL, dass Klauseln stets aus sich heraus klar und verständlich sind. Demnach ist die Verwendung einer Alltagssprache und Ermittlung der Bedeutung ausgehend von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch erforderlich. Jedoch darf neben dem Verständlichkeitsgebot auch das Klarheitsgebot nicht vernachlässigt werden. Das Gebot der Klarheit verlangt ein gewisses Maß an Präzision und Prägnanz, damit eine rasche Informationsverschaffung gewährleistet werden kann. Umschreibungen und Erläuterungen von bestimmten Fachbegriffen können dagegen zu Ungenauigkeiten sowie zu einer transparenzfeindlichen Umfangserweiterung führen. Oft kann die notwendige Klarheit gerade nur durch Verwendung von bestimmten termini technici gewährleistet werden.389 Diese beiden Anforderungen gilt es bei der Verwendung von Fachbegriffen in Einklang zu bringen.390 Folglich sind Vertragsbedingungen grundsätzlich in einer am Durchschnittsverbraucher orientierten Alltagssprache zu verfassen. Fachbegriffe sind lediglich, wo es für die Prägnanz der Klausel erforderlich ist, zu verwenden. Sofern AGB auf den europäischen oder grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ausgerichtet sind und das Vertragsstatut nicht das Heimatrecht des Verbrauchers ist, ist eine verstärkte Vermeidung von Fachausdrücken sowie strengere Aufklärungspflichten bei unvermeidbarer Verwendung von nicht unionsweit allgemeinverständlichen Begriffen im Besonderen geboten.391 3. Bezugnahme auf Rechtsnormen ohne Wiedergabe ihres Inhalts Im RWE-Urteil führte der EuGH aus, dass der Gewerbetreibende durch Verweisung auf § 4 AVBGasV in AGB mit Sondervertragskunden, aufgrund dessen die nationale Rechtsprechung den Gasversorgungsunternehmen ein einseitiges Preisänderungsrecht zuspricht, seiner Pflicht, Anlass und Modus der Änderung sowie die Möglichkeit einer Kündigung hinreichend klar und verständlich darzustellen, nicht nachgekommen sei. Maßgeblich sei nämlich, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher über den Inhalt der betreffenden Bestimmungen unterrichtet.392 Es ist denkbar, aus dieser Feststellung den Schluss zu ziehen, dass der EuGH Verweisungen auf Rechtsvorschriften grundsätzlich für nicht hinreichend transparent 388

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 11. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 12; Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbrau­ cherverträgen, 361. 390 So auch Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 216. 391 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  216; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 13. 392 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 50. 389

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hält, sofern der Verbraucher nicht über den Inhalt der Rechtsnorm unterrichtet wird. Andererseits könnte lediglich der Verweis auf § 4 AVBGasV nicht klar und verständlich sein, da diese Norm – wie der EuGH in der Rechtssache Schulz festgestellt hat393 – keinerlei Bestimmungen zu Voraussetzungen und Modus der Preisänderung enthält.394 Zudem bestand im Fall RWE die Besonderheit, dass die AVBGasV auf Sonderkunden überhaupt nicht anwendbar war. Eine übereilte Herleitung eines grundsätzlichen Verbots von Verweisungen auf Gesetzesbestimmungen in AGB aus dieser Entscheidung ist daher nicht sachgerecht.395 Die Frage, ob Verweisungen auf Rechtsvorschriften in AGB hinreichend transparent sind, ist daher zu untersuchen. Die Richtlinie fordert in ihrem Erwägungsgrund Nr. 20 und in Nr. 1 lit. i des Anhangs der RL eine Kenntnisnahmemöglichkeit durch den Verbraucher und beurteilt die Transparenz bereits bei Vertragsschluss. Bei einem Verweis kann der Verbraucher, wie auch bei der Verwendung von Fachtermini, seine Rechte und Pflichten dagegen nicht bereits bei Vertragsschluss vollständig aus dem Klauselwerk entnehmen, es sei denn, er kennt die betreffende Rechtsvorschrift, wovon bei einem juristischen Laien als Durchschnittskunde nicht auszugehen ist. Folglich ist grundsätzlich eine klare und verständliche Unterrichtung über den Inhalt der Verweisnorm zu fordern. Dies ist besonders dann unumgänglich, wenn Normen durch Verweis für anwendbar erklärt oder abbedungen werden, wie es in der Entscheidung RWE der Fall war. Andernfalls werden die Tragweite der Klausel und ihre wirtschaftlichen Folgen dem Durchschnittsverbraucher als juristischer Laie nicht hinreichend deutlich vor Augen geführt. Darüber hinaus könnte in Ausnahmefällen, die der Gerichtshof in weiteren Entscheidungen zu konkretisieren hat, eine Befreiung von der Unterrichtung über den Inhalt der Verweisnorm in Betracht kommen. Vor allem Verweise auf deklaratorische Vorschriften, die gemäß Art. 1 Abs. 2 RL nicht der Missbräuchlichkeitskontrolle unterliegen, erscheinen als zulässig, ohne dass der Verbraucher über den Inhalt unterrichtet werden müsste. Das Transparenzgebot enthält, wie oben aufgezeigt, keine Verpflichtung des Gewerbetreibenden den Verbraucher über jegliche gesetzliche Rechte und Pflichten zu informieren. Bei einem Verweis auf deklaratorische Vorschriften handelt es sich gerade um eine solche zusätzliche Information.396 Ferner ist eine transparenzfeindliche Erweiterung des Textumfangs durch Wiedergabe von solchen Vorschriften zu vermeiden. Lediglich für den Fall, dass die Wirkung einer Klausel durch bindende Rechtsvorschriften bestimmt wird und die Klausel anderenfalls missverständlich ist, ist ihr Inhalt im Einklang mit der 393 EuGH v. 23.10.2014, verb. Rs. C- 359/11 und C-400/11 (Schulz u. a./Technische Werke Schussental u. a.), ECLI:EU:C:2014:2317, Rn. 48. 394 Vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 77 f. 395 MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 59. 396 Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 87; so auch Mankowski, NJW 2016, 2705, 2708 der bei einer Rechtswahlklausel den Verweis auf Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO genügen lassen möchte.

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Entscheidung in den Rechtssachen Invitel und Verein für Konsumenteninformation in der betreffenden Klausel wiederzugeben. Im Rahmen von Preisänderungsklauseln besteht nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Invitel eine Unterrichtungspflicht, sofern bestimmte Gesichtspunkte des Modus der Änderung des Entgelts in bindenden Rechtsvorschriften i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL aufgeführt sind oder diese Vorschriften das Recht des Verbrauchers vorsehen, den Vertrag zu beenden. Nur dann sind Anlass und Modus der Preisänderung hinreichend transparent dargestellt. III. Zusammenfassung der formellen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln nach der Klauselrichtlinie Damit eine Preisänderungsklausel hinreichend transparent ist, muss sie in formeller und grammatikalischer Hinsicht hinreichend verständlich sein. Dies bedeutet zum einen, dass die Systematik einzelner Klauseln als auch des gesamten Klauselwerks optisch so transparent ausgestaltet sein muss, dass der Verbraucher den Inhalt der Klausel ohne größere Schwierigkeiten vollumfänglich erfassen kann. Insbesondere die Zusammengehörigkeit von inhaltlich zusammenhängenden Klauseln muss deutlich erkennbar sein sowie eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Überschrift und dem darunter folgenden Klauselinhalt bestehen. Folglich sind Preisänderungsklauseln mit einer eigenen Überschrift im Klauselwerk ausreichend kenntlich zu machen sowie in räumlicher Nähe zu Regelungen betreffend den Preis zu verorten. Die Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht bezieht sich auf die sprachliche Gestaltung einer Klausel. Dies umfasst unter anderem die Frage nach der Vertragssprache. Allerdings ist kein Bereithalten der AGB in allen Sprachen der Mitgliedsstaaten erforderlich. Grundsätzlich genügt es, das Klauselwerk in der Vertrags- oder Verhandlungssprache abzufassen. Da auf einen angemessen verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, sind über- und unterdurchschnittliche Sprachkenntnisse des Verbrauchers unbeachtlich. Der Verbraucher trägt grundsätzlich das Sprachrisiko. Im Allgemeinen sind Preisänderungsklauseln in einer an der Alltagssprache ausgerichteten Ausdrucksweise zu formulieren. Auf Fachausdrücke ist dabei soweit wie möglich zu verzichten, sofern dadurch nicht die Prägnanz und Präzision der Klauselfassung leidet. Ebenso ist auf Verweisungen aufgrund der erforderlichen Kenntnisnahmemöglichkeit bei Vertragsschluss weitestgehend zu verzichten oder der Verbraucher über ihren Inhalt zu unterrichten. Dies ist insbesondere erforderlich, wenn Normen durch Verweis für anwendbar erklärt oder abbedungen werden, da der Verbraucher anderenfalls ihren Regelungsgehalt nicht erfassen kann. Verweisungen auf deklaratorische Normen sind dagegen insofern möglich, als den Gewerbetreibenden gerade keine umfassende Rechtsbelehrungspflicht trifft und transparenzfeindliche Umfangserweiterungen zu vermeiden sind.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Im Rahmen von Preisänderungsklauseln besteht nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Invitel eine Unterrichtungspflicht, sofern bestimmte Gesichtspunkte des Modus der Änderung des Entgelts in bindenden Rechtsvorschriften i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL aufgeführt sind oder diese Vorschriften das Recht des Verbrauchers vorsehen, den Vertrag zu beenden. Anderenfalls sind Anlass und Modus der Preisänderung nicht hinreichend transparent dargestellt.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Auch in der deutschen Rechtsprechung wird eine „Verständlichkeit in formeller (I.) und grammatikalischer Hinsicht“ (II.) gefordert. I. Verständlichkeit in formeller Hinsicht Im Einklang mit der Klauselrichtlinie ist in der deutschen Rechtsprechung anerkannt, dass die Transparenz eine Klausel bereits durch die optische Gestaltung einer Bestimmung innerhalb des Klauselwerks beeinträchtigt werden kann: Berührungspunkte entstehen hier zur Einbeziehungskontrolle, als diese die Lesbarkeit des Klauselwerks garantieren soll, während das Transparenzgebot unter anderem eine übersichtliche äußere Gestaltung der einzelnen Klauselinhalte fordert.397 Ausgehend von einem durchschnittlich verständigen Verbraucher, der nur eine bestimmte Menge an Informationen aufnehmen und verarbeiten kann, spielt dabei, wie im Rahmen der Klauselrichtlinie, bereits der Umfang der Klausel und des gesamten Klauselwerks eine entscheidende Rolle. Eine unangemessene Ausweitung des Textumfangs ist daher zu vermeiden.398 Ob der Umfang einer Klausel noch angemessen ist, bestimmt sich nach der Bedeutung des zugrunde liegenden Inhalts. Erscheint ein umfangreiches Regelwerk gerechtfertigt, ist eine durchschaubare Systematik des Klauselwerks durch Gliederung nach Themenkomplexen sowie Strukturierung nach Themenabschnitten mit sinngemäßen Überschriften herzustellen, die dem Verbraucher das Finden bestimmter Bedingungen erleichtert. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH im Fall Matei dürfen Klauseln nicht im Fließtext zwischen anderen Klauseln oder innerhalb von Gliederungspunkten oder Überschriften versteckt werden, die einen gänzlich anderen Regelungsgehalt haben.399 Eine Klausel hält den Transparenzanforderungen im Einklang mit der Entscheidung des EuGH im Fall Kásler auch nicht stand, wenn ein einheitlicher zusammengehörender Klauselinhalt im Vertragstext auf mehrere

397

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. II. 1.  BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 119. 399 LG Saarbrücken v. 27.03.2002, NJW-RR 2002, 915; LG Bonn v. 31.10.2006, CR 2007, 237, 238; OLG Hamm v. 15.08.2006, CR 750, 751. 398

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Absätze oder Klauseln verteilt wird, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind.400 Dies gilt umso mehr, je weniger der Regelungshalt den Erwartungen des Durchschnittskunden entspricht.401 In den Entscheidungen zur Verrechnung von Zinsund Tilgungsraten bei Annuitätendarlehen wurde die Bestimmung zur Berechnung von Darlehenszinsen für intransparent erklärt, weil sie die zinserhöhende Wirkung einer Regelung durch räumliche Trennung der Zinsberechnungsklausel und Tilgungsklausel verschleierte.402 Die zinssteigernde Wirkung dieser Verrechnungsmethode ergab sich erst aus dem Ineinandergreifen dieser Vorschriften. Diese Konsequenz durch Zusammenschau der Vorschriften zu erkennen, überfordere, nach Ansicht des BGH, den Durchschnittskunden. Der verursachte Zinserhöhungseffekt sei bereits aus der optischen Gestaltung des Klauselwerks durch Aufteilung in mehrere Klauseln oder Absätze nicht erkennbar.403 Dies war auch in der Rechtssache Kásler der Fall. Indem sich bei einem Fremdwährungsdarlehen die Gesamtkosten erst durch den Unterschied zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs erhöhten, war die preiserhöhende Wirkung für einen Durchschnittsverbraucher nicht hinreichend erkennbar. Das Bestehen eines Sachzusammenhangs muss für einen juristischen Laien bereits durch die optische Gestaltung deutlich erkennbar sein und sich ihm geradezu aufdrängen. Im Ergebnis kann daraus für Preisänderungsklauseln gefolgert werden, dass der preiserhöhende Effekt einer Klausel bereits durch die optische Gestaltung klar erkennbar sein muss. Eine Preisänderungsklausel darf nicht im Klauselwerk versteckt werden. Da eine mögliche Modifikation des Preises besonders ausschlaggebend für die Abschlussentscheidung des Verbrauchers ist, muss die Befugnis zur einseitigen Preisänderung durch eine geeignete Überschrift, wie z. B. „Preisänderungen“, „Preisanpassungen“ oder „Preisanpassungsklausel“ hinreichend im Klauselwerk hervorgehoben werden.404 Die dazu gehörenden Regelungen müssen in räumlicher Nähe zueinander im Klauselwerk formuliert sein.

400 BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1098; BGH v. 10.03.1993, NJW 1993, 2052, 2054; BGH v. 23.02.2005, NJW-RR 2005, 902, 903. 401 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118. 402 BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 50; BGH 01.02.1989, NJW 1989, 2267, 2268; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1098. 403 BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 50. 404 Zustimmend Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1868; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3604; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 570; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 336.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

II. Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht Neben der klaren optischen Gestaltung des Klauselwerks, ist auch eine sprachlich klare Ausgestaltung des Klauseltextes erforderlich. Fraglich ist daher, welche Anforderungen an die sprachliche Klarheit und Verständlichkeit einer Klausel zu stellen sind. 1. Vertragssprache Während die Problematik der Vertragssprache im Rahmen der Klauselrichtlinie der Transparenzkontrolle zuzuordnen ist, wird sie in der deutschen Rechtsprechung der Einbeziehungskontrolle untersucht. In Übereinstimmung mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie kann nach der Rechtsprechung des BGH von dem Verwender vorgefertigter Geschäftsbedingungen nicht verlangt werden, dass er diese in der Muttersprache des jeweiligen Kunden vorrätig halte. Maßgeblich ist vielmehr, dass die AGB in der von beiden Teilen verwendeten Vertrags- und Verhandlungssprache abgefasst sind.405 2. Fachsprache Für die sprachliche Ausgestaltung ist es von Bedeutung, inwiefern juristische und sonstige Fachbegriffe verwendet werden dürfen. Da die deutsche Rechtsprechung grundsätzlich auf einen Durchschnittsverbraucher, von dem keinerlei rechtliche Vorkenntnisse oder eine andere Art von Spezialkenntnissen erwartet werden können, abstellt,406 ist in Übereinstimmung mit der Klauselrichtlinie weitestgehend, ein einfacher Sprachstil und eine einfache Syntax zu verwenden407 und auf juristische Fachtermini und sonstige Fachausdrücke zu verzichten. Allerdings sind laut BGH Rechtsbegriffe des Gesetzes in AGB nicht grundsätzlich ausgeschlossen.408 So hielt er die Verwendung des Begriffs des „Fehlschlagens der Nachbesserung“409 im Rahmen eines Kaufvertrages oder auch die Beschränkung der Haftung auf „bei Vertragsschluss vorhersehbare und vertragstypische Schäden“410 oder den Begriff der „Wertminderung“411 für hinreichend transparent. Eine vollständige Benennung der darunterfallenden Fälle verlangt er nicht, da dies die Gefahr der Unvollständigkeit in sich berge und im Ergebnis auch weder möglich noch zumutbar sei. Das Trans 405

BGH v. 13.03.1983, BGHZ 87, 112, 114. Siehe 2. Teil Kapitel 3 B. III. 1. 407 So auch Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 227. 408 Vgl. auch Beispiele bei Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 Rn. 187, 199. 409 BGH v. 02.02.1994, NJW 1994, 1004, 1005. 410 BGH v. 18.07.2012, NJW 2013, 291 Rn. 45. 411 BGH v. 20.07.2005, NJW-RR 2005, 1496, 1504. 406

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parenzgebot wolle den Verwender nicht dazu verpflichten, jede AGB-Klausel mit einem umfassenden Kommentar zu versehen.412 Damit liegt es im Verantwortungsbereich des Verbrauchers sich entsprechende Kenntnisse zu verschaffen.413 Der BGH löst demnach diese Problematik im Einklang mit der Klauselrichtlinie: Grundsätzlich sind Klauseln, um dem Verständlichkeitsgebot gerecht zu werden, in einer klaren einfachen Alltagssprache zu formulieren. Die Verwendung einer unnötig juristischen Sprache ist dagegen zu vermeiden.414 Ausgehend von dem Verständnishorizont eines durchschnittlich verständigen Durchschnittsverbrauchers sind jedoch gängige Rechtsbegriffe hinreichend verständlich, die Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben. Je mehr dagegen der fachsprachliche Sinngehalt eines Fachbegriffs von dem allgemeinen Sprachgebrauch abweicht, umso unverständlicher ist dieser für den durchschnittlichen Verbraucher und hält den Transparenzanforderungen nicht stand.415 Das Bedürfnis Fachbegriffe zu verwenden, die keinen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben, ist abhängig vom jeweiligen Vertragstyp zu beurteilen. Je komplizierter die Geschäftstypen und Regelungsgegenstände sind, umso unvermeidbarer ist es, eine exakte technische Fachterminologie zu verwenden; sei es um eine komplexe Regelung hinreichend klar und bestimmt wiederzugeben oder durch lange Definitionen und Erläuterungen eine Überspannung des Klauselumfangs sowie Unvollständigkeiten zu verhindern. Insbesondere, wenn AGB einen rechtlich definierten Regelungsgegenstand zum Inhalt haben, sind entsprechende Fachtermini zur Wahrung der Klarheit einer Regelung geradezu unvermeidbar.416 In solchen Fällen wäre allerdings eine Erläuterung dieser Begriffe durch den Gewerbetreibenden denkbar. Bei Preisänderungsvorbehalten wird häufig das Änderungsrecht in das „billige Ermessen“ des Verwenders i. S. v. § 315 BGB gestellt. Hier ist auch für einen juristischen Laien verständlich, dass die Änderungsbefugnis nicht im freien Belieben des Unternehmers ist, sondern der Änderungsberechtigte hinsichtlich des Ausmaßes künftiger Preisänderungen Billigkeitsgrundsätzen unterliege.417 Je nachdem in welchen Verträgen Preisänderungsklauseln vorkommen, tritt die Terminologie aus anderen Fachbereichen, wie dem Banken-, Energie- oder Versicherungsbereich, hinzu. Sofern es sich nicht um dem Allgemeinwissen entsprechende Begrifflichkeiten handelt, bedürfen diese einer Erläuterung.

412

BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 119. Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 Rn. 196, 199. 414 OLG Karlsruhe v. 18.10.1985, NJW-RR 1986, 91, 92. 415 Exemplarisch BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11, 36 es kann nicht erwartet werden, dass der juristische Laie den von der Rechtsprechung verwendeten, jedoch in der Gesetzessprache unbekannten Begriff der „Kardinalpflichten“ kennt. 416 Zustimmend Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 160; Schwintowski, NJW 2003, 632, 637. 417 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag. 413

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3. Bezugnahme auf Rechtsnormen ohne Wiedergabe ihres Inhalts a) Allgemeines Während Verweise auf andere Klauselwerke oder sonstige Bezugsobjekte bereits an der Einbeziehungskontrolle scheitern, wenn sie dem Verbraucher nicht ausgehändigt werden, geht der BGH bei Verweisungen auf Rechtsnormen im Einklang mit der Klauselrichtlinie ähnlich wie bei der Verwendung von Fachbegriffen vor: Nach BGH sei die Verweisung auf andere Rechtsnormen „dem geltenden Recht nicht fremd und deshalb nichts Ungewöhnliches.“418 Vielmehr entsprechen Verweisungen dem Rationalisierungsinteresse des Verwenders und verhindern die Unübersichtlichkeit des Klauselwerks durch Überfrachtung mit Einzelheiten.419 Demnach ist es sachgerecht danach zu differenzieren, ob der Verwender ein berechtigtes Interesse an der Verwendung von Verweisungen hat oder es alternative Gestaltungsmöglichkeiten für ihn gibt und inwiefern eine zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit für den Verbraucher besteht.420 Ein berechtigtes Interesse ist zu verneinen, sofern Verweisungen auf Normen durch klare und unzweideutige Formulierung der Vorschrift hätten ersetzt werden können421 oder wenn die Normen, auf die verwiesen wird, nicht ohne weiteres zugänglich sind.422 Werden Normen durch Verweis auf diese in AGB für anwendbar erklärt oder abbedungen, so muss der Gesetzestext dem Verbraucher vollständig zur Verfügung gestellt werden, weil sich der Regelungsgehalt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift ergibt.423 Ebenso sind Verweisungen intransparent, die dazu führen, dass die kundenbelastende Wirkung einer Klausel unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offen gelegt wird.424

418

BGH v. 21.06.1990, BGHZ 111, 388 Rn. 22; BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27. BGH v. 01.02.1996, NJW 1996, 2374, 2375; BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzsgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 278 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 337; Basedow, VersR 1999, 1045, 1051; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 87. 420 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 337; Oetker, JZ 2002, 337, 340; Graf v. Westphalen/Thüsing, Transparenzgebot (Oktober 2013) Rn. 6. 421 OLG Nürnberg v. 03.12.1976, BeckRS 1976, 31146143 unter 3.3.; OLG Schleswig v. 27.03.1995, NJW 1995, 2858, 2859. 422 OLG Hamm v. 13.06.1986, NJW-RR 1987, 311, 313 die Verwendung der Abkürzung „AbzG“ für das Abzahlungsgesetz erschwert einem Laien das Verständnis. 423 BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27; OLG Karlsruhe v. 18.10.1995, NJW-RR 1986, 91, 92; OLG Hamburg v. 26.03.1986, NJW-RR 1986, 1440; OLG Schleswig v. 27.03.1995, NJW 1995, 2858, 2859; OLG Düsseldorf v. 19.12.1996, NJW-RR 1997, 1151, 1152; a. A. OLG Rostock v. 29.05.2006, NJW 2006, 3217, 3218 sofern der Gesetztext für jedermann ohne weiteres zugänglich sei. Es stehe den Parteien frei, sich entsprechend Zeit für einen Einblick in das Gesetz zu nehmen. 424 BGH v. 23.11.1994, BGHZ 128, 54, 60; BGH 09.05.2001, BGHZ 147, 354, 364; BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27. 419

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Verweise auf deklaratorische Vorschriften, die insbesondere den Inhalt einer Klausel präzisieren, stellen dagegen, da keine Pflicht zur Rechtserläuterung besteht, lediglich zusätzliche Informationen dar, so dass ein Verweis auf diese genügt.425 Daher ist etwa die Bezugnahme auf die frühere mietrechtliche BerechnungsVO426 oder bei der Überschussbeteiligung auf § 81 c VAG427 hinreichend transparent. Dadurch wird gerade eine allzu detaillierte, unübersichtliche und nur schwer durchschaubare sowie teilweise unvollständige Gestaltung des Klauselwerks verhindert.428 Dies gilt auch für dynamische Verweisungen, die durch die Formulierung „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ gekennzeichnet sind und sich auf ein Regelwerk mit häufigen Inhaltsänderungen beziehen, sofern die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbare Fassung hinreichend konkretisiert ist sowie Änderungen des Bezugsobjekts von dem Verwender nicht beeinflusst werden können.429 b) Verweisungen im Rahmen von Preisänderungsklauseln Bei der Beurteilung von Preisänderungsklauseln geht der BGH in Bezug auf Verweisungen wie folgt vor: Der Verweis auf Preislisten oder Kostentabellen, in einer Entgeltregelung ist nicht intransparent, sofern diese wirksam nach § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen worden sind.430 Die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften unter Wiedergabe des Wortlauts ist ebenfalls zulässig. Unproblematisch sind daher Preisänderungsvorbehalte, die die Anpassungsbefugnis in das „billige Ermessen“ des Verwenders stellen und dabei auf § 315 BGB verweisen. aa) Kein Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB erforderlich Bis vor Kurzem bestand zwischen den Oberlandes- und auch Landgerichten Unstimmigkeit, inwiefern es, um den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gerecht zu werden, eines ausdrücklichen Hinweises auf die Billigkeitskontrolle – unabhängig von der jeweiligen Fassung einer Preisänderungsklausel – bedürfe. Während zum einen vertreten wurde, dass ein fehlender Hinweis auf 425

BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 87; MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 74; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, § 305 BGB Rn. 152; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 571. 426 OLG-Hamm v. 22.08 1997, NJW-RR 1998, 1090, 1091; OLG Frankfurt v. 10.05.2000, NJW-RR 2000, 1464. 427 BGH 09.05.2001, BGHZ 147, 354, 371. 428 BGH v. 21.06.1990, BGHZ 111, 388, 391; BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27. 429 BGH v. 08.11.2001, NJW 2002, 507 ff. Leistungen eines Heimträgers „nach dem jeweils gültigen Rahmenvertrag gemäß § 75 SGB XI; BGH v. 12.10.2007, NJW-RR 2008, 251 Rn. 14 f.; BGH v. 14.01.2014, NZG 2014, 307 Rn. 27; Basedow, VersR 1999, 1045, 1051; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn 337; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 59. 430 BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; BGH v. 14.10.1997, NJW 1998, 383, 384.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

§ 315 Abs. 3 BGB dem Transparenzgebot nicht gerecht werde431 und insbesondere eine Bezugnahme auf § 315  BGB nicht ausreiche,432 sahen andere Oberlandesgerichte keine Notwendigkeit für einen ausdrücklichen Verweis auf § 315 Abs. 3 BGB.433 Die einen Hinweis auf § 315  Abs.  3  BGB befürwortenden Oberlandesgerichte bezogen sich dabei insbesondere auf die als Reaktion auf das Vorlageverfahren RWE434 ergangene Entscheidung vom 31.07.2013.435 Der BGH legte in der Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 diesen Streit bei: Die Entscheidung des BGH vom 31.07.2013 sei dahingehend zu verstehen, dass ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB lediglich dann erforderlich sei, wenn aus der Klausel nicht hinreichend deutlich hervorgehe, dass die Preisanpassung nach dem billigen Ermessen erfolge, da so eine entsprechende Klage nach § 315 Abs. 3 BGB abgewehrt werden könne. Die Gefahr einer solchen Fehlvorstellung bestehe jedoch bei einer Klausel, die die Worte „billiges Ermessen“ verwende und ergänzend auf § 315 BGB Bezug nehme, gerade nicht.436 Der BGH hebt hervor, dass das Transparenzgebot grundsätzlich nicht dazu verpflichte, die aus dem Gesetz oder der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte der Vertragsparteien ausdrücklich oder vollständig zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren.437 Wenn das Ermessen des Verwenders hinreichend deutlich 431 In beiden Entscheidungen enthielten die streitgegenständigen Preisanpassungsklauseln keinen Hinweis auf § 315 BGB: OLG München v. 10.04.2014 – 29 W 433/14, juris Rn. 7; OLG München v. 24.07.2014 – 29 U 1466/14, juris Rn. 26: „Die Verwendung der Worte „billiges Ermessen“ in der streitgegenständlichen Klausel lässt den Durchschnittskunden nicht erkennen, dass die Preisänderungen der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen und ihm damit eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.“ 432 OLG München v. 16.07.2015, MDR 2015, 933 Rn. 29 f.; Überblick in Übereinstimmung dazu ergangener Entscheidungen in: Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 308: OLG Rostock v. 10.06.2015 – 2 W 8/15, IR 2015, 229 Rn. 10; OLG Dresden v. 05.05.2015 – 14 U 310/15 n.v.; OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss v. 04.08.2014 – 2 U 45/14 n.v.; LG Nürnberg-Fürth v. 04.08.2014 – 1 HK O 868/14; LG Heilbronn v. 17.06.2014 – 21 O 58/14 KfH n.v.; für die Erforderlichkeit eines Hinweises auch Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1868. 433 OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 11; OLG Karlsruhe v. 11.04.2014, EnWZ 2014, 323; OLG Naumburg v. 30.04.2015, RdE 2015, 321 Rn. 38. 434 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180. 435 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 43; so auch BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 43: Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege „bereits dann vor, wenn eine Formularbestimmung – hier durch die nicht hinreichend deutlich herausgestellte Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB – die Rechtlage irreführend darstellt und es dem Ver­wender dadurch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzuwehren“. 436 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 16, 19 – Augsburger Stromvertrag; OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 11; OLG Naumburg v. 30.04.2015, RdE 2015, 321 Rn. 38; in diese Richtung auch Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309. 437 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 14 – Augsburger Stromvertrag; OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 11; OLG Naumburg v. 30.04.2015, RdE 2015, 321 Rn. 38 f.

Kap. 4: Formelle Transparenz

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herausgestellt werde, sei automatisch von Gesetzes wegen die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB eröffnet, so dass es laut BGH keines Hinweises auf § 315 Abs. 3 BGB bedürfe, um dem Transparenzgebot Genüge zu tun. Diese Entscheidung verdient Zustimmung.438 Genauso wenig wie das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie,439 enthält nach der deutschen Rechtsprechung § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine Verpflichtung des AGB-Verwenders zur Rechtsbe­ lehrung.440 Es obliegt folglich dem Verbraucher selbst, sich über die gesetzliche Rechtslage Klarheit zu verschaffen. Lediglich für den Fall, dass ein besonderes Informationsinteresse der Gegenseite besteht, kommt eine Hinweisobliegenheit des Verwenders in Betracht. Sofern die Anpassung nach billigem Ermessen des Anpassungsberechtigten hinreichend deutlich herausgestellt ist, ist ein besonderes Informationsinteresse des Verbrauchers jedoch zu verneinen. Das Transparenzgebot begründet keine positiven Informationspflichten, sondern soll sicherstellen, dass der Vertragspartner nicht von der Durchsetzung berechtigter Rechte abgehalten wird. Auch den vom EuGH in den Rechtssachen Invitel und RWE an Preisänderungsklauseln gestellten Anforderungen lässt sich keine Hinweispflicht auf § 315 Abs. 3 BGB entnehmen. Der EuGH fordert lediglich, „dass der Vertrag den Anlass und den Modus der Änderung der Entgelte darstellt und Auskunft darüber gibt, ob der Verbraucher berechtigt ist, den Vertrag zu beenden, falls diese Entgelte tatsächlich geändert werden sollten.“441 Ebenso wenig findet sich in den gesetzlichen Regelungen, die wie etwa § 17 Abs. 1 S. 3 GasGVV/StromGVV oder § 5 Abs. 2, 3 GasGVV/ StromGVV Vorgaben zu Preisänderungen enthalten, die Forderung nach einem ausdrücklichen Hinweis auf die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Zwar wird von einigen Oberlandesgerichten eingewendet, dass der Verbraucher, sofern ihm nur die Möglichkeit eines Sonderkündigungsrechts in den AGB aufgezeigt wird, als juristischer Laie zu der Annahme kommen könnte, dass ihm keine anderen Abwehrmöglichkeiten zustehen.442 Jedoch lässt sich dagegen einwenden, dass durch die Möglichkeit der Kündigung nicht der Rechtsweg versperrt werden kann. Die Billigkeitskontrolle stellt ein „formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB“ dar.443 Das OLG Naumburg 438 So auch Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309; Markert, ZMR 2016, 168, 169; Büdenbender, EWiR 2016, 141, 142. 439 Siehe 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 2. a). 440 BGH v. 14.05.1996, BGHZ 133, 25, 32; BGH v. 05.11.1998, NJW 1999, 276, 277; BGH v. 22.03.2000, NJW 2000, 2103, 2106; BGH v. 16.04.2010, WM 2010, 1861 Rn. 18; BGH v. 09.06.2011, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 44; BGH v. 08.11.2012, WM 2014, 132 Rn. 19; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 19 – Augsburger Stromvertrag. 441 OLG Karlsruhe 08.08.2014, GRUR 2015, 125 Rn. 11; OLG Naumburg v. 30.04.2015 – 2 U 16/15, RdE 2015, 321 Rn. 34; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309; Markert, ZMR 2016, 168, 169. 442 OLG München v. 16.07.2015, 29 U 1179/15, juris Rn. 30.; OLG Rostock v. 10.06.2015 – 2 W 8/15, IR 2015, 229 Rn. 10. 443 BGH v. 05.07.2005, NJW 2005, 2919, 2923; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 44.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

geht davon aus, dass sich ein Verbraucher bei der Wahrnehmung der Billigkeitskontrolle ohnehin seines sachkundigen Beraters bedienen werde. Ferner sei dem Durchschnittsverbraucher das Recht zur gerichtlichen Überprüfung in Hinblick auf die Billigkeit der einseitigen Preisanpassung aufgrund häufiger und intensiver Berichterstattung über gerichtliche Billigkeitskontrollen von Energieversorgungsentgelten in den Massenmedien hinreichend bekannt.444 Es genügt folglich der allgemeine Hinweis auf § 315 BGB. Insbesondere eine Umfangserweiterung der AGB durch Einfügen von deklaratorischen Regeln wird auf diese Weise vermieden.445 Sollte dagegen nach der kundenfeindlichsten Auslegung eine Qualifizierung der Klausel als Automatikklausel, z. B. in Form einer Spannungsklauseln, ohne jeglichen Ermessensspielraum des Verwenders, in Betracht kommen,446 ist eine Irreführung oder unklare Regelung der Rechtsposition des Vertragspartners, sofern ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB fehlt, nicht auszuschließen; es besteht die Gefahr, dass der Verwender den Verbraucher unter Hinweis auf die Klausel von der Durchführung einer Billigkeitskontrolle abhalten könnte. Lediglich in diesem Fall könnte eine Bezugnahme auf das Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers die Fehlvorstellung von der Unzulässigkeit einer Billigkeitskontrolle verstärken. In diesem Fall empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB.447 Jedenfalls wird gerade keine Fehlvorstellung beim Verbraucher hervorgerufen werden, sofern das billige Ermessen des Verwenders durch ausdrücklichen Hinweis auf § 315 BGB hinreichend klargestellt ist. Bei einem deklaratorischen Verweis auf eine Vorschrift, ist es für die Transparenz einer Klausel unschädlich, wenn der Verbraucher nicht über ihren Inhalt belehrt wird. Der Verweis auf § 315 BGB erfasst vielmehr alle drei Absätze ohne Einschränkung, so dass ein ausdrücklicher Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB überflüssig sei.448 Es bestehen für den Verbraucher daher keine Schwierigkeiten seine Abwehrmöglichkeiten herauszufinden. Die Beurteilung einer Klausel als intransparent, weil der Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB unterblieben ist, wäre eine unbillige Härte. Folglich sollte der Anpassungsmodus, wie bereits oben erläutert, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf § 315 BGB versehen werden. Im Ergebnis verlangt weder das gemeinschaftsrechtliche noch das deutsche Transparenzgebot einen expliziten Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB. Der Verweis auf § 315 BGB ist hinreichend transparent und dadurch der Hinweis auf die Mög-

444 OLG Naumburg v. 30.04.2015 – 2 U 16/15, RdE 2015, 321 Rn. 34; Markert, ZMR 2016, 168, 169; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309. 445 So auch Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309. 446 Vgl. BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 43. 447 Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605. 448 OLG Naumburg v. 30.04.2015 – 2 U 16/15, RdE 2015, 321 Rn. 32; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309 f.

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lichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB entbehrlich, wenn für einen Durchschnittsverbraucher ersichtlich ist, dass es sich bei der betreffenden Klausel um einen Preisänderungsvorbehalt handelt und die Preisänderungsbefugnis daher im billigen Ermessen des Verwenders steht. bb) Ende der Leitbildrechtsprechung Richtigerweise hat der BGH auch seine Leitbildrechtsprechung aufgegeben. Bis zur Entscheidung in der Rechtssache RWE449, wies der BGH §§ 5 Abs. 2 GasGVV/ StromGVV450 bei Preisänderungsklauseln in Energielieferverträgen mit Sonderkunden, der den Versorgungsunternehmen in Grundversorgungsverträgen eine schrankenlose einseitige Preisänderungsbefugnis einräumte, einen „Leitbildcharkter im weiteren Sinne“ für Normsonderkundenverträge zu451 und ließ zur Anwendung dieser Vorschriften auf den Bereich mit Normsonderkunden eine schlichte Bezugnahme auf diese Regelung der GasGVV/StromGVV durch Verweis oder eine wörtliche Nachbildung der Vorschrift genügen.452 §§ 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV statuieren aber lediglich Informationspflichten für den Fall einer Preisänderung. Die Preisänderungsbefugnis selbst wird weder in der Überschrift noch im Wortlaut präzisiert, sondern durch den Verordnungsgeber und die höchstrichterliche Rechtsprechung aus §§ 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV gefolgert.453 Die Tatsache, dass der Verweis auf §§ 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV damit nicht den Anforderungen, die an Preisänderungsvorbehalte von der Judika-

449 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 50. 450 In der Fassung vom 26.10.2006 bis zum 29.10.2014: Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.; Vorgängernormen von §§ 5 Abs. 2 GasGVV/ StromGVV waren § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV/AVBBEltV in der Fassung vom 21.06.1979 bis zum 01.11.2006: (1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen. (2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. 451 BGH v. 25.02.1998, BGHZ 138, 118, 126; BGH v. 17.12.2008, BGHZ 179, 186 Rn. 20 für AVBGas und AVBBeltV als Vorgängerverordnungen. 452 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn 8, 21 für § 5 Abs. 2 GasGVV; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 19, 24 f. für § 4 AVBGasV; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 33. 453 Vgl. zur Vorgängervorschrift § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV/AVBBEltV: BR-Dr. 77/79, 34; BRDrs. 402/14, 6, 24; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn. 16 f.; BGH v. 19.11.2008, BGHZ 178, 362 Rn. 26; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 18 f.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

tur gestellt werden, genügt, stellte der BGH zwar fest.454 Jedoch begründet er seine Entscheidung mit dem in § 310 Abs. 2 S. 1 BGB statuierten Gleichbehandlungsgebot von Verträgen mit grundversorgten Kunden und Normsonderkunden. Diese bedürften keines stärkeren Schutzes als Tarifabnehmer.455 Indem der BGH zahlreiche Versuche §§ 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV nachzubilden, für unwirksam erklärt,456 war nur noch der bloße Verweis oder die wörtliche Übernahme von § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV zulässig. Erst die Vorlageentscheidung RWE, die zur Konformität der Leitbildrechtsprechung mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie ergangen ist, brachte die Wende. Der EuGH entschied, dass der Verweis auf § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV in Normsonderkundenverträgen mangels Nennung der Voraussetzungen und des Umfangs der Preisänderung dem europäischen Transparenzgebot der Klauselrichtlinie und der Erdgasbinnenmarkt 2003/55/EG nicht gerecht werde.457 Vielmehr muss der Vertragspartner über ihren Inhalt unterrichtet werden. Diese Rechtsprechungsänderung ist, unabhängig von der inhaltlichen Substanzlosigkeit der §§ 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV, insofern zutreffend, als bei Normen, die kraft Verweisung für eine bestimmte Adressatengruppe für anwendbar erklärt werden, für die sie de lege lata nicht gelten, der bloße Verweis auf diese nicht genügt. Als Reaktion darauf gab der BGH in seiner Entscheidung vom 31.07.2013 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Bindungswirkung des Gerichtshofs seine Leitbildrechtsprechung rückwirkend zum 01.07.2004 richtigerweise auf. Er stellte fest, dass die wörtliche Übernahme von § 4 AVBGasV in den AGB den Transparenzanforderungen, die an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang des Leistungsbestimmungsrechts zu stellen sind, nicht genüge.458 Diese Entscheidung gilt auch für § 4 Abs. 1, 2 AVBeltV sowie die Nachfolgernormen § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV, da alle diese Normen von derselben inhaltlichen Substanzlosigkeit geprägt sind.459

454 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41, Rn. 26; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 23; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 33; kritisch Markert, RdE 2009, 291, 293; Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129; Zabel, BB 2009, 2281; Graf v. Westphalen, NJW 2010, 2254, 2258. 455 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 20 ff.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41, Rn. 27; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 34. 456 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 28; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 25; BGH v. 27.01.2010, NJW-RR 2010, 1205 Rn. 8; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 42; BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 27; kritisch Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 589: „Dadurch ergibt sich die unglückliche Situation, dass […] das völlig offene Preisanpassungsrecht der GasGVV/StromGVV zulässig ist, aber jede Form der weiteren Präzisierung beinahe unweigerlich die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat.“ 457 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 50; dazu Micklitz/Reich EuZW 2013, 457; Fornasier, ZEuP 2014, 414 ff. 458 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111, Rn. 45, 59; m. Anm. Zabel, BB 2013, 2443, 2448; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859; Büdenbender, NJW 2013, 3601; Markert, LMK 2013, 353122; derselbe, ZMR 2013, 875; bestätigt in BGH v. 06.04.2016, ZIP 2016, 1342 Rn. 39. 459 Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 823.

Kap. 4: Formelle Transparenz

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Die inhaltliche Substanzlosigkeit dieser Normen hat der EuGH auch in der Rechtssache Schulz bestätigt. So hat er entschieden, dass § 5  Abs.  2  GasGVV/ StromGVV den Transparenzanforderungen, die von der Strom- und Gasbinnenmarktrichtlinie aufgestellt werden, in keiner Weise vereinbar sei, da diese Normen keinerlei Bestimmungen zu Anlass und Modus der Preisänderungsänderung enthalten.460 Als Reaktion auf die europäische Rechtsprechung hat der deutsche Verordnungsgeber die Grundversorgungsverordnung mit Geltung ab dem 23.04.2014 geändert. Der Grundversorger hat nunmehr den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Preisänderung sowie den Hinweis auf das Kündigungsrecht vor Inkrafttreten der Preisänderung mitzuteilen.461 In seiner Entscheidung vom 28.10.2015 stellte der BGH ferner unter Verweis auf die Rechtssache Schulz fest, dass § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV auch gegenüber Tarifkunden kein gesetzliches Recht zur Preisänderung des Grundversorgungsunternehmers entnommen werden könne.462 Als Folge der Aufgabe der Leitbildrechtsprechung müssen nun auch Preisänderungsvorbehalte in Gas- und Stromlieferverträgen mit Sonderkunden dem § 307 Abs. 1 S. 2 BGB innewohnenden Bestimmtheitsgebot genügen.

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum Transparenzgebot in formeller Hinsicht lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für die Anforderungen ziehen, die an die formelle Transparenz von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen und an Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen im Besonderen zu stellen sind.

460 EuGH v. 23.10.2014, verb. Rs. C-359/11 und C-400/11 (Schulz u. a./Technische Werke Schussental u. a.), ECLI:EU:C:2014:2317, Rn. 48 ff. m. Anm. Scholtka/Martin, EuZW 2015, 108; Helbach, EnWZ 2014, 563. 461 § 5 Abs.  2 GasGVV/StromGVV lautet nun: „Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen; hierbei hat er den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach Absatz 3 und die Angaben nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 in übersichtlicher Form anzugeben.“ 462 BGH v. 28.10.2015, NJW 2016, 1718 Rn. 33; BGH v. 06.04.2016, NJW 2016, 2593 Rn. 19; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 13; dies betrifft die Unwirksamkeit seit 01.07.2004, da ab diesen Zeitpunkt die Energiebinnenmarkt- und die Erdgasbinnenmarktrichtlinie in das nationale Recht umgesetzt waren.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Die deutsche Rechtsprechung bezüglich der Anforderungen, die an die Verständlichkeit von Klauseln in formeller und grammatikalischer Hinsicht zu stellen sind, ist im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. Sie ist aufgrund der zahlreichen ergangenen Entscheidungen weitaus differenzierter als die des EuGH, der die Verständlichkeit in formeller und grammatikalischer Hinsicht als Kriterium zwar aufgestellt hat, jedoch bislang kaum Hinweise auf ihr Verständnis gegeben hat. Insbesondere die Verwendung von Fachbegriffen sowie von Verweisen auf Rechtsnormen sind auch nach den Vorgaben der Klauselrichtlinie nicht vollständig ausgeschlossen, als sie eine transparenzfeindliche Erweiterung des Textumfangs und der Prägnanz und Präzision des Klauselinhalts Rechnung tragen

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Für Preisänderungsklauseln ergeben sich aus dem oben Gesagten folgende Schlussfolgerungen: Zunächst muss der preiserhöhende Effekt einer Klausel bereits durch die optische Gestaltung klar erkennbar sein. Die Preiserhöhungsbefugnis darf nicht im Klauselwerk versteckt sein. Vor allem darf sich die preiserhöhende Wirkung nicht erst durch die Verbindung zweier Regelungen ergeben, wie es in dem Vorlageverfahren Kásler oder den Urteilen zu den Zins- und Tilgungsraten der Fall war. Es empfiehlt sich, eine Preisänderungsklausel durch eine passende Überschrift zu kennzeichnen. Regelungen, die im sachlichen Zusammenhang zum Preisänderungsrecht des Verwenders stehen, sind in räumlicher Nähe aufzuführen. In Hinblick auf die sprachliche Gestaltung sind ein einfacher Sprachstil und eine einfache Syntax vorzuziehen. Fachbegriffe, die Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben, können dabei problemlos verwendet werden. So ist das Abstellen auf das billige Ermessen in Hinblick auf die Preisänderungsbefugnis des Verwenders für einen Durchschnittsverbraucher hinreichend verständlich. Um Unübersichtlichkeiten zu vermeiden und hinreichende Präzision zu gewährleisten, muss jedoch nicht gänzlich auf Fachbegriffe, die keinen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben, verzichtet werden. Insbesondere je komplexer der Regelungsbereich ist, umso unvermeidbarer ist eine exakte technische Fachterminologie, um dem Bestimmtheitsgebot Genüge zu tun. Dies gilt auch für Verweisungen. Diese können ebenfalls einer transparenzfeindlichen Erweiterung des Textumfangs entgegenwirken. Daher sind Verweise auf deklaratorische Normen, da den Unternehmer gerade keine Pflicht zur Rechtserläuterung trifft, zulässig. So genügt der Verweis auf § 315 BGB, ohne dass die

Kap. 4: Formelle Transparenz

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Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB explizit herausgestellt werden muss, um den Transparenzanforderungen des § 307 Abs.1 S. 2 BGB gerecht zu werden. Weder das europäische noch das deutsche Transparenzgebot statuieren eine Pflicht zur Rechtserläuterung. Ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB ist lediglich dann erforderlich, wenn aus der Klausel nicht hinreichend deutlich hervorgeht, dass die Preisanpassung nach dem billigen Ermessen erfolgt, da so eine entsprechende Klage nach § 315 Abs. 3 BGB abgewehrt werden kann. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ist entbehrlich, wenn ein Preisänderungsvorbehalt ausdrücklich den Modus der Anpassung in das billige Ermessen des Verwenders legt sowie auf § 315 BGB verweist, der sich auf alle drei Absätze der Norm bezieht. Sofern jedoch eine Norm durch Verweis in den Geltungsbereich des Vertrages einbezogen oder abbedungen wird, ist der Verbraucher im Einklang mit der Entscheidung in der Rechtssache RWE über ihren Inhalt zu unterrichten. Eine Unterrichtungspflicht besteht nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Invitel auch, sofern bestimmte Gesichtspunkte des Modus der Änderung des Entgelts in bindenden Rechtsvorschriften i. S. v. Art. 1 Abs. 2 RL aufgeführt sind oder diese Vorschriften das Recht des Verbrauchers vorsehen, den Vertrag zu beenden. So genügt etwa bei einer Preisänderungsklausel in einem Reisevertrag nicht der Verweis auf § 651 a Abs. 4 BGB, der die relevanten Gründe, auf die eine Preisänderung gestützt werden kann, abschließend aufzählt. III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen In Hinblick auf Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen hält – wie der EuGH in der Rechtssache RWE entschieden sowie der BGH in der Entscheidung vom 31.07.2013 bestätigt hat – die Übernahme von § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV durch bloße Verweisung in Verträgen mit Normsonderkunden den Voraussetzungen nicht stand, die an die Transparenz von Preisänderungsklauseln gestellt werden. In Energielieferungsverträgen mit Sonderkunden sind daher in Hinblick auf die Verständlichkeit von Preisänderungsklauseln in formeller und grammatikalischer Hinsicht die oben genannten Anforderungen zu befolgen.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Kapitel 5

Materielle Transparenz A. Europarechtliche Vorgaben Wie der EuGH zutreffend festgestellt hat, ist es nicht auszuschließen, dass auch wenn eine Klausel formell und grammatikalisch klar und verständlich abgefasst ist, der Vertragspartner dennoch ihre Tragweite nicht erfassen kann.463 Eine Klausel muss daher auch in inhaltlicher Hinsicht so transparent ausgestaltet sein, dass ein Verbraucher seine Rechte und Pflichten dieser entnehmen kann. Dies setzt voraus, dass der Inhalt der Klausel nicht irreführend (I.) sowie hinreichend bestimmt ist (II.). Zudem ist zu untersuchen, ob die mangelnde Transparenz einer Klausel kompensiert werden kann (III.): I. Irreführungsverbot Der Vertragspartner kann die Tragweite der vertraglichen Rechte und Pflichten nur einschätzen, wenn die Angaben, die er erhält, richtig und vollständig sind. Aus dem Transparenzgebot des Art. 5 S. 1 RL kann demnach ein Irreführungsverbot abgeleitet werden.464 Der EuGH hat sich bei der Feststellung eines Zusammenspiels zwischen Irreführung und Intransparenz zunächst reserviert verhalten:465 In der Rechtssache Pereničová stellte der Gerichtshof fest, dass die Angabe eines geringeren als des tatsächlichen effektiven Jahreszinses in einem Kreditvertrag eine irreführende Geschäftspraktik i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken darstelle, wenn sie geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er so nicht getroffen hätte.466 Zwar habe die Feststellung des unlauteren Charakters gemäß Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 2005/29/EG keine Auswirkungen auf das Vertragsrecht,467 sie könne aber nach Art. 4 Abs. 1 RL 463

EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn 76; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 43; GA Wahl, Schlussanträge v. 12.02.1014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:85, Rn. 80. 464 Henkel, Inhaltskontrolle von Finanzprodukten nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 367; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 10 sieht das Irreführungsverbot als Bestandteil des Verständlichkeitsgebots das zugleich ein Informationsgebot begründet. 465 vgl. Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 964; Reich/Micklitz, EWS 2012, 257, 260. 466 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 41 m. Anm. Hennig, GRUR 2012, 641, 642; Nassal, LMK2012, 333461; Werkmeister, EuZW 2012, 304; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 104 ff. 467 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol .s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 45 f.

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„einen Anhaltspunkt unter mehreren“ darstellen, auf den die nationalen Richter die Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel stützen können.468 Dagegen sind die Ausführungen der Generalanwältin Trstenjak in ihren Schluss­ anträgen weitergehender:469 Die Unlauterkeit beschreibe eine vom Unionsgesetzgeber missbilligte Einwirkung auf die Beurteilungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers. Sie gebe „Aufschluss über einen wesentlichen Faktor“, nämlich ob der Gewerbetreibende gegen Treu und Glauben i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL verstoßen habe.470 Die Generalanwältin tendierte ferner dazu, falsche und somit irreführende Angaben als intransparent anzusehen. Eine konkrete Beziehung zwischen dem irreführenden Charakter einer Klausel und ihrer Transparenz stellte sie aber nicht her.471 Sie zog lediglich eine Parallele zu dem Kammerbeschluss des Gerichtshofs in Pohotovosť s. r. o.472 Hier hatte der EuGH festgestellt, dass das Fehlen der Angabe des effektiven Jahreszinses ein wesentlicher Faktor dafür sei, ob eine Kostenklausel in einem Kreditvertrag klar und verständlich i. S. v. Art. 4 Abs. 2 RL sei.473 Es sei nach Trstenjak, „irrelevant“, ob eine Klausel keine oder falsche Angaben hinsichtlich des effektiven Jahreszinses enthalte, so dass die Entscheidung in Pohotovosť s. r. o. auf Pereničová übertragen werden könne. Einen klaren Bezug zwischen Intransparenz und Irreführung hat der EuGH erst in der Rechtssache Verein für Konsumenteninformation hergestellt. Er hat betont, dass die Missbräuchlichkeit einer Klausel sich insbesondere aus einer Formulierung ergeben könne, die nicht Art. 5 S. 1 RL genüge.474 Daher hat er eine Rechtswahlklausel als missbräuchlich angesehen, „sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Rom I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.“475 So genügte in der Entscheidung eine Rechtswahlklausel, die lediglich das luxemburgische Recht für anwendbar erklärte, ohne auf die Möglichkeit eines Günstigkeitsvergleichs hinzu­ weisen, nicht den Anforderungen des Art. 5 S. 1 RL. 468

EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 43, 47. 469 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 105. 470 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 124. 471 Micklitz/Reich, EuZW 2012, 126, 127. 472 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 117–119. 473 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C: 2010:685, Rn. 71. 474 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn 69. 475 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn 71 in Übereinstimmung mit GA Saugmansgaard Øe, Schlussanträge v. 02.06.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amanzon EU), ECLI:EU:C: 2016:388, Rn. 102; kritisch dazu Mankowski, NJW 2016, 2705, 2707.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem irreführenden Charakter einer Klausel und ihrer Transparenz. Eine unlautere Geschäftspraktik in Form einer irreführenden Klausel ist nicht nur ein Anhaltspunkt unter mehreren, der bei der Beurteilung der Transparenz einer Klausel zu berücksichtigen ist, sondern eine solche Klausel beeinflusst die Beurteilungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit, wie es Trstenjak zu Recht annimmt, in zu missbilligender Weise. Eine falsche und damit irreführende Angabe indiziert automatisch, sofern diese nicht durch Informationen im Rahmen der Vertragsaushandlungen richtig gestellt wird, die Intransparenz der betreffenden Klausel. Umgekehrt besteht die Unlauterkeit gerade in der Verwendung einer solchen Klausel.476 Da zwischen der Richtlinie 2005/29/EG und der Klauselrichtlinie zahlreiche Verbindungen bestehen und eine kohärente Auslegung der verbraucherschützenden Richtlinien „als Teil eines einheitlichen Gesamtregelwerks“ geboten ist,477 kann zur Bestimmung des irreführenden Charakters einer Klausel und damit der Intransparenz die Definition der „Irreführenden Handlung“ in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2005/29/EG sowie der „Irreführenden Unterlassung“ in Art. 7 Abs. 1, 2 Richtlinie  2005/29/EG herangezogen werden. Demnach kann unter Bezug auf Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2005/29/EG eine Klausel als irreführend beurteilt werden, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher über den Inhalt täuscht oder zu täuschen geeignet ist. Ebenso kann eine Klausel in Parallelwertung zu Art. 7 Abs. 1, 2 Richtlinie 2005/29/EG als irreführend beurteilt werden, wenn sie Informationen vorenthält, verheimlicht oder auf unklare, unverständliche zweideutige Weise bereitstellt. Folglich kann ein Durchschnittsverbraucher sowohl durch einen fehlerhaften oder unvollständigen Klauselinhalt als auch durch eine verschleiernde optische und sprachliche Gestaltung über die Tragweite einer Klausel in die Irre geführt werden. Dies zieht automatisch die Intransparenz der Klausel nach sich, sofern nicht die nach Art. 4 Abs. 1 RL berücksichtigungspflichtigen im Rahmen der Vertragsaushandlungen bereitgestellten Informationen zu einer Berichtigung führen.

476 Dies andeutend, Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 90, jedoch im Ergebnis eine automatische Indizierung verneinend vgl. Rn. 124; zurückhaltender Micklitz/Reich, EuZW 2012, 126, 127 die bei groben Verstößen gegen das Irreführungsverbot gleichermaßen von einer Intransparenz ausgehen; für die Konkretisierung von Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2005/20/EG durch das Transparenzgebot des Art. 5 RL Orlando, ERCL 2011, 25, 33: AGB, die das Transparenzgebot verletzten, halten gleichzeitig „wesentliche Informationen“ i. S. v. Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2005/20/EG vor; differenzierende Betrachtung bei Janal, ZEuP 2014, 740, 745 ff. 477 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s. r. o), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 88 ff.; vgl. Ausführungen im Rahmen von 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1. a).

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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II. Bestimmtheitsgebot Der EuGH erwähnt im Rahmen der Transparenzanforderungen das Bestimmtheitsgebot nicht ausdrücklich. Er verlangt lediglich, dass eine Klausel so transparent ausgestaltet sei, dass der Verbraucher über die sich ergebenden wirtschaftlichen Folgen „auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien“ informiert werde.478 Folglich sind ausreichend konkretisierte Angaben erforderlich. Darüber hinaus kann das Bestimmtheitsgebot aus dem Transparenzgebot des Art. 4 Abs. 2, 5 S. 1 RL abgeleitet werden.479 Der Verbraucher kann nur Klarheit über seine Rechte und Pflichten erlangen, wenn diese hinreichend bestimmt formuliert sind. Einzelne Ausprägungen des Bestimmtheitsgebots finden sich auch in Nr. 1 lit. f, g, j, k, l sowie Nr. 2 lit. d des Anhangs der Klauselrichtlinie. Das Bestimmtheitsgebot ist insbesondere verletzt, wenn die Ausübung von Rechten an einen nicht hinreichend konkretisierten Begriff geknüpft wird. Bei einer Preisänderungsklausel ist dies der Fall, sofern der Anlass und Modus der einseitigen Preisänderungsbefugnis nicht ausreichend bestimmt sind. 1. Unbestimmte Begriffe Schrankenlose, unbestimmte Begriffe werden dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht, weil sie die Rechte und Pflichten des Verbrauchers nicht erkennen lassen und dem Verwender ungerechtfertigte Gestaltungsmöglichkeiten gewähren. Der EuGH hat die Verwendung unbestimmter Begriffe in zwei Vorlageverfahren moniert: Bei der Beurteilung einer Zinsänderungsklausel in Hinblick auf ihre Klarheit und Verständlichkeit hielt der EuGH den „Eintritt[s] wesentlicher Änderungen am Geldmarkt“ als Voraussetzung für das einseitige Zinsänderungsrecht des Kreditgebers für ein „wenig transparentes Kriterium“, um die Erhöhung des Zinssatzes vorhersehen zu können.480 Eine zweite Klausel in derselben Rechtssache war mit der Bezeichnung „Risikoprovision“ überschrieben und enthielt den Anspruch des Kreditgebers auf eine Provision für die Einräumung des Darlehens. Jedoch war nicht ersichtlich, welche Gegenleistung der Kreditgeber für diese Provision schulde, da das Ausfallrisiko des Kreditnehmers bereits durch eine Hypothek abgesichert war. Der EuGH beklagte die mangelnde Transparenz der diese Klausel 478 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 44; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn.  73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C: 2016:980, Rn. 50. 479 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 5 RL Rn. 8. 480 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

rechtfertigenden Gründe.481 In Van Hove beurteilte der Gerichtshof den Ausdruck „bezahlte oder unbezahlte Tätigkeit“, der in der Definition der vollständigen Arbeitsunfähigkeit verwendet wurde, als „extrem weit und vage“. Darüber hinaus sei klärungsbedürftig, ob ein Durchschnittsverbraucher den Unterschied zwischen dem Begriff der vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Vertrages und dem Begriff „dauerhafte teilweise Arbeitsunfähigkeit“ im Sinne des französischen Sozialversicherungsrechts verstanden habe.482 In beiden Entscheidungen steht für den EuGH die Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen für den Verbraucher im Vordergrund, die durch die Verwendung unbestimmter, schrankenloser Begriffe nicht gewährleistet werden kann. Er geht jedoch nicht darauf ein, dass die durch Verwendung konkreter Begriffe auch ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume des Gewerbetreibenden zugunsten des Verbrauchers beschränkt werden. Allerdings kann die Verwendung unbestimmter Begriffe in Klauselwerken nicht vollkommen ausgeschlossen werden; sie ist vielmehr am Praktikabilitätsvorbehalt des Transparenzgebots zu messen. Nicht jeder denkbare Einzelfall kann im Vorfeld geregelt werden. Ferner ist eine transparenzfeindliche Überfrachtung des Klauselwerks durch Regelung von Spezialfällen zu vermeiden. Zudem entspricht die Verwendung unbestimmter Begriffe der Rationalisierungsfunktion von AGB und trägt einem Ermessensspielraum des Verwenders, sofern dieser sachlich legitimiert ist, Rechnung. Sofern auf die Verwendung eines unbestimmten Begriffs nicht verzichtet werden kann, ist es jedoch ratsam, diesen Begriff durch eine nicht abschließende, exemplarische Aufzählung zu konkretisieren oder mit einer Definition zu versehen. 2. Konkretisierung von Preisänderungsklauseln Vorgaben zur Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln finden sich in der Klauselrichtlinie und anderen sektorspezifischen Richtlinien sowie in der Rechtsprechung des EuGH. a) Vorgaben aus der Klauselrichtlinie und anderen Richtlinien aa) Nr. 1 lit. j und l des Anhangs der Klauselrichtlinie Der Anhang der Klauselrichtlinie enthält Vorgaben zu den Wirksamkeitsanforderungen von Preisänderungsklauseln. Dieser enthält, wie im Allgemeinen Teil der 481

EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 77. 482 EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 45 f. m. Anm. Koch, EuZW 2015, 520; Reiff, LMK 2015, 371951; Armbrüster, NJW 2015, 1788.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Untersuchung erläutert,483 widerlegungsbedürftige Vermutungsregeln für die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln und damit, auch für die Intransparenz etwaiger Klauseln, sofern er Angaben zur Transparenz als separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit enthält,484 Vorgaben zu Preisänderungsklauseln finden sich in Nr. 1 lit. l und Nr. 1 lit. j sowie Nr. 2 lit. b, c und d des Anhangs. (1) Anwendungsbereich Nr. 1 lit. l bezieht sich auf Klauseln, die es dem Verkäufer einer Ware oder dem Erbringer einer Dienstleistung gestatten, den Preis zum Zeitpunkt der Lieferung festzusetzen oder zu erhöhen, ohne dass der Verbraucher ein entsprechendes Recht hat vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Endpreis im Verhältnis zu dem Preis, der bei Vertragsschluss vereinbart wurde, zu hoch ist. Da unter Waren nur bewegliche Sachen zu verstehen sind, werden von Nr. 1 lit. l keine Grundstückskaufverträge erfasst. Unter den Begriff der Dienstleistung fallen auch Werkleistungen.485 Umstritten dagegen ist, ob Nr. 1 lit. l sich nur auf Fälle des einmaligen Leistungsaustausches erstreckt486 oder auch für Dauerschuldverhältnisse, wie Gebrauchsüberlassungen in Form von Miete und Pacht sowie Darlehensverträge, gilt.487 Im Fall RWE hat der EuGH Nr. 1 lit. l auf einen Gaslieferungsvertrag angewendet,488 im Fall Kásler für einen Fremdwährungsdarlehensvertrag und im Fall Matei für ein Zinsänderungsrecht in einem Darlehensvertrag herangezogen.489 Folglich geht der EuGH von einem weiten Anwendungsbereich des Nr. 1 lit. l aus. Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als Preisänderungsrechte insbesondere in Dauerschuldverhältnisse erforderlich sind, um dem Gewerbetreibenden das Risiko der Gewinnschmälerung durch Veränderung der für die Erbringung der Leistung erforderlichen Kosten zu nehmen und den Verbraucher vor ungerechtfertigten Preiszuschlägen zu schützen. Dafür entspricht auch Nr. 1 lit. k, der dem Gewerbetreibenden eine einseitige Änderung der von ihm zu erbringenden Leistung gestattet und die Gebrauchsüberlassungen umfasst.490 Nr. 1 lit. l ist damit auf Klauseln in 483

Vgl. 1. Teil Kapitel 2. B. So auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566 Rn. 63. 485 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 4; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 103. 486 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 27; Ulmer/Brandner/Hensen/Hensen, 10. Aufl. 2006, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl. 2009, Anh. Nr. 1 lit. l RL Rn. 152. 487 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 102. 488 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 489 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74. 490 Zustimmend Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l Rn. 102. 484

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Dauer- und Nichtdauerschuldverhältnissen anwendbar, die den Gewerbetreibenden dazu berechtigen, einen ursprünglich vereinbarten Preis zu ändern. Nr. 1 lit. l erfasst zwei Alternativen, das Recht auf einseitige Preisfestsetzung und das Recht auf Preiserhöhung. Es ist umstritten, ob die erste Alternative nur die Bestimmung eines bei Vertragsschluss offen gebliebenen Preises erfasst491 oder es sich hier nur um die Festsetzung eines bei Vertragsschluss zumindest bestimmbaren Preises, wie bei einer Tages- oder Listenpreisklausel handelt.492 Während für die erste Ansicht angeführt wird, dass der ersten Alternative sonst keine eigenständige Bedeutung neben dem Preiserhöhungsrecht zukäme, spricht für die letztgenannte Ansicht, dass es andernfalls an einem für die Klauselbeurteilung anhand Nr. 1 lit. l erforderlichen Vergleichsmaßstab fehlen würde. Zwar könnte für die erste Ansicht angeführt werden, dass es sich bei der Bezugnahme auf den Vergleichsmaßstab um einen kodifikatorischen Kognitionsfehler handelt. Der letzteren Ansicht ist aber insofern zuzustimmen, als Preisklauseln mangels eines Kontrollmaßstabs nach Art. 4 Abs. 2 RL von der Kontrolle ausgeschlossen sind.493 Als zweite Alternative wird das Preiserhöhungsrecht geregelt. Dieses Erhöhungsrecht ist nicht nur auf den Zeitpunkt der Lieferung beschränkt, wie es der Wortlaut der deutschen Fassung vermuten lassen könnte. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der englischen und französischen Sprachenfassung, dass sich das Merkmal „im Zeitpunkt der Lieferung“ nur auf die Variante der Preisfestsetzung bezieht.494 Dies entspricht auch dem Telos des Nr. 1 lit l des Anhangs. Der Verbraucher soll vor den Gefahren einer nachträglichen Preiserhöhung durch die Einräumung eines Lösungsrechts geschützt werden, unabhängig davon, ob dieses Recht im Zeitpunkt der Lieferung oder später ausgeübt wird.495 Nach Nr. 1 lit. j des Anhangs der RL können Vertragsklauseln für missbräuchlich erklärt werden, die dem Verwender ein Vertragsänderungsrecht ohne einen triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund einräumen. Dabei sind Nr. 1 lit. j und Nr. 1 lit. l nebeneinander anwendbar; denn wie sich aus dem Wortlaut des Nr. 1 lit. j, der jegliche einseitige Vertragsänderungsrechte des Gewerbetreibenden erfasst, und Nr. 2

491 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3 f. nur Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, wenn Preis bei Vertragsschluss völlig offen bleibt. 492 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 4; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 123; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn.  103; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr.  1 BGB (01.03.2017) Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 27 lässt circa-Preise genügen. 493 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 103. 494 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 104; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn. 40; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 15; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3. 495 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 103.

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lit. b und c ergibt, ist Nr. 1 lit. j auch auf Preisänderungsklauseln anwendbar.496 Im Gegensatz zum Klauselverbot in Nr. 1 lit. j des Anhangs, das sich auf einseitige Änderungen durch den Verwender bezieht, werden durch Nr. 1 lit. l auch automatische Preisänderungsklauseln erfasst. Dies lässt sich damit begründen, dass Nr. 1 lit. l durch Nr. 2 lit. d des Anhangs begrenzt wird, der Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Preisindexierungsklauseln normiert. Da diese in der Regel Automatikklauseln sind, ist Nr. 1 lit. l auch auf Automatikklauseln anwendbar.497 Nr. 1 lit. l des Anhangs stellt ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit dar und fordert ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers, nur für den Fall einer unverhältnismäßigen Erhöhung des Preises. Dagegen sieht Nr. 1 lit. j keine Wertungsmöglichkeit vor und verlangt für die Wirksamkeit eines Änderungsrechts einen triftigen Grund und die Angabe von diesem im Klauselwerk. (2) Angabe eines triftigen Grundes Da klauselförmige Preisanpassungsklauseln stets auch unter Nr. 1 lit. j fallen und in Analogie zu Nr. 1 lit. j und k ein allgemein geltendes Willkürverbot abgeleitet werden kann, sind auch im Rahmen von Nr. 1 lit. l Preisänderungen nur zulässig, wenn sie auf einem triftigen Grund beruhen, der in der Klausel aufgeführt ist.498 Dafür spricht auch, dass der Gewerbetreibende sonst durch eine willkürliche Preisanpassung den Verbraucher dazu bewegen könnte, sich vom Vertrag zu lösen. Folglich hält eine Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen des Nr. 1 lit. j und l nur stand, wenn die Gründe für eine Änderung in der Klausel genannt werden. Nr. 1 lit. j und l verfolgen damit eine Kombination aus Schutz und Informationsmodell. Die Änderungsbefugnis des Gewerbetreibenden wird durch das Vorliegen eines triftigen Grundes begrenzt, der wiederrum in der Klausel genannt werden muss, damit der Verbraucher über die Voraussetzungen der Änderung informiert ist.499 Auf diese Weise wird ein wirksamer Schutz vor willkürlichen Änderungen des Gewerbetreibenden gewährleistet. Nr. 2 b Abs. 1 des Anhangs sieht insofern eine Ausnahme zu Nr. 1 lit. j vor, als er zwar wie Nr. 1 lit. j die Vornahme einer Zinsänderung nur „in begründeten Fällen“, folglich bei Vorliegen eines triftigen Grund, gestattet, jedoch keine An 496 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr.  1 lit. j RL Rn.  84; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 140; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn. 38 spricht von einem unklaren Verhältnis. 497 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh. Nr. 2 lit. d RL Rn. 209; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 141. 498 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Ahn Nr.  1 lit. j RL Rn.  84; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 18; MüKo/ Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6; a. A. Henke, Enthält die Liest des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 119. 499 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. j RL Rn. 82.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

gabe des Änderungsgrundes erfordert. Nach erfolgter Anpassung soll jedoch eine unverzügliche Unterrichtung stattfinden und ein alsbaldiges Kündigungsrecht eingeräumt werden. Eine Anpassung an die schnellen marktabhängigen Preis- und Kondiktionsänderungen, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss nehmen kann, ist damit ohne Angabe von Gründen möglich. Auch einseitige Änderung der Bedingungen in einem unbefristeten Vertrag können nach Nr. 2 lit. b Abs. 2 ohne vorheriger Angabe eines Grundes erfolgen. Die nach Nr. 2 lit. b erforderliche unverzügliche Unterrichtung und Einräumung eines alsbaldigen Kündigungsrechts können als Kompensationsmittel für diese Privilegierung betrachtet werden. Darüber hinaus gelten Nr. 1 lit. j und l nach Nr. 2 lit. c nicht für Kapitalmarkt- und Devisengeschäfte, damit der Gewerbetreibende rasch den Kurs- und Währungsschwankungen in diesem Bereich Rechnung tragen kann.500 Dies lässt sich auch damit begründen, dass es sich als überaus schwierig gestaltet, Kurs- und Währungsschwankungen auf dem betreffenden Markt hinreichend verständlich für einen Durchschnittsverbraucher in einer Preisänderungsklausel zu erfassen. Die Angabe von Gründen stößt in diesem Bereich an die Grenzen einer möglichen Konkretisierung. Dem Änderungsinteresse des Gewerbetreibenden wird hier Vorrang vor dem Informationsinteresse des Verbrauchers eingeräumt. Eine weitere Ausnahme von Nr. 1 lit. l sieht Nr. 2 lit d für Preisindexierungsklauseln vor, indem anstelle der Angabe eines triftigen Grundes hier ausdrücklich die Beschreibung des Modus der Preisänderung gefordert ist. bb) Vorgaben aus anderen sektorspezifischen Richtlinien Aufgrund der kohärenten Auslegung von verbraucherschützenden Richtlinien lohnt sich in Hinblick auf die Transparenzanforderungen von Preisänderungs­ klauseln ein rechtsaktübergreifender Blick auf die Vorgaben aus anderen sektorspezifischen, auch den Verbraucherschutz bezweckenden Richtlinien. Nach Art. 10 Abs. 1 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302/EU501 muss die Möglichkeit der Preiserhöhung ausdrücklich im Vertrag vorbehalten sein. Ferner ist im Pauschalreisevertrag anzugeben, wie Preisänderungen zu berechnen sind. Die triftigen Gründe für Preisänderungen sind in Art. 10 Abs. 1 a, b, c Pauschalreise-Richtlinie abschließend normiert. Darüber hinaus enthält Art. 10 Abs. 3 PauschalreiseRichtlinie Vorgaben zur Abwicklungstransparenz und fordert, dass der Reisende unter Angabe von Gründen und der Berechnung der Preiserhöhung in Kenntnis gesetzt wird. Im Rahmen von Art. 24 Abs. 1 Wohnimmobilienkredit-Richtlinie

500

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 199. Richtlinie 2015/2302/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. L 326 v. 11.12.2015, 1). 501

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2014/17/EU502 als auch in Art. 10 Abs. 5 lit. e Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/ EG503 wird gefordert, dass bei einem variablen Sollzinssatz etwaige Indizes oder Referenzzinssätze anzugeben sind, die zur Berechnung des Sollzinssatzes heran­ gezogen werden. Regelungen, die die Abwicklungstransparenz betreffen, finden sich in diesen beiden Richtlinien ebenfalls. Auch Art. 3 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 i. V. m. Teil III des Anhangs zu Art. 4 Nr. 4 Time-Sharing-Richtlinie 2008/122/EG504 fordert eine Information darüber, wie und wann die Kosten in Verbindung mit dem Teilnutzungsvertrag erhöht werden können. Ebenso verlangen Art. 5 Abs. 1 c) sowie Art.  6  Abs.  1  e)  Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU505 Informationen über die Art der Preisberechnung, sofern der Preis nicht im Voraus berechnet werden kann. Art. 3 Richtlinie 1997/5/EG506 über grenzüberschreitende Überweisungen normiert, dass die Modalitäten über die Provisionen- und Gebührenberechnung in leicht verständlicher Form vor Vertragsschluss mitgeteilt werden müssen. Wie die Zusammenschau dieser Beispiele belegt, muss das nachträgliche Preisänderungsrecht des Unternehmers ausdrücklich im Vertrag festgelegt sein sowie den Änderungsanlass und die Berechnungsmodalitäten der Preisänderung erkennen lassen. Dies gilt nicht nur für die Transparenz der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auch im Zeitpunkt der Durchführung der Preisänderung, so dass die Abschluss- und Abwicklungstransparenz der Preisänderungsklausel gewährleistet werden müssen. Berücksichtigt man daneben, dass auch nach Nr. 1 lit. j und l des Anhangs der Klauselrichtlinie die triftigen Gründe in der Preisänderungsklausel angegeben sein müssen, so lässt sich richtigerweise die Voraussehbarkeit etwaiger Preisanpassungen als eine rechtsaktübergreifende Voraussetzung für Preisänderungsklauseln begreifen, die damit als ein Prinzip des gemeinschaftsrechtlichen Vertragsrechts bezeichnet werden kann.507 502

Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und Rates v. 04.02.2014 und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 193/2010 (ABl. L 60 v. 28.02.2014, 34). 503 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133 v. 22.05.2008, 66). 504 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.01.2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträge (ABl. L 33 v. 03.02.2009, 10). 505 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 v. 22.11.2011, 64). 506 Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.01.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen. 507 So Nassal, JZ 1995, 689, 693; Markward, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträge, 133; a. A. de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 214: Die sektorspezifischen Richtlinien regeln einen speziellen Vertragstyp, deren Besonderheiten keinen zwingenden Schluss auf alle weiteren Vertragstypen rechtfertigen.

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b) Die Rechtsprechung des EuGH Dies bestätigt auch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, die Rechtsprechung des EuGH bezüglich den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln. Wie der Anhang zu Art. 3 Abs. 3 RL in Nr. 1 lit. j und l sowie in Nr. 2 lit. b und d zeigt, erkennt der Gesetzgeber das berechtigte Interesse des Gewerbetreibenden an, Änderungen der Entgelte im Rechtsverkehr mit Verbrauchern vornehmen zu können.508 Der EuGH stellt diesem berechtigten Interesse des Gewerbetreibenden aber „das genauso berechtigte Interesse des Verbrauchers gegenüber, zum einen die Folgen, die eine solche Änderung in der Zukunft haben könnte, zu kennen und damit absehen zu können, und zum anderen in einem solchen Fall über die Angaben zu verfügen, die es ihm erlauben, in der geeignetsten Weise auf seine neue Situation zu reagieren.“509 Aus Nr. 1 lit. j und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der RL leitete der EuGH in der Rechtssache Invitel ab, dass die nationalen Gerichte im Rahmen der Beurteilung der Transparenz einer Preisänderungsklausel zu prüfen haben, ob „insbesondere Grund oder Modus der Änderung dieser Kosten angegeben werden“510. Dabei sei von wesentlicher Bedeutung, „dass der Verbraucher anhand klarer und verständlicher Kriterien die Änderung der AGB in Bezug auf die mit der zu erbringenden Dienstleistung verbundenen Kosten vorhersehen kann.“511 Der Gerichtshof stützte dabei seine Anforderungen auf eine Kombination von Regelungen aus dem Anhang der Richtlinie, die bei genauer Betrachtung nicht direkt auf die im Ausgangsverfahren in Frage stehende Klausel anwendbar sind:512 Gegenstand des Ausgangsverfahrens war die Aufnahme einer Klausel in die AGB eines FestnetzTelekommunikationsvertrags, die das Telekommunikationsunternehmen befähigte, Kosten für eine bestimmte Dienstleistung nachträglich in Rechnung zu stellen, ohne den Berechnungsmodus anzugeben. Es lag damit weder eine Klausel vor, mit der sich der Gewerbetreibende eine künftige Preisänderung i. S. v. Nr. 1 lit. j, l des Anhangs vorbehielt, noch handelte es sich um eine Preisindexierungsklausel i. S. v. Nr. 2 lit. d oder um einen unbefristeten Vertrag i. S. v. Nr. 2 lit. b. Der EuGH kombinierte zudem die Anforderungen, indem er zusätzlich zu der Angabe des triftigen Grundes nach Nr. 1 lit. j und l des Anhangs die Angabe des Modus forderte, wie es in Nr. 2 lit. d des Anhangs nur für Preisindexierungsklauseln vorgesehen ist. Im 508 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46. 509 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 53. 510 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26 m. Anm. Ebers, LMK 2012, 333520; Henze, GPR 2013, 35; Lindacher, EWiR, 2012, 677; Mathiak, EuZW 2012, 786. 511 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 28. 512 Henze, GPR 2013, 35, 37; Mathiak, EuZW 2012, 786, 789.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Ergebnis stellt er damit höhere Anforderungen an Preisänderungsklausel als sie der Anhang der Klauselrichtlinie vorsieht.513 Folglich ist für die Transparenz einer Preisänderungsklausel erforderlich, dass Gründe und Modus der Kostenänderung klar und verständlich angegeben sind. Diese Anforderungen setzt der EuGH auch an Preisänderungsklauseln in Gaslieferungsverträgen514 und Zinsanpassungsklauseln515. Gegenstand in der Rechtssache RWE war eine Preisänderungsklausel in einem Gaslieferungsvertrag mit Sonderkunden, die auf § 4  Abs.  1,  2  AVBGasV516 verwies. Diese Norm war jedoch nur auf Grundversorgungsverträge mit Tarifkunden unmittelbar anwendbar und regelte lediglich, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt. Bereits die Generalanwältin Trstenjak stellte in ihren Schlussanträgen fest, dass eine solche Klausel, da sich § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV seinem Wortlaut nach zu Preisänderungen gar nicht äußere, im „Regelfall bereits deshalb nicht transparent“ sei. Da für den Verbraucher nicht erkennbar sein dürfe, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung zulässig sei, ändere daran auch die Tatsache nichts, dass die nationale Judikatur einer solchen Bestimmung ein Preiserhöhungsrecht entnehme.517 Der EuGH bestätigte dies518 und führte, indem er die Anforderungen aus dem Fall Invitel weiter konkretisierte, aus, dass es nach Art. 3 und 5 sowie den Nr. 1 lit. j und l sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs „von wesentlicher Bedeutung ist, ob [zum einen] der Vertrag den Anlass und den Modus der Änderung der Entgelte für die zu erbringende Leistung so transparent darstellt, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann“.519 Dabei stützte er seine Transparenzanforderungen zusätzlich auf Art.  3  Abs.  3 Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 2003/55/EG520 i. V. m. Anhang A lit. a, c und d, die einen besonders normierter Fall des Transparenzgebots für 513

Mathiak, EuZW 2012, 786, 789; Henze, GPR 2013, 35, 37. EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 515 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74. 516 § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV/AVBBEltV in der Fassung vom 21.06.1979 bis zum 01.11.2006: (1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen. (2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. 517 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566 Rn. 78. 518 Vgl. Ausführungen zur Transparenz von Verweisungen unter 4. Kap. A. II. 3.  519 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49 f. 520 Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zur Aufhebung der Richtlinie 93/30/EG (ABl. Nr. L 176 v. 15.07.2003, 57). 514

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Teil 2: Transparenzkontrolle

den Bereich des Erdgasbinnenmarktes darstellen und faire und transparente allgemeine Vertragsbedingungen, insbesondere in Hinblick auf die geltenden Preise und Tarife, fordern.521 Er kippte damit die lange Zeit durch die deutschen Gerichte522 im Rahmen von Preisänderungsklauseln in Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden praktizierte Leitbildrechtsprechung. In der Rechtssache Schulz ging es um die Vereinbarkeit von § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV523 als bindende deutsche Rechtsverordnungsvorschrift mit der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 2003/54/EG524 und Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 2003/55/EG. Da diese Normen dem Gasversorgungsunternehmer in Verträgen mit Tarifkunden ein gesetzliches Preisänderungsrecht zuweisen, findet die Klauselrichtlinie aufgrund von Art. 1 Abs. 2 RL grundsätzlich keine Anwendung.525 Der EuGH stellte hier – wie bereits durch die Entscheidung RWE prognostiziert wurde526 – fest, dass die nationale Regelung nicht den Anforderungen der Richtlinie genüge. Obgleich sie sicherstelle, dass den Kunden die Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitgeteilt und ihnen ein Kündigungsrecht eingeräumt werde, gewährleiste sie nicht, dass die Kunden gegen die Änderung vorgehen können. Um dieses Recht im vollem Umfang nutzen zu können, müssten die Verbraucher vor Inkrafttreten der Preisänderung über den Anlass, die Voraussetzungen sowie den Umfang von dieser informiert werden.527 Im Gegensatz zu RWE hält es der Gerichtshof im Rahmen von Gaslieferungsverträgen mit Tarifkunden für ausreichend, dass die Kunden vor Inkrafttreten der Preisänderung über Anlass und Modus der Änderung informiert werden, während in Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden die Information darüber bereits bei Vertragsschluss vorliegen muss. Folglich kommt es im Sonderkundenbereich neben der Abwicklungstransparenz auch auf die Abschlusstransparenz an, obgleich im Tarifkunden 521 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 45. 522 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 21; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 19, 24 f. für § 4 AVBGasV; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 33. 523 Als Nachfolgernorm von § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV/AVBeltV in der Fassung vom 26.10.2006 bis zum 29.10.2014: Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. 524 Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zur Aufhebung der Richtlinie 92/92/EG (ABl. Nr. L 176 v. 15.07.2003, 37). 525 EuGH v. 23.10.2014, verb. Rs. C-359/11 und C-400/11 (Schulz u. a./Technische Werke Schussental u. a.), ECLI:EU:C:2014:2317, Rn. 51. 526 Markert, LMK 2013, 345547; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1866. 527 EuGH v. 23.10.2014, verb. Rs. C-359/11 und C-400/11 (Schulz u. a./Technische Werke Schussental u. a.), ECLI:EU:C:2014:2317, Rn. 46 ff. m. Anm. Scholtka/Martin, EuZW 2015, 108; Helbach, EnWZ 2014, 563.

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bereich lediglich die Abwicklungstransparenz erforderlich ist.528 Darin wird eine Absage zur rechtsaktübergreifenden, einheitlichen Auslegung des Transparenzgebots der Klauselrichtlinie und der Energiebinnenmarktrichtlinie gesehen.529 Dies betrifft allerdings nur den Beurteilungszeitpunkt, was vor dem Hintergrund der Klauselkontrolle als abstrakte Wirksamkeitskontrolle auch einleuchtet. Der Inhalt des Transparenzgebots ist jedoch richtlinienübergreifend insofern der Gleiche, als für die Transparenz einer Preisänderungsklausel maßgeblich ist, ob Anlass und Modus der Preisänderung klar und verständlich dargestellt sind. Im Fall Kásler stand eine Tilgungsklausel, in einem Fremdwährungsdarlehensvertrag, die unterschiedliche Wechselkurse für die Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens vorsah, im Mittelpunkt. Durch den Unterschied zwischen Ankaufsund Verkaufskurs besteht ein Differenzbetrag, der die Gesamtkosten des Darlehens erhöht. Im Ergebnis lag demnach eine verdeckte Preiserhöhungsklausel vor, durch die sich die Kosten „offenbar ohne Obergrenze“ erhöhen können. Hier hob der EuGH den Modus der Preisänderung hervor und fordert unter Verweis auf RWE, dass der Anlass und die Besonderheiten des Entgeltberechnungsverfahrens so transparent dargestellt werden, dass „ein Verbraucher die sich daraus für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien absehen kann.“530 Hier kristallisiert sich zaghaft heraus, dass die klare und verständliche Angabe des Anlasses und Modus der Preisänderung zugleich der Begrenzung des ansonsten schrankenlosen Rechts des Verwenders dient. In der Rechtssache Matei verlangte der EuGH im Hinblick auf die Transparenz einer Zinsänderungsklausel, dass im Kreditvertrag die Gründe und die Besonderheiten des Mechanismus zur Änderung des Zinssatzes transparent dargestellt werden.531 Er hielt, wie bereits oben erwähnt, den „Eintritt[s] wesentlicher Änderungen am Geldmarkt“ als Voraussetzung für das einseitige Zinsänderungsrecht des Kreditgebers für ein „wenig transparentes Kriterium“, um die Erhöhung des Zinssatzes vorhersehen zu können.532 Damit setzt der EuGH strengere Anforderungen voraus, als sie der Anhang der Klauselrichtlinie vorsieht; denn nach Nr. 2 lit. b Abs. 1 ist für die Änderung des Zinssatzes gerade keine Nennung des Änderungsgrundes erforderlich. Diese Linie des EuGH ist insofern zu befürworten, als er damit an die Transparenz von Preisänderungsklauseln einheitliche Anforderungen stellt, die zu einer Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts beitragen und den Verbrauchern zugutekommen.

528

Scholtka/Martin, EuZW 2015, 108, 111; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1216. Uffmann, NJW 2015, 1215, 1216. 530 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73. 531 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74. 532 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76. 529

200

Teil 2: Transparenzkontrolle

In der bisherigen Rechtsprechung hat der Gerichtshof lediglich Anforderung für die Bestimmtheit von Preisänderungsvorbehalten formuliert. Ausführungen zu der Gestaltung von automatischen Preisänderungsklauseln liegen bisweilen nicht vor.533 Der EuGH scheint zwischen diesen beiden Klauselarten aber nicht zu unterscheiden. Vielmehr hat er die in Nr. 2 lit. d normierten Voraussetzungen für Preisindexierungsklauseln, die in der Regel Automatikklauseln sind, auch auf Preisänderungsvorbehalte übertragen. Von wesentlicher Bedeutung für die Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln, losgelöst von einem bestimmten Vertragstypus, ist folglich, dass Anlass und Modus der Änderung der Entgelte hinreichend transparent dargestellt werden, damit der Verbraucher die jeweiligen Änderungen vorhersehen kann. c) Konkretisierung von Anlass und Modus Bisher gibt es allerdings nur wenige Ausführungen des Gerichtshofs zur Konkretisierung des Anlasses und Modus einer Änderung. Fraglich ist daher, welche Angaben eine Preisänderungsklausel enthalten muss, damit der Anlass und der Modus der Preisänderung klar und verständlich formuliert sind. Als Anlass kann in mit Blick auf Nr. 1 lit. j des Anhangs jeder triftige Grund, der ursächlich für eine Preisänderung ist, verstanden werden. Dies kann z. B. die Veränderung eines Kostenfaktors, wie der Produktions- oder Herstellungskosten, sein.534 Inwiefern ein bestimmter Anlass sachgerecht ist, um eine Preisänderung zu rechtfertigen, ist allerdings eine Frage der Inhaltskontrolle. Der für die Preisänderung maßgebliche Anlass ist klar und verständlich in der Klausel anzugeben. Welcher Bestimmtheitsgrad dabei zu fordern ist, dazu gibt es bisher nur wenige Aussagen des EuGH, da in den Vorlageverfahren Invitel und RWE die streitgegenständlichen Klauseln von inhaltlicher Substanzlosigkeit geprägt waren. Im Fall Kásler handelte es sich gar um eine verdeckte Preiserhöhungsklausel. Er bestimmte lediglich, dass der Verbraucher auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die sich aus der Klausel ergebenden wirtschaftlichen Folgen voraussehen soll. Bei der Bestimmung der unteren Grenze der Bestimmtheit kann den Ausführungen der Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen zu der Entscheidung Invitel gefolgt werden. Demnach genügt die schlichte Übernahme des generalklauselartigen Begriffes des „triftigen Grundes“ nicht.535 Ferner sind, wie der EuGH in den Fällen Matei und Van Hove bestimmt hat,536 weitgefasste schrankenlose 533

So auch GA Villalon, Schlussanträge v. 09.06.2015, Rs. C-326/14 (Verein für Konsumenteninformation/A1 Telekom Austria), ECLI:EU:C:2015:462, Rn. 3. 534 Vgl. Einleitung B. II. 4.  535 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. j RL Rn. 91; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.12.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 87. 536 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 76; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 45 f.; vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 1.

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und unbestimmte Begriffe zu vermeiden. Nach oben hin wird das Maß der Bestimmtheit dagegen durch das Verbraucherleitbild eines „normal informierten, durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ begrenzt. Die Ausführungen dürfen nicht so detailliert sein, dass sie aufgrund ihres Umfangs oder Komplexität den Verständnishorizont des jeweiligen Durchschnittsverbrauchers übersteigen. Die Kriterien müssen hinreichend klar aber noch nachvollziehbar sein.537 Unter dem Modus der Preisänderung werden im Hinblick auf Nr. 2 lit. d des Anhangs die Voraussetzungen der Preisänderung verstanden.538 Regelmäßig wird der Anlass für eine Preisänderung identisch mit den Voraussetzungen der Änderung sein, etwa wenn der Verwender den Anstieg der Produktionskosten durch eine Preisänderung zu kompensieren versucht oder die Preisänderungsbefugnis an die Veränderung eines Index knüpft. Unter dem „Modus“ sind daher vielmehr die „Besonderheiten des Verfahrens“539, also die Art und Weise der Preisänderung sowie auch der Umfang einer möglichen Preisänderung, zu verstehen.540 Der Verbraucher muss vorhersehen können, wie die Preisänderung, z. B. automatisch oder durch einen Willensakt des Gewerbetreibenden, sowie wann, etwa ob die Preisänderung gleitend bei jeder Veränderung der Bezugsgröße, ab einem bestimmten Ausmaß der Veränderung oder erst nach dem Ablauf einer bestimmten Frist, erfolgt. Des Weiteren ist eine Regelung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung erforderlich.541 Von besonderem Interesse für den Verbraucher ist ferner, in welchem Umfang die Preisanpassung erfolgen wird, etwa ob der Preis nominal oder prozentual zur Veränderung der Bezugsgröße steigen wird oder einem Leistungsbestimmungsrecht des Gewerbetreibenden unterliegt. Da der Verbraucher „auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien“ in die Lage versetzt werden soll, die wirtschaftlichen Folgen einer Gestaltung einschätzen zu können,542 wird von Stimmen in der Literatur gefordert, dass in einigen Bereichen Anwendungsbeispiele und Musterrechnungen für die Wirksamkeit einer Klausel beizufügen sind.543 Diesem Erfordernis ist zuzustimmen. Auf diese Weise könnten die abstrakt benannten Voraussetzungen der Preisänderungsklausel für den Verbraucher begreiflich und durchschaubar gemacht werden und ihm helfen die wirtschaftlichen Folgen vorherzusehen. Die Grenze bildet dabei der Verständnishorizont eines angemessen verständigen Durchschnittsverbrauchers. Um 537

Vgl. zum Praktikabilitätsvorbehalt 2. Teil Kapitel 3 IV. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. d RL Rn. 211. 539 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzálogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73. 540 Vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 77; Wolf/Lindacher/Peiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. d RL Rn. 211. 541 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anhang RL, Rn. 211. 542 EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73 f. 543 Graf v. Westphalen, NJW 2014, 2242, 2250; Ludley, NZM 2014, 374, 384; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 60. 538

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Teil 2: Transparenzkontrolle

einer transparenzfeindlichen Erweiterung des Klauselumfangs entgegenzukommen, empfiehlt es sich jedoch solche zusätzlichen Informationen je nach Umfang der Erläuterungen und nach Länge der AGB gegebenenfalls auf ein gesondertes Blatt auszulagern. Ist eine Preisänderung aus sich heraus hinreichend transparent, so sind solche zusätzlichen Informationen für ihre Transparenz nicht erforderlich. d) Abwicklungstransparenz Mit Bezug auf Nr. 2 lit. b des Anhangs der Klauselrichtlinie fordert der EuGH zusätzlich zu einer klaren und verständlichen Darstellung des Anlasses und Modus der Preisänderung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, dass der Verbraucher rechtzeitig über jede Tariferhöhung und über sein Recht zur Kündigung des Vertrages informiert wird. Er stützt dieses Erfordernis auch auf Anhang A lit. b der Richtlinie 2003/55.544 Wie oben gezeigt, fordern auch andere verbraucherschützende Richtlinien eine Transparenz im Zeitpunkt der Durchführung der Preisänderung.545 In Zusammenschau dieser Regelung ist für die Abwicklungstransparenz einer Preisänderungsklausel erforderlich, dass der Gewerbetreibende dazu verpflichtet wird, den Verbraucher rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung unter Angabe der Gründe für die Änderung und mit einer Berechnung dafür sowie über sein Kündigungsrecht zu unterrichten. III. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz Im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 RL verlangt der EuGH bei der Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel die Berücksichtigung „aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt.“546 Eine solche weite Gesamtbetrachtung, wie sie der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 RL vermuten lässt, ist allerdings dahingehend einzuschränken, dass nur aufgrund eines Sachzusammenhangs oder einer Wechselbeziehung zusammengehörige Klauseln zu berücksichtigen sind. Dies bestätigt auch der Anhang, der eine Kompensation durch sachlich zusammengehörige Klauseln, wie in Nr. 1 lit. d und l, Nr. 2 lit. b des Anhangs, oder Kumulationsbetrachtung, die eine Addition nachteilhafter Effekte, wie sie Nr. 1 lit. f des Anhangs anordnet, zulässt.547 Folglich 544

EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 52. 545 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. 2. a. bb). 546 EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn.  40 f.; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 55. 547 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 17; Damm, JZ 1994, 161, 172; K ­ apnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 172; Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1820; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 34 ff.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

203

darf die Transparenz einer Preisänderungsklausel nicht losgelöst von anderen mit ihr im Zusammenhang stehenden Klauseln beurteilt werden. Insbesondere stellt sich dabei die Frage, inwiefern die fehlende Abschlusstransparenz einer Klausel durch in anderen Klauseln geregelte, den Verbraucher begünstigende Schutzmechanismen kompensiert werden kann. Im Fall RWE hat der EuGH festgestellt, dass die Intransparenz von Preisänderungsklauseln, die keine Angaben über den Anlass und den Modus der Änderung enthalten, nicht dadurch ausgeglichen werden könne, dass der Verbraucher mit angemessener Frist im Voraus über die Preisänderung und über sein Kündigungsrecht informiert werde.548 Dem berechtigten Interesse des Gewerbetreibenden an einer Preisanpassungsklausel stehe das ebenfalls schützenswerte Interesse des Verbrauchers gegenüber, nicht nur über die Angaben zu verfügen, um in der geeignetsten Weise auf die neue Situation reagieren zu können, sondern auch bereits bei Vertragsschluss die wirtschaftlichen Folgen voraussehen zu können. Die in Nr. 2 lit. b des Anhangs der RL geforderte Abwicklungstransparenz bei Durchführung einer Preisänderung ersetze daher nicht die erforderliche Abschlusstransparenz der Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss, sondern ergänze diese vielmehr.549 Dies entspricht auch dem Telos des Transparenzgebots, das neben dem Schutz des Verbrauchers die „Transparenz des Marktes“550 gewährleisten soll, um dem Verbraucher einen Vergleich der Angebote bei Vertragsschluss zu ermöglichen. Das Transparenzgebot schützt folglich die Wahlfreiheit des Verbrauchers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Verbraucher insbesondere Vertragsänderungsklauseln einer genauen Prüfung unterziehen wird, um sich auf diese Weise der Qualität der unterschiedlichen Angebote zu vergewissern.551 Aufgrund dieses mit Art. 5 S. 1 RL verfolgten Zwecks kann, anders als der BGH in seinem Vorlageverfahren angenommen hat,552 aus Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs, der eine Änderung der Vertragsbedingungen bei unbefristeten Verträgen ohne die Benennung eines Anpassungsgrundes ermöglicht, keine Kompensationsmöglichkeit hergeleitet werden. Das Vertragsänderungsrecht bei Nr. 2 lit. b Abs. 2 setzt einen bereits bestehenden unbefristeten Vertrag voraus, in dem lediglich die 548

EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 51. 549 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 52. 550 EuGH v. 04.03.2004, Rs. C-264/02 (Cofinoga Mérignac/Sylvain Sachithanathan), ECLI:EU:C:2004:127, Rn.  26; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 70. 551 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 86. 552 BGH v. 09.02.2011, BB 2011, 719 Rn. 33: Nr 2 lit. b des Anhangs der Klauselrichtlinie lockere bei Preisänderungen zugleich die Transparenzanforderungen und verlange nicht, dass im Vertrag ein Grund für die Preisänderung aufgeführt wird; so auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. b RL Rn. 195 f.; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 212; Schöne, WM 2004, 262, 269.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Bedingungen angepasst werden. Nr. 2 lit. b S. 2 des Anhangs trägt dem berechtigten Interesse des Gewerbetreibenden Rechnung, sich nicht auf ungewisse Zeit an bei Vertragsschluss vereinbarte Vertragsbedingungen binden zu müssen und stellt damit einen restriktiv auszulegenden, berechtigten Ausnahmefall für unbefristete Verträge dar.553 Im Umkehrschluss daraus muss in allen anderen Vertragstypen die zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher bestehende Informationsasymmetrie durch bereits bei Vertragsschluss transparente Klauseln ausgeglichen werden. Anderenfalls wird der mit den Transparenzanforderungen verfolgte Zweck ausgehöhlt.554 Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verbraucher, wenn er die Preisänderung bereits bei Vertragsschluss hätte voraussehen können, den Vertrag nicht geschlossen hätte. Zudem ist bereits zweifelhaft, ob auch der Preis eine Vertragsbedingung i. S. v. Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs darstellt, da zumindest Zinsanpassungen in Nr. 2 lit. b Abs. 1 gesondert geregelt sind. Darüber hinaus kann die Gewährleistung der Abwicklungstransparenz, da diese nach der Rechtsprechung des EuGH neben der Abschlusstransparenz der Klausel für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel maßgeblich ist, die Nichterfüllung der Abschlusstransparenz der Klausel nicht kompensieren.555 Diese Argumente sprechen auch gegen die Kompensation einer intransparenten Klausel durch Einräumung eines Lösungsrechts für den Verbraucher.556 Der EuGH benennt diese Wirksamkeitsvoraussetzungen kumulativ und fordert, dass der Verbraucher neben den Transparenzanforderungen über ein Recht zur Kündigung des Vertrages verfüge.557 Ein Kündigungsrecht wäre anderenfalls wertlos, wenn der Verbraucher nicht nachvollziehen kann, ob eine Veränderung gerechtfertigt ist. Ein Lösungsrecht kann mithin, unabhängig davon, ob es tatsächlich wahrge­ nommen werden kann,558 die Abschlussintransparenz einer Preisänderungsklausel

553

GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 86. 554 In diese Richtung auch BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 34 zur Kompensation durch ein Lösungsrecht. 555 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 141; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 43. 556 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 84 ff. 557 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49; so auch nach BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 33; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36; Mathiak, EuZW 2012, 788, 789; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 45. 558 Vgl. die Anforderungen des EuGH zum Lösungsrecht, in EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 54; GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 85; nähere Ausführungen dazu im Rahmen der Inhaltkontrolle 3. Teil Kapitel 7 A. III.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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nicht kompensieren, da es für die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel erforderlich ist.559 Auf die Möglichkeit des Lösungsrechts als Kompensation für den Fall, dass eine transparente Darstellung des Preisänderungsrechts schlicht unmöglich und unzumutbar ist, geht der Gerichtshof dagegen nicht ein. Wie oben erläutert, steht auch das europäische Transparenzgebot unter einem Praktikabilitätsvorbehalt.560 Allerdings sind die Transparenzvorgaben erfüllt, wenn die Preisänderungsklausel im Rahmen des Möglichen hinreichend konkretisiert ist. Die Klausel ist damit nicht intransparent, so dass sich das Problem der Kompensation nicht stellt. Auch die vom BGH in der Vorlagefrage angeführte Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung561 bewirkt nicht die Kompensation einer intransparenten Klausel. Sie ist für den Verbraucher mit der Gefahr einer für ihn nicht vorhersehbaren Prozessführung und des damit als Konsequenz einhergehenden Kostenrisikos verbunden, obwohl gerade der Gewerbetreibende das Risiko für Unklarheiten von Klauseln trägt.562 Ferner ist die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle bei Preisänderungsvorbehalten eine unverzichtbare zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung, die auch nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann, so dass auch hier das Doppelverwertungsverbot greift. Folglich kommt keine Kompensation der Abschlussintransparenz einer Preisänderungsklausel durch eine für den Vertragspartner günstige Regelung, wie die Gewährleistung der Abwicklungstransparenz oder einer Kündigungsmöglichkeit oder die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle in Betracht. Eine andere Auffassung stünde im Widerspruch zu den hohen, an die Transparenz von Preisänderungsklauseln durch den EuGH gestellten Anforderungen.563 Zumal diese Schutzmechanismen kumulativ zu der Abschlusstransparenz für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel zwingend erforderlich sind. Es kann der Rechtsprechung des EuGH im Fall RWE daher ein Doppelverwertungsverbot im Rahmen der Kompensation entnommen werden.564

559

EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 51; GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn.  84; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3603; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36; Lindacher, EWiR 2013, 233, 234; Markert, LMK 2013, 345547; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 43. 560 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 1. 561 BGH v. 09.02.2011, BB 2011, 719 Rn. 33. 562 GA Trestenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 88. 563 In diese Richtung auch Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1860. 564 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 141.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

IV. Zusammenfassung der materiellen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln nach der Klauselrichtlinie Zunächst darf eine Preisänderungsklausel, ausgehend von der Judikatur des EuGH in der Rechtssache Verein für Konsumenteninformation und der kohärenten Auslegung von Art. 5 S. 1 RL im Lichte von Art. 6 Abs. 1 und 7 Abs. 1, 2 Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, keine irreführenden Angaben durch unwahre Darstellung, Vorenthaltung von Informationen oder mehrdeutige Bereitstellung der Informationen enthalten. Im Einklang mit Art. 3, 5 RL sowie Nr. 1 lit. j und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der Klauselrichtlinie sowie den Vorgaben zu Preisänderungsklauseln aus sektorspezifischen, verbraucherschützenden Richtlinien ist nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass Anlass und Modus der Preisänderung so transparent in der Klausel angegeben werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien vorhersehen kann. Der EuGH fordert dies auch für Zinsanpassungsklauseln, obwohl Nr. 2 lit. b Abs. 1 des Anhangs für diese eine Privilegierung vorsieht. Er formuliert damit einheitliche Voraussetzungen für Preisänderungsklauseln unabhängig von dem jeweiligen Vertragstypus. Die Voraussehbarkeit der Preisänderung ist demnach eine rechtsaktübergreifende Voraussetzung für Preisänderungsklauseln. Unter dem Anlass ist dabei jeder triftige Grund zu verstehen, der für eine Preisänderung ursächlich ist. Dieser Änderungsanlass bedarf einer hinreichenden Konkretisierung, wobei schrankenlose, unbestimmte Begriffe im Rahmen des Möglichen zu vermeiden sind oder, sofern eine Verwendung aus Gründen der Bestimmtheit unverzichtbar ist, durch eine nicht abschließende Liste von Beispielen zu konkretisieren sind. Unter dem Modus der Preisänderung ist das Berechnungsverfahren zu verstehen, was insbesondere die genaue Beschreibung der Art und Weise der Anpassung sowie des Wirksamwerdens und Umfangs der Änderung umfasst. Dieses Verfahren kann unter Umständen für den Verbraucher durch Zugabe von Beispielen und Musterrechnung auf einem separaten Schriftstück konkretisiert werden. Darüber hinaus ergibt sich aus Nr. 2 lit. b sowie den Vorgaben aus anderen Richtlinien, dass auch Transparenz im Rahmen der Durchführung der Preisänderung gewährleistet werden muss, so dass der Verbraucher über die Preisänderung unter Angabe der Gründe und der Berechnung sowie über ein mögliches Kündigungsrecht unterrichtet werden muss. Stellt die Klausel Anlass und Modus der Preisänderung dagegen nicht hinreichend transparent dar, so kann die fehlende Abschlusstransparenz nicht durch Transparenz im Rahmen der Durchführung der Preisänderung, die Einräumung eines Lösungsrechts oder die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB kompensiert werden. Diese Schutzmechanismen sind vielmehr selbst für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich und können daher nicht die mangelnde Transparenz kompensieren. Zumal die erforderliche Abschlusstransparenz

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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die Wahlfreit des Verbrauchers schützt und ihre Bedeutung nicht durch Kompensationsmöglichkeiten ausgehöhlt werden darf.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ist es nach der deutschen Rechtsprechung geboten, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen ohne Einholung von Rechtsrat so weit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne.565 Eine solche hinreichende Transparenz im materiellen Sinne kann nur gewährleistet werden, wenn die Rechtslage nicht irreführend dargestellt ist (I.) sowie der Klauselinhalt hinreichend konkretisiert ist (II.). Daneben stellt sich auch im deutschen Recht die Frage, nach der Kompensation einer intransparenten Klausel (III.). I. Irreführungsverbot Stärker als in der Rechtsprechung des EuGH ist das Irreführungs- und Täuschungsverbot in der deutschen Rechtsprechung566 sowie durch das Schrifttum567 als eine Fallgruppe des Transparenzgebots anerkannt. Eine Irreführung liegt vor, wenn die Rechtslage sei es aufgrund bloßer Unklarheit oder aufgrund der Suggestion einer unwahren Rechtslage unzutreffend oder missverständlich dargestellt wird. Die unangemessene Benachteiligung liegt darin, dass der Vertragspartner aufgrund einer Täuschung von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten oder ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden können. In Bezug auf Preisänderungsklauseln hat der BGH eine Klausel für unwirksam erklärt, die den Eindruck erweckte, dass eine Preiserhöhung nach Ablauf von vier Monaten bedenkenlos möglich sei.568 Die bereits wegen formeller Intransparenz für unwirksam erklärte, verdeckte Effektivzinserhöhung durch Verrechnung von Zins- und Tilgungsraten bei Annuitätendarlehen569 hält auch der materiellen Transparenzkontrolle nicht Stand. Die zinserhöhende Wirkung werde mangels eines 565 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 08.10.1997, BGHZ 136, 394 Rn. 24; BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH v. 09.05.2001, BGHZ 147, 373, 377; BGH v. 24.03.1999, BGHZ 141, 137 Rn. 17. 566 BGH v. 23.03.1988, BGHZ 104, 82, 92; BGH v. 23.11.1994, BGHZ 128, 54, 60; BGH v. 27.09.2000, BGHZ 145, 203, 222; BGH v. 27.09.2000, NJW 2001, 292, 296; BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11, 24; BGH v. 05.10.2005, NJW 2006, 211, 213. 567 Heinrichs, in FS Trinkner, 157, 163, 168; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 192; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 342; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 267; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 572; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 61. 568 OLG Düsseldorf v. 12.04.1984, ZIP 1984, 719, 721. 569 BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 42, 50; BGH 01.02.1989, NJW 1989, 2267, 2268; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1098.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

in der Formulierung klar aufgezeigten sachlichen Zusammenhangs zwischen der Zinsberechnungs- und der Tilgungsklausel verschleiert.570 Gegen das Irreführungsverbot verstößt eine Preisänderungsklausel auch, wenn nicht ersichtlich ist, ob diese als ein der Billigkeitskontrolle unterliegender Preisänderungsvorbehalt oder als automatische Spannungsklausel auszulegen ist. So könnte der Kunde von der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB abgehalten werden. Dies ist etwa der Fall, wenn die Klausel nur davon spricht, dass sich die Preise entsprechend den Preisänderungen in der Grundversorgung ändern. Hier könne bei kundenfeindlichster Auslegung der Anschein erweckt werden, dass dem Lieferanten durch Anknüpfung der Preisanpassung an eine Art Index kein Ermessenspielraum zusteht.571 Der die Billigkeitskontrolle verschleiernde Effekt, kann zusätzlich dadurch verstärkt werden, dass als Abwehrmöglichkeit des Verbrauchers gegen unangemessene Preisänderungsvorbehalte lediglich die Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich genannt wird. Dadurch könnte der Eindruck vermittelt werden, dass dem Vertragspartner keine weiteren Möglichkeiten offen stehen, um der Preisanpassung entgegenzutreten.572 Folglich ist, um eine irreführende Fassung einer Preisanpassungsklausel zu vermeiden, zunächst die preiserhöhende Wirkung einer Klausel ausreichend her­ vorzuheben. Daneben sind alle Voraussetzungen einer Preisänderungsbefugnis sowie die möglichen abzuleitenden Rechtsfolgen hinreichend deutlich in der Preisänderungsklausel dazustellen, um mehrdeutige Interpretationen der Klausel zu vermeiden. Da der BGH davon ausgeht, dass ein juristisch nicht vorgebildeter Kunde zwischen den einzelnen Arten von Preisänderungsklauseln unterscheiden könne,573 ist in der Klausel insbesondere hinreichend kenntlich zu machen, ob es sich um eine automatische Preisanpassungsklausel handelt oder ob die Preisänderungsbefugnis vielmehr im billigen Ermessen des Verwenders i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB steht. II. Bestimmtheitsgebot 1. Grundlagen Ein weiterer Aspekt des Transparenzgebots in inhaltlicher Hinsicht ist das Bestimmtheitsgebot. Während der EuGH vorrangig auf die Vorhersehbarkeit der sich aus der Klausel ergebenden wirtschaftlichen Folgen für den Verbraucher auf der 570 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 120; BGH 10.12.1991, NJW 1992, 1108, 1109; BGH v. 04.02.1997, NJW 1997, 1068. 571 BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 41, 43; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111, Rn. 43 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 19 – Augsburger Stromvertrag. 572 OLG München v. 16.07.2015 – 29 U 1179715, juris Rn. 30.; OLG Rostock v. 10.06.2015 – 2 W 8/15, IR 2015, 229 Rn. 10. 573 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien abzielt,574 wird in der deutschen Rechtsprechung575 und Literatur576 das Bestimmtheitsgebot neben diesem Ziel mit Blick auf den Verwender definiert: Danach müssen der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Klausel so konkret beschrieben sein, dass der Verbraucher seine Rechte und Pflichten möglichst genau der Klausel entnehmen kann und für den Verbraucher keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Dadurch sind die Anforderungen des BGH allerdings insofern nicht strenger, als eine Begrenzung der ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume des Anpassungsberechtigten durch eine hinreichende Konkretisierung der Klausel dem Bestimmtheitsgebot immanent ist. Infolgedessen bestehen jedoch Überschneidungen zwischen dem Transparenzgebot und den inhaltlichen Anforderungen an die Angemessenheit einer Klausel insoweit, als eine mangelhaft konkretisierte Klausel auf der einen Seite zwar das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB betrifft, auf der anderen Seite aber auch einen unverhältnismäßig großen Beurteilungsspielraum für den Verwender eröffnet und damit eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartner i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB577 darstellen kann.578 Da ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum des Verwenders einer unbestimmten Klausel immanent ist, wird im Rahmen dieser Untersuchung in folgender Weise differenziert: Sofern die hinreichend konkrete Darstellung des Anlasses und Modus der Preisänderung im Mittelpunkt steht, die zugleich den Preiserhöhungsspielraum des Unternehmers begrenzt, ist das Informationsinteresse und damit die Transparenzkontrolle betroffen. Geht es dagegen um die Beschränkung des Preisänderungsrechts durch einen hinreichend sachlichen Grund für die Preisänderung sowie die notwendige, inhaltliche Begrenzung des Umfangs der Preisänderung, um das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu wahren, – etwa durch eine Verpflichtung zur Weitergabe von Preissenkungen

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EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn 76; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 43; GA Wahl, Schlussanträge v. 12.02.1014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:85, Rn. 80. 575 BGH v. 05.11.2003, NJW 2004, 1598, 1600; BGH v. 20.07.2005, NJW-RR 2005, 1496, 1498; BGH v. 06.12.2007, NJW-RR 2008, 615, 616. 576 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 181, 187; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338 ff.; Heinrichs, in Graf v. Westphalen u. a. (Hrsg.), FS Trinkner, 157, 167; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 143 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 59. 577 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 12 – Pay-TV. 578 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 101; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 106; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 118 ff.; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 138; Borges, DB 2006, 1199, 1205; für die Zuordnung des Konkretisierungsgebots zur Inhaltskontrolle Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 195; Schimansky, WM 2001, 1169, 1171 „Die Unzu­ lässigkeit schrankenloser […] Konditionsanpassungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegt in ihrem Inhalt selbst, nicht in seiner Verschleierung.“

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Teil 2: Transparenzkontrolle

sowie durch das Saldierungsgebot – so werden diese Aspekte im Rahmen der Inhaltskontrolle untersucht.579 2. Konkretisierung von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen a) Konkretisierungserfordernis von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Besonders für einseitige Preisänderungsrechte ist das Bestimmtheitsgebot von großer Bedeutung. Es stellt das notwendige Pendant zum anerkannten Anpassungsinteresse des Verwenders dar. In Übereinstimmung mit dem EuGH,580 steht dem anerkannten Interesse des Gewerbetreibenden, durch Preisänderungen das ursprünglich vereinbarte Gleichgewicht von Leistung zu erhalten,581 das berechtigte Interesse des Kunden gegenüber, die auf ihn zukommenden Belastungen vorhersehen zu können.582 Durch Benennung der Voraussetzungen des Preisänderungsrechts wird gleichzeitig die Möglichkeit des Klauselverwenders eingegrenzt, durch die Preisänderung einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Eine Störung des Äquivalenzverhältnisses wird folglich insbesondere durch eine konkrete Ausgestaltung der Änderungsbefugnis des Anpassungsberechtigten verhindert.583 Aufgrund der Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für Preisänderungsklauseln verwundert es nicht, dass dieses Prinzip seinen Ursprung584 im deutschen Recht in einer Entscheidung des BGH betreffend Preiserhöhungsklauseln in einem Zeitschriftenabonnement-Vertrag hatte:585 Der BGH erwähnte hier das Bestimmtheitsgebot noch nicht ausdrücklich, stellte jedoch fest, dass eine „Konkretisierung der Klausel“ zum Schutz des Vertragspartners erforderlich sei.586 Dagegen 579 So auch Borges, DB 2006, 1199, 1205; ähnliche Differenzierung auch bei Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 309 Nr. 1 BGB Rn.  580 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 53. 581 BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn. 22; BGH, NJW 2007, 1054 Rn. 20; NJW-RR 2008, 134 Rn. 19; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14. 582 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 12 – Pay-TV; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 11. 583 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339 f.; BGH v. 17.02.2004, BGHZ 158, 149, 158; BGH v. 10.11.2007, NJW-RR 2008, 134, Rn.  25  – Pay-TV; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 12. 584 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 43 f.; Lübke-Detring, Preisklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, 31 f.; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 47; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, 147. 585 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518 – Zeitschriftenabonnement I. 586 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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stellen Klauseln, die „jede beliebige Erhöhung des Bezugspreises“ ermöglichen, aufgrund der Möglichkeit einer ungerechtfertigten Gewinnerhöhung eine unangemessene Benachteiligung des Abonnenten dar.587 Die mangelnde Konkretisierung einer Preiserhöhungsklausel könne aber weder durch den Wettbewerb588 noch die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB kompensiert werden.589 Vielmehr sei es für die Wirksamkeit einer Preiserhöhungsklausel maßgeblich, „dass der Käufer bereits bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen kann, in welchem Umfang Preiserhöhung auf ihn zukommen können, und dass er in der Lage ist, die Berechtigung vorgenommener Preiserhöhung an der Ermächtigungsklausel zu messen.“590 Diese Richtlinie fand zwar Bestätigung in anderen Entscheidungen betreffend Tages- und Listenpreisklauseln591 sowie Preisänderungsklauseln in Zeitschriftenabonnementverträgen,592 jedoch stellten insbesondere der III. und der X. BGHZivilsenat nicht die gleichen hohen Anforderungen an die Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln, indem sie vor allem inhärente Begrenzungen in nicht hinreichend bestimmt formulierte Klauseln hineininterpretieren.593 Folglich fehlte es zunächst an einer konsequenten Anwendung des Bestimmtheitsprinzips.594 Erst in den Kerosinzuschlag I und II – Entscheidungen595 bestätigte der X. Zivilsenat die in der Entscheidung Zeitschriftenabonnement  I an Preisanpassungsklauseln aufgestellten Transparenzanforderungen. Hier wurde eine Klausel, die einen Zuschlag zum vereinbarten Reisepreis bei Änderungen der Kerosinkosten vorsah, 587

BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I. BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3135. 589 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26; BGH v. 21.12.1983, BGHZ 89, 206, 213; BGHZ 26.11.1984, BGHZ 93, 29, 34. 590 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I. 591 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21 Rn. 14; BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603 Rn. 14; BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69 Rn. 10; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 340; BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3135. 592 BGH v. 25.05.1986, NJW 1986, 3134, Rn. 22. 593 Exemplarisch BGH v. 29.10.1985, WM 1986, 73: „Die Preiserhöhungen, die der Hersteller am Markt durchsetzen kann, seien ein hinreichender Schutz gegen Missbrauch des Preisanpassungsrechts; BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 216 ff.: inhärente Begrenzung von Zinsan­ passungsklauseln durch die Abhängigkeit der Refinanzierungskondiktion von dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank; Bestätigung in BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; BGH v. 06.04.2000, NJW 2000, 2580, 2581. 594 Ausführlich zur früheren Rspr. des BGH: Beckmann Die Zulässigkeit von Preis- und Prämien­anpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 43 ff.; Lübke-Detring, Preisklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, 42 ff; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 45 ff. 595 BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507 – Kerosinzuschlag I: Die Preisanpassungsklausel bezog sich zum einen auf die „ausgeschriebenen“ Preise, zum anderen auf die „mit der Buchung schon bestätigten Preise“; BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 746 – Kerosinzuschlag II: Die verwendete Klausel stellte auf Preisänderungen ab, die „nach Abschluss des Reisevertrags“ eintreten; kritisch Graf von Westphalen, NJW 2003, 1635, 1639; Schmid, NJW 2003, 947; Kappus, LMK 2003, 17. 588

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Teil 2: Transparenzkontrolle

aufgrund Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten für unwirksam erklärt. Insbesondere war in der Klausel nicht hinreichend ersichtlich, auf welchen Preis sich die Preisanpassung beziehe. Folglich muss der Kunde bereits aus der Formulierung der Klausel voraussehen können, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang es zu Preisänderungen kommen kann, und dadurch in der Lage sein, die erfolgte Preisanpassung auf ihre Berechtigung zu überprüfen.596 Entgegen der früheren Rechtsprechung zu Zinsanpassungsklauseln,597 hat der XI. BGH-Zivilsenat in der Entscheidung vom 21.04.2009 diese Anforderungen auch auf Zinsanpassungsklauseln übertragen.598 Seit dem Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache RWE599 bezieht sich der BGH bei der Beurteilung der Transparenzanforderungen von Preisänderungsvorbehalten in Gaslieferungsverträgen ausdrücklich auf die Anforderungen des EuGH an Preisänderungsvorbehalte.600 Er verweist dabei auch auf das in den Rechtssachen Matei und Van Hove durch den EuGH herausgestellte, umfassende Verständnis des Transparenzgebots.601 Der Verbraucher müsse in die Lage versetzt werden, mit den ihm vor Vertragsschluss gegebenen Informationen die Gründe und den Mechanismus der Preisanpassung einschätzen zu können.602 Im Einklang mit den Anforderungen aus dem Fall RWE sei demnach für die Zulässigkeit eines in AGB eingeräumten einseitigen Preisanpassungsrechts „insbesondere von wesentlicher Bedeutung, ob der Vertrag den Anlass und den Modus der Änderung der Entgelte für die zu erbringende Leistung so transparent darstelle, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen“ könne.603 Diese Anforderungen entsprechen der oben dargestellten bisherigen Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Transparenzanforderungen von Preisänderungsklauseln mit Ausnahme der vor der Entscheidung RWE praktizierten Leitbildrechtsprechung zu Preisänderungsvorbehalten in Gaslieferungsverträgen mit 596 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 12 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 11 – Pay-TV. 597 BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 216 ff.: inhärente Begrenzung von Zinsanpassungsklauseln durch die Abhängigkeit der Refinanzierungskondiktion von dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank; Bestätigung in BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; BGH v. 06.04.2000, NJW 2000, 2580, 2581. 598 BGH v. 21.04.2009, NJW 2009, 2051 Rn. 29. 599 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 600 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111, Rn. 59; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 25 ff. – Augsburger Stromvertrag. 601 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 73; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41. 602 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52, Rn. 26 – Augsburger Stromvertrag. 603 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 27 – Augsburger Stromvertrag.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Sonderkunden.604 Sie lassen sich deshalb allgemein auf Preisänderungsklauseln unabhängig von der jeweiligen Vertragsart und des Anpassungsmechanismus übertragen. Der EuGH geht auf die Überprüfbarkeit der Anpassung im geringeren Maße ein. Allerdings fordert er auch die Vorhersehbarkeit der Änderung, so dass unsicher ist, ob durch das Erfordernis der Überprüfbarkeit strengere Anforderungen aufgestellt werden. Sofern man die Vorgaben der deutschen Rechtsprechung dahingehend als strengere Anforderung i. S. v. Art. 8 RL betrachten möchte, ist dies zur Erhöhung des Schutzes des Verbrauchers durchaus möglich. Folglich müssen der Anlass für eine Preisanpassung, also die Voraussetzungen, sowie der Modus der Preisänderung einschließlich ihres Umfangs hinreichend konkretisiert werden. b) Konkretisierungsfähigkeit von Preisänderungsklauseln Jedoch hat der BGH richtigerweise bereits frühzeitig in seinen Entscheidungen festgestellt, dass aufgrund der vielen in Frage kommenden Faktoren, die für eine Preisanpassung ausschlaggebend sind, die Formulierung eines Preisänderungsvorbehalts in einer für den Verbraucher verständlichen oder nachvollziehbaren Weise unmöglich sein könne. Er setzt dabei eine kompliziert gefasste Anpassungsklausel mit einer unbestimmt formulierten Klausel gleich.605 Auch in weiteren Entscheidungen wird bestätigt, dass die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot den AGB-Verwender nicht überfordern dürfen.606 Vor allem aufgrund der Besonderheiten der Vertragsbeziehung könne die Konkretisierung der Anpassungsmaßstäbe an „unüberwindbare Schwierigkeiten“ stoßen.607 Für Preisänderungsklauseln ist besonders charakteristisch, dass die Ungewissheit der Entwicklung der preisbildenden Faktoren, die gerade den Unternehmer zu Preisänderungen legitimiert, auf der anderen Seite eine hinreichend konkretisierte Fassung, als Pendant zum berechtigten Interesse des Unternehmers, zugleich erschwert.608 Jedoch müssen nicht die zukünftigen Ereignisse im Voraus konkre­

604 Vgl. Leitbildrechtsprechung des BGH: BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn 21; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 19, 24 f.; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 33. 605 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24, 26.  606 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 263; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 119; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 26 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360, Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 32 – Augsburger Stromvertrag; besonders problematisch bei Zinsanpassungsklauseln: BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 216 ff.; BGH v. 17.02.2004, NJW 2004, 1588, 1589. 607 BGH v. 06.04.1989, NJW 1989, 1796, 1797 m. w. N.; BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV. 608 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 196; Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromliefer- und Netznutzungsverträge im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 111.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

tisiert werden, sondern lediglich die Umstände, die zu einer Änderung und deren möglichen Anpassungsfolgen führen können.609 Es bestehen jedoch Konkretisierungsgrenzen zum einen in rechtlicher Hinsicht, weil Ermessenspielräume auch sachlich legitimiert sein können, um etwa auf wechselnde, nicht überschaubare Kostenentwicklungen oder besondere Fallgestaltungen flexibel reagieren zu können.610 Zum anderen besteht eine tatsächliche Grenze, als insbesondere bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen alle Faktoren, die relevant für die Preisbildung sind, mangels Prognostizierbarkeit der dynamischen internen Geschäftsabläufe oder der zukünftigen Entwicklung des jeweiligen Marktes im Allgemeinen nur schwer umfassend bestimmt werden können und zudem änderungsanfällig sind. Im Rahmen von Energielieferungsverträgen etwa sind dies vor allem Faktoren, auf die die Energieversorgungsunternehmen keinen Einfluss nehmen können, wie inländische oder ausländische politische Entscheidungen, unternehmenspolitische Entscheidungen von Lieferanten oder Entwicklungen der Rohstoffreserven. Je länger dabei ein Schuldverhältnis andauert, umso schwieriger wird die Prognostizierbarkeit der maßgeblichen Änderungsfaktoren und ihrer Auswirkung auf den Umfang der Anpassung im Besonderen.611 Darüber hinaus können die zur Anpassung berechtigenden Faktoren so komplex sein, dass eine für den Durchschnittsverbraucher verständliche Fassung gar nicht möglich ist oder aufgrund von Texterweiterungen in sich die Gefahr der Intransparenz birgt.612 Je komplexer, dynamischer sowie unvorhersehbarer die für die Preisbildung relevanten Faktoren sind, desto weniger strenge Anforderungen dürfen an die Konkretisierung von Anlass und Umfang der Preisänderung gestellt werden.613 Jedoch wird im Fall „unüberwindbarer Schwierigkeiten“ der Verwender nicht völlig von der Verpflichtung zur Konkretisierung frei. Der Verwender soll sich nicht auf „unüberwindbare Schwierigkeiten“ berufen können, ohne einen Versuch der Konkretisierung zu unternehmen; vielmehr ist erforderlich, dass die Klausel so 609

BT-Dr. 7/3919, 28; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 188; a. A. Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 80. 610 Der BGH erkannte in seiner früheren Rechtsprechung aufgrund der wechselnden und bei Vertragsschluss nicht überschaubaren künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten ein kaum konkretisiertes, einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 BGB im Rahmen von Zinsanpassungsklauseln an, BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 217; BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 130, 131; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 196. 611 Vgl. Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 121; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 196; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 143; Kamanbrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 188. 612 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 39 – Augsburger Stromvertrag; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 107; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253. 613 In diese Richtung BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 26 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 09.06.2011, MMR 2012, 24 Rn. 28 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 36, 39 – Augsburger Stromvertrag: ohne den Aspekt der Vorhersehbarkeit.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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konkret, wie es dem Verwender nur möglich und zumutbar ist, formuliert wird.614 Zahlreiche Faktoren und dynamische Märkte führen noch nicht zur Unmöglichkeit einer Konkretisierung.615 Der Bestimmtheit einer Preisänderungsklausel muss damit im Einklang mit der Klauselrichtlinie616 nur im Rahmen des Möglichen Rechnung getragen werden. Dabei ist der Grad der maximal möglichen Konkretisierung im Rahmen eines Abwägungsprozesses unter Berücksichtigung des Verständnishorizonts des Durchschnittsverbrauchers der betreffenden Vertragsart, der Komplexität und Dynamik des Sachverhalts sowie fachspezifischen Besonderheiten des Regelungsgegenstandes zu ermitteln. Ausgehend von diesem Maßstab wird daher im Folgenden untersucht, inwiefern das strenge Konkretisierungsgebot in Hinblick auf eine klare und verständliche Darstellung des Anlasses (3.) und Modus (4.) der Preisänderung verwirklicht werden kann; insbesondere welcher Grad an Bestimmtheit vom Verwender gefordert werden kann. Dabei wird innerhalb dieser beiden Aspekte, sofern dies erforderlich ist, zwischen den einzelnen Anpassungsmechanismen differenziert. 3. Konkretisierung des Anlasses der Preisänderung Sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch nach der Judikatur des BGH ist eine Konkretisierung des Anlasses, der den Klauselverwender zur Anpas­ sung des Preises berechtigt, erforderlich. Jedoch gibt es im Gegensatz zur umfangsreichen deutschen Judikatur nur wenige konkrete Ausführungen des EuGH in Hinblick auf das erforderliche Maß der Konkretisierung. Während im Rahmen der Inhaltskontrolle untersucht wird, welche Umstände einen zulässigen, sachlichen Grund für eine Preisanpassung darstellen, ist im Rahmen der Transparenzkontrolle zu untersuchen, wie konkret die einzelnen Gründe, die zur Preisänderung ermächtigen, ausgestaltet sein müssen (a.). Wie in der Einleitung erläutert, kann der Unternehmer durch Veränderung der für die Preisbildung relevanten Kosten (b.), oder Wertsteigerungen der Leistung aber auch durch den Wertverfall der Gegenleistung (c.) zu Preisänderungen veranlasst werden. a) Unbestimmte Ereignisse Um diesen Änderungsgründen Rechnung zu tragen, wird die Preisänderungsbefugnis häufig an unbestimmte Ereignisse geknüpft. Solche Klauseln sind jedoch, 614 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 102; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 24. 615 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV. 616 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 1. 

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Teil 2: Transparenzkontrolle

da die Voraussetzungen der Preisänderung hinreichend verdeutlicht werden müssen, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH617 in den Fällen Matei und van Hove grundsätzlich unwirksam. So sind Klauseln, die eine „angemessene“ Preiserhöhung ermöglichen, insofern zu unbestimmt, als für die Überprüfung der „Angemessenheit“ eine Vielzahl denkbarer „Parameter“, wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten, das allgemeine Marktgeschehen, die Zeit der letzten Preiserhöhung, die Relation zum früheren Preis oder die Situation bei Konkurrenzprodukten, in Betracht käme, die der Kunde weder bei Vertragsschluss noch bei Vornahme einer Preisanpassung zuverlässig beurteilen könne.618 Aus dem gleichen Grund scheitern auch Klauseln, die Preisanpassungen „soweit dies dem Kunden zumutbar ist“ erlauben.619 Auch die Anknüpfung an „den Aufwand“ oder „die Marktlage“ bei Zinsanpassungsklauseln620 oder an „die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt“ bei Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen621 er­füllen nicht die Anforderungen hinreichender Bestimmtheit. Die Verwendung unbestimmter Begriffen ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht völlig ausgeschlossen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hinzunehmen, wenn „die Komplexität und Dynamik des betroffenen Marktes einer näheren Eingrenzung entgegenstünde“622 oder abschließende Aufzählungen „angesichts der damit zwangsläufig verbundenen Komplexität kaum noch verständlich (seien sowie)  […] die unvermeidliche Gefahr der Unvollständigkeit in sich bergen.“623 So erlaubte der BGH in der Entscheidung Internet-Provider die Begrenzung des Anpassungsrechts auf die Fälle, „in denen sich die Marktverhältnisse erheblich ändern“, da der Markt der Internetanbieter einer außergewöhnlich hohen Veränderlichkeit aufgrund des technischen Wandels und des sehr starken Wettbewerbs unterliege.624 In einer anderen Entscheidung, die eine Preisanpassungsklauseln in einem Stromlieferungsvertrag mit Sonderkunden behandelte, hielt der BGH die Bezugnahme auf „Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen die zu einer veränderten Kostensituation führen“, unter zusätzlicher exemplarischer Aufzählung berücksichtigungsfähiger Umstände, für hinreichend bestimmt.625 Dieser Lockerung des Bestimmtheitsgebots ist zuzustimmen. Sie entspricht dem Grundsatz, dass Konkretisierung nur im Rahmen des Möglichen verlangt werden darf und trägt den Interessen des Unternehmers und des Verbrauchers gleicher­ 617

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 1.  BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3136. 619 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 13 – Internetprovider. 620 BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 27; zustimmend Graf v. Westphalen, NJW 2010, 2254, 2259. 621 LG Hamburg v. 27.10.2009, ZMR 2010, 185, 186. 622 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 13 – Internetprovider 623 BGH v. 20.07.2005, WM 2005, 2002, 2004; BGH v. 18.07.2012, BGHZ 194, 121 Rn. 45. 624 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 26, 22 – Internetprovider. 625 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 39 f. – Augsburger Stromvertrag. 618

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maßen Rechnung. Dem Unternehmer bleibt eine gewisse Flexibilität unbenommen, während der Verbraucher so zumindest einschätzen kann, wann es zu einer möglichen Preisänderung kommen könnte. Dem Verbraucher ist auch durch einen unbestimmten Oberbegriff mehr geholfen als durch eine komplizierte, im Zweifelsfall unvollständige Aufzählung möglicher Bezugstatbestände oder gar keine Benennung der Voraussetzungen einer Anpassungsbefugnis. Um die Vorhersehbarkeit für den Verbraucher zu erhöhen, ist es allerdings geboten, solche unbestimmten Begriffe durch eine exemplarische Aufzählung von möglichen berücksichtigungsfähigen Faktoren zu konkretisieren und den nicht abschließenden Charakter der Aufzählung hinreichend zu kennzeichnen, etwa durch Hinzufügen des Adverbs „insbesondere“626. Ebenso wie Bezugspunkte, die aufgrund ihrer Komplexität und Dynamik, nur weit gefasst werden können, sind auch an die Weitergabe von Kostensteigerungen, die auf gesetzliche Neuregelungen zu öffentlichen Abgaben oder gesetzlich auferlegten Lasten und Umlagen basieren, im Hinblick auf die Transparenz und Bestimmtheit keine hohen Anforderungen zu stellen. Da der Unternehmer schlichtweg nicht vorhersehen kann, welche hoheitlichen Belastungen auf ihn zukommen werden, darf er diese Vorgänge einfach als „Steuern, Umlagen und Abgaben“ bezeichnen ohne diese weiter konkretisieren zu müssen.627 b) Kostenänderungen Den häufigsten legitimen Anlass für Preisänderungen, bilden Veränderungen der Kosten für die zu erbringende Leistung. Klauseln, die das Preisänderungsrecht in Abhängigkeit zu der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter und Dienstleistungen, die unmittelbar Einfluss auf die Selbstkosten des Gläubigers für die Erbringung der Leistung haben, stellen, werden als Kostenelementeklauseln bezeichnet. Dabei ist zwischen Kostenelementeklauseln in Form von Automatikklauseln (aa)), die im Rahmen dieser Untersuchung als Kostenelementeklauseln bezeichnet werden, und Preisänderungsvorbehalten (bb)), bei denen die Veränderung der Kostenfaktoren lediglich das billige Ermessen des Verwenders eröffnet sowie zugleich beschränkt, zu differenzieren. aa) Kostenelementeklauseln in Form von Automatikklauseln Kostenelementeklauseln in Form von Automatikklauseln führen zu einer automatischen, unbedingten Anpassung des Entgelts für die Geltungsdauer des Ver 626

Vgl. OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 13. Vgl. BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 – Augsburger Stromvertrag, Klausel 6.3.; so auch Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1867; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 162. 627

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trages, indem sich die Höhe des Ausgangspreises akzessorisch zu der Veränderung der für die Preisbildung maßgeblichen Kosten verhält. Die Preisänderung steht dabei nicht wie bei einem Preisänderungsvorbehalt im billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten, sondern ergibt sich mathematisch exakt aus der Klausel selbst. (1) Anforderungen der Rechtsprechung Die Rechtsprechung erkennt die Notwendigkeit und Legitimation von Kosten­ elementeklauseln ausdrücklich an.628 Im Einklang mit der Entscheidung Zeitschriftenabonnement I müssen aber auch Kostenelementeklauseln hinreichend konkretisiert sein. So könne eine solche Klausel nicht ganz allgemein auf Kostenänderungen abstellen, sondern müsse erkennen lassen, in welchem Bereich Kostensteigerungen, die zu Preisänderungen befähigen, auftreten können.629 Ferner stellte der BGH im Fall Kerosinzuschlag I zutreffend fest, dass aus der Klausel ersichtlich sein muss, welcher Preis Grundlage der Forderung nach einem erhöhten Preis sei.630 Ausgehend von den Anforderungen in der Kerosinzuschlag I und II-Entscheidungen631, in denen die Nachvollziehbarkeit der Preisänderungsbefugnis anhand der Preisanpassungsklauseln gefordert wurde, setzte der BGH seine strenge Haltung in Bezug auf Kostenelementeklauseln auch im Flüssiggas I-Urteil fort:632 Bei dieser Entscheidung stand eine Kostenelementeklausel633 auf dem Prüfstand, die das Preisänderungsrecht an die Veränderung der Gestehungspreise für Flüssiggas, der Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten oder der Mineralöl- bzw. Mehrwertsteuersätze nach Abschluss des Vertrags knüpfte, wobei sich der Preis im Umfang der Veränderung dieser Kostenfaktoren pro Liefereinheit ändern sollte. Der BGH beurteilte diese Kostenelementeklausel als nicht hinreichend transparent. Zum einen knüpfe das Preisänderungsrecht an Betriebsinterna an, wie Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten. Diese seien aber von unternehmensinternen Entscheidungen abhängig, so dass sie der Kunde nicht kenne und daher nicht mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen könne. Ferner müsse das Gewicht der einzelnen Kostenfaktoren in Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises in der Klausel angegeben werden, da sonst die Auswirkungen 628 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 20 – Flüssiggas II. 629 BGH v. 16.03.1988, NJW-RR 1988, 819, 821; Bestätigung in BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054, 1055 – Flüssiggas II. 630 BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507, 509. 631 BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507 – Kerosinzuschlag I; BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 746 – Kerosinzuschlag II. 632 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; dazu Rott, VuR 2006, 1; Borges, DB 2006, 1199; Graf v. Westphalen, MDR 2008. 424; Hanau, ZIP 2006, 1281. 633 Vgl. Ausführungen zur Einordnung dieser Klausel als automatische Kostenelementeklausel in Einleitung B. II. 4. b) bb) (1).

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einzelner Kostenerhöhungen nicht ersichtlich seien. Als Beispiel für eine zulässige Ausgestaltung verwies der BGH auf eine Kohle-Lohn-Klausel634. Nur bei Vorliegen dieser Anforderungen könne der Kunde den Umfang einer zukünftigen Preisanpassung vorhersehen und diese auf ihre Berechtigung hin überprüfen. Anderenfalls werde ein praktisch unkontrollierbarer Preiserhöhungsspielraum des Unternehmers zur Erzielung zusätzlicher Gewinne zu Lasten ihrer Vertragspartner eröffnet. Der BGH schloss sich damit den Vorgaben der Vorinstanz an. Diese forderte, dass die Preisanpassung auf der „exakten Berechnung sämtlicher Änderungsfaktoren und Änderungsgrößen geschehen müsse.“635 Diese rigiden Anforderungen an die Bestimmtheit fanden Bestätigung im Flüssiggas II-Urteil:636 In diesem erklärte der BGH eine Preisanpassungsklausel, die an Preisänderungen des Vorlieferanten anknüpfte, und eine andere Preisanpassungsklausel, die eine Anpassung für den Fall der Änderung des „Einstandspreises und/ oder anderer Kosten“ vorsah, für intransparent, da sie aufgrund der Anknüpfung an betriebsinterne Faktoren und mangels Gewichtung der einzelnen Kostenfaktoren die im Flüssiggas-I-Urteil aufgestellten Transparenzanforderungen nicht erfüllte. In den Entscheidungen Internetprovider 637 und Pay-TV 638 übertrug der III. Zivilsenat diese Anforderungen auch auf Preisänderungsklauseln außerhalb des Energiesektors. Er ging noch einen Schritt weiter und forderte, die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises „offen zu legen“.639 Allerdings relativierte der BGH gleichzeitig seine Anforderungen, indem er an die Konkretisierung der einzelnen Tatbestände keinen allzu strengen Maßstab anlegte, wenn die Komplexität und die Dynamik des betroffenen Marktes einer näheren Eingrenzung entgegenstünden.640 Ferner fordert er eine zutreffende Abbildung der Kostenentwicklung. Sofern eine Klausel als einzige Variable auf den wesentlichen Kostenfaktor für die zu erbringende Leistung abstelle, genüge sie diesen Anforderungen nicht.641

634 Der BGH verweist auf die in Schneider/Theobald/de Wyl/Essig/Holtmeier, § 10 Rn. 398 aufgeführte Kohle-Lohn-Klausel: f = 0,6 + 0,15  K  + 0,25  L f ist der Multiplikationsfaktor, mit K0 L0 dem der neue Preis ermittelt wird. 635 OLG Stuttgart v. 13.01.2005, NJW-RR 2005, 858, 859. 636 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 f. – Flüssiggas II. 637 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 – Internetprovider m. Anm. Härting, BB 2007, 2644. 638 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 – Pay-TV. 639 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134, Rn. 19. – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 11 – Pay-TV. 640 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 26 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360, Rn. 13 – Pay-TV. 641 BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2789 Rn. 38.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

(2) Bewertung Als Beispiel für eine zulässige Ausgestaltung verweist der BGH auf die KohleLohn-Formel. Ausgehend von dieser Formel kann als Beispiel für eine Kostenelementeklausel folgende multiplikative Formel verwendet werden:642 Angepasster Endpreis = vereinbarter Ausgangspreis a + b  A  + c  B   A0

B0

A0 und B 0 stehen für den bei Vertragsschluss vorliegenden Ausgangswert eines Kostenelements, das sich effektiv auf die Selbstkosten des Verbrauchers auswirkt. Es wird hier von einem Referenzwert gesprochen. A und B bezeichnen den Folgewert im Zeitpunkt der Preisanpassung. a, b und c stehen für die prozentualen Anteile der einzelnen Kostenfaktoren an den Gesamtkosten. Sie legen die Gewichtung des jeweiligen Kostenfaktors fest und ergeben in der Summe den Wert 1 (a+b+c = 1).643 a ist ein Festanteil, mit dem die im Gesamtpreis enthaltenen kostenneutralen Faktoren erfasst werden.644 Je größer dieser Festwert a ist, desto geringer wird der anzupassende Endpreis durch die Veränderung der durch b und c gewichteten Kostenfaktoren beeinflusst.645 Je geringere Werte für die Ausgangswerte A0 und B 0 angesetzt werden, die als Divisoren fungieren, desto größer ist die Summe in der Klammer, mit der der vereinbarte Ausgangspreis multipliziert wird. Je größer diese Summe ist, umso mehr steigt der Endpreis im Verhältnis zum Ausgangspreis.646 Folglich kann, wenn der Festwert a und die Referenzwerte der Kostenfaktoren, A0 und B 0, relativ groß angesetzt werden, eine gewisse Stabilität der Preisentwicklung gewährleistet werden. Grundsätzlich lassen sich die Vorgaben des BGH, alle Kostenfaktoren zu nennen und zu gewichten, demnach in einer multiplikativen Formel erfassen. Die Anforderungen entsprechen auch dem Charakter einer Automatikklausel. Der Automatikfunktion einer Kostenelementeklausel lässt sich nur dann genüge tun, wenn alle Kostenfaktoren vollständig in der Klausel erfasst und gewichtet sind.647 Trotz der Möglichkeit einer akkuraten Fassung der Kostenelementeklausel in einer mathematischen Formel, bestehen allerdings zu Recht zahlreiche begründete 642 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 22; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 18; Bilda, Anpassungsklauseln in Verträgen, Rn. 113; Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 34; Dürkes, Wertsicherungsklauseln, 246; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587; Schöne, WM 2004, 262. 643 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 23; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 18. 644 Dürkes, Wertsicherungsklauseln, D 66. 645 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 23; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 18; 646 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 23. 647 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34 – Augsburger Stromvertrag; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 109; Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromlieferund Netznutzungsverträge im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 83; a. A. Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 257.

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Bedenken648 gegen die sehr hohen, ja sogar kaum erfüllbaren Bestimmtheitsanforderungen, die Zweifel an der Funktionsfähigkeit von automatischen Kostenlementeklauseln aufkommen lassen. Auch der BGH selbst hat in seiner Entscheidung vom 25.11.2015, in der er die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsvorbehalte definierte, indirekt die von ihm an Kostenlementeklauseln gestellten Anforderungen zwar als für die Aufstellung einer automatischen Kostenelementeklausel per definitionem notwendig, jedoch als impraktikabel herausgestellt.649 Um die durch den BGH aufgestellten Transparenzanforderungen zu erfüllen, müsste in einer automatischen Kostenelementeklausel im Ergebnis nämlich die gesamte Kalkulation des Unternehmers gegenüber den Verbrauchern und damit auch gegenüber möglichen Wettbewerbern offengelegt werden.650 Nur bei Abbildung der gesamten Kalkulationsgrundlage kann sichergestellt werden, dass die Klausel alle für den Gesamtpreis erforderlichen Preisfaktoren und deren korrekte Gewichtung in Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises aufzeigt, damit der Vertragspartner vorhersehen und überprüfen kann, wie sich die Veränderung eines Kostenelements auf den vereinbarten Ausgangspreis auswirkt. Eine Preisänderungsklausel mit einer derartigen Detailtiefe ist allerdings aus mehreren Gründen nicht geboten: (a) Wiedergabe einer realitätsgetreuen Kostenkalkulation Die Formulierung einer kostenrepräsentativen Kostenelementeklausel gestaltet sich bereits aus betriebswirtschaftlichen Gründen als schwierig. Die Kostenstruktur eines Produkts ist ein höchst komplexes Konstrukt. Schon der Versuch einer abschließenden Aufzählung in Form einer Klausel birgt die Gefahr der Unvoll 648 Borges, DB 2006, 1199 ff.; Eckhoff, GWR 2016, 243; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 588 ff.; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 112 ff.; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 106 ff.; Graf v. Westphalen, MDR 2008, 426 ff.; derselbe, in FS Westermann, 707, 710 ff. 649 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34–42 – Augsburger Stromvertrag. 650 In diese Richtung BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34 – Augsburger Stromvertrag: „Insbesondere unterscheidet sie sich von einer Kostenelementeklausel […], der […] aufgrund ihres in mathematischer Ableitung erfolgenden Automatismus einer Preisanpassung das Erfordernis einer vollständigen Benennung und Gewichtung der abwälzbaren Kostenveränderung immanent ist.“ In Abgrenzung zum im Rede stehenden Preisänderungsvorbehalt Rn. 38: „Deshalb ist auch hier von der Beklagten nicht zu verlangen, […] sämtlich für die Preisbildung maßgeblichen Kostenfaktoren einschließlich deren Gewichtung im Detail zu benennen oder gar die vollständige Kalkulation offenzulegen.“ vgl. auch Rn. 41, 43; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 26; Borges, DB 2006, 1199, 1203; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Eckhoff, GWR 2016, 243, 244; Härtig, BB 2007, 2648, 2649; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587; Schmidt, NJW 2003, 947, 948; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 713; derselbe, MDR 2008, 424, 426; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 24; zweifelnd Thomas, AcP 209 (2009), 84, 110 f.; a. A. Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1868.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

ständigkeit.651 Je größer die Anzahl der Kostenfaktoren ist, umso diffiziler ist auch die abschließende Erfassung und korrekte Gewichtung aller relevanten Kosten­ elemente. Dies gilt vor allem, wenn sich die Hauptleistung aus zahlreichen Vorprodukten zusammensetzt, wie es etwa bei Energielieferungen oder Kraftfahrzeugen der Fall ist.652 Sofern ein Unternehmer zudem nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern eine Produktpalette vertreibt, verhält es sich auch als besonders schwierig, eine Gewichtung der einzelnen Kostenposten bezogen auf das jeweilige Produkt vorzunehmen.653 Im Fall einer falschen Gewichtung der Faktoren besteht die Gefahr, dass sich einige Kostenänderungen überproportional auf die Preisanpassung auswirken.654 Eine Auffächerung der einzelnen Kostenfaktoren, A0 und B 0, birgt ferner bereits aufgrund ihres Umfangs ihrerseits das Risiko der Intransparenz und führt zusätzlich aufgrund der mit ihr verbundenen Verfeinerung und Spezifizierung zu zunehmender rein mathematischer Komplexität, die den Verständnishorizont eines Durchschnittsverbrauchers übersteigt.655 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass vor allem bei Dauerschuldverhältnissen die Kostenkalkulation ein dynamischer Prozess ist, der durch Rationalisierungs- und Innovationsversuche einer stetigen Wandlung unterliegt. So kann sich nicht nur die Gewichtung der einzelnen Faktoren verändern, sondern es können auch einzelne Kostenfaktoren im Laufe der Vertragszeit wegfallen oder hinzutreten, was einer Abbildung in mathematisierter Form entgegensteht.656 Eine solche mathematische Anpassungsklausel bedarf nach einiger Zeit selbst einer Anpassung an die aktuelle Kostenentwicklung.657 Dies gilt umso mehr als die Anpassungsbefugnis, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, auf einer prognostischen Kostenkalkulation beruht, deren Validität sich erst nach einer bestimmten Zeit zeigt.658

651 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn.  39  – Augsburger Stromvertrag; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 190. 652 Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 80; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 711; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 118. 653 Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 53. 654 Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587. 655 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 42 – Augsburger Stromvertrag; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 68; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 24, 80; Borges, DB 2006, 199, 1202; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromliefer- und Netznutzungsverträge im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 113; Schöne, WM 2004, 262, 265; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 711; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 118. 656 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn.  42  – Augsburger Stromvertrag; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 80; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 188, 190. 657 Vgl. Anpassungsklausel in BGH v. 04.07.1979, BB 1979, 1213 Rn. 17. 658 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 33 – Augsburger Stromvertrag.

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(b) Bindung des Preisänderungsrechts an in Erfahrung zu bringende Referenzwerte Ferner ist die Forderung des BGH, das Preisänderungsrecht nur an solche Referenzwerte zu binden, die der Kunde auf zumutbare Weise in Erfahrung bringen könne, zu hinterfragen. Demnach dürfte das Preisänderungsrecht nur an überprüfbare, allgemein zugängliche Referenzwerte, wie an der Terminbörse veröffentlichte Marktpreise, Tariflöhne oder von öffentlichen Stellen veröffentlichte Indizes, gekoppelt werden,659 damit der Kunde selbst überprüfen kann, ob, wann und im welchen Maße sich diese Referenzwerte verändert haben. Ebenso können Kostensteigerungen, die auf gesetzliche Neuregelungen zu öffentlichen Abgaben oder gesetzlich auferlegten Lasten und Umlagen basieren, weitergegeben werden.660 Problematisch jedoch ist, dass, sich ein Produkt oder eine Dienstleistung in der Regel nur aus wenigen oder gar keinen allgemein zugänglichen Kostenfaktoren zusammensetzt, deren Höhe vollständig von der Entscheidung des Verwenders unabhängig ist. Sofern eine Klausel nur die für einen Verbraucher in zumutbarer Weise zugänglichen Kostenfaktoren in der Klausel aufführt, spiegelt sie auch nicht die tatsächliche Kostenentwicklung in der Kostenelementeklausel wider.661 Will der Verwender das Preisänderungsrecht dagegen an nicht allgemein zugängliche Kostenelemente koppeln, wie Betriebs-, Transport- oder Personalkosten, so müsste er die Zusammensetzung dieser Faktoren wiederum unter Offenlegung seiner Kalkulation für den Vertragspartner verständlich darstellen, um eine Kenntnismöglichkeit und die hinreichende Überprüfbarkeit der Anpassung zu gewährleisten. Dies ist allerdings praktisch kaum möglich, weil solche betriebsinternen Größen regelmäßig auf einer für den Durchschnittskunden kaum nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Kalkulation beruhen.662 Zudem stellen interne Größen einen Großteil der Kalkulationsgrundlage dar, so dass der AGB-Verwender genötigt wäre, die Berechnungsgrundlage für zahlreiche betriebsinterne Kostenfaktoren für den Kunden offenzulegen und verständlich darzustellen. Was in Anbetracht der Komplexität und des Umfangs nicht nur den Klauselverwender überfordern, sondern auch einen durchschnittlich verständigen Verbraucher, ja sogar einen Hochschulstudenten der Betriebswirtschaftslehre, an die Grenzen seines Verständnishorizonts bringen würde.663 Doch selbst bei einer transparenten Offenlegung der 659 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 108; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 161. 660 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  118; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1867; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 101; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 162. 661 In diese Richtung Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587. 662 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 108; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587. 663 Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 715; derselbe, MDR 2008, 424, 427; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 108; Schöne, WM 2004, 262, 265; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen. 117; Arzt/Fitzner, ZNER 2005, 305, 311.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Berechnung der Betriebsinterna kann ein Kunde die betriebsinterne Entwicklung dieser Faktoren gerade nicht einsehen.664 Allerdings ist bereits äußerst zweifelhaft, ob ein Durchschnittsverbraucher überhaupt die allgemein zugänglichen Referenzwerte selbstständig in Erfahrung bringen würde, um die Preisänderung in Hinblick auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Inwiefern eine Anpassungsbefugnis überhaupt an betriebsinterne Kostenfakto­ ren gekoppelt werden darf, ist dagegen eine Frage der Inhaltskontrolle. (c) Schutz des Betriebsgeheimnisses Des Weiteren widerspricht eine Offenlegung der gesamten Kalkulationsgrundlage, insbesondere der Gewichtung der einzelnen Kostenfaktoren sowie der Zusammensetzung der Betriebsinterna, dem durch das Verfassungsrecht und §§ 17, 18 UWG bezweckten Schutz des Betriebsgeheimnisses und somit den berechtigten Interessen des Verwenders; denn so könnten nicht nur die Vertragspartner, sondern auch mögliche Wettbewerber einen Einblick in die Kalkulation des Unternehmers bekommen.665 Auch der Gewinnanteil des Unternehmers würde dadurch offengelegt werden, der das Herzstück der unternehmerischen Leistung ist. Darüber hinaus wird durch die Forderung der Offenlegung der von der Rechtsprechung eingeräumte Praktikabilitätsvorbehalt unterlaufen, unter dem das Transparenzgebot steht. Die Pflicht zur Transparenz besteht gerade nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. Durch eine derart detaillierte Beschreibung der Kostenfaktoren und ihrer Gewichtung sowie der damit zwangsläufig verbundenen Offenlegung der Kalkulation wird dem Verwender jedoch etwas geradezu „Unzumutbares“ abverlangt. Wenn der BGH verlangt, dass die Preisänderungsklausel nicht ausschließlich und überwiegend der Wahrung der Verwenderinteressen dienen darf,666 so gilt im Umkehrschluss auch, dass nicht nur die Interessen des Kunden berücksichtigt werden dürfen. Die Offenlegung der gesamten Kalkulationsgrundlage steht jedoch im krassen Widerspruch zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien.667

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Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 712. BGH v. 09.05.2001, BGHZ 147, 354, 365 in Bezug auf eine Rückkaufswertklausel in einem Kapitallebensversicherungsvertrag; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 44 – Augsburger Stromvertrag, für Preisänderungsvorbehalte; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 24; Schmid, NJW 2003, 947, 948; Borges, DB 2006, 1199, 1202; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424, 425; derselbe, in FS Westermann, 707, 712; Kessel/Schwedler, NJW 2010, 585, 587; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 117 f.; Eckhoff, GWR 2016, 243, 246. 666 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 667 So auch Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 712. 665

Kap. 5: Materielle Transparenz 

225

(d) Verständnishorizont eines angemessen verständigen Durchschnittskunden Zudem steht die im Ergebnis geforderte Offenlegung der Kalkulation in der betreffenden Kostenelementeklausel im Spannungsverhältnis zu den beschränkten mathematischen Fähigkeiten eines angemessen verständigen Durchschnittskunden. Bei der Fassung einer automatischen Kostenelementeklausel in Form einer multiplikativen Formel muss beachtet werden, dass diese eine textliche Darstellung ersetzt. Folglich dürfen an eine Preisänderungsklausel in Form einer mathematischen Formel keine geringeren Transparenzanforderungen gestellt werden. Der BGH hat festgestellt, dass eine „simple Berechnung unter Zuhilfenahme des Einmaleins“ den Durchschnittsverbraucher gerade nicht überfordere,668 so dass von ihm die Beherrschung der Grundrechenarten erwartet werden kann. Ebenso hat er eine mathematische Spannungsklausel, die den Arbeitspreis und seine künftige Anpassung an die Entwicklung der Variablen HEL knüpfte, als hinreichend klar und verständlich „für einen aufmerksamen und sorgfältigen Verbraucher auch ohne besondere mathematische Kenntnisse“ erachtet.669 Allerdings setzt sich eine automatische, an die tatsächliche Kostenentwicklung anknüpfende Kostenelementeklauseln in der Regel aus mehr als zwei Kostenfaktoren zusammen, wie etwa die Klausel aus dem Flüssiggas-I-Urteil belegt.670 Die Anknüpfung an eine einzige Variable spiegelt gerade nicht die tatsächliche Kostenentwicklung hinreichend zutreffend wider.671 Folglich kann der Verwender, wie auch der BGH eingeräumt hat,672 bereits bei der Darstellung der zahlreichen Faktoren und ihrer Gewichtung in einer für den Durchschnittsverbraucher nachvollziehbaren Form an seine Grenzen stoßen.673 Ein Durchschnittsverbraucher müsste, sofern eine Kostenelementeklausel mehrere unterschiedliche Kostenfaktoren und deren Gewichtung beinhaltet, eine die Grundrechenarten übersteigende Rechenaufgabe bewältigen, um den Anpassungsumfang vorherzusehen und auf seine Berechtigung überprüfen zu könne.674 Zumal die einzelnen Faktoren nur auf ihre 668

BGH v. 10.03.1993, NJW 1993, 2052, 2054. BGH v. 24.03.10, BGHZ 185, 96 Rn. 16 f mit folgender Spannungsklauel AP = 2,43 + (0,092 × (HEL – 19,92). 670 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I: Die Klausel knüpfte das Preisänderungsrecht an die Veränderung der Gestehungspreise für Flüssiggas, der Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten oder der Mineralöl- bzw. Mehrwertsteuersätze nach Abschluss des Vertrags. 671 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 38. 672 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26 für Preisänderungsvorbehalte; BGH v. 15.11.2007, NJW, 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37, 42 – Augsburger Stromvertrag. 673 Graf v. Westphalen, NJW 2006, 2228, 2230; Borges, ZIP 2007, 1437, 1440. 674 Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 715; Borges, DB 2006, 1199, 1202; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 108; Schöne, WM 2004, 262, 265; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 120. 669

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Richtigkeit hin überprüft werden könnten, wenn der Vertragspartner Einblick in die gesamte Kostenkalkulation des Unternehmers für den Ausgangswert und den veränderten Wert bekommt. Die Nachvollziehbarkeit oder gar Überprüfbarkeit dieser Daten übersteigt jedoch aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexität den Verständnishorizont eines Durchschnittsverbrauchers bei Weitem.675 Eine derart detaillierte Beschreibung aller Kostenfaktoren und ihrer Gewichtung ist daher weder in einer für den Durchschnittsverbraucher nachvollziehbaren Form überhaupt möglich noch für einen Informationsgewinn förderlich. (e) Zusammenfassung Zusammengefasst können die Anforderungen des BGH, die er an automatische Kostenelementeklauseln stellt, als unrealistisch und undurchführbar bewertet werden.676 Sie konterkarieren das legitime Interesse des Verwenders, Preiserhöhungen weiterzugeben, um das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sowie die Durchführung des Vertrages zu gewährleisten. Das strenge Konkretisierungsgebot steht auch insofern in einem starken Spannungsverhältnis zum Verständlichkeitsgebot, als eine höchst komplexe mathematische Formel zur Erfüllung der Voraussetzungen erfordlich ist, deren Verständnis den Verbraucher zweifellos überfordert. Allerdings muss eine Preisänderungsklausel „hinreichend konkret und doch für den Kunden noch verständlich formuliert“ sein.677 Ebenso fordert der EuGH die Angabe des Anlasses und Modus auf Grundlage genauer aber auch nachvollziehbarer Kriterien. Insbesondere die den sehr hohen Transparenzanforderungen immanente Forderung, die Kalkulation offenzulegen, ist weder für den Verbraucher noch für den Verwender zielführend und geht zu weit: Eine Klausel, die alle preisrelevanten Kostenfaktoren abschließend erfassen und richtig gewichten soll, führt entweder zu inhaltlicher Unrichtigkeit oder einer kommentarähnlichen, transparenzfeindlichen Breite.678 Sie trägt damit weder bei Vertragsschluss noch im Zeitpunkt der Vertragsdurchführung zu einem Informationsgewinn des Verbrauchers bei. Darüber hinaus

675 Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 715; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 107; Borges, DB 2006, 1199, 1202. 676 Graf v. Westphalen, MDR 2008, 426 ff. spricht vom „faktischen Ende von Preisanpassungsklauseln“; derselbe, in FS Westermann, 707, 708; Borges, DB 2006, 1199 ff.; Eckhoff, GWR 2016, 243; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 132. 677 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 262 für den unternehmerischen Verkehr; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 38 – Augsburger Stromvertrag; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 107. 678 So auch OLG Dresden Kartellsenat v. 11.12.2006, U 1426/06 Kart, RdE 2007, 58 Rn. 59; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 121.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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sind die aufgestellten Anforderungen für den Verwender kaum in zumutbarer Weise zu erfüllen, weil der kostenrepräsentativen Fassung einer Preisänderungsklausel betriebswirtschaftliche Gründe sowie das legitime Geheimhaltungsinteresse des Verwenders entgegenstehen. Damit ist der Ansicht von Graf von Westphalen679 zuzustimmen, der aufgrund der von der Rechtsprechung aufgestellten, kaum erfüllbaren Anforderungen von einem „faktischen Ende“ von automatischen Kostenelementeklauseln spricht.680 (3) Lösung Da die Anforderungen der Rechtsprechung an die Transparenz von Kostenelementeklauseln bei Weitem überzogen sind, stellt sich die Frage, ob eine „Wiederbe­ lebung“ der an sich „toten“ Kostenelementeklauseln durch Lockerung der Anforderungen des BGH geboten ist. Einer Kostenelementeklausel ist immanent, dass aufgrund ihrer in mathema­ tischer Ableitung erfolgenden, automatischen Preisänderung eine vollständige Bezeichnung aller preisrelevanten Kostenfaktoren und ihrer Gewichtung erforderlich ist.681 Für eine detaillierte Kostenelementeklausel spricht auch, dass der Kunde andernfalls die Preiserhöhung auf ihre Berechtigung nicht überprüfen kann. Eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ist bei automatischen Preisänderungsklauseln gerade nicht möglich. Folglich könnte in Übereinstimmung mit dem BGH argumentiert werden, dass die Transparenzanforderungen an kostenorientierte Automatikklauseln nicht verringert werden können. Auf der anderen Seite dürfen die von der Rechtsprechung geforderten Kriterien der Vorhersehbarkeit und Überprüfbarkeit nicht überspannt werden. Transparenz muss nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren gewährleistet werden. Durch eine allzu detaillierte Kostenelementeklausel ist keiner der Parteien geholfen:682 Der Verwender möchte seine Kostenkalkulation nicht offen legen. Ferner trägt er das Risiko, dass seine konkretisierte Kostenelementeklausel unvollständig oder intransparent ist. Die durch die Rechtsprechung intendierte Voraussehbarkeit und Überprüfbarkeit erscheint ebenfalls lediglich auf den ersten Blick nützlich für den Verbraucher. Eine umfassende Voraussehbarkeit ist insofern nicht gegeben, als er nicht abschätzen kann, ob und in welchem Umfang es zu einer Veränderung

679

Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424. So auch Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 132; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 109. 681 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34 – Augsburger Stromvertrag; Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromliefer- und Nutzungsverträgen im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 83. 682 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 190. 680

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Teil 2: Transparenzkontrolle

der maßgeblichen Kostenfaktoren kommen wird.683 Aufgrund der beschränkten mathematischen Fähigkeiten des Durchschnittsverbrauchers ist es auch nicht förderlich, eine automatische Kostenelementeklausel in Form einer mathematischen multiplikativen Berechnungsformel zu formulieren. Diese trägt aufgrund ihres Umfangs und vor allem ihrer Komplexität freilich nicht zu einem Informationsgewinn des Verbrauchers bei. Darüber hinaus kann eine Überprüfbarkeit, wie oben aufgezeigt, nur bei Offenlegung der Kalkulation für den Ausgangswert und den neuen Wert gewährleistet werden, deren Nachvollziehbarkeit wiederum den Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers bei Weitem übersteigt. Von der Forderung nach einer exakten Überprüfbarkeit der vorgenommenen Preisänderung anhand der automatischen Klausel ist daher Abstand zu nehmen. In einer neueren Entscheidung zu Preisänderungsvorbehalten hat der BGH festgestellt, dass die Überprüfbarkeit auf Plausibilität bereits genüge.684 Dieser Maßstab ist auch auf automatische Kostenelementeklauseln zu übertragen. Die Anforderungen an die Transparenz einer Kostenelementeklausel dürfen dabei weder den Gewerbetreibenden noch den Verbraucher überfordern: Der Gewerbetreibende darf nicht dazu gezwungen sein, seine Gesamtkalkulation in der Kostenelementeklausel offenzulegen. Preisänderungsklauseln dürfen auch nicht so formuliert werden, dass sie zur Intransparenz neigen, indem sie aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexität den Verständnishorizont eines Durchschnitts­ verbrauchers übersteigen.685 Die Anforderungen dürfen nicht so hoch sein, dass sie im Widerspruch zu der von der Rechtsprechung anerkannten Notwendigkeit und Legitimation von solchen Klauseln stehen. Folglich ist bei der Aufstellung von automatischen Kostenelementeklauseln zu beachten, dass ein zu hohes Maß an Bestimmtheit der Praktikabilität von Preisänderungsklauseln im Wege steht. Umgekehrt ist aber auch ein gewisser Grad an Bestimmtheit gerade erforderlich, um überhaupt die Praktikabilität der Automatismusfunktion von Kostenelementeklauseln zu gewährleisten.686 Trotz Abmilderung der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an Kostenelementeklauseln muss daher die Automatismusfunktion der Klausel sichergestellt sein. Um diese zu gewährleisten, dürfen sich aus der Klausel keine Ermessenspielräume für den Verwender ergeben. Die Kostenfaktoren, die zur Preisänderung befähigen, sowie ihre Auswirkungen auf den Ausgangspreis müssen hinreichend in der Klausel konkretisiert werden. 683 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 37; Borges, DB 2006, 1999, 1206. 684 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 35 – Augsburger Stromvertrag. 685 So auch Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 120, 132 f. 686 Essig, Vertragliche und gesetzliche Anpassungsregelungen für Stromliefer- und Nutzungsverträgen im Lichte der Liberalisierung des Strommarktes und der aktuellen legislatorischen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, 113.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Demnach müssen die Kostenfaktoren, deren Änderungen eine Preisanpassung nach sich zieht, vollständig genannt und ausreichend konkret bezeichnet werden. Es darf kein Ermessenspielraum des Verwenders hinsichtlich der Wahl der die Änderung bedingenden Faktoren gegeben sein. Dabei ist aber auch eine Anknüpfung an betriebsinterne Faktoren insofern möglich und erforderlich, als diese häufig den Großteil der Kalkulation ausmachen und keine exakte Überprüfbarkeit der Preisänderung sich für den Verbraucher aus der Klausel ergeben muss. Um Übersichtlichkeit zu schaffen könnten die vielen Kostenfaktoren auch nach Kostengruppen gegliedert werden, die nachfolgend durch die jeweiligen Kostenfaktoren abschließend zu definieren sind. Für die Automatismusfunktion müssen ferner die Auswirkungen der Veränderungen der Kostenelmente auf den Ausgangspreis so genau definiert werden, dass die Anpassung automatisch erfolgen kann. Bei Kostenelementeklauseln darf der Gesamtpreis nur im Verhältnis des jeweiligen Anteils des veränderten Kostenelements angepasst werden. Allerdings genügt es, da sich die Darstellung der Gewichtung der einzelnen Faktoren in einer für den Verbraucher nachvollziehbaren Weise als schwierig, ja sogar unmöglich gestaltet, wenn anstelle der einzelnen Gewichtungen eine Art Generalklausel eingefügt wird. Diese muss festsetzen, dass sich der Preis bei Veränderungen der preisrelevanten Kostenfaktoren entsprechend dem ursprünglich bei Vertragsschluss bestehenden Gewicht des jeweiligen Kostenfaktors im Verhältnis zum Gesamtpreis verändert. Auf diese Weise kann auch sichergestellt werden, dass die Automatikklausel die tatsächliche Kostenentwicklung widerspiegelt, ohne dass sie unvollständig oder unrichtig ist. Um dennoch eine Überprüfbarkeit der Anpassung auf ihre Plausibilität zu gewährleisten, ist der Unternehmer dazu zu verpflichten, den Vertragspartner im Zeitpunkt der Anpassung darüber zu informieren, welche Kosten sich in welchem Umfang geändert haben.687 Hierzu müssen der Anpassungsgegenseite jener Ausgangswert und der neue Wert eines Kostenfaktors mitgeteilt werden, die erforderlich sind, um die Anpassung hin auf ihre Plausibilität und die Einhaltung des Äquivalenzverhältnisses überprüfen zu können.688 Durch die hier aufgestellten Anforderungen kann der Verbraucher im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des BGH den Anlass für die Preisänderung, folglich bei welchen Kostenänderungen es zu einer Preisanpassung kommen kann, sowie den Modus, nämlich die automatische Anpassung entsprechend des Gewichts der sich ändernden Faktoren zum Gesamtpreis, aus der Klausel entnehmen. Zwar schützen Kostenelementeklauseln vor willkürlichen Änderungen der Preise durch den Verwender, weil die Auswirkungen der einzelnen Faktoren mathematisch exakt in der Klausel bestimmt sind. Jedoch ist ihnen auch eine gewisse Starrheit immanent, als die Faktoren, deren Änderung einen Anlass für die Preis 687

Borges, DB 2006, 1199, 1203. OLG Dresden Kartellsenat v. 11.12.2006, U 1426/06 Kart, RdE 2007, 58 Rn. 76.

688

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Teil 2: Transparenzkontrolle

anpassung darstellen, bereits bei Vertragsschluss bestimmt werden müssen, damit dem Verwender keine Ermessensspielräume verbleiben. Der Verwender kann insbesondere weder auf neue Kostenfaktoren noch auf solche mit einer Preisänderung reagieren, deren Berücksichtigung er vergessen hat. Ebenso wenig können unvorhergesehene Entwicklungen durch Preisänderung an den Kunden weitergegeben werden. Setzt sich der Preis demnach aus änderungsanfälligen Kostenfaktoren zusammen, so ist die Verwendung einer Kostenelementeklausel nicht zu empfehlen. Die Stabilität und Exaktheit, die eine Automatikklausel gewährleistet, führt gleichzeitig zu ihrer Starrheit auf Tatbestandsseite und in der Rechtsfolge.689 Aus diesem Grund bieten automatische Kostenelementeklauseln bei Verträgen, in denen der Preis ständigen Veränderungen unterliegt und sich aus zahlreichen Kostenfaktoren zusammensetzt, ein weniger leistungsfähiges Mittel zur vertraglichen Risiko­vorsorge.690 Daher ist die Verwendung von Preisänderungsvorbehalten in der Gas- und Stromwirtschaft sowie auch in anderen Branchen gegenüber der von automatischen Kostenelementeklauseln zu bevorzugen. bb) Preisänderungsvorbehalte Auch Preisänderungsvorbehalte können zur Weitergabe von Kostensteigerungen eingesetzt werden. Preisänderungsvorbehalte sind Klauseln, die einer der Parteien oder einem Dritten die Befugnis zur Anpassung des bei Vertragsschluss verein­barten Ausgangspreises nach billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB einräumen.691 Im Gegensatz zu einer Automatikklausel ergibt sich aus dem Preisänderungsvorbehalt daher nicht mathematisch exakt, wie sich bestimmte Kostenänderungen auf den Ausgangspreis auswirken werden. Die Anwendbarkeit des § 315 BGB scheitert aber nicht bereits daran, dass dem billigen Ermessen des Verwenders bestimmte Grenzen vorgegeben sind.692 So kann das Ermessen durch den Eintritt bestimmter Bezugsgrößen bedingt werden, die gleichzeitig die Grenze für den Anpassungsumfang bilden, die der Anpassungsberechtigte jedoch nicht ausschöpfen muss. Da die Anpassung mehr oder weniger in das Ermessen des Anpassungsberechtigten gelegt wird, ermöglichen Preisänderungsvorbehalte zwar eine flexiblere, aber auch willkürlichere Reaktion auf veränderte Umstände.

689 Horn, NJW 1985, 1118, 1120; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 120. 690 Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 9; Schöne, WM 2004, 262, 264. 691 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen. 47; Hentschel, Anpassung von Preis und Vertrag im deutschen und französischen Zivilrecht, 147; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 24; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 26; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 10; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89; vgl. Einleitung B. II. 4. b). 692 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 22 – Augsburger Stromvertrag.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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(1) Geringere Konkretisierungsanforderungen bei Preisänderungsvorbehalten Sofern Preisänderungsvorbehalte wie Automatikklauseln an Kostenänderungen geknüpft werden, stellt sich die Frage, ob die Bestimmtheitsanforderungen, die an automatische Kostenelementeklauseln gestellt werden, auf solche Preisänderungsvorbehalte übertragen werden müssen. Dies wird von einigen Stimmen insofern befürwortet, als Preisänderungsvorbehalte, da sie dem Verwender einen einseitigen Festlegungsspielraum einräumen, hinreichend konkretisiert werden müssen, um willkürliche Anpassungen zu unterbinden.693 Der BGH unterstützte mit seiner früheren Rechtsprechung diese Auffassung. Er übertrug die an automatische Kostenelementeklauseln aufgestellten Anforderungen auf Preisänderungsvorbehalte, die durch eine Kostenänderung bedingt waren.694 Demnach müssen auch in diesen die Kostenfaktoren vollständig aufgezählt und gewichtet werden. Er kategorisierte dabei Klauseln schon dann als Kostenelementeklauseln, wenn sie die Preisanpassung „wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen“695, ohne dass er nach dem Anpassungsmodus der Klausel differenzierte. Verbleibt für den Anpassungsberechtigten trotz Anknüpfung des Anpassungsrechts an Kostenveränderung ein Ermessenspielraum hinsichtlich des Anpassungsumfangs, so liegt allerdings keine Kostenelementeklausel, sondern ein Preisänderungsvorbehalt vor. Dagegen wurde in der Pay-TV- Entscheidung eine Klausel, die eine Preissteigerung für den Fall, dass sich die Kosten für die Bereitstellung des Programms erhöhen, vorsah, als Kostenelementeklausel eingestuft.696 Ebenso stellte der BGH in der Entscheidung Internet-Provider, obwohl er die betreffende Klausel, die keinerlei Vorgaben für das Preisänderungsrecht enthielt, zutreffend als Preisänderungsvorbehalt qualifizierte, die gleichen Anforderungen wie an automatische Kostenelementeklauseln.697 Diese Anforderungen dehnte der BGH im Fall Flüssiggas II auch auf eine Klausel aus, die das Gaspreisänderungsrecht an die Preisänderung durch den Vorlieferanten anknüpfte,698 wobei er – wie auch in einer weiteren Entscheidung699 – die Qualifizierung der Klausel 693

Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 588 „Damit rücken aber Preisänderungsvorbehalte und Kostenelementeklauseln so eng zusammen, dass sich materiell-rechtlich kaum ein Unterschied ergibt.“; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 257 Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 260; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 26 differenzieren nicht zwischen den verschiedenen Anpassungsmodi; a. A. Thomas, AcP 209 (2009), 84, 109. 694 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89 f., 109. 695 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 10 – Pay TV, hier verwendete der BGH den Begriff Kostenelementeklauseln und Preisanpassungsklauseln sogar synonym und dehnte die an Kostenelementeklauseln aufgestellten Anforderungen damit auf Preisanpassungsklauseln im Allgemeinen aus. 696 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 10 – Pay TV. 697 BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 18 f. – Internetprovider. 698 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 24. – Flüssiggas II. 699 BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 24.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

als Kostenelementeklausel oder Preisänderungsvorbehalt offen ließ.700 In der Entscheidung vom 29.04.2008 stufte er dagegen eine identische Preisänderungsklausel zu Recht als einseitiger Preisänderungsvorbehalt ein.701 Schließlich fehlte es bei der betreffenden Klausel gerade an einer Regelung, aus der sich der Anpassungsumfang mathematisch exakt ergab.702 Diese Einheitsbetrachtung und mangelnde Konsequenz bei der Differenzierung ließen den Eindruck entstehen, dass an beide Klauselarten die gleichen Transparenzanforderungen gestellt werden müssten. Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen, die der BGH aufgestellt hat, allerdings nicht überbewertet werden. Schließlich enthielten die in den Entscheidungen zu beurteilenden Klauseln zum Teil keinerlei Konkretisierung.703 Sie wurden folglich nicht für intransparent erklärt, weil sie die jeweiligen Preisänderungsfaktoren unzureichend konkretisierten, sondern weil sie jegliche Art von Konkretisierung vermissen ließen.704 In der Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 hat der BGH dagegen ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen Kostenelementeklauseln und Preisänderungsvorbehalten getroffen.705 Insbesondere seien die geforderten detaillierten Angaben zu den maßgeblichen Kostenfaktoren und deren Verteilungsmaßstab sowie den für die Preisanpassung maßgeblichen Bezugszeitpunkten gerade nicht mit dem Charakter eines nach billigem Ermessen ausgestalteten Preisänderungsvorbehalts vereinbar.706 Diese Differenzierung ist zu begrüßen. Preisänderungsvorbehalte erfordern bereits aus der Natur der Sache ein geringeres Maß an Bestimmtheit, da die Änderung nicht automatisch, sondern erst durch Zwischenschaltung eines Willensaktes erfolgt.707 Bei einer abschließenden Konkretisierung läge das Preisänderungsrecht dagegen nicht mehr in einem mehr oder weniger begrenzten Ermessen des Anpassungsberechtigten i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB. Der Ausdruck des „billigen Ermessens“ bedeutet nicht, dass es nur eine zutreffende, angemessene billige Entscheidung des Anpassungsberechtigten gibt. Vielmehr wird das Substantiv „Ermessen“ durch das Adjektiv „billig“ begrenzt.708 Ziel des Bestimmtheitsgebots ist es nicht, dem 700

BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 24. – Flüssiggas II. BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 20. 702 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 21; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 89. 703 Insbesondere BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 – Pay TV und BGH v. 11.10.2007, NJWRR 2008, 134 – Internetprovider. 704 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 110. 705 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34 – Augsburger Stromvertrag; zustimmend Eckhoff, GPR 2016, 243, 246. 706 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37 – Augsburger Stromvertrag. 707 Zustimmend Wolf, ZIP 1987, 341, 352; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 25; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 110; Graf v. Westphalen, in Aderhold u. a. (Hrsg.), FS Westermann, 707, 728. 708 Ausführlich zur Auslegung des Begriffs „billiges Ermessen“, Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 84 ff. 701

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Anpassungsberechtigten jeglichen Beurteilungsspielraum zu nehmen; der Anpassungsgegner ist lediglich vor ungerechtfertigten Beurteilungsspielräumen zu schützen.709 Wenn der Ermessensspielraum, den der Anpassungsberechtigte ausschöpfen kann, hinreichend konkretisiert und auf ein angemessenes Maß begrenzt ist, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Anpassungsgegners vor. Zumal eine Preisänderung nach billigem Ermessen des Unternehmers für den Kunden günstiger sein kann als eine automatische Preisanpassungsklausel, die jegliche Kostenerhöhung vollständig an den Kunden weitergibt. Insbesondere machen Preisanpassungsklauseln für den Verwender nur Sinn, wenn er durch diese noch hinreichend flexibel bleiben kann, um auf zukünftige Entwicklungen und unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können.710 Das Ermessen des Anpassungsberechtigten im Rahmen von Preisänderungsvorbehalten wird noch weiter eingegrenzt, als es einer Billigkeitskontrolle nach § 315  Abs.  3  BGB unterliegt. Die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle spricht folglich dafür, an Preisänderungsvorbehalte geringere Transparenzanforderung hinsichtlich der Konkretisierung zu stellen als an Automatikklauseln.711 Die §§ 307 ff. BGB und §§ 315 BGB verfolgen zwar unterschiedliche Zielrichtungen. Die §§ 307 ff. BGB sollen den Verbraucher bereits präventiv vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung schützen, indem die bestehende Regelung unabhängig davon, ob eine Preisänderung auf Grundlage dieser realisiert wurde, auf ihre Wirksamkeit überprüft wird. Die §§ 315 ff. BGB ermöglichen dagegen eine Ausübungskontrolle des Ergebnisses einer konkreten Preisanpassung.712 Die Billigkeitskontrolle wirkt damit schon außerhalb der AGB-Kontrolle einer Verletzung des Äquivalenz­ verhältnisses entgegen.713 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle eine notwendige Konkretisierung zu ersetzten vermag. Der Verweis auf §§ 315 ff.  BGB kompensiert nicht die intransparente Formulierung einer Klausel.714 Trotz der verringerten Transparenzanforderungen muss demnach auch ein Preisänderungsvorbehalt dem in den Fällen Zeitschriftenabonnement I 715 und Kerosin-

709

Zustimmend Borges, DB 2006, 1199, 1200; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 155. 710 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 36 – Augsburger Stromvertrag. 711 In diese Richtung, BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 13; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 10; Wolf, ZIP 1987, 341, 352; Graf v. Westphalen, in Aderhold u. a. (Hrsg.), FS Westermann, 707, 728; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 142. 712 MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 9; Thomas, AcP 2009, 84, 96. 713 Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 142. 714 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26; BGH v. 21.12.1983, BGHZ 89, 206, 213; BGH v. 26.11.1984, BGHZ 93, 29, 34; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 96 f. 715 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

zuschlag I, II 716 entwickelten und durch den EuGH in den Rechtssachen Invitel 717 und RWE718 bestätigten Bestimmtheitsgebot als Ausfluss des Transparenzprinzips Stand halten. Anlass und Modus der Änderung der Entgelte müssen so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher etwaige Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann.719 Allerdings ist auch bei der Formulierung von Preisänderungsvorbehalten Transparenz nur im Rahmen des Möglichen geboten.720 So fordert der BGH in seiner neueren Entscheidung vom 25.11.2015 in Anlehnung an das europäische und deutsche Transparenzgebot richtigerweise, dass der Kunde lediglich in der Lage sei, „ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte zu erkennen sowie eine geltend gemachte Preisanpassung nachzuvollziehen und zumindest auf ihre Plausibilität zu überprüfen.“721 (2) Anforderungen der Rechtsprechung Der BGH sah diesen Maßstab in der Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 bei folgender Klausel in einem Stromversorgungsvertrag mit Endverbrauchern als verwirklicht an:722 „Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrags zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z. B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z. B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG).[…]“

716

BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507 – Kerosinzuschlag I; BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 746 – Kerosinzuschlag II; 717 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24. 718 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49 f. 719 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 27 – Augsburger Stromvertrag. 720 BGH v. 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 119; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn.  26  – Internetprovider; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360, Rn.  13  – Pay-TV; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 32 – Augsburger Stromvertrag. 721 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 35 – Augsburger Stromvertrag; m. Anm. Markert, ZMR 2016, 168, 169. 722 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 23 ff. – Augsburger Stromvertrag, für Stromlieferungsverträge mit Sonderkunden; Bestätigung der im Folgenden aufgestellten Grundsätze sowie Übertragung dieser auf Gaslieferungsverträge durch BGH v. 21.09.2016, BB, 2763 Rn. 24.

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Demnach müssen, damit ein Preisänderungsvorbehalt § 307 Abs. 1 S. 2 BGB standhält, die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Ein Preisänderungsvorbehalt bezeichnet den Anlass für die Preisänderung hinreichend klar, wenn ein Kunde der Klausel bereits vor Vertragsschluss entnehmen könne, dass eine Preisanpassung immer dann in Betracht komme, wenn sich die für die Preisberechnung maßgeblichen Kosten ändern. Diese den Anlass prägenden Kosten müssen in der Klausel nach ihrer Art näher konkretisiert werden. Dabei sei nach Ansicht des BGH eine abschließende Aufzählung und Gewichtung sämtlicher für die Preisberechnung relevanter Kostenelemente jedoch nicht erforderlich.723 Es genüge, insbesondere um den Anforderungen des EuGH nach einer klaren und verständlichen Angabe des Anlasses und Modus der Änderung gerecht zu werden, bereits eine exemplarische Erläuterung der grundlegenden Änderungsfaktoren. Die Klausel solle „dem Kunden nach Art einer Leitlinie einen prägnanten und eingängigen Überblick vermitteln“, welche Kostenänderungen der Anpassungsberechtigte zum Gegenstand einer Preisänderung machen könne. Dabei müssen sich die in der Klausel nicht aufgeführten, jedoch änderungsrelevanten Faktoren durch diesen Überblick in naheliegender Weise für den Kunden erschließen lassen.724 Mangels einer vollständigen Auflistung aller Kostenfaktoren hält der BGH, entgegen des klagenden Konkurrenten, auch eine Gewichtung dieser Faktoren für „naturgemäß sinnlos“. Die Gewichtung der einzelnen Faktoren verschiebt sich vielmehr zwangsläufig, weil sich der Verwender vorbehält, nicht jede Kostensteigerung überhaupt oder vollständig weiterzugeben.725 Zur Begründung greift der BGH einige, der bereits oben angesprochenen Argumente auf, die auch gegen die hohen, an Kostenelementeklauseln gestellten Transparenzanforderungen sprechen: Als Ausgangspunkt bezieht er sich auf die im Fall RWE aufgestellten Transparenzanforderungen.726 Weiterhin betont er zu Recht, dass die von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB aufgestellten Anforderungen nicht überspannt werden dürfen und Transparenz nur im Rahmen des Möglichen erforderlich sei.727 Der Komplexität der Materie angesichts der Vielzahl preisbildender Faktoren sowie insbesondere der hohen Änderungsanfälligkeit der einzelnen Para­meter und ihres relativen Gewichts müsse Rechnung getragen werden.728 Eine Preis­änderungsklausel muss flexibel bleiben, so dass nicht alle Eventualitäten immer konkret erfasst sein müssen.729 Da durch eine Auflistung und anschließende Gewichtung im Er 723

BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34, 37, 41 – Augsburger Stromvertrag. BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 39 f. – Augsburger Stromvertrag; so auch OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 13. 725 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 41 – Augsburger Stromvertrag. 726 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 25 – Augsburger Stromvertrag; vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. b). 727 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 36 – Augsburger Stromvertrag. 728 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 39, 42 – Augsburger Stromvertrag; so auch OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 13. 729 BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 36 – Augsburger Stromvertrag. 724

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Teil 2: Transparenzkontrolle

gebnis die gesamte Kalkulation des Unternehmers offengelegt werden müsse, stünde eine derartig detaillierte Konkretisierung auch dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Betriebsgeheimnisses entgegen, zu dem auch betriebsinterne Kostenkalkulationen gehören.730 Vor allem jedoch, wahren dermaßen in die Tiefe gehende Angaben aufgrund der mit ihnen zwangsläufig verbundenen Komplexität auch nicht die für den Kunden notwendige Verständlichkeit und Übersichtlichkeit. Vielmehr führen sie zu unübersichtlichen, kaum zu durchschaubaren Klauselwerken, die bisweilen sogar zur Irreführung des Vertragspartners beitragen können.731 (3) Bewertung Diese Beurteilung des BGH in der Entscheidung Ausgsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 ist zu begrüßen.732 Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Energie­ lieferungsverträge; denn nachdem der BGH seine Leitbildrechtsprechung auf Grundlage der Entscheidung des EuGH im Vorlageverfahren RWE gekippt hatte, herrschte eine enorme Rechtsunsicherheit bei Unternehmen. Es war keine AGBrechtlich wirksame Formulierung einer an Kostenänderungen orientierten Preisanpassungsklausel bekannt. Indem der BGH einen Preisänderungsvorbehalt in einem Stromliefervertrag mit Endverbrauchern als Sondervertragskunden unter Berücksichtigung aller für die Transparenz- und Inhaltskontrolle relevanten Details für wirksam beurteilt hat, macht er endlich konkrete Angaben zu dem für solche Klauseln umstrittenen, erforderlichen Konkretisierungsgrad. Dabei orientiert er sich in erfreulicher Weise auch an dem europäischen Transparenzgebot. (a) Keine abschließende Aufzählung aller preisbildenden Faktoren und ihres relativen Gewichts erforderlich Positiv herauszustellen ist, wie oben bereits erläutert, die ausdrückliche Differenzierung des BGH zwischen Preisänderungsvorbehalten, die auf Kostenänderungen Bezug nehmen, und automatischen Kostenelementeklauseln. Zutreffend hat der BGH erkannt, dass eine abschließende Aufzählung sämtlicher preisbildender Faktoren einschließlich ihrer Gewichtung weder dem Charakter eines Preisänderungsvorbehalts entspricht, noch für die Transparenz und insbesondere das Verständnis der Klausel förderlich ist. Er rückt mit seiner Entscheidung erfreulicherweise von einem Preisänderungsvorbehalt in Form einer mathematischen Berechnungsformel 730

BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 43 – Augsburger Stromvertrag. BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37 f. – Augsburger Stromvertrag. 732 Zustimmend Scholtka/Martin, NJW 2016, 918; Büdenbender, EWiR 2016, 141, 142; Markert, ZMR 2016, 168; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 310; Eckhoff, GWR 2016, 243; Starke, RdE 2016, 224, 225; Fechtner/Witzel, CR 2016, 808, 812. 731

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ab, die durch Einsetzen der Ausgangswerte und der veränderten Werte einen neuen Preis ergibt.733 Der BGH greift vielmehr seine in der Entscheidung vom 19.10.1999 für Bestimmungsvorbehalte aufgestellten Kriterien auf, nach denen „die Richtlinien und Grenzen“ der Preisänderungsbefugnis möglichst konkret angegeben werden sollen.734 Insbesondere überzeugt das Erfordernis eines lediglich „prägnanten und eingängigen Überblicks“ über die änderungsrelevanten Kostenfaktoren nach Art einer Leitlinie.735 Eine solche exemplarische Auflistung ermöglicht dem Kunden vorherzusehen, welche Kostenfaktoren zu einer Preisanpassung führen können, ohne dass die Auflistung seinen Verständnishorizont übersteigt. Eine lediglich überblicksartige Nennung ist auch vor dem Hintergrund, dass sich eine abschließende Aufzählung angesichts der Vielzahl und Komplexität der preisbildenden Faktoren bereits aus betriebswirtschaftlichen Gründen als schwierig erweist, zuzustimmen. Auf diese Weise werden Unvollständigkeiten und transparenzfeindliche Erweiterungen der Klausel gerade vermieden. Die bespielhafte Aufzählung gestattet es dem Klauselverwender auch auf zukünftige, unvorhergesehene Entwicklung angemessen reagieren zu können, wodurch die Änderungsanfälligkeit der Parameter und ihres relativen Gewichts berücksichtigt wird. Ebenso trägt die exemplarische Aufzählung dem berechtigten Interesse des Gewerbetreibenden Rechnung, seine Kalkulation weder vor dem Verbraucher noch vor anderen Wettbewerbern offen legen zu müssen. Der BGH stellt richtigerweise fest, dass, sofern der Verwender im Rahmen der Billigkeitskontrolle die Offenlegung der betriebswirtschaftlichen Details seiner Preiskalkulation im Einzelfall verweigern dürfe. Folglich dürfe eine solche Offenlegung von ihm erst recht nicht zur Wahrung der Transparenzanforderungen verlangt werden.736 Da das schützenswerte Geheimhaltungsinteresse folglich auch im Rahmen der Billigkeitskontrolle anerkannt ist, wird das Problem der transparenten Darlegung der Gründe auch nicht einfach nur vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf die Geltendmachung der Preisanpassung verschoben.737 (b) Bezugnahme auf betriebsinterne Faktoren Entgegen seiner früheren Rechtsprechung738 zu Kostenelementeklauseln, verlangt der BGH nunmehr nicht, dass die Preisänderung nur auf Faktoren gestützt wird, die der Verbraucher auf zumutbare Weise in Erfahrung bringen kann. So 733

So auch Büdenbender, EWiR 2016, 141, 142. BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652. 735 So auch Markert, ZMR 2016, 168, 169. 736 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 43 f. – Augsburger Stromvertrag m. w. N.; zustimmend Fechtner/Witzel, CR 2016, 808, 812. 737 Eckhoff, GWR 2016, 243, 246. 738 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 f. – Flüssiggas II. 734

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Teil 2: Transparenzkontrolle

hat er etwa die Koppelung der Preisänderungsbefugnis an „die Kosten für die Beschaffung von Energie“, die für den Kunden in aller Regel nicht transparent sind, nicht beanstandet. Dem ist zuzustimmen. Wenn schon keine abschließende Beschreibung der maßgeblichen Kostenfaktoren erforderlich ist, dann ist es erst Recht entbehrlich, dass in den Preisänderungsklauseln nur Faktoren aufgeführt werden, deren Entwicklung der Verbraucher auf zumutbare Weise in Erfahrung bringen kann. Zwar könnte gegen eine Bezugnahme des Preisänderungsrechts auf betriebsinterne Kostenfaktoren die Rechtsprechung anderer Senate eingewendet werden, welche darauf hinweist, dass eine Billigkeitskontrolle bei einer Senkung der Betriebsinterna sonst leerliefe. Da der Kunde die Senkung der internen Kosten nicht überprüfen könne, könne er die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle insoweit gar nicht wahrnehmen und eine gebotene Preisherabsetzung durchsetzen. Ebenso fehle ihm die Beurteilungsgrundlage, wenn die Anpassung zu seinen Ungunsten verlaufen würde.739 Allerdings ist zu bedenken, dass der Durchschnittsverbraucher auch bei allgemein zugänglichen Referenzwerten nicht ständig den Referenzwert auf Senkungen überprüfen werde, um gegebenenfalls eine preissenkende Anpassung geltend zu machen. Insbesondere könnte er einen Kostenrückgang, nach der Rechtsprechung des BGH, ja auch nur geltend machen, wenn dieser nicht durch eine Kostensteigerung in einem anderen Bereich ausgeglichen worden ist. Das Transparenzgebot geht auch nicht so weit, dass eine Preisänderungsklausel die Pflicht des Unternehmers enthalten müsste, eingetretene Kostensenkungen unverzüglich an den Vertragspartner mitzuteilen. Sofern Unternehmen Kostensenkungen an den Kunden nicht im gleichen Maße wie Kostensteigerungen weitergeben, riskieren sie vielmehr eine Unwirksamkeit der Preisänderung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.740 Folglich wird diese Problematik nicht im Rahmen der Transparenzkontrolle, sondern auf der Ebene der Inhaltskontrolle gelöst. (c) Rein rechnerische Möglichkeit einer zusätzlichen Gewinnererzielung irrelevant Entgegen seiner früheren Rechtsprechung741 fordert der BGH auch nicht, dass jegliche rechnerische Möglichkeit einer zusätzlichen Gewinnerzielung durch eine exakte Überprüfbarkeit der Preisanpassung auf ihre Berechtigung ausgeschlossen ist. Dies verdient Zustimmung. Schließlich kann nur bei Automatikklauseln in Form von Kostenelementeklauseln, die die gesamte Kalkulation offenlegen, eine Steigerung der Marge zugunsten des Unternehmers vollständig ausgeschlossen

739

BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 38; so auch Habersack, WM 2001, 753, 757. Markert, ZMR 2016, 168, 170. 741 BGH v. v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; BGH v. 11.10.2007, NJW 2008, 134 Rn. 19. 740

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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werden.742 Da aber – wie oben erläutert – eine Offenlegung der gesamten Kalkulation weder dem Geheimhaltungsinteresse des Gewerbetreibenden noch seinem Interesse an Flexibilität entspricht sowie aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexität auch nicht zu einem Informationsgewinn für den Durchschnittsverbraucher führt, ist von dieser Forderung Abstand zu nehmen. Folglich kann, sofern eine Anpassung in das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten gestellt ist, eine Preisanhebung mit dem Zweck der Erzielung eines zusätzlichen Gewinns nie gänzlich ausgeschlossen werden. Dies entspricht allerdings dem Charakter eines nach billigem Ermessen ausgestalteten Preisänderungsvorbehalts. Der Verbraucher wird durch das Ermessen des Gewerbetreibenden sogar besser gestellt: Im Gegensatz zu Automatikklauseln besteht bei Preisänderungsvorbehalten gerade die Option, nicht jede Steigerung der aufgeführten Kostenfaktoren unverzüglich und vollständig auf den Vertragspartner abzuwälzen.743 Darüber hinaus wird die Gefahr der Erzielung eines über die Preissteigerung hinausgehenden Gewinns auf der Ebene der Inhaltkontrolle, wie zu zeigen sein wird, insofern hinreichend eingedämmt, als der Gewerbetreibende dazu verpflichtet wird, Kostensenkungen nach den gleichen Maßstäben an den Verbraucher weiterzugeben wie Kostensteigerungen.744 Schließlich muss der Unternehmer auch immer die jeweiligen konkreten Marktverhältnisse berücksichtigen, um zu entscheiden, ob es der Wettbewerb gestattet, eine Kostensteigerung weiterzugeben und damit wohl möglich eine Sonderkündigung durch den Verbraucher zu riskieren.745 Zwar kompensiert ein auf dem betreffenden Markt herrschender Wettbewerb nicht die Intransparenz einer Klausel,746 jedoch darf sein regulierender Effekt nicht vollkommen unterschätzt werden. Ebenso wird das Ermessen des Anpassungsberechtigten durch die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB begrenzt, die ja gerade bei Automatikklauseln nicht möglich ist.747 Der Verwender muss schließlich in der Lage sein, die auf einer veränderten Kostenkalkulation beruhende Preisanpassung notfalls gerichtsfest zu begründen. Die rein rechnerische Möglichkeit einer Gewinnerzielung ist folglich für die Beurteilung der Transparenz einer Klausel nicht ausschlaggebend. 742 So auch Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 728; derselbe ähnlich in, MDR 2008, 424, 427; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 142 f. 743 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 41 – Augsburger Stromvertrag; Borges, DB 2006, 1199, 1200; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 255. 744 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 20; BGH v. 27.09.2009 – VIII ZR 204/08, juris Rn. 8; BGH v. 13.01.2010, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 18; vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. III. 3. b). 745 Borges, DB 2006, 1199, 1200; Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424, 428. 746 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26; BGH v. 21.12.1983, BGHZ 89, 206, 213; BGHZ 26.11.1984, BGHZ 93, 29, 34; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 96 f. 747 In diese Richtung, BGH v. 14.04.1992, BGHZ 118, 126, 131; OLG Karlsruhe v. 08.08.2014, GRUR-RR 2015, 125 Rn. 13; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 10; Wolf, ZIP 1987, 341, 352; Borges, DB 2006, 1199, 1200; Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 728; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 142.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

(d) Information über die veränderten preisbildenden Faktoren Zwar wird ein prägnanter und eingängiger Überblick über die änderungsrelevanten Kostenfaktoren nach Art einer Leitlinie nicht genügen, um eine – wie in der früheren Rechtsprechung748 – geforderte Überprüfbarkeit der Preisanpassung auf ihre Berechtigung im Zeitpunkt der Durchführung zu ermöglichen.749 Jedoch darf diese Anforderung wie oben erläutert, gerade nicht überspannt werden. Nach der Entscheidung des BGH vom 25.11.2015 genügt bereits die Möglichkeit der Überprüfbarkeit der Preisanpassung auf ihre Plausibilität.750 Dieses Ziel kann auch dadurch erreicht werden, dass der Unternehmer den Vertragspartner im Zeitpunkt der Anpassung darüber informiert, welche Kosten sich in welchem Umfang verändert haben:751 Hierzu müsste er dem Kunden jene Eckdaten mitteilen, die erforderlich sind, um die Anpassung hin auf ihre Plausibilität und die Einhaltung des Äquivalenz­ verhältnisses überprüfen zu können.752 Auf diese Weise wird eine Überfrachtung der Klausel mit detaillierten Informationen zur Kostenkalkulation verhindert. Auch muss der Anpassungsberechtigte nicht seine gesamte Kostenkalkulation offen legen. Dies entspricht auch dem neu gefassten § 5 Abs. 2 StromGVV, der mit Verweis auf § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 und S. 3 StromGVV753 detaillierte Angaben zu den 748 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 f. – Flüssiggas II. 749 Dieses Problem aufwerfend auch Starke, RdE 2016, 224, 231. 750 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 22 – Augsburger Stromvertrag. 751 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 112; Borges, DB 2006, 1199, 1203; derselbe, ZIP 2007, 1437, 1440 spricht von einer „gestaffelten Information des Kunden“. 752 So auch OLG Dresden v. 11.12.2006, U 1426/06 Kart, RdE 2007, 58 Rn. 76. 753 § 2 Abs. 3 StromGVV: „Ein Grundversorgungsvertrag oder die Bestätigung des Vertrages muss alle für einen Vertragsschluss notwendigen Angaben enthalten, insbesondere auch: […] 5. Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, wobei folgende Belastungen, soweit sie Kalkulationsbestandteil der geltenden Allgemeinen Preise sind, gesondert auszuweisen sind: a) die Stromsteuer nach § 3 des Stromsteuergesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 378; 2000 I S.  147), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5.  Dezember 2012 (BGBl. I S. 2436, 2725) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, b) die Konzessionsabgabe nach Maßgabe des § 4 Absatz 1 und 2 der Konzessionsabgabenverordnung vom 9. Januar 1992 (BGBl. I S. 12, 407), die zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung vom 1. November 2006 (BGBl. I S. 2477) geändert worden ist, c) jeweils gesondert die Umlagen undAufschläge nach § 60Absatz 1 des Erneuerbare-EnergienGesetzes, § 26 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, § 19 Absatz 2 der Stromnetzentgeltverordnung, § 17f Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes und § 18 der Verordnung zu abschaltbaren Lasten vom 28. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2998), d)  jeweils gesondert die Netzentgelte und die Entgelte der Betreiber von Energieversorgungsnetzen für den Messstellenbetrieb und die Messung. Wenn dem Grundversorger die Angaben nach Satz 1 Nummer 1 nicht vorliegen, ist der Kunde verpflichtet, sie dem Grundversorger auf Anforderung mitzuteilen. Zusätzlich zu den Angaben nach Satz 1 Nummer 5 hat der Grundversorger den auf die Grundversorgung entfallenden Kostenanteil anzugeben, der sich rechnerisch nach Abzug der Umsatzsteuer und der Belastungen nach Satz 1 Nummer 5 von dem Allgemeinen Preis ergibt, und diesen Kostenanteil

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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veränderten preisbildenden Faktoren fordert. Eine solche der Abwicklungstransparenz dienende Mitteilung darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass dadurch eine bei Vertragsschluss bestehende Intransparenz ausgeglichen werden muss. Die oben dargestellte Fassung entspricht bereits bei Vertragsschluss dem europäischen und deutschen Transparenzgebot. Eine Preisänderungsklausel muss im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und bei ihrer Durchführung hinreichend konkretisiert sein. Auch wenn diese Mitteilung über die Grundlage der Preiserhöhung den Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers übersteigen könnte, so besteht dadurch immerhin die Möglichkeit diese gerichtlich überprüfen zu lassen. Dadurch wird auch verhindert, dass der Verwender seine Kalkulation nachträglich entsprechend der tatsächlichen Preiserhöhung anpassen kann, um diese zu rechtfertigen. Der Preisänderungsvorbehalt muss demnach lediglich um eine Erklärung ergänzt werden, die den Anpassungsberechtigten dazu verpflichtet, im Fall der Preissteigerung die Kostenänderung nach Art und Höhe darzulegen. (4) Zusammenfassung Obgleich die Entscheidung vom 25.11.2015 im Energiesektor ergangen ist, kann sie auf Preisänderungsvorbehalte in anderen Wirtschaftszweigen übertragen werden.754 Auch in anderen Branchen überfordert die abschließende Auflistung sämtlicher preisbildender Faktoren einschließlich ihrer Gewichtung nicht nur den Gewerbetreibenden, sondern auch den Verbraucher als Kunden. Zusammengefasst ist der Anlass in Preisänderungsvorbehalten hinreichend konkretisiert, wenn die Preisänderungsbefugnis an die Veränderung der für die Preisberechnung maßgeblichen Kosten geknüpft wird. Dabei genügt es, wenn die diesen Anlass prägenden Kosten in einem prägnanten Überblick nach Art eines Leitfadens dem Verbraucher exemplarisch verdeutlicht werden, wobei der Gewerbetreibende sich auch auf betriebsinterne Faktoren beziehen darf. Eine rein rechnerische Möglichkeit der Erzielung eines zusätzlichen Gewinns, die aus der teilweisen Unbestimmtheit eines solchen Preisänderungsvorbehalts resultiert, ist dabei irrelevant. Zur Ermöglichung einer Überprüfbarkeit der Preisanpassung auf ihre Plausibilität durch den Verbraucher, sollte der Unternehmer allerdings bereits in der Klausel zusätzlich dazu verpflichtet werden, den Vertragspartner im Zeitpunkt der Anpassung darüber zu informieren, welche Kosten sich in welchem Umfang verändert haben.

getrennt zu benennen. Der Grundversorger hat die jeweiligen Belastungen nach Satz 1 Nummer 5 sowie die Angaben nach Satz 3 in ihrer jeweiligen Höhe mit der Veröffentlichung der Allgemeinen Preise nach § 36 Absatz 1 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Auf die Veröffentlichung der jeweiligen Höhe der in Satz 1 Nummer 5 Buchstabe c genannten Belastungen auf einer Informationsplattform der deutschen Über­ tragungsnetzbetreiber hat der Grundversorger ergänzend hinzuweisen. […]“. 754 So auch Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 309.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

c) Steigerung des Wertes der Leistung und Wertverfall der Gegenleistung Die Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung kann sich aber auch durch eine Steigerung des Werts der Leistung oder durch Wertverfall der Gegenleistung verändern. Um auf die Steigerung des Wertes der Leistung reagieren zu können, kann sich der Verwender Markt- oder Spannungsklauseln bedienen. Der Wertverfall der Gegenleistung lässt sich dagegen durch Indexklauseln einfangen. Dafür muss das Preisänderungsrecht in Akzessorietät zu Referenzwerten, wie dem Marktpreis für das gleiche oder ein gleichartiges Produkt oder einen von einer öffentlichen Stelle veröffentlichten Index, gestellt werden. Die Veränderung der Bezugsgröße kann eine Veränderung des Ausgangspreises sowohl automatisch bedingen als auch lediglich eine Preisänderungsbefugnis des Verwenders nach billigem Ermessen auslösen.755 Wie bereits oben erläutert, sieht der BGH die Verknüpfung des Preises mit einem öffentlich zugänglichen Referenzwert als hinreichend bestimmt und transparent i. S. v. § 307  Abs.  1  S.  2  BGB für einen Durchschnittsverbraucher ohne besondere mathematische Fähigkeiten an. So ist die Kopplung des Preises in einem Erdgaslieferungsvertrag an die Preisnotierung für extra leichtes Heizöl (HEL) hinreichend transparent.756 Ebenso entspricht im Mietrecht eine Preisänderungsklausel dem Transparenzgebot, die an die ortsübliche Vergleichsmiete anknüpft.757 Da nur auf einen Referenzwert Bezug genommen wird, lassen sich Preisänderungsklauseln, die nicht auf die Veränderung der maßgeblichen Kostenfaktoren abstellen, sowohl in einer mathematischen Formel als auch in Textform hinreichend verständlich darstellen. Vorrausetzung dafür ist, dass die jeweilige Bezugsgröße, der Marktpreis oder Index, so konkretisiert ist, dass sie in zu­mutbarer Weise in Erfahrung gebracht werden kann.758 Die Ursache, weshalb ein bestimmter Preis an eine bestimmte Bezugsgröße, wie einen bestimmten Marktpreis oder Index, gekoppelt wird, ist dagegen nicht im Rahmen der Transparenzkontrolle zu erläutern, sondern bezieht sich auf die inhaltliche Angemessenheit der Klausel.759

755

Vgl. Einleitung B. 4. a. bb) – dd), b aa). BGH v. 24.03.10, BGHZ 185, 96 Rn. 16 f. mit folgender Spannungsklauel AP = 2,43 + (0,092 × (HEL – 19,92)). 757 BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 22: „Die WSV prüft nach Ablauf von jeweils drei Jahren, erstmals zum 1. 1. 1999, ob das Nutzungsentgelt noch ortsüblich oder sonst angemessen ist. Bei einer Änderung setzt sie den zusätzlich oder den weniger zu zahlenden Betrag nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) fest und teilt dem Nutzer die Höhe des künftig zu zahlenden Nutzungsentgelts mit.“ 758 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 170. 759 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 17. BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 23 in Hinblick auf die Zulässigkeit der Anknüpfung an den Preis für extra leichtes Heizöl in Gassonderverträgen. 756

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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4. Konkretisierung des Modus der Preisanpassung Sowohl der EuGH als auch der BGH verlangen in ihrer Rechtsprechung, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständ­ licher Kriterien, folglich den Umfang der Preisanpassung, vorhersehen kann. Es ist demnach zu regeln, wie und wann sich die Veränderung einer Referenzgröße, die den Anlass für eine Preisänderung darstellt, auf die Preisanpassung auswirken wird. a) Automatikklauseln Im Rahmen von Automatikklauseln ist hinsichtlich des Modus der Preisanpassung eine hinreichende Konkretisierung dahingehend erforderlich, wie sich die Preise bei Vorliegen einer Veränderung der Referenzwerte ändern sollen. Dabei ist eine klare Abgrenzung zu einem Preisänderungsvorbehalt, der die Preisänderungsbefugnis von der Veränderung einer Bezugsgröße abhängig macht, den Umfang jedoch in das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB stellt, vorzunehmen.760 Zwar wird durch den Bezug auf verschiedene Kostenfaktoren oder auf einen Marktpreis oder Index deutlich, dass sich der Preis in die gleiche Richtung ändert wie die Bezugsgröße. Allerdings muss das Verhältnis zwischen diesen beiden Größen hergestellt werden. Im Rahmen von Kostenelementeklauseln ist zu regeln, dass sich der Preis im Verhältnis zum Anteil des sich veränderten Kostenfaktors zu den Gesamtkosten verändert.761 Bei Marktpreis-, Spannungs- oder Indexklauseln muss hinreichend konkretisiert werden, ob eine Veränderung der Bezugsgröße, etwa des Marktpreises oder eines Indexes, nominal oder prozentual auf den Ausgangspreis übertragen wird. Der Umfang der Preisänderung wird bei Automatikklauseln aufgrund des Automatismus per se auf den Umfang der Veränderung des Referenzwertes beschränkt. Senkungen werden ebenfalls automatisch in demselben Umfang und nach denselben Maßstäben wie Erhöhungen an den Kunden weitergegeben.762 Da die Anpassung gerade ohne jegliche Einflussnahme des Anpassungsberechtigten erfolgen soll, bedürfen Automatikklauseln, trotz der mit prognostischen Kostenkalkulationen zwangsläufig verbundenen Unsicherheiten,763 einer konkreten Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts der Preisanpassung. Die Anpassung kann je nach Ausgestaltung fortlaufend, in wiederkehrenden Intervallen oder bei Eintritt eines bestimmten Umstandes, etwa ab einem bestimmten Ausmaß der Verän­ derung, erfolgen. Dieser Zeitpunkt muss in der Automatikklausel ausdrücklich

760

BGH v. 17.12.2008, NJW 2009, 578 Rn. 15; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 44. Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184; vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (3). 762 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 36. BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 44. 763 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 25 – Augsburger Stromvertrag. 761

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Teil 2: Transparenzkontrolle

geregelt werden. Aufgrund des Automatismus ist für das Wirksamwerden der Preisänderung kein Zugang einer Willensklärung erforderlich. b) Preisänderungsvorbehalte aa) Modus Bei Preisänderungsvorbehalten muss zunächst der Modus der Preisänderung, folglich die Anpassung nach dem billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten hinreichend klar aus der Klausel hervorgehen. Nach der Entscheidung des BGH vom 25.11.2015 werde der Modus der Anpassung durch die mehrfache Wiederholung der Formulierung „nach billigem Ermessen“ und den zusätzlichen Hinweis, dass § 315 BGB „im Übrigen unberührt“ bleibe, hinreichend verdeutlicht, dass eine Anpassung „nach dem billigen Ermessen“ erfolgen soll.764 Dadurch sei für einen juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden klar, dass die Anpassung weder an einen festen Index oder Bezugsgrößen gekoppelt sei noch im freien Belieben des Verwenders stehe.765 Der Hinweis auf § 315  BGB genügt. Sein Inhalt muss nicht erläutert werden.766 Aus dieser Entscheidung des BGH kann jedoch nicht mit absoluter Gewissheit gefolgert werden, dass eine ausdrückliche Herausstellung des Anpassungsmechanismus durch Bezugnahme auf das „billige Ermessen“ mit dem Hinweis auf § 315 BGB zwingend versehen werden muss.767 Ein zwingender Hinweis auf § 315 BGB ist allerdings zu befürworten.768 Zwar könnte man argumentieren, dass ein Hinweis auf § 315 BGB überflüssig ist, wenn die Anpassung nach billigem Ermessen unmissverständlich herausgestellt ist. Aus dem Transparenzgebot lässt sich gerade keine Pflicht zur Rechtserläuterung entnehmen.769 Allerding wird dadurch zusätzlich sichergestellt, dass der Anpassungsberechtigte nur dazu befugt ist, Preisänderungen, die im Einklang mit der Kostenentwicklung stehen vorzunehmen. Des Weiteren wird durch die Bindung an § 315 Abs. 1 BGB explizit die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB eröffnet, die der Anpassungsberechtigte nicht abwenden kann. bb) Umfang Insbesondere muss aus einem Preisänderungsvorbehalt hinsichtlich des Umfangs explizit hervorgehen, dass das Maß der sich verändernden Bezugsgröße die Ober-

764

BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 29 – Augsburger Stromvertrag. BGH v. 25.12.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 15 – Augsburger Stromvertrag. 766 Vgl. 2. Teil B. Kapitel 4 II. 3. b. aa). 767 Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 310. 768 So auch Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Rehart/Lolacher, MMR 2016, 305, 310. 769 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. IV. 2. 765

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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grenze für den Preisanpassungsumfang bildet.770 Lediglich die Bezugnahme auf eine Anpassung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB mit dem Argument, dass es dem Grundsatz des billigen Ermessens widerspräche, wenn eine Klausel, die das Preisänderungsrecht an die Veränderung einer Bezugsgröße knüpfe, eine Anpassung über den Umfang der Veränderung hinaus gestatte,771 überzeugt aus Gründen der Bestimmtheit nicht. Eine Preisbestimmung nach § 315 BGB ist zu unbestimmt;772 dieser Bezugnahme ist lediglich zu entnehmen, dass die Preisbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen soll.773 Nur die Angabe des zur Preisanpassung berechtigenden Anlasses in dem Preisänderungsvorbehalt führt folglich nicht zu der Auslegung, dass der Umfang der Preisanpassung auf das Maß beschränkt ist, das durch den Anlass der Preisänderung gedeckt ist.774 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob insbesondere bei Preisänderungs­ vorbehalten, bei denen der Umfang der Anpassung im billigen Ermessen des Unternehmers liegt, die Angabe einer konkreten, maximalen Obergrenze in Form eines Geldbetrages oder Prozentsatzes gefordert werden sollte. Dafür spricht insbesondere das anerkannte Interesse des Verbrauchers, das Ausmaß einer möglichen Preisänderung und die damit verbundenen Rechtsfolgen bereits bei Vertragsbeginn abschätzen zu können. So kann der Verbraucher voraussehen, ob auch im ungünstigsten Fall eine Veränderung des Wertverhältnisses seinen subjektiven Äquivalenz­vorstellungen noch entspricht und für seine Leistungszwecke noch günstig ist.775 Problematisch jedoch ist, dass der Unternehmer diese Maximalgrenze relativ hoch ansetzen könnte und so in der Lage wäre, bis zu dieser Grenze einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Umgekehrt könnte der Unternehmer, wenn er die Obergrenze als zu hoch ansetzt, seinen Vertragspartner bereits von einem Vertragsschluss abhalten.776 Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen oder mehrjährigen Lieferzeiten ist die Festsetzung einer Obergrenze in Form eines Maximalbetrages oder Prozentsatzes für den Unternehmer wegen mangelnder Prognostizierbarkeit der Kostenentwicklung kaum möglich. Sie beruht lediglich auf Mutmaßungen, die unter Umständen falsche Erwartungen beim Verbraucher wecken. Schließlich könnte diese Verpflichtung insofern zu einem unangemessenen Eingriff in die 770

BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 16. So BGH v. 27.09.1984, BGHZ 92, 200, 205; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 27 der Ermessensspielraum werde durch den Maßstab der Billigkeit beschränkt; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 96; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 20. 772 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 74 m. w. N. 773 OLG München v. 16.07.2015 – 29 U 1179/15, juris Rn. 30. 774 BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3135; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 25; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 126. 775 Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 186; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 776 Beckmann, die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 111; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 113. 771

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Privatautonomie der Parteien führen, als der Unternehmer daran gehindert werde, eine über die Obergrenze hinausgehende Preisanpassung zu realisieren.777 Es ist daher zu abzuwägen, ob der Vertragspartner vor einem seine Leistungsfähigkeit übersteigenden Preisanstieg nicht bereits durch die Zusicherung eines Vertragslösungsrechts geschützt wäre. Sofern eine vorzunehmende Preisänderung durch einen sachlichen Grund gedeckt ist, besteht das anerkannte Interesse des Unternehmers diese Kostenänderung an den Verbraucher weiterzugeben, um das bestehende Äquivalenzverhältnis zu bewahren. Ob eine Anpassung noch der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Anpassungsgegners entspricht, diese Entscheidung sollte dagegen diesem selbst unterliegen. Sofern der Unternehmer den Preis stärker anhebt, muss er zwar das Risiko einer Kündigung hinnehmen. Jedoch wird der Kunde nur zurücktreten, wenn er sich den Leistungsgegenstand nicht mehr leisten kann oder will oder eine preiswertere Alternative möglich ist. Ein Sonderkündigungsrecht, das an einen bestimmten prozentualen Anstieg oder einen bestimmten Umstand anknüpft, bietet folglich einen sachgerechteren Weg den Vertragspartner vor einer seine Leistungsfähigkeit übersteigenden Erhöhung zu schützen als die Angabe einer Obergrenze.778 An welchen Anstieg des Preises das Lösungsrecht zu knüpfen ist, ist dagegen im Rahmen der Inhaltskontrolle zu erläutern. Lediglich für den Fall, dass eine verständliche Formulierbarkeit der zu einem Preisänderungsrecht führenden Voraussetzungen kaum möglich ist, kann die Angabe einer Obergrenze für den Anpassungsumfang zur Kompensation der Intransparenz angegeben werden.779 Demnach besteht nur eine mittelbare Forderung nach der Angabe eines Maximalbetrages oder Prozentsatzes als Obergrenze. Die Konkretisierung des Umfangs in einem Preisänderungsvorbehalt in zeitlicher Hinsicht kann nur verlangt werden, sofern diese möglich ist. Eine Angabe objektiver Zeitspannen und von Erfahrungswerten ist nur dann sinnvoll, wenn die Kostenänderung in ihrer zeitlichen Dimension mit einer gewissen Verlässlichkeit abgebildet werden könne. Auch hier ist eine Transparenz lediglich im Rahmen des Möglichen zu fordern. Falsche Angaben, die den Vertragspartner in die Irre führen oder falsche Erwartungen regen, sind daher zu vermeiden.780 Zudem ist ein zeitlich entkoppelter Preisänderungsvorbehalt insofern für den Kunden vorteilhafter, als etwaige Kostensteigerungen zumindest nicht sofort in eine Preisanpassung umgesetzt werden müssen. Folglich bedürfen Preisänderungsvorbehalte im Gegensatz zu Automatikklauseln nicht zwingend einer Regelung zum Zeitpunkt der Preisanpassung, mit Ausnahme für Senkungen der Bezugsgrößen, wie noch im Rahmen der Inhaltskontrolle zu erläutern sein wird. 777

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 174. Zustimmend BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 79; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 174. 779 Zustimmend Beckmann, die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 111. 780 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 32 – Augsburger Stromvertrag. 778

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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c) Zusammenfassung Zusammenfassend muss bei Preisänderungen hinreichend klargestellt werden, wie und wann sich die Veränderung einer Bezugsgröße auf den Umfang einer Preisanpassung auswirkt. Dies erfordert zunächst eine klare Darstellung hinsichtlich des Anpassungsmodus dahingehend, ob eine Automatikklauseln oder ein Preisänderungsvorbehalt vorliegt. Um Rechtsrisiken zu verneinen, ist der Modus der Anpassung unter Bezugnahme auf das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten und eines Hinweises auf § 315 BGB ausdrücklich hervorzuheben. In Hinblick auf den Umfang muss bei Automatikklauseln das Verhältnis zwischen dem Ausgangswert und der Bezugsgröße definiert werden. Es muss sich aus der Klausel ergeben, ob sich eine Veränderung der Bezugsgröße nominal oder prozentual auf den Ausgangswert auswirkt. Bei Kostenelementeklauseln muss ersichtlich sein, dass sich der Preis im Verhältnis zum Anteil des sich veränderten Kosten­ faktors zu den Gesamtkosten verändert. Insbesondere bei Preisänderungsvorbehalten ist erforderlich, dass der Umfang der Preisanpassung durch das Maß der Veränderung der Bezugsgröße begrenzt wird, als hier der Umfang der Anpassung im billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten liegt. Lediglich die Verweisung auf § 315 BGB wird dieser Anforderung nicht gerecht. Die Statuierung einer Obergrenze in Form eines Geldbetrages oder eines Prozentsatzes ist dagegen insofern nicht geboten, als die Möglichkeit der Kündigung den Interessen des Verwenders und Kunden besser gerecht wird. Inwiefern der Umfang darüber hinaus eine Begrenzung erfahren müsste, um eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zugunsten des Unternehmers durch eine unzulässige Vergrößerung seiner Gewinnspanne zu verhindern, ist innerhalb der Inhaltskontrolle zu untersuchen. 5. Abwicklungstransparenz Im Einklang mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie muss sowohl im Rahmen von Automatikklauseln als auch in Rahmen von Preisänderungsvorbehalten der Vertragspartner vor Inkrafttreten der Preisanpassung über die Preisänderung informiert werden. Zur Unterstützung der Überprüfbarkeit der Preisänderung auf ihre Plausibilität ist eine Information des Kunden über die Grundlage für die Preisänderung unter Mitteilung des Ausgangswerts und des neues Wertes erforderlich, damit der Kunde sehen kann, welche Faktoren sich in welchem Umfang verändert haben. Darüber hinaus ist eine Belehrung des Kunden über sein zur Abwehr der Preisänderung vorhandenes Kündigungsrecht erforderlich. Eines separaten Hinweises auf die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB bedarf es mangels einer Pflicht zur Rechtserläuterung nicht.781 781

Vgl. 2. Teil B. Kapitel 4 II. 3. b. aa).

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Zu der Form dieser Mitteilung, insbesondere ob diese neben der Schriftform auch in elektronischer Form möglich ist, hat der BGH entschieden, dass eine Anpassung durch öffentliche Bekanntmachung nicht genügt.782 Dies entspricht auch § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV der zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden und Veröffentlichung der Änderung auf seiner Internetseite fordert. Dem ist zuzustimmen. Da die Preisänderung sich auf den Preis, einen für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Faktor bezieht, ist eine postalische Mitteilung aufgrund der Bedeutung für den Vertragspartner geboten. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass er rechtzeitig auf die Preisänderung reagieren kann. Für Strom- und Gaslieferungsverträge mit Normsonderkunden ergibt sich die Pflicht zur Abwicklungstransparenz bereits aus § 41 Abs. 3 S. 1 EnWG, der die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen aus Anhang A der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 2003/54/EG und der Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 2003/55/EG umsetzt. Demnach haben die Lieferanten Letztverbraucher rechtzeitig, in jedem Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, und auf transparente und verständliche Weise, über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und über ihre Rücktrittsrechte zu unterrichten. Eine Information des Kunden über die Grundlage für die Preisänderung unter Mitteilung des Ausgangswerts und des neues Wertes entspricht dabei dem für den Grundversorgungsbereich neu gefassten § 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV, der mit Verweis auf § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 und S. 3 StromGVV/GasGVV detaillierte Angaben zu den veränderten preisbildenden Faktoren fordert. III. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz Es stellt sich zuletzt die Frage, inwiefern die Intransparenz einer Preisänderungs­ klausel durch Mittel, wie die Benennung einer Obergrenze für den Umfang der Anpassung oder die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts kompensiert werden kann. 1. Benennung einer Obergrenze für den Umfang der Anpassung Wie bereits erläutert, kann die Angabe einer Obergrenze in Form eines Geldbetrages oder Prozentsatzes die Intransparenz einer nicht hinreichend bestimmt formulierten Klausel kompensieren. Dies ist aber nur der Fall, sofern in der Klausel Anlass und Modus der Preisänderung so konkret, wie es nur möglich ist, formuliert sind. Der Verwender darf sich nicht durch eine hohe Obergrenze die Möglichkeit einer zusätzlichen Gewinnerzielung bis zu dieser Grenze einräumen. Durch die Obergrenze kann der Kunden den maximalen Betrag abschätzen. Das mögliche 782

BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 32.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Ausmaß wird dadurch derart erläutert, dass er einschätzen kann, ob auch im Fall dieser maximalen Preisanpassung die Veränderung des Wertverhältnisses für seine Leistungszwecke noch günstig ist. So hat der BGH einen Verstoß gegen das Transparenzgebot entfallen lassen, weil bereits bei Vertragsschluss die Auswirkungen einer Klausel auf die Zinsberechnung durch Angabe des Effektivzinses in einem Schreiben auch für einen Durchschnittsverbraucher ausreichend einschätzbar gemacht wurden.783 Voraussetzung dafür war, dass der Effektivzins richtig berechnet wurde. Einer solchen Beseitigung der Intransparenz einer Preisänderungsklausel kann allerdings nur dann zugestimmt werden, wenn die Obergrenze durch eine schriftliche Mitteilung bei Vertragsschluss erfolgt. Da Preisänderungsklauseln auch die Durchführung des Vertrages betreffen, kann ihre Abwicklungstransparenz durch mündliche Individualaufklärung nicht vollumfänglich hergestellt werden. Insbesondere treten Konfliktfragen in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, so dass die Gefahr besteht, dass die mündlichen, abwicklungsrelevanten Zusatzinformationen unrichtig und vollständig wiedergegeben werden.784 2. Keine Kompensation durch Einräumung eines Lösungsrechts a) Kompensation bei „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ einer transparenten Formulierung Die Rechtsprechung des BGH, ob eine intransparente Klausel durch die Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden kann, unterliegt einer Entwicklung. Zunächst bestand der Eindruck, dass die Unangemessenheit einer allgemein formulierten Klausel durch die Einräumung einer Lösungsmöglichkeit beseitigt werden könne. Eine abschließende Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen dies möglich sei, unterblieb jedoch.785 Der BGH stellte allerdings in der Entscheidung vom 15.11.2007 klar, dass intransparente Klauseln nicht stets durch ein Vertragslösungsrechts ausgeglichen werden könnten. Vielmehr hänge dies von der konkreten Ausgestaltung des Lösungsrechts ab, wobei vor allem „die Art des jeweiligen Vertrags und die typischen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen sind.“786 Hiervon ausgehend erachtet der BGH lediglich ausnahmsweise eine Kompensation durch ein Sonderkündigungsrecht für möglich, sofern eine hinreichende Konkretisierung der Voraussetzungen und des Umfangs des Preis 783

BGH v. 11.02.1992, NJW 1992, 1097, 1099. Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  203; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 346; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 241 f. 785 BGH v. 11.06.1980, BGH 1980, 2518, 2519; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 27; BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 73; BGH v. 26.05.1985, NJW 1986, 3134, 3136; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 27. 786 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 28.10.2009, WM 2010, 228 Rn. 33 ff.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 30; BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 37. 784

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Teil 2: Transparenzkontrolle

anpassungsrechts „wegen der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt“.787 Jedoch wird im Falle „unüberwindbarer Schwierigkeiten“ der Verwender nicht völlig von der Verpflichtung zur Konkretisierung frei. Der Verwender soll sich nicht auf „unüberwindbare Schwierigkeiten“ berufen können, ohne einen Versuch der Konkretisierung zu unternehmen; vielmehr ist es erforderlich, dass die Klausel so konkret wie es dem Verwender möglich und zumutbar ist, formuliert wird.788 Zahlreiche Faktoren und dynamische Märkte führen noch nicht zur Unmöglichkeit einer Konkretisierung.789 Es wird folglich zwischen der Unmöglichkeit einer hinreichend konkretisierten Klauselfassung und einer den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ungenügenden Klauselfassung differenziert. Nur bei der Unmöglichkeit einer Formulierung aufgrund der Besonderheiten des konkreten Marktes kann eine Kompensation angenommen werden. Darüber hinaus müssen die weiteren Anforderungen, die an eine wirksame Klausel gestellt werden, erfüllt sein. Zudem muss das Lösungsrecht überhaupt geeignet sein, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen. Der BGH stellt demnach strenge Voraussetzungen an die Kompensation einer intransparenten Klausel durch ein Lösungsrecht, deren Vorliegen er, soweit ersichtlich, bisher nicht bejaht hat.790 b) Bewertung der Kompensationsmöglichkeit bei „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ einer Konkretisierung Jedoch birgt die Möglichkeit einer Kompensation auch einige Risiken in sich. Zudem muss die Erforderlichkeit und Vereinbarkeit von dieser Ausnahme mit der Rechtsprechung des EuGH einer kritischen Beurteilung unterzogen: 787 BGH v. 06.04.1989, NJW 1989, 1796, 1797; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 23; zustimmend Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann § 309 Nr. 1 Rn. 102; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36 f.; Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 263; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 588; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 14; Schöne, WM 2004, 262, 267; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 115; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 24; a. A. BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 28. 788 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 102; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 24. 789 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV. 790 Vgl. BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 25 mit Verweis auf BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 34 – Pay-TV; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 30 Kompensation wurde abgelehnt, da nicht sichergestellt war, dass der Kunde sich vor Wirksamkeit von Preiserhöhungen vom Vertrag lösen kann; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182 59 Rn. 34, BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 35 Kompensation wurde wegen Monopolstellung des Verwenders verneint; Borges, ZIP 2007, 1437, 1441; in dieser Richtung auch Graf v. Westphalen/Graf v. Westpahlen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) 51 ff. da die Anforderungen an die Unmöglichkeit einer transparenten Preisanpassungsklausel zu hoch lägen.

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aa) Die mit einer Kompensationsmöglichkeit verbundenen Risiken Zum einen besteht das Risiko des Missbrauchs der Kompensationsmöglichkeit. Es darf dem Verwender nicht die Entscheidung überlassen werden, ob er eine allgemein formulierte Klausel verwendet und damit das Risiko einer Lösung vom Vertrag durch den Vertragspartner eingeht oder sein Preisanpassungsrecht hinreichend transparent formuliert.791 Lediglich der Verwender profitiert von einer Kompensation durch das Lösungsrecht, als er sich durch eine unangemessene Preis­erhöhung und anschließende Kündigung von einem für ihn nachteilhaften, jedoch für den Kunden günstigen Vertrag befreien könnte.792 Zudem könnte der Verwender bereits zu seinen Gunsten einen über die Preisanpassung hinausgehenden zusätzlichen Gewinn erzielen, wenn die Kündigung unter Umständen erst nach der Vornahme einiger Preiserhöhungen erfolgt.793 Sollte eine intransparente Klausel durch die Einräumung eines Lösungsrecht kompensiert werden, bestünde zusätzlich das Risiko, dass alle Anpassungsberechtigten einer bestimmten Branche nur noch intransparente Klauseln verwenden würden und der Kunde nach seiner Kündigung bei jedem Vertragspartner einen schlechten Vertragszustand vorfände.794 Da der BGH die Kompensation durch ein Lösungsrechts nicht generell gestattet sowie ein Lösungsrecht lediglich im Einzelfall geeignet ist, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen,795 entzieht der Ausnahmetatbestand der jeweiligen Klausel eine verlässliche Wirksamkeitsprognose. Diese mangelhafte Prognostizierbarkeit widerspricht aber den Interessen beider Vertragsparteien:796 Zum einen kann der Verwender das Lösungsrecht dazu missbrauchen, wie bereits oben erläutert, den Vertragspartner durch einen überhöhten Preis zur Kündigung zu motivieren. Dem Vertragspartner ist auch nicht immer durch ein Lösungsrecht geholfen, als es aufgrund des Vertragsgegenstandes oder der Marktsituation seinen Interessen nicht gerecht wird. Ferner ist der Verwender aufgrund der trügerischen Kompensationsmöglichkeit dem Risiko ausgesetzt, dass er für den Fall, dass sich die Preisanpassungsklausel als unwirksam erweist, die auf unwirksamer Grundlage einbezogenen, zu viel gezahlten Beiträge zurückzahlen muss. Die Kompensation einer intransparenten Klausel durch ein Lösungsrecht birgt insbesondere die Gefahr, dass der durch das Bestimmtheitsgebot intendierte Schutz auf unsachgerechte Weise aushebelt wird. Grundsätzlich soll der Verbraucher auf Grundlage der Preisanpassungsklauseln, die auf ihn zukommenden Belastungen vorhersehen können. Gleichzeitig trägt die Konkretisierung zu einer Begrenzung des Gestaltungsspielraums des Klauselverwenders bei. Die Möglichkeit einer Kom 791

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 37. BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 37; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 34; Borges, ZIP 2007, 1439, 1442; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 132–134. 793 Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) 50. 794 Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1860; Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 263. 795 Ausführliche Darstellung dazu im Rahmen der Inhaltskontrolle, 4. Teil Kapitel 8 A. III. 796 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29. 792

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Teil 2: Transparenzkontrolle

pensation steht daher im Widerspruch zu den hohen Voraussetzungen, die BGH und EuGH an die Transparenz von Preisänderungsklauseln stellen, wie der BGH zutreffend ausgeführt hat. Die Bestrebung des BGH, die Rechtsposition des Verbrauchers durch Erhöhung der Transparenz zu stärken, würde durch eine Kompensationsmöglichkeit wieder relativiert werden. Dem Verbraucher dürfe nicht das „Recht auf transparente Vertragsbedingungen in bestehenden Vertragsverhältnis“ verwehrt werden.797 Die mit dem Ausnahmetatbestand verbundenen Risiken sind damit größer als sein Nutzen. Es darf nicht zu einer risikolosen Verwendung von intransparenten Klauseln kommen, die lediglich mit einer Kündigung des Verbrauchers sanktioniert werden würde.798 bb) Keine Erforderlichkeit einer Kompensationsmöglichkeit Ferner ist problematisch, unter welchen Voraussetzungen sich ein Klauselverwender auf „unüberwindbare Schwierigkeit“ berufen kann. Um die mit einem Vertragslösungsrecht als Kompensationsmittel verbundenen Missbrauchsrisiken zu verhindern, muss die Kompensation einer unmöglich oder unzumutbar zu konkretisierenden Klausel durch Einräumung eines Lösungsrechts stets ultima ratio bleiben.799 Es sind demnach hohe Anforderungen an das Merkmal der „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ zu stellen. Die Einräumung eines Lösungsrechts sollte nur dann zur Kompensation führen, wenn der Klauselverwender ein schutzwürdiges Interesse an der Verwendung einer Preisänderungsklausel hat und die Voraussetzungen seiner Preisänderungsbefugnis „noch nicht einmal in Grundzügen dargelegt werden können“.800 Wie die Rechtsprechung des BGH, in der bisher das Kriterium der „unüberwindbaren Schwierigkeiten“, soweit ersichtlich ist, in keinem Fall bejaht wurde, zeigt, wird es solche Fälle sehr selten geben. Vielmehr besteht im Gegensatz zu den früher vertretenen strengen Anforderungen an kostenorientierte Preisänderungsklauseln, die als unerfüllbar bezeichnet wurden,801 gerade keine Notwendigkeit für eine Kompensation intransparenter Klauseln durch die Einräumung eines Lösungsrecht.802 Der BGH hat mit seiner 797 BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 31, 34 mit Verweis auf BGH v. 09.12.2015, NJW 2016, 2101 Rn. 27; zustimmend Markert, LMK 2016, 384185. 798 Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 263; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1860. 799 Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 588; Borges, ZIP 2007, 1439, 1442; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 102; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 37; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 117. 800 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 102; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 37. 801 Graf v. Westphalen, MDR 2008, 424; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 132; Borges, DB 2006, 1199 ff.; Eckhoff, GWR 2016, 243. 802 So bereits Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 37.

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Entscheidung Ausgsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 eine für Preisänderungsvorbehalte in Stromversorgungsverträgen mit Sonderkunden praktikable Lösung präsentiert, indem er den oben aufgeführten Preisänderungsvorbehalt803 als mit den Transparenzanforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Judikatur des EuGH vereinbar angesehen hat. Dabei hat er einen Grad an Konkretisierung gefordert, der sowohl dem Interesse des Gewerbetreibenden, seine Kalkulation geheim zu halten, als auch dem Verständnishorizont des jeweiligen Durchschnittsverbrauchers als Klauseladressaten Rechnung trägt. Auch nach Ende der Leitbildrechtsprechung können demnach Preisänderungsvorbehalte in Strom- und Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden durchaus wirksam formuliert werden,804 so dass ihre Konkretisierung gerade nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt. Wenn dies für Preisänderungsvorbehalte in Strom- und Gaslieferungsverträgen gilt, die von einer Vielzahl von änderungsanfälligen Kostenelementen bestimmt werden, so können erst recht Preisänderungsvorbehalte die von weniger Komplexität und Dynamik geprägt sind, den Anforderungen der Rechtsprechung genügend formuliert werde. Folglich besteht kaum noch eine Erforderlichkeit für den von der Rechtsprechung und Literatur befürworteten Ausnahmefall, dass die Konkretisierung von Preisänderungsklauseln an die Grenze der „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ stößt. cc) Keine Vereinbarkeit der Kompensationsmöglichkeit mit der Rechtsprechung des EuGH Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob eine Kompensation bei „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ einer Konkretisierung mit der EuGH-Rechtsprechung im Einklang steht. Nach der Judikatur des EuGH müssen für die Angemessenheit der Preisänderungsklausel die Voraussetzungen der Transparenz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie bei Durchführung der Preisanpassung und die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag kumulativ vorliegen.805 Dies gilt nicht nur für den Energiebereich, sondern kann auch auf sämtliche Preisänderungsklauseln übertragen werden. Die Rechtsprechung des BGH stimmt insofern mit der Rechtsprechung des EuGH überein, als sie grundsätzlich, trotz Kompensationsmöglichkeit bei unüber 803 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52  – Augsburger Stromvertrag, vgl. 2. Teil  Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3). 804 BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2673 Rn. 24 für Gaslieferungsverträge mit Verweis auf BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 9 ff., 23 ff. – Augsburger Stromvertrag, für Stromlieferungsverträge; zustimmend Eckhoff, GWR 2016, 243, 246; Markert, LMK 2016, 384185. 805 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49; so auch nach BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 33; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 43.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

windbaren Schwierigkeiten einer Konkretisierung, eine klare und verständliche Formulierung der Preisänderungsklauseln im Rahmen des Möglichen fordert.806 Allerdings nimmt der BGH eine Kompensation im Ausnahmefall unter sehr strengen Voraussetzungen an, obgleich er eine solche, soweit ersichtlich, noch nicht bejaht hat. Dies widerspricht gerade der Rechtsprechung des EuGH.807 Sofern ein Lösungsrecht Voraussetzung für die Angemessenheit einer Preisänderungklausel ist, kann dieses nicht gleichzeitig als Kompensation für ihre Intransparenz dienen. Es besteht folglich ein Doppelverwertungsverbot im Rahmen der Kompensation.808 Dies entspricht den Grundsatzurteilen des BGH vom 15.07.2009 für Preisanpassungsklauseln in Gaslieferungsverträgen. Demnach stehe „eine für sich genommen angemessene Preisanpassungsklausel in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Kündigungsrecht des Kunden“. Das Bestehen eines Kündigungsrechts sei für die Angemessenheit einer solchen Klausel Voraussetzung, weshalb es nicht zugleich der Kompensation der unangemessenen Preisanpassungsklausel dienen könne.809 Dies gilt auch, wenn sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden aus einer Intransparenz der Preisanpassungsklausel ergibt.810 Für Preisänderungsklauseln in Strom- und Gaslieferverträgen mit Sonderkunden ergibt sich aus § 41 Abs. 3 S. 2EnWG das zwingende Erfordernis eines fristlosen Kündigungsrechts des Kunden für den Fall einer Preisänderung. Doch auch für Preisänderungsklauseln aus anderen Branchen ergibt sich die Notwendigkeit eines Lösungsrechts für die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln, wie noch zu zeigen sein wird,811 zumindest für den Fall einer überhöhten Preiserhöhung aus Nr. 1 lit. l des Anhangs der Klauselrichtlinie. Da das Lösungsrecht demnach eine zwingende Voraussetzung für die Angemessenheit von Preisänderungsklausel ist, kann es, sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch nach der Rechtsprechung des BGH812, nicht zugleich als Kompensationsmittel für die durch die Intransparenz einer Preisanpassungsklausel bewirkte unangemessene Benachteiligung dienen.

806

MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 28; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36. 807 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 43. 808 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. III. 809 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 33, 36; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 33; bestätigt in BGH v. 27.10.2009, ZNER 2010, 65 Rn. 33; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 33; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 27. 810 BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 32. 811 Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. II. 1., B. II. 812 Bezogen auf Energielieferungsverträge.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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dd) Zusammenfassung Konnte bereits der Nutzen des Ausnahmetatbestandes, der eine Kompensation durch ein Lösungsrecht bei unüberwindbaren Schwierigkeiten bei der Konkre­ tisierung der Voraussetzung und des Umfangs erlaubt, im Vergleich zu den damit verbundenen Risiken in Frage gestellt werden, so besteht seit der Entscheidung des BGH vom 25.11.2015 kaum noch eine Erforderlichkeit für diesen Ausnahmefall. Der BGH hat erfüllbare Anforderungen an Preisänderungsvorbehalte formuliert, die nicht nur für den Energiesektor gelten, sondern auch auf Preisänderungsvorbehalte in anderen Wirtschaftszweigen übertragen werden können. Ferner steht die kompensierende Wirkung des Lösungsrechts insofern nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, als die Möglichkeit der Lösung vom Vertrag eine neben der Transparenz der Preisänderungsklausel hinsichtlich Anlass und Modus kumulative Voraussetzung für die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel ist, weshalb sie nicht zugleich zur Kompensation der Intransparenz einer Preisänderungsklausel beitragen kann. Der BGH sollte somit seine Rechtsprechung, nach der er bei unüberwindbaren Schwierigkeiten einer Konkretisierung die Möglichkeit der Kompensation durch ein Lösungsrecht unter Umständen bejaht,813 aufgeben.

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den Ausführungen zum materiellen Transparenzgebot lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für die Anforderungen, die an die materielle Transparenz von Preisänderungsklauseln im Allgemeinen und an Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen im Besonderen zu stellen sind, ziehen: I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Im Einklang mit der Judikatur des EuGH, nach der ein Verbraucher auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die sich ergebenden wirtschaftlichen Folgen vorhersehen können muss,814 fordert auch die deutsche Rechtsprechung, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen ohne Einholung von Rechtsrat so weit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen 813

BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 44. EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb AG/Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen e. V.), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 44; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelza­logbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/ SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 74; EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 41. 814

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Teil 2: Transparenzkontrolle

gefordert werden könne.815 Einen solchen Praktikabilitätsvorbehalt erwähnt der EuGH zwar nicht ausdrücklich, jedoch ergibt sich auch im Rahmen der Klauselrichtlinie aufgrund des Maßstabs des durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und der Tatsache, dass die Überspannung der Transparenzanforderungen die Gefahr der Intransparenz in sich birgt, ein Praktikabilitätsvorbehalt für das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie. 1. Einzelaspekte des materiellen Transparenzgebots In Hinblick auf die Einzelaspekte der materiellen Transparenz erwähnt der EuGH weder das Irreführungsverbot noch das Bestimmtheitsgebot ausdrücklich. In der deutschen Rechtsprechung und Literatur sind diese beiden Fallgruppen des Transparenzgebots dagegen anerkannt. a) Irreführungsverbot Während der EuGH im Fall Pereničová den irreführenden Charakter einer Klausel als lediglich „einen Anhaltspunkt unter mehreren“ ansah,816 stellte er in der Rechtssache Verein für Konsumenteninformation einen konkreten Zusammenhang zwischen dem irreführenden Charakter einer Klausel und der daraus folgenden Intransparenz her.817 Eine irreführende Klausel beeinflusst die Beurteilungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit. Demnach indiziert eine irreführende Angabe automatisch die Intransparenz der betreffenden Klausel. Zur Konkretisierung, was unter „Irreführung“ im Sinne der Klauselrichtlinie zu verstehen ist, kann auf Art 6 Abs. 1, 7 Abs. 1, 2 Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zurückgegriffen werden. Danach kann ein Durchschnittsverbraucher sowohl durch einen fehlerhaften oder unvollständigen Klauselinhalt als auch durch eine verschleiernde optische und sprachliche Gestaltung über die Tragweite einer Klausel in die Irre geführt werden. Dieser Definition entspricht auch die nationale Rechtsprechung.

815

24.11.1988, BGHZ 106, 42, 49; 10.07.1990, BGHZ 112, 115, 118; BGH v. 08.10.1997, BGHZ 136, 394 Rn. 24; BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH v. 09.05.2001, BGHZ 147, 373, 377; BGH v. 24.03.1999, BGHZ 141, 137 Rn. 17. 816 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol.s r.o), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 43, 47. 817 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn. 71 in Übereinstimmung mit GA Saugmansgaard Øe, Schlussanträge v. 02.06.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amanzon EU), ECLI:EU:C: 2016:388, Rn. 102.

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b) Bestimmtheitsgebot Der EuGH spricht nicht ausdrücklich von einer Pflicht zur Konkretisierung, sondern fordert lediglich die Angabe „genauer“ Kriterien. Das Bestimmtheitsgebot lässt sich aber auch im Übrigen aus dem Klarheitsgebot des Art. 5 S. 1 RL entnehmen. Der EuGH stellt ihm Rahmen der Beurteilung der Bestimmtheit lediglich auf den Aspekt der Vorhersehbarkeit ab, während das deutsche Bestimmtheitsgebot neben der Vorhersehbarkeit auch die Eingrenzung ungerechtfertigter Beurteilungsspielräume des Verwenders bewirken will. Seit dem Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache RWE818 bezieht sich der BGH bei der Beurteilung der Transparenzanforderungen von Preisänderungsvorbehalten in Gas- und Stromlieferungsverträgen ausdrücklich auf die Anforderungen des EuGH an Preisänderungsklauseln. Demnach müssen in dem Vertrag Anlass und Modus der Änderung der Entgelte für die zu erbringende Leistung so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand genauer und verständlicher Kriterien vorhersehen könne.819 Dieser Transparenzmaßstab entspricht der bisherigen deutschen Judikatur zur Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln, mit Ausnahme von Preisänderungsklauseln in Gas- und Stromlieferungsverträgen. Unter Hinweis auf die Entscheidung RWE gab der BGH in der Entscheidung vom 31.07.2013 seine in Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden zuvor praktizierte Leitbildrechtsprechung auf, nach der er einen einfachen Verweis oder die wörtliche Übernahme von § 5 Abs. 2 GasGVV/StromGVV für die Bestimmtheit von Preisänderungsvorbehalten genügen ließ. Ansonsten lassen sich den Vorlageverfahren, die Preisänderungsklauseln betrafen, aufgrund der inhaltlichen Substanzlosigkeit der streitgegenständlichen Klauseln kaum Angaben zum jeweiligen erforderlichen Bestimmtheitsgrad von Preisänderungsklauseln entnehmen. Der EuGH definiert lediglich ein Mindestmaß an Bestimmtheit, indem er in den Fällen Matei und van Hove die Verwendung weiter, unbestimmter Begriffe zur Definition des Anlasses der Änderung nicht genügen lässt. Die Verwendung unbestimmter Begriffe erlaubt auch die deutsche Judikatur nur unter der Prämisse, dass eine weitergehendere Konkretisierung an die Grenzen des Möglichen und Zumutbaren stößt. Die darüber hinausgehenden Angaben des BGH in Hinblick auf die Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln sind insofern viel differenzierter, als der BGH zwischen den verschiedenen Klauselarten je nach Anpassungsmechanismus unterscheidet, indem er unterschiedliche Anforderungen an den Konkretisierungsgrad von automatischen Kostenelementeklauseln sowie Preisänderungsvorbehalten stellt. 818

EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 819 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111, Rn. 59; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 27 – Augsburger Stromvertrag.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

2. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz Eine Divergenz zwischen dem BGH und EuGH besteht hinsichtlich der Frage, ob die Intransparenz einer Klausel durch die Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden kann. Der EuGH lehnt eine Kompensation ab, indem er neben der Transparenz der Klausel die Einräumung eines Lösungsrechts als eine für die Angemessenheit der Preisänderungsklausel erforderliche Voraussetzung fordert.820 Der BGH verneint hingegen die Möglichkeit der Kompensation einer intransparenten Klausel durch die Einräumung eines Lösungsrechts nicht voll­ständig. Er zieht diese in Betracht, sofern die Konkretisierung des Anlasses und Umfangs der Preisänderung an „unüberwindbare Schwierigkeiten“ stößt. Gleichwohl hat er einen solchen Ausnahmefall, soweit ersichtlich, bisher noch nicht bejaht. Für den Bereich der Strom- und Gaslieferungsverträge verneint er die Möglichkeit einer Kompensation jedoch gänzlich. Wie der EuGH, sieht der BGH das Lösungsrecht als Voraussetzung für die Angemessenheit einer Preisänderungsklausel in diesen Verträgen an, wobei sich das Erfordernis eines fristlosen Kündigungsrechts für den Normsonderkundenbereich auch aus § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG ergibt, weshalb es nicht gleichzeitig zur Kompensation einer intransparenten Klausel beitragen kann.821 Dieses Doppelverwertungsverbot muss aber auf Preisänderungsklauseln im Allgemeinen übertragen werden. Nach Nr. 1 lit. l des Anhangs der Klauselrichtlinie ist nämlich für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich, dass dem Verbraucher für den Fall einer überhöhten Preisanpassung eine Lösungsmöglichkeit vom Vertrag zusteht. Darüber hinaus besteht nunmehr keine Erforderlichkeit für den von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmefall. Der BGH hat in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag einen Preisänderungsvorbehalt in einem Stromlieferungsvertrag als den deutschen und europäischen Transparenzanforderungen standhaltend angesehen.822 Die dort aufgestellten Voraussetzungen an transparente Preisänderungsvorbehalte können auf Preisänderungsvorbehalte in anderen Branchen übertragen werden. Der BGH muss demnach seine Rechtsprechung, nach der er bei unüberwindbaren Schwierigkeiten einer Konkretisierung die Möglichkeit der Kompensation durch ein Lösungsrecht unter Umständen bejaht, aufgeben.

820 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 821 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 33, 36, BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 30. 822 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 – Augsburger Stromvertrag.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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3. Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH zu Preisänderungsklauseln Zusammengefasst stimmt die Rechtsprechung des BGH mit der europäischen Judikatur weitgehend überein. Die Vorgaben der deutschen Rechtsprechung sind jedoch weitaus differenzierter, was die Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln betrifft. Dies verwundert aufgrund der Fülle der entschiedenen Verfahren nicht. Dennoch darf die Bedeutung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht unterschätzt werden. Sie stellt unionsweite Transparenzanforderungen an Preisänderungs­klauseln auf, die in Hinblick auf die Harmonisierung der nationalen Klauselkontrolle zu begrüßen sind. Der EuGH bestätigt durch seine Forderung, Anlass und Modus hinreichend transparent darzustellen, die sich bereits aus der Zusammenschau anderer verbraucherschützender Richtlinien ergebende, rechtsaktübergreifende Voraussetzung für Preisänderungsklauseln, die Voraussehbarkeit etwaiger Preisanpassungen sicherzustellen. Die geforderte Transparenz steht dem berechtigten Interesse des Unternehmers gegenüber, Preisänderungen an den Verbraucher weitergeben zu können und ermöglicht so einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien. Ausgehend von einer Einzelklauselkontrolle wird das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie so zu einem Kontrollmechanismus auf allen Märkten, die von einseitiger Gestaltungsmacht des Unternehmers geprägt sind.823 Es besteht damit ein unionsautonomer Mindeststandard für Preisänderungsklauseln. Intransparente Preisänderungsklauseln können demnach unionsweit eliminiert werden. Diese Hervorhebung des Transparenzgebots durch den EuGH bekräftigt das richtlinienübergreifende Prinzip des Verbraucherrechts, Schutz durch Information zu gewährleisten. Diese herausragende Bedeutung dieses Transparenzprinzips wird auch dadurch verdeutlich, dass der EuGH die Kompensation einer bestehenden Abschlussintransparenz weder durch Abwicklungstransparenz noch durch die Einräumung eine Lösungsrechts zulässt. II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Eine Preisänderungsklausel ist folglich hinreichend bestimmt, wenn Anlass und Modus der Preisänderung so transparent dargestellt sind, dass der Verbraucher etwaige Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann. 1. Irreführungsverbot Zunächst muss dabei das Irreführungsgebot beachtet werden. Die preiserhöhende Wirkung einer Preisänderungsklausel darf weder durch die formelle noch durch die inhaltliche Gestaltung verschleiert werden. Ebenso muss ein Preisände 823 So auch Micklitz/Reich, EuZW 2013, 457 mit dem Titel „Von der Klausekontrolle zur Machtkontrolle“.

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Teil 2: Transparenzkontrolle

rungsvorbehalt die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB hinreichend klar herausstellen, damit der Verwender den Vertragspartner nicht an der Durchsetzung seiner Rechte behindern kann. Dies ist etwa der Fall, wenn der Anpassungsmodus aus der Klausel nicht ausreichend deutlich hervorgeht. 2. Konkretisierung des Anlasses Anlass für Preisänderungen können Veränderungen der für die Preisbildung relevanten Kosten, der Wertsteigerungen der Leistung oder auch der Wertverfall der Gegenleistung sein: a) Kostenänderungen Bei Klauseln, bei denen das Preisänderungsrecht in Abhängigkeit zu der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter und Dienstleistungen gestellt wird, die unmittelbar Einfluss auf die Selbstkosten des Gläubigers für die Erbringung der Leistung haben, differenziert der BGH hinsichtlich des Bestimmtheitsgrades nach dem Anpassungsmodus der Preisänderung. aa) Automatische Kostenelmenteklauseln Automatische Kostenelementeklauseln dürfen nach der Rechtsprechung des BGH, um der Automatismusfunktion Genüge zu tun, nur an Kostenfaktoren anknüpfen, die der Verbraucher mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen kann. Ferner muss das Gewicht der einzelnen Kostenfaktoren in Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises in der Klausel angegeben werden, damit der Kunde die jeweilige Preisanpassung vorhersehen und auf ihre Berechtigung überprüfen kann. Zwar lassen sich diese Anforderungen in einer mathematisierten Berechnungsformel erfassen, jedoch wird eine derart detaillierte Klausel weder den Interessen des Verwenders gerecht, der seine Kostenkalkulation im Ergebnis offen legen muss, noch dem Informationsinteresse des Durchschnittsverbrauchers, der solche Klausel seinen Verständnishorizont bei Weitem übersteigt. Von der Forderung der exakten Überprüfbarkeit einer Preisänderung anhand der Preisänderungsklausel ist demnach Abstand zu nehmen, weil diese, wie auch der BGH in seiner Entscheidung vom 25.11.2015 zutreffend festgestellt hat, impraktikabel ist.824 Um das faktische Ende von automatischen Kostenelementeklauseln zu verhindern, müssen die durch den BGH aufgestellten Anforderungen daher gelockert werden, zumal der BGH das Interesse des Verwenders an der Verwendung solcher 824

BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 42.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

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Klauseln anerkennt. Zwar müssen die eine Änderung bedingenden Kostenfaktoren abschließend in der Klausel genannt sein, um die Automatismusfunktion zu erhalten, wobei auch auf betriebsinterne Größen Bezug genommen werden darf. Jedoch ist die konkrete Angabe des Gewichts jedes einzelnen Faktors in Bezug auf seine Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises aus Gründen der Verständlichkeit in der Klausel selbst nicht erforderlich. Es genügt eine Generalformel, nach der sich der Preis bei Kostenänderungen entsprechend dem ursprünglich bei Vertragsschluss bestehenden Gewicht des jeweiligen Kostenfaktors im Verhältnis zum Gesamtpreis verändert. bb) Preisänderungsvorbehalte Während der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die hohen an automatische Kostenelementeklauseln aufgestellten Transparenzanforderungen auch auf Preisänderungsvorbehalte zu übertragen schien, trifft er in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 in begrüßenswerter Weise ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen automatischen Kostenelementeklauseln und Preisänderungsvorbehalten, die an Kostenänderungen gekoppelt sind. Derart weitreichende Konkretisierungsanforderungen, wie der BGH sie an automatische Kostenelementeklauseln gestellt hat, sind bereits mit dem Charakter eins nach billigem Ermessen ausgestalteten Preisänderungsvorbehalts nicht zu vereinbaren.825 Ferner spricht die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ebenfalls dafür, an Preisänderungsvorbehalte geringere Transparenzanforderung hinsichtlich der Konkretisierung zu stellen als an Automatikklauseln. Demnach müssen Preisänderungsvorbehalte den Kunden lediglich in die Lage versetzen, „ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte zu erkennen sowie eine geltend gemachte Preisanpassung nachzuvollziehen und zumindest auf ihre Plausibilität zu überprüfen.“826 Der Anlass für eine Preisanpassung ist in einem Preisänderungsvorbehalten daher hinreichend konkretisiert, wenn die Preisänderungsbefugnis an die Veränderung der für die Preisberechnung maßgeblichen Kosten geknüpft wird. Es genügt dabei, wenn die den Anlass prägenden Kosten in einem prägnanten Überblick nach Art eines Leitfadens dem Verbraucher exemplarisch verdeutlicht werden,827 wobei der Gewerbetreibende sich auch auf betriebsinterne Faktoren beziehen darf. Es ist gerade keine abschließende Nennung aller Kostenfaktoren und ihres relativen Gewichts erforderlich. Folglich steht die rein rechnerische Möglichkeit einer über die Preisanpassung hinausgehenden Gewinnerzielung einer transparenten Fassung nicht entgegen. Eine exemplarische Auflistung wird auch der Vielzahl und

825

BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 34, 37. BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 35. 827 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 28, 39. 826

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Teil 2: Transparenzkontrolle

Komplexität der jeweiligen Parameter sowie der Änderungsanfälligkeit von diesen und ihres relativen Gewichts zum Gesamtpreis gerecht.

b) Wertsteigerungen der Leistung sowie dem Wertverfall der Gegenleistung Um der Wertsteigerungen der Leistung sowie dem Wertverfall der Gegenleistung gerecht zu werden, muss das Preisänderungsrecht an Marktpreis der Leistung oder einer gleichartigen Leistung bzw. an einen Index geknüpft werden. Der Preis kann sich dabei akzessorisch zur Veränderung dieser Bezugsgrößen verändern oder die Veränderung kann lediglich ein Preisänderungsrecht des Verwenders nach billigem Ermessen auslösen. Dabei muss die jeweilige Bezugsgröße, der Marktpreis für die Leistung oder ein vergleichbares Produkt oder ein bestimmter Index, so konkretisiert sein, dass sie in zumutbarer Weise in Erfahrung gebracht werden kann.

3. Konkretisierung des Modus Sowohl der EuGH als auch der BGH verlangen in ihrer Rechtsprechung, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien, folglich den Umfang der Preisanpassung, vorhersehen kann. Es ist demnach zu regeln, wie und wann sich die Veränderung einer Referenzgröße, die den Anlass für eine Preisänderung darstellt, auf die Preisanpassung auswirken wird. Im Rahmen von Automatikklauseln ist hierzu das Verhältnis der Referenzwerte zum Ausgangspreis hinreichend klar zu definieren. Es muss sich aus der Klausel ergeben, ob sich die Veränderung nominal oder prozentual auf den Ausgangspreis auswirkt. Bei Preisänderungsvorbehalten ist zunächst der Modus der Anpassung unter Bezugnahme auf das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten und einen Hinweis auf § 315 BGB ausdrücklich hervorzuheben, der Inhalt des § 315 BGB muss dabei nicht zusätzlich erläutert werden. Ferner ist, da die Anpassung im billigen Ermessen des Unternehmers steht, klar zu regeln, dass das Maß der sich verändernden Bezugsgröße die Obergrenze für den Preisanpassungsumfang bildet. Lediglich die Bezugnahme auf § 315 BGB genügt hierbei nicht. Die Statuierung einer Obergrenze in Form eines Geldbetrages oder Prozentsatzes ist dagegen entbehrlich. Die Einräumung eines Lösungsrechts für den Fall einer überhöhten Preisänderung wird den Interessen des Anpassungsberechtigten und des Vertragspartners besser gerecht. Während bei Automatikklauseln aufgrund der Automatismusfunktion der Zeitpunkt der Anpassung konkret bestimmt werden muss, ist dies bei Preisänderungsvorbehalten, mit Ausnahme für Senkungen der Bezugsgrößen, wie noch im Rahmen der Inhaltskontrolle zu zeigen sein wird, nicht erforderlich.

Kap. 5: Materielle Transparenz 

263

4. Abwicklungstransparenz Neben der Transparenz bei Vertragsschluss muss aber, sowohl nach der nationalen als auch der europäischen Judikatur, auch Transparenz bei Durchführung der Preisänderung gewährleistet werden. Der Verbraucher muss demnach vor Inkrafttreten der Preisanpassung über die Preisänderung und sein Lösungsrecht informiert werden. Um die Überprüfbarkeit der Preisänderung auf ihre Plausibilität zu unterstützen, ist eine Information des Kunden über die Grundlage für die Preisänderung unter Mitteilung des Ausgangswerts und des neues Wertes erforderlich. So kann er sehen, welche Faktoren sich in welchem Umfang verändert haben. Ferner kann eine solche Mitteilung als Grundlage für eine Billigkeitskontrolle nach § 315  Abs.  3  BGB herangezogen werden, an der sich der Verwender festhalten lassen muss.

5. Keine Kompensation der Abschlussintransparenz Die Abschlussintransparenz einer Preisänderungsklausel kann, wie oben erläutert, nicht durch die Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden, da ein solches selbst Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Preisänderungsklausel ist.

III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen Als Folge der Aufgabe der Leitbildrechtsprechung müssen nun auch Preisänderungsvorbehalte in Gas- und Stromlieferverträgen mit Sonderkunden dem § 307 Abs. 1 S. 2 BGB innewohnenden Bestimmtheitsgebot genügen. Aufgrund der Vielzahl der jeweiligen Kostenfaktoren und Änderungsanfälligkeit dieser und ihres Gewichts bildet eine automatische Kostenelementeklausel, die durch ihre Starrheit gekennzeichnet ist, keine sachgerechte Lösung für Preisänderungsklauseln in Gas- und Stromlieferungsverträgen. Der BGH hat in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015 eine praktikable Lösung für Preisänderungsvorbehalte in Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden entwickelt. Ausgehend von dieser und den oben genannten Anforderungen hält folgende Klausel einer Transparenzkontrolle Stand: „Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrags zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z. B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaft-

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Teil 2: Transparenzkontrolle

lichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z. B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG). Steigerungen bei einer Kostenart, z. B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt.“ Zudem ist der Preisänderungsvorbehalt nach den oben aufgestellten Anforderungen an die Abwicklungstransparenz lediglich um eine Erklärung zu ergänzen, die den Anpassungsberechtigten dazu verpflichtet, im Fall der Preissteigerung die Kostenänderung nach Art und Höhe darzulegen sowie über das Recht des Kunden, den Vertrag zu kündigen, zu belehren. Ferner könnte eine separate Klausel, die jedoch in räumlicher Nähe zu der oben Genannten steht, eine Regelung hinsichtlich der mit der Belieferung oder Verteilung von Energie verbundener Kostensteigerungen durch zusätzliche Steuern oder Abgaben enthalten. Diese könnte wie folgt lauten: „Wird die Belieferung oder die Verteilung von elektrischer Energie mit zusätzlichen Steuern oder Abgaben belegt, kann der Lieferant hieraus entstehende Mehrkosten an den Kunden weiterberechnen.“

Teil 3

Inhaltskontrolle Kapitel 6

Grundlagen A. Europarechtliche Vorgaben In dem Vorlageverfahren Sebestyén stellte der EuGH fest, dass die Transparenz einer Klausel deren Missbräuchlichkeit nicht allein aufgrund dieses Umstandes ausschließe.1 Vielmehr muss diese auch der Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL standhalten. Art. 3 Abs. 1 RL bildet das Herzstück der Klauselrichtlinie. Die Richtlinie regelt in Art. 3 Abs. 1 RL den Missbräuchlichkeitsmaßstab, der in Form einer Generalklausel umschrieben ist. Danach ist eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Art. 4 Abs. 1 RL normiert die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel zu berücksichtigenden Kriterien. Der Missbräuchlichkeitsmaßstab wird gemäß Art. 3 Abs. 3 RL durch den Anhang der Klauselrichtlinie konkretisiert und illustriert, der eine widerlegungsbedürftige Regelvermutungen für die Missbräuchlichkeit von ausgewählten Klausel statuiert.2 Diese Normen gilt es europäisch-autonom auszulegen. Wichtige Hinweise zum Verständnis geben dabei die Erwägungsgründe Nr. 15 bis 19 der Richtlinie. Hat sich der EuGH bezüglich der Auslegung dieser Normen seit der Entscheidung Freiburger Kommunalbauten zurückhaltend verhalten, so nimmt er nun seine Aufgabe ernster.3 Er hat die beiden Kriterien des Art. 3 Abs. 1 RL in dem Vorlageverfahren Aziz definiert. Mag man diese Ausführungen auch als Leerformeln betrachten,4 so hat der Gerichtshof doch immerhin in den Fällen Aziz und Constructora Principado anhand einer konkreten Beurteilung der streitgegenständlichen Klauseln auf ihre Missbräuchlichkeit Kriterien vorgegeben, die die nationalen Gerichte bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen. Aus der Zusammenschau dieser 1

EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kövàri u. a.), ECLI:EU:C: 2014:1857, Rn. 34. 2 Vgl. 1. Teil Kapitel 2 B. 3 Vgl. 1. Teil Kapitel 1 B. II., III. 4 In diese Richtung MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 48.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Kriterien lassen sich, wie zu zeigen sein wird, allgemein zu beachtende Eckpunkte für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel herausarbeiten. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und den Vorgaben der Klauselrichtlinie werden im Folgenden die allgemeinen Grundlagen der europäischen Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL unter Betrachtung des Umfangs (I.) und Maßstabs  (II.) dieser Kontrolle erörtert. Anschließend werden die daraus folgenden Schlussfolgerungen für die gemeinschaftsrechtliche Kontrolle von Preisänderungsklauseln zusammengefasst (III.). Sofern dabei Überschneidungen mit bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erörterten Aspekten bestehen, weil das Transparenzgebot eine separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit darstellt, wird auf die Ausführungen im Rahmen Transparenzkontrolle5 verwiesen. I. Umfang der Inhaltkontrolle Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ist enger als der der Transparenzkontrolle. Grundsätzlich unterliegen Vertragsklauseln, die nicht im Einzelnen ausgehandelt sind, der Inhaltskontrolle. Die Richtlinie sieht allerdings in Art 1 Abs. 2 RL sowie in Art. 4 Abs. 2 RL ausdrücklich zwei Arten von Klauseln vor, die von der Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL ausgenommen sind. 1. Deklaratorische Klauseln Wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert,6 unterliegen Klauseln, die auf bindenden, d. h. sowohl zwingenden als auch dispositiven Rechtsvorschriften basieren, gemäß Art. 1 Abs. 2 RL nicht der Inhaltskontrolle.7 Folglich werden nur von Rechtsvorschriften abweichende und gesetzesergänzende Vertragsklauseln von der Missbräuchlichkeitskontrolle erfasst. Klauseln, die den Inhalt einer Norm inhaltlich, jedoch nicht wörtlich wiedergeben, sind allerdings nur dann von dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausgeschlossen, sofern sie in hinreichend transparenter Weise mit der nationalen Rechtsnorm übereinstimmen.8 Des Weiteren findet, wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle festgestellt worden ist,9 Art. 1 Abs. 2 RL unstreitig keine Anwendung, sofern eine Klausel eine nationale Rechtsvorschrift durch Verweis auf einen Adressatenkreis über 5

Vgl. 2. Teil. Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. II. 1. b). 7 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 26; EuGH v. 10.09.2014, Rs. C-34/13 (Kušionová/SMART Capial), ECLI:EU:C:2014:2189, Rn. 79; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 1 RL Rn. 20; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 97. 8 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 1 RL Rn. 35; Armbrüster, in Collins (Hrsg.), Standard Contract Terms in Europe, 163,171. 9 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. II. 1. a). 6

Kap. 6: Grundlagen

267

trägt, für den diese Rechtsvorschrift de lege lata grundsätzlich keine Geltung beansprucht. In diesem Fall beruht die Klauselbestimmung gerade nicht auf einer „bindenden“ Rechtsvorschrift. Preisänderungsklauseln, die Normen auf andere Adressaten per Verweis übertragen, sind daher nicht von der Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL ausgeschlossen. 2. Hauptleistungs- und Preisbestimmungsklauseln Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrages oder die Angemessenheit zwischen dem Preis und der Gegenleistung betreffen, unterliegen gemäß Art. 4 Abs. 2 RL ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle, sofern sie klar und verständlich sind. Klauseln, die den Hauptgegenstand betreffen, sind laut EuGH solche, die „unter Berücksichtigung der Natur, der Systematik und der Bestimmung des [V]ertrages sowie seines rechtlichen und tatsächlichen Kontextes“ die Hauptleistung festlegen oder als solche charakterisieren. Davon abzugrenzen sind Klauseln, die lediglich einen „akzessorischen Charakter“ gegenüber dem Hauptgegenstand haben.10 Vertragsbestimmungen, die die Angemessenheit zwischen dem Preis und der Gegenleistung betreffen, sind ausschließlich solche, die das Preis-/Leistungsverhältnis bestimmen.11 Die Kontrollfreiheit von transparenten Hauptleistungs- und Preisbestimmungsklauseln wird auch nicht durch Erwägungsgrund Nr. 19 der Präambel widerlegt, der anführt, dass der Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/ Leistungsverhältnis trotz ihrer Kontrollfreiheit bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden können. Diese Formulierung bezieht sich nur auf die Frage nach der Zulässigkeit des sog. Preisarguments bei der Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL.12 Folglich unterliegen die essentialia negotii nicht der Inhaltskontrolle, sofern sie klar und verständlich formuliert worden sind. Sofern diese von der Inhaltskontrolle ausgenommenen Klauseln intransparent gemäß Art. 4 Abs. 2 RL sind, entfällt ihre Privilegierung, so dass die Inhaltskontrolle eröffnet ist. Dies lässt sich damit begründen, dass eine Selbstregulierung des Marktes durch den vorherrschenden Preis- und Leistungswettbewerb ausscheidet, wenn der Verbraucher aufgrund intransparenter Gestaltung der Hauptleistungsoder Preisbestimmungsklauseln nicht in der Lage ist, die vorhandenen Angebote miteinander zu vergleichen, um eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.13 Da eine intransparente Klausel aber automatisch zu einem informationellen Missver 10

EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn.  49  ff.; EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 54 EuGH v. 23.04.2015, Rs. C-96/14 (Van Hove/CNP Assurances), ECLI:EU:C:2015:262, Rn. 36. 11 EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 52. 12 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 23. 13 Kapnopoulou, Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 138; Langheid, NVersZ 2000, 63, 65.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

hältnis zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher führt, das einen unangemessenen Informationsnachteil für den Verbraucher im Rahmen der Privatautonomie begründet,14 entspricht die Rechtsfolge des Art. 4 Abs. 2 RL der des Art. 5 RL. Die Klausel ist unverbindlich, während der übrige Vertrag aufrechterhalten bleibt.15 Eine darüber hinausgehende Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit ist mangels eines rechtlichen Kontrollmaßstabs nicht vorgesehen.16 Preisanpassungsklauseln enthalten lediglich „einen Mechanismus für die Änderung der Kosten der dem Verbraucher zu erbringenden Dienstleistung“17. Sie betreffen gerade nicht das Preis-/Leistungsverhältnis. Vielmehr stehen sie in Akzessorietät zum vereinbarten Preis. Voraussetzungen für ein einseitiges Preisänderungsrecht des Verwenders finden sich in Nr. 1 lit. j und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der RL, die bei einer Zuordnung von Preisanpassungsklauseln unter Art. 4 Abs. 2 RL ihre praktische Wirkung einbüßen würden.18 Folglich unterliegen Preisanpassungsklauseln unabhängig von ihrer Transparenz vollumfänglich der Inhaltskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL. II. Missbräuchlichkeitsmaßstab Eine Klausel ist i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL missbräuchlich, wenn sie „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“ Da Art. 3 Abs. 1 RL diese Missbräuchlichkeitskriterien nur abstrakt definiert,19 sind diese unter Heranziehung der Rechtsprechung des EuGH sowie der in der Richtlinie selbst enthaltenen Konkretisierungselemente europäisch-autonom auszulegen.

14

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. I. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 Rn. 37; Langheid, VersR 2015, 1071, 1072 fordert dagegen eine explizite Prüfung der Unangemessenheit. 16 EuGH v. 30.4.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 55. 17 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 23. 18 EuGH v. 26.02.2015, Rs. C-143/13 (Matei/SC Volksbank România), ECLI:EU:C:2015:127, Rn. 59 f., 62 f.; ähnlich argumentiert auch GA Trstenjak, Schlussanträge vom 06.12.2011, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 79 die auch wegen der Tragweite der Regelung und ihrer Folgen von einer Inhaltskontrolle ausgeht; vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. II. 19 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn.  19; EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 37. 15

Kap. 6: Grundlagen

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1. Verhältnis von Missverhältnis und Gebot von Treu und Glauben Art. 3 Abs. 1 RL statuierten zwei zentrale Faktoren, die für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel maßgeblich sind: Das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zum Nachteil des Vertragspartners und den Verstoß gegen Treu und Glauben.20 Bei der Auslegung der Vorschrift stellt sich die Frage, ob diese Kriterien kumulativ oder alternativ für die Feststellung der Missbräuchlichkeit vorliegen müssen.21 Während das Gebot von Treu und Glauben im ursprünglichen Vorschlag als alternatives Kriterium der Missbräuchlichkeit diente22 und im geänderten Vorschlag der Kommission als eigenständiges Missbräuchlichkeitskriterium völlig gestrichen wurden,23 ist nach dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 RL ein kumulatives Vorliegen beider Kriterien erforderlich.24 Das vorliegende Missverhältnis muss zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben führen. Dagegen nimmt Tenreiro an, dass ein erhebliches Missverhältnis stets einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründet.25 Das Gebot von Treu und Glauben sei nicht in allen Mitgliedsstaaten anerkannt. Die Aufnahme dieses Gebots lasse sich lediglich damit erklären, dass in einigen Mitgliedsstaaten eine umfassende Rechtsprechung zum Gebot von Treu und Glauben bereits existiere.26 Dafür spricht auch, dass der Erheblichkeit eines Ungleichgewichts in

20

Ebers, in Schulte-Nölke u. a. (Hrgs.), EC Consumer Law Compendium, 341, 385; Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 113; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 232. 21 Ausführliche Diskussion bei Nebbia, Unfair contract terms in European Law, 143 ff.; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 113 ff.; Tenreiro, ERPL 1995, 273, 279. 22 Vorschlag der Kommission, KOM (90) 322 endg. – SYN 285 v. 03.09.1990, Art. 2 Abs. 1: „Eine Vertragsklausel ist mißbräuchlich, wenn sie selbst oder in Verbindung mit einer anderen Klausel oder anderen Klauseln desselben Vertrags oder eines anderen Vertrags, von dem sie mit Wissen der Person oder der Personen, die den erstgenannten Vertrag mit dem Verbraucher abschließt bzw. abschließen, abhängt, zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht; oder die Erfüllung des Vertrags für den Verbraucher unbillige Nachtelle mit sich bringt; oder dadurch die Erfüllung des Vertrags erheblich von dem, was der Verbraucher berechtigterweise erwarten kann, abweicht; oder sie mit den Geboten von Treu und Glauben unvereinbar ist.“ 23 Geänderter Vorschlag, KOM (92) 66 endg. – SYN 285, ABl. Nr. C 73 v. 24.03.1992, Art. 3 Abs. 1: „Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehadelt wurde, ist als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie selbst oder in Verbindung mit einer anderen Klausel desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, vom dem sie abhängt, entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht oder zu einer Art der Vertragserfüllung führt, die erheblich von dem, was der Verbraucher berechtigterweise erwarten kann, abweicht.“ 24 van Gool, Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 182. 25 Tenreiro, ERPL 1995, 273, 279. 26 Tenreiro, ERPL 1995, 273, 276 f.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

der Regel eine Treuwidrigkeit immanent ist.27 Eine gewisse Deckungsgleichheit der Begriffe ist insofern auch nicht von der Hand zu weisen, als nur 15 Mitgliedstaaten eine dem Gebot von Treu und Glauben entsprechende Formulierung enthalten, was die Europäische Kommission bisher nicht beanstandet hat.28 Allerdings kann die Voraussetzung der „Erheblichkeit“ auf der anderen Seite nach dem Grundsatz minima non curat praetor auch lediglich der Abgrenzung zu unerheblichen Verschiebungen des Gleichgewichts dienen.29 Dagegen kommt dem Erfordernis der „fehlenden Rechtfertigung“, das nur in der deutschen Fassung zusätzlich neben dem „Verstoß gegen Treu und Glauben“ gefordert wird, keine eigenständige Bedeutung zu. Die Beurteilung einer Regelung hinsichtlich ihrer Rechtfertigung erfolgt vielmehr innerhalb der Prüfung des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Jede treuwidrige Klausel ist zugleich ungerechtfertigt. Ein zusätzliches Maß an Rechtfertigung ist nicht erforderlich. Dem Merkmal „ungerechtfertigt“ kommt lediglich insofern eine mögliche „Restbedeutung“ zu, als es neben dem Merkmal der „Erheblichkeit“ zur Auslegung von Treu und Glauben beiträgt.30 Dem Gebot von Treu und Glauben wohnt jedoch nicht nur das Maß einer gewissen Erheblichkeit des Ungleichgewichts sowie das Prinzip der fehlenden Rechtfertigung inne. Es dient vielmehr dazu, das festgestellte Missverhältnis einer globalen Bewertung unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien zu unterziehen, wie Erwägungsgrund Nr. 16 S. 1 untermauert. Danach müsse die Beurteilung der Missbräuchlichkeit durch die Möglichkeit der globalen Bewertung der Interessenlagen der ergänzt werden. Diese stelle das Gebot von Treu und Glauben dar.31 Entgegen des Wortlauts erfolgt die Feststellung des Missverhältnisses nämlich, ohne dass ein Unwerturteil gefällt werden muss. Darauf deuten auch die französische und die englische Fassung hin, die lediglich ein „Ungleichgewicht“ fordern.32 Folglich wird auf der ersten Stufe bei der Feststellung des Missverhältnisses ein konkretes Paar

27 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl., Art. 3 RL Rn. 9; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 236; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 129 f. 28 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 88; Ebers, LMK 2013, 345483; nach DCFR, II.-9:403, Notes IV. 8 enthalten nur 15 Mitgliedsstaaten eine dem Gebot von Treu und Glauben entsprechende Formulierung; Ebers, in Schulte-Nölke u. a. (Hrgs.), EC Consumer Law Compendium, 341, 385 ff.; Micklitz/Reich, CMLR 2014, 771, 785 berichten, dass die kumulative Verwendung im Gesetzgebungsverfahren den Kompromiss zwischen den für Treu und Glauben plädierenden Frankreich und Deutschland und dem sich für das erhebliche Missverhältnis aussprechenden England andererseits herbeiführen sollte. 29 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 Rn. 60. 30 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 Rn. 62; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 129. 31 Unter „Missbräuchlichkeit“ ist hier das „Missverhältnis“ gedacht, das Zwischenergebnis für die Prüfung der Missbräuchlichkeit ist. 32 Die englische Fassung spricht von imbalance, die französische von déséquilibre; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 52; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 233.

Kap. 6: Grundlagen

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von Rechten und Pflichten in Hinblick auf ein Ungleichgewicht frei von äußeren Wertungen untersucht, während auf der zweiten Stufe dieses Missverhältnis nach dem Gebot von Treu und Glauben einer mit Blick auf das gesamte Vertragsverhältnis zur Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer globalen Interessenabwägung unterzogen wird.33 Dies bestätigte auch der EuGH in der Rechtssache Aziz. Er sprach das Verhältnis zwischen den beiden Prüfungskriterien zwar nicht ausdrücklich an. Allerdings beschäftigte er sich mit der Frage, unter welchen Umständen ein Missverhältnis „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben“ verursacht werde. Er prüft zunächst, ob ein „erhebliches Missverhältnis“ vorliegt, für das das Maß der Abweichung vom dispositiven Recht maßgeblich ist. Einen Verstoß eines solchen Missverhältnisses gegen Treu und Glauben beurteilt er weiter danach, „ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt.“34 Erst ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann das Unwerturteil über eine Klausel festmachen.35 Dem Gebot von Treu und Glauben kommt damit die Funktion der Bewertung und Kontrolle zu.36 Daneben bildet das Prinzip von Treu und Glauben aber zwangsläufig auch den Maßstab für die Feststellung des Missverhältnisses, da hier bereits eine Gewichtung der Rechte und Pflichten zur Feststellung eines Ungleichgewichts erfolgen muss.37 Da das Erfordernis der Erheblichkeit einen wichtigen Faktor für die Treuwidrigkeit einer Klausel darstellt, besteht bei der abschließenden Würdigung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ein fließender Übergang zwischen diesen beiden Prüfungskriterien, deren Zusammenwirken im Rahmen einer Gesamtwürdigung erst die Missbräuchlichkeit einer Klausel i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL ergibt.38

33 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 127; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 238; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 64; Riesenhuber, System und Prinzipien, 437. 34 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 69; vgl. dazu Ebers, LMK 2013, 345483; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 88. 35 Willet, ERPL 1997, 223, 232; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 118; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 52; GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 73. 36 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 113 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 64; Riesenhuber, System und Prinzipien, 438; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 238. 37 So auch Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 118. 38 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 88.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

2. Prüfungskriterien Art. 3 Abs. 1 RL enthält damit zwei unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer Konkretisierung bedürfen. Daneben gilt es bei der Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel die in Art. 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien sowie den Anhang der Richtlinie zu beachten.39 a) Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten zum Nachteil des Verbrauchers Die Richtlinie erfordert ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten des Vertragspartners zum Nachteil des Verbrauchers. Zur Feststellung eines Missverhältnisses zwischen den Rechte und Pflichten der Vertragspartner ist es erforderlich, die Rechtsstellung des Unternehmers und die des Verbrauchers ins Verhältnis zueinander zu stellen und zu vergleichen. Vergleichsgegenstand bilden dabei Rechte und Pflichten der Parteien aller Art, wobei auf den jeweiligen Belastungs- oder Begünstigungswirkung abzustellen ist.40 Der Vergleich eines Rechts mit der dazu korrespondierenden Pflicht ist dagegen nicht vorzunehmen, da so nur die Belastungen durch diese eine Verpflichtung gemessen werden kann, ohne dass ein Vergleich erfolgt.41 Für die Bejahung eines formellen Ungleichgewichts ist lediglich die Divergenz der vertraglichen Rechte oder Pflichten in Hinblick auf ein und dieselbe Frage maßgeblich. Eine einseitige Berechtigung des Gewerbetreibenden oder einseitige Verpflichtung des Verbrauchers begründet hierbei stets ein formelles Ungleichgewicht.42 Neben diesem formellen Ungleichgewicht, muss jedoch ein materielles Ungleichgewicht vorliegen. Die formale Ausgeglichenheit der Rechte und Pflichten führt nicht immer zur Wirksamkeit einer Klausel. Ebenso ist nicht jede Ausbedingung eines einseitigen Rechts für den Gewerbetreibenden missbräuchlich, etwa wenn dem Verbraucher ein korrespondierendes Gegenrecht zusteht oder ein sachlicher Grund besteht. Vielmehr müssen die Interessen der Parteien gegeneinander abgewogen werden. Ein Missverhältnis kann sich ergeben, wenn die Interessen des Verbrauchers unrichtig oder unzureichend berücksichtigt worden sind. Dieses kann zum einen durch ein informationelles Missverhältnis begründet werden, wenn eine Informationsasymmetrie zwischen den Parteien bestehen.43 Daneben kann aber

39 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 70. 40 Röthel in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 32. 41 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 51. 42 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 128; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 53. 43 Vgl. die Ausführungen dazu im Rahmen der Transparenzkontrolle, 2. Teil Kapitel 3 A. I. 3.

Kap. 6: Grundlagen

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auch ein vertraglich-inhaltliches Missverhältnis vorliegen.44 Zur Beurteilung eines solchen bedarf es eines Vergleichsmaßstabs. aa) Dispositives, nationales Recht als Vergleichsmaßstab Bereits in dem Vorlageverfahren Freiburger Kommunalbauten hat der EuGH herausgestellt, dass die Beurteilung der Missbräuchlichkeit nach den Kriterien des Art. 4 RL eine Prüfung des nationalen Rechts impliziere.45 In der Entscheidung Aziz, in der ein spanisches Gericht nach den Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit dreier konkreter Klauseln in einem Hypothekendarlehensvertrag gefragt hatte, konkretisierte der EuGH diese Aussage in Hinblick auf das Kriterium eines „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“. Demnach seien bei der Beurteilung eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu Lasten des Verbrauchers, „insbesondere diejenigen Vorschriften zu berücksichtigen, die im nationalen Recht anwendbar sind, wenn die Parteien in diesem Punkt keine Vereinbarung getroffen haben. Anhand einer solchen vergleichenden Betrachtung kann das nationale Gericht bewerten ob – und gegebenenfalls inwieweit – der Vertrag für den Verbraucher eine weniger günstige Rechtlage schaffe, als sie das geltende nationale Recht vorsieht.“46 Dem dispositiven nationalen Recht kommt damit richtigerweise eine Leitbildfunktion zu.47 Erst durch einen Vergleich der Situation des Verbrauchers infolge der Klauselregelung mit der, die ohne die betreffende Vertragsklausel gelten würde, ist die Feststellung eines Ungleichgewichts möglich. Eine Klausel kann nicht ohne Berücksichtigung eines rechtlichen Maßstabs für missbräuchlich erklärt werden. Solange aber keine vereinheitlichte Zivilrechtsordnung als rechtlicher Vergleichsmaßstab auf der Ebene der europäischen Gemeinschaft existiert, wird sich dieser im Regelfall aus dem im Einzelfall anwendbaren nationalen dispositiven Recht ergeben. Der EuGH geht grundsätzlich davon aus, dass die durch den Gesetzgeber 44

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn 58 f. EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn. 22; Bestätigung in EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 59. 46 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 68 unter Bezugnahme auf GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 71; dazu Ebers, LMK 2013, 345483, Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 323; Bestätigung in: EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn.  21; EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kővári u. a.), ECLI:EU:C:2014:1857, Rn. 27. 47 So auch Ebers, LMK 2013, 345483; Micklitz in Reich/Micklitz/Rott/Tonner (Hrsg.), Consumer Law, 127, 152 Rn.  3.21 a; so bereits Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  3 Rn.  55; Riesenhuber, System und Prinzipien, 437; MüKo/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 48. 45

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Teil 3: Inhaltskontrolle

erlassenen Vorschriften auf einer angemessenen Interessenabwägung beruhen.48 Dafür spricht auch Art. 1 Abs. 2 RL der Klauseln von dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausschließt, die auf bindenden Normen beruhen.49 Dieser Blick auf das nationale Recht widerspricht auch nicht dem europäisch-autonomen Verständnis des Missbräuchlichkeitsbegriffs der Klauselrichtlinie, sondern dient lediglich dazu, die Vor- und Nachteile einer Klausel vor dem Hintergrund eines Regelungsgehalts des nationalen Rechts zu beurteilen. Zudem legt der Gerichtshof der Be­ urteilung des Verstoßes gegen Treu und Glauben wiederrum, wie zu zeigen sein wird, einen unionsrechtlichen Maßstab zugrunde. Die Missbräuchlichkeit ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken beider Kriterien. Darüber hinaus darf, entgegen der Definition des EuGH, auch das unmittelbar geltende, bisher vereinheitlichte Gemeinschaftsrecht, der acquis communautaire, insofern nicht völlig unberücksichtigt gelassen werden, als es den rechtlichen Maßstab für das nationale dispositive Recht bildet.50 Es kann folglich auch als Träger bestimmter Rechtsprinzipien und Grundwertungen herangezogen werden.51 So zog der EuGH in dem Vorlageverfahren Verein für Konsumenteninformation Art.  6  Abs.  2  Rom-I-VO zur Beurteilung einer Rechtswahlklausel heran.52 Insbesondere der Richtlinienanhang ist dabei dem dispositiven Recht gleichzustellen.53 Dies belegt auch die Judikatur des EuGH. Der EuGH nimmt bei der Be­urteilung der streitgegenständlichen Klauseln regelmäßig auf den Anhang Bezug, sofern sich aus ihm Regeln ergeben.54 Existiert eine dispositive Regelung dagegen nicht, ist ein Vergleich mit Blick auf eine dem Vertragszweck entsprechende Interessenverteilung vorzunehmen.55 48 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566, Rn. 47; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 28 mit Bezug auf Erwägungsgrund Nr.  13. 49 So auch Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Euro­ päischen Privatrecht, 248; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 89. 50 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 89. 51 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 55; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 262 ff.; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 26; Riesenhuber, System und Prinzipien im Europäischen Vertragsrecht, 445; vgl. in 1. Teil Kapitel 1 B. II. 1. b) die gegen die Entscheidung in Freiburger Kommunalbauten vorgebrachten Argumente. 52 EuGH v. 28.07.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:612, Rn. 71 in Übereinstimmung mit GA Saugmansgaard Øe, Schlussanträge v. 02.06.2016, Rs. C-191/15 (Verein für Konsumenteninformation/Amanzon EU), ECLI:EU:C: 2016:388, Rn. 102. 53 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 122; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 443 vergleicht den Anhang mit „Soll-Vorschriften“; vgl. 1. Teil Kapitel 2 B. sowie unten 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. c). 54 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 74, 75: Im Rahmen der Festlegung der Verzugszinsen ging er auf Nr. 1 lit. e des Anhangs ein, im Rahmen der Klausel zum Hypothekenvollstreckungsverfahren auf Nr. 1 lit. q des Anhangs. 55 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 445.

Kap. 6: Grundlagen

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bb) Hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung des Verbrauchers In der Entscheidung Constructora Principado konkretisierte der EuGH das Kriterium eines „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“ zutreffend dahingehend weiter, dass sich die Frage, ob ein „erhebliches Missverhältnis vorliegt nicht auf eine quantitative wirtschaftliche Bewertung beschränk[t], die auf einem Vergleich zwischen dem Gesamtbetrag des vertragsgegenständlichen Rechtsgeschäfts und den dem Verbraucher durch die Klausel auferlegten Kosten beruht.“56 Ein erhebliches Missverhältnis könne sich vielmehr „allein aus einer hinreichend schwerwiegenden Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung ergeben, die der Verbraucher als Partei des betreffenden Vertrages nach den nationalen Vorschriften innehat.“ Eine derartige Beeinträchtigung könne sowohl in Gestalt einer „inhaltlichen Beschränkungen der Rechte“, die der Verbraucher nach den nationalen Vorschriften aus dem Vertrag herleitet, als auch durch „Beeinträchtigung der Ausübung dieser Rechte oder der Auferlegung einer zusätzlichen, nach den nationalen Vorschriften nicht vorgesehenen Verpflichtung“ auftreten.57 Gegenstand des Verfahrens war eine Klausel, die eine kommunale Wertzuwachssteuer sowie Gebühren für den Anschluss an die Versorgungsnetze auf den Käufer der Wohnung übertrug. Der EuGH monierte zum einen die Abwälzung der kommunalen Wertzuwachssteuer auf den Käufer, die im Verhältnis zum Veräußerungsgewinn des Verkäufers bestimmt wird. Dadurch profitiere lediglich der Verkäufer von dem Verkauf, während der Käufer dazu verpflichtet werde, neben dem Kaufpreis eine Steuer zu entrichten, obwohl er keinerlei Bezug zum Veräußerungsgewinn des Unternehmers habe. Ebenso ist nach dem Gerichtshof zu berücksichtigen, ob dem Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Höhe der Steuer bekannt war.58 Der EuGH gab dem vorlegenden Gericht anschließend eine diese Punkte zusammenfassende detaillierte Prüfungsreihenfolge an die Hand.59 56 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 22. 57 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 23. 58 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 26. 59 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 27: „Das vorlegende Gericht wird zunächst zu prüfen haben, ob in Anbetracht des spanischen innerstaatlichen Rechts der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits der in der vorstehenden Randnummer geschilderten Situation entspricht. Anschließend wird es zu prüfen haben, ob die Klausel 13 des Vertrags, soweit sie dem Verbraucher eine zusätzliche, nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehene Verpflichtung auferlegt, eine hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung begründet, die der Verbraucher als Partei des betreffenden Vertrags nach den anwendbaren nationalen Vorschriften innehat. Gegebenenfalls wird es schließlich zu prüfen haben, ob die Information, die der Verbraucher vor Vertragsschluss erhalten hat, den Anforderungen genügt, die sich aus Art. 5 der Richtlinie ergeben.“

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Teil 3: Inhaltskontrolle

In Hinblick auf die Beurteilung des zweiten Teil der Klausel, der die Kosten für den Anschluss an verschiedene Versorgungsnetze, wie Wasserleitung, Gas, Elektrizität und Kanalisation auf den Verbraucher übertrug, stellte der Gerichtshof fest, dass nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften der Verkäufer dazu verpflichtet sei, „eine Wohnung zu liefern, die ihrem Bestimmungszweck entspricht, d. h. in bewohnbarem Zustand“ sei.60 Zwar ist dies naheliegend, eine solche entsprechende Regelung war jedoch nicht in den Vorschriften des zitierten spanischen Rechts enthalten. Dies spricht zum einen dafür, dass der EuGH dispositives, nationales Recht bei der Beurteilung einer Klausel heranziehen kann. Sofern es sich um Recht handelt, das in weiteren Mitgliedsstaaten zur Anwendung kommt, kann sich auf diese Weise ein unionsautonomer Maßstab herausbilden.61 Eine solche nationale Regelung könnte jedoch auch aus der überschießenden Umsetzung der Art. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie62 hergeleitet werden, der die Vertragsmäßigkeit ausführlich definiert. Nach Erwägungsgrund Nr. 7 der Verbrauchergüterkaufrichtlinie ist der Grundsatz der Vertragsmäßigkeit „ein gemeinsames Element der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtstraditionen“.63 Das bereits vereinheitlichte Unionsprivatrecht stellt damit ebenfalls ein Regelungsregime für das nationale Recht dar und kann als Vergleichsmaßstab herangezogen werden.64 Die Beurteilung der Frage, inwiefern die Abweichung von der gesetzlichen Verpflichtung des Gewerbetreibenden eine hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung begründet, überließ der EuGH jedoch den nationalen Gerichten. Zusammenfassend ergibt sich aus der Entscheidung Constructora Principado, dass für das Vorliegen eines erheblichen Missverhältnisses nicht zwingend erforderlich ist, dass die Kosten, die dem Verbraucher durch eine Klausel auferlegt werden, für diesen gemessen an dem Betrag des betreffenden Rechtsgeschäfts eine erhebliche wirtschaftliche Auswirkung haben. Es genügt bereits jede Verkürzung der Rechte und Ausweitung der Verpflichtungen des Verbrauchers zugunsten des Gewerbetreibenden entgegen des dispositiven Rechts, ohne dass dafür ein sachlicher Grund besteht.65 Dies ist, wie Stempel zutreffend die Bewertung in der Rechtssache Constructora Principado zusammenfasst, insbesondere der Fall, sofern Kosten oder Aufgaben auf den Verbraucher übertragen werden, die in der Risikosphäre des Gewerbetreibenden liegen oder sich gar ihre Höhe nach einen dem Unternehmer entstandenen Vorteil bestimmt, von dem der Verbraucher nicht

60 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 28. 61 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 144. 62 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. Nr. L 171 v. 07.07.1999, 12). 63 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 144. 64 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 144. 65 So bereits Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 56; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444.

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profitiert.66 Umgekehrt ist ein Missverhältnis zu Lasten des Verbrauchers zu verneinen, sofern die Klauseln im Vergleich zu den dispositiven Vorschriften dagegen eine günstigere Lösung vorsehen.67 cc) Berücksichtigung von materiell-rechtlichen und prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten Darüber hinaus forderte der EuGH in Aziz, dass die Beurteilung des erheblichen Missverhältnisses „vor dem Hintergrund der Mittel, die das nationale Recht dem Verbraucher zur Verfügung stellt, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen“, erfolgen solle.68 Diese Formulierung könnte so verstanden werden, dass eine Abweichung vom dispositiven Recht dann zulässig sei, sofern das nationale Verfahrensrecht die Verwendung von missbräuchlichen Klauseln gegenüber Verbrauchern besonders effektiv sanktioniere.69 Dieses Beurteilungskriterium erscheint fraglich, als es keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel hat, sondern sich vielmehr auf das im Rahmen von Art.  7  Abs.  1  RL zu beurteilende Rechtsschutz- und Effektivitätsgebot bezieht.70 Eine allgemeine Berücksichtigung von Rechtsdurchsetzungsmöglich­keiten zur Kompensation einer missbräuchlichen Klausel ist insbesondere mit dem Ziel der Richtlinie nicht zu vereinbaren, missbräuchliche Klauseln aus dem Wirtschaftsverkehr zu eliminieren.71 Dieses Ziel lässt sich gerade nicht ausschließlich durch die Möglichkeiten des Prozessrechts erreichen, zumal es an einem vereinheitlichten Verfahrensrecht fehlt. Daher ist dieses Beurteilungskriterium vielmehr dahingehend zu verstehen, dass nicht lediglich die Abweichung von einer dispositiven Regelung des nationalen Recht entscheidungserheblich ist, sondern vielmehr das gesamte nationale Recht. Es ist zu berücksichtigen, ob das nationale Recht dem Verbraucher materiell-rechtliche und prozessuale Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, um die etwaigen negativen Folgen der Klausel zu beseitigen. Dies leuchtet insbesondere bei der Beurteilung einseitiger Rechte des Unternehmers ein. Es ist zu untersuchen, ob ein korrespondierendes Gegenrecht des Verbrauchers gegenüber dem einseitigen

66

Stempel, ZEuP 2017, 102, 124. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 59. 68 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  68; Bestätigung in EuGH v. 14.11.2013 Rs. C-537/12 und C-116/13 (Banco Popular Español/Maria Teodolinda Rivas Quichimbo und Wilmar Edgar Cun Pérez) sowie (Banco de Valencia/Joaquín Valldeperas Tortosa und María Ángeles Miret Jaume), ECLI:EU:C:2013:759, Rn. 65. 69 So Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 146; derselbe, ZEuP 2017, 102, 112. 70 Ebers, LMK 2013, 345483. 71 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 136. 67

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Gestaltungsrecht des Unternehmers besteht.72 Dagegen ist die Effektivität dieses Gegenrechts erst im Rahmen der Beurteilung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben auf zweiter Stufe zu erörtern. Insbesondere darf dem Verbraucher nicht das Risiko einer für ihn nicht abschätzbaren Prozessführung und das damit verbundene Kostenrisiko aufgebürdet werden. Zudem darf die Angemessenheit des Gestaltungsrechts, vor allem seine formale Ausgestaltung und die mit ihm verbundenen Folgen, nicht unberücksichtigt gelassen werden. dd) Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln In Bezug auf Preisänderungsklauseln folgt aus dem oben Gesagten, dass solche Klauseln dann ein erhebliches Missverhältnis zu Lasten des Verbrauchers bewirken, wenn sie in einer für den Verbraucher nachteilhaften Weise von den Regelungen des nationalen dispositiven Rechts abweichen. Da dem Unternehmer ein einseitiges Recht zukommt, das dem Verbraucher nicht zusteht, kann ein formelles Ungleichgewicht grundsätzlich bejaht werden. Allerdings erkennt der Gesetzgeber und der EuGH ein berechtigtes Anpassungsinteresse des Gewerbetreibenden an der Verwendung von Preisänderungsklauseln an, wie die Regelungen des Nr. 1 lit. j, l, Nr. 2 b und d des Anhangs73 sowie Regelungen aus anderen sektorspezifischen Richtlinien belegen.74 Folglich sind Preisänderungsklauseln nicht schlechthin missbräuchlich sind. Vielmehr kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Es ist eine materielle Gleichheit der Rechte und Pflichten erforderlich. Wie es die Klauselverbote der Nr. 1 lit. c, d, f, und o des Anhangs fordern, muss zwischen den Parteien Waffengleichheit bestehen. Im Fall von Preisänderungsklausel muss dem einseitigen Änderungsrecht des Gewerbetreibenden ein korrespondierendes materielles oder prozessuales Recht des Verbrauchers als Gegenrecht gegenüberstehen, wie es etwa Nr. 1 lit. l des Anhangs in Form eines Lösungsrechts bei zu hohen Preiserhöhungen anordnet.75 Dies bestätigt auch der EuGH, indem er als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Preisänderungsklausel verlangt, dass der Verbraucher für den Fall der Änderung des Preises über ein Lösungsrecht verfüge.76

72 Vgl. die Beurteilung der Klauseln im konkreten Vorlageverfahren unten: EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 73–75; so auch Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 30. 73 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46. 74 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. a) bb). 75 So auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 447. 76 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49.

Kap. 6: Grundlagen

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b) Gebot von Treu und Glauben Wurde auf der ersten Stufe ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten oder Pflichten der Vertragsparteien zu ein und derselben Frage festgestellt, so findet auf der zweiten Stufe eine wertende globale Beurteilung dieses Missverhältnisses nach dem Gebot von Treu und Glauben statt, wobei der Übergang zwischen den beiden Prüfungspunkten, wie oben erläutert, fließend ist. aa) Harmonisierter Maßstab von Treu und Glauben In der Klauselrichtlinie wird das Gebot von Treu und Glauben in Erwägungsgrund Nr. 16 konkretisiert. Nach Erwägungsgrund Nr. 16 S. 1 verlangt das Gebot von Treu und Glauben eine umfassende Interessenabwägung, die die in Erwägungsgrund Nr.  15 geforderte generelle Beurteilung der Missbräuchlichkeit ergänzt. Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Faktoren, die bei der Beurteilung von Treu und Glauben „besonders“ zu berücksichtigen sind. Erwägungsgrund Nr. 16 S. 3 definiert den Maßstab, indem er die aus dem Gebot von Treu und Glauben für den Gewerbetreibenden folgenden Verpflichtungen enthält. Der Gewerbetreibenden muss den berechtigten Interessen der anderen Partei Rechnungen tragen und sich ihr gegenüber loyal und billig verhalten. Da es das Ziel der Klauselrichtlinie ist, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher zu erreichen, muss der Gewerbetreibende dabei zwar seine eigenen Belange nicht völlig unberücksichtigt lassen. Jedoch liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn die dem Verbraucher auferlegten Belastungen in einem unangemessenen Verhältnis zu den schutzwürdigen Interessen des Gewerbetreibenden stehen.77 Auch der EuGH knüpft an die Prinzipien der Loyalität und Billigkeit aus Erwägungsgrund Nr. 16 an. In dem Vorlageverfahren Aziz hat der Gerichtshof das Gebot von Treu und Glauben dahingehend konkretisiert, dass zur Feststellung eines Missverhältnisses entgegen dem Gebot von Treu und Glauben das nationale Gericht prüfen müsse, „ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt.“78 Während das Missverhältnis durch Rückgriff auf das nationale Recht zu be­ urteilen ist, gibt der EuGH damit für die Beurteilung des Verstoßes gegen Treu und 77 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 130; Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 310. 78 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  69; Bestätigung in EuGH v. 14.11.2013 Rs. C-537/12 und C-116/13 (Banco Popular Español/Maria Teodolinda Rivas Quichimbo und Wilmar Edgar Cun Pérez) sowie (Banco de Valencia/Joaquín Valldeperas Tortosa und María Ángeles Miret Jaume), ECLI:EU:C:2013:759, Rn. 66.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Glauben einen einheitlichen, gemeinschaftsrechtlichen Maßstab vor. Die Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 RL ist somit, entgegen den in der Literatur vertretenen Gegenstimmen,79 einer Harmonisierung vollständig zugänglich.80 bb) Objektives Verständnis von Treu und Glauben Der EuGH greift auf zwei Aspekte zurück, um zu entscheiden, ob ein vorliegen­ des Missverhältnis gegen Treu und Glauben verstößt. Zum einen ist maßgeblich, ob der Verbraucher im Rahmen von individuellen Verhandlungen, bei denen die jeweilige Klausel zur Diskussion gestellt wird, sich auf diese eingelassen hätte. Zum anderen ist danach zu fragen, ob ein sich loyal und billig gegenüber dem Verbraucher verhaltender Gewerbetreibenden vernünftigerweise von einer Einwilligung ausgehen durfte. Der Maßstab ist folglich die redlicherweise zu erwartende Konsens­fähigkeit im Fall einer Individualvereinbarung.81 Der Gerichtshof ist damit den Ausführungen der Generalanwältin Kokott im Rahmen ihrer Schlussanträge gefolgt. Diese geht jedoch von einem konkret-individuellen Kontrollmaßstab der Klauselrichtlinie aus, indem sie die Würdigung sämtlicher individueller Vertragsumstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL verlangt.82 Von einigen Stimmen in der Literatur werden diese Anforderungen daher als ein rein subjektives Verständnis des Gebotes von Treu und Glauben interpretiert.83 Dem ist nicht zuzustimmen. Zwar könnte man das Gebot von Treu und Glauben als Einfallstor für die Berücksichtigung individueller Vertragsumstände verstehen. Allerdings widerspricht ein rein subjektives Prinzip von Treu und Glauben dem in dieser Arbeit sowie in der Lehre vertretenen Verständnis von einem im Schwerpunkt abstrakt-generellen Kontrollmaßstab der Klauselrichtlinie und damit objektiven Konzept des Gebots von Treu und Glauben.84 Wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert, liegt der Schwerpunkt des Kontrollmaßstabs, wie es die Erwägungsgründe Nr.  15 und 16 der Klauselrichtlinie untermauern, auf einer überindividuell-typisierenden Betrachtung, bei der vertragsbegleitende individuelle Umstände lediglich ergänzend heranzuziehen sind.85 Ziel der Klauselrichtlinie ist es Rechtsklarheit hinsichtlich der Wirksamkeit bestimmter Klausel

79 Borges, Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen, 80; Canaris, EuZW 1994, 417; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 538 ff.; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2196; H. Roth, JZ 1999, 529, 535, W.-H. Roth, in FS Drobnig, 135, 145. 80 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 136. 81 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 12. 82 GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 74 83 Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 323. Ebers, LMK 2013, 345483; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 134. 84 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 Rn. 42; Ebers, LMK, 2013, 345483. 85 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. a).

Kap. 6: Grundlagen

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zu schaffen. Ein subjektives Verständnis von Treu und Glauben, würde dieses Ziel jedoch verwässern. Ebenso spricht der vom EuGH entwickelte Beurteilungsmaßstab für eine objektive, abstrakt-generelle Betrachtung anhand des Vertragsgegenstandes und des Vertragszwecks. Maßgeblich ist, ob der Unternehmer bei loyalem und billigem Verhalten, sofern er also den berechtigten Interessen des Verbrauchers hinreichend Rechnung trägt, „vernünftigerweise“ erwarten konnten, dass dieser in eine bestimmte Klausel einwilligt. Ausgehend von den berechtigten Interessen der Parteien der jeweiligen Vertragsart lassen sich das „loyale und billige Verhalten des Gewerbetreibenden“ sowie „die Situation einer hypothetische Individualverhandlungssituation“ typisierend betrachten. So zählte der EuGH in der Rechtssache Aziz unterschiedliche Kriterien auf, die bei der Beurteilung Missbräuchlichkeit einer Klausel zur vorzeitigen Fälligstellung des Darlehens zu berücksichtigen sind, ohne dass er auf die individuellen Umstände des durch die Klausel betroffenen Verbrauchers einging, der das Darlehen durch eine Hypothek auf seinen Familienwohnsitz absicherte. Es ist folglich unbeachtlich, ob die sich aus den AGB für den Verbraucher ergebenden Nachteile möglicherweise bereits eingepreist wurden; zumal ein Nachweis darüber kaum möglich ist.86 Ebenso wenig ist es relevant, ob der Verwender arglistig handelte oder ob der Unternehmer den hypothetischen Willen des Verbrauchers bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im konkreten Fall hätte erkennen können.87 Demnach ist zu untersuchen, ob sich ein Durchschnittsverbraucher im Rahmen typischer, der jeweiligen Vertragsart entsprechender Individualverhandlung, in der er Einfluss auf den Inhalt der Klausel nehmen könnte, auf die Klausel eingelassen hätte, wobei die den Vertragsschluss begleitenden Umstände ergänzend zu berücksichtigen sind.88 Es ist folglich eine abstrakt-generelle Abwägung der Interessen des Gewerbetreibenden gegenüber solchen des Durchschnittsverbrauchers der jeweiligen Vertragsart durchzuführen. So stellte der EuGH bereits in dem Vorlageverfahren Océano Grupo bei der Beurteilung einer Gerichtsstandsvereinbarung, die Nachteile, die eine Klausel für den Verbraucher erzeugt, den Vorteilen für den Gewerbetreibenden gegenüber.89

86

Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 134. Ebers, LMK 2013, 345483. 88 Zustimmend Ebers, LMK 2013, 345483. 89 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío ­Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 22 f.; Bestätigt in EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 40; EuGH v. 09.11.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:659, Rn. 54. 87

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Teil 3: Inhaltskontrolle

cc) Verhältnismäßigkeitsprüfung Laut Generalanwältin Kokott ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung insbesondere von Bedeutung, „ob entsprechende Klauseln gebräuchlich, d. h. in vergleichbaren Verträgen regelmäßig im Rechtsverkehr verwendet werden, oder aber überraschend sind, ob ein sachlicher Grund für die Klauselregelung besteht und ob der Verbraucher trotz Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts zugunsten des Klauselverwenders nicht schutzlos gestellt wird.“90 Das Kriterium der Branchenüblichkeit überzeugt nicht. Einem Verbraucher darf der Schutz nicht deshalb entzogen werden, weil die Verwendung betreffender missbräuchlicher Klauseln in einer bestimmten Branche üblich ist.91 Dies steht gerade im Wider­ spruch zum verfolgten Ziel der Richtlinie, der Eliminierung missbräuchlicher Klauseln. Das Kriterium der Überraschungssituation ist dagegen zutreffend. Es ist zu berücksichtigen, wie weit sich eine Klausel von den berechtigten Erwartungen des Verbrauchers entfernt, die ausgehend von dem jeweiligen Vertragsgegenstand, der Ausgestaltung des Klauselwerks aber auch der bisherigen Vertragspraxis oder den Vertragsverhandlungen zu ermitteln sind.92 Ebenso überzeugt das Kriterium des sachlichen Grundes und der Berücksichtigung etwaiger Gegenrechte des Verbrauchers. Der EuGH beurteilt die ihm von dem spanischen Gericht in der Rechtssache Aziz vorgelegten Klauseln, den von Generalanwältin Kokott aufgestellten Beurteilungskriterien93 folgend: Bei einer Klausel zur vorzeitigen Fälligstellung wegen kurzzeitiger Nichterfüllung der Schuld müsse das nationale Gericht prüfen, ob der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt habe, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehung wesentlich sei, ob die Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend sei, ob die Klausel von den auf diesem Gebiet anwendbaren Vorschriften abweiche sowie ob das nationale Recht angemessene Mittel vorsehe, die es ermöglichen, die Wirkung der Fälligstellung zu beseitigen.94 90

GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 75. 91 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 134; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 15. 92 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 15; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 202. 93 GA Kokott, Schlussanträge v. 08.10.2012, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2012:700, Rn. 77 f., 85–87. 94 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn.  73; Bestätigung in EuGH v. 14.11.2013 Rs. C-537/12 und C-116/13 (Banco Popular Español/Maria Teodolinda Rivas Quichimbo und Wilmar Edgar Cun Pérez) sowie (Banco de Valencia/Joaquín Valldeperas Tortosa und María Ángeles Miret Jaume), ECLI:EU:C:2013:759, Rn. 70.

Kap. 6: Grundlagen

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Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Verzugszinsen verwies der EuGH hinsichtlich der Regelung sowie der Höhe auf das dispositive Recht als Vergleichsmaßstab. Die Höhe des festgelegten Verzugszinssatzes müsse mit dem gesetzlichen Zinssatz verglichen werden, „um zu prüfen, ob der Verzugszins zur Erreichung der Zwecke, die im betreffenden Mitgliedstaat mit ihm verfolgt werden, geeignet ist und nicht über das hierzu Erforderliche hinausgeht.“95 Ebenso wies der Gerichtshof dem dispositiven Recht eine Leitbildfunktion bei der Beurteilung einer Klausel zu, die dem Darlehensgeber gestattet, die offene Forderung unmittelbar zu beziffern und damit einhergehend ein Hypothekenvollstreckungsverfahren einzuleiten, gegen das dem Darlehensnehmer keinerlei Rechtsbehelfe zustehen. Es sei maßgeblich, inwiefern dem Verbraucher vor dem Hintergrund der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel der Zugang zum Gericht und die Ausübung der Verteidigungsrechte erschwert werde.96 Wie diese Ausführungen belegen, gibt der EuGH folglich einen Art Rahmen für die Interessenabwägung vor, wobei vor allem auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung abstellt.97 Es ist folglich zu untersuchen, ob die einseitig Zuweisung von Vor- oder Nachteilen zu einem der Vertragspartner oder die Aufbürdung von Lasten auf den Verbraucher mit Blick auf den verfolgten Zweck geboten ist. Wie ein zusammenfassender Blick auf die oben genannten Kriterien zeigt, ist dies der Fall, wenn sich eine bestimmte Regelung sachlich begründen lässt sowie geeignet und erforderlich zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks ist.98 Daneben müssen die Gegenrechte, des Verbrauchers berücksichtigt werden. dd) Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln Übertragen auf Preisänderungsklauseln, ist im Rahmen einer globalen Interessenbewertung zu ermitteln, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt. Dabei ist maßgeblich, ob ein Durchschnittsverbraucher im Rahmen einer typischen, der jeweiligen Vertragsart entsprechenden Individualverhandlungen, in der er Einfluss auf den Inhalt der Klausel hätte nehmen können, auf die Klausel eingelassen hätte, wobei die den Vertragsschluss begleitenden Umstände ergänzend zu berücksichtigen sind. Entscheidungserheblich ist insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Regelung. Sie muss sachlich begründet sowie geeignet und erforderlich sein, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Eine Preisänderungsklausel ist sachlich begründet, wenn sich die für die Preisbildung maßgeblichen Umstände nach Vertragsschluss verändern. Die Preisänderungsklausel muss in einem solchen Fall dazu 95 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 74. 96 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 75. 97 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 134. 98 So bereits Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

geeignet sein, das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis zu wahren. Das Preisänderungsrecht darf darüber hinaus nicht dazu missbraucht werden, einen über die Kostensteigerung hinausgehenden zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Dies übersteigt das Maß der Erforderlichkeit. Zudem darf die Anpassungsgegenseite den Preisänderungen nicht schutzlos ausgeliefert sein. Eine Preisänderungsklausel ist demnach missbräuchlich, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzen kann, ohne die Belange des Vertragspartners zu berücksichtigen, insbesondere ihm ein korrespondierendes Gegenrecht für den Fall einer Preisänderung einzuräumen. c) Bedeutung des Richtlinienanhangs Wie im Allgemeinen Teil erläutert, kann sich aus dem Verbotskatalog des Anhangs eine widerlegungsbedürftige Vermutung für die Missbräuchlichkeit einer Preisänderungsklausel nach Art. 3 Abs. 1 RL ergeben.99 Der EuGH spricht von einer wesentlichen Grundlage, auf die das zuständige Gericht seine Beurteilung der Missbräuchlichkeit stützen könne.100 Sofern ein Verbotstatbestand erfüllt ist, ist dieser Klausel die Richtigkeitsgewähr zu entziehen und anschließend unter Berücksichtigung der Kriterien aus Art. 4 Abs. 1 RL zu ermitteln, ob die betroffene Klausel gegen Treu und Glauben verstößt. Zur Widerlegung der Vermutung bedarf es eines sachlichen Grundes. Darüber hinaus enthält der Richtlinienanhang aber auch verallgemeinerungsfähige Wertungen für ähnliche oder andere Klauseln.101 Für die Beurteilung einer Preisänderungsklausel kommen, wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert,102 insbesondere Nr. 1 lit. j und l einschließlich ihrer Privilegierungstatbestände nebeneinander zur Anwendung. Ihnen kann insbesondere das Prinzip der Stabilität des Preis-Leistungsverhältnisses entnommen werden kann.103 99

1. Teil Kapitel 2 B. EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 26; Bestätigung in EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 55. 101 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444 f. spricht von Verhältnismäßigkeit, Gleichheit von Rechten, vertragsrechtlichen Grundwertungen wie Sicherung der vertraglichen Einigung, Bewahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses, Schutz der Vertragsbindung; derselbe, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 33; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 67 ff. entnimmt dem Anhang folgende Grundwertungen: Vertragstreue, Verbot der Bindung durch bloße Willensfunktion, Stabilität des Preis-Leistungsverhältnisses, Einstandspflicht für den Vertragszweck, Achtung der Rechtsgüter des Verbrauchers, Vermeidung asymmetrischer Vertragsgestaltungen, Verbot einseitiger Abwicklungsprivilegien sowie Verbot treuwidriger Rechtsschutzverkürzungen; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 102 f. unterscheidet zwischen der formellen und materiellen Vertragstreue; Ausführliche Untersuchung bei Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?. 102 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A II. 2. a) aa). 103 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 69. 100

Kap. 6: Grundlagen

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d) Kontrollmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 RL Art. 4 Abs. 1 RL normiert eine nicht abschließende Liste von Faktoren, die bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, zu berücksichtigen sind. Sie ergänzt so die Kontrolltopoi des Art. 3 Abs. 1 RL undd erleichtert ihre konkrete Anwendung. Dabei statuiert Art. 4 Abs. 1 RL lediglich was, bei einer Beurteilung zu berücksichtigen ist, jedoch nicht, wie die Bewertung zu erfolgen hat.104 Ob die Kriterien bereits auf der ersten Stufe bei der Feststellung des Missverhältnisses oder erst bei der zweiten bei der Prüfung des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu berücksichtigen sind,105 daraus lässt sich der Richtlinie nichts entnehmen. Vielmehr kann bereits das Missverhältnis nicht losgelöst von dem jeweiligen Vertragsgegenstand untersucht werden. Zudem ist der Übergang zwischen den beiden Prüfungsstufen fließend. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Klausel ist nach Art. 4 Abs. 1 RL der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bereits in dem Vorlageverfahren Freiburger Kommunalbauten stellte der EuGH fest, dass die Bestimmung der Missbräuchlichkeit unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, und aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu erfolgen habe.106 aa) Der Vertragsgegenstand Als erster berücksichtigungsfähiger Faktor wird die Art der Güter und Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aufgeführt. Da der Vertragsgegen­ stand die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien beeinflusst, stellt seine Berücksichtigung eine Selbstverständlichkeit dar.107 Ausgehend von dem Vertragsgegenstand kann eine in zwei Verträgen identische Klausel eine unterschiedliche Beurteilung erfahren. Der Vertragsgegenstand ist darüber hinaus maßgeblich für die Bestimmung des verfolgten Vertragszwecks. Folglich darf die Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel nicht losgelöst von den Besonderheiten des jeweiligen Vertragstypus vorgenommen werden.

104

Nassal, WM 1994, 1645, 1647; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 1. So Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 130. 106 EuGH v. 01.04.2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter), ECLI:EU:C: 2004:209, Rn. 21, Bestätigung in EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn.  39; EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 71. 107 Schmidt-Salzer, BB 1995, 1493, 1495; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 7. 105

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Teil 3: Inhaltskontrolle

bb) Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände Des Weiteren sind nach Art. 4 Abs. 1 RL alle den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Diese können nach der jeweiligen gewöhnlichen Vertragssituation typisiert werden aber auch individuell betrachtet werden. Der Kontrollmaßstab der Richtlinie liegt aber im Schwerpunkt bei einer abstrakt-generellen Betrachtung, wie auch die Erwägungsgründe Nr. 15 und 16 untermauern. Konkret-individuelle, den Vertragsschluss begleitende Umstände können lediglich ergänzend herangezogen werden, was auch dem von der Richtlinie intendierten Ziel der Rechtseinheit und Rechtssicherheit in Hinblick auf die Wirksamkeit von AGB entspricht. Zudem werden konkret-individuelle den Vertragsschluss begleitende Umstände im Rahmen der Verwendung von standardisierten Vertragsbedingungen nur sehr selten vorkommen.108 Anhaltspunkte, welche vertragsbegleitenden Umstände für die Inhaltskontrolle relevant sein können, enthält die Richtlinie in Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2. So ist zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben und ob die Güter oder Dienstleistungen auf eine Sonderbestellung des Verbrauchers hin erbracht wurden. Die Kriterien betreffen dabei das gesamte Vertragsverhältnis der Parteien losgelöst von einer zu beurteilenden Klausel. Sie versuchen das zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden bestehende Kräfteungleichgewicht, auf dem die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers beruht, durch Regelbeispiele109 zu konkretisieren, wobei allen gemein eine mögliche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit ist.110 So stellt die Situation, in der auf den Verbraucher eingewirkt wurde, eine bestimmte Klausel zu akzeptieren, den schlimmsten Fall der Unterlegenheit dar, während der Umstand einer Sonderbestellung auf eine freie Willensbildung hindeutet. Brandner111 hat die in Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 der Richtlinienpräambel genannten Kriterien in drei Kategorien systematisiert: Die Einzelfallumstände können erstens in persönliche Eigenschaften des jeweiligen Vertragspartners, welche seine Verhandlungsstärke und die sonstigen Möglichkeiten, auf den Vertragsinhalt Einfluss zu nehmen, positiv oder negativ beeinflussen, eingeteilt werden. Die zweite Gruppe bilden die Besonderheiten der konkreten Vertragsschlusssituation. Die dritte Kategorie berücksichtigt die mit dem Vertrag verbundenen untypischen Sonderinteressen des Vertragspartners. Die nach Art. 4 Abs. 1 RL berücksichtigungsfähigen Umstände können jedoch auch nicht losgelöst von dem Vertragsgegenstand beurteilt werden. Das „Kräfte 108

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. a). Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 43 mit Bezug auf den Wortlaut von Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 ist „besonders zu berücksichtigen“. 110 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 12 ff. 111 Ulmer/Brandner/Hensen/Brandner, 9. Aufl. 2001, 9 AGBG Rn. 179. 109

Kap. 6: Grundlagen

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verhältnis“ variiert je nach Vertragsgegenstand. Ist der Verbraucher auf den Gegenstand angewiesen oder hat der Unternehmer eine Monopolstellung inne, so haben diese Umstände Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis zwischen Gewerbetreibenden und Verbraucher, welches den missbräuchlichen Charakter einer Klausel verstärken kann.112 Allerdings darf, die Bedeutung der den Vertragsschluss begleitenden individuellen Umstände für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel nicht überbewertet werden. Zwar können die Begleitumstände in beide Richtungen wirken,113 jedoch begründet insbesondere die in Erwägungsgrund Nr.  16  S.  2 aufgeführte Unterlegenheit des Verbrauchers nicht stets die Missbräuchlichkeit einer Klausel. Besteht kein erhebliches Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragspartner, so hat das zwischen den Parteien bestehende Kräfteverhältnis keine Auswirkungen auf die Beurteilung.114 Die in Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 genannten Faktoren sind nicht dahingehend zu verstehen, dass dadurch Störungen der Privatautonomie bei Vertragsschluss, wie Täuschung oder Drohung, zu sanktionieren sind. Vor solchen Störungen ist der Verbraucher bereits durch andere Mittel im Zivilrecht geschützt ist.115 Sie können gegebenenfalls lediglich den missbräuchlichen Charakter einer Klausel unterstreichen.116 Ausgehend von dem Vertragsgegenstand kann sich in Bezug auf Preisänderungsklausel ergeben, dass ein Preisanpassungsrecht in einem Nichtdauerschuldverhältnis mit einem einmaligen Leistungsaustausch anders zu beurteilen ist, als in einem Dauerschuldverhältnis. Ferner ist im Hinblick auf das Kräfteungleichgewicht der Parteien zu berücksichtigen, ob es sich um einen Vertrag der Daseinsversorgung des Verbrauchers handelt oder ob der Unternehmer eine Monopolstellung innehat cc) Vertragskontext Als letzten zu berücksichtigenden Faktor statuiert Art. 4 Abs. 1 RL die Berücksichtigung „aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Ver 112

Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 133; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 12. 113 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. a). 114 Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer, 9. Aufl., § 9 AGBG Rn. 179. 115 Ulmer, EuZW 1993, 337, 345; van Gool, Die Problematik des Rechts der missbräuchlichen Klauseln und die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 202; Borges, Inhaltkontrolle von Verbraucherverträgen, 132 der eine Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht aus c.i.c. in Betracht zieht; a. A. Caspers, Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, 44 der zur Konkretisierung der berücksichtigungspflichtigen Umstände auf die im Rahmen der c.i.c. und des § 138 BGB gebildeten Fallgruppen zurückgreifen will. 116 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  4 RL Rn.  12; die Ansicht von Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 121 f., die eine strengere Beurteilung der Klausel je größer das Kräfteungleichgewicht zwischen den Parteien ist fordert, überzeugt demnach nicht.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

trages, von dem die Klausel abhängt. Folglich darf eine Klausel nicht losgelöst von dem Vertragskontext beurteilt werden.117 Dieses Kriterium ist, wie im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert,118 jedoch dahingehend restriktiv auszulegen, dass nur aufgrund eines Sachzusammenhangs oder einer Wechselbeziehung zusammengehörige Klauseln zu berücksichtigen sind. Es ist gerade keine Gesamtbetrachtung des Klauselwerks, die eine Kompensation „schlechter“ Klauseln durch „gute“ Klauseln ermöglicht, vorzunehmen, wie es der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 RL vermuten lässt. Die Einzelbetrachtung der jeweiligen Klausel ist maßgeblich. Diese Einschränkung erscheint mit Blick auf den durch die Klauselrichtlinie verfolgten Zweck der Rechtsklarheit und den bezweckten Schutz des Verbrauchers vor missbräuchlichen Klauseln als richtig. Den Klauselverboten des Anhangs entsprechend, ist eine Kompensation durch sachlich zusammengehörige Klauseln oder die Kumulation nachteiliger Effekte119 möglich. Damit ist eine Einzelbeurteilung der Klausel unter Berücksich­ tigung der mit ihr in einem sachlichen Zusammenhang stehenden Klauseln geboten.120 Bei der Beurteilung von Preisänderungsklauseln sind hier insbesondere Klauseln zu beachten, die für den Fall der Änderung dem Verbraucher ein Lösungsrecht einräumen. dd) Das Preis-Argument Zwar sind nach Art. 4 Abs. 2 RL der Hauptgegenstand und das Preis-Leistungsverhältnis der Inhaltskontrolle entzogen, jedoch kann nach Erwägungsgrund Nr. 19 S. 2 das Preis-/Leistungsverhältnis bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln Berücksichtigung finden. Dies lässt sich dahingehend auslegen, dass die Missbräuchlichkeit bestimmter Klausel aufgrund des Preisarguments kompensiert werden kann. Das Preisargument ermöglicht es, für den Verbraucher nachteilige Klausel durch einen günstigen Preis auszugleichen. Darauf deutet auch Art. 4 Abs. 1 RL hin, weil er die Berücksichtigung „aller anderen Klauseln desselben Vertrages“ verlangt, zu denen auch Preisklauseln i. S. v. Art. 4 Abs. 2 RL gehören.121 117 So auch EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn. 40 f.; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 55. 118 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. III. 119 Vgl. EuGH v. 21.04.2016, Rs. C-377/14 (Radlinger/Finway), ECLI:EU:C:2016:283, Rn. 95 „ist es daher notwendig, die kumulative Wirkung aller [Sanktionsklauseln] zu beurteilen, […] da diese Klauseln in ihrer Gesamtheit anwendbar sind, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger tatsächlich darauf besteht, dass ihnen vollständig nachgekommen wird.“ 120 Damm, JZ 1994, 161, 172; Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1820; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 172; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 17; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 34 ff. 121 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 8; Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln, 136.

Kap. 6: Grundlagen

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Welche Bedeutung dem Preisargument zukommt, dazu hat sich der EuGH bisher noch nicht ausdrücklich geäußert. In Constructora Principado stellte er jedoch fest, dass die Wirksamkeit einer missbräuchlichen Klausel nicht bereits dadurch gewährleistet sei, dass die Vertragsbestimmungen die Behauptung enthalten, dass die Übernahme einer zusätzlichen Verpflichtung durch eine Preisminderung kompensiert worden sei.122 Daraus lässt sich schließen, dass der EuGH die Kompensation einer missbräuchlichen Klausel durch eine Preisminderung nicht vollkommen ausschließt, sofern sie nachgewiesen wird.123 Da allerdings eine Bestimmung des Maßstabs, an dem die Angemessenheit einer solchen Preisminderung im Verhältnis zur Nachteilhaftigkeit der betreffenden Klausel zu messen ist, kaum möglich ist,124 sowie die Relevanz des Preisarguments für die Angemessenheit von Preisänderungsklauseln nicht ersichtlich ist, sind keine weiteren Ausführungen hierzu erforderlich. III. Zusammenfassung Preisänderungsklauseln unterliegen, da sie einen Mechanismus für die Änderung des Preises enthalten, in vollem Umfang der Missbräuchlichkeitskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL. Demnach ist eine Preisänderungsklausel missbräuchlich, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten des Vertragspartners verursacht. Art. 3 Abs. 1 RL statuiert zwei Kriterien, die kumulativ für die Missbräuchlichkeit zusammenwirken müssen. Zur Begründung eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses müssen die sich aufgrund einer Klauselregelung für den Unternehmer und den Verbraucher ergebenden Belastungs- und Begünstigungswirkungen miteinander verglichen werden. Vergleichsmaßstab dafür, bildet nach Rechtsprechung des EuGH das dispositive, nationale Recht, von dem durch Parteivereinbarung abgewichen wird.125 Ein erhebliches Missverhältnis könne sich nach dem EuGH insbesondere bereits aus jeder hinreichend schwerwiegenden Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung ergeben, die der Verbraucher nach dem nationalen Recht innehabe, sei es durch eine inhaltliche Beschränkung der Rechte, die der Verbraucher nach den nationalen Vorschriften aus dem Vertrag herleitet, oder die Beeinträchtigung der Ausübung dieser Rechte oder die Auferlegung von zusätzlichen Verpflichtungen entgegen des dispositiven, nationalen Rechts. Ein erhebliches Missverhältnis ergibt sich nicht erst dann, wenn die Kosten, die dem Verbraucher durch eine Klausel auferlegt werden, für diesen gemessen an dem Betrag des betreffenden Rechtsgeschäfts 122 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 29. 123 So auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 145. 124 MüKo/Basedow, § 310 BGB Rn. 83; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 4 RL Rn. 9. 125 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 68.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellen.126 Daneben sind aber auch die Wertungen zu beachten, die sich aus dem bereits vereinheitlichen Gemeinschaftsrecht ergeben. Insbesondere der Richtlinienanhang bildet auch nach der Rechtsprechung des EuGH eine „wesentliche Grundlage“ für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit, die dem dispositiven Recht gleichzustellen ist. Darüber hinaus ist das Missverhältnis vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen und prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten zu betrachten, die das nationale Recht dem Verbraucher bietet, um auf die nachteiligen Folgen einer Klausel reagieren zu können. Liegt ein Ungleichgewicht vor, so ist in einem zweiten Schritt entsprechend Erwägungsgrund Nr.  16 im Rahmen einer globalen Interessenabwägung zu ermitteln, inwiefern dieses Missverhältnis gegen Treu und Glauben verstößt, wobei der Übergang zwischen diesen beiden Prüfungspunkten fließend ist. Dabei ist maßgeblich, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt. Entgegen den Ausführungen der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Aziz ist hier von einem objektiven Verständnis des Gebots von Treu und Glauben auszugehen, wobei individuelle, den Vertragsschluss begleitende Umstände ergänzend berücksichtigt werden können. Dabei ist, wie die Beurteilung der streitgegenständlichen Klauseln durch den EuGH zeigt, insbesondere das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine Klauselregelung muss sachlich begründet sowie geeignet und erforderlich sein, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit sind ferner die in Art. 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien zu beachten. Die Richtlinie statuiert im Schwerpunkt einen abstrakt-generellen Kontrollmaßstab. Individuelle, den Vertragsschluss begleitende Umstände sind lediglich ergänzend heranzuziehen. Eine Vertragsbedingung darf insbesondere nicht losgelöst von dem jeweiligen Vertragsgegenstand betrachtet werden. Ferner sind die den Vertragsschluss begleitenden Umstände, die sowohl nach der jeweiligen Vertragssituation typisierend aber auch individuell betrachtet werden können, sowie andere sachlich zusammengehörige Klauseln des Klauselwerks zu berücksichtigen. Übertragen auf Preisänderungsklauseln ist ein formelles Ungleichgewicht zu Lasten des Verbrauchers insofern zu bejahen, als dem Unternehmer ein einseitiges Preisänderungsrecht zukommt. Jedoch ist das Anpassungsinteresse des Gewerbetreibenden anerkannt, wie der Richtlinienanhang in Nr. 1 lit. j, l und Nr. 2 lit. b, d sowie Regelungen aus anderen sektorspezifischen Richtlinien belegen. Demnach ist für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit die konkrete Ausgestaltung entscheidend. Insbesondere darf der Verbraucher nicht schutzlos gestellt werden. Dies untermauert auch Nr. 1 lit. l des Anhangs der Richtlinie, der für den Fall einer zu 126 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 22 f.

Kap. 6: Grundlagen

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hohen Preiserhöhung die Möglichkeit der Lösung vom Vertrag für den Verbraucher fordert. Ferner muss eine Preisänderungsklausel geeignet und erforderlich sein, um das mit ihr verfolgte Ziel, die Übertragung von unvorhersehbaren Preissteigerungen auf den Verbraucher, zu erreichen. Sie darf dagegen nicht zur Erzielung eines zusätzlichen Gewinns durch Verschiebung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu Gunsten des Gewerbetreibenden missbraucht werden. Zudem ist eine Preisänderungsklausel insbesondere unter Berücksichtigung der in Art 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien zu beurteilen. Dabei können vor allem die Angewiesenheit des Verbrauchers auf den Vertragsgegenstand oder die Monopolstellung des Gewerbetreibenden insofern beachtlich sein, als sie den missbräuchlichen Charakter einer Klausel verstärken können.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Ausgehend von dem oben Gesagten, wird die Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 RL sowie des Richtlinienanhangs im nationalen Recht untersucht (I.). Weiterhin wird der Maßstab für die Inhaltkontrolle von Preisänderungsklauseln nach den §§ 307 ff. BGB festgelegt (II.). I. Umsetzung 1. Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 RL in § 307 Abs. 1, 2 BGB Die Umsetzungen der Klauselrichtlinie brachte für den Wortlaut des § 307 Abs. 1, 2 BGB keine Änderung mit sich. Nach § 307 Abs. 1 BGB ist eine Klausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. § 307 Abs. 1 BGB enthält damit eine Art. 3 Abs. 1 RL funktional entsprechende Generalklausel: Während Art.  3  Abs.  1  RL ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ verlangt, knüpft § 307 Abs. 1 BGB an das Vorliegen einer „unangemessenen Benachteiligung“ an, die durch § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert wird. Art 3 Abs. 1 RL scheint dabei auf die Unausgewogenheit der vertraglichen Rechte und damit auf die Vertragsgerechtigkeit und einen fairen Interessenausgleich ein höheres Augenmerk zu richten. § 307 Abs. 1 BGB stellt dagegen dem Wortlaut nach zunehmend auf die nachteilige Abweichung der jeweiligen Klausel von der dispositiven Rechtslage ab.127 Diese unterschiedlichen sprachlichen Fassungen machen jedoch aufgrund der Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe in der Sache keinen Unterschied.128 127

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn.  397; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 106; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 75. 128 MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 24; Stoffels, AGB-Recht Rn. 44 spricht von einer als in andere Wort gekleideten Umschreibung; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 106;

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Zur Ermittlung eines erheblichen Missverhältnisses ist nach dem EuGH die vertragliche Rechtslage mit der ohne die jeweilige Klausel geltenden dispositiven Rechtslage zu vergleichen.129 Ein erhebliches Missverhältnis könne sich nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere aus jeder hinreichend schwerwiegenden Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung ergeben, die der Verbraucher nach dem nationalen Recht innehabe.130 Dies entspricht dem Regelbeispiel des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, nach dem eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmungen mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Fehlt eine dispositive Regelung so ist das Missverhältnis mit Blick auf den Vertragszweck zu ermitteln, wie es auch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorsieht. Die gemeinschaftsautonome Auslegung des „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“ i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL stimmt damit im Kern mit den Regelbeispielen des § 307 Abs. 2 BGB überein.131 Sowohl Art. 3 Abs. 1 RL als auch § 307 Abs. 1 BGB nehmen Bezug auf das Gebot von Treu und Glauben. Die Benachteiligung muss nach Treu und Glauben unangemessen sein. Das erhebliche und ungerechtfertigte Missverhältnis muss gemäß Art. 3 Abs. 1 RL einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründen. Erwägungsgrund Nr. 16 forderte eine „globale Bewertung der Interessenslage der Parteien“. Mit Verweis auf Erwägungsgrund Nr. 16 S. 3 knüpft der EuGH das Gebot von Treu und Glauben an die Prinzipien der Loyalität und Billigkeit, die den Unternehmer verpflichten, die Interessen der anderen Vertragspartei zu berücksichtigen. Auch im deutschen Recht fordert das aus Treu und Glauben folgende Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen eine umfassende Interessenabwägung nach objektiven Erwägungen. Nach ständiger Judikatur ist eine Benachteiligung nach Treu und Glauben unangemessen, wenn „der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinrei-

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn.  397; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  3 RL Rn. 6; Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 965; a. A. Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1819 zweifelhaft, ob jede unangemessene Benachteiligung die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 RL erfüllt; Ulmer, EuZW 1993, 337, 345; Schlosser, IPRax 2012, 507, 514 das deutsche Recht ist also durch die Unterlassung des Steigerungsbegriffs „erheblich“ im Schutz der Vertragspartner spürbar über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen. 129 EuGH v. 14.03.2013, Rs. C-415/11 (Mohamed Aziz/Caixa d’Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa (Catalunyacaixa)), ECLI:EU:C:2013:164, Rn. 68; EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 21; EuGH v. 03.04.2014, Rs. C-342/13 (Sebestyén/Zsolt Csaba Kővári u. a.), ECLI:EU:C: 2014:1857, Rn. 27. 130 EuGH v. 16.01.2014, Rs. C-226/12 (Constructora Pricipado/José Ignacio Menéndez ­Álvarez), ECLI:EU:C:2014:10, Rn. 23. 131 So bereits Eckert, WM 1993, 1070, 1074 f; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 Rn. 60 das Erfordernis der „Erheblichkeit“ ist mit der „Wesentlichkeit“ in § 307 Abs.  2 BGB ver­ gleichbar.

Kap. 6: Grundlagen

293

chend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzu­gestehen.“132 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH darf der Verbraucher folglich nicht schutzlos gestellt werden; vielmehr ist ein angemessener Ausgleich erforderlich. Im Ergebnis ist damit ein sachlicher Unterschied zum deutschen Verständnis des Gebots von Treu und Glauben zu verneinen.133 Trotz des abweichenden Wortlauts statuiert Art. 3 Abs. 1 RL damit keinen höheren Schutz für den Verbraucher.134 Sofern § 307 Abs. 1 BGB jedoch ein höheres Schutzniveau normiert, ist dies aufgrund von Art. 8 RL unproblematisch, der strengere Regelungen zum Schutz des Verbrauchers zulässt.135 2. Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 RL Art. 4 Abs. 1 RL sowie Erwägungsgründe Nr. 16, 18 und 19 enthaltenen Kriterien zur Konkretisierung des Maßstabs der Missbräuchlichkeit i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL. Diese werden zwar nicht ausdrücklich in § 307 BGB erwähnt, jedoch weisen die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Anhaltspunkte zur Bestimmung einer unangemessenen Benachteiligung entgegen des Gebots von Treu und Glauben Parallelen auf.136 Bei der durchzuführenden Interessenabwägung ist auf die typische Interessenlage des an Geschäften der betreffenden Art beteiligten Verkehrskreises abzustellen. Dabei wird § 307  BGB im Einklang mit Art.  4  Abs.  1  RL dahingehend richtlinienkonform ausgelegt, dass der jeweilige Vertragstyp, der Vertragsgegenstand- und zweck sowie die Eigenarten des Geschäfts im Rahmen der Beurteilung berücksichtigt werden müssen.137 Der Vertragsgegenstand und der Zweck des Geschäfts finden auch ausdrücklich Berücksichtigung in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die generell-typisierende Betrachtungsweise wird im Rahmen von Verbraucherverträgen durch die Berücksichtigung „aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände“ nach § 310  Abs.  3  Nr.  3  BGB ergänzt, der zur Umsetzung von

132

BGH v. 08.03.1984, BGHZ 90, 280, 284; BGH v. 04.11.1992, BGH v. 04.11.1992, BGHZ 120, 108 Rn. 28; BGH v. 03.11.1999, NJW 2000, 1110; BGH v. 01.02.2005, NJW 2005, 1774, 1775. 133 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn.  106; Eckert, WM 1993, 1070, 1074; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 397; Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1819; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 75; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 24. 134 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 397; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 24; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 106; Stoffels, AGB-Recht Rn. 44. 135 In diese Richtung Heinrichs, NJW 1993, 1817, 1819. 136 Eckert, WM 1993, 1070, 1075; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 398. 137 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 257; BGH v. 01.07.1987, NJW 1987, 2575, 2576; BGH v. 08.01.1986, NJW 1986, 2102, 2103; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2789 Rn. 26; Staudinger/ Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 112; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 110; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 78, 82; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Art. 4 Abs. 1 RL geschaffen wurde. Eine solche Kombinationslösung entspricht auch dem Prüfungsmaßstab der Richtlinie.138 Ferner wird der nach Art. 4 Abs. 1 RL erforderlichen Berücksichtigung „aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt“ im deutschen Recht insofern gleichermaßen Rechnung getragen, als eine Klausel nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenwirken mit anderen, mit ihr in Sachzusammenhang oder Wechselwirkung stehenden Vertragsbedingungen betrachtet wird.139 Die Pflicht zur Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhalts kann dabei, wie auch nach der Klauselrichtlinie, die Unangemessenheit einer Klausel herbeiführen oder verstärken140 sowie durch andere Klauseln kompensieren.141 Während Erwägungsgrund Nr.  19 die Berücksichtigung des Preisarguments grundsätzlich zulässt, sind nach der Rechtsprechung des BGH solche „preiskalkulatorischen Erwägung“ unzulässig.142 Da sich aber auch auf gemeinschaftlicher Ebene der Nachweis und die Bewertung des Preisarguments als schwierig gestalten, besteht in der Sache hier kein Unterschied. Darüber hinaus ist die Unzulässigkeit des Preisarguments als strengere Regelung zum Schutz des Verbrauchers i. S. v. Art. 8 RL zulässig. 3. Umsetzung des Richtlinienanhangs Sowohl die Formulierung des Art.  3  Abs.  1  RL als auch die Fassung des § 307 Abs. 1 BGB, trotz ihrer Konkretisierung in Abs. 2, sind für die inhaltliche Bestimmtheit der Inhaltskontrolle von begrenztem Wert. Eine bessere Konkre­ tisierung bietet der Klauselkatalog in den §§ 308, 309 BGB. Eine Art Entsprechung findet sich in der Klauselrichtlinie in Form des Anhangs. Dieser stellt zwar nach Art. 3 Abs. 1 RL lediglich eine als Hinweis dienende, nicht erschöpfende Beispielsliste von Klauseln dar, die für missbräuchlich erklärt werden können. Sie bedarf gerade keiner Umsetzung.143 Jedoch kommt, wie aus der jüngsten Rechtsprechung des EuGH ersichtlich ist, den Klauselverboten des Anhangs immer mehr eine wider­

138

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B III. 2. a). Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 116; MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 34 ff.; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 124; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 212 ff. 140 BGH v. 06.10.1982, NJW 1983, 159, 160; BGH v. 02.12.1992, NJW 1993, 532; BGH v. 26.10.1994, NJW 1995, 254; BGH v. 14.05.2003, NJW 2003, 2234; BGH v. 25.06.2003, NJW 2003, 3192; BGH v. 05.12.2006, NJW 2007, 997, 999. 141 BGH v. 17.12.1998, NJW 1999, 942, 943; BGH v. 29.l1.2002, NJW 2003, 888, 890. 142 BGH v. 29.10.1956, BGHZ 22, 90, 98; BGH v. 29.09.1960, BGHZ 33, 216, 219; BGH v. 12.05.1980, BGHZ 77, 126, 131. 143 EuGH v. 07.05.2002, Rs. C-478/99 (Kommission/Königreich Schweden), ECLI:EU:C:2002: 281, Rn. 20. 139

Kap. 6: Grundlagen

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legungsbedürftige Vermutungswirkung für den missbräuchlichen Charakter einer Klausel i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL zu.144 Zwar müssen die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB damit nicht mit denen des Richtlinienanhangs übereinstimmen, allerdings finden zahlreiche Verbote eine Entsprechung in den §§ 308, 309 BGB.145 Sofern sie strengere Regelungen mit oder ohne Wertungsmöglichkeit bieten, sind diese aufgrund Art. 8 RL zulässig. Wird eine Klausel nach den §§ 308, 309 BGB für unwirksam erklärt, bedarf es aufgrund Art. 8 RL keines Rückgriffs auf den Anhang.146 Nach dem 17. Erwägungsgrund können die Mitgliedsstatten die Liste „restriktiver“ formulieren. Dies deutet sowohl auf die Möglichkeit einer strengeren als auch auf die einer großzügigeren Fassung des Katalogs in den nationalen Rechtsvorschriften hin.147 Sofern die §§ 308, 309 BGB großzügigere Regelungen als die Verbotstatbestände des Anhangs enthalten oder gewisse Verbotstatbestände des Anhangs nicht vorsehen, darf allerdings die Vermutungswirkung der strengeren Regelungen des Anhangs nicht umgangen werden. Vielmehr ist sie im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung der auslegungsoffenen Generalklausel des § 307 BGB zu berücksichtigen und bedarf zu ihrer Widerlegung besonderer Gründe. Eröffnen sich dabei Fragen zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 RL oder des Anhangs können diese dem EuGH vorgelegt werden.148 Dies gilt auch im Rahmen der Verbotstatbestände der §§ 308, 309 BGB, sofern diese Entscheidungsspielräume eröffnen, die richtlinienkonform auszulegen sind.149 II. Kontrollmaßstäbe der Inhaltskontrolle von einseitigen Preisänderungsklauseln Dem von Baur vorgeschlagenen Gebot der schonenden Behandlung von Preisanpassungsklauseln, weil sie sich im Ausstrahlungsbereich des § 307 Abs. 3 BGB befinden,150 ist nicht zu folgen.151 Zwar hat eine Preisänderungsklausel Auswirkun­ 144

Vgl. 1. Teil Kapitel 2 A. Ausführliche Gegenüberstellung bei Heinrichs, in FS Reich, 529, 536 ff.; Ulmer/Brandner/ Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 95. 146 Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 123; MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 12. 147 Vgl. englische Fassung von Erwägungsgrund Nr. 17: „The scope oft these terms may be the subject of amplification or more restrictive editing by the Member States in their national laws.“; MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 11; a. A. Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 101; Basedow, in FS Brandner, 651, 658 die Erwägungsgrund Nr. 17 dahingehend verstehen, dass der Anhang Mindestregeln aufstellt. 148 MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 12; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 307 BGB Rn. 123; Heinrichs, in FS Reich, 529, 535 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 94. 149 MüKo/Wurmnest, § 308 BGB Rn. 12. 150 Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 99. 151 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 255; BT-Dr 7/3919, 27; zustimmend Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 133; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 37. 145

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Teil 3: Inhaltskontrolle

gen auf den Preis. Sie modifiziert jedoch den vereinbarten Preis und ergänzt damit eine bindende Preisvereinbarung i. S. v. § 307 Abs. 3 S. 1BGB, so dass es sich um eine Preisnebenabrede handelt.152 Es steht folglich das Anpassungsrecht des Klauselverwenders im Vordergrund. Darüber hinaus ist bereits fraglich, wie eine schonende Behandlung zu definieren ist. Da Preisanpassungsklauseln die Gegenleistungspflicht betreffen, ist vielmehr ein verstärktes Augenmerk darauf zu richten, dass diese angemessen ausgestaltet sind. Es ist daher zu untersuchen, welche Maßstäbe und Kriterien eine Preisänderungsklausel erfüllen muss, um einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB standzuhalten. 1. Schranken des § 309 Nr. 1 BGB Die Zulässigkeit von Preisänderungsklauseln unterliegt in erster Linie den Schranken des § 309 Nr. 1 BGB. Danach ist eine Bestimmung unwirksam, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen. Eine Ausnahme besteht für Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden. Ziel des § 309 Nr. 1 BGB ist es, dem Verbraucher Klarheit über den Preis zu verschaffen und ihn vor Aushöhlung des ausgehandelten Preises in kurzfristig abzuwickelnden Verträgen durch Preissteigerungen zu schützen.153 Es soll demnach Preistransparenz und Preisstabilität gewährleistet werden, wie sie auch durch Nr. 1 lit. j und l des Anhangs der Klauselrichtlinie geschützt werden.154 Da dadurch zugleich ein Preisvergleich bei Vertragsabschluss garantiert wird, dient § 309 Nr. 1 BGB auch der „Funktionsfähigkeit des Preiswettbewerbs“. § 309 Nr. 1 BGB ist folglich sowohl für den Individualschutz als auch für den Schutz der Allgemeinheit von Bedeutung.155 Bei kurzfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen von unter vier Monaten trägt daher der Unternehmer das Risiko der Veränderung der Kalkulationsgrundlage. a) Umsetzung von Nr. 1 lit. l und j in § 309 Nr. 1 BGB Das deutsche Recht ist allerdings in § 309  Nr.  1  BGB insofern strenger als Nr. 1 lit j und l des Richtlinienanhangs, dass Preisänderung in Nichtdauerschuld 152 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 255; BGH v. 12.03.1987, BGHZ 100, 157, 173; BGH v. 13.07.1994, BGHZ 127, 35, 41; BGH v. 14.10.1997, BGHZ 137, 27, 29; BGH 24.03.1999, BGHZ 141, 137, 141. 153 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 1. 154 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 69. 155 BT-Drs 7/3919, 27; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 1; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 118; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rn. 1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 1.

Kap. 6: Grundlagen

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verhältnissen in den ersten vier Monaten nach Vertragsschluss, unabhängig davon untersagt sind, ob Grund und Umfang angemessen und hinreichend transparent in der Klausel angegeben sind oder dem Verbraucher im Fall einer überhöhten Erhöhung ein Lösungsrecht eingeräumt wird. Es ist auch keine Ausnahme für Preisindexierungsklauseln vorgesehen, die nach Nr. 2 lit. d des Anhangs nicht von Nr.  1  lit.  l erfasst sind.156 Solche Beschränkungen des Vertragsgestaltungsspielraums der Parteien sind allerdings nach Art. 8 RL mit Blick auf den mindestharmonisierenden Charakter der Klauselrichtlinie nicht zu beanstanden. Nr. 1 lit. l ist insofern weiter gefasst, als Dauerschuldverhältnisse sowie Preiserhöhungen nach mehr als vier Monaten im Gegensatz zu § 309 Nr. 1 BGB nicht vom Klauselverbot ausgenommen sind.157 Sofern eine Preisänderung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses oder nach dem Zeitraum von vier Monat erfolgt, ist sie im deutschen Recht aber nur in den Grenzen des § 307 Abs. 1, 2 BGB zulässig. Das nach Nr. 1 lit. l des Anhangs erforderliche Lösungsrecht fließt dabei in die Beurteilung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ein.158 Eine Nr.  1  lit.  j des Anhangs entsprechender Verbotstatbestand fehlt in den §§ 308,  309  BGB. Jedoch findet die Erforderlichkeit eines triftigen Grund für die Preisanpassungsbefugnis und die Notwendigkeit seiner Angabe in der Klausel ebenfalls im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Berücksichtigung.159 b) Voraussetzungen des § 309 Nr. 1 BGB § 309 Nr. 1 BGB gilt nur für entgeltliche Verträge und erfasst jegliche Formen von Preisänderungsklauseln, d. h. sowohl solche in Form einer Automatikklausel als auch Preisänderungsvorbehalte, sofern sie eine nachträgliche Preiserhöhung zulassen.160 Dies gilt auch für versteckte Erhöhungsrechte in Form von Preisberichtigungsklauseln infolge von Kalkulationsirrtümern.161 Auch Preiserhöhungsklauseln

156 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 27; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 7; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 143; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 20; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6. 157 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 8; BeckOK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 20. 158 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. BGB Rn. 6; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 8; BeckOK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 20. 159 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  27; Heinrichs, in FS Reich, 527, 540; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 143; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. BGB Rn. 6. 160 BT-Drs 7/3919, 27; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2789 Rn. 20; Staudinger/CoesterWaltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 45; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 2; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 12. 161 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 54; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 22;

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Teil 3: Inhaltskontrolle

in Form von erweiterten Neuverhandlungsklauseln, die für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen eine gerichtliche Bestimmung des Preises vorsehen, werden von § 309 Nr. 1 BGB erfasst.162 Rückwirkende Preiserhöhungen scheitern dagegen in der Regel bereits aufgrund § 305 c Abs. 1 BGB an der Einbeziehung in den Vertrag.163 Darüber hinaus fallen auch Preiserhöhungen, die mit einer Leistungsänderung verbunden sind, nicht unter § 309 Nr. 1 BGB.164 Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 1 BGB ist, dass ein bestimmter oder zumindest bestimmbarer Ausgangspreis vorliegt, der nachträglich erhöht werden kann.165 Preisbestimmungsvorbehalte fallen damit nicht unter § 309 Nr. 1 BGB.166 Sofern ein vereinbarter Preis mit dem Zusatz „freibleibend“ oder „unverbindlich“ versehen ist, verstößt dieser dagegen gegen § 309 Nr. 1 BGB.167 Preisänderungsklauseln sind nach § 309 Nr. 1 BGB nur unwirksam, wenn die Hauptleistung, für die das Entgelt zu entrichten ist, spätestens innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss vollständig erbracht werden soll. Folglich ist die vereinbarte Leistungszeit ausschlaggebend. Der tatsächliche Zeitpunkt der Lieferung ist dagegen unbeachtlich. Ist eine Lieferfrist von vier Monaten vereinbart und die tatsächliche Leistung wird später erbracht, hat dies keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 1 BGB. Umgekehrt findet § 309 Nr. 1 BGB bei einer längeren Lieferfrist als vier Monaten auch bei vorzeitiger Leistung keine Anwendung. § 309 Nr. 1 BGB erfasst auch den Fall, dass, keine Lieferfrist bestimmt ist und die Leistung somit nach § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig ist.168 Zum Teil wird auf die tatsächliche Leistungszeit abgestellt, wenn eine Verschiebung der Leistungszeit gegenüber der vereinbarten Leistungszeit auf vier Monate nach Vertragsschluss auf einen Umstand zurückzuführen ist, den der Vertragspartner des Verwenders zu vertreten hat. In diesem Fall wird eine Preiserhöhung als zulässig erachtet.169 162

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 22; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 50. 163 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 9. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 25; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn 14; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. BGB Rn. 11. 164 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 155. 165 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  44; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 12; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 14. 166 Vgl. zur Abgrenzung von Preisänderungsklauseln und Preisbestimmungsvorbehalten, Einleitung B. II. 2. 167 BGH v. 18.05.1983, NJW 1983, 1603, 1604; BGH v. 06.12.1984, NJW 1985, 855, 856; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 42; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 20; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 16. 168 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 11; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 62; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 24; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 15; MüKo/ Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 17. 169 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 24; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 5; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 815; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 17.

Kap. 6: Grundlagen

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Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Sie findet keinen Niederschlag im Wortlaut des § 309 Nr. 1 BGB. Vielmehr ist der Klauselverwender durch die in diesen Fällen gesetzlichen Vorschriften zum Annahmeverzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB, hinreichend geschützt.170 Alle Preisänderungsklauseln in kurzfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen, die eine jederzeitige Änderung zulassen, ohne einen Vorbehalt hinsichtlich des ersten Viermonatszeitraums zu enthalten, fallen damit unter das Verbot des § 309 Nr. 1 BGB und sind unwirksam.171 Will ein Unternehmer das Klauselverbot des § 309 Nr. 1 BGB umgehen, indem er eine Lieferzeit von mehr als vier Monaten vereinbart, unterliegt diese Vereinbarung der Beschränkung des § 308 Nr. 1 BGB. Darüber hinaus erscheint eine vorsätzliche Verlängerung der Lieferfrist aus wettbewerblichen Gesichtspunkten nicht geboten.172 2. § 307 BGB als Prüfungsmaßstab für Preisänderungsklauseln in langfristigen Verträgen a) Legitimes Interesse an der Verwendung von Preisänderungsklauseln in langfristigen Verträgen § 309 Nr. 1 BGB trägt allerdings der Privatautonomie insoweit Rechnung, als er das Anpassungsrecht des Unternehmers bei langfristig auftretenden Kostenänderungen unberührt lässt. Auf langfristige Nichtdauerschuldverhältnissen, die nicht auf vier Monate beschränkt sind, sowie Dauerschuldverhältnisse findet § 309 Nr. 1 BGB keine Anwendung. Für Dauerschuldverhältnisse ist charakteristisch, dass die vom Verwender geschuldete Leistung über einen gewissen Zeitraum erbracht wird und sich ihr Gesamtumfang erst aus der Dauer des Schuldverhältnisses ergibt. Darunter fallen etwa Abonnement-, Bauspar-, Darlehens-, Gebrauchsüberlassungsverträge sowie Dienstverträge und unechte Sukzessivlieferungs­verträge, bei denen sich die Liefermenge aus der Dauer des Schuldverhältnisses und dem Bedarf des Gläubigers, wie bei Bezugsverträge über Wasser, Strom und Gas, ergibt.173 Echte Sukzessivlieferungsverträge, bei denen die Liefermenge festgelegt und in Teilmengen erfüllt werden soll, fallen dagegen unter den Verbotstatbestand des

170

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 64; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 15. 171 BGH v. 06.12.1984, NJW 1985, 855, 856. 172 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 63; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 156. 173 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 23; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 8; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 30; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21.

300

Teil 3: Inhaltskontrolle

§ 309 Nr. 1 BGB.174 Auf Preisänderungsklauseln in Gas- und Elektrizitätslieferverträgen mit Sonderkunden finden nach § 310 Abs. 2 BGB die §§ 308, 309 BGB keine Anwendung, sofern das gesetzliche Schutzniveau der Grundversorgungsverordnung für Strom und Gas für sogenannte Tarifkunden in privatautonom gestalteten Sonderverträgen nicht unterschritten wird. Allerdings sind solche Verträge in der Regel unechte Sukzessivlieferungsverträge, so dass sie ohnehin § 309 Nr. 1 BGB nicht unterliegen. Ausgehend von diesen in § 309 Nr. 1 BGB geregelten Ausnahmen, stellt eine Preisänderungsklausel nicht per se eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar.175 Zwar weichen Preisänderungsrechte durch die einseitige Abänderbarkeit zum einen von dem Grundsatz der Vertragsbindung pacta sunt ­servanda ab. Nach diesem klassischen Prinzip des Vertragsrechts, sollen die Parteien an das von ihnen abgegebene Versprechen gebunden bleiben. Dieses betrifft unter anderem auch den vereinbarten Preis.176 Zum anderen widerspricht ein einseitiger Preisänderungsvorbehalt, Automatikklauseln und Neuverhandlungsklauseln ausgenommen, dem in § 311  Abs.  1  BGB normierten Konsensprinzip, nach dem rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse grundsätzlich durch Einigung zustande kommen.177 Allerdings ist eine Einschränkung beider Grundsätze nach § 311 Abs. 1 BGB ausdrücklich vorgesehen, der von der „Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses“ spricht. Zudem ist nach § 311 Abs. 1 BGB eine Einigung nur erforderlich, „soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt.“ § 315 BGB gestattet eine vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmung.178 Im Einklang mit dem EuGH179 sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH Preisänderungsklauseln trotz Abweichung von dem Grundsatz pacta sunt servanda „ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, ohne den Vertrag kündigen zu müssen, und andererseits den Vertragspartner davor

174

Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 23; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 31. 175 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 23; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 257. 176 BT-Drs 7/3919, 27; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 255; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115; BGH v. 15.11.2008, NJW 2008, 360, Rn. 33 – Pay-TV; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 160; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 36; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr.  1 BGB Rn. 21; a. A. Thomas, AcP 209 (2009), 84, 92 es liege gerade keine Abweichung vom Vertragsinhalt vor, sofern die AGB eine Regelung zur Preisanpassung enthalten. 177 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 47. 178 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 45 ff.; Fricke, VersR 2000, 257, 259. 179 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 46.

Kap. 6: Grundlagen

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zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht.“180 Dem ist zuzustimmen. Insbesondere bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das bei Vertragsschluss vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verschiebt. Es ist dem Verwender in längerfristigen Verträgen nicht zuzumuten, wesentliche nachträgliche Kostensteigerungen selbst zu tragen. Schließlich könnte er sowohl ein langfristiges Nichtdauerschuldverhältnis als auch ein Dauerschuldverhältnis grundsätzlich durch einen kurzfristigen Abschluss oder mehrere, aneinander anschließende Vertragsschlüsse ersetzen und so den veränderten Preis bei einem Neuabschluss weitergeben. Jedoch entspricht eine langfristige vertragliche Bindung den Interessen beider Parteien. Beide Parteien sind an der Stabilität ihrer Vertragsbeziehung interessiert, um besser kalkulieren zu können.181 Folglich muss dem Unternehmer bei langfristigen Verträgen die Möglichkeit eingeräumt werden, auf veränderte Umstände mit einer Preisänderung reagieren zu dürfen. Das Bestandsinteresse des Vertragspartners muss in solchen Fällen hinter das Anpassungsinteresse des Verwenders treten,182 zumal der Vertragspartner sonst mit ungerechtfertigten Risikoaufschlägen rechnen müsste. Die Einseitigkeit des Preisänderungsrechts lässt sich dabei insbesondere mit dem Vereinheitlichungs-, Rationalisierungs- und Beschleunigungsinteresse des Klauselverwenders bei Massengeschäften legitimieren, das das Mitwirkungsinteresse des Vertragspartners überwiegt.183 Das Mitwirkungsinteresse ist ohnehin als gering einzustufen, weil der Vertragspartner vielmehr daran interessiert ist, durch die Preisänderung nicht unangemessen belastet zu werden.184

180 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115 f.; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn.  22; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 22; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 34 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46. 181 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 119; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 96; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 164 f. 182 BT-Drs. 7/3919, 27; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 36; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 119; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 92. 183 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.01.1992, BGHZ 119, 55 Rn. 18; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 22; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preisund Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 40; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 79; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 164; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 94. 184 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 169. Wiedemann, Preisänderungsvorbe­ halte, 108 ff.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

b) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als Prüfungsmaßstab von Preisänderungsklauseln Der Gesetzgeber sowie die Rechtsprechung und Literatur erkennen damit ein Anpassungsinteresse des Verwenders in langfristigen Verträgen an. Jedoch müssen Preisänderungsklauseln in langfristigen Verträgen, da sie von dem Grundsatz der Vertragsbindung abweichen, in ihrer konkreten Ausgestaltung der Inhaltkontrolle nach § 307 BGB standhalten. Es ist zu untersuchen, ob § 307 Abs. 2 oder Abs. 1 BGB als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wird im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung angenommen, wenn durch eine Klausel wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Allerdings ist eine Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten stets nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BG mit den „wesentlichen Grundgedanken“ der Regelung, von der abgewichen wurde, nicht zu vereinbaren.185 Zu den gesetzlichen Regelungen i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zählt nicht nur das dispositive Gesetzesrecht, sondern auch durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung entwickelte Rechtssätze und allgemeine Rechtsgrundsätze.186 Preisänderungsrechte weichen durch die einseitige Abänderbarkeit von dem Grundsatz der Vertragsbindung pacta sunt servanda ab. Allerdings ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsbindung kaum ein Leitbild für die inhaltliche Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln. Nach dem BGH darf eine Bestimmung nur soweit vom Grundsatz der Vertragsbindung abweichen, wie Anlass und Ausmaß der Preisänderung vom Gebot des angemessenen Interessenausgleichs bestimmt werden.187 Dies läuft auf eine nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB durchzuführende Interessenabwägung hinaus. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung dann vor, wenn der Verwender seine eigenen Interessen auf Kosten der anderen Vertragspartei durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.188 Eine Preisänderungsklausel stellt nach der Rechtsprechung des BGH eine unangemessene Benachteiligung dar, sofern sie es dem Verwender gestattet, „über die Abwälzung von Kostensteigerungen hinaus den 185

MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 70. BT-Drs. 7/3919, 23; BGH v. 28.04.1983, NJW 1983, 1671, 1672; BGH v. 12.03.1987, BGHZ 100, 157, 163; BGH v. 08.07.1993, NJW 1993, 2738, 2739; BGH 30.04.2001, NJW 2001, 3480, 3482. 187 BGH v. 15.11.2008, NJW 2008, 360, Rn. 33 – Pay-TV; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21. 188 BGH v. 08.03.1984, BGHZ 90, 280, 284; BGH v. 04.11.1992, BGHZ 120, 108, 118; BGH v. 03.11.1999, BGHZ 143, 103, 113; BGH v. 25.04.2001, BGHZ 147, 279, 282; BGH v. 19.12.2007, NZM 2008, 243 Rn. 17; BGH v. 08.02.2012, NJW 2012, 1431 Rn. 20; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 29. 186

Kap. 6: Grundlagen

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zunächst vereinbarten Preis ohne jegliche Begrenzung anzuheben, und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.“189 Für die Angemessenheit einer Preisänderungsklausel kommt es folglich darauf an, ob die Preisänderungsklausel zur Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses beiträgt. Das Äquivalenzprinzip enthält die Vorstellung beider Parteien von der Gleichwertigkeit der von ihnen zu erbringenden Leistungen. Auch die Zusammenschau der gesetzlichen Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln ergibt, dass die Wahrung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung als ein für die inhaltliche Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln verallgemeinerungsfähiges Leitbild verstanden werden kann: § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV fordert, dass die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme sowie die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt berücksichtigt werden. § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG ist ein Erhöhungsanspruch regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemein wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. § 651 a Abs. 4 BGB impliziert, indem er die möglichen Gründe für eine Preisänderung abschließend aufzählt, dass lediglich die mit diesen Gründen verbundenen Kostenänderungen auf den Vertragspartner übertragen werden können. Auch § 2 Nr. 3 PrKlG, das inflationären Tendenzen entgegenzuwirken soll,190 hält Klauseln für unangemessen, sofern sich der geschuldete Betrag sich gegenüber der Entwicklung der Bezugsgrüßen unverhältnismäßig ändern kann Sofern man die Wahrung des Äquivalenzverhältnisses als einen wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts ansieht, kann neben § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als Kontrollmaßstab herangezogen werden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird jedoch der ständigen Rechtsprechung folgend § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als Prüfungsmaßstab herangezogen. Da eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nach ständiger Rechtsprechung dann vorliegt, wenn der Verwender seine eigenen Interessen auf Kosten der anderen Vertragspartei durchzusetzen versucht, ohne einen angemessenen Ausgleich für den Vertragspartner zu schaffen, muss ferner untersucht werden, ob dem Verbraucher im Gegenzug zu dem einseitigen Preisänderungsrecht des Verwenders als angemessener Ausgleich ein Lösungsrecht eingeräumt werden muss.

189 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115; BGH v. 21.09.2005, NJWRR 2005, 1717; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 18; BGH v. 11.10.2008, NJW-RR 2008, 134, 135 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2008, NJW 2008, 360 Rn. 10 – Pay-TV; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 35; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 47. 190 BR-Drs. 68/07, 68; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 24.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Die Feststellung, ob eine Klausel die Grenzen eines angemessenen Interessenausgleichs nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB überschreitet, darf dabei nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschlie­ ßenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen getroffen werden.191

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den Ausführungen zu den allgemeinen Grundlagen der Inhaltskontrolle können für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung in der nationalen Rechtsprechung sowie für die Kontrolle von Preisänderungsklauseln folgende Schlussfolgerungen gezogen werden. I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Trotz des abweichenden Wortlauts statuiert Art. 3 Abs. 1 RL keinen höheren Schutz für den Verbraucher als § 307 Abs. 1, 2 BGB. Indem der EuGH im Rahmen der Beurteilung eines erheblichen, ungerechtfertigten Missverhältnisses auf eine hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung abstellt, die der Verbraucher ohne die betreffende Klausel nach den nationalen Vorschriften innehabe, stimmt er im Kern mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB überein, der die Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB konkretisiert. Sowohl Art. 3 Abs. 1 RL sowie § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nehmen Bezug auf das Gebot von Treu und Glauben und leiten daraus eine globale Abwägung der betroffenen Interessen der Parteien ab. Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH maßgeblich, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt. Diesem Maßstab entspricht die ständige Rechtsprechung des BGH, nach der eine Benachteiligung nach Treu und Glauben unangemessen ist, wenn „der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.“192 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH darf der Verbraucher nicht schutzlos gestellt werden. Folglich ist ein sachlicher Unterschied zwischen dem europäischen und dem deutschen Verständnis des Gebots von Treu und Glauben zu verneinen. 191 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 257; BGH v. 24.10.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 26; BGH v. 24.10.2010, NJW 2010, 2789 Rn. 26. 192 BGH v. 08.03.1984, BGHZ 90, 280, 284; BGH v. 04.11.1992, BGH v. 04.11.1992, BGHZ 120, 108 Rn. 28; BGH v. 03.11.1999, NJW 2000, 1110; BGH v. 01.02.2005, NJW 2005, 1774, 1775.

Kap. 6: Grundlagen

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Auch Art. 4 Abs. 1 RL, der die Kriterien statuiert, die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit zu berücksichtigen sind, wird durch die richtlinienkonforme Auslegung des § 307 BGB hinreichend Rechnung getragen. Demnach darf auch nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Klausel nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelung getroffen werden. Die generell-typisierende Betrachtungsweise der Inhaltskontrolle wird im Rahmen von Verbraucherverträgen durch die Berücksichtigung „aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände“ nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergänzt, der zur Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 RL geschaffen wurde. Der Klauselkatalog der §§ 308, 309 BGB bildet das Gegenstück zum Richtlinien­ anhang. Zwar geht er teilweise über die Klauselverbote des Anhangs hinaus oder bleibt hinter ihnen zurück. Jedoch sind die Verbotstatbestände des Anhangs im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung des § 307 Abs. 1 BGB insofern zu beachten, als sie widerlegungsbedürftige Regelvermutungen für die Missbräuchlichkeit einer Klausel enthalten. Regelungen zu Preisänderungsklauseln enthält der Richtlinienanhang in Nr. 1 lit. j, l. Das Gegenstück dazu bildet § 309 Nr. 1 BGB. Dieser Verbotstatbestand ohne Wertungsmöglichkeit ist strenger als die Tatbestände des Richtlinienanhangs, da er Preisänderungsklauseln in Verträgen, bei denen die Ware innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert werden, aus Gründen der Preistransparenz und Preisstabilität grundsätzlich verbietet. Sofern eine Preisänderung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses oder nach dem Zeitraum von vier Monat erfolgt, ist sie allerdings nur in den Grenzen § 307 Abs. 1, 2 BGB zulässig. Dabei werden das nach Nr. 1 lit. l des Anhangs erforderliche Lösungsrecht sowie das Erfordernis eines triftigen Grundes für die Preisänderungsbefugnis nach Nr. 1 lit. j des Anhangs im Rahmen der Beurteilung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB berücksichtigt.

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Im Einklang mit dem europäischen Gesetzgeber und dem EuGH beweist die Existenz des § 309 Nr. 1 BGB, dass auch im nationalen Recht das Interesse des Unternehmers anerkannt ist, Preisänderungen an den Vertragspartner weiterzugeben. Lediglich für den Fall, dass die Hauptleistung, für die das Entgelt zu entrichten ist, spätestens innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss vollständig erbracht werden soll, ist dieses Interesse nach § 309 Nr. 1 BGB zu verneinen. Preisänderungsklauseln in langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen sowie in Dauerschuldverhältnissen und unechten Sukzessivlieferungsverträgen sind jedoch nicht schrankenlos zulässig. Da sie von dem Grundsatz der Vertragsbindung und, sofern ein einseitiger Preisänderungsvorbehalt vorliegt, vom Konsensprinzip abweichen, unterliegen sie vollumfänglich der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Dem Grundsatz der Vertragsbindung lassen sich jedoch kaum konkrete Anhaltspunkte entnehmen, wie eine Preisänderungsklausel in inhaltlicher Hinsicht ausgestaltet sein muss. Maßstab für die Angemessenheit von Preisänderungsklauseln ist daher § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine Preisänderungsklausel ist nach ständiger Rechtsprechung bei einer Preisänderungsklausel nach 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, sofern sie es dem Verwender gestattet, „über die Abwälzung von Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jegliche Begrenzung anzuheben, und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.“193 Dies steht auch im Einklang mit den sich aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Kriterien zur Beurteilung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel. Eine Preisänderungsklausel muss erforderlich und geeignet sein, um das mit ihr vereinbarte Ziel, die Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses, zu erreichen; demnach darf eine Preisänderungsklausel nicht zur Erzielung eines zusätzlichen Gewinns dienen. Darüber hinaus fordert der EuGH im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung des Missverhältnisses i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL zu berücksichtigen sei, ob dem Verbraucher eine materiell-rechtliche oder prozessuale Verteidigungsmöglichkeit nach dem nationalen Recht zusteht, um auf die nachteiligen Folgen einer Klausel reagieren zu können. Eine Preisänderungsklausel muss daher, um dem Maßstab des § 307  Abs.  1 S. 1 BGB standzuhalten, so ausgestaltet sein, dass sie das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis wahrt sowie einen angemessenen Ausgleich für den Fall der Erhöhung des Preises bietet. Dabei ist bei der Beurteilung der Preisänderungsklausel § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass die in Art 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien Berücksichtigung finden. Kapitel 7

Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses A. Europarechtliche Vorgaben Zu der inhaltlichen Angemessenheit von Preisänderungsklauseln ist bisher kaum Rechtsprechung des EuGH ergangen. Dies verwundert in Anbetracht der Tatsache nicht, dass der EuGH erst seit Kurzem seine in Freiburger Kommunalbauten selbstauferlegte Zurückhaltung Schritt für Schritt ablegt. Der EuGH fordert lediglich, 193 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115; BGH v. 21.09.2005, NJWRR 2005, 1717; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 18; BGH v. 11.10.2008, NJW-RR 2008, 134, 135 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2008 – NJW 2008, 360, 361 – Pay-TV; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 35; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 33; BGHZ 158, 149; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 47.

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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dass Anlass und Modus in der Preisänderungsklausel angegeben werden sowie dem Verbraucher für den Fall der Preisänderung ein Lösungsrecht194 zusteht.195 Konkrete Angaben des Gerichtshofs dazu, was etwa ein solcher angemessener Anlass für eine Preisänderung sein kann oder inwiefern der Umfang des Preisänderungsrechts begrenzt werden müsste, fehlen jedoch. Anhaltspunkte für die inhaltliche Angemessenheit lassen sich lediglich den Preisänderungsklauseln betreffenden Tatbeständen des Richtlinienanhangs entnehmen. Rechtsaktübergreifend können auch die in anderen verbraucherschützenden Richtlinien enthaltenen Regelungen zur inhaltlichen Angemessenheit von Preisänderungsklauseln herangezogen werden,196 sofern sie losgelöst von dem jeweiligen spezifischen Anwendungsbereich betrachtet werden können. All diesen Regelungen sowie der Judikatur des EuGH, Anlass und Modus hinreichend transparent in der Preisänderungsklausel anzugeben, liegt, da sie dem Unternehmer keine schrankenlose Änderungsbefugnis einräumen, der Grundgedanken zugrunde, dass das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht verschoben werden darf.197 Das Äquivalenzverhältnis kann gestört werden, wenn das Preisänderungsrecht nicht auf sachlich begründete Anlässe gestützt wird (I.) sowie keiner Begrenzung (II.) unterliegt. I. Zulässige sachliche Gründe für die Preisanpassung Da, wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert, Nr. 1 lit. j auch auf Preisänderungsklauseln anwendbar ist sowie aus Nr.  1 lit. j und k ein allgemeines Willkürverbot abgeleitet werden kann, ist ein Preisänderungsrecht nach Nr. 1 lit. l nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes zulässig.198 Nr. 1 lit. j schützt durch die Forderung nach einem triftigen Grund, die ursprünglich getroffene vertragliche Preisvereinbarung.199 Das einmal Vereinbarte soll Bindungswirkung ha 194

Vgl. dazu 3. Teil Kapitel 8.  EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49. 196 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. a) bb): Regelungen zu Preisänderungsklauseln finden sich in Art. 10 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302, Art. 24 Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17, Art. 10 Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG, Art. 6 Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83. 197 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 69; in diese Richtung auch Nassal, JZ 1995, 689, 693; Markwardt, Die Rolle des EuGH bei der Inhaltskontrolle vorformulierter Verbraucherverträgen, 133; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/ EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 125; allgemeiner Stempel, ZEuP 2017, 102, 123: „Wichtigstes Ziel der Klauselkontrolle insgesamt ist es, dass der eigentlich vereinbarte Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht über Klauseln […] erheblich verschoben wird.“ 198 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. a) aa) (2). 199 Henke, Enthält der Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 108; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 448. 195

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Teil 3: Inhaltskontrolle

ben, so dass für eine Änderung ein triftiger Grund erforderlich ist. Daneben wird der Grundsatz pacta sunt servanda auch durch Nr. 1 lit. b, c, e, f, g, k, n und o des Anhang gewährleistet,200 so dass hier von einer vertragsrechtlichen Grundwertung gesprochen werden kann.201 Während im Rahmen der Transparenzkontrolle festgestellt wurde, dass der „triftige Grund“ für die Preisänderungsbefugnis in der Preisänderungsklausel klar und verständlich aufzuführen ist, stellt sich im Rahmen der Inhaltskontrolle die Frage, was nach der Richtlinie unter einem „triftigen Grund“ zu verstehen ist. Dem Wortlaut der Richtlinie ist eine Unterscheidung zwischen „begründeten Fällen“ nach Nr. 2 lit. b. Abs. 1, „triftigen“ i. S. v. Nr. 1 lit. j und k und Nr. 2 lit. a sowie „schwerwiegenden“ Gründen gemäß Nr.  1  lit.  g des Anhangs zu entnehmen. Ein Vergleich mit anderen sprachlichen Fassungen zeigt jedoch, dass Nr. 1 lit. j und k und Nr. 2 lit. a sowie Nr. 2 lit. b Abs. 1 des Anhangs auf einen „valid reason“ oder „raison valable“ abstellen.202 Im Umkehrschluss zu Nr. 1 lit. g, der von „schwerwiegenden Gründen“ spricht, ist eine Änderung des Entgelts damit nicht erst zulässig, wenn das Beibehalten des vereinbarten Entgelts vollkommen unzumutbar ist. Es ist vielmehr das Vorliegen eines nach Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien rechtlich überwiegenden Grundes auf Abänderung maßgeblich.203 Art. 10 Abs. 1 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2032204 normiert Gründe bei denen eine Preisänderung zulässig ist. Änderungen der Beförderungskosten, der Abgaben für bestimmte Leistungen sowie der relevanten Wechselkurse berechtigen danach zu einer Preisänderung. Dies entspricht auch den Vorgaben in Art. 3 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 i. V. m. Teil  III des Anhangs zu Art.  4  Nr.  4  Time-Sharing-Richtlinie 2008/122/EG205, der auf die Kosten in Verbindung mit dem Teilnutzungsvertrag abstellt. Demnach können zumindest alle Kostenänderungen, die für die Preisbildung ausschlaggebend sind, einen triftigen Grund für eine Preisänderung darstellen. Nach Nr.  2  lit.  c sind Nr.  1  lit.  j und l des Anhangs nicht auf Geschäfte mit Wertpapieren, Finanzpapieren und andere Erzeugnisses oder Dienstleistungen an 200

Ausführliche Darstellung bei Henke, Enthält der Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 108 f.; auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 67 entnimmt einigen Tatbeständen des Anhangs diesen Grundsatz; so auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444 f. 201 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 444 f. 202 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. b RL Rn. 186. 203 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. j RL Rn. 90; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.12.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 87. 204 Richtlinie 2015/2302/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. L 326 v. 11.12.2015, 1). 205 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.01.2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträge (ABl. L 33 v. 03.02.2009, 10).

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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wendbar, bei denen der Preis von den Veränderungen einer Notierung oder eines Börsenindex oder von Kursschwankungen auf dem Kapitalmarkt abhängt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss nehmen kann. Hier wird der Grundsatz der Vertragsbindung gelockert.206 Daraus kann zum einen gefolgert werden, dass es erlaubt ist, Risiken, die sich aus Marktveränderungen ergeben, auf den Verbraucher zu übertragen. Des Weiteren lässt sich aus der Privilegierung des Nr. 2 lit. c folgern, dass der Gewerbetreibende Preisänderungen grundsätzlich vornehmen kann, die sowohl auf von ihm zum Teil  beeinflussbaren Gründen als auch auf solchen beruhen, auf die er keinen Einfluss hat.207 Somit könnten Änderungen, die auf Veränderungen betriebsinterner Größen, wie der Transport-, Personal- oder Lagerkosten auf Seiten des Gewerbetreibenden, basieren, an den Verbraucher weitergegeben werden. Allerdings gelten, sofern der Gewerbetreibende die Preisanpassung auf Gründe, die zum Teil in seinem Machtbereich liegen, stützt, die strengen Anforderungen der Nr 1 lit. j und l. Bei einer Anknüpfung des Preisänderungsrechts an einen durch den Gewerbetreibenden zum Teil beeinflussbaren Abänderungsgrund muss auch einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien Rechnung tragen werden. Insbesondere darf die vereinbarte Preisänderungsklausel nicht dazu dienen, einen zusätzlichen Gewinn auf Seiten des Unternehmers zu generieren. Folglich stellen Kostensteigerungen, die ausschließlich im Einflussbereich des Gewerbetreibenden liegen, wie insbesondere durch Fehlkalkulationen auftretende Kosten, keinen angemessenen Grund für eine Preiserhöhung dar. Klauseln, die den Privilegierungstatbeständen unterliegen, können allerdings weiterhin der allgemeinen Missbrauchskontrolle nach Art. 3 Abs. 1 RL unterzogen werden.208 Auch sie müssen sachlich begründet, sowie geeignet und erforderlich sein, um den mit ihnen intendierten Zweck zu erreichen. II. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung Ausdrückliche Anhaltspunkte zum Umfang der Preisanpassung oder seiner Begrenzung sind in Nr. 1 lit. j und l nicht enthalten. Nr. 1 lit. l des Anhangs erlaubt eine unverhältnismäßig hohe Erhöhung des vereinbarten Preises, sofern diese mit einem Lösungsrecht des Verbrauchers korrespondiert. Geringfügige Erhöhungen sind damit im Umkehrschluss immer zulässig, ohne dass es der Einräumung eines Lösungsrechts für den Verbraucher bedarf. Der Gesetzgeber vertraut damit auf die Marktsteuerungsfunktion des Preises. Übersteigt der erhöhte Preis einen bestimmten Schwellenwert, so dass für den Kunden günstigere Alternativen auf dem betroffenen Markt bestehen, kann er sich durch eine Kündigung der Erhöhung 206

Henke, Enthält der Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 112. 207 a. A. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6. 208 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. c RL Rn. 206.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

entziehen.209 Ferner kann durch das Lösungsrecht auch die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers geschützt werden. Allerdings lässt sich aus der Bindung des Preisänderungsrechts an einen triftigen Grund sowie der von dem EuGH geforderten Angabe von diesem in einer transparenten Weise in der Preisänderungsklausel selbst, schließen, dass Preiserhöhungen nur in dem Umfang zulässig sind, in dem sie von dem triftigen Grund gedeckt sind. Darüber hinausgehende Preiserhöhungen sind unzulässig, da sie das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis verschieben würden. Dies kann auch aus den sektorspezifischen Preisänderungsregelungen anderer Richtlinien, wie Art. 10 Abs. 2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302 gefolgert werden, der die Gründe für eine mögliche Preisänderung abschließend normiert. Ebenso wird im Rahmen von Art. 24 Abs 1 Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17/ EU210 als auch in Art. 10 Abs. 5 lit. e Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG211 gefordert, dass bei einem variablen Sollzinssatz etwaige Indizes oder Referenzzinssätze anzugeben sind, die zur Berechnung des Sollzinssatzes herangezogen werden. Andernfalls wäre die Angabe eines Änderungsgrundes für die Voraussehbarkeit einer möglichen Preisänderung nur wenig relevant. Aus dem Verbot eines Missverhältnisses der Rechte und Pflichten der Parteien kann das Gebot der symmetrischen Klauselgestaltung abgeleitet werden, das auch durch die Tatbestände des Nr. 1 lit. c, d, f, o und p zum Ausdruck kommt.212 Aus diesem Gebot kann die Pflicht hergeleitet werden, dass der Gewerbetreibe, soweit Gründe vorliegen, die zu einer Preissenkung führen, solche Preissenkungen nach den gleichen Maßstäben wie Preissteigerungen, an den Verbraucher weitergeben muss.213 Ferner kann daraus auch gefolgert werden, dass sofern Gründe, die zu einer Steigerung des vereinbarten Preises, und Gründe, die zu einer Minderung des Ausgangspreise, gleichzeitig vorliegen, Preissteigerungen und -senkungen zu saldieren sind. Rechtsaktübergreifend entspricht die Berücksichtigung von Preissenkungen Art. 10 Abs. 1, 4 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302, der dem Reisenden einen Anspruch auf Preissenkungen bei jeglicher Verringerung der Kosten zuspricht, an die nach Art. 10 Abs. 1 Pauschalreise-Richtlinie eine Preiserhöhung geknüpft werden darf. Des Weiteren kann aus dem Grundsatz der Bindung an den Vertrag geschlossen werden, dass sich der Gewerbetreibende nicht durch eine unverhältnismäßige Erhöhung und die daraus resultierende Veranlassung des Verbrauchers zur Kündigung 209

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl. 2009, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 151. Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und Rates v. 04.02.2014 und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 193/2010 (ABl. L 60 v. 28.02.2014, 34). 211 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133 v. 22.05.2008, 66). 212 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 3 RL Rn. 72. 213 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. c RL Rn. 206. 210

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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nach Nr. 1 lit. l des Anhangs einem für den Verbraucher vorteilhaft ausgehandelten Preis entziehen soll. III. Zusammenfassung Der Judikatur des EuGH lassen sich – außer in Hinblick auf die Erforderlichkeit eines Lösungsrechts – kaum Vorgaben zur inhaltlichen Angemessenheit von Preisänderungsklauseln entnehmen. Allerdings ist allen Regelungen, die eine schrankenlose Preisänderung durch den Gewerbetreibenden begrenzen, das Prinzip immanent, dass das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis nicht durch die einseitige Gestaltungsmacht des Unternehmers zu Lasten des Verbrauchers verschoben werden darf. Es finden sich aber kaum konkrete Regelungen, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Die Analyse der Tatbestände des Richtlinienanhangs sowie der Regelungen zu Preisänderungen in anderen verbraucherschützenden Richtlinien ergibt Folgendes: Das Äquivalenzverhältnis kann nur gewahrt werden, sofern für das einseitige Preisänderungsrecht des Gewerbetreibenden ein nach Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien rechtlich überwiegender Grund auf Abänderung besteht. Das Änderungsrecht kann insbesondere an Veränderungen der preisrelevanten Kosten aber auch an Marktveränderungen gekoppelt werden. Dabei kann es sich um Faktoren handeln, die der Gewerbetreibende nicht beeinflussen kann, wie den Marktpreis oder durch staatliche Behörden auferlegten Abgaben, als auch um solche, die zum Teil  im Einflussbereich des Verwenders liegen, wie betriebsinterne Kosten für Transport, Personal oder Lagerung. Bei letzteren sind jedoch die strengen Anforderungen des Nr. 1 lit. j, l zu beachten. Es darf sich nicht um ausschließlich im Einflussbereich des Gewerbetreibenden liegende Kostensteigerungen handeln. Nr. 1 lit. l lässt geringfügige Erhöhungen des Preises aber auch überhöhte Steigerungen zu, sofern dem Verbraucher die Möglichkeit der Lösung vom Vertrag eingeräumt wird. Aus der Bindung des Preisänderungsrechts an einen triftigen Grund sowie dem Erfordernis diesen hinreichend transparent anzugeben, kann gefolgert werden, dass Preiserhöhungen nur in dem Umfang zulässig sind, in dem sie von dem jeweiligen triftigen Grund gedeckt sind. Ferner kann aus dem Grundsatz der symmetrischen Klauselgestaltung, der in vielen Tatbeständen des Richtlinienanhangs zum Ausdruck kommt, und Art. 10 Abs. 1, 4 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302 abgeleitet werden, dass Preissenkungen nach den gleichen Maßstäben wie Preiserhöhungen zu behandeln sind. Sofern der Verwender Preiserhöhungen vornehmen kann, ist er auch zur Weitergaben von Preissenkungen verpflichtet.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Preisänderungsklausel eine unangemessene Benachteiligung dar, sofern sie es dem Verwender gestattet, „über die Abwälzung von Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jegliche Begrenzung anzuheben, und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.“214 Im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH enthält die deutsche Judikatur konkrete Vorgaben dazu, wie eine Preisänderungsklausel inhaltlich ausgestaltet sein muss, um die Verschiebung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu verhindern. Es lassen sich Aussagen zum sachlichen Grund für eine Preisänderung (I.) sowie zur Begrenzung des Umfangs der Preisänderungsbefugnis (II.) entnehmen, die im Folgenden analysiert und bewertet werden sollen. I. Zulässige sachliche Gründe für die Preisanpassung Wie in Nr. 1 lit. j des Anhangs der Klauselrichtlinie, der für das Preisänderungsrecht des Gewerbetreibenden das Vorliegen eines triftigen Grundes fordert, wird von der Rechtsprechung215 und Literatur216 zur Wahrung des Äquivalenzverhältnisses, ein sachlicher Anlass für das einseitige Preisänderungsrecht des Verwenders verlangt. Die Formulierung der Rechtsprechung ist dabei uneinheitlich, als von „sachlichen Gründen“217, „schwerwiegenden Gründen“218 oder „berechtigten Interessen“219 gesprochen wird. Klauseln, die das Preisänderungsrecht in das freie Belieben oder die Willkür des Klauselverwenders oder eines Dritten stellen, sind daher unzulässig.220 Der sachliche Anlass für eine Preisänderung bestimmt zugleich die Bezugsgröße, an die für den Fall ihrer Veränderung das Preisanpassungsrecht geknüpft wird. 214 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519  – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115; BGH v. 21.09.2005, NJWRR 2005, 1717; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 18; BGH v. 11.10.2008, NJW-RR 2008, 134, 135 – Internetprovider; BGH v. 15.11.2008, NJW 2008, 360, 361 – Pay-TV; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 35; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 33; BGHZ 158, 149; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 47. 215 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21 Rn. 12; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 256; BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11 Rn. 39; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 22; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 34. 216 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, 309 Nr. 1 BGB Rn. 21; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 116 ff; Erman/Roloff, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 10; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 4. 217 BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212 Rn. 24. 218 BGH v. 21.12.1983, BGHZ 89, 206 Rn. 13; BGH v. 26.11.1984, BGHZ 93, 29 Rn. 53. 219 BGH v. 12.01.1994, BGHZ 124, 351, 361; BGH v. 20.07.2005, BGHZ 164, 11 Rn. 39; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 22. 220 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21 Rn. 15; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 256.

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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Für die Frage, was einen sachlichen Anlass für ein Preisänderungsrecht des Unternehmers darstellt, ist unter Abwägung der schützenswerten Interessen zu entscheiden, ob den veränderten Umständen durch eine Preisänderung Rechnung getragen werden muss, um eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zulasten des Verwenders zu korrigieren.221 Dabei ist auf eine angemessene Risikoverteilung der Parteien insofern zu achten, als nicht die Veränderung jeglicher Umstände, die Einfluss auf die Preisbildung haben, durch eine Preisanpassung auf den Kunden abgewälzt werden darf. Sofern eine Festpreisabrede vorliegt, scheitert ein berechtigtes Interesse jedenfalls bereits an dem Vorrang der Individualabrede nach § 305 b BGB.222 Während der EuGH sich mit der Frage, was einen sachgerechten Anlass für eine Preisänderung darstellt, nur in Bezug auf das Transparenzgebot beschäftigt hat, lassen sich der deutschen Rechtsprechung drei mögliche sachliche Gründe für die Zulässigkeit von Preisänderung von Seiten des Klauselverwenders entnehmen. Eine Preisänderung kann aufgrund Änderungen der für die Preisbildung relevanten Kosten, Veränderungen des Werts der zu erbringenden Leistung oder Wertverfalls der Gegenleistungen hervorgerufen werden. 1. Allgemeine Kriterien Unabhängig von dem jeweiligen sachlichen Gründen für eine Preisanpassung, müssen für alle zur Preisänderung führenden Umstände die folgenden allgemeinen Kriterien beachtet werden. a) Nachträgliche, unkalkulierbare Preisänderungen Für alle zu einer Entgeltänderung führenden Umstände ist anerkannt, dass es sich um Gründe handeln muss, die erst nach Vertragsschluss entstanden sind.223 Vor Vertragsschluss entstandene Veränderungen dürfen nicht an den Vertragspartner weitergegeben werden, auch wenn sie erst nach Vertragsschluss bemerkt wurden. So fällt ein Kalkulationsirrtum allein in den Risikobereich des Anpassungsberech-

221 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 116; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 165. 222 BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 2745 Rn. 22.; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 7; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 71; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Rn. 11; Wolf, ZIP 1987, 341, 345; kritisch Graf v. Westphalen, NJW 2014, 2242, 2245. 223 BT-Dr 7/3919, 28; BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I; BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507, 509 – Kerosinzuschlag I; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 53 f.; Staudinger/CoesterWaltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 116; Führich, NJW 2000, 3672, 3676; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 162.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

tigten.224 Darüber hinaus sollen dadurch rückwirkende Erhöhungsmöglichkeiten verhindert werden.225 Ebenso herrscht Einigkeit, dass es sich um ungewisse, nicht vorhersehbare Gründe handeln muss.226 Zwar wird dem Unternehmer insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen bewusst sein, etwa welche Kostenfaktoren sich verändern könnten. Allerdings fallen nur bei Vertragsschluss dem Zeitpunkt und Ausmaß nach bezifferbare Veränderungen in den Risikobereich des Unternehmers. Konnte der Klauselverwender das Ausmaß der nach Vertragsschluss eintretenden Veränderung bereits bei Vertragsschluss kalkulieren, hätte er diese bei Preisfestlegung berücksichtigen müssen. Das Kriterium der Vorhersehbarkeit bezieht sich folglich auf der Höhe und dem Zeitpunkt nach nicht kalkulierbare Preiserhöhungen. Kalkulierbare aber erst nach Vertragsschluss eintretende Veränderungen sind demnach in den bei Vertragsschluss vereinbarten Preis einzuberechnen.227 Beiden genannten Kriterien liegt der Gedanke zugrunde, dass es dem Unternehmer zuzumuten sei, seinen Gewinn richtig zu kalkulieren.228 Zudem darf der Verbraucher nicht durch ein möglichst günstiges Angebot zum Vertragsschluss verleitet werden, wenn ihm dieser Vorteil durch eine baldige nachträgliche Preiserhöhung wieder genommen werden könnte. b) Laufzeit des Vertrages Darüber hinaus ist fraglich, ob die längere Laufzeit eines Vertrages automatisch einen sachlichen Grund für eine Preisänderungsbefugnis des Unternehmers bildet.229 Die Rechtsprechung erkennt zwar ein berechtigtes Interesse des Klauselverwenders an der Verwendung von Preisänderungsklauseln in „langfristigen Ver-

224 BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 07.07.1988, BGHZ 139, 177, 180; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 25; BGH v. 10.09.2009, BGHZ 182, 218 Rn. 25; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 43. 225 Führich, NJW 2000, 3672, 3676. 226 BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 17.03.1999, BGHZ 141, 153, 155; BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507, 509 – Kerosinzuschlag I; BGH v. 11.10.2008, NJW-RR 2008, 134 Rn. 11 – Internetprovider; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 116; Führich, NJW 2000, 3672, 3676; Schmid, NJW 2000, 1301, 1302; Graf v. Westphalen/ Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 24. 227 OLG Düsseldorf v. 22.11.2001, NJW 2002, 447, 448; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 166 f.; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 22. 228 BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 10.09.2009, BGHZ 182, 218 Rn. 25; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 43; Wolf, ZIP 1987, 341, 346. 229 Verneinend BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 257; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 100; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 143 der in Hinblick auf das „Konkretisierungsgebot“ ebenso argumentiert.

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trägen“,230 insbesondere Dauerschuldverhältnissen,231 an. Es ist schließlich nicht undenkbar, dass bei längerfristigen Schuldverhältnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit Entgeltänderung aufgrund eingetretener Kostensteigerungen erforderlich sind. In der Pay-TV – Entscheidung stellte der BGH allerdings die Unzumutbarkeit für den Unternehmer in Frage, die veränderten Bereitstellungskosten bei einer Vertragslaufzeit von sechs oder zwölf Monaten zu tragen. Auf Veränderungen der Marktverhältnisse könne der Gewerbetreibende auch mit einer Kündigung zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit reagieren. Von dem Risiko, sich dann mit einem neuen Angebot dem Wettbewerb aussetzen zu müssen, könne er sich nicht auf Kosten des Verbrauchers befreien.232 Dieser Entscheidung ist zuzustimmen.233 Nicht jedes langfristige Schuldverhältnis rechtfertigt ein Preisänderungsrecht des Unternehmers. Ein solches kann zwar ein Indiz für ein berechtigtes Interesse darstellen, jedoch kann dieses widerlegt werden, wenn das Abwarten des Laufzeitendes für den Verwender zumutbar ist und die Preisänderung vielmehr zu anderen Zwecken missbraucht wird. Eine pauschale Differenzierung nach der Länge der Laufzeit des Schuldverhältnisses ist dabei jedoch abzulehnen. Insbesondere überzeugt eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 1 Hs. 2 BGB für Dauerschuldverhältnisse nicht, die in kurzer Zeit abzuwickeln sind, wie Mietverträge über ein Hotelzimmer oder ein Kfz sowie bei Versicherungsverträgen mit Einmalleistung.234 Zwar spricht hierfür das Telos des Verbotstatbestandes des § 309 Nr. 1 BGB. Es gestaltet sich aber bereits als schwierig, kurzfristig abzuwickelnde Dauerschuldverhältnisse zu definieren.235 Auch wenn man die Viermonatsfrist aus § 309 Nr. 1 BGB als Richtwert heranzieht,236 bleibt bei solchen Verträgen, dass Vereinheitlichungsinteresse des Unternehmers bestehen, eine einheitliche Preisgestaltung bei einer Vielzahl von gleichartigen Verträgen unabhängig von ihrem Abwicklungszeitraum vorzunehmen.237 Zudem widerspricht dies dem Wortlaut des § 309 Nr. 1 BGB. Es ist daher vorzuziehen – zumal ein gleichwertiges Schutzniveau gewährleistet ist – im Rahmen einer Einzelfallabwägung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unter Heranziehung des Sinn und Zwecks des § 309 Nr. 1 BGB über das Überwiegen des 230

BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 19 – Internetprovider; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 21.04.2009, NJW 2009, 2051 Rn. 23. 231 BGH NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054, 1055; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46. 232 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV. 233 So auch Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 23; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182 a. 234 So aber Palandt/Grüneberg, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 23. 235 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26. 236 So Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 3. 237 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26.

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Änderungsinteresses des Gewerbetreibenden zu entscheiden.238 Mit Blick auf die jeweilige Vertragsart und die typischen Interessen der beteiligten Parteien muss dabei das Preisanpassungsinteresse des Verwenders überwiegen. Eine Preisänderung sollte, da sie von dem Grundsatz der Vertragsbindung abweicht, ultima ratio sein, wenn das Tragen wesentlicher nach Vertragsschluss eingetretener Kostenerhöhungen dem Unternehmer allein nicht zugemutet werden kann. Konnte der Unternehmer dagegen bei Vertragsschluss die Preisentwicklung über die Laufzeit des Vertrages überblicken oder durch ein baldiges vertragliches Kündigungsrecht die alleinige Belastung mit den veränderten Kosten vermeiden, so besteht gerade kein sachlicher Grund für eine Preisänderungsbefugnis.239 Anderenfalls könnte der Unternehmer in einem solchen Fall sein Preisänderungsrecht dazu missbrauchen, sich nicht dem am Markt herrschenden Wettbewerb aussetzen zu müssen.240 c) Erhebliche Veränderungen der Umstände Darüber hinaus dürfen nur erhebliche Änderungen der Umstände ein Preisänderungsrecht des Gewerbetreibenden begründen. Von einer allgemeinen ungeschriebenen Bagatellgrenze kann bei Preisänderungsvorbehalten nicht ausgegangen werden, so dass jede Veränderung zu einer Anpassung befähigt, sofern keine Einschränkungen gegeben sind.241 Allerdings soll auf Grundlage von Treu und Glauben nicht jede noch so geringe Preisänderung auf den Vertragspartner übertragen werden. Da ein schutzwürdiges Interesse des Vertragspartners an Preisstabilität besteht, muss eine gewisse Unzumutbarkeitsschwelle überschritten werden. Ein prozentualer Richtwert kann dabei nicht vorgegeben werden. Es bedarf vielmehr einer Einzelfallentscheidung, ob die Veränderung zu einer erheblichen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses führt und das Änderungsinteresse Vorrang vor dem Bestandinteresse hat. 2. Änderungen der für die Preisbildung relevanten Kosten Es herrscht Einigkeit darüber, dass für die Preisbildung relevante Kostensteigerungen sowohl in langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen als auch in Dauerschuldverhältnissen den Hauptgrund für ein Preisänderungsrecht des Unter­ nehmers darstellen. Allerdings können zur Wahrung des Äquivalenzprinzips nur Kostenänderungen, die die Gewinnspanne des Verwenders schmälern, an den Vertragspartner durch eine Preiserhöhung weitergegeben werden. Kostenänderungen 238 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  26; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 27; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 33. 239 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182 a. 240 BGH v. 07.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 24 – Internetprovider. 241 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 30. 

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deren Umwälzung auf den Vertragspartner zu einer nachträglichen Erhöhung des Gewinns des Verwenders führen, stellen dagegen keinen sachlichen Grund für ein Preisänderungsrecht des Klauselverwenders dar.242 Dieser muss seinen zu erzielenden Gewinn bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Heranziehung der vorliegenden Kostengrundlage kalkulieren.243 Preisänderungsklauseln können demnach in Form von automatischen Kostenelementeklauseln als auch in Form von Preisänderungsvorbehalten nur auf solche Kostenfaktoren gestützt werden, deren Veränderung der Klauselverwender auf den Vertragspartner umwälzen kann, ohne dass es zu einer Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Verbrauchers kommt. Eine Abgrenzung danach, ob die Kostenänderung in die Risikosphäre des Klauselverwenders fällt, hilft dabei nicht weiter. Aufgrund des Grundsatzes der Vertragsbindung trägt der Unternehmer das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation, so dass alle nach Vertragsschluss auftretenden Kostensteigerungen in seinen Risikobereich fallen. Wäre die Risikosphäre des Verwenders ein Abgrenzungskriterium, dann wäre die Zulässigkeit von Preisänderungsklauseln in Frage gestellt.244 Das Preisänderungsrecht darf nur an solche Kostenfaktoren anknüpfen, die sich auf die Erbringung der vom Gewerbetreibenden geschuldeten Leistung tatsächlich auswirken.245 Änderungen der Gemeinkosten, die keinem bestimmten verkaufsfähigen Produkt oder Dienstleistung konkret zugeordnet werden, können daher nicht an den Vertragspartner weitergegeben werden.246 Ebenso dürfen sich beim Bezug von Vormaterialien Preiserhöhungen der Vorlieferanten nicht auf die Gestehungskosten des Verwenders auswirken, sofern sie bereits bezogen sind und der Unternehmer sie erst später für die Produktion eines bestimmten Produkts einsetzt.247 Es wird eine realitätsgetreue Abbildung der Kostenentwicklung gefordert. Insoweit als eine Klausel als einzige Variable auf den wesentlichen Kostenfaktor für die zu erbringende Leistung abstellt, genügt sie diesen Anforderungen nicht.248 In seiner früheren Rechtsprechung zählte der BGH als mögliche berücksichtigungsfähige Kostenelemente, auf die die Preisanpassung gestützt werden können, exemplarisch Rohstoffpreise, Lohnkosten in der Branche des Verwenders selbst 242 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115 f.; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn.  22; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 22; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 34 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46. 243 BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339; BGH v. 10.09.2009, BGHZ 182, 218 Rn. 25; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 43; Wolf, ZIP 1987, 341, 346. 244 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 57; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln 167. 245 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 19; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 28. 246 Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 52. 247 Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 28. 248 BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2789 Rn. 38.

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sowie in etwaigen Zulieferindustrien, Steuern und Importabgaben, den Einfluss des Beschäftigungsgrades des Werks und den Aufwands für Produktverbesserungen auf.249 Dagegen differenzierte er in seiner Rechtsprechung zu den Anforderungen von Kostenelementeklauseln in Hinblick auf das Konkretisierungsgebot zwischen betriebsinternen und -externen Kosten. Lediglich betriebsexterne Kosten, deren Veränderung der Kunde in zumutbarer Weise in Erfahrung bringen kann, können auf den Vertragspartner übertragen werden.250 Marktbedingte Kostensteigerungen für Material, Waren oder Dienstleistung, die alle Anbieter eines bestimmten Produkts oder Leistung auf dem jeweiligen Markt treffen und deren Entwicklung man anhand allgemein zugänglicher Daten, wie an der Terminbörse veröffentlichte Marktpreise oder Tariflöhne, nachvollziehen kann, können so auf den Vertragspartner umgewälzt werden.251 Ebenso kann das Preisänderungsrecht an die Veränderung staatlich veranlasster Preisbestandteile gekoppelt werden, wie Steuern, Abgaben und Gebühren.252 Der Unterscheidung des BGH zwischen betriebsinternen und -externen Kostensteigerungen kann darüber hinaus in Hinblick auf ausschließlich im Einflussbereich des Verwenders stehende oder von ihm zu vertretene Kostensteigerungen zugestimmt werden. Es stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn der Verwender Kostenfaktoren, die er ausschließlich selbst kontrolliert, über eine Preisanpassungsklausel auf den Kunden umlegt.253 Solche Kostensteigerungen sind gerade nicht unkalkulierbar und können durch den Verwender verhindert werden. Dazu zählen z. B. Werbe- und Investitionskosten,254 Entwicklungskosten, Rationalisierungskosten, Kosten für die Erschließung ausländischer Märkte, Bildung von Rücklagen, wie Risikozuschläge wegen betriebswirtschaftlicher Risiken oder zur Finanzierung von Investitionen, Verzinsung des Eigenkapitals255 sowie aber auch übertarifliche freiwillige Lohnzahlungen, Gratifikationen oder Ähnliches256.

249

BGH in 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 263. BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; vgl. 2. Teil Kap. 5 B. II 3. b. aa) (1). 251 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 108; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 161; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 207; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184 in Bezug auf Neuabschlüsse. 252 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  118; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1867; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 101; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 162. 253 BGH v. 17.03.1999, BGHZ 141, 153, 155; BGH v. 11.10.2008, NJW-RR 2008, 134 Rn. 11; OLG Düsseldorf v. 22.11.2001, NJW 2002, 447, 448; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 100; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 21; in diese Richtung auch LübkeDetring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 122. 254 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184. 255 BGH v. 02.10.1991, NJW-RR 1992, 183, 185; BGH v. 20.07.2010, NJW 2011, 212 Rn. 33; BGH v. 22.07.2014, NJW 2014, 3089 Rn. 27 bezieht sich auf die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. 256 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I. 250

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Die Weitergabe von Kosten für eine Produktverbesserung ist zunächst an § 308 Nr. 4 BGB zu messen, da hier mit der Preisänderung zugleich eine Leistungsänderung einhergeht.257 Bei einer nach § 308 Nr. 4 BGB zulässigen Leistungsänderung ist die Angemessenheit der Weitergabe der Kosten nach § 307 BGB zu untersuchen. Kostensteigerungen dürfen an den Vertragspartner weitergegeben werden, wenn sie dem Vertragsobjekt zugutekommen. Verändert sich der Wert der Leistung, die der Kunde erhält, dagegen nicht, hat der Verwender die Kosten zu tragen.258 Allerdings wäre es unbillig, jegliche betriebsinterne Kostenänderungen allein dem Verwender zuzumuten, die zwar nicht im ausschließlichen Einflussbereich des Gewerbetreibenden, jedoch neben den Verhältnissen am betreffenden Markt auch von den Entscheidungen des Unternehmers, insbesondere seinem Verhandlungsgeschick und der Unternehmensführung, abhängig sind, wie Material-, Lohn-, Transport- oder Lagerkosten.259 Zwar bestehen hier Abgrenzungsschwierigkeiten zu Kosten, die der Unternehmer ausschließlich kontrolliert. Allerdings besteht ein Interesse des Verwenders auch solche Kosten an den Vertragspartner weiterzugeben, deren Höhe er durch Verhandlungen mit Vorlieferanten oder Arbeit­nehmern zum Teil nach und nach beeinflussen kann, um seinen Gewinn nicht zu verringern.260 Zudem spiegelt, wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert, eine Koppelung des Preisänderungsrechts an lediglich betriebsexterne Größen die tatsächliche Kostenentwicklung der Ware oder Dienstleistung nicht hinreichend wider.261 Dies entspricht auch der Entscheidung Augsburger Stromvertrag des BGH vom 25.11.2015, in der er die Umlage von Energiebezugskosten, die zum Teil auch durch den Unternehmer beeinflusst werden, auf den Kunden nicht beanstandet hat.262 Jedoch dürfen auch solche betriebsbedingten, vom Unternehmer zum Teil be­ einflussbaren Kostensteigerungen nicht auf den Vertragspartner umgewälzt werden, sofern sie auf Umständen beruhen, die der Verwender zu vertreten hat und die aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu vermeiden gewesen wären. So ist es unbillig etwa zusätzliche Kosten für Planungs-, Entwicklungs- und Fabrikationsfehler sowie andere Fehleinschätzungen und unterlaufene Kalkulationsfehler auf den Verbraucher zu übertragen.263 Dies gilt auch für Kostensteigerung, die eintreten 257

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 53. Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 19; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 53. 259 Borges, DB 2006, 1199, 1200 f; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 100 f.; Beckmann, Zulässig­ keit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 56; a. A. BGH v. 21.09. 2005, NJW-RR 2005, 1717, 1718 – Flüssiggas I; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 23 – Flüssiggas II; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1868. 260 Borges, DB 2006, 1199, 1201. 261 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (2) (b). 262 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52. 263 In diese Richtung auch BGH v. 25.01.1996, BGHZ 131, 392 § 2 Nr. 5 S. 1 VOB/B; BGH v. 11.10.2007, NJW-RR 2008, 134 Rn. 25; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 117; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 100; Wolf, ZIP 1987, 341, 346; Borges, DB 2006, 1199, 1202; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184 in Bezug auf Neuabschlüsse. 258

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während sich der Klauselverwender im Leistungsverzug befindet.264 Eine Belastung des Vertragspartners mit solchen Kosten widerspricht einer ausgewogenen Risikoverteilung zwischen den Parteien. Die Möglichkeit der Weitergabe von Kostenerhöhungen soll der Verwender gerade nicht zu Kostensteigerungen animieren. Es gilt vielmehr der Grundsatz der Kostenminimierung. So hat der BGH im Zusammenhang mit der Billigkeitskontrolle von Preisänderungen in Energielieferungsverträgen mit Grundversorgungskunden nach § 315 Abs. 3 BGB entschieden, dass der Unternehmer nicht zu beliebigen Preisen einkaufen dürfe, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen, oder im Verhältnis zum Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und Preissteigerungen akzeptieren dürfe, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich sei.265 Da der Vertragspartner aufgrund der Einseitigkeit der Preisänderung dem Klauselverwender in gewissen Maße ausgeliefert ist, kann eine fiduziarische Verpflichtung des Verwenders zu einer solchen Kostenminimierung hergeleitet werden. Demnach müsste ein Verwender alle Möglichkeiten der Kostenminimierung bei gleichbleibendem Qualitätsstandard der Ware ausgeschöpft haben, um die entstandenen Kostensteigerungen an den Vertragspartner weitergeben. Dies unterliegt in der Praxis jedoch Beweisschwierigkeiten, insbesondere da der Unternehmer nur im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB die Beweislast trägt.266 Lediglich in evidenten Fällen kann sich der Vertragspartner auf den Grundsatz der Kostenminimierung berufen. In dem am 06.04.2016 entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass der Unternehmer als Gesellschafter an der Vorlieferantin beteiligt war. Der Unternehmer konnte über die personelle Verflechtung mit der Vorlieferantin die Bezugskosten künstlich in die Höhe treiben und war gleichzeitig an den Gewinnen der Vorlieferantin beteiligt.267 Die Preisanpassung diente in diesem Fall lediglich dazu, über die Kostensteigerung einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften. Zusammengefasst stellen neben Kosten, die alle Konkurrenten durch Änderung der Marktverhältnisse und gesetzliche Regelungen betreffen, auch betriebsinterne, zum Teil im Einflussbereich des Unternehmers liegende Kostensteigerungen, wie etwa Veränderungen der Material-, Personal-, Transport und Lagerkosten, damit einen sachlichen Grund für ein Preisänderungsrecht des Unternehmers dar.268 Eine Umwälzung der Erhöhung der Betriebsinterna auf den Verbraucher ist aber unange 264

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 117. BGH v. 19.11.2008, BGHZ 178, 362 Rn. 43; BGH v. 20.07.2010, NJW 2011, 212 Rn. 32; BGH v. 22.07.2014, NJW 2014, 3089 Rn. 27; BGH v. 06.04.2016, ZIP 2016 1025 Rn. 33; sprechen in Anlehnung an § 6 Abs. 1 EnWG von einer „preisgünstigen“ Versorgung mit Elektrizität und Gas für den Tarifkundenbereich. 266 BGH v. 20.07.2010, NJW 2011, 212 Rn. 33; BGH v. 22.07.2014, NJW 2014, 3089 Rn. 27. 267 BGH v. 06.04.2016, ZIP 2016 1025 Rn. 35; so auch in BGH v. 26.05.1986, NJW 1986, 3134, 3136 wenn die Preisänderungsklausel an Erhöhungen von Herstellerpreisen anknüpft und der Verwender und Hersteller wirtschaftlich verflochten sind und unter einheitlicher Leitung stehen; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 20. 268 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, Rn. 12; BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252 Rn. 23. 265

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messen, sofern solche Kostensteigerungen vorsätzlich oder grob fahrlässig durch den Verwender verursacht worden sind. Die Möglichkeit der Weitergabe der Kostensteigerungen darf den Gewerbetreibenden nicht zu Kostensteigerungen animieren. Ebenso können Kosten die ausschließlich im Machbereich des Unternehmers liegen nicht auf den Verbraucher durch eine Preisanpassung übertragen werden. Im Ergebnis ist demnach nach der Ursache für die Kostensteigerung zu differenzieren. Die oben genannten Schranken können insoweit in der Preisänderungsklausel verankert werden, dass den Verwender nur solche Kostenänderungen zur Preisanpassung berechtigen, die nicht ausschließlich durch ihn verschuldet oder beeinflussbar sind. Ebenso kann der Verwender sich dazu aber auch nur auf einzelne Kostenfaktoren beziehen, die diese Schranken nicht aufheben.269 3. Steigerung des Werts der Leistung Ist für die Hauptleistung ein Marktpreis, also ein durchschnittlich von allen Marktteilnehmern verlangter Preis, auf Grundlage allgemein zugänglicher Quellen feststellbar,270 so ist klärungsbedürftig, inwiefern neben kostenorientierten Re­ ferenzgrößen auch wettbewerbsorientierte Bezugselemente, wie der Marktpreis der zu erbringenden oder einer vergleichbaren Leistung, als Maßstab für Preis­ erhöhungsklauseln herangezogen werden können.271 a) Anknüpfung an den Marktpreis Problematisch ist, dass sich der Marktpreis nicht akzessorisch zur Entwicklung der Kostenfaktoren verhält. Vielmehr hängt seine Entwicklung von der auf dem jeweiligen Markt herrschenden Nachfrage ab. Demnach könnte der Verwender, sofern er sein Preisänderungsrecht an die Veränderung eines bestimmten Marktpreises knüpft, unabhängig von der Kostenentwicklung, insbesondere trotz Kostensenkungen, einen zusätzlichen Gewinn erwirtschaften. Während durch kostenorientierte Preisänderungsklauseln die Verringerung der Gewinnmarge des Verwenders verhindert werden soll, können marktpreisorientierte Klauseln demnach eine Gewinnsteigerung bewirken.272 Zwar ist grundsätzlich nach der Recht 269

Thomas, AcP 209 (2009), 84, 100; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 23. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 119; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 101; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 170. 271 Zustimmend Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 76; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102; Horn, NJW 1985, 1118, 1122; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 119; Staudinger/Coester, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 Rn. 22; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 141. 272 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 81; Kamanbrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 162; Wolf, ZIP 1987, 341, 348; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 101. 270

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Teil 3: Inhaltskontrolle

sprechung die Erzielung eines zusätzlichen Gewinns über die Preisanpassung hinaus unangemessen.273 Allerdings stellt sich die Frage, ob in Ausnahmefällen ein berechtigtes Interesse des Klauselverwenders anzuerkennen ist, den Preis an den jeweiligen Marktpreis anzupassen. Der Gesetzgeber hat die Relevanz der auf dem jeweiligen Markt herrschenden Umstände als Anpassungsgrund in bestimmten spezialgesetzlichen Regelungen anerkannt. So ist in § 558 Abs. 1 BGB eine Anhebung bis zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“ erlaubt. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV fordert die Berücksichtigung der „jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ bei der Preisanpassung, so dass wettbewerblichen Einflüssen in angemessener Weise Rechnung zu tragen ist. § 9 a ErbbauRG erlaubt ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen die Berücksichtigung der Änderung des Grundstückswertverhältnisses. Der BGH fordert, insbesondere in Nichtdauerschuldverhältnissen, zunehmend eine ausschließliche Kostenorientierung. Eine Preisänderungsklausel sei nur dann wirksam, wenn die Preisänderung der Kostendeckung diene.274 Er hält allerdings bei Dauerschuldverhältnissen das „Interesse des Klauselverwenders, die Preisgestaltung auch an der Wettbewerbssituation auf dem Markt auszurichten“ als nicht für von vornherein unangemessen.275 So lässt er eine Preiserhöhung zu, die durch den Wert des am Markt üblichen Preises begrenzt ist,276 wodurch er indirekt eine Gewinnmaximierung bis zum üblichen Marktpreis unabhängig von der jeweiligen Kostenentwicklung erlaubt.277 Ferner erkennt er unter gewissen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Verwendung von Spannungsklauseln an, die sich am Marktpreis für ein vergleichbares Gut orientieren.278 Einer solchen Differenzierung zwischen Dauerschuldverhältnissen und Nichtdauerschuldverhältnissen ist zuzustimmen. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnis besteht aufgrund des langen Leistungszeitraums ein weniger schützenswertes Interesse des Vertragspartners an der Stabilität des vereinbarten Preises.279 Zudem 273 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 24; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115 f.; BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn.  22; BGH v. 29.04.2008, NJW 2008, 2172 Rn. 14; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2662 Rn. 22; BGH v. 14.05.2014, BGHZ 201, 230 Rn. 34 f.; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 46. 274 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519; BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 25; BGH v. 20.05.1985, BGHZ 94, 335, 339 f.; BGH 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 10 – Pay-TV. 275 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 262; BGH v. 09.05.2012, NJW 2012, 2187 Rn. 22 Zulässigkeit der Anpassung bei Änderung der ortsüblichen Vergleichsmiete. 276 BGH v. 27.09.1984, NJW 1985, 426, 427; BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212 Rn. 26. 277 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 81. 278 BGH v. 17.02.2004, BGHZ 158, 149, 158; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 38. 279 Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 22; Grabner, in Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, 289, 314; Graf v. Westphalen/Schöne, Stromlieferverträge (Oktober 2013) Rn. 93.

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tritt bei Dauerschuldverhältnissen ein berechtigtes Interesse des Verwenders hinzu, seinen Gewinn während der Leistungsdauer zu steigern, wenn sich die Marktlage verändert. Vor allem bei einer starken Veränderung des Marktpreises gegenüber dem vereinbarten Preis ist die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung aus Sicht des Verwenders gerade nicht mehr gewahrt.280 Schließlich könnte der Verwender bei einer Kündigung und erneutem Abschluss des Vertrages den durch die Nachfrage auf dem betreffenden Markt herrschenden Marktpreis durchsetzen. Dagegen besteht in Nichtdauerschuldverhältnissen kein berechtigtes Interesse an der Anknüpfung an den Marktpreis, als insbesondere eine Preisstabilität und Erhaltung von Preisvorteilen gewährleistet werden soll. Da ein erneuter Abschluss des Vertrages nicht möglich ist, darf der Verwender nicht in den Genuss künftiger positiver Marktentwicklungen kommen. Er trägt das Risiko, dass der Verkehrswert des Kaufgegenstandes nach Vertragsschluss steigt. Eine am Markpreis orientierte Klausel gewährleistet folglich stabile Vertragsverhältnisse und eine rationale Abwicklung von Massengeschäften, ohne dass eine Änderungskündigung erforderlich ist.281 Insbesondere wenn ein Marktpreis vereinbart wurde, was bereits durch Auslegung der Preisvereinbarung ermittelt werden kann, ist die Kopplung an den Marktpreis der Leistung zulässig.282 Je weniger der Ausgangspreis von der Kostenentwicklung, also von den Wettbewerbsbedingungen am betreffenden Markt abhängt, umso mehr ist das Interesse des Verwenders an einer Kopplung des Preisänderungsrechts an den Marktpreis anzuerkennen.283 Allerdings darf eine solche Anknüpfung nicht dazu missbraucht werden, eine bei Vertragsschluss falsch kalkulierte Gewinnmarge nachträglich zu berichtigen. Der Verwender muss folglich ein berechtigtes Interesse an der Bindung seines Preisänderungsrechts an den Markpreis haben.284 Darüber hinaus werde der Vertragspartner durch eine Kopplung an den Markpreis für die zu erbringende Leistung insofern nicht schlechter gestellt, als eine steigende Nachfrage den Marktpreis zwar erhöht, umgekehrt eine sinkende Nachfrage oder ein Überangebot diesen wieder fallen lässt. Während der erstgenannte Fall für den Gewerbetreibenden zu einem zusätzlichen Gewinn führen kann, kann er im letzteren Fall mit Verlusten konfrontiert werden. So profitiert der Kunde trotz langfristiger vertraglicher Bindung von dem auf dem betreffenden Markt herrschenden Preiswettbewerb.285 Zudem schützt eine Marktpreisbindung den Vertragspartner insoweit besser vor willkürlichen, das Äquivalenzverhältnis verschiebenden Preisänderungen des Klauselverwenders, als der Marktpreis völlig den 280

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 177. BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30 in Hinblick auf Spannungsklauseln. 282 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 72; Wolf, ZIP 1987, 341, 348; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 170. 283 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102. 284 Wolf, ZIP 1987, 341, 348; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 Rn. 117; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102. 285 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102; Wolf, ZIP 1987, 341, 348. 281

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Gesetzen des Marktes unterliegt. Der Verbraucher wird so davor geschützt, dass der Gewerbetreibende mittels Preisänderungsklauseln Gewinne durchsetzt, die er ansonsten auf dem jeweiligen Markt nicht hätte realisieren können.286 Die schwer handhabbare, teilweise unklare Unterscheidung zwischen abwälzbaren und nicht auf den Vertragspartner übertragbaren Kostensteigerungen kann auf diese Weise vermieden werden. Eine solche selbstregulierende Wirkung des Marktpreises ist jedoch nur möglich, wenn der Verwender tatsächlich dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Er darf folglich keinen Einfluss auf den Marktpreis haben.287 Fraglich ist daher, ob die Zulässigkeit einer Kopplung an den Marktpreis in Abhängigkeit zu der auf dem jeweiligen Markt bestehenden Wettbewerbsintensität gestellt werden sollte. Dagegen kann angeführt werden, dass es schwierig ist, einen bestimmten Wettbewerbsgrad zu definieren, ab dem eine Selbstregulierung des Marktes nicht mehr besteht. Es wird nur selten einen Markt mit einem vollständig fehlenden Wettbewerb geben. Darüber hinaus wird der Anpassungsspielraum des Verwenders dadurch begrenzt, dass der Kunde bei einem Dauerschuldverhältnis nicht gewillt sein wird, einen höheren Preis zu zahlen, als er es für den Fall der Vertragskündigung verbunden mit einem Neuabschluss des Vertrages mit einem anderen Wettbewerber tun würde.288 Folglich kann eine Preisänderungsklausel, trotz möglicher Gewinnmaximierung auf Seiten des Klauselverwenders, auch an den Markpreis für die geschuldete Leistung oder ein vergleichbares Gut anknüpfen. Dazu muss ein Marktpreis existieren, auf den der Gewerbetreibenden keinen Einfluss hat und der auf Grundlage allgemein zugänglicher Quellen feststellbar ist. Zudem muss der Klauselverwender ein berechtigtes Interesse an der Kopplung des Preises an den Marktpreis haben.289 b) Zulässigkeit von Spannungsklauseln aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen Eine spezielle Form, um Wertsteigerungen der Leistung durch Preisanpas­sungen entgegenzuwirken, stellen Spannungsklausel dar.290 Hier wird der Preis der Leistung nicht in Akzessorietät zum üblichen Marktpreis für die zu erbringende Leistung gesetzt, sondern in Relation zum Marktpreis für Güter oder Leistungen, die im Wesentlichen mit der zu erbringenden Leistung gleichartig oder zumindest ver 286 So auch Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 124; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102. 287 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 119. 288 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102 f.; a. A. Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 141 hält marktbezogene Klauseln für unzulässig, sofern auf dem Markt kein „wirksamer Wettbewerb“ herrscht. 289 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 128, 119. 290 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30.

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gleichbar sind.291 Gleichartig sind Güter derselben Gattung, vergleichbar sind alle substituierbaren Güter, die geeignet sind den Bedarf des Nachfragers zu decken.292 Eine Spannungsklausel ist zulässig, sofern sie gewährleistet, dass der zu zahlende Preis mit dem jeweiligen Marktpreis für die zu erbringende Leistung übereinstimmt, so dass eine gewisse Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung erhalten bleibt.293 Der BGH bejaht die Zulässigkeit von Spannungsklausel und damit das Vorliegen eines Wertsicherungsinteresses unter drei Voraussetzungen: Es ist erforderlich, dass ein Marktpreis für das geschuldete Gut und ein Marktpreis für das Referenzgut besteht und der Marktpreis für die geschuldete Leistung sich typischerweise ähnlich wie der Marktpreis für das Referenzgut entwickelt.294 Allerdings überzeugt das Kriterium, dass für das geschuldete Gut ein Marktpreis bestehen muss, nicht. Sofern sich für das geschuldete Gut ein Marktpreis feststellen lässt, bedarf es gerade keiner Kopplung des Preises für die zu erbringende Leistung an den Marktpreis für ein vergleichbares Gut. Der Marktpreis selbst ist der „beste Wertmesser“. Eine Kopplung an den Marktpreis für ein Vergleichsgut ist vielmehr erforderlich, wenn kein freier und wettbewerblicher Markt für das zu erbringende Gut existiert. Der BGH spricht aber auf der Grundlage seiner Voraussetzungen das Interesse an der Verwendung einer Spannungsklausel ab, wenn die Marktmechanismen gestört sind. Jedoch legitimiert gerade eine solche Störung der Marktmechanismen das Bedürfnis an der Verwendung einer Spannungsklausel.295 bb) HEL-Klauseln Unter Anwendung dieser von ihm aufgestellten Anforderungen an Spannungsklauseln, hat der BGH in den Entscheidungen vom 24.03.2010 das berechtigte Interesse verneint, Preisanpassungen in der Erdgasbranche an die Entwicklung des Marktpreises für leichtes Heizöl zu koppeln (sog. HEL-Klauseln296). Es bestehe kein feststellbarer Marktpreis für Erdgas. Es fehle vielmehr an einem wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für die Lieferung von leitungsgebundenem Erdgas. Die Ölpreisbindung der Gaspreise basiere lediglich auf gefestigter Praxis. Eine Spannungsklausel, die allein an der Entwicklung der örtlichen Heizölpreise anknüpfe, diene dazu, überhaupt einen variablen Preis für leitungsgebundenes Gas 291 BGH v. 02.02.1983, NJW 1983, 1909, 1910; BGH v. 08.06.2006, BGHZ 168, 96 Rn. 14; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 29; 292 Vgl. Beispiele bei Fricke, EnWZ 2017, 435, 438. 293 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 38; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 119. 294 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 30; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 38. 295 Heßler/Specht, ZNER 2010, 219, 221; in diese Richtung auch Fricke, EnwZ 2015, 435, 440. 296 Vgl. BGH v. 24.03.10, BGHZ 185, 96 Rn. 16 f. mit folgender Spannungsklausel AP = 2,43 + (0,092 x (HEL – 19,92)).

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herauszubilden. Dieser werde aber nicht durch Angebot und Nachfrage auf dem Gassektor bestimmt. Demnach gewährleiste die Klausel nicht eine Anpassung an einen für leitungsgebundenes Gas bestehenden Marktpreis.297 Der Preis für leichtes Heizöl stelle folglich keinen Wertmesser für die zu erbringende Leistung, sondern vielmehr lediglich einen Kostenfaktor dar, der die Variabilität des Erdgaspreises bewirke. Dadurch werde die Möglichkeit einer unzulässigen Gewinnsteigerung eröffnet.298 Diese unumstößlich aufgestellte Behauptung des BGH ist jedoch zu hinterfragen. Insbesondere überzeugt die Annahme nicht, dass es auf dem Gasmarkt mit Haushaltskunden „nach wie vor an einem wirksamen Wettbewerb“ fehle. Aufgrund der Liberalisierung der Gasmärkte besteht auf dem Gasmarkt seit längerer Zeit eine zunehmende Wettbewerbsintensität. Je Postzahlgebiet können Kunden – wie Online-Tarifrechner beweisen – zwischen einer Vielzahl von Gaslieferanten wählen. Die Situation, auf die der BGH abgestellt hat, lag in dem Zeitraum vor 2007, in dem es bis vor Auftreten des ersten bundesweiten Gasanbieters „E WIE EINFACH“ im April 2007 an einem Wettbewerb im Haushaltskundenbereich fehlte.299 Ebenso kann widerlegt werden, dass kein feststellbaren Markpreis für Gas besteht. Trotz des nicht unerheblichen Einflusses der Ölpreisbindung auf den vorgelagerten Märkten auf das Preisniveau für Gas auf dem Haushaltskundenmarkt, ist angesichts der hohen Wettbewerbsintensität auf dem Gasmarkt ein Marktpreis für Gas feststellbar. Erdgas wird zudem seit Jahren börslich und außerbörslich gehandelt.300 Da folglich ein eigenständiger Marktpreis für Erdgas besteht, bedarf es nicht der Kopplung des Preises für Erdgas an den Preis für Erdöl. Hält man an den von dem BGH zu wirksamen Spannungsklauseln aufgestellten Kriterien fest, so kann auch eine Vergleichbarkeit der Energieträger Erdgas und Erdöl insofern bejaht werden, als Heizöl und Erdgas als Substitutionsgüter durchaus vergleichbare Güter sind, die im Rahmen einer Spannungsklausel aneinander gekoppelt werden können. Der Gaspreis ist bereits durch die vorgelagerten Handelsstufen bis hin zur Importstufe von dem Ölpreis abhängig. Durch die Ölpreisbindung 297 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 31; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 35; Bestätigung in BGH v. 25.03.2015, NZG 2015, 905 Rn. 20; andere Beurteilung für den unternehmerischen Geschäftsverkehr BGH v. 14.05.2014, NJW 2014, 2708 Rn. 41 ff.; BGH v. 17.09.2014, NJW 2014, 3508 Rn. 30: „Ob die Bindung des Gaspreises an den Marktpreis für leichtes Heizöl sachgerecht und akzeptabel erscheint, unterliegt der kaufmännischen Beurteilung und Entscheidung des als Unternehmer handelnden Gaskunden.“ 298 BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 36; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 44. 299 Umfassend zur Würdigung des Wettbewerbs auf dem Gasmarkt BKartA v. 23.10.2014 – B8–69/14; Zabel, BB 2010, 1368, 1370; Fricke, EnWZ 2015, 435, 439; Heßler/Specht, ZNER 2010, 219, 222; Couval, EnWZ 2015, 327; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1869; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 128 f. mit Verweis auf den Internet-Tarifrechner der Verivox-GmbH. 300 Heßler/Specht, ZNER 2010, 219, 222; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1869; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 129 f. m. w. N.

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der Importverträge wird geradezu „idealtypisch“ gewährleistet, dass sich Gas- und Ölpreis gleich entwickeln.301 Die durch den BGH an Spannungsklauseln aufgestellten Anforderungen sowie die Begründung mit der der BGH eine Kopplung des Preises für Erdgas an den Preis für extra leichtes Heizöl erklärt hat, überzeugen demnach nicht. Der Vertragspartner wird durch die Verwendung einer HEL-Klausel nicht unangemessen benachteiligt. Stimmen, die diese Entscheidung mit der Begründung befürworten, dass die Ölpreise stetig steigen,302 kann entgegnet werden, dass nach der aktuellen Entwicklung die Ölpreise derzeit stärker sinken als die Gaspreise.303 Die Entscheidung des BGH legt vielmehr die Vermutung nahe, dass vor allem Vorbehalte gegen die den Gaspreis bis heute beherrschende Ölpreisbindung, der wettbewerbliche aber auch kartellrechtliche Bedenken entgegenstehen, den eigentlichen Beweggrund für seine Entscheidung darstellen.304 Um jedoch das Risiko der Unwirksamkeit zu vermeiden, ist von der Verwendung von Spannungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen Abstand zu nehmen. Insbesondere bedarf es einer solchen Form in Energielieferungsverträgen mit Sonderkunden nicht mehr, als der BGH in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag eine praktikable Lösung für die Gestaltung von wirksamen Preisänderungs­ vorbehalten entwickelt hat.305 4. Wertverfall der Gegenleistung Die Rechtsprechung erkennt ein Interesse des Klauselverwenders an, den Wertverfall der Gegenleistung durch Preisänderungsklausel auszugleichen.306 Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der bei Vertragsschluss kalkulierte Gewinn aufgrund der allgemeinen Geldentwertung geschmälert wird. Dieses Interesse ist allerdings nur bei sehr langfristigen Verträgen berechtigt. Bei kurzfristigen Verträgen ist dagegen kein Inflationsschutz erforderlich. Der Wertverfall der Gegenleistung lässt sich insbesondere durch Bezug auf den Lebenshaltungskontenindex des Statistischen Bundesamtes verkörpern. Allerdings wird die allgemeine Geldent­wertung in der Regel automatisch durch Weitergabe der gesteigerten Kosten oder Anknüpfung 301 Heßler/Specht, ZNER 2010, 219, 222; Fricke, EnWZ 2015, 435, 440; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 130; Zabel, BB 2010, 1368, 1370. 302 Ebbinghaus/Schroeder, RdE 2012, 228; Mehari/Rieth, NJW 2010, 2797, 2798. 303 Fricke, EnWZ 2015, 435, 440 m. w. N.. 304 Heßler/Specht, ZNER 2010, 219, 223; Fricke, EnWZ 2015, 435, 440; vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung begrüßt von Mehari/Rieth, NJW 2010, 2797, 2798; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 129 f.; ausführlich zur Ölpreisbindung aus kartellrechtlicher (Markt-) Sicht, Däuper/ Couval, ZNER 2010, 224 ff. 305 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. bb) (2)–(4). 306 BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115. Rn. 12; BGH v. 01.07.1992, BGHZ 119, 55 Rn. 18.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

an den Marktpreis für das geschuldete oder ein vergleichbares Gut auf den Kunden umgewälzt, so dass eine eigenständige Bedeutung von solchen Indexklauseln als gering eingestuft werden kann.307 5. Zusammenfassung Der deutschen Rechtsprechung lassen sich drei mögliche sachliche Gründe für die Zulässigkeit von Preisänderung von Seiten des Klauselverwenders entnehmen. Eine Preisänderung kann aufgrund Änderungen der für die Preisbildung relevanten Kosten, Veränderungen des Werts der zu erbringenden Leistung oder Wertverfalls der Gegenleistungen hervorgerufen werden. Diese Gründe für eine Preisänderung bestimmen zugleich die Bezugsgrößen, an die für den Fall ihrer Veränderung das Preisanpassungsrecht geknüpft werden kann. Unabhängig von dem jeweiligen Anpassungsanlass müssen folgende Kriterien berücksichtigt werden: Da der Verwender das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation trägt, können nur nach Vertragsschluss eingetretene und der Höhe und dem Zeitpunkt nach nicht kalkulierbare Preisänderungen auf den Vertragspartner übertragen werden. Ein langfristiger Vertrag indiziert zwar ein berechtigtes Preisanpassungsinteresse des Unternehmers. Jedoch kann dieses widerlegt werden, wenn das Abwarten des Laufzeitendes für den Verwender zumutbar ist und die Preisänderung vielmehr zu anderen Zwecken missbraucht wird. Es ist daher mit Blick auf die jeweilige Vertragsart und die typischen Interessen der beteiligten Parteien zu untersuchen, ob das Preisanpassungsinteresse des Verwenders das Bestandsinteresse des Vertragspartners überwiegt. Ferner stellen nur erhebliche Veränderungen der für die Preisbildung relevanten Faktoren einen sachlichen Anlass für eine Preisänderung dar. Veränderungen von preisbildenden Kosten, die den gesamten Markt betreffen, sowie staatlich veranlassten Steuern, Abgaben und Gebühren, aber auch betriebsinterne Kostensteigerungen, die zum Teil im Einflussbereich des Verwenders liegen, bilden einen sachlich legitimierten Anlass für die Anpassung des vereinbarten Preises, da sie zu einer Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zulasten des Verwenders führen können. Dagegen dürfen betriebsinterne Kostensteigerungen, die auf einem Verschulden des Klauselverwenders beruhen, nicht auf den Vertragspartner umgewälzt werden; diese liegen im Risikobereich des Gewerbetreibenden. Ebenso stellen Kostenänderungen, die ausschließlich im Machtbereich des Unternehmers liegen keinen sachgerechten Grund dar, weil sie gerade nicht unkalkulierbar sind. Eine explizite Verankerung dieser Schranken in der Klausel ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Verwender sich auf nur auf einzelne Kostenfaktoren bezieht, die diese Schranken nicht aushebeln. 307

In diese Richtung Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 193.

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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Preisänderungsklauseln können, trotz möglicher Gewinnmaximierung auf Seiten des Klauselverwenders, in langfristigen Dauerschuldverhältnissen auch an den Markpreis für die geschuldete Leistung oder ein vergleichbares Gut anknüpfen. Dazu muss ein Marktpreis existieren, der auf Grundlage allgemein zugänglicher Quellen feststellbar ist, und auf den der Verwender keinen Einfluss hat. Zudem muss der Klauselverwender ein berechtigtes Interesse an der Kopplung des Preises an den Marktpreis haben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der bei Vertragsschluss vereinbarte Preis dem Marktpreis entspricht oder sich der Preis unabhängig von der Kostenentwicklung verändert. Spannungsklauseln bieten als Sonderform von solchen Marktpreisklauseln ein anerkanntes Instrument, um Wertsteigerungen der Leistung durch Preisanpassungen Rechnung zu tragen, indem sie den Preis für die zu erbringende Leistung an die Entwicklung des Marktpreises für ein vergleichbares Gut koppeln. Nach der Rechtsprechung des BGH benachteiligt eine Spannungsklausel den Vertragspartner nicht unangemessen, wenn ein vergleichbarer Marktpreis für das geschuldete Gut und das Referenzgut besteht und der Marktpreis für die geschuldete Leistung sich typischerweise ähnlich wie der Marktpreis für das Referenzgut entwickelt. Diese Voraussetzungen sind allerdings insofern zu hinterfragen, als eine Kopplung an den Marktpreis für ein Vergleichsgut vielmehr erforderlich ist, sofern kein freier und wettbewerblicher Markt für das zu erbringende Gut existiert. Besteht ein Marktpreis für das geschuldete Gut, ist es sachgerechter auf diesen abzustellen. Auch der Wertverfall der Gegenleistung bietet im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen einen sachlich anerkannten Grund für die Preisänderungsbefugnis des Unternehmers, der durch den Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamtes verkörpert werden kann. Da der Wertverfall der Gegenleistung jedoch bereits durch Kostenänderungen sowie Veränderungen des Marktpreises berücksichtigt wird, ist seine eigenständige Bedeutung gering. II. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung Die Preiserhöhung muss in einem angemessenen Verhältnis zur eingetretenen Änderung stehen. Eine Preiserhöhung ist unangemessen, wenn sie über das Maß der Veränderung der Bezugsgröße hinausgeht. Folglich bilden Kostensteigerungen, die Erhöhung des Marktpreises für das geschuldete oder ein vergleichbares Gut oder der Anstieg eines Indexes die Obergrenze für eine Preisanpassung.308 Während bei Automatikklauseln aufgrund des Automatismus keine Anpassung, die nicht durch die Veränderung der Bezugsgröße gedeckt ist, erfolgt, müssen Preisänderungs 308

BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 25 – Flüssiggas II.; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 27; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 40, Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 166; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 125.

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vorbehalte eine solche Beschränkung des Umfangs explizit enthalten, wie bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert worden ist.309 Diese Begrenzung ist auch dem Erfordernis eines triftigen Grundes nach Nr. 1 lit. j des Anhangs der Klauselrichtlinie insofern immanent, als eine Preiserhöhung nur zulässig ist, sofern sie von dem angegebenen Grund gedeckt ist. Über diese Obergrenze hinaus setzt der BGH dem Umfang der Preiserhöhung weitere Schranken: 1. Quantitative Begrenzung des Umfang der Preisänderung Zum einen ist, um das Äquivalenzverhältnis zu wahren, eine Begrenzung des Umfangs der Preisänderung in quantitativer Hinsicht erforderlich a) Verbot einer überproportionalen Anpassung Der Preis darf sich nicht überproportional im Verhältnis zur Entwicklung der Bezugsgröße, etwa eines Kostenfaktors, verändern. In der Entscheidung vom 12.07.1989 erklärte der BGH eine Preisänderungsklausel in einem Mietvertrag über eine Fernmeldeanlage für unwirksam. Diese Klausel sah vor, dass, sofern sich im Zusammenhang mit Lohnänderungen in der Fernmeldeindustrie die bei der Vermieterin übliche listenmäßige Miete erhöht oder ermäßigt, sich die Miete dieses Vertrages entsprechend ändert. Der BGH monierte, dass die Veränderung des Mietpreises nicht auf den von der Veränderung der Lohn- und Materialkosten betroffenen Teil beschränkt wurde. Da das Preisänderungsrecht demnach nicht auf den Ausgleich von etwaigen Lohnsteigerungen begrenzt ist, wird so eine Erhöhung des enthaltenen Gewinns und sonstiger, an sich unveränderliche Preisfaktoren in unberechtigter Weise ermöglicht.310 Der vereinbarte Preis darf nur soweit verändert werden, wie es dem Anteil des veränderten Kostenelements am Gesamtpreis entspricht. Wenn sich etwa ein Kostenelement, das 10 % des Gesamtpreises ausmacht, um 2 % erhöht, dann darf der vereinbarte Preis nur um den Betrag der Verteuerung dieses einen Kostenfaktors und nicht um 2 % steigen.311 Dies entspricht auch § 2 Abs. 3 Nr. 2 PrKlG, nach dem keine Veränderungen vorgesehen werden dürfen, die gegenüber der Entwicklung der Bezugsgröße unverhältnismäßig sind.312 Kostenelementeklauseln im weiteren Sinne, die bei Veränderung eines Kosten­elements sich so auf den Vertragspreis auswirken, dass der Preis im gleichen Umfang steigt, benachteiligen demnach den Vertragspartner unangemessen.

309

2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. b) bb). BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116 m. Anm. Coester-Waltjen, EWiR 1990, 315; Matusche/Beckmann, ZIP 1989, 1198. 311 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 19, 184. 312 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln mit Verweis auf § 2 Abs.  2 Nr.  2 PreisklauselVO. 310

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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b) Wahrung von Preisvorteilen Bei Klauseln, die an Kostenänderungen anknüpfen, bleiben dem Vertragspartner etwaige individuell ausgehandelte Preisvorteile aufgrund des oben genannten Verbots einer überproportionalen Anpassung automatisch erhalten bleiben. Dagegen kann das Äquivalenzprinzip verschoben werden, wenn der Vertragspartner durch die Anhebung des vereinbarten Preises auf den Marktpreis für die geschuldete Leistung oder ein vergleichbares Gut oder um den Nominalwert des sich verändernden Indexes individuell ausgehandelter Preisvorteile verlustig wird.313 Dieser Kostenvorteil muss ihm bleiben.314 Daher darf der Ausgangspreis nur höchstens um den Prozentsatz verändert werden, um den sich der Referenzwert verändert hat. Eine Anhebung auf den neuen Marktpreis oder um den Nominalwert benachteiligt den Vertragspartner dagegen unangemessen.315 Es stellt sich die Frage, ob Preisänderungsklausel, die trotz ausgehandelten Preisvorteils, eine Anhebung auf den neuen Marktpreis vorsehen, im Wege einer individualvertragskonformen Auslegung dahingehend auszulegen seien, dass dem Vertragspartner Preisvorteile erhalten bleiben.316 Problematisch an der individualvertragskonformen Auslegung ist, dass sie das Risiko einer geltungserhaltenden Reduktion des Klauselinhalts in sich birgt. Daher ist es geboten, solchen Klausel im Rahmen der Inhaltskontrolle die Wirksamkeit abzuerkennen, zumal das Risiko zu weitreichender Klauseln der Verwender trägt.317 Eine Ausnahme davon kann angenommen werden, wenn die Erhaltung der Kostenvorteile aus der Sicht des Vertragspartners außer Frage steht.318 c) Erhaltung der Leistungsfähigkeit Die Preisanpassung darf darüber hinaus nicht die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners übersteigen. Er darf nicht einer unbegrenzten Preissteigerung ausgesetzt sein. Schließlich hätte der Vertragspartner bei Abschluss eines kurzfristigen 313

Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 108. 314 In diese Richtung bereits BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26; BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 79; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 171; Staudinger/Coester-Waltjen, Neub. 2013, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 21; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 19. 315 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 171. 316 Ausführlich zur Zulässigkeit einer individualvertragskonformen Auslegung Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 171 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 305 c BGB Rn. 117; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 c BGB Rn. 131 ff. 317 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 171 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 126; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305 c BGB Rn. 69; a. A. Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 305 c BGB Rn. 133; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/ Hau,§ 305 c BGB Rn. 117. 318 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 305 c BGB Rn. 117 a.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Vertrages anstelle eines langfristigen Vertrages prüfen können, ob er genügend Mittel hat, um sich die Ware oder Dienstleistung leisten zu können.319 Folglich könnte das Preisänderungsrecht des Verwenders durch die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners begrenzt werden. Da die Leistungsfähigkeit des Einzelnen schwer zu definieren ist, ist es jedoch besser, anstelle der Festsetzung einer Obergrenze in Form eines Prozentsatzes oder eines Geldwertes dem Vertragspartner ein Lösungs­ recht für den Fall einer übermäßigen Erhöhung einzuräumen.320 So kann er selbst darüber entscheiden, ob der neu festgesetzte Preis seiner Leistungsfähigkeit entspricht und ob er bereit ist einen solchen zu zahlen. Folglich wird die Erhaltung der Leistungsfähigkeit im Rahmen Frage nach der Einräumung eines Lösungsrechts erläutert. d) Ausstrahlungswirkung der Preise für Neuabschlüsse Durch das Preisänderungsrecht kommt der Verwender in den Genuss der Vorteile von sowohl langfristigen als auch kurzfristigen Verträgen. Er kann, ohne einen neuen Vertrag abschließen zu müssen, die auf sachlichen Gründen beruhenden Preissteigerungen an den Vertragspartner weitergeben. Dies entspricht auch insofern dem Interesse des Vertragspartners, als er, um besser kalkulieren zu können, an einer langfristigen Bindung interessiert ist und einen höheren Preis auch bei Abschluss eines kurzfristigen Vertrages oder aufeinander folgenden Verträgen zahlen müsste. Allerdings darf der Verwender durch die Preisanpassungsbefugnis nicht besser gestellt werden, als er es bei einem Neuabschluss des Geschäfts wäre. Er darf nicht solche Preiserhöhungen weitergegeben, die er am Markt ansonsten nicht hätte durchsetzen können.321 Kann der Verwender bei einem Neuabschluss des Vertrages die gestiegenen Kosten nicht in vollem Umfang auf den neuen Kunden abwälzen, wäre es unbillig, wenn er dies im Rahmen seines Preisänderungsrechts realisieren könnte. Um eine unangemessene Benachteiligung zu vermeiden, darf der Verwender daher die Preisänderung nur in dem Maße weitergeben, wie er diese bei einem hypothetischen kurzfristen Vertragsschluss oder aneinander anschließenden Verträgen durchsetzen würde.322 Problematisch an diesem Ansatz ist allerdings, dass 319

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 171 f. Vgl. 3. Teil Kapitel 8 B. II.; 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. b) bb). 321 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 102. 322 In diese Richtung BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 79 „An der Grenze der objektiven Billigkeit kann ferner eine Preisbestimmung scheitern, mit der der Verkäufer – bei entsprechenden Markt- und Nachfrageverhältnissen – eine Preiserhöhung durchzusetzen versucht, die zwar unterhalb der allgemeinen Preissteigerung, aber weit über dem Anstieg der allgemeinen Anschaffungskosten für Personenkraftwagen liegt.“ Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184, 209 bei Weitergabe von Kostensteigerungen in langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen und Dauerschuldverhältnissen; Wolf, ZIP 1987, 341, 352 für den unternehmerischen Verkehr im Bereich der Daseinsvorsorge; Büdenbender, NJW 2007, 2945, 2950 Preisgleichheit 320

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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nicht stets eine Preisgleichheit von Alt- und Neuabnehmern vorliegt. Insbesondere ist die Einräumung von Preisvorteile zur Gewinnung von Neukunden nicht unüblich.323 Folglich ist eine Ausstrahlungswirkung der Preise für Neuabschlüsse in Hinblick auf die Weitergabe von Kostensenkungen nur bedingt zu berücksichtigen. Die Preise für Neuabschlüsse bilden dennoch ein zusätzliches marktorientiertes Korrektiv von auf den Vertragspartner übertragbaren Kostensteigerungen. Der am jeweiligen Markt herrschende Wettbewerb wird den Unternehmer insbesondere daran hindern, Kosten, die auf Umständen beruhen, die er zu vertreten hat, in den Neupreis einzuberechnen. Planungs-, Entwicklungs- oder Fabrikationsfehlern ebenso wie Investitions- und Werbekosten hat der Unternehmer selbst zu tragen. Kostensteigerungen, die alle Wettbewerber am jeweiligen Markt treffen, können dagegen auf die andere Vertragspartei umgewälzt werden, da sie auch bei Neuabschlüssen früher oder später berücksichtigt werden würden. Konnte der Klausel­ verwender die Kostensteigerung bei Neuabschlüssen nur zum Teil weitergeben, so darf der vereinbarte Ausgangspreis nur um diesen Teil erhöht werden.324 Im Ergebnis kann hier eine Parallele zu den oben erläuterten sachlich legitimierten, auf den Vertragspartner umwälzbaren Kostensteigerungen gezogen werden; die Weitergabe von durch den Verwender selbst verschuldeten Kostensteigerungen ist unangemessen.325 Ferner profitiert der Vertragspartner durch die Ausstrahlungswirkung der Preise für Neuabschlüsse, trotz Kopplung des Preises an die jeweiligen Kostenfaktoren, von dem auf dem Markt herrschenden Preiswettbewerb. Dies entspricht auch der gesetzlichen Preisänderungsregelung in § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeAVB, der bei Preisanpassungen in Fernwärmeverträgen neben der Kostenentwicklung die Berücksichtigung der auf dem jeweiligen Markt herrschenden Verhältnisse fordert. Die Preise für Neuabschlüsse sind auch als Grenze bei Preisänderungsklauseln, die dem Ausgleich von Wertminderungen der Gegenleistung dienen, zu beachten. Wenn die Preissteigerungsrate für die zu erbringende Leistung geringer ist als die Steigerungsrate etwa des Lebenshaltungskostenindexes oder des Marktpreises für ein vergleichbares Gut, verändern sich die Preise für Neuabschlüsse in geringerem Umfang als diese Bezugswerte.326 Bei Preisänderungsklauseln zur Ausgleich von Steigerungen des Werts der zu erbringenden Leistung ist keine Begrenzung auf die Preise für Neuabschlüsse erfor­

für Alt- und Neukunden als wichtiges Indiz hinsichtlich der Billigkeit nach § 315 Abs. 1 BGB, jedoch Ausnahmen möglich; Coufàl, in Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, 232, 242; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 207. 323 Büdenbender, NJW 2007, 2945, 2950 hinsichtlich der Billigkeit der Preiserhöhung nach § 315 Abs. 1 BGB. 324 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 184. 325 Vgl. 3. Teil. Kapitel 7 B. II. 2. 326 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 180.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

derlich. Der veränderte Marktpreis stellt zugleich den veränderten Preis für Neuabschlüsse dar.327 Maßgeblich für das zulässige Ausmaß der Preiserhöhung ist jeweils der Faktor mit der geringsten Steigerungsrate. Verändern sich die Bezugsgrößen, etwa die Kostenfaktoren oder der Index, an den die Preisänderungsbefugnis geknüpft ist, geringer als die Preise für Neuabschlüsse, bildet die Veränderung der jeweiligen Bezugsgrößen die Obergrenze. Steigen die Preise für Neuabschlüsse in einem geringeren Umfang als die Bezugsgrößen, ist der Preis für Neuabschlüsse maßgeblich. Die Begrenzung des Preisänderungsrechts auf den Preis für einen Neuabschluss kann auch dadurch bewirkt werden, dass statt der Verankerung einer solchen Grenze in der Preisänderungsklausel selbst, dem Vertragspartner, sofern die Preiserhöhung den Preis bei einem Neuabschluss übersteigt, ein Kündigungsrecht eingeräumt wird.328 Auch auf diese Weise profitiert der Verbraucher von dem Preiswettbewerb. Dies entspricht insofern der Privatautonomie, als der Verwender einen über diese Obergrenze hinausgehenden Preis realisieren kann. Allerdings sind, wie oben erläutert, beide Parteien an der Stabilität ihres Vertragsverhältnisses interessiert. Ferner ist danach abzuwägen, ob ein Kündigungsrecht geeignet ist, Abhilfe zu verschaffen. Dies ist zu insbesondere verneinen, wenn mit der Lösung vom Vertrag unverhältnismäßig hohe Anstrengungen verbunden sind. Es ist daher vom Einzelfall abhängig, wie der Ausstrahlungswirkung der Preise für Neuabschlüsse in der jeweiligen Preisänderungsklausel Rechnung getragen werden kann. e) Preissenkungspflicht aa) Ausdrückliche Rechtspflicht zu Preissenkungen Der EuGH hat sich bisher nicht ausdrücklich zu einer Preissenkungspflicht des Klauselverwenders geäußert. Eine solche ergibt sich lediglich aus dem Gebot der symmetrischen Klauselgestaltung, das einigen Tatbeständen des Anhangs entnommen werden kann, und Art. 10 Abs. 1, 4 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302, der dem Reisenden einen Anspruch auf Preissenkungen zuspricht. Dagegen führt nach der nationalen Rechtsprechungen und Literatur eine Preisänderungsklausel zu einer unangemessenen Verschiebung des Äquivalenzprinzips, wenn sie nur das Recht des Verwenders enthält, Preissteigerungen weiterzugeben, nicht aber zugleich die Verpflichtung zur Herabsetzung der Entgelte bei Preissenkungen.329 327

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 193. Borges, DB 2006, 1199, 1203; Grabner, in Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, 289, 315. 329 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 17; BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 25; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn.  28 f.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn.  29; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 26 f.; Borges, DB 2006, 1199, 1203; Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 135; Ulmer/ 328

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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Eine Preisänderungsklausel muss sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten der jeweiligen Vertragspartei wirken; nur in diesem Fall ist eine ausgewogene Risikoverteilung sowie das bei Vertragsschluss festgelegte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gewahrt.330 Es ist ein paritätischer Einsatz der Preisänderungsklausel geboten. Die Preissenkungspflicht stellt ein interessengerechtes Pendant zum Preiserhöhungsrecht des Klauselverwenders dar. Dies entspricht auch § 2 Abs. 3 Nr. 1 PrKlG, nach dem eine unangemessene Benachteiligung insbesondere vorliegt, wenn einseitig ein Preis- oder Wertanstieg eine Erhöhung, nicht aber umgekehrt ein Preis- oder Wertrückgang eine entsprechende Ermäßigung des Zahlungsanspruchs bewirkt. Es wäre unbillig – zumal beide Vertragsparteien an einer langfristigen Vertragsbindung interessiert sind – wenn der Vertragspartner den Vertrag erst kündigen müsste, um möglicherweise bei einem Neuabschluss von Preissenkungen zu profitieren. Damit der Verwender allerdings nicht das Risiko trägt einen ausgehandelten Preisvorteil zu verlieren, darf bei Anknüpfung der Preisänderungsklausel an einen Marktpreis oder Index die Preisherabsetzung lediglich prozentual mit der Senkung des Marktpreises übereinstimmen.331 Während bei Automatikklauseln aufgrund der Bindung an die Bezugsgrößen eine beiderseitige Wirkung der Klausel automatisch gewährleistet werden kann,332 muss die Preissenkungspflicht aus einem Preisänderungsvorbehalte eindeutig ablesbar sein. Andernfalls wäre dem Unternehmer ein schrankenloses Preiserhöhungsrecht vorbehalten, das er zur ungerechtfertigten Steigerung seiner Gewinnspanne ausnutzen könnte. Der BGH formuliert sehr strenge Anforderungen an die Eindeutigkeit.333 Enthält eine Klausel lediglich die Berechtigung zur Preisanpassung, die durch die Verben „berechtigt“, „darf“ oder „vorbehält“ gekennzeichnet ist, so ist die Klausel nach der kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend auszulegen, dass keine Pflicht des Klauselverwenders zur Preissenkung bei sinkenden Kosten oder anderen Bezugsgrößen besteht.334 Selbst wenn die Preisänderungsklausel klarstellt, dass Preisänderungen sowohl Erhöhungen als auch Absenkungen umfassen, sieht der BGH hierin eine unangemessene Benachteiligung mangels ausdrücklicher Preissenkungsverpflichtung des Gewerbetreibenden.335 Während Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182 d; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013), 30, 42; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 186, 194; a. A. OLG Düsseldorf v. 22.11.2001, NJW 2002, 447, 448; Wolf, ZIP 1987, 341, 351 Preissenkungspflicht nur in Ausnahmefällen; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) keine Preissenkungspflicht bei einmaliger Leistungserbringung. 330 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 17. 331 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 175. 332 So auch Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 308 f.; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 99. 333 So auch Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3127. 334 BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 28; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 26 f.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 28 f.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 29; BGH v. 13.01.2010, NJR-RR 2010, 1202 Rn. 19; kritisch dazu Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129. 335 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 27.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

der BGH in der Entscheidung vom 06.03.1986 eine inhaltlich unbeschränkte Zinsanpassungsklausel im Aktivgeschäft von Banken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung noch dahingehend interpretierte, dass sie die Bank auch zur Herabsetzung des Preises verpflichte,336 fordert er nun auch für Zinsanpassungsklauseln, dass diese eine explizite Verpflichtung zur Preissenkung enthalten.337 Zwar hält es der BGH für nicht ausgeschlossen, sofern der Umfang der Preisanpassung an den Billigkeitsmaßstab des § 315  Abs.  1  BGB gebunden ist, dass der Verwender nicht lediglich Erhöhungen der Referenzgrößen berücksichtigen werde.338 Eine solche Interpretation ist insbesondere möglich, wenn die Klausel nicht nur von einer Befugnis zur Erhöhung, sondern neutral von einem Änderungsrecht spricht. Allerdings lässt sich wegen der Mehrdeutigkeit der Klausel der Bindung an den Billigkeitsmaßstab keine verbindliche Verpflichtung zur Preisherabsetzung entnehmen.339 Während die Preiserhöhung in das Ermessen des Verwenders gelegt werden darf, ist es unangemessen dem Verwender über die Preissenkung einen Entscheidungsspielraum zu überlassen.340 Freilich erscheint die ausdrückliche Verankerung der Preissenkungspflicht als formalistisch, wenn die Möglichkeit einer Preissenkung ausdrücklich erwähnt, die Gleichbehandlung von Preissenkungen und Preiserhöhungen durch eine langjährige Vertragspraxis unterstützt wird sowie die Auslegung der Preisänderungsklausel eine Preissenkungspflicht nicht generell ausschließt.341 Zur Vermeidung von Rechtsrisiken, ist dem Klauselverwender aber besser gedient, wenn er für den Fall der Senkungen der preisrelevanten Kosten oder des Wertverlusts der zu erbringenden Leistung eine Preissenkungspflicht des Verwenders in die Klausel ausdrücklich aufnimmt. bb) Gleichbehandlung von Preissteigerung und -senkung in Hinblick auf Anlass, Umfang und Zeitpunkt Es gilt das Prinzip der Anpassungssymmetrie.342 Das Anpassungsrecht muss nach oben als auch nach unten in gleicher Weise ausgeübt werden. Der Anpassungsberechtigte dürfe nicht Preissenkungen nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben als Preissteigerungen Rechnung tragen; dies verschafft ihm die Möglich-

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BGH v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 217 f.; BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 23. BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 31 f. es sei „kein Grund ersichtlich Zinsanpassungsklauseln insoweit anders als sonstige Preisänderungsklauseln auszulegen.“ 338 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 20. 339 BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 28. 340 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 21. 341 Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129. 342 Graf v. Westphalen/Fandrich, Darlehensvertrag (Juli 2012) Rn.  88; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 99. 337

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keit einer ungerechtfertigten Erhöhung seiner Gewinnspanne.343 Die Anpassungs­ symmetrie gilt dabei hinsichtlich des Anlasses, Umfangs und des Zeitpunkts der Anpassung.344 Veränderungen einer Bezugsgröße, die zu Preissenkungen führen, sind – wie oben erläutert – genauso zu berücksichtigen wie Veränderungen dieser Bezugsgröße, die zu einer Preissteigerung führen. Dies gilt auch in quantitativer Hinsicht. Werden Kostensteigerungen in vollem Umfang an den Vertragspartner weitergegeben, so muss die andere Partei auch von den Kostensenkungen in vollem Ausmaß profitieren. Darüber hinaus ist eine Gleichbehandlung in zeitlicher Hinsicht erforderlich. Es stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn der Klauselverwender Preiserhöhungen unmittelbar nach Erhöhung der Bezugsgröße vornimmt, der Reduzierung des Ausgangspreises für den Fall sinkender Kosten oder Marktpreise dagegen „nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung trägt.“345 Nach dem BGH ist neben der ausdrücklichen Verankerung der Preissenkungspflicht erforderlich, dass auch das Gebot der Anpassungssymmetrie sich explizit aus der Preisänderungsklausel ergibt. Dagegen lässt es Thomas zur Wahrung der Anpassungssymmetrie genügen, dass die Preisanpassung an den Billigkeitsmaßstab des § 315 BGB geknüpft ist.346 Dem ist nicht zu folgen. Ein rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittsverbraucher kann sich unter der Anknüpfung an den Billigkeitsmaßstab nicht viel vorstellen. Die weitreichenden, dem Verbraucher zu Gute kommenden Konsequenzen lassen sich nur durch Kenntnis der höchstrichterlicher Rechtsprechung erschließen. Andernfalls könnte der Klauselverwender berechtigte Ansprüche ablehnen. Folglich ist in Preisänderungsklauseln, explizit aufzunehmen, dass Preissenkungen nach den gleichen inhaltlichen und zeitlichen Maßstäben wie Preiserhöhungen an den Vertragspartner weiterzugeben seien.347 Fehlt es an einer solchen Formulierung so hält die Klausel nach der im Verbands- und Individualprozess üblichen kundenfeindlichsten Auslegung einer Inhalts­kontrolle richtigerweise nicht stand.348

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BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn.  18 ff.; BGH v. 15.07.2009, Rn.  23; BGH v. 27.09.2009 – VIII ZR 204/08, juris Rn. 8; BGH v. 13.01.2010, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 18; BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 Rn. 37. 344 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 135. 345 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 21; BGH v. BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 29; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 27; BGH v. 13.01.2010, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 19; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 135; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 103. 346 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 104 mit Bezug auf BGH v. 06.03.1986, NJW 1986, 1803, 1804 für Zinsanpassungsklauseln in Aktivgeschäften; Rechtsprechungsänderung in BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 31 f. 347 So auch Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605. 348 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 20; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 29; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 29.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

cc) Begrenzung der Preissenkungspflicht Während bei Preisanpassungsklauseln, die das Anpassungsrecht an einen Marktpreis oder Index knüpfen, keine Begrenzung der Preissenkungspflicht erfolgen muss, stellt sich die Frage, ob der Verwender, sofern er das Änderungsrecht an die Veränderung der relevanten Kostenfaktoren knüpft, jede Kostensenkung an die Vertragspartner weitergeben muss. Gesunkene Kosten sind nicht immer das Ergebnis von Senkungen der Preise für Rohstoffe auf einem betreffenden Markt, sondern basieren oft auf Rationalisierungsmaßnahmen des Klauselverwenders. Im Schrifttum wird daher vertreten, dass Kostensenkungen, die z. B. durch Investitionen, Innovationen, Verlagerungen der Produkte in Niedriglohnländer oder durch einen „Preiskampf“ mit einem anderen Wettbewerber als „Geschäftsstrategie“ verursacht werden, d. h. auf unternehmerischen Geschick beruhen, nicht an den Vertragspartner weitergegeben werden müssen.349 Es bereitet allerdings Schwierigkeiten zu differenzieren, welche Kostensenkungen auf unternehmerischen Rationalisierungsmaßnahmen beruhen. Kamanabrou will hier als Maßstab die Entwicklung der Preise für Neuabschlüsse heranziehen. Die Preissenkungspflicht gehe nur so weit, wie der Verwender diese Preissenkung bei Neuabschlüssen weitergibt. Schließlich müsste der Unternehmer die durch eine Rationalisierungsmaßnahme hervorgerufene Senkung seiner Ge­ stehungskosten auch nicht an Neuabnehmer weitergeben.350 Problematisch an diesem Ansatz ist allerdings, dass – wie bereits oben angeklungen ist – nicht stets eine Preisgleichheit von Alt- und Neuabnehmern vorliegt. Besonders die Einräumung von Preisvorteilen zur Gewinnung von Neukunden ist nicht unüblich.351 Die Pflicht zur Weitergabe von Preissenkungen betrifft daher nur solche Preissenkungen, die durch das Absinken der Bezugsgröße, folglich der für die Preisbildung relevanten Kostenfaktoren hervorgerufen werden. Sofern der Gewerbetreibende Neukunden darüber hinausgehende Preisvorteile vorübergehend einräumt, um diese zum Vertragsschluss zu motivieren und seine Geschäftstätigkeit auszuweiten, müssen diese nicht an den Altkunden weitergegeben werden. Vielmehr muss sich der Vertragspartner an dem Abschluss eines langfristigen Schuldverhältnisses festhalten lassen. Besser ist daher danach zu differenzieren, ob die Kostenvorteile im Machtbereich des Gewerbetreibenden liegen oder das Ergebnis externer Einflüsse sind. Sofern Preiserhöhungen, die im ausschließlichen Einflussbereich des Verwenders liegen, 349

Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 60; Borges, DB 2006, 1199, 1203; Wolf, ZIP 1987, 341, 351; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn.  182 d; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 187; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 54 f., a. A. Rn. 32 als er auf die Selbstkosten i. S. v. § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG abstellt; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1867 mögliche Kosteneinsparungen bei den beeinflussbaren Kosten müssen abgezogen werden. 350 Kamanabrou, Vertraglichen Anpassungsklauseln, 186 f. 351 Büdenbender, NJW 2007, 2945, 2950 hinsichtlich der Billigkeit nach § 315 BGB.

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wie oben erörtert, nicht weitergegeben werden können, gilt dies auch für Preissenkungen, die ausschließlich auf unternehmerischem Geschick des Verwenders beruhen. Andernfalls würde kein Anreiz zu Kosteneinsparungen bestehen.352 Preisanpassungsklauseln dürfen nicht zu einer generellen Gewinnbegrenzung führen.353 Darüber hinaus haben Rationalisierungsmaßnahmen selten Auswirkung auf lediglich ein einzelnes Produkt, sondern betreffen vielmehr eine Produktpalette. Es ist hier dem Entscheidungsspielraum des Verwenders überlassen, welchem Marktsegment der Unternehmer den Vorteil der Kostensenkung zukommen lassen will. Da Kostensenkungen, die auf Rationalisierungsmaßnahmen des Unternehmers beruhen, primär dazu dienen sollen bessere Gewinnmöglichkeiten auf dem Markt zu erzielen, führen sie auch nicht zu einer Verschiebung des Äquivalenzprinzips zum Nachteil des Vertragspartners.354 f) Saldierungsgebot Sowohl an automatische Kostenelementeklauseln als auch an Preisänderungsvor­ behalte, die auf Kostenänderungen Bezug nehmen, stellt der BGH die Forderung auf, dass Kostensteigerungen mit Kostensenkungen in anderen Bereichen zu saldieren sind.355 So verstoße eine Preisanhebung „im Umfang der Veränderung dieser Kostenfaktoren pro Liefereinheit“ gegen das Saldierungsgebot. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung einer solchen Klausel, sei für einen rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittsverbraucher nicht hinreichend ersichtlich, dass die Er­ höhung einer oder mehrerer Kostenfaktoren nicht zu einer Erhöhung des Gaspreises führen kann, wenn die Erhöhung durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen wird.356 Sofern Kostenerhöhungen als auch Kostensenkungen in unterschiedlichen Bereichen eintreten, ergibt sich daher nach der Rechtsprechung des BGH die Notwendigkeit der Verrechnung. Diesem Erfordernis wird bei automatischen Kostenelementeklauseln durch die Automatismusfunktion Rechnung getragen, während das Saldierungsgebot in einem Preisänderungsvorbehalt ausdrücklich fixiert werden muss. Das Saldierungsgebot ist für die Wahrung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich und verdient daher Zustimmung.357 Allerdings erscheint die ausdrückliche Fixierung des Saldierungsgebots in der Preisänderungsklausel zu formalistisch. Eine Saldierung 352

Wolf, ZIP 1987, 341, 351; Borges, DB 2006, 1199, 1203. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182 d. 354 Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 54; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182 d. 355 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 12 – Pay-TV; BGH v. 24.03.2010, BGHZ 185, 96 Rn. 35; BGH v. 24.03.2010, NJW 2010, 2793 Rn. 48. 356 BGH v. 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717. 357 So auch Borges, DB 2006, 1199, 1201; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605; Kessel/ Schwedler, BB 2010, 585, 587 f.; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 98. 353

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der Kostenelemente ist sichergestellt, sofern das Preisänderungsrecht an die Veränderung der für die Preisbildung relevanten Kosten geknüpft ist und in der Klausel ausdrücklich verankert ist, dass Preissenkungen nach den gleichen inhaltlichen und zeitlichen Maßstäben wie Preiserhöhungen an den Vertragspartner weiterzugeben seien. Um das Risiko der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel zu vermeiden, ist das Saldierungsgebot aber entsprechend der Rechtsprechung ausdrücklich in die Klausel aufzunehmen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Preisänderungsrecht, wie es in der Rechtsprechung anklingt, an der Gesamtkostenbelastung zu messen sei.358 Für eine solche Orientierung spricht, dass Preisanpassungsklauseln, die nicht an die Gesamtkosten gebunden sind, die Gefahr bergen, dass Kostenerhöhungen weiter­gegeben werden, die durch Kostensenkungen außerhalb der relevanten Bezugsgrößen ausgeglichen worden wären, so dass der Gewerbetreibende im Ergebnis seinen Gewinn maximieren könnte. Umgekehrt kommt es allerdings nicht zu Preis­ erhöhungen, wenn Kostensteigerungen außerhalb der relevanten Bezugsgrößen auftreten. Eine Orientierung nicht an der Gesamtkostenbelastung benachteiligt den Vertragspartner mithin nicht unangemessen.359 Auch der BGH verlangt keine Berücksichtigung der Gesamtbelastung, als er das Preisänderungsrecht nur an betriebsexterne Kostenfaktoren knüpfen möchte.360 Wie oben erläutert, sollen gerade nicht jegliche Kostensteigerungen oder -senkungen an den Vertragspartner weitergegeben werden. Es stellt schließlich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar, wenn Kostensteigerungen an den Kunden weitergegeben werden, die im Einflussbereich des Verwenders liegen oder durch Umstände, die der Klauselverwender zu vertreten hat, auftreten. Sofern den Verbraucher begünstigende Kostensenkungen durch solche Kostenerhöhungen ausgeglichen werden, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung dar. Zudem ist keine Weitergabe von Kostensenkungen, die auf unternehmerischen Geschick beruhen, erforderlich. Eine Verrechnung von Kostensteigerungen mit solchen Kostensenkungen benachteiligt den Unternehmer unangemessen. Folglich ist nicht die Saldierung aller Kostenfaktoren erforderlich.361 Es sind Kostensteigerungen und Kostensenkungen nur von berücksichtigungsfähigen Kostenfaktoren miteinander zu verrechnen. Eine Orientierung an der Gesamtkostenbelastung ist nicht erforderlich. Kostensteigerungen dürfen nur insofern weitergegeben werden als sie nicht durch Senkungen anderer Kostenfaktoren ausgeglichen werden, an die der Verwender sein Preiserhöhungsrecht knüpft. Die oben erläuter­ten Grundsätze zur Anpassungssymmetrie von Preissteigerungen und Preissenkungen 358 Zustimmend Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1868; wohl auch de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 172; a.A.Thomas, AcP 209 (2009), 84, 99 ff.; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587 f. 359 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 100 f.; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587. 360 Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587. 361 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 101; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 587; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 182.

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gelten dabei auch für das Saldierungsgebot. Die Saldierung der Be- und Entlastun­ gen hat nach in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht gleichlaufenden Maßstäben zu erfolgen. Insbesondere muss die Saldierung an einem bestimmten Termin vorgenommen werden, damit der Klauselverwender nicht durch die Wahl des Anpassungstermins Einfluss auf den Preis nehmen kann.362 g) Zusammenfassung Das Preiserhöhungsrecht unterliegt, um das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzprinzip zu wahren, demnach mehreren Schranken: Das Ausmaß der Kostensteigerungen, die Erhöhung des Marktpreises für das geschuldete oder ein vergleichbares Gut oder der Anstieg eines Indexes bilden jeweils die Obergrenze für eine Preisanpassung. Dabei darf die Veränderung eines Kostenfaktors nicht zu einer überproportionalen Veränderung des bei Vertragsschluss vereinbarten Preises führen. Der Preis darf nur um das Maß erhöht werden, wie es dem Anteil des veränderten Kostenelements am Gesamtpreis entspricht. Um den bei Vertragsschluss vereinbarte Preisvorteil dem Vertragspartner zu erhalten, darf der Verwender bei Klauseln, die an den Marktpreis für die zu erbringende Leistung oder ein vergleichbares Gut anknüpfen, die Veränderung nur prozentual weitergegeben. Eine weitere Obergrenze bilden die Preise für Neuabschlüsse. Es gilt das Gebot der Gleichbehandlung von Alt- und Neukunden, welches sowohl dem Interesse des Verbrauchers als auch dem des Verwenders entspricht. Der Verbraucher, der an einem langfristigen Vertrag interessiert ist, wird vor unzulässigen Preiserhöhungen dadurch geschützt, dass der Verwender nur Erhöhungen in dem Ausmaß weitergeben darf, wie er diese bei einem hypothetischen kurzfristen Vertragsschluss oder aneinander anschließenden Verträgen mit Neukunden durchsetzen könnte. Zugleich wird die Preissenkungspflicht des Verwenders dahingehend begrenzt, als solche Kosteneinsparungen, die er an Neukunden nicht weitergeben würde, auch nicht an den Vertragspartner weitergegeben werden müssen. Schließlich müsste der Unternehmer die durch eine Rationalisierungsmaßnahme hervorgerufene Senkung seiner Gestehungskosten auch nicht an Neuabnehmer weitergeben. Beide Vertragspartner profitieren folglich durch die Begrenzung auf die Preise für Neuabschlüsse von dem auf dem jeweiligen Markt herrschenden Preiswettbewerb. Ein Gleichlauf der Preise von Alt- und Neukunden in Hinblick auf Senkungen ist allerdings nur bei solchen Preissenkungen vorzunehmen, die durch das Absinken der Bezugsgrößen, folglich der für die Preisbildung relevanten Kostenfaktoren hervorgerufen werden. Sofern der Gewerbetreibende Neukunden darüber hinausgehende Preisvorteile vorübergehend einräumt, um diese zum Vertragsschluss zu motivieren und seine Geschäftstätigkeit auszuweiten, müssen sich diese nicht auf Verträge mit Alt 362

Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 29.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

kunden auswirken. Vielmehr muss sich der Vertragspartner an dem Abschluss eines langfristigen Schuldverhältnisses festhalten lassen. Der Preis bei Neuabschlüssen kann als Obergrenzen in der Klausel verankert werden oder es kann dem Vertragspartner für den Fall einer Überschreitung des Preises bei Neuabschlüssen ein Lösungsrecht eingeräumt werden. Ferner gilt das Gebot der Anpassungssymmetrie in Hinblick auf Anlass, Umfang und Zeitpunkt. Eine Preisänderungsklausel muss sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten der jeweiligen Vertragspartei wirken. Eine Bezugsgröße darf dem Verwender nicht nur ein Preiserhöhungsrecht für den Fall einer Steigerung der Bezugsgröße einräumen, sondern muss ihn gleichzeitig dazu verpflichten, Preissenkungen bei Absinken des Referenzwerts vorzunehmen. Dies gilt auch in quantitativer und zeitlicher Hinsicht. Die Pflicht zu Preissenkungen sowie der Gleichbehandlung von Preissenkungen und Preissteigerungen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht muss in der Klausel explizit verankert werden. Eine Klausel, die nach der kundenfeindlichsten Auslegung ein anderes Verständnis ermöglicht, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Preissenkungspflicht unterliegt insofern einer Grenze, als der Verwender Kosteneinsparungen, die auf Rationalisierungsmaßnahmen beruhen, an den Kunden, wie im Rahmen von Neuabschlüssen, nicht weitergeben muss. Es ist danach zu unterscheiden, ob die Kostensenkung auf externen Effekten oder eigener Leistung des Verwenders beruht. Speziell für Klauseln, die Bezug nehmen auf Kostenänderungen muss das Saldierungsgebot beachtet werden. Kostensteigerungen dürfen nur weitergegeben werden, sofern sie nicht durch Senkungen von anderen Kostenfaktoren, an die das Preisänderungsrecht anknüpft, kompensiert werden. Eine Orientierung an der Gesamtkostenbelastung ist dabei nicht erforderlich. Die Saldierung der Kostensenkungen und -erhöhungen hat nach in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht gleichlaufenden Maßstäben zu erfolgen Auch das Saldierungsgebot muss sich explizit aus der Klausel ergeben. Das Preiserhöhungsrecht unterliegt folglich mehrfachen Begrenzungen. Eine Preiserhöhung wird zum einen durch das Ausmaß der Veränderung der Bezugsgröße begrenzt. Unabhängig von der jeweiligen Bezugsgröße geht mit dem Preiserhöhungsrecht die Pflicht einher, Preissenkungen nach den gleichen quantitativen und zeitlichen Maßstäben an den Kunden weiterzugeben wie Preiserhöhungen. Sofern auf Kostenänderungen Bezug genommen wird, gilt das Saldierungsgebot. Kostenerhöhungen dürfen demnach nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem sie nicht durch andere rückläufige berücksichtigungspflichtige Kostenfaktoren ausgeglichen werden. Ferner wird das Preisänderungsrecht durch die Preise bei Neuabschlüssen begrenzt. Maßgeblich für das zulässige Ausmaß einer Erhöhung ist jeweils der Faktor mit der geringsten Steigerungsrate.

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2. Zeitliche Begrenzung des Änderungsrechts Der zeitliche Aspekt ist in der Regel nur bei Dauerschuldverhältnissen entscheidend, während bei langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen der Preis lediglich einmal geändert wird.363 Der Verwender hat einen Ermessensspielraum, wann er eine Änderung an den Kunden weitergeben möchte. Eine zeitliche Befristung des Änderungsrechts muss nicht explizit in der Preisänderungsklausel genannt werden, da eine Berufung auf die Preiseanpassungsbefugnis lange Zeit nach Auftreten der relevanten Gründe nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist. In der Regel ist eine Preisänderung innerhalb von ein bis zwei Monaten nach Auftreten des Änderungsgrundes durchzuführen.364 Darüber hinaus ist im Interesse des Kunden an einer Preisstetigkeit zu vermeiden, den Preis in kurzen Abständen anzupassen, wobei hier auch die Schranke der Erheblichkeit greift.365 Zudem ist die Preisentwicklung in der jeweiligen Branche zu berücksichtigen.366

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von dem oben Gesagten zu den Anforderungen, die Preisänderungsklauseln einhalten müssen, um eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zulasten des Verbrauchers zu verhindern, lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen ziehen, die am Beispiel der Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen verdeutlicht werden. I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Zu der inhaltlichen Angemessenheit von Preisänderungsklauseln ist bisher kaum Rechtsprechung des EuGH ergangen. Der EuGH hat sich lediglich zur Erforderlichkeit eines Lösungsrechts geäußert. Dies verwundert nicht, da der EuGH erst seit Kurzem seine in Freiburger Kommunalbauten selbstauferlegte Zurückhaltung Schritt für Schritt ablegt hat. Dagegen enthält die deutsche Judikatur konkrete Vorgaben dazu, welche Anlässe einen sachlich legitimierten Grund für eine Preisänderungsbefugnis des Verwenders darstellen und welchen Begrenzungen der Umfang der Preisänderung unterliegen muss, um eine Verschiebung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu verhindern. 363

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 204. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 129. 365 Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605. 366 In diese Richtung exemplarisch Schöne, WM 2004, 262, 269 gegen eine einjährige Preisbindung bei Stromlieferungsverträgen. 364

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Lediglich aus den Preisänderungsklauseln betreffenden Tatbeständen des Richtlinienanhangs und den sektorspezifischen Regelungen zu Preisänderungsklauseln aus anderen verbraucherschützenden Richtlinien lässt sich schließen, dass das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis nicht durch die einseitige Gestaltungsmacht des Unternehmers zu Lasten des Verbrauchers verschoben werden darf. Für die Zulässigkeit eines Preisänderungsrechts ergibt sich aus Nr.  1  lit.  j sowie aus dem aus Nr. 1 lit. j und k folgenden allgemeinen Willkürverbot, dass ein nach Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien rechtlich überwiegender Grund auf Abänderung bestehen muss. Das Änderungsrecht kann insbesondere an Veränderungen der preisrelevanten Kosten aber auch an Marktveränderungen gekoppelt werden. Dabei kann es sich um Faktoren, die der Gewerbetreibende nicht beeinflussen kann, aber auch um solche, die nicht in seinem Einflussbereich liegen, handeln. Vorgaben zur Begrenzung des Preisänderungsumfangs ergeben sich ebenfalls insofern aus der Bindung des Preisänderungsrechts an einen triftigen Grund, als Preiserhöhungen nur in dem Umfang zulässig sind, in dem sie von dem jeweiligen triftigen Grund gedeckt sind. Ferner kann aus dem Grundsatz der symmetrischen Klauselgestaltung und Art. 10 Abs. 1, 4 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302 abgeleitet werden, dass Preissenkungen nach den gleichen Maßstäben wie Preiserhöhungen zu behandeln sind.

II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Für ein Preisänderungsrecht des Verwenders muss folglich, um eine Verschiebung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu verhindern, ein zulässiger sachlicher Grund bestehen. Ferner unterliegt das Preiserhöhungsrecht mehrfachen Begrenzungen.

1. Zulässige sachliche Gründe für Preisänderungen Für die Preisberechnung relevante Kostensteigerungen, Veränderungen des Wertes der zu erbringenden Leistungen aber auch der Wertverfall der Gegenleistung stellen einen zulässigen sachlichen Grund für das Anpassungsinteresse des Klauselverwenders dar. Unabhängig von dem jeweiligen Grund, dürfen aufgrund der Tatsache, dass der Verwender das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation trägt, lediglich nach Vertragsschluss eingetretene, der Höhe nach nicht kalkulierbare und erhebliche Preisänderungen auf den Vertragspartner umgewälzt werden. Ein langfristiger Vertrag indiziert dabei zwar ein berechtigtes Preisanpassungsinteresse des Unternehmers. Jedoch kann dieses widerlegt werden, wenn das Abwarten des Laufzeitendes für den Verwender zumutbar ist und die Preisänderung vielmehr zu anderen Zwecken missbraucht wird.

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Veränderungen von preisbildenden Kosten, die den gesamten Markt betreffen, sowie staatlich veranlasste Steuern, Abgaben und Gebühren, aber auch betriebsinterne Kostensteigerungen, die zum Teil im Einflussbereich des Verwenders liegen, bilden berücksichtigungsfähige Kostenfaktoren, an die das Preisänderungsrecht des Verwenders geknüpft werden kann. Dagegen dürfen betriebsinterne Kostensteigerungen, die auf einem Verschulden des Klauselverwenders beruhen oder ausschließlich im Machtbereich des Gewerbetreibenden liegen, nicht auf den Vertragspartner umgewälzt werden. Eine explizite Verankerung dieser Schranken in der Preisänderungsklausel selbst ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Verwender sich auf einzelne Kostenfaktoren bezieht, die diese Schranken nicht aufheben. Preisänderungsklauseln können, trotz möglicher Gewinnmaximierung auf Seiten des Klauselverwenders, in langfristigen Dauerschuldverhältnissen auch an den Markpreis für die geschuldete Leistung oder ein vergleichbares Gut anknüpfen. Dazu muss ein Marktpreis existieren, der auf Grundlage allgemein zugänglicher Quellen feststellbar ist, und auf den der Verwender keinen Einfluss hat. Ferner muss der Klauselverwender ein berechtigtes Interesse an der Kopplung des Preises an den Marktpreis haben. Spannungsklauseln bieten als Sonderform von solchen Marktpreisklauseln, indem sie den Preis für die zu erbringende Leistung an die Entwicklung des Marktpreises für ein vergleichbares Gut koppeln. Eine Spannungsklausel stellt nach Rechtsprechung des BGH keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn ein vergleichbarer Marktpreis für das geschuldete Gut und das Referenzgut besteht und der Marktpreis für die geschuldete Leistung sich typischerweise ähnlich wie der Marktpreis für das Referenzgut entwickelt. Allerdings ist die Erforderlichkeit einer Spannungsklausel zweifelhaft, sofern ein eigner Marktpreis für das geschuldete Gut existiert. Eine Spannungsklausel soll schließlich gerade gestörten Marktmechanismen entgegenwirken. Zudem legitimiert der Wertverfall der Gegenleistung die Preisänderungsbefugnis des Unternehmers, der durch den Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamtes verkörpert werden kann. 2. Begrenzung des Umfangs der Preisänderung Das Preiserhöhungsrecht unterliegt mehrfachen Begrenzungen. Eine Preis­ erhöhung wird zum einen durch das Ausmaß der Veränderung der Bezugsgröße begrenzt. Um einen überproportionale Veränderung des Ausgangspreises im Rahmen von Preisänderungsklauseln, die auf Kostenänderungen Bezug nehmen, zu verhindern, darf dieser nur um das Maß erhöht werden, wie es dem Anteil des veränderten Kostenelements am Gesamtpreis entspricht. Während auf diese Weise im Rahmen von Preisänderungsklauseln, die Kostenänderungen Rechnung tragen,

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Teil 3: Inhaltskontrolle

dem Vertragspartner auch die bei Vertragsschluss ausgehandelten Preisvorteile erhalten bleiben, darf bei der Anknüpfung des Ausgangspreises an den Marktpreis für die zu erbringende Leistung oder ein vergleichbares Produkt der Anstieg nur prozentual weitergegeben werden, um einen Verlust der dieser Preisvorteile zu verhindern. Des Weiteren besteht das Gebot der Anpassungssymmetrie. Eine Preisänderungsklausel muss sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten des jeweiligen Vertragspartners wirken. Eine Bezugsgröße darf dem Verwender nicht nur ein Preiserhöhungsrecht für den Fall einer Steigerung der Bezugsgröße einräumen, sondern muss ihn gleichzeitig dazu verpflichten, Preissenkungen bei Absinken des Referenzwerts nach gleichen quantitativen und zeitlichen Maßstäben wie Preissteigerungen vorzunehmen. Während bei Automatikklauseln aufgrund der Bindung an die Bezugsgrößen eine beiderseitige Wirkung der Klausel automatisch gewährleistet werden kann, muss die Preissenkungspflicht aus einem Preisänderungsvorbehalte eindeutig ablesbar sein. Die Preissenkungspflicht unterliegt insofern einer Grenze, als danach zu differenzieren ist, ob die Kostensenkung auf externen Effekten oder eigener Leistung des Verwenders beruht. Sofern auf Kostenänderungen Bezug genommen wird, gilt das Saldierungsgebot. Kostenerhöhungen dürfen nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem sie nicht durch andere rückläufige berücksichtigungspflichtige Kostenfaktoren ausgeglichen werden. Dabei ist keine Orientierung an der Gesamtkostenbelastung erforderlich. Es genügt, wenn die Kostensteigerungen mit Kostensenkungen von Faktoren, an die das Preisänderungsecht gekoppelt wird, verrechnet werden. Neben der Preissenkungspflicht wird das Preiserhöhungsrecht durch die Preise bei Neuabschlüssen begrenzt. Der Verwender darf nur solche Preise weitergeben, die er auch am Markt realisieren kann. Die Preise für Neuabschlüsse begrenzen das Preiserhöhungsrecht des Verwenders zugunsten des Verbrauchers, schränken aber auf der anderen Seite zugleich seine Preissenkungsverpflichtung ein. Schließlich müssen Kosteneinsparungen, die der Verwender nicht an Neukunden weitergibt, auch nicht an Altkunden weitergegeben werden. Eine Begrenzung des Preisänderungsrecht durch die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners ist nicht erforderlich. Da diese Grenze schwer zu definieren ist, ist der Leistungsfähigkeit des Vertragspartners durch die Möglichkeit der Lösung vom Vertrag für den Fall einer bestimmten Erhöhung Rechnung zu tragen. Maßgeblich für eine zulässige Erhöhung ist jeweils der Faktor, folglich Steigerung der Bezugsgröße oder Preise für Neuabschlüsse, mit der geringsten Steigerungsrate. Eine zeitliche Befristung des Änderungsrechts muss nicht explizit in der Preisänderungsklausel genannt werden, da eine Berufung auf die Preiseanpassungsbefugnis lange Zeit nach Auftreten der relevanten Gründe nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist. In der Regel ist eine Preisänderung innerhalb von ein bis zwei Monaten nach Auftreten des Änderungsgrundes durchzuführen. Darüber hinaus ist

Kap. 7: Wahrung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses 

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es im Interesse des Kunden an einer Preisstetigkeit zu vermeiden, den Preis in kurzen Abständen anzupassen, wobei hier auch die Schranke der Erheblichkeit greift. III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen Auf Grundlage der eben genannten Ergebnisse ergeben sich für Preisänderungsvorbehalte in Energielieferungsverträgen die folgenden Schlussfolgerungen: Preisänderungsklauseln in Strom- und Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden können zum einen auf Kostenänderungen gestützt werden. Zu den für die Preisbildung relevanten Faktoren gehören insbesondere Beschaffungs- und Vertriebskosten, Netzentgelte, Konzessionsabgaben, für den Elektrizitätsbereich die Belastung mit aus den zahlreichen Umlagesystemen, falls diese nicht in einer eigenständigen Klausel erfasst werden.367 Der BGH hat in seiner Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015368 folgende Klausel, die die Anforderungen des Saldierungsgebots und des Gebots der Anpassungssymmetrie erfüllt, richtigerweise als angemessen angesehen: „Steigerungen bei einer Kostenart, z. B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt. Bei Kostensenkungen, z. B. der Strombezugskosten, sind vom Lieferanten die Preise zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Steigerungen in anderen Bereichen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Der Lieferant wird bei der Ausübung seines billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen werden als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.“ Bei Preisänderung in Strom- oder Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden ergibt sich das Erfordernis eines Lösungsrechts für den Fall einer Preisänderung bereits aus § 41 Abs. 3 EnWG, unabhängig von der Höhe der Preissteigerung. Eine Anknüpfung des Lösungsrechts an den Umstand, dass die Preiserhöhung die Preise für Neuabschlüsse oder die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers übersteigt, ist daher nicht erforderlich. Dagegen genügen Spannungsklauseln in Erdgasverträgen mit Sonderkunden, die den Preis für Gas an den Preis für leichtes Heizöl koppeln, nicht den oben genannten, von dem BGH aufgestellten Voraussetzungen, die eine Spannungsklausel 367

Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3605. BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52.

368

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Teil 3: Inhaltskontrolle

erfüllen muss, um keine unangemessene Benachteiligung darzustellen. Um das Risiko der Unwirksamkeit zu vermeiden, ist von dieser Form der Klauselgestaltung Abstand zu nehmen. Kapitel 8

Erforderlichkeit eines Lösungsrechts A. Europarechtliche Vorgaben Der EuGH fordert für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel kumulativ zu den Transparenzanforderungen die Einräumung eines Lösungsrechts für den Verbraucher für den Fall einer Preisänderung.369 I. Keine Kompensation einer missbräuchlichen Klausel durch Einräumung eines Lösungsrechts Unabhängig von der Frage, ob ein Lösungsrecht eine Wirksamkeitsvoraus­setzung für eine im Übrigen wirksame Preisänderungsklausel ist, ist klärungsbedürftig, ob der missbräuchliche Charakter einer Klausel durch die Einräumung eines Kündigungsrechts ausgeglichen werden kann. Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs sieht eine Kompensation nur für den Fall einer überhöhten Erhöhung vor. Eine darüberhinausgehende Kompensation von missbräuchlichen Preisänderungsklauseln, für die etwa kein triftiger Grund vorlag, ist dagegen nicht ersichtlich. Insbesondere verzichtet Nr. 2 lit. b Abs. 1 des Anhangs zwar auf die Angabe eines triftigen Grundes in der Klausel, erlaubt die Änderung des zu zahlenden Zinssatzes jedoch nur „in begründeten Fällen“, um willkürliche Preiserhöhungen auszuschließen. Freilich könnte man argumentieren, dass eine missbräuchliche Klausel, wenn der Verbraucher sich auf sein Lösungsrecht beruft, ihre Wirkung gar nicht entfalten kann. Allerdings muss ein Verbraucher auch für den Fall, dass er sein Lösungsrecht nicht in Anspruch nimmt, hinreichend geschützt werden. Eine andere Sichtweise widerspräche dem Regelungszweck der Richtlinie, missbräuchliche Klauseln zu eliminieren. Darüber hinaus kann aus der Entscheidung RWE, in der der EuGH bereits die Kompensation einer intransparenten Klausel durch eine Lösungsmöglichkeit des Verbrauchers ablehnte, der Schluss gezogen werden, dass die inhaltliche Unangemessenheit durch ein Lösungsrecht nicht zu kompensiert werden ver 369 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 24, 26; EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 49; so auch nach BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 33; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 36; Mathiak, EuZW 2012, 788, 789; BeckOGK/Zschieschack, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2017) Rn. 45.

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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mag; schließlich stellt das Transparenzgebot eine separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit dar. Vor allem spricht das im Rahmen der Transparenzkontrolle erläuterte Doppelverwertungsverbot gegen eine Kompensationsmöglichkeit. Eine Lösungsmöglichkeit des Vertragspartners kann mithin den missbräuchlichen Charakter einer Preisänderungsklausel nicht kompensieren, als sie für die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel erforderlich ist.370 II. Erforderlichkeit eines Lösungsrecht 1. Lösungsrecht nur bei überhöhten Preiserhöhungen Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs fordert für den Fall, dass der geänderte Preis im Verhältnis zum ursprünglich vereinbarten Preis zu hoch ist, ein Rücktrittsrecht für den Verbraucher. Das Rücktrittsrecht ist hier nicht im engeren dogmatischen Sinne zu verstehen, es genügt, jedes vergleichbare Lösungsrecht,371 folglich auch ein ordentliches Kündigungsrecht im Rahmen eines unbefristeten Dauerschuldvertrages. Aus dem Wortlaut des Nr. 1 lit. l ist nicht vollkommen ersichtlich, ob das Rücktrittsrecht lediglich dann eine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt, wenn der Endpreis im Verhältnis zum vereinbarten Preis zu hoch ist372 oder ob es vielmehr generell, auch wenn die Erhöhung nicht überhöht war, eingeräumt werden muss, aber auf den Fall der Unverhältnismäßigkeit beschränkt werden darf.373 Letzteres Auslegung verdient Zustimmung. Bei ersterer Interpretation wäre die Bedeutung des Nr. 1 lit. l auf die Klauselkontrolle im Individualverfahren beschränkt. Dies steht der praktischen Wirksamkeit des Nr. 1 lit. l des Anhangs entgegen, als der Mangel eines Lösungsrechts nicht im Rahmen einer abstrakten Klauselkontrolle in einem Verbandsverfahren i. S. v. Art. 7 Abs. 2 RL moniert werden könnte.374 Demnach ist eine Preisänderungsklausel, sofern ein Lösungsrecht für den Fall einer zu hohen Preissteigerung nicht ausdrücklich in der Klausel normiert ist, auch wenn die Erhöhung nicht übermäßig war, für unwirksam zu erklären. Dies entspricht auch der Tatsache, dass Änderungen des Preises in der Regel auf unvorhersehbaren zukünftigen Ereignissen beruhen und demnach übermäßige Erhöhungen nicht ausgeschlossen werden können. Die ausdrückliche Aufnahme eines Lösungsrechts in der Preisänderungsklausel ist auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der aufgrund von Nr. 1 lit. j 370

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. III. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Ahn Nr. 1 lit. l RL Rn. 106. 372 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 5. 373 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr.  1 lit. l RL Rn.  106; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 6; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 50; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 16. 374 BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 1 BGB (01.03.2017) Rn. 16. 371

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Teil 3: Inhaltskontrolle

und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der RL, neben den Transparenzanforderungen, die Einräumung eines Lösungsrechts für den Fall der Preisänderung als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Preisänderungsklausel ansieht. Der Gerichtshof stellt damit strengere Anforderungen auf als sie in Nr. 1 lit. l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs gefordert werden. Entgegen Nr. 1 lit. l des Anhangs begrenzt er das Lösungsrecht nicht auf den Fall einer zu hohen Preissteigerung. Ferner verlangt Nr. 2 lit. b eine Kündigungsmöglichkeit lediglich für den Fall, dass der triftige Grund im Vertrag nicht angegeben wird. Für Preisänderungsklauseln, die auf Bezugsgrößen Bezug nehmen, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat, wird ebenfalls auf die Einräumung eines Lösungsrechts bei überhöhten Preiserhöhung für die Wirksamkeit der Klausel verzichtet. So findet Nr. 1 lit. l keine Anwendung auf Preisindexierungsklauseln i. S. v. Nr. 2 lit. d des Anhangs sowie auf Änderungsklausel im Kapitalmarkt- und Devisengeschäft nach Nr. 2 lit. c, bei denen der Preis von der Veränderung einer Notierung oder eines Börsenindexes oder von Kursschwankungen auf dem Kapitalmarkt abhängt. Die Rechtsprechung des EuGH überzeugt insofern, als damit an Preisänderungsklauseln unabhängig von der jeweiligen Art des Vertrages und der Preisänderungsklausel, einheitliche Wirksamkeitsvoraussetzungen gesetzt werden. Der Forderung des EuGH, dass der Vertragspartner für den Fall einer Preisänderung über ein uneingeschränktes Recht zur Beendigung des Vertrags verfügen muss, ist allerdings nicht zuzustimmen: Zwar bildet ein Lösungsrecht aus Verbraucherschutzgründen als Gegengewicht zum Preiserhöhungsrecht des Verwenders ein geeignetes Schutzmittel. Der Verwender riskiert die Lösung des Kunden vom Vertrag, wenn er eine Preiserhöhung vornimmt, so dass er folglich dazu gezwungen wird, nur notwendige Kostenänderungen an den Verbraucher weiterzugeben. Da der Kunde durch das Lösungsrecht die Möglichkeit erhält, ein besseres Angebot auf dem Markt anzunehmen, dienen indessen die Verhältnisse auf dem betreffenden Markt als Korrektiv.375 Jedoch ist dem Verbraucher mit einem Lösungsrecht nicht immer geholfen.376 Insbesondere bei Nichtdauerschuldverhältnissen, die eine Einmalleistung des Verwenders beinhalten, wird durch die Lösung vom Vertrag gerade kein Leistungs­ austausch durchgeführt.377 Dies ist besonders nachteilhaft, sofern keine Möglichkeit einer Alternativbeschaffung besteht. Ferner sind auch bei Dauerschuldverhältnissen in der Regel beide Parteien an einer langfristigen Vertragsbindung interessiert. Es entspricht daher dem Interesse des Verwenders ein Vertragslösungsrecht nur

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Borges, ZIP 2007, 1437, 1441. Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 93; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 205 f.; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 106; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 115. 377 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 88 m. w. N.; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 102 f.; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 205. 376

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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bei Vorliegen eines triftigen Grundes zu gewähren.378 Führt die Lösung vom Vertrag zu nicht unbedeutenden Verlusten auf Grund investierter Zeit und Mittel oder wegen des persönlichen Charakters der zu erbringenden Leistung, so kann ihm eine Kündigung des Verbrauchers nicht zugemutet werden.379 Zudem widerspricht es gerade dem in der Klauselrichtlinie enthaltenen Grundsatz der Bindung des Vertrages, wenn der Verbraucher sich auch bei jeder geringfügigen Erhöhung vom Vertrag lösen könnte. Ein solch umfassendes, schrankenloses Lösungsrechts wird folglich dem Grundsatz von Treu und Glaube, der einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien erreichen möchte, nicht gerecht.380 Das Lösungsrecht darf nicht dazu missbraucht werden, das Risiko künftiger Preisentwicklungen ausschließlich auf den Klauselverwender zu übertragen.381 Sofern ein vorrangiges schützenswertes Bestandsinteresse einer Partei besteht, ist eine pauschale Einräumung eines Lösungsrecht ungeeignet, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen. Die Position des EuGH berücksichtigt folglich zu Unrecht ausschließlich die Interessen des Verbrauchers. Lediglich für den Fall einer überhöhten Preiserhöhung sollte daher dem Verbraucher ein Lösungsrecht i. S. v. Nr. 1 lit. l des Anhangs eingeräumt werden. Auf diese Weise wird die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers gewahrt und zugleich der Verwender von übermäßigen Erhöhungen abgehalten, da er sich so dem Risiko der Lösung des Kunden vom Vertrag ausgesetzt. Demnach ist für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich, dass ein Lösungsrecht  – entgegen der Ansicht des EuGH – lediglich für den Fall einer zu hohen Erhöhung ausdrücklich in der Klausel normiert ist.382 Es ist dabei, wie oben erläutert, irrelevant, ob die Erhöhung im konkreten Fall tatsächlich „zu hoch“ ist. 2. Zu hohe Preiserhöhung im Verhältnis zum ursprünglichen Preis Nr. 1 lit. l stellt ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit dar, so dass im Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln ist, wann der neu festgesetzte Preis im Verhältnis zum Ursprünglichen „zu hoch“ ist. Für einen solchen Vergleich muss keine Kontrolle des Preis-Leistungs-Verhältnisses durchgeführt werden. Dafür hält die Klauselrichtlinie, wie Art. 4 Abs. 2 RL verdeutlicht, keinen Kontrollmaßstab bereit. Vielmehr sind die Richter dazu verpflichtet, die Angemessenheit der Preiserhöhung im Verhältnis zum bei Vertragsschluss vereinbarten Ausgangspreis zu überprüfen.383 378

Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 206. 380 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 2 lit. b Rn. 192. 381 In diese Richtung auch Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 205. 382 Zustimmend BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 28; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 123; Borges, ZIP 2007, 1439, 1441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 131; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 207; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 383 MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 5. 379

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Die Richtlinie enthält keine konkreten Angaben dazu, wann eine Preiserhöhung „zu hoch“ ist. Der angepasste Preis ist als „zu hoch“ anzusehen, wenn das zugrundliegende Äquivalenzverhältnis spürbar verschoben ist.384 Zur Prüfung einer solchen Verschiebung könnte zum einen auf das subjektive Äquivalenzverständnis des Vertragspartners abgestellt werden, d. h. darauf, ob der Vertragspartner den neuen Preis für angemessen hält. Zum anderen auf das objektive Äquivalenzverhältnis, das sich auf die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung bezieht.385 Zur Bestimmung des objektiven Äquivalenzverhältnisses könnte das marktübliche Preis-Leistungs-Verhältnis herangezogen werden. Dafür spricht, dass das Rücktrittsrecht die Neuorientierung am Markt ermöglichen soll.386 Allerdings kann der Marktpreis für den Vertragspartner dennoch zu hoch sein und seiner Leistungsfähigkeit widersprechen, obwohl er den Marktverhältnissen entspricht. Hätte der Kunde die Leistung auch durch einen kurzfristigen Vertragsabschluss erhalten können oder hätte er zwei auf einander folgende Verträge abgeschlossen, so hätte er prüfen können, ob er sich diese überhaupt leisten kann und ob er bereit ist den Preis zu zahlen.387 Es ist daher besser darauf abzustellen, ob sich die Erhöhung im Rahmen der Geldentwertung hält, die durch den Lebenshaltungskostenindex verkörpert wird. Dem Vertragspartner kann die Tragung des Inflationsrisikos zugemutet werden.388 Bei einer rein subjektiven Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses wären dagegen die Interessen des Verwenders nicht hinreichend berücksichtigt, der unter Umstände gewisse Mühe und Kosten in die Erbringung der Leistung gesteckt hat und daher an der Fortführung des Vertrages interessiert ist. Der Verbraucher könnte sich durch Berufung auf eine zu hohe Erhöhung von einem im lästig gewordenen Vertrag lösen. Die Orientierung an der Geldentwertung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers erhalten bleiben soll. Folglich ist ein Lösungsrecht erst für den Fall erforderlich, dass der Preis stärker steigt als die Lebenshaltungskosten, erforderlich. Der Verbraucher wird so auch keiner höheren Belastung, als derjenigen, die er ohnehin hinnehmen müsste, ausgesetzt.389 Anstelle der Kopplung an den Lebenshaltungskostenindex könnte auch ein Lösungsrecht ab einem bestimmten Prozentsatz der Erhöhung festgelegt werden.390 Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302 statuiert, dass der Verbraucher den Vertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr für den 384

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 107. Differenzierung bei Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 176 im Rahmen der Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei marktpreisorientierten Klauseln. 386 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl., Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 158; Henke, Enthält die Liste des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts?, 124. 387 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 388 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Anh Nr. 1 lit. l RL Rn. 107. 389 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 (01.15.2016) Rn. 28; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 390 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 (01.15.2016) Rn. 28. 385

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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Fall beenden kann, dass der angepasste Preis den Ausgangspreis um 8 % übersteigt. Folglich ist ein Lösungsrecht einzuräumen, wenn die Preiserhöhung 8 % überschreitet. Dieser Wert könnte als Richtwert genommen werden, wobei die Besonderheiten eines Pauschalreisevertrages zu beachten sind. Solche Verträge sind davon geprägt, dass die Leistung innerhalb weniger Monate, spätestens innerhalb eines Jahres, nach Vertragsschluss erbracht wird. Ferner hat der Reisende keine hinreichenden Kenntnisse, um die Berechtigung der Anpassung überprüfen. Je riskanter die Preiserhöhungsklausel ist, umso niedriger muss die Schwelle sein, ab der ein Vertragslösungsrecht besteht. Umgekehrt ist aber auch ein höherer Schwellenwert möglich, je mehr sich die Interessen der Vertragsschließenden der jeweiligen Vertragsart von denen der Vertragsschließenden eines Reisevertrages unterscheiden.391 Bei einem langen Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Anpassung könnte mithin eine höhere Grenze angelegt werden. Dies gilt auch, wenn der Kunde die Preisanpassung auf ihre Berechtigung überprüfen kann. Ferner könnte auch die branchenübliche Steigerungsrate als Richtwert herangezogen werden. Sofern die Preisentwicklung der jeweils zu erbringen Leistung jedoch von unvorhersehbaren veränderten Umstände geprägt ist, kann sich der festgelegte Prozentsatz auch als unrichtig erweisen, so dass die Eignung einer Obergrenze in Form eines festen Prozentsatzes nach der jeweiligen Art des Vertrages zu beurteilen ist. III. Angemessene Ausgestaltung des Lösungsrechts Der EuGH geht in der Entscheidung RWE in Hinblick auf das Lösungsrecht noch einen Schritt weiter und stellt mit Verweis auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak392 fest, dass es nicht nur darauf ankomme, dass dem Verbraucher formal eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt werde. Es sei entscheidend, dass sich der Verbraucher tatsächlich vom Vertrag lösen könne. Der EuGH nennt dazu eine Vielzahl konkreter Anhaltspunkte. Zum einen seien die Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts sowie die auf dem jeweiligen Markt herrschenden Bedingungen zu berücksichtigen. Zum anderen sei erforderlich, dass der Verbraucher über die künftige Änderung rechtzeitig und angemessen informiert wurde, um zu überprüfen, wie sich die Änderung berechnet, und gegebenenfalls den Vertragspartner zu wechseln. „Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere, ob auf dem betreffenden Markt Wettbewerb herrscht, welche Kosten für den Verbraucher etwa mit der Kündigung des Vertrags verbunden sind, wie viel Zeit zwischen der Mitteilung und dem Inkrafttreten der neuen Tarife liegt, welche Informationen zum Zeitpunkt der Mitteilung gegeben werden und welchen Kosten- und 391 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 131 zu dem Rechtsgedanken des § 651 a Abs. 5 BGB; zustimmend BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 (01.15.2016) Rn. 28: Fünfprozentgrenze als Modelcharakter für Verträge, die innerhalb eines Jahres zu erfüllen sind. 392 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 13.09.2012, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucher­ zentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2012:566 Rn. 85.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Zeitaufwand ein Wechsel des Lieferanten erfordert.“393 Ausschlaggebend ist demnach, dass sich der Verbraucher der Wirkung der zukünftigen Preisänderung tatsächlich entziehen kann.. Diese konkreten, detaillierten Ausführungen des EuGH sind zu begrüßen und bestätigen, dass er seine Zurückhaltung Schritt für Schritt ablegt.394 Die Anforderungen des EuGH an das Lösungsrecht erscheinen auch insofern als legitim, als das Lösungsrecht  – von der Billigkeitskontrolle abgesehen, deren Ausgang ungewiss ist, – das einzige Gegenrecht des Verbrauchers gegen die Preisänderungsbefugnis des Gewerbetreibenden darstellt. Die Beurteilung der Lösungsmöglichkeit muss nach Art. 4 Abs. 1 RL zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt kann zwar der Modus der Ausübung des Kündigungsrechts in die Beurteilung einbezogen werden, da er aus Transparenzgründen bereits im Rahmen des Lösungsrechts hinreichend klar und verständlich dargestellt werden muss. Dagegen erweist sich die Einbeziehung der Wettbewerbsbedingungen, auf dem jeweiligen Markt, insbesondere der Wechselmöglichkeiten, zu diesem Zeitpunkt als schwierig. Es kann bei Vertragsschluss nicht vorhergesagt werden, wie sich die Verhältnisse auf den betreffenden Markt entwickeln werden.395 Lediglich wenn eine Monopolstellung bereits bei Vertragsschluss bekannt ist, können daraus Rückschlüsse für die Konsequenzen eines Lösungsrechts gezogen werden. Andernfalls kann dieser Faktor nur Berücksichtigung bei der Ausübungskontrolle ex post finden.396 Der EuGH widerspricht damit dem in Art. 4 Abs. 1 RL normierten Zeitpunkt, nach dem die Missbräuchlichkeit einer Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen ist. Das Abstellen auf mögliche Bezugsalternativen verleiht der Klauselkontrolle ferner wettbewerbs- und kartellrechliche Züge.397 Indes ist das Kriterium der Wechselmöglichkeit auf dem betreffenden Markt zu hinterfragen. Es ist unklar, wie eine Situation zu beurteilen ist, in der der Klauselverwender der günstigste Anbieter der zu erbringenden Leistung ist, während die anderen Wettbewerber die Leistung nur zu höheren Preisen anbieten. Nach den Anforderungen des EuGH müsste eine Preisänderungsklausel in einem solchen Fall als missbräuchlich i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL beurteilt werden, weil dem Verbraucher keine gleichgünstige Alternative zur Verfügung steht. Dadurch wird auch der günstigste Anbieter gegenüber den teuren Anbietern insofern benachteiligt, als er zumindest keine überhöhten Preisänderungen durchsetzen könnte.398 393 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 54. 394 So auch Fornasier, ZEuP 2014, 414, 422. 395 Fornasier, ZEuP 2014, 414, 422. 396 Fornasier, ZEuP 2014, 414, 423; in diese Richtung auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 140 f. 397 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 140. 398 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 140.

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

355

Ein Lösungsrecht kann dem Kunden stets nur so viel Abhilfe verschaffen, wie es die tatsächliche Marktlage zulässt. Die Wettbewerbsverhältnisse haben ihre Ursache gerade nicht im Vertrag.399 Die Berücksichtigung der Wettbewerbsverhältnisse ist demnach weder mit dem Beurteilungszeitpunkt des Art. 4 Abs. 1 RL zu vereinbaren noch aufgrund der damit implizierten Konsequenzen für besonders günstige Anbieter sachgerecht. IV. Zusammenfassung Der EuGH fordert kumulativ zu der Transparenz einer Preisänderungsklausel hinsichtlich Anlass und Modus der Preisänderung die Einräumung eines Lösungsrechts für den Verbraucher für den Fall, dass das Entgelt tatsächlich geändert wird. Da das Lösungsrecht demnach eine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt, kann es aufgrund des Doppelverwertungsverbots nicht zugleich die inhaltliche Unan­ gemessenheit einer Preisänderungsklausel kompensieren. Durch das Erfordernis eines unbeschränkten Lösungsrechts als Wirksamkeitsvoraussetzung stellt der EuGH strengere Anforderungen auf als sie die Preisänderungsklauseln betreffenden Tatbestände des Richtlinienanhangs vorsehen. Insbesondere Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs verlangt ein Lösungsrecht lediglich für den Fall, dass der angepasste Preis im Vergleich zum bei Vertragsschluss vereinbarten Preis zu hoch ist. Das ausnahmslose Erfordernis eines Lösungsrechts ist jedoch insofern nicht sachgerecht, als dadurch ausschließlich die Interessen des Verbrauchers berücksichtigt werden. Damit ein angemessener Interessen­ausgleich zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden besteht, ist es daher sachgerechter ein Lösungsrecht lediglich für den Fall einzuräumen, dass die Preiserhöhung im Vergleich zum ursprünglichen Preis zu hoch ist. Um die praktische Wirksamkeit dieser Regelung und der Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen, ist es erforderlich, dass die Preisänderungsklausel generell ein Lösungsrecht enthält, das auf den Fall einer überhöhten Preisänderung beschränkt ist. Dabei ist irrelevant, ob es tatsächlich zu einer überhöhten Erhöhung kommt. Wann eine Preissteigerung zu hoch ist, dazu enthält die Klauselrichtlinie keine Vorgaben. Da die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners im Vordergrund steht, stellt das Abstellen auf den Marktpreis keine angemessene Lösung dar, als auch dieser die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners übersteigen kann. Besser ist es auf den Wert der Geldentwertung abzustellen, da dem Verbraucher das Tragen des Inflationsrisikos zugemutet werden kann. Steigt der vereinbarte Preis stärker als die Lebenshaltungskosten, so ist dem Verbraucher ein Lösungsrecht einzuräumen. Ferner könnte auch die Festsetzung eines Prozentsatzes in Betracht kommen, wie in Art.  10  Abs.  2  i. V. m. Art.  11  Abs.  2  Pauschalreise-Richtlinie

399

Thomas, AcP 209 (2009), 84, 117.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

2015/2302, der dem der Verbraucher ein Rücktrittsrecht ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr für den Fall gewährt, dass der angepasste Preis den Ausgangspreis um 8 % übersteigt. Dieser Wert könnte als Richtwert genommen werden, der umso mehr eines großzügigeren Maßstabs bedarf je mehr die Interessen der jeweiligen Vertragsschließenden von den Interessen der Parteien eines Pauschalreisevertrages divergieren. Darüber hinaus hat der EuGH die Anforderungen, die an die angemessene Ausgestaltung eines Lösungsrechts konkret formuliert. Es sei maßgeblich, dass der Verbraucher sich tatsächlich vom Vertrag lösen könne. Neben der rechtzeitigen Information des Verbrauchers über eine Preisänderung, damit er seine Ausweichalternativen prüfen könne, seien die Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts sowie die auf dem jeweiligen Markt herrschenden Bedingungen entscheidend. Allerdings ist die Einbeziehung der jeweiligen Wechselmöglichkeiten des Verbrauchers aus zwei Gründen problematisch. Das Kriterium ist weder mit dem Beurteilungszeitpunkt des Art. 4 Abs. 1 RL zu vereinbaren noch ist es angesichts der implizierten Konsequenzen für besonders günstige Anbieter sachgerecht. Im Einklang mit Art.  4  Abs.  1  RL führt ein Lösungsrecht lediglich dann nicht zu einem angemessenen Gegenrecht des Verbrauchers, sofern bereits bei Vertragsschluss eindeutig feststeht, dass das Lösungsrecht den Interessen des Verbrauchers nicht gerecht wird.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Der BGH hat sich bisher nicht abschließend dazu geäußert, inwiefern die Einräumung eines Lösungsrechts für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich ist. Innerhalb dieser Fragestellung ist, wie oben, danach zu differen­ zieren, ob der unangemessene Charakter einer gegen § 307  BGB verstoßenden Preisänderungsklausel durch Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden kann (I.). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Vertragslösungsrecht für die Wirksamkeit einer ansonsten wirksamen Preisänderungsklausel erforderlich ist (II.).

I. Keine Kompensation inhaltlich unangemessener Klauseln durch Einräumung eines Lösungsrechts Nach dem BGH bedarf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Unangemessenheit von Preisänderungsklauseln durch eine Lösungsmöglichkeit des Vertragspartners vom Vertrag ausgeglichen werden könne, keiner abschließenden Entscheidung. „Ein Recht des Kunden zur Lösung vom Vertrag vermag jedenfalls nicht stets zu einem angemessenen Interessenausgleich zu führen. Dies hängt von seiner konkreten Ausgestaltung ab. Dabei sind die Art des jeweiligen Vertrags,

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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die typischen Interessen der Vertragschließenden und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen zu berücksichtigen.“400 Allerdings hat der BGH eine Kompensation inhaltlich unangemessener Preisänderungsklauseln bislang zu Recht nicht bejaht. So hat er die Kompensierung einer unangemessenen Klausel durch ein Vertragslösungsrecht verneint, die dem Verwender eine Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum gestattet.401 Nach der Rechtsprechung des BGH können Preisänderungsklauseln, in denen der Verwender das Änderungsrecht an einen nicht hinreichend sachlichen Grund koppelt, genauso wenig durch ein Lösungsmöglichkeit für den Vertragspartner ausgeglichen werden,402 wie Klauseln, in denen der Verwender insbesondere die Anpassungssymmetrie der Bezugsgrößen oder das Saldierungsgebot nicht befolgt.403 Lediglich für den Fall, dass eine Konkretisierung der Voraussetzungen und des Umfangs des Preisanpassungsrechts „aufgrund der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt“, zieht der BGH, wie im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert,404 die Einräumung eines Lösungsrechts zur Herstellung eines angemessenen Interessenausgleichs in Betracht,405 deren Vorliegen er ebenfalls bisher nicht bejaht hat. Eine Kompensation von inhaltlich unangemessenen Preisänderungsklauseln, die eine nachträgliche Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu Gunsten des Verwenders gestatten, wird folglich zu Recht abgelehnt.406 Gegen eine Kompensation sprechen die bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle vorgebrachten Gründe.407 Es darf dem Verwender nicht die Möglichkeit eröffnet werden, sich durch eine unangemessene Preisänderungen und anschließende Lösung des Kunden vom Vertrag von einem zuvor für ihn ungünstigen, für den Kunden jedoch vorteilhaften Vertrag befreien.408 Der Kunde darf nicht dazu

400 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 27 – Flüssiggas II; BGH v. 15.07.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2667 Rn. 30; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 31. 401 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 12 f. – Pay-TV. 402 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 34 – Pay-TV. 403 BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2667 Rn. 29 f.; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 31; Graf v. Westphalen/Fandrich, Vertragsrecht und AGB-Klauseln, Darlehensvertrag (Juli 2012) Rn. 88. 404 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. a). 405 BGH v. 06.04.1989, NJW 1989, 1796, 1797; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360, 361 Rn. 13 – Pay-TV; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 23. 406 BGH v. 19.11.2002, NJW 2003, 507, 508 – Kerosinzuschlag I; BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 36; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2667 Rn. 30; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 25; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 132; Borges, DB 2006, 1199, 1204; Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 47 407 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. b) aa). 408 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 34 – Pay-TV; BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 37.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

gezwungen werden, entweder einen hohen Preis zu zahlen oder zu kündigen.409 Insbesondere besteht die Gefahr, dass eine unangemessene Preiserhöhung realisiert wird, weil es dem Kunden zu lästig ist, den Vertragspartner zu wechseln. Die Verwendung einer unangemessenen Preisanpassungsklausel stellt eine nebenvertragliche Pflichtverletzung nach § 311 Abs. 2 BGB dar, die nicht durch Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden darf.410 Sofern der BGH eine Kompensation inhaltlich unangemessener Preisänderungsklauseln durch die Einräumung eines Lösungsrechts verneint, ist er im Einklang mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie. Insbesondere wird die nationale Rechtspraxis so dem durch den EuGH aufgestellten Doppelverwertungsverbot411 gerecht. Diesem entspricht die deutsche Judikatur für den Bereich der Energielieferungsverträge, wie im Rahmen der Transparenzkontrolle erläutert,412 bereits seit der Entscheidung vom 15.07.2009. Demnach stehe „eine für sich genommen angemessene Preisanpassungsklausel in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Kündigungsrecht des Kunden“. Das Bestehen eines Kündigungsrechts sei für die Angemessenheit einer solchen Klausel Voraussetzung, weshalb es nicht zugleich der Kompensation der unangemessenen Preisanpassungsklausel dienen könne.413 Sofern der BGH allerdings betont, es komme für die Beurteilung einer Kompensationsmöglichkeit gleichwohl auf die Art des Vertrages, auf die typischen Interessen der Beteiligten und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen an, muss er diese Judikatur aufgrund der Bindungswirkung der europäischen Vorgaben aufgeben.414 II. Erforderlichkeit eines Lösungsrechts 1. Lösungsrecht nur bei überhöhten Preiserhöhungen Im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH hat sich der BGH bisher auch nicht abschließend dazu geäußert, ob die Einräumung eines Lösungsrechts ein notwendiger Bestandteil für eine im Übrigen angemessene Preisänderungsklausel ist. In der Zeitschriftenabonnement-Entscheidung nahm der BGH zaghaft auf die Notwendigkeit einer Lösungsmöglichkeit mit Verweis auf die Ausführungen in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf Bezug.415 In dieser heißt es, dass es 409

BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 34 – Pay-TV. Graf v. Westphalen/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln (Oktober 2013) Rn. 47. 411 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. III. 412 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. b) cc). 413 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 41 Rn. 33, 36; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 33; bestätigt in BGH v. 27.10.2009, ZNER 2010, 65 Rn. 33; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 33; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 27. 414 So auch BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29; BeckOGK/Zschieschack, Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 39, 44. 415 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519 – Zeitschriftenabonnement I. 410

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„insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen[, wird es] im Interesse des zahlungspflichtigen Vertragsteils geboten sein (wird), diesem für den Fall der Erhöhung des Entgelts ein Kündigungsrechts einzuräumen.“416 In einem Urteil zu einer Tagespreisklausel in einem Neuwagenkauf zog der BGH die Einräumung eines Lösungsrechts nur als Ausgleich für eine ansonsten unangemessene Regelung heran.417 Bei der Entscheidung zu einer Listenpreisklausel in einem Bezugsvertrag über Kraftfahrzeugschmiermittel, die der BGH für wirksam befand, stellte er fest, „ob ein einseitiges Preisänderungsrecht, das keine Einschränkungen, insbesondere keine Konkretisierung der Preiserhöhungsfaktoren enthält und dem Partner des Klauselverwenders auch keine Lösungsmöglichkeit einräumt, stets gemäß § 9 AGBG (heute § 307 BGB) unzulässig ist, kann nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrages, der typischen Interessen der Vertragsschließenden und der jeweiligen Klausel begleitenden Regelung entschieden werden.“418 Sofern eine Preisänderungsklausel nicht zu beanstanden sei, widerspräche ein Lösungsrecht dem Charakter des auf eine langfristige Bindung angelegten Vertrages sowie dem Umstand, dass beide Parteien das Risiko künftiger Preisentwicklungen tragen müssten.419 Diese Ansicht verdient – entgegen der Rechtsprechung des EuGH – Zustimmung, wie bereits im Rahmen der Beurteilung der europarechtlichen Vorgaben erörtert wurde.420 Ein schrankenloses Lösungsrecht bietet nicht immer einen angemessenen Interessenausgleich. Es ist nicht sachgerecht, sofern eine der Parteien ein berechtigtes Interesse an dem Fortbestand des Vertrages hat. Führt die Kündigung zu nicht unbedeutenden Verlusten auf Grund investierter Zeit und Mittel oder wegen des persönlichen Charakters der zu erbringenden Leistung, so kann dem Klauselverwender eine Kündigung des Verbrauchers nicht zugemutet werden. Sofern eine wirksame Preisanpassungsklausel vorliegt, soll sich der Vertragspartner nicht jeder Preiserhöhung durch ein Kündigungsrecht entziehen können. Die Ansicht des EuGH berücksichtigt lediglich die Interessen des Verbrauchers. Auch den gesetzlichen Regelungen zur Einräumung eines Kündigungsrechts für den Fall einer Preisänderung, wie § 489 Abs. 2 BGB bei Anpassung des Darlehenszinses, § 561 BGB für den Fall einer Erhöhung des Mietzinses nach §§ 558, 559 BGB oder im Rahmen von Strom- und Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden nach § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG, lässt sich kein verallgemeinerungsfähiges Erfordernis für ein unbeschränktes Lösungsrecht des Vertragspartners entnehmen.421 Eine Parallele kann vielmehr zur Regelung des § 314 BGB gezogen werden, die eine Kündigungsmöglichkeit bei Dauerschuldverhältnissen nur bei Erreichen der Zumut 416

BT-Drs. 7/3919, 28.  BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 26.  418 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 257. 419 BGH v. 16.01.1985, BGHZ 93, 252, 263. 420 Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. II. 1. 421 Ausführlich dazu Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 91 ff. 417

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Teil 3: Inhaltskontrolle

barkeitsgrenze zuspricht. Folglich stellt ein unbeschränktes Lösungsrecht gerade keinen erforderlichen Bestandteil einer wirksam formulierten Preisänderungsklausel dar.422 Folglich ist dem Verbraucher – sofern keine Obergrenze für den Umfang der Preiserhöhung besteht – lediglich für den Fall einer unzumutbaren Preiserhöhung ein Lösungsrecht einzuräumen.423 Der Verbraucher darf durch die Preisanpassung nicht überfordert werden. Seine Leistungsfähigkeit muss erhalten bleiben. Hätte der Kunde, die Leistung auch durch einen kurzfristigen Vertragsabschluss erhalten können oder hätte er zwei auf einander folgende Verträge abgeschlossen, so hätte er prüfen können, ob er sich diese überhaupt leisten kann und ob er bereit ist den Preis zu zahlen.424 So wird in der deutschen Rechtsprechung die Einräumung eines Lösungsrechts auch nur ab einem bestimmten Maß an Preissteigerung verlangt, etwa wenn die Erhöhung einen bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises übersteigt.425 Eine unwirksame Tagespreisklausel in einem Neuwagenkaufvertrag ersetzte der BGH durch ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend, dass er dem Unternehmer ein Preisanpassungsrecht nach § 315 BGB einräumte, wenn der Kunde den Vertrag im Gegenzug kündigen könne, sofern die Preiserhöhung den Rahmen des Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten übersteige.426 Eine solche Handhabung entspricht auch der Regelung in Nr. 1 lit. l des Anhangs der Klauselrichtlinie, die eine Vertragslösungsmöglichkeit nur für den Fall einer übermäßigen Preiserhöhung dem Verbraucher fordert. Da der EuGH eine Lösungsmöglichkeit des Verbrauchers als erforderlichen Bestandteil einer Preisänderungsklausel, unabhängig von der Höhe der Preissteigerung im Verhältnis zum Ausgangspreis, ansieht, bleiben die Anforderungen des BGH dahinter zurück, sofern er kein oder ein Lösungsrecht lediglich ab einer bestimmten Preiserhöhung verlangt. Aus den oben genannten Gründen verdient die Sichtweise des EuGH jedoch keine Zustimmung. Zusammengefasst ist es entgegen den Vorgaben des EuGH sachgerecht, dem Verbraucher lediglich für den Fall einer überhöhten Preiserhöhung eine Lösungsmöglichkeit einzuräumen. Im Einklang mit den Vorgaben des Nr. 1 lit. l des Anhangs, ist ein solches Recht allerdings generell in der Klausel aufzunehmen, ohne dass es darauf ankommt, ob die vorgenommene Preisänderung tatsächlich zu hoch ist. 422 Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGBGesetz, 93; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 205 f.; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allge­ meinen Geschäftsbedingungen, 106; Thomas, AcP 209 (2009), 84, 115. 423 Zustimmend BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 28; Beckmann, Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz, 123; Borges, ZIP 2007, 1439, 1441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 131; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, 207; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 424 Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173. 425 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 27; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 27 – Flüssiggas II. 426 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 79 mit Verweis auf § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauVO.

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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2. Zu hohe Preiserhöhung im Verhältnis zum ursprünglichen Preis Allerdings ist problematisch, wann eine unzumutbare Preiserhöhung vorliegt. Eine Definition dieser gestaltet sich insofern als schwierig, als diese maßgeblich von dem subjektiven Verständnis des Vertragspartners bedingt ist. Da der Rechtsprechung des BGH keine hinreichend konkreten Vorgaben entnommen werden können, kann auf die oben im Rahmen der europäischen Vorgaben diskutierten Punkte zurückgegriffen werden.427 Im Vordergrund steht der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Verbrauchers. Das Abstellen auf den Marktpreis ist nicht sachgerecht, da auch dieser die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers übersteigen kann, die durch die Einräumung eines Lösungsrechts gewährleistet werden soll. Besser ist daher eine Orientierung an der Geldentwertung, die durch den Lebenshaltungskostenindex verkörpert wird. Es kann dem Vertragspartner zugemutet werden kann, das Inflationsrisiko zu tragen. Folglich ist ein Lösungsrecht erst für den Fall, dass der Preis stärker steigt als die Lebenshaltungskosten erforderlich. Der Verbraucher wird so keiner höheren Belastung ausgesetzt als er ohnehin hinnehmen müsste.428 Sofern die Preisanpassung die Grenze der Preise für Neukunden erreicht, aber die Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten geringer ist, kann der Vertragspartner zurücktreten. Ebenso kann der Verbraucher zurücktreten, wenn der Anstieg der preisrelevanten Kostenfaktoren zwar geringer ist als die Preise für Neukunden, aber stärker ist als der Anstieg der Lebenshaltungskosten. Lediglich für den Fall, dass die an den Kunden weitergegebene Preissteigerung den Anstieg der Lebenshaltungskosten nicht übersteigt, muss der Kunde das Inflationsrisiko hinnehmen. Es könnte aber auch dem Vorschlag des BGH gefolgt werden, das Lösungsrecht an Fälle zu koppeln, in denen die Preiserhöhung einen bestimmten Prozentsatz übersteigt.429 Zur Festlegung dieses Prozentsatzes kann insbesondere die Regelung des § 651 a Abs. 5 S. 2 BGB herangezogen werden. Danach ist ein Rücktrittsrecht bei einem Reisevertrag für den Fall einzuräumen, dass die Preiserhöhung mehr als 5 % beträgt. Aufgrund Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302, der dem Reisenden ein Lösungsrecht einräumt, wenn die Preiserhöhung 8 % des Preises der Pauschalreise übersteigt, bedarf der § 651 a Abs. 5 S. 2 BGB zur Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie einer Änderung.430 Folglich ist auch im deutschen Recht eine Erhöhung des Ausgangspreises um 8 % als Richtwert zu nehmen. Je mehr die Interessen der jeweiligen Vertragsschließenden von den Interessen der Parteien eines Pauschalreisevertrages abweichen, umso mehr bedarf es aber eines großzügigeren Maßstabs. Da die Leistung innerhalb weniger Monate nach Vertragsschluss erbracht wird und der Reisende keine hinreichenden Kennt 427

3. Teil Kapitel 8 A. II. 2.  BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69 Rn.  25; BeckOK/Becker, § 309 Nr.  1 (01.15.2016) Rn. 28; Kamanabrou, Vertragliche Anpassungsklauseln, 173; Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 114. 429 BGH v. 07.10.1981, BGHZ 82, 21, 27.  430 Führich, NJW 1204, 1209; Tonner, EuZW 2016, 95, 99. 428

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Teil 3: Inhaltskontrolle

nisse hat, um die Berechtigung der Anpassung überprüfen, kann eine Preisänderungsklausel in einem Pauschalreisevertrag als verhältnismäßig riskant eingestuft werden. Ob ein Lösungsrecht an den Anstieg der Lebenshaltungskosten oder an einen bestimmten Prozentsatz zu koppeln ist, ist nach der Art der Bezugsgrößen zu entscheiden, von denen das Preisänderungsrecht bedingt ist. Eine Kopplung an den Anstieg der Lebenshaltungskosten erscheint sachgerechter, sofern der Gewerbetreibende keinen Einfluss auf die Veränderung der Bezugsgrößen hat. Die Bindung an einen Prozentsatz ist angemessener, je mehr die Bezugsgrößen, auf die sich das Preisänderungsrecht bezieht, von dem Einfluss des Unternehmers abhängen, als ihm dadurch eine feste mittelbare Grenze gesetzt wird. III. Angemessene Ausgestaltung eines Kündigungsrechts Indes ist ein Lösungsrecht nicht stets geeignet, für den Fall einer für den Verbraucher unzumutbaren Preiserhöhung einen angemessenen Ausgleich zu bieten. Wie in der Entscheidung RWE auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene entschieden wurde, genüge die formale Einräumung eines Kündigungsrechts nicht. Der Verbraucher müsse sich tatsächlich vom Vertrag lösen können.431 Ebenso wie nach der Judikatur des EuGH vermag auch nach der Rechtsprechung des BGH, ein Lösungsrecht nicht stets einen angemessenen Interessenausgleich zu verschaffen. Vielmehr hängt seine Geeignetheit von der konkreten Ausgestaltung ab.432 Dabei seien unter anderem die Art des jeweiligen Vertrags, die typischen Interessen der Vertragsschließenden und die die jeweiligen Klauseln begleitenden Regelungen zu berücksichtigen.433 Ein Ausgleich kann daher nicht erreicht werden, wenn das Lösungsrecht aufgrund seiner formalen Ausgestaltung oder der damit verbundenen Folgen de facto nicht ausgeübt werden kann. 1. Formale Ausgestaltung In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH muss das Lösungsrecht in formeller Hinsicht spätestens mit dem Wirksamwerden der Preiserhöhung wirksam werden.434 Andernfalls müsste der Vertragspartner den für ihn unzumutbaren 431 EuGH v. 21.03.2013, Rs. C-92/11 (RWE Vertrieb/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen), ECLI:EU:C:2013:180, Rn. 54. 432 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 27; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13. 433 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 28; BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 13; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 31; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2667 Rn. 30. 434 BGH v. 11.06.1980, NJW 1980, 2518, 2519; BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 30; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 32; BGH v. 15.07.2009, NJW 2009, 2667 Rn. 30; Borges, ZIP 2007, 1439, 1443; Schöne, WM 2004, 262, 268; Wolf, ZIP 1987, 341, 349.

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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Preis zahlen. Ein unzumutbares Ergebnis könne nur verhindert werden, wenn der Verwender bis zum Wirksamwerden der Kündigung an den vereinbarten Preis gebunden bleibt.435 Dies ist insbesondere in dem Fall zu verneinen, in dem die Preisanpassung unmittelbar mit der Bekanntmachung wirksam wird, die Kündigung dagegen fristgebunden ist.436 Ein Lösungsrecht darf auch nicht erst zum Ende des Vertragsjahres gegeben sein.437 Dies setzt voraus, dass der Vertragspartner rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Preisanpassung informiert wird, so dass er unter der Berücksichtigung der Kündigungsfrist ausreichend Zeit zur Überlegung und gegebenenfalls Einleitung eines Lieferantenwechsels hat.438 Die Vorankündigungsfrist sollte nicht kürzer als sechs Wochen sein.439 Sofern das Vertragslösungsrecht einen angemessenen Ausgleich bieten soll, muss es ebenfalls den Transparenzanforderungen genügen. Der Vertragspartner muss erkennen können, dass ihm ein Lösungsrecht zusteht. Folglich darf es nicht an versteckter Stelle im Klauselwerk untergebracht sein. Insbesondere darf dieses Recht nicht durch Verweise auf andere Regelwerke verborgen bleiben.440 Auch ein Hinweis auf sonstige allgemeine Lösungsmöglichkeiten, wie das ordentliche Kündigungsrecht in einem Dauerschuldverhältnis oder die gesetzliche Vorschrift ohne textliche Erläuterung, genügt nicht.441 Besser ist es das Lösungsrecht in direkten räumlichen Zusammenhang zu der Bestimmung über die Preisanpassung zu stellen und hinreichend zu verdeutlichen. Des Weiteren genügt auch ein Verweis des Verbrauchers auf die sonstigen allgemeinen Lösungsmöglichkeiten nicht. Vielmehr muss die Lösungsmöglichkeit hinreichend transparent dargestellt sein, um eine hinreichende Kompensation zu gewährleisten. 2. Keine wirtschaftlichen oder faktischen Hindernisse bei der Ausübung Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH dürfen nach nationaler Rechtsprechung und Literatur der Ausübung des Lösungsrechts weder wirtschaftliche noch faktische Hindernissen entgegenstehen:442 435

BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 33; BGH v. 17.12.2008, BGHZ 179, 186 Rn. 26; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 37; Schöne, WM 2004, 262, 268. 436 BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 32. 437 BGH v. 16.03.1988, NJW-RR 1988, 819. 438 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 30 – Flüssiggas II; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 32; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 46. 439 Coufàl, in Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, 232, 245. 440 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 28 – Flüssiggas II. 441 Graf v. Westphalen, in FS Westermann, 707, 719; Graf v. Westphalen/Fandrich, Darlehensvertrag (Juli 2012) Rn. 87; Borges, ZIP 2007, 1437, 1443. 442 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn.  28 spricht von „unzumutbaren Folgekosten für den Kunden oder ähnlichen Hindernissen“; Borges, in Abels/Lieb (Hrsg.), AGB-Recht im Spannungsfeld zwischen Kautelarpraxis und Rechtsprechung, 51, 67 ff.; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 26; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29.

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Teil 3: Inhaltskontrolle

Ein wirtschaftliches Hindernis stellen insbesondere unzumutbare Folgekosten dar.443 Diese können unmittelbar durch den Verwender verursacht sein oder sich auch durch hohe Transaktionskosten bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter ergeben.444 So stellt ein Kündigungsrecht bei Aktivgeschäften eines Kreditinstituts für einen Darlehensnehmer schon mit Blick auf die hohen Transaktionskosten einer häufig erforderlichen Umschuldung keine adäquate Kompensation für das Preisänderungsrecht des Kreditinstituts dar.445 Eine weitere Belastung wirtschaftlicher Art liegt vor, wenn wegen der Kündigung eine Amortisation der Investitionen des Vertragspartners ausbleibt. Solche Investitionen können durch Einrichtungs- oder Anschlusskosten sowie durch die Anschaffung bestimmter Geräte zur Verwendung der vertraglich vereinbarten Leistung, etwa durch den Kauf eines Digitalreceivers für den Empfang des Bezahlfernsehens,446 entstehen.447 So war dies in einem vom BGH entschiedenen Fall, in dem neben den durch die Kündigung verursachten Kosten für den Rücktransport der Flüssiggas-Tankanlage auch keine Rückvergütung für das im Zeitpunkt der Rückgabe im Tank vorhandene Flüssiggas erfolgte. Zwar wären die Kosten für den Rücktransport ohnehin bei Beendigung des Vertrages zum Ende der Vertragslaufzeit entstanden, ohne das Sonderkündigungsrecht hätte der Kunde jedoch darauf achten können, dass der Tank zum Ende der Vertragslaufzeit weitgehend entleert ist.448 Ferner kann der Kunde aufgrund der tatsächlichen Wettbewerbssituation von der Kündigung abgehalten werden, wenn ihm keine Bezugsalternative zusteht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Unternehmer eine monopolartige Stellung besitzt449 oder Angebotsknappheit auf dem betreffenden Markt herrscht. In einem solchen Fall, kann der Kunde mangels Alternative die Preiserhöhung des Unternehmers durch Ausweichen auf einen anderen Lieferanten nicht umgehen. Über dieses Kriterium findet die Abgrenzung der relevanten Märkte und die Bewertung der Marktstellung des Verwenders Eingang in die AGB-Kontrolle.450 Dagegen kann eingewendet werden, dass ein Vertragslösungsrecht dem Vertragspartner immer nur die Freiheit verschaffen könne, die tatsächlich am betreffenden Markt herrsche. Ist diese durch die monopolartige Stellung beeinträchtigt, so hat das seinen Ursprung jedoch nicht 443

BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 28, 32. OLG Dresden v. 11.12.2006 – U 1426/06 Kart, juris; LG Dresden v. 30.06.2006 – 10 O 3613/05, juris; Borges, ZIP 2007, 1437, 1443; BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29. 445 BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 37; Habersack, WM 2001, 753, 757; Schimansky, WM 2001, 1169, 1172. 446 BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 40 – Pay-TV. 447 Borges, in Abels/Lieb (Hrsg.), AGB-Recht im Spannungsfeld zwischen Kautelarpraxis und Rechtsprechung, 51, 68. 448 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 32 f.; 449 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 60; BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 27; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 34; Wolf, ZIP 1987, 341, 349. 450 Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3127 f. 444

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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im Vertrag.451 Ferner sprechen gegen dieses Beurteilungskriterium die im Rahmen der europäischen Vorgaben diskutierten Argumente.452 Zum einen beurteilt sich die Wirksamkeit des Vertrages im Zeitpunkt des Vertragsschlusses: Zu diesem Zeitpunkt, kann nicht vorhergesehen werden, wie sich die Verhältnisse auf den betreffenden Markt entwickeln werden.453 Lediglich wenn die Monopolstellung bereits bei Vertragsschluss bekannt ist, können daraus Rückschlüsse für die Konsequenzen eines Lösungsrechts gezogen werden. Allerdings kann sich die Wettbewerbslage bis zur Vornahme der Preisänderung auch verändern, wie dies in der Gasversorgungsbranche der Fall war. So konnte bei vor dem Jahr 2007 abgeschlossenen Gaslieferungsverträgen von dem Fehlen eines Wettbewerbs in der Gasversorgungsbrache ausgegangen werden, während der Gasmarkt heute, wie oben erläutert, aufgrund der Liberalisierung der Gasmärkte von zunehmender Wettbewerbsintensität geprägt ist.454 Ebenso werden durch dieses Kriterium die günstigsten Anbieter der zu erbringenden Leistung gegenüber teuren Anbietern benachteiligt. Folglich ist dieses Kriterium restriktiv zu behandeln. Ebenso ist ein angemessener Interessenausgleich nicht gegeben, wenn der Verbraucher durch Ausübung des Kündigungsrechts von einem für ihn vorteilhaften Vertrag frei wird,455 da nicht sicher ist, ob er die gleichen Vorteile bei Abschluss eines neuen Vertrages erlangen wird. Darüber hinaus kann ein angemessener Interessenausgleich wegen „sonstiger sog. Soft-Facts“456 ausgeschlossen sein, wenn damit erhebliche Mühen verbunden sind, wie der Umzug bei einem Heimvertrag, oder ein gewisser Zeitaufwand erforderlich ist. Ferner dürfen auch emotionale Bindungen nicht unberücksichtigt gelassen werden, wie z. B. bei Verträgen über Kinderbetreuung.457 Zusammengefasst liegt gerade kein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien vor, wenn die Lösung vom Vertrag mit weiteren unzumutbaren Nachteilen verbunden ist, die den Kunden von der Kündigung abhalten können. Dies gilt auch dann, wenn die relevanten Nachteile am Ende der Laufzeit sowieso eingetreten wären.458 Sofern das Lösungsrecht des Verbrauchers angesichts faktischer oder wirtschaftlicher Hindernisse nicht geeignet ist, einen Ausgleich zu schaffen, sind keine überhöhten Preisanpassungen zulässig. Damit der Verbraucher bei Vertragsschluss vorhersehen kann, ob eine zukünftige Preisänderung seine Leistungsfähigkeit übersteigt, muss in solchen Fällen der Preisänderungsbefugnis eine Obergrenze in Form des Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten oder eines festen Prozentsatzes gesetzt werden. 451

Thomas, AcP 209 (2009), 84, 116 f. Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. III. 453 Fornasier, ZEuP 2014, 414, 422. 454 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 3. b). 455 BGH v. 21.04.2009, BGHZ 180, 257 Rn. 37; Borges, DB 2006, 1199, 1204. 456 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29. 457 BeckOK/Becker, § 309 Nr. 1 BGB (01.05.2016) Rn. 29; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 1 BGB Rn. 38. 458 BGH v. 13.12.2006, NJW 2007, 1054 Rn. 32 f. – Flüssiggas II. 452

366

Teil 3: Inhaltskontrolle

IV. Lösungsrecht des Verwenders Der Vertragspartner kann jedoch auch entgegen Treu und Glauben benachteiligt sein, wenn sich der Unternehmer bei einem Dauerschuldverhältnis neben dem außerordentlichen Kündigungsrecht aus § 314 BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall einer Preisänderung einräumt. Eine außerordentliche Kündigung ist nach § 314 BGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Dieser liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zum Ende der Vertragslaufzeit für eine der Vertragsparteien unzumutbar ist. Der Fall einer Preisänderung allein stellt jedoch keinen wichtigen Grund dar.459 Eine Ausweitung auf Gründe innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze widerspricht gerade dem Grundgedanken von § 314 BGB. Folglich darf dem Verwender nur für den Fall, dass ihm die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann, ein Lösungsrecht eingeräumt werden. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der Verwender Kosten, die er auf den Kunden hätte übertragen können, aufgrund einer erheblichen Fehlkalkulation selbst tragen muss und die Fortsetzung des Vertrages auf Grundlage dieser Fehlkalkulation dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann.

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von dem oben Gesagten zu der Frage, inwiefern die Einräumung eines Lösungsrechts für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich ist, lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen ziehen, die abschließend am Beispiel von Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen verdeutlicht werden. I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Während sich der BGH bisher nicht abschließend dazu geäußert hat, inwiefern die Einräumung eines Lösungsrechts für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich ist, verlangt der EuGH für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel, neben einer transparenten Angabe von Anlass und Modus der Preisänderung, dass der Verbraucher über ein Lösungsrecht verfügt. Da das Lösungsrecht damit eine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt, kann es aufgrund des Doppelverwertungsverbots nicht gleichzeitig zur Kompensation von inhaltlich unangemessenen Klauseln beitragen. Sofern der BGH eine Kompensation 459

BGH v. 15.11.2007, NJW 2008, 360 Rn. 39.

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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inhaltlich unangemessener Preisänderungsklauseln durch die Einräumung eines Lösungsrechts verneint, ist er im Einklang mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie. Sofern der BGH jedoch betont, es komme für die Beurteilung einer Kompensationsmöglichkeit gleichwohl auf die Art des Vertrages, auf die typischen Interessen der Beteiligten und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen an, muss er diese Judikatur aufgrund der Bindungswirkung der europäischen Vorgaben aufgeben. Der EuGH formuliert durch das Erfordernis eines Lösungsrechts strengere Voraussetzungen als sie die Preisänderungsklauseln betreffenden Tatbestände des Richtlinienanhangs vorsehen. Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs sieht ein Lösungsrecht nur für den Fall, dass die Preiserhöhung im Verhältnis zum Ausgangspreis „zu hoch“ ist, als erforderlich an. Die strenge Haltung des EuGH überzeugt insofern nicht, als ein Lösungsrecht nicht stets geeignet ist, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Parteien zu bewirken. Dies hat auch der BGH festgestellt und verlangt daher kein unbeschränktes Lösungsrecht für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel. Durch ein ausnahmsloses Erfordernis eines Lösungsrechts würden lediglich die Interessen des Verbrauchers berücksichtigt werden, weil dieser durch das Kündigungsrecht das Risiko künftiger Preisentwicklungen ausschließlich auf den Klauselverwender übertragen könnte. Um einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden herzustellen, ist es daher sachgerechter ein Lösungsrecht lediglich für den Fall einzuräumen, dass die Preiserhöhung im Vergleich zum ursprünglichen Preis zu hoch ist, wie es Nr. 1 lit. l des Anhangs verlangt. Auf diese Weise wird der Leistungsfähigkeit des Verbrauchers Rechnung getragen. Dies entspricht auch der Judikatur des BGH, der ein Lösungsrecht für den Fall fordert, dass die Erhöhung einen bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises oder den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten übersteigt. Um die praktische Wirksamkeit dieser Regelung und der Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen, ist es jedoch erforderlich, dass die Preisänderungsklausel generell ein Lösungsrecht enthält, das auf den Fall der Unverhältnismäßigkeit beschränkt ist. Bei Fehlen eines solchen Rechts, ist eine Preisänderungsklausel daher nicht erst unwirksam, wenn die Erhöhung zu hoch ist. Folglich ist dem Vorliegen einer Lösungsmöglichkeit des Vertragspartners aufgrund der Bindungswirkung der Vorlageentscheidungen des EuGH nun besondere Bedeutung beizumessen. Allerdings ist dem Gerichtshof Gelegenheit zu geben, die Frage näher zu erläutern, ob das Lösungsrecht nicht auf den Fall einer überhöhten Preissteigerung begrenzt werden dürfe. Ebenso müsste der EuGH in einer solchen Entscheidung für Klarheit darüber sorgen, was unter einer „zu hohen“ Preiserhöhung i. S. v. Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs zu verstehen ist. Da dieses Kriterium dazu dienen soll die Leistungsfähigkeit des Kunden zu erhalten, könnte zum einen auf dem Anstieg der Lebenshaltungskosten abgestellt werden, da es dem Verbraucher zugemutet werden kann,

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Teil 3: Inhaltskontrolle

das Inflationsrisiko zu tragen. Ferner könnte die Lösungsmöglichkeit aber auch an einen festen Prozentsatz gekoppelt werden, wie ihn Art.  10  Abs.  2 i. V. m. Art.  11  Abs.  2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2032 normiert. Danach kann der Verbraucher kostenfrei von dem Vertrag zurücktreten, wenn der angepasste Preis den ursprünglichen um 8 % übersteigt. Dieser Wert kann als Richtwert genommen werden, wobei die Besonderheiten eines Pauschalreisevertrages zu berücksichtigen ist und das Maß daher gegebenenfalls einer Anpassung bedarf. Die nationale Rechtsprechung stimmt insofern mit der europäischen Judikatur überein, als erforderlich ist, dass der Verbraucher sich tatsächlich vom Vertrag lösen kann. Folglich ist im Einklang mit der bisherigen deutschen Rechtsprechung für die Beurteilung eines wirksamen Kündigungsrechts besonders maßgeblich, ob auf dem betreffenden Markt Wettbewerb herrsche, welche Kosten für den Verbraucher etwa mit der Kündigung des Vertrags verbunden seien, wie viel Zeit zwischen der Mitteilung und dem Inkrafttreten der neuen Tarife liege, welche Informationen zum Zeitpunkt der Mitteilung gegeben werden und welchen Kosten- und Zeitaufwand ein Wechsel des Lieferanten erfordert. II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel ist demnach erforderlich, dass die Klausel für den Fall einer überhöhten Erhöhung ein Lösungsrecht des Vertragspartners enthält. Dabei kann ein solches Lösungsrecht nicht die inhaltliche Unan­ gemessenheit einer Preisänderungsklausel kompensieren. Eine Preiserhöhung ist überhöht, wenn sie entweder den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten, die durch den Lebenshaltungskostenindex verkörpert werden, oder einen festen Prozentsatz übersteigt. Zur Ermittlung dieses Prozentsatzes kann der in Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2032 normierte Richtwert von 8 % gewählt werden, der umso mehr eines großzügigeren Maßstabs bedarf je mehr die Interessen der jeweiligen Vertragsschließenden von den Interessen der Parteien eines Pauschalreisevertrages divergieren. Ferner genügt die formale Einräumung eines Kündigungsrechts nicht. Der Verbraucher muss sich tatsächlich vom Vertrag lösen können. Das Kündigungsrecht ist formal angemessen ausgestaltet, wenn es vor der Preiserhöhung wirksam wird. Dies setzt voraus, dass der Vertragspartner rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Preisanpassung informiert wird, so dass er unter der Berücksichtigung der Kün­ digungsfrist ausreichend Zeit zur Überlegung und gegebenenfalls Einleitung eines Lieferantenwechsels hat. Damit der Verbraucher seine Rechte aus der Klausel entnehmen kann, muss sich das Kündigungsrecht hinreichend transparent aus der Klausel ergeben. Daneben dürfen der Lösung des Verbrauchers vom Vertrag keine faktischen oder finanziellen Hindernisse entgegenstehen. Insbesondere dürfen mit dem Lösungs-

Kap. 8: Erforderlichkeit eines Lösungsrechts

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recht keine unzumutbaren Folgekosten verbunden sein, die unmittelbar durch den Verwender verlangt werden oder sich auch durch hohe Transaktionskosten bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter ergeben können. Ebenso führt ein Lösungsrecht nicht zu einem angemessenen Ausgleich, wenn die Amortisation der für ein Investitionsgut aufgewendeten Anschaffungskosten aus der laufenden Vertragsbeziehung ausbleibt. Dabei ist unbeachtlich, ob die Kosten auch am Ende der Vertragslaufzeit eingetreten wären. Die Berücksichtigung der Wettbewerbssituation und vor allem möglicher Bezugsalternativen gestaltet sich jedoch aufgrund der Beurteilung der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie der Benachteiligung besonders günstiger Anbieter als problematisch, so dass dieses Kriterium restriktiv zu behandeln ist. Als andere faktische Hindernisse sind die mit einem Wechsel verbundenen Anstrengungen und der dafür erforderliche Zeitaufwand sowie die einem Wechsel entgegenstehenden emotionalen Bindungen zu berücksichtigen. Sofern das Lösungsrecht des Verbrauchers angesichts faktischer oder wirtschaftlicher Hindernisse nicht geeignet ist, einen Ausgleich zu schaffen, sind keine überhöhten Preisanpassungen zulässig. Damit der Verbraucher bei Vertragsschluss vorhersehen kann, ob eine zukünftige Preisänderung seine Leistungsfähigkeit übersteigt, muss in solchen Fällen das Preisänderungsrecht des Verwenders durch eine Obergrenze in Form des Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten oder eines festen Prozentsatzes beschränkt werden. III. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen Für Preisänderungsklauseln in Strom- oder Gaslieferungsverträgen mit Sonderkunden ergibt sich das Erfordernis eines Lösungsrechts bereits aus § 41  Abs.  3 EnWG. Dieses steht dem Verbraucher unabhängig davon zu, ob es sich um eine überhöhte Preissteigerung handelt.

Teil 4

Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln Kapitel 9

Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln Hält eine Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nicht Stand, stellt sich die Fragen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Diese Problematik betrifft zum einen die rechtswidrige Preisänderungsklausel selbst sowie auch den restlichen Vertrag.

A. Europarechtliche Vorgaben I. Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln Nach Art. 6 Abs. 1 RL und Begründungserwägung Nr. 21 der Präambel müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen „unverbindlich“ sind. Es handelt sich hierbei um eine zwingende Vorschrift, die wegen der Unterlegenheit einer der Vertragsparteien darauf abzielt, „die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen.“1 Daneben kommt Art. 6 Abs. 1 RL ein Abschreckungseffekt zu. Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit soll den Unternehmer vor der Verwendung missbräuchlicher Klausel abhalten.2 Dem Gewerbetreibenden darf nicht das Recht zustehen, Rechte 1 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C:2006:675, Rn.  36; EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn.  25; EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn.  30; EuGH v. 09.11.2010, Rs. C-137/08 (VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider), ECLI:EU:C:2010:659, Rn.  47; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 38; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/ SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 28; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 63; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./ Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 55. 2 In diese Richtung EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 69; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 39; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/ 13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 31.

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

371

oder Ansprüche aus einer missbräuchlichen Klausel zu erlangen. Vielmehr besteht für ihn das Risiko, dass er bei Wegfall der missbräuchlichen Klauseln an einen für ihn ungünstigen Vertrag gebunden ist. Nach Art. 6 Abs. 1 RL legen die Mitgliedsstaaten die „Bedingungen“, die zur Unverbindlichkeit einer Klausel führen, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest.3 Die Mitgliedsstaaten können folglich die zur Unverbindlichkeit führenden Rechtsfolgen selbstständig ausgestalten. Sie können in ihren nationalen Vorschriften zum Beispiel vorsehen, dass die Inexistenz der missbräuchlichen Klausel fingiert wird, diese für nichtig, unanwendbar oder unwirksam erklärt wird oder die Geltendmachung von Rechten, die auf missbräuchlichen Klauseln basieren, ausschlossen ist.4 Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ist allerdings zwingend.5 Dies ergibt sich auch aus dem 21. Erwägungsgrund, nach dem missbräuchliche Klauseln unverbindlich sein „müssen“. Schwächere Rechtsfolgen dürfen daher nicht vorgesehen werden. Die Unverbindlichkeit darf dabei nur zum Vorteil des Verbrauchers gereichen. Der Gewerbetreibende darf sich nicht zu seinen Gunsten auf diese berufen. Rechte des Verbrauchers und Pflichten des Gewerbetreibenden bleiben demnach von der Unwirksamkeitswirkung unberührt.6 Die nationalen Gerichte, die die Missbräuchlichkeit einer vertraglichen Klausel feststellen, sind verpflichtet, alle Konsequenzen, die sich daraus nach nationalem Recht ergeben, zu ziehen, damit diese Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind.7 In Zusammenspiel mit Art. 7 Abs. 1 RL müssen diese Mittel „angemessen und wirksam“ sein.8

3 EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn. 57; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 53. 4 Überprüfter Vorschlag der Kommission, KOM (93) 11 endg. – 285 v. 26.01.1993, 2; Bestätigung in EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 62; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 4. 5 EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn 51; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 62. 6 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 4. 7 EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn.  58; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn.  62; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10­ (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 30; EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 42. EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 63. 8 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 78; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 56. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 4

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Der EuGH hat betont, dass Art. 6 Abs. 1 RL dahin auszulegen sei, dass eine missbräuchliche Klausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen sei und gegenüber dem Verbraucher keine Wirkung haben. Folglich müsse die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, die ohne die missbräuchliche Klausel gegolten habe.9 Die Unverbindlichkeitsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL hat damit ex-tunc-Wirkung.10 Um zu verhindern, dass der einzelne Verbraucher an missbräuchliche Klauseln gebunden ist, sind die Gerichte dazu verpflichtet, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen. Da eine solche Prüfung abschreckend wirkt, trägt sie dazu bei, das in Art. 7 RL festgelegte Ziel, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen.11 Diese ad officio Prüfungspflicht gilt in jeder Phase des Verfahrens.12 Beispielsweise kann die Wirksamkeit einer Schiedsklausel auch im Rahmen der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches noch von Amts wegen geprüft werden.13 Ebenso besteht eine Amtsprüfungspflicht im gerichtlichen Mahnverfahren.14 Der Effektivitätsgrundsatz sowie der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL verlangen darüber hinaus, dass die Unverbindlichkeit der Klausel durch die nationalen Gerichte von Amts wegen beachtet wird und ipso iure eintritt, ohne dass abgewartet werden muss, ob der Verbraucher, nachdem er über seine Rechte informiert wurde, die Nichtigerklärung der genannten Klausel begehrt.15 Der Eintritt der 9 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 61 m. Anm. Döhler, EuZW 2017, 152; Markert, LMK 2017, 386786. 10 So auch Döhler, EuZW 2017, 152. 11 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 28; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 (Cofidis/Jean-Louis Fredout), ECLI:EU:C:2002:705, Rn. 32; EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 36; Rn. 27; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 41. 12 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 23; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt) ECLI:EU:C:2013:340, Rn. 27 f. Prüfungspflicht von Amts wegen auch in zweiter Instanz. 13 EuGH v. 26.10.2006, Rs. C-168/05 (Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium), ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 48; EuGH v. 06.10.2009, Rs. C-40/08 (Asturcom Telecomunicaciones/Christina Rodriguez Nogueira), ECLI:EU:C:2009:615, Rn. 53; EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010:685, Rn. 51. 14 EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 57; kritisch Dutta, ZZP 2013, 153, 166. 15 EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn.  28, 36; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt.) ECLI:EU:C:2013:340, Rn. 42; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 59; Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 151.

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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Unverbindlichkeit darf folglich nicht von einer gestalterischen Erklärung oder gar der Einleitung einer Feststellungs- oder einer Gestaltungsklage abhängig gemacht werden.16 Es gilt jedoch der Grundsatz des kontradiktorischen Verhaltens. Die nationalen Gerichte sind dazu verpflichtet, die Parteien über die von Amtswegen festgestellte Missbräuchlichkeit einer Klausel zu informieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, dies nach den Bedingungen der nationalen Verfahrensvorschriften kontradiktorisch zu erörtern.17 Daraus folgt, dass das nationale Gericht eine Vertragsklausel, die es für missbräuchlich hält, nicht für unverbindlich erklären darf, wenn der Verbraucher im Wissen um die Unverbindlichkeit diese nicht gelten lassen möchte.18 Zur Erzielung des Abschreckungseffekts wirkt die Unverbindlichkeit einer Klausel nicht nur inter partes sondern auch erga omnes, d. h. gegenüber allen Verbrauchern auf deren Verträge die gleichen AGB anwendbar sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es erforderlich, dass eine Klausel, die im Rahmen einer gegen den Verwender gerichteten Verfahren für missbräuchlich erklärt wurde, nicht nur für den beteiligten Verbraucher, sondern auch für diejenigen Verbraucher unverbindlich sei, die mit diesem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar seien.19 Sofern die Missbräuchlichkeit im Rahmen einer Unterlassungsklage festgestellt worden ist, sind die Gerichte auch in Zukunft dazu verpflichtet, alle Konsequenzen zu ziehen, damit diese Klausel für Verbraucher, die mit dem betreffenden Gewerbetreibenden einen Vertrag mit den gleichen AGB geschlossen haben, unverbindlich ist.20 Die erga-omnes Wirkung entspricht dem effet utile der Richtlinie. Allerdings ist unsicher, ob sich diese Rechtskraft auch unabhängig vom Verwender auf die jeweilige Klausel erstreckt. Die Generalanwältin verneint dies in ihren Schlussanträgen mit Hinblick auf das Gehör im Verfahren unbeteiligter Dritter.21 Dagegen lässt die Formulierung des EuGH22

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Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 6. EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn. 30 f. 18 EuGH v. 04.06.2009, Rs. C-243/08 (Pannon GSM Zrt./Erzsébet Sustikné Győrfi), ECLI:EU:C:2009:350, Rn. 33; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/ Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 57. EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn. 35. 19 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 38. 20 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 43; zur Frage eines unionsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs, der von den rechtswidrig handelnden Unternehmer verlangt, von sie aus die betroffenen Verbraucher aufzurufen, ihre Ansprüche geltend zu machen Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 645 ff. 21 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 06.12.2011, Rs. Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2011:806, Rn. 60. 22 EuGH v. 26.04.2012, Rs. C-472/10 (Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/Invitel Távközlési Zrt), ECLI:EU:C:2012:242, Rn. 40. 17

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

auch eine andere Interpretation zu, die mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz zu befürworten ist.23 II. Vertragswirksamkeit im Übrigen Nach Art. Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL bleibt der Vertrag „auf derselben Grundlage“ bindend, wenn er ohne die missbräuchliche Klausel bestehen kann. Dies wird durch den Umkehrschluss aus Art. 6 Abs. 1 Hs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 21 bestätigt. Danach beanspruchen alle verbleibenden Klauseln, die nicht missbräuchlich sind, weiterhin Geltung. Die unklare Formulierung „auf derselben Grundlage“ ist zusammen mit Erwägungsgrund Nr. 21 zu lesen, so dass der Vertrag auf der Grundlage dieser Klauseln, folglich unter denselben Bedingungen, fortbestehen soll.24 Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL trägt dem Grundsatz pacta sunt servanda Rechnung. Es ist das im Rahmen der Klauselrichtlinie verfolgte Ziel, die Vertragsgerechtigkeit zwischen den Parteien wiederherzustellen und dabei die Wirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit zu erhalten.25 Darüber hinaus trägt auch Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL dem Abschreckungseffekt Rechnung. Der Verwender soll bei Nichtigkeit der ungünstigen Klausel fürchten, an einen für ihn ungünstigen Vertrag gebunden zu sein. Der Verbraucherschutz darf nicht dadurch leer laufen, dass die Unwirksamkeit der Klausel die Unwirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit bewirkt und den Verwender letztlich von seinen vertraglichen Pflichten befreit.26 Insbesondere die aus der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages resultierende Pflicht zur Herausgabe der empfangenen Leistung widerspricht regelmäßig dem Interesse des Verbrauchers.27 Das Gericht muss von Amts wegen prüfen, wie sich die Feststellung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klausel auf die Gültigkeit des betreffenden Vertrages auswirkt und bestimmen, ob der Vertrag ohne diese Klausel bestehen kann.28 Die Aufrechterhaltung des restlichen Vertrages setzt allerdings nach Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL und dem 21. Erwägungsgrund voraus, dass der Vertrag „bestehen kann“ bzw. „ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchliche Klausel möglich ist“. 23

Reich/Micklitz, EWS 2012, 257, 261; Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 319. Deutlicher dagegen die französische Fassung „selon les mêmes termes“ und englische Fassung „upon those termes“. 25 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012: 144, Rn. 31; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C: 2014:282, Rn. 82. 26 BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 3. 27 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 83 in Bezug auf die negativen Folgen der Gesamtunwirksamkeit eines Darlehensvertrages für den Verbraucher. 28 EuGH v. 16.11.2010, Rs. C-76/10 (Pohotovosť s. r. o./Iveta Korčkovská), ECLI:EU:C:2010: 685, Rn. 61; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 30. 24

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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Es kommt folglich auf die Möglichkeit der Vertragsdurchführung ohne die missbräuchliche Klausel an. Zur Beurteilung dieses Kriteriums geht der EuGH in der Rechtssache Pereničová angesichts des „Wortlauts des Art. 6 Abs. 1 RL“ als auch „des Erfordernisses der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeit“ von einem „objektiven Ansatz“ aus.29 Das Erfordernis der Rechtssicherheit der geschäftlichen Tätigkeit ergibt sich aus Erwägungsgrund Nr. 7 der Präambel. Danach ist es unter anderem das Ziel der Richtlinie die Verkaufstätigkeit im Anwendungsgebiet der Richtlinie zu fördern. Dies ist jedoch nur möglich, sofern Rechtssicherheit in der Hinsicht besteht, dass die Wirtschaftsteilnehmer auf den Bestand von Vertragsbeziehungen vertrauen können. Eine Regelung, die auf die Interessen lediglich einer Vertragspartei abstellt, konterkariert dagegen dieses Ziel.30 Die individuellen Folgen für den einzelnen Verbraucher seien mithin für das Schicksal des Vertrages nicht ausschlaggebend.31 Die Aufrechterhaltung des Restvertrages ohne die für unverbindlich erklärte Klausel könne nicht ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des betreffenden Vertrags in seiner Gesamtheit für eine der Vertragsparteien gestützt werden.32 Dem ist zuzustimmen. Eine andere Betrachtungsweise widerspricht auch dem Ziel der Richtlinie, die materielle Ausgewogenheit angesichts der rollenspezifischen Unterlegenheit des Verbrauchers wiederherzustellen. Dabei geht es nicht darum die Interessen des Verbrauchers zu bevorrechten.33 Allerdings hat es der EuGH unterlassen positive Kriterien zu benennen, die gegen die Aufrechterhaltung eines Vertrages sprechen. Er verweist hierzu auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak.34 Da die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht lediglich auf die Interessen einer Partei gestützt werden darf, muss das Festhalten am Vertrag auf derselben Grundlage für beide Vertragsparteien möglich sein. Den Maßstab bildet folglich die Perspektive beider Vertragsparteien.35 So kommt es etwa nicht auf die „Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten

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EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 32; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt.) ECLI:EU:C:2013:340, Rn. 47. 30 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 67. 31 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 32; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt..) ECLI:EU:C:2013:340, Rn. 47. 32 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 33; Werkmeister, EuZW 2012, 304, 305. 33 Zustimmend Hennigs, GRUR 2012, 641; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 13. 34 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 32 mit Verweis auf GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 66–68. 35 In diese Richtung GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/ SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 68.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Vertrages für den Verbraucher“ an.36 Ein objektiver Ansatz legt eine am Zweck und der Rechtsnatur orientierte Betrachtung des Vertrages ohne die betreffende Klausel nahe.37 Es ist folglich unter Berücksichtigung des Zwecks und der Rechtsnatur zu untersuchen, inwiefern eine objektiv zu beurteilende tatsächliche Möglichkeit der weiteren Durchführung des Vertrages nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen beider Vertragsparteien besteht. Dies ist insbesondere zu verneinen, wenn aufgrund der Unwirksamkeit der betreffenden Klausel „die Grundlage für den Abschluss des aus der Sicht beider Vertragsparteien entfallen ist“; also das Geschäft ohne den unwirksamen Teil nach dem übereinstimmenden tatsächlichen oder hypothetischen Willen beider Parteien nicht vorgenommen worden wäre, weil der Zweck oder die Rechtsnatur des Vertrages nicht mehr dieselben sind.“38 Diese Ansicht von Trstenjak lässt sich dahin verstehen, dass insbesondere das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleitsung in den Blick zu nehmen sei, das die „Grundlage für den Abschluss des Vertrages bildet.39 Maßgeblich für den Fortbestand des Vertrages ist, ob der durch die unwirksame Klausel entstande Lücke nach dem Willen beider Parteien, ungeregelt bleiben kann oder durch dispositives Recht geregelt werden kann.40 Da Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL auf die Erhaltung der Wirksamkeit des Vertrages abzielt, soll die Unwirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit nur einen Ausnahmefall darstellen. Im Einklang mit Art. 8 RL sind die Mitgliedsstaaten, nach Ansicht des EuGH, jedoch nicht daran gehindert, die Gesamtnichtigkeit solcher Verträge vorzuziehen, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird.41 Folglich widerspricht eine nationale Regelung, die bei der Entscheidung über die Gesamtunwirksamkeit darauf abstellt, welches Ergebnis für den Verbraucher vorteilhafter ist, nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.42 Die Entscheidung in der Rechtssache Pereničová trägt dem mindestharmonisierenden Charakter der Klauselrichtlinie Rechnung.

36 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn. 33. 37 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 68; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 13; Nassal, LMK 2012, 333461; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1770, 1171. 38 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2011, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2011:788, Rn. 68. 39 Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1770, 1171. 40 DCFR Art. II. -9:408, Comment C; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 13. 41 EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012: 144, Rn 34 f. 42 Nassal, LMK 2012, 333461; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1170, 1171.

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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III. Rechtsfolgen missbräuchlicher Preisänderungsklauseln Art. 6 Abs. 1 RL hat für missbräuchliche Preisanpassungsklauseln die Unverbindlichkeit zur Folge, wobei die Mitgliedsstaaten die Form der Unverbindlichkeit in ihren nationalen Rechtsvorschriften selbstständig ausgestalten dürfen. Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ist jedoch zwingend und muss ipso iure eintreten. Die Unwirksamkeitsfolge wirkt dabei nicht nur inter partes. Die Gerichte sind auch in Zukunft dazu verpflichtet, alle Konsequenzen zu ziehen, damit diese Preisänderungsklausel für alle Verbraucher, die mit dem betreffenden Gewerbe­ treibenden einen Vertrag mit den gleichen AGB geschlossen haben, unverbindlich ist. Mithin kann der Gewerbetreibende keinen Anspruch auf den erhöhten Preis, sondern kann gegenüber dem Verbraucher nur den bei Vertragsschluss vereinbarten Ausgangspreis geltend machen. Sofern der verbleibende Restvertrag ohne die missbräuchliche Preisanpassungsklausel bestehen kann, bleibt er unter den denselben Bedingungen für die Vertragsparteien bindend. Die Aufrechterhaltung des Vertrages beurteilt sich dabei nach objektiven Kriterien. Es ist zu untersuchen, ob das Geschäft ohne den unwirksamen Teil nach dem übereinstimmenden tatsächlichen oder hypothetischen Willen beider Parteien nicht vorgenommen worden wäre, weil der Zweck oder die Rechtsnatur des Vertrages nicht mehr dieselben sind. Aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters können die Mitgliedsstaaten zur Erhöhung des Schutzes des Verbrauchers die Nichtigkeit des Vertrages vorziehen. Ob die Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Preisänderungsklausel stets die Unwirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit nach sich zieht, ist allerdings fraglich.43 Sofern man auf die Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeit abstellt, könnte dies zu bejahen sein.44 Jedoch ist es sachgerechter auf die Besonderheiten des Einzelfalls abzustellen, insbesondere darauf, ob eine objektiv zu beurteilende tatsächliche Möglichkeit der weiteren Durchführung des Vertrages nach dem hypothetischen Willen beider Vertragsparteien besteht.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Im Folgenden ist zu untersuchen, wie die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 RL im deutschen Recht umgesetzt worden sind und welche Rechtsfolgen sich daraus insbesondere in Hinblick auf die Wirksamkeit des restlichen Vertrages bei Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel ergeben.

43

MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6b. MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6b.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

I. Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL Im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 RL ordnet § 306 Abs. 1 BGB an, dass trotz Unwirksamkeit einer Klausel der restliche Vertrag aufrechterhalten bleibt. Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ergibt sich bereits aus § 307 Abs. 1 BGB, der unangemessene Klauseln für unwirksam erklärt. Die abgestufte Prüfung des § 306 Abs. 1 bis Abs. 3 trägt ebenfalls Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL Rechnung, der grundsätzlich die Erhaltung des Vertrages in seiner Gesamtheit zu Ziel hat. Es ist jedoch umstritten, inwiefern die Regelung des § 306  Abs.  3  BGB mit Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL zu vereinbaren ist. Nach § 306 Abs. 3 BGB ist der Vertrag unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung des § 306 Abs. 2 BGB eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf die Unwirksamkeit dagegen nicht auf die Interessen einer Partei gestützt werden, insbesondere nicht auf die Interessen des Klauselverwenders. Vielmehr ist ein objektiver Ansatz für die Entscheidung maßgeblich. Es muss objektiv betrachtet unter Berücksichtigung des Zwecks und der Rechtsnatur des Vertrages nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen beider Vertragsparteien eine Möglichkeit der Vertragsdurchführung auf derselben Grundlage bestehen. Die Gesamtnichtigkeit tritt damit nur in Fällen der objektiven Undurchführbarkeit des Vertrages ein.45 Im Gegensatz dazu stellt § 306 Abs. 3 BGB auf ein subjektives Kriterium ab. Die Nichtigkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit tritt bereits dann ein, wenn das Festhalten am Vertrag für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte darstellt. Eine Gleichsetzung der Begriffe ist insofern nicht möglich,46 als eine Fortführung des Vertrags nach Wegfall einer unangemessenen Klausel zwar für den Verwender unwirtschaftlich oder belastend sein kann, jedoch der Vertrag weiterhin durchführbar ist. § 306 Abs. 3 BGB stellt damit einen weniger strengen Maßstab auf als Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL.47 Zwar ist es aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters der Richtlinie möglich, die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages bereits dann zu bejahen, wenn das Festhalten eine unzumutbare Härte für den Verbraucher darstellt, um so einen höheren Verbraucherschutz zu gewährleisten.48 Jedoch widerspricht eine Nichtigerklärung des Vertrages aufgrund unzumutbarer Härte für den Unternehmer den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL. Der Verbraucher wird 45 Vgl. 7.  Kap. A. II.; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn.  32; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon ­Magyarország Hitel Zrt) ECLI:EU:C:2013:340, Rn. 47. 46 So aber Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 1, 29; Schmidt-Salzer, BB 1995, 1493, 1494; Werkmeister, EuZW 2012, 304, 305. 47 MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 e; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 4; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1770, 1772. 48 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 A. II.; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 34 f.

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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dadurch insofern benachteiligt, als für den Verwender die Möglichkeit besteht, sich unter weniger strengen Voraussetzungen von seinen vertraglichen Pflichten zu befreien.49 Aufgrund des verbraucherschützenden Zwecks der Richtlinie darf nicht lediglich auf die Interessen des Unternehmers abgestellt werden. § 306 Abs. 3 RL steht folglich nicht im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL.50 Einige Stimme in der Literatur wollen, weil der Begriff der „unzumutbaren Härte“ Interpretationsspielraum eröffnet, diese Divergenzen im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung überwinden. Wie die Regelung des § 275 Abs. 3 BGB zeigt, könne das Kriterium der Unzumutbarkeit als ein Fall der „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ verstanden werden. Das Kriterium einer unzumutbaren Härte sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass es nur vorliege, wenn die Durchführbarkeit des Vertrages aus der Perspektive beider Vertragsparteien objektiv unmöglich sei.51 Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen.52 Sie widerspricht dem Gebot der Klarheit und Bestimmtheit der Richtlinienumsetzung.53 Eine noch restriktivere, richtlinienkonforme Auslegung des § 306  Abs.  3  BGB, der bereits einen sehr engen Anwendungsbereich hat, würde zu einer beinahe völligen Unanwendbarkeit des § 306  Abs.  3  BGB auf Verbraucherverträge führen. Darüber hinaus bleibt ein Anwendungsbereich eröffnet, solange das Unzumutbarkeitskriterium in § 306 Abs. 3 BGB enthalten ist und insbesondere bereits die Unzumutbarkeit für eine der Vertragsparteien für die Nichtigerklärung der Parteien ausreicht. Die richtlinienkonforme Auslegung kann nicht die Unanwendbarkeit des Unzumutbarkeitskriteriums contra legem bewirken. Eine Direktwirkung des Richtlinieninhalts unter Verdrängung des nationalen Rechts widerspricht gerade den Vorgaben des § 288 Abs. 3 AEUV.54 Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung dürfe nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem herangezogen werden.55 Vielmehr müssen die nationalen Methoden die teleologische Reduktion noch tragen. Eine Rechtsfortbildung ist nur möglich, wenn der klare Wortlaut des Gesetzes ihr nicht entgegensteht. Damit ist § 306 Abs. 3 BGB als unionswidrig anzusehen. 49

Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4e; Hennigs, GRUR 2012, 641, 642. 50 So bereits Eckert, WM 1993, 1070, 1077; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6; Hennigs, GRUR 2012, 641, 642; Nassal, LMK 2012, 333461; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 16; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4e; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 632; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1170, 1171. 51 Hennigs, GRUR 2012, 641, 642; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 6 RL Rn. 18; Säcker/ Mengering, BB 2013, 1859, 1862; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1770, 1772; Werkmeister, EuZW 2012, 304, 305. 52 Ebenso MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4e; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 632. 53 EuGH v. 10.05.2001, Rs. C-144/99 (Kommission/Königreich der Niederlande), ECLI:EU:C: 2001:257, Rn. 21. 54 Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4e, vor § 306 BGB Rn. 98. 55 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 65; Anm Pfeiffer, NJW 2014, 3069.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Sofern nationale Gerichte einen Vertrag wegen unzumutbarer Härte für den Verwender für nichtig erklären wollen, ist ihnen anzuraten, eine Vorlagefrage nach § 276 AEUV an den EuGH zu richten.56 Um die Einleitung eines auf Anpassung des § 306 Abs. 3 BGB an die Vorgaben der Klauselrichtlinie gerichteten Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden, wären die Gesetzgeber allerdings am besten beraten, wenn sie den Wortlaut des § 306 Abs. 3 BGB an die Vorgaben der Klauselrichtlinie anpassen würden.57 II. Rechtsfolgen unangemessener Preisänderungsklauseln 1. Rückzahlungsanspruch infolge unwirksamer Preisänderungsklausel Unangemessene Preisänderungsklauseln sind, unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen § 309 Nr. 1 BGB oder § 307 Abs. 1 oder 2 BGB vorlag, mit ex-tunc-Wirkung unwirksam. Es gilt damit der ursprünglich bei Vertragsschluss vereinbarte Preis. Dies hat zur Folge, dass dem Kunde ein bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Höhe des Differenzbetrags zu dem bei Vertragsschluss vereinbarten Preis zusteht. Aufgrund der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel bestand für die Zahlung des erhöhten Preises kein rechtlicher Grund.58 Die widerspruchslose Zahlung des neuen Preises nach Vornahme einer Preisanpassung stellt nach gefestigter Rechtsprechung des BGH noch keine konkludente Zustimmung zur Erhöhung des Preises dar. Der Verbraucher brauche bei einer einseitig vom Unternehmer unter Berufung auf eine Preisanpassungsklausel vorgenommenen Preisänderung keine Willenserklärung erfordernde Reaktion zu zeigen.59 Der Anspruch aus § 812  Abs.  1  S.  1  BGB verpflichtet den Verwender dazu, das „Erlangte“ herauszugeben. Da der Geldbetrag nicht in natura herausgegeben werden kann, ist der Verwender zu Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB verpflichtet.60 Hiergegen kann der Verwender nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben. § 818 Abs. 3 BGB dient dem Schutz des gutgläubigen 56

MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6; BeckOK/H. Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 4. So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn.  4e, vor § 306 BGB Rn. 98. 58 Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 264; Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 239. 59 BGH v. 23.03.2013, ZNER 2013, 152 Rn. 19; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 9; BGH v. 14.03.2012, ZNER 2012, 265 Rn. 22; BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 40 ff.; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 57 ff.; anders BGH v. 13.06.2007, BGHZ 172, 315 Rn. 36; BGH v. 19.11.2008, NJW 2009, 502 Rn. 16 nach § 315 BGB im Fall unbilliger Preisfestsetzung auf der Basis unwirksamer Preisänderungsklauseln. 60 Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 239. 57

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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Bereicherungsschuldners. Der Verwender kann sich jedoch nicht auf Entreicherung berufen, wenn nach § 818 Abs. 4 BGB eine Klage rechtshängig ist oder er nach § 819 Abs. 1 BGB den Mangel des rechtlichen Grund bei Empfang der erhöhten Zahlung kennt oder ihn später erfährt. Von einer Kenntnis des Verwenders nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, BGB kann ausgegangen werden, wenn die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel durch den BGH festgestellt wurde. Folglich wird eine Entreicherung des Verwenders nur sehr selten vorkommen. Eine Berufung des Verwenders auf Entreicherung mit der Begründung, dass er den überhöhten Preis an seinen Vorlieferanten abgeführt habe, ist ebenfalls nicht möglich. Durch die Weitergabe wird er zugleich von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Vorlieferanten frei.61 Ferner trägt der Gewerbetreibende als Verkäufer das angesichts der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel bei ihm verbleibende Kalkulationsund Kostenrisiko.62 2. Gesamtnichtigkeit des restlichen Vertrages Es stellt sich die Frage, ob der Wegfall der Preisänderungsklausel zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Der BGH argumentiert in Bezug auf § 306 Abs. 3 BGB immer noch mit dem Kriterium der unzumutbaren Härte. Er nimmt im Rahmen von langfristigen Energielieferungsverträgen in Ansehung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit des Verwenders an, dass es eine unzumutbare Härte darstelle, wenn er den Kunden zu dem Ausgangspreis beliefern müsste und der bei Vertragsschluss vereinbarte Preis seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend war.63 Jedoch widerspricht eine Nichtigerklärung des Vertrages aufgrund unzumutbarer Härte für den Unternehmer, wie oben erläutert,64 den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL. Zur Gewährleistung einer sachgerechten Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL kann die Nichtigkeit des Gesamtvertrages nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Leistungsaustausch nach dem Zweck und der Rechtsnatur des Vertrages ohne die unwirksame Klausel nach dem Willen beider Parteien nicht mehr durchgeführt werden kann. Hierbei ist zwischen Dauer- und Nichtdauerschuldverhältnissen zu unterscheiden. Bei Nichtdauerschuldverhältnis mit einem einmaligen Leistungsaustausch ist die Durchführbarkeit des Vertrages trotz Wegfalls der Preisänderungsklausel davon abhängig, ob eine qualifizierte Störung des Äquivalenzverhältnisses vorliegt. 61 Lubos, Die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, 242. 62 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 41; BGH v. 21.09.2016, BB 2016, 2763 Rn. 39; Grün/Ostendorf, BB 2014, 259, 264; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3607. 63 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 37; BGH v. 23.01.2013, EnWZ 2013, 225 Rn. 35; BGH v. 04.06.2016, NJW, 2017, 320 Rn. 24; 64 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 B. I.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

In der Regel wird aufgrund der Kürze der Vertragsdauer der Preis keinen allzu großen Veränderungen unterliegen. Ferner ist die Durchführung des Vertrages im Interesse beider Parteien. Bei Vertragsunwirksamkeit würde der Vertragspartner ohne das geschuldete Gut dastehen. Ebenso ist der Verwender zur Vermeidung nicht unbedeutender Verluste auf Grund investierter Zeit und Mittel oder wegen des persönlichen Charakters der zu erbringenden Leistung bei Wegfall der Preisänderungsklausel weiterhin an der Erbringung der Leistung interessiert. Hat sich der Preis jedoch infolge der Veränderung der Marktverhältnisse stark verändert, so kann dies zu einer Undurchführbarkeit des Vertrages führen. In langfristige Dauerschuldverhältnisse, bei denen der Preis aufgrund unvorhersehbarer Umstände Schwankungen unterliegt, sind Preisänderungsklauseln conditiones sine quibus non für die Eingehung des Schuldverhältnisses65 Ohne eine Preisänderungsklausel müssten langfristige Dauerverträge durch viele Kurzverträge ersetzt werden, was gerade dem Erfordernis der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeit und den Interessen beider Parteien widerspricht.66 Allerdings ist der Leistungsaustausch ohne eine wirksame Preisänderungsklausel lediglich dann objektiv nicht mehr durchführbar, wenn die auf Grundlage der unwirksamen Preisänderungsklausel hervorgerufene Störung des Äquivalenzverhältnisses nicht unerheblich ist und dieser Störung nicht in absehbarer Zeit durch eine Kündigungsmöglichkeit des Unternehmers beendet werden kann.67 In diesem Fall kann ein fairer Vertragspartner von dem Klauselverwender nicht verlangen, dass der Vertrag zum ursprünglich vereinbarten Preis durchgeführt wird. In allen anderen Fällen muss der Klauselverwender, trotz Anerkennung seines Interesses an der Verwendung einer Preisänderungsklausel, das Risiko tragen, dass sich eine von ihm verwendete Preisänderungsklausel als unwirksam erweist. Andernfalls würde der Abschreckungseffekt des Art. 6 Abs. 1 RL konterkariert werden. Eine pauschale Annahme der objektiven Undurchführbarkeit des Vertrages bei ersatzloser Streichung einer Preisänderungsklausel aufgrund der Tatsache, dass sich die Parteien über eine Variabilität der Preis geeinigt haben, ist folglich zu verneinen.68

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Thomas, AcP 209 (2009), 84, 129; Erm, JR 2013, 543, 548; Borges, DB 2006, 1199; Rehart/ Lolacher, MMR 2016, 305. 66 Erm, JR 2013, 543, 548; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6b. 67 In BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 33 hat der BGH eine ergänzende Vertragsauslegung in Gaslieferungsverträgen abgelehnt, da sich der Verwender nach zweijähriger Vertragsdauer mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vom Vertrag lösen konnte; In BGH v. 28.09.2009, NJW 2010, 993 Rn. 44 f. hat der BGH eine ergänzende Vertragsauslegung in Gaslieferungsverträgen abgelehnt, da sich der Verwender mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag lösen konnte. 68 So aber Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862 f.

Kap. 9: Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln

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C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den Ausführungen zu den Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für die Rechtsfolgen von unwirksamen Preisänderungsklauseln im Allgemeinen ziehen.

I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung in der nationalen Rechtsprechung Die Unverbindlichkeitsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL dient der Wiederherstellung der materiellen Ausgewogenheit zwischen den Parteien und hat insofern einen generalpräventiven Charakter, als sie den Gewerbetreibenden von der Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln abschrecken soll. Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ist zwingend, wobei die Mitgliedsstaaten die zur Unverbindlichkeit führenden Rechtsfolgen selbst ausgestalten können. Die Unverbindlichkeit darf dabei nur dem Verbraucher zur Vorteil gereichen; der Gewerbetreibende darf sich nicht zu seinen Gunsten auf die Unverbindlichkeit einer Klausel berufen. Um den effet utile des Art. 6 Abs. 1 RL zu gewährleisten, hat diese Norm Folgen für das Prozessrecht. Aus Art. 6 Abs. 1 RL folgt die Verpflichtung der Gerichte, die Missbräuchlichkeit einer Klausel von Amts wegen zu prüfen. Die Rechtsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL muss ipso iure mit ex-tunc-Wirkung eintreten. Sie wirkt nicht nur inter partes, sondern orga omnes, also gegenüber allen Verbrauchern, auf deren Verträge die gleichen AGB anwendbar sind. Nach Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL bleibt der Restvertrag grundsätzlich trotz der Unwirksamkeit der betreffenden Klausel auf derselben Grundlage bindend, sofern er ohne die missbräuchliche Klausel bestehen kann. Der BGH beurteilt dies nach einem objektiven Ansatz. Es ist maßgeblich, ob der Leistungsaustausch nach dem Zweck und der Rechtsnatur des Vertrages ohne die unwirksame Klausel nach dem Willen beider Parteien noch durchgeführt werden kann. Im Einklang mit Art. 8 RL können die Mitgliedsstaaten jedoch, die Gesamtnichtigkeit solcher Verträge zur Gewährleistung eines höheren Schutzniveaus für den Verbraucher vorziehen. Art. 6 Abs. 1 RL ist durch § 306 Abs. 1 BGB korrekt umgesetzt. Problematisch ist lediglich die Vereinbarkeit des § 306 Abs. 3 BGB mit Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL. Nach § 306 Abs. 3 BGB kommt die Gesamtnichtigkeit des Vertrages bereits in Betracht, wenn das Festhalten am bestehenden Vertrag ohne die für unwirksam erklärte Klausel für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte darstellt. Dagegen stellt Art. 6 Abs. 1 HS. 2 RL auf die Möglichkeit der Durchführbarkeit des Vertrages auf derselben Grundlage nach dem Willen beider Parteien ab. Art. 6 Abs. 1 HS. 2 RL ist damit strenger als § 306 Abs. 3 BGB. Zwar ist es aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters der Richtlinie möglich, die Gesamtunwirksamkeit

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des Vertrages bereits dann festzusetzen, wenn das Festhalten eine unzumutbare Härte für den Verbraucher darstellt, um so einen höheren Verbraucherschutz zu gewährleisten. Allerdings ist eine Nichtigerklärung des Vertrages aufgrund unzumutbarer Härte für den Unternehmer nicht mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL zu vereinbaren. Es kommt auch keine Überwindung der Divergenzen im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung in Betracht, da dies dem Gebot der Klarheit und Bestimmtheit der Richtlinienumsetzung nicht gerecht wird sowie eine Auslegung contra legem nicht möglich ist. § 306 Abs. 3BGB ist damit als unionswidrig anzusehen und bedarf zur Vermeidung der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens einer Änderung. II. Schlussfolgerungen für Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Die Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel führt zu Rückforderungsansprüchen des Vertragspartners nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Gewerbetreibende muss Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB leisten und kann sich dabei nicht auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen. Er trägt als Verkäufer das angesichts der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel bei ihm verbleibende Kalkulations- und Kostenrisiko. Zur Beurteilung der Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB argumentiert der BGH noch immer mit dem Kriterium der unzumutbaren Härte für eine der Parteien. Er nimmt im Rahmen von langfristigen Energielieferungsverträgen in Ansehung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit des Verwenders an, dass es eine unzumutbare Härte darstelle, wenn er den Kunden nach dem Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel zum bei Vertragsschluss vereinbarten Ausgangspreis beliefern müsste, der seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend war. Diese Judikatur ist mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL nicht zu vereinbaren. Zur Gewährleistung einer korrekten Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL kann die Nichtigkeit des Gesamtvertrages nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Leistungsaustausch nach dem Zweck und der Rechtsnatur des Vertrages ohne die unwirksame Klausel nach dem Willen der Parteien nicht mehr durchgeführt werden kann. Insbesondere bei Nichtdauerschuldverhältnissen sind beide Vertragsparteien in der Regel trotz Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel an einem Leistungsaustausch interessiert, so dass nur bei qualifizierter Äquivalenzstörung eine Undurchführbarkeit des Vertrages anzunehmen ist. Zwar sind Preisänderungsklauseln in langfristigen Dauerschuldverhältnissen condicitiones sine quibus non. Allerdings führt die Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel nicht stets zur Nichtigkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit. Ein Leistungsaustausch ohne eine wirksame Preisänderungsklausel kann lediglich dann objektiv nicht mehr durchgeführt werden, wenn die auf Grundlage der unwirksamen Preisänderungsklausel hervorgerufene Störung des Äquivalenzverhältnisses erheblich ist und der Stör-

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zustand nicht in absehbarer Zeit durch eine Kündigungsmöglichkeit des Unternehmers beendet werden kann. Kapitel 10

Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln Die Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel kann zur Nichtigkeit der auf der Klausel basierenden Preiserhöhung und damit unter Umständen zur Rückabwicklung der erbrachten Leistungen führen. Dies widerspricht insbesondere auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge aber auch bei Darlehensverträgen regelmäßig den Interessen des Vertragspartners. Im folgenden Kapitel wird daher untersucht, was im Falle der Unverbindlichkeit einer Preisanpassungsklausel gelten soll. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern eine im Vertrag entstandene Lücke im Wege der im deutschen Recht aber auch in Österreich,69 Spanien,70 und Griechenland71 anerkannten ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden kann. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt dann in Betracht, wenn für die Ausfüllung einer durch Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehenden vertraglichen Lücke konkrete gesetzliche Regelungen nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel-Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt. Dann tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel, diejenige Gestaltungsmöglichkeit, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.72

A. Europarechtliche Vorgaben Ob und wie die Lücke, die durch eine unverbindliche Klausel entsteht, zu füllen ist, dazu enthält die Richtlinie selbst keine Vorgaben. Zwar kann der Wortlaut des Art.  6  Abs.  1  RL und des 21.  Erwägungsgrund, die einen Fortbestand des Vertrages nur im Rahmen des Möglichen verlangen, dahin gedeutet werden, dass eine Lückenfüllung ausgeschlossen ist, jedoch verfolgt die Richtlinie auch das Ziel die materielle Vertragsgerechtigkeit wiederherzustellen und den Vertrag in seiner 69

OGH v. 24.06.2003 – 4 Ob 73/03v, JBl 2004, 50. Vgl. EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349; Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 327 ff.; Erm, JR 2013, 543, 548 ff. 71 Kapnopoulou, Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der EU, 152. 72 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69. 70

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Gesamtheit trotz der Nichtigkeit der missbräuchlichen Klausel zu erhalten.73 Da sich die aus der Nichtigerklärung resultierenden nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher oft durch die Schließung einer Lücke vermeiden lassen, widerspricht die Möglichkeit einer Lückenschließung nicht vollkommen den Vorgaben der Richtlinie.74 Es obliegt daher den Mitgliedsstaaten die Entscheidung, ob und wie sie die entstandene Lücke schließen wollen.75 I. Vorüberlegungen 1. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Bei der Lückenfüllung sind allerdings die Grenzen des effet utile zu beachten.76 Die zwingende Rechtsfolgenanordnung der „Unverbindlichkeit“ des Art. 6 Abs. 1 RL sowie das in Art. 7 Abs. 1 RL i. V. m. Erwägungsgrund Nr. 24 enthaltene Regelungszielt „der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende zu setzen“, darf nicht vereitelt werden. Daher dürfen keine Regelung getroffen werden, die die Unverbindlichkeit der missbräuchlichen Klausel umgehen, indem sie dieser Klausel zum Teil Geltung verschaffen. Dies hat der EuGH in dem Vorlageverfahren Banco Español de Crédito bestätigt und in weiteren Vorlageverfahren bekräftigt. In der Rechtssache Banco Español de Crédito ging es um die Zulässigkeit einer spanischen Rechtsvorschrift, die es den spanischen Gerichte erlaubte, die Auswirkungen der Klauselunwirkamkeit für beide Parteien, also auch den Verwender, zu mäßigen (facultades moderadoras). Auf Grundlage dieser wollte das spanische Gericht einen überhöhten Verzugszins von 29 % auf 19 % herabsetzen. Der EuGH betonte ausgehend vom Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Klausel unangewendet lassen müssen, damit sie den Verbraucher nicht binde, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Der Vertrag müsse grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich sei. Anderenfalls wäre das in Art. 7 Abs. 1 RL i. V. m. dem 24. Erwägungsgrund verfolgte Ziel gefährdet und der intendierte Abschreckungseffekt beseitigt. Die Gewebetreibenden blieben versucht, die betreffende Klausel zu verwenden, wenn sie wüssten, dass der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, selbst wenn die Klausel für unwirksam erklärt 73

EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C: 2012:144, Rn.  31; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 82. 74 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 83 f. 75 Eckert, WM 1993, 1070, 1077; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 d; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 4; Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 318; 76 BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 2; Erm, JR 2013, 543, 545.

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werden sollte.77 In einer weiteren Entscheidung bestätigte der EuGH dieses Verbot, indem er der Abmilderung einer missbräuchlichen Vertragsstrafeklausel bei Mietzahlungsverzug widersprach.78 Damit hält der EuGH richtigerweise eine geltungserhaltende Reduktion für unzulässig.79 Eine missbräuchliche Klausel darf nicht auf ihr zulässiges Maß zurückgeführt werde. Eine solche Folgerung war insbesondere mit Blick auf den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 21 zu erwarten und spiegelt so das oft propagierte Präventionsziel der Unverbindlichkeitsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL wider.80 Die Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion widerspricht dem Effektivitätsgrundsatz der Richtlinie und würde einen Anreiz zur risikolosen Verwendung missbräuchlicher Klauseln schaffen. Um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten, muss indes dem Unternehmer das Risiko der Unverbindlichkeit der AGB Klauseln aufgelegt werde, das ihn gerade vor der Verwendung missbräuchlicher Klauseln abschrecken soll. Da die Rechtsprechung des EuGH mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion folglich Klarheit und einen Mindeststandard für Mitgliedsstaaten schafft, in denen das Verbot geltungserhaltender Reduktion bisher nicht anerkannt war,81 ist diese insbesondere in Hinblick auf einen harmonisierten, europäischen Verbraucherschutz zu begrüßen.82 77 EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 65 ff.; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 57 f.; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 77 ff.; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.), ECLI:EU:C:2015:21, Rn.  28 ff.; EuGH v. 21.04.2016, Rs. C-377/44 (Radlinger/Finway), ECLI:EU:C:2016:283 Rn. 97 f.; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn.  57, 60; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 14.02.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:74, Rn. 84 ff. 78 EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn.  57; Bestätigung in EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco/José Hidalgo Rueda u. a.) und (Caixabank/Rueda Ledesma u. a.), ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 29. 79 So bereits Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf, 5. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 5; zustimmend Ayad, BB 2012, 2716, 2717; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 4; Hau, JZ 2012, 964, 966; Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 Rn. 9; derselbe, LMK 2012, 339740; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4d; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 2; Wendenburg, EuZW 2012, 758, 759; a. A. Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 15c der die Entscheidung des EuGH lediglich auf gesetzliche Regelungen, die den Richter zur ausdrücklichen Schaffung von Ersatzklauseln ermächtigen, beschränken möchte; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229 f. die die Entscheidung dahingehend interpretiert, dass die ergänzende Vertragsauslegung und nicht die geltungserhaltende Reduktion nicht mit Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar sei. 80 Pfeiffer, LMK 2012, 339740; kritisch Ayad, BB 2012, 2716, 2717 in Hinblick auf die hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an wirksame Klauseln stellt. 81 z. B. in Österreich ist eine völlige Neuorientierung erforderlich, hierzu Lukas, JBl 2012, 434, 440 f. 82 Wendenburg, EuZW 2012, 758, 759; Stempel, ZEuP 2017, 102, 120; kritisch in Hinblick auf den Präventionsgedanken Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229 f.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Die Unverbindlichkeitswirkung erstreckt sich dabei auf die vollständige Klausel. Allerdings ist der Klauselbegriff europäisch-autonom auszulegen. Danach ist jede semantisch und inhaltlich trennbare vertragliche Regelung unabhängig von ihrer optischen oder gliederungstechnischen Ausgestaltung als selbstständige Klausel anzusehen. Sofern sich eine sprachlich und formal scheinbar einheitliche Klauseln in mehrere semantisch und inhaltlich selbstständige Klauseln gliedern lässt, kommt folglich auch die Teilunverbindlichkeit von dieser in Betracht, die dem Abänderungsverbot nicht widerspricht.83 2. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht Der EuGH hat in der Entscheidung zur Rechtssache Kásler eine klare Unterscheidung zwischen der geltungserhaltenden Reduktion und der Lückenfüllung durch dispositives Recht getroffen.84 In diesem Vorlageverfahren spricht der EuGH einer Berechnungsklausel für die Tilgungsrate mangels hinreichender Transparenz zwar die Wirksamkeit ab,85 erlaubt jedoch die Ersetzung der missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift, um die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages und die daraus resultierende Pflicht des Verbrauchers zur sofortigen Rückzahlung des Darlehens zu verhindern. Er argumentiert dabei mit dem Ausgleichcharakter des Art.  6  Abs.  1  RL. Die Ersetzung durch dispositives Recht entspricht den Vorgaben des Art. 1 Abs. 2 RL und Erwägungsgrund Nr. 13 der Präambel, die davon ausgehen, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten nicht missbräuchlich sind und einem angemessenen Interessenausgleich der Parteien in hinreichender Weise Rechnung tragen. Demnach sei eine Schließung der Lücke durch dispositives Recht denkbar, wenn die Nichtigerklärung des Vertrages in seiner Gesamtheit mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden sei und den Abschreckungseffekt beeinträchtigen würde.86 Diese Rechtsprechung findet Bestätigung in weiteren Urteilen und wird dahingehend konkretisiert, dass eine Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht nur in den Fällen in Betracht komme, in denen die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht verpflichten würden, den Vertrag insgesamt für nichtig zu er-

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Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  6 RL Rn.  11; BeckOGK/Bonin, §  306 BGB (10.02.2017) Rn. 98; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4d; Schlosser, IPRax 2012, 507, 514. 84 Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3072; Riesenhuber, LMK 2014, 358903; Fervers, EuZW 2014, 510, 511; Venieris, VuR 2015, 363,368; Sik-Simon, euvr 2014 geht dagegen zu Unrecht von einer Rechtsprechungsänderung des EuGH aus. 85 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 73. 86 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 80 ff.

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klären, wodurch der Verbraucher Konsequenzen ausgesetzt würde, die derart sind, dass er dadurch bestraft würde.87 Der EuGH lässt folglich eine Lückenschließung durch dispositives Recht zu, um die Wirksamkeit des Vertrages zu erhalten und die Vereitelung des Abschreckungseffekts zu verhindern, die durch die Nichtigerklärung des Vertrages eintreten kann.88 Dies überzeugt. Ist eine Klausel unwirksam so tritt an ihre Stelle aber ohnehin das dispositive Recht, sofern dieses eine anwendbare Regelung enthält. Folglich stellt sich die Frage nach der Gesamtunwirksamkeit des Vertrages gar nicht.89 Allerdings darf durch die Ersetzung durch dispositives Recht, wie der EuGH ausdrücklich betont, der Abschreckungseffekt für den Verwender gerade nicht beeinträchtigt werden, so dass diese Prämisse bei Lückenschließung durch dispositives Recht zu berücksichtigen ist. 3. Unzulässigkeit der Beschränkung der Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln Aus dem Abänderungsverbot hat der EuGH weiter gefolgert, dass nach Art. 6 Abs. 1 RL eine missbräuchliche Klausel mit ex-tunc-Wirkung nicht existent ist, wie oben bereits erläutert. Sofern auf Grundlage einer missbräuchlichen Klausel Beträge gezahlt worden sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, entfalte die missbräuchliche Klausel in Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung. Anderenfalls wäre der Abschreckungseffekt der Art.  6  Abs.  1  RL in Frage gestellt.90 In der diesen Grundsätzen zugrunde liegenden Vorlageverfahren stand die Zulässigkeit der Rechtsprechung des spanischen Obersten Gerichtshof in Frage, nach der die Feststellung der Nichtigkeit einer Mindestzinsklauseln nicht die vor diesem Urteil erfolgten Zahlungen berühre. Daher sei der Anspruch des Verbrauchers auf Rückerstattung nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit auf die ab dem Tag der Urteilsverkündung rechtsgrundlos gezahlten Beiträge beschränkt. Der EuGH hat diese Rechtsprechung als „erkennbar nicht mit dem Unionsrecht vereinbar“ angesehen. Art. 6 Abs. 1 RL stehe einer nationalen Rechtsprechung entgegen, die die Restitutionswirkung einer missbräuchlichen Klausel zeitlich auf diejenigen Beträge beschränkt, die auf Grundlage einer solchen Klausel rechtsgrundlos gezahlt 87

EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 33; BGH v. 08.07.2015, Rs. C-90/14 (Banco Grupo Cajatres/María Mercedes Manjón Pinilla und Comunidad Hereditaria formada al fallecimiento de D. M. A. Viana Gordejuela), ECLI:EU:C:2015:465, Rn. 38. 88 MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6b; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4d. 89 Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 156. 90 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 61 ff.

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wurden, nachdem die Entscheidung mit der gerichtlichen Feststellung der Missbräuchlichkeit verkündet worden war.91 Zwar stellt der EuGH fest, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit nach dem Unionsrecht zulässig sei. Allerdings müsse zwischen Verfahrensmodalitäten, wie einer angemessenen Verjährungsfrist und einer zeitlichen Beschränkung der Wirkung differenziert werden.92 Durch die zeitliche Beschränkung werde nur ein beschränkter Schutz des Verbrauchers gewährleistet. Ein solcher Schutz erweise sich als „unvollständig und unzureichend“ und sei gerade kein angemessenes und wirksames Mittel, um dem von Art. 7 Abs. 1 RL intendierten Ziel, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen.93 Eine Ausdehnung der Einschränkung der Rechtswirkung auf rechtskräftig entschiedene Altfälle hat der EuGH in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung und dem spanischen Obersten Gerichtshof allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit verneint.94 Diese Rechtsprechung verdient in Hinblick auf die mit der Klauselrichtlinie verfolgten Ziele Zustimmung.95 Der EuGH orientiert sich konsequent wie schon in Banco Español de Crédito und Kásler trotz gravierender Nachteile für den Verwender96 am Präventionsgedanken.97 Der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, seine rechtsgrundlos gezahlten Beträge vollständig zurückzufordern. Andernfalls wird der missbräuchliche Charakter einer Klausel perpetuiert und der effektive Rechtsschutz eingeschränkt. Dieses Urteil bestätigt zugleich den Ausnahmecharakter von der Entscheidung im Fall Kásler, die auf die besondere Situation beschränkt ist, dass die durch den Wegfall einer Klausel resultierende Gesamtnichtigkeit des Restvertrages mit Nachteilen für den Verbraucher verbunden ist. Eine Lückenschließung durch dispositives Recht ist damit nur zulässig, um die aus der andernfalls eintretenden Gesamt­nichtigkeit des Vertrages für den Verbraucher resultierenden nachteiligen Konsequenzen zu verhindern.98 Die Rechtsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL ist zwingend und darf nicht dadurch konterkariert werden, dass die nationale Gesetzgebung und 91

EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez ­ aranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 75 f.; a. A. GA Mengozzi, SchlussN anträge v. 13.07.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:552, Rn.  72 aufgrund der makroökonomischen Herausforderungen für das Bankensystem eines bereits geschwächten Mitgliedsstaats. 92 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 69 f. 93 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 73. 94 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez ­Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 68. 95 So auch Döhler, EuZW 2017, 152; Markert, LMK 2017, 386786. 96 Nach Presseberichten handelt es sich um 4 Mrd. Euro Rückerstattungspotenzial. 97 Markert, LMK 2017, 386786; derselbe, EuZW 2017, 173. 98 Markert, LMK 2017, 386786.

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Gerichte die Unwirksamkeitsfolgen missbräuchlicher Klauseln zugunsten des Verwenders, jedoch zulasten des Verbrauchers beschränken. II. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung Es ist umstritten, wie die Entscheidungen in den Vorlageverfahren Banco ­ spañol de Crédito, Kásler und Naranjo in Hinblick auf die Zulässigkeit der erE gänzenden Vertragsauslegung zu interpretieren sind. 1. Auffassung der Literatur Eine in der Literatur vertretene Auffassung setzt die ergänzende Vertragsauslegung mit der geltungserhaltenden Reduktion gleich. Der EuGH spreche vom Verbot der Abänderung des Klauselinhalts. Dieses Verbot lasse sich auch so verstehen, dass davon nicht nur die geltungserhaltende Reduktion, sondern auch die ergänzende Vertragsauslegung erfasst sei.99 Darauf deuten auch die Schlussanträge der Generalanwältin hin, indem sie die Vorlagefrage des spanischen Gerichts dahingehend auslegte, ob eine missbräuchliche Klausel durch eine andere nicht missbräuchliche Klausel ersetzt werden dürfe.100 Eine Ersetzung lasse sich aber vielmehr als Abänderung oder Lückenfüllung als eine Reduktion auf das gerade noch zulässige Maß begreifen.101 Insbesondere wird mit dem Wortlaut des Art 6 Abs. 1 RL argumentiert, der gerade keine Ersetzung vorsehe, sondern fordere, dass die missbräuchliche Klausel unverbindlich sei und der Vertrag „auf derselben Grundlage“ im Rahmen des Möglichen bindend bleibe.102 Darüber hinaus wird gegen die Zulässigkeit angeführt, dass die ergänzende Vertragsauslegung genauso wie die geltungserhaltende Reduktion dem Präventionsgedanken der Richtlinie widerspreche. Es bestehe lediglich ein formaler Unterschied zwischen den beiden Instituten in Hinblick auf die Methode. Es sei unbeachtlich, ob vorliegend eine Reduktion der missbräuchlichen Klausel auf den gerade noch zulässigen Teil erfolge oder die Ersetzung durch Vertragsauslegung vorgenommen werde. Im Endeffekt können die ergänzende Vertragsauslegung und die geltungserhaltende Reduktion auf dasselbe 99 Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 2; Zimmerlin, ZNER 2013, 252; Uffmann, die die Entscheidung dahingehend interpretiert, dass die ergänzende Vertragsauslegung und nicht die geltungserhaltende Reduktion nicht mit Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar sei. 100 GA Trstenjak, Schlussanträge vom 14.02.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/ Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:74 Rn. 82. 101 Erm, JR 2013, 543, 546. 102 GA Trstenjak, Schlussanträge vom 14.02.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/ Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:74 Rn. 85; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB (01.05.2016) Rn. 3; Kapnopoulou, Das Recht missbräuchlicher Klauseln in der EU, 151; Zimmerlin, ZNER 2013, 252.

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Ergebnis hinauslaufen, was insbesondere bei Nichtigkeit einer Preisänderungsklausel der Fall sei.103 Die ergänzende Auslegung mache – wie die geltungserhaltende Reduktion – „die Unwirksamkeit teilweise wirksam“104. Folglich entsprechen, nach dieser Ansicht, weder die geltungserhaltende Reduktion noch die ergänzende Vertragsauslegung den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 RL. Die herrschende Meinung in der Literatur hält eine Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung auch nach der Entscheidung in der Rechtssache Banco Español de Crédito grundsätzlich für europarechtskonform.105 Zum einen wird erläutert, der EuGH habe sich in seiner Entscheidung in der Rechtssache mit der ergänzenden Vertragsauslegung gar nicht befasst, sondern lediglich das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion als Mindeststandard hervorgehoben.106 Ebenso seien auch die Ausführungen der Generalanwältin Trstenjak zu verstehen, die sich ausdrücklich auf eine Kommentierung bezieht, die zwischen der unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion und der zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung unterscheidet.107 Ferner unterscheiden andere Rechtsordnungen nicht zwischen erläuternder und ergänzender Vertragsauslegung, so dass man diesen Rechtsordnungen indessen die Vertragsauslegung insgesamt verbieten müsste.108 Darüber hinaus wird betont, dass die ergänzende Vertragsauslegung den Präventionsgedanken der Klauselrichtlinie insofern hinreichend berücksichtige, als die betreffende Klausel in vollen Umfang für unwirksam erklärt und gerade nicht auf das zulässige Maß zurückgeführt werde. Vielmehr vervollständige die ergänzende Vertragsauslegung an den Vertrag unter Bezugnahme auf den objektivierten hypothetischen Parteiwillen.109 Sofern die ergänzende Vertragsauslegung im Recht der Mitgliedsstaaten verankert sei, zähle sie auch gerade zum dispositiven Recht, dessen Anwend­barkeit 103

MüKo/Basedow, § 306 Nr. 6 a; Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 3. 104 Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635. 105 BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn.  56 f.; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17 a, 42 a; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 6 Rn. 410; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 10; derselbe, LMK 2012, 339740; derselbe, NJW 2014, 3069, 3072; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 d; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 614 b; Thüsing/Fütterer, VersR 2013, 552, 555; Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 964; vermittelnde Ansicht MüKo/Basedow, § 306 BGH Rn. 6 a der je nach Einzelfall entscheiden will; Erm, JR 2013, 543, 551 ff.; Stürner, ZEuP 2013, 666, 679; Schlosser, IPRax 2012, 507, 514 f. 106 Schlosser, IPRax 2012, 507. 509 vermutet, der EuGH habe sich durch die verfälschte Übersetzung motivieren lassen: „Das spanische Gesetz sah nur eine Abmilderung der Folgen bei Unwirksamkeit des Vertrages im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung vor. In den deutschen, englischen und französischen Entscheidungsgründen wird allerdings von Änderung gesprochen.“ In diese Richtung Pfeiffer, LMK 2012, 339740; Stoffels, AGB-Recht Rn. 614 b. 107 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  6 RL Rn.  10; vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge vom 14.02.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:74 Rn. 88. 108 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art. 6 RL Rn. 10. 109 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  6 RL Rn.  10; BeckOGK/Bonin, §  306 BGB (10.02.2017) Rn. 56.1; Stoffels, AGB-Recht Rn. 614b; Thüsing/Fütterer, VersR 2013, 552, 555.

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der EuGH bestätigt habe.110 Dadurch trage die ergänzende Vertragsauslegung letztlich zur Wiederherstellung der materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien bei und verhindere, die Nichtigerklärung des Vertrages. Sie entspreche damit dem Zielen der Richtlinie, den Vertrag möglichst bestehen zu lassen und die Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeiten zu fördern.111 2. Stellungnahme a) Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die ergänzende Vertragsauslegung im Spannungsverhältnis zwischen den beiden Funktionen von Art. 6 Abs. 1 RL, der Ausgleichs- und der Generalpräventionsfunktion steht. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich insbesondere damit begründen, dass die ergänzende Vertragsauslegung in „funktioneller Verwandtschaft“ zur geltungserhaltenden Reduktion steht, zugleich aber auch eine „Deckungsgleichheit“ zwischen der ergänzenden Vertragsauslegung und dem dispositiven Recht besteht.112 Eine funktionelle Verwandtschaft zwischen der ergänzenden Vertragsauslegung und der geltungserhaltenden Reduktion kann in Hinblick auf das rechtliche Ergebnis bestehen, wie zutreffend festgestellt wurde. Beide Institute sind insofern austauschbar, als die Folgen identischen sein können und die Lückenfüllung auf Grundlage des hypothetischen objektiv-generalisierbaren Willen, dem entspricht was als angemessen zu beurteilen ist.113 Folglich besteht richtigerweise die Gefahr, dass die intendierte Abschreckungswirkung durch die ergänzende Vertragsauslegung vereitelt wird. Auf der anderen Seite besteht eine Deckungsgleichheit zwischen der ergänzenden Vertragsauslegung und dem dispositiven Recht. Zwar geht die Lückenschließung der ergänzenden Vertragsauslegung vor, soweit dispositives Recht zur Verfügung steht. Jedoch tritt die ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle der dispositiven Vorschriften, sofern solche nicht bestehen.114. Die Klausel wird zunächst in vollem Umfang für unwirksam erklärt. Die ergänzende Vertragsauslegung erfolgt norma­ 110 Thüsing/Fütterer, VersR 2013, 552, 555; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Art.  6 RL Rn. 10; a. A. BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn. 56.1 „zwar handelt es sich bei der ergänzenden Vertragsauslegung ohne Weiteres um einen „vertragsrechtlichen Grundsatz“, ob es sich dabei durch die Auslegung gefundenen Regelung aber auch um eine „dispositive Vorschrift“ im Sinne des EuGH handelt, bleibt jedoch unklar.“ 111 BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn.  56.1; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4d; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2230. 112 Erm, JR 2013, 543, 545 ff. 113 MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 12 ff.; Erm, JR 2013, 543, 546; Niebling, MDR 2012, 886, 887; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, 57 ff., 149 ff. 114 Erm, JR 2013, 543, 547.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

tiv, d. h. vom tatsächlichen Willen der Parteien abgekoppelt.115 Dies entspricht auch der Rechtsprechung in der Rechtssache Naranjo.116 Die Klausel wird als von Anfang an nicht existent angesehen. Sofern sich die ergänzende Vertragsauslegung daran orientiert, was nach angemessener, objektiv-generalisierender Interessenabwägung nach Treu und Glauben vereinbart worden wäre, wird  – wie in dem Fall Naranjo gefordert – auch die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt, in der sich der Verbraucher ohne die unangemessene Klausel befunden hätte.117 Dagegen orientierte sich die in der Rechtssache Banco Español de Crédito für unzulässig erklärte, spanische Regelung an dem hypothetischen, individuellen Parteiwillen.118 Die Lückenschließung durch das Rechtsinstitut der ergänzende Vertragsauslegung ist auch in Hinblick auf die Zielrichtung insofern mit der Lückenschließung durch dispositives Recht vergleichbar, als beide das Ziel verfolgen, die Nichtigerklärung des Vertrages zu verhindern und so eine materielle Ausgewogenheit zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien zu bewirken.119 Zwar kann in Bezug auf die Vereinbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung mit der Klauselrichtlinie damit nicht von einer acte-clair-Lage gesprochen werden.120 Eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann allerdings dann als europarechtskonform eingestuft werden, wenn sie dazu dient, die materielle Vertragsgerechtigkeit wiederherzustellen und die Wirksamkeit des Vertrages zu erhalten. Demnach widerspricht eine ergänzende Vertragsauslegung nicht gänzlich den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 RL. Allerdings sind der Ausgleichsgedanke, dem die ergänzende Vertragsauslegung Rechnung trägt, und der Abschreckungseffekt in Einklang zu bringen, der durch die ergänzende Vertragsauslegung nicht vereitelt werden darf. Der durch den EuGH intendierte hohe Verbraucherschutz darf durch die ergänzende Vertragsauslegung nicht ausgehöhlt werden. Diese Sichtweise entspricht auch insofern der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Banco Español de Crédito, als es dem Gerichtshof darum ging, dass der Abschreckungseffekt des Art. 6 und 7 RL nicht ad absurdum geführt wird, ohne dass es ihm auf die methodische Vorgehensweise ankam.121 Diesem Ziel widersprach jedoch die in dieser 115

Uffmann, NJW 2012, 2225, 2230. Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. III. 117 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs.-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 61; BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn. 56.1. 118 Trillmich, Klauselkontrolle nach spanischem Recht im Vergleich mit der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, 333; Erm, JR 2013, 543, 549; vgl. 4 Teil Kapitel 10 A. I. 119 BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn.  56.1; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 d; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229 f. 120 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 614b; Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3072; derselbe, NJW 2017, 913, 914; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17 a. 121 So auch MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6 b; BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn. 56.1.; Erm, JR 2013, 543, 549; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 13; Stürner, ZEuP 2013, 666, 679; Schlosser, IPRaX 2012, 507, 515. 116

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Rechtssache in Frage stehende Rechtsvorschrift, die die Folgen der Klauselunwirksamkeit für beide Parteien, also auch den Verwender, abmildern sollte.122 Das Verbot einer den Gewerbetreibenden entlastenden, jedoch zu Lasten des Verbrauchers gehende ergänzende Vertragsauslegung kann auch aus der Entscheidung des EuGH in der Sache Naranjo gefolgert werden. In dieser hat er, wie bereits oben erläutert, die Beschränkung der Restitutionswirkung einer unwirksamen Mindestzinsklausel zugunsten des Verwenders untersagt.123 Auf der anderen Seite darf jedoch nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass es nicht das Ziel der Richtlinie ist, sämtliche Verträge für nichtig zu erklären, die missbräuchliche Klauseln enthalten, sondern es vielmehr darum geht, die bei Vertragsschluss überlegene Position des Unternehmers auszutarieren und die materielle Ausgewogenheit der Rechte und Pflichte der Parteien wiederherzustellen.124 Auch wenn die Rechtsprechung des EuGH ein verstärktes Augenmerk auf den Präventionsgedanken zu legen scheint,125 sollten beide Ziele gleichrangig nebeneinander bestehen. Zwar darf der Abschreckungseffekt durch die ergänzende Vertragsauslegung nicht abgemildert werden. Der Verwender muss weiterhin das Missbrauchsrisiko tragen. Um dem Abschreckungseffekt hinreichend Bedeutung zu verleihen, sind die Anforderungen an die ergänzende Vertragsauslegung hoch anzusetzen.126 Die Unwirksamkeitssanktion darf jedoch nicht zu dem einzig entscheidenden normativen Zweck der Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle erhoben werden. Das Präventionsinteresse darf nicht die Effizienz des Ausgleichsgedankens mindern, insbesondere wenn keine Gefahr des Ausbleibens des Abschreckungseffekts besteht. Für eine Überlagerung des einen Prinzips durch das andere bedarf es vielmehr eines berechtigten Grundes.127 Folglich ist sowohl in Hinblick auf die Anwendung als auch in Bezug auf den Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung auf den konkreten Fall abzustellen und zu prüfen, ob der Ausgleichs- und Präventionsdanken in angemessener Weise gewahrt wurden.128

122

Erm, JR 2013, 543, 551. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 6 Rn. 409; Markert, LMK 2017, 386786; derselbe, EuZW 2017, 173, 174; Zimmerlin, ZNER 2013, 252. 124 Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 18; EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 40; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 82. 125 Erm, JR 2013, 543, 545, 548; kritisch dazu Uffmann, NJW 2012, 2225, 2230. 126 Erm, JR 2013, 543, 551; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 614 b. 127 Erm, JR 2013, 543, 548; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2230; in diese Richtung auch Schlosser, IPRax 2012, 507, 510. 128 Zustimmend MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6b; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 614b; Stürner, ZEuP 2013, 666, 679. 123

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

b) Voraussetzungen einer zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung Ausgehend von der Entscheidung in den Rechtssachen Kásler und Unicaja Banco ist eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig, sofern kein dispositives Recht zur Verfügung steht und eine regelungsbedürftige Lücke besteht, die ohne eine ergänzende Vertragsauslegung die Folge der Gesamtnichtigkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL nach sich ziehen würde, die mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden wäre und den Abschreckungseffekt beeinträchtigen würde.129 Sie trägt dadurch nicht nur zur Wiederherstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit bei, sondern wird auch dem Präventionsgedanken insoweit gerecht, als der Verwender an einen nach Wegfall der missbräuchlichen Klausel möglicherweise für ihn ungünstigen Vertrag gebunden bleiben muss. Aufgrund Art. 8 RL ist eine ergänzende Vertragsauslegung insbesondere durchzuführen, wenn durch sie ein höherer Verbraucherschutz gewährleistet wird. In einer solchen Konstellation werden der Ausgleichs- und der Präventionsgedanke in gleicher Weise berücksichtigt. Dagegen liegt bei arglistiger oder bösgläubiger Verwendung offensichtlich missbräuchlicher AGB-Klauseln ein sachgerechter Grund für die Überlagerung des Ausgleichsprinzips durch den Abschreckungsgedanken vor. Das Gleiche gilt, wenn die Klausel prinzipiell einen unzulässigen Regelungsgehalt besitzt, der einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien widerspricht. In solchen Fällen, muss das treuwidrige Verhalten des Unternehmers sanktioniert werden, der bewusst die Unterlegenheit des Verbrauchers ausnutzt.130 Eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung würde gerade zum Nachteil des Verbrauchers gehen. Folglich werden der Ausgleichs- und Präventionsgedanke gerade dadurch verwirklicht, dass die Klausel nach Art.  6  Abs.  1  RL für unverbindlich erklärt wird.131 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Banco Español de Crédito, in der die Bank aufgrund einer eigenen Strategie versuchte einen Verzugszins in Höhe von 29 % durchzusetzen. Im Umkehrschluss dazu könnte überlegt werden, die ergänzende Vertragsauslegung immer dann zur Anwendung kommen zu lassen, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Wirksamkeit der betreffenden Klausel gutgläubig war und ein legitimes, von dem Richtliniengeber anerkanntes Interesse an der Verwendung der betreffenden Klausel besteht, ohne dass es auf die engen Voraussetzung der Undurchführbarkeit des Vertrages ankommt.132 Dies ist insbesondere der Fall, wenn 129

MüKo/Basedow,§ 306BGBRn. 6b;Ulmer/Brandner/Hensen/HarrySchmidt,§ 306BGBRn. 4d; Sik-Simon, euvr, 2014, 256, 260; Schlosser, IPRax 2012, 507, 515; Stürner, ZEuP 2013, 666, 679. 130 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 20; Hau, JZ 2012, 964, 966; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn.  37 „offensichtlich, bewusst oder vorwerfbar“; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 615; Erm, JR 2013, 543, 551 der auf den „Grad der Missbräuchlichkeit“ abstellt. 131 Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229. 132 Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229; Erm, JR 2013, 543, 547 f. in Bezug auf Preisänderungsklauseln; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 d im Allgemeinen, für den Fall, dass die Undurchführbarkeit des Vertrages nicht gegeben ist.

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der Gewerbetreibende, der wirksame AGB aufstellen möchte und ein anerkanntes Regelungsinteresse hat, sich jedoch in einer rechtlichen Überforderungssituation befindet oder eine Rechtsprechungsänderung eintritt. Hier fehlt es gerade an einem vom Wortlaut des Art. 3 Abs. 1RL ausgehenden Missbrauch. Da in solchen Fällen, nicht die Gefahr des Ausbleibens des Abschreckungseffekts besteht, könnte damit argumentiert werden, dass der Präventionsgedanke hinter das Interesse der Parteien an einer materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten zurücktreten müsse.133 Dagegen spricht allerdings, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zur Regel werden darf. Es bedarf für ihre Anwendung gerade einer ergänzungsbedürftigen Lücke und der aus ihr resultierenden Undurchführbarkeit des Vertrages, die mit negativen Folgen für den Verbraucher verbunden ist. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH. Inwiefern die Gutgläubigkeit des Klauselverwenders bei der Beschränkung der Restitutionswirkung zu berücksichtigen ist, war Teil der Vorlagefragen in der Rechtssache Naranjo. Da der EuGH eine Beschränkung der Restitutionswirkung gänzlich verneinte, antwortete er auf die übrigen Vorlagefragen, die unter anderem auch die Relevanz der Gutgläubigkeit betrafen, dass diese nicht mehr beantwortet werden müssen.134 Das Vorliegen eines legitimen Regelungsinteresses an der Verwendung der betreffenden Klausel kann allerdings bei der Beurteilung der Undurchführbarkeit zu Gunsten des Verwenders herangezogen werden. Sofern ein legitimes Regelungsanliegen besteht, kann der Verbraucher als fairer Vertragspartner bei erheblichen Äquivalenzverschiebung und mangelhaften Kündigungsmöglichkeiten des Klauselverwenders, die Durchführung des Vertrages ohne die betreffende Klausel nicht verlangen. Dies widerspricht gerade seinen legitimen Erwartungen. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist zusammenfassend nur dann mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie zu vereinbaren, sofern kein dispositives Recht zur Verfügung steht und eine regelungsbedürftige Lücke besteht, die ohne eine ergänzende Vertragsauslegung die Folge der Gesamtnichtigkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL nach sich ziehen würde, die mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden wäre und den Abschreckungseffekt beeinträchtigen würde. Zudem darf der Verwender hinsichtlich der Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel keine positive Kenntnis haben oder sich ihrer Unangemessenheit verschlossen haben. Das Vorliegen eines legitimen Regelungsinteresses an der Verwendung der betreffenden Klausel kann dabei bei der Beurteilung der Voraussetzungen zu Gunsten des Verwenders herangezogen werden. Die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu niedrig angesetzt und pauschal bejaht werden, da sonst der Abschreckungseffekt der Richtlinie konterkariert wird. Die ergänzende Vertragsauslegung darf gerade nicht zum Regelfall werden.

133

Erm, JR 2013, 543, 548, 552; Ayad, BB 2012, 2716, 2717 sowie Schlosser, IPRax 2012, 507, 511 die nicht mehr vom „bösen“ Unternehmer ausgehen. 134 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154/15, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 76.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Was die Ausgestaltung der ergänzenden Vertragsauslegung betrifft, so darf sich die ergänzende Auslegung, um den Ausgleichs und Präventionsgedanken angemessen zu berücksichtigen, nicht am tatsächlichen Willen oder lediglich dem Willen einer Partei orientieren. Ferner darf die Restitutionswirkung einer unwirksamen Klausel nicht durch die ergänzende Vertragsauslegung eingeschränkt werden.135 III. Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln Ausgehend von den Ausführungen zur Anwendbarkeit und Ausgestaltung der ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich für Preisänderungsklauseln Folgendes. Wird eine Preisänderungsklausel für unverbindlich erklärt, so könnte eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dann in Betracht kommen, wenn die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zum Nachteil für den Verbraucher nach sich ziehen würde. Wie oben erläutert, sind Preisänderungsklauseln für langfristige Dauerschuldverhältnisses, in denen die Kosten für den Leistungsgegenstand aufgrund unvorhersehbarer Umstände Schwankungen unterliegen, condiciones sine quibus non. Sie dienen dazu das ursprünglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis über die Laufzeit des Vertrages abzusichern. Trotz der Anerkennung des Bedürfnisses an der Verwendung von Preisänderungsklauseln, wie Nr. 1 lit. j und l sowie Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der Klauselrichtlinie und andere Regelung zu Preisänderungsklauseln in Spezialsekundärrecht belegen, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung jedoch nur in Betracht, wenn zusätzlich zu der Gefahr der Gesamtnichtigkeit der Unternehmer redlich hinsichtlich der Verwendung einer bestimmten Klausel ist und mit ihr keine unzulässigen Preiserhöhungen vorgenommen hat.136 Die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel führt in Dauerschuldverhältnissen nur dann zur Nichtigkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit, sofern es zu einer qualifizierten Störung des Äquivalenzverhältnisses kommt und der Gewerbetreibende dieser auch nicht durch ein mittel- oder kurzfristiges Kündigungsrecht begegnen kann. Nur in diesem Fall kann die Undurchführbarkeit des Vertrages i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL bejaht werden. Bei langandauernden Nichtdauerschuldverhältnisse könnte über die Erforderlichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung nachgedacht werden, sofern der Vertrag aufgrund einer qualifizierten Störung des Äquivalenzverhältnisses insbesondere infolge der Veränderung der Marktverhältnisse nicht mehr durchgeführt werden kann.137 Sowohl in Dauer- als auch in Nicht 135

Markert, LMK 2017, 386786. A. A. Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229 die aufgrund des berechtigten Regelungsanliegens des Verwenders von der grundsätzlichen Zulässigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung bei Wegfall einer unwirksamen Klausel ausgeht. 137 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 B. II. 2.  136

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dauerschuldverhältnissen wird eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages allerdings nur sehr selten bejaht werden können. Besteht die Gefahr der Gesamtnichtigkeit, kommt eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, wenn eine für den Verbraucher aus der Gesamtnichtigkeit resultierende nachteilhafte Situation verhindert werden soll. Dies ist etwa bei Dauerschuldverhältnissen der Fall, wenn die Nichtigkeit des Vertrages die Rückgewähr der erbrachten Leistungen nach sich zieht könnte, was insbesondere bei Verträgen der Daseinsvorsorge oder bei Darlehensverträgen den Verbraucher vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten stellen kann. Ebenso ist die Gesamtnichtigkeit für den Verbraucher in einem langfristigen Nichtdauerschuldverhältnis nachteilhaft, wenn er an dem Erwerb der Leistung interessiert ist. Die ergänzende Vertragsauslegung wirkt sich dabei auch nicht zu Lasten des Verbrauchers aus. Nach dem Grundsatz der legitimen Erwartungen des Verbrauchers kann dieser nicht erwarten, dass die missbräuchliche Preisänderungsklausel nichtig bleibt und er eine Leistung, deren Preis über die Laufzeit des Vertrages gestiegen ist, dauerhaft zum vereinbarten Ausgangspreis bekommt.138 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt dagegen nicht in Betracht, wenn die Klausel prinzipiell schon einen unzulässigen Inhalt hat, etwa indem sie keine Preissenkungen an den Vertragspartner weitergibt oder auf von dem Verwender beeinflussbare Umstände abstellt. Der Verwender muss folglich redlich hinsichtlich der Verwendung der Klausel sein. Ein solche Redlichkeit liegt vor, wenn die Klausel bevor es zu einer Rechtsprechungsänderung kam, den Vorgaben der Rechtsprechung entsprach. Dies war etwa bei Preisänderungsklauseln der Fall, die auf der Leitbildrechtsprechung des BGH basierten139 und nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache RWE für unwirksam erklärt wurden. Sofern eine Gesamtunwirksamkeit des Vertrages ohne eine wirksame Preisänderungsklausel nicht abgewendet werden kann und der Verwender gutgläubig hinsichtlich der Verwendung einer unwirksamen Preisänderungsklausel war, tritt im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung die Gestaltungsmöglichkeit, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. In diesen sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen könnte eine ergänzende Vertragsauslegung in der Weise vorgenommen werden, dass der Gewerbetreibende berechtigt ist, unvermeidbare Steigerungen seiner eigenen Bezugskosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben. Zugleich ist er aber auch dazu zu verpflichten, Kostensenkungen ebenso wie Kostenerhöhungen zu berücksichtigen. Zudem muss dem Verbraucher für den Fall der Erhöhung ein Kündigungsrecht eingeräumt werden. Dies läuft zwar im Ergebnis auf eine 138

Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, § 6 Rn. 412; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862. Vgl. zur Leitbildrechtsprechung 2. Teil Kapitel 4 b. bb).

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Abänderung des Klauselinhalts auf den angemessenen Inhalt und damit auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die durch den EuGH gerade untersagt ist. Da es in solchen eng umgrenzten Fällen mangels Missbrauch einer überlegenen Stellung durch den Verwender an der Erforderlichkeit einer Sanktion fehlt, widerspricht sie nicht den Vorgaben der Klauselrichtlinie. Diese Lösung trägt vielmehr zur Herstellung der materiellen Ausgewogenheit der Parteien und zur Vermeidung einer den Interessen widersprechenden Rückabwicklung bei. Sie schreibt das vertragliche Äquivalenzverhältnisses über die auf unbestimmte Dauer angelegte Laufzeit des Vertrages fort. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung darf allerdings nur für die Zukunft Wirkung entfalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine zeitliche und inhaltliche Beschränkung der aus der Missbräuchlichkeit einer Preisänderungsklausel resultierenden Restitutionsansprüche im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unzulässig.140 Sofern auf Grundlage einer missbräuchlichen Klausel Beträge gezahlt worden sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, entfaltet die Unwirksamkeit der missbräuchliche Klausel in Hinblick auf die Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung. Eine Berufung auf die Gutgläubigkeit des Klauselverwenders kommt nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in Betracht.

B. Anwendung in der nationalen Rechtspraxis Im Folgenden ist zu untersuchen, ob und wie in der nationalen Rechtsprechung eine durch den Wegfall einer unangemessenen Preisänderungsklausel entstandene Lücke geschlossen wird sowie ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie zu erläutern. I. Vorüberlegungen 1. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH ist in der ständigen Rechtsprechung des BGH141 das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion seit Langem anerkannt.142 Genauso wie der EuGH stützt der BGH dieses Verbot auf den Präventionsgedanken.143 Die Klausel dürfe nicht auf das gerade noch zulässige Maß 140

Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. III. BGH v. 17.05.1982, BGHZ 84, 109, 115; BGH v. 19.09.1983, NJW 1984, 48, 49; BGH v. 18.05.1995, NJW 1995, 2553, 2557; BGH v. 03.11.1999, BGHZ 143, 103, 119; BGH v. 03.02.2001, BGHZ 146, 377, 385; BGH v. 30.11.2004, NJW 2005, 1275; BGH v. 14.10.2009, NJW 2009, 3714, 3715; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 25. 142 So auch BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 25. 143 So auch BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn. 31. 141

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zurückgeführt werden, da andernfalls der Verwender dazu motiviert werde, seine Grenzen auszureizen. Darüber hinaus wiederspreche die geltungserhaltende Reduktion insoweit dem Transparenzgebot, als der Vertragspartner erst im Prozess über seine Rechte und Pflichten informiert werde.144 Das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist mithin europa­ rechtskonform. Inwiefern die in der Rechtsprechung und Literatur etablierten Ausnahmen von diesem Verbot145 noch mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar sind, ist jedoch unklar. Ausnahmen ergeben sich insbesondere, indem in Fällen, in denen die Klausel nur bei fernliegenden Auslegungsalternativen gegen die §§ 307 ff. BGB verstößt, die streitige Klausel durch Vertragsauslegung reduziert wird,146 es sich um eine teilbare Klausel handelt147 oder eine ergänzende Vertragsaus­ legung in Betracht kommt. Eine Ausnahme wird vor allem für den Fall gefordert, dass es sich um einen redlichen Verwender handelt. Der Verwender überreize hier die Grenze des Zulässigen nicht vorsätzlich, sondern die Überschreitung könne vielmehr auf eine Überforderung in rechtlicher Hinsicht zurückgeführt werden.148 Dies ist ins besondere der Fall „wenn auch das Urteil Vernünftiger schwanken kann, also auch ein redlicher Verwender die Klausel für wirksam oder die Rechtslage für zweifelhaft halten konnte.“149 Die Rechtsprechung erkennt eine solche Ausnahme für den Fall einer Gesetzesänderung an,150 bleibt dagegen in Fällen einer Rechtsprechungsänderung kompromisslos.151 Lediglich für den Fall einer Bürgschaft, die alle bestehenden und künftigen Ansprüche absichert, hat der BGH eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen und die Bürgschaftsverpflichtung auf diejenige Forderung reduziert, die Anlass für die Verbürgung war.152 144

BGH v. 17.05.1982, BGHZ 84, 109, 115. Vgl. die Übersicht der möglichen Ausnahmen bei MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 15 ff.; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 7 ff.; Stoffels, AGB-Recht Rn. 599 ff.; ob der Lehre vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zuzustimmen ist, soll hier dahingestellt sein, weil dies den Rahmen der Untersuchung sprengen würde; ausführlich dazu Uffmann, Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, 54 ff. wobei die Auseinandersetzung durch Uffmann als Befürworterin der geltungserhaltenden Reduktion geprägt ist. 146 BGH v. 09.05.1983, BGHZ 87, 246. 147 Teilbarkeit in sachlicher Hinsicht BGH v. 24.03.1988, NJW 1988, 2106, 2107; BGH v. 10.09.1997, NJW 1997, 3437, 3439; BGH v. 16.07.2008, BGHZ 177, 253 Rn. 35; NJW 2014, 141 Rn. 14; Teilbarkeit in personeller Hinsicht BGH v. 25.03.1987, NJW 1987, 2506, 2507; BGH v. 02.04.1998, NJW 1998, 2280, 2281; BAG v. 27.10.2005, NZA 2006, 257 Rn. 16. 148 MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 13; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 10; Kühne, NJW 2015, 2546, 2548; Leyes/Schäfer, AcP 210 (2010), 771, 801; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/ Hau, § 306 BGB Rn 36; Uffmann, Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, 91 ff. für eine Aufrechterhaltung der Klausel nach dem Maßstab des Angemessenen; a. A. Ulmer/Brandner/ Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 15; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 16. 149 MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 13. 150 BGH v. 13.11.1997, BGHZ 137, 153, 157; BAG 12.01.2005, NJW 2005, 1820 Rn. 5. 151 BGH NJW 2008, 1438 Rn. 20 zu einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel. 152 BGH v. 18.05.1995, NJW 1995, 2553, 2556 f.; BGH v. 13.11.1997, BGHZ 137, l53, 157; BGH v. 28.10.1999, NJW 2000, 658, 660; BGH v. 06.04.2000, NJW 2000, 2580, 2581; BGH v. 29.03.2001, NJW-RR 2002, 343, 344. 145

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Zum einen wird vertreten, dass solche Ausnahmen der Rechtsprechung des EuGH widersprechen.153 Allerdings darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass die Entscheidung in der Rechtssache Banco Español de Credito lediglich dahingehend zu interpretieren ist, dass der Abschreckungseffekt nicht vereitelt werden darf. Sofern keine Gefahr eines Ausbleibens des Abschreckungseffekts besteht, sind diese Ausnahmen als richtlinienkonform zu beurteilen.154 Besser ist es jedoch an dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion festzuhalten und in solchen Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen, sofern die Voraussetzung dafür vorliegen. Dies entspricht dem Wortlaut des § 306 Abs. 1, 2 BGB sowie der Rechtsprechung des EuGH für Verbraucherverträge.155 Es bleibt allerdings den nationalen Gerichten aufgrund Art. 8 RL unbenommen, in Hinblick auf einen höheren Verbraucherschutz eine strengere Regelung zu treffen. 2. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht Gemäß § 306 Abs. 2 BGB kann eine durch Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB entstandene Vertragslücke durch Rückgriff auf das einschlägige dispositive Recht geschlossen werden. Eine § 306 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung findet sich in der Klauselrichtlinie nicht. Jedoch hat der EuGH in der Vorlageentscheidung Kásler festgestellt, dass die Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive nationale Regelung im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 RL steht. Art. 6 Abs. 1 RL hat nicht zum Ziel, sämtliche Klauseln, die missbräuchliche Klauseln enthalten, für unwirksam zu erklären. Vielmehr wird die Wiederherstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit angestrebt.156 Die nach § 306  Abs.  2  BGB angeordnete Lückenschließung durch Rückgriff auf das dispositive ist folglich europarechtskonform.157 II. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung Sofern dispositives Recht zur Schließung einer durch Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehenden Lücke fehlt, ist die Lückenschließung im Wege der ergänzen­ den Vertragsauslegung ein in der deutschen Rechtsprechung im Individualpro 153

Stoffels, AGB-Recht, Rn. 597 a. Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. IV. 2.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 36, 42 a. 155 Ausführliche Stellungnahme bei BeckOGK/Bonin, § 306 BGB (10.02.2017) Rn.  38 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 15. 156 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 82. 157 BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 28; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 4; Ulmer/ Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 4 d. 154

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zess anerkanntes Rechtsinstitut.158 Bereits die Entstehung des § 306 Abs. 2 BGB bestätigt dies. Während der Regierungsentwurf für das AGB-Gesetz die Ausfüllung einer Regelungslücke nach der „Natur des Vertrages“ vorsah, wurde dieser Vorschlag mit Verweis auf die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 i. V. m. § 133 BGB abgewiesen.159 Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur werden die §§ 157, 133 BGB, auf denen die ergänzende Vertragsauslegung gründet, daher als „gesetzliche Vorschriften“ i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB angesehen,160 während die überwiegende Meinung im Schrifttum, die nur das Sachrecht zu den „gesetzlichen Vorschriften“ zählt, die ergänzende Vertragsauslegung als ein anerkanntes Instrument der Rechtsgeschäftslehre ansieht.161 Eine Entscheidung erübrigt sich insofern, als beide Ansichten die ergänzende Vertragsauslegung anerkennen. Über die Vereinbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 RL herrscht, wie die oben geführte Diskussion zeigt,162 gerade keine acte-clair-Lage.163 Dagegen behauptete der BGH bereits in der Entscheidung vom 12.10.2005, dass gegen die ergänzende Vertragsauslegung keine „europarechtlichen Bedenken“ bestehen. Da die Klauselrichtlinie nicht vorschreibe, wie eine unverbindliche Klausel ersetzt werde, sei dies dem nationalen Recht überlassen.164 Diese Auffassung verdient insofern nur zum Teil Zustimmung, als Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL statuiert, dass eine Aufrechterhaltung des Vertrages unter denselben Bedingungen nur im Rahmen des Möglichen in Betracht kommt. Zudem müssen die Grenzen des effet utile beachtet werden.165 Anstatt die Frage der Europarechtskonformität der ergänzenden Vertragsauslegung in einem Vorlageverfahren klären zu lassen,166 betonte der VIII. BGH-Zivilsenat nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Banco Español de Crédito in seiner Entscheidung vom 23.01.2013, dass der EuGH lediglich die gel 158 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 75 ff.; BGH v. 30.10.1984, BGHZ 92, 363, 370; BGH v. 04.111.1992, BGHZ 120, 108, 122; BGH v. 23.01.2006, NJW 1996, 1213, 1215; BGH 03.11.1999, BGHZ 143, 103, 120; BGH v. 04.07.2002, BGHZ 151, 229, 234; BAG v. 12.01.2005, NZA 2005, 465, 468; BAG v. 11.10.2006, NZA 2007, 87, 90; BAG v. 15.09.2009, NZA 2010, 164, 170; gebilligt durch das BVerfG v. 07.09.2010, NJW 2011, 1339, 1341. 159 BT-Dr. 7/3919, 4, 21 zu § 5 Abs. 2. 160 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 75 f.; BGH v. 30.10.1984, BGHZ 92, 363, 370; BGH v. 14.07.2010, NJW 2011, 50 Rn. 50; BGH v. 04.06.2016, NJW 2017, 320 Rn. 29; Staudinger/ Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 10; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 47 Rn. 84. 161 Thomas, AcP 209 (2009), 84, 121; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 26; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 15. 162 Vgl. ausdrückliche Diskussion 4. Teil Kapitel 10 A. IV. 163 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rn.  614b; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17 a; Pfeiffer, NJW 2014, 3069, 3072. 164 BGH v. 12.10.2005, BGHZ 164, 297, 318. 165 So auch Markert, ZNER 2013, 156, 157; Zimmerlin, ZNER 2013, 252. 166 So auch MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn.  6 b; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17 a; Markert, ZMR 2014, 193, 194; derselbe, ZNER 2013, 156; Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635; Pfeiffer, LMK 2012, 338740; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253.

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tungserhaltende Reduktion als mit Art. 6 Abs. 1 RL unvereinbar erklärt habe, nicht aber die davon zu unterscheidende ergänzende Vertragsauslegung. Unter Bezug auf die Entscheidung vom 12.10.2005 bekräftigte er erneut, dass keine europarechtlichen Bedenken gegen die ergänzende Vertragsauslegung bestehen.167 Er argumentierte dabei mit dem Ausgleichsgedanken der ergänzenden Vertragsauslegung.168 In der Entscheidung vom 06.04.2016 hat der VIII. Zivilsenat seine Ansicht mit Blick auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kásler169 bekräftigt. Danach sei eine Ersetzung der missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift, wie dies § 306 Abs. 2 BGB vorsehe, mit Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar. Die Möglichkeit der Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung zähle zu dem Inhalt des dispositiven innerstaatlichen Rechts.170 Der EuGH habe damit eine ergänzende Vertragsauslegung „ausdrücklich anerkannt“, sofern die Unwirksamkeit der missbräuchlichen Klausel die Nichtigerklärung des Vertrages mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher nach sich ziehen könnte und die Ersetzung daher der Wiederherstellung des Gleichgewichts der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien diene.171 Der Rechtsprechung des BGH ist insofern zuzustimmen als sich die Entscheidung in der Rechtssache Banco Español de Crédito gegen die geltungserhaltende Reduktion richtet.172 Allerdings kann von einer ausdrücklichen Anerkennung der ergänzenden Vertragsauslegung nicht die Rede sein. Der EuGH hat lediglich von der Lückenfüllung durch dispositives Recht und nicht durch ergänzende Vertragsauslegung gesprochen.173 Das Urteil vom 06.04.2016 wird damit zu Recht als „Basta-Urteil“ bezeichnet, mit dem der BGH einer weiteren Revision seiner Rechtsprechung entgehen möchte, wie es schon nach den Entscheidungen in den Vorlageverfahren Schulz und RWE174 der Fall war.175 Zwar dient die ergänzende Vertragsauslegung, wie der BGH zutreffend feststellt hat, wie die Lückenschließung durch dispositive Recht der Wiederherstellung der materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien. Jedoch darf, um dem im Fall Banco Español de Crédito statuierten „Abänderungsverbot“ in hinreichender Weise Rechnung zu tragen, der intendierte Abschreckungseffekt durch die ergänzende Vertragsauslegung 167

BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 25–27. BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 33 ff. 169 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 80 ff.; bestätigt in EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 33; BGH v. 08.07.2015, Rs. C-90/14 (Banco Grupo Cajatres/María Mercedes Manjón Pinilla und Comunidad Hereditaria formada al fallecimiento de D. M. A. Viana Gordejuela), ECLI:EU:C:2015:465, Rn. 38. 170 BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 28 f. 171 BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 30 f.; Bestätigung in BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2017, 23 Rn. 23. 172 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 614b. 173 In diese Richtung auch Markert, EnWZ 2016, 362, 364. 174 Vgl. zu den beiden Entscheidungen 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. b) und zu der daraus resultierenden Aufgabe der Leitbildrechtsprechung durch den BGH 2. Teil Kapitel 4 B. II. 3. b). 175 Zimmerlin, ZNER 2016, 325. 168

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nicht abgemildert werden. Die ergänzende Vertragsauslegung darf lediglich im Ausnahmefällen vorgenommen werden, um die aus der Gesamtnichtigkeit resultierenden Nachteile für den Verbraucher zu vermeiden und den Abschreckungseffekt nicht zu beeinträchtigen. Die Zulässigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung ist folglich von den Kriterien abhängig, die der BGH im konkreten Fall an die Anwendbarkeit und den Maßstab einer ergänzenden Vertragsauslegung stellt, und ist ganz und gar nicht „ausdrücklich anerkannt“. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, inwiefern und nach welchem Maßstab bei unwirksamen Preisänderungsklauseln eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch die Rechtsprechung vorgenommen wird und unter Beachtung der Vorgaben der Klauselrichtlinie zu diskutieren, ob dies sachgerecht und unionsrechtkonform ist. III. Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln Bei einer auf § 309 Nr. 1 BGB beruhenden Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel besteht keine Lücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden muss. Eine Preisänderung nach Vertragsschluss ist bei Nichtdauerschuldverhältnissen in einem Zeitraum von bis zu vier Monaten unzulässig. Dagegen stellt sich die Frage, ob und wie die auf Grundlage einer nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unangemessenen Preisänderungsklausel resultierende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden kann. 1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung a) Ergänzungsbedürfnis In seiner Grundsatzentscheidung zur ergänzenden Vertragsauslegung bei einer unwirksamen Tagespreisklausel im Kfz-Neuwagengeschäft stellte der BGH fest, dass eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dann in Betracht komme, wenn für die Schließung einer durch Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehenden vertraglichen Lücke „dispositives Recht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung steht […] und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und des Kunde Rechnung tragende Lösung bietet“176. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt folglich in Betracht, wenn die aus dem Wegfall der Preisänderungsklausel resultierende Regelungslücke, zum einen nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann. Dies ist etwa bei Vertrags 176

BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 75.

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typen der Fall, die gesetzlich überhaupt nicht oder nur unzureichend geregelt sind. Preisänderungsklauseln sind das Produkt der Kautelarjurisprudenz. Nur für bestimmte Vertragsarten bestehen gesetzliche Regelungen.177 Zusätzlich zum Fehlen einer dispositiv gesetzlichen Ersatzregelung darf ohne die Klausel keine interessengerechte Lösung erzielt werden können. Es ist daher im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu entscheiden, ob der Vertrag ergänzungsbedürftig geworden ist. Diese Voraussetzungen sind insoweit mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie vereinbar, als dem Vorrang des dispositiven Rechts und insbesondere dem Ausgleichsgedanken Rechnung getragen wird. Der BGH bejahte diese Voraussetzungen bei der oben genannten unwirksamen Tagespreisklausel in einem Kaufvertrag über einen Neuwagen. Nach dem BGH, fehle es an einer Regelung des dispositiven Rechts. Der Kunde kontrahiere mit dem Verwender in Kenntnis der mehrjährigen Lieferfrist178 und im Interesse am Erwerb des bestellten Fahrzeugs. Er müsse daher mit einer Preissteigerung rechnen. Der Wegfall der Klausel führe zu einem starken Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Dieses benachteilige den Verwender unangemessen und verschaffe dem Kunden einen ungerechtfertigten Gewinn.179 Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klauselverwenders war hier insofern zu verneinen, als die streitgegenständliche Klausel aus einer Konditionenempfehlung stammte, die beim Bundeskartellamt angemeldet war. Dieses hätte die Anmeldung damals zurückweisen müssen, wenn sie missbräuchlich Klauseln enthielt.180 Der BGH nahm eine ergänzende Vertragsauslegung auch für eine unwirksame Tagespreisklausel in einem langfristigen Mietvertrag über Fernmeldeanlagen vor. Dabei wies er insbesondere auf den Umstand hin, dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt und zu den Vermieterpflichten regelmäßig kostenaufwendige Wartungen und Instandhaltungen technischer Geräte gehören. Aus dem in der unwirksamen Preisänderungsklausel niedergelegten Regelungsziel schloss er, dass den Parteien die Notwendigkeit einer Preisänderungsklausel bewusst war. Zum Zwecke eines angemessenen Wertausgleichs müsse sich der vereinbarte Preis ändert, sofern es die Kostenentwicklung erfordert.181 Auch im Rahmen von unwirksamen Zinsänderungsklauseln in einem langfristigen Sparvertrag bejahte der BGH die ergänzende Vertragsauslegung aus dem Grund, dass sich die Parteien für Zinsvariabilität und gerade nicht für Zinsstabilität entschieden hätten.182 Zusammengefasst wird nach der Rechtsprechung des BGH eine ersatzlose Streichung den Interessen nicht gerecht, sofern es sich um ein langfristiges Schuldverhältnis handelt, der Verbraucher den Vertrag in Kenntnis einer möglichen 177

Thomas, AcP 209 (2009), 84, 120. Damals hatte ein neuer Mercedes eine Lieferfrist von drei Jahren. 179 BGH v. 01.02.1984, BGHZ, 90, 69, 77 f. 180 Schlosser, IPRax 2012, 509, 511. 181 BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116. 182 BGH v. 10.06.2008, NJW 2008, 3422 Rn. 18; BGH v. 13.04.2010, NJW 2010, 1742 Rn. 18. 178

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Preissteigerung abschloss und ein ersatzloser Wegfall zu einer unangemessenen Benachteiligung des Verwenders führen würde. Die Anwendung der ergänzenden Vertragsauslegung ist in den genannten Fällen im Ergebnis im Einklang mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie, sofern der Verbraucher in langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen an der Leistung interessiert ist bzw. bei einem Dauerschuldverhältnis die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nicht auszuschließen ist und die Rückabwicklung des Vertrages tatsächlich den Interessen beider Vertragsparteien widerspricht. Dies ist im zweiten Fall zu bezweifeln. Trotz des legitimen Anliegens an der Verwendung einer Preisänderungsklausel, widerspricht jedoch eine pauschale Ersetzung von missbräuchlichen Preisänderungsklauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dem Präventionsgedanken. Eine Ersetzung kommt in Betracht, wenn der Wegfall zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt, der mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher verbunden wäre. Das Ergänzungsbedürfnis findet seine Schranke in dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Die ergänzende Vertragsauslegung darf dem Verwender nicht zugutekommen, wenn er eine erkennbar missbräuchliche Klausel in den Vertrag eingeführt hat.183 Für offensichtliche Verstöße bleibt kein Raum. So dürfen nach der Rechtsprechung des BGH bewusste oder vorwerfbar nicht bekannte Verstöße gegen das AGB-Recht nicht geduldet werden.184 Dies gilt auch, wenn der Verwender nach Veröffentlichung einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Unwirksamkeit die Klausel weiterverwendet.185 In solchen Fällen, besteht gerade keine Lücke. Die ersatzlose Streichung der Regelung trägt zu einem angemessenen Interessenausgleich bei und wird dem intendierten Abschreckungseffekt gerecht. Demgegenüber bestehen bei zweifelhafter, höchstrichterlich noch ungeklärter Rechtslage keine Bedenken gegen eine Schließung der entstandenen Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.186 Gegen diese Beschränkung der ergänzenden Vertragsauslegung sind insofern keine europarechtlichen Bedenken ersichtlich, als sie dem Abschreckungseffekt in hinreichender Weise Rechnung trägt.187 Ebenso scheidet nach der Rechtsprechung des BGH eine ergänzende Vertragsauslegung aus, sofern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommen.188 Dieses Kriterium darf nicht zu weit gezogen werden. Die Herbeiführung eines

183

Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 37; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 20; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 616; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; a. A. Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 13. 184 BGH v. 12.10.11, NJW 2012, 217 Rn. 47; im Ergebnis zutreffend BGH v. 31.10.1984, NJW 1985, 621, 622; BGHZ 96, 12, 26 f. 185 BGH v. 04.07.2002, BGHZ 151, 229, 236; BGH v. 25.03.2004, NJW-RR 2004, 880 Rn. 25. 186 Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 37. 187 Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. IV. 2. b). 188 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 80; BGH v. 07.03.1989, BGHZ 107, 273, 276; BGH v. 03.11.1999, NJW 1990, 115; BGH v. 12.10.2005, WM 2005, 1168, 1170; BGH v. 01.10.2014, NJW 2015, 49 Rn. 24.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

materiellen Interessenausgleichs zwischen den Parteien darf nicht verhindert und das Risiko einer Gesamtunwirksamkeit des Vertrages vergrößert werden.189 Der BGH hat die Ersetzung einer intransparenten Klausel durch eine transparente Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung verneint. Andernfalls werde die Sanktion der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB und des Art. 6 Abs. 1 RL unterlaufen.190 Dem ist nicht zu folgen. Mit einer transparenten Klausel wird das Ziel des Transparenzgebots, eine transparente Vertragsgestaltung, erreicht und damit die materielle Ausgewogenheit der Pflichten und Rechte der Parteien widerhergestellt. Dieses Ziel darf nicht konterkariert werden, indem die ergänzende Vertragsauslegung für den Fall intransparenter Klauseln pauschal abgelehnt wird.191 Durch eine ergänzende Vertragsauslegung kann eine den typischen Interessen tragende Lösung herbeigeführt werden. Lediglich bei Bösgläubigkeit des Verwenders hinsichtlich der Intransparenz einer solchen Klausel, scheidet die ergänzende Vertragsauslegung aus, um dem Abschreckungseffet Genüge zu tun. b) Verschärfung der Voraussetzungen durch das Unzumutbarkeitskriterium in Energielieferungsverträgen aa) Das Unzumutbarkeitskriterium Nunmehr hat der BGH jedoch die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung in seiner Rechtsprechung zu Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen von einem zusätzlichen Unzumutbarkeitskriterium i. S. d. § 306 Abs. 3 BGB abhängig gemacht und damit die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung im erheblichen Maße verschärft.192 Eine ersetzungsbedürftige Lücke liege demnach dann vor, wenn ein ersatzloser Wegfall der Preisänderungsklausel, folglich die Geltung des Ausgangspreises, „den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt.“193 Diese Voraussetzung verneinte der BGH in Anbetracht des Kündigungsrechts des Verwenders nach zweijähriger Vertragslaufzeit, da es ihm aufgrund des beschränkten Zeitraums zugemutet werden könne den

189

Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 38. BGH v. 12.10.2005, BGHZ 164, 297 Rn. 43 f.; Bestätigung in BGH v. 08.10.2015 – I ZR 132/14, juris Rn. 55. 191 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 38 a; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 12. 192 Vgl. BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 75; so auch Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 33 a; Thomas, AcP 209 (2009), 85, 122 f.; Uffmann, NJW 2011, 1313, 1314; Graf v. Westphalen, NJW 2010, 2254, 2257. 193 BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 32; Bestätigung in BVerfG v. 07.09.2010, NJW 2011, 1339, 1341. 190

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alten Preis zu tragen. Die Bindung an den vertraglich vereinbarten Preis führe in diesem Fall „nicht ohne Weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis.“194 Er fordert folglich die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag als Voraussetzung für die ergänzende Vertragsauslegung. In ähnlicher Weise hat bereits der VI. BGH-Zivilsenat die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung verschärft, indem er das Vorliegen einer „zwingenden Sonderlage“ gefordert hat.195 In Fällen, in denen die auf Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Preiserhöhungen gerichtete Klagen Erfolg hatten, verneinte der BGH folglich das Unzumutbarkeitskriterium, wenn eine Kündigungsmöglichkeit des Verwenders bestand. Der Verwender könne eine nach Widerspruch oder Vorbehaltszahlung des Kunden zukünftig drohenden unbefriedigenden Erlössituation in zumutbarer Weise verhindern, indem er das ihm vertraglich eingeräumte kurz- oder mittelfristige Kündigungsrecht ausübt.196 Eine Unzumutbarkeit mit Verweis auf die Kündigungsmöglichkeit verneinte der BGH auch für den Fall, dass eine Klausel zuvor nicht von einem Kunden beanstandet worden war. Der Verwender einer Klausel habe im Allgemeinen das Risiko zu tragen, dass die Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt werde.197 Im Rahmen von Leistungsklagen, mit denen der Kunde Rückforderungsansprüche verfolgt, hat der BGH dagegen seit der Entscheidung vom 14.03.2012 das Unzumutbarkeitskriterium bejaht. Danach hat der BGH aufgrund des Wegfalls einer Preisänderungsklausel eine Störung des Vertragsgefüges angenommen, sofern es sich um einen langjährigen Dauerschuldvertrag handele, der Kunde der Preiserhöhung über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen habe und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhung geltend macht. Die vertraglich vorgesehene Kündigungsmöglichkeit helfe hier insofern nicht weiter, als diese ihre Wirkung lediglich für die Zukunft entfaltet. Vor Widerspruch des Kunden bestehe für den Gewerbetreibenden kein Grund, dass praktizierte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung in Frage zu stellen und den Vertrag zu kündigen.198 In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte 194

BGH v. 29.04.2008, BGHZ 176, 244 Rn. 33. BGH v. 24.09.1985, BGHZ 96, 18, 26 f. 196 BGH v. 17.12.2008, BGHZ 179, 186 Rn. 26; BGH v. 15.07.2009, BGHZ 182, 59 Rn. 36; BGH v. 28.10.2009, NJW 2010, 993 Rn. 45; BGH v. 13.01.2010, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 27; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 180, 186 Rn. 51; BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 38; BGH v. 22.02.2012, NJW-RR 2012, 690 Rn. 31 f.; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 22; BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 27; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 61. BGH v. 15.04.2015, BGHZ 205, 43 Rn. 30. 197 BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 62. 198 Zunächst offen gelassen in BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 52; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 23; BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 28; BGH 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 36; BGH v. 23.01.2013, EnWZ 2013, 225 Rn. 34, 37; BGH v. 15.01.2014, NJW 2014, 1877 Rn. 20; BGH v. 24.09.2014, NJW 2014, 3639 Rn. 18; BGH v. 15.04.2015, BGHZ 205, 43. 195

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der Kläger während der Vertragslaufzeit von 27 Jahren, die Preiserhöhung ohne Widerspruch hingenommen.199 Diese Argumentation hat der BGH auch auf nicht beglichene Nachforderungen des Unternehmers gegen den Kunden übertragen.200 Ebenso argumentierte er auch im Fall einer nach § 305 Abs. 2 BGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogenen Preisänderungsklausel.201 In der Entscheidung vom 06.04.2016 kombinierte der BGH das Unzumutbarkeitskriterium mit den Kriterien, die der EuGH für die Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht in der Rechtssache Kásler aufgestellt hat.202 Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt eine Ersetzung nur in Betracht, wenn die Ungültigerklärung einer missbräuchlichen Klauseln zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen würde, die mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher verbunden ist. Der BGH subsumierte danach wie folgt: Eine ersatzlose Streichung der Preisanpassungsklausel führe zur materiellen Unausgewogenheit und damit zur Gesamtnichtigkeit des Versorgungsvertrages. Ohne eine ergänzende Vertragsauslegung könne sich der Verwender „auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit“ darauf berufen, dass die Leistung zum Ausgangspreis „bei der gebotenen Anlegung objektiver, auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeit berücksichtigender Maßstäbe“ eine untragbare Härte darstelle, wenn der bei dem lange Zeit zurückliegenden Vertragsabschluss vereinbarte Preis seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend war. Dies würde gemäß § 306 Abs. 3 BGB die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nach sich ziehen, so dass das Vertragsverhältnis für die Vergangenheit nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln wäre. Durch die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages werde die materielle Vertragsgerechtigkeit zwischen den Parteien nicht im gleichen Maße sicherstellt wie durch die ergänzende Vertragsauslegung.203 Schließlich müsse der Verbraucher im Fall der Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages Wertersatz für das erlangte Erdgas nach § 818 Abs. 2 BGB leisten. Dieser bemesse sich nach dem marktüblich geforderten Preis zum jeweiligen Belieferungszeitpunkt. Der Unternehmer erhielte im Fall der 199

BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 1. BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 29; BGH v. 15.01.2015, NJW 2014, 1877 Rn. 20. 201 BGH v. 03.12.2014, EnWZ 2015, 177 Rn. 28. 202 BGH v. 04.06.2016, NJW 2017, 320 Rn. 30 mit Verweis auf EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 82–84; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 33; BGH v. 08.07.2015, Rs. C-90/14 (Banco Grupo Cajatres/María Mercedes Manjón Pinilla und Comunidad Hereditaria formada al fallecimiento de D. M. A. Viana Gordejuela), ECLI:EU:C:2015:465, Rn.  38 und BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 37; BGH v. 23.01.2013 – VIII ZR 52/12, juris Rn. 35. 203 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 37; BGH v. 23.01.2013 – VIII ZR 52/12, juris Rn. 35; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 35 ff.; BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2016, 23 Rn. 25. 200

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Unwirksamkeit des Vertrages weitgehend dasjenige, was er im Falle einer Wirksamkeit der missbräuchlichen Klausel an vertraglich geschuldetem Entgelt hätte beanspruchen können, so dass der Unternehmer nahezu sanktionslos bliebe.204 bb) Bewertung des Unzumutbarkeitskriteriums Trotz Kritik in grammatikalischer, systematischer und teleologischer Hinsicht205 ist das Unzumutbarkeitskriterium zu befürworten. Es führt zu einem sparsameren Gebrauch der ergänzenden Vertragsauslegung, der dem Präventionsgedanken Rechnung trägt. (1) Keine Vereinbarkeit mit dem nationalen Recht Allerdings überzeugt die Anwendung dieses Kriteriums im Rahmen von Leistungsklagen durch den BGH nicht. Es ist zu bezweifeln, ob überhaupt ein Fall der unzumutbaren Härte aufgrund des Wegfalls der Preisänderungsklausel für den Verwender vorliegt, was der BGH pauschal bejaht. Er stellt gerade nicht, wie in der Entscheidung vom 14.07.2010,206 darauf ab, ob die Gestehungskosten seit Vertragsschluss „erheblich gestiegen“ sind und daher ein „erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ vorliegt. Eine unzumutbare Härte für den Verwender kann grundsätzlich nur schwer bejaht werden, weil dieser bereits durch das vertragliche Kündigungsrecht und die für Rückzahlungsansprüche von Kunden geltende dreijährige Regelverjährung hinreichend geschützt ist. Eine Rückzahlungspflicht trifft den Verwender folglich für maximal drei zurückliegende Jahre. Für den Verwender entstehen zudem gegebenenfalls nur geringe finanzielle Nachteile, wenn der Ausgangspreis eine sehr hohe Gewinnspanne beinhaltet.207 Insbesondere darf aufgrund der Relativität der Rechtsverhältnisse die individuelle Betrachtung der durch die Klauselunwirksamkeit resultierenden wirtschaftlichen Folgen für den Verwender nicht durch die Gesamtbetrachtung einer Vielzahl von Verbraucherverträgen ersetzt werden.208 Da der BGH auf die Unzumutbarkeit für den Unternehmer abstellt, könnte man auf den Gedanken kommen, dass anstelle eines 204

BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 37. Thomas, AcP 209 (2009), 84, 123 ff.; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2226; dieselbe, NJW 2011, 1313, 1316 f.; Erm, JR 2013, 543, 551; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn. 37 a; Staudinger/Schlosser, Neub. 2013, § 306 BGB Rn. 13 a; Graf v. Westphalen, NJW 2011, 2098, 2099. 206 BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 52. 207 Markert, EnWZ 2016, 362, 363; derselbe, ZNER 2013, 156, 157 f.; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 254; derselbe ZNER 2016, 325, 326; de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 235. 208 BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 14; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 27. 205

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angemessenen Interessenausgleichs es vielmehr auf die Vermeidung einer unzumut­ baren Situation für den Klauselverwender geht. Dies entspricht auch der oben aufgeführten bisherigen Judikatur des BGH, in der das Unzumutbarkeitskriterium lediglich aus dem Blickwinkel des Klauselverwenders beurteilt wird. Ferner entscheidet der BGH bei der Bewertung des Unzumutbarkeitskriteriums im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung. Zum einen bewertet der BGH die Kündigungsmöglichkeit des Verwenders im Rahmen einer Leistungsklage im Zeitpunkt des Widerspruchs durch den Kunden und im Rahmen einer Feststellungsklage und damit auch das Unzumutbarkeitskriterium unterschiedlich.209 Ebenso gewährt er dem Verwender unterschiedlichen Vertrauensschutz im Rahmen der Leistungsklage und im Rahmen der Feststellungsklage. Im Hinblick auf Rückforderungsansprüche schützt er den Verwender unter anderem deswegen, weil der Verbraucher den Preis über einen längeren Zeitraum unbeanstandet gezahlt hat. Im Rahmen der Feststellungklage spricht er dagegen dem sich rechtstreu verhaltenden Verwender, der etwa die Leitbildrechtsprechung des BGH übernommen hat, das Kalkulations- und Kostenrisiko auch für den Fall zu, dass der Verbraucher die Klausel nicht beanstandet hat und diese Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen als unwirksam beurteilt wird. Insbesondere in dem in der Entscheidung vom 14.03.2012 entschiedenen Fall, in dem der Kläger den Preis seit 27 Jahren nicht beanstandet hat, hätte ein rechtsgetreuer Gewerbetreibender seine Preisänderungsklausel aufgrund der sich ständig im Wandel befindenden AGBRechtsprechung anpassen müssen und durfte daher nicht blind auf ihre Wirksamkeit vertrauen, nur weil der Verbraucher den Preis beanstandungslos gezahlt hat. Indem er einen solchen Vertrauensschutz im Rahmen der Leistungsklage gewährt, widerspricht er auch seiner ständigen Rechtsprechung, nach der die widerspruchslose Zahlung des neuen Preises nach Vornahme einer Preisanpassung noch keine konkludente Zustimmung zur Erhöhung des Preises darstellt.210 Der BGH erhebt die ergänzende Vertragsauslegung insofern zum Regelfall, als er darauf abstellt, ob der Kunde der Preiserhöhung über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen. In der Regel werden nur wenige Vertragspartner eine Preisänderung beanstanden.211 (2) Keine Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH In der Entscheidung vom 06.04.2016, in der der BGH das Unzumutbarkeitskriterium durch die Voraussetzung der drohenden Gesamtnichtigkeit des Vertrages ergänzt hat, scheint sich der BGH an der Umsetzung der Entscheidung des EuGH 209 In diese Richtung auch Kühne, NJW 2015, 2546, 2547; Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3606. 210 BGH v. 23.03.2013, ZNER 2013, 152 Rn. 19; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 9; BGH v. 14.03.2012, ZNER 2012, 265 Rn. 22; BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 40 ff.; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 57 ff. 211 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 254.

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in der Rechtssache Kásler zu versuchen. Dies ist aufgrund der faktischen Bindungswirkung des Vorlageverfahrens212 zu begrüßen. Allerdings misslingt ihm dies vollkommen. Laut EuGH komme eine Ersetzung durch dispositives Recht, folglich gegebenenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung, nur dann in Betracht kommt, wenn die Unwirksamkeit der Klausel die Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach sich ziehen würde und dies mit Nachteilen für den Verbraucher verbunden wäre.213 Der BGH legt, wie oben erläutert,214 bereits das Unzumutbarkeitskriterium des § 306  Abs.  3  BGB nicht richtlinienkonform aus. Für die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL ist es maßgeblich, ob der Vertrag ohne die unwirksame Preisänderungsklausel noch durchführbar ist. Die Voraussetzung der „Undurchführbarkeit“ ist dabei, wie bereits dargestellt, nach objektiven Kriterien, also nach dem Willen beider Parteien, eng auszulegen.215 Obwohl der BGH auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Jörös216 Bezug nimmt und damit „auf die gebotene Anlegung objektiver, auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeit berücksichtigender Maßstäbe“ abstellt,217 bejaht er pauschal die Gesamtnichtigkeit des Vertrages wegen unzumutbarer Härte für den Verwender. Der Klauselverwender sei dabei besonders schutzwürdig als für ihn, aufgrund der widerspruchslosen Zahlungen des Kunden kein Anlass bestehe, die Wirksamkeit der Klausel anzuzweifeln. Er nimmt damit eine bloße Pauschalierung zugunsten des Verwenders vor, obwohl es für den Fall des § 306 Abs. 3 BGB eines tatsächlichen Beweises bedarf.218 Aufgrund des mindestharmonisierenden Charakters der Richtlinie kann die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nur dann angenommen werden, um einen höheren Verbraucherschutz zu gewährleisten, wenn das Festhalten eine unzumutbare Härte für den Verbraucher darstellt. Auf eine aus der Unwirksamkeit der Klausel resultierende „untragbare Härte“ für den Klauselverwender kommt es dagegen nicht an. Die Unerheblichkeit der aus der Unwirksamkeit folgenden finanziellen Nachteile für den Klauselverwender hat der EuGH

212

Vgl. 1. Teil Kapitel 1 B. EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 82–84; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 33; BGH v. 08.07.2015, Rs. C-90/14 (Banco Grupo Cajatres/María Mercedes Manjón Pinilla und Comunidad Hereditaria formada al fallecimiento de D. M. A. Viana Gordejuela), ECLI:EU:C:2015:465, Rn. 38. 214 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 B. I.; EuGH v. 15.03.2012, Rs. C-453/10 (Pereničová/SOS finance spol. s r. o.), ECLI:EU:C:2012:144, Rn. 34 f. 215 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 A. II; so auch Markert, EnWZ 2016, 362, 364. 216 EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt.) ECLI:EU:C: 2013:340, Rn. 47: „In Bezug auf die Kriterien, anhand deren sich beurteilen lässt, ob ein Vertrag tatsächlich ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann, hat der Gerichtshof entschieden, dass sowohl der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 als auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeiten für einen objektiven Ansatz bei der Auslegung dieser Bestimmung sprechen (Urteil Pereničová und Perenič, Randnr. 32).“ 217 Vgl. BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 35. 218 Markert, EnWZ 2016, 362; derselbe bereits in ZNER 2013, 156, 157. 213

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

auch in der Rechtssache Naranjo betont, indem er die zeitliche Beschränkung von Rückzahlungsansprüchen verneint hat.219 Eine Nichtigerklärung des Vertrages aufgrund unzumutbarer Härte für den Unternehmer widerspricht den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL. Es geht dem EuGH vorrangig darum, aus der Gesamtnichtigkeit des Vertrages resultierende Nachteile für den Verbraucher zu vermeiden. Hingegen scheint der BGH gerade eine Privilegierung des Verbrauchers zulasten des Verwenders verhindern zu wollen, indem er darauf abstellt, ob die Verschiebung des Vertragsgefüges zugunsten des Verwenders eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags begründet. Erst in einem zweiten Schritt geht der BGH auf die Interessen des Verbrauchers ein. Danach könnte, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages die Verpflichtung des Kunden begründen, im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages Wertersatz für die bezogene Leistung in Höhe des marktüblichen Preises zu zahlen. Zwar kann diese Situation eintreten. Allerdings stellt auch diese Behauptung nur eine für alle Fälle unwirksamer Preisänderungsklauseln geltende Pauschalierung dar.220 (3) Fazit Zusammengefasst widerspricht die Rechtsprechung des BGH folglich insofern dem nationalen Recht und dem Unionsrecht, als sie bei der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel pauschal von der Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung im Rahmen von Rückforderungsansprüchen ausgeht. Sie schützt über die Maße das Vertrauen des Verwenders in die Richtigkeit der Preisänderung entgegen der eigenen nationalen Rechtsprechung. Dabei hat der BGH insbesondere das Kriterium der Gesamtnichtigkeit des Vertrages nicht richtlinienkonform ausgelegt und es zu vorschnell zugunsten des Verwenders bejaht. Das Ziel des Art. 6 Abs. 1 RL, eine hohe Abschreckungswirkung zu entfalten, darf allerdings nicht vereitelt werden. Der Verwender muss weiterhin das Risiko des Gebrauchs unangemessener Klauseln tragen. Durch die zahlreichen pauschalen Betrachtungen des BGH wird die ergänzende Vertragsauslegung dagegen von einer restriktiv anzuwendenden Ausnahme zur Regel aufgewertet.221 Dadurch besteht die Gefahr, dass der Abschreckungseffekt ausbleibt, was der Zielsetzung der Klauselrichtlinie im erheblichen Maße zuwiderläuft.222 Damit widersprechen zwar nicht die Voraussetzungen, die der BGH an die ergänzende Vertragsauslegung stellt, jedoch deren konkrete Anwendung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in Energielieferungsverträgen bereits der 219

So auch Markert, EuZW 2017, 173, 174. Markert, EnWZ 2016, 363, 364. 221 So auch Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 254; in diese Richtung auch Markert, EnWZ 2016, 362, 364. 222 So auch Markert, ZNER 2013, 156, 157. 220

Kap. 10: Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln 

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Rechtsprechung des EuGH. Eine ergänzende Vertragsauslegung darf im Einklang mit der Judikatur des EuGH nur vorgenommen werden, wenn durch die Lücke eine nach objektiven Kriterien bestehende Undurchführbarkeit des Vertrages besteht, die mit tatsächlichen Nachteilen für den Verbraucher verbunden ist. Die Bejahung dieser Voraussetzung ist bereits äußerst schwierig, da für die Undurchführbarkeit, trotz der Anerkennung eins legitimen Bedürfnisses an der Verwendung von Preisänderungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen, eines qualifizierte Störung erforderlich ist und der Verwender sich nicht durch ein kurz- oder mittelfristiges Kündigungsrecht von dem Vertrag lösen können darf. Ferner berücksichtigt der BGH nicht hinreichend, dass der Verwender vor erheblichen Rückzahlungsansprüchen des einzelnen Verbrauchers bereits durch die dreijährige Regelverjährung geschützt ist. Der Unternehmer muss als Klauselverwender das Risiko tragen, dass sich die von ihm verwendete Preisänderungsklausel als unwirksam erweist. 2. Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt durch ergänzende Vertragsauslegung diejenige Gestaltungsmöglichkeit, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen oder die Wirksamkeit jedenfalls unsicher war.223 Folglich kommt es nicht auf den tatsächlichen Willen der Parteien an. Die Schließung erfolgt vielmehr durch den objektiv zu ermittelnden, hypothetischen Willen, der vom Einzelfall abstrahiert und auf den typischen, durch den Anlassfall lediglich repräsentierten Interessenkonflikt bezogen ist.224 Sie darf nicht zur Bevorzugung der Interessen einer Partei führen. Normative Vorgaben für die Interessenabwägung bieten dabei die §§ 307 bis 309 BGB, die wiederrum richtlinienkonform auszulegen sind.225 Da die unwirksame Klausel durch diesen Maßstab nicht auf das gerade noch zulässige Maß reduziert wird, trägt dieser Maßstab der von der der Rechtsprechung des EuGH geforderten Abschreckungswirkung hinreichend Rechnung.226

223 BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 75; BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 35. 224 Stoffels, AGB-Recht, 617; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 14. 225 Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 BGB Rn.  37; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 BGB Rn. 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 18. 226 Erm, JR 2013, 543, 551; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 616.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

a) Ausschluss der ergänzenden Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln Zunächst war der BGH bei der Vornahme der ergänzenden Vertragsauslegung zur Schließung der durch die Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln entstehenden Lücken äußerst großzügig. Obwohl er nicht müde wurde das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zu betonen, schnitt er die unwirksamen Preisänderungsklauseln auf das angemessene Maß zurecht, so dass das Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion glich.227 So schloss er die durch eine unwirksame Tagespreisklausel in einem Neuwagenkaufvertrag entstehende Lücke dahingehend, dass er dem Verwender ein einseitiges Preisänderungsrecht eingeräumte, das durch ein Lösungsrecht des Verbrauchers für den Fall begrenzt war, dass die Preisänderung den Anstieg der Lebenshaltungskosten nicht unerheblich übersteigt.228 In einem Mietvertrag über eine Fernmeldeanlage entsprach die ergänzende Vertragsauslegung im Ergebnis noch mehr einer geltungserhaltenden Reduktion. Eine Preisänderungsklausel, die die Preiserhöhung nicht auf den Teil der Miete beschränkte, der kostenabhängig war und damit eine unzulässige Gewinnerhöhung ermöglichte, wurde dahingehend ergänzend ausgelegt, dass das Preisänderungsrecht, auf die in der Mieterhöhung enthaltene Erhöhung des Kostenanteils beschränkt sei.229 Eine solche Vorgehensweise, die die unwirksame Klausel auf das noch zulässige Maß zuschneidet, ist nicht mit Art. 6 Abs 1 RL zu vereinbaren. Sie führt dazu, dass der durch die Klauselrichtlinie intendierte Abschreckungseffekt fast vollständig ausbleibt. Insbesondere entspricht die ergänzende Vertragsauslegung in dem Fall einer unwirksamen Preisänderungsklausel in einem Mietvertrag über Fernmeldeanlagen nicht dem typischen objektiven Willen der Parteien, da dem Vertragspartner kein Kündigungsrecht für den Fall einer seine Leistungsfähigkeit übersteigenden Preisänderung eingeräumt wurde.230 Dieser großzügigen Vornahme der ergänzenden Vertragsauslegung setzte der BGH allerdings im Rahmen von Energielieferungsverträgen im Rahmen von Feststellungsklagen ein Ende, in denen die auf Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Preiserhöhungen gerichteten Klagen Erfolg hatten. Er betonte zu Recht, dass „eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Ziel einer Ersetzung der unwirksamen Preisanpassungsklausel durch eine wirksame Klausel, […] der Sache nach auf eine Klauselanpassung durch geltungserhaltende Reduktion (hinausliefe), um den unangemessenen Preisanpassungsklauseln im Wege der Auslegung einen anderen, noch angemessenen Inhalt beizulegen. Dies wäre sowohl nach dem deutschen

227

So auch MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 26. BGH v. 01.02.1984, BGHZ 90, 69, 77. 229 BGH v. 12.07.1989, NJW 1990, 115, 116; kritisch Coester-Waltjen, EWiR 1990, 315, 316. 230 In diese Richtung auch Coester-Waltjen, EWiR 1990, 315, 316. 228

Kap. 10: Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln 

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Recht als auch nach Art. 6 Abs. 1 Klausel-Richtlinie unzulässig.“231 Der BGH lehnt demnach eine auf die ergänzende Vertragsauslegung gestützte, dauerhafte Preisanpassung in Sonderkundenverträgen für die Zukunft ab. b) Die „Fristenlösung“ des BGH im Rahmen von Rückforderungsansprüchen aa) Maßstab der „Fristenlösung“ Allerdings modifiziert der BGH die Rechtsfolgen einer unwirksamen Preisänderungsklausel mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung im Rahmen von Leistungsklagen: Seit seiner Entscheidungen vom 14.03.2012, begrenzt der BGH im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Rückforderungsansprüche des Kunden dahingehend, dass der Kunde „die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.“232 Der Kunde kann sich somit nicht darauf berufen, dass es für alle über den Ausgangspreis hinausgehenden Zahlungen an einem Rechtsgrund fehlt.233 Die Höhe des Rückforderungsanspruches ist davon abhängig, wann dem Kunden die einzelnen Jahresabrechnung zugegangen seien und gegen welche der darin enthaltenen Preiserhöhungen der jedenfalls in der Klageerhebung liegende Widerspruch des Vertragspartners noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren erfolgt ist.234 Dabei ist allein der individuelle Wiederspruch des jeweiligen Vertragspartners beachtlich.235 Die Anforderungen, die an den Widerspruch gestellt werden, sind gering. Es genügt ein Schreiben, welches den Verwender dazu veranlasst, die Preisänderungsklausel auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. So sei es ausreichend, wenn der Widerspruch durch Geltendmachung der Unbilligkeit der angekündigten Erhöhung nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgt. Der Umstand, dass sich der Widerspruch lediglich auf

231

BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 24; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 62. BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 21; BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, BeckRS 2012, 07968 Rn.  26; Bestätigung in BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn.  23; BGH v. 15.01.2014, NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23; BGH v. 03.12.2014, NJW 2015, 1167 Rn. 29; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 8; BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2017, 23 Rn. 12. 233 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 21. 234 BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 33; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 40; kritisch Ahnis/Helbach/Krischnick, IR 2014, 74, 75 die auf den Zugang der Mitteilung über die Preisänderung abstellen wollen. 235 BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 23; BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11, juris Rn. 28; BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 39; BGH v. 23.01.2013 – VIII ZR 52/12, juris Rn. 37. 232

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

die angekündigte Preiserhöhung und nicht ausdrücklich auf die zurückliegenden Preisanpassungen erstreckt, begründet keinen Vertrauensschutz für den Verwender, dass der Kunde die vorgenommenen Erhöhungen vorbehaltlos anerkennt.236 Der BGH stellt dabei auf den Widerspruch als solchen ab und differenziert gerade nicht danach, auf welche Gründe der Widerspruch gestützt wird. Es genügt, wenn der Kunde zum Ausdruck bringe, dass er mit der Preiserhöhung nicht einverstanden sei.237 Folgendes Beispiel soll hier zur Veranschaulichung dieser Rechtsprechung dienen: Verlangt ein Verbraucher im Jahre 2016 die vor 2016 ohne Rechtsgrund gezahlten Entgelte zurück, so kann er, wenn ihm die Jahresabschlussrechnung von 2012 erst 2013 zugegangen ist und die Rückforderungsansprüche für 2012 erst Ende 2016 verjähren, die Entgelte von 2012 bis 2015 zurückfordern. Allerdings nicht in Höhe der Differenz zum Ausgangspreis, sondern nur auf Basis des im Jahre 2012 vom Verwender geforderten Preises. Der Preis von 2012 wird als wirksam fingiert, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Rechnung beanstandet wird. Nach Ansicht des BGH, lasse diese sog. „Dreijahres- oder auch Fristenlösung“ den Inhalt der unangemessenen Preisänderungsklausel und deren Unwirksamkeit unberührt. Die Begrenzung der Rückzahlungsansprüche entspreche bei loyalem Zuendedenken des Vertrages dem, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten.238 Bei allen langfristigen Vertragsverhältnissen bestehe das anerkennenswerte Bedürfnis das bei Vertragsschluss vereinbarte Gleich­gewicht von Leistung und Gegenleistung aufrecht zu erhalten. Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn bei einem Vertrag mit langer Laufzeit die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte.239 Darüber hinaus trage die Fristenlösung insofern den Interessen beider Parteien Rechnung, als sie für den Verwender eine verlässliche Basis für seine Kostenkalkulation schaffe, während der Verbraucher Gewissheit darüber habe, mit welchen Kosten er zu rechnen habe. Er werde gerade nicht größeren Nachforderungen ausgesetzt, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.240 Der BGH sieht seine Lösung auch als mit Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar an und argumentiert mit dem Ausgleichsgedanken der ergänzenden Vertragsauslegung.241 Aufgrund der Entscheidung in der Rechtssache Kásler geht der BGH davon aus, dass „sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise fortentwickelt hat, die an der Vereinbarkeit der vom Senat im Wege der ergänzenden Vertragsaus 236

BGH v. 15.01.2014, NJW 2014, 1877 Rn. 22. BGH v. 23.05.2015 – VIII ZR 36/13, juris Rn. 36; BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2017, 23 Rn. 28. 238 BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 24. 239 BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 26. 240 BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 31, 33. 241 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 36; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 24. 237

Kap. 10: Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln 

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legung gewonnenen Dreijahreslösung mit den Vorgabe des Unionsrechts keinen Zweifel lässt.“242 Die ergänzende Vertragsauslegung bewirke gerade keine einseitige Bevorzugung der Interessen des Verwenders. Sie wahre vielmehr die materielle Ausgewogenheit, indem die aus der Unwirksamkeit des Vertrages resultierenden negativen Folgen für den Kunden vermieden werden.243 Während bereits im Schrifttum angemahnt wurde, dass durch diese Lösung in der Zwischenzeit eingetretene Preissenkungen unberücksichtigt blieben,244 stellte der BGH fest, dass redliche, auf eine Ausgewogenheit der Vertragsbeziehungen bedachte Parteien, wenn sie diesen Umstand bei Vertragsschluss bedacht hätten, allein schon aus Gründen der Fairness vereinbarten hätten, dass für die Zeiträume der Preisunterschreitung nur die geringeren Entgelte entrichtet werden müssten.245 Diese Fristenlösung überträgt der BGH auch auf nicht beglichene Nachforderungen des Unternehmers gegen den Kunden. Er begründet dies mit den gleichen obengenannten Argumenten.246 An die Stelle des wegen der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden Anfangspreises tritt nach der Fristen­ lösung nun dauerhaft die letzte Preiserhöhung, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat.247 Diese Judikatur ist gerade nicht auf den Zeitraum begrenzt, in dem der Verwender aufgrund der widerspruchslosen Zahlung des Kunden keinen Anlass hatte, das Bezugsverhältnis zu kündigen. Es wird folglich in Hinblick auf die Fristenlösung nicht zwischen dem Zeitraum bis zur Kündigungsmöglichkeit, in dem der Preis, dem der Kunde nicht innerhalb von drei Jahren ab Zugang der den erhöhten Preis enthaltenden Jahresabrechnung widersprochen hat, und dem Zeitraum ab der Kündigungsmöglichkeit differenziert, in dem folglich mangels Schutzbedürftigkeit des Verwenders eigentlich der bei Vertragsschluss vereinbarte Ausgangspreis gelten sollte.248 bb) Bewertung der „Fristenlösung“ Entgegen der Ansicht des BGH, nach der es nur „vereinzelte Stimmen“ gegen die Fristenlösung gäbe,249 ist die Ansicht im Schrifttum sehr verbreitet, dass die 242

BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 26. BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 38. 244 de Wal, Preis- und Preisänderungskontrolle in Energielieferungsverträgen, 237 f.; Zimmerlin, ZNER 2016, 325, 326. 245 BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 40. 246 BGH v. 14.03.2012 – VIII ZR 93/11 Rn. 28 f.; BGH v. 15.04.2015, BGHZ 205, 43 Rn. 31 ff. 247 BGH v. 15.04.2015, BGHZ 205, 43 Rn. 27, 37; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 21; BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2017, 23 Rn. 13. 248 BGH v. 15.04.2015, BGHZ 205, 43 Rn. 26. 249 BGH v. 06.04.2016 – VIII ZR 79/15, juris Rn. 25 geht davon aus, dass es für die Gegenansicht nur zwei „vereinzelte Stimmen“ gebe und verweist auf Markert, ZNER 2013, 156, 157 f.; derselbe, ZMR 2014, 193, 194; Zimmerlin, ZNER 2013, 252 ff. 243

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Fristenlösung sowohl mit dem Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung250 als auch mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie251 nicht zu vereinbaren ist, wie im Folgenden gezeigt werden soll. Dagegen gibt es im Schrifttum in der Tat nur „vereinzelte Stimmen“, die die Fristenlösung befürworten. Sie argumentieren damit, dass die Fristenlösung für Fälle verallgemeinerungsfähig sei, in denen der Verwender von Preiserhöhungsklauseln durch eine Rechtsprechungsänderung überrascht wurde. Sie diene der Abmilderung der rigorosen Folgen, die die eigene Rechtsprechung des BGH zu den Anforderungen an die Vereinbarkeit von eigenständig entwickelten Preisanpassungsklauseln mit § 307 BGB sowie die Judikatur des EuGH zur Leitbild-Rechtsprechung des BGB zur Folge haben.252 Darüber hinaus schaffe die Fristenlösung für Verwender, die mit Rückforderungsansprüchen der Kunden aufgrund unwirksamer Preisänderungsklauseln konfrontiert werden, insofern Rechtssicherheit als der Berufung der Kunden auf die Unwirksamkeit von Preisanpassungen eine feste zeitliche Schranke gesetzt wird.253 (1) Keine Vereinbarkeit der Fristenlösung mit dem Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung An die Stelle der unwirksamen Klausel soll durch ergänzende Vertragsauslegung diejenige Gestaltungsmöglichkeit treten, die die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Allerdings entspricht die Fristlösung des BGH, wie gezeigt werden soll, gerade nicht dem Maßstab eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Parteien.

250

Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227 ff.; Kühne, NJW 2015, 2546 ff.; Markert, EnWZ 2016, 362; Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3; Zimmerlin, ZNER 2016, 325 f.; BeckOGK/Zschieschack, § 307 BGB Preisanpassungsklauseln (01.05.2017) Rn. 54. 251 Allgemein zur Vereinbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung mit der Rechtsprechung des EuGH vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. IV. 1.; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 6 b; Markert, EnWZ 2016, 363 f.; derselbe, EnWZ 2016, 195, 196 ff.; derselbe, EuZW 2017, 173, 174; Micklitz/ Reich, in FS Magnus, 631, 634 ff.; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862 den der BGH anführt, die hier zitierte Stelle aber übergeht; Stürner, ZEuP 2012, 659, 679 f.; Zimmerlin, ZNER 2016, 325 f. 252 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr.  1 BGB Rn.  159; die Klarstellung begrüßend Büdenbender, LMK 2015, 370519; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 2243, 2250; Zabel, BB 2012, 1504 der die dreijährige Frist als verbraucherfreundlich bezeichnet; Deinert, EnWZ 2017, 26, 27.  253 Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, S. 3.

Kap. 10: Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln 

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(a) Benachteiligung des Verbrauchers durch Rügeobliegenheit Zum einen trägt die Fristenlösung insofern nicht dem objektiv-generalisierenden hypothetischen Willen der Parteien Rechnung, als sie den Verbraucher eine Rügeobliegenheit innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresrechnung auferlegt und ihn dadurch benachteiligt. Aufgrund seiner informationellen Unterlegenheit ist der Verbraucher gerade nicht in der Lage, die Angemessenheit der abgerechneten Preise zu überprüfen, so dass er am er am besten beraten wäre, wenn er stets rein vorsorglich die Preisänderung rügen würde. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass er seine Rechte nicht mehr durchsetzen könnte.254 Es entsteht daher die paradoxe Situation, dass der Verbraucher dazu verpflichtet wird, den Verwender, der grundsätzlich das Risiko unangemessener Klausel zu tragen hat, auf die Unwirksamkeit seiner Preisänderungsklausel hinzuweisen. Dadurch kann dieser durch eine Kündigung des Vertrages einer zu seinem Nachteil eintretenden Verschiebung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses, d. h. dem Rückfall auf den bei Vertragsschluss vereinbarten Preis, begegnen.255 Dabei leuchtet es bereits nicht ein, weshalb es auf einen individuellen, also auf das konkrete Schuldverhältnis bezogenen Kundenwiderspruch ankommen soll. Schließlich handelt es sich insbesondere bei Energielieferungsverträgen um Massengeschäfte, die mit der identischen Preisänderungsklausel abgeschlossen werden. Der Verwender kann sich daher bereits nach dem ersten Kundenwiderspruch nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen. Vielmehr müsste er die Wirksamkeit der betreffenden Klausel im Allgemeinen, losgelöst von einem konkreten Vertragsverhältnis in Frage stellen und daher die Kündigung aller Verträge, die die entsprechende Klausel enthalten, in Betracht ziehen.256 Da eine solche Rügeobliegenheit nur mit Nachteilen für den Verbraucher verbunden ist, hielte sie auch § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht Stand, wenn sie der Verwender in seine AGB aufgenommen hätte.257 Sie scheitert zudem bereits am Transparenzgebot. Der BGH begründet die Rügeobliegenheit rückwirkend, obwohl die Pflicht weder vertraglich noch gesetzlich bestand und der Verbraucher von ihr keine Kenntnis hatte, so dass er nicht in der Lage war sie zu befolgen.258 Er übergeht dabei, dass ein durchschnittlicher Vertragspartner in der Regel keine Kenntnis davon hat, ob und wie die Beschaffungskosten seiner Versorgers gesunken sind und ab wann sein Versorger zu einer entsprechenden Senkung der Preise verpflichtet gewesen wäre, um seine Rügeobliegenheit wahrzunehmen. Die Schutzbedürftigkeit 254 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253; Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 4; in diese Richtung auch Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 636; a. A. Zabel, BB 2012, 1504 der die dreijährige Frist als verbraucherfreundlich bezeichnet. 255 Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227. 256 So auch Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3. 257 Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227; so auch Markert, ZNER 2013, 156; derselbe, ZMR 2014, 193, 194. 258 Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

des Verbrauchers, der den AGB des Verwenders ausgeliefert wird, bleibt folglich völlig unberücksichtigt.259 Im Gegensatz zum Verbraucher wird die Position des Verwenders über die Maße gestärkt. Indes ist dieser bereits durch die dreijährige Verjährungsregelung vor einer uferlosen Ausweitung der Rückforderungsansprüche hinreichend geschützt ist.260 Die Fristenlösung führt nicht zu einer Verkürzung der Verjährungsfrist auf drei Jahre ab Zugang der Jahresabrechnung. Die Fristenlösung und die Verjährung existieren vielmehr nebeneinander. Während die Fristenlösung der „Heilung“ einzelner Preisänderungen dient, beschränkt die Verjährung den Anspruch als Ganzes.261 Die Verjährungsfrist beginnt mit Ende des Jahres, in dem die Jahresabrechnung dem Kunden zugegangen ist. Dagegen stellt die Fristenlösung den Kunden insofern schlechter, als die Drei-Jahres-Frist schon mit dem Zeitpunkt des Zugangs der jeweiligen Rechnung zu laufen beginnt.262 Sowohl nach der Fristenlösung als auch aufgrund der Verjährung kann ein Kunde nur die zu viel gezahlte Differenz der letzten drei Jahresabrechnungen geltend machen. Der Unterschied besteht darin, dass ohne die Fristenlösung der Differenzbetrag zwischen dem zu Unrecht erhöhten Preis und dem Ausgangspreis zurückzuzahlen wäre, während nach der Fristlösung dieser Differenzbetrag geringer ausfallen würde, da anstelle des Ausgangspreises die letzte Preiserhöhung tritt, der der Kunde zu widersprechen versäumt hat.263 Da der Zeitraum aufgrund der Verjährungsvorschriften automatisch begrenzt ist, kann es dem allerdings Verwender zugemutet werden, die Differenz zwischen dem Ausgangspreis und dem erhöhten Preis zurückzuzahlen. (b) Perpetuierung einer unangemessenen Klausel Der BGH versucht mit der Fristenlösung die Preisdifferenz zwischen dem nicht mehr kostendeckenden Ausgangspreis und dem marktgerechten Preis im Zeitpunkt der Rückforderungen zwischen den Parteien aufzuteilen.264 Dies erscheint nicht abwegig, sofern die auf der unwirksamen Klausel basierte Preisanpassung, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wahrt. Davon scheint der BGH pauschal auszugehen. Er differenziert überhaupt nicht danach, auf welchen Gründen der Widerspruch und damit auch die Unwirksamkeit der betreffenden Preisänderungsklausel basieren.265 Es ist nur das Zeitelement maßgeblich, so dass der drei Jahre unbeanstandet gebliebene Preis zwischen den Parteien ohne jede Aus 259

Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227. Markert, EnWZ 2016, 362, 363; derselbe ZNER 2013, 156, 157 f.; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 154; derselbe ZNER 2016, 325, 326. 261 Ahnis/Helbach/Kirschnick, IR 2014, 74, 75. 262 Markert, ZNER 2013, 156. 263 Staudinger/Rieble, Neub. 2015, § 315 Rn. 245.; vgl. Beispiel bei Ahnis/Helbach/Kirschnick, IR 2014, 74, 75 f. 264 BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn 33. 265 Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3. 260

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nahme gilt. Sofern die Preisänderungsklausel aber mangels Konkretisierung die Weitergabe unzulässiger Kostensteigerungen gestattet oder gerade keine Verpflichtung enthält, Kostensenkungen nach denselben zeitlichen und inhaltlichen Maßstäben wie Kostensteigerungen weiterzugeben, trägt sie gewiss nicht im angemessenen Maße zur Sicherung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung bei, sondern ermöglicht eine unzulässige Vergrößerung der Gewinnspanne. Es ist daher keineswegs sichergestellt, dass der Verwender das Äquivalenzverhältnis nicht zu seinen Gunsten verzerrt hat. Auch kann der Verbraucher keine unterlassenen Preissenkungen rügen, da er in der Regel keine Kenntnis von der Preisentwicklung hat. Da nach Ablauf der Dreijahresfrist die Geltendmachung von Verbraucheransprüchen, auch wenn diese nicht unberechtigt sind, ausgeschlossen ist, werden durch die Fristenlösung die Rechtsfolgen solcher unangemessenen Klauseln zu Lasten des Verbrauchers perpetuiert.266 Es aber nicht ersichtlich, warum sich ein fairer Vertragspartner freiwillig einer Rügeobliegenheit unterwerfen sollte, die sukzessiv sein Recht einschränkt, die Unwirksamkeit einer unberechtigten Preiserhöhung geltend zu machen. Dadurch gesteht er dem Verwender indirekt die Durchführung unredlicher Praktiken geradewegs zu.267 Dies widerspricht zweifellos dem, was die Parteien redlicherweise unter Abwägung beidseitiger Interessen nach Treu und Glauben bedacht hätten, wenn sie jedenfalls über die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel unsicher waren. Der Rügeausschluss darf keinesfalls für überhöhte Preiserhöhung und für missbräuchlich unterlassene Preissenkungen gelten.268 Unabhängig von der Angemessenheit der vorgenommenen Preiserhöhung wendet der BGH damit die Fristenlösung pauschal auf alle unwirksamen Preisänderungsklauseln an, unabhängig von dem jeweiligen Unwirksamkeitsgrund. Dabei benachteiligt eine solche Perpetuierung wieder lediglich den Verbraucher, während der Verwender mangels schwerwiegender Konsequenzen zur Verwendung unwirksamer Klauseln fast schon motiviert wird. (c) Versteckte geltungserhaltende Reduktion Aufgrund einer solchen Perpetuierung zweifelt eine in der Literatur verbreitete Auffassung Zurecht die Vereinbarkeit der Fristenlösung mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion an.269 Die Dreijahreslösung führt zu einer pauschalen, dem Abschreckungseffekt widersprechenden, eingeschränkten Anwendung der 266 Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 4; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227; Markert, ZNER 2013, 156; derselbe, ZMR 2014, 193, 194; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253. 267 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253 f. 268 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 254. 269 Markert, EnWZ 2016, 195, 197; derselbe ZNER 2013, 156; derselbe, ZMR 2014, Säcker/ Mengering, BB 2013, 1859, 1862; Kühne, NJW 2015, 2546, 2547; Staudinger/Rieble, Neub. 2015, § 315 Rn. 245.

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missbräuchlichen Preisanpassungsklausel. Trotz Unwirksamkeit der Preisanpassungsklauseln bleiben für den Vertragspartner diejenigen zwischenzeitlichen Erhöhungen mittelbar bindend, denen er nicht rechtzeitig widersprochen hat. Im Rahmen von Rückforderungsansprüche kann sich der Kunde nicht darauf berufen, dass es für alle über den Ausgangspreis hinausgehenden Zahlungen an einem Rechtsgrund fehlt. Es gilt in jeder Hinsicht der seit drei Jahre unbeanstandet gebliebene Preis. Während die Begrenzung von Rückforderungsansprüchen immerhin noch als eine vom Umstandsmoment losgelöste besondere Art der Verwirkungslösung interpretiert werden könnte, trifft das auf Nachzahlungsansprüche des Verwenders nicht zu. Preiserhöhungen auf Grundlage einer unwirksamen Vertragsklausel stehen dem Verwender mit ex-tunc-Wirkung grundsätzlich nicht zu. Durch die Fristenlösung werden dagegen die nicht rechtzeitig beanstandeten Erhöhungen rückwirkend als wirksam angesehen.270 Die Fristenlösung fingiert damit im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Preiseinigung zwischen den Parteien.271 Dadurch widerspricht der BGH aber seiner eigenen Rechtsprechung272, nach der die widerspruchslose Zahlung nach Ankündigung einer auf eine unwirksame Preisanpassungsklausel gestützten einseitigen Preiserhöhung eben keine konkludente Parteivereinbarung über den erhöhten Preis begründen könne.273 Das wirtschaftliche Ergebnis der Fristenlösung kommt folglich in der Sache einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion äußerst nahe, obwohl die Preisänderungsklausel zunächst für unwirksam erklärt wird und der Vertrag danach zur Schließung der entstandenen Lücke ergänzend ausgelegt wird. Die Fristenlösung konterkariert dadurch regelrecht den Zweck der AGB-Vorschriften, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen frei zu halten. Der Verwender wird durch die Fristenlösung, wie oben aufgezeigt, nahezu risikolos gesetzt, obgleich er grundsätzlich das Risiko der Unwirksamkeit zu tragen hat.274 Durch den Widerspruch des Kunden besteht für den Verwender vielmehr die Möglichkeit sich vor einem Rückfall des Preises auf den Ausganspreis durch eine Kündigung zu befreien. Als verdeckte geltungserhaltende Reduktion führt die Fristenlösung zu einem weiteren Wertungswiderspruch in der Rechtsprechung des BGH. Nach dieser dürfe eine unwirksame Preisanpassungsklausel gerade nicht durch eine wirksame Klausel gleichen Inhalts ersetzt werden, weil dies einer geltungserhaltenden Reduktion 270 Markert, ZNER 2013, 156; derselbe, ZMR 2014, 193, 194; derselbe, EnWZ 2016, 195, 196. 271 Dies begrüßend Zabel, BB 2013, 1504. 272 BGH v. 23.03.2013, ZNER 2013, 152 Rn. 19; BGH v. 14.03.2012, BGHZ 192, 372 Rn. 9; BGH v. 14.03.2012, ZNER 2012, 265 Rn. 22; BGH v. 09.02.2011, NJW 2011, 1342 Rn. 40 ff.; BGH v. 14.07.2010, BGHZ 186, 180 Rn. 57 ff. 273 So auch Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3; ähnlich Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862. 274 So auch Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635 f.; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227; Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2012 Anm 1, 3; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253.

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nahe komme.275 Nach dem BGH habe in Fällen, in denen eine Klausel zuvor nicht beanstandet worden sei, der Verwender einer Klausel im Allgemeinen das Risiko zu tragen, dass die Klausel in späteren Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung für unwirksam erklärt werde.276 Der BGH hat damit eine dauerhafte auf die ergänzende Vertragsauslegung gestützte Preisanpassung für die Zukunft abgelehnt und dabei mit der Kündigungsmöglichkeit des Verwenders argumentiert. Im Widerspruch dazu hält er für Rückforderungsansprüche des Kunden oder nicht beglichene Nachforderungen des Verwenders an der mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung konstruierten Fristenlösung fest. Der anpasste Preis, dem der Verbraucher nicht widerspricht, tritt endgültig – d. h. auch nach dem Zeitpunkt des Widerspruchs, der den Verwender gerade dazu veranlassen soll, eine Kündigungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen – an die Stelle des Ausgangspreises. Dies stellt im Ergebnis in der Tat nichts anderes als eine geltungserhaltende Reduktion dar. Er bewertet damit die Kündigungsmöglichkeit des Verwenders im Zeitpunkt des Widerspruchs des Kunden oder Unwirksamerklärung der Klausel durch ein Gericht, im Rahmen von Feststellungsklagen anders als im Rahmen von Leistungsklagen. Der BGH scheint damit in Hinblick auf das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion zwischen einer zukunftsgerichteten und einer vergangenheitsbezogenen Fallkonstellation zu unterscheiden, die so im Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht vorgesehen ist.277 Dies steht auch im Widerspruch zum Beschluss des BVerfG vom 07.09.2010. Hier beanstandete ein Energieversorgungsunternehmen, dass der BGH eine unwirksame Preisänderungsklausel nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ersetzt habe. Das BVerfG entschied, dass das Unterlassen einer ergänzenden Vertragsauslegung, die einerseits den Verwender möglichst günstig stelle, andererseits gerade noch zulässig sei, nicht zu beanstanden sei, zumal ein solches Vorgehen im Einzelfall einer vom BGH für unzulässig gehaltenen geltungserhaltenden Reduktion nahe kommen könne.278 (2) Keine Vereinbarkeit der Fristenlösung mit der Klauselrichtlinie Der nationale Richter ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung an die §§ 307 bis 309 BGB gebunden, die wiederum im Einklang mit der Klauselrichtlinie auszulegen sind. Nach Ansicht des BGH bestehen seit der Entscheidung in der Rechtssache Kásler „an der Vereinbarkeit der vom Senat im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gewonnenen Dreijahreslösung mit den Vorgaben des Unionsrechts keine Zweifel“279. Der BGH sei daher nicht gehalten den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof vorzulegen. Die Auslegung des Art. 6 Abs. 1, 275

BGH v. 14.03.2012, NJW 2012, 1865 Rn. 24; BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 62. BGH v. 31.07.2013, BGHZ 198, 111 Rn. 63. 277 Kühne, NJW 2015, 2546, 2547, in diese Richtung auch Büdenbender, NJW 2013, 3601, 3606. 278 BVerfG v. 07.09.2010, NJW 2011, 1339 Rn. 42. 279 BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 26. 276

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Art. 7 Abs. 1 RL in Hinblick auf die Fristenlösung sei nach Ansicht des BGH im Sinne eines acte éclairé geklärt. Im Übrigen wäre die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorliegend im Sinne eines acte clair so offenkundig, dass keine vernünftigen Zweifel daran bestünden, dass auch die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und der Gerichtshof zu einem entsprechenden Ergebnis gelangen würden.280 Da allerdings, wie vorstehend erörtert, schon im deutschen Vertragsrecht Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Fristenlösung bestehen, trifft dies erst recht für die Europarechtskonformität dieser Rechtsprechung zu.281 Im Folgenden wird daher untersucht, inwiefern die Fristenlösung mit der Klauselrichtlinie zu vereinbaren ist. (a) Unzulässige Beschränkung der Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln Die Fristenlösung konterkariert zum einen die Restitutionswirkung von unwirksamen Vertragsbestimmungen.282 Nach der Rechtsprechung des EuGH, entfalte eine missbräuchliche Klausel in Hinblick auf Beträge, die auf einer missbräuchlichen Klausel beruhten und sich daher nachträglich als rechtsgrundlos herausgestellt haben, grundsätzlich Restitutionswirkung. Anderenfalls wäre der Abschreckungseffekt der Art. 6 Abs. 1 RL in Frage gestellt.283 Der EuGH hat in der Rechtssache Naranjo die Rechtsprechung des spanischen Obersten Gerichtshofs für unzulässig erklärt, die den Anspruch des Verbrauchers auf Rückerstattung überhöhter Beträge, die auf Grundlage einer unwirksamen Mindestzinsklausel geleistet worden sind, nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit auf die ab dem Tag der Urteilsverkündung rechtsgrundlos gezahlten Beiträge beschränkt hat. Da durch die Dreijahreslösung die Rückforderungen des Vertragspartners über die Grenzen der Verjährung und Verwirkung auf die Beiträge beschränkt werden, die über den seit drei Jahren unbeanstandet gebliebenen Preis hinausgehen, ist die Fristenlösung des BGH mit der Judikatur des spanischen Gerichts vergleichbar. Während der spanische Oberste Gerichtshof die Rückzahlungsansprüche lediglich in zeitlicher Hinsicht begrenzte, schränkt der BGH durch seine Fristenlösung die Rückforderungsansprüche in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ein.284 Der Kunde kann für die mehr als drei Jahre zurückliegende Zeit vor der ersten Beanstandung des Kunden nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung nichts geltend machen. 280

BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 48; Bestätigung in BGH v. 05.12.2016, EnWZ 2017, 23 Rn. 26. 281 So auch Markert, EnWZ 2016, 362, 363; derselbe EnWZ 2016, 195, 197; Zimmerlin, ZNER 2016, 325, 326; derselbe, ZNER 2013, 252, 253; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862; Kühne, NJW 2015, 2546, 2648; Uffmann, NJW 2012, 2225, 2229 ff. 282 Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. II. 283 EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 61 ff. 284 In diese Richtung auch Markert, LMK 2017, 386786; derselbe, EuZW 2017, 173.

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Für die Zeit danach kann er nur die Differenz zwischen dem Anfangspreis bei Vertragsschluss und dem bei der ersten Kundenbeanstandung geltenden höheren Preis zurückfordern. Ohne die Fristenlösung stünde ihm der Differenzbetrag zwischen dem zu Unrecht erhöhten Preis und dem Ausgangspreis zu. Die Fristenlösung konterkariert folglich die ex-tunc-Wirkung der Unverbindlichkeitsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL. Damit widerspricht sie mit Blick auf die Entscheidung in der Rechtssache Naranjo erst recht der europäischen Judikatur.285 (b) Unzulässige geltungserhaltende Reduktion Die geltungserhaltende Reduktion einer unwirksamen Klausel ist sowohl nach nationalem Recht als auch nach dem Unionsrecht unzulässig. Sofern die Fristenlösung schon nach nationalem Recht, wie oben aufgezeigt, in der Sache einer geltungserhaltenden Reduktion gleicht, verstößt sie indessen gegen das in Art. 6 Abs. 1 RL normierte Abänderungsverbot, dem eine geltungserhaltende Reduktion entgegensteht.286 Wie bereits erläutert, hat der EuGH in der Rechtssache Banco Español de Crédito aus Art. 6 Abs. 1 RL gefolgert, dass missbräuchliche Klauseln unverbindlich bleiben müssen, ohne dass die nationalen Gerichte berechtigt wären, den Inhalt abzuändern. Andernfalls werde das in Art. 7 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 24 statuierte Ziel, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, gefährdet sowie der intendierte Abschreckungseffekt gegenüber dem Gewerbetreiben vereitelt.287 Dagegen mildert die Fristenlösung in Wahrheit unter dem Deckmantel einer ergänzenden Vertragsauslegung die Rechtsfolgen einer missbräuchlichen Preisanpassung für den Verwender zulasten des Verbrauchers ab, indem trotz Unverbindlichkeit der Preisänderungsklausel nicht der vereinbarte Ausgangspreis gelten soll. Der Verbraucher bleibt im Rahmen seiner Rückforderungsansprüche aber auch gegenüber Nachforderungen des Unternehmers an den Preis gebunden, dem er innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung nicht widersprochen hat. Insbesondere die Tatsache, dass der angepasste Preis endgültig an die 285

So auch Markert, LMK 2017, 386786; derselbe, EuZW 2017, 173. Kühne, NJW 2015, 2546, 2648; Markert, EnWZ 2016, 362, 363; Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635 f.; Staudinger/Rieble, Neub. 2013, § 315 BGB Rn. 245; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253. 287 EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón ­Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 65 ff.; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-488/11 (Asbeek Brusse und de Man Grabito/Jahani BV), ECLI:EU:C:2013:341, Rn. 57 f.; EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 77 ff.; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.), ECLI:EU:C:2015:21, Rn.  28 ff.; EuGH v. 21.04.2016, Rs. C-377/44 (Radlinger/Finway), ECLI:EU:C:2016:283 Rn. 97 f.; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 57, 60; vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. II. 286

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Stelle des Ausganspreises tritt, gleicht im Ergebnis einer verbotenen partiellen Abänderung des Inhalts der missbräuchlichen Klausel.288 Dies bewirkt allerdings das Ausbleiben des Abschreckungseffekts gegenüber dem Verwender. Denn dieser befindet sich, unabhängig davon, ob der Kunde einer Preiserhöhung widerspricht, in einer komfortablen Lage, indem die selbstverschuldeten Folgen der Unwirksamkeit für ihn durch die Fristenlösung miniert werden. Dadurch wird der Verwendung missbräuchlicher Klauseln gerade kein Ende gesetzt wird.289 Die Fristenlösung schränkt folglich den effet utile der Klauselrichtlinie im beträchtlichen Maße ein. Eine durch eine unwirksame Preisänderungsklausel entstandene Lücke kann lediglich in eng umgrenzten Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend geschlossen werden, dass dem Verwender gestattet wird, Preisänderungen weiterzugeben, die auf unvermeidbaren Bezugskostensteigerungen beruhen und nicht zugleich durch Kostensenkungen ausgeglichen werden. Dies ist nur der Fall, wenn die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages droht, die mit nachteilhaften Folgen für den Verbraucher verbunden wäre, und der Verwender nicht bösgläubig hinsichtlich der Verwendung der missbräuchlichen Klausel war. Dagegen nimmt der BGH eine pauschale Angemessenheit des drei Jahre lang unbeanstandet gebliebenen Preises vor und perpetuiert dadurch gegebenenfalls das missbräuchliche Ergebnis der für unwirksam erklärten Preisänderungsklausel. (c) Unzulässige Beschränkung des Effektivitätsgrundsatz Die Fristenlösung beschränkt den Effektivitätsgrundsatz in weiterer Hinsicht. Nach der Fristenlösung kann sich der Vertragspartner nur dann auf die Unwirk­ samkeit der Preisanpassung berufen, wenn er sie gegenüber dem Gewerbetreibenden innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Rechnung geltend macht. Dagegen darf nach der Rechtsprechung des EuGH die Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Klausel nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Verbraucher die Unverbindlichkeit innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist geltend macht.290 In der Rechtssache Océano Grupo stellte der EuGH fest, dass die Unverbindlichkeit der Klausel durch die nationalen Gerichte von Amts wegen beachtet wird, der Verbraucher muss sich gerade nicht auf ihre Missbräuchlichkeit berufen.291 Anderenfalls wäre der effektive Schutz des Verbrauchers beeinträchtigt. Ausgehend von der Entscheidung Océano Grupo erklärte der Gerichtshof im Fall Cofidis eine nationale Rechtsvorschrift als nicht mit Art. 6 Abs. 1 RL vereinbar, die eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung der Unverbindlichkeit unabhängig 288 So auch Markert, ZNER 2013, 156; derselbe, ZMR 2014, 193, 194; derselbe, EnWZ 2016, 195, 196; derselbe EnWZ 2016, 362, 363; Micklitz/Reich, in FS Magnus, 631, 635. 289 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253; Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862; 290 So auch Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227; Markert, EnWZ 2016, 195, 197. 291 EuGH v. 27.06.2000, Rs. C-240/98 bis C-244/08 (Océano Grupo Editorial/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores), ECLI:EU:C:2000:346, Rn. 26.

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von der Kenntnis des Verbrauchers in Form einer zweijährigen Ausschlussfrist vorsah.292 Die Unverbindlichkeitsfolge tritt vielmehr ipso iure ein, ohne dass abgewartet werden müsse, ob der Verbraucher die Nichtigerklärung der genannten Klausel begehrt, nachdem er über seine Rechte informiert wurde.293 Demgegenüber wird durch die Fristenlösung die im Rahmen der Inhaltskontrolle erklärte Unwirksamkeit auf Rechtsfolgenseite richtlinienwidrig begrenzt. Die rückwirkende Statuierung einer fristgebundenen Rügeobliegenheit des Verbrauchers, verstößt mangels Kenntnis des Verbrauchers bereits gegen das Transparenzgebot des Art. 5 S. 1 RL. Da der Verbraucher sich nur auf die Unwirksamkeit berufen kann, sofern er diese gegenüber dem Unternehmer innerhalb einer dreijährigen Frist geltend macht, steht sie im Widerspruch zur eben aufgeführten Rechtsprechung des EuGH. Dies ist mit den Zielen des Art. 6 Abs. 1 RL nicht zu vereinbaren, der die Wiederherstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit der Parteien anstrebt und durch die Unverbindlichkeitsfolge den Gewerbetreibenden von der Verwendung missbräuchlicher Klauseln abschrecken soll. Damit widerspricht die Dreijahreslösung in einem weiteren Aspekt Art. 6 Abs. 1 RL. (d) Verstärkung des Machtgefälles zwischen den Parteien Der BGH begründet die Vereinbarkeit der Fristenlösung mit Art. 6 Abs. 1 RL damit, dass sie das Ziel fördert, die bestehende formale Ausgewogenheit der Recht und Pflichten der Vertragsparteien unter Heranziehung und Gewichtung ihrer Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen.294 Nach der Rechtsprechung des EuGH, kommt eine Ersetzung der missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht nur in Betracht, sofern sie dazu dient, eine Nichtigerklärung des Vertrages in seiner Gesamtheit zu verhindern, die mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden wäre.295 Der Verbraucher dürfe durch die ergänzende Vertragsauslegung nicht schlechter stehen als durch die Unverbindlichkeit der Klausel. Entgegen der Ansicht des BGH werden allerdings, wie es bereits an vielen Stellen angeklungen ist, durch die Fristenlösung die Interessen des Unternehmers einseitig, zum Nachteil des Verbrauchers berücksichtigt. Die Dreijahreslösung bewirkt keine 292 EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 (Cofidis/Jean-Louis Fredout), ECLI:EU:C:2002:705, Rn. 34. 293 EuGH v. 21.02.2013, Rs. C-472/11 (Banif Plus Bank Zrt/Csipai), ECLI:EU:C:2013:88, Rn. 28, 36; EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-397/11 (Jőrös/Aegon Magyarország Hitel Zrt) ECLI:EU:C: 2013:340, Rn. 42; EuGH v. 21.12.2016, verb. Rs. C-154, C-307/15 und C-308/15 (Francisco Gutiérrez Naranjo u. a./Cajasur Banco u. a.), ECLI:EU:C:2016:980, Rn. 59. 294 BGH v. 23.01.2013, NJW 2013, 991 Rn. 36; BGH v. 06.04.2016, NJW 2017, 320 Rn. 24, 38. 295 EuGH v. 30.04.2014, Rs. C-26/13 (Kásler/OTP Jelzalogbank Zrt), ECLI:EU:C:2014:282, Rn. 80 ff.; EuGH v. 21.01.2015, verb. Rs. C-482/13 bis C-485/13 und C-487/13 (Unicaja Banco u. a./José Hidalgo Rueda u. a.) ECLI:EU:C:2015:21, Rn. 33; BGH v. 08.07.2015, Rs. C-90/14 (Banco Grupo Cajatres/María Mercedes Manjón Pinilla und Comunidad Hereditaria formada al fallecimiento de D. M. A. Viana Gordejuela), ECLI:EU:C:2015:465, Rn. 38.

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materielle Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien. Vielmehr wird die Unterlegenheit des Verbrauchers, auf der das Schutzsystem der Klauselrichtlinie basiert, und damit das Machtgefälle zwischen den Parteien verstärkt.296 Die Fristenlösung verpflichtet den Verbraucher dazu, den Verwender auf die Unwirksamkeit der von ihm aufgestellten Preisänderungsklausel hinzuweisen, damit dieser dann durch eine Kündigung des Vertrags einer zu seinem Nachteil eintretenden Verschiebung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses begegnen kann. Sofern der Verbraucher der unwirksamen Preisanpassung nicht widerspricht, ist er nach Ablauf der dreijährigen Frist verpflichtet den unangemessenen Preis zu zahlen bzw. kann den zu Unrecht gezahlten Preis auch nicht zurückfordern. Macht er dagegen die Unwirksamkeit geltend, so besteht für den Verwender immer noch die Möglichkeit sich durch Kündigung von dem alten Preis zu befreien.297 Zugleich wird der Verwender aufgrund der Fristenlösung vor erheblichen Rückzahlungen geschützt. Gegebenenfalls werden dabei sogar die Rechtsfolgen seiner unangemessenen Klausel, folglich die Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Verbrauchers perpetuiert. Die Dreijahreslösung mildert demnach das Missbrauchsrisiko des Verwenders, unabhängig von der Rüge des Verbrauchers ab, während sie den Verbraucher indessen rückwirkend einer Frist unterwirft, die seinen geringen Informationsstand gegenüber dem Verwender unberücksichtigt lässt und den Transparenzanforderungen der Richtlinie widerspricht. Kommt der Verbraucher seiner Rügeverpflichtung nicht nach, wird er unter Umständen an eine unangemessene Preiserhöhung gebunden. Anstelle eines hohen Verbraucherschutzes verfolgt die Fristlösung im Ergebnis einen richtlinienwidrigen, hohen Verwenderschutz.298 cc) Fazit In Anbetracht der vorstehenden Gegenargumente, verdient die Ansicht des BGH folglich keine Zustimmung, dass hinsichtlich der europarechtlichen Konformität der Fristenlösung eine acte clair Lage besteht. Die Fristenlösung stellt keine angemessene Lösung, sondern in der Tat eine nach nationalem Recht und Unionsrecht unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar. Dies gilt vor allem, wenn sie auch auf Nachforderungsansprüche des Verwenders angewendet wird. Die Rechtsprechung nimmt pauschal an, dass der drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung unbeanstandet gebliebene Preis für beide Parteien bindend sein soll. Da es nur selten zu einer Beanstandung des angepassten Preises durch den Kunden kommen wird, werden die Fristenlösung und damit die ergänzende Vertragsauslegung im Rahmen von Rückforderungsansprüchen von der Ausnahmeregelung zur Regelanwendung. Insbesondere die Rügeobliegenheit und der mangelnde Rügeausschluss bei unzulässiger Preiserhöhung benachteiligen 296

So auch Markert, EnWZ 2016, 195, 197. Uffmann, NJW 2012, 2225, 2227; Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253. 298 Zimmerlin, ZNER 2013, 252, 253. 297

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den Verbraucher über die Maße und tragen im schlimmsten Fall zur Perpetuierung der unangemessenen Preisänderung bei. Zugleich wird der Verwender geradezu risikolos gestellt, obwohl er grundsätzlich das Risiko der Unwirksamkeit zu tragen hat. Dabei übergeht der BGH in seiner Argumentation völlig, dass der Verwender bereits durch die Verjährungsvorschriften hinreichend geschützt ist. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH im Rahmen von Feststellungsklagen wird der Vertrauensschutz des Verwenders zu großzügig geschützt und damit eine konkludente Parteivereinbarung über den Preis fingiert. Dies entkräftet die mit der Unwirksamkeitsfolge bezweckte hohe Präventionswirkung geradezu vollständig. Dem Verwender darf nicht das Missbrauchsrisiko vollumfänglich abgenommen werden. Die Dreijahreslösung entspricht überhaupt nicht dem, was die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben red­ licherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen oder die Wirksamkeit jedenfalls unsicher war. Es handelt sich um eine pragmatische Lösung, in der es weniger um die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens als darum geht, was der BGH generell-abstrakt für sachgerecht und zumutbar für die Energieunternehmen hält. Die Fristenlösung konterkariert das durch die ergänzende Vertragsauslegung sowohl nach nationalem als auch nach europäischen Recht verfolgte Ziel, die materielle Gleichheit der Rechte und Pflichten der Parteien widerherzustellen. Sie verstärkt vielmehr die existierende Schieflage zwischen Verbraucher und Unternehmer durch die Rügeobliegenheit, die dem Verbraucher rückwirkend durch die ergänzende Vertragsauslegung auferlegt wird. Darüber hinaus wird die praktische Wirksamkeit der Klauselrichtlinie in weiterer Hinsicht erheblich beeinträchtigt, da sie der unbeschränkten Restitutionswirkung von unwirksamen Vertragsbestimmungen sowie ipso-iure-Wirkung der Unwirksamkeitsfolge widerspricht. Die Ziele der Richtlinie dürfen freilich nicht durch nationale Umsetzungsmaßnahmen vereitelt werden. Ein nationales Gericht muss „unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit von Art. 6 Abs. 1 RL zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht.“299 Da im Fall einer unwirksamen Preisanpassungsklausel die ergänzende Vertrags­ auslegung im Ergebnis eine geltungserhaltende Reduktion entspricht, ist diese grundsätzlich zu verneinen und lediglich in äußersten Ausnahmefällen zuzulassen. Eine Ersetzung der unwirksamen Preisänderungsklausel durch eine wirksame Preisänderungsklausel im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung kommt lediglich in Betracht, sofern die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel tatsäch­ 299

EuGH v. 14.06.2012, Rs. C-618/10 (Banco Español de Crédito/Joaquín Calderón Camino), ECLI:EU:C:2012:349, Rn. 72.

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lich zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages führt und dies insbesondere in Dauerschuldverhältnissen tatsächlich zu einer für den Verbraucher nachteilhaften Rückabwicklung führt. Die ersatzlose Streichung einer Preisänderungsklausel führt grundsätzlich nicht zu einer den Interessen beider Parteien zuwider laufenden Lösung, die das Vertragsgefüge in ungerechtfertigter Weise einseitig zugunsten des Verbrauchers verschiebt. Wie der BGH im Rahmen von Feststellungsklagen zutreffend festgestellt hat, könne der Klauselverwender einer zukünftigen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Gegenleistung und Leistung, folglich dem Rückfall auf den Ausgangspreis zu seinen Lasten, durch eine Kündigung des Vertrages begegnen. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn der Vertrag nach Ablauf einer Mindestvertragslaufzeit mit einer angemessenen Frist zum Ablauf eines weiteren Jahres gekündigt werden darf. Zwar kann insbesondere bei sehr langen Verträgen auf diese Weise der Fall eintreten, dass der Verwender zu einem unter den eigenen Beschaffungskosten liegenden Preis liefern muss. Hier realisiert sich jedoch lediglich das der Verwendung von AGB immanente Risiko. Aber auch vergangenheitsbezogenen Rückforderungen ist der Unternehmer aufgrund der Regelverjährung nur für den Zeitraum der letzten drei Jahre ausgesetzt, wobei diese auch bei späterer Kenntnis auf 10 Jahre begrenzt ist. Im Ergebnis ist daher die Zulässigkeit und Erforderlichkeit der Fristenlösung zu verneinen. Es besteht zusammengefasst eine acte clair Lage, dass die bereits nach deutschem Vertragsrecht unzulässige Fristenlösung mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie nicht zu vereinbaren ist.300 Zur Herstellung von Rechtsklarheit ist der BGH nach der Rechtsprechung des EuGH als letztinstanzlich entscheidendes nationales Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, diese Frage bei Entscheidungserheblichkeit dem EuGH vorzulegen. Die Nichtbefolgung dieser Verpflichtung ist ein gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstoßender Entzug des gesetzlichen Richters. Gegen ein auf der Fristenlösung gestütztes letztinstanzliches Urteil eines Landgerichts ist inzwischen wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 GG durch Verweigerung einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH Verfassungsbeschwerde erhoben worden301, über deren Annahme noch nicht entschieden ist.302

C. Schlussfolgerungen Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zu der ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem langfristigen Vertrag lassen sich folgende Schlussfolgerungen für den Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht sowie für die Ersetzung von un 300

So auch Markert, EnWZ 2016, 362. 364; derselbe, LMK 2017, 386786. Aktenzeichen: 2 BvR 13/9616. 302 Markert, LMK 2016, 384185. 301

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wirksamen Preisänderungsklauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung im Allgemeinen ziehen. Abschließend werden die Besonderheiten der ergänzenden Vertragsauslegung im Rahmen von Energielieferungsverträgen mit Sonderkunden erläutert.

I. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht Eine bedeutsame Stärkung erfährt die Klauselkontrolle durch die Bestätigung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion durch den EuGH in der Rechtssache Banco Español de Crédito. Diese Klarstellung trägt zur Realisierung des in Art. 7 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund Nr. 24 normierten Ziels, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, im erheblichen Maße bei. Durch das in dem Vorlageverfahren Banco Español de Crédito statuierte „Abänderungsverbot“ wird Klarheit und ein Mindeststandard für Mitgliedsstaaten geschaffen, in denen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bisher nicht anerkannt war. Dies ist Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz sehr zu begrüßen. Mit der Entscheidung betont der EuGH, dass der aus Art. 6 Abs. 1 RL folgende Abschreckungseffekt nicht vereitelt werden dürfe. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist mit Blick auf das Präventionsziel in der ständigen Rechtsprechung des BGH seit Langem anerkannt. Ausgehend von der Abschreckungswirkung bestimmte der EuGH in der Rechtssache Naranjo auch, dass die aus der Unwirksamkeit einer Klausel folgende Restitutionswirkung in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt werden darf. Die Unverbindlichkeitsfolge des Art. 6 Abs. 1 RL tritt demnach mit ex-tunc-Wirkung ein. In der Rechtssache Kásler legte der EuGH fest, dass die Schließung einer durch Wegfall einer missbräuchlichen Klausel entstehenden Lücke durch dispositives Recht denkbar sei, wenn die Nichtigerklärung des Vertrages in seiner Gesamtheit mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden sei und den Abschreckungseffekt beeinträchtigen würde. Art. 6 Abs. 1 RL habe nicht zum Ziel, sämtliche Klauseln, die missbräuchliche Klauseln enthalten, für unwirksam zu erklären. Vielmehr wird die Wiederherstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit und Erhaltung der Gesamtwirksamkeit des angestrebt. Diese Rechtsprechung entspricht der Regelung in § 306 Abs. 2 BGB. Insbesondere seit dem Vorlageverfahren Banco Español de Crédito, angeregt durch die Entscheidung in den Fällen Kásler und Naranjo, herrscht ein Diskurs darüber, inwiefern eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie zu vereinbaren ist. Der BGH nahm bereits vor der Entscheidung Banco Español de Crédito an, dass gegen die Vereinbarkeit keine Bedenken bestehen. Nach dem Vorlageverfahren Banco Español de Crédito betonte er, dass der EuGH lediglich die geltungserhaltende Reduktion ver-

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

boten habe. Seit dem Verfahren Kásler nimmt er an, der EuGH habe eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung „ausdrücklich anerkannt“, sofern die Unwirksamkeit der missbräuchlichen Klausel die Nichtigerklärung des Vertrages mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher nach sich ziehen könnte und die Ersetzung daher der Wiederherstellung des Gleichgewichts der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien diene. Sofern diese Voraussetzungen vorliegen ist trotz kritischer Stimmen in der Literatur, die die ergänzende Vertragsauslegung mit der geltungserhaltenden Reduktion gleichsetzen, eine ergänzende Vertragsauslegung nicht gänzlich unionsrechtswidrig. Der EuGH wollte mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Banco ­Español de Crédito lediglich sicherstellen, dass der Abschreckungseffekt durch Abänderung einer unwirksamen Klausel auf das gerade noch zulässige Maß nicht ad absurdum geführt wird. Neben der intendierten Präventionswirkung steht jedoch gleichberechtigt das Ziel der Widerherstellung der materiellen Ausgewogenheit zwischen den Parteien. Eine ergänzende Vertragsauslegung steht daher nicht völlig im Widerspruch zu Art.  6  Abs.  1  RL. Sie ist zulässig, sofern kein dispositives Recht zur Verfügung steht und sie dazu dient die materielle Ausgewogenheit der Recht und Pflichten widerherzustellen und eine mit Nachteilen für den Verbraucher verbundene Gesamtunwirksamkeit des Vertrags zu verhindern. Dagegen kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, wenn der Gewerbetreibende bösgläubig hinsichtlich der Verwendung der missbräuchlichen Klausel war. Ebenso darf keine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen werden, die zwar zugunsten des Verwenders jedoch zulasten des Verbrauchers wirkt. Von einer acte-clair-Lage in Hinblick auf die Vereinbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung mit Art. 6 Abs. 1 RL kann allerdings nicht gesprochen werden, so dass der BGH diese Frage dem EuGH im Rahmen eines Vorlageverfahrens zur Klärung vorlegen sollte. Bei der Beurteilung der nationalen Rechtsprechung in Hinblick auf ihre Europarechtskonformität kommt es vor allem darauf an, wie der BGH diese genannten Voraussetzungen und den Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung auf den konkreten Fall anwendet.

II. Schlussfolgerungen für die Ersetzung unwirksamer Preisänderungsklauseln im Allgemeinen Um dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion hinreichend Rechnung zu tragen, tritt bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel an ihre Stellung grundsätzlich der bei Vertragsschluss vereinbarte Ausgangspreis. Dem Verbraucher steht daher ein Bereicherungsanspruch gegen den Klauselverwender nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur bei nach § 307  BGB unwirksamen Klausel in Betracht. Nach der in den Vorlageverfahren Español de Crédito

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und Kásler ergangenen Rechtsprechung ist eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig, wenn kein dispositives Recht zur Verfügung steht und der Wegfall der unwirksamen Preisänderungsklausel zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages führt, die mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher verbunden wäre und die Abschreckungswirkung beeinträchtigen könnte. Nach diesen Voraussetzungen ist dies bei Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel der Fall, sofern das Äquivalenzverhältnis durch den Rückfall auf den Ausgangspreis erheblich gestört ist und der Verbraucher in langfristigen Nichtdauerschuldverhältnissen an der Leistung interessiert ist bzw. bei einem Dauerschuldverhältnis die aus der Gesamtnichtigkeit resultierende Rückabwicklung des Vertrages tatsächlich den Interessen beider Vertragsparteien widerspricht. Dadurch wird der Verbraucher auch nicht auf unzumutbare Weise benachteiligt. Die Verwendergegenseite kann als fairer Vertragspartner in Kenntnis einer Preisänderungsklausel nicht immer die Durchführung des Vertrages zum ursprünglich vereinbarten Preis vom Klauselverwender verlangen. Eine Gesamtunwirksamkeit des Vertrages und damit eine ergänzende Vertragsauslegung ist allerdings zu verneinen, sofern eine unerhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses vorliegt und dem Verwender eine kurz- oder mittelfristige Kündigungsmöglichkeit zusteht. In diesem Zeitraum kann es dem Verwender zugemutet werden, die Leistung zum vereinbarten Ausgangspreis zu erbringen. Ebenso ist der Verwender vor erheblichen Rückforderungsansprüchen bereits durch die Verjährungsvorschriften geschützt. Daneben scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus, wenn der Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB offensichtlich war. Bei zweifelhafter, höchstrichterlich noch ungeklärter Rechtslage bestehen dagegen keine Bedenken gegen eine Schließung der entstandenen Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Liegen diese restriktiv auszulegenden Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung vor, so tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel durch ergänzende Vertragsauslegung diejenige Gestaltungsmöglichkeit, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen oder die Wirksamkeit jedenfalls unsicher war. Eine durch eine unwirksame Preisänderungsklausel entstandene Lücke kann in sehr eng umgrenzten Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend geschlossen werden, dass dem Verwender gestattet wird, Preisänderungen weiterzugeben, die auf unvermeidbaren Bezugskostensteigerungen beruhen und nicht zugleich durch Kostensenkungen ausgeglichen werden. Ferner ist dem Kunden ein Kündigungsrecht für den Fall einer Erhöhung einzuräumen. Dies kommt zwar auch einer geltungserhaltenden Reduktion gleich. Jedoch wird auf diese Weise die Unwirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit verhindert. Auch ist eine Beeinträchtigung des Abschreckungseffekts zu verneinen, da dem Verwender kein Missbrauch vorgeworfen werden kann. Vielmehr wird das vertragliche Äquivalenzverhältnisses über die auf unbestimmte Dauer angelegte Laufzeit des Vertrages fortgeschrieben. Zudem ist der Kunde durch das ihm eingeräumte Kündigungsrecht hinreichend geschützt.

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Teil 4: Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln

Diese Preisanpassung gilt jedoch nur für die Zukunft. Die Restitutionswirkung unwirksamer Preisänderungsklauseln darf im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begrenzt werden. III. Schlussfolgerungen für die Ersetzung unwirksamer Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen Nach der Rechtsprechung des BGH kam bei Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, wenn ein ersatzloser Wegfall der Preisänderungsklausel, folglich die Geltung des Ausgangspreises, den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Maßgeblich ist, ob es dem Verwender zugemutet werden kann, die Leistung zum bei Vertragsschluss vereinbarten Preis zu erbringen. Dieses Unzumutbarkeitskriterium ergänzt der BGH seit der Entscheidung in der Sache Kásler dadurch, dass er richtigerweise darauf abstellt, ob der Wegfall der unwirksamen Preisänderungsklausel zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages führt, der mit nachteilhaften Konsequenzen für den Verbraucher verbunden wäre. Jedoch beurteilt der BGH die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages mit Blick auf den Wortlaut des § 306 Abs. 3 BGB nach der Unzumutbarkeit des Rückfalls auf den Ausgangspreis für den Verwender. Dagegen ist die Gesamtunwirksamkeit nach der Rechtsprechung des EuGH nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung des Willens beider Parteien zu beurteilen. Während der BGH im Rahmen von Feststellungsklagen eine Unzumutbarkeit zu Recht verneint, sofern eine Kündigungsmöglichkeit des Verwenders besteht, bejaht er zu Unrecht pauschal die Unzumutbarkeit im Rahmen von Rückforderungsansprüchen. Er argumentiert mit dem Vertrauensschutz des Verwenders, wenn es sich um einen langjährigen Dauerschuldvertrag handele, der Kunde der Preiserhöhung über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen habe und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhung geltend macht. Der BGH beurteilt damit auch den Vertrauensschutz im Rahmen von Feststellungsklagen anders als im Rahmen von Leistungsklagen. Seine Argumentation überzeugt aber insbesondere insofern nicht, da sie die Verjährungsvorschriften sowie die Erheblichkeit der Äquivalenzverschiebung vollständig unberücksichtigt lässt. Ebenso werden die aus der Gesamtnichtigkeit des Energielieferungsvertrages resultierenden Folgen der Rückabwicklung für den Verbraucher lediglich pauschal bejaht. Da der Vertragspartner in der Regel nur selten eine Preisanpassung beanstanden wird, erhebt der BGH auf diese Weise die Fristenlösung und damit die ergänzende Vertragsauslegung bei Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel in einem Energielieferungsvertrag entgegen der Vorgaben der Klauselrichtlinie zum Regelfall.

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Der BGH begrenzt die Rückforderungsansprüche dahingehend, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen könne, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung beanstandet habe, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist. An die Stelle des Ausgangspreises tritt demnach der drei Jahre nach Zugang der Jahresabrechnung unbeanstandet gebliebene Preis. Diese sogenannte Fristenlösung ist weder mit dem Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung noch mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie zu vereinbaren. Sie stellt im Ergebnis eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar, die der BGH unabhängig vom jeweiligen Unwirksamkeitsgrund vornimmt, und widerspricht der unbeschränkten Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln. Indem der unbeanstandet gebliebene Preis Geltung erlangt, wird eine konkludente Preisvereinbarung zwischen den Parteien entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH fingiert. Sofern der Verwender auf Grundlage der unbeanstandet gebliebenen Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis zu seinen Gunsten verschoben hat, wird auf diese Weise auch der missbräuchliche Charakter der Klausel perpetuiert. Es entsteht die paradoxe Situation, dass der Verwender jede Preisanpassung vorsichtshalber rügen müsste, um nicht an diese gebunden zu sein, während der Verwender nahezu risikolos gestellt wird. Die Fristenlösung konterkariert dadurch die intendierte Abschreckungswirkung und verstärkt das Machtgefälle zwischen den Parteien. Während der BGH davon ausgeht, dass die Fristenlösung im Sinne eines acte éclairé geklärt sei, besteht vielmehr eine acte-clair-Lage, dass die Fristenlösung nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zu vereinbaren ist. Es ist daher zu begrüßen, dass gegen ein auf der Fristenlösung gestütztes letztinstanzliches Urteil eines Landgerichts inzwischen wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 GG durch Verweigerung einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH Verfassungsbeschwerde erhoben worden ist.

Teil 5

Ergebnisse Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse des Vergleichs zwischen den europäischen Vorgaben der Klauselrichtlinie und der Anwendung im nationalen Recht zusammengefasst (A.). Anschließend werden die Wirksamkeitsvoraussetzungen definiert, die Preisänderungsklauseln in Form von Automatikklauseln und Preisänderungsvorbehalten erfüllen müssen, um einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standzuhalten (B.). Danach wird ein Überblick über die Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln gegeben. (D.). Schließlich werden die Wirksamkeitsvoraussetzungen anhand eines Preisänderungsvorbehalts in einem Energielieferungsvertrag mit Sonderkunden verdeutlicht (E.). Abgerundet wird dieser Teil durch ein abschließendes Resümee (F.).

A. Vergleich der europäischen Vorgaben mit der Anwendung im nationalen Recht I. Transparenzkontrolle Der EuGH geht in seiner neuesten Rechtsprechung verstärkt auf das Transparenzgebot ein. 1. Das Transparenzgebot als separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH1 sprechen die Systematik, der Inhalt und der Telos des Transparenzgebots dafür, das in Art. 5 S. 1 RL normierte Transparenzgebot als eine separat geregelte Kategorie der Missbräuchlichkeit zu begreifen.2 Eine intransparente Klausel begründet damit per se ein informationelles Missverhältnis zwischen den Parteien i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL, sofern es sich nicht um eine zwar intransparente, für den Verbraucher aber vorteilhafte Klausel handelt.3 Das deutsche Transparenzgebot ist eine spezifische Form der unangemes­ senen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Daraus ergeben sich jedoch 1

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. I. 4. Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. I. 2. 3 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. I. 3.  2

Teil 5: Ergebnisse

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insofern keine Unterschiede in Hinblick auf den systematischen Standort des Transparenzgebots, als sich eine unangemessene Benachteiligung in der Regel bereits aus der Intransparenz selbst ergibt.4 2. Transparenzmaßstab a) „Normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher“ als Transparenzmaßstab Sowohl die europäische5 als auch die nationale6 Judikatur ziehen das bereits im Recht der unlauteren Geschäftspraktiken etablierte Verbraucherleitbild eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als Transparenzmaßstab heran. Dies ist in Hinblick auf die Ziele der Klauselrichtlinie und des Transparenzgebots sowie eines kohärenten europäischen Verbraucherrechtsschutzes zu begrüßen und entspricht dem Informations­modell.7 Unter Heranziehung der europäischen Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht ist unter einem „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ der Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Vertragsart zu verstehen, von dem ein normaler Wissensstand ohne Rechts- oder Fachkenntnis und die grundlegenden intellektuellen Fähigkeiten erwartet werden können, wobei der zu erwartende Aufmerksamkeitsgrad nach Erfahrungs-, Such- und Vertrauensgütern sowie den Folgen des Vertrages variiert.8 Diese Anforderungen stellt auch die nationale Rechtsprechung an den Verständnishorizont eines Durchschnittsverbrauchers.9 Im Übrigen widerspricht die Beachtung von über- oder unterdurchschnittlichen Kenntnissen des konkreten Verbrauchers als den Vertragsschluss begleitende Umstände i. S. v. Art. 4 Abs. 1 RL im Rahmen von Standardverträgen sowohl nach der europäischen10 als auch nach der deutschen11 Judikatur einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien.

4

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. II. 3. Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1. a). 6 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 1.  7 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1. a). 8 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 1. b). 9 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 1.  10 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. b) bb). 11 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 2. b) bb). 5

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Teil 5: Ergebnisse

b) Berücksichtigung der Individualaufklärung im Rahmen der Transparenzkontrolle Die Richtlinie geht grundsätzlich von einem abstrakt-generellen Kontrollmaßstab aus, wobei im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 RL die den Vertragsschluss begleitenden Umstände ergänzend herangezogen werden können.12 Dem entspricht die im deutschen Recht auf Grundlage des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB angewandte Kombinationslösung.13 Bei der Beurteilung der Transparenz muss sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch nach der nationalen Rechtsprechung die im Rahmen von Vertragsverhandlungen erfolgte Individualaufklärung berücksichtigt werden. Da Art.  5 Abs. 1 RL „stets“ eine transparente Fassung fordert, sind mündliche Erläuterungen aufgrund ihrer Flüchtigkeit, insbesondere zur Gewährleistung von Abwicklungstransparenz, von geringer Relevanz. Während der EuGH die Berücksichtigung schriftlicher Zusatzinformationen im Rahmen der Aushandlungen sowohl im Individualverfahren aber auch im Verbandsverfahren verlangt, sofern es sich um typisierende, für alle verfügbare Informationen handelt,14 lässt der BGH die Berufung auf schriftliche oder mündliche Erklärungen nur im Individualverfahren zu. Aufgrund der Bindungswirkung der Judikatur des EuGH ist daher eine Lockerung der Rechtsprechung des BGH in Hinblick auf die Berücksichtigung von schriftlichen, außerhalb des Klauselwerks liegenden Zusatzinformationen im Verbandsverfahren geboten.15 3. Praktikabilitätsvorbehalt Der BGH stellt das Transparenzgebot unter einen Praktikabilitätsvorbehalt.16 Der EuGH hat sich zu den Grenzen des Transparenzgebots hingegen noch nicht geäußert. Ausgehend von dem Verbraucherleitbild des angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und der Tatsache, dass die Überspannung der Transparenzanforderungen die Gefahr der Intransparenz durch eine Informationsüberflutung in sich birgt, besteht aber auch im Rahmen der Klauselrichtlinie das Transparenzerfordernis nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren.17 Darüber hinaus begründet das deutsche Transparenzgebot im Einklang mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie18 keine positiven Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher über alle aufgrund des Vertragsverhältnisses und der geltenden 12

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. a). Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 2. a). 14 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 2. b) aa). 15 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 2. b) aa). 16 Vgl. 2 Teil Kapitel 3 B. IV. 1.  17 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 1.  18 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 2.  13

Teil 5: Ergebnisse

441

Rechtslage ergebenden Rechte und Pflichten.19 Lediglich für den Fall, dass die Wirkung einer Klausel durch bindende Rechtsvorschriften bestimmt wird und die Klausel anderenfalls missverständlich ist, ist ihr Inhalt nach der Rechtsprechung des EuGH in der betreffenden Klausel wiederzugeben.20 4. Arten der Transparenz Sowohl die europäische21 als auch die deutsche22 Rechtsprechung gehen von einem umfassenden Verständnis des Transparenzgebots aus. a) Formelle Transparenz Transparenz muss nach der europäischen und nationalen Rechtsprechung zum einen in grammatikalischer und formeller Hinsicht gegeben sein. Während der EuGH bisher kaum Hinweise gegeben hat, was darunter zu verstehen ist, ist die Rechtsprechung des BGH aufgrund der zahlreichen ergangenen Entscheidungen weitaus differenzierter. Für die formelle Transparenz einer Klausel ist nach den Vorgaben der Klauslrichtlinie23 und der deutschen Rechtsprechung24 zunächst erforderlich, dass die Systematik der einzelnen Klauseln als auch des gesamten Klauselwerks optisch transparent ausgestaltet ist. Vor allem die Zusammengehörigkeit inhaltlich zusammenhängender Klauseln muss deutlich erkennbar sein. Ein Bereithalten der AGB in allen Sprachen der Mitgliedsstaaten ist nicht erforderlich. Das Klauselwerk ist in der Vertrags- oder Verhandlungssprache abzufassen. Der Verbraucher trägt grundsätzlich das Sprachrisiko.25 Auf Fachbegriffe und Verweisungen auf Rechtsnormen ist dabei soweit wie möglich zu verzichten, sofern dadurch nicht die Prägnanz und Präzision der Klauselfassung leidet.26 Während Verweisungen auf deklaratorische Normen zulässig sind, muss der Verbraucher über den Inhalt einer Norm informiert werden, sofern diese Norm durch Verweis für anwendbar erklärt oder abbedungen wurde; anderenfalls kann er ihren Regelungsgehalt nicht erfassen.27

19

Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. IV. 2.  Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. IV. 2.  21 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 A. III. 3.  22 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 3. 23 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. I. 24 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 B. I. 25 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. II. 1.  26 Vgl. 2. Teil Kapitel 4. A. II. 2., B. II. 2. 27 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. II. 3., B. II. 3.  20

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Teil 5: Ergebnisse

b) Materielle Transparenz Das materielle Transparenzgebot ist sowohl in der europäischen als auch in der nationalen Rechtsprechung anerkannt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH28, muss nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen ohne Einholung von Rechtsrat so weit wie möglich erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne.29 Auf einen solchen Praktikabilitätsvorbehalt weist der EuGH zwar nicht ausdrücklich hin, jedoch ist dieser dem Transparenzgebot der Richtlinie immanent.30 Während das Irreführungsverbot und das Bestimmtheitsgebot als Teilaspekte der materiellen Transparenz in der nationalen Rechtsprechung anerkannt sind,31 benennt der EuGH diese beiden Fallgruppen nicht ausdrücklich. Er stellte lediglich fest, dass eine Klausel als missbräuchlich anzusehen ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt.32 Maßgeblich ist nach dem EuGH vor allem, dass ein Verbraucher auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die sich ergebenden wirtschaftlichen Folgen vorhersehen können muss.33 5. Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln a) Formelle Transparenz Die durch den BGH praktizierte Leitbildrechtsprechung, nach der die wörtliche Übernahme des de lege lata nur auf Tarifkundenverträge anwendbaren § 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV bzw. der Verweis auf diese Vorschrift in Preisänderungsklauseln in Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden hinreichend transparent nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist, hält den Transparenzanforderungen des EuGH nicht Stand. Der BGH hat diese Rechtsprechung richtigerweise in der Entscheidung vom 31.07.2013 aufgegeben.34 b) Materielle Transparenz Sowohl in der europäischen als auch in der nationalen Judikatur hat das Bestimmtheitsgebot seinen Ursprung in der Rechtsprechung betreffend einseitige Preisänderungsklauseln. Aus Art. 3, 5 RL sowie Nr. 1 lit. j und l und Nr. 2 lit. b und d des Anhangs der Klauselrichtlinie hat der EuGH gefolgert, dass Anlass und Modus 28

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 1.  30 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 C. I. 31 Vgl. 2. Teil Kapitel 3 B. III. 3.  32 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. I. 33 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 34 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 B. III. 3. b) bb). 29

Teil 5: Ergebnisse

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der Änderung in der Preisänderungsklausel so transparent dargestellt werden müssen, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann.35 Dieser Transparenzmaßstab stimmt mit der bisherigen deutschen Judikatur zur Bestimmtheit von Preisänderungsklauseln, mit Ausnahme der Leitbildrechtsprechung, überein, die der BGH in der Entscheidung vom 31.07.2013 aufgegeben hat. Er kann daher auf Preisänderungsklauseln im Allgemeinen übertragen werden. Seit dem Vorlageverfahren RWE bezieht sich der BGH bei der Transparenzkontrolle von Preisänderungsvorbehalten in Storm- und Gaslieferungsverträgen ausdrücklich auf diese Anforderungen des EuGH.36 Aufgrund der Substanzlosigkeit der streitgegenständlichen Preisänderungsklauseln lassen sich der Rechtsprechung des EuGH jedoch kaum Angaben zum jeweiligen konkreten Konkretisierungsgrad von Preisänderungsklauseln entnehmen. Der EuGH definiert lediglich einen Mindeststandard, nach dem schrankenlose unbestimmte Begriffe zu vermeiden sind.37 Dagegen ist die nationale Rechtsprechung insofern viel differenzierter, als der BGH zwischen den verschiedenen Preisänderungsklauseln je nach Anpassungsmechanismus unterscheidet, indem er unterschiedliche Anforderungen an den Konkretisierungsgrad von automatischen Kostenelementeklauseln und Preisänderungsvorbehalten stellt.38 c) Keine Kompensation mangelnder Abschlusstransparenz Eine Divergenz zwischen dem EuGH und dem BGH besteht hinsichtlich der Frage, ob die Intransparenz einer Klausel durch die Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden kann. Die herausragende Bedeutung der Abschlusstransparenz einer Klausel unterstreicht der EuGH dadurch, dass er eine mögliche Kompensation einer intransparenten Preisänderungsklausel durch Abwicklungstransparenz im Zeitpunkt der Preisänderung oder die Einräumung eines Lösungsrechts nicht nur verneint, sondern diese Schutzmechanismen sogar für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel als erforderlich ansieht.39 Aufgrund dieses Doppelverwertungsverbots muss der BGH seine Rechtsprechung aufgeben, nach der die Kompensation einer intransparenten Preisänderungsklausel durch Einräumung eines Lösungsrechts unter Umständen möglich ist, sofern die Konkretisierung an unüberwindbare Schwierigkeiten stößt.40 Dies verdient insofern Zustimmung, als dieser Ausnahmefall zum einen mit Missbrauchsrisiken verbunden ist41 sowie seit der Entscheidung des BGH vom 25.11.2015, in der er erfüllbare Trans 35

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. b). Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 2. a). 37 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 1., 2. c). 38 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. 3. b) aa) (1), bb) (1). 39 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. III. 40 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. b) cc). 41 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. b) aa). 36

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parenzanforderungen an Preisänderungsvorbehalte formuliert hat, nicht mehr erforderlich ist.42 Für den Bereich der Energielieferungsverträge verneint der BGH bereits aufgrund des Doppelverwertungsverbots gänzlich eine Kompensationsmöglichkeit durch Einräumung eines Lösungsrechts. II. Inhaltskontrolle 1. Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten Während Art. 3 Abs. 1 RL auf ein Missverhältnis abstellt, ist nach § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung erforderlich. Zur Begründung eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses nach Art. 3 Abs. 1 RL 43 oder einer unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB44 ist das dispositive, nationale Recht, das ohne die betreffende Klausel geltenden würde, als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, so dass ein sachlicher Unterschied zwischen den Fassungen zu verneinen ist. Daneben ist der Richtlinienanhang, auf den sich der EuGH bei Möglichkeit bezieht, dem dispositiven Recht gleichzustellen. Seine Tatbestände enthalten nicht nur widerlegungsbedürftige Regelvermutungen für die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln, sondern auch verallgemeinerungsfähige Wertungen für ähnliche oder andere Klauseln.45 Sofern die §§ 308,  309  BGB hinter den Klauselverboten des Anhangs bleiben, sind diese daher im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung des § 307 Abs. 1 BGB zu beachten.46 Ein erhebliches Missverhältnis könne sich nach dem EuGH47 im Einklang mit der nationalen Judikatur48 bereits aus jeder hinreichend schwerwiegenden Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung ergeben, die der Verbraucher nach dem nationalen Recht innehabe, sei es in Gestalt einer Beschränkung dieser Stellung, einer Beeinträchtigung ihrer Ausübung oder einer Auferlegung von zusätzlichen Verpflichtungen entgegen des dispositiven, nationalen Rechts. Auf eine erhebliche wirtschaftliche Belastung kommt es dabei nicht an. Dies ist insbesondere der Fall, sofern Kosten oder Aufgaben auf den Verbraucher abgewälzt werden, zu deren Tragung der Gewerbetreibende den Hauptleistungspflichten entsprechend selbst verpflichtet ist. Darüber hinaus ist das Missverhältnis nach dem EuGH vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen und prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten zu betrachten, 42

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2. b) bb). Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. a) aa). 44 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1. 45 Vgl. 1. Teil Kapitel 2 B.; 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. a) aa), c. 46 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 2. 47 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. a) bb). 48 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1.  43

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die das nationale Recht dem Verbraucher bietet, um auf die nachteiligen Folgen einer Klausel reagieren zu können.49 Dies entspricht insofern der nationalen Rechtsprechung, als dem Vertragspartner im Gegenzug für eine mögliche einseitige Berechtigung des Verwenders ein angemessener Ausgleich zuzugestehen ist; folglich darf er nicht schutzlos gestellt werden.50 2. Verstoß gegen Treu und Glauben Um den missbräuchlichen Charakter einer Klausel nach Art. 3 Abs. 1 RL festzustellen, muss das vorliegende Missverhältnis zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben führen. Beide Kriterien müssen kumulativ zusammenwirken.51 Sowohl Art. 3 Abs. 1 RL52 als auch § 307 Abs. 1 S. 1 BGB53 nehmen Bezug auf das Gebot von Treu und Glauben, das eine globale Abwägung der betroffenen Interessen der Parteien verlangt. Der EuGH gibt für die Beurteilung des Verstoßes gegen Treu und Glauben einen einheitlichen gemeinschaftsrechtlichen Maßstab vor. Es ist maßgeblich, ob der Gewerbetreibe bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt.54 Dabei ist von einem objektiven Verständnis von Treu und Glauben auszugehen.55. Dieser Maßstab entspricht, wie die Beurteilung der streitgegenständlichen Klauseln durch den EuGH belegt, einer auch in der nationalen Rechtsprechung56 etablierten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine Klauselregelung muss sachlich begründet sowie geeignet und erforderlich sein, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen.57 Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Verwender nicht durch einseitige Vertragsgestaltung eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht. 3. Berücksichtigung der in Art. 4 Abs. 1 RL aufgeführten Kriterien In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH und den Vorgaben des Art.  4  Abs.  1  RL58 darf auch nach ständiger Rechtsprechung des BGH59 eine Klausel nicht losgelöst von dem jeweiligen Vertragstyp, dem Vertragsgegenstand 49

Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. a) cc). Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1.  51 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 1.  52 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. b). 53 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1.  54 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. b) aa). 55 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. b) bb). 56 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1.  57 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. b) cc). 58 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 A. II. 2. d). 59 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. I. 1.  50

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und -zweck, den Eigenarten des Geschäfts sowie von ihrem Zusammenwirken mit anderen, mit ihr in sachlicher Wechselwirkung stehenden Vertragsbestimmungen beurteilt werden. Der Berücksichtigung „aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände“ i. S. d. Art. 4 Abs. 1 RL wird durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB hinreichend Rechnung getragen. 4. Inhaltliche Angemessenheit von Preisänderungsklauseln a) Bewahrung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses Das deutsche Recht ist strenger als Nr. 1 lit. j und l des Richtlinienanhangs und die Rechtsprechung des EuGH. Unter Bezug auf Nr.  1 lit. j und l des Anhangs fordert der EuGH lediglich, dass Preisänderungsklauseln für unwirksam erklären werden, wenn der Anlass und Modus der Preisänderung nicht hinreichend transparent in der Klausel angegeben sind60 oder dem Verbraucher für den Fall einer überhöhten Erhöhung kein Lösungsrecht eingeräumt ist.61 Im Einklang dazu geht das deutsche Recht über diese Kriterien mit § 309 Nr. 1 BGB hinaus, der Preisänderungsklauseln in Verträgen verbietet, bei denen die Ware innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert werden.62 Im Gegensatz zu den spärlichen Vorgaben des EuGH zur inhaltlichen Angemessenheit von Preisänderungsklauseln63 enthält die nationale Rechtsprechung ferner konkrete Vorgaben dazu, welche Anlässe den Verwender zur Preisanpassung berechtigen dürfen64 und welchen Begrenzungen der Umfang der Preisänderung unterliegen muss.65 Lediglich aus den Preisänderungsklauseln betreffenden Tatbeständen des Anhangs im Einklang mit den Vorgaben aus sektorspezifischen verbraucherschützenden Richtlinien ergibt sich, dass ein nach Abwägung der Interessen beider Parteien überwiegender Grund für die Preisänderung bestehen muss.66 Aus der Bindung des Preisänderungsrechts an einen triftigen Grund wird gleichzeitig der Umfang der Preisänderung begrenzt. Eine weitere Begrenzung folgt aus dem Grundsatz der symmetrischen Klauselgestaltung und Art. 10 Abs. 1, 4 Pauschalreiserichtlinie 2015/2302, denen die Behandlung von Preissenkungen nach den gleichen Maßstäben wie Preiserhöhungen entnommen werden kann.67 60

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 A. II. 2. a) aa) (2), bb). Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. II. 1.  62 Vgl. 3. Teil Kapitel 6 B. II. 1. a). 63 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 A. I., II. 64 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. I. 65 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 66 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 A. I. 67 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 A. II. 61

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b) Erforderlichkeit eines Lösungsrechts Während der EuGH die Einräumung eines Lösungsrechts für den Fall der Änderung des Preises als Wirksamkeitsvoraussetzung fordert, hat der BGH diese Frage nicht abschließend geklärt. Nach hier vertretener Ansicht kann die inhaltliche Unangemessenheit einer Preisänderungsklausel aufgrund des Doppelverwertungsverbots nicht kompensiert werden. Da die Einräumung eines Lösungsrechts nach der Rechtsprechung des EuGH für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel erforderlich ist, kann dieses nicht zugleich der Kompensation für den missbräuchlichen Charakter einer Klausel dienen.68 Sofern der BGH eine Kompensationsmöglichkeit – obgleich er eine solche, soweit ersichtlich noch nicht bejaht hat – nicht gänzlich ausschließt, muss er diese Rechtsprechung aufgeben.69 Der EuGH verlangt ein unbeschränktes Lösungsrecht des Verbrauchers für den Fall einer Preisänderung. Diese strenge Haltung überzeugt insofern nicht, als ein Lösungsrecht nicht stets geeignet ist, einen angemessenen Interessenausgleich herbeiführen, sondern vielmehr den Verbraucher privilegiert. Daher ist ein Lösungsrecht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH70 und Nr. 1 lit. l des Anhangs der Richtlinie nur für den Fall zu fordern, dass die Preiserhöhung im Verhältnis zum Ausgangspreis „zu hoch“ ist.71 Folglich ist dem EuGH Gelegenheit zu geben, in dieser Frage für eine Änderung zu sorgen. Ebenso müsste der EuGH in einer solchen Entscheidung für Klarheit darüber sorgen, was unter einer „zu hohen“ Preiserhöhung i. S. v. Nr. 1 lit. l des Richtlinienanhangs zu verstehen ist. Sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH72 als auch des BGH73 ist ein Lösungsrecht als Gegenrecht des Verbrauchers nur dann angemessen, wenn sich der Verbraucher tatsächlich vom Vertrag lösen kann. Es scheidet daher beispielsweise als Gegenrecht des Verbrauchers aus, wenn mit der Kündigung finanzielle Nachteile für den Verbraucher verbunden sind, der Verbraucher über die Preisänderung nicht rechtzeitig und angemessen informiert wurde oder der Wechsel zu einem anderen Vertragspartner einen hohen Kosten- oder Zeitaufwand erfordert. Die von der deutschen Rechtsprechung dazu aufgestellten Kriterien stimmen mit den sehr detaillierten Vorgaben des EuGH überein.

68

Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. I. 3. Teil Kapitel 8 B. I. 70 3. Teil Kapitel 8 B. II. 1.  71 3. Teil Kapitel 8 A. II. 1. 72 3. Teil Kapitel 8 A. III. 73 3. Teil Kapitel 8 B. III. 69

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III. Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln 1. Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln Im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 RL erklärt § 307 Abs. 1 BGB74 unangemessene Klauseln für unwirksam, wobei der restliche Vertrag auch nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam bleibt.75 Um den effet utile des Art. 6 Abs. 1 RL zu gewährleisten, muss die Rechtsfolge des Art.  6  Abs.  1  RL ipso iure76 und mit ex-tuncWirkung eintreten, so dass ihre Restitutionswirkung nicht begrenzt werden darf.77 Sie wirkt dabei erga omnes, also gegenüber allen Verbrauchern, auf deren Verträge die gleichen AGB anwendbar sind.78 2. Beurteilung der Unwirksamkeit des Restvertrages nach einem objektiven Ansatz § 306 Abs. 3 BGB ist nicht mit Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL zu vereinbaren und bedarf daher einer Änderung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Unwirksamkeit des Vertrages bei Wegfall einer Klausel nach Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL nach einem objektiven Ansatz zu beurteilen.79 Dagegen stellt § 306 Abs. 3 BGB auf ein subjektives Kriterium ab und fordert die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag für eine der Parteien. Zwar kann zur Gewährleistung eines höheren Verbraucherschutzes die Gesamtnichtigkeit angenommen werden, sofern das Festhalten für den Verbraucher unzumutbar ist. Die Nichtigerklärung des gesamten Vertrages aufgrund unzumutbarer Härte für den Gewerbetreibenden ist jedoch nicht mit Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 RL zu vereinbaren. Diese Divergenzen können auch nicht im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung des § 306 Abs. 3 BGB überwunden werden, da dies dem Grundsatz der Klarheit und Bestimmtheit der Richtlinienumsetzung widerspricht und eine Auslegung contra legem auch nicht möglich ist.80 3. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Das in der deutschen Rechtsprechung81 bereits anerkannte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entspricht der Rechtsprechung des EuGH, nach der die nationalen Gerichte missbräuchliche Klauseln unangewendet lassen müssen, damit 74

4. Teil Kapitel 9 B. I. 4. Teil Kapitel 9 A. I. 76 4. Teil Kapitel 9 A. I. 77 4. Teil Kapitel 10 A. III. 78 4. Teil Kapitel 9 A. I. 79 4. Teil Kapitel 9 A. II. 80 4. Teil Kapitel 9 B. I. 81 4. Teil Kapitel 10 B. I. 75

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sie den Verbraucher nicht binden, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern.82 Dadurch erfährt die Klauselkontrolle eine bedeutsame Aufwertung. Etwaige in der deutschen Rechtsprechung anerkannte Ausnahmen von diesem Gebot widersprechen dieser Rechtsprechung des EuGH nicht, sofern der intendierte Abschreckungseffekt nicht ad absurdum geführt wird.83 4. Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht § 306 Abs. 2 BGB84 stimmt insofern mit der Rechtsprechung des EuGH überein, als danach die Schließung einer durch Wegfall einer missbräuchlichen Klausel entstehenden Lücke durch dispositives Recht denkbar ist, wenn die Nichtigerklärung des Vertrages in seiner Gesamtheit mit schweren Nachteilen für den Verbraucher verbunden ist und den Abschreckungseffekt beeinträchtigen würde.85 5. Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung Ausgehend von dem durch den EuGH bestätigten Verbot der geltungserhaltenden Reduktion und der Möglichkeit der Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives Recht in begrenzten Fällen widerspricht eine Lückenschließung in Form der ergänzenden Vertragsauslegung nicht gänzlich den Vorgaben der Richtlinie, sofern der Abschreckungseffekt nicht ad absurdum geführt wird. Die Unwirksamkeitsfolgen dürfen nicht zugunsten des Verwenders, jedoch zulasten des Verbrauchers beschränkt werden. Insbesondere bei bösgläubiger Verwendung offensichtlich missbräuchlicher AGB kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist demnach zulässig, wenn kein dispositives Recht zur Füllung der Lücke verfügbar ist, sie der Wiederherstellung der materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien dient und die Unwirksamkeit der missbräuchlichen Klausel die Nichtigkeit des gesamten Vertrages mit nachteiligen Konsequenzen für den Verbraucher nach sich ziehen könnte.86 Während der BGH eine ergänzende Vertragsauslegung unter diesen Voraussetzungen als „ausdrücklich anerkannt“ ansieht, kann jedoch nicht von einer acte-clair-Lage gesprochen werden. Maßgeblich ist daher, wie der BGH diese Voraussetzungen und den Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung im konkreten Fall anwendet.87

82

4. Teil Kapitel 10 A. I. 4. Teil Kapitel 10 B. I. 84 4. Teil Kapitel 10 B. II. 85 4. Teil Kapitel 10 A. II. 86 4. Teil Kapitel 10 A. IV. 2.  87 4. Teil Kapitel 10 B. III. 83

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Teil 5: Ergebnisse

6. Rechtsfolgen bei unwirksamen Preisänderungsklauseln Sofern der BGH im Rahmen von Feststellungsklagen die Gesamtunwirksamkeit des Restvertrages und damit die ergänzende Vertragsauslegung deswegen verneint, weil dem Unternehmer eine kurz- oder mittelfristige Kündigungsmöglichkeit zusteht, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. Dadurch wird dem Abschreckungseffekt der Klauselkontrolle Rechnung getragen.88 Sofern der BGH im Rahmen von Rückforderungsansprüchen bei langfristigen Energielieferungsverträgen pauschal die Gesamtnichtigkeit des Vertrages und mithin die Erforderlichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung damit begründet, dass es eine unzumutbare Härte für den Verwender darstelle, wenn er den Kunden nach dem Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel zum bei Vertragsschluss vereinbarten, seit Jahren nicht mehr kostendeckenden Ausgangspreis beliefern müsste, ist diese Judikatur nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zu vereinbaren.89 Nach dem EuGH ist die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages vielmehr nach objektiven Maßstäben und nicht nur mit Blick auf den Verwender zu beurteilen ist.90 Der BGH beschränkt durch den Wegfall einer missbräuchlichen Preisänderungsklausel entstandene Rückforderungsansprüche des Verbrauchers im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung pauschal lediglich durch ein Zeitelement dahingehend, dass an die Stelle des Ausgangspreises der drei Jahre nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, unbeanstandet gebliebene Preis tritt. Diese Fristenlösung stellt eine nach nationalen Recht91 und Unionsrecht92 unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar. Sie widerspricht der vom EuGH geforderten unbeschränkten Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln93 und der ipso-iure-Wirkung des Art. 6 Abs. 1 RL.94 Zudem verstärkt sie das Machtgefälle zwischen den Parteien95 Auf diese Weise wird der missbräuchliche Charakter der Klausel perpetuiert und die intendierte Abschreckungswirkung konterkariert. Während der BGH davon ausgeht, dass die Fristenlösung im Sinne eines acte éclairé für zulässig entschieden sei, ist genau das Gegenteil der Fall. Vielmehr ist offensichtlich im Sinne eines acte clair, dass die Fristenlösung nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zu vereinbaren ist. Der BGH muss diese Rechtsprechung daher aufgeben.96

88

4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) aa). 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 1. b) bb). 90 4. Teil Kapitel 9 A. II. 91 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) bb) (1) (c). 92 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) bb) (2) (b). 93 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) bb) (2) (a). 94 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) bb) (2) (c). 95 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) bb) (2) (d). 96 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) cc). 89

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B. Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln Aus der Analyse der europäischen und nationalen Rechtsprechung zu Preisänderungsklauseln ergeben sich die folgenden Wirksamkeitsvoraussetzungen. I. Systematisierung von Preisanpassungsklauseln Die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln, die der Abänderung eines bei Vertragsschluss zumindest bestimmbaren Preises dienen, variieren je nach Klauselart. Preisänderungsklauseln und Preisbestimmungsvorbehalte, die den bei Vertragsschluss offen gelassenen Preis festsetzen, lassen sich unter den Begriff der Preisanpassungsklauseln zusammenfassen. Preisänderungsklauseln können nach dem jeweiligen Anpassungsmechanismus in Automatikklauseln, Preisänderungsvorbehalte, bei denen die Änderung des Preises im billigen Ermessen des Anpassungsberechtigten liegt, und Neuverhandlungsklauseln eingeteilt werden. Automatikklauseln lassen sich je nach Bezugsgröße, deren Veränderung die Anpassung auslöst und bestimmt, in Kostenelementeklauseln, Spannungsklauseln, Marktpreisklauseln und Indexklauseln kategorisieren. Auch bei Preisänderungsvorbehalten kann die Preisänderungsbefugnis durch die Veränderung dieser Faktoren bedingt sein, jedoch steht die Anpassung nach billigem Ermessen i. S. v. § 315 BGB im Vordergrund.97 II. Transparenzkontrolle Aufgrund des umfassenden Verständnisses des Transparenzgebots muss eine Preisänderungsklausel nicht nur grammatikalisch und formell hinreichend transparent sein, sondern auch im materiellen, inhaltlichen Sinne, die Folgen einer Preisänderung dem Vertragspartner klar vor Augen führen. 1. Formelle Transparenz a) Optische Gestaltung Der preiserhöhende Effekt einer Klausel muss bereits durch die optische Gestaltung erkennbar sein. Er darf sich nicht erst durch die Verbindung zweier Regelungen ergeben.98

97

Vgl. Einleitung B. II., III. 2. Teil Kapitel 4 A. I., B. I.

98

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b) Verwendung von Fachbegriffen In Hinblick auf die sprachliche Gestaltung sind ein einfacher Sprachstiel und eine einfache Syntax zu verwenden. Fachbegriffe, die Eingang in den normalen Sprachgebrauch gefunden haben, können verwendet werden. Das Abstellen etwa auf das billige Ermessen in Hinblick auf die Preisänderungsbefugnis des Verwenders, ist für einen Durchschnittsverbraucher hinreichend verständlich. Je komplexer jedoch der Regelungsbereich ist, umso unvermeidbarer ist eine exakte technische Fachterminologie, um dem Bestimmtheitsgebot Genüge zu tun.99 c) Verweisungen auf Rechtsnormen Verweise auf Rechtsnormen des nationalen Rechts sind grundsätzlich zulässig. Lediglich wenn eine Norm durch Verweis in den Geltungsbereich des Vertrages einbezogen oder abbedungen wird, ist der Verbraucher über ihren Inhalt zu unterrichten.100 Ein Verweis auf deklaratorische Regelungen ist zulässig, da den Verwender gerade keine Pflicht zur Rechtserläuterung trifft. Daher hat der BGH im Einklang mit dem europäischen und dem deutschen Transparenzgebot zutreffend entschieden, dass sofern ein Preisänderungsvorbehalt den Modus der Anpassung unmissverständlich in das billige Ermessen des Verwenders legt sowie auf § 315 BGB verweist, ein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB entbehrlich ist.101 Eine Unterrichtung des Vertragspartners über den Inhalt der Rechtsnormen ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur erforderlich, wenn der Anlass oder der Modus der Änderung des Entgelts in bindenden Rechtsvorschriften aufgeführt ist oder diese Vorschriften das Recht des Verbrauchers vorsehen, den Vertrag zu beenden.102 2. Materielle Transparenz Eine Preisänderungsklausel muss dahingehend konkretisiert werden, dass Anlass und Modus der Preisänderung so transparent dargestellt sind, dass der Verbraucher etwaige Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann.103

99

2. Teil Kapitel 4 A. II. 2., B. II. 2.  Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. II. 3., B. II. 3.  101 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 B. II. 3. a) aa). 102 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. II. 3. 103 Vgl. 2. Teil Kapitel 4 A. II. 2. a) bb), B. II. 2. a). 100

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a) Irreführungsverbot Die preismodifizierende Wirkung der Preisänderungsklausel darf nicht durch ihre inhaltliche Gestaltung verschleiert werden. Ebenso darf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nicht durch eine irreführende Darstellung des Anpassungsmodus versteckt werden.104 b) Konkretisierung des Anlasses aa) Kostenänderungen Bei Klauseln, die das Preisänderungsrecht durch die Entwicklung der Preise oder Werte für Güter und Dienstleistungen bedingen, die unmittelbar Einfluss auf die Selbstkosten des Gläubigers für die Erbringung der Leistung haben, differenziert der BGH in zutreffender Weise in Hinblick auf den erforderlichen Bestimmtheitsgrad zwischen automatischen Kostenelementeklauseln und Preisänderungs­ vorbehalten, die an Kostenänderungen gekoppelt sind.105 (1) Automatische Kostenelementeklauseln Der Rechtsprechung des BGH106 ist nicht zuzustimmen, nach der Kostenelementeklauseln nur an mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung zu bringende Kostenfaktoren geknüpft und in Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises gewichtet werden müssen, damit der Vertragspartner die jeweilige Preisanpassung vorhersehen und auf ihre Berechtigung überprüfen kann. Derart detaillierte Klauseln werden weder im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch bei Durchführung der Preisänderung dem Informationsinteresse des Vertragspartners, da eine solche Klausel seinen Verständnishorizont übersteigt,107 noch dem Interesse des Klauselverwenders gerecht. Einer kostenrepräsentativen Fassung einer Kostenelementeklauseln stehen bereits betriebswirtschaftliche Gründe entgegen.108 Im Ergebnis müsste der Verwender seine Kostenkalkulation nicht nur gegenüber dem Vertragspartner, sondern auch seinen Wettbewerbern offen legen müsste.109 Um die Automatikfunktion zu erhalten, genügt es, wenn die eine Änderung bedingenden Kostenfaktoren abschließend in der Klausel wiedergegeben werden, wobei auch auf betriebsinterne Größen Bezug genommen werden darf. Eine konkrete 104

Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. I. Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (1). 106 Vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (1). 107 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (2) (a), (b), (d). 108 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (2) (a). 109 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (2) (c). 105

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Gewichtung jedes einzelnen Kostenfaktors ist aus Gründen der Transparenz nicht erforderlich. Es ist eine Generalformel ausreichend, nach der sich der Preis bei Kostenänderungen entsprechend dem ursprünglich bei Vertragsschluss bestehenden Gewicht des jeweiligen Kostenfaktors im Verhältnis zum Gesamtpreis verändert.110 (2) Preisänderungsvorbehalte Da bei Preisänderungsvorbehalten, die auf Kostenänderungen Bezug nehmen, die Anpassung nach billigem Ermessen des Klauselverwenders erfolgt sowie die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle besteht, sind an solche Klauseln im Einklang mit dem BGH geringere Transparenzanforderungen als an automatische Kostenelementeklauseln zu stellen.111 In einem Preisänderungsvorbehalt ist der Anlass für eine Preisänderung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH112 und des EuGH dann hinreichend konkretisiert, wenn die den Anlass prägenden Kostenfaktoren in einem prägnanten Überblick nach Art eines Leitfadens dem Verbraucher exemplarisch veranschaulicht werden. Eine solche Fassung wird der Vielzahl und Komplexität der jeweiligen Parameter sowie der Änderungsanfälligkeit von diesen und ihres relativen Gewichts zum Gesamtpreis am besten gerecht.113 Dabei kann auch auf betriebsinterne Faktoren Bezug genommen werden.114 Eine rein rechnerische Möglichkeit einer zusätzlichen Gewinnerzielung, die aus den geringeren Bestimmtheits­anforderungen resultiert, ist dabei insofern irrelevant als dem Risiko der Erzielung eines über die Preissteigerung hinausgehenden Gewinns auf Ebene der Inhaltkontrolle begegnet wird.115 Um jedoch eine Überprüfbarkeit der Preisanpassung auf ihre Plausibilität durch den Verbraucher zu gewährleisten, sollte dem Unternehmer in der Klausel zusätzlich die Verpflichtung auferlegt werden, den Vertragspartner im Zeitpunkt der Anpassung darüber zu informieren, welche Kosten sich in welchem Umfang verändert haben.116 bb) Wertsteigerungen der Leistung und Wertverfall der Gegenleistung Um der Wertsteigerung der Leistung bzw. dem Wertverfall der Gegenleistung gerecht zu werden, muss das Preisänderungsrecht an den Marktpreis der zu erbringen­ den Leistung oder einer vergleichbaren Leistung bzw. an einen Index geknüpft 110

2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (3). 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (1). 112 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (2). 113 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3) (a). 114 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3) (b). 115 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3) (c). 116 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3), (d). 111

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werden, die so konkret dargestellt sind, dass sie in zumutbarer Weise in Erfahrung gebracht werden können.117 c) Konkretisierung des Modus Der Anpassungsmodus, Automatismus oder Anpassung nach billigem Ermessen, muss sich hinreichend klar aus der Klausel ergeben. Bei Automatikklauseln ist das Verhältnis der Referenzwerte zum Ausgangspreis dahingehend zu definieren, ob sich die Veränderung nominal oder prozentual auf den Ausgangspreis auswirkt.118 Bei Preisänderungsvorbehalten ist der Modus der Anpassung unter Bezugnahme auf das billige Ermessen des Anpassungsberechtigten und einen Hinweis auf § 315 BGB hervorzuheben.119 Während bei Automatikklauseln das Maß der sich verändernden Bezugsgröße automatisch die Obergrenze für den Preisanpassungsumfang bildet, muss dies im Rahmen von Preisänderungsvorbehalten klar geregelt werden. Die Einräumung eines Lösungsrechts für den Verwender für den Fall, dass die Anpassung einen bestimmten Grenzwert übersteigt, wird den Interessen der Parteien besser gerecht als die Statuierung einer Obergrenze in Form eines Geldbetrages oder Prozentsatzes.120 Während bei Automatikklauseln, um die Automatismusfunktion zu erhalten, der Anpassungszeitpunkt konkret bestimmt werden muss,121 ist dies bei Preisänderungsvorbehalten entbehrlich.122 d) Abwicklungstransparenz Der Klauselverwender ist in der Klausel dazu zu verpflichten, den Verbraucher vor Inkrafttreten der Preisanpassung über die Grundlage der Preisänderung unter Mitteilung des Ausgangswerts und des neuen Werts und der Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag zu informieren.123 e) Keine Kompensation der Abschlussintransparenz Aufgrund des Doppelwertungsverbots kann die Abschlussintransparenz einer Preisänderungsklausel nicht durch Einräumung eines Lösungsrechts kompensiert werden, da ein solches selbst Wirksamkeitsvoraussetzung für die Preisänderungsklausel ist.124 117

2. Teil Kapitel 5 B. 3. c). 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. a). 119 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. b) aa). 120 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. b) bb). 121 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. a). 122 2. Teil Kapitel 5 B. II. 4. b) bb). 123 2. Teil Kapitel 5 B. II. 5.  124 2. Teil Kapitel 5 B. III. 2.  118

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III. Inhaltskontrolle Eine Preisänderungsklausel muss, sofern sie nicht nach § 309 Nr. 1 BGB unzulässig ist, um dem Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB standzuhalten, so ausgestaltet sein, dass sie das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis wahrt sowie einen angemessenen Ausgleich für den Fall der Erhöhung des Preises bietet.125 1. Wahrung des bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnisses Für das Preisänderungsrecht des Verwenders muss ein zulässiger sachlicher Grund vorliegen. Zudem unterliegt das Preiserhöhungsrecht mehrfachen Begrenzungen. a) Zulässige sachliche Gründe für Preisänderungen Da der Verwender das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation trägt, dürfen lediglich nach Vertragsschluss eingetretene, der Höhe nach nicht kalkulierbare und erhebliche Preisänderungen auf den Vertragspartner umgewälzt werden. Ein langfristiger Vertrag indiziert dabei zwar ein berechtigtes Preisanpassungsinteresse, jedoch kann dieses widerlegt werden, wenn das Abwarten des Laufzeitendes für den Verwender zumutbar ist.126 Für die Preisberechnung relevante Kostensteigerungen, Veränderungen des Wertes der zu erbringenden Leistung sowie der Wertverfall der Gegenleistung stellen einen zulässigen sachlichen Grund für das Anpassungsinteresse des Klauselverwenders dar.127 Veränderungen von für die Preisberechnung relevanten Kostensteigerungen können nur dann an den Verbraucher weitergegeben werden, sofern es sich um Kostenfaktoren, die den gesamten Markt betreffen, staatlich veranlasste Steuern, Abgaben und Gebühren oder betriebsinterne Kostensteigerungen handelt, die nicht auf einem Verschulden des Verwenders beruhen oder in seinem ausschließlichen Einflussbereich liegen.128 Existiert ein Markpreis, der auf Grundlage allgemein zugänglicher Quellen feststellbar ist und hat der Klauselverwender ein berechtigtes Interesse an der Kopplung des Preises an den Marktpreis, können Preisänderungsklauseln in langfristigen Dauerschuldverhältnissen an den Marktpreis für die zu erbringende Leistung oder

125

2. Teil Kapitel 6 B. II. 2. b). Vgl. 2. Teil Kapitel 7 B. I. 1.  127 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. I. 2.–4. 128 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. I. 2.  126

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ein vergleichbares Gut anknüpfen, obgleich eine Gewinnmaximierung auf Seiten des Klauselverwenders nicht ausgeschlossen ist.129 b) Begrenzung des Umfangs der Preisänderung Die Preiserhöhung wird zum einen durch das Ausmaß der Veränderung der jeweiligen Bezugsgröße im Verhältnis zu ihrem Anteil zum Gesamtpreis beschränkt,130 wobei Preisvorteile erhalten bleiben müssen.131 Eine weitere Beschränkung erfährt das Preiserhöhungsrecht des Verwenders durch das Maß des Anstiegs der Preise für Neuabschlüsse, damit der Verwender nur Preise weitergeben kann, die er am Markt auch realisieren kann.132 Maßgeblich für eine zulässige Erhöhung ist jeweils der Faktor mit der geringsten Steigerungsrate.133 Es herrscht das Gebot der Anpassungssymmetrie. Eine Bezugsgröße darf dem Verwender nicht nur ein Preiserhöhungsrecht für den Fall einer Steigerung der Bezugsgröße einräumen, sondern muss ihn gleichzeitig dazu verpflichten, Preissenkungen bei Absinken des Referenzwerts nach gleichen quantitativen und zeitlichen Maßstäben wie Preissteigerungen vorzunehmen.134 Während diese Verpflichtung bei Automatikklauseln per se erfüllt wird, muss diese in Preisänderungsvorbehalten explizit verankert sein.135 Kostensenkungen, die auf Rationalisierungsmaßnahmen des Verwenders beruhen, also nicht auf externen Einflüssen beruhen, müssen an den Vertragspartner allerdings nicht weitergegeben werden.136 Sofern auf Kostenänderungen Bezug genommen wird, gilt das Saldierungsgebot, das ebenfalls ausdrücklich in der Klausel genannt werden muss. Kostenerhöhungen dürfen nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem sie nicht durch rückläufige berücksichtigungspflichtige Kostenfaktoren ausgeglichen werden.137 2. Erforderlichkeit eines Lösungsrechts bei zu hohen Preiserhöhungen Die Preisänderungsklausel muss für den Fall einer überhöhten Erhöhung dem Verbraucher ein Lösungsrecht einräumen, um der Leistungsfähigkeit des Vertragspartners Rechnung zu tragen.138 Eine überhöhte Erhöhung liegt vor, wenn die Er 129

Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. I. 3. a). Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. a). 131 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. b). 132 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. d). 133 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. d), g). 134 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. e) bb). 135 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. e) aa), bb). 136 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. e) cc). 137 Vgl. 3. Teil Kapitel 7 B. II. 1. f). 138 Vgl. 3 Teil Kapitel 8 A. II. 1., B. II. 1.  130

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höhung den Anstieg der Lebenshaltungskosten oder einen bestimmten Prozentsatz übersteigt. Als Richtwert kann auch die in Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 Pauschalreise-Richtlinie 2015/2302 normierte 8 %-Hürde genommen werden, wobei die Besonderheiten eines Pauschalreisevertrages zu berücksichtigen sind und das Maß daher gegebenenfalls anzupassen ist.139 Die formale Einräumung einer Kündigungsmöglichkeit genügt nicht. Der Verbraucher muss sich tatsächlich vom Vertrag lösen können. Dies setzt voraus, dass der Vertragspartner rechtzeitig vor Inkrafttreten der Preisanpassung informiert wird, um eine Ausweichmöglichkeit wahrzunehmen. Das Kündigungsrecht muss sich hinreichend transparent aus der Klausel ergeben. Der Lösung des Verbrauchers vom Vertrag dürfen keine faktischen oder finanziellen Hindernisse entgegenstehen. Die Berücksichtigung der Wettbewerbssituation und des Vorhandenseins möglicher Bezugsalternativen gestaltet sich dagegen aufgrund der Beurteilung der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie der daraus resultierenden Benachteiligung besonders günstiger Anbieter als problematisch.140

C. Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln Um dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion hinreichend Rechnung zu tragen, tritt bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel an ihre Stellung grundsätzlich der bei Vertragsschluss vereinbarte Ausgangspreis.141 Für eine Schließung der durch den Wegfall einer unwirksamen Preisänderungsklausel entstandenen Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung liegen in der Regel bereits die Voraussetzungen nicht vor. Die ersatzlose Streichung einer Preisänderungsklausel führt grundsätzlich nicht zu einer den Interessen beider Parteien zuwiderlaufenden Lösung. Zwar muss der Verwender zu einem unter den eigenen Beschaffungskosten liegenden Preis liefern, hier realisiert sich jedoch das der Verwendung von AGB immanente Risiko. Maßgeblich ist, ob es zu einer qualifizierten Störung des Äquivalenzverhältnisses kommt und der Gewerbetreibende dieser auch nicht durch ein mittel- oder kurzfristiges Kündigungsrecht begegnen kann. Die Gutgläubigkeit des Verwenders hinsichtlich der Verwendung einer Preisänderungsklausel genügt dagegen nicht. Ebenso ist der Unternehmer vor vergangenheitsbezogenen Rückforderungen durch die dreijährige Regelverjährung hinreichend geschützt.142 Eine zeitliche und inhaltliche Beschränkung der aus der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel resultierenden Restitutionsansprüche im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist unzulässig.143 139

Vgl. 3 Teil Kapitel 8 A. II. 2., B. II. 2. Vgl. 3. Teil Kapitel 8 A. III., B. III. 141 Vgl. 4. Teil Kapitel 9 A. III., B. II. 1.  142 Vgl. 4. Teil Kapitel 10 B. IV. 2. b) cc). 143 Vgl. 4. Teil Kapitel 10 A. III., B. IV. 2. b) bb) (2) (a). 140

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D. Wirksamer Preisänderungsvorbehalt im Rahmen von Gas- und Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden Da der BGH Spannungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden, die den Preis für Gas an den Preis für leichtes Heizöl knüpfen, für unwirksam erklärt hat, ist von ihrer Verwendung Abstand zu nehmen.144 Aufgrund der Vielzahl der preisrelevanten Kostenfaktoren und der Änderungsanfälligkeit dieser und ihres relativen Gewichts bildet eine automatische Kosten­ elementeklausel keine sachgerechte Lösung für Preisänderungsklauseln in Gasund Stromlieferungsverträgen.145 Der in der Entscheidung Augsburger Stromvertrag vom 25.11.2015146 durch den BGH für wirksam erklärte Preisänderungsvorbehalt in einem Stromlieferungs­ vertrag mit Sonderkunden hält den oben aufgeführten Anforderungen an Preisänderungsvorbehalte, die auf Kostenänderungen Bezug nehmen, Stand und stellt damit eine praktikable, begrüßenswerte Lösung dar. „Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrages zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z. B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z. B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG). Steigerungen bei einer Kostenart, z. B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt. Bei Kostensenkungen, z. B. der Strombezugskosten, sind vom Lieferanten die Preise zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Steigerungen in anderen Bereichen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Der Lieferant wird bei der Ausübung seines billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen werden als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.“ „Änderungen der Preise […] sind nur zum Monatsersten möglich. Der Lieferant wird dem Kunden die Änderung spätestens 6 Wochen vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilen. Im Fall einer Preisänderung hat der Kunde das 144

3. Teil Kapitel 7 B. I. 3. B. bb). 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) aa) (3). 146 BGH v. 25.11.2015, BGHZ 208, 52 – Augsburg Stromvertrag; zur Bewertung dieser Entscheidung vgl. 2. Teil Kapitel 5 B. II. 3. b) bb) (3). 145

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Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung in Textform zu kündigen. Hierauf wird der Kunde vom Lieferanten in der Preisänderungsmitteilung gesondert hingewiesen. Im Fall der Kündigung wird die Preisänderung gegenüber dem Kunden nicht wirksam. Im Übrigen bleibt § 315 BGB unberührt.“

E. Resümee Wie vorstehend dargelegt, stimmt die Rechtsprechung des BGH mit den Vorgaben der Klauselrichtlinie und der Judikatur des EuGH grundsätzlich weitgehend überein. Dennoch darf die Bedeutung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht unterschätzt werden. Es handelt sich um eine positive Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der EuGH erst seit wenigen Jahren seine in Freiburger Kommunalbauten selbstauferlegte Zurückhaltung Schritt für Schritt ablegt. Zwar ist dadurch das Ziel der Richtlinie, die Eliminierung von missbräuchlichen Klauseln, noch lange nicht erreicht. Der EuGH fordert die nationalen Gerichte aber zu einem Dialog auf, den sie – wie die vermehrten Vorlageverfahren beweisen – auch wahrnehmen. Diese Vorlageverfahren gaben dem EuGH Gelegenheit dazu, die Inhaltkontrolle von AGB-Klauseln in vielen Bereichen zu europäisieren. Durch die Betonung eines umfassenden Transparenzgebots, der Entwicklung eines unionsautonomen Transparenzmaßstabs, der Aufwertung des Richtlinienanhangs, der Harmonisierung des Maßstabs von Treu und Glauben und der Bestätigung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion hat der EuGH begonnen ein unionsweites Verbrauchermindestschutzniveau zu schaffen.147 Dies ist in Anbetracht des weiten Anwendungsbereichs der Klauselrichtlinie und der Bedeutung dieser Richtlinie für das Schuldrecht der Mitgliedsstaaten, sehr zu begrüßen. Diese Entwicklung wird auch dadurch gefördert, dass sich der EuGH in den Vorlageverfahren zur Klauselrichtlinie verstärkt auf das systematische Argument bezieht. Rechtsaktintern berücksichtigt er in erfreulicher Weise den Anhang der Klauselrichtlinie, der eine widerlegungsbedürftige Regelvermutung für die Missbräuchlichkeit einer Klausel darstellt. Rechtsaktübergreifend zieht er sektorspezifisches Sekundärrecht zur Auslegung heran. Die neueste Entscheidungspraxis des EuGH trägt damit zu einer Verdichtung der Verbraucherschutzrichtlinien zu einer Gesamtrechtsordnung und zur Förderung des Unionsprivatrechts bei. Ausgehend von der Einzelkontrolle hat insbesondere die Kontrolle von einseitigen Änderungsklauseln durch die konkrete Benennung von Transparenzanforderungen einen bedeutsamen Harmonisierungsschub erfahren. Eine Preisänderungsklausel muss den Anlass und Modus der Änderung hinreichend klar und verständlich hervorheben sowie dem Verbraucher für den Fall der Änderung 147 Stempel, ZEuP 2017, 102 spricht von einer „Teilharmonisierung“; zustimmend Pfeiffer, NJW 2017, 913, 914.

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ein Lösungsrecht einräumen, das er auch tatsächlich ausüben kann. Zwar ist die deutsche Rechtsprechung zu den Wirksamkeitsanforderungen von Preisänderungsklauseln weitaus differenzierter, was aufgrund der Fülle der entschiedenen Verfahren auch nicht zu überraschen vermag. Jedoch darf der durch den EuGH entwickelte Mindeststandard nicht durch eine pauschale Anwendung der ergänzenden Vertragsauslegung insbesondere in Form der Fristenlösung, die dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion widerspricht, eine vorschnelle Annahme der Gesamtnichtigkeit des Vertrages bei Wegfall der Preisänderungsklausel oder die Möglichkeit der Kompensation einer intransparenten Klausel durch Einräumung eines Lösungsrechts konterkariert werden. Zur Eliminierung von missbräuchlichen Preisänderungsklauseln muss die Abschreckungswirkung des Unwirksamkeitsverdikts aufrechterhalten werden. Die Rechtsprechung des EuGH hat auch den BGH dazu bewegt, eine praktikable Lösung für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen zu schaffen. Diese ist insofern sehr zu begrüßen, als sie für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in der betreffenden Branche sorgt, in der Preisänderungsklauseln regelmäßig conditiones sine quibus non für die Eingehung eines langfristigen Vertragsverhältnisses sind. Diese neue Rechtsprechung des BGH kann auch auf Preisänderungsklauseln im Allgemeinen, unabhängig von der Energielieferungsbranche, übertragen werden. Damit wird die Rechtsprechung endlich dem anerkannten Interesse des Verwenders gerecht, Preisänderungsklauseln zu verwenden. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH die Europäisierung des nationalen AGBRegimes, angetrieben von weiteren Vorlageverfahren der nationalen Gerichte, fortsetzt. Auf diese Weise könnte der EuGH ausgehend von der Einzelkontrolle Mindeststandards und damit Marktstandards für weitere unionsweit verwendete Klauseln definieren.

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Sachregister Abschlusstransparenz  198, 202 ff., 206, 241, 262 Abwicklungstransparenz  129, 198, 202, 229, 240 f., 247 f., 455 Acte-clair  60 f., 81, 394,403, 426, 430, 432, 434 Anpassungsanlass –– Allgemeines  42, 312 ff., 328, 455 –– Betriebsinterne Kosten  319 ff., 328, 455 –– Europarechtliche Vorgaben  193 ff., 200 f., 307 ff., 311, 343, 446 –– Kosten  316 ff., 328, 455 –– Marktpreis  321 ff., 328, 345, 454, 455 –– Wertsicherung  321 ff., 325, 454 –– Wertverfall der Gegenleistung  327 ff., 333 Anpassungsmechanismen  42 ff. Anpassungsmodus  42, 243 ff., 262, 455 Anpassungsumfang –– Allgemeines  52, 345, 455 –– Anpassungssymmetrie  336, 342, 346, 455 –– Erhalt der Leistungsfähigkeit  243, 331 –– Europarechtliche Vorgaben  309 ff. –– Im Hinblick auf Transparenz  243, 262, 455 –– Preise für Neuabschlüsse  332, 338, 341, 346, 361, 455 –– Preissenkungspflicht  334 ff., 338, 345 –– Quantitative Begrenzung  329 ff., 341 –– Saldierungsgebot  339, 342, 346, 455 –– Verbot einer überproportionalen Anpassung  330, 341 –– Wahrung von Preisvorteilen  331, 341 –– Zeitliche Begrenzung  343, 346 Anpassungszeitpunkt  243, 246, 262 Auslegung contra legem  60 Auslegung der Klauselrichtlinie  82 ff. –– Historie  92 ff. –– Systematik  85 ff. –– Telos  89 ff. –– Wortlaut  83 ff.

Auslegungsmonopol des EuGH  60 f. Ausübungskontrolle 54a Automatikklauseln  43 ff., 49 f., 180, 217 ff., 230, 238 f., 243 f., 297, 455 Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH  73, 75 ff., 259, 461 Begründungserwägungen von Richtlinien  90, 93 Berücksichtigung der individuellen Verständnismöglichkeiten  130 ff., 157 ff., 162, 439 Berücksichtigung von Individualaufklärung  127 ff., 155 ff., 162, 440 Berücksichtigung von Individualumständen –– Europarechtliche Vorgaben  124 ff. –– Nationales Recht  153 ff. Bestimmtheitsgebot –– Europarechtliche Vorgaben  189 ff., 196 ff., 257 f., 442 –– Nationales Recht  208 ff., 217 ff., 221 ff., 235 ff., 244 ff., 257 f., 442 Billigkeitskontrolle  177 ff., 205, 233 Bindungswirkung von Vorlageentscheidungen  80 ff. DCFR 70 Deklaratorische Klauseln  109 f., 170, 177, 180, 266 Doppelverwertungsverbot  205, 254, 258, 348, 355, 358, 443, 447 Durchschnittsverbaucher  121, 131 E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG  128 Effet utile  89, 91 f., 119, 373, 383, 386, 403, 428, 448 Einbeziehungskontrolle  144 ff., 174 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 198 Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 197 Ergänzende Vertragsauslegung –– Europarechtliche Vorgaben  385 ff., 433

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Sachregister

–– Nationales Recht  400 ff., 433 f. –– Voraussetzungen  396 ff. –– Zulässigkeit  391 ff., 402 ff., 434 f., 449 Ergänzende Vertragsauslegung bei Preis­ änderungsklauseln  405 ff. –– Ergänzungsbedürfnis  398 ff., 405 ff. –– Fristenlösung  417 ff., 450 –– Maßstab  415 ff., 432, 434 f., 458 –– Rechtsprechungsänderung  416 f., 458 –– Unzumutbarkeitskriterium  408, 411, 436, 450 Fachsprache  123, 145, 168 f., 184, 441, 452 Formelle Transparenz –– Europarechtliche Vorgaben  133, 164 ff., 441 –– Nationales Recht  158, 172 ff., 441 Fristenlösung –– Bewertung  419 ff., 450 –– Rechtsprechung des BGH  417 ff. –– Vereinbarkeit mit dem Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung  420 ff., 430 f., 450 –– Vereinbarkeit mit der Klauselrichtlinie  425 ff., 430 f., 450 Gebot von Treu und Glauben –– Europäisch-autonomer Maßstab  279 –– Nationales Recht  292 –– Objektives Verständnis  280 –– Verhältnismäßigkeit  282 ff., 290 Gleitklauseln  37, 48 f., 196 Grundsatz der Kostenminimierung  320 Grundsatz der Offizialmaxime  71, 74 Handelsvertreter-Richtlinie 69 Hauptleistungsklauseln  112 ff., 142, 267 f. HEL-Klauseln  41, 325 ff., 459 In dubio pro consumente  90 f. Indexklauseln  40, 51, 242 f., 297, 454 Individualverfahren  156 f. Individualvertragskonforme Auslegung 331 Informationsgebot  101, 117, 161 Inhaltskontrolle –– Europarechtliche Vorgaben  265 ff. –– Dispositives Recht als Vergleichsmaßstab  271, 273 ff., 277 f., 289, 292

–– Gebot von Treu und Glauben  270 f., 279 ff., 292, 445 –– Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 RL  268, 285 ff., 290, 293 f., 304, 445 –– Missverhältnis der Rechte und Pflichten  76 f., 80, 268 ff., 275 ff., 444 –– Nationales Recht  291 ff., 444 f. –– Umfang  266 ff., 291 ff. –– Umsetzung im nationalen Recht  291 ff., 304 Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln –– § 307 Abs. 1 S. 1 BGB  302 ff., 306 –– § 309 Nr. 1 BGB  296 ff., 305 –– Anpassungsinteresse  299 ff. –– Äquivalenzverhältnis  226, 301 f., 306 ff.,312, 344, 423, 446 –– Europarechtliche Vorgaben  278 f., 283 ff., 287, 289 ff., 306 ff., 311, 343, 366 ff., 446 –– Lösungsrecht  349 ff., 366 ff., 447, 455 –– Nationales Recht  295 ff., 305 f., 344 ff., 368 f., 446 Irreführungsverbot –– Europarechtliche Vorgaben  159, 166, 186 ff., 256 –– Nationales Recht  207 ff., 256, 259, 453 Kalkulationsirrtum  313, 319 Klauselrichtlinie –– Anwendungsbereich  27, 56 –– Entstehungsgeschichte 27 –– Kontrollmaßstab  124 ff., 280 –– mindestharmonisierender Charakter  32, 78, 120, 148, 297, 376 ff., 413 Kohle-Lohn-Formel 220 Kombinationslösung  153 f. Kompensation von inhaltlich unangemessenen Klauseln  348, 356, 447 Kompensation von Intransparenz –– Durch Abwicklungstransparenz  202 f. –– Durch Einräumung eines Lösungsrecht  202 f., 249 ff., 455 –– Erforderlichkeit  252 f. –– Europarechtliche Vorgaben  202, 253 f., 258, 263, 443 –– Nationales Recht  241, 248 ff., 253 f., 258, 263, 443, 455 –– Risiken der Kompensation  251 f.

Sachregister Kompetenzverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten  61 ff. Konkretisierungserfordernis von Preisänderungsklauseln  193 ff. 200 f., 210 ff, 215 Konkretisierungsfähigkeit von Preisänderungsklauseln  213 ff. Kostenelementeklauseln –– Bestimmtheit des Modus  228, 243 f., 262, 455 –– Betriebsinterne Faktoren  223, 261, 319 f., 445 –– Bewertung der Rechtsprechung  221 ff., 445 –– Definition  38, 45 ff. –– Gewichtung der Kostenfaktoren  229, 261, 454 –– Inhaltskontrolle  316 ff., 455 –– Lösungsansatz  227 ff., 260 f., 453 –– Rechtsprechung des BGH  217 ff., 260 –– Wiedergabe der Kostenkalkulation,  221 ff., 228, 238, 261 –– Verständnishorizont  225 ff., 445 Lando-Kommission 70 Leistungsbestimmungsvorbehalte,  37, 50 Leistungsvorbehalte  37, 43, 50 Leitbildrechtsprechung  57, 82, 110, 181 ff., 212, 442 f. Listenpreisklauseln  37, 40 f., 192, 211 Lösungsrecht –– Als Kompensationsmöglichkeit  204, 246, 249 ff., 348, 356, 443 –– Ausgestaltung  353 f., 362, 447, 455 –– Erfordernis  204, 278, 309, 349, 358, 366, 455 –– Europarechtliche Vorgaben  349 ff., 355, 366, 447 –– Orientierung an der Geldentwertung  352, 361, 455 –– Nationales Recht  358 ff., 455 Marktpreisklauseln  47, 242 f., 262 Materielle Transparenz –– Europarechtliche Vorgaben 133, 186 ff., 442 –– Nationales Recht  158, 207 ff., 442 Mündlich Klauseln  114 f., 129, 141 Neuverhandlungsklauseln  43, 56, 298

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Offenlegung der Kostenkalkulation  221 ff. Ökonomischer Ansatz der AGB-Kontrolle  149 Pflicht zur Rechtserläuterung –– Europarechtliche Vorgaben  135 ff., 440 –– Nationales Recht  160 f., 440 Präjudizierung durch den EuGH  75, 79 Praktikabilitätsvorbehalt –– Europarechtliche Vorgaben  134 f., 440 –– Nationale Recht  159, 440 Preisänderungsklauseln –– Definition 41 –– Europarechtliche Vorgaben  130, 138, 171 f., 206 ff., 289 ff. 306 ff., 311, 341, 367 ff., 377, 442, 446 –– Nationales Recht  163 f. 177 ff., 183 ff., ff., 344, 368  ff., 384  f., 442, 446, 305  451 ff. Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträge  35, 181 ff., 185 f., 197, 236, 242, 300, 325 ff., 347 f., 359, 369, 408 ff., 436, 459 Preisänderungsvorbehalte –– Beispielhafte Aufzählung  235 ff., 241, 261, 454 –– Bestimmtheit des Anlasses  193 ff. 200, 206, 228, 235 ff., 241, 261 f., 454 –– Bestimmtheit des Modus  200, 206, 244 ff., 262, 455 –– Betriebsinterne Faktoren  237 ff., 319 f., 454 –– Definition  43, 49 ff., 230 f. –– Inhaltkontrolle  316, 455 –– Konkretisierungsanforderungen  231 ff., 261, 454 Preisanpassungsklauseln als Oberbegriff  37, 39 ff. Preis-Argument  288 f. Preisbestimmungsvorbehalte  39, 40 ff., 55, 298 Preise für Neuabschlüsse  332, 338, 341, 346, 361 Preiserhöhungsklauseln  37, 39 Preisklauselgesetz  38, 43 Preissenkungspflicht –– Europarechtliche Vorgaben  310, 334 –– Nationales Recht  209, 238, 334 ff.

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Sachregister

Preisvorbehalt  37, 50 Principles of European Contract Law  70 Rationalisierungsgedanke  125, 137 Rechtsaktübergreifende Auslegung  79, 86 ff., 137, 186 ff.194 ff., 199, 259, 308 ff. Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln –– Ersetzung durch dispositives Recht  388, 402, 449 –– Europarechtliche Vorgaben  370 ff., 448 –– Rückzahlungsanspruch  380, 434 –– Umsetzung ins nationale Recht  378 ff., 434 –– Unwirksamkeit der missbräuchlichen Klausel  370, 380 –– Vertragswirksamkeit im Übrigen  374, 381, 413, 448 Rechtswahlklauseln 136 Restriktive Auslegung  90 f., 112 f., 146 Richtlinie über Pauschalreisen  194, 308, 310, 352, 361 Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken  122 f., 128, 186 ff., 206 Richtlinie über Wohnimmobilienkredite  195, 310 Richtlinienanhang –– Allgemeine Vorgaben  64, 67, 69, 77, 88, 164, 170, 202, 278, 284 –– Bedeutung  94 ff., 444 –– Umsetzung im nationale Recht  294 f., 296, 305 –– Vorgaben zu Preisänderungsklauseln  191 ff., 278, 284, 290, 296, 305, 307 ff., 349 f. Richtlinienkonforme Auslegung  59, 148, 295, 305, 379, 384, 444 Saldierungsgebot  339, 342 Schriftliche Klauseln  114 f., 129, 141 Schutz des Betriebsgeheimnisses  224 ff., 236, 239 Spannungsklauseln –– Allgemeines  43, 47 f., 51, –– Konkretisierung  180, 242 f. –– Zulässigkeitsvoraussetzungen  324 ff., 329, 345

Sprachrisiko  167 f. Systematisierung der Preisanpassungs­ klauseln  36 ff., 451 Tagespreisklauseln  37, 40 f., 192, 360 Time-Sharing-Richtlinie  195, 308 Transparenzgebot –– Europarechtliche Vorgaben  78, 101 ff., 108 ff., 164 ff., 186 ff., 438 ff. –– Nationales Recht  139 ff., 172 ff., 207 ff., 438 ff. –– Maßstab78,  116 ff., 150 ff., 439 ff. –– Schranken  134 ff., 159 ff. –– Standort in der Klauselrichtline  103 ff., 143 ff., 438 –– Telos  101, 203 –– Umsetzung  102, 140 ff. Überraschende Klauseln  146 Unbestimmte Begriffe  189 f., 215 ff. Unidroit-Grundregeln 70 Unzumutbarkeitskriterium –– Rechtsprechung des BGH  408 ff. –– Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH  412 f., 436 f. –– Vereinbarkeit mit nationalem Recht  411 f., 436 f. Verbandsklagen 156 Verbot der Beschränkung der Restitutionswirkung missbräuchlicher Klauseln  389, 426, 433, 448 Verbot der geltungserhaltenden Reduktion  386 f., 400 ff., 423, 427, 433, 448 Verbrauchereigenschaft 131 Verbraucherkredit-Richtlinie  195, 310 Verbraucherleitbild –– Europarechtliche Vorgaben  116 ff., 136, 439 –– Nationales Recht  151 ff., 439 Verbraucherrechte-Richtlinie 195 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie  128, 276 Verständlichkeit in formeller Hinsicht –– Europarechtliche Vorgaben  164 ff. –– Nationales Recht  172 ff. Verständlichkeit in grammatikalischer Hinsicht –– Europarecht  145, 166 ff.

Sachregister Verständnishorizont eines Durchschnittsverbrauchers –– Europarechtliche Vorgaben  120 ff., 131, 170, 281, 439 –– Nationales Recht  151 f., 225 ff., 241, 337, 439 Vertragsabschlussumstände  125, 128, 286 ff. Vertragskontext  164, 172, 287 Vertragssprache  167 f., 174, 441

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Verweis auf § 315 Abs. 3 BGB  177 ff., 184 f., 245 ff., 452 Verweisungen auf Rechtsvorschriften –– Europarechtliche Vorgaben  169 ff. –– Nationales Recht  146, 176 ff., 184, 452 Vorlageverfahren  60 ff., 97, 108 ff., 196 ff., 212, 265, 432, 437, 460 Zinsänderungsklauseln  173, 193, 197, 199, 207, 336, 406