Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei der übertragenden Sanierung [1 ed.] 9783428489671, 9783428089673

Nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs b

117 43 27MB

German Pages 316 Year 1997

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei der übertragenden Sanierung [1 ed.]
 9783428489671, 9783428089673

Citation preview

WOLFGANG LOHKEMPER

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei der übertragenden Sanierung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 152

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei der übertragenden Sanierung

Von Wolfgang Lohkemper

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lohkemper, Wolfgang: Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei der übertragenden Sanierung I von Wolfgang Lohkemper. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 152) Zug!.: Giessen, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08967-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08967-7 Gedruckt a,uf alterungsbeständigem (säurefreiem) Pa.pier entsprechend ISO 9706

9

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Abhandlung hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Justus-Liebig-Universität zu Gießen im Sommersemester 1996 als Dissertation vorgelegen. Sie wurde im März 1996 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur sind, soweit dies noch möglich war, bis August 1996 berücksichtigt. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. WolfDietrich Walker, der die Arbeit während meiner Assistentenzeit an seiner Professur mit Interesse begleitet und stets bereitwillig gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Eberhard Wieser danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Gießen, im Oktober 1996 Wolfgang Lohkemper

Inhaltsverzeichnis Einleitung

21

§ 1 Einführung in das Thema .................................... 21

I.

Der Begriff der "übertragenden Sanierung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

11. Eingrenzung des Themas ................................. 23 III. Praxisrelevanz des Themas .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 § 2 Gang der Untersuchung ............................... ,...

Erster Teil Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

. 25

26

§ 3 Meinungsstand zur Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs ........ 26

I.

Die konkursrechtliche Auffassung ........................... 26 1.

Das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" ............. 27

2.

Vergleich mit den §§ 25 HGB und 419 BGB ................ 28

3.

Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger 31

4.

Unbillige Doppelsicherung der Arbeitnehmer ................ 32

5.

Unvereinbarkeit mit dem Schutzzweck von § 613 a BGB ........ 33

11. Die Gegenargumentation der arbeitsrechtlichen Auffassung. . . . . . . . . . 34 1.

Kein tatbestandlicher Ausschluß von § 613 a BGB im Konkurs ... 35 a) Das "Rechtsgeschäft" als Abgrenzungskriterium zur Gesamtrechtsnachfolge .................................. 35 b) Die Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter als rechtsgeschäftlicher Verwertungsakt .................. , ..... 36

2.

Keine Vergleichbarkeit der §§ 25 HGB, 419 BGB mit § 613 a BGB 37

3.

Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aller Gläubiger ... 39

4.

Keine unbillige Privilegierung der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . 40

10

Inhaltsverzeichnis 5.

Kein Verstoß gegen die ratio legis von § 613 a BGB .......... 40

III. Die vermittelnde Auffassung 1.

.............................. 42

Die drei Ziele des § 613 a BGB ......................... 43 a) Fortbestand der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Kontinuität des amtierenden Betriebsrats ................. 44 c) Haftungsfunktion ................................. 45

2.

Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs .. 45

3.

Die teleologische Reduktion der Übernahmehaftung zur Verwirklichung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung .... 47

4.

Ständige Rechtsprechung des BAG ....................... 49

5.

Die Reaktionen auf die Rechtsprechung des BAG ............. 50 a) Überwiegende Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Abweichende Stimmen ............................. 51 aa) Verweigerte Gefolgschaft des LAG Hamm und des ArbG Wetzlar ..................................... 51 bb) Ablehnung im Schrifttum ........................ 52

IV. Wiederaufleben der Diskussion im Rahmen der Insolvenzrechtsreform .. 53 1.

Kritik des sog. Gravenbrucher Kreises an den Reformentwürfen . . . 54

2.

Kritik des Bundes der Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit an den Reformentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3.

Rückschlüsse aus der neuen Insolvenzordnung auf die Geltung der drei Funktionen von § 613 a BGB ........................ 55 a)

Zur Geltung der Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion . 55

b)

Die offen gebliebene Frage der Geltung der Haftungsfunktion . 57

§ 4 Die Auswirkungen einer teleologischen Reduktion der Haftungsfunktion des § 613 a BGB auf die betriebliche Altersversorgung .................. 58

I.

Einbeziehung der betrieblichen Altersversorgung in den Geltungsbereich von § 613 a BGB ...................................... 59 1.

Verknüpfung von Versorgungszusage und Arbeitsverhältnis

2.

Der von § 613 a BGB betroffene Kreis der Versorgungsgläubiger .. 61

59

a) Aktive Arbeitnehmer ............................... 61 b) Ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner .......... 62 11. Die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . 66

Inhaltsverzeichnis

11

1.

Die Betriebsrente als Bestandteil des Drei-Säulen-Konzepts der Alterssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

2.

Die Einstandspflicht des PSV ........................... 68 a) Der PSV als Träger der Insolvenzsicherung ............... 68 b) Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen für Versorgungsanwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Die Eröffnung des Konkursverfahrens als Sicherungsfall ...... 70

III. Kollision zweier Haftungsnormen: § 7 I 1 BetrAVG und § 613 al BGB 71 1.

Ausschluß der Erwerberhaftung auf Tatbestandsebene (sog. Tatbestandslösung) ...................................... 71 a) Der Forderungsübergang nach § 9 11 1 BetrAVG . . . . . . . . . . . 72 b) Bedeutung des Forderungsübergangs für die Erwerberhaftung .. 72 c) Zur Kritik an der Tatbestandslösung .................... 73 d) Eigene Bewertung der Tatbestandslösung ................ 74

2.

Keine Haftungskonkurrenz zwischen dem Erwerber und dem PSV aufgrund der teleologischen Reduktion von § 613 a BGB ....... 77 a) Die Anwendbarkeit der teleologischen Reduktion der Haftungsfunktion von § 613 a BGB auf Versorgungsanwartschaften .... 78 aa) Der Rechtscharakter der Versorgungsanwartschaft ....... 78 bb) Die konkursrechtliche Einordnung der Versorgungsanwartschaft ...................................... 80 (1)

Die Umwandlung der Versorgungsanwartschaft in einen kapitalisierten Zahlungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . .. 80

(2) Die Versorgungsanwartschaft als aufschiebend bedingte Forderung ............................... 81 (3) Einordnung der Versorgungsanwartschaft unter die Haftungsfunktion des § 613 a BGB .............. 81 (4) Die Neuregelung in Art. 91 Nr. 4 EGInsO ......... 83 b) Die Haftungsaufteilung zwischen dem PSV und dem Betriebserwerber ......................................... 84 aa) Zur Teilbarkeit der Versorgungsanwartschaft trotz Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Der Zeitraum zwischen Konkurseröffnung und Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1)

Der Eröffnungsbeschluß als Zäsur ............... 87

(2) Der Betriebsübergang als Zäsur ................ 87 (3) Die Rechtslage im neuen Insolvenzrecht .......... 90

12

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Die Haftungsfunktion des § 613 a BGB im Konkurs als Sanierungshinder-

nis - Eigene Betrachtung der teleologischen Reduktion -

I.

............. 91

Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als untaugliches Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I.

Inhalt des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . 92 a) Geschichtliche Erscheinungsformen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ..................................... 94 b) Der Gleichbehandlungsgrundsatz im gegenwärtigen Insolvenzrecht .......................................... 97 aa) Maßnahmen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Die konkursrechtliche Verteilungsordnung . . . . . . . . . . .. 100 (1)

Dinglich gesicherte Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . .. 100

(2) Massegläubiger........................... 102 (3) Die Rangordnung der Konkursforderungen ........ 103 2.

Die besondere Privilegierung der Arbeitnehmerforderungen ..... 104 a) Ansprüche aus Sozialplänen und auf den Nachteilsausgleich .. 105 aa) Die Entscheidung des Großen Senats des BAG v. 13.12. 1978 ...................................... 106 bb) Die Regelungen des Sozialplangesetzes . . . . . . . . . . . . .. 109 b) Der Abfindungsanspruch LS.v. §§ 9, 10 KSchG ........... 110 c) Lohnansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 112 d) Ruhegeldansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115

11. Die Sanierungshilfe als wahrer Grund einer eingeschränkten Erwerberhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 116

1.

Erleichterung einer übertragenden Sanierung als Alternative zur Betriebsstillegung .................................. 116 a) Arbeitsplatzerhaltung als Hauptzweck des § 613 a BGB ..... 117 b) Vereitelung der ratio legis des § 613 a BGB durch Behinderung einer übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 aa) Rechtstatsächliche Untersuchungen über die Sanierungsfeindlichkeit des § 613 a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120 bb) Zur Möglichkeit der Herabsetzung des Kaufpreises ..... 121 c) Die Haftungsbefreiung von Altverbindlichkeiten als Beitrag zur Sanierungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124

2.

Vergleich zur Sanierungshilfe nach § 1611 SpTrUG .......... 126

Inhaltsverzeichnis

13

3.

Vereinbarkeit einer auf die Sanierungshilfe gestützten teleologischen Reduktion des § 613 a BGB mit dem EU-Recht ....... 127

4.

Einhaltung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung ........ 129

5.

Keine zweckwidrige Verwendung des PSV als Sanierungshelfer .. 132 a) Zweckgerechte Einstandspflicht des PSV . . . . . . . . . . . . . . .. 133 b) Im neuen Insolvenzrecht: Gesetzlich angeordnete Liquiditätshilfe durch den PSV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 134

III. Zur eingeschränkten Erwerberhaftung bei der "übertragenden Sanierung im engeren Sinne" ..................................... 135 § 6 Ergebnisüberprüfung anband des ab dem 1.1.1999 geltenden Insolvenzrechts 139

I.

Keine auf vollständige Gleichheit angelegte Gläubigerbefriedigung ... 140

11. Die Bedeutung der übertragenden Sanierung im neuen Insolvenzrecht

142

I.

Die Hervorhebung der übertragenden Sanierung als Sanierungsinstrument ....................................... 143

2.

Die übertragende Sanierung auf der Grundlage eines Insolvenzplans 144

§ 7 Sonderfall: Verfallbare Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 I.

Das Schicksal verfallbarer Versorgungsanwartschaften bei Übergang eines insolventen Betriebs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 146

11. Die Bedeutung des ab dem 1.1.1999 geltenden Insolvenzrechts für die Haftung für verfallbare Versorgungsanwartschaften ......... . . . .. 149

Zweiter Teil Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang nach Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse

151

§ 8 Die Voraussetzungen von § 107 KO ........................... 152 § 9 Die sog. formlose Liquidation eines masselosen Betriebs ............. 154 I.

Masselose Konkurse als Massenphänomen .................... 155

11. Die Interessen der Beteiligten am Übergang eines "masselosen" Betriebs 155 § 10 Die Geltung der Haftungsfunktion von § 613 a BGB bei einer Betriebsver-

äußerung im Stadium der "masselosen" Liquidation. . . . . . . . . . . . . . . .. 158

I.

Die Auffassungen im Schrifttum ........................... 158 1.

Uneingeschränkte Erwerberhaftung ...................... 159

14

Inhaltsverzeichnis 2.

Die Beschränkung der Erwerberhaftung auf Neuschulden ....... 161

11. Die Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162

1.

BAG-Urteil v. 30.7.1980: Eingeschränkte Erwerberhaftung . . . . .. 162

2.

BAG-Urteil v. 20.11.1984: Uneingeschränkte Erwerberhaftung ... 163

3.

Der aktuelle Stand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 163

§ 11 Kritische Betrachtung der uneingeschränkten Erwerberhaftung unter besonderer Berücksichtigung der Einstandspflicht des PSV . . . . . . . . . . . . . . .. 164 I.

Grundsätzliche Bedenken gegen eine uneingeschränkte Erwerberhaftung 165 1.

Das Bedürfnis einer Einschränkung der Erwerberhaftung . . . . . .. 166 a) Parallele zwischen der Liquidation des Unternehmens nach einem Eröffnungsbeschluß und der Liquidation nach einem Ablehnungsbeschluß .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 167 aa) Vorliegen eines materiellen Konkursgrundes .......... 168 bb) Drohende Betriebsstillegung ..................... 169 b) Schmaler Grat zwischen dem Eröffnungs- und dem Ablehnungsbeschluß ...................................... 173 c) Umgehungsmöglichkeit durch Zahlung eines Kostenvorschusses 175 d) Zum Vorwurf einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 aa) Fehlende Kontrolle und Aufsicht .............;.... 178 (1) Abgrenzung zur sog. freien Sanierung . . . . . . . . . . .. 179

(2) Beliebige Verteilung der Restrnasse . . . . . . . . . . . . .. 180 bb) AntragsteIlung trotz offensichtlicher Masselosigkeit

181

2.

Vereinbarkeit einer beschränkten Erwerberhaftung mit dem EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 184

3.

Keine "Sowieso-Haftung" des Erwerbers nach §§ 25 HGB, 419 BGB ........................................... 186 a) Vermeidbarkeit einer Haftung nach § 25 HGB ............ 186 b) Keine Behinderung einer Unternehmensveräußerung durch § 419 BGB .................................... 187 aa) Kritik an der Zeitgemäßheit des § 419 BGB .......... 189 bb) Die Aufhebung des § 419 BGB mit Inkrafttreten der neuen Insolvenzordnung ............................. 190 ce) Die teleologische Reduktion des § 419 BGB bei der Unternehmensübertragung nach einem Ablehungsbeschluß LS.v. § 107 KO .................................. 191

Inhaltsverzeichnis

15

11. Kollision der Erwerberhaftung mit der Einstandspflicht des PSV bei

unterstellter Geltung der Haftungsfunktion des § 613 a BGB ....... 194 1.

Keine Haftungskonkurrenz bei verfallbaren Versorgungsanwartschaften ......................................... 194

2.

Zur Haftungskonkurrenz bei unverfallbaren Versorgungsanwartschaften ......................................... 196 a) Die Einstandspflicht des PSV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196 aa) Der Sicherungsfall nach § 7 I 3 Nr. 1 BetrAVG ....... 196 bb) Der Zeitpunkt der Begründung der Einstandspflicht ..... 197 ce) Der Forderungsübergang auf den PSV .............. 197 b) Zum Ausschluß der Erwerberhaftung auf Tatbestandsebene . .. 199 aa) Die sog. Tatbestandslösung und die "Rückbeziehung des Forderungsübergangs" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 bb) Die "Rückbeziehung des Forderungsübergangs" als untaugliche Rechtfertigung der Tatbestandslösung . . . . . . . . . .. 200 c) Zur uneingeschränkten Erwerberhaftung für die beim Veräußerer erdienten Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 202 aa) Die Erwerberhaftung gegenüber dem einstandspflichtigen PSV ...................................... 203 (1)

Der Betriebserwerber als Rückgriffsschuldner LS.v. § 9 11 BetrAVG .......................... 203

(2)

Bedenken gegen die Eigenschaft des Betriebserwerbers als Rückgriffsschuldner LS. v. § 9 11 BetrAVG ..... 204 (a)

Zur Anwendbarkeit des § 9 11 BetrAVG auf den Betriebserwerber ...................... 205

(b) Zur Vereinbarkeit der Erwerberhaftung mit der insolvenzbedingten Umwandlung des Rückgriffsanspruchs ........................... 207 (c)

Das Regreßverbot nach § 9 11 2 BetrAVG .... 208

bb) Die Erwerberhaftung anstelle der Einstandspflicht des PSV 210 (1) Zum Wegfall der Einstandspflicht aufgrund des Betriebsübergangs ........................... 211 (a)

Subsidiarität der Einstandspflicht . . . . . . . . . .. 211

(b)

Keine endgültige Rechtszuweisung nach § 9 11 BetrAVG ........................... 213

(2) Bedenken gegen eine Befreiung des PSV von der Einstandspflicht .......................... 214 (a)

Das Fehlen eines rechtsgeschäftlichen Erlöschensgrundes ............................ 215

16

Inhaltsverzeichnis (b) Das Fehlen eines gesetzlich angeordneten Erlöschensgrundes ....................... 215 (c)

Zur Subsidiarität der Einstandspflicht nach § 7 I 3 Nr. 1 BetrAVG .................... 216 (aa) Zur Endgültigkeit der Rechtszuweisung nach § 9 11 BetrAVG - Widersprüche der h.M ......................... 217 (bb) Vergleich mit dem Sicherungsfall nach § 7 I 3 Nr. 4 BetrAVG ................. 218 (cc) Vergleich mit dem Sicherungsfall nach § 7 I 3 Nr. 2 BetrAVG (Quotenvergleich) .... 219 (dd) Zur Kollision von Erwerberhaftung und Einstandsverpflichtung des PSV beim Sicherungsfall des gerichtlichen Vergleichs .... 221 (ee) Vereinbarkeit einer endgültigen Einstandspflicht des PSV mit § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG 222 (fi) Insolvenzschutz aufgrund anerkannter Ver-

festigung erdienter unverfallbarer Versorgungsanwartschaften - Spezialität der Insolvenzsicherung - . . . . . . . . . . . . . . . .. 223

Dritter Teil Die Erwerberhafung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang im Falle der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse

226

§ 12 Voraussetzungen und Rechtsfolgen von § 204 KO .................. 227 § 13 Betriebsveräußerung zwischen Eröffnungs- und Einstellungsbeschluß . . . .. 228

I.

Das Vorliegen der Voraussetzungen der eingeschränkten Erwerberhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 229

11. Zum Wegfall der Haftungsbeschränkung ..................... 229 1.

Die uneingeschränkte Geltung von § 613 a BGB ............ 230 a) Keine Verletzung konkursrechtlicher Grundsätze .......... 230 b) Parallele zu den Auswirkungen des Ablehnungsbeschlusses nach § 107 KO ................................. 230

2.

Die Aufrechterhaltung der Haftungsbeschränkung .. . . . . . . . . .. 231 a) Die Verteilung der Restmasse als Beleg für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ......... . . . . . . . . . . . . .. 231

Inhaltsverzeichnis

17

b) Zum Argument der "Chance gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung" ....................................... 233 c) Erforderlichkeit der teleologischen Reduktion des § 613 a BGB aufgrund gerichtlich festgestellter Sanierungsbedürftigkeit 234 d) Endgültigkeit der Einstandsverpflichtung des PSV ......... 235 § 14 Die Betriebsveräußerung nach dem Einstellungsbeschluß ............. 237

I.

Veräußerung nach einer Verteilung des Restvermögens gern. § 204 KO 237

11. Veräußerung nach einer Verteilung der Barmittel gern. § 207 InsO ... 238

Vierter Teil

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang und nachfolgender Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses im Rechtsmitleiverfahren

242

§ 15 Voraussetzungen und Wirkungen der Autbebung des Eröffnungsbeschlusses im Rechtsmitte1verfahren ................................... 242

I.

Beschwerdebefugnis, -frist und -gründe ...................... 242

11. Die Rechtsfolgen der erfolgreichen sofortigen Beschwerde . . . . . . . .. 243 III. Auswirkungen der Autbebung des Eröffnungsbeschlusses auf die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung ............... 244 § 16 Zur (Weiter-)Geltung der Haftungsbeschränkung des Erwerbers ........ 244

I.

Uneingeschränkte Erwerberhaftung bei Anwendung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

11. Nach dem Beschwerdegrund differenzierende Lösung ............ 245 1.

Haftungsbeschränkung bei Masseunzulänglichkeit als Beschwerdegrund ........................................... 246

2.

Uneingeschränkte Erwerberhaftung bei sonstigen Beschwerdegründen ......................................... 247

Fünfter Teil

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang im Konkursantragsverfahren

250

§ 17 Betriebsveräußerung durch den Sequester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250

I. 2 Lohkemper

Sequestrationsanordnung, Zweck und Wirkungen der Sequestration

251

18

Inhaltsverzeichnis 1.

Sequestrationsanordnung

251

2.

Zweck der Sequestration

252

3.

Wirkungen der Sequestration .......................... 253

11. Die Interessen der Beteiligten an einer möglichst frühzeitigen Betriebsveräußerung ......................................... 253 III. Die Zulässigkeit von Betriebsveräußerungen in der Sequestration .... 256 1.

Sicherungsmaßnahme kontra Verwertungsmaßnahme .......... 256

2.

Wahrung der Schuldnerinteressen ....................... 258 a) Betriebsveräußerung mit Zustimmung des Schuldners . . . . . .. 259 b) Betriebsveräußerung bei unmittelbar bevorstehender Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 259

3.

Keine Umgehung des Gläubigermitspracherechts ............. 261

IV. Die Zulässigkeit von Betriebsveräußerungen im vorläufigen Insolvenzverfahren (§§ 20 ff. InsO) ................................ 263 § 18 Zur teleologischen Reduktion der Haftungsfunktion des § 613 a BGB .... 265 I.

Der Vergleich eines Betriebserwerbs vom Sequester mit einem Betriebserwerb vom Konkursverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 266 1.

Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung .............. 266 a) Die generelle Untauglichkeit des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes zur Begründung der Haftungsreduktion des § 613 a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Die Vorverlagerung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf den Zeitpunkt der Sequestrationsanordnung in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 268 aa) Die Beschränkung einer Einzelzwangsvollstreckung während der Sequestration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 bb) Die Anfechtbarkeit von nach dem Eröffnungsantrag erfolgten Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 270 cc) Die Aufrechnungsbeschränkung während der Sequestration 271

2.

Die Veräußerung eines konkursreifen Betriebs in einem unter gerichtlicher Kontrolle stehenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .. 272 a) Vorliegen eines Konkursgrundes ..................... 273 b) Drohende Betriebsstillegung ........................ 275 c) Keine mißbräuchliche Ausnutzung der Haftungsbeschränkung . 275

Inhaltsverzeichnis

19

3.

Vereinbarkeit einer beschränkten Erwerberhaftung mit dem EU-Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

4.

Keine "Sowieso-Haftung" des Erwerbers nach §§ 25 HGB, 419 BGB ........................................... 277

11. Wahrung des Bestandsschutzes und die Einstandspflicht des PSV für Ruhegeldanwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 277 l.

Verfallbare Versorgungsanwartschaften ................... 278

2.

Unverfallbare Versorgungsanwartschaften .................. 279

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 283 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 312

Einleitung § 1 Einführung in das Thema In einer Zeit, in der der langfristige Bestand des Generationenvertrages in bezug auf die Renten immer häufiger in Frage gestellt wird, wächst neben dem Bedürfnis einer privaten Vorsorge die Bedeutung der Absicherung im Alter durch eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung. Der Wert dieser sog. zweiten Säule des sozialen Sicherungssystems 1 für den einzelnen Arbeitnehmer muß sich daran messen lassen, ob und inwieweit seine Interessen im Falle der Insolvenz seines Arbeitgebers gewahrt werden. Das gilt insbesondere in einer Zeit, in der immer neue "Insolvenzrekorde" gemeldet werden2 • Damit der Arbeitnehmer im Krisenfall seine Alterssicherung nicht verliert, gewährt ihm das Betriebsrentengesetz (BetrAVG 3) in den §§ 7-15 BetrAVG Insolvenzschutz. Statt des insolventen Arbeitgebers trägt der Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit4 die Versorgungsverbindlichkeiten. Ob das auch dann gilt, wenn ein insolventer Betrieb oder ein Betriebsteil des insolventen Unternehmens veräußert wird, ist eine der meist diskutierten Fragen im Ruhegeldrecht. Im Zentrum der Diskussion steht insbesondere die Vorschrift des § 613 a BGB. Nach § 613 all BGB tritt derjenige, der einen Betrieb durch Rechtsgeschäft erwirbt, in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Ob dies auch dann gilt, wenn über das Vermögen des Betriebsveräußerers das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wurde bereits in einigen wissenschaftlichen Abhandlungen thematisiert. Trotzdem rechtfertigt sich die vorliegende Arbeit aus folgenden Gründen: Das eröffnete Konkursverfahren ist nur eines von mehreren Stadien der Insolvenz.

I

Vg!. jüngst BVerwG, ZIP 1995, 1527.

Vg!. etwa in der ,;FAZ" v. 8.11.1995, S. 17: "In Deutschland droht ein neuer Insolvenzrekord". Einzelheiten zum Anstieg der Insolvenzen im Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutsch· land, 1995, S. 138 ff. 2

3 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung i.d.F. v. 19.12.1974 (BGB!. I, S. 3610). 4

Künftig abgekürzt PSV.

22

Einleitung

In Betracht kommen zudem noch das Stadium nach Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse, das Stadium vor und nach einem Einstellungsbeschluß, der Zeitraum zwischen der Konkurseröffnung und der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses im Rechtsmittelverfahren sowie das Stadium zwischen der Konkursantragsstellung und der konkursgerichtlichen Entscheidung, also das Konkurseröffnungsverfahren. Die verschiedenen Insolvenzstadien sind auch für die Insolvenzsicherung im Recht der betrieblichen Altersversorgung von Bedeutung. Das wird insbesondere dadurch deutlich, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers nur ein Fall von insgesamt sechs Sicherungsfällen darstellt, in denen das Betriebsrentengesetz nach § 7 I BetrAVG Insolvenzschutz gewährt. Die Frage der Erwerberhaftung nach § 613 aI BGB und insbesondere diejenige der Kollision zwischen der Erwerberhaftung und der Einstandspflicht des PSV beschränken sich mithin nicht nur auf den Fall einer Betriebsveräußerung während des Konkursverfahrens. Gerade diese Konstellation stand bislang aber eindeutig im Mittelpunkt der Diskussion. Die Probleme einer Harmonisierung der Erwerberhaftung nach § 613 a I BGB mit der insolvenzrechtlichen Absicherung der betrieblichen Altersversorgung ergeben sich gleichermaßen in allen Stadien der Insolvenz; sie bilden im folgenden den Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Zudem hat der Gedanke der Untemehmenssanierung in Form einer übertragenden Sanierung durch die Diskussion um die Insolvenzrechtsreform und die am 18.10.1994 verabschiedete Insolvenzordnung (InsO)5, deren Neuregelungen mit in diese Untersuchung einbezogen worden sind, einen neuen Stellenwert erlangt, der auch zu einer Neubelebung des Streits um die Anwendbarkeit des § 613 a BGB bei Insolvenz des Veräußerers führen muß.

I. Der Begriff der "übertragenden Sanierung" Den Begriff der "übertragenden Sanierung" hat K. Schmidt geprägt6• Er beschreibt damit den Vorgang, daß die nichthaftenden Träger des sich im Konkurs befindlichen Unternehmens, also beispielhaft die Gesellschafter einer GmbH, eine neue Gesellschaft allein mit dem Ziel gründen, das marode Unternehmen

S

BGBI. I 1994, S. 2866.

ZIP 1980, 328, 336. - Vgl. auch K. Schmidt, ZGR 1984, 196, 198; ders., in: Leipold, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmer, 1990, S. 141 ff.; ders., Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, S. 67 ff. 6

§ 1 Einführung in das Thema

23

zu erwerben7 • Heute wird der Begriff der "übertragenden Sanierung" im allgemeinen weiter gefaßt. Als übernehmender Unternehmens träger kommt nicht nur eine neu gegründete Gesellschaft, sondern auch eine bestehende Gesellschaft, beispielsweise ein Konkurrenzunternehmen, in Betracht8 • Im folgenden soll daher die Betriebsveräußerung an eine Gesellschaft, die von den nichthaftenden Trägem des veräußerten Unternehmens gegründet worden ist, um das konkursbefangene Unternehmen zu erwerben, als "übertragende Sanierung im engeren Sinne" bezeichnet werden.

11. Eingrenzung des Themas Diese Arbeit beschränkt sich auf eine Untersuchung der Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften. Die zweite große Fallgruppe, bei der die Frage der Erwerberhaftung nach dem Übergang eines maroden Betriebes eine bedeutsame Rolle spielt, nämlich die Übemahmehaftung für rückständigen Lohn, wird bewußt ausgeklammert. Die Insolvenzsicherung durch das von der Bundesanstalt für Arbeit zu leistende Konkursausfallgeld (§§ 141 a ff. AFG) weist zwar zahlreiche Parallelen zur Insolvenzsicherung im Recht der betrieblichen Altersversorgung auf; ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch bereits in der Funktion beider Insolvenzsicherungen: Während das Konkursausfallgeld eine Schnelleistung als Unterhaltsersatz darstellt, geht es bei der Insolvenzsicherung VOn Ruhegeldanwartschaften um eine langfristige Bedarfsdeckung. Diese unterschiedlichen Zwecke, die sich auch positivrechtlich niedergeschlagen haben9 , ziehen vor allem im Hinblick auf die Kollision mit einer möglichen Haftung des Betriebserwerbers unterschiedliche Beurteilungen nach sich, die im Rahmen

7 Abzugrenzen ist diese Gesellschaft von der sog. Auffanggesellschaft. Auch die Auffanggesellschaft basiert zwar auf einer Neugründung aus Anlaß der Unternehmenskrise. Sie wird jedoch von den Gläubigem gebildet, und zwar regelmäßig mit dem Ziel, das Konkursverfahren abzuwenden. - Vgl. dazu nur Gottwald, KTS 1984, 1, 16 f.

• BFH, DB 1986, 1803; Angermann, Zivilrechtliche Probleme beim Unternehmenskauf, 1987, S. 163; Baur, JZ 1982, 577, 578; Berscheid, in: Festschrift, Die Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994, S.405, 429 f.; ders., AnwBl 1995, 8, 16; Gottwald / Heime, Insolvenzrechts-Handbuch, § 5 Rdnr. 5; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, 1982, S. 165 ff.; ders., KTS 1982,305 ff.; Hanau, KTS 1982,625,628; Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 1 Rn. 80 I, Vorbem. L § 207 Rn. 1; Stürner, ZIP 1982,761,763,771; Timm, ZIP 1983, 225, 226. 9 Vgl. z.B. § 141 e AFG (Antragserfordernis und Ausschlußfrist) sowie insbesondere § 141 f. AFG (sog. vorfinanziertes Konkursausfallgeld). Entsprechende Vorschriften enthält das Betriebsrentengesetz nicht.

Einleitung

24

dieser Arbeit nicht mit der erforderlichen Sorgfalt differenziert betrachtet werden könnten. Über die Beschränkung auf Ruhegeldanwartschaften hinaus enthält die Untersuchung eine weitere thematische Einengung. Von einer "übertragenden Sanierung" spricht man auch dann, wenn die Untemehmensübertragung im Rahmen eines gerichtlichen Liquidationsvergleichs erfolgt. Dieses Insolvenzstadium soll jedoch hier ausgeklammert werden; denn mit Inkrafttreten der neuen Insolvenzordnung am 1.1.1999 wird das gerichtliche Vergleichsverfahren vollständig abgeschafft. Gleichzeitig entfällt dann auch "die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens" (vgl. § 7 I 3 Nr. 2 BetrAVG) als Sicherungsfall lO , so daß sich die Frage nach dem Verhältnis der Erwerberhaftung zur Einstandspflicht des PSV nicht mehr stellt.

In. Praxisrelevanz des Themas Daß ein Unternehmenserwerber sich mit dem Problem der Haftung für die von den noch aktiven Arbeitnehmern erdienten Versorgungsanwartschaften beschäftigen muß, ist kein Einzelfall. Die betriebliche Altersversorgung ist in der Bundesrepublik stark verbreitet; die Aufwendungen, die die Unternehmen für die betriebliche Altersversorgung aufbringen müssen, sind enorm. Nach der "Erhebung über Art und Umfang der betrieblichen Altersversorgung 1990 in den alten Bundesländern", die im Jahre 1995 vorgelegt worden ist ll , hatten 32,4 % der Unternehmen 12 eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Dabei wiesen die Verhältnisse in den einzelnen Wirtschaftsbereichen deutliche Unterschiede auf. So lag der Anteil im Bereich ,,Energie- und Wasserversorgung, Bergbau" sogar bei 66,1 %. Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung hängt aber nicht nur von dem Wirtschaftsbereich, sondern auch von der Beschäftigtengrößenklasse des Unternehmens ab l3 • So hatten Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten zu 97,8 % und Unternehmen von 1000 bis 5000 Beschäftigten zu 93,1% eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Selbst

111 Vg\. Art. 91 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGlnsO) i.d.F. v. 5.10.1994 (BGB\. I 1994, S. 2911). 11 Vg\. Heppt, Wirtschaft und Statistik 1995, S. 155 ff. sowie das Rundschreiben VI I 29 v. 12.4.1995 der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Anh. 1. 12

Die Erhebung bezog sich auf gut 683.000 Unternehmen mit etwa 16,6 Mio. Arbeitnehmern.

n Heppt, S. 155, 157.

§ 2 Gang der Untersuchung

25

in der Beschäftigtengrößenklasse von 3 bis 9 Beschäftigten lag der Anteil noch bei 23,0 %. Für das Jahr 1990 wurden als Gesamtbetrag für die betriebliche Altersversorgung 28,6 Milliarden DM gezahlt l4 • Davon wendeten die Arbeitgeber rund 97 % auf. Bezieht man die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung auf die gemeldete Bruttolohn- und Bruttogehaltssumme der Unternehmen mit betrieblicher Altersversorgung, läßt sich eine Relation von 4,9 % ermitteln 1s • Insbesondere diese Zahl verdeutlicht, warum die Arbeitgeber bei nachlassender Konjunktur mit der Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung sehr zurückhaltend sind l6 . Gleiches gilt für die Bereitschaft zur Übernahme eines insolventen Betriebs, bei dem ein Versorgungswerk besteht l7 •

§ 2 Gang der Untersuchung Das eröffnete - und noch nicht eingestellte - Konkursverfahren bildet das Ausgangsstadium der vorliegenden Arbeit (Teil 1). Hier werden zunächst die zur Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs entwickelten Auffassungen dargestellt (§ 3), und anschließend werden die Auswirkungen der sich inzwischen herrschenden sog. vermittelnden Ansicht auf die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften untersucht (§ 4). Den Schwerpunkt des ersten Teils bildet die Kritik an der Argumentation der vermittelnden Ansicht, der sich dann ein eigener Begründungsvorschlag anschließt (§ 5). Diese den Sanierungsgedanken in den Vordergrund stellende Argumentation wird sodann anhand der am 1.1.1999 in Kraft tretenden Insolvenzordnung (§ 6) sowie anhand des gegenwärtigen und künftigen (ab 1.1.1999) Betriebsrentenrechts (§ 7) überprüft. Die Untersuchungsergebnisse im ersten Teil bilden die Grundlage für die Erörterung der Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften bei einer Betriebsveräußerung in den weiteren Stadien der Veräußererinsolvenz (Teile 2-5). Hier zeigt sich der eigentliche Wert der zuvor neu entwickelten Argumentation; denn die jeweiligen Untersuchungen gelangen zum Teil zu Ergebnissen, die sich von denen einer bislang recht unkritisch hingenommenen, eingefahrenen und einhelligen Auffassung unterscheiden.

14

Heppt, S. ISS, 161.

IS

Heppt, S. ISS, 162.

16

Vgl. Beyer, DB 1996, 38; Heppt, S. ISS, 164.

11

Dazu noch im einzelnen unter § 5 11.

Erster Teil

Die Erwerberhaftung für Ruhegeldanwartschaften beim Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens Wenn es dem Konkursverwalter gelingt, den insolventen Betrieb oder einen Betriebsteil zu veräußern, hat der Betriebserwerber von vornherein nur dann für Verbindlichkeiten aus Versorgungszusagen des Gemeinschuldners nach § 613 a I BGB einzustehen, wenn diese Vorschrift bei einem Betriebsübergang während des Konkursverfahrens überhaupt anwendbar ist.

§ 3 Meinungsstand zur Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs Über die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs wird bereits seit Inkrafttreten dieser Vorschrift, die durch § 122 BetrVG vom 15.1.1972 1 in das BGB eingefügt wurde, heftig gestritten. Bei der äußerst kontrovers geführten Diskussion stehen sich eine konkursrechtliche, eine arbeitsrechtliche und eine vermittelnde Auffassung gegenüber.

I. Die konkursrechtliche Auffassung

Die sog. konkursrechtliche Auffassung lehnt es seit jeher strikt ab, § 613 a BGB bei Betriebsveräußerungen während des schwebenden Konkursverfahrens anzuwenden. Teilweise2 wird bereits ein allgemeiner Grundsatz befürwortet,

I

BGBI. I, S. 13.

Mohrbutter / Haarmann, KTS 1956, 177,210; Uhlenbruck, Abschreibungsgesellschaften, 1974, S. 90; ders., KTS 1974, 1,4; KTS 1975,253; wohl auch Beuthin, RdA 1976,156; [rschlinger, Arbeitsrechtliche Probleme im Konkurs, 1988, S. 86; Martens, DB 1977,495,496; Otto, SAE 1976, 21; Zeuner, JZ 1976, 1 ff. 2

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a 8GB im Konkurs

27

wonach dem Konkursrecht von vornherein der Vorrang vor arbeitsrechtlichen Vorschriften einzuräumen sei. Im wesentlichen stützt sich die konkursrechtliche Auffassung jedoch auf fünf Argumente, die zum besseren Überblick vorab im Zusammenhang genannt werden sollen: Zum einen sei § 613 a BGB bereits tatbestandlich bei einer Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter nicht einschlägig; zum anderen sei die Geltung von § 613 a BGB im Konkurs nicht vereinbar mit der anerkannten Nichtanwendbarkeit der §§ 25 HGB, 419 BGB; zudem sprächen das Gebot der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger, die Vermeidung einer unbilligen Doppelsicherung der Arbeitnehmer sowie der Schutzzweck des § 613 a BGB gegen eine Anwendung dieser Vorschrift im Konkurs.

1. Das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" Die konkursrechtliche Auffassung begründet ihren Standpunkt zunächst mit dem Wortlaut von § 613 all BGB, wonach "ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber" übergehen müsse. Es sei zwar nicht erforderlich, daß der Übergang selbst rechtsgeschäftlichen Charakter habe, ihm müsse jedoch ein Rechtsgeschäft zugrunde liegen. Dabei genüge es, wenn das Rechtsgeschäft dem Betriebsübergang nachfolge 3• An diesem Tatbestandsmerkmal fehle es bei einer Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter4 • Dieser handele im Rahmen der gesetzlich angeordneten Konkursabwicklung. Der Schwerpunkt einer solchen insolvenzmäßigen Abwicklung liege in der Verwertung der Masse gern. § 117 KO. Die Veräußerung des insolventen Betriebs oder eines Betriebsteils stelle eine solche Verwertungsmaßnahme im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens dar; sie sei folglich kein Rechtsgeschäft, sondern ein Akt der Zwangsvollstreckungs. Zudem sei zu berücksichtigen, daß der Konkursverwalter nicht über die Betriebsveräußerung frei entscheiden könne6 • Vielmehr sei er zur Betriebsveräußerung verpflichtet, weil diese i.d.R. die günstigste Art der Masseverwertung

3

Vgl. dazu BAG, ZIP 1989, 795 m. Anm. Gaul; Palandt I Putzo, § 613 a Rdnr. 13.

4

Martens, OB 1977,495,496.

Fuchs, Betriebsnachfolge, S. 116; Kretschmer, KTS 1977, 137, 144; Martens, OB 1977, 495, 496; Uhlenbruck, KTS 1974, I, 5; 1975,253 f.; wohl auch jüngst Berscheid, AnwBI 1995, 8, 16. 5

• Dieses betont insbesondere Martens, OB 1977,495,496.

28

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

darstelle? Diese gesetzliche Vorgabe stehe der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals "Rechtsgeschäft" i.S.v. § 613 a BOB zwingend entgegen.

2. Vergleich mit den §§ 25 HGB und 419 BGB

Des weiteren stützt die konkursrechtliche Auffassung die Nichtanwendbarkeit des § 613 a BOB im Konkurs auf einen Vergleich dieser Vorschrift mit den §§ 25 HOB und 419 BOB 8• Es ist nämlich unbestritten, daß weder § 25 HOB im Falle einer Firmen- noch § 419 BOB im Falle einer Vermögens übernahme anwendbar sind, wenn über das Vermögen des Veräußerers im Zeitpunkt der Übernahme bereits das Konkursverfahren eröffnet worden ist9 • § 25 I 1 HOB ordnet die Haftung des Erwerbers für alle im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten an, wenn der neue Inhaber das Handelsgeschäft unter der alten Firma fortführt. Liegt ein Erwerb vom Konkursverwalter vor, weil zuvor über das Vermögen des Firmeninhabers das Konkursverfahren eröffnet worden ist und der Verwalter anstelle des Firmeninhabers die Verfügungsbefugnis erlangt, wird der Anwendungsausschluß von § 25 I 1 HGB z.T. auf das Argument gestützt, es liege in diesem Fall schon kein Erwerb i.S.d. Vorschrift vor lO ; andererseits 11 wird darauf abgestellt, der Geschäftsveräußerungsvertrag mit dem Konkursverwalter beinhalte stillschweigend eine Abbedingung der Erwerberhaftung i.S.v. § 2511 HGB. Zudem wird die mangelnde Geltung von § 25 HGB im Konkurs damit begründet, daß anderenfalls die Geschäftsgläubiger des Gemeinschuldners aus dem Vermögen des Erwerbers eine vollständige

7

Dazu auch Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 117 Rdnr. 17.

Martens, DB 1977, 595, 596; Riedei, NJW 1975, 765, 766; Uhlenbruck, KTS 1974, I, 3, 4; KTS 1975, 253, 254. K

• Zu § 25 HGB: RGZ 58, 166, 168; BAG AP Nr. 7 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge m. Anm. Beitzke; NJW 1966, 1984; Baumbach / Duden / Hopt. HGB, § 25 Anm. 1 C; Brox. Handelsrecht und Wertpapierrecht, Rdnr. 167; Gierke / Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht I, § 16 I 3; Grub, KTS 1978, 129, 130; Hüffer, in: GroßKornm.HGB, § 25 Rdnr. 61; Jaeger / Henckel, KO, § I Anm. 16; Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 1 Rdnr. 80 e. - Zu § 419 BGB: BGHZ 66, 217, 218; Grub. KTS 1978,129,130; Henckel. ZGR 1984, 225, 240; MünchKornm I Miischel, § 419 Rdnr. 36; Palandt I Heinrichs, § 419 Rdnr. 12; Pietzko, Der Tatbestand des § 613 a BGB, S. 195; Soergel/ Zeiss, § 419 Rdnr. 10. - Vgl. insoweit auch Hess / Fechner. Sanierungshandbuch, E Rdnr. 251 f. 10 Baumbach / Duden / Hopt, HGB, § 25 Anm. C; Beitzke, Anm. zu BAG AP Nr. 7 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge; K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 11 3. b).

11 BAG AP Nr. 7 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge mit Anm. Beitzke; Gierke / Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht I, § 16 I 3; Schlegelberger / Hildebrandt / Steckhan, HGB, § 25 Rdnr. 8.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BOB im Konkurs

29

Befriedigung erhielten, während die Privatgläubiger auf eine Konkursquote angewiesen wären. Gerade diese Quote werde aber in dem Maße geändert, in dem der Erwerber den der Masse zufließenden Kaufpreis um den Betrag der übernommenen Geschäftsschulden vermindere l2 . Es werde also eine Gruppe von Konkursgläubigern (Geschäftsgläubiger) zu Lasten einer anderen Gläubigergruppe (Privatgläubiger) bevorzugt. Um der Gleichbehandlung der Gläubiger willen könne der Konkursverwalter folglich das Unternehmen nur ohne die Wirkung des § 25 HGB veräußern 13. Gleiches gilt anerkanntermaßen auch für § 419 BGB I4 • Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, der durch Vertrag nahezu 1s das gesamte Vermögen eines anderen übernimmt, im Wege des Schuldbeitritts für alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Verbindlichkeiten des Veräußerers. Wird ein Unternehmen veräußert, welches als juristische Person geführt wird, ist die Übernahme des gesamten Vermögens immer zu bejahen. Eine juristische Person hat nämlich außer dem Geschäftsvermögen keine weiteren Vermögenswerte l6 . Bei der Veräußerung einer Personenhandelsgesellschaft ist eine Vermögensübernahme i.S.v. § 419 BGB nur dann zu bejahen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter kein nennenswertes Privatvermögen hat 17 • Veräußert der Konkursverwalter nunmehr mit dem Unternehmen auch das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners, verstößt die Rechtsfolge VOn § 419 BGB nach ganz einhelliger Auffassung gegen den Zweck des Konkurses, im Rahmen eines Gesamtvollstreckungsverfahrens eine geordnete Gläubigerbefriedigung zu ermöglichen l8 • Der Unternehmer werde nämlich keine Gegenleistung erbringen, da

12

Henckel, ZIP 1980, 2, 5; Laux, Die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs, S. 63.

IJ

Henckel, ZIP 1980,2, 5; Laux, Die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs, S. 63.

Vgl. nur Hess / Fechner, Sanierungshandbuch, E Rdnr. 251 f.; Palandt I Heinrichs, § 419 Rdnr. 12; RGRK IAscheid, § 613 a Rdnr. 146. - Siehe auch zur Aufhebung von § 419 BGB ab dem 1.1.1999 unten § 12 I. 3. b) bb). 14

IS Insoweit hat ein Wertvergleich des übertragenden mit dem verbliebenen Vermögen zu erfolgen. Auf bestimmte Prozentzahlen hat sich die Rechtsprechung bislang noch nicht festgelegt. Der Grenzwert liegt in der Bandbreite von 10-15 %; vgl. BGHZ 66, 219; 77, 299; 118, 293 sowie RGRK I Weber, § 419, Rdnr. 33 f.; Soergel/Zeiss, § 419 Rdnr. 4. 16 Groß, Sanierung durch Fortfiihrungsgesellschaften, Rdnr. 323; Palandt I Heinrichs, § 419 Rdnr.8.

17 Vgl. zur KG: BGHZ 27, 263; DB 1991, 1827; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, Rdnr. 323; Palandt I Heinrichs, § 419 Rdnr. 8. 18 LAG Baden-Württemberg, DB 1977, 826; LAG Harnrn, ZIP 1982, 991, 992; Henckel, ZIP 1980,2,6; Uhlenbruck, KTS 1974, 1,4; KTS 1975,253,254. - Vgl. allerdings für Masseschulden Beitzke, Anm. zu BAG AP Nr. 7 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge.

30

I. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

konkursbedingt die übernommenen Passiva des Unternehmens die Aktiva überstiegen. Statt dessen werde er sich auf die Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögen gern. § 41911 BGB berufen. Die Gläubiger seien also darauf angewiesen, in einem nunmehr völlig ungeordneten Verfahren auf diese Vermögensmasse des Übernehmers Zugriff zu nehmen 19 . Als Alternative bliebe zwar ein "Sonderkonkurs" des übernommenen Vermögens 20 ; dieses Ergebnis wäre aber schon deshalb unsinnig, da über dieselbe Masse ein zweites Konkursverfahren durchgeführt werden müßte 21 . Für § 613 a BGB müsse nach Auffassung des konkursrechtlichen Schrifttums der gleiche Anwendungsausschluß wie für §§ 25 HGB, 419 BGB gelten 22 . Zwar bestünden gegen die Anwendbarkeit von § 613 a BGB keine Bedenken, soweit es um die Pflichten des Arbeitgebers nach dem Betriebsverfassungsgesetz, also insbesondere um die Aufrechterhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG auch gegenüber dem neuen Betriebsinhaber23 gehe; soweit es jedoch die Erwerberhaftung gern. § 613 aI BGB betreffe, sei die rechtliche Parallele zum "ausdiskutierten Haftungsausschluß des Geschäfts- oder Firmenübernehmers nach §§ 419 BGB, 25 HGB offensichtlich"24. Würde der Erwerber für alle bei Betriebsübergang bestehenden Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen haften, würde auch hier die durch das Konkursrecht vorgegebene Rangfolge der Forderungen gegen den Gemeinschuldner durchbrochen 25 . Eine bestimmte Gruppe von Gläubigern - die Arbeitnehmer - könnte dann außerhalb konkursrechtlicher Grundsätze zur Schuldenregulierung die Durchsetzung ihrer Forderungen realisieren. Daß § 613 a BGB in dieser Form die konkursrechtlich festgelegte Rangordnung beseitigen

19

Henckel, ZIP 1980,2,5 f.; Uhlenbruck, KTS 1974, 1,4.

20

Kleissler, Konkursrechtliche Probleme des § 419 BGB, 1974, S. 19 ff.

21

So zu Recht Henckel, ZIP 1980,2,5.

22 LAG Baden-Württemberg, OB 1970,826; LAG Hamm, ZIP 1982, 991, 992; LAG RheinlandPfalz, Vrt. v. 25.5.1975, V TaBV 33/74 (unveröffentlicht); ArbG Köln, OB 1977,2146; HeilfTllllln, Rechtslage, S. 100; Martens, OB 1977,595,596; Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 1 Rdnr. 80 a; Riedei, NJW 1975,765,766; Uhlenbruck, KTS 1974, 1,3,4; KTS 1975,253,254. 2J

Martens, OB 1977,495,496; Riedei, NJW 1975,765.

So ausdrücklich Martens, OB 1977,595 f.; vgl. auch RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 146; Riedei, NJW 1975,765,766; Uhlenbruck, KTS 1974, 1,3 f.; KTS 1975,253,254. 24

2.'

Oazu insbesondere Riedei, NJW 1975,765,766.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

31

sollte, könne nicht angenommen werden26 ; insoweit sei das Konkursrecht vorrangig 27 •

3. Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger

An diesen Gesichtspunkt knüpft ein weiteres Argument der konkursrechtlichen Auffassung an. Die Gegner einer Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs begründen ihre Auffassung nämlich auch damit, daß die Rechtsfolgen dieser Vorschrift gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger (par conditio omnium creditorum) verstießen 28 • Das Konkursrecht sei dadurch gekennzeichnet, daß die Ansprüche gegen den Gemeinschuldner in einem Gesamtvollstreckungsverfahren nach gesetzlich vorgegebenen Regelungen abzuwickeln seien. Diese Regelungen würden geprägt vom Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, da auf jeden Gläubiger eine gleiche Haftungsquote entfalle29 • Mit diesem Grundsatz sei es unvereinbar, wenn § 613 a BGB im Falle einer Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter gelten würde30• Falls man dem Arbeitnehmer anstelle seiner Ansprüche gegen den Gemeinschuldner eine Geltendmachung gegen den Betriebserwerber zubilligen würde, führe dies zu einer Untergrabung der konkursrechtlichen Verteilungsordnung. Letztlich würden sogar die übrigen Gläubiger dadurch geschädigt. Falls nämlich der Erwerber nach § 613 a I BGB für die bereits vor der Konkurseröffnung entstandenen Forderungen der Arbeitnehmer einzustehen habe, würde er im Um-

2ti

Riedei, NJW 1975,765,766.

Grub, KTS 1978, 129, 131; Riede!, NJW 1975,765,766; Martens, DB 1977,495,496, unter Hinweis auf BGH, DB 1976,2467, wo der Vorrang des Konkursrechts in dem Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Miterben nach § 2034 BGB betont wird. 27

2. Erman I Hanau, § 613 a Rdnr. 29; Grub, KTS 1978, 129, 131; Martens, DB 1977,495,496; Duo, SAE 1976,21; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 146 f.; Riedei, NJW 1975,765,766; Staudinger I Richardi, § 613 a Rdnr. 194 (entgegen RdA 1976, 54, 56); Uhlenbruck, KTS 1974, I, 6; Zeuner, JZ 1976, I ff.; wohl auch LAG Baden-Würtemberg, DB 1977,826. 2. Vgl. dazu nur Grub, KTS 1978, 129, 131; Riedei, NJW 1975,765,766. 311 Erman I Hanau, § 613 a Rdnr. 29; Grub, KTS 1978, 129, 131; Laux, Die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs, S. 69 ff.; Martens, DB 1977,495,496; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 146 f.; Riedei, NJW 1975,765,766; Staudinger I Richardi, § 613 a Rdnr. 194 (entgegen RdA 1976. 54, 56); Uhlenbruck, KTS 1974, 1,6; KTS 1975,253,254.

32

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

fang dieser Haftung den der Masse zufließenden Kaufpreis für den Betrieb vermindern 3l . Die Anwendung von § 613 a BGB führe also zu einer Schmälerung der zur Verfügung stehenden Konkursmasse. Die vollständige Befriedigung der Arbeitnehmer durch den Betriebserwerber reduziere mithin im Ergebnis denjenigen Betrag, mit dem die übrigen Gläubiger quotal befriedigt würden. Eine derartige Verminderung des Kaufpreises bewirke zudem, daß nicht der volle Gegenwert des veräußerten Betriebes zur Masse gelange. Dieses sei Unvereinbar mit der Regelung in § 3 I KO, wonach die Konkursmasse "zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger" diene 32 •

4. Unbillige Doppelsicherung der Arbeitnehmer Weiterhin steht das konkursrechtliche Schrifttum auf dem Standpunkt, die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs führe zu einer unbilligen Doppelsicherung der Arbeitnehme~3. Der Arbeitnehmer könne nämlich im Falle einer Betriebsveräußerung seine Ansprüche sowohl gegen den Betriebserwerber gern. § 613 al BGB als auch gern. § 613 all BGB (Veräußererhaftung) im Konkursverfahren geltend machen. Eine derartige doppelte GläubigersteIlung sei mit der konkursrechtlichen Abwicklung unvereinbar. Im Konkurs sei der Arbeitnehmer bereits durch die konkursrechtlichen Spezialgesetze (§§ 59 I Nr. 3, 61 I Nr. 1, 11 KO; 4 I SozPIG) hinreichend geschützt34 . Darüber hinaus werde der Arbeitnehmer durch den Anspruch auf Konkursausfallgeld gegen die Bundesanstalt für Arbeit (§§ 141 a ff. AFG) der rückständige Lohn für die letzten drei Monate vor Konkurseröffnung garantiert. Eine gleiche Garantiefunktion besitze die Insolvenzsicherung für betriebliche Altersversorgungsansprüche gern. §§ 7 ff. BetrAVG35 , so daß dem Sicherungsbedürfnis des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers bereits Genüge getan ist; eine weitergehende Sicherung der Arbeitnehmer durch die Haftung des Betriebserwerbers sei vom Gesetzgeber nicht gewolle6 •

Jl

Dieses betont insbesondere Martens, OB 1977,495,496.

J2

Uhlenbruck, KTS 1974, 1,4.

n Hess, OB 1976, 1154, 1156; Martens, OB 1977, 495, 497; RGRK I Ascheid, § 613 a Rdnr. 146; Uhlenbruck, KTS 1975, 253, 254. 34

Martens, OB 1977,495,496,497; Riedei, NJW 1975,765,767.

35

Ausführlich dazu noch unter § 4 11.

3. Dillenburger / Pauly, JA 1995, 463, 467; Martens, OB 1977, 495, 497; Riedel, NJW 1975, 765,767.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

33

5. Unvereinbarkeit mit dem Schutzzweck von § 613 a BGB Des weiteren widerspricht die konkursrechtliche Auffassung der These, § 613 a BGB müsse gerade im Konkurs des Arbeitgebers gelten, weil die

Rechte der Arbeitnehmer dann am stärksten gefährdet seien und daher ein erhöhtes Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers bestehe37 • Schon der Ausgangspunkt der arbeitsrechtlich orientierten Auffassung, § 613 a BGB verfolge den Zweck der Arbeitsplatzerhaltung38 , wird bestritten. Das vornehmliche Ziel der Einfügung von § 613 a in das BGB sei vielmehr gewesen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gern. §§ 111 ff. BetrVG auch gegen den neuen Arbeitgeber durchzusetzen39 • Aber selbst wenn man den Bestand der Arbeitsplätze in den Schutzbereich von § 613 a BGB miteinbeziehe, sei dieses kein Argument für, sondern gerade gegen eine Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Konkurs. Müßte der Betriebserwerber die Verbindlichkeiten nach § 613 a BGB übernehmen, wäre weder ein anderes Unternehmen zum Betriebserwerb bereit noch wäre es wirtschaftlich zweckmäßig, zur Sanierungsförderung eine betriebsübernehmende Auffanggesellschaft zu gründen40 • Würde der Konkursverwalter trotz der auf den Betriebserwerber zukommenden Belastungen dennoch einen Kaufinteressenten finden, würde dieser den Kaufpreis im Hinblick auf die zu übernehmenden Verbindlichkeiten dermaßen mindern, daß mit einer zerschlagenden Liquidation höhere Erlöse zu erzielen wären als bei einer Betriebsveräußerung41 • Zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht nach § 82 KO wegen Verkürzung der Konkursmasse bleibe dem Konkursverwalter letztlich nur die Möglichkeit, den Betrieb stillzulegen und zu liquidieren42 •

37 So Derleder, AuR 1976, 129, 131; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; v. Stebut, OB 1975, 2438,2439.

38 Galperin, Regierungsentwurf, S. 16 f.; Gaul, BUV 1972, 181, 183; v. Stebut, OB 1975,2438, 2440 m. Fn. 19. 39

LAG Baden-Würtemberg, OB 1977,826; Martens, OB 1977,495,496 .

..., ArbG Köln, OB 1977,2147; Martens, OB 1977,495,497. 41

Grub, KTS 1975, 129, 135.

Bieler, BB 1981,435,437; Grub, KTS 1978, 121, 131 ff., 136; Kretschmer, KTS 1977, 137, 144; Laux, Die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs, S. 68 ff.; Martens, OB 1977, 495, 497; Riedei, NJW 1975,765,766 f.; Uhlenbruck, KTS 1974, 1,6; KTS 1975,253, 254; ders., Insolvenzrecht, Rdnr. 200. '2

3 Lohkcmper

34

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens 11. Die Gegenargumentation der arbeitsrechtlichen Auffassung

Zahlreiche Autoren des arbeitsrechtlichen Schrifttums43 sowie einige Instanzgerichte44 sprechen sich seit jeher für die uneingeschränkte Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs aus. Mit Blick auf den Gesetzgeber wird allerdings z.T. die Forderung erhoben, das wichtige Problem der Geltung von § 613 a BGB im Konkurs klarstellend festzuschreiben 45 • Aus dieser fehlenden Berücksichtigung des Problems durch den Gesetzgeber wird nun zum Teil46 folgende Schlußfolgerung gezogen: Gehe man davon aus, der Gesetzgeber habe die Problematik erkannt, hätte eine Einschränkung von § 613 a BGB im Konkurs im Gesetzeswortlaut Anklang finden müssen. Da dieses nicht erfolgt sei, könne man dem Willen des Gesetzgebers unterstellen, § 613 a BGB auch bei Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter vollständig und uneingeschränkt anzuwenden41 • Nehme man jedoch an, dem Gesetzgeber habe das Problembewußtsein gefehlt und es läge daher eine unbewußte Gesetzeslücke vor, käme eine Einschränkung des § 613 a BGB im Konkurs nur durch Rechtsfortbildung in Betracht. Eine solche dem Gesetzeswortlaut

43 Becker / Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305 f.; Birk, Anm. zu BAG, EzA Nr. 11 zu § 613 a BGB; Borngräber, Arbeitsverhältnis, S. 52 f.; Brill / Matthes /Oehmann, Insolvenzrecht, S. 35; Dauenheimer, OB 1979, 989 f.; Däubler, Arbeitsrecht 11, S. 360 f.; Derleder, AuR 1976, 129 f.; Etui, Betriebsübergang, NWB, Fach 26, S. 1545,1546; Everhardt, BB 1976, 1611; Grunsky, RdA 1978,174,176; Heinze, AuR 1976,33,40; OB 1980,205,212; Hess, OB 1976, 1154; v. Hoyningen-Huene / Windbichler, RdA 1977, 329, 330; Hueck, KSchG, § 1 Rdnr. 30; Kehrmann, MitbestimmungsGespr. 1975,88,89; Oberhofer, BR 1977,303,313; Palme, B1StSozArbR 1977, 386; Paulsdor./f, in: Heubeck / Höhne / Pau1sdorff / Rau / Weiner!, § 7 Rdnr. 38; ders., KTS 1977,212, 220; Posth, Betriebsinhaber-wechsel, S. 84; Richardi, RdA 1976, 54, 56; ders., Sozialplan und Konkurs, S. 37; RumpjJ, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 62; Säcker / loost, OB 1978,1078,1082; Schmitt, BB 1978, 1724 ff.; Schwerdtner, Anm. zu BAG, SAE 1978, 57, 61; Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB; v. Stebut, OB 1975, 2438; vgl. auch Wagner, Insolvenzrecht, S. 186 .

.. LAG Hamm, OB 1979, 1365; Ur!. v. 15.2.1978, 2 Sa 1642/77 (unveröffentlicht); LAG Oüsse1dorf, OB 1978,702,703; LAG Schleswig-Holstein, BB 1976, 1369 (vgl. aber auch OB 1978, 1906); ArbG Köln, Ur!. v. 14.3.1979,7 Ca 5949/78 (unveröffentlicht); ArbG Lübeck, OB 1979, 989; ArbG Rendsburg, KTS 1975,251. 4S Birk, Anm. zu BAG, EzA Nr. 11 zu § 613 a BGB; Hasford, BB 1973,526; Kraft, in: Festschrift 25 Jahre BAG, 1979, S. 299, 302; Lepke, BB 1979, 526; Lieb, Arbeitsrecht, S. 17; Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 21; Schwerdtner, Anm. zu BAG, SAE 1978, 57,61; Seiter, OB 1980,877; Steckhan, in: Festschrift für Schnorr v. Carolsfeld, 1972, S. 463 ff.; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 20 111. - Vgl. zu den einschlägigen Regelungen der am 1.1.1999 in Kraft tretenden Insolvenzordnung unten IV. 3. ot;

Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 21.

47

Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 22.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

35

widersprechende Rechtsfortbildung setze jedoch das Bestehen eines Rechtsnotstandes voraus48 , der eine einschränkende Auslegung von § 613 a BGB geradezu aufzwingen würde; dieses sei aber nicht ersichtlich49 • Im einzelnen werden der konkursrechtlichen Auffassung, die gegen eine Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs plädiert, werden folgende Argumente entgegengehalten:

1. Kein tatbestandlicher Ausschluß von § 613 a BGB im Konkurs Zunächst biete der Wortlaut von § 613 a BGB keinen Anhaltspunkt dafür, die Anwendbarkeit dieser Norm im Konkurs einzuschränken. Auch das Merkmal "durch Rechtsgeschäft" ändere daran nichts 50 •

a) Das "Rechtsgeschäft" als Abgrenzungskriterium zur Gesamtrechtsnachfolge Die arbeitsrechtliche Auffassung beruft sich auf die ganz h.M., wonach das Kriterium "durch Rechtsgeschäft" kein Tatbestandsmerkmal mit positivem Bedeutungsgehalt darstellt, sondern ausschließlich der Abgrenzung zur Uni versalsukzession dient51 • An diesem Merkmal scheitere die Geltung der Rechts-

4R

Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 23.

49

Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 23.

~ LAG Hanun, DB 1979, 1365, 1366; Bieler, BB 1981,436; Schmitt, BB 1978, 1725; Everhardt,

BB 1976, 1611, 1613; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 58. SI Vgl. jüngst BAG, NZA 1995,222,224; 1994,266 (allerdings außerhalb der Insolvenz) sowie Backhaus, DB 1985, 1131; Bauer, Untemehmensveräußerung, S. 29; Becker-Schaffner, BIStSoz ArbR 1975,305,306 m. Fn. 1 und 10; Berscheid, AnwBI 1995, 8, 16 ff.; Beisel / Klumpp, Unternehmenskauf, Rdnr. 488; Blank / Blanke / Klebe / Kümpel / Wendeling-Schröder / Wolter, Arbeitsschutz, S. 186; Bracker, Betriebsübergang, S. 37; Falkenberg, DB 1980,783; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 44 f., 97; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 336; Gaul, DB 1979, 1666, 1669; Gottwald / Heinze, Insolvenzrechts-Handbuch, § 91 Rdnr. 16; Heinze, DB 1980, 205, 208; v. Hoyningen-Huene / Windbichler, RdA 1977, 329, 330; Kehrmann, MitbestimmungsGespr. 1975, 88, 89; Kreyci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag, S. 244; Lutz, Bctriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 26; Neumann-Duesberg, BB 1971,769,770; Palme, BIStSozArbR 1977,386; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 11811 2; ZIP 1984,272,274; Arbeitsrecht der Gegenwart 18 (1981), S. 71,74; Schreiber, RdA 1982,137, 142; Schwerdmer, in: Festschrift f. G. Müller, 1981, S. 557,565; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 42; DB 1980,877,878 f.; Simon, ZfA 1987,311,326; Steckhan, in: Festschrift f. Schnorr v. Carolsfe1d,

3*

36

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

folgen von § 613 a BGB also nur dann, wenn der Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehe. Die Funktion des Merkmals "durch Rechtsgeschäft" als Auffangtatbestand zur Universalsukzession wird historisch-teleologisch begründet. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs s2 sei der Wille des Gesetzgebers erkennbar, durch das Merkmal "Rechtsgeschäft" eine Lücke im Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse schließen zu wollens3 • Während bei der Gesamtrechtsnachfolge der neue Rechtsträger kraft Gesetzes (z.B. § 1922 BGB) die ArbeitgebersteIlung des alten Rechtsträgers übernehme, habe für die Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden eine Regelungslücke bestanden. Außer dieser Lückenfüller-Funktion enthalte der Regierungsentwurf keine weitere Motivation des Gesetzgebers s4 • Der Zweck des Merkmals "durch Rechtsgeschäft" beschränke sich folglich auf die Abgrenzung zur Gesamtrechtsnachfolge.

b) Die Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter als rechtsgeschäftlicher Verwertungsakt Zudem stellt die arbeitsrechtliche Auffassung darauf ab, der Tatbestand des § 613 a BGB sei selbst dann erfüllt, wenn man den Ausdruck "durch Rechtsgeschäft" als Tatbestandsmerkmal mit positivem Bedeutungsgehalt ansehe. Die Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter sei nämlich als rechtsgeschäftlicher Verwertungsakt aufzufassen ss • Für die Annahme als Akt der

1974, S. 463,467 m. Fn. 11; Vo/lkommer, Anm. zu BAG AP Nr. 19 zu § 613 a BGB; Walker, Der Vollzug der Arbeitgebererbfolge mit einem vermeintlichen Erben, S. 143; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 91. - Kritisch Boecken, ZIP 1994, 1087; Däubler, RdA 1995, 136, 139; B. Gaul, NZA 1995, 717, 721; Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 56 ff. sowie Pietzlw, Der Tatbestand des § 613 a BGB, S. 121 ff. ~2 BT-Drucks. VI 11786, S. 59: "In Fällen der Universalsukzession - Umwandlung und Verschmelzung von Gesellschaften - ist eine derartige Vorschrift nicht erforderlich." S3 Vgl. dazu Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 25 f.; Schmitt, BB 1978, 1724, 1725; vgl. dazu auch BAG, OB 1989, 1526, 1527; BB 1981,848,850; Brox / Rüthers. Arbeitsrecht, Rdnr. 223 b; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 42; Walker, Der Vollzug der Arbeitgebererbfolge mit einem vermeintlichen Erben, 1985, S. 57. S4 Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 26 m. Hinweis auf BT-Drucks. VI 1 1786, S. 59.

ss LAG Hamm, OB 1979, 1365; Derleder, AuR 1976, 129, 133; Fischer, Individualrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 57; Heinze, OB 1980,205,209; AuR 1976, 33, 40; Hess, OB 1976, 1154; Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S.59 f.; Löwisch, Arbeitsrecht, Rdnr. 1445; Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S.26 ff.;

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

37

Zwangsvollstreckung spreche zwar, daß das Konkursverfahren ein Gesamtvollstreckungsverfahren darstelle; diese Einordnung schließe den Tatbestand einer rechtsgeschäftlichen Übertragung jedoch nicht aus. Die Eröffnung des Konkursverfahrens verleihe dem Verwalter nach § 117 KO lediglich die Befugnis, das Vermögen des Gemeinschuldners zu verwalten und zu verwerten. Unabhängig von der umstrittenen56 Rechtsstellung des Konkursverwalters lägen der Veräußerung von Massegegenständen hauptsächlich privatrechtliehe Rechtsgeschäfte zugrunde57 • Das ergebe sich vor allem daraus, daß die Verwertungsmöglichkeiten des Verwalters durch Zwangsverwaltung und -versteigerung in den §§ 126 ff. KO ausdrücklich geregelt seien58 • Verwerte der Konkursverwalter die zur Konkursmasse gehörenden Vermögensgegenstände des Gemeinschuldners hingegen im Wege des freihändigen Verkaufs, bestehe kein Zweifel daran, eine privatrechtliehe Rechtsgestaltung anzunehmen. Gleiches gelte auch für den Verkauf eines Betriebs oder Betriebsteils, so daß die Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter auch im positiven Wortsinn ein Rechtsgeschäft i.S.v. § 613 a BGB darstelle.

2. Keine Vergleichbarkeit der §§ 25 HGB, 419 BGB mit § 613 a BGB

Dem von der konkursrechtlichen Auffassung vertretenen Standpunkt, bei § 613 a BGB müsse ebenso wie bei den §§ 25 HGB, 419 BGB aufgrund der

Vergleichbarkeit der Vorschriften ein Anwendungsausschluß gelten59 , wird aus mehreren Gründen widersprochen. Die gezogene Parallele zwischen § 613 a BGB und § 25 HGB scheitere schon daran, daß die letztgenannte Norm im Unterschied zur erstgenannten dispositiv sei60 • Der Geschäftsübernehmer könne sich durch eine abweichende Vereinbarung nach § 25 11 HGB der Haftung entziehen. § 25 HGB sehe also einen Ausschluß der Haftungsübernahme kraft

Mohrbutter, NZA 1985, 105; KTS 1983,6; Paulsdorff, KTS 1977,212,220; RicluJrdi, RdA 1976, 56,57; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 152 f. SCI

Vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Kilger / K. Schmidt, KO, § 6 Anm. 2.

~7 Derleder, AuR 1976, 129, 133; Fischer, Individualrechtliche Probleme beim Betriebsübergang

nach § 613 a BGB, S. 57; Kerschner / Köhler, Betriebsveräußerung im Arbeitsrecht, 1983, S. 65; Schreiber, RdA 1982, 137, 143; v. Stebut, DB 1975,2438,2439.

~R Paulsdorff, KTS 1977,212,220; RicluJrdi, RdA 1976, 56, 57; Schmitt, BB 1978, 1724, 1725. ~.

Vgl. oben unter I. 2.

.., Derleder, AuR 1976, 129, 131; Heinze, AuR 1976,33,40; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727.

38

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

Parteiwillens vor. Eine solche Konstellation sei auf § 613 a BGB nicht übertragbar61 • Im Falle der Veräußerung des nahezu 62 gesamten Vermögens könne die Haftung des Übernehmers nach § 419 BGB zwar nicht durch eine Parteivereinbarung abgedungen werden; der wesentliche Unterschied zu § 613 a BGB bestehe jedoch darin, daß die Haftung kraft Gesetzes (§ 419 11 1 BGB) auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt sei63 • Diese Vermögensmasse, die aufgrund des Vorliegens eines Konkursgrundes nicht zur Befriedigung aller Gläubiger des Gemeinschuldners ausreiche, wäre nunmehr - allerdings in den Händen des Erwerbers - dem ungeordneten Zugriff des einzelnen Gläubigers und folglich der Singularvollstreckung ausgesetzt. Dieses Ergebnis würde dem Zweck des Konkursverfahrens, der darin liege, im Wege einer Gesamtvollstreckung eine geordnete Gläubigerbefriedigung zu erreichen, widersprechen64 • Aufgrund einer mangelnden Beschränkbarkeit der Erwerberhaftung nach § 613 a BGB bestehe eine solche Gefahr bei der Betriebsübernahme nicht6s • Weiterhin fehle es auch an einer Parallele hinsichtlich der Rechtsfolgen. §§ 25 HGB, 419 BGB ordneten keine Rechtsnachfolge, sondern einen gesetzlichen Schuldbeitritt an 66 • Eine derartige originäre Haftung sehe § 613 a BGB in Abs. 2 zu Lasten des Betriebsveräußerers vor67 • Der Betriebserwerber hinge-

.. Derleder, AuR 1976, 129, 131; Heinze, AuR 1976,33,40; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; vgl. auch Kerschner / Köhler, Betriebsveräußerung im Arbeitsrecht, 1983, S. 65; Richardi, RdA 1976, 56,57. 62 Vgl. BGHZ 66, 219; 77, 299; 118, 293; RGRK I Weber, § 419, Rdnr. 33 f.; Soergel/ Zeiss, § 419 Rdnr. 4 (10-15 %). 63 Bomgräber, Arbeitsverhältnis bei Betriebsübergang, S. 54; Derleder, AuR 1976, 129, 131; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 66; Richardi, RdA 1976, 56, 57; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 157. M Derleder, AuR 1976, 129, 131; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 66; Richardi, RdA 1976, 56, 57; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727.

M Bomgräber, Arbeitsverhältnis bei Betriebsübergang, S. 54; Derleder, AuR 1976, 129, 131; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S.66; Richardi, RdA 1976,56,57; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 157 .

.. Denck, DB 1986, 1722, 1723; Derleder, AuR 1976, 129, 131; Heinze, DB 1980,205,208,211; Kerschner / Köhler, Betriebsveräußerung im Arbeitsrecht, 1983, S. 66. 67 Vgl. Erman I Hanau, § 613 a Rdnr. 106; RGRK I Ascheid, § 613 a Rdnr. 238; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 119 IV.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

39

gen hafte aufgrund gesetzlicher Sonderrechtsnachfolge68 • Bereits aus diesem Grunde sei die Haftung des Vermögens- bzw. des Geschäftsübemehmers nicht mit derjenigen des Betriebserwerbers vergleichbar69 • Parallelen ließen sich vielmehr zwischen dem Betriebserwerber und dem Erwerber eines vermieteten Grundstücks nach § 571 BGB ziehen70 • Da § 571 BGB wiederum anerkanntermaßen im Konkurs anwendbar sei71 , müsse dieses auch für § 613 a BGB gelten 72 •

3. Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aller Gläubiger

Auch der VOn der konkursrechtlichen Auffassung behauptete Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz73 liege nicht vor. Eine Geltung von § 613 a BGB im Konkurs führe nämlich nicht zu einer unmittelbaren Schmälerung der Konkursmasse. Wenn die Arbeitnehmer ihre Forderungen gegenüber dem Betriebserwerber geltend machten, erfolge eine Befriedigung aus der Vermögensmasse eines Dritten, nicht jedoch aus der Konkursmasse74 • Daß möglicherweise durch eine Minderung des Verkaufserlöses eine mittelbare Verkürzung der Konkursmasse eintrete, sei zum einen nicht belegbar75 , zum anderen reiche diese Reflexwirkung für einen Ausschluß der Erwerberhaftung nicht aus 76 • Im übrigen sei diese Konsequenz, wenn sie denn tatsächlich vorliegen sollte, de

.. Heinze, OB 1980,205,208; G. Lüke, Anm. zu BAG AP Nr. 24 zu § 613 a BGB; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr.126; Schreiber, RdA 1982, 137 . •9

Derleder, AuR 1976, 129, 131; Heime, AuR 1976,33,40; OB 1980,205,211.

70

Heime, OB 1980,205,211; Henckel, ZIP 1980, 1,6; Schreiber, RdA 1982, 137, 138 f.

Vgl. nur Palandt I Putzo, § 571 Rdnr. 8; RGRK IGelhaar, § 571 Rdnr. 9; Staudinger I Emmerich, § 571 Rdnr. 35. 71

72 Heinze, AuR 1976,33,40; OB 1980,205,211; Henckel, ZIP 1980, 1,6; v. Stebut, OB 1975, 2438, 2439. - Gegen die Vergleichbarkeit des § 613 a BGB zu § 25 HGB hat sich Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 64 f., ausgesprochen. 7J

Vgl. oben I. 3.

Derleder, AuR 1976, 129, 130; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; vgl. auch Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 66; Häsemeyer, KTS 1982, 507, 509 ff., 513; Loritz, RdA 1987,63,86; v. Stebut, OB 1975,2438,2439. 74

7S Birk, Anm. zu BAG, EzA Nr. 11 zu § 613 a BGB; Derleder, AuR 1976, 129, 134; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 75; Schmitt, BB 1978, 1724, 1726 f.; Schwerdtner, in: Festschrift f. G. Müller, 1981, S. 557, 559; Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB. 7.

So vor allem v. Stebut, OB 1975,2438,2439.

40

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

lege lata in Kauf zu nehmen 77 • Letztlich sei ein venneintlich verringerter Kaufpreis hinnehmbar, zumal die Konkursmasse infolge des Betriebsübergangs nicht mit den Kosten eines Sozialplans78 belastet werde79 •

4. Keine unbillige Privilegierung der Arbeitnehmer Dem Standpunkt des konkursrechtlichen Schrifttums, die Erwerberhaftung nach § 613 aI BGB führe zu einer unzulässigen Übersicherung dieser Gläubigergruppe80, wird entgegengehalten, daß eine solche Besserstellung schon deshalb gerechtfertigt sei, da die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Betrieb stecke und sich dadurch der Verkaufserlös zugunsten aller Gläubiger erhöhe81 • Im übrigen zeige die gesamtschuldnerische Haftung des Betriebserwerbers (Abs. 1) und -veräußerers (Abs. 2), daß der Gesetzgeber durch die Regelung in § 613 a BGB offensichtlich eine doppelte Sicherung des Arbeitnehmers gewollt habe 82 • Würde man diese im Interesse der Arbeitnehmer angeordnete Haftungsregelung gerade im Konkurs des Arbeitgebers aufheben, führe dieses zu dem absurden Ergebnis, daß der beabsichtigte Schutz des Arbeitnehmers gerade in der Situation entfiele, in der er ihn am meisten benötige83 •

5. Kein Verstoß gegen die ratio legis von § 613 a BOB Letztlich weist die arbeitsrechtliche Auffassung darauf hin, daß es dem Gesetzgeber bei Einführung des § 613 a in das BGB nicht nur darum ging, die Kontinuität des Betriebsrats im Falle einer Betriebsveräußerung zu wahren; der

77

Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB.

7R

Vgl. ausführlich zur konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplanansprüche unten § 5 IJ 2 a.

7. Borngräber, Arbeitsverhältnis bei Betriebsübergang, S. 53; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 70 ff.; Heime, DB 1980,205,212 f.; Richardi, RdA 1976, 56, 57 f.; Schmitt, BB 1978, 1724; Wagner, Insolvenzrecht, S. 126; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 161 ff. HO Hess, DB 1976, 1154, 1156; Martens DB 1977,495497; RGRK IAscheid, § 613 a Rdnr. 146; Uhlenbruck, KTS 1975, 253, 254.

81 Derleder, AuR 1976, 129, 135; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 68; krit. hingegen Henckel, ZIP 1980, 2, 8. • 2 So ausdrücklich Schmitt, BB 1978, 1724, 1727 unter Berufung auf die Begründung in BTDrucks. VI 11786, S. 59. MJ

Derleder, AuR 1976, 129, 131; Schmitt, BB 1978, 1724, 1727; v. Stebut, DB 1975,2438,2439.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

41

Sinn und Zweck der Vorschrift läge hauptsächlich in der Sicherung der RechtssteIlung des einzelnen Arbeitsnehmers 84• Dieses werde dadurch deutlich, daß der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 613 a ins BGB 85 eben nicht einer Forderung des DGB 86 gefolgt sei, wonach der Betriebsübergang der Mitbestimmung i.S.v. § 111 BetrVG unterliegen solle. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Rechtsfolgen des Betriebsinhaberwechsels allgemein für "bestehende Arbeitsverhältnisse" geregelt, um eine Lücke im Arbeitnehmerschutz zu schließen 8? Eine Reduktion von § 613 a BGB widerspräche den Arbeitnehmerinteressen; das gelte erst recht im Falle des Ausschlusses der Erwerberhaftung. In diesem Zusammenhang wird der These des konkursrechtlichen Schrifttums widersprochen, der Konkursverwalter könne ohne eine Restriktion des § 613 a keinen Erwerber finden mit der Folge, daß nur noch die Betriebsstillegung in Betracht käme. Der Erwerber könne doch im Vorfeld des Übergangs aus den Geschäftsbüchern entnehmen, für welche Verbindlichkeiten er einzustehen habe. Diese Folgekosten werde er in seine Kalkulation miteinbeziehen und einen entsprechend niedrigeren Kaufpreis aushandeln. Es sei also nicht einzusehen, warum ein möglicher Kaufinteressent bereits aufgrund der Übernahmehaftung von vornherein vom Betriebserwerb Abstand nehmen würde 88 • Da die Geltung von § 613 a BGB die Betriebsstillegung mithin nicht heraufbeschwöre, also nicht zur Vernichtung aller Arbeitsplätze führe, sei eine Reduktion der Vorschrift im Interesse der Wahrung des Schutzzwecks abzulehnen 89 •

•• Galperin, Regierungsentwurf, S. 16 f.; Gaul, BUV 1972, 181, 183; OB 1979, 1666, 1668 f.; Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 26; v. Stebut, OB 1975, 2438, 2440 m. Fn. 19. - Vg!. auch Brox / Rüthers, Arbeitsrecht, Rdnr. 223 a; Lieb, Die Haftung rür Verbindlichkeiten aus Oauerschuldverhältnissen bei Untemehmensübertragung, S. 20, 24; Münch ArbR I Wank, § 120 Rdnr. 15; Schlachter, NZA 1995,705,709; Schmitt, BB 1978, 1724, 1725; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 29 ff.; Voss, NZA 1995, 205, 207; Walker, Oer Vollzug der Arbeitgebererbfolge mit einem vermeintlichen Erben, S. 57 . •~ BGB!. I, S. 13. HO

Vorschläge des OGB zur Änderung des BetrVG, 1970, S. 30.

Vg!. dazu auch BAG, OB 1989,1526,1527; BB 1981, 848, 850 sowie Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 1 Rdnr. 57. '1

H' Schmitt, BB 1978, 1724, 1727. - Dieser Auffassung wird jedoch die viel zu optimistische Einschätzung vorgeworfen, daß für den Betrieb überhaupt noch ein solch hoher Kaufpreis veranschlagt werde, daß er um die oftmals sehr hohen Belastungen - insbesondere aus der betrieblichen Altersversorgung - vermindert werden könne; so Loritz, RdA 1987,65, 87; vg!. dazu ausführlich unter § 5 III. I. b) bb) . •• Galperin, Regierungsentwurf, S. 16 f.; Gaul, BUV 1972, 181, 183; OB 1979, 1666, 1668 f.; Schmitt, BB 1978, 1724, 1726; v. Stebut, OB 1975,2438,2440.

42

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

III. Die vermittelnde Auffassung

Der 3. Senat des BAG hatte am 17.1.19809() erstmals die Frage zu entscheiden, ob § 613 a BGB bei einer Betriebsveräußerung im Rahmen eines Konkursverfahrens anwendbar ist. Der Entscheidung lag folgender - stark verkürzt dargestellter - Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war mehr als 40 Jahre lang beim Gemeinschuldner beschäftigt, als über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde. Beim Gemeinschuldner bestand ein betriebliches Versorgungswerk, aufgrund dessen der Kläger eine Altersrente zu erwarten hatte. Ungefähr sechs Wochen nach dem Eröffnungsbeschluß veräußerte der Konkursverwalter den Geschäftsbetrieb des Gemeinschuldners an eine KG, die dann in die Beklagte umgewandelt wurde. Der Kläger gehörte zu den übernommenen Arbeitnehmern. Vier Monate später trat der Kläger im Alter von 63 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand. Der Kläger verlangte dann von der Beklagten als neue Betriebsinhaberin die Erfüllung seines Versorgungsanspruchs, also die Zahlung einer monatlichen Betriebsrente. Der 3. Senat des BAG hätte der Klage dann stattgeben müssen, wenn er sich der arbeitsrechtlich ausgerichteten Auffassung angeschlossen und § 613 a BGB bei einem Betriebserwerb vom Konkursverwalter anwendet hätte. Hätte das BAG die Anwendbarkeit verneint, wäre die Klage abzuweisen gewesen. Der 3. Senat hat sich jedoch weder für die arbeitsrechtliche noch für die konkursrechtliche Auffassung entschieden. Im Anschluß an einen von Richardi 91 und Henckel92 entwickelten und von Wiedemann / Willemsen93 weiterverfolgten Standpunkt tritt das BAG für eine differenzierende, vermittelnde Auffassung ein. In der Grundsatzentscheidung vom 17.1.198094 spricht sich der 3. Senat für eine sog. modifizierte Anwendung des § 613 a BGB im Konkurs aus. Danach sei § 613 a BGB auch bei einem Betriebserwerb vom Konkursverwalter grundsätzlich anwendbar; hin-

.0 AP Nr. 18 zu § 613 a BGB m. Anm. Heinze. - Der 5. Senat hatte in seinen Entscheidungen vom 26.l.l977(AP Nr. 5 zu § 613 a BGB m. Anm. Seiter) und vom 15.11.1978 (AP Nr. 14 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen) die Frage der Geltung von § 613 a BGB ausdrücklich offengelassen und sich jeweils auf die mangelnde Entscheidungserheblichkeit dieser Problematik berufen. 91

RdA 1976, 56 f.

•2

ZIP 1980, 1 ff.; Jaeger / Henckel, KO, § 1 Rdnr. 16 .

•3

RdA 1979,418,420 ff.

.. AP Nr. 18 zu § 613 a BGB.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

43

sichtlich des haftungsrechtlichen Teils dieser Vorschrift sei jedoch eine teleologische Reduktion geboten. Obwohl der Erwerber durch die Betriebsveräußerung nach § 613 a BGB in die Arbeitsverhältnisse als neuer Arbeitgeber eintrete, hafte er gegenüber den Arbeitnehmern nicht für rückständige Verpflichtungen des Gemeinschuldners aus diesen Rechtsverhältnissen. Der Erwerber habe vielmehr nur für diejenigen Verbindlichkeiten einzustehen, die nach der Konkurseröffnung entstünden.

1. Die drei Ziele des § 613 a BGB Die differenzierende Auffassung beruht im wesentlichen auf einer Unterscheidung nach den verschiedenen Schutzzwecken von § 613 a BGB.

a) Fortbestand der Arbeitsverhältnisse Der 3. Senat des BAG stellt zunächst darauf ab, daß der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 613 a BGB den Fortbestand der Arbeitsplätze sichern wollte95 • § 613 a BGB sollte danach die vor Einführung der Vorschrift bestehende Streitfrage über den Arbeitsplatzschutz bei Betriebsinhaberwechseln klären96 • Damals sprach sich bereits eine starke Mindermeinung97 für einen Rechtsübergang der ArbeitgebersteIlung aus, während der überwiegende Teil im Schrifttum98 für ,,rechtsgeschäftliche Konstruktionen"99 plädierte. Im Zusammenhang mit der Neuregelung des Betriebsverfassungsrechts durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 forderte der DGB, bei der Veräußerung von Betrieben ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu verankern 1oo • Diesem Vorschlag folgte der Gesetzgeber nicht; statt dessen fügte er § 613 a in das BGB ein. Der 3. Senat des BAG zieht daraus den Schluß, der Gesetzgeber habe eine im Vergleich zum Vorschlag des DGB umfassendere Lösung erreichen

.5

AP Nr. 18 zu § 613 a BGB unter 11. 2.

%

AP Nr. 18 zu § 613 a BGB unter 11. 2.

97

Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, § 46 11 3, 4 mit zahlr. Nachw.

9S Vgl. nur Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I § 54 III 2 mit zahlr. Nachw.; dazu auch Brox / Rüthers, Arbeitsrecht, Rdnr. 223 a .

.. So BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heinze. 11M)

Vorschläge des DGB zur Änderung des BetrVG, 1970, S. 39 f.

44

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

wollen. Es habe eine Regelung getroffen werden sollen, die beinhalte, daß sich eine Betriebsveräußerung weder auf die Amtszeit der Betriebsräte noch auf den Bestand der Arbeitsplätze auswirken solle 101 . Insoweit beruft sich der 3. Senat auf die Begründung des Regierungsentwurfs 102 , in dem es wörtlich heißt: "Da gelegentlich Betriebe erworben werden, um sie alsbald stillzulegen, war gefordert worden, den Betriebsübergang als solchen der Mitbestimmung des Betriebsrats ausdrücklich zu unterwerfen. Der Entwurf ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. Er sieht vielmehr die Einfügung eines neuen Paragraphen in das Bürgerliche Gesetzbuch vor, mit dem die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für die Arbeitsverhältnisse allgemein geregelt werden." Diese Begründung lasse die Absicht des Gesetzgebers erkennen, den Arbeitnehmerschutz im Falle der Betriebsveräußerung der freien Disposition des Betriebserwerbers zu entziehen. Folglich sei der Bestandsschutz der Arbeitsplätze unzweifelhaft vom Gesetzeszweck des § 613 a BGB umfaßt 103 .

b) Kontinuität des amtierenden Betriebsrats Es wurde bereits oben angesprochen, daß die vermittelnde Auffassung einen weiteren Zweck von § 613 a BGB darin sieht, eine Kontinuität des amtierenden Betriebsrats zu schaffen 104 . Neben dem allgemeinen Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse sollte auch das Betriebsratsamt trotz des Inhaberwechsels unverändert bestehen bleiben 105. Mit dieser Regelung sei der Gesetzgeber bewußt der Auffassung entgegengetreten, eine Betriebsveräußerung als solche sei bereits mitbestimmungspflichtig 106 . Wenn nämlich die Betriebsratsmitglieder des veräußerten Betriebs trotz des Inhaberwechsels im Amt blieben und auch die Kollektivnormen weitergelten würden (vgl. § 613 a I 2-4 BGB)107, sei kein Grund ersichtlich, dem Betriebsrat bei Betriebsveräußerungen ein Mit-

101

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime.

102

BT-Drucks. VI I 1786, S. 59.

103

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime.

104

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime.

1I~ So auch Wiedemann / Willemsen, RdA 1979,418,420. 1011

So die "Vorschläge des DGB zur Änderung des BetrVG", 1970, S. 39 f.

107

Vgl. ausführlich zur Weitergeltung kollektivrechtlicher Normen beim Betriebsübergang unten

§ 8 III. 2. a).

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

45

bestimmungsrecht einzuräumen, wie dieses im übrigen bei Betriebsänderungen i.S.v. § 111 BetrVG gesetzlich ausdrücklich angeordnet sei.

c) Haftungsfunktion Letztlich stellt das BAG in der Entscheidung vom 17.1.1980 108 auf ein drittes Ziel des § 613 a BGB ab, nämlich die Haftung des neuen und des alten Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zu regeln. Diese sog. Haftungsfunktion des § 613 a BGB wird sowohl mit Abs. 1 als auch mit Abs. 2 der Vorschrift begründet: Nach § 613 aI BGB tritt der Betriebserwerber "in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein". Dieses bedeutet, daß der Betriebserwerber als neuer Vertragspartner lO9 dem Arbeitnehmer für alle Verbindlichkeiten des Betriebsveräußerers einzustehen hat, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen. Der bisherige Arbeitgeber und Betriebsveräußerer verliert zwar alle Rechte aus dem Arbeitsverhältnis. Für die bis zum Übergang entstandenen Verpflichtungen llO haftet er dem Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 613 all BGß.

2. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs Nach der vermittenden Auffassung ist zur Beantwortung der Frage, ob § 613 a BGB bei einer Betriebsveräußerung im Konkurs anwendbar sei, scharf

nach den drei verschiedenen Schutzzwecken der Norm zu trennen. Diese mangelnde Differenzierung wirft der 3. Senat sowohl der arbeitsrechtlichen als auch der konkursrechtlichen Lösung vor lll • Im Hinblick auf den Bestandsschutz der Arbeitsplätze betont der 3. Senat des BAG, daß dieser Schutz gerade im Konkurs des Arbeitgebers besonders wichtig sei. Die wirtschaftliche Notlage des Betriebs sei oftmals auf eine verfehlte

108

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heinze.

Die ganz h.M. nimmt eine gesetzliche Sonderrechtsnachfolge an; vgl. dazu nur RGRK / Ascheid, § 613 a BGB Rdnr. 126 sowie Schreiber, RdA 1982, 137. 101>

110 Darüber hinaus haftet der bisherige Arbeitgeber auch für Verpflichtungen, soweit sie vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang fallig werden. 111

AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heinze.

46

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

Personalpolitik oder ungenügende Rationalisierungsmaßnahmen zurückzuführen. Eine erfolgsversprechende Sanierung erfordere daher regelmäßig eine Schrumpfung des Personalbestandes. In dieser Situation dürfe auch der Erwerber eines konkursbefangenen Betriebes nicht frei darüber entscheiden, welche Arbeitnehmer er weiter beschäftigen wolle und welche nicht. In diesem Fall wären vor allem "alte und kranke Arbeitnehmer, Schwangere und Schwerbehinderte weitgehend schutzlos"ll2. Sei § 613 a BGB gar nicht anwendbar, müsse der neue Betriebsinhaber nicht einmal den Maßstab der sozialen Auswahl, der gern. § 1 III KSchG bei jeder betriebsbedingten Kündigung gelte, beachten. Eine derartige Lücke im Recht der Arbeitsplatzsicherung sei auch durch den Konkurs des alten Arbeitgebers nicht gerechtfertigt. Zudem ergebe sich das Bedürfnis, die Bestandsschutzfunktion des § 613 a BGB auch bei einer Betriebsveräußerung im Konkurs zu wahren, aus einem Vergleich zu den Rechtsfolgen einer vom Konkursverwalter vorgenommenen Betriebsstillegung. Nach mittlerweile allgemein anerkannter Auffassung müsse der Verwalter vor der Entlassung der Arbeitnehmer einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat suchen und regelmäßig einen Sozialplan abschließen, der zu Abfindungsansprüchen der von der Stillegung betroffenen Arbeitnehmer führe (§ 112 BetrVG 1l3 ). Da der Betriebsübergang nicht als Betriebsänderung i.S.v. §§ 111 ff. BetrVG angesehen werde ll 4, genieße der Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsinhaberwechsels einen derartigen Schutz nicht. Aus diesem Grunde sei es interessengerecht, die Bestandsschutzfunktion des § 613 a BGB auch über die Konkurseröffnung hinaus aufrechtzuerhalten. Würde ein solcher Arbeitsplatzschutz entfallen, ergebe sich eine "Lückenhaftigkeit im Schutzsystem der §§ 111 ff. BetrVG"IlS. Zudem würde ein Anreiz geschaffen, den Arbeitnehmerschutz nach § 111 ff. BetrAVG dadurch zu umgehen, daß das Personal im Wege einer Betriebsveräußerung abgebaut werde 1l6 •

112

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime.

113

Vgl. nur Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 112 Rdnr. 137.

BAG (GS) EzA Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972 m. Anm. Uiwisch / Röder; BAG, DB 1987, 1842; LAG Düsseldorf, DB 1979, 114; Dietz / Richardi, BetrVG, § 111 Rdnr. 33, 84 ff.; Hess I Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 111 Rdnr. 55; Fitting I Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 111 Rdnr. 12; a.A. GK-BetrVG I Fabricius, § 111 Rdnr. 238 ff., 296. 114

115 So ausdrücklich Wiedemann / Willemsen, RdA 1979, 418, 421; vgl. auch LAG Hamm, DB 1979,1365, 1366; Richardi, RdA 1976, 56, 58; Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB; v. Stebut, DB 1975,2438,2441; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 169 f. 116

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heinze.

~

3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

47

Weiterhin betont der 3. Senat des BAG, daß auch die zweite Funktion des § 613 a BGB, die Kontinuität des amtierenden Betriebsrats zu gewährleisten, im

Falle des Konkurses unentbehrlich sei ll7 • Das Bedürfnis nach Sicherung der fortdauernden Mitbestimmung entfalle nicht dadurch, daß über das Vermögen des alten Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet worden sei 118. Plane der Betriebserwerber mitbestimmungspflichtige Maßnahmen, müsse er sich mit dem bereits vorhandenen Betriebsrat auseinandersetzen. Dem stünden weder konkursrechtliche Grundsätze entgegen noch seien wirtschaftliche Gründe ersichtlich, die eine Betriebsveräußerung ohne die Mitwirkung des Betriebsrats sinnvoll erscheinen ließen. Vielfach lasse sich sogar die Sanierung eines Betriebs leichter realisieren, wenn dem neuen Inhaber ein kollektiver Verhandlungspartner gegenüberstehe l19 •

3. Die teleologische Reduktion der Übemahmehajtung zur VelWirklichung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung

Das Charakteristische der BAG-Entscheidung vom 17.1.1980120 liegt nun darin, im Hinblick auf den haftungsrechtlichen Teil der Rechtsfolgen des § 613 a BGB eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Die Einschränkung der Erwerberhaftung formuliert der 3. Senat in seinem 1. Leitsatz wie folgt: "Wird ein Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für bereits entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungs grundsätze des Konkursverfahrens Vorrang." Dem zitierten 1. Leitsatz ist bereits zu entnehmen, daß das BAG die mangelnde Geltung der Haftungsfunktion des § 613 a BGB bei einer Betriebsveräußerung im Konkurs in erster Linie auf die Spezialität der konkursrechtlichen Verteilungsgrundsätze stützt. In den Entscheidungsgründen betont der 3. Senat, die Konkursordnung sehe für die Abwicklung aller Ansprüche, die z.Z. der

111 AP Ne. 18 zu § 613 a BGB in Anlehnung an Henckel, ZIP 1980, 2 ff.; Wiedemann / Willemsen, RdA 1979,418 ff. 118

So ausdrücklich auch Henckel, ZGR 1984,225,228.

BAG AP Ne. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime; Derleder, AuR 1976, 129, 135; auch Uhlenbruck, KTS 1974, 1, 2, räumt dieses als Vertreter des konkurseechtlichen Schrifttums ein. 119

120

BAG AP Ne. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime.

48

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

Konkurseröffnung bereits entstanden seien, ein Verfahren vor, welches vom Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beherrscht werde. Eine uneingeschränkte Erwerberhaftung nach § 613 a BGB sei mit dem geltenden Konkursrecht nicht vereinbar, da es zu einer ungleichen Verteilung der Lasten käme. Die bei der Veräußerung eines Betriebes übernommene Belegschaft erhielte mit dem Erwerber einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner. Dieser Vorteil werde durch die übrigen Gläubiger dadurch finanziert, daß der Erwerber den Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindere. Letztlich würden also diejenigen Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs beim Gemeinschuldner beschäftigt seien, gegenüber den ausgeschiedenen Arbeitnehmern und auch im Vergleich zu allen anderen Gläubigern des Gemeinschuldners unangemessen bevorzugt. Im Falle der Konkurseröffnung müßten bereits entstandene Ansprüche folglich ausschließlich konkursrechtlich abgewickelt werden. Der 3. Senat des BAG zieht hier eine Parallele zu den §§ 419 BGB, 25 HGB, welche "aus den gleichen Erwägungen"121 im Konkurs anerkanntermaßen nicht anwendbar seien. Auch in diesen Fällen seien die weitreichenden haftungsrechtlichen Folgen, die aus der Übertragung von Vermögenswerten resultierten, mit dem im eröffneten Konkursverfahren geltenden Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht vereinbar 122 • Es bleibt somit festzuhalten, daß das BAG in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.1.1980 im wesentlichen die Bedenken der konkursrechtlichen Auffassung teilt, soweit es um die Haftungsfunktion des § 613 a BGB geht. Daher ist auch die Auffassung unzutreffend, wonach eine Entscheidung zugunsten der arbeitsrechtlichen Lösung gefallen sei 123 . Allerdings folgt der 3. Senat nicht dem Argument der konkursrechtlich orientierten Autoren, die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Konkurs scheitere bereits am Fehlen des Tatbestandsmerkmals "durch Rechtsgeschäft"124. Zwar spricht der Senat seine ablehnende Haltung nicht ausdrücklich aus. Wenn er allerdings die Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion des § 613 a BGB und damit die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Konkurs bejaht, bringt er dadurch unmißverständlich zum Ausdruck, daß sich auch die Betriebsveräußerung durch den

121

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heinze unter 11. 3. c) der Gründe.

122

BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB mit Anm. Heime unter 11. 3. c) der Gründe.

123

So Schwanda, Betriebsübergang, S. 265.

124

Vgl. oben unter I. 1.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

49

Konkursverwalter unter sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 613 a BGB subsumieren läßt 125.

4. Ständige Rechtsprechung des BAG Die differenzierende Auffassung des 3. Senats, die im Kern zwar eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschrift im Konkurs befürwortet, jedoch die Haftung des Erwerbers auf Neuschulden beschränkt, ist seither in einer Vielzahl von Entscheidungen des BAG bestätigt worden 126. Wenn auch das BAG in diesen Folgeentscheidungen keinen Zweifel mehr an dem Ergebnis einer teleologischen Reduktion der haftungsrechtlichen Folgen des § 613 a BGB im Konkurs aufkommen ließ, zeichnete sich doch zunächst eine gewisse Unsicherheit über die tragende Argumentation für diese einschränkende Interpretation des § 613 a BGB ab. Selbst der 3. Senat schien sich lange Zeit selbst nicht sicher zu sein, ob der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung tatsächlich das tragfähige Argument für die teleologische Reduktion der Haftungsfunktion des § 613 a BGB ist. In dem Urteil vom 3.7.1980 127 stützte der 3. Senat die Beschränkung der Erwerberhaftung in erster Linie auf das Ergebnis einer Interessenabwägung. Bei einer Veräußerung insolventer Betriebe sei nämlich abzuwägen zwischen dem Interesse der Arbeitnehmer an einer Berichtigung ihrer Forderungen und dem wirtschaftlichen Interesse, notleidende Betriebe mit anderen Trägern fortzuführen und damit Arbeitsplätze zu erhalten l2R • Diese Interpretation hielt der 3. Senat jedoch nicht lange aufrecht. Sowohl der 3. 129 als auch der 2. Senatl30 verneinten im folgenden die Maßgeblichkeit einer solchen Interessenabwägung. Die tragende Überlegung für eine teleologische Reduktion der haftungsrechtlichen Folgen des § 613 a BGB sei nicht eine "interessenorientierte Betrachtung"; vielmehr beruhe die Grundsatzentscheidung

12.'

So auch Henckel, ZGR 1984,225,226; Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 26.

BAG, ZIP 1983, 1377; NJW 1984,624; NZA 1985, 393; ZIP 1987,454; NZA 1990, 180; KTS 1992, 142; KTS 1992,654; KTS 1992,658; OB 1994,96; BB 1994, 506; BB 1994,2142, 2143 (7. Senat); jüngst ZIP 1996, 239, 240 (10. Senat) sowie 1914, 1916. 126

127

AP Nr. 22 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen.

128

AP Nr. 22 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen.

12.

AP Nr. 38 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen.

Hf)

ZIP 1987,525,527.

4 Lohkemper

50

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

vom 17.1.1980 auf einer konkursrechtlichen Überlegung l3l . Maßgeblich komme es nämlich darauf an, wegen des konkursrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung eine Sonderstellung der Arbeitnehmer gegenüber anderen Konkursgläubigern zu verhindern 132 • Mittlerweile ist diese kurzzeitige Unsicherheit in der BAG-Rechtsprechung über die tragende Argumentation für die teleologische Reduktion der Erwerberhaftung des § 613 a BGB bei einer Betriebsveräußerung im Konkurs beseitigt. Seit der Entscheidung des 2. Senats des BAG l33 beschränkt sich das BAG in seinen Entscheidungsgründen auf folgende "Standardformulierung"134: "Wird der Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für schon entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang."

5. Die Reaktionen auf die Rechtsprechung des BAG a) Überwiegende Zustimmung Die vom BAG im Anschluß an die Überlegungen von Henckel 135 und Wiedemann I Willemsen l36 vertretene Auffassung hat sich nicht nur in der Rechtsprechung 137 verfestigt, sondern sie ist auch in der Literatur 138 weitgehend

IJJ

BAG AP Nr. 38 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen.

m BAG, ZIP 1987, 525, 527. '" ZIP 1987, 525. Vgl. nur ZIP 1996,239,240; NZA 1993,643,644; KTS 1992,658,661; KTS 1992,654,656; KTS 1992, 142, 144. B4

m ZIP 1980,2 ff. u. 173; ZGR 1984,225; Jaeger / Hencke/, KO, § I Rdnr. 16. n. RdA 1979,418 ff.; vgl. auch Willemsen, Arbeitnehmerschutz bei Betriebsänderungen im Konkurs, 1990, S. 398 ff.

m Vgl. neben den unter 5. wiedergegebenen BAG-Entscheidungen LAG Berlin, OB 1984, 1404; LAG Bremen, AP Ne. 30 zu § 613 a BGB; LAG Oüsseldorf, OB 1981, 1095 f.; LAG Frankfurt, BB 1983, 1535; ZIP 1982,619,620; EzA Ne. 30 zu § 613 a BGB; LAG Hamm, OB 1983, 1315; LAG Rhein1and-Pfalz, ZIP 1981,202; LAG Schleswig-Ho1stein, ZIP 1995, 1687, 1688; ArbG Trier, NZA 1987, 245, 246. - Vgl. auch BSG, ZIP 1983, 1224, 1226; LSG NW, ZIP 1984, 215, 216 sowie VGH Baden-Württemberg, ZIP 1980,1131,1132.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

51

befürwortet worden. Aufgrund dieser breiten Zustimmung wird der modifizierten Anwendung des § 613 a BGB im Konkurs "ein durchschlagender Erfolg bescheinigt"139. Das BAG habe "zwischen § 613 a BGB und dem Konkursrecht eine Art praktische Konkordanz geschaffen" 140.

b) Abweichende Stimmen Der BAG-Rechtsprechung kommt jedoch nicht nur Anerkennung zuteil.

aa) Verweigerte Gefolgschaft des LAG Hamm und des ArbG Wetzlar Selbst innerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit hat die vom BAG vertretene differenzierende Auffassung nicht nur Gefolgschaft gefunden. So hat sich das LAG Hamm bereits in einem Urteil vom 17.12.1981 141 gegen die Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 17.1.1980 ausgesprochen. Unter Zuhilfenahme einer

BK Bauer, Untemehmensveräußerung, S. 34; ders., in: Hölters, Handbuch des Untemehmens- und Betriebskaufs, 1985, S. 317 f.; Baur / Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 11, Insolvenzrecht, Rdnr. 9.41; dies., Insolvenzrecht, § 911 5 b; Bieler, BB 1981,435; Beisel / Klumpp, Unternehmenskauf, Rdnr. 183; Blomeyer / Otto, § 7 Rdnr. 189; Bürger / Oehmann / Stübig, Betriebsübergang, S. 2 f.; Dietz / Richardi, BetrVG, § 111 Rdnr. 88; Falkenberg, OB 1980,783; BB 1987,328,330; Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 111 Rdnr. 12, § 1 Rdnr. 63; Gagei, AFG, Vor § 141 a Rdnr. 16; Gamillscheg, Arbeitsrecht 1, S. 338; GK / Wo?f, KSchG, § 613 a BGB Rdnr. 50; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 231 f.; Henckel, ZIP 1980, 173; ZGR 1984,225 ff.; Herschel / Liiwisch, KSchG, § 1 Rdnr. 206; Hess / Gotters, BIStSozArbR 1984, 72, 74; Hess, KO, § 1 Rdnr. 64 ff.; Hilfer / Abt, BetrAVG, Arb.Gr., Rdnr. 250 ff.; Jauernig / Schlechtriem, § 613 a Anm. 2 b; Kerschner / Köhler, Betriebsveräußerung, S. 67; Lieb, Arbeitsrecht, § 2 I 3 a; Liessem, Betriebsverpachtung, S. 44; Loritz, RdA 1987,65,85; Mohrbutter, NZA 1985, 105 m. Fn. 1; Mohrbutter / Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, Rdnr. 659; MünchArbR / Wank, § 120 Rdnr. 153; Otto, EWiR 1996,345,346; Palandt / Putzo, § 613 a Rdnr. 5; Probst, § 613 a BGB im Konkurs, 1983, S.43 ff.; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 146, 147; Roemheld, Anm. zu BAG, SAE 1981, 181; Schaub, ZIP 1984, 272,274; ArbRGegw. 18 (1981), S. 71, 84; ders., ArbeitsrechtsHandbuch, § 118 11 3; Schmalenberg, NZA 1989, Beil. 3, S. 14,23; Schnaubelt, Untemehmenssanierung, 1987, S. 112 ff.; Schreiber, RdA 1982, 137, 143 f.; Soergel / Kraft, § 613 a Rdnr. 18; Staudinger / Richardi, § 613 a Rdnr. 12, 193 ff.; Stürner, ZZP 94 (1981), S. 263, 280 ff.; Willemsen, ZIP 1983, 411, 417 f.

m Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 23, der sich allerdings im folgenden (S. 51 ff.) gegen eine grundSätzliche Geltung von § 613 a BGB im Konkurs ausspricht. 140

Pietzlw, Der Tatbestand des § 613 a BGB, S. 176.

ZIP 1982, 991 (10. Kammer); a.A. die 9. Kammer des LAG Hamm, die sich in der Entscheidung vom 3.2.1983, OB 1983, 1315, den Erwägungen des BAG anschließt. 141

4'

52

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung lies Konkursverfahrens

umfangreichen Begründung hat sich das LAG Hamm der konkursrechtlichen Auffassung im Schrifttum 142 angeschlossen und § 613 a BGB bei einem Betriebserwerb im Rahmen der Masseverwertung durch den Konkursverwalter nicht angewendet. Das ArbG Wetzlar l43 hat jüngst der Rechtsprechung des BAG ausdrücklich l44 vorgeworfen, durch das Festhalten an der Bestandsschutzfunktion von § 613 a BGB im Konkurs würden insbesondere Betriebsübernahmen neu gegründeter Unternehmen erschwert, vielfach unmöglich gemacht. Dieses habe im Regelfall eine vollständige Schließung des Betriebes und den Verlust sämtlicher Arbeitsplätze zur Folge. Ein solches Ergebnis habe "der Gesetzgeber mit der Einführung des - sozialpolitisch sinnvollen und lange Zeit geforderten § 613 a BGB sicherlich nicht bedacht und auch nicht beabsichtigt, so daß die bisherige Rechtsprechung noch einmal überprüft werden sollte"145.

bb) Ablehnung im Schrifttum Auch in der Literatur ist die Rechtsprechung des BAG auf Kritik gestoßen. Neben denjenigen Stimmen, die entsprechend der arbeitsrechtlichen Auffassung auch weiterhin für eine uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs eintreten und damit auch die Haftungsfunktion gelten lassen wollen l46 , enthält das neuere Schrifttum zahlreiche Anhänger der konkursrechtlichen Auffassung l47 . Die prinzipielle Ablehnung einer Geltung von § 613 a BGB im Konkurs wird damit begründet, daß allein mit dem Ausschluß der Haftungsfunktion dieser Vorschrift die Probleme eines Betriebserwerbs vom Kon-

1'2

Vgl. oben unter I.

143

BB 1995, 1799.

140

Vgl. bereits den I. Leitsatz.

145

BB 1995, 1799, 1800.

I4/; Fischer, Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB, S. 79 f.; Kittner / Trittin, KSchR, § 613 a BGB Rdnr. 17; Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 114; Wendling, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis, S. 169; wohl auch Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § I Rdnr. 63. 147 Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 536 f.; Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S.51 ff.; Ziillner / Loritz, Arbeitsrecht, § 20 III 5. - Distanzierend zur Auffassung des BAG auch: Heilmann / Smid, Insolvenzrecht, § 13 Rdnr. 61; Kilger / K. Schmidt, KO, § I Anm. 2) D. e) bb); Kuhn / Uhlenbruck, KO, § I Rdnr. 80; Mohrbutter / Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, Rdnr. 659 a; Schwanda, Betriebsübergang, S. 264 mit Fn. 8; Uhlenbruck, ZHR 158 (1994) S. 324,325 ff.

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

53

kurs verwalter nicht zu bewältigen seien 148 . Auch der durch § 613 a BGB vermittelte Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse sei "konkursrechtlich fragwürdig"149. Wenn der Erwerber in die Arbeitsverhältnisse zu den Bedingungen und mit den Pflichten eintreten müsse, die gegenüber dem Gemeinschuldner begründet worden seien, würden die Verwertungsmöglichkeiten des Konkursverwalters empfindlich beschnitten. Diese widerspreche dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, der auch fordere, sämtliche massezugehörigen Rechte zwecks gleichmäßiger Befriedigung aIIer Gläubiger bestmöglichst zu verwerten 150.

IV. Wiederaufleben der Diskussion im Rahmen der Insolvenzrechtsreform Die Forderungen nach einem Ausschluß des § 613 a BGB bei Betriebsveräußerungen im Insolvenzverfahren hat auch den Gang der Insolvenzrechtsreform begleitet. Nachdem die im Jahre 1978 vom Bundesminister der Justiz berufene Kommission für Insolvenzrecht 1988 einen Diskussionsentwurf151 mit dem Entwurf einer Insolvenzordnung als Kernstück vorgelegt hatte, dem ein Jahr später der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz 152 und dann im Jahre 1994 der Regierungsentwurf der Insolvenzordnung 153 folgte, liegt nunmehr die verabschiedete 154 und bereits im Bundesgesetzblatt verkündete 155 neue Insolvenzordnung 156 vor, die am 1.1.1999 in Kraft treten wird. Weder die drei genannten Entwürfe noch die neue Insolvenzordnung enthalten eine ausdrück-

14M

Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 536.

149 So ausdrücklich Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 336,377; vgl. auch Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 100.

ISO

Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 536.

Diskussionsentwurf des Bundesminsteriums der Justiz, Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Verlag Kommunikationsforum, Köln, 1988. 151

152 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz, Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Verlag Kommunikationsforum, Köln, 1989.

m BT-Drucks. 12 I 2453. 154

Die Verabschiedung durch den Bundestag erfolgte am 21.4.1994.

ISS

BGBI. I 1994, S. 2866.

15.

InsO; abgedruckt in BR-Drucks. 336 I 94.

54

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

liche Regelung über die Geltung oder den Ausschluß von § 613 a BGB im Insolvenzverfahren.

1. Kritik des sog. Gravenbrucher Kreises an den Reformentwüifen In einer "Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Insolvenzrechtsreformgesetzes"IS7 hat der sog. Gravenbrucher Kreis, ein loser Zusammenschluß von Insolvenzverwaltern mit überregionalem Wirkungskreis, bedauert, daß sich die Kommission für Insolvenzrecht nicht zu einer "Beseitigung des § 613 a BGB im Konkurs (hat) durchringen können". Die Ausklammerung der Rechtsfolgen des § 613 a BGB sei unvermeidlich, um einen insolventen Betrieb sanieren und damit der Vernichtung von Arbeitsplätzen entgegenwirken zu können. Da diese Forderung auch im Regierungsentwurfls8 keinen Niederschlag gefunden hat, hat der Gravenbrucher Kreis einen "Alternativentwurf zum Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung"IS9 vorgelegt, der einen Anwendungsausschluß von § 613 a BGB enthält. Schließlich wurde durch einen ,,Appell gegen die Verabschiedung der Insolvenzrechtsreform"160 bis zuletzt versucht, diesem Ansinnen Nachdruck zu verleihen.

2. Kritik des Bundes der Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit an den Reformentwüifen Die Argumentation des Gravenbrucher Kreises entspricht der "Stellungnahme des Bundes der Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit zum Entwurf einer Insolvenzordnung, E-InsO, BT-Ds. 11/2453"161. Nur durch einen Ausschluß des § 613 a BGB bei Betriebsveräußerungen im Insolvenzverfahren könne erreicht werden, daß übertragende Sanierungen als Sanierungsinstrument Erfolg versprächen; dieses würde "zur Erhaltung einiger Arbeitsplätze statt zur Vernichtung

1~7

Abgedruckt in ZIP 1989, 468 ff.

I~R

BT-Drucks. 12/2453.

1~9

ZIP 1993, 625.

160

ZIP 1994, 585.

161

Vom 30.9.1993, S. 9 (unveröffentlicht).

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

55

aller Beschäftigungsmöglichkeiten" beitragen 162. Im Hinblick auf die Mitbestimmungsfunktion des § 613 a BGB schränkt der Bund der Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit seine Forderung jedoch ein: Im Gegenzug zum Anwendungsausschluß von § 613 a BGB seien die kollektiven Rechte der Belegschaft durch Einführung eines allgemeinen Übergangsmandats des Betriebsrates zu stärken 163 •

3. Rückschlüsse aus der neuen Insolvenzordnung auf die Geltung der drei Funktionen von § 613 a BGB Auch die Stellungnahme des Bundes der Richter der Arbeitgerichtsbarkeit hat den Gesetzgeber letztlich nicht dazu veranlassen können, zumindest eine Nichtgeltung der Bestandsschutz- und Haftungsfunktion des § 613 a BGB bei Insolvenz des Veräußerers in der ab dem 1.1.1999 geltenden Insolvenzordnung zu verankern.

a) Zur Geltung der Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion Die Untätigkeit des Gesetzgebers hat in dem bislang zum neuen Insolvenzrecht veröffentlichten Schrifttum dazu geführt, daß sich konträre Auffassungen zur Anwendbarkeit des § 613 a BGB im künftigen Recht gebildet haben. So wird teilweise 1M vertreten, im neuen Insolvenzrecht sei der Ausschluß des § 613 a BGB zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, die Diskussion um die Insolvenzrechtsreform habe jedoch zu einer "praktischen Beseitigung" dieser Vorschrift im Konkurs geführt. Nach wohl überwiegender Ansicht l6S ist dagegen auch im künftigen Insolvenzrecht von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit von

162 S. 9. - Dieses betont auch Berscheid, in: FS Die Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994, S. 405, 429; ders., AnwBI 1995, 8 ff. m. N. 16' S. 9. - Der Bund der Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit zieht hier eine Parallele zu § 332 des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Bereinigigung des Umwandlungsrechts (Art I: Umwanglungsgesetz; BR-Drucks. 75 I 94), nunmehr § 321 UmwG (BGB!. I, 3210), der bei der Spaltung von Unternehmen und Betrieb ein Überhangmandat des Betriebsrates vorsieht; dazu Däubler, RdA 1995, 136, 144 f. sowie Wlotzke, DB 1995,40,45 f. 164

Oberhojer, AuR 1989,293,300; vg!. auch Bichlmeier, AiB 1989,63 ff.

Hess, Insolvenzrecht, RWS-Aufbaukurs I, Rdnr. 324; Klein, DGVZ 1996, 17,22; Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 40 ff., 48 f.; Pick, NJW 1995,992,993; Schaub, ZIP 1989, 205,212; Uhlenbruck, ZHR 158 (1994), S. 324, 326. 165

56

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

§ 613 a BGB im Insolvenzverfahren auszugehen. Dieser Auffassung ist im Ergebnis zu folgen, sofern man unter einer "grundsätzlichen Anwendbarkeit" die Geltung der Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion von § 613 a BGB versteht. Zur Begründung ist jedoch nicht allein auf die "heftige Diskussion um diese Vorschrift" abzustellen 166. Der Wille des Gesetzgebers wäre zwar eindeutig zu belegen, wenn er im Anschluß an diese "heftige Diskussion" ähnlich klar Stellung bezogen hätte, wie dieses im Fall der Beseitigung von § 419 BGB geschehen ist 167 ; andererseits enthält die InsO insgesamt "kein geschlossenes arbeitsrechtliches Konzept für die Betriebs- I Unternehmensveräußerung im Insolvenzverfahren"168, so daß allein die Lückenhaftigkeit des neuen Insolvenzrechts kaum Rückschlüsse von der Tragweite einer (Nicht-)Geltung von § 613 a BGB zuläßt.

Als Beleg für eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Aufrechterhaltung der Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion von § 613 a BGB auch im Falle des Betriebsübergangs bei Insolvenz des Veräußerers läßt sich hingegen die Regelung in § 128 InsO anführen. Diese Vorschrift des Zweiten Abschnitts ,,Erfüllung der Rechtsgeschäfte. Mitwirkung des Betriebsrats" sieht im Falle einer Betriebsveräußerung neben speziellen Beteiligungsrechten des Betriebsrats 169 insbesondere Kündigungserleichterungen vor. Über eine Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsmaßstabs bei der Einhaltung der sozialen Auswahl hinaus enthält § 128 InsO die Vermutung, daß die vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Kündigungen der Arbeitsverhältnisse durch dringende betriebliche Erfordernisse 170 bedingt und nicht wegen des Betriebsübergangs (vgl. § 613 a IV BGB) erfolgt sind. Es liegt auf der Hand, daß solche Kündigungserleichterungen nur dann sinnvoll sind, wenn die Bestandsschutzfunktion von § 613 a BGB auch bei Betriebsveräußerungen im Insolvenzverfahren gilt. Diese Schlußfolgerung wird durch die amtliche Begründung zu § 131 ElnsO l7l , dem die heutige Fassung von § 128 InsO entspricht, bestätigt. Danach sollen durch diese Regelung "die praktischen Schwierigkeiten verringert werden, die sich aus der heutigen Konkurspraxis aus dem zwingend vorge-

'66 So allerdings Uhlenbruck, ZHR 158 (1994), S. 324, 326. '67 Vgl. zur Aufhebung von § 419 BGB Art. 33 Nr. 16 EGInsO (BGBI. I 1994, S. 2911) sowie unter § 12 I. 3. b) bb).

'6' So bereits Schaub, ZIP 1989,205,212 (zum Diskussionsentwurf). '60 Einzelheiten bei Warrikojf, BB 1994, 2338 ff. I7n

I.S.v. § I II KSchG.

171

BR-Drucks. I / 92, S. 150 (Regierungsentwurf).

§ 3 Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Konkurs

57

schriebenen Übergang aller Arbeitsverhältnisse auf den Betriebserwerber (§ 613 a BGB) ergeben". Auch der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 19.4.1994 172 hebt in diesem Zusammenhang hervor, daß der Schutz der Arbeitnehmer nach § 613 a BGB auch im Insolvenzverfahren nur dann erhalten bleiben könne, wenn die Insolvenzordnung "Regelungen zur Beschleunigung der Entscheidung über die Wirksamkeit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen" enthalte. Eine solche Kompensation soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Regelung in § 128 InsO erreicht werden. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift tatsächlich "einen adäquaten Ersatz für die nicht vorgenommene Streichung (von § 613 a BGB)"173 darstellt, läßt sich aus § 128 InsO allenfalls der Wille des Gesetzgebers ableiten, daß zumindest im Hinblick auf die Bestandsschutz- und Mitbestimmungsfunktion des § 613 a BGB ab dem 1.1.1999, dem Datum des Inkrafttretens der neuen Insolvenzordnung, von einer Anwendbarkeit auch bei der Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahrenauszugehen ist.

b) Die offen gebliebene Frage der Geltung der Haftungsfunktion Rückschlüsse für oder gegen eine Geltung der Haftungsfunktion des § 613 a BGB bei Insolvenz des Veräußerers läßt die neue Insolvenzordnung hingegen genausowenig zu, wie gegenwärtig die Konkurs- und Vergleichsordnung l74 . Unzutreffend ist insbesondere der Standpunkt, die in § 128 InsO zum Ausdruck kommende Befürwortung einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 613 a BGB im künftigen Insolvenzverfahren ziehe automatisch die gesetzliche Verankerung der teleologischen Reduktion der Norm auf haftungsrechtlicher Ebene nach sich 175 • Diese Ansicht begründet nicht die "gespaltene" Anwendung von § 613 a BGB in der Insolvenz, sondern setzt sie als gegeben voraus. Richtig ist vielmehr, daß der Gesetzgeber im künftigen Insolvenzrecht die Möglichkeit offengelassen hat, die Haftungsfunktion von § 613 a BGB restriktiv zu handha-

112

BT-Drucks. 12/7303, S. 152.

m So Haarmeyer / Wutzke / Fürster, InsO 1 EGlnsO, Er!. zu §§ 103-128, S. 92, wonach die Eignung von § 128 InsO, übertragende Sanierungen zu erleichtern, zu bezweifeln ist. 174 Vg!. noch die ,,Ergebnisüberprüfung anhand des ab dem 1.1.1999 geltenden Insolvenzrechts" unten § 6.

m So Laux, Betriebsveräußerungen im Konkurs, S. 40.

58

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

ben. Für eine gegenteilige Schlußfolgerung ergeben sich aus der Insolvenzordung keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich der gern. Art. 56 EGIns0 176 neu gefaßte § 27 Nr. 1 ArbnErfG 177 enthält eine Regelung, wonach der neue Betriebsinhaber, der die Diensterfindung des Arbeitnehmers mit dem Geschäftsbetrieb erwirbt, nur für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an in die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 9 ArbnErfG eintritt. Aus dieser Spezialregelung aus einem "Randgebiet" des Arbeitsrechts läßt sich sicherlich nicht zwingend der gesetzgeberische Wille für eine allgemein geltende teleologische Reduktion der Haftungsfunktion des § 613 a BGB ableiten, zumal auch die Gesetzesbegründungen insoweit keine Rückschlüsse zulassen. Mithin hängt die haftungsrechtliche Reduktion dieser Vorschrift bei der Betriebsübertragung im Konkurs sowohl gegenwärtig als auch künftig davon ab, ob ein solcher Haftungsausschluß zur Verfolgung des objektiven Zwecks von § 613 a BGB erforderlich und zur Wahrung insolvenzrechtlicher Grundsätze notwendig ist. Darüber hinaus ist eine tragfähige Begründung der teleologischen Reduktion des § 613 a BGB auch deshalb erforderlich, um über einen möglichen Anwendungsausschluß der Haftungsfunktion dieser Norm in allen Fällen der Veräußerung eines insolventen Unternehmens - auch außerhalb des Insolvenzverfahrens - entscheiden zu können.

§ 4 Die Auswirkungen einer teleologischen Reduktion der Haftungsfunktion des § 613 a BGB auf die

betriebliche Altersversorgung

Bevor im folgenden die Rechtfertigung einer haftungsrechtlichen Reduktion des § 613 a BGB im Konkurs untersucht wird, soll vorab die Bedeutung einer eingeschränkten Erwerberhaftung für die betriebliche Altersversorgung betrachtet werden. Insoweit bedarf es zum besseren Verständnis zunächst einer allgemeinen Betrachtung der Rechtsfolgen des § 613 a BGB für die Betriebsrente sowie einer einführenden Darstellung der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung.

176

BGBI. 11994, S. 2911.

Gesetz über Arbeitnehmererfindungen i.d. bereinigten Fassung v. 24.6.1994 (BGBI. I 1994, S. 1325). 177

§ 4 Reduktion des § 613 a BGB und die betriebliche Altersversorgung

59

I. Einbeziehung der betrieblichen Altersversorgung in den Geltungsbereich von § 613 a BGB Jeder Interessent für den Erwerb eines zur Veräußerung anstehenden Betriebs wird sich im Vorfeld der rechtsgeschäftlichen Betriebsüberleitung ein genaues Bild darüber machen, welche haftungsrechtlichen Folgen auf ihn zukommen. Die betrieblichen Versorgungsverpflichtungen spielen bei diesen wirtschaftlichen Überlegungen eine herausragende Rolle.

1. Verknüpfung von Versorgungszusage und Arbeitsverhältnis § 613 all BGB sieht vor, daß der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils "in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen" eintritt. Diese Regelung beschreibt mithin eine Sonderrechtsnachfolge kraft Gesetzes!. Der neue Betriebsinhaber rückt in die Arbeitgeberstellung des bisherigen Betriebsinhabers ein. Da letzterer seine Arbeitgeberstellung verliert, führt die Tatbestandsverwirklichung von § 613 aI BGB zu einem gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsel auf Arbeitgeberseite 2 • Der Übergang der Arbeitsverhältnisse bewirkt, daß der Erwerber gegenüber den Arbeitnehmern sowohl die Gläubiger- als auch die Schuldnerstellung der aus den Arbeitsverhältnissen entstandenen Ansprüche übernimmt.

Zu den ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vom Erwerber zu tragenden Verbindlichkeiten gehören auch diejenigen, die auf der vom Veräußerer zugesagten betrieblichen Altersversorgung beruhen, soweit es die vom Betriebsinhaberwechsel betroffenen Arbeitnehmer angehe. Diese Einordnung gilt unabhängig davon, ob man der betrieblichen Altersversorgung Fürsorge- oder Entgeltcharakter beimißt4 oder ob man auf eine Kombination dieser Elemente

I So die ganz h.M.; vgl. Ennan I Hanau, § 613 a Rdnr. 42, 63; Heinze, DB 1980, 205, 208; G. Lüke, Anm. zu BAG AP Nr. 24 zu § 613 a BGB; Palandt I Putzo, § 613 a Rdnr. I; RGRK I Ascheid, § 613 a Rdnr. 126; Schreiber, RdA 1982, 137; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 20 III. 2.

2

So ausdrücklich Ennan I Hanau, § 613 a Rdnr. 42, 63.

3

Zu dem von § 613 a BGB betroffenen Personenkreis auf Arbeitnehmerseite vgl. unter 2.

4 V gl. zu dieser Abgrenzung die ausführliche Darstellung bei Stiej, Der Begriff der Betrieblichen Altersversorgung, 1992, S. 31 ff., 34 ff.

60

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

abstellt5 • Denn in jedem Fall setzt die Versorgungsverpflichtung einen Rechtsbegründungsakt, d.h. eine Versorgungszusage des Arbeitgebers, voraus. Diese Versorgungszusage kann ausdrücklich oder stillschweigend\ individualrechtlich7 oder kollektivrechtlich8 erfolgen. In allen Fällen beruht die Zusage des Arbeitgebers auf einem zwischen ihm und dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrag. Von einer derartigen Verknüpfung gehen auch die Regelungen in §§ 1, 17 BetrAVG aus, wonach die Versorgung aus Anlaß eines Arbeitsoder sonstigen Tätigkeitsverhältnisses zugesagt wird. Rechtsgrund für die Gewährung des Ruhegeldes ist also immer das Arbeitsverhältnis als solches9 • Zumindest sind die erdienten Versorgungsanwartschaften "derart eng mit dem ... Arbeitsverhältnis verknüpft, daß sie nach dem Wortlaut des § 613 aI BGB mit dem Arbeitsverhältnis auf den Betriebsübernehmer übergehen müssen" 10.

5 Das BAG betrachtet die Betriebsrente zu Recht als eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die insgesamt erbrachte Betriebstreue des Arbeitnehmers. Zwar stelle die Leistung der betrieblichen Altersversorgung keinen vorenthaltenen Arbeitslohn dar, der in unmittelbarer Beziehung zur Arbeitsleistung stehe; dennochtrete der Enteltcharakter gegenüber dem Fürsorgeelement in den Vordergrund; vgl. dazu grundlegend BAG AP Nr. 156 zu § 242BGB Ruhegehalt, unter A. 11. 2. a) der Gründe, mit Anm. Weitnauer; sowie jüngst DB 1995, 930, 931; 932, 933; BFH, DB 1995, 1005, 1006; 1968,2156; LAG Hamm, DB 1995,2122,2123; zustimmend Blomeyer / Ouo, Einl. Rdnr. 124 f.; Hiifer / Ahrend, DB 1972,1825; Höfer / Reiners / Wüst, ART Rdnr. 40 f.; Rühle, AR-Blattei D, Betriebliche Altersversorgung VII, unter B. 11. 1.; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung und Arbeitsverhältnis, 1991, S. 60 ff.; ders., RdA 1995, 343, 345; Stumpf, Betriebliche Altersversorgung im Umbruch, S. 199.

• Z.B. durch betriebliche Übung; Einzelheiten hierzu bei Höfer / Reiners / Wüst, ART Rdnr. 205 ff. 7 Hier kommt eine Einzel- oder Gesamtzusage oder einer vertraglichen Einheitsregelung in Betracht; vgl. im einzelnen dazu Höfer / Reiners / Wüst, ART Rdnr. 189 ff. (Einzelzusage) und Rdnr. 200 ff. (Gesamtzusage u. Einheitsregelung). - Zur Erlangung einer Versorgungsanwartschaft aufgrung des Gleichbehandlungsgebots vgl. jüngst BAG, DB 1995, 930, 931.

R Durch Betriebsvereinbarungen oder Regelungen nach dem Sprecherausschußgesetz; vgl. dazu nur Hiifer / Reiners / Wüst, ART Rdnr. 230 ff. sowie hier unter § 8 III. 2. - Tarifliche Regelungen bieten sich wegen der Betriebsindividualität der Versorgungswerke nur in Form von Firmentarifverträgen an. Im übrigen existieren tarifvertragliche Regelungen über die sog. Zusatzversorgung vor allem im öffentlichen Dienst.

, So auch MünchArbR / Wank, § 120 Rdnr. 128, 160; Lutz, Betriebsveräußerungen durch den Konkursverwalter, S. 34; Säcker / loost, DB 1978, 1030, 1033; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 81 IV 2 d; Kaiser / Gradei, DB 1996, 1621 f.; Steckhan, in: Festschrift f. Schnorr v. Carolsfeld, S. 471; Walker, Der Vollzug der Arbeitgebererbfolge mit einem vermeintlichen Erben, S. 95. )() Blomeyer, Anm. zu BAG, AP Nr. 6 zu § 613 a BGB unter A. 2. a). - Vgl. auch Erman / Hanau, § 613 a Rdnr. 46; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 142; Staudinger I Richardi § 613 a Rdnr. 156.

§ 4 Reduktion des § 613 a BGB und die betrit:bliche Altersversorgung

61

Auch das BAGII hat nie einen Zweifel aufkommen lassen, daß zu den Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis, in das der Erwerber nach § 613 a I 1 BGB eintritt, die auf einer Versorgungs zusage des Betriebsveräußerers beruhenden betrieblichen Versorgungsverpflichtungen gehören. Darüber hinaus ist die Übemahmeverpflichtung des Erwerbers, in den Fällen, in denen die Altersversorgung im Veräußererbetrieb mittels einer Betriebsvereinbarung geregelt wird, in § 613 aI 2-4 BGB ausdrücklich angeordnet 12 •

2. Der von § 613 a BGB betroffene Kreis der Versorgungsgläubiger Der persönliche Geltungsbereich von § 613 a BGB ist im Hinblick auf die Ruhegeldhaftung umstritten.

a) Aktive Arbeitnehmer Zunächst besteht jedoch Einigkeit darüber, daß die Rechtsfolgen des § 613 a BGB für die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs aktiven Arbeitnehmer gelten 13. Haben sich diese beim bisherigen Arbeitgeber und Betriebsveräußerer Versorgungsanwartschaftsrechte erdient, tritt der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber in diese Anwartschaftsverpflichtungen ein l4. Daß sich § 613 a

11 BAG AP Nr. 6 zu § 613 a BGB m. Anm. Blomeyer; AP Nr. 7 zu § 613 a BGB; AP Nr. 12 zu § 613 a BGB m. Anm. Seiter; AP Nr. 15 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen; EzA Nr. 67 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen; AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung m. Anm. Blomeyer; AP Nr. 6 u. Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; EWiR 1990, 455 m. Anm. Hö!er / Küpper; KTS 1992, 142, 144; KTS 1992,658,661; OB 1994,506; BB 1994,220,221; OB

1994,1683,1684; ausführlich auch LAG Köln, ZIP 1991, 398,400. 12

Einzelheiten dazu unter § 8 III. 2.

Brox / Rüthers, Arbeitsrecht, Rdnr. 223 d; Erman / Hanau, § 613 a Rdnr. 44; Gaul, OB 1980, 927,928 f.; Hennerkes / Binz / Rauser, OB 1982,930; Kemper, OB 1995, 373; Moll, NJW 1993, 2016,2018; MünchKomm I Schaub, § 613 a BGB Rdnr. 4; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 19 ff.; Staudinger I Richardi § 613 a Rdnr. 26 f. B

14 Dieses gilt sowohl für unverfallbare als auch für verfallbare Anwartschaften; der Lauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist (§ 1 I 1 BetrAVG) wird durch den Betriebsübergang nicht unterbrochen (§ 1 13 BetrAVG); vgl. dazu BAG, OB 1978, 1795; Blomeyer / Otto, Einl. Rdnr. 289 a; Gaul, OB 1980, 927, 928; Hennerkes / Binz / Rauser, OB 1982, 930; Kemper, OB 1995, 373; Moll, NJW 1993,2016,2018; MünchArbR I Wank, § 120 Rdnr. 161; Palandt I Putzo, § 613 a Rdnr. 17; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 158; Staudinger I Richardi § 613 a Rdnr. 158 sowie hier unter § 12 11. 1.

62

1. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

BGB in jedem Fall auf die aktive Belegschaft erstreckt, ergibt sich unmißverständlich aus dem Wortlaut der Vorschrife 5 • § 613 a BGB spricht nämlich von einem Übergang der "bestehenden Arbeitsverhältnisse". Dazu gehört insofern auch ein bereits gekündigtes Arbeitsverhältnis, wenn die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist 16 •

b) Ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner Ob neben der aktiven Belegschaft auch ehemalige Arbeitnehmer, also solche, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis zum Betriebsveräußerer stehen oder bereits Ruhegeldbezieher sind, von den Rechtsfolgen des § 613 a BGB erfaßt werden, ist umstritten. Z.T. wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Erwerber hafte sowohl für unverfallbare Versorgungsanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer als auch für die Ruhegelder der Betriebspensionäre, die bereits vor dem Betriebsübergang vom Veräußerer Versorgungsleistungen bezogen hätten 17. Nur so könne vermieden werden, daß die als Einheit gewollte und aus Ruhegeldanwartschaften und Ruhegeldansprüchen zusammengesetzte betriebliche Ruhegeldordnung auch als Einheit bestehen bliebe und nicht anläßlich eines Betriebsübergangs aufgespalten werde 18 • Ein weiteres Argument wird aus § 16 BetrAVG abgeleitet. Nach dieser Vorschrift sind laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers anzupassen 19 • Dieser Anpassungsprozeß setze voraus, daß der Versorgungsschuldner auch weiterhin unternehmerisch tätig bliebe; dieses sei aber bei dem Betriebsveräußerer regel-

'S So auch Blomeyer, Anm. zu BAG, AP Nr. 6 zu § 613 a unter A. I. 2. a); D. Gaul, OB 1980, 927, 928; Höfer / Reiners / Wüst, ART Rdnr. 883.

'6 BAG AP Nr. 11 zu § 613 a BGB m. Anm. Küchenhojf; Erman / Hanau, § 613 a Rdnr. 45; Mohrbutter, KTS 1983, 2, IO;MünchArbR I Wank, § 120 Rdnr. 161; RGRK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 129; Staudinger I Richardi § 613 a Rdnr. llO. 17 Hennerkes / Binz / Rauser, BB 1982,930,931 f.; Reuter, Anm. zu BAG AP Nr. 167 zu § 242 BGB Ruhegehalt, unter 3.; Säcker / loost, OB 1978, 1030 ff., 1070 ff.; Steckhan, in: Festschrift f. Schnorr v. Caro1sfeld, 1972, S. 463, 471 f.; Weimar / Alfes, BB 1993,783,785; distanzierend zur h.M. auch Henssler, NZA 1994, 913, 920 ; Roemheld, SAE 1979, 71; Schwerdtner, Anm. zu BAG, SAE 1978,62,64.

'0 Säcker / loost, OB 1978, 1030, 1078, 1083. '9 Anpassungsmaßstab ist insb. "die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers"; vgl. § 16 Halbs. 2 BetrAVG.

§ 4 Reduktion des § 613 a BOB und die betriebliche Altersversorgung

63

mäßig nicht mehr der Fall20 • Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum21 und inzwischen gefestigter Rechtsprechung22 sind diejenigen Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs das Unternehmen bereits verlassen haben, vom Anwendungsbereich des § 613 a BOB ausgeschlossen. Wenn sie vor ihrem Ausscheiden unverfallbare23 Anwartschaften erdient haben, bleibe der später, d.h. bei Eintritt des Versorgungsfalls, zu erfüllende Versorgungsanspruch gegen den Betriebsveräußerer bestehen; der Erwerber trete in diese Versorgungsverpflichtung nicht ein. Die gleiche Beschränkung gilt nach herrschender Auffassung 24 auch in bezug auf Betriebsrentner. Nicht der Erwerber, sondern aus-

20 Aus diesem Grunde will Schwerdtner, Anm. zu BAG, SAE 1978,62, 64, die Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf Ruhegeldverpflichtungen insoweit beschränken, als der Erwerber verpflichtet ist, den Anpassungsbedarf nach § 16 BetrAVG zu befriedigen; ebenso Konzen, ZfA 1978, 504. Vgl. zur Bedeutung des § 16 BetrAVG auf den Gläubigerkreis von § 613 a BGB insb. Blomeyer I Otto, Einl. Rdnr. 296, § 16 Rdnr. 221 f.; MünchArbR I Ahrend I Förster, § 103 Rdnr. 46; Hennerkes I Binz I Rauser, BB 1982,930,933.

21 Ahrend I Förster, § 4 Anm. 2; Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 6 zu § 613 a BGB; Blomeyer lOtto, Einl. Rdnr. 294; Brox I Rüthers, Arbeitsrecht, Rdnr. 223 b; Erman I Hanau, § 613 a Rdnr. 46; D. Gaul, DB 1980,927, 928 f.; Gockel, Der Übergang von Ansprüchen und Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB; Hess I Knörig, Arbeitsrecht bei Sanierung, D Rdnr. 71; Höfer I Reiners I Wüst ART Rdnr. 885; Kemper, DB 1995, 373; Lieb, Arbeitsrecht, § 4 VIII 3 b; ders., Die Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen bei Unternehmensübergang, 1992, S. 20; Lilienfein I Fiedler, BB 1981, 2013 sowie die ,,Erwiderung" von Everhardt, BB 1982,314 ff.; Mohrbutter I Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, Rdnr. 66 a; MünchArbR I Wank, § 120 Rdnr. 116, 126; MünchKomm I Schaub, § 613 a BGB Rdnr. 6; Moll, NJW 1993, 2016, 2018; Paland I Putzo, § 613 a Rdnr. 2; RGRK IAscheid, § 613 a Rdnr. 24; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 60; Soegell Kraft, § 613 a Rdnr. 21; Staudinger I Richardi § 613 a Rdnr. 26 f.; Oberhofer, AuR 1989,293,297; Willemsen, ZIP 1986,477,486 m. Fn. 57. 22 Grundlegend BAG AP Nr. 6 zu § 613 a BGB m. zust. Anm. Blomeyer sowie SAE 1988, 28, 29 mit zust. Anm. Streckei; vgl. auch BB 1978, 812; NZA 1988,246; DB 1991, 1330. 23 Zu den Voraussetzungen der gesetzlichen Unverfallbarkeit vgl. § 1 I 1 BetrAVG sowie hier unter 11. I. b). 24 BAG AP Nr. 6 zu § 613 a BGB m. Anm. Blomeyer; AP Nr. 7 zu § 613 a BGB; AP Nr. 12 zu § 613 a BGB m. Anm. Seiter; AP Nr. 15 zu § 613 a BGB m. Anm. Willemsen; AP Nr. 61 zu § 613 a BGB m. Anm. v. Stebut; LAG Düsseldorf, DB 1976,2067; Brox, Arbeitsrecht, Rdnr. 223 b; Erman I Hanau, § 613 a Rdnr. 46; D. Gaul, DB 1980,927,928 f.; Gockel, Der Übergang von Ansprüchen und Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung nach § 613 a Abs. I S. 1 BGB; Hiifer I Reiners I Wüst ART Rdnr. 885; Kemper, DB 1995, 373; Lieb, Arbeitsrecht, § 4 VIII

3 b; ders., Die Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen bei Unternehmensübergang, 1992, S. 20; Lilienfein I Fiedler, BB 1981,2013 sowie die ,,Erwiderung" von Everhardt, BB 1982, 314 ff.; Mohrbutter I Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, Rdnr. 66 a; MünchArbR I Wank, § 120 Rdnr. 116, 126; MünchKomm I Schaub, § 613 a BGB Rdnr. 6; Moll, NJW 1993,2016,2018; Paland I Putzo, § 613 a Rdnr. 2; RGRK I Ascheid, § 613 a Rdnr. 24; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 70; Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 20 III. 4.

64

I. Teil: Betriebsübergang nach Eröffnung des Konkursverfahrens

schließlich der Veräußerer habe weiterhin die laufenden Versorgungsleistungen zu erbringen 25 • Der h.M. ist zu folgen. Der Wortlaut von § 613 a I BGB und der Wille des Gesetzgebers sprechen eindeutig für eine begrenzte Anwendung dieser Norm ausschließlich auf aktive Arbeitnehmer. Die Vorschrift knüpft an ein "bestehendes Arbeitsverhältnis" an. Damit können nur die Arbeitsverhältnisse der aktiven Belegschaft gemeint sein. Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Betrieb aus, endet auch sein Arbeitsverhältnis. Dieses wird nämlich durch den Arbeitsvertrag begründee6 ; es erlischt also auch mit Beendigung des Arbeitsvertrages 27 • Dem steht nicht entgegen, daß das Merkmal "bestehendes Arbeitsverhältnis" auch ohne Vorliegen eines wirksamen Arbeitsvertrages bejaht werden kann, wenn die Voraussetzungen eines sog. faktischen bzw. fehlerhaften Arbeitsverhältnisses vorliegen 28 • Ein ausgeschiedener Arbeitnehmer erbringt nämlich gerade keine tatsächliche Arbeitsleistung mehr; das Erlöschen seiner vertraglichen Beziehungen zum Arbeitgeber fällt somit mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zeitlich zusammen. Gleiches gilt im Ergebnis auch für den Ruheständler. Zwischen ihm und dem Veräußerer besteht kein Arbeitsvertrag mehr29 • Die Ruhegeldzahlung beruht auf einem ehemaligen30, nicht auf einem "bestehenden Arbeitsverhältnis". Gerade durch die Verwendung dieser Wortkombination hat der Gesetzgeber eine Ausgrenzung nicht mehr im Veräußererbetrieb aktiver Arbeitnehmer, einschließlich der Ruheständler, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.

2~ Das BAO betont allerdings ausdrücklich (vgl. AP Nr. 6 zu § 613 a BOB, Leitsätze 3 u. 4), daß ein Haftungsübergang gern. § 25 HGB oder § 419 BOB in Frage kommt. Zudem kann sich eine Haftung des Erwerbers aus einer rechtsgeschäftlichen Schuldübernahme oder einer Vertrags übernahme (vgl. §§ 414 f. BOB) ergeben; vgl. dazu insbes. Hennerkes / Binz / Rauser, BB 1982,930, 931 ff. 2_ Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, S. 115; Blomeyer / Ouo, § I Rdnr. 125; vgl. auch § I des Entwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes, vorgelegt auf dem 59. D1T 1992. 27 Ebenso Blomeyer / Ouo, § I Rdnr. 125; D. Gaul, DB 1980, 328, 330; Hähne, in: Heubeck / Höhne / Paulsdorff / Rau / Weinert, § I Rdnr. 81.

2. Vgl. dazu Erman / Hanau, § 613 a Rdnr. 45; MünchArbR / Wank, § 120 Rdnr. 118; MünchKomm / Schaub, § 613 a BOB Rdnr. 4; RORK / Ascheid, § 613 a Rdnr. 20; Staudinger / Richardi, § 613 Rdnr. 112. 29

So ausdrücklich auch BAG AP Nr. 6 zu § 613 a BOB m. Anm. Willemsen.

Z.T. wird von einer "Nachwirkung" (Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 164) oder "Art Nachwirkung" (Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, S. 488) des Arbeitsverhältnisses gesprochen. Vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, 1990, S. 40 ff. JO

§ 4 Reduktion des § 613 a BGB und die betriebliche Altersversorgung

65

Dafür spricht auch Art. 3 III der EG-Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen31 . Dort werden im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung sowohl Regelungen über Anwartschaften der aktiven Belegschaft als auch Ansprüche der Betriebspensionäre in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Die Differenzierung von Versorgungsanwartschaften und -ansprüchen läßt erkennen, daß im Hinblick auf die Erwerberhaftung gerade keine einheitliche Regelung vorgegeben ist32 • Dieser Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß er durch das Tatbestandsmerkmal "bestehende Arbeitsverhältnisse" lediglich die Versorgungsanwartschaften der vom Erwerber übernommenen aktiven Belegschaft in den Haftungsverband nach § 613 aI BGB einbeziehen wollte 33 . Die Schwierigkeiten, die dann entstehen, wenn der Betriebsveräußerer nicht mehr untemehmerisch tätig ist, sind dabei in Kauf zu nehmen. In der Tat ist hier nämlich zu berücksichtigen, daß der bisherige Betriebsinhaber nach dem Betriebsübergang in der Regel über keinen eigenen Verwaltungsapparat mehr verfügt, um die laufenden Pensionsleistungen abzuwickeln 34 . Zudem ist problematisch, ob und wie eine nach § 16 BetrAVG alle drei Jahre durchzuführende Anpassungsprüfung der Versorgungsansprüche zu erfolgen hat, wenn der alte Betriebsinhaber nicht mehr untemehmerisch tätig ist. Die Anpassungsprüfung orientiert sich nämlich an der "wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers" (vgl. § 16 BetrAVG). Trotzdem ist es nicht gerechtfertigt, zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausgeschiedene Arbeitnehmer oder Rentner entgegen dem Wortlaut des § 613 aI BGB in den Kreis der von dieser Vorschrift betroffenen Arbeitnehmer miteinzubeziehen. Im übrigen könnte man Anpassungsprobleme dadurch vermeiden, daß eine Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG aufgrund der fehlenden unternehmerischen Tätigkeit des Versorgungsschuldners entfälltls. Dieses entspricht im übrigen der Rechtslage im Falle der Einstandspflicht des PSV (§§ 7 ff. BetrAVG)36. Auch hier wird mangels einer untemeh-

31

77/1871 EWG - ABI. EG Nr. L 61 v. 5. 3. 1977,26; auch abgedruckt in RdA 1977, 162 f.

32

So wohl auch Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 12 zu § 613 a BGB unter 2. b.

Erman 1 Hanau, § 613 a Rdnr. 46; RGRK 1 Ascheid, § 613 a Rdnr. 24, 143; Staudinger 1 Richardi, § 613 a Rdnr. 156 ff. 33

3