Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung [3., neu bearb. Aufl. 2021] 9783814557793

In Sanierungssituationen stoßen unterschiedliche Interessen, Chancen und Risiken der beteiligten Stakeholder aufeinander

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Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung [3., neu bearb. Aufl. 2021]
 9783814557793

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Achsnick/Opp Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung

RWS-Skript 362

Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung 3., neu bearbeitete Auflage

von RA Dr. Jan Achsnick, Köln RA Julian Opp, Köln

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

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© 2021 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort zur 3. Auflage Die doppelnützige Treuhand hat auch in den zurückliegenden Jahren ihren festen Platz im Rahmen von Unternehmenssanierungen gehabt, wie prominente Beispiele (z. B. Willy Bogner, Adam Opel AG, Mobilcom AG), aber auch zahlreiche eher unbekannte, mittelständische Fälle belegen. Seitdem dieses Werk in 2. Auflage erschienen ist, hat es im Restrukturierungssegment zahlreiche Entwicklungen gegeben, die auch in den Anwendungsbereich der doppelnützigen Sanierungstreuhand hineinspielen. So wurde unter anderem die seinerzeit noch unsichere Rechtslage zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen auf Basis des Sanierungserlasses mittlerweile wieder auf die belastbaren Füße einer gesetzlichen Regelung gestellt, die Anwendbarkeit der Sanierungsklausel (§ 8c KStG) europarechtlich zumindest vorläufig bestätigt und die „Insolvenzfestigkeit“ der doppelnützigen Sanierungstreuhand zwischenzeitlich in verschiedenen höchstrichterlichen Entscheidungen bestätigt. Höchste Zeit also, dieses Werk umfassend auf den neuesten Stand zu bringen. Die Fertigstellung der vorliegenden 3. Auflage fällt denn auch in turbulente Zeiten, in denen die rechtlichen Sonderregelungen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (z. B. temporäre Aussetzung der Insolvenzantragsfrist) auslaufen und der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) umfassende Anpassungen des Insolvenzrechts infolge der Ergebnisse der ESUG-Evaluation vornimmt und mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) vor allem ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren in die deutsche Sanierungspraxis einfügt. Die doppelnützige Treuhand wird sicherlich auch unter diesen neuen Rahmenbedingungen ihren Anwendungsbereich finden und wir hoffen insofern, auch mit diesem Werk wieder einigen Interessierten dieses spannende Instrument näherbringen zu können. Unser Dank gilt wie immer allen helfenden Händen beim RWS-Verlag, die diese 3. Auflage wie stets engagiert gefördert und begleitet haben, unserem Partner-Kollegen Maximilian Pape für das wiederholte Korrekturlesen sowie hilfreiche Hinweise aus seiner Praxis mit Sicherheitenpools und Sicherheitentreuhandschaften, sowie nicht zuletzt unseren Familien für das Verständnis und die Unterstützung. Über Anregungen und Austausch zu dieser 3. Auflage freuen wir uns jederzeit.

Köln, im Januar 2021

Dr. Jan Achsnick Julian Opp V

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort zur 3. Auflage .................................................................................. V Literaturverzeichnis ................................................................................... XIII A. Einleitung ..................................................................................... 1 ........ 1 B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen .................. 12 ........ 3 I.

Ausgangssituation ...................................................................... 12 1. Turnaround-Situationen ..................................................... 12 2. Interessenlage der Beteiligten ............................................. 30 a) Banken .......................................................................... 30 b) Lieferanten/Kreditversicherer ..................................... 33 aa) Lieferanten .......................................................... 33 bb) Kreditversicherer ................................................ 37 c) Gesellschafter ............................................................... 40 d) Management ................................................................. 43 e) Investor ........................................................................ 48 f) Fazit .............................................................................. 53 3. Handlungsoptionen und Risiken ....................................... 54 a) Handlungsoptionen der Gesellschafter ...................... 55 b) Handlungsoptionen der Banken ................................. 58 aa) Keine Rechtspflicht zur Sanierung .................... 59 bb) Kündigung und Sicherheitenverwertung ........... 60 (1) Kündigung ................................................... 61 (2) Sicherheitenverwertung .............................. 70 cc) Stillhalten, Prolongation und Sicherheitenverstärkung .......................................................... 72 (1) Stillhalten ..................................................... 73 (2) Prolongation und weitere Sanierungsbeiträge ......................................................... 76 (3) Sicherheitenverstärkung .............................. 80 dd) Unterstützung der Sanierung durch Neukredite und Risiken der Kreditvergabe sowie Sicherheitenbestellung in der Krise .............................. 86 (1) Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung ..................................................... 90 (a) Gläubigergefährdung ......................... 91 (b) Knebelung .......................................... 96 (c) Übersicherung ................................. 103 (2) Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe .......... 109

........ 3 ........ 3 ........ 8 ........ 8 ........ 9 ........ 9 ...... 10 ...... 11 ...... 12 ...... 13 ...... 14 ...... 14 ...... 14 ...... 15 ...... 16 ...... 16 ...... 16 ...... 19 ...... 19 ...... 19 ...... 20 ...... 21

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VII

Inhaltsverzeichnis

4.

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(3) Zulässige Sanierungskredite ...................... 116 (a) Der relevante Krisenzeitraum ......... 118 (b) Abgrenzung Neukreditierung und bloßes Stillhalten ...................... 128 (c) Abgrenzung Überbrückungsund Sanierungskredit ....................... 137 Treuhandschaft als Lösung? ............................................. 152 a) Alternative Besicherungsformen an Gesellschaftsanteilen ............................................................ 153 aa) Gesellschafterstellung der Finanzierer ............ 154 (1) Funktionsweise .......................................... 155 (a) Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage (Debt-Equity-Swap) ....................... 156 (b) Kapitalerhöhung gegen Bareinlage ......................................... 176 (2) Haftungs- und Anfechtungsrisiken ......... 178 (a) Haftung für Kapitalaufbringung und -erhalt ........................................ 179 (b) Insolvenzrisiken für Gesellschafterdarlehen ............................................ 198 (aa) Insolvenzrechtlicher Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) ...... 199 (bb) Anfechtbarkeit bei Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) .......................... 224 (c) Exkurs: faktische Geschäftsführung ............................................. 242 bb) Verpfändung der Gesellschaftsanteile ............. 287 (1) Funktionsweise .......................................... 287 (2) Verwertungsrecht in der Insolvenz des Verpfänders ......................................... 342 (3) Haftungs- und Anfechtungsrisiken ......... 365 b) Fazit ............................................................................ 371

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II. Treuhandmodelle ...................................................................... 1. Überblick und Begrifflichkeiten ...................................... a) Unterscheidung nach der Rechtsinhaberschaft ....... aa) Vollrechtstreuhand (echte Treuhand) ............. (1) Übertragungstreuhand .............................. (2) Erwerbstreuhand ....................................... (3) Vereinbarungstreuhand ............................. bb) Vollmachts- und Ermächtigungstreuhand (unechte Treuhand) .......................................... (1) Vollmachtstreuhand .................................. (2) Ermächtigungstreuhand ............................ b) Unterscheidung nach dem Treuhandzweck ............. VIII

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2.

aa) (Fremdnützige) Verwaltungstreuhand ............ bb) Eigennützige Sicherungstreuhand ................... c) Doppelnützige (doppelseitige) Treuhand ................ aa) Die einzelnen Treuhandverhältnisse ................ bb) Einordnung der doppelseitigen Treuhand ....... Der Treuhandvertrag ........................................................ a) Das Treugut ............................................................... b) Der Treuhänder ......................................................... c) Die Begünstigten ....................................................... d) Treuhandabrede/Abtretung ...................................... aa) Treuhandabrede ................................................ bb) Abtretung/Formerfordernisse ......................... (1) Rechtsformspezifische Abtretung ............ (2) Kapitalmarktrechtliche Anforderungen .......................................... (3) Gesellschaftsrechtliche Zustimmungserfordernisse .............................................. (4) Zustimmungserfordernisse bei Minderjährigen .......................................... cc) Aufschiebende Bedingung als Gestaltungsvariante .............................................................. dd) Verkaufsvollmacht und Ermächtigung als Gestaltungsvariante ..................................... e) Garantien der Treugeber ........................................... f) Vergütung und Freistellungsansprüche des Treuhänders ......................................................... g) Haftpflichtversicherung und Haftungsbeschränkung des Treuhänders .................................... h) Rechte und Pflichten der Vertragsparteien .............. aa) Rechte und Pflichten der Treugeber ................ (1) Ausübung der Gesellschafterrechte und Weisungsbefugnis .............................. (2) Vermögensrechte (Gewinnverwendung und Entnahmen) ........................................ (3) Rechte der Treugeber bei Kapitalmaßnahmen ............................................... (4) Mitwirkungs- und Informationspflichten der Treugeber ............................................ bb) Rechte und Pflichten des Treuhänders ............ (1) Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Berichterstattung ............................... (2) Konsultationspflichten .............................. i) Bedingungsfall und Verwertung ............................... aa) Bedingungsfall ................................................... bb) Verwertung ........................................................

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3.

4. 5. 6.

(1) Verwertungsmodalitäten ........................... (2) Erlösauskehr .............................................. j) Beendigung ................................................................. Steuerliche Auswirkungen ................................................ a) Ertragsteuern/Verlustvorträge .................................. aa) Steuerliche Zuordnung des Treugutes ............. bb) Steuerliche Verlustvorträge .............................. b) Grunderwerbsteuer .................................................... c) Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen ................... Bilanzielle Auswirkungen ................................................. Schicksal der Treuhandvereinbarung bei Tod einer Vertragspartei ........................................................... Berufsrechtliche Rahmenbedingungen ............................ a) Treuhandtätigkeit als Rechtsdienstleistung i. S. v. §§ 2, 3 RDG? ................................................... b) Tätigkeitsverbot gemäß §§ 43a, 45 BRAO bei Interessenskonflikten? ........................................ c) Fazit ............................................................................

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III. Erfolgsfaktoren und Nutzen .................................................... 845 1. Installation der Treuhand ................................................. 846 2. Handlungsfähigkeit des Treuhänders .............................. 852 a) Wirksamkeit der Anteilsübertragung ....................... 853 b) Qualifizierte Anteils- und Stimmenmehrheit .......... 863 3. Wichtige „Stellschrauben“ der Treuhandvereinbarung ...... 873 a) Nur ein Treuhänder ................................................... 874 b) Klare Formulierung des Bedingungs- und Verwertungsfalles ...................................................... 875 c) „Rollenhygiene“ ......................................................... 879 4. Vorteile und Nutzen einer doppelnützigen Sanierungstreuhand ........................................................... 880 a) Erzeugen von Veränderungsbereitschaft, Vertrauen und Transparenz ...................................... 880 b) Unterstützung und Messbarkeit der Sanierung (Covenants) ....................................... 882 c) Einheitliche und schnelle Willensbildung auf Gesellschafterebene ............................................. 883 d) Vorteile aus Sicht des Managements ........................ 884 e) Zugriff auf Anteile bei Eintritt des Bedingungsfalls ..... 886 f) Einleitung M&A-Prozess, Verkauf „aus einer Hand“ ........................................................ 887 g) Professionelle Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten ........................................................ 889

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IV. Ablauf und Kosten ................................................................... 890 .... 230

X

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C. Die Treuhand in der Insolvenz .............................................. 895 .... 233 I.

Allgemeines ............................................................................... 895 .... 233

II. Insolvenz der Zielgesellschaft .................................................. 1. Fortbestehen des Treuhandverhältnisses ......................... 2. Insolvenzanfechtung ......................................................... a) Anfechtung gegenüber dem Treuhänder ................. b) Anfechtung gegenüber den Treugebern ................... c) Anfechtung gegenüber den Begünstigten ................

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III. Insolvenz des Treugebers ......................................................... 971 1. Schicksal des Treuhandvertrags ........................................ 972 2. Absonderungs- und Verwertungsrecht ........................... 993 a) Gegenstand des Absonderungsrechts ...................... 995 b) Inhaber des Absonderungsrechts ........................... 1008 c) Verwertungsbefugnis ............................................... 1011 d) Zusammenfassung ................................................... 1060 3. Insolvenzanfechtung ....................................................... 1061 a) Anfechtung des Sicherungsversprechens ............... 1062 aa) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) ........ 1064 bb) Anfechtung nach §§ 130–132 InsO ............... 1069 cc) Anfechtung nach § 133 InsO ......................... 1080 dd) Anfechtung nach § 134 InsO ......................... 1093 ee) Bargeschäft (§ 142 InsO) ............................... 1099 b) Anfechtung des Treuhandvertrags ......................... 1102 aa) Anfechtung gegenüber den Drittbegünstigten .................................................... 1104 (1) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) ............................................ 1104 (2) Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO ........ 1107 (3) Anfechtung nach § 133 InsO ................. 1112 (4) Anfechtung nach § 134 InsO ................. 1115 bb) Anfechtung gegenüber dem Treuhänder ....... 1118 (1) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) ............................................ 1118 (2) Anfechtung nach §§ 130 – 132 InsO ....... 1120 (3) Anfechtung nach § 133 InsO ................. 1122 (4) Anfechtung nach § 134 InsO ................. 1128 c) Anfechtung der Übertragung des Treuguts ........... 1130

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IV. Insolvenz des Treuhänders .................................................... 1138 .... 293 1. Schicksal des Treuhandvertrags ...................................... 1139 .... 293 2. Aussonderungsrecht ....................................................... 1149 .... 295 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 299

XI

Literaturverzeichnis Altmeppen GmbHG, 10. Aufl., 2021 Altrichter-Herzberg Die Höhe der steuerlichen Einlage beim Rangrücktritt – Anmerkung zum Urteil des BFH vom 10.8.2016 – I R 25/15, GmbHR 2017, 185 Armbrüster Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001 Assmann/Schneider/Mülbert Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 7. Aufl., 2019 Baumbach/Hueck GmbHG, Kommentar, 22. Aufl., 2019 Bea/Fischer Aktuelle Fragestellungen bei der Gestaltung der anwaltlichen Beratung in der Eigenverwaltung, NZI 2019, 15 Berger Verpfändung und Verwertung globalverbriefter Aktien im Rahmen einer Sanierungstreuhand, ZInsO 2016, 474 von Bismarck Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, 2013 Bitter Banken als Adressaten des Gesellschafterdarlehensrechts bei einer Doppeltreuhand zur Sanierung – Kritische Anmerkungen zum Urteil des BGH v. 25.6.2020 = WM 2020, 1368, WM 2020, 1764 Bitter Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bei besitzlosen Rechten und bei einer (Doppel-)Treuhand am Sicherungsgut, ZIP 2015, 2249 Bitter Teufelskreis – Ist das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zu sanieren?, ZIP 2013, 398 Bitter Die Doppeltreuhand in der Insolvenz, in: Berger/Kayser/Pannen (Hrsg.), Sanierung, Insolvenz, Berufsrecht der Rechtsanwälte und Notare, Festschrift für Hans Gerhard Ganter zum 65. Geburtstag, 2010, S. 101 – 134 Bitter/Alles Schadensersatzpflichten bei unberechtigter Kündigung von Sanierungskrediten, WM 2013, 537

XIII

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Uhlenbruck Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 15. Aufl., 2019 Undritz Doppeltreuhand und das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters, BB 2016, 74 Undritz Die doppelnützige Treuhand in der Restrukturierungspraxis, ZIP 2012, 1153 Urlaub/Kamp Die Vermeidung der Bankenhaftung bei der Vergabe von Sanierungskrediten, ZIP 2014, 1465 Waldburg Überbrückungskredite und Sanierungskredite, ZInsO 2014, 1405 Weitbrecht Die Doppeltreuhand – Grundstruktur, Insolvenzfestigkeit, Verwertung, NZI 2017, 553 Wenzel Bankenhaftung bei fehlgeschlagenem Sanierungskredit, NZI 1999, 294 Werner Zur Formbedürftigkeit der Verpfändung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG, GmbHR 2008, 755 Witte Eingriffe von Finanzierern in die Unternehmenssteuerung im Krisenfall – Sinnvolle Krisenbewältigung oder Wertvernichtung?, KSI 2016, 197 Wittig Das Sanierungsprivileg für Gesellschafterdarlehen im neuen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, in: Bitter/Lutter/Priester/Schön/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S. 1743 – 1760

XXII

A. Einleitung Treuhandgestaltungen, insbesondere die typischerweise als Erscheinungsform 1 der Treuhand qualifizierte Eigentumsübertragung zur Besicherung einer Forderung (fiducia cum creditore contracta), waren bereits dem römischen Recht bekannt. Heutzutage werden insbesondere Sicherungsgeschäfte zwischen einem Darlehensnehmer und Sicherungsgeber einerseits und einem Darlehensgeber und Sicherungsnehmer andererseits als Treuhandvereinbarungen angesehen (sog. Sicherungstreuhand), weil dem Sicherungsnehmer zwar einerseits das Eigentum zum Vollrecht übertragen wird, er hierüber aber nicht frei verfügen kann, sondern durch eine Nebenabrede – die Treuhandvereinbarung (pactum fiduciae) – verpflichtet ist, die Sache nur nach Eintritt des Sicherungsfalls zur Befriedigung seiner Forderung einzusetzen oder diese nach Tilgung der Schuld an den Sicherungsgeber zurückzuübertragen. Die Treuhand zeichnet sich also dadurch aus, dass jemandem (Treuhänder) 2 durch eine Vereinbarung die Rechtsmacht eingeräumt wird, über ein fremdes Recht zu verfügen, er diese Rechtsmacht im Innenverhältnis aber nur nach Maßgabe der Vereinbarungen mit dem Ermächtigenden (Treugeber) ausüben darf, dessen Interessen er insofern zu wahren hat. Klassischerweise wird zwischen einer (fremdnützigen) Verwaltungstreuhand, 3 bei der der Treuhänder keine eigenen Interessen verfolgt, sondern – fremdnützig – allein im Interesse des Treugebers tätig wird, und einer (eigennützigen) Sicherungstreuhand unterschieden, bei der der Treuhänder eigene Sicherungsinteressen verfolgt. Zwischen diesen klassischen Kategorien haben sich zahlreiche praktische 4 Fallgestaltungen entwickelt, in denen eine Treuhand nicht nur zwischen Treugeber und Treuhänder begründet wird, sondern ein unabhängiger Dritter eingeschaltet wird, um als neutraler Treuhänder fremdnützig die Interessen zweier oder mehrerer Parteien zu wahren. Anwendungsbeispiele sind etwa die treuhänderische Verwahrung dinglicher 5 Nutzungsrechte oder Software-Codes (Software Escrow), Treuhandkonten (Escrow Accounts), die Verwahrung elektronisch gespeicherter Inhalte von Datenräumen bei Unternehmensverkäufen für den Fall des Auftretens von Post-Merger-Streitigkeiten, der außergerichtliche Liquidationsvergleich, bei dem ein Schuldner sein Vermögen auf einen Treuhänder überträgt, damit dieser es an seine Gläubiger verteilt, oder die Absicherung von Arbeitnehmeransprüchen aus betrieblicher Altersversorgung durch sog. Contractual Trust Agreements, im Rahmen derer das zur Deckung der Ansprüche der Arbeitnehmer erforderliche Vermögen vom Arbeitgeber (Treugeber) auf einen unabhängigen Dritten (Treuhänder) übertragen wird, um dieses für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer (Begünstigten) zu sichern.

1

A. Einleitung

6 Auch der Sicherheitenpool der Banken stellt (in Teilen) eine doppelnützige Treuhand dar, weil der Kreditnehmer alle (nicht-akzessorischen) Sicherheiten nur auf die Poolführerin überträgt, die die Sicherheiten teilweise eigennützig hält, soweit sie hiermit ihre eigenen Kredite sichert, und teilweise fremdnützig, soweit sie mit den Sicherheiten auch die Kredite der übrigen Poolbanken sichert. Ähnlich gelagert ist die Sicherheitenverwaltung im Rahmen von Konsortialfinanzierungen, bei der die Sicherheiten ebenfalls nur von der Konsortialführerin oder sogar von einem neutralen Sicherheitentreuhänder (Sicherheitenagent) zugunsten der Konsortialbanken gehalten werden. Wird ein außenstehender Treuhänder eingeschaltet (Bassinvertrag), handelt dieser regelmäßig fremdnützig in beide Richtungen, namentlich im Interesse des Sicherungsgebers (Treugebers) und im Interesse der Sicherungsnehmer (Begünstigten). 7 Eine Sonderform dieser doppelt fremdnützigen Sicherheitentreuhand stellt die in der Unternehmenssanierung eingesetzte (doppelnützige) Sanierungstreuhand dar, bei der die Gesellschafter ihre Anteile an dem zu sanierenden Unternehmen für die Dauer der Sanierung auf einen Treuhänder übertragen, damit dieser zum einen im Interesse der Gesellschafter die Gesellschafterrechte wahrnimmt und die Sanierung professionell begleitet, zum anderen mit den übernommenen Gesellschaftsanteilen aber auch die Forderungen der Kreditgeber des zu sanierenden Unternehmens besichert und auch deren (Sicherungs-)Interesse an einer erfolgreichen Sanierung wahrt. 8 Die doppelnützige Treuhand hat in der Bundesrepublik bei der Finanzierung von Unternehmenssanierungen mittlerweile ihren festen Platz. Dabei gibt es sehr prominente (z. B. Willy Bogner, Adam Opel AG, Mobilcom AG), aber auch zahlreiche eher unbekannte Fälle, in denen dieses Instrument zum Einsatz kam und kommt. 9 Trotz der langen Tradition und der vielfältigen praktischen Bedürfnisse und Anwendungsbereiche der (doppelseitigen) Treuhand gibt es zu diesem Modell bis auf wenige Ausnahmen wie etwa die Bestimmungen zum Refinanzierungsregister (§§ 22a ff. KWG) kaum gesetzliche Regelungen. Auch in der Rechtsprechung und juristischen Literatur sind bei Weitem noch nicht alle Zweifelsfragen geklärt. 10 Dieses Buch will daher den Versuch unternehmen, für die Sonderform der doppelnützigen Sanierungstreuhand die Interessenlage und die Motivation der Beteiligten herauszuarbeiten, das Modell der doppelnützigen Sanierungstreuhand mit seinen Vor- und Nachteilen vorzustellen sowie die rechtlichen wie wirtschaftlichen Fallstricke und Lösungsansätze hierzu aufzuzeigen. 11 Es versteht sich daher eher als Praxisleitfaden, der Gesellschaftern, Banken, Kreditversicherern, Risikomanagern, aber auch Insolvenzverwaltern und mit der Materie befassten Beratern und Rechtsanwälten dabei helfen soll, die Besonderheiten der Treuhandschaft in der Krise und Insolvenz des Kreditnehmers besser zu verstehen und zu nutzen.

2

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen I. Ausgangssituation 1. Turnaround-Situationen Eine Sanierungssituation ist für jedes betroffene Unternehmen eine extreme 12 Herausforderung und fordert den vollen Einsatz sämtlicher Beteiligten. Nicht selten führen dabei jedoch unterschiedliche Interessenlagen auf Unternehmens-, Gesellschafter- und Finanziererebene zu erheblichen Konflikten, die den Sanierungsprozess negativ beeinflussen und behindern können. Unternehmen sind daher gut beraten, sich frühzeitig mit dem Management 13 von Krisen auseinanderzusetzen, um einen Turnaround rechtzeitig und erfolgreich einleiten zu können. Der Weg in die Unternehmenskrise ist ein schleichender Prozess und zu- 14 meist das Ergebnis mehrerer endogener und/oder exogener Ursachen, die zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken können. Frühe Krisenstadien wie strategische Fehlentscheidungen (Strategiekrise), Vertrauensverlust bei wesentlichen Stakeholdern (Stakeholderkrise) oder Schwächen im Geschäftsmodell in sich immer rasanter wandelnden und von Disruption geprägten Märkten (Produkt- und Absatzkrise) werden häufig nicht oder zu spät erkannt und nur unzureichend angegangen, weil ggf. noch Gewinne vorhanden sind, die die Fehlentwicklung überdecken. Vgl. Wilden, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 2 Rn. 1 ff.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.17 ff.; Hohberger, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 1.2, S. 3 ff.

In der Praxis werden Turnaround-Situationen regelmäßig erst viel später er- 15 kannt und noch später angegangen; grundsätzlich erst dann, wenn bereits eine gefestigte Krise des Unternehmens vorliegt. Je nachdem, wie gefährdet der Bestand des Unternehmens ist, kann man zwischen einer potentiellen, einer latenten, einer akuten, aber noch beherrschbaren und einer akuten, aber nicht mehr beherrschbaren Existenzgefährdung von Unternehmen unterscheiden: x

Die potenzielle Unternehmenskrise beschreibt einen Zustand, in der Krisensymptome (noch) nicht als solche zu erkennen sind.

x

In der latenten Krisenphase sind die Krisenmerkmale zwar noch nicht offen zu Tage getreten, jedoch durch geeignete Früherkennungssysteme bereits erkennbar.

x

In der akuten, aber beherrschbaren Krise werden die negativen Auswirkungen der Krise offenbar. Mit ihnen steigen auch die Anforderungen an die Krisenabwehr.

3

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

x

In der akuten, aber nicht mehr beherrschbaren Krise ist das Unternehmen durch die negativen Krisenauswirkungen überfordert. In dieser Phase ist das Unternehmen nur noch durch einen externen Eingriff zu retten. Vgl. Hohberger, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 1.2, S. 3 ff.; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f. groß

gering

normativer Misfit

strategische Krise / Chance

Ergebniskrise/ Chance

Handlungsspielraum

Handlungsbedarf

Liquiditäts-

krise / Chance Insolvenz gering

groß schwach

Ausprägung der Symptome

stark

Abb. 1: Typische Stadien einer Unternehmenskrise 16 Ausgangspunkt eines jeden Turnarounds ist daher zunächst die Feststellung des jeweiligen Krisenstadiums und des damit einhergehenden, optimalen Handlungsbedarfs. 17 Krisen auf Ebene der Stakeholder, zu denen insbesondere die Unternehmensleitung, Gesellschafter, Arbeitnehmer und Gläubiger des Unternehmens gehören, entstehen oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen bzw. deren Mitgliedern. Charakteristisch für die Stakeholderkrise ist meist, dass das bisherige Leitbild wegen veränderter Rahmenbedingungen überholt oder im Unternehmen nicht mehr gelebt wird; innerhalb der Leitungs- und Überwachungsebene bis in die Belegschaft hinein treten Blockaden und Polarisierungen auf, welche die Unternehmenskultur und die Leistungsbereitschaft der Belegschaft deformieren. Ursache ist regelmäßig mangelnde Erkenntnis, Akzeptanz und Kommunikation von notwendigen Veränderungen (Neuausrichtung) des Unternehmens. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.4; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

18 Häufig als Folge einer Stakeholderkrise kennzeichnet die Strategiekrise eine unklare oder fehlende strategische Ausrichtung, verbunden mit einer Fehleinschätzung der Wettbewerbssituation, und dies zulasten der Wettbewerbsfähigkeit. Diese Entwicklungen können zu falscher Innovationspolitik hinsichtlich Produktportfolio und Verfahrenstechnik, Fehlinvestitionen, falsch

4

I. Ausgangssituation

angelegten Diversifikationen und Kooperationen sowie Fehlern in der Standortwahl führen. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.5; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

In der Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise ent- 19 wickeln, bei der die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und -erfolgsträgern nicht nur vorübergehend stark zurückgeht. Ohne produktionsseitige Gegensteuerung folgen hieraus ein steigender Vorratsbestand und dadurch eine Zunahme der Kapitalbindung. Die Gründe hierfür liegen meist in einem unzureichenden Marketing- oder Vertriebskonzept, in Qualitätsproblemen oder Sortimentsschwächen oder auch in einer falschen Preispolitik. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.6; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

Nachfragerückgänge, Preisverfall und Kostensteigerungen führen ohne Ge- 20 gensteuerung zwangsläufig in eine Erfolgskrise. Zunächst können die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient werden, sodann entstehen starke Gewinnrückgänge und Verluste bis hin zum vollständigen Verzehr von Eigenkapital. In weiterer Folge büßt das Unternehmen an Kreditwürdigkeit ein, was wiederum negative Auswirkungen auf die Liquiditätssituation herbeiführt. Zwar lässt sich die Zahlungsfähigkeit in diesem Stadium noch durch geschickte Liquiditätspolitik aufrechterhalten, eine nachhaltige Sanierung lässt sich jedoch ohne Kapitalzuführung nicht mehr erreichen. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.7; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

Mit Eintritt der Liquiditätskrise ist das Unternehmen in seiner Existenz er- 21 höht gefährdet. Das Insolvenzrisiko ist zumindest indiziert und der Weg zur Feststellung der Insolvenzreife nicht mehr weit. Häufig liegen die Gründe für eine Liquiditätskrise im fehlenden oder unzureichenden Working-CapitalManagement bzw. in einer ungesunden, weil unausgewogenen oder zu komplexen Finanzierungsstruktur. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.8; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

5

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

22 Eine sich zuspitzende Liquiditätskrise kann schließlich zum Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung führen. Wird eine Insolvenzreife festgestellt, kann diese nur dadurch überwunden werden, dass mit geeigneten und schnell realisierbaren Maßnahmen wieder die Voraussetzungen für eine positive Fortbestehensprognose geschaffen werden. Vgl. F&A zu IDW S 6, Ziff. 4.5; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 21 f.; Sinz, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.9; Hohberger/ Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.3, S. 38 ff.

23 Existenzbedrohende Unternehmenskrisen kündigen sich in der Vorlaufphase regelmäßig durch eindeutige oder weniger eindeutige, schwache oder harte Signale an. Vgl. zu einzelnen Krisensymptomen und Früherkennungsmethoden: Wilden, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 2 Rn. 14 ff.; Hohberger, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.2, S. 35 ff., und Kap. 2.4 bis Kap. 2.7, S. 44 ff.

24 Nahezu alle Unternehmen, die in manifeste Turnaround-Situationen hineingeraten, haben die Symptome im Vorfeld nicht erkannt. Häufig bemerken Gesellschafter und Management die Krisenhaftigkeit der Situation viel zu spät, obwohl die Erosion eines Geschäftsmodells in den meisten Fällen durch typische Signale wie z. B. sinkende Marktanteile, Umsatz- und Margenrückgänge, Abwanderung von Stammkunden oder steigende Lagerbestände frühzeitig erkennbar gewesen wäre. Lieferanten/ Kreditversicherer • schlechte Beschaffungskonditionen • Lieferverzögerungen, Belieferungsstopps • Telefonate, Nachfragen • Ausfallrisiken Warenkredite

Banken

Markt/Kunden

• Linienüberschreitung • mangelndes Vertrauen • Zusätzlicher Informationsbedarf • neuer Besicherungsbedarf

• verschlechterte Wettbewerbssituation • Preis- und Lieferprobleme • Sinkende Zahlungsmoral

Management und Mitarbeiter • erhöhte Fluktuation • Verunsicherung, Frust, Demotivation • negative Managementauslese

öffentlich-rechtliche Gläubiger • rückständige Steuern • schleppende Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen

Geschäftsführung • Überlastung • fehlende Krisenerfahrung • Schuldzuweisungen, Angst • kein Konzept

Abb. 2: Typische Krisenmerkmale

6

Gewerkschaft/ Betriebsrat • Nervosität, Informationsbedarf • Versuche rechtlicher Besitzstandswahrung

I. Ausgangssituation

Letzteres stellen indes meist nur die Symptome der Krise und nicht deren 25 Ursache dar. Eine zu geringe Eigenkapitalquote, Zahlungsprobleme oder die Kündigung einer Kreditlinie sind selten die Ursachen der Krise, sondern vielmehr deren zwangsläufige Folge. Als häufigste endogene Krisenursache können nach der Praxis und der Krisenursachenforschung vielmehr Management- und Führungsfehler genannt werden. Vgl. Kraus, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 4 Rn. 4 ff.; Klein, Anforderungen an Sanierungskonzepte, S. 24; Hohberger, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 2.7, S. 44 ff.

Durch die Nichtwahrnehmung oder Verdrängung der Signale für eine Krise 26 und des Handlungsbedarfs werden das bestehende Management wie auch der Gesellschafter oft selbst zum Katalysator der Krise. Viele Unternehmer und Manager werden erst skeptisch, wenn die Zahlungsmittel des Unternehmens knapp werden und das Unternehmen in eine akute Liquiditätskrise gerät. Tatsächlich läuft die Erkennungsfolge der Entstehungsfolge häufig entgegen, d. h., erst mit der akuten Liquiditätskrise werden die vorausgehende Erfolgskrise und die dieser wiederum vorausgehende strategische Krise aufgedeckt. Die Abwärtsspirale einer Unternehmenskrise führt zu einem hohen Maß an 27 Misstrauen aufseiten aller Beteiligten. Gesellschafter trauen dem Management und dessen Zahlen nicht mehr. Das Management kann in einer Krise nicht mehr darauf bauen, dass der Gesellschafter hinter ihm steht. Und das angespannte Vertrauensverhältnis zwischen Gesellschafter und Management wiederum hat erheblichen Einfluss auf das – oft ohnehin bereits zerstörte – Vertrauen der Finanzierer. Ungeachtet etwaiger Management-Fehlentscheidungen sind es aber oft vor 28 allem die Gesellschafter, welche die Krise verursacht haben und einen erfolgreichen Turnaround blockieren. Die Gründe hierfür sind mannigfach: x

Fehlende Krisenerfahrung, die Gesellschafter sind überfordert, “gelähmt“, zerstritten;

x

Widerstand gegen die Sanierung oder den Verkauf, auch aufgrund psychologischer/emotionaler Aspekte;

x

Unfähigkeit oder Unwille zu harten Einschnitten und Kapitalmaßnahmen, da sie bereits ihr „letztes Hemd“ (Einlagen, Darlehen und Sicherheiten) gegeben haben;

x

Festhalten an unternehmerischen Fehlentscheidungen, überkommenen Strukturen und Besitzständen;

x

fehlende Veränderungsbereitschaft, Entscheidungs- und Umsetzungsschwäche;

x

Misstrauen gegenüber Banken und Sanierungsberatern;

7

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

x

temporäres Commitment bis zur Finanzierungszusage;

x

Angst vor „Hinausgedrängtwerden“ und Insolvenz;

x

finanzielle Abhängigkeit vom Unternehmen (Gehalt, Entnahmen, Mieten);

x

keine Rückzugsbereitschaft („Nicht-loslassen-Können“, Imageverlust, Sozialprestige);

x

keine Nachfolgelösung;

x

Vertrauensverlust seitens der Banken (“intransparente/falsche Zahlen“).

29 Für einen erfolgreichen Turnaround bedarf es dagegen eines herausragenden, handlungsfähigen Managements, das die Wertvernichter des Unternehmens schnell und zuverlässig analysieren und eliminieren kann und vor allem auch darf. Hierfür ist aber eine bedingungslose Unterstützung von Gesellschafterseite erforderlich. PHASE 1

Erkennen der Krisensituation VORPHASE

Crash-Phase

…2 Restrukturierung Beginnen

…3 Restrukturierung Durchsetzen

…4 Neuausrichtung Sichern

2−4 Wochen

1−2 Monate

3−12 Monate

2−3 Jahre Profitabilität erreichen und sichern

Erkennen von Krisensymptomen

Einsetzen CRO

RestrukturierungsTeam einsetzten

Strukturveränderungen

Veränderungsbereitschaft erzeugen

Koordination der Interessen

Unternehmens- und Marktanalyse

Restrukturierungsmaßnahmen

Suche und Auswahl externer Hilfe

Cash-Management installieren

Restrukturierungskonzept erstellen

langfristiges Unternehmenskonzept

Stabilisierung der Strukturveränderung neue Erfolgspotentiale erschließen

Liquidität sichern Turnaround herbeiführen Unternehmenskonzept realisieren

Abb. 3: Phasen einer Unternehmenssanierung 2. Interessenlage der Beteiligten a) Banken 30 In den meisten Turnaround-Situationen kommt den Banken bei der Übernahme von Sanierungsbeiträgen eine Schlüsselstellung zu, vor allem dann, wenn Sanierungsbeiträge zur kurzfristigen Überwindung von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung notwendig werden. Zwar sind neben den kreditgebenden Banken auch die Gesellschafter und andere Gläubigergruppen, insbesondere Lieferanten und Kreditversicherer oder die Arbeitnehmer, an der Sanierung des insolvenzbedrohten Unternehmens interessiert. Allerdings sind kurzfristige Sanierungsbeiträge in diesem Bereich wegen der Vielzahl der Be-

8

I. Ausgangssituation

troffenen nur schwer zu organisieren und aufgrund der fehlenden finanziellen, kurzfristigen Leistungsfähigkeit dieser Gläubigergruppen in aller Regel nur schwer zu erlangen. Besonders in Fällen, in denen frisches Geld in größerem Umfang benötigt wird – beispielsweise die Gewährung eines Überbrückungskredites zur Ermöglichung einer Sanierungsprüfung durch einen unabhängigen Dritten –, sind daher primär die Banken gefragt. Vgl. K. Schmidt und Kuder/Unverdorben, in: Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.401; Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 2.

Die Banken sind grundsätzlich aber nur bereit, weitere Darlehen zu gewäh- 31 ren, wenn sie im Gegenzug entsprechende Sicherheiten erlangen und Zutrauen in das Gelingen der Sanierung haben können. Banken haben daher ein besonderes Interesse an der Werthaltigkeit und der Insolvenzfestigkeit ihrer Sicherheiten, um das Ausfallrisiko ihres Engagements zu reduzieren (zu den einzelnen Handlungsoptionen der Banken siehe Rn. 58 ff.). Mittel- bis langfristig ist es Ziel der Banken, durch einen nachhaltigen Turna- 32 round die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Hierbei legen sie insbesondere Wert auf folgende Aspekte: x

Gewährleistung, Steuerbarkeit und Transparenz des Sanierungsprozesses.

x

Ermöglichung oder Erleichterung von Desinvestitionen sowie

x

Vermeidung eigener Haftungsrisiken, etwa durch Erlangung oder Zurechnung einer Gesellschafter- oder Geschäftsführerfunktion.

b) Lieferanten/Kreditversicherer aa) Lieferanten Die Motive der Lieferanten unterscheiden sich von denen der Banken. Zwar 33 geht es den Lieferanten auch darum, unbezahlte Altlieferungen bezahlt oder zumindest adäquat besichert zu bekommen. Sie wollen jedoch vor allem künftige Umsatzverluste vermeiden. Insbesondere dann, wenn es sich bei dem Krisenunternehmen um einen bedeutenden Kunden des Lieferanten handelt, spielt dieser Aspekt eine entscheidende Rolle. Vgl. Hohberger, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 5.2.1, S. 411 f.

Es gibt zahlreiche Lieferanten, die bei einem Totalausfall eines Großkunden 34 ihrerseits in eine existenzgefährdende Situation geraten können. Die Lage der Lieferanten ist daher bei einer Beteiligung an einem Sanierungsvorhaben im Zweifel besser als im Insolvenzfall. Dies gilt umso mehr, wenn verlängerte und/oder erweiterte Eigentumsvorbehaltsrechte nicht bestehen oder etwa aufgrund Factorings weitgehend ins Leere laufen.

9

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

35 Der Lieferant kann die Liquidität des Unternehmens stützen, indem er z. B. x

einen höheren Lieferantenkredit einräumt,

x

Altware gegen Barzahlung zurücknimmt,

x

ein Konsignationslager einrichtet und Bezahlung der Ware erst bei Entnahme fordert sowie

x

Stundungs- und Zahlungsplanvereinbarungen mit den Unternehmen abschließt. Vgl. Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 11 Rn. 20 ff.

36 Hier gilt es, die zukünftig erzielbaren Einnahmen des Unternehmens zu betrachten, um den Lieferanten realistische Zahlungstermine an die Hand zu geben. Wer hier mit Hoffnungswerten arbeitet, kann die Situation verschärfen, weil die Krise damit offen dokumentiert wird und das Verlangen von Vorkasseleistungen einzelner Lieferanten die Liquiditätssituation dramatisch verschlimmern würde. Vgl. im Einzelnen Faulhaber/Grabow, Turnaround-Management in der Praxis, S. 54 ff.; Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 11 Rn. 25. Treten Unternehmen an Lieferanten mit der Bitte um Stundungen heran, muss der Lieferant sich an seinen Kreditversicherer wenden, um ihm das erkannte Risiko mitzuteilen. Er hat so zu handeln, weil er sonst Gefahr läuft, seinen Versicherungsschutz zu verlieren. Der Kreditversicherer informiert seinerseits ggf. die anderen bei ihm versicherten Lieferanten des Unternehmens und kürzt ggf. deren Limite. Im Rahmen der Stakeholder- bzw. Finanziererkommunikation ist daher auch die frühzeitige Einbindung der Warenkreditversicherer immer wichtiger, damit diese etwa im Rahmen eines Stand-Stills während der Erstellung eines Sanierungskonzepts die bestehenden Limite bedarfsgerecht aufrechterhalten.

bb) Kreditversicherer 37 Insbesondere die Kreditversicherer spielen in der Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinem Lieferanten eine entscheidende Rolle. Sie übernehmen letztlich das Ausfallrisiko der bei ihnen versicherten Lieferanten. Die Kreditversicherer treten daher regelmäßig in der Krise eines Unternehmens – zumeist nach vorherigen Überfälligkeitsmeldungen ihrer Versicherungsnehmer – an die Unternehmensleitung heran und verlangen im Gegenzug für die Aufrechterhaltung ihrer Linien Informationen und Sicherheiten, etwa die Sicherungsübereignung von Waren oder die Unterzeichnung einer sog. Eigentumsvorbehaltsvereinbarung, mit der das Unternehmen sämtliche in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der bei dem Kreditversicherer aktuell und künftig versicherten Lieferanten vorgesehenen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehaltsrechte anerkennt.

10

I. Ausgangssituation Vgl. auch Landwehr/Thonfeld, NZI 2004, 7, 10.

Die Einbindung der Warenkreditversicherer in die Finanziererkommunikati- 38 on und -information ist daher in einer Restrukturierungssituation frühzeitig zu prüfen. Gegebenenfalls kann es notwendig sein, durch eine Stillhaltevereinbarung (Stand-Still) überhaupt erst die Zeit zu gewinnen, um Sanierungsoptionen zu prüfen und ein Sanierungskonzept zu erstellen. Wurden die Kreditversicherer in die Sanierungsbemühungen nicht eingebunden und transparent informiert, sondern erfahren erst durch ihre Versicherungsnehmer oder aus dem Markt von negativen Entwicklungen des Unternehmens, können überraschende Limitkürzungen oder -streichungen jedwede Sanierungsbemühungen schnell zunichtemachen. Die Einbindung der Warenkreditversicherer in die Finanziererkommunikation kann insofern helfen, wenn diese sich auf Basis einer bis zur Erstellung eines Sanierungskonzepts gesicherten Liquidität im Rahmen eines Stand-Stills bereit erklären, jedenfalls die bestehenden Limite in bedarfsgerechter Höhe aufrechtzuerhalten. Vgl. Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 11 Rn. 16; Faulhaber/Grabow, TurnaroundManagement in der Praxis, S. 54 ff.

Hierdurch kann jedoch auch nicht immer garantiert werden, dass die Kredit- 39 versicherer ihre Limite offenhalten und nicht kürzen. Aktuelle Markgegebenheiten oder die interne Risikopolitik können Kreditversicherer trotz allem dazu bewegen, sich aus bestimmten Branchen oder Unternehmen komplett zurückzuziehen, um Ausfallrisiken kontrollieren oder minimieren zu können. Bleiben die Kreditversicherer an Bord, ist – wie bereits für die Banken – für sie gleichermaßen entscheidend, dass der in Gang gesetzte Sanierungsprozess strukturiert, geordnet und mit bestmöglicher Transparenz koordiniert wird. Auch in der Beziehung zwischen dem Krisenunternehmen und seinen Lieferanten und deren Kreditversicherern liegt folglich ein besonderes Augenmerk auf der Management- und Gesellschafterebene. c) Gesellschafter In der Krise eines Unternehmens trifft die Gesellschafter die primäre Finan- 40 zierungsverantwortung, da „Verlustfinanzierung nicht Aufgabe der Banken ist.“ Die involvierten Kreditinstitute werden selten bereit sein, frisches Geld in das Unternehmen zu geben und ihr Risiko mitten in der Krise zu erhöhen, wenn die benötigte Liquidität bei den Gesellschaftern vorhanden ist, die durch die Steigerung des Unternehmenswerts im Falle einer gelungenen Sanierung am langen Ende auch am stärksten profitieren. Häufig können – teilweise auch wollen – die Gesellschafter diese Mittel aber nicht mehr bereitstellen. Den Gesellschaftern geht es daher in erster Linie darum, eine Insolvenz ab- 41 zuwenden, und zwar möglichst ohne zusätzliche Gesellschafterbeiträge und ohne persönliche Haftungsrisiken, da eine Insolvenz regelmäßig mit der völ-

11

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

ligen Entwertung der Gesellschaftsanteile und einem Reputationsverlust verbunden ist. 42 Zudem befinden sich die Gesellschafter eines Krisenunternehmens aufgrund emotionaler wie auch häufig vermögens- und haftungsrechtlicher Verstrickungen in der Zwickmühle: Unfähig, die scheinbar aussichtslose Situation aus eigener Kraft zu überwinden, klammern sie sich mit letzter Kraft an dem Unternehmen fest und möchten einen „Machtverlust“ durch Abgabe oder Verkauf ihrer Anteile vermeiden. Vgl. Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 495 f.

d) Management 43 Das Management eines Unternehmens wird in Turnaround-Situationen oftmals zum Spielball der Gesellschafter und Gläubiger. Einerseits unterliegt es den Weisungen der Gesellschafter und einer von ihnen vorgegebenen Unternehmenspolitik, andererseits hat es – ganz besonders in der Krise – eine hohe Verantwortung gegenüber den Gläubigern. Bei der Bewältigung dieses Spagats geht es auch darum, nicht in eine persönliche Haftung zu laufen. 44 Je nach Art des Managements – interimistisch oder auf Dauer angelegt – lassen sich unterschiedliche Motivations- und Kooperationsbereitschaften sowie Gestaltungsfähigkeiten erkennen: 45 Ein häufiges Praxis-Problem stellt insbesondere die Beziehung zwischen Interim Manager und (ggf. auch geschäftsführenden) Gesellschaftern dar. In einer Sanierungsphase ist damit zu rechnen, dass Gesellschafter sich entweder aus Machtstreben oder aus alter Gewohnheit nicht an die Beschneidung ihrer Kompetenzen halten und sich in die Zuständigkeiten des Interim Managers einmischen. Diese Machtspiele können schon zu Beginn eines Projektes den Erfolg des Turnarounds gefährden. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem ist der Loyalitätskonflikt, in den die Mitarbeiter des Unternehmens durch den Machtkampf geraten können. Vgl. Kaufmann, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 20 Rn. 41 ff.

46 Daher ist zumindest eine klare Aufteilung der Kompetenzen mit Veto-Recht des in der Regel für die Finanzen des Unternehmens und die Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen verantwortlichen Interim Managers geboten. Diese neue Rollenverteilung sollte von Beginn an unternehmensweit kommuniziert werden. 47 Unabhängig von der Art des Managements sind für den Krisenmanager folgende Aspekte von entscheidender Bedeutung: x

12

Operative Handlungsfähigkeit mit hoher Wirkung,

I. Ausgangssituation

x

Emanzipation von den Gesellschaftern, zugleich Rückendeckung durch diese,

x

kurze Entscheidungswege (kleine Gremien, schnelle Beschlüsse etc.),

x

keine persönlichen Haftungsrisiken; bei drohender Insolvenzverschleppung besteht daher oft ein Interessenkonflikt mit den Gesellschaftern.

e) Investor Schließlich kann auch potenziellen Investoren in einer Unternehmenskrise 48 eine entscheidende Rolle zukommen, vor allem dann, wenn ein Verkauf oder eine Beteiligung der einzige Ausweg ist. Investoren erwarten beim Erwerb von Kreditforderungen, Anteilen oder As- 49 sets, mit dem Investment Gewinn zu erzielen. Zur Erreichung dieses Zieles werden – je nach Investorentyp – unterschiedliche Zeithorizonte und Strategien verfolgt. Vgl. zum Ganzen Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003 ff.

Wie die Banken haben daher auch die Investoren zunächst ein besonderes In- 50 teresse an einer transparenten und aussagefähigen Datenlage des Unternehmens. Ihre Entscheidung, sich an einem Unternehmen zu beteiligen oder Kreditforderungen anzukaufen, hängt wesentlich davon ab, welche Informationen das Management und die Gesellschafter zur Verfügung stellen. Dabei kommt es nicht nur auf das „Was“, sondern auch auf das „Wie“, also die Darstellung der Information nach außen an. Erkennbare Unstimmigkeiten zwischen Management und Gesellschaftern haben in der Praxis schon manchen Deal scheitern lassen. Die Bereitschaft eines Investors, sich an einem Krisenunternehmen zu betei- 51 ligen, ist größer, wenn der Anteilsverkauf strukturiert, zügig und reibungslos verlaufen kann. Dies gilt insbesondere für den Investor, der einen Wertzuwachs durch aktives Management seines Investments selbst zu erreichen sucht, beispielsweise durch Einsetzung eines Chief Restructuring Officer (CRO), der das Vertrauen des Investors genießt. Vgl. zum Ganzen Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003 ff.

Zusammenfassend gehören zu den Zielen des Investors daher: x

Ein günstiger Kaufpreis sowie eine Finanzierung aus freiem Cashflow,

x

ein hohes Return-Potential, ergo eine zügige Sanierung,

x

möglicherweise eine Ablösung der Gläubiger,

x

der Kompletterwerb „aus einer Hand“.

52

13

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

f) Fazit 53 Am Ende eines jeden erfolgreichen Turnarounds stehen die Überwindung der Krise und die nachhaltige Sanierung des Unternehmens. Dies ist das gemeinsame Ziel aller Stakeholder. Im Rahmen dieses Prozesses verlaufen die Interessen der Stakeholder jedoch oftmals konträr zueinander. Banken, Kreditversicherer, Gesellschafter, das Management und auch potentielle Investoren haben ihre eigenen Vorstellungen von der Umsetzung eines erfolgreichen Turnarounds in Krisenunternehmen, insbesondere was die Bereitschaft, Möglichkeit und Ausgestaltung von Sanierungsbeiträgen und die Verteilung des allseits erhofften späteren Sanierungserfolges betrifft. Gemeinsam ist allen Beteiligten insofern, dass sie für den Turnaround einen starken, handlungsfähigen und verlässlichen Gesellschafter benötigen. Banken

Lieferanten

• Werthaltigkeit der Forderungen • Wiederherstellung Kapitaldienstfähigkeit • Tilgungsausblick

• Sicherung der Lieferantenbeziehung • Vermeidung Forderungsausfall • Verbesserung Zahlungsverhalten

Management • Langfristiges Entwicklungspotential • Monetäre Absicherung • Haftungsvermeidung

UNTERNEHMEN GESELLSCHAFTER • Stabile finanzwirtschaftliche Basis • Ertragssicherung • Liquidität

Investoren • Attraktive Investitionen mit hohen Return-on-Invest-Potentialen

Kunden • Erhaltung eines soliden Unternehmens als strategischer Partner

Abb. 4: Interessenlage und Erwartungen der Beteiligten 3. Handlungsoptionen und Risiken 54 Welche Handlungsoptionen in einer Turnaround-Situation bestehen, ist im Rahmen eines Sanierungskonzeptes herauszuarbeiten. Dabei sind stets der Zeitfaktor, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der Sanierungswille des Gesellschafters von besonderer Relevanz. An Inhalt und Ausgestaltung des Gesellschafterbeitrags zeigt sich auch, wer die Sanierung führt, wessen Prägung sie erfährt und welche Erfolgsaussichten sie besitzt. a) Handlungsoptionen der Gesellschafter 55 Im Ausnahmefall kann der zur Sanierung eines Unternehmens regelmäßig entstehende Finanzierungsbedarf durch die Gesellschafter selbst gedeckt

14

I. Ausgangssituation

werden. Als klassische Sanierungsbeiträge sind in bilanzieller und/oder liquiditätsmäßiger Hinsicht insbesondere anzuführen: x

Rangrücktritts- und Kapitalbelassungsvereinbarungen,

x

Zufuhr neuen Risikokapitals in die Kapitalrücklage,

x

Kapitalschnitt, Bar- oder Sachkapitalerhöhung (insbesondere bei DebtEquity-Swap),

x

Gewährung (weiterer) Gesellschafterdarlehen,

x

Forderungsverzicht oder Rangrücktrittsvereinbarungen, insbesondere zur Beseitigung oder Abwendung einer Überschuldung,

x

Stundungen, Forderungsreduzierung oder -verzicht im Rahmen leistungswirtschaftlicher Beziehungen (z. B. bei Vermietung der Betriebsimmobilie durch Gesellschafter).

Bei Ausgestaltung der Sanierungsbeiträge ist den Gesellschaftern dringend 56 zu empfehlen, sich fachlichen Rat einzuholen, da in einem vorinsolvenzlichen Stadium regelmäßig hohe persönliche Verlust-, Haftungs- oder Steuerrisiken für den Gesellschafter bestehen. In der Vielzahl der Sanierungsfälle sind die Gesellschafter jedoch nicht mehr in 57 der Lage oder willens, einen maßgeblichen Sanierungsbeitrag zu erbringen. Da oft auch keine schnelle Investorenlösung in Sicht ist, ist ohne die Fremdkapitalgeber dann eine Rettung des Krisenunternehmens nicht mehr möglich. b) Handlungsoptionen der Banken Liegt die Sanierung nicht mehr ausschließlich in den Händen des Gesell- 58 schafters, ist primär eine Entscheidung der Banken gefragt. Diese hat grundsätzlich die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen: Handlungsoptionen der Bank Stillhalten / Weitermachen + Sicherheitenverstärkung

Kündigung / kontrollierter Ausstieg + Sicherheitenverwertung

Unterstützung der Sanierung durch: neue Kredite, Unternehmensberatung

Forderungsverkauf

Risiken • Unwirksamkeit / Anfechtbarkeit bestehender (revolvierender) und neu bestellter Sicherheiten • Abschmelzen der Sicherheitenwerte • Erhöhung der Inanspruchnahme

Risiken • Haftung bei unberechtigter Kündigung zur Unzeit • Insolvenzrisiko: Zerschlagungswerte der Sicherheiten • Verhalten des Insolvenzverwalters schwer abschätzbar • Imagerisiko

Risiken • Haftung wegen Gläubigergefährdung / Beihilfe zur Insolvenzverschleppung • Anfechtungsrisiken bei „untauglichem Sanierungsversuch“ • Faktische Geschäftsführung

Risiken • Kundenverlust • Verlustrealisierung

Chance • Langfristige Stabilisierung des Kreditengagements

Chance • Schadensbegrenzung, kein weiterer Verbrauch „frischen“ Geldes

Chance • Langfristige Stabilisierung des Kreditengagements

Chance • Exit

Abb. 5: Handlungsoptionen der Bank in der Krise des Kreditnehmers 15

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

aa) Keine Rechtspflicht zur Sanierung 59 Die Banken trifft zunächst einmal keine Rechtspflicht, ihren Darlehensnehmer mit Sanierungsbeiträgen zu stützen und ihm das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen, selbst wenn ein langjähriges Darlehensverhältnis bestand. Vereinzelt wurde in der Literatur zwar eine Pflicht der Hausbank unter dem Gesichtspunkt der nebenvertraglichen Treuepflicht aus einem langjährigen Darlehensverhältnis angenommen, den kurzfristigen Liquiditätsbedarf des in der Krise befindlichen Kreditnehmers zu decken; vgl. Canaris, ZHR 134, 1979, 113. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist dieser Ansicht indes nicht gefolgt, sondern gesteht dem Kreditinstitut die unternehmerische Entscheidung zu, ob und durch welche Maßnahmen es sich an einer Sanierung seines Darlehensnehmers beteiligt; vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.8.1990 – 10 U 168/89, WM 1991, 1332; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.1989 – 6 U 90/88, WM 1989, 1838; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.3.1985 – 1 U 98/84, MDR 1986, 849; OLG Zweibrücken, Urt. v. 21.9.1984 – 1 U 244/82, WM 1984, 1635; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.180 ff.; Häuser, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 27 ff.

bb) Kündigung und Sicherheitenverwertung 60 Da Banken einem Krisenunternehmen nur unter sehr strengen Voraussetzungen neue Darlehen einräumen dürfen, liegt es nahe, dass sie sich aus ihrem Engagement zurückziehen, sobald der Darlehensnehmer in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. (1) Kündigung 61 Banken können den Darlehensvertrag mit dem Kunden grundsätzlich durch ordentliche und außerordentliche Kündigung beenden. Gegebenenfalls sind die Besonderheiten bei Sanierungskrediten zu beachten. 62 Ist für den Kreditvertrag keine feste Laufzeit vereinbart, so steht der Bank ein ordentliches Kündigungsrecht zu. Dieses Kündigungsrecht folgt – sofern es nicht ausdrücklich im Darlehensvertrag geregelt ist – für schon ausgezahlte Darlehen aus § 488 Abs. 3 BGB; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Regelmäßig können Banken ihre Kündigung jedoch auf die speziellen Vereinbarungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgewerbes stützen. Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken sowie Nr. 26 Abs. 1 AGBSparkassen berechtigen die Kreditinstitute, Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Aber auch die ordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gemäß Nr. 19 Abs. 2 S. 2 und Abs. 6 AGBBanken unterliegt Einschränkungen; namentlich ist auf die berechtigten Belange des Kunden, in dessen finanzwirtschaftliche Disposition durch die Kündigung eingegriffen wird, Rücksicht zu

16

I. Ausgangssituation nehmen, d. h., diesem ist eine angemessene Frist für die Abwicklung einzuräumen; vgl. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rn. 394 ff.; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 48 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.206 ff.

Banken können das Darlehensverhältnis zu ihren Kunden auch außerordent- 63 lich fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden, die Fortsetzung des Darlehensverhältnisses unzumutbar werden lässt (vgl. Nr. 19 Abs. 3 AGBBanken). Als Beispiele für einen wichtigen Grund nennt Nr. 19 Abs. 3 AGBBanken: x

Wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögenslage gemacht hat, die für das Kreditinstitut bei der Entscheidung über die Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundene Geschäfte (z. B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren, oder

x

wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder

x

wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Abs. 2 der AGB-Banken oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt.

Die Aufzählung ist nicht abschließend. Ein außerordentliches Kündigungs- 64 recht kann sich daneben beispielsweise auch aus den darlehensvertraglichen Regelungen ergeben, etwa beim Bruch bestimmter wirtschaftlicher Kennzahlen (sog. Covenants). Ein wichtiger Kündigungsgrund wegen Vermögensverschlechterung ist in der Regel bei erkennbarer Insolvenzreife des Kreditnehmers anzunehmen, wobei eine Überschuldung hierfür nicht festgestellt sein muss, sondern (drohende) Zahlungsunfähigkeit ausreicht. Vgl. BGH, Urt. v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, WM 2003, 1416; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rn. 411 ff.; zu AGB-rechtlichen Risiken der Kündigung wegen Covenantbruchs Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 4 ff.

Für die Kündigung von Sanierungskrediten (zum Begriff siehe Rn. 137 ff.) 65 gelten jedoch Schranken. Sanierungskredite sind grundsätzlich nicht kündbar, solange die Sanierung erwartungsgemäß verläuft. Vgl. BGH, Urt. v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.250 ff.; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 62 ff.

17

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

66 Insbesondere ist bei der Kündigung von Sanierungskrediten Folgendes zu beachten: x

Bei einem Sanierungskredit ist die ordentliche Kündigung durch den von den Vertragsparteien vereinbarten Sanierungszweck grundsätzlich zumindest konkludent ausgeschlossen. Die Kündigung eines Sanierungskredites ist nur zulässig, wenn die Sanierung nicht planmäßig verläuft oder aufgrund der angeblichen Entwicklung für die Sanierung keine Erfolgsaussichten mehr bestehen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131; BGH, Urt. v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZVI 2004, 460; BGH, Urt. v. 20.12.1955 – I ZR 171/53, WM 1956, 217; OLG Celle, Urt. v. 30.6.1982 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942.

x

Ein die fristlose Kündigung eines Sanierungsdarlehens rechtfertigender wichtiger Grund kann vorliegen, wenn in den Vermögensverhältnisses des Darlehensnehmers seit dem Zeitpunkt, in dem das Kreditinstitut seine Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt. Vgl. BGH, Urt. v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131; BGH, Urt. v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZVI 2004, 460.

67 Die Bank kann ferner dann gehalten sein, von der Kündigung vorübergehend Abstand zu nehmen, wenn x

sie über vollwertige Sicherheiten verfügt,

x

durch Hinausschieben der Kündigung keine Beeinträchtigung ihrer Sicherheiten zu befürchten ist,

x

der Kunde sich bis dahin vertragstreu verhalten hat,

x

die Kündigung unverhältnismäßige Nachteile bringen würde und

x

die Sanierungsfähigkeit des Kunden nicht verneint werden muss und eine Prüfung der Vermögensverhältnisse und Erfolgsaussichten des Kunden erwarten lässt, dass die Kreditrückzahlung zu einem späteren Zeitpunkt ohne schwerwiegende Probleme möglich ist. Vgl. OLG Celle, Urt. v. 30.6.1984 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.214.

68 Die Bank unterliegt schließlich dem Verbot der willkürlichen Ausübung und der Kündigung zur Unzeit. Vgl. BGH, Beschl. v. 23.2.1984 – III ZR 159/83, WM 1984, 586; OLG München, Urt. v. 27.9.1996 – 21 U 2414/96, BB 1997, 435; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rn. 398 ff.; Weiß eine Bank z. B., dass ihr Kunde jeweils am 10. eines Monats auf seinem bei ihr geführten Konto große Zahlungseingänge von Debitoren erhält, am 15. des Mo-

18

I. Ausgangssituation nats aber Löhne und Gehälter zahlen muss, die diese Eingänge wieder aufbrauchen, kann es für die Bank reizvoll sein, die Kündigung zwischen diesen Tagen auszusprechen, um die eigenen Schäden möglichst gering zu halten. Damit setzt sie sich jedoch erheblichen Vorwürfen aus und provoziert Rechtsstreitigkeiten, wenn sie diese Kündigung nicht vorher angedroht hat, vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.243.

Eine zur Unzeit erfolgte Kündigung ist jedoch nicht völlig wirkungslos, son- 69 dern setzt eine angemessene Frist in Gang. Vgl. OLG Köln, Urt. v. 22.1.1999 – 6 U 70/98, WM 1999, 1004; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.243.

(2) Sicherheitenverwertung Die Kündigung eines Kreditverhältnisses birgt auch Risiken für die Banken. 70 So führt eine daraus resultierende Insolvenz mit dem Ansatz von Zerschlagungswerten zu einer starken Sicherheitenabwertung. Daher werden Banken in einer solchen Situation Opportunitätsberechnungen unter Going Concern- und unter Zerschlagungsgesichtspunkten vornehmen und damit ihre Sicherheiten in verschiedenen Verwertungsszenarien bewerten. Außerdem ist zu bedenken, dass die Verwertung der Sicherheiten aufgrund des 71 in der Insolvenzordnung formalisierten Verfahrens Zeit in Anspruch nimmt, die Banken daher nur mittel- bis langfristig mit Geldzugängen aus der Verwertung von Sicherheiten rechnen können. Vgl. zur Verwertung von Sicherheiten Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.580 ff.

cc) Stillhalten, Prolongation und Sicherheitenverstärkung Die Banken können sich auch für ein Stillhalten oder eine Prolongation ihrer 72 Kreditengagements ggf. i. V. m. einer Sicherheitenverstärkung entscheiden. (1) Stillhalten Grundsätzlich sind Banken zwar selbst dann zur Kündigung berechtigt, wenn 73 sie ausreichend besichert sind, da keine Bank verpflichtet ist, einen Vertragsverstoß des Kunden hinzunehmen, auch wenn die vom Kunden bestellten Sicherheiten den Schaden der Bank eventuell wieder ausgleichen. Vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234.

Die Bank ist aber nicht verpflichtet, das Darlehen fällig zu stellen und den 74 Darlehensnehmer zu einem Insolvenzantrag zu zwingen, sondern kann abwartend stillhalten. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Kreditgeber erkennt, dass der Kreditnehmer kurz vor dem Zusammenbruch steht und andere Gläubiger womöglich zu Schaden kommen können. Es bleibt dem Kreditgeber selbst überlassen, ob er durch eine Kündigung den Anstoß zum

19

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Zusammenbruch des Unternehmens geben will. Erfahrungsgemäß sind deshalb Banken mit Kreditkündigungen in der Krise ihres Kreditnehmers auch eher zurückhaltend. 75 Das bloße Stillhalten kann nur im Ausnahmefall zu einer Haftung nach § 826 BGB führen, wenn es allein deshalb geschieht, um in „rücksichtsloser und eigensinniger Weise“ die eigene Stellung „bei dem in Kürze erwarteten Zusammenbruch auf Kosten der anderen Gläubiger zu verbessern.“ Haftungsrisiken können für die Bank ferner entstehen, wenn weitere „Unlauterkeitsmerkmale“ hinzutreten, beispielsweise die eigennützige Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Kreditnehmers oder auf Geschäftspartner des Kreditnehmers (zu Haftungsrisiken in Zusammenhang mit der Gewährung von Sanierungskrediten siehe Rn. 86 ff.). Vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657; Grell/Schormaier, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 8 f.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.307 ff.

(2) Prolongation und weitere Sanierungsbeiträge 76 Standstill-Abkommen der Banken, bei denen oft auch die Lieferanten/ Kreditversicherer involviert sind und auch involviert sein sollten, beinhalten eine Stundung und eine befristete Prolongation der Linien bzw. die Zusage, Finanzierungen nicht zu kündigen bzw. zu sistieren, sondern für die Dauer des Stillhaltezeitraums weiter zur Verfügung zu stellen (zur Abgrenzung von „Stillhalten“ und Neukreditgewährung siehe Rn. 128 ff.). 77 Darüber hinaus sind Banken oftmals bereit, einen zusätzlichen Sanierungsbeitrag zur Stützung der Liquiditätssituation in Form von Tilgungs- und Zinsstundungen im Langfristbereich (Moratorium oder Zahlungsaufschub) zu gewähren. Das befristete Moratorium als Stillhalteabkommen der Gläubiger kann nicht nur (zeitweise) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldnerunternehmens, sondern damit zugleich auch die Insolvenzantragspflicht und die Gefahr einer Haftung wegen Insolvenzverschleppung beseitigen. Vgl. Grell/Schormaier, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 42 ff.; K. Schmidt, in: Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.354 ff. Zu beachten ist jedoch, dass das Moratorium als Sanierungsmaßnahme keineswegs geeignet ist, eine bestehende Überschuldung zu beseitigen.

78 Zu beachten ist, dass die für die Darlehensforderung bestellten Drittsicherheiten trotz Stundung weiterhaften. In seinem Urteil v. 15.7.1999 – IX ZR 243/98, WM 1999, 1761, hat der BGH entschieden, dass die Haftung eines Bürgen für das ursprünglich besicherte Darlehen trotz Stundungsvereinbarung in Höhe der Forderungen des Kreditinstituts zum Zeitpunkt der

20

I. Ausgangssituation Prolongation fortbesteht. Nur für Forderungen, die den Darlehensbetrag erst nach dem ursprünglich vereinbarten Schlusstag des Darlehens erhöhen, also vor allem für die danach entstehenden Zinsen, aber auch für nachträgliche Ausnutzungen freier Linien, haftet der Bürge nicht (siehe hierzu auch Kuder/Unverdorben, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.414 f.). Wird hingegen ein Kontokorrentkredit als Kreditlinie verlängert, besteht das Risiko, dass jeder Zahlungseingang nach der Prolongation die Bürgenhaftung ermäßigt. Um bei einer Stundung die Drittsicherheiten für diese Ansprüche nicht zu verlieren, sollten Kreditinstitute daher möglichst darauf bestehen, dass diese Drittsicherheiten für das gestundete Darlehen neu bestellt bzw. darauf ausdrücklich erstreckt werden, wobei Letzteres nicht von vornherein formularmäßig erfolgen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.1999 – IX ZR 243/98, WM 1999, 1761, 1762; Kuder/Unverdorben, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.415).

Als weitere klassische Sanierungsbeiträge der Banken sind u. a. zu nennen:

79

x

Stundung von oder Verzicht auf Tilgungen und/oder Zinsen, ggf. gegen Besserungsschein,

x

Payment in Kind (Endfälligkeit aller Zinsen und Zinseszinsen),

x

Rangrücktrittserklärungen,

x

Verkauf von Darlehensforderungen unter Koppelung an einen teilweisen Forderungsverzicht.

(3) Sicherheitenverstärkung Die Banken sind grundsätzlich nur zu Tilgungs- und Zinsstundungen sowie 80 zu sonstigen Sanierungsbeiträgen bereit, wenn sie im Gegenzug eine entsprechende Sicherheitenverstärkung für ihre Darlehensforderungen erhalten. Als Sicherungsmittel kommen insbesondere in Betracht

81

x

Grundpfandrechte, beispielsweise Grundschulden oder Hypotheken,

x

Verpfändung von Marken, Gesellschaftsanteilen oder Geldforderungen,

x

Sicherungsabtretungen in Form von Mantel- bzw. Globalzessionen,

x

Raumsicherungsübereignungen sowie

x

Drittsicherheiten, beispielsweise Bürgschaften oder Garantien.

Bei Krisenunternehmen besteht häufig das Problem, dass keine freien oder 82 werthaltigen Sicherheiten mehr vorhanden sind. Regelmäßig ist das Anlageund Umlaufvermögen bereits umfangreich mit Drittrechten behaftet, allenfalls immaterielle Vermögensgegenstände sowie die Anteile selbst stehen noch als Sicherungsmittel zur Verfügung. Bei der Bestellung von neuen Sicherheiten in der Krise eines Unternehmens 83 ist stets besondere Vorsicht geboten. Insbesondere im Hinblick auf revolvie21

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

rende Sicherheiten und Neusicherheiten bestehen anfechtungsrechtliche Risiken nach §§ 129 ff. InsO, die eine adäquate Besicherung im Ernstfall gefährden können. Wird beispielsweise eine im Wege der Globalzession im Voraus abgetretene Forderung im „kritischen“ Zeitraum durch eine Erfüllungshandlung des Sicherungsgebers werthaltig, so kann dieses Werthaltigmachen der Forderung als selbstständige Rechtshandlung nach § 130 InsO anfechtbar sein; vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die verschiedenen Formen der Sicherungsübereignung mit wechselndem Bestand, wie z. B. Raum- oder Mantelsicherungsübereignungen; vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.134 ff. Auch die nachträgliche Sicherheitenbestellung für Altkredite ist regelmäßig in hohem Maße anfechtungsgefährdet; vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706. Dagegen wird die Besicherung neuer Kredite als Bargeschäft (§ 142 InsO) regelmäßig unanfechtbar sein; vgl. zur Kreditbesicherung in der Krise Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.85 ff.; Kuder/Unverdorben, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.353 ff.

84 Zudem können sich Risiken aus dem Verbot sittenwidrigen Handelns (§§ 138, 826 BGB) ergeben (siehe dazu Rn. 90 ff.). 85 Missachten die Banken die ihr durch diese Vorschriften gezogenen Grenzen, so kann dies nicht nur dazu führen, dass ihnen im Falle einer Insolvenz ihres Kreditnehmers die Sicherheiten streitig gemacht werden und sie wegen ihrer Kreditforderung auf die Insolvenzquote angewiesen sind, sondern sie müssen unter Umständen auch noch den Schaden ersetzen, der anderen Gläubiger durch ihr Verhalten entstanden ist. dd) Unterstützung der Sanierung durch Neukredite und Risiken der Kreditvergabe sowie Sicherheitenbestellung in der Krise 86 Die Banken können sich schließlich auch dafür entscheiden, die Sanierung ihres Kreditnehmers aktiv und insbesondere durch neue Kredite zu unterstützen. Hierbei sind für die Bank jedoch viele Besonderheiten zu beachten, um potenzielle Haftungsrisiken zu vermeiden. 87 Die Rechtsprechung hat sich intensiv an den Problemen der Kreditvergabe und Sicherheitenbestellung in der Krise abgearbeitet, ohne die mit einem Sittenwidrigkeitsverdikt zu versehenden Tatbestände abschließend festzulegen. 88 Bereits das Reichsgericht hat den Versuch unternommen, Fallgestaltungen zu definieren, die einen Anspruch geschädigter Gläubiger gegen den Kreditgeber und Sicherungsnehmer nach § 826 BGB begründen sollen: x

22

Um sich aus den erlangten Sicherheiten oder dem sonstigen Vermögen des Schuldners ungehindert befriedigen zu können, hält der Sicherungsnehmer den Schuldner zum Nachteil anderer Gläubiger von dem durch

I. Ausgangssituation

die Verhältnisse gebotenen Antrag auf Konkurseröffnung ab, z. B. durch eine für die Gesundung des Schuldners offenbar unzureichende und nur zur Verlängerung seines wirtschaftlichen Todeskampfes geeigneten Kreditgewährung (Konkursverschleppung). x

Der Schuldner wird von dem Sicherungsnehmer aus gleichen eigensüchtigen Motiven in seinen Mitteln und seiner Bewegungsfreiheit so eingeengt und allmählich ausgesogen, dass sein Geschäft zugrunde gehen muss und er zum Schaden der anderen Gläubiger dem Konkurse zugetrieben wird (Aussaugung).

x

Der Sicherungsnehmer erniedrigt den Schuldner zu seinem bloßen Strohmann, der nur noch nach außen hin als Inhaber des Geschäfts erscheint, ihm gegenüber aber in Wirklichkeit nur noch die Stellung eines abhängigen Verwalters hat, und zwar so, dass der ganze Gewinn des Geschäfts dem Sicherungsnehmer zufließt, ein etwaiger Verlust von ihm aber nicht getragen und jede Haftung für die Geschäftsschulden auch bei fehlender sonstiger Deckung von ihm abgelehnt wird (stille Geschäftsinhaberschaft).

x

Der Sicherungsnehmer bestimmt – allein oder im Zusammenwirken mit dem Schuldner als dessen Anstifter, Mittäter oder Gehilfe – Dritte zur Kreditgewährung an diesen, indem sie arglistig darüber getäuscht werden, dass der Schuldner durch die hergegebenen Sicherheiten kreditunwürdig geworden ist (Kreditbetrug).

x

Die ausbedungene Sicherung bringt durch ihren Umfang und ihre Undurchsichtigkeit die von dem Sicherungsnehmer bewusst in Kauf genommene, nicht ganz fernliegende Gefahr mit sich, dass der spätere, nichts ahnende Kreditgeber zu Schaden kommt, ohne dass jedoch von einem betrügerischen Vorgehen des Sicherungsnehmers ihnen gegenüber die Rede sein könnte (Gläubigergefährdung). RG, Urt. v. 9.4.1932 – IX 74/31, RGZ 136, 247.

Der BGH hat eine abschließende Festlegung von Tatbeständen, die zu einer 89 Sittenwidrigkeit i. S. v. § 138 BGB und § 826 BGB führen, indes abgelehnt. Vielmehr müsse stets aufgrund der objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles geprüft werden, ob ein Vertrag sittenwidrig ist oder nicht. Bestimmten typischen Fallgruppen wie Gläubigergefährdung oder Knebelung kommt hierbei lediglich die Bedeutung eines Anhaltspunktes zu. BGH, Urt. v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, ZIP 1990, 1541; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399; vgl. ausführlich Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 63 ff.

(1) Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung Ob die Kredit- und Sicherheitenverträge der Bank in der Insolvenz des Kredit- 90 nehmers Bestand haben, hängt zunächst einmal davon ab, ob die Sicherhei23

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

tenverträge oder die Sicherheitenbestellung unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter dem Blickwinkel der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO), anfechtbar sind. Denn der BGH qualifiziert die insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände als leges speciales, die die Insolvenzfestigkeit von Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen darin besteht, die Gläubiger zu benachteiligen, grundsätzlich abschließend regeln. Die allgemeine Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB kommt daneben nur zur Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, WM 2016, 1026; BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291; B GH, Urt. v. 4.3.1993 – IX ZR 151/92, ZIP 1993, 602; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 103, 107.

(a) Gläubigergefährdung 91 Ein Sicherungsvertrag, durch den (nachträglich) bereits gewährte Kredite besichert werden, kann unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung sittenwidrig sein. Unter dieser Fallgruppe werden Fälle geführt, in denen sich der Sicherungsnehmer vom Schuldner, dessen baldiger Zusammenbruch wahrscheinlich ist, sicherungshalber das gesamte oder das letzte freie Vermögen des Schuldners verpfänden lässt, während andere Gläubiger wegen der Intransparenz der Besicherung und Unkenntnis der wirtschaftlichen Lage darüber getäuscht werden, dass der Schuldner nicht mehr kreditwürdig ist. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 166 ff.; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 108b.

92 Allerdings ist die Verpfändung des gesamten oder des letzten freien Vermögens an einen Gläubiger für sich genommen nicht sittenwidrig, insbesondere verstößt es in aller Regel nicht gegen die guten Sitten, wenn sich ein Gläubiger von seinem Schuldner für einen Kredit, den er ihm gewährt hat, nachträglich Sicherheiten bestellen lässt. BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; BGH, Urt. v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 166 ff.; Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 77 ff.

93 Der Sittenwidrigkeitsvorwurf kann vielmehr erst dann Platz greifen, wenn (1) für die übrigen Gläubiger wegen der Intransparenz der Besicherung nicht erkennbar ist, dass der Schuldner über kein freies Vermögen mehr verfügt, und (2) der Sicherungsgeber im Gegensatz zu anderen Gläubigern erkannt hat, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch des Schuldners sehr wahrscheinlich ist, oder sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen hat. 94 Eine Gläubigergefährdung ist daher in der Regel ausgeschlossen, wenn der Sicherungsnehmer nur Sicherheiten, deren Bestellung mit einem Publizitäts24

I. Ausgangssituation

akt (Eintragung, Übergabe) verbunden ist, hereinnimmt, da es dann an der Intransparenz und der Möglichkeit der Täuschung anderer Gläubiger fehlt. Die Gläubigergefährdung kommt also v. a. bei publizitätslosen Mobiliarsicherheiten wie Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung in Betracht. OLG Köln, Urt. v. 25.10.1985 – 19 U 75/82, ZIP 1985, 1472; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.52 ff.; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 166.

Weiterhin ist für eine Gläubigergefährdung in der Regel kein Raum, wenn die 95 schlechte wirtschaftliche Lage des Schuldners den betreffenden Kreisen bekannt ist. Denn dann liegt der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zu dem kriselnden Schuldner durch die betreffenden Gläubiger keine täuschungsbedingte Gefährdungslage, sondern eine eigene geschäftspolitische Entscheidung zugrunde. BGH, Urt. v. 23.10.1980 – III ZR 100/79, ZIP 1981, 161; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.63.

(b) Knebelung Ein Sicherheitenvertrag kann auch unter dem Gesichtspunkt der Knebelung 96 sittenwidrig und nichtig sein. Eine solche liegt vor, wenn der Sicherungsnehmer den Sicherungsgeber durch die Inanspruchnahme der Sicherheiten in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit übermäßig einengt, insbesondere wenn dem Sicherungsgeber keine freien Mittel zur eigenen Verfügung mehr verbleiben oder ihm in anderer Weise die Möglichkeit zu wirtschaftlich selbständigem Handeln genommen wird. BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 106; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.8 ff.

Eine umfassende Besicherung gewährter Kredite reicht für sich genommen 97 nicht aus, um einen Sittenwidrigkeitsvorwurf gegenüber dem Sicherungsnehmer zu begründen (zur Sittenwidrigkeit einer (anfänglichen) Übersicherung siehe aber Rn. 103 ff.). Die Grenze ist erst dann erreicht, wenn die Freiheit für wirtschaftliche und 98 kaufmännische Entschließungen und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Verpflichteten nahezu völlig eingeschränkt wird. OLG Brandenburg, Urt. v. 22.9.2015 – 6 U 32/14, ZInsO 2016, 510; OLG Celle, Urt. v. 30.6.1982 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.10 ff.

Eine Knebelung liegt z. B. nicht vor, wenn x

99

der Schuldner berechtigt ist, die der Bank im Rahmen einer Globalzession abgetretenen gegenwärtigen und künftigen Forderungen im ordentlichen Geschäftsgang einzuziehen;

25

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793;

x

von vornherein feststeht, dass die Bank von der Möglichkeit des Widerrufs der Einziehungsbefugnis und Verwertung der abgetretenen Forderungen durch eigenen Einzug nur dann Gebrauch machen will, wenn die wirtschaftliche Lage des Schuldners sie dazu zwingt, um eigenen Schaden tunlichst zu vermeiden. BGH, Urt. v. 11.10.1961 – VIII ZR 113/60, WM 1961, 1297.

100 Eine die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschreitende Knebelung des Sicherungsgebers kann sich unter Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls gleichwohl aus dem Umfang der gewährten Sicherheiten ergeben, wenn diese bzw. deren Surrogate vom Sicherungsgeber nicht mehr im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit genutzt werden können. Aber auch sonstige, oftmals durch vertragliche Auflagen oder Nebenabreden begründete Eingriffe in die wirtschaftliche Handlungs- und unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Schuldners können zu einer Knebelung führen. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.8 ff.

101 Für eine Knebelung kann – einzeln oder in Kombination – z. B. sprechen, dass x

dem Sicherungsgeber untersagt ist, über die Geschäftseinnahmen aus sicherungszedierten Forderungen (bis zum Eintritt des Sicherungsfalls) frei zu verfügen;

x

dem Sicherungsgeber untersagt ist, anderweitig Kredit aufzunehmen;

x

der Sicherungsnehmer Verfügungen über Kontoguthaben oder im Rahmen einer eingeräumten Kreditlinie nur noch in von ihm gebilligtem Umfang zulässt, sei es, um die Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern, sei es um bestimmte Geschäfte oder Wareneinkäufe zu unterbinden oder schlicht, um sich selbst ungehindert aus den Zahlungseingängen befriedigen zu können;

x

der Sicherungsnehmer Einfluss auf den operativen Geschäftsbetrieb nimmt, indem er Vertrauensleute in das Unternehmen entsendet oder geschäftliche Dispositionen des Kreditnehmers durch Kontrollrechte oder Covenants übermäßig einschränkt;

x

der Sicherungsnehmer über einen sog. Cash-Flow-Waterfall sämtliche Geschäftseinnahmen des Sicherungsgebers auf an ihn verpfändete Konten umleitet, über die der Sicherungsgeber nicht ohne seine Zustimmung verfügen kann. Vgl. zu diesen und weiteren Beispielen OLG Köln, Urt. v. 25.10.1985 – 19 U 75/82, ZIP 1985, 1472; OLG Celle, Urt. v. 30.6.1982 – 3 U 258/81, ZIP 1982, 942; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.8 ff.; Ganter, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 346 ff.

26

I. Ausgangssituation

Sicherungsvereinbarungen üblichen Zuschnitts, insbesondere revolvierende 102 Globalsicherheiten, die dem Sicherungsgeber bis zum Eintritt des Sicherungsfalls regelmäßig die Verfügungsbefugnis im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs belassen, dürften – soweit im konkreten Einzelfall keine besonderen Umstände hinzutreten – unter dem Gesichtspunkt der Knebelung damit keinen Bedenken begegnen. Vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.16.

(c) Übersicherung Eine Sittenwidrigkeit und damit Unwirksamkeit eines Sicherheitenvertrags 103 nach § 138 Abs. 1 BGB kommt in Fällen der anfänglichen bzw. ursprünglichen Übersicherung in Betracht. Eine solche liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird. Entscheidend für die Annahme einer anfänglichen Übersicherung ist das Verhältnis der gesicherten Forderung zu dem realisierbaren Wert der Sicherheiten nach den ungewissen Marktverhältnissen im Falle einer Insolvenz des Sicherungsgebers. BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, ZIP 1998, 684.

Erforderlich für die Annahme einer anfänglichen Übersicherung ist über das 104 grobe Missverhältnis zwischen dem Sicherungswert und dem Sicherungsinteresse hinaus außerdem eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers. Von einer solchen kann ausgegangen werden, wenn der Sicherungsnehmer aus eigensüchtigen Motiven eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den berechtigten Belangen des Sicherungsgebers an den Tag legt, die nach sittlichen Maßstäben unerträglich ist. BGH, Urt. v. 19.3.2010 – V ZR 52/09, WM 2010, 834; BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, ZIP 1998, 684; OLG Hamm, Urt. v. 15.1.2015 – 5 U 81/14, juris; Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 352.

Anhaltspunkte für eine sittenwidrige anfängliche Übersicherung können in 105 einem krassen, sittlich anstößigen Missverhältnis zwischen gesicherten Forderungen und realisierbarem Wert der Sicherheiten bestehen, das für sich genommen nur den Schluss zulässt, der Sicherungsnehmer habe aus eigensüchtigen Motiven gehandelt. BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, ZIP 1998, 684; OLG Hamm, Urt. v. 15.1.2015 – 5 U 81/14, juris; Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 352.

Wo die Grenze des Zulässigen zu ziehen ist, lässt sich nicht allgemein festle- 106 gen, sondern ist anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls in tatrichterlicher Würdigung zu ermitteln.

27

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, ZIP 1998, 684; in der Literatur wird versucht, zur Gewährleistung der Rechtssicherheit eine feste Grenze einzuführen, die sich nach der Formel „Deckungsgrenze mal zwei“ richten oder eingreifen soll, wenn der Wert des Sicherungsgutes 200 % der gesicherten Forderungen beträgt; vgl. hierzu Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 352c, der aber vor Pauschalisierungen warnt; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.48, jeweils m. w. N.; Nach OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.2007 – 4 U 601/06, OLGR 2008, 273 ist regelmäßig zu verlangen, dass der Schätzwert des Sicherungsguts deutlich höher ist als die Freigabegrenze, die bei 150 % des Wertes der zu sichernden Forderung liegt.

107 Für das Vorliegen eines bei Vertragsschluss absehbaren Missverhältnisses im Zeitpunkt der Verwertung oder eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers streiten aber keine tatsächlichen Vermutungen. Die Umstände, die eine anfängliche Übersicherung begründen, sind von demjenigen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen, der sich darauf beruft. BGH, Urt. v. 19.3.2010 – V ZR 52/09, WM 2010, 834; Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 352d.

108 Die Gefahr der Unwirksamkeit des Sicherheitenvertrags wegen nachträglicher Übersicherung, die in der Entscheidungspraxis zu formularmäßig vereinbarten Globalsicherheiten freilich häufig an § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) und nicht an § 138 Abs. 1 BGB gemessen wurde, ist heutzutage praktisch gering, vgl. hierzu die ältere Rspr.: BGH, Beschl. v. 10.10.1996 – XI ZR 234/95, ZIP 1997, 234; BGH, Beschl. v. 11.7.1996 – IX ZR 74/95, ZIP 1996, 1429; BGH, Urt. v. 19.6.1991 – VIII ZR 244/90, ZIP 1991, 997; BGH, Urt. v. 26.4.1990 – VII ZR 39/89, ZIP 1990, 852; BGH, Urt. v. 6.12.1990 – VII ZR 334/89, ZIP 1991, 152,

da die rechtlichen Grenzen durch die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen geklärt sind, BGH, Beschl. v. 27.11.1997 – GSZ 1/97 und GSZ 2/97, BGHZ 137, 212,

und in der Praxis der formularmäßigen Sicherungsverträge weitestgehend Berücksichtigung finden. Demnach gelten für revolvierende Globalsicherheiten folgende Maßstäbe: x

Die Wirksamkeit einer formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherheit hängt weder (1) von einer ausdrücklichen Freigaberegelung, noch (2) von einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze, noch (3) von einer Regelung zur Bewertung des Sicherungsgutes ab.

x

Im Falle einer nach Abschluss des Sicherheitenvertrags eintretenden Übersicherung hat der Sicherungsgeber einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Vertrag keine oder eine unangemessene

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I. Ausgangssituation

Deckungsgrenze enthält. Eine unwirksame oder unangemessene Freigabeklausel oder Deckungsgrenze ist gleichwohl nichtig, führt aber nicht zur Nichtigkeit der Gesamtvereinbarung, sondern wird vielmehr durch eine angemessene Regelung ersetzt. x

Eine Übersicherung als Voraussetzung für den Freigabeanspruch ist regelmäßig gegeben, wenn der im Verwertungsfall realisierbare Wert des Sicherungsgutes die gesicherten Forderungen um mehr als 10 % übersteigt, d. h., die Deckungsgrenze liegt regelmäßig bei 110 % der gesicherten Forderungen. Hierin sind die Kosten der Verwertung mit einem pauschalen Aufschlag von 10 % berücksichtigt. Ein weiterer Aufschlag zur Abdeckung von Unsicherheiten in der Bewertung oder von Zinsen ist nicht anzuerkennen.

x

Da die – auf den realisierbaren Wert der Sicherheiten im Verwertungszeitpunkt abstellende – Deckungsgrenze von 110 % die Unsicherheiten bei der Bewertung des Sicherungsgutes noch nicht berücksichtigt, gilt für Zwecke einer raschen Durchsetzbarkeit des Freigabeanspruchs eine aus den §§ 232 ff. BGB, insbesondere § 237 Abs. 1 BGB, ableitbare widerlegliche Vermutung, dass vom Nominalwert sicherungszedierter Forderungen bzw. des Marktwert, hilfsweise von den Einkaufs- bzw. Herstellungskosten, sicherungsübereigneter Waren ein Abschlag von einem Drittel vorzunehmen ist, ein Freigabeanspruch mithin erst dann entsteht, wenn der so ermittelte Schätzwert des Sicherungsgutes die Grenze von 150 % der gesicherten Forderungen übersteigt.

x

Der Zuschlag von 50 % stellt keine für alle Fälle passende Regelung dar, bewirkt aber, dass derjenige, der behauptet, ein Abschlag von einem Drittel oder eine Deckungsgrenze von 150 % – bezogen auf den Nennwert der Forderungen und den Marktwert bzw. die Einkaufs- oder Herstellungskosten von Waren – sei im konkreten Fall unangemessen, dies substantiiert darlegen und beweisen muss.

x

Die 110 %-Deckungsgrenze ist dagegen maßgeblich, wenn die Parteien die Bewertung des Sicherungsgutes (formular-)vertraglich anderweitig geregelt haben. Die Wirksamkeit einer solchen Vorausbestimmung des Sicherheitenwerts hängt aber davon ab, ob diese mit Bezug auf die besonderen Verhältnisse konkret abzugrenzender Wirtschaftsbranchen den Sicherungsgeber nicht unangemessen benachteiligt. BGH, Beschl. v. 27.11.1997 – GSZ 1/97 und GSZ 2/97, BGHZ 137, 212; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.44 ff.; Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 360 f.

(2) Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe Eine (eigensüchtige) Insolvenzverschleppung bzw. die Ausreichung eines 109 eigennützigen Sanierungskredits in der Krise des Kreditnehmers kann eben29

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

falls zu einer Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit der Kredit- und Sicherheitenverträge führen. Der Vorwurf sittenwidrigen Handelns zum Schaden der Gläubiger kann insbesondere begründet sein, wenn die Bank aus eigensüchtigen Beweggründen die Insolvenz des Unternehmens hinausschiebt und für sie abzusehen ist, dass die ergriffenen Stützungsmaßnahmen den Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf Dauer verhindern können. Das gilt vor allem dann, wenn sie dem insolvenzreifen Unternehmen nicht mehr Kredit in der Höhe geben oder belassen will, den es zur Sanierung braucht, sondern nur einen solchen, der den wirtschaftlichen Todeskampf des Unternehmens lediglich verlängert, um sich in der so gewonnenen Zeit aus ihren Sicherheiten zum Nachteil der anderen Gläubiger ungehindert und besser befriedigen zu können. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, WM 2016, 1026; KG, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZInsO 2016, 37; BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; BGH, Urt. v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630; BGH, Urt. v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, ZIP 1986, 14; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 115 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.95 ff. m. w. N.; Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 101 ff.

110 Die (eigensüchtige) Insolvenzverschleppung kann insbesondere auch zu einer Haftung der Bank nach § 826 BGB gegenüber geschädigten Gläubigern des Kreditnehmers führen. So stellt sich das Verhalten einer Bank, die die Insolvenz eines Unternehmens um eigener Vorteile willen verschleppt, als sittenwidrig im Verhältnis zu den Gläubigern des Unternehmens dar, die dadurch einen Schaden erleiden. Dies ist anzunehmen, wenn sich ernste Zweifel an dem Gelingen des Sanierungsversuchs einstellen und daher damit zu rechnen ist, dass er den Zusammenbruch des Unternehmens allenfalls verzögern, nicht aber auf Dauer verhindern wird, und wenn die Schädigung Dritter aufgrund der Verfolgung eigensüchtiger Interessen in Kauf genommen wird. BGH, Urt. v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412; BGH, Urt. v. 2.6.1992 – II ZR 178/90, ZIP 1992, 1464; BGH, Urt. v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231; BGH; Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399; BGH, Urt. v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 114a ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.152 ff.

111 Ein eigennütziger Beweggrund liegt vor, wenn der Kreditgeber „persönliche Vorteile“ wie besondere Sicherheiten oder Befriedigungsmöglichkeiten anstrebt. Eigennützige Beweggründe der Bank werden daher in der Regel fehlen, wenn sie in der Krise des Kreditnehmers einen neuen Kredit ohne Besicherung gewährt. Der Anwendungsbereich solcher Finanzierungen dürfte in der Praxis indes denkbar gering sein.

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I. Ausgangssituation Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.96; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1422; Schönfelder, WM 2013, 112, 113, der darauf hinweist, dass sich die Entscheidungsträger der Bank bei der Gewährung eines unbesicherten Neukredits an ein Krisenunternehmen ganz anderen Risiken (§ 266 StGB) ausgesetzt sehen dürften, als einer Insolvenzverschleppungshaftung.

Dagegen ist von einem eigennützigen Beweggrund einer Krisenfinanzierung 112 insbesondere dann auszugehen, wenn die Bank dem Unternehmen bereits zuvor Kredite gewährt hatte, da unterstellt wird, dass sie mit dem Sanierungsversuch (auch) die Altkredite retten möchte. BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.96; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1422.

Auch die Besicherung von Altkrediten stellt hiernach einen eigennützigen 113 Beweggrund dar. Allerdings sind eigennützige Beweggründe, wie die Besicherung von Altkre- 114 diten oder der Werterhalt bereits ausgereichter Kredite nicht per se auch sittenwidrig. BGH, Urt. v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 174.

Die Mittel zur Erreichung von Sondervorteilen können vielfältig sein, etwa in 115 Form des aktiven Managens des Schuldnerkontos, der Bereitstellung von Überbrückungskrediten, der Begleitung einer Kapitalerhöhung, um von dritter Seite Kapital zuzuführen, oder der aktiven Leitung des Unternehmens durch einen Repräsentanten der Bank. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 173.

(3) Zulässige Sanierungskredite Der BGH hat schon früh aufgezeigt, dass das Sittenwidrigkeitsverdikt einer 116 Kreditgewährung oder Besicherung in der Krise des Kreditnehmers in der Regel ausgeschlossen ist, wenn der Kreditgeber aufgrund einer Sanierungsprüfung davon ausgehen durfte, eine Sanierung des Kreditnehmers werde Erfolg haben und eine (abstrakt mögliche) Schädigung Dritter letztlich nicht eintreten. Wörtlich führt der BGH aus: „Wird dagegen mit dem Sicherungsvertrag der Zweck verfolgt, den Schuldner wirklich zu sanieren, so reicht die nicht allzu naheliegende Möglichkeit einer Täuschung und Schädigung Dritter dann nicht aus, um den Vertrag sittenwidrig erscheinen zu lassen, wenn die Parteien auf Grund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten überzeugt waren, das Sanierungsvorhaben werde Erfolg haben und eine Schädigung Dritter letztlich nicht eintreten.“ BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

117 Wegen der Haftungsrisiken in Zusammenhang mit der Ausreichung von Sanierungskrediten und der Bestellung von Sicherheiten in der Krise eines Unternehmens ist aus Sicht des Kreditgebers entscheidend, welches Krisenstadium des Kreditnehmers die Pflicht zur Sanierungsfähigkeitsprüfung auslöst und welches Verhalten ihm noch als Stillhalten ausgelegt wird und wann dagegen eine Neukreditierung vorliegt. Denn anspruchsbegründendes Verhalten i. S. v. § 826 BGB ist regelmäßig die Auskehrung eines eigennützigen Sanierungskredits, nicht dagegen das bloße Stillhalten. Vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412; Schäffler, BB 2006, 56, 58; Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 60 ff, vgl. ausführlich Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 108 ff.

(a) Der relevante Krisenzeitraum 118 Die erste Frage, die sich stellt, ist die nach dem haftungsrelevanten Zeitraum oder anders gewendet die nach dem Krisenstadium, das der Kreditnehmer erreicht haben muss, damit ein Kredit als „Sanierungskredit“ anzusehen ist und auf seine etwaige Sittenwidrigkeit hin zu prüfen ist. 119 Denn die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers im Zeitpunkt der Kreditvergabe oder der Sicherheitenbestellung ist nach Rechtsprechung des BGH ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände zur Prüfung einer etwaigen Sittenwidrigkeit. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399.

120 Nach herkömmlichem Verständnis der in diesem Kontext ergangenen Entscheidungen wird davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung nur solche Kredite als Sanierungskredite behandelt, die im Stadium der Insolvenzreife des Kreditnehmers gewährt werden. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 826 Rn. 175.

121 In der Literatur wurde indes herausgearbeitet, dass die Rechtsprechung bei der Qualifizierung von Krediten als Sanierungskredite zwar auf eine „Insolvenzreife“ des Kreditnehmers abstellt, ohne jedoch klargestellt zu haben, was unter dem Begriff der Insolvenzreife konkret zu verstehen ist. Denn die bislang veröffentlichten Entscheidungen legen den Schluss nahe, dass eine materielle Insolvenzreife im Sinne einer Insolvenzantragspflicht (§§ 17, 19 InsO) nicht erforderlich ist, sondern auch ein als „insolvenznah“ zu bezeichnender Zeitraum erfasst ist. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.90; Huber, NZI 2015, 447, 448; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1466.

122 In der Literatur werden daher verschiedene Ansätze verfolgt, um den Zeitraum der „relevanten Krise“ zu bestimmen. Schäffler mahnt an, dass eine Sittenwidrigkeit erst dann in Betracht kommen könne, wenn der Kreditnehmer

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I. Ausgangssituation

bereits objektiv zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder überschuldet (§ 19 InsO) ist, da nur durch eine solch klare Definition eine Rechtsunsicherheit vermieden werden könne, die einen ernsthaften und wünschenswerten Sanierungsversuch behindern kann. Schäffler, BB 2006, 56, 58.

Teilweise wurde vorgeschlagen, an eine drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 123 InsO) anzuknüpfen, die ein Insolvenzantragsrecht aber keine Insolvenzantragspflicht begründet. Wenzel, NZI 1999, 294, 294; Neuhof, NJW 98, 3225, 3229.

Neuere Stimmen in der Literatur stellen vermehrt auf die von Obermüller 124 herausgearbeiteten Kriterien und eine Sanierungsbedürftigkeit des Kreditnehmers ab. Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 26; Huber, NZI 2015, 447, 449; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1410; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1467.

Danach ist ein Unternehmen als sanierungsbedürftig anzusehen, wenn ohne 125 Stützungsmaßnahmen die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann. Eine solche Lage ist bereits dann anzunehmen, wenn abzusehen ist, dass – falls sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt – das Unternehmen in gewisser Zeit zahlungsunfähig oder überschuldet sein wird, und wenn eine rechtzeitige Änderung dieser Entwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.90.

Der BGH hat die Frage nach dem relevanten Krisenzeitraum zuletzt aus- 126 drücklich offengelassen. In einer Entscheidung vom 12.4.2016 hat der BGH ausgeführt, es könne „dahinstehen, ob Insolvenzreife im Sinne dieser Rechtsprechung nur dann gegeben ist, wenn nach §§ 17, 19 InsO ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Darlehensnehmers und Sicherungsgebers vorliegt, oder ob dessen drohende Zahlungsunfähigkeit oder auch schon eine noch früher einsetzende ,Sanierungsbedürftigkeit‘ genügt“. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen zu einer möglichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Sicherungsgebers getroffen, die ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung, insbesondere für die Bejahung der Sittenwidrigkeit, ist. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058.

Wann Sanierungsbedürftigkeit als Beginn des haftungsrelevanten Zeitraums 127 vorliegt, ist demnach immer eine Frage des Einzelfalls. Kiethe, KTS 2005, 179, 183; vertiefend Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 114 ff.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(b) Abgrenzung Neukreditierung und bloßes Stillhalten 128 Nach gefestigter Rechtsprechung ist das bloße Stillhalten einer Bank ohne Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale (Ausüben wirtschaftlicher Macht im Verhältnis zum Kreditnehmer, Einflussnahme auf Geschäftsführung zu eigenem Nutzen etc.) grundsätzlich haftungsunschädlich. Das gilt nach Ansicht des BGH regelmäßig auch dann, wenn sie erkennt, dass das Unternehmen vor dem Zusammenbruch steht und an sich insolvenzreif ist. Ob die Bank das Unternehmen fallen lässt, ist ihre Sache, und zwar auch dann, wenn sie dabei voraussieht, dass andere Gläubiger zu Schaden kommen können. BGH, Urt. v. 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412; BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399; BGH, Urt. v. 14.4.1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671.

129 Ein bloßes Stillhalten der Bank, welches ohne weitere sittenwidrigkeitsbegründende Umstände haftungsunschädlich ist, dürfte jedenfalls gegeben sein, wenn die Bank trotz Bestehen eines gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsrechts den Kredit stehen und den Kreditnehmer im Rahmen der zugesagten Valuta weiter disponieren lässt. 130 In weiteren Bereichen ist die Abgrenzung dagegen schwieriger und wird uneinheitlich vorgenommen. Dies gilt insbesondere für die Prolongation einer auslaufenden Kreditlinie. Diesbezüglich wird von manchen Oberlandesgerichten und Teilen der Literatur vertreten, dass nur die Gewährung neuer Kredite (Fresh Money) durch Aufstockung bestehender Linien oder neue Vereinbarungen über zusätzliche Kredite unter den Begriff Sanierungskredit fallen, die bloße Prolongation dagegen nicht, da dem Kreditnehmer hierdurch keine zusätzlichen Mittel zugeführt werden. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, ZInsO 2012, 2051; OLG Köln, Urt. v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.91; Schäffler, BB 2006, 56, 58; Kiethe, KTS 2005, 179, 185.

131 In die gleiche Richtung zielt eine Entscheidung des OLG Köln, nach der die bloße vertragliche Festschreibung einer bereits geduldeten Kontoüberziehung nicht als Sanierungskredit anzusehen ist (weil auch in diesem Fall dem Kreditnehmer keine zusätzlichen liquiden Mittel zugeführt werden). OLG Köln, Urt. v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521.

132 Diese restriktiven Auffassungen des Begriffs „Sanierungskredit“ sind jedoch zu eng. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Formen der finanziellen Stützung des „insolvenzreifen“ Kreditnehmers vielfältig sein können. So kann die Bank ihren Kreditnehmer auch durch die Einräumung eines Sanierungszinssatzes, durch eine Umschuldung, durch Zins- und Tilgungsstundungen, durch Rangrücktritte oder Forderungsverzichte, durch die Umwandlung der Kredite in Genussrechtskapital, durch die Freigabe von Si-

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I. Ausgangssituation

cherheiten, durch Erweiterung des Verwendungszwecks einer Kreditlinie oder eben eine Verlängerung eines auslaufenden Kredits (Prolongation) stützen. Vgl. Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 36; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 9; Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 1; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1411; Bitter/Alles, WM 2013, 537, 540, die darauf hinweisen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob ein ausgelaufener Kredit durch einen neuen Sanierungskredit ersetzt oder prolongiert wird. Maßgeblich sei vielmehr der durch die Maßnahme verfolgte (konkludente) Sanierungszweck.

Auch durch solche nicht auf die Zuführung echten Fresh Moneys gerichteten 133 Stützungsmaßnahmen kann der wirtschaftliche Todeskampf des Kreditnehmers verlängert und die Gefahr der Schädigung anderer Gläubiger begründet werden. Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 36.

Hat die Bank bereits zuvor Kredite an das Unternehmen ausgereicht, wird 134 wie oben aufgezeigt (siehe Rn. 112) vermutet, dass die Kreditvergabe eigennützig erfolgt, um die bereits gewährten Kredite zu „retten“. Dies muss umso mehr gelten, wenn der absehbare Zusammenbruch des Kreditnehmers durch für die Bank im Vergleich zur Zuführung weiterer liquider Mittel weniger einschneidende Maßnahmen herausgeschoben wird, d. h., wenn sie zur Erreichung von angestrebten Sondervorteilen dem schlechten Geld nicht einmal gutes hinterherwerfen muss. Es wäre daher im Hinblick auf den Schutzzweck des Haftungsregimes verfehlt, die Prüfungspflichten des Kreditgebers schon auf dieser Ebene wegen Nichtvorliegens eines Sanierungskredits zu negieren, weil – wie im Falle einer Prolongation oder Festschreibung einer bislang lediglich geduldeten und damit jederzeit zur Rückzahlung fälligen Kontoüberziehung – keine zusätzlichen liquiden Mittel zugeführt werden. Auch der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich nicht entnehmen, dass nur die Gewährung echten Fresh Moneys eine Haftung des Kreditgebers wegen Gläubigergefährdung oder Insolvenzverschleppung begründen kann, wenngleich dies freilich den Regelfall darstellt; vgl. Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 175 ff.

Vorzugswürdig ist daher der von Teilen der Literatur verfolgte Ansatz, nach 135 dem eine „Kreditvergabe“ anzunehmen ist, wenn dem Kreditnehmer durch eine nach Eintritt des maßgeblichen Krisenstadiums gefasste neue (Kredit-)Entscheidung der Bank ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird, indem dem Kreditnehmer neue Darlehen gewährt oder bestehende Rückzahlungspflichten vorübergehend – durch Stundung oder Prolongation – ausgesetzt werden.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 11 Rn. 65 ff.; Wenzel, NZI 1999, 294, 294.

136 Entscheidend für die Abgrenzung des bloßen Stillhaltens und der Kreditvergabe ist mithin nicht die Art der Stützungsmaßnahme, sondern ob der Kreditgeber lediglich eine bereits vor Eintritt des maßgeblichen Krisenstadiums begründete Vertragspflicht erfüllt (dann bloßes Stillhalten) oder ob er dem Kreditnehmer durch eine nach diesem Zeitpunkt zu treffende Entscheidung den zuvor vertraglich nicht zu beanspruchenden Zugriff auf liquide Mittel erlaubt bzw. das Zugriffsrecht über die ursprünglichen vertraglichen Abreden hinaus verlängert oder erweitert (dann Kreditvergabe). (c) Abgrenzung Überbrückungs- und Sanierungskredit 137 In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass das strenge Haftungsregime für Sanierungskredite auf Überbrückungskredite keine Anwendung findet. Ein Überbrückungskredit soll nicht den für den Sanierungszeitraum erforderlichen Liquiditätsbedarf absichern, sondern nur die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit während des Prüfungszeitraums sicherstellen. Die Sanierungsfähigkeit muss also bei Ausreichung eines Überbrückungskredits noch nicht feststehen. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561; KG, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, NZI 2016, 546; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.140; Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 21 ff.; Huber, NZI 2015, 447, 449; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1465 f.; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1406; Schäffler, BB 2006, 56, 58; Kiethe, KTS 2005, 179, 211 f.; Wenzel, NZI 1999, 294, 298; Neuhof, NJW 1998, 3225, 3229.

138 Diese Haftungsprivilegierung, nach der der Kreditgeber bei Ausreichung eines Überbrückungskredits noch keine Gefahr läuft, sich dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit auszusetzen, macht eine Abgrenzung erforderlich, die nach Zeitraum der Kreditgewährung und Zweck der Kreditgewährung vorzunehmen ist. KG, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, NZI 2016, 546; Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 23 f.; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1406; Neuhof, NJW 1998, 3225, 3229.

139 Für welchen Zeitraum Kreditgeber einem Kreditnehmer einen Überbrückungskredit zur Verfügung stellen dürfen, ohne sich dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns ausgesetzt zu sehen, ist noch nicht abschließend geklärt. 140 Das Kammergericht Berlin hat zuletzt rekurriert, die zeitliche Grenze für einen Überbrückungskredit werde nach der Rechtsprechung des BGH durch die Insolvenzantragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) gezogen und betrage daher längstens drei Wochen.

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I. Ausgangssituation KG, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, NZI 2016, 546; ebenso Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 116 ebenfalls unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung.

Der BGH hat zwar in der Vergangenheit wiederholt ausgesprochen, dass die 141 zeitliche Grenze für einen Überbrückungskredit in Anlehnung an § 15a InsO bei maximal drei Wochen zu ziehen ist, BGH, Urt. v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443; BGH, Urt. v. 17.7.2006 – II ZR 106/05, ZIP 2006, 2130; BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648; BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381,

allerdings ergingen die vorstehend zitierten Entscheidungen jeweils zum alten Eigenkapitalersatzrecht (§§ 32a, 32b GmbHG), das mit dem MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen), BGBl. I 2008, S. 2026,

mit Wirkung zum 1.11.2008 aufgehoben wurde, und betrafen jeweils die Frage, ob ein in der Krise (Kreditunwürdigkeit) gewährtes Gesellschafterdarlehen oder eine einem solchen gleichgestellte Handlung ausnahmsweise nicht als eigenkapitalersetzend anzusehen ist, weil es sich nur um einen kurzfristigen Überbrückungskredit gehandelt habe. Ob diese Rechtsprechung auf die hier in Rede stehenden Fälle, in denen es um die Gewährung von Überbrückungskrediten zur Sicherstellung der Liquidität bis zum Abschluss der Sanierungsprüfung geht, zu übertragen ist, ist insbesondere vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils, in dem der BGH ausdrücklich offengelassen hat, ob nur Kredite, die im Stadium der materiellen Insolvenzreife gewährt werden, als Sanierungskredite anzusehen sind, BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058,

fraglich. Denn wird durch einen Überbrückungskredit das Eintreten eines Insolvenzgrundes verhindert oder ein solcher jedenfalls bis zur Vorlage eines Sanierungsgutachtens und der Implementierung der sich anschließenden Sanierungsfinanzierung beseitigt, besteht kein einleuchtender Grund, die Zulässigkeit eines Überbrückungskredits auf den an die Insolvenzantragsfrist angelehnten Dreiwochenzeitraum zu begrenzen. So auch Längsfeld/Meyer-Löwy/Nardi, WM 2016, 1269, 1272; Huber, NZI 2016, 521, 523.

Im Übrigen würde eine solche Einschränkung den praktischen Bedürfnissen 142 in keinster Weise gerecht, da sich die Sanierungschancen in vielen Fällen von vornherein erledigen würden, weil der zur Prüfung der Sanierungsausschichten erforderliche Zeitraum nicht in rechtlich zulässiger Weise durch einen Überbrückungskredit abgesichert werden könnte. Vertiefend Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 151 ff.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

143 Insofern stellt die mittlerweile wohl h. M. zu Recht darauf ab, dass die Laufzeit eines Überbrückungskredits zulässigerweise auf den Zeitraum erstreckt werden darf, der aus Ex-ante-Sicht erforderlich ist, um die Sanierungsprüfung durchzuführen, etwaige Rückfragen zu beantworten, Sanierungsbeiträge zu verhandeln und die Sanierungsfinanzierung zu implementieren. Hierfür kann es richtigerweise keine feste zeitliche Grenze geben, sondern die Laufzeit richtet sich nach dem prognostizierten, anhand von Erfahrungswerten festzulegenden Zeitraum, der zur Umsetzung aller Schritte bis zur Sanierungsfinanzierung erforderlich ist. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.140; Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 24; Huber, NZI 2016, 521, 523; Knof, EWiR 2016, 313, 314; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1406 f.; wohl auch i. d. S. Kiethe, KTS 2005, 179, 211 f.; Wenzel, NZI 1999, 294, 298.

144 Hiermit geht einher, dass im Grundsatz auch die Verlängerung eines Überbrückungskredits zulässig ist, wenn die Sanierungsprüfung oder die Verhandlungen über die Sanierungsbeiträge der beteiligten Stakeholder länger andauern, als bei Vereinbarung des Überbrückungskredits erwartet. KG, Urt. v. 15.12.2015 – 14 U 79/14, NZI 2016, 552; Kemper, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 3 Rn. 24; Huber, NZI 2016, 521, 524; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1408.

145 Zweites Abgrenzungskriterium zwischen Überbrückungs- und Sanierungskredit ist der Vertragszweck. Maßgeblich für eine Sanierungsfinanzierung ist der mit dem Kredit verfolgte Sanierungszweck. Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 8; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1465.

146 Wegen des Sanierungszwecks ist die ordentliche Kündigung eines Sanierungskredits bei planmäßigem Sanierungsverlauf regelmäßig zumindest konkludent ausgeschlossen. Eine Kündigung des Sanierungskredits ist nur dann gerechtfertigt, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem das Kreditinstitut seine Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt. BGH, Urt. v. 14.9.2004 – XI ZR 184/03, ZIP 2004, 2131; BGH, Urt. v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, ZIP 2004, 1589; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 62 ff.; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1413; Bitter/Alles, WM 2013, 537, 538.

147 Im Gegensatz hierzu wird mit einem Überbrückungskredit kein langfristiger Sanierungszweck verfolgt, sondern nur eine temporäre Liquiditätshilfe gewährt, die den Zeitraum bis zur Implementierung der eigentlichen Sanierungsfinanzierung überbrücken soll.

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I. Ausgangssituation OLG Köln, Urt. v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521; Huber, NZI 2016, 521, 522; Waldburg, ZInsO 2014, 1405, 1406.

Da mit ihnen kein Sanierungszweck verfolgt wird, werden auch Objektkredite, 148 die nur der Finanzierung eines bestimmten Geschäfts dienen, oder Existenzgründungskredite in der Regel nicht als Sanierungskredit eingestuft. Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 8; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1465; Neuhof, NJW 1998, 3225, 3229.

Ob im Einzelfall ein Überbrückungs- oder Sanierungskredit vorliegt, ist an- 149 hand der Umstände des Einzelfalls, ggf. durch Vertragsauslegung, zu ermitteln. Ein Kriterium stellt wie dargelegt die Laufzeit des Kredites dar: Der Überbrückungskredit wird in der Regel mit kurzer Laufzeit und befristet bis zur Implementierung einer Sanierungsfinanzierung oder der Feststellung der Sanierungsunfähigkeit gewährt, wohingegen eine Sanierungsfinanzierung den kompletten Sanierungszeitraum, der üblicherweise zwei bis drei Jahre umfasst, abdecken soll. Ein weiteres Abgrenzungskriterium kann sein, wenn der gewährte Kredit zwar ausreicht, um den Prüfungszeitraum zu überbrücken, aber ersichtlich zu niedrig ist, um Sanierungsmaßnahmen wie einen Personalabbau, Standortschließungen etc. zu finanzieren, sodass die Parteien ersichtlich nicht davon ausgegangen sind, mit dem eingeräumten Kredit die Unternehmenskrise nachhaltig zu überwinden. OLG Köln, Urt. v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, ZIP 2002, 521; Urlaub/Kamp, ZIP 2014, 1465, 1465.

Auf der anderen Seite kann ein Sanierungskredit – auch konkludent – verein- 150 bart sein, wenn die Parteien ohne explizite Vereinbarung eines Sanierungszwecks auf Basis eines Sanierungsplans vorgehen, insbesondere wenn der Kreditgeber in Kenntnis eines Sanierungsgutachtens den benötigten Kredit zur Verfügung stellt. Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 16 f.; Bitter/Alles, WM 2013, 537, 538.

In der Praxis ist allerdings zunehmend eine professionelle Handhabung zu 151 beobachten, namentlich wird der Zweck von Überbrückungskrediten regelmäßig in der Präambel des Überbrückungskreditvertrags unter Bezugnahme auf die in Auftrag gegebene Sanierungsprüfung explizit genannt. Ferner schließen die an der Sanierung beteiligten Stakeholder nach Fertigstellung des Sanierungsgutachtens immer öfter explizite Sanierungsvereinbarungen ab, in denen neben den Sanierungsbeiträgen der Banken oder Gesellschafter auch die von dem zu sanierenden Unternehmen einzuhaltenden Covenants festgeschrieben werden. Unklarheiten und Auslegungsprobleme werden daher in von Finanzierer- und Unternehmensseite professionell begleiteten Sanierungen die Ausnahme bleiben.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. zur Sanierungsvereinbarung Häuser, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 15 ff. sowie zum Ganzen Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 151 ff.

4. Treuhandschaft als Lösung? 152 Vor dem Hintergrund der geschilderten Interessenlage der Beteiligten, der Handlungsoptionen und der speziellen Risiken einer Sanierungsbegleitung fragt sich, welchen Beitrag eine doppelnützige Treuhand als Sanierungsinstrument und „Quasi-Sicherheit“ leisten kann. Zuvor sind alternative Besicherungsformen an Gesellschaftsanteilen zu untersuchen. a) Alternative Besicherungsformen an Gesellschaftsanteilen 153 Alternativ zu einer treuhänderischen Übernahme können Finanzierer auch versuchen, sich über eine unmittelbare Gesellschafterstellung (Rn. 154 ff.) oder über ein Pfandrecht (Rn. 287 ff.) an Gesellschaftsanteilen zu besichern. aa) Gesellschafterstellung der Finanzierer 154 Motive für die Entscheidung, die Sanierung aus einer Gesellschafterstellung heraus zu begleiten, sind die Aussicht auf Partizipation an späteren Gewinnen und Wertsteigerungen der Beteiligung sowie die Möglichkeit, gesellschaftsrechtlich Einfluss auf die Sanierung nehmen zu können. IST

ZIEL

Krisenunternehmen, Bank als Kreditgeber

WEGE

Saniertes Unternehmen, Bank als Mitgesellschafter

• Bar-Kapitalerhöhung • Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Krediten in Eigenkapital • Einstieg durch Anteilskauf

• Begründung stiller Beteiligungen

• Treuhandschaften und -modelle

Abb. 6: Eigenkapitalbeteiligungen der Finanzierer (1) Funktionsweise 155 Finanzierer können Gesellschaftsanteile ihrer Darlehensnehmer auf unterschiedliche Weise übernehmen. Sie können diese im Rahmen einer Kapitalerhöhung durch die Erbringung einer Sacheinlage durch Umwandlung der Kredite in Eigenkapital, sog. Debt-Equity-Swap (siehe Rn. 156 ff.), oder durch die Er-

40

I. Ausgangssituation

bringung einer Bareinlage (siehe Rn. 176 ff.) übernehmen. Die direkte Anteilsübertragung ist demgegenüber unüblich und bleibt hier außer Betracht. (a) Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage (Debt-Equity-Swap) Eine Möglichkeit der Beteiligung besteht in einer Kapitalerhöhung gegen 156 Sacheinlage unter Einbringung der bestehenden Darlehensforderungen, einem sog. Debt-Equity-Swap. Vgl. zum Debt-Equity-Swap Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 562. Der Gesetzgeber stuft den Debt-Equity-Swap als zentrales Mittel für ein attraktives Sanierungsverfahren ein, BT-Drucks. 17/5712, S. 31, und hat im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen („ESUG“) mit § 225a Abs. 2 InsO nunmehr eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Eigenkapital im Rahmen eines Insolvenzplans zulässt.

Die teilweise oder vollständige Umwandlung der Darlehensforderungen in 157 Eigenkapital geschieht in der Regel durch einen Kapitalschnitt, also einer nominellen Kapitalherabsetzung mit anschließender effektiver Kapitalerhöhung unter Einbringung der Forderungen als Sacheinlagen. Vgl. auch BGH, Urt. v. 13.4.1992 – II ZR 277/90, BGHZ 118, 83; BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, BGHZ 110, 47.

Regelmäßig ist ein Kapitalschnitt bereits aus Gründen der bilanziell notwendi- 158 gen Anpassung der Kapitalseite an die erlittenen Verluste und an das wertmäßig angegriffene Reinvermögen der Gesellschaft sowie zur Beseitigung einer rechnerischen Überschuldung (dann Kapitalherabsetzung auf null) notwendig. Ein auf diese Weise verbessertes Bilanzbild führt auch zu einem besseren Rating, besseren Zinskonditionen und mehr Vertrauen bei den verbliebenen Kreditgebern und Warenkreditversicherern. Die Kapitalherabsetzung zu Sanierungszwecken kann sowohl bei der AG 159 gemäß §§ 229 ff. AktG als auch bei der GmbH gemäß §§ 58a ff. GmbHG in vereinfachter Form durchgeführt werden. Vereinfacht ist die Kapitalherabsetzung nach Maßgabe der §§ 229 ff. AktG, §§ 58a ff. GmbHG im Wesentlichen deshalb, weil die Gläubigerschutzvorschriften des § 225 AktG und § 58 Abs. 1 GmbHG mit ihren strengen Voraussetzungen keine Anwendung finden. Im Rahmen einer regulären Kapitalherabsetzung haben Gläubiger einer AG, deren Forderungen vor Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses im Handelsregister begründet waren, nach § 225 Abs. 1 AktG Anspruch auf Befriedigung oder Sicherheitsleistung, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister bei der AG melden. Insbesondere dürfen vor Ablauf der Halbjahresfrist gemäß § 225 Abs. 2 Satz 1 AktG keine Zahlungen aus Mitteln, die durch die Kapitalherabsetzung „frei“ geworden sind, an Aktionäre erfolgen, vgl. Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 225 Rn. 17. Bei der GmbH kann eine

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Kapitalherabsetzung gemäß § 58 Abs. 1 GmbHG sogar erst nach Ablauf eines Sperrjahres (vgl. § 58 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) zum Handelsregister angemeldet und mit konstitutiver Eintragung wirksam werden. Zuvor haben die Geschäftsführer den Kapitalherabsetzungsbeschluss in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen und die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei der Gesellschaft zu melden, § 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG. Die Gläubiger, die sich bei der GmbH melden und der Kapitalherabsetzung nicht zustimmen, sind wegen der erhobenen Ansprüche zu befriedigen oder sicherzustellen, § 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG.

160 Da die vereinfachte Kapitalherabsetzung (zu Sanierungszwecken) auf die Einhaltung der vorgenannten Gläubigerschutzvorschriften verzichtet, ist sie nur unter engen Voraussetzungen zulässig: x

Vorliegen eines Verlusts Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist grundsätzlich gemäß § 229 Abs. 1 AktG, § 58a Abs. 1 GmbHG nur zur Ausgleichung von Wertminderungen oder zur Deckung von Verlusten zulässig, wobei § 229 Abs. 1 AktG bei der AG als Zweck der vereinfachten Kapitalherabsetzung auch die Einstellung freigewordener Beträge in die Kapitalrücklage anerkennt. Förmliche Anforderungen an die Feststellung des Verlustes stellt das Gesetz zwar nicht auf, insbesondere muss auch keine eigene Verlust- oder Zwischenbilanz aufgestellt werden. Der Verlust muss – insbesondere aus Gründen des Minderheitenschutzes – jedoch substantiiert dargelegt werden. Hierfür wird ausreichen, dass ausgehend von der letzten förmlichen Bilanz die weitere Entwicklung plausibel dargelegt wird. Nach § 58a Abs. 1 GmbHG sind auch drohende Verluste zu beachten, wenn diese sich so konkretisiert haben, dass nach kaufmännischen Grundsätzen die Bildung von Rückstellungen geboten und somit bilanzrechtlich der Verlust eingetreten ist.

x

Auflösung von Rücklagen Nach § 229 Abs. 2 AktG, § 58a Abs. 2 GmbHG ist die vereinfachte Kapitalherabsetzung unzulässig, wenn die Verluste durch Auflösung von Rücklagen gedeckt werden können. Vor Durchführung der vereinfachten Kapitalherabsetzung sind daher sämtliche Kapital- und Gewinnrücklagen, die einen Betrag von 10 % des herabgesetzten Kapitals überschreiten, zunächst aufzulösen.

x

Verwendung eines Gewinnvortrags Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist ferner gemäß § 229 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 58a Abs. 2 Satz 2 GmbHG erst zulässig, nachdem ein etwaig vorhandener Gewinnvortrag aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses des zuständigen Organs mit den Verlusten verrechnet wurde. Die Beseitigung des Gewinnvortrags muss bilanziell jedoch noch nicht erfasst sein und kann buchungstechnisch auch erst nach dem Herabsetzungsbeschluss

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I. Ausgangssituation

vorgenommen werden, jedoch müssen die rechtlichen Grundlagen (Gesellschafterbeschluss) vor dem Herabsetzungsbeschluss geschaffen und die Gewinnverwendung rechnerisch bei der Ermittlung des Verlustes einbezogen werden. Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 58a Rn. 13 ff.; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 229 Rn. 9 ff.; Arnold/Spahlinger/ Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 1 Rn. 236 ff. Notwendig bleiben darüber hinaus ein notariell beurkundeter, satzungsändernder Beschluss der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung über die Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung, eine notariell beglaubigte Übernahmeerklärung des Erhöhungsbeitrags durch die eintretenden Gläubiger, die Leistung der Einlage (Einbringung der Forderungen) sowie die Anmeldung und Eintragung des Kapitalschnitts in das Handelsregister.

Folge der vereinfachten Kapitalherabsetzung ist eine verstärkte Vermögens- 161 bindung: Die Buchgewinne, die aus der Auflösung von Kapital- oder Gewinnrücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen werden, dürfen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, § 230 Satz 1 AktG, § 58b Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG. Zulässig ist die Einstellung in eine Kapitalrücklage, vgl. § 230 Satz 2 AktG, bei der GmbH jedoch nur, wenn diese 10 % des herabgesetzten Kapitals nicht übersteigt, § 58b Abs. 2 GmbHG. Ein Überschreiten der 10 %-Grenze macht den Kapitalherabsetzungsbeschluss anfechtbar. Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 58b Rn. 3; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 230 Rn. 5 f.

Die aus der Kapitalherabsetzung gewonnene Kapitalrücklage darf gemäß 162 § 230 Satz 2 AktG, § 58b Abs. 1 und 2 GmbHG nur zur Verlustdeckung oder einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden. Auch die Ausschüttung künftiger Gewinne ist nach einer vereinfachten Kapitalherabsetzung nur eingeschränkt möglich: Eine Gewinnausschüttung ist erst zulässig, wenn die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage (AG) bzw. die Gewinnund Kapitalrücklagen (GmbH) zusammen mindestens 10 % des herabgesetzten Kapitals erreicht haben, bei der GmbH gilt dies allerdings nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der vereinfachten Kapitalherabsetzung, § 233 Abs. 1 AktG, § 58d Abs. 1 GmbHG. Darüber hinaus ist gemäß § 233 Abs. 2 AktG, § 58d Abs. 2 GmbHG eine Gewinnausschüttung von mehr als 4 % des gezeichneten Kapitals innerhalb der ersten zwei Geschäftsjahre nach der vereinfachten Kapitalherabsetzung nur zulässig, soweit die Gläubigerschutzvorschriften der regulären Kapitalherabsetzung beachtet wurden. Vgl. Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 1 Rn. 238.

Die anschließende effektive Kapitalerhöhung nach Durchführung einer ver- 163 einfachten Kapitalherabsetzung ist dann entweder im Wege der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln möglich,

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist in den §§ 207 ff. AktG, §§ 57c ff. GmbHG geregelt. Dabei werden dem Unternehmen nicht neue Mittel zugeführt, sondern es wird noch vorhandenes Eigenkapital in Form von Rücklagen in Stammkapital umgewandelt. Um eine dem Debt-Equity-Swap vergleichbare bilanzielle Wirkung zu erzielen (Austausch Verbindlichkeiten gegen Eigenkapital), müssten die Gläubiger zuvor auf ihre Forderungen verzichten, wodurch für die Gesellschaft ein in die Rücklagen einstellungsfähiger Ertrag entsteht. Diese Rücklagen können dann in Eigenkapital umgewandelt werden. Dieser Ertrag kann jedoch nur insoweit der Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zugeführt werden, als das um einen etwaigen Verlustbetrag geminderte Jahresergebnis den Betrag der entsprechenden Forderungen deckt. Es muss also ein Gewinn bestanden haben, was bei einer Gesellschaft im insolvenznahen Bereich nur selten der Fall sein wird. Wird eine zu geringe oder gar keine umwandlungsfähige Rücklage ausgewiesen, entfällt die Möglichkeit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Zudem müssen die umzuwandelnden Forderungen bereits in der letzten der Kapitalerhöhung vorangehenden Jahresbilanz ausgewiesen sein, das heißt, der Forderungsverzicht müsste noch vor dem letzten Bilanzstichtag wirksam werden, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Die ganze Prozedur ist somit recht kompliziert und schwerfällig. Zudem erhalten die verzichtenden Gläubiger als Gegenleistung für die Aufgabe ihrer Forderung nicht automatisch Anteile an der Gesellschaft. In der Regel ist die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als Sanierungsmaßnahme daher uninteressant, vgl. Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 1 Rn. 219,

oder im Wege der Kapitalerhöhung gegen Bar- oder Sacheinlagen. Denkbar, wenngleich risikobehaftet ist auch, dass die Gesellschaft ihre Bareinlageforderung gegen die Gläubigerforderung aufrechnet.

Im Falle der Einbringung der Gläubigerforderungen als Sacheinlagen (DebtEquity-Swap) sind einige rechtliche Besonderheiten und Risiken zu beachten. 164 Bei der AG sind die §§ 183, 27 AktG, bei der GmbH die §§ 56, 9, 19 Abs. 2 und Abs. 4, 5 GmbHG zu beachten. Dabei gilt gemäß §§ 183 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. §§ 56 Abs. 1, 19 Abs. 2 Satz 2, 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG, dass eine Festsetzung der Sacheinlagen in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag oder im Falle einer nachträglichen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen im Kapitalerhöhungsbeschluss zu erfolgen hat, und zwar mit der genauen Bezeichnung der Forderungen als Einlagegegenstand und mit der Angabe des Wertes, mit dem diese Forderungen auf die Einlageforderungen der Gesellschaft angerechnet werden sollen. Bei der AG ist ferner die Gläubigerperson, von der die Forderung stammt, anzugeben, § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG. Ferner muss nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AktG diese Festsetzung im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals erfolgen. Verstöße gegen die Satzungspublizität gemäß § 183 Abs. 1 AktG stellen ein Eintragungshindernis dar und machen

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I. Ausgangssituation

den Kapitalerhöhungsbeschluss anfechtbar, werden aber mit Eintragung und Wirksamwerden der Kapitalerhöhung nach §§ 188, 189 AktG geheilt. Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 183 Rn. 13.

Das Gleiche gilt nach § 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für die GmbH; hier ist zu- 165 dem die Aufnahme der Festsetzung in die nach § 55 Abs. 1 GmbHG notariell aufgenommene oder beglaubigte Erklärung zur Übernahme der Stammeinlagen erforderlich. Die Gläubigerforderungen müssen also als Sacheinlagen ihrem Gegenstand und ihrer Höhe nach sowohl in den Gesellschaftsvertrag als auch in den Kapitalerhöhungsbeschluss aufgenommen und notariell beurkundet werden. Darüber hinaus sind in dem Kapitalerhöhungsbeschluss nach § 56 Abs. 1 GmbHG sowohl der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, als auch die Peron des Inferenten aufzunehmen. Damit entsprechen die Formerfordernisse einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen im Ergebnis beinahe den Formerfordernissen einer Sachgründung, die einzige Erleichterung besteht darin, dass ein Sacheinlagebericht grundsätzlich entbehrlich ist, da weder § 183 AktG auf § 32 Abs. 2 AktG noch § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG auf § 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG verweist. Da den Geschäftsführer bei der Anmeldung der Sachkapitalerhöhung aber die gleiche Darlegungslast (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) und den Registerrichter die gleiche Prüfungspflicht (§ 9c Abs. 1 GmbHG) wie bei der Sachgründung treffen, empfiehlt es sich zur Vermeidung von Verzögerungen einen entsprechenden Sacheinlagebericht bei der Anmeldung mit einzureichen. Vgl. K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.391; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 56 Rn. 7.

Auch bei der AG findet eine an die Gründungsprüfung angelehnte Prüfung 166 der Sacheinlage nach §§ 183, 33 – 35 AktG statt. Da diese strengen formellen Anforderungen von der Praxis als lästig empfunden werden, wird teilweise versucht, den wirtschaftlich einheitlichen Vorgang der Einbringung einer Sacheinlage nach außen in mehrere rechtlich getrennte Geschäfte aufzuspalten, z. B. in eine scheinbare Barkapitalerhöhung und ein Rechtsgeschäft, mit dem die Gesellschaft den Erwerb eines bestimmten Gegenstands beabsichtigt. Dadurch können Verkehrsgeschäfte und Bareinlagen dergestalt miteinander gekoppelt werden, dass der wirtschaftliche Erfolg einer Sacheinlage erzielt wird. Erhält der Gesamtvorgang in einem solchen Fall Sacheinlagecharakter, spricht man von einer sog. verdeckten Sacheinlage. Rechtsfolge einer verdeckten Sacheinlage ist gemäß §§ 183 Abs. 2, 27 Abs. 3 AktG bzw. §§ 56 Abs. 2, 19 Abs. 4 GmbHG, dass die volle Bareinlageverpflichtung des Inferenten bestehen bleibt, auf die Bareinlageverpflichtung aber der Wert der Sacheinlage, den der Gesellschafter nachzuweisen hat, angerechnet wird. Wird zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vereinbart, dass dem Gesellschafter seine Bareinlage unmittelbar wieder zurückerstattet wird, z. B. in Form eines Darlehens oder einer wirtschaftlich vergleichbaren Leistung der Gesellschaft, (sog. Hin- und Herzahlen), wird der Gesellschafter gemäß §§ 183 Abs. 2, 27

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Abs. 4 AktG bzw. §§ 56a, 19 Abs. 5 GmbHG von seiner Einlagepflicht nur dann frei, wenn der Rückgewähranspruch der Gesellschaft vollwertig und jederzeit durchsetzbar ist. 167 Die Kapitalerhöhung kann dadurch vollzogen werden, dass entweder der Nennbetrag der alten Anteile heraufgesetzt wird oder aber neue Anteile zum gleichen Nennwert ausgegeben werden. Es ist auch möglich, die alten Anteile einzuziehen und die Anteile, die dem Investor übertragen werden sollen, neu zu bilden. Denkbar ist auch die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital im Wege der Ausgabe einer Wandelanleihe. Dabei werden als Gegenleistung für die Sacheinlage der Forderungen nicht Anteile, sondern Genussrechte ausgegeben, die unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zum Bezug der Anteile gewähren. Vgl. etwa Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 1 Rn. 302 ff.

168 Von entscheidender Bedeutung ist in jedem Falle die Werthaltigkeit der einzubringenden Forderungen (vgl. §§ 27 Abs. 2, 183 Abs. 3 AktG bzw. §§ 56 Abs. 2, 9 Abs. 1 GmbHG), zumal es sich in Sanierungssituationen aus Bankensicht häufig um wertzuberichtigende oder bereits wertberichtigte Forderungen handeln dürfte. Erreicht der Wert der eingebrachten Forderungen nicht den Ausgabebetrag der ausgegebenen Aktien bzw. den Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils, haftet der Inferent (d. h. der Gläubiger und Neugesellschafter) für den Differenzbetrag. Bei der GmbH folgt dies aus §§ 56 Abs. 2, 9 Abs. 1 GmbHG, bei der AG aus §§ 188 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 36a Abs. 2 Satz 3 AktG und dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung bzw. einer Analogie zu §§ 56 Abs. 2, 9 Abs. 1 GmbHG. Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 183 Rn. 21. Wird ein DebtEquity-Swap im Rahmen eines Insolvenzplans durchgeführt, bewirkt die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans gemäß § 254 Abs. 4 InsO den Ausschluss der Differenzhaftung des Gläubigers und Neugesellschafters. Für den Einstieg externer Gläubiger/Investoren dürfte wegen der möglichen Vermeidung der Differenzhaftung daher der Weg über das Insolvenzplanverfahren interessanter sein, wohingegen der außergerichtliche Debt-Equity-Swap dann womöglich insbesondere noch für die Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital genutzt wird, vgl. K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.389 ff.

169 Daher sollte regelmäßig vorab eine Bewertung der einzubringenden Forderungen durch einen Wirtschaftsprüfer sowie eine Abklärung mit dem zuständigen Registergericht erfolgen. Der Wert des zu übernehmenden Aktienvolumens muss dem tatsächlichen Wert des eingebrachten Forderungsvolumens entsprechen. 170 Die Sachkapitalerhöhung dürfte zudem regelmäßig mit einem Bezugsrechtsausschluss der Altgesellschafter verbunden sein (für die AG vgl. § 186 Abs. 3 AktG i. V. m. § 183 AktG). 46

I. Ausgangssituation Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 34; § 183 Rn. 8 m. w. N.

Jedem Aktionär steht von Gesetzes wegen ein Bezugsrecht für die im Rahmen 171 einer Kapitalerhöhung neu ausgegebenen Aktien zu, § 186 Abs. 1 AktG. § 55 Abs. 2 GmbHG geht zwar davon aus, dass die Gesellschaft durch mit einfacher Mehrheit gefassten Gesellschafterbeschluss bestimmen kann, welche (ggf. gesellschaftsfremden) Personen zur Zeichnung einer Kapitalerhöhung zugelassen werden, sodass anscheinend für GmbH-Gesellschafter kein Bezugsrecht besteht. Es entspricht aber der herrschenden Meinung, dass Minderheitsgesellschafter aufgrund der personalistischen Struktur einer GmbH gegen eine Zuweisung an Dritte zu schützen sind und bei einer Zuweisung an Gesellschafter der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten ist; vgl. BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 151/03, GmbHR 2005, 925; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 19 ff. Im Ergebnis spricht daher vieles – zumindest innerhalb der vorgenannten Grenzen – für ein Bezugsrecht auch innerhalb der GmbH.

Ein Bezugsrechtsausschluss bedarf daher besonderer Rechtfertigung. Formelle 172 Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluss sind: x

Der Bezugsrechtsausschluss ist notwendiger Bestandteil des Kapitalerhöhungsbeschlusses (§ 186 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ein konkludenter Bezugsrechtsausschluss ist zulässig und ergibt sich in der Regel daraus, dass nur ein bestimmter Personenkreis im Rahmen der Kapitalerhöhung zeichnungsberechtigt sein soll; vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 20. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte jedoch immer ein ausdrücklicher Bezugsrechtsausschluss gefasst werden.

x

Wird das Bezugsrecht im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen, ist neben der gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglich geregelten (höheren) Mehrheit zusätzlich eine Mehrheit von mindestens ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals erforderlich (§ 186 Abs. 3 Satz 2 AktG).

x

Eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss darf nur beschlossen werden, wenn die Absicht des Bezugsrechtsausschlusses ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde (§ 186 Abs. 4 Satz 1 AktG). Voraussetzung ist mithin eine ordnungsgemäße Ladung zur Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung unter Einhaltung der Ladungsformen und -fristen sowie Angabe der Ausschließungsabsicht in der Tagesordnung, vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 22.

x

Die Geschäftsleitung hat den Gesellschaftern einen schriftlichen Bericht zugänglich zu machen, aus dem sich die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss im Interesse der Gesellschaft, die Person des Inferenten sowie der Ausgabebetrag ergeben.

47

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 23; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 23; einschränkend Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 61a, wonach dem Informationsbedürfnis der GmbH-Gesellschafter aufgrund des regelmäßig kleineren Gesellschafterkreises auch durch eine flexiblere Handhabung Rechnung getragen werden kann.

173 Der Bezugsrechtsausschluss bedarf ferner einer besonderen materiellen Rechtfertigung: x

Der Bezugsrechtsausschluss muss im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen. Bei der GmbH dürften insofern aufgrund der regelmäßig personalistischeren Gesellschafterstruktur strengere Maßstäbe anzulegen sein, als bei der AG. Ein Bezugsrechtsausschluss soll insofern voraussetzen, dass ein den überwiegenden Belangen der Gesellschaft dienender Zweck ohne den Ausschluss nicht oder nur mit erheblichen Nachteilen erreicht werden kann, vgl. Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 54 f. Demgegenüber soll bei der AG jedes den Gesellschaftszweck fördernde Interesse genügen, vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 26.

x

Der Bezugsrechtsausschluss muss zur Erreichung des angestrebten, im Interesse der Gesellschaft liegenden Zwecks geeignet und erforderlich sein. Erforderlich ist er, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht oder der Bezugsrechtsausschluss unter mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln das mildeste darstellt. Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 27; Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 54.

x

Der Bezugsrechtsausschluss muss verhältnismäßig sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Interesse der Gesellschaft höher zu bewerten ist als das Interesse der Gesellschafter am Erhalt ihrer Rechtsposition.

174 Wurden die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses nicht erfüllt, macht dies den Kapitalerhöhungsbeschluss nach § 243 Abs. 1 AktG (analog für die GmbH) regelmäßig (nur) anfechtbar. Vgl. BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 151/03, GmbHR 2005, 925; Nichtigkeit nach § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG (analog) kommt aber in Betracht, wenn der Bezugsrechtsausschluss entgegen § 186 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht im Kapitalerhöhungsbeschluss, sondern gesondert, etwa in einem nachfolgenden Zulassungsbeschluss, ausgeschlossen wurde, vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 42; Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 66 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 27 f.

175 Ein Bezugsrechtsausschluss kann insbesondere durch einen mit der Kapitalerhöhung verfolgten Sanierungszweck gerechtfertigt sein, namentlich wenn das zur Abwendung einer Insolvenz notwendige Kapital nur von einem externen Dritten zur Verfügung gestellt werden kann und dieser sein Engagement von einer Mehrheitsbeteiligung abhängig macht.

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I. Ausgangssituation Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 31; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 24. Zu beachten ist, dass der Bezugsrechtsauschluss grundsätzlich auch bei einer Sachkapitalerhöhung rechtfertigungsbedürftig ist. Das bedeutet, die Gesellschaft muss ein hinreichendes Interesse am Erwerb des Einlagegegenstands haben, vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, NJW 1978, 1316. Bei einer Umwandlung von Schulden in Kapital ist ein Bezugsrechtsausschluss dann nicht erforderlich, wenn die zur Tilgung der einzubringenden Darlehensforderungen notwendigen Mittel auch durch Barkapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss beschafft werden können. Ein einlagebereiter Gesellschafter muss dann eine Quotenminderung nicht hinnehmen, vgl. Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 58. Hieran fehlt es jedoch meist, wenn die Umwandlung zu Sanierungszwecken erfolgt und nur die Gläubiger einen Sanierungsbeitrag erbringen. Der Bezugsrechtsausschluss ist dann gerechtfertigt, vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG § 186 Rn. 35 m. w. N.; so für Barkapitalerhöhung bereits BGH, Urt. v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, NJW 1982, 2444.

(b) Kapitalerhöhung gegen Bareinlage Natürlich können Banken Anteile an der kreditnehmenden – oder einer mit 176 dieser verbundenen – Gesellschaft theoretisch auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlage zeichnen, vgl. § 182 AktG, § 55 GmbHG. Die obigen Ausführungen zur vorherigen (vereinfachten) Kapitalherabsetzung (u. U. bis auf null) sowie zum Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre, der einer – in dem Sanierungszweck liegenden – sachlichen Rechtfertigung bedarf, gelten hier grundsätzlich entsprechend. Auf einige Besonderheiten sei jedoch kurz hingewiesen: x

Barkapitalerhöhungen finden häufig unter Ausnutzung des sog. genehmigten Kapitals statt, das den Vorstand ermächtigt, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien bis zu einem bestimmten Nennbetrag (maximal 50 % des Grundkapitals) zu erhöhen. Um den Bezugsrechtsausschluss zu vereinfachen, können Bar- und Sachkapitalerhöhungen auch gemischt werden.

x

Zu beachten ist, dass der Emissionspreis der neu auszugebenden Aktien grundsätzlich nicht unter dem Nennwert der Altaktien liegen darf. Anderenfalls muss in einer außerordentlichen Hauptversammlung über eine Kapitalherabsetzung die Ausgabe günstigerer Papiere beschlossen werden.

x

Wichtig ist in Krisensituationen zudem, dass bei der sich anschließenden sog. Sanierungskapitalerhöhung die Finanzierer bzw. die neuen Gesellschafter vorab garantieren sollten, im Notfall sämtliche neuen Aktien abzunehmen.

x

Von nicht unerheblicher Bedeutung ist ferner die 30 %-Beteiligungsschwelle, ab der ein öffentliches Übernahmeangebot an alle übrigen Aktionäre vorgeschrieben ist (vgl. §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG). In Sanierungssituationen kann die Finanzaufsicht

49

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

BaFin die die Kapitalerhöhung zeichnenden (Neu-)Aktionäre allerdings per Ausnahmegenehmigung von dem Pflichtangebot befreien (vgl. § 37 Abs. 1 WpÜG). Voraussetzungen sind die Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit des Unternehmens, der konkrete Sanierungsbeitrag des Zeichners sowie eine Interessenabwägung (siehe hierzu ausführlich Rn. 487 ff.). x

Schließlich kann sich bei einer Barkapitalerhöhung mit anschließender Verrechnung offener Forderungen das Problem der verdeckten Sacheinlage stellen (vgl. § 19 Abs. 4 GmbHG), das zur Differenzhaftung nach § 9 GmbHG führt.

177 Vorteil einer Barkapitalerhöhung i. V. m. einer vereinfachten Kapitalherabsetzung ist, dass sowohl einer isolierten vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 234 AktG, § 58e GmbHG) als auch einer im Rahmen eines Kapitalschnitts unmittelbar folgenden Kapitalerhöhung (§ 235 AktG, § 58f GmbHG) Rückwirkung dergestalt beigemessen werden kann, dass das herabgesetzte (und wieder erhöhte) Kapital bereits in dem der Beschlussfassung unmittelbar vorausgehenden Jahresabschluss ausgewiesen werden kann; dies gilt wie gesagt aber nur, wenn keine Sacheinlagen geleistet werden. (2) Haftungs- und Anfechtungsrisiken 178 Die unmittelbare Übernahme einer Gesellschafterstellung ist in einer Krisensituation sehr haftungsträchtig. Der neue Gesellschafter kann aufgrund der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften für ausstehende Einlageleistungen haften, zudem können die gewährten oder neu zu gewährenden Kredite „eigenkapitalersetzend“ mit der Folge der Nachrangigkeit und besonderen Anfechtbarkeit im Insolvenzverfahren werden. Schließlich kann sich über die Rechtsfigur des sog. faktischen Geschäftsführers die Frage der Insolvenzverschleppung stellen. (a) Haftung für Kapitalaufbringung und -erhalt 179 Im Hinblick auf die Kapitalaufbringung und den Kapitalerhalt sind vor allem die Vorschriften der §§ 9, 19, 30 f. GmbHG zu beachten. Danach haftet ein Gesellschafter im Rahmen der Kapitalaufbringung namentlich dann persönlich auf (Rück-) Zahlung, wenn x

bei der Gründung der Gesellschaft das Kapital nicht voll eingezahlt wurde;

x

im Falle einer Sacheinlage der Einlagegegenstand nicht werthaltig (§ 9 Abs. 1 GmbHG) war;

x

es sich um ein unzulässiges Hin- und Herzahlen (§ 19 Abs. 5 GmbHG) handelt;

x

eine sog. verdeckte Sacheinlage (§ 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG) vorliegt und der Wert des Einlagegegenstands nicht den Wert der gezeichneten Aktien bzw. übernommenen Geschäftsanteile erreicht,

50

I. Ausgangssituation vgl. zu den letztgenannten Fallgruppen im Einzelnen etwa K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.50 ff.; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 19 Rn. 54 ff. und Rn. 101 ff.,

x

oder wenn das zur Abdeckung des Stammkapitals notwendige Reinvermögen später durch Abflüsse an Gesellschafter angegriffen wurde (sog. Unterbilanz).

Sowohl Verstöße gegen die Kapitalaufbringungsregeln (§ 24 GmbHG) als auch 180 verbotene Rückzahlungen i. S. d. § 30 GmbHG (§ 31 Abs. 3 GmbHG) können dabei eine subsidiäre Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter begründen. So kann etwa ein Minderheitsgesellschafter nach § 24 GmbHG für die aus- 181 stehende Einlage des Mehrheitsgesellschafters als subsidiär Haftender herangezogen werden. Vgl. Hahn/Damlachi, in: Hohberger/Damlachi, Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, Kap. 6.2.2.3, S. 495 f.

Einstandspflichtig sind diejenigen (Mit-)Gesellschafter, die im Zeitpunkt der 182 Fälligkeit der ausstehenden Einlageschuld des Ausgefallenen als Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen sind und damit gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter gelten. Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 24 Rn. 15; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 24 Rn. 9.

Es kommt also darauf an, dass die Fälligkeit der Einlageforderung zum Zeit- 183 punkt der Gesellschafterstellung eingetreten ist, nicht darauf, dass auch die Voraussetzungen der §§ 21 – 23 GmbHG erfüllt sind. Eine Übertragung des Geschäftsanteils nach Fälligkeit der Einlageschuld, aber vor Kaduzierung (§ 21 GmbHG) und Versteigerung (§ 23 GmbHG) des Geschäftsanteils oder Inanspruchnahme eines Rechtsvorgängers (§ 22 GmbHG) befreit den Veräußerer mithin nicht mehr von der Ausfallhaftung dem Grunde nach. Die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 21 – 23 GmbHG sind nur noch Bedingung für die Fälligkeit der Ausfallhaftung. Vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, BGHZ 132, 390; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 24 Rn. 9 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 24 Rn. 17.

Die für die Ausfallhaftung maßgebliche Fälligkeit der (Rest-)Einlageforde- 184 rung richtet sich primär nach den Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag bzw. einem Kapitalerhöhungsbeschluss, wenn dort ein Zahlungstermin eindeutig festgelegt wurde. Ohne eine solche Fälligkeitsbestimmung erfordert die Fälligkeit einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 2 GmbHG und die Einforderung der ausstehenden Einlage durch die Geschäftsführer. Entbehrlich ist der Gesellschafterbeschluss im Falle der Zwangsvollstreckung und Insolvenz, der Insolvenzverwalter kann ausstehende Einlagen mithin ohne Weiteres einfordern und auch die Ausfallhaftung der Mitgesell-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

schafter – nach Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 21 – 23 GmbHG – geltend machen. Vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2015 – II ZR 291/14, ZIP 2015, 1530; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 19 Rn. 8 ff.

185 Lediglich Gesellschafter, die vor – der im Zweifel durch Gesellschafterbeschluss und Einforderung herbeigeführten – Fälligkeit der ausstehenden Einlage ausgeschieden sind, haften nicht für die Fehlbeträge, sofern der Rechtsnachfolger (noch rechtzeitig) als neuer Gesellschafter in die Gesellschafterliste aufgenommen wurde. Vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2015 – II ZR 291/14, ZIP 2015, 1530; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 24 Rn. 15.

186 Wer – insbesondere in einer Krisensituation – im Wege einer Kapitalerhöhung als neuer Gesellschafter in die Gesellschaft eintritt, trägt mithin nicht unerhebliche Risiken, über die Ausfallhaftung des § 24 GmbHG für ausstehende Einlagen auf das (erhöhte) Stammkapital zu haften. Namentlich haften die neu eintretenden Gesellschafter nach heute h. M. ebenso subsidiär für ausstehende Einlagen auf die alten Geschäftsanteile, vgl. Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 24 Rn. 16; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 24 Rn. 30,

wie die Altgesellschafter subsidiär für Fehlbeträge bei den neuen Geschäftsanteilen haften, und zwar auch dann, wenn sie der Kapitalerhöhung oder einem Bezugsrechtsausschluss nicht zugestimmt haben. Vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 23.10.1985 – 7 O 45/85, ZIP 1986, 306; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 24 Rn. 16; K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.41.

187 Wegen der schwer übersehbaren Haftungsrisiken der – nicht zustimmenden oder nicht leistungsfähigen – Altgesellschafter wird diesen nach weit verbreiteter Auffassung allerdings ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund zugebilligt, um sich der Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG für das (erhöhte) Kapital zu entziehen, welches sie aber unverzüglich nach der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung ausüben müssen, wenn der Austritt befreiende Wirkung haben soll. Vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 23.10.1985 – 7 O 45/85, ZIP 1986, 306; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 24 Rn. 17; K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.41; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 24 Rn. 31.

188 Das Risiko einer Ausfallhaftung besteht insbesondere für den oder die neu eintretenden Gesellschafter, auch im Bereich der Kapitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG). § 31 Abs. 3 GmbHG statuiert eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter für entgegen § 30 GmbHG geleistete (verbotene) Rückzahlungen auf das Stammkapital. 52

I. Ausgangssituation Vgl. zu einzelnen Fallgruppen Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 21 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 30 Rn. 30 ff. Keine verbotene Rückzahlung des Stammkapitals liegt vor, wenn (1) ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG analog) mit dem Zahlungsempfänger besteht (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GmbHG), da dieser ein mit der Kapitalbindung vergleichbares Gläubigerschutzniveau gewährleiste, jedenfalls solange der Verlustausgleichsanspruch vollwertig erscheint, vgl. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 72 ff., oder (2) die verbotene Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Empfänger gedeckt ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GmbHG). Beide Ausnahmetatbestände bürden der Geschäftsführung aber die Pflicht auf, die Vollwertigkeit des Anspruchs gegen den Zahlungsempfänger laufend zu prüfen, nötigenfalls Sicherheiten zu verlangen oder bei Anzeichen für die Verschlechterung der Bonität des Zahlungsempfängers den Verlustausgleichs- oder Rückgewähranspruch unverzüglich durchzusetzen. Die schuldhafte Verletzung dieser Überwachungspflichten kann wiederum Organhaftungsansprüche gegen die Verwaltungsorgane (§ 43 GmbHG, §§ 93, 116 AktG) begründen, vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71. Nicht unter das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG fällt ferner die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG), die im Zuge des MoMiG komplett dem Regelungsregime des Insolvenzrechts (§§ 39, 135 InsO) unterstellt wurden.

Die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG birgt in mehrfacher Hinsicht 189 Risiken: Zum einen erlischt ein einmal entstandener Erstattungsanspruch nach § 31 190 Abs. 1 GmbHG nach heute h. M. nicht dadurch, dass das Stammkapital nach der verbotenen Auszahlung auf andere Weise wieder aufgefüllt wird. Vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, ZIP 2007, 1705; BGH, Urt. v. 29.5.2000 – II ZR 118/98, BGHZ 144, 336; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 25 ff.; K. Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.47; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 31 Rn. 17 ff.

Das bedeutet mit anderen Worten, dass alleine der Blick in die Bilanz zum 191 Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft für den Neugesellschafter noch keine Gewähr dafür bietet, dass es in der Vergangenheit nicht zu verbotenen Rückzahlungen an Altgesellschafter kam, für die die Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG für die Dauer von fünf Jahren (vgl. § 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG) subsidiär haften können. Nach h. M. kommt es für die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 31 192 Abs. 3 GmbHG zwar grundsätzlich darauf an, wer im Zeitpunkt der verbotenen Zahlung als (Mit-)Gesellschafter in die Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG eingetragen war. Dies schützt neu eintretende Gesellschafter im Zweifel aber nicht. Erwirbt ein Neugesellschafter den Geschäftsanteil nach

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

der Auszahlung, so trifft ihn die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG über § 16 Abs. 2 GmbHG ebenso, wie den Geschäftsanteilsveräußerer, da die in Person des Veräußerers bereits entstandene (Ausfall-)Haftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG auf den Erwerber übergeht. Vgl. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 56; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 31 Rn. 33; Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 24.

193 Umstritten ist die Rechtslage bei im Zuge einer Kapitalerhöhung beigetretenen Neugesellschaftern, die erst nach der verbotenen Auszahlung (Mit-)Gesellschafter werden und auch keinen mit der Ausfallhaftung „belasteten“ Geschäftsanteil erwerben, sondern im Zuge der Kapitalerhöhung neu gebildete Anteile zeichnen. Die überwiegende Meinung nimmt indes an, dass auch solchermaßen eingetretene Neugesellschafter subsidiär nach § 31 Abs. 3 GmbHG für vor ihrem Beitritt geleistete Auszahlungen an Altgesellschafter haften. Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 31 Rn. 35; Heidinger, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, § 31 Rn. 69; Kuntz, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 31, Rn. 30; Ekkenga, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 31 Rn. 57a.; a. A. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 57 ff.

194 Die Ausfallhaftung der – ggf. auch neu eingetretenen – Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG erfährt auf der anderen Seite aber mehr oder minder gewichtige Einschränkungen: 195 Zum einen haften die Mitgesellschafter (natürlich) nur dann subsidiär für verbotene Auszahlungen, wenn diese bei dem nach § 31 Abs. 1 GmbHG eigentlich erstattungspflichtigen Zahlungsempfänger nicht zu erlangen sind. Zum anderen setzt die Einstandspflicht der Mitgesellschafter voraus, dass der Betrag wie bei § 31 Abs. 2 GmbHG zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Letzteres wird in der Regel aber der Fall sein, da die (Ausfall-)Haftung nach § 31 GmbHG meistens erst in der Insolvenz geltend gemacht wird. Die doppelte Subsidiarität der Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG darf daher nicht über das Risiko für in der Krise neu eintretende Gesellschafter hinwegtäuschen, wenn es kurze Zeit später doch zur Insolvenz kommt und der eigentliche Empfänger der verbotswidrigen Zahlung zur Rückerstattung nicht mehr in der Lage ist. 196 Betragsmäßig ist die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG nach heute h. M. auf den Betrag des Stammkapitals zum Zeitpunkt der verbotenen Zahlung begrenzt. Vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 285/03, ZIP 2005, 1638; BGH, Urt. v. 22.9.2003 – II ZR 229/02, ZIP 2003, 2068. Ansätzen in der Literatur, die Ausfallhaftung eines Mitgesellschafters in Höhe der Stammkapitalziffer der GmbH um den Betrag von dessen eigener Stammeinlage zu vermindern oder gar auf die Stammeinlage des nach § 31 Abs. 1 GmbHG originär Erstat-

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I. Ausgangssituation tungspflichten zu beschränken, hat der BGH allerdings eine Absage erteilt, vgl. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 61 m. w. N.

Im Sonderfall der Haftung von im Rahmen einer Kapitalerhöhung eingetre- 197 tenen Neugesellschaftern für vor ihrem Eintritt geleistete Auszahlungen soll daher allein das Stammkapital zum Zeitpunkt der verbotenen Zahlung maßgeblich bleiben und die Haftungssumme nicht durch die Kapitalerhöhung „nach oben verschoben“ werden. Andernfalls erhielte die GmbH mehr zurück, als ihr entzogen wurde. Vgl. Kuntz, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 31, Rn. 30 f.; a. A. Ekkenga, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 31 Rn. 63, der in diesen Fällen eine Verschiebung der Haftungsgrenze nach oben anlässlich einer nachfolgenden Kapitalerhöhung annimmt.

(b) Insolvenzrisiken für Gesellschafterdarlehen Ein weiterer kritischer Aspekt einer als Gläubiger übernommenen Gesell- 198 schafterstellung ist, dass bestehende Darlehen dann als Gesellschafterdarlehen im insolvenzrechtlichen Sinne qualifiziert werden. Zwar ist das alte, zuvor in §§ 32a, 32b GmbHG a. F. kodifizierte Eigenkapitalersatzrecht mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026,

schon lange abgeschafft und das Recht der Gesellschafterdarlehen unter Aufgabe des Merkmals der „Krisenfinanzierung“ – rechtssystematisch konsequent – im Insolvenzrecht (§§ 39, 135 InsO) verankert worden. Risiken wie der insolvenzrechtliche Nachrang und eine verschärfte Anfechtbarkeit bleiben indes bestehen. (aa) Insolvenzrechtlicher Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO stehen Ansprüche eines Gesellschafters auf 199 Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, in einer Insolvenz im Rang hinter den normalen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und den nachrangigen Insolvenzforderungen in den Rängen des § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO. Auf solche Forderungen wird eine Insolvenzquote nur gezahlt, wenn zuvor sämtliche „normalen“ Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO und sämtliche vorgehenden Nachrangforderungen in den Rängen des § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vollständig erfüllt wurden. Bei einer durchschnittlichen Insolvenzquote auf die regulären Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) von 5 % bis maximal 10 % ist eine – auch nur quotale – Rückführung von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfalle daher nahezu ausgeschlossen. Wenngleich eine Vollbefriedigung der nicht nachrangigen Gläubiger nur in 200 ganz seltenen Ausnahmefällen vorkommt, liegt die praktische Bedeutung 55

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

dieser Vorschrift vor allem in einer Entlastungs- und Beschleunigungsfunktion: Da die nachrangigen Gläubiger in der Regel ohnehin keine Aussicht auf Befriedigung haben, soll das Verfahren durch sie auch nicht belastet und verzögert werden. So dürfen sie ihre Forderungen nur nach Aufforderung durch das Gericht anmelden (§ 174 Abs. 3 InsO) und auch von der Gläubigerselbstverwaltung sind sie weitgehend ausgeschlossen (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 77 Abs. 1 Satz 2 und § 78 Abs. 2 Satz 2 InsO), was zur Verfahrensbeschleunigung beiträgt. Ferner findet die Norm auch in Normalverfahren häufig dergestalt Anwendung, dass angemeldeten Insolvenzforderungen wegen Nachrangigkeit bei Nichtzulassung (§ 174 Abs. 3 InsO) zu widersprechen ist, was die Insolvenztabelle entlastet. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 3.

201 Dramatische Folgen kann dies für die Bank insbesondere deshalb haben, weil die insolvenzrechtliche Qualifizierung als Gesellschafterdarlehen nicht nur die ab Erwerb der Gesellschafterstellung ausgereichten Kredite erfasst, sondern sämtliche Kredite eines Gesellschafters, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung offen sind. Für die Qualifizierung als (nachrangiges) Gesellschafterdarlehen ist es daher irrelevant, ob die Finanzierung vor oder nach Erwerb der Gesellschafterstellung erfolgte. Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 (zu § 135 Abs. 2 InsO); Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 36; K. Schmidt/Herchen, in: K. Schmidt, InsO, § 39 Rn. 38.

202 Auch wenn es für die Umqualifizierung in nachrangiges Fremdkapital grundsätzlich auf die Insolvenzeröffnung ankommt, da Gesellschafterdarlehen im Vorfeld der Insolvenz ohne besondere Abreden grundsätzlich natürlich nicht nachrangig sind, haben Rechtsprechung und Literatur Konzepte entwickelt, um Missbräuchen zu begegnen. Ein Darlehensgeber kann sich der Qualifikation seiner Finanzierungsleistung als Nachrangforderung im Insolvenzverfahren nicht noch kurz vor Insolvenzeröffnung dadurch entziehen, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet oder die Darlehensforderung abtritt. Eine Forderung bleibt auch in diesen Fällen „verstrickt“, wenn die Gesellschafterstellung innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor Insolvenzeröffnung aufgegeben oder die Forderung an einen Nichtgesellschafter abgetreten und anschließend gegenüber dem Zessionar getilgt wird. Der BGH hat in letzterem Fall die Anfechtung der Darlehenstilgung aus Gründen des Umgehungsschutzes nicht nur gegenüber dem zedierenden Gesellschafter zugelassen, obwohl dieser nichts aus dem Gesellschaftsvermögen erlangt hat, sondern wegen § 404 BGB auch gegenüber dem Zessionar, und zwar unabhängig von dessen Kenntnis des Sachverhalts. Gesellschafter und Zessionar sind insofern Gesamtschuldner der anfechtbaren Leistung.

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I. Ausgangssituation Vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 (zum Ausscheiden binnen Jahresfrist); BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (zur Abtretung der Darlehensforderung binnen Jahresfrist); Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 35.

Zur Vermeidung des insolvenzrechtlichen Nachrangs ihrer Darlehensforde- 203 rungen im Falle der Übernahme einer Gesellschafterstellung stehen der Bank zwei Wege offen: Die Bank kann sich zur Übernahme von Unternehmensbeteiligungen und 204 deren Finanzierung an einer anerkannten Unternehmensbeteiligungsgesellschaft i. S. d. Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) beteiligen. Dieses wurde vom Gesetzgeber durch Gesetz vom 17.12.1986, BGBL I 1986, 2488,

mit dem Ziel erlassen, nicht börsennotierten mittelständischen oder jungen Unternehmen mittelbar den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern, damit diese sich auf dem Kapitalmarkt das notwendige Eigenkapital beschaffen können, um Neugründungen, Kapazitätserweiterungen und Investitionen zu finanzieren. Vgl. BT-Drucks. 10/4551, S. 12 f.

Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind daher spezielle Gesellschaften, 205 deren festgelegter Unternehmensgegenstand ausschließlich der Erwerb, das Halten, die Verwaltung und die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen ist (§ 2 Abs. 2 UBGG) und die zur Refinanzierung am Kapitalmarkt Kredite aufnehmen, Genussrechte oder Schuldverschreibungen begeben dürfen (§ 3 Abs. 3 UBGG) oder, wenn die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft in der Rechtsform einer AG geführt wird, Aktien veräußern kann. Zur Finanzierung ihrer Beteiligungen darf die Unternehmensbeteiligungsge- 206 sellschaft den Unternehmen, an denen sie Anteile hält, Darlehen gewähren (§ 3 Abs. 2 UBGG). Weil der Zweck der Stärkung des Mittelstands in Form der Finanzierung durch Unternehmensbeteiligungsgesellschaften gesetzlich gewünscht ist, unterliegen die von der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft oder einem ihrer Gesellschafter, etwa der Bank, an das Beteiligungsunternehmen ausgereichten Darlehen nach § 24 UBGG nicht dem insolvenzrechtlichen Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder der speziellen Anfechtung nach § 135 InsO. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 34 und Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 18; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 61.

Die zweite Möglichkeit, den insolvenzrechtlichen Nachrang der Darlehens- 207 forderungen zu verhindern, besteht darin, bei dem Wechsel eines Gläubigers in die Gesellschafterstellung die Voraussetzungen des Sanierungsprivilegs

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO) zu erfüllen. Nach dieser Vorschrift gilt der insolvenzrechtliche Nachrang für Darlehensforderungen eines Gesellschafters nicht, wenn ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung erwirbt. 208 Die Regelung ist dem § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a. F. entnommen und setzt die Grundentscheidung fort, nicht den Sanierungskredit als solchen, sondern die Sanierungsbeteiligung zu privilegieren. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 53; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 68.

209 Die Privilegierung nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO setzt also einen Anteilserwerb voraus. 210 Der Anteilserwerb kann dabei auf einer Kapitalerhöhung oder der Übernahme bestehender Anteile beruhen. Auf die Höhe der übernommenen Beteiligung kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Gesellschaft durch den Erwerb neue liquide Mittel zufließen oder ob die Finanzierungsleistung vor oder nach dem Anteilserwerb erfolgte. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 53, 56; K. Schmidt/Herchen, in: K. Schmidt, InsO, § 39 Rn. 44; das Sanierungsprivileg greift auch bei einem Debt-EquitySwap, etwa im Rahmen eines Insolvenzplans, vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 68; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 118.

211 In der Literatur wird die Regelung daher vielfach kritisch gesehen, da zum einen sachwidrig die alten Kredite des in der Krise eintretenden Neugesellschafters privilegiert werden, ohne dass dieser der Gesellschaft zur Erlangung des Privilegs neue Mittel zur Verfügung stellen müsste, und zum anderen nicht ersichtlich sei, warum der Sanierungsversuch eines Neugesellschafters per se aussichtsreicher sein soll, als der eines Altgesellschafters, weswegen es vorzugswürdig wäre, anstelle von Sanierungsbeteiligungen objektiv taugliche Sanierungshilfen eines Gesellschafters zu privilegieren. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 53; Bork, ZGR 2007, 250, 259; Gehrlein, BB 2008, 846, 851; Haas, ZInsO 2007, 617, 624 f.

212 In zeitlicher Hinsicht erfordert das Sanierungsprivileg einen Anteilserwerb bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Der Gesetzgeber hat sich mit der Neuregelung des Sanierungsprivilegs in der InsO von dem alten Tatbestandsmerkmal der „Krise“ verabschiedet und die Privilegierung an das Vorliegen der Insolvenzantragsgründe nach der InsO geknüpft. Gegenüber der früheren Rechtslage hat sich damit der zeitliche Korridor für Sanierungsbemühungen insoweit verkürzt, als sich eine drohende Zahlungsunfähigkeit vielfach erst nach Eintritt der Krise abzeichnet,

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I. Ausgangssituation Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 66.; Gehrlein, BB 2008, 846, 851.

Nach der Ansicht von Bitter seien die Insolvenzeröffnungsgründe im Rahmen 213 des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO allerdings anders auszulegen als bei § 15a InsO. Im Rahmen des Sanierungsprivilegs ergebe sich ein logischer Zirkel, weil die tatsächlich vorausgesetzten Eröffnungsgründe der §§ 18, 19 InsO auf einer Prognose aufbauen, die von dem geplanten Beitritt zum Zwecke der Sanierung beeinflusst werde: Das den Beitritt fördernde Privileg gibt es nur bei einer negativen Prognose, aber die Beitrittswilligkeit führt zur positiven Prognose. Bitter schlägt daher vor, das logische Dilemma insoweit zu lösen, indem man „nur“ im Rahmen des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO bei der Feststellung der Überschuldung und/oder der drohenden Zahlungsunfähigkeit denjenigen potentiellen Beitritt, den es gerade noch zu beurteilen gilt, noch nicht zugunsten einer positiven Fortführungsprognose und damit negativ zulasten des/der potentiellen Beitrittskandidaten berücksichtigt. Zum Zwecke der Feststellung der Insolvenzantragspflicht aus § 15a InsO sei der ernsthaft verhandelte Beitritt im Rahmen des Wahrscheinlichkeitsurteils zugunsten der Geschäftsführer aber zu berücksichtigen und damit die drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausgeschlossen. Abzustellen ist damit richtigerweise auf eine hypothetische Insolvenzreife, welche eintreten würde, wenn man den Anteilserwerb und das zugrunde liegende Sanierungskonzept hinwegdenkt. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 114 f.; Bitter, ZIP 2013, 398, 399.

In persönlicher Hinsicht privilegiert ist vor allem der Gläubiger, der Neuge- 214 sellschafter wird. Für Altgesellschafter soll das Privileg nur gelten, wenn sie zunächst dem Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO unterlagen. Begründung zum RegE MoMiG, BT-Drucksache 16/6140, S. 57; K. Schmidt/Herchen, in: K. Schmidt, InsO, § 39 Rn. 53; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 49.

Der Anteilserwerb muss schließlich zum Zweck der Sanierung erfolgen.

215

Der BGH hat im Jahre 2005 zum Sanierungszweck unter dem § 32a Abs. 2 216 Satz 3 GmbHG a. F. ausführlich Stellung genommen und in seiner Leitsatzentscheidung wie folgt entschieden: „Nach dem Wortlaut des § 32a III 3 GmbHG muss der Gesellschafter die Geschäftsanteile „zum Zweck der Überwindung der Krise” erwerben. Der Sanierungszweck ist dabei – soll das Privileg überhaupt einen vernünftigen Sinn haben – vorrangig objektiv zu bestimmen. Danach müssen – neben dem im Regelfall als selbstverständlich zu vermutenden Sanierungswillen – nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten im Augenblick des Anteilserwerbs die Gesellschaft (objektiv) sanierungsfähig und die für ihre Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sein, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.“ BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, NZG 2006, 190.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

217 Diese zu § 32a GmbHG a. F. entwickelten Kriterien und die Grundsätze aus dem BGH-Urteil vom 21.11.2005 gelten auch unter dem § 39 InsO fort. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 55; Seibert, ZIP 2006, 1157, 1161.

218 Regelmäßig ist für die Ex-ante-Prognose daher ein dokumentiertes Sanierungskonzept notwendig, das auch eine zeitliche Komponente zu enthalten hat. Auf den – nur ex post festzustellenden – Sanierungserfolg kommt es hingegen nicht an. BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, NZG 2006, 190; OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, ZInsO 2010, 238; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 55.

219 Das Sanierungsprivileg gilt allerdings zeitlich nicht unbeschränkt, sondern lediglich für die Sanierungsphase. Mit dem Eintritt der nachhaltigen Sanierung wird der Gesellschafter wieder wie jeder andere Gesellschafter behandelt. Die Frage, wann eine nachhaltige Sanierung eingetreten ist und damit das Sanierungsprivileg entfällt, ist soweit ersichtlich in der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden und wird auch im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. 220 Einigkeit dürfte insoweit bestehen, als die Nachhaltigkeit jedenfalls eine temporäre Komponente beinhaltet. Fraglich ist allerdings, inwieweit darüber hinaus eine qualitative Komponente erfüllt sein muss. Zur Auslegung des Merkmals der nachhaltigen Sanierung gibt es im Schrifttum unterschiedliche Ansätze: 221 Das bloße Entfallen der Insolvenzantraggründe soll nach allgemeiner Ansicht nicht ausreichen. Es komme vielmehr auf eine dauerhafte Beseitigung der Insolvenzeröffnungsgründe an. Eine nachhaltige Sanierung sei danach gegeben, wenn in Anlehnung an § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO über einen Zeitraum von einem Jahr kein Insolvenzgrund mehr gegeben sei. Vgl. Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 56; Gehrlein, WM 2011, 577, 585.

222 Ansonsten werden verschiedenste Ansätze vertreten, die teilweise auf die Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft (positive Fortführungsprognose), teils auf eine Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten, teils auf eine Überwindung der betriebswirtschaftlichen Krise abstellen. Vgl. ausführlich zum Meinungsstand Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 406 ff.

223 Ab der nachhaltigen Sanierung unterfallen die Gesellschafterdarlehen wieder dem Nachrang und der Anfechtung nach § 135 InsO. Kommt es nach Überwindung der Krise später infolge einer neuen Krise doch zu einer Insolvenz, kann sich der Gesellschafter nicht mehr auf das Sanierungsprivileg aufgrund der früheren Krise berufen.

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I. Ausgangssituation

(bb) Anfechtbarkeit bei Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) Neben dem Nachrang im eröffneten Insolvenzverfahren unterliegen Gesell- 224 schafterdarlehen auch für die Zeit vor Insolvenzeröffnung der besonderen Anfechtung nach § 135 InsO. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind Tilgungsleistungen auf Gesellschafterdarlehen innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag anfechtbar und zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Darüber hinaus ist die Bestellung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, wenn diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag bestellt wurden. Verständlicherweise ist das Eingreifen dieser besonderen Anfechtungstatbe- 225 stände für eine Bank in der Gesellschafterstellung besonders schmerzhaft, da sich hierdurch gerade im „Kerngeschäft“ das Anfechtungsrisiko enorm erhöht. Anfechtbar sind nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO jedenfalls die Tilgungsleistun- 226 gen, die eine Bank als Gesellschafterin innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag erhält. Daneben war lange Zeit strittig, ob darüber hinaus auch die Zinsen und sonstige Nebenforderungen aus dem (Gesellschafter-)Darlehen am insolvenzrechtlichen Nachrang teilnehmen und deswegen auch Zinszahlungen innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterliegen. So etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.5.2014 – I-12 U 87/13, ZIP 2015, 187; OLG München, Urt. v. 19.3.2013 – 5 U 4332/12, ZInsO 2014, 897; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 19; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 21; Kleindiek, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 135 Rn. 27; a. A. etwa Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 164 f.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 135 Rn. 7; Brinkmann, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.122.

Der BGH hat die Streitfrage nunmehr dahingehend entschieden, dass Zins- 227 zahlungen auf Gesellschafterdarlehen grundsätzlich nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sind, da diese in erster Linie keine darlehensgleiche Leistung, sondern das Entgelt für die Überlassung des Kapitals darstellen. Eine Anfechtbarkeit komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Zinsen zuvor stehen gelassen oder gestundet wurden und sie daher den Charakter einer darlehensgleichen Forderungen i. S. d. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erhalten haben. BGH, Urt. v. 27.6.2019 – IX ZR 167/18, WM 2019, 1561.

Neben den Rückführungen der Darlehensvaluta unterliegen auch die bank- 228 mäßigen Sicherheiten für die gewährten Darlehen nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO einem erhöhten Anfechtungsrisiko. Anfechtbar ist nach dieser Vorschrift im Grundsatz jede Gewährung einer Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs eines Gesellschafters innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag.

61

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

229 Nicht notwendig für den Anfechtungstatbestand ist es, dass der Darlehensgeber im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung bereits Gesellschafter ist, sondern es genügt, dass der besicherte Kredit im Zeitpunkt der Anfechtung die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt. Mit anderen Worten: Ist eine Darlehensforderung bei Insolvenzeröffnung als Nachrangforderung i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu qualifizieren, weil der Darlehensgeber (zwischenzeitlich) in die Gesellschafterstellung eingerückt ist, ist eine innerhalb von zehn Jahren aus dem Gesellschaftsvermögen für diesen Kredit gewährte Sicherheit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 135 Rn. 13. Nicht der Anfechtung unterliegt die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens durch einen Dritten, da die Drittsicherheit dem Vermögen der insolventen Gesellschaft nicht entzogen wurde und daher die Sicherheitenbestellung die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt (§ 129 InsO). Wohl aber unterliegt es der Anfechtung, dann nach § 135 Abs. 2 InsO, wenn der Gesellschafter, statt der Gesellschaft flüssige Mittel zur Verfügung zu stellen, das Darlehen eines Dritten, etwa einer Bank, besichert und die Gesellschaft dieses innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag zurückführt. In diesem Falle hat der Gesellschafter die an den dritten geleistete Darlehensrückführung nach § 143 Abs. 3 InsO in die Insolvenzmasse zu erstatten oder die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung zu stellen.

230 Darüber hinaus sind viele Fragen zur Anfechtbarkeit und Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, die für Gesellschafterdarlehen bestellt wurden, streitig. 231 Unstreitig ist, dass die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO grundsätzlich eingreift, wenn sich ein Gesellschafter innerhalb der Zehnjahresfrist eine Sicherheit für sein zunächst unbesichertes Darlehen bestellen lässt (nachträgliche Besicherung). Uneinigkeit besteht dagegen für den Fall, dass ein Gesellschafter sich in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung von Anfang an eine Sicherheit gewähren lässt (ursprüngliche Besicherung). Während eine Ansicht in diesen Fällen wie bei Darlehen von Nichtgesellschaftern § 142 InsO anwenden und die Anfechtbarkeit der Sicherheitenbestellung am Bargeschäftsprivileg scheitern lassen will, so etwa Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 182 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 135 Rn. 13; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 35,

lehnt die Gegenansicht die Möglichkeit eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) bei ursprünglicher Besicherung eines Gesellschafterdarlehens ab. So etwa K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 16; Haas, ZIP 2017, 545, 549; Gehrlein, NZI 2015, 577, 508 f.

232 Der BGH hat die Streitfrage nunmehr dahingehend entschieden, dass § 142 InsO auch bei der anfänglichen Besicherung eines Gesellschafterdarlehens nicht anwendbar ist, da Sinn und Zweck des Gesellschafterdarlehensrechts

62

I. Ausgangssituation

(siehe hierzu noch Rn. 929 ff.) dem widersprächen. Nachrang (§ 39 InsO) und Anfechtbarkeit (§ 135 InsO) bei Gesellschafterdarlehen hätten den Zweck, Vorsorge dagegen zu treffen, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abwälze. Ein gesicherter Gesellschafter, der um die Erfüllung seines Rückzahlungsanspruchs nicht fürchten müsse, werde in Wahrnehmung der Geschäftsführung zur Eingehung unangemessener, wenn nicht gar unverantwortlicher, allein die ungesicherten Gläubiger treffender geschäftlicher Wagnisse neigen. Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, die durch das Gesellschaftsvermögen gesichert werden, sei daher mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung nicht vereinbar. Vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 149/16, BGHZ 221, 100; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 182 ff.

Problematisch ist ferner das Verhältnis der Anfechtungstatbestände des § 135 233 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zueinander: Verwertet ein Gesellschafter die ihm für sein Darlehen bestellte Sicherheit 234 innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag, richtet sich die Anfechtung wegen der darin liegenden Befriedigung der gesicherten Forderung zunächst nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Vgl. Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 35; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 20.

Nach einem Urteil des BGH vom 18.7.2013,

235

BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64,

entfaltet § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO aber keine Sperrwirkung, sodass die Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens aus einer Sicherheit über die Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hinaus nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist, wenn die Bestellung der Sicherheit innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag erfolgte und daher ihrerseits nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist. Mit anderen Worten: Die Tilgung eines Gesellschafterdarlehens mit Mitteln, die aus der Verwertung einer für dieses Darlehen gewährten Sicherheit erlangt wurden, ist über die Jahresfrist hinaus anfechtbar, wenn die Sicherheit selbst innerhalb der Zehnjahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestellt wurde. Vgl. Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 35; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 20; kritisch Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64, Rn. 170 ff., der darauf verweist, dass als Folge der Entscheidung des BGH der ‚gesicherte Gläubiger schlechter stünde, als der ungesicherte; Kleindiek, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 135 Rn. 10 ff.

Die Befriedigung aus der Sicherheit, z. B. einer sicherungshalber abgetrete- 236 nen Forderung, ist vielmehr nur dann anfechtungsfest, wenn die Sicherheitenbestellung ihrerseits nicht anfechtbar ist, etwa weil sie außerhalb der Zehn63

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestellt wurde oder – sofern man sich entgegen dem BGH dieser Meinung anschließt – die Sicherheit bei ursprünglicher Besicherung dem Bargeschäftsprivileg nach § 142 InsO unterliegt. Auch scheidet eine Anfechtbarkeit aus, wenn der besicherte Gesellschafter aus dem Vermögen der Gesellschaft befriedigt wird, von der Sicherheit also keinen Gebrauch macht. Vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 135 Rn. 35.

237 Wurde die Sicherheit anfechtungsfest bestellt, ist umgekehrt aber auch die Befriedigung des Gesellschafterdarlehens innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unanfechtbar, weil es dann an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. 238 Diskutiert wird ferner die Frage, inwieweit die für ein Gesellschafterdarlehen bestellte Sicherheit im Insolvenzverfahren durchsetzbar ist, soweit sie bei Verfahrenseröffnung noch besteht. Vgl. Darstellung des Meinungsstands bei Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64, Rn. 177 ff.

239 Teilweise wird vertreten, die abgesonderte Befriedigung aus der Sicherheit stehe im Widerspruch zu dem gesetzlich angeordneten Nachrang der Forderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Da die Forderung dauerhaft undurchsetzbar wird, entfalle der Sicherungszweck, weswegen der Gesellschafter die Sicherheit auf Verlangen freizugeben habe. So der II. Zivilsenat in BGH, Urt. 26.1.2009 – II ZR 213/07, BGHZ 179, 278.

240 Der IX. Zivilsenat hat dagegen das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus einer bestellten Sicherheit auch für nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO anerkannt, weswegen insofern hinsichtlich der Sicherheit für eine Nachrangforderung im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nichts anderes gelten kann. Vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539.

241 Zutreffend dürfte sein, dass die Sicherheit jedenfalls dann durchsetzbar ist, wenn sie unanfechtbar ist. Die lange Anfechtungsfrist gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO von zehn Jahren sollte genug Schutz für die Insolvenzmasse und die übrigen Insolvenzgläubiger bieten. (c) Exkurs: faktische Geschäftsführung 242 Schließlich besteht für Finanzierer das (eher theoretische) Risiko, als faktischer Geschäftsführer angesehen zu werden. 243 Ein sog. faktischer Geschäftsführer ist jemand, der, ohne satzungs- oder sonst ordnungsgemäß zum gesetzlichen Vertretungsorgan einer Gesellschaft be64

I. Ausgangssituation

stellt zu sein, die Geschicke der Gesellschaft tatsächlich so lenkt, als wäre er dies. In der Literatur wird regelmäßig unterschieden zwischen Personen, die zwar förmlich, aber – etwa wegen des Vorliegens eines Bestellungshindernisses (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG) – unwirksam bestellt wurden, und solchen Personen, die ohne jeglichen Bestellungs- oder Kundgabeakt auftreten. Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rn. 11; Bork, WM 2014, 1841, 1842 m. w. N.

Die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers ist in Rechtsprechung und 244 Literatur zwar weitestgehend anerkannt, die Kriterien zur Qualifikation einer Person sind aber uneinheitlich und werden – insbesondere von den Gerichten – oft einzelfallbezogen und situativ ausgefüllt. Nach der Rechtsprechung der Strafsenate des BGH ist jemand faktischer 245 Geschäftsführer, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat. Die Unternehmensführung darf nach dieser Rechtsprechung nicht einseitig angemaßt, sondern muss mit dem Einverständnis der Gesellschafter, das als eine konkludente Bestellung zu werten ist, erfolgt sein. Vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, ZIP 2013, 313; BGH, Urt. v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZIP 2000, 1390.

Der 5. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hatte darüber hinaus 246 in einer Entscheidung aus dem Jahre 1997 einen Katalog von acht typischen Geschäftsführungsaufgaben herausgearbeitet, von denen eine Person mindestens sechs an sich gezogen haben musste, um als faktischer Geschäftsführer qualifiziert zu werden: x

Bestimmung der Unternehmenspolitik,

x

Bestimmung der Unternehmensorganisation,

x

Einstellung von Mitarbeitern,

x

Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern,

x

Verhandlung mit Kreditgebern,

x

Festlegung der Gehaltshöhe,

x

Entscheidung der Steuerangelegenheiten und

x

Steuerung der Buchhaltung. Vgl. BayObLG, Urt. v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, NJW 1997, 1936.

Seit einer Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1988 hat sich in 247 der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine Linie herausgebildet, nach der der 65

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Betreffende die Geschickte der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen und im maßgeblichen Umfang Geschäftsführungsfunktionen, wie sie nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag für den Geschäftsführer kennzeichnend sind, wahrgenommen haben muss. Eine völlige Verdrängung der tatsächlichen Geschäftsführung sei indes nicht erforderlich, da eine Gesellschaft typischerweise auch mehrere Geschäftsführer haben könne. Erforderlich sei aber als weiteres Kriterium, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln – maßgeblich in die Hand genommen habe. Entscheidend sei stets eine materielle Betrachtung, die aufgrund einer Gesamtschau darauf abstellt, ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft so maßgeblich lenke, dass ihm auch die Erfüllung der Pflichten einer konkreten Gebots- oder Haftungsnorm aufzuerlegen sei. Vgl. BGH; Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44; hieran anschließend BGH, Urt. v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414; BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61. Das Erfordernis der Außenwirkung wird zwar im breiten Schrifttum kritisiert, weil sich eine das ganze Unternehmen beherrschende Person dadurch ihrer Haftung entziehen könne, dass sie im Außenverhältnis einen „Strohmann“ vorschiebt, vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rn. 11; Bork, WM 2014, 1841, 1845, dies wird allerdings, insbesondere um einer ausufernden Gesellschafterhaftung vorzubeugen, von der Rechtsprechung hingenommen, dem zustimmend Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rn. 6.

248 Einen faktischen Geschäftsführer treffen weitgehend dieselben zivilrechtlichen und strafrechtlichen Pflichten, wie einen ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer. In Betracht kommt die Haftung des faktischen Geschäftsführers etwa bei Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflichten (§ 43 GmbHG) oder wegen verbotener Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 GmbHG), vgl. BGH; Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550; BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61; OLG München, Urt. v. 23.1.2019 – 7 U 2822/17, GmbHR 2019, 600,

ebenso aber auch eine Strafbarkeit und Haftung bei der Verletzung von Schutzgesetzen (§§ 263, 266, 266a StGB), vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414,

eine Strafbarkeit und Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO), vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14, ZIP 2015, 218,

oder eine Strafbarkeit und steuerliche Haftung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. rückständiger Steuern der Gesellschaft.

66

I. Ausgangssituation Vgl. BGH, Urt. v. 9.4.2013 – 1 StR 586/12, NJW 2013, 2449; BFH, Urt. v. 24.4.1991 – I R 56/89; FG Hamburg, Urt. v. 29.3.2017 – 3 K 183/15, EFG 2017, 1225.

Diskutiert wird die Frage, ob Banken faktische Geschäftsführer ihres in der 249 Krise befindlichen Kreditnehmers sein können, gelegentlich im Zusammenhang mit der Vorgabe eines konkreten Sanierungsberaters durch die Bank oder in Zusammenhang mit der Auferlegung eines engmaschigen Netzes von Berichtspflichten, Zustimmungsvorbehalten und Kündigungsgründen bei bestimmten Vertragsverstößen (Covenants) in Stillhalte- oder Sanierungsvereinbarungen, die dem Kreditnehmer faktisch keine unternehmerische Entscheidungsfreiheit mehr lassen. Vgl. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355; kritisch zu Eingriffen der Finanzierer in Sanierungssituationen, die den Handlungsspielraum des Unternehmens zugunsten der Risikominimierung der Finanzierer einengen, Witte, KSI 2016, 197.

Eingangs ist, was Bork daher auch zutreffend an den Anfang seiner Überle- 250 gungen stellt, zu fragen, ob Banken, die regelmäßig keine natürlichen, sondern meist juristische Personen sind, überhaupt faktische Geschäftsführer sein können. Bork, WM 2014, 1841, 1843 f., der die Möglichkeit, dass eine juristische Person faktischer Geschäftsführer sein kann, im Ergebnis bejaht.

Der BGH lehnt die Möglichkeit, dass juristische Personen oder Personen- 251 vereinigungen faktische Geschäftsführer sein können, ab. Dies ergäbe sich schon aus § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, wonach nur natürliche Personen Geschäftsführer sein können. Was nach dem Gesetz für das rechtlich dem geschäftsführenden Organ angehörige Mitglied gelte, sei insofern auch für die Beurteilung maßgebend, ob jemand faktisch als Mitglied des geschäftsführenden Organs in Betracht kommt. Vgl. BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61.

Nach dieser Judikatur kann also nur der einzelne Bankmitarbeiter, etwa als 252 Mitglied im Aufsichtsrat, Beirat oder „Lenkungsausschuss“ des Kreditnehmers oder in das Unternehmen des Kreditnehmers entsandter „Berater“, nicht aber die Bank als Institut selbst, faktischer Geschäftsführer sein. Die wohl überwiegenden Literaturstimmen folgen dieser BGHLinie nicht, sondern befürworten die Möglichkeit, dass auch eine juristische Person faktischer Geschäftsführer sein kann, vgl. etwa Bork, WM 2014, 1841, 1844; Hoffmann, WM 2012, 10, 12 f.; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343. Begründet wird dies vor allem damit, dass der Grund für die Haftung des faktischen Organs die Übernahme von Geschäftsführungsaufgaben oder anders gewendet, die Okkupation der Leitung ist. Unter diesem Gesichtspunkt könne es keinen Unterschied machen, ob das faktische Ausüben von Leitungsmacht durch eine natürliche oder juristische Person geschehe.

67

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

253 Gleichwohl kommt eine Haftungsüberleitung auf die hinter dem Bankmitarbeiter stehende Bank bei schuldhaften, einen Schaden verursachenden Handlungen ihres Angestellten in Betracht. 254 Eine solche Haftung der Bank kann sich etwa aus §§ 31, 89 BGB ergeben. § 31 BGB regelt seinem Wortlaut nach die Verantwortlichkeit des Vereins für Schäden infolge einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung eines Vorstandsmitglieds oder eines anderen verfassungsmäßigen Vertreters, erfährt aber in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht Erweiterungen. 255 So gilt die Zurechnung des Organverschuldens ebenso für alle juristischen Personen, auch solche des öffentlichen Rechts, wie auch für Personengesellschaften (KG, OHG, GbR). Vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 3; Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 31 Rn. 3 f.; jeweils m. w. N.

256 Auch im persönlichen Anwendungsbereich wird § 31 BGB erweitert angewandt, namentlich haftet die juristische Person nicht nur für durch ihre gesetzlichen Vertreter (Organe) verursachte Schäden, sondern auch für solche Schäden, die durch Personen verursacht wurden, denen durch allgemeine Betriebsregelungen oder die betriebliche Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, sodass sie die juristische Person repräsentieren (Repräsentantenhaftung). Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht) ist nicht erforderlich. Als Sammelbegriff für den betroffenen Personenkreis wird in der Literatur auf den arbeitsrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten zurückgegriffen, wie er in § 5 Abs. 3 BetrVG oder § 3 Abs. 3 Nr. 2 MitBestG verwendet wird. Zu denken ist insbesondere an Filial- oder Abteilungsleiter im Bankgewerbe. Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 6 f.; Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 31 Rn. 14 ff.; jeweils m. w. N.

257 Über § 31 BGB kann der Bank das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln eines Angestellten zugerechnet werden. Eine Zurechnung findet sowohl bei deliktischen Anspruchsgrundlagen (§§ 823 ff. BGB) als auch im rechtsgeschäftlichen Bereich statt. Vgl. Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 31 Rn. 20 f.; OLG Bremen, Urt. v. 8.11.2002 – 2 U 21/01, ZIP 2002, 1942: Haftung der Bank über § 31 BGB wegen der durch einen Abteilungsdirektor sowie Leiter der Privatkundenabteilung und späteren Filialleiter verwirklichten Beihilfe zum Betrug (§§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) durch Darlehensgewährungen zur Finanzierung eines Schneeballsystems.

258 Erforderlich für die Zurechnung schädigenden Verhaltens nach § 31 BGB ist aber, dass der Repräsentant die schädigende Handlung gerade in Ausführung

68

I. Ausgangssituation

der ihm übertragenen Aufgaben („in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“) begangen hat. Rein private Handlungen des Repräsentanten führen damit nicht zu einer Zurechnung. Andererseits ist aber auch nicht erforderlich, dass sich der Repräsentant bei der schädigenden Handlung in den Grenzen seiner Vertretungsmacht oder seiner Befugnisse im Innenverhältnis bewegt. Vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 10; Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 31 Rn. 22.

Eine Ausnahme soll nach Ansicht des BGH auch gelten, wenn die juristische 259 Person (die Bank) einen Repräsentanten in das Organ (z. B. den Aufsichtsrat) einer anderen juristischen Person entsendet. Die entsendende Bank haftet dann nicht über § 31 BGB für Pflichtverletzungen ihres Vertreters in seiner Stellung als Aufsichtsratsmitglied. Vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – III ZR 220/83, WM 1984, 1119; BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296; ebenso LG Wiesbaden, Urt. v. 13.8.2015 – 9 O 286/14, ZIP 2015, 2028; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 11.

Der BGH begründet dies damit, dass das von einer juristischen Person etwa 260 in den Aufsichtsrat einer anderen juristischen Person entsandte Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich verpflichtet ist, die Interessen des Entsendenden zurückzustellen und seine organschaftlichen Pflichten allein zum Wohle der zu beaufsichtigenden Aktiengesellschaft auszuüben. Dies bringe es mit sich, dass der Entsendete nicht gleichzeitig „Diener zweier Herren“ sein könne, weswegen er dann nicht in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen der Entsendekorporation auftrete. Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381; BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296.

Dafür, dass dies ebenso gilt, wenn die Bank ihren Mitarbeiter in die Stellung 261 eines faktischen Organs des Kreditnehmers entsendet, könnte z. B. sprechen, dass die Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG in der Rechtsprechung anerkannt ist. OLG München, Urt. v. 23.1.2019 – 7 U 2822/17, GmbHR 2019, 600; OLG Celle, Urt. v. 6.5.2015 – 9 U 173/14, ZWH 2017, 171.

Wenn der faktische Geschäftsführer mithin den Sorgfaltspflichten des § 43 262 GmbHG unterliegt, ist er auch in dieser Rolle verpflichtet, das Wohl der GmbH im Auge zu behalten und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Die Lage liegt nicht anders, als bei einem tatsächlichen Eintritt in ein Gesellschaftsorgan. Auf der anderen Seite erscheint es wenig einleuchtend, eine haftungsrechtli- 263 che Privilegierung der Bank als Zurechnungsadressatin nach § 31 BGB gerade dann anzunehmen, wenn der als Repräsentant der Bank handelnde Bankmitarbeiter in der Rolle als faktischer Geschäftsführer womöglich eine Untreue

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(§ 266 StGB) und damit zugleich eine Pflichtwidrigkeit i. S. v. § 43 GmbHG zulasten der GmbH, deren Leitung er faktisch übernommen hat, begeht, die ggf. auch noch in einen spiegelbildlichen Vermögensvorteil der Bank mündet oder die Stellung eines Insolvenzantrags hinauszögert (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO), während sich die Bank in der verbliebenen Zeit noch aus den ihr bestellten Sicherheiten befriedigt, wenngleich im letztgenannten Fall auch eine Haftung der Bank aus § 826 BGB im Raum stehen dürfte. Vgl. zu Haftungsrisiken des Kreditgebers in Sanierungssituation ausführlich Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 63 ff.

264 Ein Mittelweg könnte dahin gehen, eine Zurechnung nach § 31 BGB in den Fällen zu versagen, in denen die Haftung des faktischen Organs allein auf gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen (§§ 43, 64 GmbHG, §§ 93, 116 AktG) gründet, im Rahmen derer die zu beachtenden Organpflichten konkretisiert sind, die Zurechnung aber nach allgemeinen Grundsätzen zuzulassen, wenn sich die Haftung des Repräsentanten auf deliktische Anspruchsgrundlagen stützt. Dies mit Blick auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB i. V. m. § 31 BGB indes ausdrücklich ablehnend LG Wiesbaden, Urt. v. 13.8.2015 – 9 O 286/14, ZIP 2015, 2028; in diese Richtung aber ebenfalls Hoffmann, WM 2012, 10, 12 f.

265 Der Gedanke ist dem Gesellschaftsrecht auch nicht fremd, wie ein Blick auf § 117 AktG zeigt. Die Norm stellt nach allgemeiner Meinung einen besonderen Deliktstatbestand in Anlehnung an § 826 BGB dar. Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 117 Rn. 2; Witt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 2 f.

266 Im Anwendungsbereich des § 117 AktG erkennt die herrschende aktienrechtliche Literatur an, dass Einflussnehmer i. S. d. § 117 Abs. 1 AktG auch eine juristische Person sein kann, der das Handeln ihres Organwalters primär über §§ 31, 89 BGB zuzurechnen sei. Die Haftungsgrundlage sei auch in diesem Fall § 117 Abs. 1 AktG i. V. m. den Zurechnungsvorschriften. Daneben könne je nach Fall die Haftung der beeinflussenden juristischen Person aus § 117 Abs. 3 AktG als Nutznießer stehen. Diese Grundsätze sollen nach der herrschenden aktienrechtlichen Lehre auch gelten, wenn ein Organmitglied der einflussnehmenden juristischen Person zugleich einem Organ der bestimmten juristischen Person angehört. Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 117 Rn. 3; Witt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 6a.

267 Der BGH hat in einer Entscheidung vom 26.3.1984 einerseits zwar seine Linie bestätigt und geurteilt, dass die beklagte Hausbank nicht über § 31 BGB für Pflichtverletzungen ihres in den Aufsichtsrat der Schuldnerin entsandten Vorstandsmitglieds nach §§ 116, 93 AktG einzustehen habe. Die Frage, ob dies auch für eine Haftung aus § 117 AktG gilt, hat der BGH in der Entscheidung aber offengelassen. 70

I. Ausgangssituation Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381; insofern noch zweifelnd BGH, Urt. v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923.

In der Literatur wird teilweise versucht, das Problem über § 670 BGB zu lö- 268 sen. So soll der Repräsentant der Bank, der als faktisches Organ des Kreditnehmers seine Pflichten verletze und Schadensersatz leisten müsse, einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB gegen seinen Prinzipal haben, in den der Geschädigte vollstrecken kann, sodass im wirtschaftlichen Ergebnis doch wieder die Bank hafte. Vgl. Strohn, DB 2011, 158, 163; im Ergebnis wohl auch Bork, WM 2014, 184, 1844.

Vollständig überzeugen kann auch dieser Ansatz nicht, zumal der Aufwen- 269 dungsersatzanspruch keine Selbstverständlichkeit und in Einzelfragen strittig ist. Der BGH hat einen Aufwendungsersatzanspruch des Vereinsmitglieds gegen 270 den hinter ihm stehenden Verein zwar anerkannt, wenn er in Ausführung einer satzungsmäßigen Tätigkeit eine zum Schadensersatz verpflichtende Körperverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) begeht. Abgeleitet hat der BGH dies aus den im Arbeitsrecht entwickelten Gedanken, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht eine Belastung mit solchen Schäden und Schadensersatzansprüchen zumuten darf, die letztlich aus der besonderen Gefahr der übertragenen Arbeit folgen. Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1993 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153.

Der Aufwendungsersatzanspruch des Repräsentanten gegen die Bank läuft 271 nach diesen Grundsätzen aber ins Leere, wenn ihm im Rahmen einer schädigenden Handlung als faktisches Organ des Kreditnehmers grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz zur Last fallen, da in einem solchen Fall auch nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen der Arbeitnehmer in der Regel den Schaden allein zu tragen hätte. Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1993 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 unter Verweis auf BAG, Urt. v. 23.3.1983 – 7 AZR 391/79, BAGE 42, 130; insgesamt kritisch daher Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 670 Rn. 13 ff. und 32, der einen Anspruch des Beauftragen aus § 670 BGB insgesamt ablehnt, wenn ein Verschulden des Beauftragten zu seinem Schaden, in diesem Fall der Belastung mit einem Schadensersatzanspruch, beigetragen hat.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass viele Konturen der Rechtsfigur an sich 272 und Einzelfragen im Zusammenhang mit einer möglichen Stellung der Bank als faktischer Geschäftsführer auch nach vielen Jahren der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor offen sind. Rechtskonstruktiv kann eine grundsätzliche Einstandspflicht der Bank (über § 31 BGB oder § 670 BGB) jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

71

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

273 Andererseits dürften die weiteren Voraussetzungen einer Qualifizierung des Bankmitarbeiters als faktisches Organ des Kreditnehmers in der Praxis so gut wie nie vorliegen, selbst wenn die Bank unmittelbarer Gesellschafter sein sollte und/oder mit einem Vertreter im Aufsichtsrat, Beirat oder „Lenkungsausschuss“ des Kreditnehmers vertreten ist. 274 Denn regelmäßig wird das Verhalten der Bank, handelnd durch ihre Mitarbeiter, in der Sanierungssituation nicht über Einzelmaßnahmen hinausgehen, die nicht die Qualität des An-sich-Ziehens aller oder der meisten Geschäftsführungsaufgaben erreichen. Zudem dürfte es meistens an einem „Gerieren als Geschäftsführer“ des Kreditnehmers im Außenverhältnis fehlen. Vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, NJW 1988, 1789. Entscheidendes Begründungselement war, dass der Betreffende nicht nur die überragende und beherrschende Persönlichkeit in der Geschäftsleitung gewesen sei, sondern dass er vielmehr auch nach außen im Verhältnis zu den Kunden der Gesellschaft, die er regelmäßig aufsuchte, den für das Unternehmen der Gemeinschuldnerin entscheidend wichtigen Verkaufssektor unter Ausschaltung der Geschäftsführer völlig an sich gezogen, in eigener Verantwortung das Personal eingestellt und eigenverantwortlich ohne Hinzuziehung der ordentlichen Geschäftsführer die Kreditverhandlungen in einer Weise geführt habe, die seinen Verhandlungspartnern den Eindruck vermittelten, die satzungsmäßigen Geschäftsführer hätten nichts mehr zu sagen. Ein solches Verhalten eines Bankmitarbeiters ist in der Praxis im professionalisierten Sanierungsumfeld regelmäßig nicht festzustellen.

275 Unproblematisch sind demnach alle Maßnahmen, die der Information und Kontrolle, also der reinen Rechtswahrnehmung oder -erfüllung (z. B. Pflichten nach § 18 KWG) dienen, etwa wenn sich die Bank regelmäßig Jahresabschlüsse, BWAs und Reportings vorlegen lässt. So schon Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 359 f., zustimmend Theiselmann, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 13 Rn. 254 ff.; Strohn, DB 2011, 158, 163; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344.

276 Auch die gelegentliche Teilnahme an Sitzungen der Finanzierer, eines Lenkungsausschusses oder Steering Commitees, in denen in der Praxis von dem Unternehmen über die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens, den Gang der Sanierung und nächste Schritte informiert wird, ist in der Regel unkritisch. Hierbei geht es in erster Linie ebenfalls um Informationsgewinnung, aber auch das Einbringen des Bankvertreters mit konkreten Vorschlägen oder die Übernahme vermittelnder Funktionen erreichen nicht die Qualität von Eingriffen in die Geschäftsführung. Vgl. Theiselmann, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 13 Rn. 256; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 359 f.

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I. Ausgangssituation

Gleiches gilt, wenn die Bank die Einschaltung eines Sanierungsberaters und 277 die Erstellung eines Sanierungskonzepts fordert, und zwar nach überwiegender Meinung auch dann, wenn die Bank einen konkreten Sanierungsberater verlangt und dem Kreditnehmer in diesem Fall kein Ermessen belässt. Auch dies soll als bloße Einzelmaßnahme hinsichtlich der Dauer und der Intensität des Eingriffs nicht die Schwelle zu einer Verdrängung der eigentlichen Geschäftsleitung und Okkupation der Leitungsmacht des Unternehmens überschreiten. Vgl. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360; ebenso Bork, WM 2014, 1841, 1845 ff.; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 344; Theiselmann, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 13 Rn. 256, die die Beauftragung eines Sanierers schon deswegen für unkritisch halten, weil andere Gläubiger hierdurch nicht gefährdet werden und die Bank ein berechtigtes Interesse daran habe, die Kreditwürdigkeit ihres Kreditnehmers prüfen zu lassen.

In der Praxis schlagen Kreditinstitute dem Kreditnehmer in der Regel aber 278 mehrere Sanierungsberater vor, typischerweise zwei bis drei, vgl. Nachweise bei Bork, WM 2014, 1841, 1841,

aus denen der Kreditnehmer wählen kann, wobei die Banken in der Regel auch keine Einwände erheben, wenn der Kreditnehmer einen anderen, aber gleichfalls anerkannten und den Banken als geeignet erscheinenden Sanierungsberater beauftragt. Vorsicht ist erst geboten, wenn die Bank den Sanierer direkt beauftragt und 279 bezahlt, dieser weisungsabhängig gegenüber der Bank ist und – ggf. als Sanierungsgeschäftsführer (CRO) – derart stark in die Geschäftsführung eingreift oder diese überwacht, dass jede auch noch so kleine Verfügung über Vermögenswerte von der Zustimmung der Bank abhängig ist. Vgl. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360.

In diesem Fall kann sich – sofern der Sanierer als Geschäftsführer oder fakti- 280 scher Geschäftsführer des Kreditnehmers zu qualifizieren ist – die Frage der Zurechnung des Organhandels an die Bank stellen. Eine Zurechnung nach § 31 BGB dürfte zwar regelmäßig ausscheiden, weil 281 der externe Sanierungsberater, der von der Bank „nur“ beauftragt und bezahlt wird, nicht als Repräsentant der Bank anzusehen sein dürfte. Wer aber der Lösung über einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB anhängt, kann hier zu einem „Durchschlagen“ des Haftungsrisikos auf die Bank kommen, sofern dem Berater kein grobes Verschulden zur Last fällt. Ist der Kreditnehmer eine AG oder befürwortet man mit einigen Literatur- 282 stimmen die analoge Anwendung des § 117 AktG auf die GmbH, vgl. etwa Hoffmann, WM 2012, 10, 13 m. w. N.,

73

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

kann auch hierüber zu einem direkten Haftungsrisiko für die Bank kommen. Im Anwendungsbereich des § 117 AktG ist anerkannt, dass jede Art der Einflussnahmemöglichkeit, die nach Art und Intensität geeignet ist, die Führungspersonen der Gesellschaft zu einem schädigenden Verhalten zu bestimmen, ausreicht. Der Einfluss kann, muss aber nicht, gesellschaftsrechtlicher Natur, vertraglicher, auch kreditvertraglicher Natur, oder aber rein tatsächlich vermittelt sein, etwa aus einer Machtstellung als Kreditgeber, Gläubiger, Lieferant oder Verband (z. B. Gewerkschaft). Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 117 Rn. 3; Witt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 6. vgl. auch BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119/191 („atypischer Pfandgläubiger“): Im Entscheidungsfall – der freilich die Frage einer gesellschaftergleichen Stellung der Bank betraf -hatte die beklagte Bank, die sich durch weitreichende Verpfändungsvereinbarungen und Sicherungsabtretungen bereits nahezu sämtliche mit der Mitgliedschaft in einer Kommanditgesellschaft verbundenen Vermögensrechte gesichert und sich im Übrigen durch vertragliche Nebenabreden weitreichende Zustimmungsvorbehalte ausbedungen hatte, unter Androhung der sofortigen Kreditkündigung die Beauftragung eines konkreten Sanierungsberaters, mit dem die Bank regelmäßig zusammenarbeitete, durchgesetzt. Deren Mitarbeiter übernahmen in der Folge „faktisch“ die Geschäftsführung und die Kontrolle des Zahlungsverkehrs und führten den Kreditsaldo der beklagten Bank kurz vor dem Konkurs durch umfangreiche Warenverkäufe noch um 2,6 Mio. DM zurück. Der BGH stellte fest, dass es aufgrund der Gesamtumstände auch keiner direkten Weisung der Bank an die eingeschalteten Unternehmensberater als faktische Geschäftsführer bedurfte, um eine Einflussnahme der beklagten Bank auf die unternehmerischen Geschicke der Schuldnerin festzustellen.

283 Bei allen Maßnahmen der Bank muss dem Kreditnehmer ein gewisser Handlungsspielraum verbleiben, vor allem die Möglichkeit, trotz der Kontrolle und Absicherung durch die Bank über sein Vermögen aufgrund eigener geschäftlicher Entscheidung zu verfügen. So ist beispielsweise darauf zu achten, dass der Kreditnehmer noch selbständig über die Begleichung der sonstigen Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Drittgläubigern entscheidet, frei bleibt, im Rahmen der ihm eingeräumten Kreditlinie Waren oder Rohstoffe nach eigener Entscheidung zu beziehen oder herzustellen (Einkauf und Produktion), frei bleibt, seine Waren und Produkte auf die von ihm gewählte Weise zu verkaufen (Absatz), uneingeschränkt Personal einstellen und entlassen und deren Gehalt bestimmen kann, die Entscheidungshoheit in Steuerangelegenheiten behält und Rechnungswesen und Buchhaltung des Unternehmens weiterhin steuert und die strategische Unternehmensplanungshoheit (d. h. über Unternehmenspolitik und -organisation) behält. 284 Ebenso problematisch ist die Untersagung von Kontoverfügungen oder die selbständige Auswahl und Ausführung von Überweisungen innerhalb eines freien Kreditrahmens (Kontokorrent), eigenmächtige Entscheidung über Kontoausgänge, Eingriffe in das Rechnungswesen und die Buchhaltung des Kre74

I. Ausgangssituation

ditkunden, wie etwa bestimmte Buchungsanweisungen, da dies herausragende Eingriffe mit Außenwirkung sind. In diese Kategorie gehören auch wiederholte Eingriffe in das Tagesgeschäft mit Außenwirkung, etwa Eingriffe ins Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsgeschäft, Kundenbesuche, Eingriffe in Personaldispositionen und in betriebliche Organisationsfragen, negative Informationen an Abnehmer/Lieferanten oder aktive Warnungen, Presseangriffe. Diese beispielhaften Maßnahmen stellen allerdings nur Anhaltspunkte dar, 285 letztlich entscheidet immer das Gesamtbild der Einflussnahme. Kritisch wird es immer erst dann, wenn außerhalb des Kundenunternehmens Stehende es im Geschäftsverkehr mit dem Unternehmen direkt mit der Bank zu tun bekommen, sei es, weil die Bank ihnen unmittelbar gegenüber auftritt, sei es, weil sich ihnen die Einflussnahme der Bank nach außen hin geradezu aufdrängt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass unabhängig von etwaigen Zurechnungs- 286 fragen die Sanierungsbegleitung durch Banken heutzutage typischerweise nicht das Gepräge einer Übernahme der faktischen Leitung des Unternehmens des Kreditnehmers erreicht. Hierfür fehlt es regelmäßig entweder bereits an der von der Rechtsprechung geforderten Außenwirkung des Handelns oder die Vorgaben und Auflagen gehen nicht über zulässige Einzelmaßnahmen hinaus und erreichen daher nicht die Dauer und die Intensität, dass man von der Übernahme der Leitung des Kreditnehmers sprechen könnte. Die Haftungsrisiken sind damit, wie eingangs bereits festgestellt, eher theoretischer Natur. bb) Verpfändung der Gesellschaftsanteile (1) Funktionsweise Als weitere Besicherungsalternative kommt für die Finanzierer eine Verpfän- 287 dung der Gesellschaftsanteile in Betracht. Im Ergebnis rücken sie damit grundsätzlich jedoch nicht in die Gesellschafterstellung ein, sondern können lediglich Zwischenverfügungen über die Anteile, also einen Verkauf an einen unliebsamen Erwerber, mangels Freigabe der dinglichen Pfandrechtsbelastung faktisch – nicht jedoch juristisch – verhindern. Denn mit dem Übergang eines Gesellschaftsanteils geht das Pfandrecht als dingliche Last auf den Erwerber über. Vgl. für die GmbH nur Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 188.

Das Risiko der Pfandverwertung dürfte kaum ein Erwerber in Kauf nehmen, 288 zumal es keinen gutgläubigen pfandfreien Erwerb gibt. Vgl. für die GmbH nur Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 190a.

Die Banken erhalten mit dem Pfandrecht im Falle der Insolvenz des Unter- 289 nehmens und der Gesellschafter zudem ein insolvenzfestes, privilegiertes Absonderungsrecht.

75

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. im Einzelnen etwa Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 140 ff.; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 82.

290 Die Bestellung des Pfandrechts an Unternehmensanteilen erfolgt rechtsformspezifisch. 291 Die Verpfändung von GmbH-Anteilen und KG-Anteilen folgen den Vorschriften über die Verpfändung von Rechten (§§ 1273 ff. BGB). 292 Nach § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt die Bestellung eines Pfandrechts an GmbH- und KG-Anteilen als Rechte i. S. d. §§ 1273 ff. BGB nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften. 293 Für die Verpfändung von GmbH-Anteilen ist daher gemäß § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3 GmbHG eine notariell zu beurkundende Verpfändungsvereinbarung erforderlich, in der auch alle wesentlichen Nebenabreden über die genaue Bezeichnung der zu sichernden Forderung, die Ausübung der Gesellschafterrechte, Abreden über die Verwertung und das Erlöschen des Pfandrechts aufgenommen werden müssen. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 174.

294 Zudem sind statutarisch festgelegte Erfordernisse für die Veräußerung oder Verpfändung des Geschäftsanteils, etwa Zustimmungserfordernisse der Mitgesellschafter oder der Gesellschaft (Vinkulierung) gemäß § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 5 GmbHG auch bei der Verpfändung zu beachten. Ist die Veräußerung/Verpfändung des Geschäftsanteils satzungsmäßig ausgeschlossen (§ 1274 Abs. 2 BGB), ist zur Wirksamkeit der Verpfändung ggf. zuerst eine Satzungsänderung erforderlich. 295 Keiner notariellen Form bedarf dagegen die schuldrechtliche Verpflichtung, etwa in einem Darlehensvertrag, zur Verpfändung des Geschäftsanteils, da eine solche von § 1274 BGB nicht erfasst wird und § 15 Abs. 4 GmbHG (auch nicht analog) gilt. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 176; Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 15 Rn. 98; Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, § 15 Rn. 222.

296 Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) unterliegt dagegen keinen besonderen Formvorschriften, weswegen im Grundsatz auch die Verpfändung eines Personengesellschaftsanteils, etwa eines Kommanditanteils, formlos möglich ist. Escher/Haag, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 27a Rn. 7; Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 156.

297 Zu beachten ist aber, dass die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft wegen der personalistischen Struktur im Gegensatz zu einer 76

I. Ausgangssituation

GmbH – bei der gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 5 GmbHG eine ausdrückliche Vinkulierung im Gesellschaftsvertrag erforderlich ist – stets im Einverständnis mit den übrigen Gesellschaftern erfolgen muss, mithin kraft Gesetzes eine Vinkulierung besteht (vgl. auch §§ 717, 719 BGB). Die Übertragbarkeit des Personengesellschaftsanteils muss daher entweder bereits im Gesellschaftsvertrag zugelassen sein oder die übrigen Gesellschafter müssen der Übertragung im Einzelfall zustimmen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335; BGH, Urt. v. 28.4.1954 – II ZR 8/53, BGHZ 13, 179; Schulte/ Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 1.

Wegen § 1274 Abs. 2 BGB gilt dies auch für die Verpfändung eines Personen- 298 gesellschaftsanteils, die ebenfalls nur wirksam ist, wenn sie entweder bereits im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder die Mitgesellschafter ihr im Einzelfall zustimmen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335; Wicke, in: Palandt, BGB, § 1274 Rn. 6; Escher/Haag, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 27a Rn. 4.

Umstritten ist, ob die Zulassung der Übertragung des Gesellschaftsanteils im 299 Gesellschaftsvertrag auch die Verpfändung deckt, wenn diese selbst nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Vgl. zum Meinungsstand Escher/Haag, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 27a Rn. 5 f.; der BGH musste die Frage zuletzt in der Entscheidung BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335, nicht entscheiden, weil der Gesellschaftsvertrag im dortigen Fall die Verpfändung der Gesellschaftsanteile ausdrücklich zuließ.

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollte die Praxis bei der Verpfän- 300 dung von Anteilen an Personengesellschaften vorsorglich die Zustimmung der übrigen Gesellschafter einholen, sofern der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zur Zulässigkeit von Verfügungen oder Verpfändungen im Speziellen enthält, um eine schwebende Unwirksamkeit der Verpfändung zu verhindern. Ausgehend von der nach wie vor geführten Diskussion um die Beurkundungs- 301 pflicht bei der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH & Co. KG (siehe hierzu noch Rn. 469 ff.) stellt sich parallel die Frage, ob wegen § 15 Abs. 4 GmbHG ausnahmsweise auch die Verpfändung eines Kommanditanteils beurkundungsbedürftig ist, wenn bei einer GmbH & Co. KG gleichzeitig die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH und die – in der Regel wesentlich werthaltigeren – Kommanditanteile an der KG verpfändet werden sollen. In Zusammenhang mit der parallelen – grundsätzlich formbedürftigen (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG) – Veräußerung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH und – grundsätzlich formfrei möglichen – Veräußerung eines Kommanditanteils gilt, dass hinsichtlich des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH sowohl das schuldrechtliche (§ 15 Abs. 4 GmbHG)

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

als auch das dingliche Erfüllungsgeschäft (§ 15 Abs. 3 GmbHG) der notariellen Beurkundung bedürfen. Die Beurkundungspflicht des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG erstreckt sich hierbei auf alle wesentlichen Teile der entsprechenden Willenserklärungen der Parteien, einschließlich der Nebenabreden, die nach dem Willen der Parteien als untrennbare und (wirtschaftlich) notwendige Einheit Bestandteil des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts sein sollen (Vollständigkeitsgrundsatz), z. B. Garantievereinbarungen, Nebenabreden über nachlaufende Dienstverpflichtungen, Modalitäten der Vertragsabwicklung, Regelungen zur Kostentragung etc. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 66.

302 Bei der Veräußerung der Anteile an einer GmbH & Co. KG kann sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergeben, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH und die Veräußerung der – in der Regel wirtschaftlich bedeutenderen – Kommanditanteile nach dem Willen der Parteien notwendigerweise miteinander verbunden sein sollen und daher notwendige Bestandteile ein und desselben Veräußerungsgeschäfts sein sollen. Wenn man im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis kommt, dass die Veräußerung der Kommanditanteile für sich genommen nicht alleine oder zusammen mit anderen, für sich allein betrachtet nicht formbedürftigen Teilen der Gesamtvereinbarung, vorgenommen worden wäre, führt dies nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB dazu, dass auch die Verpflichtung zur Veräußerung der Kommanditanteile von der Formbedürftigkeit nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG erfasst wird. Vgl. BGH, Urt. v. 14.4.1986 – II ZR 155/85, ZIP 1986, 1046.

303 Aus diesem Grund wird in der Literatur vereinzelt dazu geraten, bei der gleichzeitigen Verpfändung von Geschäfts- und Kommanditanteilen wegen § 139 BGB auch die Verpfändung der Kommanditanteile in notarieller Form vorzunehmen. Vgl. Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 156.

304 Dem ist entgegenzuhalten, dass, wenn man im Veräußerungsfalle dazu käme, sowohl das Verpflichtungsgeschäft zur Abtretung der Geschäftsanteile als auch das Verpflichtungsgeschäft zur Abtretung der Kommanditanteile als einheitliches Rechtsgeschäft beurkundungsbedürftig sind, die Gesamtvereinbarung und damit auch die im obligatorischen Vertrag enthaltene Verpflichtung zur Abtretung der Kommanditanteile jedenfalls mit formwirksamer Vornahme der Abtretung der GmbH-Anteile gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG geheilt und wirksam würde. Zudem gilt § 15 Abs. 4 GmbHG wie oben dargelegt nach herrschender Meinung schon nicht für die Verpflichtung zur Verpfändung des Geschäftsanteils, sodass sich eine entsprechende Beurkundungspflicht auch nicht für die Verpflichtung zur Verpfändung des Kommanditanteils ergeben kann. Mit anderen Worten: Wenn schon zur Herbei78

I. Ausgangssituation

führung der Formwirksamkeit von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft bei der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH & Co. KG allein die formwirksame Vornahme der Abtretung der Geschäftsanteile zur Herstellung der Formwirksamkeit aller Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfte ausreicht, können für die Verpfändung im Rahmen derer § 15 Abs. 4 GmbHG schon gar nicht gilt, keine strengeren Anforderungen gelten. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 74 und Rn. 174; Werner, GmbHR 2008, 755, 757 f.

Die Verpfändung von Aktien hängt zunächst von der Art der Aktie ab. Wie 305 sich aus § 214 Abs. 4 AktG ergibt, sind nicht durch Ausgabe von Aktienurkunden verkörperte Mitgliedschaftsrechte denkbar und zulässig. Solche unverkörperten Mitgliedschaften sind grundsätzlich formfrei und ohne Beschränkung durch Abtretung übertragbar (§ 413 BGB i. V. m. § 398 BGB). Vgl. Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 2.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1547.

Entsprechend erfolgt die Verpfändung der Mitgliedschaft als reine Rechts- 306 pfändung gemäß §§ 1273, 1274 Satz 1 BGB durch formfreie vertragliche Einigung. Die Verpfändung ist der Aktiengesellschaft als unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung gemäß § 1280 BGB anzuzeigen. Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 75; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1547.

Ist die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft dagegen in Inhaber- oder 307 Namensaktien (§ 10 Abs. 1 AktG) verbrieft, gelten andere Regeln für die Verpfändung, da es sich hierbei um Wertpapiere handelt. Bei Inhaberaktien handelt es sich um Inhaberpapiere i. S. d. §§ 793 ff. BGB, für 308 deren Verpfändung gemäß § 1293 BGB die Vorschriften über die Verpfändung beweglicher Sachen (§§ 1204 ff. BGB) gelten. Erforderlich ist daher neben der Einigung über die Entstehung des Pfandrechts gemäß § 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB im Ausgangspunkt die Übergabe der Aktienurkunde an den Pfandgläubiger. Ist der Pfandgläubiger bereits im Besitz der Aktienurkunde, genügt die Einigung über das Entstehen des Pfandrechts (§ 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB). In der Praxis ist die Übergabe der Aktienurkunde an den Pfandgläubiger in der 309 Regel aber äußerst selten und von der kreditgebenden Bank als Sicherungsnehmer aufgrund von Haftungsrisiken auch nicht gewünscht, da diese dann nach § 17 DepotG bzw. § 1215 BGB die Pflichten eines Verwahrers treffen. Vgl. Hoffmann, WM 2007, 1547, 1549.

Die Übergabe wird daher, insbesondere wenn die Aktien bei einem Dritten, 310 etwa einer Depotbank, in Verwahrung sind, durch Übergabesurrogat in Form der Übertragung des mittelbaren Besitzes gemäß § 1205 Abs. 2 BGB an den Pfandgläubiger ersetzt. Dies geschieht gemäß § 870 BGB durch Ab-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

tretung des Herausgabeanspruchs aus dem Besitzmittlungsverhältnis durch den Verpfänder an den Pfandgläubiger und Anzeige der Verpfändung gegenüber dem Besitzmittler (die Depotbank). Vgl. Berger, ZInsO 2016, 474, 474; Undritz, BB 2016, 74, 74.

311 Hierdurch „rutscht“ der Eigentümer und Verpfänder der Aktienurkunde in eine höhere Besitzstufe. Die Depotbank als unmittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe mittelt den Besitz in der Folge dem Pfandgläubiger als mittelbarem Fremdbesitzer erster Stufe, der wiederum als neuer Besitzmittler dem Verpfänder und Eigentümer den Besitz mittelt. Letzterer wird damit mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe. Vgl. Wicke, in: Palandt, BGB, § 1205 Rn. 5.

312 Die direkte Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Eigentümer als Besitzmittler und Pfandgläubiger genügt dagegen nicht. Eine solche Vereinbarung kann ggf. nach § 140 BGB in eine Sicherungsübereignung umgedeutet werden. Vgl. Wicke, in: Palandt, BGB, § 1205 Rn. 8.

313 Namensaktien stellen demgegenüber Orderpapiere dar, zu deren Verpfändung das Gesetz zwei Wege bereitstellt. 314 Die Verpfändung von Namensaktien kann zum einen gemäß § 1292 BGB auf dem wertpapierrechtlichen Weg geschehen. Dies geschieht durch Einigung über die Entstehung des Pfandrechts, (Pfand-)Indossierung gemäß § 19 WG und Übergabe des indossierten Papiers nach §§ 1205, 1206 BGB mit den dargestellten Möglichkeiten, die Übergabe durch Übertragung des mittelbaren Besitzes zu ersetzen. 315 Statt einem sog. offenen Pfandindossament, durch das ausgedrückt wird, dass die Aktie alleine zum Zwecke der Verpfändung indossiert wird, kommt auch ein sog. verdecktes Pfandindossament in Betracht. Letzteres stellt nach außen ein unbeschränktes Voll- oder Blankoindossament dar und es wird lediglich im Begebungsvertrag klargestellt, dass materiellrechtlich lediglich eine Verpfändung erfolgt. Dies sollte entsprechend sorgfältig dokumentiert werden, damit es nicht unbeabsichtigt zu einer Sicherungsübertragung kommt. Aus Zweckmäßigkeitsgründen sollte mit Blick auf die Pfandverwertung stets ein unbeschränktes Vollindossament (Blankoindossament) hereingenommen werden. Vgl. Wicke, in: Palandt, BGB, § 1292 Rn. 3 f.; Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 88; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1548.

316 Der zweite Weg zur Verpfändung von Namensaktien besteht in der Rechtsverpfändung nach § 1274 BGB durch „bloße“ Verpfändung des verbrieften (Mitgliedschafts-)Rechts und Übergabe des (nicht indossierten) Papiers. Das Recht an der Aktienurkunde folgt gemäß § 952 BGB dem Recht aus dem Pa-

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I. Ausgangssituation

pier. Der Pfandgläubiger erlangt bei dieser Art der Verpfändung nur die Stellung eines gewöhnlichen Pfandgläubigers nach §§ 1273 ff. BGB und kommt insbesondere nicht in den Genuss der §§ 16, 19 WG, die seinen guten Glauben an die Verfügungsbefugnis und Geschäftsfähigkeit des Verpfänders sowie die Echtheit des Indossaments schützen. Zudem ist der Pfandgläubiger wegen des fehlenden Indossaments jedenfalls formal nicht legitimiert, sodass er sich vor der Verwertung entweder analog § 1285 BGB vom Verpfänder ein Pfandindossament nach § 19 WG oder ein Vollmachtsindossament nach § 18 WG erteilen lassen muss, ansonsten bleibt nur der Weg über §§ 1282 Abs. 2, 1277 BGB. Vgl. Wicke, in: Palandt, BGB, § 1292 Rn. 2 und Rn. 5; Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1292 Rn. 17 ff.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1548.

In einer Grundsatzentscheidung vom 24.9.2015 hat der BGH schließlich zur 317 Verpfändung von in einer Dauerglobalurkunde verbrieften Aktien Stellung genommen. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23.

Im Ausgangspunkt geht es hierbei um Aktien, die in einer Sammelurkunde 318 i. S. d. § 9a Abs. 1 DepotG verbrieft sind, welche bei einer Wertpapiersammelbank (in Deutschland die Clearstream AG) verwahrt wird. Bei einer einfachen Sammelurkunde i. S. d. § 9a Abs. 1 Satz 1 DepotG erwirbt der Aktieninhaber Miteigentum an der Sammelurkunde und kann grundsätzlich verlangen, dass ihm Wertpapiere in Höhe des Nennbetrags, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in Höhe der Stückzahl der in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgeliefert werden (§ 9a Abs. 2 i. V. m. §§ 7, 8 DepotG, §§ 695 Satz 1, 985 BGB). Gegenstand der Verpfändung ist dann der Miteigentumsanteil des Aktionärs an der Sammelurkunde, der (wie die Verpfändung einer beweglichen Sache selbst) nach § 1205 BGB durch Einigung und Übertragung des Mitbesitzes bzw. durch Übertragung des mittelbaren Mitbesitzes und Anzeige an die Wertpapiersammelbank als unmittelbarem Besitzer verpfändet wird. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; Berger, ZInsO 2016, 474, 474 f.

Bei einer Dauersammel- oder Dauerglobalurkunde ist die Herausgabe ein- 319 zelner Wertpapiere nach § 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG indes ausgeschlossen. Mit Blick auf die Verkehrsfähigkeit globalverbriefter Wertpapiere ersetzt der BGH bei in Sammelverwahrung befindlichen Aktien den Herausgabeanspruch durch die Umbuchung zwischen den Depots, d. h., die Besitzverschaffung erfolgt mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von Girosammeldepotgutschriften. Bei einer Dauersammel- oder Dauerglobalurkunde kann der auf die Verschaffung eines mittelbaren Mitbesitzes an der Sammelurkunde gerichtete Herausgabeanspruch gar nur durch

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

eine Umbuchung bei der die Sammelurkunde verwahrenden Wertpapiersammelbank erfüllt werden. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BGH, Urt. v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189; BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, BGHZ 160, 121; Berger, ZInsO 2016, 474, 475.

320 Damit vollzieht sich die Verpfändung sowohl bei einfachen Sammelurkunden als auch bei Dauersammel- bzw. Dauerglobalurkunden nach den gleichen Regeln über die Verpfändung einer beweglichen Sache (§§ 1204 ff. BGB). Vgl. Berger, ZInsO 2016, 474, 475; Tresselt, DB 2016, 514, 516.

321 Bei einer Sammelurkunde oder einer Dauerglobalurkunde liegen regelmäßig zwei Besitzmittlungsverhältnisse vor: Die Sammelbank als unmittelbare Fremdbesitzerin mittelt den Besitz der depotführenden Bank (Depotbank) des Aktieninhabers. Die Depotbank als mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe mittelt den Besitz dem hinterlegenden Aktieninhaber, der mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe ist. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BGH, Urt. v. 22.4.1997 – XI ZR 127/96, ZIP 1997, 1102; Undritz, BB 2016, 74, 74.

322 Soll Pfandgläubiger die Depotbank selbst werden, kann die Verpfändung nach § 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB „kurzer Hand“ durch Einigung über die Entstehung des Pfandrechts erfolgen, weil die Depotbank bereits (mittelbaren) Besitz hat. Dies ist ausreichend, weil die Sammelbank der Depotbank den Besitz mittelt, diese ihren mittelbaren Besitz mithin nicht vom Verpfänder ableitet. Eine Anzeige an die Sammelbank ist in diesem Fall entbehrlich. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BGH, Urt. v. 22.4.1997 – XI ZR 127/96, ZIP 1997, 1102; Undritz, BB 2016, 74, 74.

323 Soll eine dritte Bank Pfandgläubiger werden, richtet sich die Verpfändung dagegen nach § 1205 Abs. 2 BGB. Die Verpfändung erfolgt durch Übertragung des mittelbaren Besitzes (Abtretung des Umbuchungsanspruches) auf den Pfandgläubiger und Anzeige der Verpfändung gegenüber dem unmittelbar ranghöheren (mittelbaren) Besitzer (Depotbank). BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BGH, Urt. v. 22.4.1997 – XI ZR 127/96, ZIP 1997; OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.12.1998 – 19 U 33/98, WM 1999, 2451; Wicke, in: Palandt, BGB, § 1205 Rn. 7; Berger, ZInsO 2016, 474, 475.

324 Bei der Verpfändung handelt es sich im Übrigen um eine sog. akzessorische dingliche Sicherheit, das heißt, sie steht und fällt mit den zu sichernden Forderungen. Daher kommt der Formulierung der Sicherungszweckerklärung besondere Bedeutung zu. Dort heißt es standardmäßig: „Das Pfandrecht dient zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Bank ge-

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I. Ausgangssituation gen den Kreditnehmer aus ihrer bankmäßigen Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art einschließlich etwaiger gesetzlicher Ansprüche und Wechsel). …“

Dieser weite Sicherungszweck kann ggf. dahingehend einzuschränken sein, 325 dass die Verpfändung nicht der Absicherung sämtlicher bestehender Darlehen, sondern lediglich der neu auszureichenden Sanierungsmittel dienen soll. Anderenfalls könnte es sich um eine möglicherweise unwirksame oder anfechtbare Nachbesicherung bestehender Darlehen in der Krise handeln. In engem Zusammenhang mit der Formulierung des Sicherungszwecks steht 326 auch die Frage der Freigabe des Pfandrechts bei Wegfall des Sicherungszwecks, und zwar dann, wenn die neuen Darlehen wieder vollständig zurückgeführt worden sind und ggf. eine Tilgungsaussetzung beendet ist. Bei einer weiten Sicherungszweckerklärung wäre die Verpfändung dagegen dauerhaft, solange die Geschäftsbeziehung zum Kreditinstitut andauert. Alternativ käme eine befristete oder eine auflösend bedingte Verpfändung in Betracht, sodass sichergestellt ist, dass die Banken ihr Pfandrecht an den Gesellschaftsanteilen bei Erfüllung bestimmter Bedingungen (z. B. beim Erreichen einer bestimmten Eigenkapitalquote oder bei der Einhaltung eines Tilgungsplans innerhalb eines festgelegten Zeitraums) auch wieder freigeben. Besondere Bedeutung kommt hierbei den Verwertungsregelungen zu. Diese 327 sind in den Vorschriften der §§ 1228 ff. BGB geregelt. Die Bank ist zur Pfandverwertung berechtigt, sobald die gesicherte Forderung ganz oder zum Teil fällig geworden ist (sog. Pfandreife, §§ 1273 Abs. 2, 1228 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, dass die Bank zunächst das per Pfandrecht gesicherte Darlehen kündigen muss, was für den Kreditnehmer potenziell insolvenzauslösend wirkt. Zudem muss die Verwertung gemäß § 1234 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verpfänder angedroht worden sein und die Wartezeit gemäß § 1234 Abs. 2 BGB, § 368 HGB verstrichen sein. Das Gesetz schreibt den recht komplizierten Weg der öffentlichen Versteige- 328 rung vor (§ 1235 BGB). (Abdingbare) Voraussetzung der Pfandverwertung ist gemäß § 1277 BGB zunächst das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels. Um Verzögerungen bei Eintritt der Pfandreife zu vermeiden, ist es aus Pfandgläubigersicht geboten, im Rahmen der Verpfändungsvereinbarung festzulegen, dass die Pfandverwertung auch ohne einen vollstreckbaren Titel erfolgen darf. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 194; vgl. im Einzelnen zum technischen Ablauf Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 52 ff.

Eine Verwertung durch den Pfandgläubiger durch freihändigen Verkauf ist 329 zwar grundsätzlich denkbar, allerdings kann gemäß §§ 1235, 1245 Abs. 2 BGB nicht vor Eintritt der Pfandreife auf das Erfordernis der öffentlichen Versteigerung verzichtet werden, vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 194; Merkel, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 290; Hagebusch/

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 73; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1155,

sodass die Bank auf die Mitwirkung der Verpfänder angewiesen ist, wenn sie die verpfändeten Gesellschaftsanteile nach Eintritt der Pfandreife im Wege des freihändigen Verkaufs verwerten will. 330 Auch Dritte, denen ein Recht an dem Pfandgegenstand zusteht, das durch die Veräußerung erlischt, müssen der Pfandverwertung zustimmen. Solche Dritte können z. B. Mitgesellschafter oder andere Personen, denen aufgrund der Satzung Vorerwerbsrechte oder ein Nießbrauchsrecht am Geschäftsanteil eingeräumt werden, sein. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 77.

331 In der Sanierungspraxis anzutreffen ist gelegentlich ein konzertiertes Vorgehen durch gezielte Pfandverwertung im Wege eines sog. „Credit Bid“, um z. B. einem Investor das Einrücken in die Gesellschafterstellung zu ermöglichen. Hierbei werden die durch die verpfändeten Gesellschaftsanteile gesicherten Verbindlichkeiten gezielt fällig gestellt. Im Rahmen der Versteigerung oder vereinbarten freihändigen Verwertung bietet der auserkorene Investor statt einer Barzahlung die Übernahme der gesicherten Verbindlichkeiten an. Das Gesetz sieht in § 1238 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich eine (abdingbare) Barzahlungspflicht vor, lässt aber gemäß §§ 1245 Abs. 1, 1246 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarungen bzw. eine abweichende Handhabung aus Billigkeitsgründen und damit die grundsätzliche Möglichkeit eines NichtBarangebots zu. Vgl. Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 959 f.

332 Ohne eine solche abweichende Vereinbarung nach § 1245 Abs. 1 BGB wäre die Übertragung der Anteile im Rahmen der Versteigerung zwar gleichwohl wirksam, der die Vollstreckung betreibende Pfandgläubiger muss sich aber gemäß § 1238 Abs. 2 BGB von dem Eigentümer, dem persönlichen Schuldner und an der Pfandsache dinglich berechtigten Dritten so behandeln lassen, als habe er den Kaufpreis mit Übertragung des Pfandes an den Ersteher in bar vereinnahmt. Vgl. Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1238 Rn. 4 ff.; Wicke, in: Palandt, BGB, § 1238 Rn. 2.

333 Eine abweichende Vereinbarung i. S. v. § 1245 Abs. 1 BGB über die Zulassung eines Nicht-Barangebots kann bereits in der Verpfändungsurkunde selbst, jedenfalls aber bereits vor Pfandreife getroffen werden, da § 1245 Abs. 2 BGB lediglich die Abbedingung der §§ 1235, 1237 und 1240 BGB vor Pfandreife untersagt. 334 Betreiben die gesicherten Pfandgläubiger die Verwertung selbst und übersteigen die gesicherten Verbindlichkeiten den Wert der Anteile, so können sie im Rahmen der Versteigerung mitbieten und mit den Darlehensforderun84

I. Ausgangssituation

gen „bezahlen“, denn der betreibende Gläubiger ist nach §§ 1239 Abs. 1 Satz 2, 1247 Satz 1 BGB ebenfalls von der Barzahlungspflicht befreit, soweit „ihm der Erlös gebührt“. Statt einer Kaufpreiszahlung werden in diesem Falle einfach die „Schulden erlassen“ bzw. die Forderung wird mit dem Gebot verrechnet. Vgl. Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1239 Rn. 2; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 959 f.; Maier-Reimer/Webering, BB 2003, 1630, 1635.

Denkbar ist auch, dass der Investor oder die vollstreckenden Gläubigerban- 335 ken selbst eine Zweckgesellschaft gründen und die Darlehensforderungen auf diese Zweckgesellschaft übertragen werden, welche dann im Rahmen der Versteigerung oder freihändigen Verwertung wiederum die Darlehensforderungen erlässt (§§ 1239 Abs. 1 Satz 2, 1247 Satz 1 BGB). Das Pfandrecht folgt nämlich gemäß § 1250 BGB der Forderung, sodass die Zweckgesellschaft Pfandgläubiger und Forderungsinhaber wird. In der Konsortialkreditpraxis werden die Sicherheiten insgesamt in der Regel 336 zugunsten eines Sicherheiten-Treuhänders (Security Agent) bestellt. Dies geschieht, um den Handel mit Konsortialkrediten und den damit verbundenen Ein- und Austritt von Konsorten in oder aus dem Konsortium zu ermöglichen, da die einzelnen Konsorten jeweils nur Teilgläubiger hinsichtlich des ausgereichten Konsortialkredits sind. Letzteres führt auch dazu, dass kein einzelner Konsorte sämtliche Kreditforderungen in sich bündelt, die mit einer einzigen akzessorischen Sicherheit besichert werden können. Da der Sicherheitentreuhänder in der Regel aber kein Gläubiger (aller Forderungen) ist, geben die Darlehensschuldner ein abstraktes Schuldversprechen i. S. d. §§ 780, 781 BGB (Parallel Debt) in Höhe der gesicherten Konsortialkredite gegenüber dem Sicherheitentreuhänder ab und begründen hierdurch eine eigene Forderung des Sicherheitentreuhänders, die durch ein akzessorisches Sicherungsrecht wie das Pfandrecht an Gesellschaftsanteilen besichert werden kann. Durch schuldrechtliche Abreden sind die Kreditforderungen und das abstrakte Schuldversprechen derart miteinander verknüpft, dass Zahlungen auf die eine Schuld auch die jeweils andere Schuld mindern oder sich Höhe und Bestand der Parallelverpflichtung durch Verweis auf die Hauptschuld an deren Höhe orientieren, die Parallelverpflichtung also mit der Hauptschuld „atmet“. Dies ermöglicht es dem Sicherheiten-Treuhänder, im Sicherungsfall auch die akzessorischen Sicherheiten zur Befriedigung der gesamten Verbindlichkeiten gegenüber allen Konsorten zu verwerten. Vgl. umfassend v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 5 Rn. 354 ff.; Hoffmann, WM 2009, 1452 ff.

Um der Zweckgesellschaft den Pfanderwerb durch Verrechnung der Forde- 337 rung mit dem Gebot über die §§ 1239 Abs. 1 Satz 2, 1247 Satz 1 BGB zu ermöglichen, müsste der Sicherheiten-Treuhänder mithin die Forderung aus dem abstrakten Schuldversprechen an die Zweckgesellschaft abtreten, was in

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

der Regel unpraktikabel wäre, da er dann an der Verwertung der weiteren akzessorischen Sicherheiten gehindert wäre. Vgl. Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 960, die auf die Problematik des Auseinanderfallens von Berechtigung zur Pfandverwertung (Sicherheiten-Treuhänder) und Gläubigerstellung hinsichtlich der abgetretenen Darlehensforderungen (Zweckgesellschaft) hinweisen.

338 In diesem Falle bleibt mithin wiederum nur der Weg, durch eine abweichende Vereinbarung i. S. d. § 1245 Abs. 1 BGB die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Zweckgesellschaft zu vereinbaren. 339 Anbieten wird sich eine solche Pfandverwertung in der Regel etwa in Konzernstrukturen, wenn Darlehensnehmerin die Konzernholding-Gesellschaft ist, die als Sicherheit die Gesellschaftsanteile an ihren operativen Tochtergesellschaften verpfändet hat. Werden die Darlehen dann gegenüber der Holding fällig gestellt, wirkt sich dies nicht unmittelbar auf die Zahlungsfähigkeit der operativen Tochtergesellschaften aus und die Gesellschaftsanteile an diesen Gesellschaften können über eine Pfandverwertung an die vollstreckenden Gläubigerbanken selbst oder einen Drittinvestor veräußert werden. Denn Ziel wird es regelmäßig sein, die Insolvenz bei den operativen Zielgesellschaften zu vermeiden, da die Versteigerung von Unternehmensanteilen an insolventen Gesellschaften oftmals wenig erfolgversprechend sein wird. 340 Sind die operativen Tochtergesellschaften selbst Darlehensnehmer, wird versucht, die Insolvenzvermeidung der operativen Tochtergesellschaften dadurch sicherzustellen, dass die Konzernholding gegenüber den Kreditgebern eine Garantie für die Darlehensverbindlichkeiten der Tochtergesellschaften übernimmt. Werden die Darlehen gegenüber den Tochtergesellschaften zunächst gekündigt, tritt auch die Pfandreife hinsichtlich des gegen die Holding gerichteten Garantieanspruchs ein. Gegenüber den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften wird dann über einen sog. „Feel Good Letter“ oder „Comfort Letter“ erklärt, dass die Darlehensforderungen gegenüber den Tochtergesellschaften nicht „ernsthaft eingefordert“ werden, was nach der Rechtsprechung des BGH bewirkt, dass diese Verbindlichkeiten bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaften nicht als fällige Verbindlichkeiten berücksichtigt werden müssen. 341 Dieser Weg ist nicht unriskant und muss jedenfalls sorgfältig vorbereitet und abgestimmt sein, namentlich müssen insbesondere die Organe der operativen Tochtergesellschaften überzeugt sein, dass dieser Schritt zur Sanierung erforderlich ist und diese nach Kündigung der Darlehen nicht unmittelbar Insolvenzantrag stellen. Auch ist Eile geboten, um die Pfandrechtsverwertung innerhalb der Dreiwochenfrist durchführen zu können.

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I. Ausgangssituation

(2) Verwertungsrecht in der Insolvenz des Verpfänders In der Entscheidung vom 24.9.2015,

342

BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23,

hat sich der BGH auch zu der Frage geäußert, wem in der Insolvenz des Verpfänders das Recht zur Verwertung der verpfändeten Unternehmensanteile zusteht – dem Pfandgläubiger oder dem Insolvenzverwalter. Einige wichtige Praxisfragen hat der BGH aber offengelassen (siehe hierzu auch noch Rn. 1011 ff.). Im Ausgangspunkt geht es um die im Schrifttum sehr umstrittene Frage des 343 Anwendungsbereichs des § 166 InsO. Nach § 166 Abs. 1 InsO ist der Verwalter zur Verwertung beweglicher Sachen, an denen ein Absonderungsrecht des Gläubigers besteht, berechtigt, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. Nach § 166 Abs. 2 InsO ist der Verwalter zudem berechtigt, Forderungen, die der Schuldner zur Sicherheit abgetreten hat, einzuziehen. Soweit der Verwalter nicht nach § 166 Abs. 1 InsO zur Verwertung einer beweglichen Sache oder nach § 166 Abs. 2 InsO zur Einziehung einer sicherungshalber abgetretenen Forderung berechtigt ist, bleibt nach § 173 Abs. 1 InsO der absonderungsberechtigte Gläubiger zur Verwertung berechtigt. Dem Wortlaut des § 166 InsO nach besteht ein Verwertungsrecht des Verwalters mithin nur hinsichtlich beweglicher Sachen, wenn er Besitz an diesen hat, und an sicherungszedierten Forderungen. Über die im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich geregelte Frage, wem das 344 Verwertungsrecht an besitzlosen Rechten (etwa Patente, Marken oder Urheberrechte, aber auch an nicht verbrieften Unternehmensbeteiligungen wie GmbH- oder Kommanditanteilen) zustehen soll, ist ein heftiger Meinungsstreit im Schrifttum entbrannt. Eine Auffassung befürwortet eine analoge Anwendung des § 166 InsO und 345 argumentiert mit dem Normzweck des § 166 Abs. 1 InsO (§ 191 des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung). Namentlich soll das in § 166 Abs. 1 InsO normierte Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters für mit einem Absonderungsrecht belastete Gegenstände, die er im Besitz hat, sicherstellen, dass der technisch-organisatorische Verbund des schuldnerischen Unternehmens erhalten bleibt, um eine Fortführung zu ermöglichen oder durch eine gemeinsame Verwertung zusammengehöriger, aber für unterschiedliche Gläubiger belasteter Gegenstände einen höheren Gesamtveräußerungserlös zu erzielen. Zudem wird darauf verwiesen, dass § 199 RegE-InsO noch vorsah, dass das Insolvenzgericht auf Antrag des Verwalters anordnen könne, dass diesem vom absonderungsberechtigten Gläubiger auch solche Gegenstände und Rechte zur Nutzung und Verwertung überlassen werden, die für die „Geschäftsführung des Verwalters“ benötigt werden. In der Begründung hieß es hierzu, dass in Ausnahmefällen auch bewegliche Sachen, die sich nicht im Besitz des Verwalters befinden, aber auch Rechte wie gewerbliche Schutzrechte, die vor Verfahrenseröffnung verpfändet wurden, für die Fortführung des Unternehmens benötigt werden. Als der Rechtsausschuss § 199 87

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

RegE-InsO gestrichen habe, um das Insolvenzgericht zu entlasten, habe er übersehen, dass damit auch eine Regelung über das Nutzungs- und Verwertungsrecht hinsichtlich besitzloser Rechte komplett aus dem Regelungsbereich der Insolvenzordnung entfallen sei. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 178 (zu § 191 RegE-InsO) und S. 183 (zu § 199 RegE-InsO). Für eine analoge Anwendung des § 166 InsO daher z. B. Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 166 Rn. 35 ff. (statt an Besitz an Nutzungsbefugnis anknüpfend); Undritz, BB 2016, 74, 77; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2249 ff., jeweils m. w. N.

346 Die Gegenauffassung lehnt eine Ausdehnung des Verwertungsrechts des Verwalters nach § 166 InsO auf besitzlose Rechte und unverbriefte Unternehmensbeteiligungen ab und argumentiert hierbei ebenfalls mit der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut der insolvenzrechtlichen Regelungen. Namentlich zeige etwa ein Vergleich zwischen § 50 Abs. 1 InsO und § 166 Abs. 2 InsO, dass der Gesetzgeber sehr genau zwischen Forderungen und (Pfand-)Rechten unterschieden habe. Zudem seien das Verwertungsrecht an mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen sowie die Kostenbeitragsregelungen Gegenstand jahrelanger intensiver Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren gewesen. §§ 165, 166 InsO hätten die Fälle, in denen dem Gläubiger das Verwertungsrecht zugunsten eines Verwertungsrechts des Verwalters entzogen werden sollte, abschließend regeln sollen. Das Gesetzgebungsverfahren hätte vor dem Hintergrund der intensiven Befassung mit der Frage des Verwertungsrechts schließlich darin gemündet, dass das in § 199 RegE-InsO vorgesehene Antragsrecht des Verwalters auf Zuweisung der Nutzungs- und Verwertungsbefugnisse u. a. an sonstigen Rechten gerade gestrichen wurde. Zudem sei der Wortlaut des § 173 Abs. 1 InsO (§ 200 RegE-InsO), der das Verwertungsrecht für alle nicht geregelten Fälle eines Verwertungsrechts des Verwalters weiterhin dem Gläubiger zuweise, bewusst an § 166 Abs. 2 InsO angepasst und auf Forderungen beschränkt worden. Zuvor hatte es in § 173 Abs. 1 (§ 200 RegE-InsO) noch ausdrücklich geheißen: „Soweit der Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung (…) eines Rechts berechtigt ist.“ Diese Gesetzgebungsgeschichte schließe eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie aus. Gegen eine Analogie daher z. B. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1; AG Karlsruhe, Urt. v. 7.2.2008 – 12 C 490/07, ZIP 2009, 143; Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 166 Rn. 97 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.824.

347 In der genannten Entscheidung vom 24.9.2015 musste der BGH die Frage nicht entscheiden, sondern konnte diese ausdrücklich offenlassen, BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, juris Rn. 19,

weil es im Entscheidungsfall um in einer Dauerglobalurkunde verbriefte Aktien und damit um eine bewegliche Sache i. S. d. § 166 Abs. 1 InsO ging (siehe Rn. 317 ff.). 88

I. Ausgangssituation

Der BGH hat zur Bestimmung des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO 348 zwar zunächst auf die Besitzverhältnisse abgestellt, das Besitzmerkmal als maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Frage, ob dem Verwalter das Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO zusteht, in einem zweiten Schritt aber wieder eingeschränkt. Zunächst hat der BGH festgestellt, dass das Verwertungsrecht des Verwal- 349 ters nach § 166 Abs. 1 InsO voraussetze, dass der Verwalter Besitz an den mit einem Absonderungsrecht belasteten beweglichen Sachen habe. Hierfür genüge grundsätzlich auch der mittelbare Besitz. Wie oben dargelegt bleibt der Eigentümer bei einer Verpfändung globalverbriefter Aktien mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe (siehe Rn. 321). Vor diesem Hintergrund sei ein Verwertungsrecht des Verwalters an den 350 dauerglobalverbrieften Aktien grundsätzlich möglich, denn nach dem Wortlaut des § 166 Abs. 1 InsO würde ein jeglicher Besitz des Verwalters sein Verwertungsrecht begründen. Die Vorschrift sei indes vor dem Hintergrund ihres Normzwecks zu verstehen, die wirtschaftliche Einheit des Schuldnerunternehmens zur Wahrung von Fortführungsmöglichkeiten zu erhalten und die Verwertungsmöglichkeit zu optimieren. Der Besitz sei hierbei nur ein typisierendes Kriterium für die Zugehörigkeit zur wirtschaftlichen Einheit des schuldnerischen Unternehmens, weswegen § 166 Abs. 1 InsO nach Sinn und Zweck zu begrenzen sei. Der Gesetzgeber sei ebenfalls davon ausgegangen, dass es Besitzlagen gebe, die ein Verwertungsrecht des Verwalters nicht begründen, etwa den vom Sicherungsgläubiger vermittelten Besitz. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, jurisRn. 22.

In einem zweiten Schritt prüfte der BGH folglich, ob das verpfändete Akti- 351 enpaket zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnerunternehmens gehörte. Hierfür sei abzugrenzen, ob das Aktienpaket eine „echte“ Unternehmensbeteiligung (dann Verwertungsrecht des Verwalters) oder eine „bloße“ Finanzanlage (dann Verwertungsrecht des Pfandgläubigers) darstelle. Eine vergleichbare Differenzierung entnimmt der BGH der Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO (§ 104 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InsO a. F.), nach der ein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters bei Fixgeschäften zur Lieferung von Wertpapieren oder vergleichbaren Rechten ausgeschlossen ist, es sei denn mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen ist die Herstellung einer dauernden (Unternehmens-)Verbindung beabsichtigt. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, juris-Rn. 28 ff.; vgl. auch Berger, ZInsO 2016, 474, 476 f.; Undritz, BB 2016, 74, 75.

Im Sinne einer (weiteren) Typisierung stellt der BGH sodann auf die Zwei- 352 felsregelung des § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB ab. Demnach sei in der Regel von einer Unternehmensbeteiligung des Schuldners (und damit von einem Verwertungsrecht des Verwalters) auszugehen, wenn die Beteiligungsquote des

89

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Schuldners die Schwelle von 20 % überschreite, wenngleich der BGH in diesem Zusammenhang auch klarstellt, dass eine bestimmte Anteilsquote grundsätzlich nicht zu fordern sei. Auch bei einer unter 20 % liegenden Beteiligung käme die Annahme einer Unternehmensbeteiligung in Betracht, wenn „weitere Faktoren“ hinzukämen, etwa eine über den bloßen Aktienbesitz hinausgehende Verbindung des Schuldners zu der Aktiengesellschaft. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, jurisRn. 33.

353 Im Ergebnis hat der BGH der Praxis mit der 20 %-Schwelle damit zwar eine Auslegungsregelung für die Zuordnung des Verwertungsrechts an (global) verbrieften Aktien an die Hand gegeben, eine rechtssichere Bewertung, wer zur Verwertung solcher Wertpapiere befugt ist, bleibt jedoch schwierig. 354 Die Entscheidung wird daher in der Literatur auch kritisch gesehen. So weisen Berger und Obermüller darauf hin, dass die vom BGH aufgestellten Leitlinien keine scharfen Kriterien seien, namentlich mit Blick auf stimmrechtslose Vorzugsaktien oder indirekten Anteilsbesitz. Ferner sei fraglich, was bei der Verpfändung nur eines Teils der schuldnerischen Aktien gelte – die Höhe des verpfändeten Aktienpakets oder die Gesamtbeteiligung des Schuldners. Auch sei für den Rechtsverkehr nicht immer sicher zu bestimmen, ob „weitere Faktoren“ hinzukämen, die zu einer von der 20 %-Schwelle abweichenden Beurteilung nötigen. Dies bringe Unsicherheiten hinsichtlich der Verwertungsbefugnis mit sich, die über § 1244 BGB auch auf die Pfandverwertung durchschlagen können und von einem Erwerber von Absonderungsgut eingepreist würden, was wiederum dem Normzweck des § 166 InsO, einen möglichst hohen Verwertungserlös zu erzielen, zuwider liefe. Vgl. Berger, ZInsO 2016, 474, 476 f.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.837d; ähnlich Tresselt, DB 2016, 514, 517 f., der sich daher i. S. d. Rechtssicherheit bei der Verwertung von Massegegenständen dafür ausspricht, Unternehmensbeteiligungen (Aktien, GmbH- und Kommanditanteile oder sonstige Beteiligungen) rechtsformunabhängig gemäß § 173 Abs. 1 InsO dem Verwertungsrecht des Gläubigers zu unterwerfen. Aus den gleichen Gründen dagegen in Anlehnung an § 33 WpHG (§ 21 WpHG a. F.) ab einer Beteiligungsschwelle von 5 % zu einem Verwertungsrecht des Verwalters kommend Bitter, ZIP 2015, 2249, 2251 f.

355 Im Fall des BGH bestand tatsächlich ebenfalls die Besonderheit, dass der Schuldner seine Aktien nicht nur den beteiligten Depotbanken verpfändet hatte, sondern diese daneben im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand einem Treuhänder zu Eigentum übertragen hatte. Diese Konstellation hatte es im Entscheidungsfall nach Ansicht des BGH gerechtfertigt, trotz Überschreitens einer Beteiligungsschwelle von 20 % kein Verwertungsrecht des Verwalters anzunehmen. 356 An dem notwendigen Besitz des Verwalters als erstem Anknüpfungspunkt für ein Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO habe sich hierdurch zunächst nichts geändert. Im Gegensatz zu den oben dargestellten regelmäßigen Besitz90

I. Ausgangssituation

verhältnissen bei der Verpfändung globalverbriefter Aktien (siehe Rn. 321) habe der Schuldner zwar seine Besitzposition auf den zwischengeschalteten Treuhänder übertragen, ein Treuhandvertrag stelle aber wiederum ein Besitzmittlungsverhältnis i. S. d. § 868 BGB dar, in dem der Treuhänder dem Schuldner als Treugeber den Besitz mittele, was zu folgenden Besitzpositionen führe: Die Wertpapiersammelbank blieb unmittelbare Fremdbesitzerin, die Depotbanken waren mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe, der Treuhänder mittelbarer Fremdbesitzer zweiter Stufe und der Schuldner mittelbarer Eigenbesitzer dritter Stufe. Auch in dieser Konstellation sei mittelbarer Besitz beim Schuldner verblieben, an den ein Verwertungsrecht des Verwalters grundsätzlich anknüpfen könne. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, juris-Rn. 21.

Dass es eine wertende Betrachtung – unter Berücksichtigung der Beteili- 357 gungsquote als Zweifelsregelung – rechtfertigen könne, den mit einer besseren Besitzposition ausgestatteten Pfandgläubiger trotz des nur mittelbaren Besitzes des Verwalters auf ein Verwertungsrecht des Verwalters zu verweisen, habe seine Rechtfertigung insbesondere darin, dass die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte aus den verpfändeten Anteilen trotz Verpfändung bei dem Anteilsinhaber verbleibe. Der Pfandgläubiger sei nur zur Befriedigung aus den verpfändeten Anteilen nach Eintritt der Pfandreife berechtigt, nicht aber zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, die eine Unternehmensbeteiligung gerade charakterisieren. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, juris-Rn. 28 ff.

Im Entscheidungsfall hatte der Schuldner auf Basis des abgeschlossenen 358 Treuhandvertrags seine Mitgliedschaftsrechte aber auf den Treuhänder übertragen und diesen zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ermächtigt. Eine Weisungsbefugnis des Schuldners gegenüber dem Treuhänder war ausgeschlossen, weil die finanzierenden Banken (Pfandgläubiger) eine Einflussnahme des Schuldners auf die Sanierung ausschließen wollten (vgl. zum Weisungsrecht noch Rn. 553 ff.). Auch eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit der Treuhandvereinbarung für 359 den Schuldner war ausgeschlossen, solange das Unternehmen noch öffentliche oder öffentlich verbürgte Mittel in Anspruch nahm, wenn nicht sämtliche an dem Sanierungskonzept Beteiligen einer vorzeitigen Aufhebung der Treuhandvereinbarung zustimmten (zu Regelungen für die Aufhebung einer Treuhandvereinbarung vgl. noch Rn. 606 ff.). Durch diese Regelungen wurde der Schuldner aber durch den Treuhänder 360 aus seiner Stellung als Mitglied verdrängt, sodass die Zuweisung des Verwertungsrechts an den Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 InsO trotz einer die Schwelle von 20 % überschreitenden Unternehmensbeteiligung nach der gebotenen, am Sinn und Zweck des § 166 InsO ausgerichteten Auslegung im 91

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Streitfall nach Ansicht des BGH ausschied, weil dieser aufgrund der Treuhandvereinbarung gehindert war, die Mitgliedschaftsrechte aus den verpfändeten Aktien auszuüben (vgl. zur ebenfalls erörterten Insolvenzfestigkeit der doppelnützigen Treuhand Rn. 972 ff.). BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, juris-Rn. 34; vgl. auch Berger, ZInsO 2016, 474, 480; Undritz, BB 2016, 74, 75 f.; Tresselt, DB 2016, 514, 518; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2255 f.

361 Zusammenfassend überzeugt die Entscheidung des BGH für den entschiedenen Fall und der Praxis wird durch die aufgezeigte 20 %-Schwelle als Zweifelsregelung zumindest eine Orientierungshilfe zur Bestimmung des Verwertungsrechts hinsichtlich verpfändeten Unternehmensbeteiligungen an die Hand gegeben. 362 Trotzdem verbleiben offene Fragen die zu Rechtsunsicherheit führen. Namentlich bleibt offen, wem das Verwertungsrecht an nicht verbrieften Unternehmensbeteiligungen wie GmbH- oder KG-Anteilen zustehen soll, die jedenfalls im Mittelstand den wesentlich größeren Teil der Unternehmensbeteiligungen darstellen dürften. Bleibt es hier bei dem Erfordernis einer Besitzposition (dann käme im Grunde nie ein Verwertungsrecht des Verwalters in Betracht) oder sollen doch die zur Frage des Vorliegens einer Unternehmensbeteiligung angestellten Erwägungen (maßgebliche Beteiligung und Ausübung der Mitgliedschaftsrechte) ausschlaggebend sein (vgl. hierzu noch Rn. 1011 ff.). 363 Auch bleibt offen, welche „anderen Faktoren“ im Einzelfall eine von den Beteiligungsverhältnissen und Einflussmöglichkeiten abweichende Beurteilung rechtfertigen sollen, sodass die Pfandgläubiger in Zweifelsfällen bis zu einer weiteren höchstrichterlichen Klärung oder einer gesetzgeberischen Korrektur auf Verwertungsvereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter setzen werden. Im Ergebnis ebenso Berger, ZInsO 2016, 474, 482 f.; Tresselt, DB 2016, 514, 519.

364 Schließlich zeigt die Entscheidung nochmals die Bedeutung einer doppelnützigen Treuhandvereinbarung (auch neben einer Verpfändung der Anteile) für die Bestimmung des Verwertungsrechts und damit für die Autonomie der Pfandgläubiger auf, über die Verwertung des Unternehmens zu entscheiden, die wie im nachfolgenden Abschnitt aufgezeigt wird, deutliche Vorteile gegenüber der direkten Übertragung der Mitgliedschaftsrechte auf die Pfandgläubiger mit sich bringt. (3) Haftungs- und Anfechtungsrisiken 365 Infolge der Entscheidung zum „atypischen Pfandgläubiger“, vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191,

kann aus Sicht der Bank auch die Besicherung durch ein Pfandrecht an Gesellschaftsanteilen Haftungs- und Anfechtungsrisiken bergen. Demnach kann 92

I. Ausgangssituation

auch ein Pfandgläubiger wie ein Gesellschafter mit den gesetzlichen Folgen zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen (Nachrang, Anfechtbarkeit) anzusehen sein (siehe Rn. 198 ff.), wenn er sich zusätzliche Befugnisse einräumen lässt, die es ihm ermöglichen, die Geschicke einer GmbH ähnlich wie ein Gesellschafter mitzubestimmen. Vgl. hierzu bereits BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258: In dieser Entscheidung hatte der BGH ausgeführt, dass es geboten sei, einen „Treugeber“, der sich im Rahmen einer sog. Strohmanngründung einer GmbH zweier vorgeschobener Treuhandgesellschafter bediente, „passiv einem Gesellschafter gleichzustellen“, da er aufgrund des Treuhandverhältnisses mit den Strohmännern (bzw. nach § 665 BGB) weisungsbefugt und wahrer wirtschaftlich Berechtigter sei. Im Ergebnis haftete der Treugeber – in diesem Fall handelte es sich um einen Fall der Erwerbstreuhand – im Rahmen der §§ 19, 24, 30 GmbHG wie ein Gesellschafter für die Kapitalaufbringung bzw. die Erstattung unzulässig zurückgewährter Einlagen. Die gleiche Rechtsfolge traf in dem der Entscheidung BGHZ 81, 311 (BGH, Urt. v. 21.9.1981 – II ZR 104/80, ZIP 1981, 1200), zugrunde liegenden Fall eine kreditgebende Bank, die die Anteile an der Kreditnehmerin über eine Tochtergesellschaft hielt. Der BGH stellte klar, dass die §§ 30, 31 GmbHG auch auf Leistungen an mittelbare Gesellschafter Anwendung finden. Dies gilt nach BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 jedenfalls immer dann, wenn ein Dritter, an den Vermögenszuwendungen aus dem Vermögen der GmbH bewirkt wurden, (1) wie ein Gesellschafter am wirtschaftlichen Erfolg der GmbH partizipiert und (2) über einem Gesellschafter vergleichbare Mitwirkungsrechte verfügt, wovon bei einem mittelbaren Gesellschafter regelmäßig auszugehen sei. Siehe zur Ausnahme für über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften gehaltene Tochtergesellschaften Rn. 204 ff.

Das Pfandrecht gibt dem Pfandgläubiger nur das Recht, sich aus dem Gesell- 366 schaftsanteil durch dessen Verwertung nach Eintritt der Pfandreife zu befriedigen. Wenn sich der Pfandgläubiger durch weitergehende Nebenabreden aber eine Position einräumen lässt, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder doch jedenfalls nahekommt, ist es nach Ansicht des BGH geboten, ihn wie einen Gesellschafter zu behandeln. Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, juris-Rn. 19 ff.

Von der Verpfändung des Gesellschaftsanteils selbst zu unterscheiden ist die 367 Verpfändung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögensrechte, namentlich insbesondere gegenwärtige und künftige Ansprüche auf Auszahlung von Gewinn, der Anspruch auf Auszahlung des Liquidationserlöses bei Auflösung der Gesellschaft, Abfindungsansprüche bei Austritt aus der Gesellschaft sowie Ansprüche auf Kaufpreiszahlung bei Verkauf der Gesellschaft. Solche vermögenswerten Ansprüche und Rechte werden in der Praxis regelmäßig mitverpfändet, da erst nach der Vollstreckung aus dem Pfand93

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

recht an dem Gesellschaftsanteil alle danach entstehenden Ansprüche aus der Mitgliedschaft erfasst werden. § 1289 BGB ist insofern nicht (analog) anwendbar. Die gesonderte Verpfändung der vermögenswerten Ansprüche ermöglicht es dem Pfandgläubiger, diese Forderungen nach Pfandreife einzuziehen (§§ 1282, 1228 Abs. 2 BGB), ohne das mühsame Verfahren der Verwertung des Gesellschaftsanteils betreiben zu müssen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335; Obermüller, Bankrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.429 ff.; Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 150 ff. (zu GmbH-Anteilen) und Rn. 157 ff. (zu Anteilen an Personengesellschaften).

368 Werden über die Verpfändung eines Gesellschaftsanteils hinaus auch die vermögenswerten Ansprüche aus der Mitgliedschaft zugunsten des Pfandgläubigers verpfändet, kann dies – jedenfalls i. V. m. weiteren Umständen – ein erstes Indiz für eine gesellschaftergleiche Stellung des Pfandgläubigers sein. Dies gilt insbesondere, wenn auch Gewinnbezugsrechte, die eng mit der Mitgliedschaft verknüpft sind, verpfändet werden. Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, juris-Rn. 15 f.; in die gleiche Richtung OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2018 – 4 U 49/17, ZInsO 2018, 2191 (juris-Rn. 36: „Kriterien (für eine gesellschaftergleiche Stellung) sind Gewinnbezugs- und Entnahmerechte“); OLG Hamm, Urt. v. 16.1.2008 – 8 U 138/06, juris (juris-Rn. 62: „Verpfändet ist nicht allgemein das Gewinnbezugsrecht (in diesem Fall wäre die Zulässigkeit der Pfändung zumindest fraglich), sondern die Ansprüche auf die Gewinne. Das vermittelt keinen Einfluss auf die Geschäftsführung.“); vgl. auch Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 93 Rn. 151 ff. In der Praxis wird in der Verpfändungsvereinbarung daher regelmäßig klargestellt, dass das Stimmrecht beim Verpfänder bleibt. Ferner ist es üblich, dass der Verpfänder jedenfalls bis zum Eintritt der Pfandreife hinsichtlich der Ansprüche auf Gewinnauszahlung verfügungsbefugt bleibt.

369 Die Annäherung des Pfandgläubigers an die Stellung eines Gesellschafters kommt nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn dieser sich in weiteren Nebenabreden, die nicht notwendigerweise in ein und derselben Vereinbarung enthalten sein müssen, solch weitergehende Rechte hat einräumen lassen, dass er die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch die eigentlichen Gesellschafter oder die Geschicke des Unternehmens weitgehend kontrollieren oder bestimmen kann. 370 Solche weitergehenden Rechte können sein: x

(Mittelbare) Befugnisse zur Einflussnahme auf Geschäftsführung und Gestaltung der Gesellschaft, auch in Form der Einschaltung Dritter (Unternehmensberatung) im Rahmen einer „faktischen Geschäftsführung“.

x

Zustimmungsvorbehalte für Gewinnverwendungsbeschlüsse oder strukturändernde Maßnahmen (z. B. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft oder Gesellschafterwechsel).

94

I. Ausgangssituation

x

Zustimmungsvorbehalt zu in der Entscheidungskompetenz der Gesellschafter liegenden Gegenständen oder Mitspracherechte in Bezug auf die Besetzung von Führungsstellen.

x

Zustimmungsvorbehalte zu der Veräußerung oder Belastung von Gesellschaftsanteilen.

x

Zustimmungsvorbehalte oder Widerspruchsrechte für bestimmte Geschäftsführungsentscheidungen (z. B. bei beabsichtigter Veräußerung vorhandener Vermögenswerte, Investitionen außerhalb eines vorher abgestimmten Investitionsplans, Aufnahme oder Vergabe von Krediten oder Garantien, Akquisition oder Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, bei Dividendenzahlungen etc.).

x

Verpfändung oder Abtretung der grundsätzlich nur Gesellschaftern zustehenden Ansprüche auf Auszahlung von Abfindungsansprüchen in allen Fällen des Austritts, die Ansprüche auf Auszahlung des Liquidationserlöses im Falle der Auflösung der Gesellschaft und auf Zahlung des Kaufpreises im Falle der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und insbesondere Mitverpfändung der Gewinnbezugsrechte aus den verpfändeten Gesellschaftsanteilen.

x

Gewinnabhängige Zahlungsverpflichtungen. Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191; Obermüller, Bankrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.880.

b) Fazit 371

Als Fazit lässt sich Folgendes festhalten: 1. Die unmittelbare Gesellschafterstellung ist für Banken und andere Fremdkapitalgeber in einer Sanierungssituation regelmäßig nicht erstrebenswert, da sie mit relativ hohen Haftungs- und Anfechtungsrisiken verbunden ist. So laufen die Kreditgeber, die sich an ihrem Schuldner unmittelbar beteiligen, Gefahr, dass die gewährten Darlehen nachrangig und damit Rückzahlungen und Besicherungen insolvenzrechtlich anfechtbar werden. Zudem gehen mit dem gesellschaftsrechtlich beherrschenden Einfluss in der Krise nicht unerhebliche weitere Haftungsrisiken einher. 2. Das Pfandrecht unterscheidet sich von der Treuhandschaft vor allem dadurch, dass der Pfandgläubiger (anders als der Treuhänder) nicht Gesellschafter wird und ihm keine Verwaltungs- und Stimmrechte zustehen, sodass er auf das Unternehmensgeschehen keinen Einfluss nehmen kann. Auch die Verfügungs- und Verwertungsrechte bleiben beim Pfandrecht deutlich hinter denjenigen des Treuhänders zurück. Ferner ist das Pfandrecht ein akzessorisches Sicherungsrecht, das mit der gesicherten Forderung erlischt (vgl. § 1252 BGB). Zudem ist angesichts der gesetzlichen Verwertungsvorschriften eine optimale – d. h. bezogen auf Sanierungssituationen

95

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

vor allem schnelle – Pfandverwertung im Sicherungsfall nicht gewährleistet, sodass dem Pfandrecht nur ein geringer Sicherheitenwert beizumessen ist. Vgl. Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 785.

Das Pfandrecht vermittelt den Darlehensgebern damit nur einen unzureichenden, allenfalls flankierenden Schutz. Eine berechenbare Gesellschafterposition oder eine gesellschaftsrechtlich bedeutsame Mitsprachemöglichkeit bei Unternehmensentscheidungen von wesentlicher Bedeutung verschafft ihnen das Pfandrecht gerade nicht. Versuchen sie, diesen Einfluss über das Pfandrecht flankierende Nebenabreden sicherzustellen, droht wiederum die Umwidmung der Kredite in Gesellschafterdarlehen nach den Grundsätzen des „atypischen Pfandgläubigers“. Die Pfandgläubiger können mit dem Pfandrecht im Grunde lediglich Zwischenverfügungen und Anteilsverkäufe verhindern. Eine aktive Rolle mit der Möglichkeit, die Sanierung auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zu überwachen bzw. zu begleiten oder nach genau festgelegten Positiv- oder Negativkriterien selbst einen professionellen Verkaufsprozess einzuleiten, ist damit nicht verbunden. 3. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, lassen sich diese Schwachstellen mit einer doppelnützigen Treuhand beseitigen. Bei richtiger Ausgestaltung sichert sie den Banken unter bestimmten Bedingungen den Zugriff auf die Gesellschaftsanteile, zumindest auf deren Mehrheit, ohne sie ihnen – gesellschafts- und insolvenzrechtlich nachteilhaft – zuzurechnen. Gesellschaftsanteile

Verpfändung • Keine berechenbare Gesellschafterposition

direkte Anteilsübertragung • Insolvenzrechtlicher Nachrang,

• kein Vollrecht, daher Problem bei angestrebtem Verkauf

• Anfechtungsrisiken hinsichtlich Tilgungsleistungen und Sicherheiten

• Haftungsrisiken der Begünstigten

• faktische Geschäftsführung

• Rechtsprechung zum „atypischen“ Pfandgläubiger

unzureichende Besicherung

gefährliche Besicherung

Abb. 7: Nachteile bei direkter Sicherung durch Anteile als Sicherungsgut

96

II. Treuhandmodelle

II. Treuhandmodelle Im Folgenden werden zunächst die Begrifflichkeiten, dann die Treuhandmo- 372 delle sowie anschießend Erfolgsfaktoren und Nutzen sowie Ablauf und Kosten erläutert. 1. Überblick und Begrifflichkeiten Einen allgemein anerkannten Rechtsbegriff der Treuhand gibt es nicht. Ins- 373 besondere gibt es keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen. Die Treuhand vereint Merkmale verschiedener Vertragstypen; so enthält sie wesentliche Elemente eines Auftrags bzw. Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. v. § 675 Abs. 1 BGB und eines (atypischen) Sicherungsvertrags (ggf. zugunsten Dritter) als Vertrag sui generis i. S. v. § 311 Abs. 1 BGB sowie in der Regel auch sachenrechtliche Elemente (Anteilsabtretungen, Verfügungsverbote etc.). Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 3; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 5; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/ Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 493; Hagebusch/ Schiller, BankPraktiker 2008, 342, 345; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 499.

In der Praxis haben sich zahlreiche Gestaltungsformen herausgebildet, denen 374 gemeinsam ist, dass eine Person (Treuhänder) über eine vermögenswerte Position (Treugut) im Außenverhältnis zu Dritten verfügen kann, dabei jedoch einer anderen Person (Treugeber) gegenüber schuldrechtlich durch einen Treuhandvertrag verpflichtet ist, die im Außenverhältnis eingeräumte Rechtsmacht nur im Einklang mit den Bindungen im Innenverhältnis auszuüben. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 11 f.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 493; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 35; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.12.1998 – III ZR 288/96, ZIP 1999, 59; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 355.

Herkömmlicherweise werden die verschiedenen Treuhandgestaltungen nach 375 der dem Treuhänder eingeräumten Rechtsmacht unterschieden, namentlich danach, ob dem Treuhänder das Treugut zum Vollrecht übertragen wird (sog. echte Treuhand) oder ob ihm lediglich die Befugnis eingeräumt wird, über das fremde Recht zu verfügen (sog. unechte Treuhand). Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 5; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 11 ff.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 7 f.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 494 f.; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 35.

97

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

a) Unterscheidung nach der Rechtsinhaberschaft 376 Nach der Rechtsinhaberschaft am Treugut wird zwischen der Vollrechtstreuhand (echte Treuhand) und der Vollmachts- und Ermächtigungstreuhand (unechte Treuhand) unterschieden. aa) Vollrechtstreuhand (echte Treuhand) 377 Die Vollrechtstreuhand ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Treuhänder das Treugut zum Vollrecht übertragen wird. In ihr manifestiert sich somit das typische Treuhandmoment des Auseinanderfalles von äußerer Rechtszuständigkeit und innerer Pflichtenbindung. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 35; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 7; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 21 ff.; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 500.

378 Im Rahmen der Vollrechtstreuhand wird weiterhin nach der Form des Zustandekommens der Rechtsinhaberschaft unterschieden: (1) Übertragungstreuhand 379 Die Übertragungstreuhand wird dadurch begründet, dass der Treugeber das Treugut unmittelbar auf den Treuhänder überträgt. Die Übertragungstreuhand wird auch Treuhand „im engeren (oder: eigentlichen) Sinne“ oder „im Rechtssinne“ oder auch einschränkend als einzige Form der „echten“ Treuhand bezeichnet. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 52 f.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 24 f.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 514; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 15.

380 Diese überhöhende Terminologie findet ihre Ursache in dem sog. Unmittelbarkeitsprinzip. Vor allem in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung hängt die (vollstreckungsrechtliche) Anerkennung von Treuhandverhältnissen (siehe hierzu Rn. 1149 ff.) in bislang ständiger Rechtsprechung davon ab, dass dem Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers übertragen wurde. Vgl. nur BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317; BGH, Urt. v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213; BGH, Urt. v. 30.10.1959 – IV ZR 69/59, WM 1960, 325; RG, Urt. v. 19.2.1914 – VII 448/13, RGZ 84, 214; sowie Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 15 f.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 9 f.; das Unmittelbarkeitsprinzip kritisierend etwa Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 357; Bitter, in: FS Ganter, S. 101,

98

II. Treuhandmodelle 128 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 42 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 814 f.; Stürner, KTS 2004, 259, 260 ff.

Dies findet nach Ansicht des BGH seine Rechtfertigung darin, dass eine echte 381 Treuhand typischerweise eine schuldrechtliche und eine dingliche Komponente aufweise (sog. „Zwei-Komponenten-Theorie“). Da beide rechtlichen Elemente zusammengehören, sei es verfehlt, ein Aussonderungsrecht in Treuhandfällen allein aus der "quasi-dinglichen" Rechtsstellung des Treugebers oder nur aus der schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen ihm und dem Treuhänder herzuleiten. Aus Gründen der Rechtssicherheit bedürfe das Rechtsinstitut der Treuhand der mit der unmittelbaren Übertragung verbundenen klaren Konturen. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 hat der BGH zwar offengelassen, ob 382 das Prinzip der Unmittelbarkeit ein geeignetes Kriterium sei, um Treuhandkonstellationen von anderen Fallgestaltungen (z. B. mittelbare Stellvertretung, rein schuldrechtliche Verschaffungs- versus Herausgabeansprüche mit Aussonderungskraft) abzugrenzen, eine rein schuldrechtliche Abrede, einen Vermögensgegenstand künftig zugunsten eines Dritten zu halten (Vereinbarungstreuhand), indes für ein Aussonderungsrecht des Dritten nicht genügen lassen. BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227; vgl. auch Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 356 ff.; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 111 f. jeweils m. w. N.

Erforderlich ist danach neben einer schuldrechtlichen Treuhandabrede stets 383 auch ein dinglicher Übertragungsakt des Treuguts, womit der BGH zumindest eine Öffnung hin zur vollstreckungsrechtlichen Anerkennung (§ 771 ZPO, § 47 InsO) von Fällen der Erwerbstreuhand hat anklingen lassen, die bis dato indes nicht als gesichert bezeichnet werden kann. Die überwiegende Literatur lehnt das Unmittelbarkeitsprinzip und teilweise 384 auch die Zwei-Komponenten-Lehre dagegen ab, würden nach diesem Prinzip doch v. a. für die Varianten der Erwerbs- (siehe hierzu Rn. 387) und Vereinbarungstreuhand (siehe hierzu Rn. 388) nicht die für Treuhandverhältnisse aufgestellten Sonderregeln in der Insolvenz (siehe Rn. 1149 ff.) und Zwangsvollstreckung gelten. Vgl. etwa Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 15 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 42 ff; Singhof/Seiler, in: Singhoff/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 602 ff.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 9 f.; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 357; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 128 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 814 f.; Stürner, KTS 2004, 259, 260 ff.

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung hat sich das Unmittelbarkeitsprinzip 385 dagegen nicht durchgesetzt, sondern es werden grundsätzlich auch Fälle der Erwerbs- und Vereinbarungstreuhand anerkannt.

99

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. BFH, Urt. v. 6.10.2009 – IX R 14/08, BFHE 228, 10; BFH, Urt. v. 4.12.2007 – VIII R 14/05, GmbHR 2008, 558; BFH, Urt. v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BFHE 183, 518; BFH, Urt. v. 11.10.1984 – IV R 179/82, BFHE 142, 437.

386 Zumindest für die praxisrelevanten Fälle der sog. Treuhandkonten hat auch der BGH Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsprinzip zugelassen. In diesen Fällen wird das Kontoguthaben auch dann als Treugut anerkannt, wenn die Zahlungen von Dritter Seite erfolgen, sofern (1) die Forderungen, auf die gezahlt wird, unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sind und (2) das Treuhandkonto durch den Kontoinhaber (Treuhänder) ausschließlich für Zwecke des Einzugs und der Verwaltung von Fremdgeldern des Treugebers genutzt wird. Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317; BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, ZIP 2005, 1465; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404; BGH, Urt. v. 8.2.1996 – IX ZR 151/95, WM 1996, 662; zunehmend wird daher offen für die Aufgabe des Unmittelbarkeitsprinzips plädiert; vgl. Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 113 ff.; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 357; im Urteil vom 24.6.2003 (vgl. BGH ZIP 2003, 1613 = BGHZ 155, 227) erkennt auch der BGH an, dass die Frage, ob das Unmittelbarkeitsprinzip ein grundsätzlich zur Kennzeichnung und Abgrenzung des Treuhandbegriffs geeignetes Merkmal darstellt, nicht unumstritten ist, hat deren Beantwortung im Streitfall jedoch offengelassen. Vielfach wird nur noch verlangt, dass hinsichtlich des Treuguts ein schuldrechtliches Element (Treuhandvertrag) und ein dingliches Element (Rechtsinhaberschaft des Treuhänders) vorliegen muss, und zwar unabhängig von der Güterbewegung des Treuguts; vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 50; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 19; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 356 f.

(2) Erwerbstreuhand 387 Eine Erwerbstreuhand liegt vor, wenn der Treuhänder – quasi in umgekehrter Richtung – einen Vermögensgegenstand von einem Dritten für den Treugeber erwirbt. Vgl. Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 517; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 55; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 26 f.; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 501; Bedeutung kann die Frage, ob im Falle des Erwerbs durch den Treuhänder von Dritten ein anzuerkennendes Treuhandverhältnis liegt, insbesondere in Fällen des Surrogationserwerbs erlangen, nämlich wenn der Treuhänder über das Treugut verfügt und stattdessen ein Surrogat erwirbt. Dies ist z. B. bei Treuhandkonten der Fall, wenn der kontoführende Treuhänder die Forderungen des Treugebers auf das Treuhandkonto einzieht und stattdessen – für den

100

II. Treuhandmodelle Treugeber – die Ansprüche gegen die kontoführende Bank erwirbt; vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 392 ff.

(3) Vereinbarungstreuhand Die Vereinbarungstreuhand wird schließlich ohne dinglichen Übertragungs- 388 akt begründet. Sie kommt durch eine Vereinbarung zwischen dem Treuhänder, der bereits Vollrechtsinhaber ist, und dem Treugeber zustande. Durch die Vereinbarung verpflichtet sich der Treuhänder, das Treugut künftig nicht mehr für sich, sondern nur noch treuhänderisch für den Treugeber zu halten. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 54; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 25; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 501; ablehnend Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 390b.

bb) Vollmachts- und Ermächtigungstreuhand (unechte Treuhand) Im Gegensatz zur (echten) Vollrechtstreuhand bleibt bei der unechten Treu- 389 hand der Treugeber Vollrechtsinhaber, deshalb hat sie für die Anteilstreuhand kaum praktische Relevanz. Ungeachtet dessen unterscheidet man bei der unechten Treuhand – je nach 390 Rechtsstellung des Treuhänders und dessen Auftritt nach außen – zwischen der Vollmachts- und der Ermächtigungstreuhand. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 13 f.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 7; Singhof/ Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 494.

(1) Vollmachtstreuhand Bei der Vollmachtstreuhand bevollmächtigt der Treugeber den Treuhänder zu 391 Rechtsgeschäften im Namen des Treugebers (§§ 164 ff. BGB). Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 14; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 7; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 494. Da es sich bei der Vollmachtstreuhand lediglich um die Einräumung schuldrechtlicher Vertretungsmacht ohne dingliche Komponente handelt, wird die bloße Bevollmächtigung als Grundlage für ein (auch vollstreckungsrechtlich anzuerkennendes) Treuhandverhältnis überwiegend abgelehnt; vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 23; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 178; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 356c; so auch: BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227.

101

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(2) Ermächtigungstreuhand 392 Bei der Ermächtigungstreuhand ermächtigt der Treugeber den Treuhänder gemäß § 185 BGB zu Verfügungen im eigenen Namen. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 13 f.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 5; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 12, 22; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 7; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/ Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 494.; Rechtlich zwischen Vertretung aufgrund einer Vollmacht und Vollrechtstreuhand anzusiedeln und als ein Fall der Ermächtigungstreuhand zu qualifizieren ist v. a. die Legitimationsübertragung i. S. v. § 129 Abs. 3 AktG. Danach wird der Legitimationsaktionär treuhänderisch i. S. v. § 185 BGB ermächtigt, nach Maßgabe der internen Absprachen im eigenen Namen über die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs zu verfügen, insbesondere das Stimmrecht auszuüben (Fremdbesitz). Im Unterschied zur treuhänderischen Übertragung der Aktie bleibt der Treugeber (Aktionär) Inhaber der Aktie. Der Legitimationsaktionär wird mangels Übertragung der Aktie selbst nicht Gesellschafter, aber er gilt nach außen und gegenüber der Gesellschaft als Aktionär (vgl. Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 67 ff.; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 67 Rn. 17 ff.). In anderen Gesellschaftsformen, insbesondere bei der GmbH und in Personengesellschaften, wird die Legitimationsübertragung dagegen überwiegend für nicht zulässig gehalten; vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 6; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 273 f.

Ermächtigungstreuhand

Vollmachtstreuhand

Vollrechtsübertragung

• Treugeber bleibt Vollrechtsinhaber

• Treugeber bleibt Vollrechtsinhaber

• Treuhänder wird Vollrechtsinhaber

• ermächtigt den Treuhänder gem. §185 BGB zu Verfügungen in eigenem Namen

• bevollmächtigt den Treuhänder zu Rechtsgeschäften im Namen des Treugebers (§§ 164 ff. BGB)

• Treuhänder ist als Gesellschafter stimmberechtigt bzw. als Sicherungsnehmer Eigentümer

• sog. unechte Treuhand

• sog. unechte Treuhand

• sog. fiduziarische oder echte Treuhand

Abb. 8: Differenzierung nach der rechtlichen Konstruktion

102

II. Treuhandmodelle

b) Unterscheidung nach dem Treuhandzweck Nach dem mit der Treuhand verfolgten Zweck lässt sich weiter zwischen 393 fremdnütziger und eigennütziger Treuhand bzw. Verwaltungs- und Sicherungstreuhand differenzieren. aa) (Fremdnützige) Verwaltungstreuhand Im Falle einer Verwaltungstreuhand will der Treugeber die Rechte aus dem 394 Treugut nicht selbst ausüben, sondern überträgt dieses auf einen Treuhänder, der das Treugut zwar im eigenen Namen, aber ausschließlich im Interesse des Treugebers verwaltet. Aus Sicht des Treuhänders ist die Verwaltungstreuhand fremdnützig, da er mit der Übernahme des Treuguts regelmäßig keine eigenen Interessen verfolgt. Allein die Tatsache, dass der Treuhänder im Falle der Geschäftsbesorgung eine Vergütung erhält, stellt die Fremdnützigkeit nicht infrage. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 38 f.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 6; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 497; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 11 f.; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 499.

Hintergrund können eine Vereinfachung (z. B. Treuhandkommanditist bei 395 der Publikums-KG, Bündelung von Anteilen verschiedener Gesellschafterstämme), Schlichtung (z. B. als Alternative zum Ausschluss eines Gesellschafters), Verdeckung (z. B. Strohmanngründung) oder Umgehung (z. B. Erwerbsbeschränkungen für den Hintermann) sein. Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 497 f.; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 49 ff.; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 41 jeweils m. w. N.

bb) Eigennützige Sicherungstreuhand Demgegenüber wird bei einer eigennützigen Treuhand das Treuhandverhält- 396 nis im Interesse des Treuhänders begründet. Regelfall ist die Sicherungstreuhand, bei der die Treuhand der dinglichen Besicherung einer Forderung dient, so z. B. bei der Sicherungsabtretung und -übereignung. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 42; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 6 f.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 501 ff., 631 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 29; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 7 f.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 20; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 499.

Weitere (seltene und für Sanierungskonstellationen irrelevante) Fälle sind die 397 Erfüllungstreuhand, bei der ein Schuldner seinem Gläubiger das Treugut zur 103

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Erfüllung einer Forderung überträgt, und die Nutzungstreuhand, bei der dem Treuhänder allein die Nutzung des Treugutes ermöglicht werden soll. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 42 ff.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 501 ff.; jeweils m. w. N.; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 500.

c) Doppelnützige (doppelseitige) Treuhand 398 Regelfall der Sanierungstreuhand ist die sog. doppelnützige Treuhand, auch Doppeltreuhand genannt. Diese ist regelmäßig Vollrechtstreuhand, da die Anteile dem Treuhänder (ggf. unter bestimmten Bedingungen) zum Vollrecht übertragen werden, dieser also Gesellschafter wird. Nach wie vor umstritten ist vor dem Hintergrund der dargestellten Differenzierung nach dem Treuhandzweck hingegen die Einordnung der einzelnen Beziehungen zwischen den Beteiligten als Verwaltungs- oder Sicherungstreuhand. Verwaltungstreuhand

Sicherungstreuhand

• Treuhandverhältnis wird im Interesse des Treugebers begründet

• Treuhandverhältnis wird im Interesse des Treunehmers begründet

• weil er seine Rechte nicht ausüben kann oder will

• i. d. R., um ihn dinglich zu sichern

• Fremdnützig

• Eigennützig

Beispiele • Notaranderkonto, (Sanierungstreuhand)

Beispiele • Sicherungsabtretung, • Sicherungsübereignung, • Sicherungsgrundschuld

Doppelnützige Treuhand

• Kombination von Verwaltungstreuhand und Sicherungstreuhand: Treuhänder verwaltet das Treugut aufgrund Vertrag mit dem Treugeber (Verwaltungstreuhand) und verwendet es aufgrund Vertrag mit oder zu Gunsten der Treugebergläubiger für diese (Sicherungstreuhand) Beispiele • Sicherheitentreuhand • Sanierungstreuhand

Abb. 9: Differenzierung nach Begünstigten und Zweck 399 Hintergrund der Diskussionen sind die Fragen nach den vollstreckungsrechtlichen Folgen im Falle der Insolvenz eines der Beteiligten, namentlich: 400 (1) Insolvenz des Treugebers/Sicherungsgebers: Welche Auswirkung hat eine Insolvenz des Treugebers auf den Treuhandvertrag, besteht in diesem Fall ein vorrangiges Befriedigungsrecht (Aus- oder Absonderungsrecht) und wem steht dieses zu, dem Treuhänder oder den begünstigten/gesicherten Dritten? 401 (2) Insolvenz des Treuhänders: Welche Auswirkung hat eine Insolvenz des Treuhänders auf den Treuhandvertrag, besteht in diesem Fall ein Herausga104

II. Treuhandmodelle

beanspruch (Aussonderungsrecht) und wem steht dieses zu, dem Treugeber oder den begünstigten/gesicherten Dritten (zur Doppeltreuhand in der Insolvenz siehe ausführlich Rn. 895 ff.)? Vgl. Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 108.

In den „klassischen“ zweiseitigen Treuhandverhältnissen sind diese Fragen 402 grundsätzlich wie folgt zu beantworten: Bei der klassischen eigennützigen Sicherungstreuhand (z. B. Sicherungsüber- 403 eignung, Sicherungsabtretung) tritt mit der Insolvenz des Treugebers (Sicherungsgebers) gerade der Sicherungsfall ein. Hier besteht kein Zweifel, dass der Treuhänder (Sicherungsnehmer) das Treugut (Sicherungsgut) verwerten darf bzw. ihm ein vorrangiges Befriedigungsrecht zugesprochen wird. Allerdings ist der Sicherungsnehmer (Treuhänder), obwohl dinglicher Vollrechtsinhaber, nur zur abgesonderten Befriedigung nach §§ 50, 51 InsO und nicht zur Aussonderung (§ 47 InsO) berechtigt, weil er nach Insolvenzeröffnung und dadurch eingetretener Fälligkeit seiner Forderung nicht sowohl das Eigentum als auch den vollen Betrag seiner Forderung geltend machen soll. Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1978 – VIII ZR 60/77, BGHZ 72, 141; BGH, Urt. v. 10.2.1971 – VIII ZR 188/69, WM 1971, 347; Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 311; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 109 f. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 37 f.

Bei der zweiseitigen Verwaltungstreuhand ist hinsichtlich des Treuhandver- 404 trags zu unterscheiden: Wird der Treugeber insolvent, erlischt der Treuhandvertrag zwischen Treugeber und insolventem Treuhänder nach §§ 115, 116 InsO und der Insolvenzverwalter des Treugebers kann das haftungsrechtlich ohnehin der Insolvenzmasse des Treugebers zuzurechnende Treugut wieder zur Masse ziehen. Wird dagegen der Treuhänder insolvent, greifen die §§ 115, 116 InsO nicht, weil nicht der Treugeber als Auftraggeber insolvent ist, sondern der Treuhänder als Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger. Das Schicksal des Treuhandvertrags richtet sich dann entweder nach § 103 InsO bzw., soweit § 103 InsO unanwendbar ist, nach den allgemeinen schuldrechtlichen Abwicklungsregeln. Haftungsrechtlich ist jedoch anerkannt, dass dem Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders ein Herausgabeanspruch mit Aussonderungsqualität (§ 47 InsO) zusteht. Vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZR 67/12, juris; BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, ZIP 2005, 1465; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 110; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 51 ff.

aa) Die einzelnen Treuhandverhältnisse Die doppelnützige Treuhand ist nun dadurch gekennzeichnet, dass neben 405 Treuhänder und Treugeber weitere Beteiligte – die (Dritt-)Begünstigten – in die rechtlichen Beziehungen eingebunden sind, ohne aber notwendigerweise

105

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Partei des Treuhandvertrags zu sein. Dies sind regelmäßig die Kreditgeber des Treugebers bzw. der sog. Treugut- oder Zielgesellschaften, deren Gesellschafter wiederum der Treugeber ist. Sicherungsfunktion

Begünstigte

Treugeber

Verwaltungsauftrag

Wahrnehmung Sicherungsinteresse

Treuhänder

Abb. 10: Darstellung der Zweckrichtungen im Rahmen Doppeltreuhand 406 Der Treuhandvertrag kann hierbei als dreiseitiger Vertrag zwischen Treugeber, Treuhänder und Drittbegünstigten geschlossen werden, was aber in der Sanierungspraxis kaum vorkommt, da die Kreditgeber aufgrund der oben aufgezeigten Risiken in Zusammenhang mit einer (mittelbaren) Treugeber-Gesellschafterstellung oder faktischen Geschäftsführung in der Regel nicht Vertragspartei sein wollen. Üblich ist daher, den Treuhandvertrag als zweiseitigen Vertrag zwischen Treugeber und Treuhänder zu gestalten, aus dem den Drittbegünstigten im Wege eines echten Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) ein eigener Anspruch (Forderungsrecht) zugewendet wird. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 386; Ganter, ZIP 2017, 2277, 2278 f.; Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 315 f.; Berger, ZInsO 2016, 474, 478; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2253, Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 27 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 ff.

407 Aus Sicht des Treuhänders ist die doppelnützige Treuhand regelmäßig fremdnützig in beide Richtungen, da er selbst keine eigenen (Sicherungs-)Interessen verfolgt. Dennoch dient die doppelnützige Treuhand in erster Linie der Besicherung der Forderungen der Drittbegünstigten, die sich im Regelfall gegen die Treugutgesellschaften richten. Die doppelnützige Treuhand vereint also Verwaltungs- und Sicherungstreuhand. Zur Frage, in welcher Rechtsbeziehung welche Art von Treuhandverhältnis vorliegt, werden alle denkbaren Varianten vertreten. Vgl. zum Meinungsstand auch Weitbrecht, NZI 2017, 553, 554 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 120 ff.; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 108 ff.

106

II. Treuhandmodelle

bb) Einordnung der doppelseitigen Treuhand Die Befürworter der ersten Variante sehen im Verhältnis zwischen Treugeber 408 und Treuhänder eine Sicherungstreuhand, im Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbeteiligten (Begünstigten) dagegen eine Verwaltungstreuhand. Begründet wird dies damit, dass die Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treuhänder vornehmlich dem Zweck der Besicherung der Forderungen der Drittbegünstigten diene, wohingegen der Treuhänder gegenüber den Drittbegünstigten nur die Verwaltung des Sicherungsguts übernommen habe. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 ff.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 393; Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 105; Stürner, KTS 2004, 259, 264; Bork, NZI 1999, 337, 339; tendenziell wohl auch OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.1997 – 11 U 233/96, WM 1997, 1846.

Vertreten wird aber auch die gegenteilige Auffassung, namentlich das Vorlie- 409 gen einer Sicherungstreuhand im Verhältnis von Treuhänder und Begünstigten und einer Verwaltungstreuhand im Verhältnis von Treugeber und Treuhänder. Herrler, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 35; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1375.

Eine dritte Auffassung nimmt dagegen zwei Verwaltungstreuhandverhältnis- 410 se an, und zwar zwischen Treuhänder und Treugeber einerseits sowie zwischen Treuhänder und Drittbeteiligten (Begünstigten) andererseits, da der Treuhänder in beide Richtungen fremdnützig handele: Gegenüber den Treugebern verwalte er im Rahmen eines Verwaltungstreuhandverhältnisses die Gesellschaftsanteile und die damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte, gegenüber den Drittbegünstigten verwalte er uneigennützig zu deren Gunsten die Sicherheit, als welche die übertragenen Anteile gleichermaßen herhalten sollen. Da dem Konstrukt damit aber auch eine Sicherungskomponente innewohne, werde durch die zwei atypischen Verwaltungstreuhandverhältnisse eine „materielle“ Sicherungstreuhand zwischen Treugebern und Begünstigten vermittelt. Vgl. Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 116,; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2253; Berger, ZInsO 2016, 474, 478, die betonen, dass der Sicherungszweck gerade die Motivation für die Errichtung einer Doppeltreuhand sei. Ähnlich wohl Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 9, die zur Begründung allerdings nur auf den Vergleichsverwalterfall (= BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 479) verweisen, in welchem der BGH im Verhältnis zwischen insolventem Treugeber und Treuhänder eine Kombination aus Verwaltungstreuhand und Sicherungstreuhand im Interesse eines Dritten annimmt.

Andere Autoren gehen wiederum vom Vorliegen nur eines einzigen Treu- 411 handverhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder aus, das sich zunächst als Verwaltungstreuhand darstellt, mit Eintritt des Sicherungsfalls jedoch in

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

eine Sicherungstreuhand „umschlägt“; hiernach handelt es sich mithin um die auch vom BGH im Vergleichsverwalterfall angesprochene Kombination aus Verwaltungstreuhand und Sicherungstreuhand im Interesse eines Dritten – namentlich der Drittbegünstigten. Vgl. Thole, KTS 2014, 45 47; Tresselt, DB 2016, 514, 518; Rößler, DB 2013, 1607, 1609.

412 Die Vielzahl der vertretenen Auffassungen zeigt, dass eine Einordnung der doppelseitigen Treuhand anhand der klassischen Kriterien „fremdnützige Verwaltungstreuhand“ und „eigennützige Sicherungstreuhand“ erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Denn einerseits ist die Tätigkeit des Treuhänders in beide Richtungen auf eine fremdnützige Verwaltungstätigkeit gerichtet: Im Verhältnis zu den Treugebern tritt der Treuhänder als Verwalter der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte auf, d. h., er übt die Gesellschafterrolle nach Maßgabe der mit den Treugebern im Rahmen der schuldrechtlichen Treuhandabrede vereinbarten Bindungen und – je nach Ausgestaltung des Treuhandvertrags – nach Weisung der Treugeber aus. Im Verhältnis zu den Begünstigten agiert der Treuhänder dagegen als reiner Sicherheitenverwalter. Dies dürfte klar sein, wenn die Sicherheiten zunächst den Begünstigten bestellt worden wären und diese die Sicherheiten anschließend für Zwecke der Verwaltung auf den Treuhänder übertragen hätten. Andererseits dürfte aber auch nicht zu bezweifeln sein, dass der doppelseitigen Treuhand auch ein Sicherungscharakter innewohnt, da die Übertragung der Anteile auf den Treuhänder am langen Ende auch der Besicherung der Forderungen der Drittbegünstigten dient. 413 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 24.9.2015, BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23,

ein von dem Treuhänder fremdnützig gewahrtes Drittsicherungsinteresse sogar für den Fall anerkannt, dass sich das Sicherungsinteresse des Drittbegünstigten ohne vertraglich vorgesehene Verwertungsbefugnis des Treuhänders zugunsten des Drittbegünstigten in der Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen ohne Einfluss des Hauptgesellschafters erschöpft. 414 Die Problematik der Einordnung der doppelseitigen Treuhand hat in der jüngeren juristischen Diskussion dazu geführt, jenseits des eingeschränkten Blicks auf die klassischen Kategorien „fremdnützige Verwaltungstreuhand“ und „eigennützige Sicherungstreuhand“ oder pauschaler Einordnungen ohne nähere Begründung genauer hinzusehen und insbesondere die schuldrechtlichen Beziehungen eingehender in die Betrachtung einzubeziehen. 415 Ganter unterscheidet etwa nach der rechtlichen Konstruktion der Doppeltreuhand, namentlich danach, ob (1) es sich um einen dreiseitigen Vertrag unter Beteiligung der Treugeber, des Treuhänders und der Drittbegünstigten handelt oder (2) lediglich ein zweiseitiger, als echter Vertrag zugunsten Dritter

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II. Treuhandmodelle

(§ 328 BGB) ausgestalteter Treuhandauftrag zwischen Treugebern und Treuhänder geschlossen wird: In Variante (1) (dreiseitiger Vertrag) geht auch Ganter zunächst vom Vorlie- 416 gen zweier atypischer Verwaltungstreuhandverhältnisse zwischen Treugeber und Treuhänder einerseits sowie zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten andererseits aus. Er stellt aber heraus, dass es, da die gesamte Konstruktion der Besicherung der Drittbegünstigten diene, auch eine Sicherungstreuhand geben müsse. Diese könne nicht im Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten erblickt werden, da der Treuhänder gegenüber den Drittbegünstigten fremdnützig handele. Vielmehr werde die Sicherheitentreuhand zwischen Treugeber und Treuhänder durch die Abrede begründet, das Treugut im Sicherungsfall zugunsten der Drittbegünstigten zu verwerten. Zwischen Treugeber und Treuhänder liege daher eine „gebündelte“ Verwaltungs- und Sicherungstreuhand vor. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 388e; Ganter, ZIP 2017, 2277, 2278.

In Variante (2) (echter Vertrag zugunsten Dritter) geht er im Ergebnis dagegen 417 nunmehr wohl davon aus, dass – neben dem Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder einerseits sowie zwischen dem Treuhänder und den Drittbegünstigten andererseits – eine Sicherungstreuhand zwischen Treugebern (Sicherungsgebern) und Drittbegünstigten (Sicherungsnehmern) bestehe. Dies folge daraus, dass den Drittbegünstigten ein eigener Anspruch auf Herausgabe des Treuguts bzw. Auskehr des Verwertungserlöses zugewendet werde, was einer Sicherungstreuhand gleichkomme. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 388f; Ganter, ZIP 2017, 2277, 2279; anders dagegen noch Ganter, NZI 2013, 769, 772, in der er sich mangels „greifbarer“ Vermittlung der Sicherungstreuhand durch den Treuhänder in dieser Variante ebenfalls noch für das Vorliegen einer „gebündelten“ Verwaltungs- und Sicherungstreuhand zwischen Treugeber und Treuhänder ausgesprochen hat.

Auch Jacoby differenziert nach der Art der Gestaltung der Dreiecksbeziehung. 418 Zunächst stellt er heraus, dass unabhängig von der Ausgestaltung als dreiseitiger Vertrag oder Vertrag zugunsten Dritter im Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder stets nur ein Verwaltungstreuhandverhältnis vorliege, da der Treuhänder das Treugut lediglich fremdnützig verwalte; der atypische Charakter bestehe lediglich darin, dass der Treuhänder aus der Verwaltungstreuhand nicht nur dem Treugeber, sondern auch den Drittbegünstigten verpflichtet sei. Im Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten sieht er Raum für eine Verwaltungstreuhandabrede im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrags oder Auftrags dagegen vor allem dann, wenn die Doppeltreuhand als dreiseitiger Vertrag ausgestaltet werde. Im Falle eines Vertrags zugunsten Dritter stünden den Drittbegünstigten dagegen vor allem abgeleitete Ansprüche aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Treugeber und

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Treuhänder zu. Gleichermaßen sei eine Sicherungstreuhandabrede zwischen Treugeber (Sicherungsgeber) und Drittbegünstigten (Sicherungsnehmer) nur denkbar, wenn die Doppeltreuhand als dreiseitiger Vertrag gestaltet werde, andernfalls sei für eine solche „echte“ Sicherungstreuhand im Verhältnis zwischen Treugeber und Drittbegünstigten mangels der erforderlichen Abrede kein Raum. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 311 ff.

419 Bitter geht im Falle eines dreiseitigen Vertrags vom Vorliegen zweier atypischer Verwaltungstreuhandverhältnisse zwischen Treugeber und Treuhänder einerseits sowie zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten andererseits aus, durch welche eine Sicherungstreuhand zwischen Treugeber und Drittbegünstigten entstehe. Dies solle im Grundsatz auch im Falle eines Vertrags zugunsten Dritter zwischen Treugeber und Treuhänder gelten, da sich von einer Verwaltungstreuhand zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten auch sprechen lasse, wenn die Position der Drittbegünstigten nicht auf einem eigenen Treuhandvertrag, sondern auf einem Anspruch aus dem Vertrag zugunsten Dritter zwischen Sicherungsgeber und Treuhänder beruhe. Ferner werde den Drittbegünstigten durch den Vertrag zugunsten Dritter eine Rechtsposition zugewendet, für die es im Verhältnis zwischen Treugeber und Drittbegünstigten eines Rechtsgrundes bedarf, welcher dann ähnlich einer Sicherungstreuhand wirke. Vgl. Bitter, ZIP 2015, 2249, 2253; in diese Richtung wohl auch BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1, in welchem jedenfalls ein Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder sowie ein hierdurch „vermitteltes“ Sicherungstreuhandverhältnis zwischen Treugeber und Drittbegünstigten angenommen wird.

420 Hirschberger erblickt dagegen im Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder stets eine (fremdnützige) Sicherungstreuhand, da Zweck der Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder gerade eine Besicherung sei, wenn auch nicht die des Treuhänders selbst, sondern die der Drittbegünstigten. Für das Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten sei im Ausgangspunkt ebenfalls danach zu differenzieren, ob die Doppeltreuhand als dreiseitiger Vertrag oder als Vertrag zugunsten Dritter konstruiert sei. Im ersten Fall (dreiseitiger Vertrag) entstehe durch die Beteiligung der Drittbegünstigten ein Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigen, da der Treuhänder die Sicherheit fremdnützig für die Drittbegünstigten verwalte. Wie Bitter kommt auch Hirschberger im zweiten Fall (Vertrag zugunsten Dritter) zu dem Ergebnis, dass auch beim Vertrag zugunsten Dritter ein Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten entstehe. Zweifel hieran könnten deswegen aufkommen, weil es im Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten an einer Treuhandabrede fehle. Es erscheine aber gerechtfertigt, von der Prämisse der Notwendigkeit einer Treuhandabrede abzuweichen, wenn der Vertrag

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II. Treuhandmodelle

zugunsten Dritter im Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten die gleichen Ansprüche begründe, die auch in einem separaten Treuhandvertrag zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten hätten begründet werden können. Im Verhältnis zwischen Treugeber und Drittbegünstigten erblickt Hirschberger dagegen gar kein treuhänderisches Verhältnis. Die Rechtsbeziehung zwischen Treugeber und Drittbegünstigten bilde insofern nur das Sicherungsversprechen bzw. die schuldrechtliche causa für den Abschluss des Treuhandvertrags im Sinne eines Valutaverhältnisses, welches selbst kein Treuhandverhältnis sei, weil dem Drittbegünstigten das Sicherungsgut nicht treuhänderisch übertragen werde. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 ff.

Nimmt man die vertraglichen Beziehungen der Beteiligten dergestalt mit in 421 den Blick, wird man konstatieren müssen, dass es zumindest im Regelfall der doppelseitigen Sanierungstreuhand, bei der der Treuhandvertrag als Vertrag zugunsten Dritter ohne direkte Beteiligung der Drittbegünstigten allein zwischen Treugeber und Treuhänder geschlossen wird, nur einen einzigen Treuhandvertrag gibt, der die aus dem Treuhandverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten festlegt. Den begünstigten Dritten wird zwar nach § 328 Abs. 1 BGB ein eigenes vertragliches Forderungsrecht eingeräumt, die Modalitäten der Leistung werden indes allein durch den Inhalt der Treuhandabrede zwischen Treuhänder und Treugeber festgelegt. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 313 f.; Thole, KTS 2014, 45, 47 ff.

Dieses eigenständige Forderungsrecht entsteht – ohne Durchgangserwerb 422 beim Treugeber (Versprechensempfänger) – unmittelbar bei den begünstigten Dritten, die hierdurch jedoch nicht in die Stellung der Vertragsschließenden einrücken. Ausdrückliche oder zumindest im Wege der Auslegung zu ermittelnde Bestimmungen des Treuhandvertrags werden im Falle der doppelseitigen Sanierungstreuhand regelmäßig ergeben, dass die Vertragsparteien (Treuhänder und Treugeber) das Forderungsrecht der Drittbegünstigten nicht mehr ohne deren Zustimmung ändern oder aufheben können. Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2017 – III ZR 610/16, ZIP 2017, 2476; BGH, Urt. v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 328 Rn. 6; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 28.

Zieht man des Weiteren die „Zwei-Komponente-Lehre“ des BGH heran, wo- 423 nach eine vollstreckungsrechtlich anerkennenswerte Treuhandgestaltung regelmäßig eine schuldrechtliche und eine dingliche Komponente voraussetze (siehe Rn. 381), bleibt bei einer Sanierungstreuhand in der Gestalt eines Vertrags zugunsten Dritter für die Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten an und für sich ebenso wenig Raum wie für die Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen Treugebern und Drittbegünstigten. Denn erstens gibt es keine vertragliche Treuhandabrede 111

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten einerseits oder zwischen Treugebern und Drittbegünstigten andererseits und zweitens vollzieht sich der dingliche Akt durch Übertragung des Treuguts ausschließlich zwischen Treugeber und Treuhänder. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 313; Thole, KTS 2014, 45, 46 f.

424 Für eine Treuhandabrede zwischen Treuhänder und Drittbegünstigten bliebe ohne eigene Geschäftsbesorgungsabrede der Drittbegünstigten mit dem Treuhänder (insbesondere durch dreiseitigen Vertrag) insofern nur Raum, wenn man eine solche in das Zuwendungsverhältnis aus dem Vertrag zugunsten Dritter hineinlesen wollte. So wohl Bitter, ZIP 2015, 2249, 2253 (insbesondere Fn. 66).

425 Das bedeutet aber nicht, dass bei einer Gestaltung in Form eines Vertrags zugunsten Dritter keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen Treugeber und Drittbegünstigtem bestehen. Zwischen Treugebern und Drittbegünstigtem liegt vielmehr ein Valutaverhältnis vor, welches den rechtlichen Grund für die Zuwendung durch den Treuhänder an den Drittbegünstigten im Rahmen des Deckungs- und Vollzugsverhältnisses (Treuhandvertrag zugunsten Dritter) bildet und bereicherungsrechtlich darüber entscheidet, ob der Drittbegünstigte die Zuwendung (Auskehr des Verwertungserlöses) behalten darf oder diese nach § 812 BGB kondizierbar bzw. § 134 InsO anfechtbar ist. Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, Vor § 328 Rn. 4; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 29; Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 313; Thole, KTS 2014, 45, 49.

426 Das Valutaverhältnis besteht in dem Sicherungsversprechen der Treugeber (Sicherungsgeber) gegenüber den Drittbegünstigten (Sicherungsnehmer), denn regelmäßig wird die Verpflichtung der Treugeber, ihre Anteile auf einen Treuhänder zu übertragen, auf einer entsprechenden, ggf. auch nur mündlich oder konkludent getroffenen Vereinbarung zwischen Treugebern und Drittbegünstigten beruhen. In der Praxis wird die Auflage, die Gesellschaftsanteile an den Treugutgesellschaften im Rahmen einer doppelnützigen Treuhandvereinbarung auf einen Treuhänder zu übertragen, regelmäßig in den zur Regelung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Sanierung geschlossenen Finanzierungsdokumenten enthalten sein, etwa den bilateralen Kreditverträgen, einem Sicherheitenpoolvertrag oder einer Sanierungsvereinbarung. 427 Zwar kommt dem Sicherungsvertrag jedenfalls im Zwei-Personen-Verhältnis regelmäßig fiduziarische Wirkung zu, weil er die mit der Vollrechtsübertragung des Sicherungsgutes auf den Sicherungsnehmer eingeräumte Rechtsmacht durch die festgelegten schuldrechtlichen Bindungen im Innenverhältnis beschränkt; namentlich enthält der Sicherungsvertrag vor allem die Sicherungszweckvereinbarung, bestimmt die gesicherte Forderung und das Sicherungsmittel und regelt das Verwertungsrecht, die durch Zweckfortfall bedingte Rück-

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II. Treuhandmodelle

übertragungspflicht sowie die sonstigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Vgl. Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 173 ff.; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1191 Rn. 20 f.; ebenso: BGH, Urt. v. 8.12.1988 – III ZR 107/87, ZIP 1989, 157.

Gerade diese schuldrechtlichen Bindungen bezogen auf das Treugut enthält 428 aber typischerweise der als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltete Treuhandvertrag zwischen Treugeber und Treuhänder. Die bloße in den Finanzierungsdokumenten zwischen Kreditgebern, Kreditnehmern und ggf. Treugebern enthaltene Verpflichtung, das Treugut im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand auf den Treuhänder zu übertragen, wäre in dieser Hinsicht wohl viel zu unbestimmt. Auch dies spricht dafür, das Sicherungstreuhandverhältnis im Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder zu sehen. Die zwischen Treugebern und Drittbegünstigten vereinbarte Verpflichtung bildet dann eben nur die causa für den Abschluss des Treuhandvertrags, Sicherungsversprechen (Treuhand-Auflage in den Finanzierungsdokumenten) und Sicherungsvertrag (Treuhandvertrag) fallen mithin auseinander und werden mit unterschiedlichen Personen geschlossen. So auch Thole, KTS 2014, 45, 49; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 f.; im Ergebnis wohl auch Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 313. Selbst wenn man in dem Sicherungsversprechen zwischen Treugebern und Drittbegünstigten eine Art fiduziarische Sicherheitentreuhand erkennen wollte, könnte diese als rein schuldrechtliche Vereinbarung ohne dingliche Komponente ein Absonderungsrecht in der Insolvenz des Treugebers nicht begründen (eindeutig in diese Richtung, wenn auch in Zusammenhang mit der Treuhänderinsolvenz BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227).

Im Ergebnis dürften die dogmatisch saubersten Erwägungen dafür sprechen, 429 jedenfalls im Falle einer doppelseitigen Sanierungstreuhand in Form eines echten Vertrags zugunsten Dritter vom Vorliegen nur eines einzelnen Treuhandverhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder auszugehen, das als atypische Treuhand eine Verwaltungs- und Sicherungstreuhand kombiniert. Die Atypizität folgt dabei jedoch nicht allein aus der Kombination von Verwaltungs- und Sicherungstreuhand, sondern auch daraus, dass der Treuhänder die Sicherheit nicht eigennützig in eigenem Interesse verwahrt, sondern fremdnützig im Interesse der Drittbegünstigten. Insofern noch anders in der Vorauflage, Rn. 218 f.

2. Der Treuhandvertrag Einen typischen Treuhandvertrag gibt es nicht.

430

Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 26; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 8; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesell-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen schaftsbeteiligungen, Rn. 493; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 5; K. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 35.

431 Der Treuhandvertrag bedarf vielmehr einer sorgfältigen, an den Besonderheiten des Einzelfalls orientierten Ausgestaltung. Die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse (Gesellschaftsstruktur bei Gruppenunternehmen, vermögensrechtliche Bindungen in Familienunternehmen wie Nießbräuche, Unterbeteiligungen oder Versorgungszusagen, Vorerwerbsrechte oder Zustimmungserfordernisse etc.) wie auch die wirtschaftlichen Vorstellungen der Beteiligten (sofortige Vollrechtsübertragung oder aufschiebend bedingter Rechtserwerb des Treuhänders, Sanierungstreuhand mit Fokus auf Begleitung der Sanierung oder reine Verkaufstreuhand, Vollrechtsübertragung auf den Treuhänder oder lediglich schuldrechtliche Verkaufsvollmacht etc.) können ebenso variieren, wie steuerliche Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls in die Vertragsgestaltung hineinspielen können. 432 Es gibt jedoch bei der Sanierungstreuhand gewisse „Marktstandards“, die üblicherweise in einer Sanierungstreuhandvereinbarung geregelt werden. Letztendlich ist die Endfassung aber eine einzelfallbezogene Verhandlungssache, wobei der „Verhandlungskorridor“ – vor allem auf Treugeberseite – aufgrund des hohen Zeitdrucks und der Finanzierungsabhängigkeit häufig eingeschränkt ist. Regelungsbedürftige Punkte, von denen nachfolgend einzelne näher behandelt werden, sind regelmäßig: x

Treuhandauftrag und Zweck der Treuhandschaft (Sanierungszweck, Sicherungs- und Verwertungzweck).

x

(Hinreichende) Bestimmung des Treuguts und (dingliche) Vertragsregelungen zur Übertragung (bei Vollrechtstreuhand) bzw. Bevollmächtigung/ Ermächtigung des Treuhänders (bei rein schuldrechtlichem Verkaufsauftrag).

x

Definition eines „Bedingungsfalls“: Je nach Ausgestaltung der Treuhand kann der Bedingungseintritt Auslöser für den Rechtsübergang auf den Treuhänder (z. B. aufschiebend bedingte Abtretung) oder das Entstehen der Verkaufsverpflichtung sein.

x

Regelungen zur Vergütung sowie Aufwendungs- und Freistellungsansprüchen des Treuhänders.

x

Regelungen zu Vermögensschadenhaftpflichtversicherung des Treuhänders und etwaigen Haftungsbeschränken.

x

Garantien der Treugeber, üblicherweise mindestens zu Bestand, Lastenfreiheit und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Treuguts sowie zur Kapitalaufbringung und -erhaltung.

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II. Treuhandmodelle

x

Festlegung der Rechte und Pflichten von Treugeber und Treuhänder während einer Verwaltungsphase, insbesondere 

zum Bestehen und dem Umfang von Weisungsrechten der Treugeber gegenüber dem Treuhänder, insbesondere im Hinblick auf die Ausübung der aus den Gesellschaftsanteilen resultierenden Stimmrechte;



Informations- und Rechenschaftspflichten der Parteien untereinander;



Umgang mit Vermögensrechten (z. B. Thesaurierung während der Treuhandschaft entstehender Gewinne) und Entnahmerechten der Treugeber.

x

Gegebenenfalls Festlegung des Verfahrens für einen Verwertungsprozess und der Erlösverteilung sowie möglicherweise Regelungen zu Rechten der Treugeber während des Verwertungsverfahrens, z. B. der Möglichkeit, den Verkauf durch Ablösung der Forderungen der Drittbegünstigten (ggf. durch einen außenstehenden, von den Treugebern herbeigebrachten Dritten) zu verhindern.

x

Regelungen zur Beendigung der Treuhandschaft sowie ihrer Abwicklung. Angelehnt an die Aufstellungen bei Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 26; abgedruckt auch bei Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 155 ff.

a) Das Treugut Treugut sind regelmäßig die wesentlichen Gesellschaftsanteile des kredit- 433 nehmenden Unternehmens bzw. der kreditnehmenden bzw. mithaftenden (deutschen) Unternehmensgruppe. In Abhängigkeit von den tatsächlichen Gegebenheiten sowie den getroffenen Abreden können dies Gesellschaftsanteile lediglich einer Gesellschaft bis hin zu den Anteilen aller zu einem Konzern gehörenden Gesellschaften sein. Gelegentlich wird eine Treuhand auch genutzt, um „en passent“ Konzern- 434 strukturen zu ändern. Dies kann beispielsweise ein „Umhängen“ von Beteiligungen oder „Aufbrechen“ einer Holdingstruktur sein, insbesondere auch aus Verkaufs- oder aus steuerlichen Erwägungen. Bestehen neben den Mitgliedschaftsrechten der Treugeber auch noch Gesell- 435 schafterdarlehen, werden diese oftmals ebenfalls treuhänderisch auf den Treuhänder übertragen, damit dieser die Darlehensforderungen im Verkaufsfalle mit an einen Investor veräußern kann und dieser sich nach Erwerb der Treugutgesellschaft(en) nicht noch Darlehensforderungen der Altgesellschafter ausgesetzt sieht. Jedenfalls sollte der Treuhandvertrag eine Regelung zum Umgang mit den Gesellschafterdarlehensforderungen enthalten. Gegebenenfalls kann sich diese auch darauf beschränken, vorzugeben, wie der Treuhän-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

der in einem etwaigen, mit einem Erwerber abzuschließenden Unternehmenskaufvertrag mit diesen Forderungen umzugehen hat. 436 Wie oben dargestellt (siehe Rn. 421) erwerben die Drittbegünstigen im Wege des Vertrags zugunsten Dritter ein eigenes, originär in Person der Drittbegünstigten entstehendes Forderungsrecht gegen den Treuhänder, welches auf die vertragsgemäße Durchführung der Treuhandvereinbarung (insbesondere der drittbegünstigenden Regelungen) und die Auskehr eines etwaigen Verwertungserlöses nach einer vertragsgemäßen Durchführung der Verwertung des Treuguts gerichtet ist. Zu den Fragen, woran ein Absonderungsrecht in der Insolvenz des Sicherungsgebers entsteht, wer Inhaber des Absonderungsrechts ist und wem die Verwertungsbefugnis zusteht siehe Rn. 993 ff. b) Der Treuhänder 437 Da der Treuhänder regelmäßig „zwischen den Stühlen“ sitzt und fremdnützig in beide Richtungen agiert, kommt der Einigung auf eine sowohl von den Gesellschaftern/Treugebern als auch von den Begünstigten/Finanzierern akzeptierte Person elementare Bedeutung zu. Zumeist sind dies in Sanierungs- und Treuhandkonstellationen erfahrene und spezialisierte Rechtsanwälte etablierter Kanzleien. In der Praxis übernimmt häufig eine eigens hierfür gegründete bzw. erworbene GmbH, deren Anteile von Rechtsanwälten bzw. einer Rechtsanwaltskanzlei gehalten werden, die formale Treuhänderfunktion. Dies hat nicht nur einen Haftungs-, sondern auch einen berufsrechtlichen Hintergrund. Vgl. Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 94, 107 f.; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 786; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 498; zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Treuhandtätigkeit siehe Rn. 747 ff.

c) Die Begünstigten 438 Die Drittbegünstigten einer doppelnützigen Anteilstreuhand sind in der Regel sämtliche Fremdkapitalgeber des zu sanierenden Unternehmens. Das sind zumeist die Banken bzw. der Bankenpool, seltener auch andere Finanzierer wie Factoringinstitute, Leasing- oder Mezzaninegeber. Zur Treuhandschaft als Mittel der Kreditsicherung vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 390 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 109 f.

439 Die Bezeichnung (Dritt-)Begünstigte hat sich in der Praxis etabliert, da der Treuhandvertrag in der Praxis in der Regel als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist und die Drittbegünstigten in der Regel keine Parteien der Treuhandvereinbarung sind (siehe Rn. 405 ff.).

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II. Treuhandmodelle

d) Treuhandabrede/Abtretung Aufgrund des Abstraktionsprinzips ist zwischen der Treuhandabrede als 440 schuldrechtlichem Grundgeschäft und der Abtretung der Gesellschaftsanteile als dinglichem Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Insoweit sehen Treuhandverträge häufig eine Zweiteilung in Treuhandauftrag und Anteilsübertragung vor, die entweder getrennt voneinander umgesetzt werden können oder – sofern beurkundungsbedürftig – zweckmäßigerweise in der gleichen Urkunde enthalten sein können. aa) Treuhandabrede Durch die Treuhandabrede wird das „Dürfen“ des Treuhänders im Innenver- 441 hältnis bestimmt. Der schuldrechtliche Treuhandvertrag stellt regelmäßig ein entgeltliches Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis (§ 675 BGB) dar, sodass subsidiär zu den Regelungen des Treuhandvertrags die gesetzlichen Vorschriften zum Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB) Anwendung finden. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 51; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 12.

Die Treuhandabrede ist zentraler Vertragsbestandteil und regelt, wie der Treu- 442 händer beim Halten und Verwalten des Treuguts und ggf. bei dessen Verwertung nach Eintritt des Bedingungsfalls zu verfahren hat. Allgemein zur Treuhandabrede vgl. Singhof/Seiler, in: Singhoff/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 518 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 ff.

Das Halten des Treuguts beinhaltet insbesondere die Ausübung der Gesell- 443 schafterrechte, vornehmlich durch Beschlussfassungen im Rahmen von Gesellschafterversammlungen oder durch Weisungen an die Geschäftsführer. Der Treuhänder hat hierbei die Interessen der Treugeber (zur Ausübung der Gesellschafterrechte siehe Rn. 553) der Begünstigten und die ihm durch den Treuhandvertrag auferlegten Pflichten, die im Wesentlichen in der „Umsetzung“ des Sanierungskonzepts liegen, zum Ausgleich zu bringen. Denkbar ist ebenfalls, einen speziell auf die Restrukturierungssituation aus- 444 gelegten Zustimmungskatalog im Gesellschaftsvertrag der Treugutgesellschaft oder einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung zu verankern, um dem Treuhänder insofern eine noch engere Begleitung und Überwachung des Sanierungsprozesses zu ermöglichen. Gelegentlich wird daher auch ein Beirat – oftmals auf Ebene der Treuhandge- 445 sellschaft – gebildet, der sich aus Vertretern der Treugeber, der Begünstigten und unabhängigen Restrukturierungsberatern, die mit der Umsetzung der Restrukturierung betraut sind, zusammensetzt. Aufgabe eines solchen Beirates ist es dann, den Treuhänder bei wesentlichen Entscheidungen zu beraten

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

und die Umsetzung des Sanierungskonzepts sowie die Einhaltung der dem Treuhänder im Rahmen des Treuhandvertrags auferlegten Pflichten zu überwachen. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 156; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1156.

446 Ein solcher Beirat ist allerdings in der Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden, da die Beiratsmitglieder in der Regel eine Aufwandsentschädigung erhalten. Die Installation eines Beirats dürfte sich daher insbesondere in größeren, komplexeren Verfahren anbieten, oder wenn die Beteiligung der Treugeber und Drittbegünstigten an der Überwachung der Sanierung sowie der Tätigkeit des Treuhänders explizit erwünscht ist. Alternativ kann dem Treuhänder ggf. die Teilnahme an Sitzungen eines Lenkungsausschusses oder Steering Committees ermöglicht werden, welches in Restrukturierungen heutzutage regelmäßig den Fortschritt der Umsetzung der Restrukturierungsprojekte überwacht. 447 Die Treuhandabrede beinhaltet ferner regelmäßig auch die Sicherungsabrede, namentlich den Sicherungszweck (Besicherung der Forderungen der Begünstigten) sowie ggf. die Rangfolge der gesicherten Forderungen (Erlösverteilungsregelung), das Sicherungsmittel (Treugut), die Beschreibung des Sicherungsfalls („Bedingungsfall“), das Verwertungsrecht und die Modalitäten des Rückgabeanspruchs des Treugebers (Sicherungsgebers) bei Zweckfortfall (zur Einordnung des Treuhandvertrags zwischen Treugeber und Treuhänder als Sicherungsvertrag siehe Rn. 425 ff.). 448 Insoweit sollten entweder im Vertragstext präzise Angaben enthalten sein oder auf Anlagen verwiesen werden. Gerade in Sanierungssituationen bietet sich häufig der Verweis auf einen Poolvertrag an. Vgl. zur Sicherungsabrede auch Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/ Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 639 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 f., der insofern allerdings das „Sicherungsversprechen“, welches hier als reine Verpflichtung zur Bestellung von Sicherheiten verstanden wird, und den eigentlichen „Sicherungsvertrag“, welcher die treuhänderischen Bindungen des Sicherungsnehmers in Bezug auf das Sicherungsgut festlegt, gleichsetzt.

bb) Abtretung/Formerfordernisse (1) Rechtsformspezifische Abtretung 449 Die Verfügungsmacht über das Treugut erhält der Treuhänder aufgrund der dinglichen Übertragung, im Regelfall – ggf. nach vorheriger Teilung – der Abtretung von Gesellschaftsanteilen. Insoweit gelten die für die jeweilige Rechtsform spezifischen Regelungen.

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II. Treuhandmodelle

Die Übertragung, namentlich die dingliche Abtretung der Geschäftsanteile 450 an einer GmbH bedarf nach § 15 Abs. 3 GmbHG der notariellen Beurkundung. Das Gleiche gilt nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG auch für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, womit im Grundsatz auch die gesamte Treuhandabrede beurkundet werden muss, andernfalls sie nach § 125 Satz 1 BGB nichtig ist. Vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2016 – III ZR 427/15, ZIP 2016, 2019.

Die Formnichtigkeit des Grundgeschäfts (Treuhandabrede) kann nach § 15 451 Abs. 4 Satz 2 GmbHG jedoch geheilt werden, wenn die Abtretung selbst in der nach § 15 Abs. 3 GmbHG erforderlichen Form vollzogen wird. Als Rechtsfolge der formwirksamen Abtretung des Geschäftsanteils wird auch das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft (Treuhandabrede) wirksam. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 74.

Eine Unwirksamkeit beider Geschäfte – schuldrechtliche Treuhandabrede und 452 dingliche Abtretung – kann sich nach der Auslegungsregel des § 139 BGB allenfalls dann ergeben, wenn eine Auslegung ergibt, dass beide Rechtsgeschäfte eine rechtliche Einheit bilden, sodass die Wirksamkeit des einen Geschäfts mit der Wirksamkeit des anderen Geschäfts „stehen und fallen“ soll. Die Formnichtigkeit der Treuhandabrede wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG führt allerdings nicht über § 139 BGB zur Unwirksamkeit auch des Verfügungsgeschäfts, weil nach § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG das formunwirksame Verpflichtungsgeschäft seinerseits gerade durch das wirksame Verfügungsgeschäft geheilt wird, und zwar auch, wenn beide Rechtsgeschäfte in derselben Urkunde enthalten sind. Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.2.2012 – 11 U 97/11, ZIP 2012, 1125. In dem entschiedenen Fall hatten die Treugeber die Wirksamkeit der Geschäftsanteils-Abtretung an einen Treuhänder mit der Begründung angegriffen, dass die in derselben Urkunde enthaltene Treuhandabrede wegen Verstoßes gegen § 13 BeurkG nichtig sei, da der Notar das der Treuhandabrede als Anlage beigefügte Sanierungskonzept nicht vorgelesen habe, hierauf als wesentlicher Bestandteil der Vereinbarungen jedoch nicht wirksam nach § 14 BeurkG habe verzichtet werden können. Das OLG Frankfurt verneinte indes die Nichtigkeit der Abtretung, da das Sanierungskonzept nur eine wesentliche Nebenabrede des Verpflichtungsgeschäfts i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG und nicht auch des Abtretungsvertrags nach § 15 Abs. 3 GmbHG gewesen sei, weswegen ein Verstoß gegen § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG jedenfalls durch formwirksame Beurkundung des Abtretungsvertrags geheilt worden sei, § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG.

Andere Unwirksamkeitsgründe des einen Geschäfts können über § 139 BGB 453 indes auch den Bestand des anderen Geschäfts berühren, was jeweils der Auslegung anhand der Umstände des Einzelfalls bedarf. Hat der formwirksam abgeschlossene Abtretungsvertrag rechtlich Bestand, ist das schuldrechtliche Kausalgeschäft der Treuhandabrede dagegen aus anderen Gründen unwirk-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

sam, kann der Abtretende (Treugeber) nach Bereicherungsrecht (§§ 812, 818 BGB) die Rückübertragung von dem Erwerber (Treuhänder) verlangen. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 90.

454 Erfolgt die Abtretung des Geschäftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, treten die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts und als Rechtsfolge die Heilung des zunächst nichtigen Verpflichtungsgeschäfts allerdings erst mit Eintritt der Bedingung für die Abtretung ein. Vgl. BGH, Urt. v. 21.9.1994 – VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129; BGH, Urt. v. 23.11.1988 – VIII ZR 262/87, ZIP 1989, 234; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 32.

455 Nach Ansicht des BGH können die Parteien ihre Willenserklärung hinsichtlich der aufschiebend bedingten Abtretung (Erfüllungsgeschäft) nach der einmal erfolgten Einigung (Angebot und Annahme) auch nicht mehr widerrufen, da das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet ist und seine Wirksamkeit bei Bedingungseintritt ipso iure eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Parteien bis dahin noch Bestand haben müsste. Im Ergebnis gilt dies auch für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Zwar sind die Parteien an das zunächst nichtige Verpflichtungsgeschäft nicht gebunden und können die tatsächlich getroffene Einigung widerrufen. Allerdings reicht es für die Heilung des formnichtigen Verpflichtungsgeschäfts nach Ansicht des BGH aus, dass das dingliche Vollzugsgeschäft der Anteilsübertragung voll wirksam wird und die Willensübereinstimmung der Parteien hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäfts noch in dem Augenblick fortbesteht, als ihre Bindung an das Verfügungsgeschäft eingetreten ist. Hierfür genügt wie dargestellt die Einigung bezüglich der aufschiebend bedingten Abtretung, auf den Bedingungseintritt kommt es dagegen nicht an. Vgl. BGH, Urt. v. 21.9.1994 – VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 71; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 32.

456 Praktisch bedeutet dies, dass die Parteien sich nicht mehr durch einseitigen Widerruf ihrer Willenserklärungen von einem zunächst wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nichtigen Verpflichtungsgeschäft oder aufschiebend bedingten Verfügungsgeschäft lösen können, wenn nur die Einigung über die aufschiebend bedingte Abtretung selbst formgerecht nach § 15 Abs. 3 GmbHG beurkundet wurde und die Bedingung später eintritt. 457 Die Übertragung von Anteilen an einer Personengesellschaft (insbesondere OHG und KG) ist dagegen grundsätzlich formfrei und somit auch auf Basis einer privatschriftlichen Vereinbarung möglich. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 105 Rn. 216; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 29.

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II. Treuhandmodelle

Allerdings sind bei der (treuhänderischen) Übertragung insbesondere von 458 Kommanditanteilen bzw. von Anteilen an einer im deutschen Mittelstand sehr verbreiteten GmbH & Co. KG eine Vielzahl von Besonderheiten zu beachten: Zunächst ist darauf zu achten, dass die Übertragung eines Anteils an einer 459 Personengesellschaft im Gegensatz zu einer GmbH – bei der gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 5 GmbHG eine ausdrückliche Vinkulierung im Gesellschaftsvertrag erforderlich ist – stets im Einverständnis mit den übrigen Gesellschaftern erfolgen muss, mithin kraft Gesetzes eine Vinkulierung besteht (vgl. auch §§ 717, 719 BGB). Dies beruht auf der personalistischen Struktur der Personengesellschaft und dient dem Schutz der Mitgesellschafter, denen nicht gegen ihren Willen ein neuer Mitgesellschafter aufgezwungen werden darf. Die Übertragbarkeit des Personengesellschaftsanteils muss daher entweder bereits im Gesellschaftsvertrag zugelassen sein oder die übrigen Gesellschafter müssen der Übertragung im Einzelfall zustimmen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335; BGH, Urt. v. 28.4.1954 – II ZR 8/53, BGHZ 13, 179; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 105 Rn. 213; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 1 und 5.

Die Übertragung eines Kommanditanteils ist nach §§ 107, 143, 162 HGB zum 460 Handelsregister anzumelden. In diesem Zusammenhang sind bei der Übertragung von Kommanditanteilen zwei haftungsrechtliche Besonderheiten zu beachten: Der Gesellschafterwechsel in der Kommanditgesellschaft kann sich auf zwei 461 Arten vollziehen: Zum einen durch einen kombinierten Austritt des Altgesellschafters und Eintritt des Neugesellschafters sowie durch die rechtsgeschäftliche Abtretung des Kommanditanteils. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 105 Rn. 208; derselbe, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 173 Rn. 19 ff.

Die erste Variante (kombinierter Ein- und Austritt) ist aber regelmäßig nicht 462 gewollt, da diese zu einer Verdoppelung der Haftsummen führt: Der eintretende Kommanditist haftet mit der von ihm übernommenen Hafteinlage, die auch höher sein kann, als die des Altgesellschafters, gemäß §§ 173, 171 HGB auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten. Der ausscheidende Kommanditist haftet – zeitlich begrenzt (§§ 161 Abs. 2, 160 HGB) – ebenfalls gemäß §§ 171 ff. HGB bis zur Höhe seiner Hafteinlage für die vor seinem Austritt entstandenen Verbindlichkeiten. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 173 Rn. 20; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 40.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

463 Bei der regelmäßig gewollten Übertragung des Kommanditanteils ist dies dagegen anders: Es wird in Person der Erwerbers kein neuer Kommanditanteil gebildet, sondern dieser übernimmt den bestehenden Kommanditanteil des Veräußerers. Ist die Einlage darauf erbracht, sind sowohl Veräußerer als auch Erwerber haftungsfrei. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 173 Rn. 29 f.; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 40.

464 Um den Gesellschafterwechsel durch Übertragung des Kommanditanteils – anstelle eines Ein- und Austritts – bei der Handelsregisteranmeldung kenntlich zu machen, müssen die Parteien den Übergang des Kommanditanteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge zur Eintragung ins Handelsregister anmelden, in welchem dann ein entsprechender Nachfolgevermerk eingetragen wird, der in allerster Linie Beweisfunktion für die von den Parteien gewollte Art des Gesellschafterwechsels hat und eine mögliche Rechtsscheinhaftung begrenzen soll. Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 173 Rn. 26 ff.; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 41 ff.

465 Bei der Handelsregisteranmeldung müssen die Treugeber in zweierlei Hinsicht mitwirken: Sofern nicht einem Beteiligten, etwa den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH, eine (generelle) Vollmacht zur Vornahme von Handelsregisteranmeldungen erteilt wurde, muss die Handelsregisteranmeldung des Übergangs des Kommanditanteils von allen Gesellschaftern, d. h., dem veräußernden Treugeber-Kommanditisten, dem erwerbenden Treuhänder, den übrigen Mitgesellschaftern sowie der Geschäftsführung der Komplementärin unterzeichnet werden, §§ 161 Abs. 2, 107, 108 HGB. Vgl. Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 34 Rn. 43 ff.

466 Ferner machen die Registergerichte die Eintragung des Übergangs des Kommanditanteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge davon abhängig, dass der ausscheidende Kommanditist versichert, dass ihm in Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen weder gewährt noch versprochen worden ist (sog. negative Abfindungsversicherung). Zur Abgabe (Unterzeichnung) der negativen Abfindungsversicherung verpflichtet sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter, in der Regel also die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, sowie der ausscheidende Kommanditist. Die Abfindungsversicherung ist nach herrschender Meinung eine höchstpersönliche Erklärung und kann daher nicht durch einen Bevollmächtigten für den ausscheidenden Kommanditisten abgegeben werden. Vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, ZIP 2005, 2257; OLG Köln, Beschl. v. 21.7.2017 – I-4 Wx 9/17 NZG 2017, 1314; KG Berlin, Beschl. v. 28.4.2009 – 1 W 389/08, NZG 2009, 905;

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II. Treuhandmodelle OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.6.2000 – 3 W 92/00, DB 2000, 1908; OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 72/90, NJWRR 1991, 292; vgl. auch Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 61, die allerdings auch die Abgabe der Abfindungsversicherung durch einen Bevollmächtigten für zulässig halten.

Insbesondere, wenn sich ein Treugeber im Beurkundungstermin zur Beur- 467 kundung des Treuhandvertrags nebst Abtretung des Kommanditanteils durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt oder die Abtretung an den Treuhänder als aufschiebend bedingte Abtretung gestaltet ist und die Abtretung daher erst mit Bedingungseintritt wirksam wird und angemeldet werden muss, muss der Treuhänder durch geeignete Maßnahmen darauf hinwirken, dass die Anmeldung des Übergangs der Kommanditanteile nicht an einem dieser Formerfordernisse scheitert. Dies kann etwa durch Hinterlegung der Abfindungsversicherung oder Handelsregisteranmeldung bei dem beurkundenden Notar geschehen. Jedenfalls sollte durch entsprechende vertragliche Regelungen sichergestellt werden, dass die Treugeber zur erforderlichen Mitwirkung an den Handelsregisteranmeldungen verpflichtet sind. Schließlich ist zu beachten, dass – selbst wenn von den Beteiligten im Grund- 468 satz eine sofortige Vollrechtsübertragung der Treugut-Anteile auf den Treuhänder gewünscht ist – die Abtretung eines Kommanditanteils regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung erfolgt, dass der Treuhänder als neuer Kommanditist kraft Sonderrechtsnachfolge im Handelsregister eingetragen wird. Dies ist deshalb notwendig, weil auch der Erwerber eines Kommanditanteils nach herrschender Meinung gemäß § 176 Abs. 2 HGB für die zwischen seinem Eintritt (in diesem Falle der Erwerbszeitpunkt) und der Eintragung im Handelsregister neu begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt haftet, da die Haftungsbeschränkung auf die im Handelsregister eingetragene Haftsumme erst mit Eintragung wirksam wird. Vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1983 – II ZR 113/82, ZIP 1983, 822; OLG Hamburg, Urt. v. 21.5.1985 – 7 U 118/82, EWiR 1985, 699; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 176 Rn. 26 ff.

Sollen dagegen bei einer GmbH & Co. KG sowohl die Geschäftsanteile an 469 der Komplementär-GmbH als auch die – in der Regel wirtschaftlich wesentlich bedeutenderen – Kommanditanteile auf einen Treuhänder übertragen werden, stellt sich die Frage, ob neben dem grundsätzlich formbedürftigen (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG) Verpflichtungsgeschäft zur Veräußerung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH auch die grundsätzlich formfrei mögliche Verpflichtung zur Veräußerung des Kommanditanteils beurkundet werden muss (zur analogen Problematik bei der Verpfändung von Geschäfts- und Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG siehe Rn. 301 ff.). Die Beurkundungspflicht des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts zur 470 Abtretung eines GmbH-Anteils nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG erstreckt

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

sich nämlich auf alle wesentlichen Teile der entsprechenden Willenserklärungen der Parteien, einschließlich der Nebenabreden, die nach dem Willen der Parteien als untrennbare und (wirtschaftlich) notwendige Einheit Bestandteil des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts sein sollen (Vollständigkeitsgrundsatz), z. B. Garantievereinbarungen, Nebenabreden über nachlaufende Dienstverpflichtungen, Modalitäten der Vertragsabwicklung, Regelungen zur Kostentragung etc. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 66.

471 Bei der Veräußerung der Anteile an einer GmbH & Co. KG kann sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergeben, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH und die Veräußerung der Kommanditanteile nach dem Willen der Parteien notwendigerweise miteinander verbunden und daher notwendige Bestandteile ein und desselben Veräußerungsgeschäfts sein sollen. Wenn man im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis kommt, dass die Veräußerung der Kommanditanteile für sich genommen nicht alleine oder zusammen mit anderen, für sich allein betrachtet nicht formbedürftigen Teilen der Gesamtvereinbarung, vorgenommen worden wäre, führt dies nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB dazu, dass auch die Verpflichtung zur Veräußerung der Kommanditanteile von der Formbedürftigkeit nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG erfasst wird. Vgl. BGH, Urt. v. 14.4.1986 – II ZR 155/85, ZIP 1986, 1046.

472 Allerdings gilt auch hier, dass allein die formwirksame Abtretung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH nach § 15 Abs. 3 GmbHG das gesamte zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft, mithin auch die Verpflichtung zur Veräußerung des Kommanditanteils an der GmbH & Co. KG gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG heilt. Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.1992 – VIII ZR 95/91, WM 1992, 670; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 74; Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 35 Rn. 32.

473 Bilden dagegen Aktien das Treugut, hängt die Art der Übertragung von der Art der Aktie ab, namentlich, ob es sich um nicht verkörperte (unverbriefte) Mitgliedschaftsrechte, um Inhaberaktien oder Namensaktien handelt. Ferner kommt es auf die Art der Verwahrung an. Hier sind die Sonderverwahrung („Streifbandverwahrung“), die Sammelverwahrung und die Verbriefung der Aktien in Dauerglobalurkunden zu unterscheiden. 474 Unverkörperte Mitgliedschaften in der Aktiengesellschaft (vgl. § 214 Abs. 4 AktG) sind grundsätzlich formfrei und ohne Beschränkung durch Abtretung übertragbar (§ 413 BGB i. V. m. § 398 BGB). Vgl. Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 2.; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 5; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1547.

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II. Treuhandmodelle

Die Übertragung solcher unverbriefter Mitgliedschaften kann durch die Sat- 475 zung auch nicht wirksam ausgeschlossen werden. Etwas anderes gilt nur, wenn nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG die Ausgabe von Namensurkunden vorgesehen ist. Die noch nicht verbrieften Mitgliedschaften sind dann nach § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG vinkuliert. Vgl. OLG Celle, Urt. v. 24.11.2004 – 9 U 119/04, NZG 2005, 279; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 2.

Ist die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft dagegen in Inhaber- oder 476 Namensaktien verbrieft, gelten andere Regeln für die Übertragung, da es sich hierbei um Wertpapiere handelt. Bei Inhaberaktien handelt es sich um Inhaberpapiere i. S. d. §§ 793 ff. BGB. 477 Die Übertragung von Inhaberaktien erfolgt damit nach sachenrechtlichen Grundsätzen durch Übereignung der Urkunde gemäß §§ 929 ff. BGB, wodurch im Grundsatz auch ein gutgläubiger Erwerb der Inhaberaktie nach §§ 932 ff. BGB möglich ist. Vgl. Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 6; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 5.

Alternativ ist auch bei der Begebung von Inhaberaktien die Übertragung der 478 Mitgliedschaft durch Abtretung nach §§ 398, 413 BGB möglich. In diesem Falle kommt ein gutgläubiger Erwerb nicht in Betracht. Das Eigentum an der Aktienurkunde fällt dann nach § 952 Abs. 2 BGB dem Erwerber der Mitgliedschaft zu. Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2013 – XI ZR 160/12, ZIP 2013, 1270 (zur Inhaberschuldverschreibung); Bezzenberger, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 68 Rn. 6; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 5.

Auch die Übertragung von verbrieften Namensaktien als Orderpapiere ist auf 479 zwei Wegen möglich: Zum einen bietet das Gesetz die Möglichkeit der Übertragung der Mitgliedschaft durch Indossament (§ 68 Abs. 1 AktG). Zusätzlich ist aber grundsätzlich neben der Indossierung stets noch die Übereignung der indossierten Namensaktie nach §§ 929 ff. BGB erforderlich. Um den Erwerber der Aktienurkunde im Verhältnis zur AG als Aktionär zu legitimieren, kann ein Vollindossament, welches den Erwerber bezeichnet, angebracht werden. In der Praxis ist die Bedeutung des Indossaments für die Legitimierung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft aber weitestgehend durch das Aktienregister (§ 67 AktG) verdrängt. Möglich ist daher auch die Anbringung eines Blankoindossaments (§ 13 Abs. 2 Wechselgesetz), um die Handelbarkeit der Namensaktie zu erleichtern, da diese dann wie Inhaberaktien durch einfache Übereignung der Aktienurkunde weiterübertragen werden können. Vgl. Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 7 ff.; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 6 ff.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

480 Neben der Übertragung durch Indossierung und Übereignung bleibt auch bei verbrieften Namensaktien die Übertragung der Mitgliedschaft durch Abtretung nach §§ 413, 398 BGB möglich. Die Übergabe der Aktienurkunde ist für die Übertragung der Mitgliedschaft auch in diesem Fall nicht erforderlich, sondern das Eigentum an der Urkunde geht nach § 952 Abs. 2 BGB kraft Gesetzes auf den Abtretungsempfänger über. Vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 8; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn. 13.

481 Bei der Übertragung von Namensaktien ist zu beachten, dass diese gemäß § 68 Abs. 2 AktG durch die Satzung vinkuliert sein können. 482 Bei der in der Praxis seltenen Sonderverwahrung (§ 2 DepotG) werden die von dem Aktionär bei dem Verwahrer hinterlegt. Dieser ist verpflichtet, die hinterlegten Aktien unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung (Streifband) jedes Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren. Die Verwahrungspflicht und der Herausgabeanspruch sind auf die effektiv hinterlegten Aktienurkunden gerichtet. 483 Die Übertragung einer in Sonderverwahrung hinterlegten Inhaberaktie erfolgt durch Einigung über den Eigentumsübergang gemäß § 929 BGB und Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB. Der Verwahrer muss das Besitzmittlungsverhältnis auf den neuen Eigentümer umstellen. Daneben bleibt die Übertragung der Mitgliedschaft durch Abtretung möglich, §§ 413, 398 BGB. Vgl. Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn 60 ff.

484 Sind Gegenstand der Sonderverwahrung indossierte Namensaktien, ist zu unterscheiden: Mit Vollindossament versehene Namensaktien müssen zur Anbringung des neuen Indossaments aus der Verwahrung genommen und können dann von dem Erwerber wieder hinterlegt werden. Sind die Namensaktien dagegen lediglich mit einem Blankoindossament versehen, vollzieht sich die Übertragung der Mitgliedschaft wie bei einer Inhaberaktie. 485 Regelfall der Verwahrung von Aktienurkunden ist die Sammelverwahrung i. S. v. § 5 Abs. 1 DepotG. Bei der Sammelverwahrung werden mehrere vertretbare Aktienurkunden derselben Gesellschaft und derselben Art für mehrere Berechtigte in einem einheitlichen Sammelband verwahrt. Als Steigerungsform der Sammelverwahrung einzelner Aktien können die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre auch in einer Sammel- oder Globalurkunde gemäß § 9a DepotG verbrieft sein. Im Gegensatz zur Sammelverwahrung, bei der die einzelnen, vertretbaren Aktien in einem einheitlichen Sammelband verwahrt werden, sind in einer Globalurkunde mehrere oder alle Mitgliedschaftsrechte einer Gesellschaft verbrieft. Die Verbriefung in einer Sammeloder Globalurkunde ist sowohl bei Inhaberaktien als auch bei blankoindos126

II. Treuhandmodelle

sierten Namensaktien möglich. Der einzelne Aktionär verliert das Eigentum an seinen Aktien und wird gemäß § 6 Abs. 1 DepotG quotaler Miteigentümer der zum Sammelbestand gehörenden Aktien. Vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.20114 – Ixa ZB 24/04, BGHZ 160, 121; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 11; Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 14 Rn 63 f.

Die Übertragung von Aktien, die in einen Sammelbestand einbezogen oder 486 in einer Globalurkunde verbrieft wird, erfolgt sachenrechtlich in Form der Übertragung des Miteigentumsanteils nach §§ 929 ff. BGB. Die Übergabe wird regelmäßig durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) bzw. – sofern es sich um eine Dauerglobalurkunde (§ 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG) handelt, bei der die Herausgabe einzelner Wertpapiere ausgeschlossen ist – durch Abtretung des Umbuchungsanspruchs ersetzt (siehe zu den Besitzverhältnissen auch Rn. 317 ff.). Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, BGHZ 160, 121; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 11 ff.

(2) Kapitalmarktrechtliche Anforderungen Zu beachten können ferner kapitalmarktrechtliche Vorschriften sein, insbe- 487 sondere wenn börsennotierte Aktien das Treugut bilden sollen. Da der Treuhänder mit einer qualifizierten Anteils- und Stimmenmehrheit 488 ausgestattet sein soll, wird dieser regelmäßig die für Satzungsänderungen erforderliche Mehrheit der Stimmen anstreben. Nach § 179 Abs. 2 AktG bedürfen Satzungsänderungen einer Mehrheit von mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Zu beachten ist, dass nach allg. Meinung neben der Kapitalmehrheit des § 179 Abs. 2 AktG auch die einfache Stimmenmehrheit des § 133 Abs. 1 AktG erforderlich ist, um sicherzustellen, dass Satzungsänderung auch bei Auseinanderfallen von Kapital- und Stimmrechtsgewichtung (z. B. bei Mehrstimmrechtsaktien, § 12 Abs. 2 AktG, Stimmrechtsbeschränkungen, § 134 Abs. 1 und teileingezahlten Aktien, § 134 Abs. 2 AktG) von einer tragenden Mehrheit der Aktionäre befürwortet werden, vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1974 – II ZR 176/72, NJW 1975, 212; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 27.

Erwirbt der Treuhänder im Zuge der Übertragung der Aktien mehr als 30 % 489 der Stimmrechte an der Gesellschaft, liegt ein Kontrollerwerb i. S. v. § 29 Abs. 2 WpÜG vor. Unerheblich ist, dass es sich lediglich um eine treuhänderische Beteiligung handelt und der Treugeber weiterhin wirtschaftlich Berechtigter bleibt. Vgl. Stadler, NZI 2009, 878, 880; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 140.

127

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

490 Der Treuhänder ist gemäß § 35 WpÜG verpflichtet, den Kontrollerwerb zu veröffentlichen und ein Pflichtangebot abzugeben, was die Treuhandschaft insofern gefährden würde, als der Treuhänder regelmäßig weder über die finanziellen Mittel verfügt noch ein Interesse an der Aufstockung der treuhänderisch übernommenen Beteiligung haben wird – ob die Treugeber oder Zielgesellschaft ein Interesse und ausreichend freie Liquidität haben, um dem Treuhänder die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen (§ 670 BGB), ist ebenfalls fraglich. Die Notwendigkeit ein Pflichtangebot abzugeben könnte mithin zu einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Treuhandgesellschaft führen. Vgl. Stadler, NZI 2010, 44, 44.

491 Die aus den vom Treuhänder gehaltenen Aktien resultierenden Stimmrechte werden unabhängig von dem formalen Kontrollerwerb durch den Treuhänder parallel gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (Verwaltungstreuhand) bzw. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Sicherungstreuhand), § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG auch weiterhin dem Treugeber zugerechnet, was insofern wichtig ist, als der Treugeber andernfalls bei Rückübertragung der Aktien nach Beendigung der Treuhand seinerseits ein Pflichtangebot abgeben müsste. Vgl. Stadler, NZI 2009, 878, 880; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 140.

492 Der Treuhänder kann vor Übertragung der Aktien von der BaFin gemäß § 37 WpÜG von der Pflicht zur Veröffentlichung des Kontrollerwerbs und zur Abgabe eines Pflichtangebots befreit werden. Eine Befreiung kommt insbesondere gemäß § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung (WpÜGAngebV) in Betracht, wenn der Kontrollerwerb zum Zwecke der Sanierung der Zielgesellschaft erfolgt. Dies setzt neben der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Zielgesellschaft grundsätzlich einen eigenen Sanierungsbeitrag des Bieters voraus, wobei in der Literatur als ausreichend angesehen wird, wenn aufgrund der Implementierung einer Treuhand Sanierungsbeiträge von Dritten (den Begünstigten) geleistet werden. Vgl. Stadler, NZI 2010, 44, 44 f.; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 142.

493 In Betracht kommt ferner eine Befreiung gemäß § 9 Satz 1 Nr. 4 WpÜGAngebV, wenn die treuhänderische Übertragung der Aktien zum Zwecke der Forderungssicherung erfolgt, was bei einer doppelnützigen Sanierungstreuhand regelmäßig der Fall ist. Vgl. Stadler, NZI 2010, 44, 46; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 142.

494 Die Entscheidung der BaFin über den Befreiungsantrag stellt eine Ermessensentscheidung dar, bei der sie die Interessen des Kontrollerwerbers, der 128

II. Treuhandmodelle

übrigen Aktionäre sowie solche des Kapitalmarkts zu berücksichtigen hat. Sie kann die Entscheidung ferner mit Nebenbestimmungen wie Befristung, Widerrufsvorbehalt oder Auflagen (weitere Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin z. B. hinsichtlich Verwertung oder Rückübertragung des Treuguts) versehen. Vgl. Stadler, NZI 2010, 44, 47.

Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten können sich aber auch für nicht 495 börsennotierte Aktiengesellschaften oder für Unternehmen anderer Rechtsform ergeben, wenn diese sich über den Kapitalmarkt finanziert haben, beispielsweise über Unternehmensanleihen. Unternehmensanleihen entsprechen nach allgemeinem Sprachgebrauch am Kapitalmarkt begebenen Schuldverschreibungen i. S. v. § 793 BGB und stellen Wertpapiere i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG dar, vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 31. Schuldscheindarlehen sind nur in Ausnahmefällen als Finanzinstrumente anzusehen, namentlich nur dann, wenn sie eine Restlaufzeit von nicht mehr als zwölf Monaten haben und üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden. Dann handelt es sich bei solchen kurzfristigen Schuldscheindarlehen um Geldmarktinstrumente i. S. v. § 2 Abs. 2 WpHG, Assmann, in: Assmann/ Schneider, WpHG, § 2 Rn. 40 ff.

Nach Artikel 17 der europäischen Marktmissbrauchsverordnung (Market 496 Abuse Regulation – MAR), vgl. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014, Amtsbl. EU L 173/1 vom 12.6.2014; in der Marktmissbrauchsverordnung ist die früher in § 15 WpHG geregelte Veröffentlichungspflicht weitgehend aufgegangen, subsidiär finden noch die Regelungen der Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) Anwendung,

sind Emittenten von Finanzinstrumenten, „Finanzinstrumente“ sind gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Marktmissbrauchsverordnung die in Artikel 4 Abs. 1 Nr. 15 der Finanzmarktrichtlinie (Richtlinie 2014/65/EU v. 15.5.2014) genannten Instrumente; hierzu zählen u. a. übertragbare Wertpapiere wie Anteile an Gesellschaften, Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, Geldmarktinstrumente,

verpflichtet, sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen „so bald wie möglich bekannt“ zu veröffentlichen (sog. Ad-hoc-Mitteilung). Trotz des anderweitigen Wortlauts bleibt es nach Ansicht der BaFin bei dem zuvor in § 15 WpHG normierten „Unverzüglichkeitsgebot“, vgl. Bafin-Journal 07/2016, S. 30.

Insiderinformationen sind nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, 497 die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen (Art. 7 129

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Abs. 1 lit. a) MAR). Artikel 17 Abs. 7 MAR erstreckt die Veröffentlichungspflicht grundsätzlich auch auf Gerüchte in Bezug auf eine zunächst nicht offengelegte Insiderinformation, wenn dieses Gerücht ausreichend präzise ist und zu vermuten ist, dass die Vertraulichkeit dieser Information nicht mehr gewährleistet ist. 498 Bei zeitlich gestreckten Vorgängen können auch die mit der Verwirklichung eines Umstands verbundenen Zwischenschritte eine präzise Information i. S. v. Art. 17 MAR sein, die ihrerseits veröffentlichungspflichtig sein können, soweit sie geeignet sind, den Kurs der Finanzinstrumente des Emittenten zu beeinflussen. Vgl. EuGH, Urt. v. 28.6.2012 – C19/11, ZIP 2012, 1282; BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165.

499 Für die Durchführung der Veröffentlichung sowie die Mitteilung der Absicht, die Veröffentlichung einer veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation aufzuschieben, hat die EU-Kommission eine Durchführungsverordnung erlassen. Vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055, Amtsbl. EU L 173/47 vom 30.6.2016.

500 Veröffentlichungspflichtig sind nach § 2 Abs. 14 WpHG Inlandsemittenten sowie nach § 2 Abs. 15 und 16 WpHG Emittenten, die ihren Sitz im Inland haben und die für ihre emittierten Finanzinstrumente die Zulassung zum Handel an einem multilateralen Handelssystem (MTF-Emittent) oder an einem organisierten Handelssystem (OTF-Emittent) im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union beantragt oder genehmigt haben. 501 Vor der Veröffentlichung der Insiderinformation hat der Emittent gemäß § 26 Abs. 1 WpHG den Wortlaut der Ad-hoc-Meldung der BaFin sowie der Geschäftsführung des Marktes, an dem das Finanzinstrument gehandelt wird, mitzuteilen und unverzüglich nach Veröffentlichung an das Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln. Die Geschäftsführung des Marktes darf die Vorabmitteilung nur zum Zweck der Entscheidung verwenden, ob die Ermittlung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist. 502 Veröffentlichungspflichtige Informationen in Zusammenhang mit Treuhandund Sanierungskonstellationen können beispielsweise sein: x

Veräußerung von bzw. Rückzug aus Kerngeschäftsfeldern, Aufnahme neuer Kerngeschäftsfelder;

x

Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz sowie andere wesentliche Strukturänderungen;

x

Abschluss und Aufhebung von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen;

x

Erwerb oder Veräußerung wesentlicher Beteiligungen;

130

II. Treuhandmodelle

x

Kapitalmaßnahmen;

x

wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse gegenüber früheren Ergebnissen oder Prognosen;

x

bevorstehende Zahlungseinstellung oder Überschuldung, bevorstehende Insolvenzantragstellung;

x

Abschluss, Änderung oder Aufhebung wesentlicher Vertragsverhältnisse;

x

Restrukturierungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf die künftige Geschäftstätigkeit;

x

(überraschende) Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens;

x

(überraschender) Wechsel des Wirtschaftsprüfers;

x

Lohnsenkungen oder Lohnerhöhungen. Vgl. auch BaFin-Konsultation Nr. 14/2019 „Entwurf Emittentenleitfaden: Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)“ (Stand: 1.7.2019), abzurufen unter www.bafin.de.

Naturgemäß gibt es in Restrukturierungsfällen Situationen, in denen die so- 503 fortige Offenlegung von Insiderinformationen den Erfolg von Verhandlungen beispielsweise über Restrukturierungsmaßnahmen oder Sanierungsbeiträge Dritter erheblich gefährden könnte. Art. 17 Abs. 4 MAR (vgl. auch § 15 Abs. 3 WpHG a. F.) lässt daher die eigenverantwortliche Aufschiebung der Veröffentlichung von Insiderinformationen zu, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: x

Die unverzügliche Offenlegung wäre geeignet die berechtigten Interessen des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen.

x

Die Aufschiebung der Offenlegung wäre nicht geeignet, die Öffentlichkeit irrezuführen.

x

Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate kann die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen.

Berechtigte Interessen, die den Emittenten zur Aufschiebung einer Ad-hoc- 504 Meldung berechtigen können, hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) in ihren MAR-Leitlinien „Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen“ exemplarisch aufgelistet. Ein Aufschub der Ad-hoc-Meldung im Einklang mit Art. 17 Abs. 4 MAR kann danach etwa in folgenden (nicht abschließenden) Fällen in Betracht kommen: x

Der Emittent führt Verhandlungen, deren Ergebnis durch die unverzügliche öffentliche Bekanntgabe wahrscheinlich gefährdet würde, etwa Ver-

131

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

handlungen über Fusionen, Übernahmen, Aufspaltungen und Spin-Offs, Erwerb oder Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte oder Unternehmenszweige, Umstrukturierungen oder Reorganisationen. x

Die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten ist stark und unmittelbar gefährdet – auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt – und die unverzügliche Bekanntgabe von Insiderinformationen würde Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre erheblich beeinträchtigen, indem der Abschluss der Verhandlungen gefährdet würde, die eigentlich zur Gewährleistung der finanziellen Erholung des Emittenten gedacht sind.

x

Die Insiderinformationen beziehen sich auf vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Verträge, die gemäß dem innerstaatlichen Recht oder den Statuten des Emittenten der Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten (abgesehen von der Hauptversammlung der Aktionäre) bedürfen, um wirksam zu werden, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

x



Die unverzügliche Offenlegung dieser Information vor einer endgültigen Entscheidung würde die korrekte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden und



der Emittent hat dafür gesorgt, dass die endgültige Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird.

Der Emittent plant den Erwerb oder den Verkauf einer wesentlichen Beteiligung an einem anderen Unternehmen und die Offenlegung dieser Information würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Durchführung dieses Plans gefährden. Vgl. MAR-Leitlinien „Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen“ der ESMA vom 20.10.2016, ESMA/2016/1478 DE, abrufbar unter www.esma.europe.eu sowie ergänzend auch BaFinKonsultation Nr. 14/2019 „Entwurf Emittentenleitfaden: Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)“ (Stand: 1.7.2019), abrufbar unter www.bafin.de, und § 6 WpAV.

505 Will ein Emittent in einer Restrukturierungssituation von der Möglichkeit des Aufschubs einer Ad-hoc-Meldung Gebrauch machen, etwa um zunächst noch Verhandlungen über Sanierungsbeiträge einzelner Stakeholder abzuschließen, hat er gemäß Artikel 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR die zuständige Behörde (in Deutschland die BaFin) unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen über den Aufschub der Offenlegung zu informieren und hierbei schriftlich zu erläutern, inwieweit die Bedingungen für einen Aufschub erfüllt waren. 506 Auch wenn Artikel 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR eine Übermittlung der Selbstbefreiung gleichzeitig mit der Vorab-Mitteilung nicht mehr vorschreibt, ist

132

II. Treuhandmodelle

die Formulierung „unmittelbar nach“ nach Ansicht der BaFin weiterhin i. S. d. „Unverzüglichkeitsregelungen“ zu verstehen, sodass eine Mitteilung und Erläuterung der Selbstbefreiung Stunden nach Veröffentlichung der Adhoc-Meldung in der Regel nicht rechtzeitig sein wird. Die Erläuterung der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR sollte daher regelmäßig vorsorglich gleichzeitig mit der Vorab-Mitteilung nach § 26 WpHG an die BaFin übermittelt werden. Vgl. FAQs der BaFin zu „Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen“ (Stand: 29.5.2019), Ziff. IV.8., abrufbar unter www.bafin.de.

An der Entscheidung über die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitäts- 507 pflicht muss auch weiterhin ein Mitglied des geschäftsführenden Organs des Emittenten mitwirken. Erforderlich ist ferner eine schriftliche Begründung, warum die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung vorgelegen haben. Ein Entwurf der geplanten Veröffentlichung muss der Begründung der Selbstbefreiung grundsätzlich nicht beigefügt werden, indes empfiehlt es sich insbesondere bei sich zunehmend verdichtenden Sachverhalten oder dem Aufkommen von Gerüchten, einen Entwurf des Textes der Veröffentlichung vorzubereiten, der im Bedarfsfalle schnell freigegeben und veröffentlich werden kann. Vgl. FAQs der BaFin zu „Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen“ (Stand: 29.5.2019), Ziff. III.1. und IV.10., abrufbar unter www.bafin.de.

Ob das Gebrauchmachen von der Möglichkeit, eine Ad-hoc-Mitteilung auf- 508 zuschieben, eine „bewusste Entscheidung“ oder gar eine förmliche Beschlussfassung des zuständigen Organs im Zeitpunkt des Entstehens der Veröffentlichungspflicht erfordert, hat der BGH in einer Entscheidung vom 23.4.2013 offengelassen. Einem Schadensersatzbegehren von Anlegern könne der Emittent aber ggf. den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenhalten, wenn er darlegen und beweisen kann, dass eine entsprechende Befreiungsentscheidung getroffen worden wäre, wenn man das Vorliegen einer Insiderinformation erkannt hätte. Vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165.

Im Anwendungsbereich von Art. 17 Abs. 4 MAR gehen die Aufsichtsbehör- 509 den nun wohl aber von der Notwendigkeit einer aktiven Inanspruchnahme der Befreiungsmöglichkeit durch Herbeiführung eines Beschlusses aus. Vgl. ESMA „Final Report – Draft Technical Standards on the Market Abuse Regulation”, ESMA/2015/1455, Rn. 239, abrufbar unter www.esma.europe.eu, BaFin-Konsultation Nr. 14/2019 „Entwurf Emittentenleitfaden: Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)“ (Stand: 1.7.2019), S. 54, abrufbar unter www.bafin.de.

Das schuldhafte Unterlassen der (rechtzeitigen) Veröffentlichung von In- 510 siderinformationen oder das Veröffentlichen unwahrer Insiderinformationen 133

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

können den Emittenten nach §§ 97, 98 WpHG gegenüber geschädigten Anlegern zum Schadensersatz verpflichten. 511 Zudem können bei Verstößen gegen die Veröffentlichungspflichten gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 120 Abs. 24, 2. Alt. WpHG gegenüber den verpflichteten Personen Bußgelder bis zu 200.000 € bzw. in Fällen vorsätzlicher oder leichtfertiger Pflichtverletzung Bußgelder von bis zu einer Million € verhängt werden (§ 120 Abs. 15 Nr. 6 bis 11 i. V. m. Abs. 18 Satz 1 WpHG). Gegenüber einer juristischen Person können höhere Geldbußen verhängt werden, die aber den höheren Betrag zwischen 2,5 Millionen € und zwei Prozent des Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs nicht überschreiten dürfen (§ 120 Abs. 15 Nr. 6 bis 11 i. V. m. Abs. 18 Satz 2 Nr. 2 WpHG). Möglich ist auch Gewinnabschöpfung bis zur 3-fachen Höhe des Gewinns/vermiedenen Verlustes (§ 120 Abs. 5 Nr. 6 bis 11 i. V. m. Abs. 18 Satz 3 und 4 WpHG). (3) Gesellschaftsrechtliche Zustimmungserfordernisse 512 Gesellschaftsrechtlich sind häufig Besonderheiten zu beachten, z. B. satzungsmäßige Zustimmungserfordernisse von Gesellschaft, Gesellschaftern sowie Beirat und/oder Aufsichtsrat, insbesondere aufgrund Gesellschaftsvertrags oder von Gesellschaftervereinbarungen (sog. Vinkulierungsklauseln). Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 94 ff., zur treuwidrigen Verweigerung der Zustimmung auf S. 97 f.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 29 ff; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 212 ff.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 514, die auch darauf hinweisen, dass die Zustimmungsverweigerung im Einzelfall treuwidrig sein kann; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 234 ff., jeweils m. w. N.

513 Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften bedarf stets der Zustimmung der Gesellschafter, die entweder bereits in der Satzung enthalten sein oder konkret im jeweiligen Einzelfall erklärt werden muss (siehe Rn. 459). 514 Hier ist bei der Vorbereitung des Abschlusses des Treuhandvertrags darauf zu achten, dass die notwendigen Zustimmungserklärungen entweder im Vorfeld eingeholt und zur Anlage des Treuhandvertrags gemacht werden oder die Erklärung der Zustimmung/Fassung entsprechender Gesellschafterbeschlüsse direkt in der Urkunde über den Treuhandvertrag vorgenommen werden können. 515 Gegebenenfalls ist auch ein vorheriger oder gleichzeitiger Verzicht auf Vorerwerbsrechte einzuholen, die in personalistisch geprägten Gesellschaften häufig in der Satzung verankert sind, um zur Wirksamkeit der Übertragung der Anteile auf den Treuhänder nicht den Ablauf von in der Satzung festgelegten Ausübungsfristen abwarten zu müssen.

134

II. Treuhandmodelle

Manche Gesellschaftsverträge schließen eine Übertragbarkeit der Gesellschafts- 516 anteile sogar gänzlich aus, sodass ggf. der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft im Vorwege so zu ändern ist, dass er der Treuhand nicht entgegensteht. Vgl. Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 535 m. w. N.

In der Praxis werden die notwendigen Zustimmungsbeschlüsse oder not- 517 wendige Satzungsänderungen regelmäßig direkt im Treuhandvertrag vorgenommen, was sich insbesondere anbietet, wenn GmbH-Anteile übertragen werden, da sowohl die Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3 GmbHG) als auch Änderungen der GmbH-Satzung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) der notariellen Beurkundung bedürfen und insofern ein weiterer Gang zum Notar gespart wird. (4) Zustimmungserfordernisse bei Minderjährigen Sind – insbesondere bei Familienunternehmen – Minderjährige Gesellschaf- 518 ter, ist zwingend die vormundschaftsgerichtliche Zustimmung einzuholen (vgl. §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB). Ausführlich hierzu Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 108 f.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 34; Singhof/Seiler, in: Singhoff/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 531; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 241 ff.; jeweils m. w. N.

cc) Aufschiebende Bedingung als Gestaltungsvariante Denkbar ist bei der treuhänderischen Übertragung von Gesellschaftsanteilen 519 auch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung. Vgl. allgemein zur bedingten Übertragung des Treuguts Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 42.

Je nachdem, welche Struktur für die Treuhandschaft bzw. Rolle des Treu- 520 händers von den Beteiligten vorgesehen ist, kann z. B. vereinbart werden, dass die Bedingung für den Übergang der Gesellschaftsanteile auf den Treuhänder und dessen unmittelbare Verkaufsverpflichtung erst eingreifen sollen, wenn definierte „Negativ-Trigger“ verwirklicht sind, etwa Finanzkennzahlen nicht eingehalten werden. Eine solche Struktur wird insbesondere infrage kommen, wenn die Drittbe- 521 günstigten sich die Möglichkeit, bei nicht plangemäßem Verlauf der Sanierung einen „Fire Sale“ einzuleiten, dinglich über das Installieren eines Treuhänders absichern wollen. Eine aktive Überwachung und Begleitung der Sanierung durch den Treuhänder wird in einer solchen Konstellation mangels Vollrechtsübertragung und Einrücken des Treuhänders in die Gesellschafter135

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

stellung vor Bedingungseintritt typischerweise ausscheiden und ist im Einzelfall ggf. auch nicht gewünscht. 522 Der Bedingungseintritt kann aber auch ohne sofortige Verkaufsverpflichtung des Treuhänders an die Nichterfüllung festgelegter Auflagen aus den Kreditverträgen oder einer Sanierungsvereinbarung anknüpfen, sodass die Treugeber zur weiteren Ausübung der Gesellschafterrechte berechtigt bleiben, solange die vereinbarten Bedingungen für die Sanierung eingehalten werden. In diesem Fall wird der Treuhänder nur als Gesellschafter aktiviert, wenn Auflagen verletzt werden – ggf. auch erst nach Ablauf einer Heilungsfrist. 523 Die Treuhand lässt sich durch saubere vertragliche Ausgestaltung daher flexibel den Vorstellungen und Gesprächsergebnissen der Beteiligten und je nach gewünschter „Aktivität“ des Treuhänders passgenau ausgestalten. dd) Verkaufsvollmacht und Ermächtigung als Gestaltungsvariante 524 In Einzelfällen kann es – etwa aus Publizitäts- oder Kostengründen – gewünscht sein und genügen, dass die Gesellschaftsanteile an den Treugut- oder Zielgesellschaften gar nicht mit dinglicher Wirkung auf den Treuhänder übertragen werden, sondern diesem von den Treugebern lediglich eine schuldrechtliche Verkaufsvollmacht flankiert durch eine Verfügungsermächtigung (§ 185 BGB) eingeräumt wird, um die Anteile für Rechnung der Treugeber zu veräußern und mit dinglicher Wirkung auf einen Erwerber übertragen zu können (zur Ermächtigungstreuhand siehe Rn. 392). 525 Eine schuldrechtliche Verkaufsvollmacht des Treugebers für den Treuhänder kann grundsätzlich unwiderruflich erteilt werden. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BGH in der Regel aber, dass sich der Ausschluss der Widerruflichkeit ausdrücklich oder konkludent aus einem der Vollmacht zugrunde liegenden Kausalverhältnis – hier: der Treuhandabrede – ergibt. Bei einer isoliert erteilten Vollmacht ist ein Ausschluss der Widerruflichkeit dagegen in der Regel unwirksam. Von einem zumindest konkludenten Ausschluss des Widerrufsrechts ist insbesondere auszugehen, wenn die Vollmacht auch die Interessen der Bevollmächtigten oder eines Dritten sichern oder den Bevollmächtigten in die Lage versetzen soll, eigene Pflichten gegenüber Dritten zu erfüllen. Vgl. BGH, Urt. v. 26.2.1988 – V ZR 231/86, ZIP 1988, 723; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 168 Rn. 6; Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 168 Rn. 29.

526 Aber auch bei einem ausdrücklich oder konkludent in dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis erfolgten Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit des Vollmachtgebers bleibt der Widerruf der Vollmacht aus wichtigem Grund möglich. Vgl. BGH, Urt. v. 26.2.1988 – V ZR 231/86, ZIP 1988, 723; BGH, Urt. v. 8.2.1985 – V ZR 32/84, WM 1985, 646; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 168 Rn. 6; Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 168 Rn. 23.

136

II. Treuhandmodelle

Dies mag vor allem in Fällen, in denen auch der Treuhandvertrag durch den 527 Treugeber etwa wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen des Treuhänders aus wichtigem Grund gekündigt werden könnte (siehe hierzu Rn. 609 f.), in Betracht kommen und daher hinnehmbar sein, ein gewisses Restrisiko hinsichtlich der mit der Gestaltung angestrebten Rechtspositionen verbleibt aber. Flankiert wird eine Verkaufsvollmacht regelmäßig durch eine Ermächtigung 528 (§ 185 BGB) für den Treuhänder, über die Gesellschaftsanteile des Treugebers zu verfügen. Die Ermächtigung unterscheidet sich von der Vollmacht insbesondere dadurch, dass das Offenkundigkeitsprinzip der §§ 164 ff. BGB nicht gilt, der Ermächtigte mithin in eigenem Namen über das fremde Recht verfügen kann, ohne das Handeln im fremden Interesse offenzulegen. Ferner ist die Ermächtigung „gegenstandsbezogen“ auf die Verfügungsbefugnis in Bezug auf bestimmte Forderungen oder Rechte bezogen, wohingegen die Stellvertretung „personenbezogen“ ist und sich der Umfang der Vollmacht nach dem Innenverhältnis bestimmt. Mit anderen Worten: Die Ermächtigung ist die vorweggenommene Einwilligung des Rechtsinhabers zu der Verfügung eines Nichtberechtigten über ein bestimmtes Recht. Ihr Umfang ist daher in der Regel genauer zu bestimmen, als derjenige einer Vollmacht, deren Umfang ggf. erst durch Auslegung ermittelt werden muss. Vgl. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 168 Rn. 58 ff.

Die Kombination von Vollmacht (§ 164 ff. BGB) und Ermächtigung (§ 185 529 BGB) ist zudem notwendig, soweit dem Treuhänder durch den Treugeber auch eine Vollmacht zur Stimmrechtsausübung in Gesellschafterversammlungen erteilt werden soll. Die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht durch den Gesellschafter wird allgemein für zulässig gehalten, wobei dies wegen der personalistischen Struktur in Personengesellschaften aber stets der Zustimmung der Mitgesellschafter bedarf, die entweder bereits in der Satzung enthalten oder ad hoc erteilt werden kann. Wegen des Abspaltungsverbots darf aber auch die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht an den Treuhänder im Ergebnis nicht zu einer Abspaltung des Stimmrechts vom Mitgliedschaftsrecht selbst führen, das beim Treugeber verbleibt. Vgl. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 168 Rn. 93 ff.

Im Gegensatz zur grundsätzlich zulässigen Stimmrechtsvollmacht wird eine 530 Ermächtigung, im eigenen Namen das Stimmrecht aus dem fremden Gesellschaftsanteil auszuüben, außerhalb der gesetzlich geregelten Legitimationsübertragung gemäß § 129 Abs. 3 AktG für andere Gesellschaftsformen ohne wertpapierrechtliche Grundlage dagegen für unzulässig gehalten. Vgl. Bayreuther, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 185 Rn. 39; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 5 f.; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 84 ff.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

531 Im Rahmen der Sanierungstreuhandschaften sind rein schuldrechtliche Gestaltungen eher selten anzutreffen. Dies liegt zum einen an den im Vergleich zur Vollrechtsübertragung eher beschränkten gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Treuhänders auf das zu sanierende Unternehmen, zum anderen an der schwächeren dinglichen Absicherung. Zwar kann dem Sicherungsinteresse der Drittbegünstigten dadurch Rechnung getragen werden, dass diesen die Gesellschaftsanteile, zu deren Veräußerung der Treuhänder lediglich bevollmächtigt und ermächtigt wurde, flankierend verpfändet werden. Allerdings hindern weder die Verpfändung der Anteile noch ein rein schuldrechtliches Veräußerungsverbot vertragswidrige Verfügungen des Treugebers (§ 137 BGB). Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 18 Rn. 20.

532 Aufgrund des möglichen zivil- und steuerlichen Haftungsdurchgriffs auf den Treuhänder als formaler Gesellschafter wird eine Ausgestaltung als Ermächtigungs- und Vollmachtstreuhand teilweise jedoch bei Personengesellschaften empfohlen. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 18 Rn. 20.

e) Garantien der Treugeber 533 Umfassende Garantien sind mit der Anteilsübertragung durch den bzw. die Treugeber regelmäßig nicht verbunden. Insbesondere aus Haftungsgründen – schließlich wird der Treuhänder Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten – sind jedoch zum Schutz des Treuhänders gewisse Garantien üblich. 534 Wichtig sind für den Treuhänder vor allem Garantien von Gesellschafterseite bezüglich Gesellschafterstellung, Freiheit der Anteile von Rechten Dritter sowie der Einhaltung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln etc. Dies zum einen, um einen Rückgriffsanspruch gegen die Treugeber zu haben, sofern der Treuhänder wegen der vor Übertragung der Anteile erfolgten (verbotenen) Rückzahlungen auf das Kapital oder ausstehenden Einlagen in Anspruch genommen wird, zum anderen deshalb, um diese als Minimum bei einer Unternehmensveräußerung anzusehenden „Title-Garantien“ im Falle eines späteren Verkaufs an einen Erwerber weitergeben zu können. 535 So sollten die Treugeber garantieren, dass die zu übertragenden Anteile in ihrem alleinigen Eigentum stehen und nicht mit Rechten Dritter belastet sind (mit Ausnahme etwaiger den Banken gewährter Pfandrechte). Sie sollten auch garantieren, dass zur Übertragung keine weiteren Zustimmungen erforderlich sind, als in dem Treuhandvertrag erklärt. Die Treugeber sollten ferner garantieren, dass die Einlageleistungen auf die Anteile in voller Höhe erbracht worden sind und ggf. eine entsprechende Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers vorlegen. 138

II. Treuhandmodelle

Wichtig ist aus Sicht des Treuhänders auch, sich garantieren zu lassen, dass 536 Rückzahlungen auf die Anteile bisher nicht erfolgt sind und auch keine dahingehenden Verpflichtungen bestehen, ferner, dass an den zu übernehmenden Gesellschaften keine weiteren Beteiligungen der Treugeber, insbesondere keine stillen Beteiligungen oder andere Rechte, wie z. B. partiarische Darlehen, die eine Beteiligung am Ertrag oder Vermögen der Gesellschaften begründen können, bestehen. Die Garantien sollten als selbständige (und persönliche) Garantieversprechen 537 i. S. v. § 311 Abs. 1 BGB gekennzeichnet und nicht als Beschaffenheitsgarantien bzw. Beschaffenheitsvereinbarungen i. S. d. §§ 443, 444 BGB formuliert sein. Da die Treuhänderstellung formal meist durch eine Zweckgesellschaft (SPV) 538 ausgefüllt wird und die zu deren Organ bestellte natürliche Person das Unternehmen in der Regel nicht vollständig kennt, gibt der Treuhänder im Verwertungsfall gegenüber dem Erwerber grundsätzlich keine eigenen Garantien ab, vgl. Reuther, NZI 2013, 166, 169,

sondern gibt regelmäßig nur die Garantien weiter, die er sich zuvor selbst von den Treugebern hat geben lassen. Dies kann etwa dergestalt geschehen, dass der Treuhänder in einem Unternehmenskaufvertrag die Ansprüche aus den von den Treugebern empfangenen Zusicherungen (an Erfüllungs statt) an den Investor abtritt und die Haftung auf die abgetretenen Ansprüche aus den Garantien der Treugeber beschränkt. Sollten im Einzelfall Zweifel hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit 539 zu garantierender Umstände bestehen, die Bonität der Treugeber fraglich sein oder ersichtlich weitergehende Garantien im Verkaufsfalle notwendig oder zweckmäßig sein, ist die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung auf einem Treuhandkonto oder die Vereinbarung eines Kaufpreiseinbehalts mit dem Investor für einen bestimmten Garantiezeitraum denkbar, wenngleich dies aus Gründen der Transaktionssicherheit und -schnelligkeit praktisch wohl nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird. Gegebenenfalls können auch die Treugeber Partei des späteren Unternehmenskaufvertrags werden und ihrerseits Garantien abgeben, was aus deren Sicht allerdings nur zweckmäßig sein dürfte, wenn das Angebot des Käufers so hoch ist, dass ein an die Treugeber auszukehrender Übererlös (zur Rangfolge bei der Erlösauskehr siehe Rn. 603 ff.) höher ist als das abzusehende Haftungsrisiko oder durch die Abgabe einer Garantie der Kaufpreis in eine solche Höhe „getrieben werden“ kann, sodass die Forderungen der Begünstigten vollständig abgelöst und die Treugeber aus persönlichen Sicherheiten entlassen werden. Für den Käufer wiederum ergibt sich ein Mehrwert durch solche Treugebergarantien selbstverständlich nur bei entsprechender Bonität der Altgesellschafter. Vgl. Reuther, NZI 2013, 166, 169.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

f) Vergütung und Freistellungsansprüche des Treuhänders 540 Die – in der Regel von dem das Treugut bildenden Schuldnerunternehmen zu zahlende – Vergütung des Treuhänders sollte entweder direkt in der Treuhandvereinbarung oder separat in einer Auftrags- und Honorarvereinbarung geregelt sein, welche als Anlage zum Treuhandvertrag genommen werden sollte, da die Vergütungsabrede als wesentliche Nebenabrede zumindest bei beurkundungsbedürftigen Treuhandverträgen ebenfalls dem Beurkundungszwang unterfallen dürfte (siehe Rn. 450 ff.). 541 Die Vergütung des Treuhänders variiert natürlich von Fall zu Fall, grundsätzlich dürften aber folgende Vergütungsusancen als marktüblich bezeichnet werden: 542 (1) Konstituierung der Treuhand: Meist stellt die Kanzlei des Treuhänders eine Zweckgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH zur Verfügung. Hierfür fallen regelmäßig Kosten für die Gründung oder den Erwerb in Höhe des Stammkapitals zzgl. eines etwa 10- bis 20 %igen Aufschlags für die Gründungskosten oder den Kaufpreis an. Diese sind dem Treuhänder zu erstatten (§ 670 BGB) oder werden teilweise auch über eine Pauschale zur Konstituierung der Treuhand abgebildet. Mindestens wird jedoch die Absicherung des Stammkapitals der Zweckgesellschaft durch Einzahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe des Stammkapitals erforderlich sein. Zusätzlich können Kosten für den Entwurf und die Abstimmung des Treuhandvertrags anfallen, die entweder über ein Zeithonorar oder das vereinbarte Pauschalhonorar zur Implementierung der Treuhand vergütet werden. 543 (2) Während des Laufs der Treuhandschaft erhält der Treuhänder meist eine Monatspauschale (Retainer) für das Halten und Verwalten des Treuguts. 544 (3) Nicht unüblich ist ferner eine prozentuale oder fixe Erfolgsbeteiligung, die an die erfolgreiche Sanierung und Rückübertragung des Treuguts und/ oder den Abschluss der Verwertung des Treugutes anknüpfen kann. 545 Regelmäßig sehen Treuhandverträge ferner vor, dass der Treuhänder berechtigt ist, namens und für Rechnung der Treugeber bzw. der Treugutgesellschaften Fremdaufträge zu erteilen, soweit es die sachgemäße Erfüllung der Treuhandaufgaben erfordert. Da die Treuhandgesellschaft regelmäßig eine Zweckgesellschaft ist, bedient diese sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben zumeist Rechtsanwälten aus der assoziierten Kanzlei. Diese fungieren aus berufsrechtlichen Gründen aber ausschließlich als Berater der Treuhandgesellschaft und keinesfalls als Berater der Treugeber oder der Drittbegünstigten. 546 Zur Durchführung eines Verwertungsprozesses ist meistens zudem die Mandatierung eines M&A-Beraters sowie ggf. eines Legal Advisors, der die Transaktionsdokumentation juristisch begleitet, erforderlich. 547 Hinsichtlich solchermaßen aus der Erteilung von Fremdaufträgen entstehenden Kosten steht der Treuhandgesellschaft grundsätzlich ein Freistellungsan-

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II. Treuhandmodelle

spruch aus § 670 BGB gegen die Treugeber bzw. die Treugutgesellschaften zu, die im Innenverhältnis meist die (gesamtschuldnerische Mit-)Haftung für die Kosten übernehmen, da die Treuhandgestaltung vor allem auch der Sicherstellung der Durchfinanzierung des Unternehmens dient und daher im Finanzierungsinteresse der Treugutgesellschaft liegt. Insofern ist darauf zu achten, dass das kostenbelastete Unternehmen immer auch Partei des Treuhandvertrags bzw. der Vergütungsvereinbarung ist. g) Haftpflichtversicherung und Haftungsbeschränkung des Treuhänders Regelmäßig sehen Treuhandverträge Haftungsbegrenzungen für den Treuhän- 548 der vor. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 63 f.

Angesichts des Haftungspotentials schließt der Treuhänder stets eine spe- 549 zielle Haftpflichtversicherung ab. Treuhandverträge sehen regelmäßig vor, dass die Kosten für die Prämien dieser Versicherung vom Schuldnerunternehmen getragen bzw. erstattet werden und dass die Haftung des Treuhänders auf den durch diese Versicherung abgedeckten Betrag beschränkt ist. Vor diesem Hintergrund sollten die Parteien diesen Punkt vor Abschluss des Treuhandvertrags und der Haftpflichtversicherung ausführlich erörtern. Da die Treuhänderhaftpflichtversicherung in der Regel nur Schäden aus der 550 Tätigkeit der Treuhandgesellschafterin gemäß dem Treuhandvertrag absichert, kann es erforderlich sein, zusätzlich eine D&O-Versicherung für die Organe der Treuhandgesellschafterin abzuschließen, um ausreichenden Versicherungsschutz auch im Falle von Regressansprüchen zu gewährleisten. h) Rechte und Pflichten der Vertragsparteien Insbesondere, wenn der Treuhandvertrag nicht als reine Verkaufstreuhand 551 ausgelegt ist, sondern eine mittelfristige Übernahme der Gesellschafterrolle durch den Treuhänder während der Sanierungsphase vorsieht, sollte der Treuhandvertrag die wesentlichen Rechte und Pflichten von Treugeber und Treuhänder festlegen. Die Usancen im Markt reichen hierbei von relativ rudimentären Bestimmungen, die dem Treuhänder weitgehenden Ermessensspielraum einräumen, bei dessen Ausfüllung er stets die Interessen der Treugeber und der Drittbegünstigten berücksichtigen muss, bis hin zu sehr dezidierten auch prozeduralen Regelungen. Der Vertragsersteller muss hierbei stets abwägen: Je exakter und ausführli- 552 cher die Regelungen sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit späterer Auslegungsprobleme und für Konfliktpotenzial. Andererseits sollte man den Vertrag auch nicht überfrachten und verkomplizieren, erreicht man sonst womöglich das Gegenteil und erlegt den Beteiligten Fesseln auf, die später ggf. der notwendigen Flexibilität im Wege stehen.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

aa) Rechte und Pflichten der Treugeber (1) Ausübung der Gesellschafterrechte und Weisungsbefugnis 553 Regelmäßig ist der Treuhänder als Vollrechtsinhaber im Verhältnis zur Gesellschaft und gegenüber Dritten zur vollumfänglichen Ausübung der Gesellschafterrechte befugt. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen und die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung. Andererseits treffen ihn aber auch sämtliche Pflichten eines Gesellschafters. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 391; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 537 ff. m. w. N.

554 Inwieweit der Treuhandvertrag interne Bindungen des Treuhänders gegenüber den Treugebern beinhalten kann und sollte, ist fraglich. Einerseits sollte eine Blockademöglichkeit und damit einhergehend eine Gefährdung des Treuhandzwecks und der dahinterstehenden Interessen der Beteiligten – vor allem der Begünstigten – durch die Treugeber vermieden werden. Andererseits sprechen insbesondere steuerliche Gründe für ein Weisungsrecht der Treugeber (siehe hierzu eingehend Rn. 614 ff.). 555 Generell lässt sich festhalten, dass eine zumindest teilweise Beteiligung der Treugeber an der Willensbildung auf Gesellschafterebene durchaus nicht unüblich ist und für den Treuhänder natürlich auch den Vorteil einer Art Exkulpation bietet, wenn er Entscheidungen im Einvernehmen mit den Beteiligten trifft. Rechtfertigen lässt sich eine Beteiligung der Treugeber an den Entscheidungsprozessen, insbesondere in Form von Weisungsrechten, zum einen aufgrund der strukturellen Anlehnung einer Treuhandvereinbarung an das Auftragsrecht, bei welchem dem Auftraggeber im Grundsatz auch ein Weisungsrecht gegenüber dem Auftragnehmer zusteht, wie der Umkehrschluss aus § 665 BGB zeigt, zum anderen aus den angesprochenen steuerlichen Erwägungen. 556 Praktisch sehen Treuhandverträge daher meist vor, dass der Treuhänder grundsätzlich die Weisungen des Treugebers bei der Ausführung des Treuhandauftrags zu befolgen hat. Um den Zweck der Treuhand (Stabilisierung des Sanierungsprozesses von der Gesellschafterseite her, insbesondere durch größere Unabhängigkeit des Managements von den bisherigen Gesellschaftern) und die Sicherungsinteressen der Drittbegünstigten nicht zu gefährden, werden der Treuhandzweck und die damit verbundenen Aufgaben und Befugnisse des Treuhänders in der Regel möglichst genau festgelegt und im Treuhandauftrag geregelt, dass diesen Zwecken zuwiderlaufende Weisungen der Treugeber für den Treuhänder unbeachtlich sind, worüber dieser meist nach billigem Ermessen zu entscheiden hat. 557 Neuerdings hat sich in der Literatur die Differenzierung zwischen einstufigem und zweistufigem Modell etabliert: Während der Treuhänder im einstu-

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II. Treuhandmodelle

figen Modell sofort mit Abschluss des Treuhandvertrags weisungsfrei agieren kann, bleiben die Treugeber im zweistufigen Modell berechtigt, dem Treuhänder Weisungen zu erteilen (§ 665 BGB). Erst ab Eintritt des Bedingungsfalls, wenn der Treuhänder auftragsgemäß die Verwertung des Treuguts vorzunehmen hat, ruht das Weisungsrecht der Treugeber. Vgl. Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 112 f.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 786.

Da die Weisungsbefugnis des Treugebers insbesondere bei der steuerlichen 558 Zuordnung des Treuguts und in diesem Zusammenhang besonders für die Frage, ob die steuerlichen Verlustvorträge der Gesellschaft erhalten bleiben, relevant wird (siehe hierzu eingehend Rn. 614 ff.) ist es häufig i. S. d. Sanierung geboten, dem zweistufigen Modell den Vorzug zu geben, damit die Sanierung nicht durch die volle Steuerbarkeit der Sanierungsgewinne gefährdet wird, sondern diese (zumindest bis zum auftragsgemäßen Verkauf der Gesellschaftsanteile durch den Treuhänder an einen Investor bei Eintritt des Bedingungsfalles) mit bestehenden Verlustvorträgen verrechnet werden können und eine Zurechnung an den Treuhänder mit entsprechender Steuerpflicht vermieden wird. So auch Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157.

In der praktischen Gestaltung sind natürlich auch zwischen diesen Polen lie- 559 gende Modelle denkbar. So können Mitspracherechte der Treugeber auch noch nach Eintritt des Bedingungsfalls im Rahmen des Verwertungsprozesses vereinbart werden, etwa in Bezug auf die Auswahl des Investors, wobei diese dann möglichst exakt auch prozedural geregelt sein sollten, um Blockadepotenzial zu vermeiden. Alternativ kommt etwa auch die Einrichtung eines Beirats auf Ebene der 560 Treuhandgesellschaft in Betracht, in welchem Treugeber und Begünstigte sowie in der Regel ein unabhängiger Vorsitzender vertreten sind, um auf diese Weise eine umfassende Interessenvertretung sicherzustellen. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 103.

Durch solche Beteiligungsrechte kann nicht zuletzt die Akzeptanz für die 561 Implementierung einer Treuhand aufseiten der Treugeber erhöht werden. Indes unterliegt der Treuhänder vertraglich regelmäßig keinen Weisungen 562 der Begünstigten, was oftmals auch explizit im Treuhandvertrag geregelt ist, damit diesen die Gesellschafterstellung nicht in Anlehnung an die Grundsätze des „atypischen Pfandgläubigers“ zugerechnet wird mit den entsprechenden insolvenzrechtlichen Konsequenzen (Nachrang, Anfechtbarkeit nach § 135 InsO). Vgl. Budde, ZInsO 2011, 1369, 1373; Hagebusch/Schiller, BankPraktiker 2008, 342 f.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(2) Vermögensrechte (Gewinnverwendung und Entnahmen) 563 Regelungsbedürftig ist ferner die Frage, wie mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen, insbesondere im Hinblick auf im Rahmen einer Sanierung oder danach etwa wieder anfallende Gewinne, verfahren werden soll. Ohne vertragliche Regelungen ist der Treuhänder aufgrund der Qualifizierung des Treuhandvertrags als Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen grundsätzlich verpflichtet, den Treugebern alles aus der Geschäftsführung Erlangte herauszugeben (§ 667 BGB). Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 91; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 50; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 575.

564 Die Ausschüttung laufender Gewinne an die Treugeber wird aber regelmäßig sowohl den Interessen der nach den Regelungen des Treuhandvertrags vorrangig zurückzuführenden Begünstigten, die häufig mit der Gewährung von Fresh Money die Sanierung überhaupt erst ermöglicht haben und hierbei weitere Risiken eingegangen sind, als auch der im Sanierungsgutachten enthaltenen integrierten Sanierungsplanung, die von der Thesaurierung der Gewinne und einer kontinuierlichen Verbesserung der Eigenkapitalquote ausgeht, widersprechen. In der Regel werden der Treuhandvertrag oder eine parallele Vereinbarung (z. B. Rangrücktritts- und Kapitalbelassungserklärung) daher vorsehen, dass die Gewinne bis zur vollständigen Rückführung der bestehenden Bankverbindlichkeiten oder jedenfalls bis zum Ende des Sanierungszeitraums nicht entnommen werden dürfen, sondern durch Gesellschafterbeschluss des Treuhänders in Rücklagen einzustellen sind oder, sofern diese ausgeschüttet werden, von dem Treuhänder auf einem Treuhandkonto, welches ebenfalls der Sicherung der Forderungen der Begünstigten dient, zu verwahren sind. 565 Regelmäßig sehen Treuhandverträge aber – jedenfalls wenn Anteile an Personengesellschaften das Treugut bilden – zumindest ein Entnahmerecht der Treugeber zur Erfüllung der aus den Anteilen resultierenden Steuerverpflichtungen vor. Denn als Gesellschafter einer Personengesellschaft – Regelfall dürfte heutzutage die Kommanditgesellschaft bzw. die GmbH & Co. KG sein – sind die Kommanditisten als Mitunternehmer Träger der Gewinne und Verluste, sodass die (ausgeschütteten oder nicht ausgeschütteten) Gewinne der KG durch die Kommanditisten zu versteuern sind, wenn diese steuerlich noch als Gesellschafter anzusehen sind. Das ist der Fall, da der Treuhandvertrag ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i. S. v. § 39 AO begründet (siehe hierzu Rn. 614 ff.). 566 Nach dem gesetzlichen Regelstatut hat der Kommanditist grundsätzlich nur Anspruch auf Auszahlung des auf ihn entfallenden Gewinnanteils, sofern sein Kapitalanteil nicht unter den Betrag der (Haft-)Einlage verringert ist oder durch die Auszahlung verringert würde (§ 169 Abs. 1 Satz 2 HGB), al144

II. Treuhandmodelle

lerdings ist die Regelung des § 169 HGB dispositiv. Zulässig und üblich sind daher von § 169 HGB abweichende gesellschaftsvertragliche Regelungen, um den Kommanditisten über den Gewinnauszahlungsanspruch hinausgehende Entnahmerechte einzuräumen, insbesondere im Hinblick auf die in Zusammenhang mit der Beteiligung stehenden Einkommen- und ggf. Erbschaftsteuerschulden Vgl. Grunewald, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 169 Rn. 9; v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 24 Rn. 52 ff.; Lüke, in: Hesselmann/ Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, § 3 Rn. 3.151 f.; Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 169 Rn. 18 ff.

Auch ohne explizite gesellschaftsvertragliche Regelung wird ein solches 567 Steuerentnahmerecht teilweise auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht abgeleitet. Vgl. OLG München, Urt. v. 30.6.1993 – 7 U 6765/92, DB 1994, 1465; Huber, ZGR 1988, 1, 41; a. A. Weipert, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 169 Rn. 25 f.; vermittelnd v. Falkenhausen/ H.C. Schneider, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 24 Rn. 67, die ein aus der Treuepflicht abzuleitendes Steuerentnahmerecht nur in Ausnahmefällen anerkennen, wenn die Steuern nicht aus dem entnahmefähigen Gewinn gezahlt werden können. Umgekehrt könne die Treuepflicht einem vertraglichen Entnahmerecht aber auch entgegenstehen, wenn der Gesellschaft hierdurch ein nicht wieder gutzumachender Schaden drohe und der Verzicht dem Kommanditisten zuzumuten ist.

Nach Auffassung des BGH ist dieser Ansicht entgegenzuhalten, dass das 568 Gesetz kein Steuerentnahmerecht neben dem Anspruch aus § 122 HGB kenne und die Zubilligung eines solchen Anspruchs grundsätzlich einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag bedürfe. Ob den Gesellschaftern auch ohne eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ein Anspruch zuerkannt werden könne, müsse der Entscheidung des Einzelfalles vorbehalten bleiben. Vgl. BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263; BGH, Urt. v. 26.3.1990 – II ZR 123/89, ZIP 1990, 1327.

Die Satzung der Personengesellschaft kann jedoch hinsichtlich fehlender Re- 569 gelungen zum Entnahmerecht der Kommanditisten oder hinsichtlich etwaiger Regelungen über Entnahmebeschränkungen auch einvernehmlich durch langjährige Übung der Gesellschafter konkludent abgeändert werden. Hierbei besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine langdauernde tatsächliche Abweichung vom Gesellschaftsvertrag dessen einvernehmliche Änderung bewirkt hat, und zwar auch, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Schriftformerfordernis enthält. Vgl. BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263; BGH, Urt. v. 17.1.1966 – II ZR 8/64, WM 1966, 159; LG Mainz, Urt. v. 22.11.2005 – 10 HKO 31/05.

145

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

570 Entspricht es daher langjähriger Praxis, im Gesellschaftsvertrag nicht zugelassene Entnahmen, insbesondere im Hinblick auf persönliche Steuerverpflichtungen der Kommanditisten, zu tätigen, spricht dies für eine einvernehmliche Satzungsänderung durch die Gesellschafter. Schließlich kann die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der Entnahme auch durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden, § 122 Abs. 2 HGB. Vgl. v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 24 Rn. 71 f.; Ehricke, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 52 f.

571 Neben dem typischen Steuerentnahmerecht können je nach Gesellschaftsund Gesellschafterstruktur auch weitergehende Entnahmerechte bestehen, etwa zur Erfüllung von Versorgungs- oder Rentenzusagen gegenüber Familienmitgliedern der Gesellschafter. Soweit solche Zahlungen aus der Gesellschaft zur Sicherung des persönlichen Lebensunterhalts des Empfängers notwendig sind, werden diese im Rahmen von Kapitalbelassungs- oder Sanierungsvereinbarungen in der Regel ebenfalls weiterhin zugelassen. 572 Sofern erforderlich, kann der Treuhänder im Rahmen des Treuhandvertrags mithin verpflichtet sein, durch Fassung entsprechender Gesellschafterbeschlüsse die gesellschaftsrechtliche Grundlage für Entnahmen der Treugeber zu schaffen oder die Treugutgesellschaften zu veranlassen, entsprechende Auszahlungen vorzunehmen, damit diese ihre persönlichen Steuerverpflichtungen erfüllen können. 573 Gleiches gilt dann beim sog. „Wasserfall“, also bei der Regelung der Verteilung der Erlöse aus der Verwertung des Treugutes. Ist hier für die Treugeber mit steuerlichen Auswirkungen zu rechnen, obwohl ein Zufluss an sie aus der Erlösverteilung unwahrscheinlich oder ausgeschlossen ist, so sollten sie versuchen, bezüglich dieser potenziellen Steuerlasten in die Position vor den Begünstigten einzurücken. Auch dies wird in der Praxis regelmäßig akzeptiert. (3) Rechte der Treugeber bei Kapitalmaßnahmen 574 Der Treuhandvertrag kann auch Regelungen dazu enthalten, ob und inwiefern Kapitalerhöhungen während der Verwaltung des Treuguts oder – nach Eintritt des Bedingungsfalles – im Zuge der Verwertung des Treuguts durchgeführt werden können. Bei einer nominellen Kapitalerhöhung werden nur die Nennbeträge der bestehenden Gesellschaftsanteile erhöht, sodass sich die Sicherungsvereinbarungen ohne Weiteres an den erhöhten Anteilen fortsetzen, die ja nach wie vor vom Treuhänder gehalten werden. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 54 f.; Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 57m Rn. 14.

575 Bei einer effektiven Kapitalerhöhung werden dagegen für die im Rahmen der Kapitalerhöhung zu erbringende Einlage neue Anteile gebildet und ausgegeben. Im Falle einer effektiven Kapitalerhöhung bei Kapitalgesellschaften (AG, 146

II. Treuhandmodelle

GmbH) steht den Gesellschaftern ein Bezugsrecht zu, d. h., sie dürfen die neu gebildeten Anteile übernehmen, um ihre bisherige Beteiligungsquote zu erhalten und einer „Verwässerung“ entgegenzuwirken. Für die AG ergibt sich das Bezugsrecht aus § 186 AktG, im GmbHG ist das Bezugsrecht nicht geregelt, ergibt sich aber aus einer analogen Anwendung des § 186 AktG, vgl. Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 20.

Das Bezugsrecht steht im Falle des Anteilsübergangs zunächst dem Treu- 576 händer als formalem Gesellschafter zu. Da das Bezugsrecht aber mit dem Gesellschaftsanteil, welchen der Treuhänder für den Treugeber hält, verbunden ist, steht das Bezugsrecht mittelbar auch dem Treugeber zu, der kraft Weisungsrecht entscheiden kann, ob er sich an der Kapitalerhöhung mittelbar beteiligen will. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 55.

Vor Eintritt des Bedingungsfalls können die Treugeber den Treuhänder mit- 577 hin anweisen, eine Kapitalerhöhung durchzuführen und das Bezugsrecht für sie auszuüben, sind dann aber gemäß § 670 BGB verpflichtet, dem Treuhänder die notwendigen Mittel zur Erbringung der Einlage zur Verfügung zu stellen. Die neuen Anteile gehören dann zum Treu- bzw. Sicherungsgut. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 55 f.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 284; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 12.

Nach Eintritt des Bedingungsfalls ruht das Weisungsrecht des Treugebers in 578 der Regel, sofern das sog. „zweistufige Modell“ im Treuhandvertrag angelegt ist (siehe hierzu Rn. 553 ff.). In diesem Fall kann der Treuhänder zum Zwecke der Verwertung des Treu- 579 guts das Bezugsrecht an den Investor „veräußern“. Der Investor hat dann die Einlage auf die neuen Anteile zu erbringen, die zur Entschuldung der Gesellschaft und zur Ablösung der gesicherten Forderungen zu verwenden ist (zu den Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses siehe auch Rn. 170 ff.). Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 56; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 12.

Den Treugebern kann aber auch eine Call-Option eingeräumt werden, nach 580 der sie berechtigt sind, die Gesellschaftsanteile jederzeit von dem Treuhänder zurückzuerwerben oder sich an Kapitalmaßnahmen zu beteiligen, wenn sichergestellt ist, dass hierdurch auch die gesicherten Forderungen der Begünstigten abgelöst werden. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 156.

147

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

(4) Mitwirkungs- und Informationspflichten der Treugeber 581 Darüber hinaus enthalten Treuhandverträge in der Regel noch allgemeine Mitwirkungs- und Informationspflichten der Treugeber. Dies können etwa sein: x

Die Verpflichtung, während der Laufzeit des Treuhandvertrags nicht ohne Zustimmung des Treuhänders über das Treugut zu verfügen oder dieses zu belasten, sofern die Anteile nicht sofort mit Abschluss der Treuhandvereinbarung auf den Treuhänder übertragen werden.

x

Die Verpflichtung, dem Treuhänder alle notwendigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die dieser für die ordnungsgemäße Erfüllung des Treuhandauftrags benötigt.

x

Die Verpflichtung, keine Beschlüsse zu fassen, Weisungen zu erteilen oder Handlungen vorzunehmen, die die Umsetzung des Sanierungskonzepts gefährden oder vereiteln oder die Regelungen der Treuhandvereinbarung verletzen könnten.

x

Die Verpflichtung, alle erforderlichen Erklärungen abzugeben oder Handlungen vorzunehmen, die zur Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder oder dessen Veräußerung an einen Investor im Rahmen eines Verwertungsprozesses erforderlich sind, und den Investorenprozess bestmöglich zu unterstützen.

582 Daneben können je nach Umständen des Einzelfalls weitere Rechte und Pflichten der Treugeber in den Treuhandvertrag einfließen. bb) Rechte und Pflichten des Treuhänders 583 Die Rechte und Pflichten des Treuhänders ergeben sich zunächst einmal aus dem Treuhandauftrag und dem Treuhandzweck, die daher auch entsprechend sorgfältig formuliert sein sollten. Regelmäßig wird es sich dabei um die Überwachung und Unterstützung der Sanierung entsprechend einem erarbeiteten Sanierungskonzept durch Fassung entsprechender Gesellschafterbeschlüsse und/oder die Verwertung des Treuguts sowie Verteilung des Erlöses handeln. 584 Da die involvierten Stakeholder durch die Einschaltung eines Treuhänders regelmäßig das Ziel verfolgen, eine neutrale und unabhängige Person als Gesellschafter einzusetzen, der auch zwischen den unterschiedlichen Stakeholderinteressen vermitteln kann, wird dem Treuhänder meist ein breiter Ermessens- und Handlungsspielraum eingeräumt und eher nur wenige vertragliche Handlungsvorgaben formuliert. 585 Freilich bleibt der Treuhänder natürlich an den Treuhandauftrag und Treuhandzweck gebunden und hat bei der Ermessensausübung die Interessen der Treugeber und – soweit diese durch Entscheidungen des Treuhänders tangiert werden – auch der Drittbegünstigten zu berücksichtigen. Zudem gelten zumindest ergänzend zu den Bestimmungen des Treuhandauftrags die ge-

148

II. Treuhandmodelle

setzlichen Bestimmungen der §§ 675, 662 ff. BGB, was meist auch nochmals explizit im Treuhandauftrag klargestellt wird. Einige Pflichten des Treuhänders werden dennoch üblicherweise in Treu- 586 handverträgen geregelt: (1) Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Berichterstattung Da es sich bei der doppelnützigen Treuhand um ein auftragsähnliches Rechts- 587 verhältnis handelt, ist es richtig und angemessen, dass der Treuhänder gegenüber den Treugebern zur Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Berichterstattung verpflichtet ist. Soweit nicht abweichend vertraglich geregelt, ergibt sich dies aus § 666 BGB. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 304 ff; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 101 ff; Lenders, Treuhand am Gesellschaftsanteil, S. 66 f.; Singhoff/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 563, 572 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 272 ff.; jeweils m. w. N.

Daneben wird vertraglich in der Regel auch eine Informationspflicht des Treu- 588 händers gegenüber den Drittbegünstigten im Treuhandvertrag vorgesehen, deren Interesse an einer erfolgreichen Sanierung und Besicherung ihrer Forderungen die doppelnützige Treuhand ebenfalls dient. Auch hier reicht die Bandbreite je nach Interessenlage der Beteiligten in der 589 Praxis von relativ rudimentären Regelungen, wonach der Treuhänder verpflichtet ist, die Treugeber und die Drittbegünstigten über alle das Treugut betreffenden Angelegenheiten informiert zu halten und über alle auf oder in Zusammenhang mit der Verwaltung und Verwertung des Treuguts empfangenen und getätigten Zahlungen Rechenschaft abzulegen, bis hin zu dezidierten Bestimmungen zu Umfang, Rhythmus und Prozedere der Auskunfts- und Rechenschaftsverpflichtung des Treuhänders. Um insoweit Aufwand und Kosten des Treuhänders gering zu halten, sollte 590 nach Möglichkeit ab Eintritt des Bedingungsfalls ein regelmäßiges Reporting vorgesehen werden. Regelmäßig wird sich der Treuhänder im Rahmen der Verwertung des Treuguts eines professionellen M&A-Beraters bedienen, der insofern verpflichtet werden kann, Treugeber und Begünstigte über den Stand des laufenden M&A-Prozesses zu informieren. Im Übrigen wird die Sanierung in der Regel durch ein bankübliches Monats- bzw. Quartalsreporting des Unternehmens oder Sanierungsberaters begleitet werden, welches die Beteiligten über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens informiert. (2) Konsultationspflichten Der Treuhandvertrag kann mit Blick auf das Weisungsrecht der Treugeber 591 auch Regelungen zu Konsultationspflichten des Treuhänders treffen, die sich 149

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

– soweit die Interessen der Drittbegünstigten betroffen sind – auch auf die Drittbegünstigten erstrecken können. Um Blockade- und Konfliktpotenzial zu vermeiden sollte der Treuhandvertrag in diesem Falle aber auch klare Vorgaben dazu enthalten, innerhalb welcher Fristen und in welcher Form Stellungnahmen abgegeben werden können und dass der Treuhänder außerhalb der Grenzen zulässiger Weisungen der Treugeber eigenverantwortlich entscheidet und an das Ergebnis der Konsultation nicht gebunden ist. i) Bedingungsfall und Verwertung aa) Bedingungsfall 592 Der Bedingungsfall sollte in jedem Fall klar definiert werden, da er regelmäßig der Auslöser eines von dem Treuhänder zu initiierenden Verwertungsprozesses ist. In der Regel setzt der Bedingungsfall unter der doppelnützigen Treuhand früher an, als der „klassische“ Sicherungsfall unter den banküblichen, sonstigen Sicherheiten, da die Einleitung eines Verkaufsprozesses für die Gesellschaftsanteile nur Sinn macht, wenn ein geordneter Verkaufsprozess außerhalb der Insolvenz noch möglich und sinnvoll erscheint und voraussichtlich Interesse von Investoren besteht, das Unternehmen zu einem möglichst hohen Kaufpreis außerhalb der Insolvenz zu erwerben. Häufig findet man insoweit folgende Anknüpfungspunkte: x

Zahlungseinstellung oder Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch die Gesellschaft, bei Gläubigeranträgen zusätzlich die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (vorläufiges Insolvenzverfahren).

x

Näher definierter Verzug der Gesellschaft gegenüber den Begünstigten hinsichtlich Tilgung und Zinsen.

x

Beendigung, insbesondere durch Kündigung, sonstiger Finanzierungen durch Dritte, soweit die fällig gestellten Darlehen nicht binnen einer bestimmten Frist zurückgeführt oder von einem Dritten übernommen werden.

x

Überschreitung des in der Liquiditätsplanung ausgewiesenen Liquiditätsbedarfs (ggf. innerhalb eines bestimmten Zeitraums und um einen bestimmten Prozentsatz), wenn dieser durch die Gesellschaft nicht nachweislich gedeckt werden kann.

x

Nichtumsetzung von Maßnahmen gemäß Sanierungskonzept. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 153 f.; Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 111 f.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157; Stadler, NZI 2009, 878, 879.

593 Häufig wird auch die Einhaltung von Finanzkennzahlen (Financial Covenants) zur Bedingung erhoben, um den Erfolg des Sanierungsprozesses objektiv nachhalten und/oder – soweit die Financial Covenants gerissen werden und ein

150

II. Treuhandmodelle

Scheitern der Sanierung droht – das Unternehmen im Rahmen eines stark beschleunigten Verkaufsprozesses (sog. Fire Sale) noch an einen Investor veräußern zu können. Die einzuhaltenden Finanzkennzahlen sind grundsätzlich aus der integrierten GuV-, Bilanz- und/oder Liquiditätsplanung des Sanierungskonzepts abzuleiten und konkret (also betragsmäßig bzw. prozentual) festzulegen. Dabei ist darauf zu achten, dass die im Rahmen des Treuhandvertrags (und auch der Kreditverträge) zur Prüfung der Einhaltung der Finanzkennzahlen anzuwendenden Berechnungsschemata denjenigen des Sanierungskonzepts entsprechen und hinreichend bestimmt sind (Berechnung auf konsolidierter Basis; maßgeblicher Berichtszeitraum; Bilanzierungsstandard etc.). Häufige Finanzkennzahlen (z. B. auf Monats- oder Quartalsbasis) sind: x

Verschuldungsgrad,

x

EBIT- oder EBITDA-Werte,

x

Liquiditätssituation,

x

Eigenkapitalquote.

594

Damit der Eintritt des Bedingungsfalls auch zutreffend festgestellt werden 595 kann, sollte ein monatliches oder quartalsweises Reporting durch eine unabhängige Unternehmensberatung erfolgen, die die Sanierung üblicherweise jedenfalls durch ein regelmäßiges Reporting ohnehin begleitet. Ferner kann bestimmt werden, ob der Bedingungsfall bereits mit einem erstmaligen Covenant-Bruch eintreten soll oder ob dieser erst eintritt, wenn eine Finanzkennzahl an mehreren – ggf. aufeinanderfolgenden – Stichtagen nicht eingehalten wird. Auch kann den Treugebern ggf. eine Heilungsmöglichkeit zugebilligt werden, z. B., indem diese eine EBITDA-Unterschreitung oder Liquiditätsabweichung durch eine Kapitalzufuhr heilen können. Auch das Procedere (Wer stellt wann, wie und wem gegenüber den Eintritt 596 des Bedingungsfalles fest? Gibt es hierfür Mehrheitserfordernisse auf Begünstigtenseite und Heilungsmöglichkeiten auf Schuldnerseite?) sollte vertraglich unmissverständlich geregelt sein. Auch wenn dies ein wenig formal wirkt, hilft es, unnötige Diskussionen, Streitigkeiten und Verzögerungen bei der dann anstehenden Verwertung zu vermeiden. Zudem entbindet es den Treuhänder von der Unsicherheit und dem unzumutbaren Risiko, über einen Vertrags- oder Covenantbruch und somit den Eintritt des Bedingungsfalles selbst entscheiden zu müssen. In der Praxis ist häufig geregelt, dass der Sanierungsberater im Rahmen des Reportings – ggf. auch die Begünstigten auf Basis des Reportings – dem Treuhänder den Eintritt des Bedingungsfalls schriftlich anzeigen und dieser damit für alle Seiten als eingetreten gilt, ohne dass dies vom Treuhänder geprüft werden müsste. Es kann allerdings auch vorkommen, dass die Treuhand von Anfang an als 597 Verkaufstreuhand angelegt, also der Verkaufsauftrag des Treuhänders nicht vom vorherigen Eintritt eines Bedingungsfalles abhängig ist.

151

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. Reuther, NZI 2013, 166, 167.

598 Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Treugeber selbst ein „Ausstiegsszenario“ wünscht oder nach Einschätzung des Sanierungsberaters zur mittelfristigen Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens eine Eigenkapitalstärkung durch Gewinnung eines potenten Investors unerlässlich ist, etwa weil die Gesellschafter/Treugeber selbst nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um das Unternehmen mit dem notwendigen Kapital für Investitionen etc. auszustatten. 599 Selbstverständlich kann der Verkaufsauftrag in einem solchen Fall wiederum an gewisse „Positiv-Bedingungen“ geknüpft werden, beispielsweise kann geregelt werden, dass der Treuhänder den Verkaufsprozess erst bei Erreichen bestimmter Kennzahlen, die einen gewissen Kaufpreis erwarten lassen, oder nach einem bestimmten Zeitablauf einleiten soll, um bereits erste Sanierungserfolge im M&A-Prozess zeigen zu können. bb) Verwertung 600 Auch die Verwertung als Rechtsfolge des Bedingungseintrittes sollte klar geregelt werden. Allgemein zur Verwertung vgl. Reuther, NZI 2013. 166 ff.; Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 645 ff. m. w. N.

(1) Verwertungsmodalitäten 601 Insoweit reicht der Gestaltungskorridor von einer (weitgehenden) Verwertungsfreiheit für den Treuhänder über die genaue Definition von Parametern zur Auswahl und Mandatierung eines M&A-Beraters, der auch eine verbindliche Bestätigung der Angemessenheit des Angebots abgibt, bis hin zu Zustimmungsvorbehalten der Treugeber und/oder der Begünstigten. Ferner kann im Treuhandvertrag auch ein Mindestkaufpreis festgelegt werden, welcher sich zu bestimmten Stichtagen, beispielsweise durch die Verbesserung der Unternehmenskennzahlen bei fortschreitender Sanierung, verändern kann. Vgl. Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 156; Reuther, NZI 2013, 166, 167; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1373.

602 Um Diskussionen über die Verwertung zu vermeiden, kann dem Treugeber auch das Recht eingeräumt werden, binnen einer kurzen Frist ein „besseres“ Angebot eines weiteren Interessenten vorzulegen. Auch insoweit sollten entsprechende nachmessbare Parameter vorgesehen werden, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung des „besseren Angebotes“. (z. B. höherer Kaufpreis; Zahlungen an die Gesellschaft und Sanierungskonzept des Erwerbers; keine Treuhändergarantien). Gegebenenfalls. kann insoweit auch die Bestätigung durch einen Dritten vorgesehen werden, insbesondere durch einen M&A-Berater, Wirtschaftsprüfer oder sonstigen Sachverständigen. 152

II. Treuhandmodelle Vgl. zum Schutz des Treugebers auch Singhof/Seiler, in: Singhoff/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 645, die eine Androhung der Verwertung vorschlagen.

(2) Erlösauskehr Die Verwendung des Veräußerungserlöses wird durch einen im Treuhand- 603 vertrag festgelegten „Wasserfall“ festgelegt, der die Rangfolge regelmäßig wie folgt vorgibt: x

Erstrangig werden sämtliche Kosten und Auslagen des Treuhänders (einschließlich noch offener Vergütungsansprüche) sowie der im Rahmen des Transaktionsprozesses beauftragten M&A- sowie Rechtsberater beglichen;

x

zweitrangig zur Befriedigung der gesicherten Forderungen der Begünstigten;

x

ein verbleibender Übererlös ist an die Treugeber auszukehren. Vgl. Reuther, NZI 2013, 166, 167; Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 510.

Häufig sieht der Wasserfall auch vor, dass aus dem Verkaufserlös zweitrangig 604 zunächst diejenigen Beträge zu separieren – und ggf. zu hinterlegen sind – die zur Erfüllung etwaiger steuerlicher Verpflichtungen der Treugeber in Zusammenhang mit der Veräußerung notwendig sind, namentlich wenn diese einen Veräußerungsgewinn erzielen oder durch den Verkauf steuerliche Haltefristen nicht eingehalten werden können und infolgedessen nachträglich Erbschaftsteuer zu zahlen ist. Dies ist insbesondere wichtig, wenn der Veräußerungserlös voraussichtlich so niedrig ausfallen könnte, dass kein Übererlös für die Treugeber verbleibt. In diesem Falle wäre es unbillig, diese ohne entsprechenden Liquiditätszufluss auch noch mit den steuerlichen Pflichten aus dem Verkauf zu belasten. Die interne Erlösverteilung zwischen den Begünstigten ist zumeist gesondert 605 geregelt, bei Vorliegen eines Poolvertrags im Regelfall in diesem. Hier ist die betreffende Regelung des Poolvertrags entweder in die Treuhandvereinbarung zu übernehmen oder hierauf zu verweisen. In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, die Vorgaben für die Erlösverteilung insbesondere unter den Begünstigten und ggf. den Treugebern klar und rechtssicher zu formulieren (Wer teilt dem Treuhänder verbindlich die auf die einzelnen Begünstigten/Treugeber entfallenden Quoten mit bzw. nach welchen Parametern sind diese von wem zu ermitteln?). Vgl. Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 510.

j) Beendigung Der Treuhandvertrag ist wegen seines Sicherungscharakters grundsätzlich 606 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, enthält aber üblicherweise Regelungen

153

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

zu Beendigungsgründen. Diese können entweder in einem Zweckfortfall und/oder einem Zeitablauf liegen. Ein Zweckfortfall läge z. B. entweder bei Fortfall des Sicherungszwecks oder bei Abschluss des Verwertungsprozesses und der Erlösverteilung vor, der Treuhandvertrag kann alternativ oder kumulativ, aber auch auf den definierten Sanierungszeitraum befristet werden, sodass die Treuhand mit erfolgreicher Sanierung endet, sofern bis dahin kein Bedingungsfall eingetreten ist. 607 Mit Wegfall des Sicherungszwecks entfällt typischerweise die Berechtigung der Treuhand. Fairerweise wird insoweit häufig auf den Sanierungskredit und nicht sämtliche Verbindlichkeiten gegenüber den begünstigten Finanzierern abgestellt. Daher wird die Treuhand mit Rückführung der Sanierungsmittel auch regelmäßig enden. Alternativ kann insoweit an Financial Covenants angeknüpft werden, d. h., die Treuhand endet automatisch, wenn bestimmte „Sanierungsmeilensteine“ erreicht worden sind. Rechtstechnisch lässt sich dies über eine auflösende Bedingung regeln; ansonsten hat der Treugeber gegen den Treuhänder einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch und zumindest ein Kündigungsrecht. Allgemein zur Beendigung vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 152 ff.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 150 ff. und auf S. 392 f. zur Sicherheitenfreigabe; Löhnig, Treuhand, S. 262 ff.; vgl. hierzu auch Singhof/Seiler, in: Singhoff/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 644 m. w. N.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 325 ff.; Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 117.

608 Auch versteht es sich von selbst, dass die einvernehmliche Aufhebung durch Treugeber, Treuhänder und Begünstigte stets möglich sein muss. 609 Da es sich um eine doppelnützige Treuhand handelt, sehen Treuhandverträge für den Treugeber regelmäßig kein ordentliches, sondern nur ein außerordentliches Kündigungsrecht vor. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bei der Treuhand ist – im Gegensatz zum außerordentlichen Kündigungsrecht – nach der h. M. möglich. Vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 152; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 330 m. w. N.

610 Häufig ist dies mit einer Regelung verbunden, wonach das Treugut im Falle einer außerordentlichen Kündigung wegen des fortbestehenden Sicherungszwecks und -anspruchs der Begünstigten auf einen neuen (Ersatz-)Treuhänder zu übertragen ist. Zur Auswechslung des Treuhänders vgl. Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 135 ff.; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 145 ff. sowie auf S. 151 zum Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 319 ff.; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1374.

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II. Treuhandmodelle

Für den Treuhänder wird demgegenüber im Regelfall ein ordentliches wie auch 611 ein außerordentliches Kündigungsrecht vereinbart. Zwecks Absicherung der Begünstigten ist aber auch dieses damit verbunden, dass die Treuhand auf einen neuen Treuhänder übertragen wird. Im Falle der regulären Beendigung des Treuhandvertrags wegen Zweckfort- 612 fall oder infolge Zeitablaufs hat der Treuhänder das Treugut dagegen auf den Treugeber zurückzuübertragen. 3. Steuerliche Auswirkungen Im Rahmen einer Treuhandkonstellation bedürfen stets auch die steuerlichen 613 Auswirkungen, die v. a. die Zielgesellschaft treffen können, eines besonderen Augenmerks. Um unerwünschte steuerliche Folgen zu vermeiden, ist bei der Ausgestaltung des Treuhandvertrags besondere Sorgfalt erforderlich. a) Ertragsteuern/Verlustvorträge Eine elementare Frage jeder Treuhandkonstellation ist die Frage der steuerli- 614 chen Zurechnung des Treuguts. Dies kann – insbesondere bei Personengesellschaften, etwa einer Treuhand an Kommanditanteilen – sowohl für die steuerliche Zurechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG i. V. m. §§ 1, 8 KStG) als auch die Fortführungsfähigkeit steuerlicher Zins- (§ 4h EStG, § 8a KStG) und Verlustvorträge (§ 15a EStG, § 10a GewStG, § 8c KStG) relevant sein. Vor allem der Wegfall der steuerlichen Verlustvorträge des Unternehmens mit der Folge der vollen Steuerbarkeit von Sanierungsgewinnen (sofern auch kein Steuererlass im Billigkeitswege gelingt, dazu unten) kann die Sanierung ergebnis- und liquiditätsmäßig erheblich belasten oder sogar zum Scheitern bringen. Sollte es zum Untergang von Verlustvorträgen kommen, sollte dies jedenfalls sogleich im Rahmen der Sanierungsplanung abgebildet werden, um böse Überraschungen, z. B. im Hinblick auf die Einhaltung von Financial Covenants, zu vermeiden. aa) Steuerliche Zuordnung des Treugutes In steuerlicher Hinsicht bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei 615 Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter grundsätzlich weiterhin allein dem Treugeber zuzurechnen sind. Sind die Voraussetzungen des § 39 AO erfüllt, liegt kein schädlicher Anteilübergang i. S. v. § 8c KStG bzw. § 10a GewStG vor und werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG weiterhin dem Treugeber als Mitunternehmer zugerechnet. Vgl. BFH, Urt. v. 22.6.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258; BFH, Urt. v. 1.12.2010 – IV R 17/09, BFHE 232, 93; Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 295.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH liegt ein steuerlich anzuerken- 616 nendes Treuhandverhältnis i. S. d. § 39 AO jedoch nur dann vor, wenn die

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder eindeutig ergeben, dass die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers in einem Maße eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. 617 Wesentliche und „im Grundsatz unverzichtbare Merkmale“ einer solchen Beherrschung des Treuhandverhältnisses durch den Treugeber sind die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders gegenüber dem Treugeber sowie – im Grundsatz – dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treuguts. Ferner muss das Treuhandverhältnis wegen der vom Zivilrecht abweichenden Zurechnungsfolge auf ernst gemeinten und klar nachweisbaren Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder beruhen und auch tatsächlich durchgeführt werden. Vgl. BFH, Urt. v. 14.3.2017 – VIII R 32/14, GmbHR 2017, 993; BFH, Urt. v. 21.5.2014 – I R 42/12, BFHE 246, 119; BFH, Urt. v. 1.12.2010 – IV R 17/09, BFHE 232, 93; BFH, Urt. v. 24.11.2009 – I R 12/09, BFHE 228, 195; Ratschow, in: Klein, AO, § 39 Rn. 62 ff.; Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 114 ff.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1160.

618 Aus steuerrechtlicher Sicht ist im Übrigen irrelevant, wie das Treuhandverhältnis begründet wurde, der BFH erkennt neben der „klassischen“ Übertragungstreuhand auch Vereinbarungs- und Erwerbstreuhandschaften (zu den Begrifflichkeiten siehe Rn. 377 ff.) an und stellt maßgeblich auf die schuldrechtliche Treuhandabrede ab. Vgl. Urt. v. 6.10.2009 – IX R 14/08, BFHE 228, 10; BFH, Urt. v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BFHE 183, 518.

619 Die beiden vom BFH angewendeten Hauptkriterien in doppelnützigen Treuhandverträgen stets ohne Einschränkungen abzubilden, ist schwierig, da sie dem (Sicherungs-)Zweck der Treuhand zuwiderlaufen und somit nicht im Interesse der die Sanierung finanzierenden Begünstigten liegen könnten. Jedoch sollte darauf geachtet werden, zumindest gewisse Weisungsrechte der Treugeber sowie eine Pflicht zur Rückübertragung des Treuguts nach erfolgreicher Sanierung in der Treuhandvereinbarung vorzusehen. So auch Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157.

620 Problematisch dürfte insbesondere das zweite Wesentlichkeitskriterium des BFH sein, namentlich die grundsätzliche Möglichkeit der Treugeber, das Treugut jederzeit herauszuverlangen. Hier gilt nach der Rechtsprechung des BFH aber, dass die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist oder die Befristung des Treuhandvertrags der steuerlichen Transparenz des Treuhandverhältnisses nicht per se entgegenstehen.

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II. Treuhandmodelle Vgl. Ziff. 1.2 des sog. „Treuhanderlasses“ (BMF-Schreiben vom 1.9.1994 = BStBl. I 1994, 604); BFH, Urt. v. 24.11.2009 – I R 12/09, BFHE 228, 195. Im Urteil vom 21.5.2014 – I R 42/12, BFHE 246, 119, hat der BFH aus steuerlicher Sicht etwa nicht beanstandet, dass die Kündigungsmöglichkeit des Treugebers erstmals nach einem Jahr entstand und die Kündigungsfrist ein weiteres Jahr betrug, sodass bis zur frühestmöglichen Beendigung des Treuhandverhältnisses ein Zeitraum von nahezu zwei Jahren vergehen musste. Im Urteil vom 10.12.1992 – XI R 45/88, BFHE 170, 487, hatte der BFH das Fehlen eines durchsetzbaren Anspruchs der Treugeber auf Herausgabe des Treuguts unter Hinweis auf die über die Weisungs- und Kontrollrechte vermittelte Mitunternehmerinitiative gar gebilligt.

Im Rahmen einer doppelnützigen Sanierungstreuhand steht den Treugebern 621 bis zum Eintritt eines Beendigungsgrundes (siehe hierzu Rn. 606 ff.) in der Regel kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Mit Blick auf die steuerliche Bewertung wird man aber auch den Sicherungscharakter der doppelnützigen Treuhand berücksichtigen müssen. Für die Sicherungsübereignung als Fall der eigennützigen Sicherungstreuhand ordnet § 39 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO sogar explizit an, dass das Sicherungsgut dem Sicherungsgeber zuzurechnen ist. Dieser hat es durch rechtzeitige Tilgung der gesicherten Forderungen selbst in der Hand, die Voraussetzungen für die Rückgabe der Sicherheit herbeizuführen. Die Sachlage bei der doppelnützigen Sanierungstreuhand ist insofern vergleichbar: Gelingt die Sanierung und können die Sanierungskredite plangemäß getilgt werden, entfällt der Sicherungszweck und die TreugutAnteile sind auf die Treugeber zurückzuübertragen. Die Treugeber können hierauf jedenfalls dann, wenn ihnen nach dem Treuhandvertrag Weisungsrechte zustehen, auch mittelbar Einfluss nehmen. Zudem partizipieren sie und nicht der Treuhänder selbst im Verwertungsfalle an einem Veräußerungserlös. Vgl. Ratschow, in: Klein, AO, § 39 Rn. 70 f.; in die gleiche Richtung argumentierend Braun/Riggert, in: FS Görg, S. 95, 114 ff.

Die Frage nach der steuerlichen Anerkennung einer doppelnützigen Treu- 622 hand kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern hängt von der Vertragsgestaltung und der Einschätzung der Finanzverwaltung im Einzelfall ab. Insofern kann es ratsam sein, vor Abschluss des Treuhandvertrags eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts einzuholen. Andernfalls muss den steuerlichen Risiken, insbesondere einer möglichen Zurechnung der Einkünfte, durch entsprechende Vertragsgestaltungen in Form von Freistellungsansprüchen Rechnung getragen werden. In der Praxis sollen doppelnützige Treuhandschaften weit überwiegend von den Finanzbehörden gebilligt worden sein, beispielsweise wurde die Möglichkeit zur „jederzeitigen“ Beendigung des Treuhandverhältnisses für den Fall bejaht, dass der Treuhandvertrag automatisch enden sollte, wenn eine gewisse Verschuldungsgrenze unterschritten wird (z. B. nachdem das Fresh Money im Rahmen der Sanierung zurückgeführt wurde)

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen und dies ausweislich des Sanierungskonzepts in absehbarer Zeit möglich ist.

623 Weitere Indizien für das Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses können die Vereinbarung eines Treuhandentgeltes und die bilanzielle Behandlung des Treuguts darstellen. Vgl. BFH, Urt. v. 10.5.2016 – IX R 13/15, GmbHR 2016, 1101; BFH, Urt. v. 24.11.2009 – I R 12/09, BFHE 228, 195; BFH, Urt. v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BFHE 183, 518.

bb) Steuerliche Verlustvorträge 624 Wie dargelegt ist die steuerliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses i. S. d. § 39 AO in Sanierungssituationen insbesondere relevant für die Frage, inwieweit nach Übertragung der Anteile auf den Treuhänder steuerliche Verlustvorträge (§ 8c KStG, § 10a GewStG) bestehen bleiben und mit infolge fortschreitender Sanierung wieder entstehenden Gewinnen verrechnet werden können. 625 Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG), auf den § 10a Satz 10 GewStG für die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge verweist. 626 Die Norm begegnet allerdings immer wieder verfassungsrechtlichen Bedenken. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Grundsatzentscheidung, bei der Besteuerung von Körperschaften – anders als bei Personengesellschaften – zwischen der Vermögenssphäre der Anteilseigner und der Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft zu unterscheiden (Trennungsprinzip). Dies hat zur Folge, dass es nach dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht hinsichtlich der Besteuerung allein auf die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ankommt. Hat diese im Rahmen ihrer Tätigkeit Verluste erlitten, müssen diese bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte im Grundsatz berücksichtigt werden, sofern es sich um „dieselbe“ Kapitalgesellschaft handelt, diese also im Wesentlichen den gleichen Geschäftsbetrieb führt, aus dem auch die Verluste herrühren („wirtschaftliche Identität“). Durch diese Betrachtung soll insbesondere der missbräuchlichen Praxis des Mantelkaufs begegnet werden, bei der eine Kapitalgesellschaft, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, aber noch über Verlustvorträge verfügt, unter wirtschaftlicher Neugründung durch Zuführung neuen Betriebsvermögens erworben wird, um die noch vorhandenen Verluste zu nutzen. Dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Missbrauchsvermeidungsgedanke hat allerdings nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Ausprägung im Tatbestand des § 8c KStG in seiner jetzigen Form mehr gefunden. BVerfG, Beschl. v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106.

627 Nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG in seiner jetzigen Fassung gehen nicht genutzte Verluste vollständig unter, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts158

II. Treuhandmodelle

rechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Das frühere Zweistufensystem, bei dem die Verlustvorträge bei Beteiligungsverschiebungen zwischen 25 % und 50 % zunächst quotal und erst ab einem Beteiligungserwerb von mehr als 50 % vollständig untergingen, wurde auf Empfehlung des Finanzausschusses, vgl. BT-Drucks. 19/5595, S. 76,

durch das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11.12.2018 (Jahressteuergesetz 2018), BGBl. I 2018, S. 2338 ff.,

endgültig aufgehoben. Hintergrund war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.3.2017, in der das Verfassungsgericht die vormalige gesetzliche Wertung in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a. F., nach der bei einer bloßen Übertragung von mehr als 25 % der Anteile regelmäßig bereits von einer „Änderung der wirtschaftlichen Identität“ der Kapitalgesellschaft auszugehen sei, die zum Verlustabzug nicht mehr berechtige, als willkürlich und damit gleichheitswidrig i. S. d. Art. 3 GG einstufte. BVerfG, Beschl. v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106.

Entscheidend ist aktuell daher nur noch, ob innerhalb von fünf Jahren mehr 628 als 50 % der Beteiligungsrechte an einen Erwerberkreis übertragen werden. In diesem Fall gehen die Verlustvorträge vollständig unter. Ob diese Regelung verfassungsrechtlich Bestand hat, war bei Redaktions- 629 schluss freilich noch offen. Das Finanzgericht Hamburg war anknüpfend an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.3.2017 der Überzeugung, dass auch die jetzige Regelung des vollständigen Verlustabzugsverbots bei einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft verfassungswidrig ist und hat die Frage erneut dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. FG Hamburg, (Vorlage-)Beschl. v.29.8.2017 – BB 2017, 2654; beim BVerfG anhängig unter Az. 2 BvL 19/17.

Für die Frage, ob es zu einer Übertragung der Beteiligung kommt, kommt es 630 nach Ansicht der Finanzverwaltung auf die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an. Vgl. BMF-Schreiben v. 28.11.2017 – IV C 2-S 2745-a/09/10002:004, BStBl I 2017, 1645, Rn. 6; so auch Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 56; Duttiné, BB 2019, 1493, 1496; a. A. wohl: Olbling, in: Streck, KStG, § 8c Rn. 25, der auf die vollständige und endgültige zivilrechtliche Übertragung abstellt.

Verbleibt es im Falle einer doppelnützigen Sanierungstreuhand nach den 631 steuerlichen Zurechnungskriterien auch nach der dinglichen Übertragung

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

des Treuguts auf den Treuhänder weiterhin bei einer steuerlichen Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums zu dem Treugeber (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO), dürfte nach diesen Grundsätzen kein schädlicher Beteiligungserwerb i. S. v. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vorliegen, sodass die steuerlichen Verlustvorträge erhalten bleiben und während der Sanierungsphase genutzt werden können. Zu einem schädlichen Beteiligungserwerb i. S. v. § 8c Abs. 1 KStG kann es dann erst im Falle der Veräußerung des Treuguts an einen Investor kommen. Vgl. Duttiné, BB 2019, 1493, 1496.

632 Kommt eine steuerliche Zurechnung nach § 39 AO im Einzelfall nicht in Betracht, ist zur Rettung der Verlustvorträge das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands bei Fortführung des Unternehmens (§ 8d KStG) oder in einer Sanierungssituation (§ 8c Abs. 1a KStG) zu prüfen. 633 Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes vom 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959,

auf Empfehlung des Finanzausschusses u. a. eine tatbestandlich an das Sanierungsprivileg des § 39 Absatz 4 Satz 2 InsO angelehnte Sanierungsklausel als neuer § 8c Abs. 1a KStG eingeführt, BT-Drucks. 16/13429, S. 50,

nach der auch bei einem maßgeblichen Beteiligungserwerb kein schädlicher Anteilserwerb mit der Folge des Wegfalls der Verlustvorträge vorliegt, wenn der Anteilserwerb zum Zwecke der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erfolgt. 634 Nachdem die EU-Kommission 2010 angekündigt hatte, die Sanierungsklausel auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 107 AEUV (Staatliche Beihilfen) zu überprüfen, war die Anwendung der Sanierungsklausel durch Schreiben des BMF vom 30.4.2010, BMF-Schreiben v. 30.4.2010, IV C 2 – S 2745-a/08/10005/002, BStBl. I 2010, 488,

zunächst ausgesetzt. Mit Kommissionsbeschluss vom 26.1.2011 stufte die EU-Kommission die Sanierungsklausel wegen Verstoßes gegen Art. 107 AEUV schließlich als europarechtswidrige Beihilfe ein, Beschl. der Kommission vom 26.1.2011 – K(2011) 275, ABl. L 235 v. 10.9.2011, S. 26,

woraufhin § 34 Abs. 7c KStG in der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7.12.2011, BGBl. I 2011, S. 2592,

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II. Treuhandmodelle

dahingehend ergänzt wurde, dass § 8c Abs. 1a KStG unanwendbar ist, bis der Europäische Gerichtshof den Beschluss der EU-Kommission für nichtig erklärt und feststellt, dass die Sanierungsklausel keine staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Nachdem das Gericht der europäischen Union (EuG) die gegen den Beschluss 635 der EU-Kommission gerichteten Nichtigkeitsklagen mehrerer betroffener Unternehmen in I. Instanz abgewiesen hatte, erklärte der EuGH den Beschluss der EU-Kommission vom 26.1.2011 in vier parallelen Musterverfahren in II. Instanz am 28.6.2018 für nichtig. EuGH, Urt. v. 28.6.2018 in den Verfahren C-203/16 P (Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding) ./. Kommission), C-208/16 P (Deutschland ./. Kommission), C-209/16 P (Deutschland ./. Kommission) und C-219/16 P (Lowell Financial Services ./. Kommission), ZIP 2018, 1345.

Der deutsche Gesetzgeber hat reagiert und § 34 Abs. 6 KStG durch das „Ge- 636 setz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11.12.2018 (Jahressteuergesetz 2018), BGBl. I 2018, S. 2338 ff.,

neu gefasst. Gemäß § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG ist § 8c Abs. 1 KStG nunmehr erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 anzuwenden. Vollkommen vom Tisch ist die jahrelange Rechtsunsicherheit zur Sanie- 637 rungsklausel damit allerdings noch nicht. Denn der EuGH hat den Beschluss der EU-Kommission vom 26.1.2011 aus verfahrensrechtlichen Gründen bereits deshalb für nichtig erklärt, weil die Kommission bei der Prüfung, ob den betroffenen Unternehmen ein selektiver Vorteil gewährt wurde, ein falsches Referenzsystem zugrunde gelegt hat. Eine Aussage zur Vereinbarkeit der Sanierungsklausel mit Art. 107 Abs. 1 AEV ist hiermit zwar nicht verbunden, allerdings wird die Entscheidung in diesem Sinne verstanden. Vgl. EuGH, Urt. v. 28.6.2018 – C-203/16 P, ZIP 2018, 1345, insbesondere Rn. 106 ff. der Entscheidungsgründe; vgl. auch Burwitz, NZG 2018, 978, 980.

Ist mithin nach aktueller Rechtslage die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a 638 KStG anwendbar, führt ein Beteiligungserwerb von mehr als 50 % nicht zum Untergang der Verlustvorträge der Körperschaft, wenn die Voraussetzungen des Sanierungsprivilegs erfüllt sind. Danach sind Beteiligungserwerbe privilegiert, wenn sie zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erfolgen. Der Begriff der „Sanierung“ ist in § 8c Abs. 1a Satz 2 KStG legaldefiniert. Eine Sanierung ist demnach eine „Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.“

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

639 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Sanierungsprivilegs ist also zunächst die Darlegung der Sanierungssituation durch die Körperschaft, welche das Sanierungsprivileg in Anspruch nehmen will. Sie trägt die objektive Beweislast für das Vorliegen der Sanierungsvoraussetzungen. Vgl. BT-Drucks. 16/13429, S. 51; OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 5.

640 Die erste Voraussetzung ist, dass der Anteilerwerb zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Körperschaft zumindest droht oder bereits eingetreten ist. Die tatbestandliche „Krisendefinition“ ist allerdings unscharf und damit risikobehaftet, da ein Anteilserwerb vor Kriseneintritt nicht privilegiert ist. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 4.

641 Den Sanierungsplan erst zu konzeptionieren, wenn bereits Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, dürfte die Sanierungschancen aus Zeitgründen vielfach zunichtemachen. Fraglich ist aber, ab welchem weiter vorher liegenden Zeitpunkt von einer „Krise“ auszugehen ist, die die Tür für das Sanierungsprivileg öffnet. Nach der Gesetzesbegründung soll der Eintritt der „Krise“ nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzrechts vor MoMiG bestimmt werden. BT-Drucks. 16/13429, S. 50; so auch OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 4; den seinerzeit vom BGH geprägten Begriff der „Kreditunwürdigkeit“ wegen seiner Unschärfe kritisierend Olbling, in: Streck. KStG, § 8c Rn. 78e.

642 Die OFD Nordrhein-Westfalen verlangt zwar nicht die Stellung eines Insolvenzantrags zum Nachweis der Krise, im Zweifelsfall müsse die Körperschaft aber nachweisen, dass es bereits vor dem Beteiligungserwerb zu Zahlungsstockungen oder Finanzierungsschwierigkeiten gekommen ist. Könne die Kapitalgesellschaft ihren zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit erforderlichen Kreditbedarf am Kapitalmarkt ohne Sicherheiten von dritter Seite nicht mehr finanzieren, so sei von einer Krise auszugehen. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 4.

643 Die Körperschaft muss jedenfalls eine „Sanierungsbedürftigkeit“ im Zeitpunkt des Anteilserwerbs darlegen, d. h., ohne die geplanten oder ergriffenen Maßnahmen muss in absehbarer Zeit mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu rechnen sein. So auch Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 87b.

644 In Anlehnung an die parallele Diskussion zur Frage, wann eine „Insolvenzreife“ i. S. d. Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Sanierungskrediten vorliegt, vgl. hierzu ausführlich: Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 114 ff.,

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II. Treuhandmodelle

wird ein Unternehmen als sanierungsbedürftig anzusehen sein, wenn ohne Stützungsmaßnahmen die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann. Eine solche Lage ist bereits dann anzunehmen, wenn abzusehen ist, dass – falls sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt – das Unternehmen in gewisser Zeit zahlungsunfähig oder überschuldet sein wird, und wenn eine rechtzeitige Änderung dieser Entwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Ferner sind neben der Sanierungsbedürftigkeit die Ursachen für die eingetre- 645 tene Krise in objektiv nachvollziehbarer Weise und die konkreten zur Bewältigung dieser Krise ergriffenen Maßnahmen durch Unterlagen zu belegen. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 5.

Die in Angriff genommenen Maßnahmen müssen objektiv geeignet sein, die 646 Körperschaft aus der Krise zu führen und sie wieder ertragsfähig zu machen („Sanierungsfähigkeit“). Die Sanierung muss nicht alleiniger Zweck des Erwerbs sein, die Sanierungsmaßnahmen müssen mit dem Anteilserwerb jedoch im Zusammenhang stehen. Hiervon ist nicht mehr auszugehen, wenn die Sanierungsmaßnahmen erst ergriffen werden, wenn nach Anteilserwerb mehr als ein Jahr vergangen ist. Vgl. BT-Drucks. 16/13429, S. 51; OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 5 f.

Die Dokumentation einer solchen Sanierungsfähigkeit verlangt regelmäßig 647 die Vorlage eines Sanierungsplans. Die Erstellung eines Sanierungsplans nach den standardisierten Vorgaben des IDW (IDW S 6) indiziert eine derartige Sanierung, ist aber nicht in allen Fällen zwingend zu fordern. Es ist ggf. ausreichend, wenn die Körperschaft die konkreten Maßnahmen darlegt, die die Sanierung herbeiführen sollen. Vgl. BT-Drucks. 16/13429, S. 51; OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 5.

Können die Sanierungsbedürftigkeit, die Sanierungseignung der konzipierten 648 Maßnahmen (Sanierungsfähigkeit) und die Sanierungsabsicht durch einen dokumentierten Sanierungsplan nachgewiesen werden, verlangt die Anwendung des Sanierungsprivilegs des Weiteren, dass die wesentlichen Betriebsstrukturen des übernommenen Unternehmens erhalten bleiben. Dies setzt voraus, dass alternativ eines der in § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG genannten Kriterien erfüllt wird: 1) Die Körperschaft befolgt eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 1 KStG). Formal kommt in erster Linie der Abschluss einer Betriebsvereinbarung i. S. v. § 77 BetrVG in Betracht. Existiert kein Betriebsrat erkennt die Finanzverwaltung aber auch Arbeitsplatzregelungen im Rahmen eines Ta163

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

rifvertrags und/oder eines Sozialplans an. Auch Individualvereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern können nach Ansicht der OFD NordrheinWestfalen die Anforderungen des § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG erfüllen, wenn von diesen Vereinbarungen mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer betroffen sind. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 13 f.; Olbling, in: Streck. KStG, § 8c Rn. 78g.

Zwischen dem Beteiligungserwerb und dem Abschluss der Betriebsvereinbarung muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen, was naturgemäß insbesondere anzunehmen ist, wenn die Betriebsvereinbarung nach dem Erwerb mit dem Erwerber abgeschlossen wird. Wurde die Betriebsvereinbarung bereits vor dem Beteiligungserwerb abgeschlossen, kann eine nach dem Beteiligungserwerb getroffene Anschlussvereinbarung diesen sachlichen Zusammenhang herstellen. Ausreichend dürfte aber auch sein, wenn die Einbindung des Erwerbers in die Verhandlung der Betriebsvereinbarung vor dem Beteiligungserwerb dargelegt werden kann. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 15.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 87c; Duttiné, BB 2019, 1493, 1497.

Über die Anzahl der durch eine Betriebsvereinbarung zu erhaltenden Arbeitsplätze schweigt das Gesetz. In der Literatur wird angeführt, der Sinn und Zweck der Regelung sei nur erfüllt, wenn mindestens 50 % der Arbeitsplätze erhalten bleiben. Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 87c.

Der Gesetzgeber hat allerdings bei der Schaffung der Regelung im Rahmen der Gesetzesbegründung anerkannt, dass zur Sanierung eines Unternehmens häufig auch ein Personalabbau unerlässlich ist. Nach Ansicht der OFD Nordrhein-Westfalen kommt es daher nicht auf den Umfang der durch die Betriebsvereinbarung zu erhaltenden Arbeitsplätze an. Vgl. BT-Drucks. 16/13429, S. 51; OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 13.

2) Die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb unterschreitet 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 2 KStG). Hinsichtlich der maßgeblichen Bemessungsgrundlage verweist die Regelung auf § 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 und Absatz 4 des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2008. Die komplizierte Regelung(-stechnik) besagt vereinfacht ausgedrückt, dass die durchschnittliche Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach 164

II. Treuhandmodelle

dem Beteiligungserwerb 80 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Die Ausgangslohnsumme berechnet sich wiederum nach dem Durchschnitt der Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor dem Beteiligungserwerb. Im Durchschnitt dürfen die jährlichen Löhne also nicht um mehr als 20 % sinken. Die Berechnung erfolgt taggenau ab dem Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 16 f.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 87c.

In die Berechnung sind aufgrund des Verweises auf § 13a Abs. 4 ErbStG auch die Lohnsummen der Beschäftigten von Tochtergesellschaften mit Sitz in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum einzubeziehen, wenn die Beteiligung der zu veranlagenden Körperschaft an diesen Tochtergesellschaften unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % beträgt. Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 87c, insofern aber kritisch, da Desinvestitionen durch Verkauf von Beteiligungen wesentlicher Bestandteil eines tragfähigen Sanierungskonzepts sein können; a. A. Duttiné, BB 2019, 1493, 1497.

Beträgt die Ausgangslohnsumme 0 € oder hat die Körperschaft nicht mehr als 10 bzw. (ab VZ 2010) nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, so ist die Lohnsummenregelung nach § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 2 KStG nicht anwendbar. In diesen Fällen kann die Körperschaft die Tatbestandsmerkmale der Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen nur über § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 3 KStG erfüllen. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 18.

3) Der Körperschaft wird durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 KStG). Da eine Sanierung wie erwähnt oftmals mit einem Personalabbau einhergeht und die arbeitsplatzspezifischen Voraussetzungen nach § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 1 und 2 KStG ggf. nicht erfüllt werden können, ist eine auf die Erhaltung der Betriebsstruktur gerichtete Sanierung auch dann anzunehmen, wenn dem Unternehmen durch Einlagen neues Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Gesellschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 % des in der Steuerbilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres enthaltenen Aktivvermögens entspricht. Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen (z. B. bei einem 60 %-igen Anteilserwerb beträgt die Einlagengrenze 60 % von 25 % = 15 %). 165

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 20.

Anzuerkennen sind in diesem Zusammenhang auch Einlagen in Form der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs, Mitunternehmeranteils oder eines qualifizierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft (§§ 20, 21 UmwStG). Diese Einlagen sind mit dem Wert zu berücksichtigen, mit dem die Sacheinlage von der übernehmenden Körperschaft angesetzt wird (d. h. gemeiner Wert, Zwischenwert oder Buchwert) abzüglich gewährter anderer Gegenleistungen. Letztlich entspricht dieser Wert dem Betrag der Anschaffungskosten des Einbringenden, der sich aus § 20 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 UmwStG ableitet. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 21.

Nach § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 4 KStG steht der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind. Eine Werthaltigkeit besteht nur in der Höhe, in der die in der Krise befindliche Gesellschaft diesen Anspruch überhaupt noch erfüllen könnte; die Beweislast trägt die Gesellschaft. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 20.

Nach § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 5 KStG wird die relevante Einlage durch Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Einlageleistung erfolgen, wieder gemindert. solchermaßen schädliche Leistungen der Kapitalgesellschaft sind sämtliche Vermögensabflüsse i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG, also insbesondere offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, Kapitalrückzahlungen, Einlagerückzahlungen etc.). Zur Vermeidung von Missbräuchen sind solche Leistungen im Rahmen der Minderung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie an Anteilserwerber oder Altgesellschafter erfolgen. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 29; Olbling, in: Streck. KStG, § 8c Rn. 78j.

649 Keine „Sanierung“ i. S. v. § 8c Abs. 1a KStG liegt nach § 8c Abs. 1a Satz 4 KStG dagegen vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt. 650 Die Prüfung, ob der Geschäftsbetrieb zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs bereits im Wesentlichen eingestellt war, hat einzelfallbezogen zu erfolgen. Im Falle eines Branchenwechsels gehen – sofern vor dem Branchenwechsel von einem Anwendungsfall der Sanierungsklausel ausgegangen worden ist –

166

II. Treuhandmodelle

die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste rückwirkend unter (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 20.12.2018 – S 2745 a-2015/0011, Rn. 31 f.

Kommt ein Erhalt der steuerlichen Verlustvorträge nach § 8c Abs. 1a KStG 651 im Falle eines schädlichen Beteiligungserwerbs nicht in Betracht, eröffnet § 8d KStG als weitere Ausnahme zu § 8c Abs. 1 KStG die Möglichkeit, auf Antrag einen sog. fortführungsgebundenen Verlustvortrag zu erhalten. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen 652 Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, S. 2998,

mit (Rück-)Wirkung zum 1.1.2016 eingeführt, um die Lücke zu schließen, welche die damalige Unanwendbarkeit der Sanierungsklausel mit sich gebracht hatte, und die weitreichenden Folgen des § 8c KStG bei Anteilseignerwechseln wieder abzumildern. Nach § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG ist § 8c auf Antrag nicht anzuwenden, wenn 653 die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG eingetreten ist. Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 8d KStG ist daher, dass über- 654 haupt ein schädlicher Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c KStG stattgefunden hat. Weitere Voraussetzung ist, dass die Körperschaft im maßgeblichen Zeitraum 655 ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten hat (§ 8d Abs. 1 Satz 3 KStG) und dieser fortgeführt wird. Nach § 8d Abs. 1 Satz 3 KStG definiert sich der maßgebliche Geschäftsbetrieb durch die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung. Qualitative Merkmale, um zu ermitteln, ob es sich um denselben Geschäftsbetrieb handelt, sind nach § 8d Abs. 1 Satz 4 KStG insbesondere x

die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte,

x

der Kunden- und Lieferantenkreis,

x

die bedienten Märkte und

x

die Qualifikation der Arbeitnehmer.

Ob die Normfassung dem Anspruch genügt, in Einschränkung von § 8c 656 KStG hinsichtlich des Erhalts von Verlustvorträgen wieder auf die Erhaltung 167

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft abzustellen, ist allerdings zweifelhaft, da der Tatbestand eine Vielzahl unbestimmter und daher auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe ausweist und teilweise auch betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen ausschließen kann. So stellt sich etwa die Frage, ob eine Körperschaft nur einen einheitlichen Geschäftsbetrieb oder mehrere voneinander unabhängige Geschäftsbetriebe (i. S. v. Betriebsteile) haben kann und wie sich die Aufgabe unprofitabler Geschäftsbereiche, Produktdiversifizierungen etc. auf die Bewertung auswirken soll. Vgl. Olbling, in: Streck. KStG, § 8d Rn. 10 ff.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88c ff.

657 Ausschlussgründe: In folgenden Fällen ist § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG auf bereits entstandene Verluste unanwendbar: x

Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs (§ 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 KStG) Wird der Geschäftsbetrieb im maßgeblichen Betrachtungszeitraum (insbesondere innerhalb der drei dem schädlichen Beteiligungserwerb vorangegangenen Wirtschaftsjahre) eingestellt oder ruhend gestellt, können die bis dahin entstandenen Verluste gemäß § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KStG unter keinen Umständen nach Abs. 1 Satz 1 fortgeführt werden. Von einer Einstellung des Geschäftsbetriebs ist nach den Grundsätzen der Betriebsaufgabe auszugehen, wenn eine Willensentscheidung oder Handlung vorliegt, die darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen. Hierfür genügt, wenn die verbleibende Tätigkeit im Vergleich zur bisherigen nur noch „unwesentlich“ ist. Auch eine Einstellung mit späterer Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ist schädlich. Vgl. BT-Drucks. 544/16, S. 8 f.; Olbling, in: Streck. KStG, § 8d Rn. 12; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88e.

x

Keine Stellung als Organträger oder Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft (§ 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 KStG) Durch diese Ausschlussgründe sollen zweckwidrige Gestaltungen vermieden werden, sie haben aber eine „überschießende“ Tendenz, als es genügt hätte, Verlustverrechnungsmöglichkeiten mit den Gewinnen der Mitunternehmerschaft bzw. der Organgesellschaft auszuschließen. Unschädlich soll indes sein, wenn die Mitunternehmerschaft über eine Kapitalgesellschaft als Zwischenholding gehalten wird. Auch ist es unschädlich, wenn die Körperschaft Organgesellschaft ist. Vgl. BT-Drucks. 544/16, S. 9; Olbling, in: Streck. KStG, § 8d Rn. 18 f.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88i f.

x

168

Keine Änderung der Zweckbestimmung des Geschäftsbetriebs (§ 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KStG)

II. Treuhandmodelle

Der Ausschlussgrund knüpft an die Fortführungspflicht hinsichtlich „desselben“ Geschäftsbetriebs gemäß Abs. 1 Satz 1 an. Insofern stellen sich dieselben inhaltlichen Probleme. Ein Branchenwechsel liegt in jedem Fall dann vor, wenn der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand geändert wird. Aber auch wenn sich die tatsächliche wirtschaftliche Zweckbestimmung des Geschäftsbetriebs ändert, ist von einem Wechsel der Branche auszugehen. Vgl. BT-Drucks. 544/16, S. 9; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88g.

x

Keine Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs (§ 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KStG) Auch in diesem Zusammenhang stellen sich Abgrenzungsprobleme zwischen zulässiger, betriebswirtschaftlich sinnvoller Erweiterung des Leistungsspektrums innerhalb des bestehenden Geschäftsbetriebs und der Aufnahme eines neuen Geschäftsbetriebs.

x

Kein Erwerb von Wirtschaftsgütern, die mit einem geringeren als dem gemeinen Wert angesetzt werden (§ 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 KStG) Der Ausschlussgrund dürfte sich in der Praxis bei wortgetreuer Anwendung als höchst problematisch erweisen. Der Gesetzgeber wollte hierdurch vor allem Missbräuche vermeiden, etwa die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern auf die Verlustkörperschaft mit dem Ziel der späteren Aufdeckung der stillen Reserven und Verrechnung der entsprechenden Gewinne mit dem fortführungsgebundenen Verlustvortrag. Die Norm unterscheidet indes nicht danach, von wem und in welchem Zusammenhang (Kauf oder Einlage) das Wirtschaftsgut übertragen wird. Kauft die Gesellschaft ein Wirtschaftsgut von einem Dritten, sind nach § 6 EStG die Anschaffungskosten maßgeblich bzw. bei Einlagen der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Bleiben diese – wie meist – hinter dem gemeinen Wert zurück, führt dies zum Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags. Vgl. BT-Drucks. 544/16, S. 9; Olbling, in: Streck. KStG, § 8d Rn. 18 f.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88i f.

Den in § 8d Abs. 2 KStG aufgezählten „schädlichen Ereignissen“ kommt in- 658 sofern eine Doppelfunktion zu: Hat ein solches Ereignis innerhalb des maßgeblichen Zeitraums nach Abs. 1 Satz 1 (innerhalb der letzten drei Veranlagungszeiträume vor dem schädlichen Beteiligungserwerb bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt) stattgefunden, schließt dies die Fortführung von Verlusten nach Abs. 1 Satz 1 aus. Tritt ein solches „schädliches Ereignis“ nach dem maßgeblichen Zeitraum ein, kann dies nach Abs. 2 zum nachträglichen Untergang eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags führen.

169

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

659 Liegen die Voraussetzungen des § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG vor, ohne dass ein Ausschlussgrund nach § 8d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 KStG greift, wird der gesamte Verlust, der zum Schluss des Veranlagungszeitraums, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, nach § 8d Abs. 1 Satz 6 bis Satz 8 KStG in einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag umqualifiziert. Dieser ist gesondert auszuweisen und festzustellen und vor dem verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG zu verbrauchen. 660 Tritt ein schädliches Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG ein, nachdem die Voraussetzungen des Abs. 1 zunächst vorgelegen und ein fortführungsgebundener Verlustvortrag entstanden ist, geht der bis dahin noch nicht verbrauchte, fortführungsgebundene Verlustvortrag unter. Maßgeblicher Zeitpunkt ist insofern der Bestand zum Schluss des dem schädlichen Ereignis vorangegangenen Veranlagungszeitraums. Die bis dahin vorgenommenen Verlustverrechnungen bleiben bestehen, der zum Ende dieses vorangegangenen Veranlagungszeitraums noch nicht verbrauchte fortführungsgebundene Verlustvortrag geht unter, es sei denn, die Gesellschaft verfügt über stille Reserven i. S. v. § 8c Abs. 1 Satz 5 bis 8 KStG. In diesem Fall kann der fortführungsgebundene Verlustvortrag gemäß § 8d Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KStG bis zur Höhe der vorhandenen stillen Reserven noch genutzt werden. 661 Der Kontrollzeitraum, in dem ein fortführungsgebundener Verlustvortrag nach Eintritt eines schädlichen Ereignisses nachträglich untergehen kann, ist zeitlich nicht begrenzt und endet erst, wenn der gesamte fortführungsgebundene Verlustvortrag verbraucht ist. Vgl. Olbling, in: Streck. KStG, § 8d Rn. 37; Güroff, in: Glanegger/ Güroff, GewStG, § 10a Rn. 88l.

662 §§ 8c, 8d KStG sind gemäß § 10a Satz 10 GewStG auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge von Körperschaften und Personengesellschaften, an denen eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, entsprechend anzuwenden. Ob und in welchem Umfang § 8c KStG Anwendung findet, entscheidet sich dabei zunächst allein nach den Verhältnissen auf Ebene der Körperschaft. Liegt sodann ein Fall des § 8c KStG auf Ebene der Körperschaft vor, wirkt die Verlustabzugsbeschränkung ausgehend von der Körperschaft unter Berücksichtigung der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in der Beteiligungskette nach unten fort. Vgl. R 10a.1 Abs. 3 GewStRL 2009.

663 Bei reinen Mitunternehmerschaften (ohne Beteiligung einer Kapitalgesellschaft) hängt Abzugsfähigkeit von gewerbesteuerlichen Verlusten davon ab, dass die Unternehmensidentität und Unternehmeridentität gewahrt bleiben. Letzteres folgt als Durchbrechung des Prinzips der Gewerbesteuer als Objektsteuer daraus, dass die Gewinne und Verluste der Mitunternehmerschaft den einzelnen Mitunternehmern zugeordnet sind (vgl. § 10a S. 4 und 5 GewStG). Ein Wechsel im Kreise der Mitunternehmer führt daher zu einem (anteiligen) Fortfall der gewerbesteuerlichen Verluste, unabhängig davon, ob 170

II. Treuhandmodelle

der neue Unternehmer den Gewerbebetrieb in seiner bisherigen Form fortführt. Vgl. BFH Großer Senat, Beschl. v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BFHE 171, 246; R 10a.1 Abs. 3 GewStRL 2009; Güroff, in: Glanegger/ Güroff, GewStG, § 10a Rn. 3.

Scheidet nur ein Mitunternehmer aus der Personengesellschaft aus, entfällt 664 der Verlustabzug gemäß § 10a GewStG anteilig in der Höhe, in der der Fehlbetrag dem ausscheidenden Gesellschafter nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG zuzurechnen ist. Vgl. Rn. 10a.3 Abs. 3 GewStRL 2009.

Maßgebliche Frage im Zusammenhang mit Treuhandverhältnissen ist mithin, 665 ob die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einer Personengesellschaft auf den Treuhänder zu einem Wechsel der Mitunternehmer i. S. v. § 10a GewStG führt mit der Folge, dass die Gewerbesteuerverluste untergehen. Liegt ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i. S. v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zwischen Treugeber und (Treuhand-)Gesellschafter vor, kann die Mitunternehmereigenschaft des Treuhänders nicht aus dessen unmittelbarer Beteiligung hergeleitet werden. Der Treuhänder übt die Gesellschafterrechte dann zwar im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber gemäß §§ 676, 665 BGB nach Weisung des Treugebers und ausschließlich auf dessen Rechnung aus, sodass sich auf diese Weise allein in der Person des Treugebers Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative verwirklichen. In diesem Fall ist die Unternehmeridentität gewahrt. Vgl. BFH, Urt. v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BFHE 228, 365; BFH, Urt. v. 12.10.1999 – VIII R 67/98, GmbHR 2000, 244.

b) Grunderwerbsteuer Sind Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft Gegenstand der Abtre- 666 tung an den Treuhänder, kann dies Grunderwerbsteuer auslösen. § 39 AO, der eine von der zivilrechtlichen Zuordnung abweichende steuerliche Behandlung ermöglicht, gilt im Grunderwerbsteuerrecht grundsätzlich nicht. Vgl. Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 104; Ratschow, in: Klein, AO, § 39 Rn. 5.

667

Grunderwerbsteuer wird nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst durch: x

ein auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen gerichtetes (schuldrechtliches) Geschäft, wenn der Erwerber durch die Übertragung 95 % oder mehr der Gesellschaftsanteile in seiner Hand vereinigen würde (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG);

x

die Vereinigung von unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. d. Nummer 1 vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG); 171

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

x

ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung von unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) oder

x

den Übergang von unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. d. Nummer 3 vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG).

668 Bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften ist die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG allerdings vorrangig. Dies folgt aus der Formulierung von § 1 Abs. 3 GrEStG („soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in Betracht kommt“). 669 Nach § 1 Abs. 2a GrEStG wird Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. 670 Die Finanzverwaltung hat sich zuletzt in gleich mehreren gleichlautenden Ländererlassen mit den (auch in Zusammenhang mit Treuhandgestaltungen) grunderwerbsteuerlich relevanten Erwerbsvorgängen befasst. Namentlich wurden folgende Erlasse veröffentlicht: x

Gleichlautende Ländererlasse „Erwerbsvorgänge i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen“ vom 19.9.2018, welche die Vorgängererlasse vom 12.10.2007 abgelöst haben. BStBl I 2018, 1074.

x

Gleichlautende Ländererlasse „Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden (Personen-) Gesellschaft i. S. d. § 1 Absatz 3 GrEStG“ vom 19.9.2018.

x

Gleichlautende Ländererlasse „Anwendung des § 1 Absatz 3a GrEStG“ vom 19.9.2018.

x

Gleichlautende Ländererlasse „Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG“ vom 19.9.2018.

x

Gleichlautende Ländererlasse „Anwendung des § 1 Absatz 2a GrEStG“ vom 19.11.2018.

671 Danach können folgende Vorgänge in Zusammenhang mit der Begründung/ Abwicklung des Treuhandverhältnisses grunderwerbsteuerlich relevant sein: 1) Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder Verfügt die Gesellschaft über Grundbesitz und werden mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft von dem Treugeber auf

172

II. Treuhandmodelle

den Treuhänder übertragen, ist dieser Vorgang grundsätzlich grunderwerbsteuerpflichtig. Die Grunderwerbsteuer entsteht nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, wenn durch das Rechtsgeschäft ein Anspruch des Treuhänders auf Übertragung begründet wird. Dies ist nur im Falle einer sog. eigennützigen Treuhand (Sicherungstreuhand, eigennützige Verwaltungstreuhand) der Fall. Im Falle einer uneigennützigen Treuhand, besteht nur die Pflicht des Treuhänders zur Annahme des Treuguts, nicht aber das Recht, dieses zu verlangen. In diesem Falle entsteht die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Vgl. Ländererlass „Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe“ v. 19.9.2018, Rn. 1.1; Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 374.

Im Falle einer Vereinbarungstreuhand, bei der ein Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft, der mindestens 95 % der Anteile hält, mit dem Treugeber vereinbart, die Anteile nur noch treuhänderisch für den Treugeber zu halten, wird durch die hiermit verbundene Verschaffung eines Übertragungsanspruchs (Herausgabeanspruch) der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEstG verwirklicht. Vgl. Ländererlass „Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe“ v. 19.9.2018, Rn. 2.1; Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 381.

Überträgt der Treuhänder im Falle einer solchen Vereinbarungstreuhand dem Treugeber später auch die Anteile, löst dieser Vorgang keine Grunderwerbsteuer mehr aus, nachdem bereits der Erwerb der Rechtsstellung als Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig war. Hat die Gesellschaft nach Begründung der Vereinbarungstreuhand jedoch weitere Grundstücke hinzuerworben, tritt hinsichtlich dieser hinzuerworbenen Grundstücke die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG ein, da insofern ein Rechtsgeschäft nach Abs. 3 Nr. 3 nicht vorausgegangen ist. Vgl. Ländererlass „Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe“ v. 19.9.2018, Rn. 2.2.2.

Hält ein Gesellschafter bereits einen Teilanteil an der grundbesitzenden Gesellschaft von weniger als 95 % und werden ihm durch Begründung einer Vereinbarungstreuhand mit einem Mitgesellschafter als Treuhänder weitere Anteile (mittelbar) durch Verschaffung eines Übertragungsanspruchs zugewandt, wird durch diese mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in der Hand des Treugebers ein Grunderwerbsteuertatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Vgl. Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 381.

Um zumindest bei der Begründung des Treuhandverhältnisses (und der Erstübertragung von Anteilen auf den Treuhänder) den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden,

173

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen spätestens bei Veräußerung an einen Investor kommt es zur Anteilsvereinigung in der Hand des Investors, sodass Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, die dann in der Regel aber von dem Erwerber zu tragen ist, vgl. § 13 Nr. 5 GrEStG,

ist es in der Praxis üblich, zunächst – ggf. nach vorangegangener Teilung von Gesellschaftsanteilen – maximal 94 % der Anteile auf den Treuhänder zu übertragen. Da die aus einer Treuhand Begünstigten im Bedingungsfall über den Treuhänder auch auf die verbliebenen 6 % der Anteile Zugriff haben möchten bzw. die Möglichkeit des Treuhänders, 100 % der Gesellschaftsanteile an einen Investor veräußern zu können, abgesichert werden soll, sehen Treuhandverträge oftmals vor, dass die Treugeber verpflichtet sind, die verbliebenen Anteile im Zuge der Verwertung des Treuguts zu den gleichen Bedingungen, die für die Mehrheitsbeteiligung ausgehandelt wurden, an den Erwerber mit zu veräußern (sog. Drag-Along-Klausel). Alternativ oder flankierend kann dem Treuhänder eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt werden, die verbliebenen Anteile im Zuge der Verwertung zu einheitlichen Konditionen an den Inverstor zu veräußern (sog. Tag-AlongKlausel). Hinsichtlich der Vollmachtslösung hat der BFH zu § 1 Abs. 2a GrEStG entschieden, dass es keinen kombinierten (teils unmittelbar, teils mittelbar) Übergang der Anteile an den Erwerber darstellt, wenn diesem weniger als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft übertragen werden und hinsichtlich der restlichen Anteile eine umfassende und unwiderrufliche Vollmacht eingeräumt wird, die Rechte aus den Gesellschaftsanteilen auszuüben und diese zu veräußern und abzutreten. Vgl. BFH, Urt. v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFHE 260, 87.

Nach § 1 Abs. 2a GrEStG kann die Grunderwerbsteuer ausgelöst werden, wenn sich der Gesellschafterbestand an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar ändert. Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands liegt hierbei nur vor, wenn die Beteiligung zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht. Ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt, ist dagegen allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Rückgriff auf die zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO entwickelten Grundsätze zu beurteilen. Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands kann sich insofern auch aus schuldrechtlichen Bindungen des zivilrechtlichen Inhabers ergeben, die es rechtsfertigen, den Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten zuzurechnen (so z. B. im Falle einer Vereinbarungstreuhand). Dazu müssen folgende Kriterien erfüllt sein: 

174

Der mittelbar Beteiligte hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Posi-

II. Treuhandmodelle

tion erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z. B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses). 

Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z. B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen oder i. S. d. mittelbar Beteiligten auszuüben.



Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z. B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben sowie dem Liquidationserlös) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen. Vgl. BFH, Urt. v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFHE 260, 87; BFH, Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492; BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12; dem folgend Ländererlass „Anwendung des § 1 Absatz 2a GrEStG“ v. 12.11.2018, Rn. 5.1.2.

Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils reicht demgegenüber nach Ansicht des BFH – und dem folgend der Finanzverwaltung – für die Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands nicht aus. Durch eine derartige Vollmacht sind die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z. B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen. Vgl. BFH, Urt. v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFHE 260, 87; Ländererlass „Anwendung des § 1 Absatz 2a GrEStG“ v. 12.11.2018, Rn. 5.1.2; anders dagegen für den Fall der Einräumung einer unentziehbaren Option mit festgelegten Konditionen BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BFHE 246, 215.

Auch ein Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO ist in einer solchen Konstellation nicht anzunehmen. Das FG Baden-Württemberg hat eine Anwendbarkeit von § 42 AO neben § 1 Abs. 2a GrEStG abgelehnt, da § 42 AO neben der spezialgesetzlichen Norm nicht mehr anwendbar sei, wenn diese – wie im Falle des § 1 Abs. 2a GrEStG – ihre Selbstbewahrung aus eigener Kraft organisiere. Die gesetzliche Regelung zu den Voraussetzungen, die beim Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft Grunderwerbsteuer auslösen, seien insofern abschließend. Vgl. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.7.2011 – 2 K 364/08, BB 2013, 1249. Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 271 und Rn. 323 für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG.

Handelt es sich bei der grundbesitzenden Treugutgesellschaft um eine Kapitalgesellschaft, werden häufig auch zwei Treuhänder eingesetzt, wobei bis zu 94 % der Anteile auf den eigentlichen Treuhänder sowie die verbleibenden Anteile auf einen zweiten Treuhänder, meist aus einer an-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

deren Sozietät, übertragen werden. Hierdurch wird das Entstehen der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG vermieden, da § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG die (zivil-)rechtliche Vereinigung der Anteile in der Hand eines Erwerbers voraussetzen bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG die unmittelbare Übertragung bereits vereinigter Anteile auf einen Erwerber verlangen. Vgl. Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 329 und Rn. 390.

In diesen Fällen dürfte auch der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG nicht erfüllt sein. Nach dieser Vorschrift wird einer Vereinigung oder Übertragung von mindestens 95 % der Anteile i. S. v. Abs. 3 gleichgestellt ein Rechtsvorgang, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. Die „wirtschaftliche Beteiligung“ ist in § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG abschließend definiert als die Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft, welche nach der Durchrechnungsmethode zu ermitteln sind (§ 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG). Erforderlich ist also, dass ein Rechtsträger die erforderliche Beteiligungsgröße von 95 % unmittelbar oder mittelbar (über zwischengeschaltete Beteiligungen) selbst in eigener Person innehat. Vgl. Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 422 ff.

Die Regelung wurde geschaffen, um bei Erwerbsvorgängen in Form eines Rechtsträgerwechsels die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung eines inländischen Grundstücks durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft, an der ein Fremder wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt ist, zu verhindern. Hieran fehlt es aber bei der Übertragung der Anteile auf unterschiedliche, miteinander nicht verbundene Rechtsträger. Bei Personengesellschaften hilft die Gestaltungsvariante mit zwei Treuhändern allerdings nicht, da auch die unmittelbare Übertragung von mindestens 95 % der Anteile auf unterschiedliche Treuhänder zu einer Änderung des Gesellschafterbestands der Personengesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG führt. Maßgeblich für die Steuerentstehung ist allein die unmittelbare Übertragung von mindestens 95 % der Anteile auf Neugesellschafter, ohne dass es auf eine wirtschaftliche Betrachtung ankäme. Durch diesen unmittelbaren Wechsel im Gesellschafterbestand entsteht „fiktiv“ eine neue Personengesellschaft. Der Steuerbarkeit einer unmittelbaren Übertragung von mindestens 95 % der Anteile steht insbesondere nicht entgegen, dass die Altgesellschafter mittelbar an der Personengesellschaft beteiligt bleiben. Vgl. BFH, Urt. v. 29.2.2012 – II R 57/09, BFHE 237, 244; Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 294 und Rn. 311.

176

II. Treuhandmodelle

Hier bleibt nichts anderes übrig, als zum Vermeiden der Grunderwerbsteuer bei Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder auf die Vollmachtslösung zurückzugreifen. 2) Rückübertragung des Treuguts auf den Treugeber Werden nach Beendigung des Treuhandverhältnisses mindestens 95 % der Anteile auf den Treugeber zurückübertragen, wäre dieser Akt grundsätzlich ebenfalls grunderwerbsteuerpflichtig. Beruht die Rückübertragung auf einer aufschiebend bedingten Rückübertragungsverpflichtung, folgt die Grunderwerbsteuerpflicht aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Wird durch die Rückübertragung dagegen der schuldrechtliche Rückübertragungsanspruch des Treugebers (§ 667 BGB) erfüllt, folgt die Grunderwerbsteuerpflicht aus § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Vgl. Ländererlass „Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe“ v. 19.9.2018, Rn. 1.3.1.

Allerdings kann der Rückübertragungsakt unter den Voraussetzungen der §§ 3 Nr. 8, 16 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit werden, wenn entweder die Erstübertragung auf den Treuhänder grunderwerbsteuerpflichtig war (§ 3 Nr. 8 GrEStG) oder der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Ein unmittelbarer Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG liegt auch dann vor, wenn nach Beendigung eines Treuhandverhältnisses die Anteile von dem Treuhänder an den Treugeber zurückübertragen werden und sich hierdurch wieder mehr als 95 % der Anteile in der Hand der Altgesellschafter vereinen. Vgl. BFH, Beschl. v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; Ländererlass „Anwendung des § 1 Absatz 2a GrEStG“ v. 12.11.2018, Rn. 5.2.4.

Für den Fall der Rückübertragung der Treugut-Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft von einer Treuhand-GmbH auf die Treugeber hat das Finanzgericht Hamburg allerdings entschieden, dass eine Steuerbefreiung entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 GrEStG in Betracht kommt, und zwar unabhängig davon, ob bei Begründung der mittelbaren Beteiligung (Begründung des Treuhandverhältnisses) der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wurde oder nicht. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 GrEStG sind Grunderwerbsvorgänge von der Steuer befreit, wenn die Beteiligungen an der aufnehmenden Gesamthand identisch sind mit denen der übertragenden Gesamthand, da sich die Gesellschafter als grunderwerbsteuerliches Zurechnungssubjekt des Grundstücks nicht ändern. Da der Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO dem Treugeber als mittelbar Beteiligtem zugerechnet

177

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

werde, sei es geboten, diese Wertung auch im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vorzunehmen. Wenn die Treugeber bereits vor der tatbestandsverwirklichenden Rückübertragung der Anteile i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG mittelbar an der Personengesellschaft beteiligt waren, führe die (erneute) Vereinigung der Anteile in der Hand der Treugeber nicht zu einer Änderung im Gesellschafterbestand, sondern lediglich zu einer Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung. Vgl. FG Hamburg, Urt. v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596; Revision von der Verwaltung zurückgenommen.

Bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften gilt, dass – sofern dem Treuhänder bei Begründung des Treuhandverhältnisses nicht mindestens 95 % der Anteile übertragen wurden – durch die Rückübertragung der Treugut-Anteile jedenfalls nicht mindestens 95 % der Anteile „bewegt“ werden, sodass die Grunderwerbsteuertatbestände nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG nicht ausgelöst werden. Es könnte durch die Rückübertragung dann allenfalls zu einer (erneuten) Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in der Hand des Treugebers kommen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG). Gibt es mehrere Treugeber, auf die die Anteile (etwa im Verhältnis 50:50) zurückübertragen werden, kommt es hierdurch bereits nicht zur Anteilsvereinigung in einer Hand. Kommt es zur Rückübertragung von (weniger als 95 %) Anteilen auf den Treugeber wieder zu einer unmittelbaren Anteilsvereinigung in der Hand des Treugebers, löst auch dies indes grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG aus. Nach Rechtsprechung des BFH sind die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits vereinigt, wenn diese von einem Treuhänder für einen Treugeber gehalten werden; der Treuhänder ist unmittelbarer, der Treugeber mittelbarer Gesellschafter. Denn § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst nicht die Anteilsübertragung als solche, sondern eine veränderte Zuordnung der Sachherrschaft über ein Grundstück, die jemand durch die Vereinigung der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile erlangt. Jene Sachherschafft besitzt auch derjenige, für den ein anderer als Treuhänder Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält. Bei der Frage, ob alle Anteile in einer Hand vereinigt sind, sind daher die von einem Treuhänder gehaltenen Anteile beim Treugeber zu berücksichtigen. Die Rückübertragung der Treugut-Anteile auf den Treugeber verstärkt dessen Sachherrschaft in Bezug auf die Gesellschaftsgrundstücke grunderwerbsteuerlich daher nicht, sodass § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG grundsätzlich nicht eingreifen. Vgl. BFH, Urt. v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81; bestätigt durch BFH, Beschl. v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412; ebenso Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 341.

3) Übertragung der Treugutanteile auf einen Dritten (Investor) Überträgt der Treuhänder im Zuge eines Verwertungsprozesses mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft an einen In178

II. Treuhandmodelle

vestor, löst dies Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG aus. Das Gleiche gilt, wenn durch unmittelbare Übertragung von 94 % der Anteile seitens des Treuhänders sowie Übertragung weiterer 6 % der Anteile durch den Treuhänder aufgrund einer eingeräumten Verkaufsvollmacht erstmals mindestens 95 % der Anteile in der Hand des Investors vereint sind; die Grunderwerbsteuer fällt in diesem Fall nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG an. 4) Treuhänderwechsel Im Falle eines Treuhänderwechsels löst nur die unmittelbare Übertragung von mindestens 95 % auf den neuen Treuhänder Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG aus. Werden weniger als 95 % der Anteile auf einen neuen Treuhänder übertragen, kommt es dagegen nicht zum Grunderwerbsteueranfall, weil sich an der mittelbaren Vereinigung aller Anteile in der Hand des Treugebers i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG hierdurch nichts ändert. Vgl. BFH, Urt. v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81; Pahlke, GrEStG, § 1 Rn. 341.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei sorgfältiger Gestaltung ver- 672 mieden werden kann, dass bereits durch Übertragung des Treuguts bei Konstituierung der Treuhand oder durch Rückübertragung des Treuguts im Falle der Beendigung des Treuhandverhältnisses Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Diese dürfte regelmäßig nur im Falle einer Verwertung und Veräußerung des Treuguts an einen Investor entstehen und ist dann regelmäßig auch von diesem zu tragen. c) Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen Sanierungsgewinne entstehen in Sanierungssituationen in der Regel vor allem 673 aufgrund von Forderungsverzichten der Gläubiger. Häufig sind etwaige (Teil-)Erlasse der Finanzierer an bestimmte Auflagen wie z. B. den Abschluss einer Treuhandvereinbarung gebunden. Durch den Forderungsverzicht entsteht ein Gewinn in Höhe des ganzen oder teilweisen Verzichts, der ganz oder teilweise der Gewerbesteuer und in Abhängigkeit von der Rechtsform zusätzlich der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegt. Bei einer Steuerpflicht würde – ohne jeden Zufluss – für die Zahlung von 674 Gewerbe- und Körperschaftsteuer auf den Sanierungsgewinn Liquidität in erheblicher Höhe abfließen. Dadurch könnte die – per Teilerlass gerade erst abgewendete – Insolvenzgefahr schnell wieder eintreten und die Erlassmaßnahme ad absurdum führen. Steuerlich ist der Sanierungsgewinn in § 3a Abs. 1 EStG nunmehr legaldefi- 675 niert als Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsertrag). 179

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

676 Erfasst sind daher insbesondere Schuldenerlasse durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger auf eine Forderung verzichtet (Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB), oder durch ein Anerkenntnis, dass ein Schuldverhältnis nicht besteht (negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB). Steuerbegünstigt sind auch Betriebsvermögensmehrungen aufgrund von Forderungsverzichten im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO), das nicht auf die Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet ist. Vgl. BT-Drucks. 18/12128, S. 31; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 4; so auch schon BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240 („Sanierungserlass“), Rn. 3.

677 Auf die Endgültigkeit der Maßnahme kommt es nach dem Gesetz ganz offensichtlich nicht an, denn § 3c Abs. 4 Satz 3 EStG zeigt, dass der Gesetzgeber auch lediglich temporär wirkende Forderungsverzichte mit Besserungsschein oder Verbindlichkeiten, deren Tilgung erst aus künftigen Gewinnen (§ 5 Abs. 2a EStG) erfolgen sollte, im Blick hatte. Vgl. Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3c Rn. 27; Pöschke, NZG 2017, 1408, 1415.

678 Durch den Forderungsverzicht eines Gesellschafters entsteht bei einer Kapitalgesellschaft nach Ansicht des BFH in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung ebenfalls ein Ertrag. Denn ist der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst – was insofern eine Tatsachenfrage ist – ist der (noch) werthaltige Teil der Forderung als verdeckte Einlage zu qualifizieren, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die durch den Schuldenerlass bewirkte Betriebsvermögensmehrung der Gesellschaft neutralisiert. Die verdeckte Einlage ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert zu bemessen, sodass sich ein Ertrag nur in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Teilwert und Nennwert der erlassenen Forderung ergibt. Vgl. BFH Großer Senat, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 5 Rn. 550 („Gesellschafterfinanzierung“).

679 Hiergegen wird eingewandt, der BFH habe dem steuerlichen Einlagebegriff den Regelungszweck zugesprochen, „den Steuerbilanzgewinn um die nicht betrieblich veranlassten Mehrungen des steuerlichen Betriebsvermögens zu mindern (funktionaler Einlagebegriff)“. Vgl. BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFH 249, 493, Rn. 18.

680 Dieser Regelungszweck könne aber denknotwendig nur erreicht werden, wenn die Einlage mit dem Buchwert der erlassenen Forderungen bewertet werde. Die gegenteilige Auffassung des BFH zur Bewertung der Einlage mit dem Teilwert verlasse den funktionalen Einlagebegriff gerade wieder. Im Übrigen würde die Auffassung des BFH im Ergebnis dazu führen, dass die schuldende Gesellschaft aufgrund ihres eigenen wirtschaftlichen Unvermögens einen steuerlichen Ertrag erziele, was dem Grundsatz, dass auch ein zah180

II. Treuhandmodelle

lungsunfähiger Schuldner seine Verbindlichkeiten weiter zum Erfüllungsbetrag passivieren müsse, widerspreche. Bei dem gesellschaftsrechtlich motivierten Erlass durch den Gesellschafter sollte die Einlage daher ebenfalls mit dem Buchwert bewertet und der Erlass daher insgesamt ergebnisneutral behandelt werden. Vgl. Pöschke, NZG 2017, 1408, 1414; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2017, 185, 185 f.

Entgegen der Auffassung des BFH sollte daher nur dann ein steuerpflichti- 681 ger Ertrag in Höhe des Nennwerts der Forderung entstehen, wenn der Forderungsverzicht von einem Drittgläubiger, der nicht Gesellschafter ist, ausgesprochen wird oder ein Forderungsverzicht des Gesellschafters ausnahmsweise nicht gesellschaftsrechtlich, sondern betrieblich veranlasst ist. Vgl. Pöschke, NZG 2017, 1408, 1414.

Bei Personengesellschaften kommt es durch den Forderungsverzicht des 682 Gesellschafters dagegen nicht zu einem Sanierungsertrag der Gesamthand. Nach dem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung ist die Forderung des Gesellschafters in dessen Sonderbilanz ebenso mit dem Nennwert zu aktivieren, wie sie in der Gesamthandsbilanz mit dem Nennwert zu passivieren ist. Der durch den Forderungsverzicht des Gesellschafters ausgelöste Ertrag bei der Gesamthand wird durch den Abgang in der Sonderbilanz des Gesellschafters in gleicher Höhe (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG) neutralisiert, sodass eine Betriebsvermögensmehrung nicht entsteht. Vgl. BFH, Urt. v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 27.

Problematisch ist ferner die Behandlung von Rangrücktritten, die in Sanie- 683 rungssituationen häufig zur Vermeidung oder Beseitigung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 InsO) ausgesprochen werden. Der BGH verlangt insolvenzrechtlich, dass der Rangrücktritt neben der Geltung im eröffneten Insolvenzverfahren auch eine „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“ beinhaltet, solange die Geltendmachung der Forderung eine Insolvenzreife auslösen oder vertiefen würde, damit die Forderung im Überschuldungsstatus unberücksichtigt bleiben darf. Vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231.

Steuerrechtlich ist vor allem zwischen einem einfachen und einem sog. quali- 684 fizierten bzw. spezifizierten Rangrücktritt zu unterscheiden, wobei die Begrifflichkeiten für die inhaltliche Qualifizierung nichts hergeben. Entscheidend für die weitere Passivierung der Verbindlichkeit ist insofern, ob die Verbindlichkeit zum Stichtag eine „wirtschaftliche Belastung“ für den Schuldner darstellt. Ist der Rangrücktritt derart gestaltet, dass die Forderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen und Gewinnen zu bedienen ist, gilt dies nicht, da der Schuldner mit seinem gegenwärtigen Vermögen noch nicht belastet ist. Es greift mithin das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG. Eine sol-

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

che Verbindlichkeit oder Rückstellung darf erst angesetzt werden, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Vgl. BFH, Urt. v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90; BFH, Urt. v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFH 256, 409; BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFH 249, 493.

685 Das Gleiche gilt, wenn die Verbindlichkeit neben künftigen Jahresüberschüssen oder Gewinnen auch aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss bedient werden darf. Zahlungspflichten aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss belasten das gegenwärtige Vermögen noch nicht, da nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung der Liquidationsfall noch nicht berücksichtigt zu werden braucht und die Rücklagen bis zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Umfang zur Verlustdeckung und zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehen. Vgl. BFH, Urt. v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90; BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFH 249, 493.

686 Entscheidend dafür, dass die mit einem Rangrücktritt versehene Verbindlichkeit weiter passiviert werden kann, soll sein, dass diese auch aus dem vorhandenen (!), die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden oder freien Vermögen bedient werden muss. Vgl. BFH, Urt. v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 5 Rn. 550 („Gesellschafterfinanzierung“); Buth/Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 35 Rn. 100; so auch BMF-Schreiben v. 8.9.2006, BStBl. I 2006, S. 497.

687 Lässt sich nach der Ausgestaltung des Rangrücktritts mithin nicht feststellen, dass die Verbindlichkeit zum Stichtag (bereits) das gegenwärtige Vermögen des Schuldners belastet, ist diese nicht zu passivieren, was steuerlich insofern in § 5 Abs. 2a EStG ausdrücklich niedergelegt ist. Eine Belastung des gegenwärtigen Vermögens ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Rangrücktritt den Zusatz enthält, dass die Verbindlichkeit auch aus dem sonstigen freien Vermögen zu erfüllen ist. Zwingend ist dieser Zusatz indes nicht. Entscheidendes Kriterium für die Frage der Passivierung ist, ob die Verpflichtung zur Schuldtilgung inhaltlich auf das – ggf. ungewisse – Entstehen künftiger Gewinne oder Überschüsse bedingt ist. Dann ist das gegenwärtige Vermögen des Schuldners zum Stichtag nicht belastet, vielmehr würde durch eine Passivierung der Umfang des am Bilanzstichtag vorhandenen Vermögens und damit die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen unzutreffend, d. h. zu niedrig ausgewiesen. Vgl. BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFH 249, 493; BT-Drucks. 14/2070, S. 18; Pöschke, NZG 2017, 1408, 1418.

688 Liegt ein solchermaßen spezifizierter Rangrücktritt vor, ist die mit dem Rangrücktritt versehene Verbindlichkeit (temporär) auszubuchen und der Ertrag nach Ansicht des BFH wiederum durch Ansatz einer verdeckten Ein-

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II. Treuhandmodelle

lage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung (Teilwert) zu neutralisieren. Die Sachlage liege insofern nicht anders als bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede, bei dem die Forderung zunächst auszubuchen und erst bei Bedingungseintritt ggf. wieder als Fremdkapital einzubuchen sei, sodass dem Schuldner bis zu diesem Zeitpunkt temporär Eigenkapital zur Verfügung stehe. Vgl. BFH, Urt. v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90; BFH, Urt. v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFHE 256, 409; BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFH 249, 493; a. A. Pöschke, NZG 2017, 1408, 1418 f. (Bewertung der Einlage zum Buchwert); Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 5 Rn. 550 („Gesellschafterfinanzierung“) (Ausbuchung eines Darlehens stets erfolgsneutral „per Verbindlichkeit an Einlage“).

Bei der Ausgestaltung eines Rangrücktritts ist daher Vorsicht geboten, damit 689 nicht unbeabsichtigt ein Ertrag – nach Ansicht des BFH mindestens in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung – entsteht, der – sofern die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vorliegen – die Liquiditätslage belastet. Nicht als Sanierungsertrag anzuerkennen sind nach Ansicht des BFH und 690 der Finanzverwaltung dagegen Konfusionsgewinne im Falle eines Debt-BuyBack, bei denen der Schuldner dem Gläubiger die Forderung unterhalb des Nennwerts abkauft und in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis ein Ertrag entsteht. Vgl. BFH, Urt. v. 14.10.1987 – I R 381/83, BFH/NV 1989, 141; BFH, Urt. v. 31.1.1985 – IV R 149/82, BFHE 143, 267; dem folgend: OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Ist nach den vorstehenden Grundsätzen ein Ertrag entstanden, ist zu prüfen, 691 inwieweit dieser als „Sanierungsertrag“ ggf. steuerfrei gestellt werden kann. Die Voraussetzungen, unter denen Sanierungsgewinne steuerbefreit sind, sind 692 mittlerweile in §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG (wieder) gesetzlich normiert und gelten über § 8 Abs. 1 KStG, §§ 7 Satz 1, 7b GewStG auch für die Körperschaftund Gewerbesteuer. Wird der Sanierungsertrag bei einer Mitunternehmerschaft erzielt, ist § 3a EStG nach § 3a Abs. 4 EStG auf Ebene der Mitunternehmer anzuwenden. Nachdem der Große Senat des BFH mit Beschluss vom 28.11.2016 entschieden 693 hatte, dass der bis dato praktizierte Erlass aus Billigkeitsgründen auf Grundlage des sog. Sanierungserlasses, BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240,

gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482,

hat der Gesetzgeber reagiert und auf Empfehlung des Finanzausschusses, 183

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen BT-Drucks. 18/12128, insbesondere S. 30 ff.,

mit dem „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken bei Rechteüberlassungen“ vom 27.6.2017, BGBl. I 2017, S. 2074,

mit § 3a EStG nebst Begleitregelungen wieder eine gesetzliche Grundlage für die Behandlung von Sanierungsgewinnen geschaffen, an der es seit dem Wegfall der bis 1997 in § 3 Nr. 66 EStG a. F. geregelten Steuerfreiheit gefehlt hatte. 694 Um beihilferechtlichen Bedenken vorzubeugen, stand das Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen gemäß Art. 6 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken bei Rechteüberlassungen vom 27.6.2017 unter dem Vorbehalt, dass die EU-Kommission durch Beschluss feststellt, dass die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne keine verbotene staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 AEUV darstellt. Diese hat der Bundesregierung in einem Comfort Letter vom 31.7.2018 allerdings nur mitgeteilt, dass die Regelung des § 3a EStG – unterstellt es läge eine Beihilfe vor – als „bestehende Beihilfe“ i. S. v. Art. 1 lit. b) Ziff. i der „Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen“, Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015, Abl. L 248 v. 24.9.2015, S. 9,

anzusehen sei, die vor Inkrafttreten des AEUV bereits existierte und daher nicht der Notifikation nach Art. 108 AEUV bedürfe. Mangels eines formellen Beschlusses der EU-Kommission musste der Gesetzgeber den Inkrafttretensvorbehalt daher gesondert aufheben. Mit Art. 19 des „Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11.12.2018 (Jahressteuergesetz 2018), BGBl. I 2018, S. 2338 ff.,

wurde der Vorbehalt daher aufgehoben und das rückwirkende Inkrafttreten des § 3a EStG zum 5.7.2017 angeordnet. 695 Allerdings vermittelt der Comfort Letter nicht die gleiche Rechtssicherheit wie ein förmlicher Beschluss der EU-Kommission, der in Bestandskraft erwachsen kann, sondern vermittelt nur eine „vorläufige Einschätzung“ nach den Pränotifizierungsgesprächen. Die EU-Kommission bringt mit dem Comfort Letter zum Ausdruck, dass sie selbst nicht aktiv werden will. Angriffe auf die mitgliedstaatliche Maßnahme als verbotene Beihilfe vor nationalen Gerichten, etwa im Rahmen einer Konkurrentenklage, und grundsätzlich auch formelle Beschwerden bei der Kommission, an deren Ende wiederum für künftige Fälle eine Unzulässigkeit der Beihilfe stehen kann, bleiben möglich. Der Comfort Letter dürfte aber jedenfalls Vertrauensschutz gegen etwaige Rückforderungen bieten. Vgl. Förster/Hechtner, DB 2019, 10, 12.

184

II. Treuhandmodelle

In zeitlicher Hinsicht ist § 3a EStG gemäß § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG erst- 696 mals in Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 (Tag der Veröffentlichung der Entscheidung des Großen Senats des BFH) erlassen wurden (Neufälle). Für Fälle, in denen der Schuldenerlasse bis zum 8.2.2017 bereits endgültig voll- 697 zogen worden ist (Altfälle), hatte die Verwaltung mit BMF-Schreiben vom 27.4.2017 zunächst angeordnet, dass im Wege verbindlicher Auskünfte bereits zugesagte Billigkeitsmaßnahmen nach dem Sanierungserlass Vertrauensschutz genießen. BMF-Schreiben vom 27.4.2017, BStBl. I 2017, 741.

Diese Vertrauensschutzanordnung hatte der BFH allerdings mit Urteil vom 698 23.8.2017 erneut wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gekippt, da es Sache des Gesetzgebers sei, bei Schaffung einer gesetzlichen Grundlage durch Übergangsregeln festzulegen, inwieweit die Begünstigung auf Altfälle anzuwenden sei, vgl. BFH, Urt. v. 23.8.2017 – I R 52/14, BFHE 259, 20,

woraufhin sich ein munteres Ping-Pong-Spiel zwischen Verwaltung und BFH anschloss. Nachdem das BMF im Schreiben vom 29.3.2018 anordnete, dass das BFH-Urteil vom 23.8.2017 (sowie die Parallelentscheidung vom 23.8.2017 – X R 38/15, BFHE 259, 28) nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden sei(en), BMF-Schreiben v. 29.3.2018, BStBl. I 2018, S. 588,

sprach der BFH im Beschluss vom 16.4.2018 aus, dass die Anwendung des Sanierungserlasses auf Altfälle im Wege des Vertrauensschutzes aufgrund des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Übergangsregelung mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar sei, woran auch die Wiederholung der Verwaltungsauffassung durch BMF-Schreiben vom 29.3.2018 nichts ändere. Vgl. BFH, Beschl. v. 16.4.2018 – X B 13/18, ZIP 2018, 1360.

Zur Beseitigung der Unsicherheiten wurde abermals auf Empfehlung des Fi- 699 nanzausschusses, vgl. BT-Drucks. 19/5595, S. 12 und S. 73,

§ 52 Abs. 4a EStG durch das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11.12.2018 (Jahressteuergesetz 2018), BGBl. I 2018, S. 2338 ff.,

um einen Satz 3 ergänzt, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung gemäß § 3a EStG auch in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Schulden vor dem 9.2.2017 erlassen wurden.

185

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

700 Die rückwirkende Anwendung auf Antrag des Steuerpflichtigen kommt in allen Fällen in Betracht, in denen die Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2017 noch nicht bestandskräftig geworden ist, andernfalls steht die Bestandskraft entgegen. Wurde in einem Altfall dagegen bereits eine Steuerbefreiung im Billigkeitswege nach dem Sanierungserlass gewährt, besteht für einen Antrag in der Regel ebenfalls kein Raum, da die Billigkeitsentscheidung als Grundlagenbescheid (§ 182 AO) den Steuerpflichtigen und das Finanzamt bindet. Vgl. Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 4.

701 Die Voraussetzungen für die Begünstigung des Sanierungsertrags sind in § 3a Abs. 2 EStG legaldefiniert und entsprechen im Wesentlichen den bisherigen Vorgaben der Finanzverwaltung im Rahmen des Sanierungserlasses. Vgl. BT-Drucks. 18/12128, S. 31.

702 Voraussetzung der Steuerbegünstigung ist zunächst, dass es sich um eine Sanierung im eigentlichen Sinne handelt. Es muss sich um eine Maßnahme handeln, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (= unternehmensbezogene Sanierung). Vgl. BT-Drucks. 18/12128, S. 31; BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Rn. 1.

703 Sollen im Rahmen einer solchen unternehmensbezogenen Sanierung (Teil)Erlasse durch Gläubiger ausgesprochen werden, sind weitere Voraussetzungen für die Annahme eines begünstigten Sanierungsgewinns: x

Die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens,

x

die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens,

x

die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und

x

die Sanierungsabsicht der Gläubiger.

704 Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. sind die genannten Kriterien folgendermaßen auszufüllen: 705 Ob eine Sanierungsbedürftigkeit vorliegt, ist objektiv danach zu prüfen, ob das Unternehmen auf Dauer nach kaufmännischen Gesichtspunkten rentabel fortgeführt werden kann. Maßgebende Gesichtspunkte sind insofern: x

Die Ertragslage,

x

die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung,

x

die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens,

186

II. Treuhandmodelle

x

die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, d. h. das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Schuldenlast,

x

die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und

x

die Höhe des Privatvermögens. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482, m. w. N.; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 21, Buth/Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 35 Rn. 83.

Bei einem Einzelunternehmer ist nach Ansicht des BFH nicht allein auf die 706 Lage des Unternehmens abzustellen, sondern in die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens außer dem positiven auch das überschuldete und ertraglose Privatvermögen einzubeziehen, das die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigt. Das Gleiche gilt nach diesen Grundsätzen auch für Personengesellschaften jedenfalls dann, wenn die Gesellschafter persönlich für die Unternehmensverbindlichkeiten haften und die Verbindlichkeiten durch Heranziehen des Privatvermögens der persönlich haftenden Gesellschafter erfüllt werden können. Vgl. BFH, Urt. v. 12.12.2013 – X R 39/10, BFHE 244, 485; BFH, Urt. 10.4.2003 – IV R 63/01, BFHE 202, 452; so auch OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Eine Insolvenzreife muss für die Annahme einer Sanierungsbedürftigkeit 707 noch nicht eingetreten sein, bei ungehindertem Fortgang ohne gegensteuernde Sanierungsmaßnahmen aber zumindest drohen. Die Überschuldung des Unternehmens für sich allein sei demnach nach bisheriger Ansicht des BFH kein Grund, Sanierungsbedürftigkeit anzunehmen, wenn die übrigen Umstände (Umsatz, Umsatzrendite, Bruttorendite) einen Zusammenbruch ausschließen und auch nicht von drohender Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist. Vgl. BFH, Beschl. v. 26.2.1998 – III B 214/96, juris; BFH, Urt. v. 14.3.1990 – I R 129/85, BFHE 161, 39; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Das Vorliegen der Sanierungsbedürftigkeit ist nach den Verhältnissen zu dem 708 Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Schuldenerlass vereinbart wird. Nicht entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem die Vermögensmehrung eintritt. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482, m. w. N.; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Eine Sanierungsbedürftigkeit war nach der Rechtsprechung des BFH zu ver- 709 muten, wenn sich mehrere Gläubiger an einer Sanierung beteiligen. In diesem Falle schloss insbesondere der Umstand, dass die Gläubiger u. a. oder sogar vor allem einen Teil ihrer eigenen Forderungen retten wollen, die Vermutung 187

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

der Sanierungsabsicht nicht aus. Umgekehrt bestand ein Anzeichen für fehlende Sanierungsbedürftigkeit, wenn der Forderungserlass nur von einem einzelnen Gläubiger ausgesprochen wird, der erkennbar vor allem an der Fortführung der Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert ist. In diesem Fall war anhand anderer Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482; BFH, Urt. v. 17.11.2004 – I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027; BFH, Urt. v. 10.4.2003 – IV R 63/01, BFHE 202, 452; BFH, Urt. v. 14.3.1990 – I R 64/85, BFHE 161, 28.

710 Hinsichtlich der Sanierungseignung war nach bisheriger Rechtsprechung des BFH zu prüfen, ob der Schuldenerlass allein oder zusammen mit anderen – auch nicht steuerbefreiten – Maßnahmen geeignet war, das Überleben des Betriebs zu sichern. Hierbei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die Ertragsaussichten des Unternehmens beeinflussen können, z. B. x

die Höhe der Verschuldung,

x

die Höhe des Erlasses,

x

die Gründe, die die Notlage bewirkt haben, und

x

die allgemeinen Ertragsaussichten.

711 Maßgeblich für die Beurteilung der Sanierungseignung ist eine Ex-antePerspektive im Zeitpunkt des Schuldenerlasses; auf das Eintreten des Sanierungserfolges kommt es nicht an. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482; BFH, Urt. v. 19.10.1993 – VIII R 61/12, BFH/NV 1994, 790; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 23.

712 Die Anforderungen an die Sanierungsabsicht der Gläubiger wurden in der früheren Rechtsprechung des BFH mal mehr, mal weniger streng beurteilt: 713 Teilweise wurde ausgesprochen, dass an das Vorliegen der Sanierungsabsicht keine strengen Anforderungen zu stellen seien. Insbesondere muss der Schulderlass nicht aus selbstlosen Motiven erfolgen, sofern die Sanierungsabsicht mitentscheidend war. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482; BFH, Urt. v. 24.2.1994 – IV R 71/92, BFH/NV 1995, 15.

714 Teilweise wurde die Sanierungsabsicht verneint, wenn der Gläubiger Forderungen nur erlässt, weil er erkennbar besonders an der Fortführung seiner Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert ist, oder umgekehrt der einzig verzichtende Hauptgläubiger nach dem Schulderlass seine Geschäftsbeziehungen nicht fortführt und damit kein Interesse am Fortbestand des Schuldners zeigt.

188

II. Treuhandmodelle Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482; BFH, Urt. v. 19.10.1993 – VIII R 61/92, BFH/NV 1994, 790; OFD Niedersachsen, KartVerf. V. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Regelmäßig war die Sanierungsabsicht zu unterstellen, wenn sich mehrere 715 Gläubiger an einem gemeinschaftlichen Schuldenerlass beteiligen („Gläubigerakkord“). Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482; BFH, Urt. v. 17.11.2004 – I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 24.

Umgekehrt gelten höhere Anforderungen für den Fall, dass nur ein Gläubi- 716 ger seine Forderungen erlassen hat. Dann ist die Sanierungsabsicht besonders darzulegen und zu prüfen. Auch im Falle des Erlasses durch nur einen Gläubiger sei nicht schlechthin ausgeschlossen, dass dieser in Sanierungsabsicht gehandelt hat. Es sei dann lediglich anhand anderer Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Vgl. BFH, Urt. v. 10.4.2003 – IV R 63/01, BFHE 202, 452; BFH, Urt. v. 26.11.1980 – I R 52/77, BFHE 132, 72; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111.

Das Gesetz verlangt in § 3a Abs. 2 EStG weiterhin ausdrücklich die Sanie- 717 rungseignung eines betrieblich begründeten Schuldenerlasses. Problematisch ist vor diesem Hintergrund die Behandlung von Forderungs- 718 erlassen durch Gesellschafter, namentlich die Frage, ob dieser betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. Die Finanzverwaltung hat in der Vergangenheit hierzu die Auffassung ver- 719 treten, dass ein begünstigter Sanierungsgewinn nur dann vorliegt, wenn der Verzicht eigenbetrieblich – und nicht gesellschaftsrechtlich – veranlasst ist. Von einem betrieblich veranlassten Forderungsverzicht des Gesellschafters könne in der Regel ausgegangen werden, wenn neben dem Gesellschafter auch unbeteiligte Dritte Darlehensverzichte aussprechen („Handeln im Gläubigerakkord”) oder anderweitige Sanierungsbeiträge leisten. In diesem Sonderfall könne die betriebliche Veranlassung des Forderungsverzichts unterstellt werden, weil der Gesellschafter sich wie ein fremder Dritter verhält. Vgl. OFD Frankfurt, Verf. v. 10.5.2017 – S 2140 A-4-St 213, BeckVerw 342209; FM Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. 25.1.2013 – VI 3011 – S 2741 – 108, BeckVerw 268796.

Liegt dagegen ein Forderungsverzicht ausschließlich durch den oder die Ge- 720 sellschafter vor, ist nach Ansicht des FG Köln regelmäßig nicht von einer

189

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Sanierungsabsicht im Sinne eines eigenbetrieblich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlassten Schulderlasses auszugehen, sondern im Einzelfall eine Prüfung vorzunehmen. Vgl. FG Köln, Urt. v. 16.6.2016 – 13 K 984/11, EFG 2016, 1756.

721 Ob der Forderungsverzicht des Gesellschafters eigenbetrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, soll hierbei nur einheitlich beurteilt werden können; eine Aufspaltung des Darlehensverzichts eines Gesellschafters in einen gesellschaftsrechtlich (für den werthaltigen Teil der Forderung) und einen eigenbetrieblich (für den nicht werthaltigen Teil der Forderung) veranlassten Teil sei nicht möglich. Vgl. FM Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. 25.1.2013 – VI 3011 – S 2741 – 108, BeckVerw 268796; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 26.

722 Fraglich ist, wie dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH zu beurteilen ist, wonach ein Forderungsverzicht oder ein spezifizierter Rangrücktritt i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG durch den Gesellschafter dazu führt, dass nur der werthaltige Teil der Forderung als verdeckte Einlage zu qualifizieren ist. Vgl. BFH Großer Senat, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187; BFH, Urt. v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFHE 256, 409; BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFHE 249, 493.

723 Die Abgrenzung einer gesellschaftsrechtlich veranlassten verdeckten Einlage und einer betrieblich veranlassten Sanierungsmaßnahme ist nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung danach vorzunehmen, ob ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. Dementsprechend sei ein Forderungsverzicht dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn der Gesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Schulden nicht erlassen hätte. Letzteres wird in der Regel nur anzunehmen sein, wenn der Forderung jedenfalls teilweise unter kaufmännischen Gesichtspunkten noch ein Wert zuzuschreiben ist. Vgl. BFH, Urt. v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BFHE 184, 63, m. w. N.

724 Allerdings scheint die Rechtsprechung hinsichtlich der sich stellenden Folgefragen eines Forderungsverzichts durch einen Gesellschafter durchaus zwischen dem werthaltigen und dem nicht werthaltigen Teil der Forderung zu differenzieren: 725 Der BFH führt in seinem Urteil vom 29.7.1997 zu der Frage, inwieweit durch den Forderungsverzicht nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 EStG entstanden sind, aus, dass von einer verdeckten Einlage nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung gesprochen werden könne; im Übrigen sei der Forderungsverzicht nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Vgl. BFH, Urt. v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BFHE 184, 63.

190

II. Treuhandmodelle

In einer jüngeren Entscheidung hat das FG Rheinland-Pfalz in Zusammen- 726 hang mit der Frage, ob der durch einen Gesellschafter erklärte Verzicht auf eine Kapitalforderung gegen die Gesellschaft grundsätzlich zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG führen kann, entschieden, dass bei einem Verzicht eines Gesellschafters auf eine Kapitalforderung gegen die Gesellschaft eine Gleichstellung mit einer Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nur in Betracht komme, wenn und soweit die Kapitalforderung nicht werthaltig ist. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Erlass einerseits und die Einlage andererseits zeitlich zwar zusammenfielen, rechtlich aber getrennte Vorgänge seien. Soweit die Forderung werthaltig sei, fließe dem Gesellschafter die Darlehensvaluta i. S. d. Entscheidung des Großen Senats vom 9.6.1997 (BFHE 183, 187) – gleichsam einer (Teil-)Rückzahlung – zu und sei Gegenstand der (verdeckten) Einlage in die Kapitalgesellschaft. Soweit der Forderung im Rahmen des Fremdvergleichs noch ein Wert zukomme, erfolge – da hierzu eine verdeckte Einlage bei der Gesellschaft korrespondiere – der Verzicht mit Rücksicht auf das zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende Gesellschaftsverhältnis. Lediglich soweit der Forderung kein Wert mehr zukomme, gleiche damit der Forderungsverzicht auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Folge bei der Gesellschaft einer Veräußerung unter dem Nennwert, da es wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied mache, ob der Steuerpflichtige seine Forderung für einen unter dem Nennwert liegenden Kaufpreis an einen Dritten abtritt oder er auf die Forderung verzichtet. Mit anderen Worten: Den Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil hätte wohl auch ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausgesprochen. Vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.11.2018 – 3 K 1846/15, EFG 2019, 610.

Vor diesem Hintergrund wird die bisherige Auffassung der Finanzverwal- 727 tung in der Literatur auch kritisch gesehen. Entweder müsse die verdeckte Einlage insgesamt auch mit dem Buchwert der Forderung, auf die verzichtet wird, bewertet werden, sodass es gar nicht erst zu einem Ertrag und damit zu der Frage einer Steuervergünstigung nach § 3a EStG kommen könne. Oder aber man müsse anknüpfend an die Rechtsprechung des BFH davon ausgehen, dass nur der Verzicht auf werthaltigen Forderungsteil eine gesellschaftsrechtlich veranlasste verdeckte Einlage darstelle und der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil daher als betrieblich veranlasst zu qualifizieren sei, sodass diesbezüglich eine Steuerbegünstigung nach § 3a EStG möglich sei. Denn es erschließe sich nicht, warum dem verzichtenden Gesellschafter die Sanierungsabsicht abgesprochen werden solle. Entscheidung für die Beurteilung der Motivation sei nicht der Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens, in dem durchaus eine gesellschaftsrechtliche Motivation i. S. d. Gewährung eines „eigenkapitalersetzenden Darlehens“ vorgelegen haben könne, sondern allein der Zeitpunkt des Forderungsverzichts. Lassen sich zu diesem Zeitpunkt Umstände feststellten, die dafür sprechen, dass es den Gesellschaftern um 191

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

den Erhalt des Unternehmens ging, sei nicht nachvollziehbar, weswegen diese nicht in Sanierungsabsicht gehandelt haben sollten. Vgl. Pöschke, NZG 2017, 1408, 1416; Hageböke/Hasbach, FR 2016, 1018, 1030 f.; im Ergebnis auch Buth/Hermanns, in: Buth/ Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz, § 35 Rn. 104 ff.; Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 26 (betriebliche Veranlassung kann nur einheitlich bestimmt werden).

728 Auch wenn die besseren Gründe nach Ansicht der Verfasser für die Möglichkeit eines Sanierungsertrags auch bei einem Forderungsverzicht durch Gesellschafter sprechen, bleibt die praktische Handhabung durch die Finanzverwaltung abzuwarten. Ein Risiko, dass diese eine Steuerbegünstigung nach § 3a EStG ablehnen und in der Sanierungssituation unerwartet ein steuerpflichtiger Ertrag entsteht, verbleibt. Die steuerliche Behandlung sollte daher frühzeitig mit den zuständigen Finanzbehörden abgestimmt werden. 729 Nach früherer Verwaltungsauffassung konnte vom Vorliegen aller Voraussetzungen für einen privilegierten Sanierungsgewinn ausgegangen werden, wenn ein Sanierungsplan vorlag. Andernfalls seien die Voraussetzungen von dem Steuerpflichtigen im Einzelnen nachzuweisen. Vgl. BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Rn. 4; OFD Niedersachsen, KartVerf. v. 12.7.2017 – S 2140-8-St 244, DStR 2016, 2111, Rn. 2.3.

730 Vor diesem Hintergrund war fraglich, ob die Finanzverwaltung das Vorliegen der Voraussetzungen für einen privilegierten Sanierungsertrag noch prüfen durfte, wenn ein Sanierungsplan vorliegt. Dies bejahend FG Köln, Urt. v. 16.6.2016 – 13 K 984/11, EFG 2016, 1756, Rn. 114.

731 Mittlerweile dürfte sich die Frage aber überholt haben. Denn der BFH hat im Beschluss des Großen Senats vom 28.11.2016 explizit ausgesprochen, dass die Annahme der Finanzverwaltung im Sanierungserlass, vom Vorliegen der Voraussetzungen für einen Sanierungsgewinn könne bei Vorliegen eines Sanierungsplans ausgegangen werden, eine unzulässige Typisierung darstelle, die einer Billigkeitsentscheidung im Einzelfall gerade widerspreche. Im Rahmen der früheren gesetzlichen Grundlage (§ 3 Nr. 66 EStG a. F.) sei eine solche Typisierung zulässig gewesen; im Rahmen eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen sei sie es nicht. Vgl. Großer Senat, Beschl. v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482, Rn. 122.

732 Da der Gesetzgeber bei Einführung des § 3a EStG als Reaktion auf gerade diese Entscheidung darauf verzichtet hat, eine solche typisierende Vermutungsregel wieder in die gesetzliche Grundlage zu integrieren, ist davon auszugehen, dass einem Sanierungsplan keine indizielle Bedeutung für das Vorliegen der in § 3a Abs. 2 EStG normierten Voraussetzungen mehr zukommt,

192

II. Treuhandmodelle

sondern diese im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen sind, wozu dann freilich auch ein Sanierungsplan herangezogen werden kann. Sind die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 EStG erfüllt, führt dies auf der 733 Rechtsfolgenseite dazu, dass der Sanierungsertrag in Höhe der vollen Betriebsvermögensmehrung steuerfrei ist (§ 3a Abs. 1 Satz 1 EStG). In diesem Fall sind steuerliche Wahlrechte gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 EStG zwingend gewinnmindernd auszuüben. Dies soll zur Erhöhung des Verlusts im Sanierungsjahr führen. Dieser Verlust ist allerdings nicht von dem steuerfreien Sanierungsertrag abzuziehen, sondern nach der gesetzlichen Rangfolge (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 8 EStG) mit dem geminderten Sanierungsertrag i. S. v. § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG zu verrechnen. Nach Ansicht der Literatur ist die Pflicht zur gewinnmindernden Wahl- 734 rechtsausübung teleologisch zu reduzieren, wenn durch die Wahlrechtsausübung im Sanierungsjahr neue Verluste geschaffen werden und der Sanierungsertrag bereits mit den vorjahresbezogenen Posten gemäß § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG vollständig verrechnet werden kann. Vgl. Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3a Rn. 32.

§ 3c Abs. 4 EStG stellt klar, dass Sanierungsaufwendungen unabhängig vom 735 Zeitpunkt der Entstehung nicht von den laufenden Einkünften abgezogen werden dürfen, sie mindern aber gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG unabhängig vom Entstehungsjahr den Sanierungsertrag. Zu den Sanierungskosten zählen dabei alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erlangung von Sanierungsbeiträgen der Gläubiger dienen (z. B. Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung). Soweit kein verbleibender Sanierungsertrag mehr vorhanden ist, sind die Kosten über die Ausnahmeregelung in § 3c Abs. 4 Satz 4 EStG jedoch wieder abzugsfähig. 4. Bilanzielle Auswirkungen Handelsrechtlich ist – im Gegensatz zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO – die 736 Behandlung von Treuhandverhältnissen in Jahresabschluss und Lagebericht nicht klar und übergreifend geregelt. Eine Spezialvorschrift existiert mit § 6 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) nur für Kreditinstitute, die in eigenem Namen aber für fremde Rechnung gehaltene Vermögensgegenstände und Schulden in der Bilanz („über dem Strich“) unter gesonderten Posten (Treuhandvermögen/Treuhandverbindlichkeiten) erfassen müssen. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 103; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 37; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 246 Rn. 9.

Dennoch gilt auch im Bilanzrecht grundsätzlich eine wirtschaftliche Betrach- 737 tungsweise, d. h., das Treugut muss derjenige aktivieren, der als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. 193

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 103; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 37; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 246 Rn. 9 f.

738 Daher ist das Treugut selbst weiterhin in der Bilanz des Treugebers – soweit dieser als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist – auszuweisen, und zwar auch, wenn der Treuhänder das Treugut für den Treugeber erworben hat (Erwerbstreuhand) oder bereits zuvor Inhaber des Treuguts war (Vereinbarungstreuhand). Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 104; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 39; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 246 Rn. 11.

739 Dies gilt grundsätzlich auch für die doppelnützige Treuhand, da die Begünstigten in der Regel nur Sicherungsinteressen verfolgen und der Treuhänder eine reine Dienstleistungsfunktion ausübt. Insofern kann der Gedanke des § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB herangezogen werden, wonach das Sicherungsgut in der Regel bei dem Sicherungsgeber zu bilanzieren ist. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 104 (für die Sicherungstreuhand); Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 43; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 246 Rn. 13.

740 Ob und wie darüber hinaus das Treugut in der Bilanz des Treuhänders bzw. der Treuhändergesellschaft zu behandeln ist, ist fraglich. Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, Treugut offen in der Bilanz auszuweisen, besteht wie dargestellt nur für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 6 RechKredV). 741 Für die Rechnungslegung sonstiger Treuhänder wird von der wohl überwiegenden Auffassung vertreten, dass der Treuhänder das Treugut in seiner Bilanz zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes, zu dem auch die Rechtsbeziehung des Treuhänders zu dem Treugut gehört, ausweisen soll. Da ein direkter Ausweis in der Bilanz allerdings zu einer Bilanzverlängerung führen würde und das Treugut nicht gleichzeitig in der Bilanz des Treugebers und des Treuhänders aktiviert werden kann, wird vornehmlich für einen Ausweis „unter dem Strich“ oder jedenfalls – sofern es sich bei dem Treuhänder um eine Kapitalgesellschaft handelt – eine Erläuterung der Treuhandverhältnisse im Anhang plädiert. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 109 f.; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 41; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 246 Rn. 12.

742 Ein zusätzlicher Ausweis von lediglich auf die Herausgabe des Treuguts gerichteten „Treuhandverbindlichkeiten“ wird teilweise für überflüssig gehalten, da durch die Kennzeichnung als Treuhandvermögen auf der Aktivseite

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II. Treuhandmodelle

die Pflicht zur Herausgabe des Treuguts bereits zum Ausdruck gebracht wurde. Die im Rahmen der Treuhandausführung begründeten Verbindlichkeiten sind dagegen in der Bilanz des Treuhänders offen auszuweisen, wobei in gleicher Höhe ein entsprechender Freistellungs- bzw. Ersatzanspruch des Treuhänders zu aktivieren ist. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 110 f.; Ballwieser, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 42; Schmidt/Ries, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 246 Rn. 12.

Ansonsten gelten im Rahmen von Treuhandverhältnissen die allgemeinen 743 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung, d. h., Gesellschaftsanteile als Treugut sind (in der Bilanz des Treugebers) entsprechend §§ 266 Abs. 2, 271 Abs. 1 HGB als Beteiligungen auszuweisen. Aufgrund der Verweisung des § 271 Abs. 1 Satz 4 HGB auf § 16 Abs. 4 AktG hat der Treugeber namentlich auch mittelbare Beteiligungen zu aktivieren, die von einem anderen für Rechnung des Treugebers gehalten werden. Im Hinblick auf die Konzernrechnungslegung gilt, dass treuhänderisch verwaltete Beteiligungen grundsätzlich in einen vom Treugeber oder dessen Muttergesellschaft aufzustellenden Konzernabschluss einzubeziehen sind. Dies gilt aufgrund des sog. „Control-Konzeptes“ nach § 290 Abs. 2 HGB jedenfalls solange, wie es sich um eine für Rechnung des Mutterunternehmens gehaltene Beteiligung, also eine – aus Sicht des Treuhänders – uneigennützige Verwaltungs-, Sicherungsoder Sanierungstreuhand handelt. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 105 und 115.

5. Schicksal der Treuhandvereinbarung bei Tod einer Vertragspartei Für den Fall, dass ausnahmsweise eine natürliche Person als Treuhänder agiert, 744 führt deren Tod – jedenfalls hinsichtlich des Verwaltungstreuhandverhältnisses – im Zweifel zur Beendigung des Treuhandverhältnisses (§§ 675, 673 BGB). Die Gesellschaftsanteile fallen in den Nachlass des Treuhänders, zugleich wird aber als Nachlassverbindlichkeit (§ 667 BGB) der Rückübertragungsanspruch des Treugebers fällig. Anders kann dies freilich im Falle einer Sicherungstreuhand bzw. Sicherungskomponente bei der doppelnützigen Treuhand liegen, da durch die Sicherungsabrede § 673 BGB zumindest konkludent abbedungen sein dürfte, solange der Sicherungszweck noch fortbesteht. Es empfiehlt sich daher, eine explizite Nachfolgeregelung zu treffen, bei der dem designierten Nachfolge-Treuhänder das Treugut z. B. in Kombination mit einer aufschiebend bedingten Vertragsübernahme durch ein Vermächtnis zugewendet wird. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 151; K. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 87; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 314 f.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

745 Andernfalls ist im Wege der Auslegung der getroffenen Abreden zu prüfen, ob der Treugeber Herausgabe nicht an sich, sondern nur an einen im Einvernehmen mit den Begünstigten bestimmten Ersatztreuhänder verlangen kann, was oftmals explizit im Treuhandvertrag geregelt ist (für den Fall der Insolvenz des Treuhänders siehe Rn. 1150 f.). 746 Der Tod des Treugebers berührt den Bestand des Treuhandverhältnisses dagegen im Zweifel nicht (§§ 672, 675 BGB), vielmehr gehen die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag auf den Erben des Treugebers über. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 151; K. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 87, Singhof/Seiler, in: Singhof/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 618; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, S. 317 f.

6. Berufsrechtliche Rahmenbedingungen 747 Vereinzelt wird im Schrifttum problematisiert bzw. offen infrage gestellt, ob die doppelnützige Treuhand wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) oder das anwaltliche Berufsrecht gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Treuhandvertrags führt. So wird vorgebracht, die Tätigkeit als (doppelnütziger) Treuhänder sei regelmäßig auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gerichtet, die, sofern sie nicht durch einen Rechtsanwalt oder eine Gesellschaft mit der Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c Bundesrechtsanwaltsordnung [BRAO]) erbracht werde, gegen §§ 2, 3 RDG verstoße. Handele dagegen ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Treuhänder, vertrete diese(r) im Rahmen einer doppelnützigen Sanierungstreuhand regelmäßig widerstreitende Interessen und verstoße damit gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA). Vgl. Römermann, AnwBl 2015, 34; Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481, die sogar von einem „regelmäßig rechtswidrigen Modell“ sprechen; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158; a. A. Tresselt, DB 2016, 514, 519; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785.

a) Treuhandtätigkeit als Rechtsdienstleistung i. S. v. §§ 2, 3 RDG? 748 In der Literatur wird vereinzelt die Frage erörtert, ob die doppelnützige Treuhand wegen Verstoßes gegen § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig ist. Vgl. Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158.

749 Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, dass sich im Rahmen einer doppelnützigen Treuhandschaft typischerweise steuer-, gesellschafts-, insolvenz- und zivil- wie vertragsrechtliche Fragestellungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Erstellung des Treuhandvertrags oder im Verwertungsfall in Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf, ergäben. Die Beherr196

II. Treuhandmodelle

schung des Gesellschaftsrechts sei in der Regel für die Ausübung der Treuhänderposition unerlässlich. Der Treuhänder sei zudem per definitionem im Interesse der Treugeber und damit in fremden Angelegenheiten tätig. Somit handele es sich bei den im Rahmen einer Sanierungstreuhand typischerweise zu bewältigenden Aufgaben um Rechtsdienstleistungen i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG. Vgl. Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481, 482 ff.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158.

Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkre- 750 ten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Da Rechtsanwälten durch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Er- 751 bringung von Rechtsdienstleistungen ohne Weiteres gestattet ist, würden häufig zugelassene Rechtsanwälte die Stellung als Treuhänder einnehmen. Werde aus Haftungsgründen jedoch eine Beteiligungsgesellschaft (SPV) genutzt, um die Gesellschaftsanteile treuhänderisch zu halten, stelle die Erbringung der mit der Treuhand verbundenen Rechtsdienstleistungen durch die Treuhandgesellschaft einen Verstoß gegen § 3 RDG dar, wenn – wie in der Praxis regelmäßig – die Treuhandgesellschaft keine zugelassene Rechtsanwalts-GmbH i. S. v. §§ 59c ff. BRAO ist. Dieses Problem lasse sich auch nicht dadurch umgehen, dass Rechtsanwälte zu Geschäftsführern der Treuhandgesellschaft bestellt werden, da es allein auf die Zulassung der GmbH ankomme. Vgl. Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481, 485; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Tätigkeit des Doppeltreuhänders in den 752 Kategorien des RDG in erster Linie eine – von der Rechtsdienstleistung abzugrenzende – wirtschaftliche Tätigkeit darstellt und im Übrigen auch keine fremde Rechtsangelegenheit darstellen würde. Angesichts der zunehmenden Verrechtlichung des alltäglichen Lebens und 753 dem Hinzutreten neuer Dienstleistungsberufe bezweckte der Gesetzgeber mit der Neuregelung in § 2 Abs. 1 RDG, den Erlaubnisvorbehalt auf die Fälle echter Rechtsanwendung zu beschränken, um Einschränkungen der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nur dort vorzunehmen, wo der Kernbereich des Rechts betroffen ist. Vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 35.

Hiermit sollte die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und 754 des BGH bereits etablierte einschränkende Auslegung zu Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz (RberG) nachvollzogen werden, nach der nicht jede Tätigkeit, die auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gerichtet ist, auch eine Rechtsdienstleistung darstelle.

197

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. etwa BverfG, Beschl. v. 27.10.2004 – 6 C 30/03, BverwGE 122, 130 („Insolvenzberater“); BGH, Urt. v. 24.2.2005 – I ZR 128/02, ZIP 2005, 962 („Fördermittelberater“); BGH, Urt. v. 11.11.2004 – I ZR 213/01, WM 2005, 412 („Testamentsvollstrecker“); BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 316/98, NJW 2002, 2877 („Bürgeranwalt“); die in der Rspr. etablierten „Bereichsausnahmen“ sind nunmehr teilweise explizit in § 5 Abs. 2 RDG normiert.

755 Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann, da nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und eine wirtschaftliche Betätigung daher kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Erforderlich sei vielmehr, dass die Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung eine besondere Prüfung der Rechtslage im Sinne eines juristischen Subsumtionsvorgangs voraussetze. Der Anwendungsbereich des RDG solle daher in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH zurückgeführt werden auf die Fälle „substanzieller Rechtsanwendung“. Erforderlich ist daher weiterhin eine Abgrenzung von juristischen Tätigkeiten und Wirtschaftsangelegenheiten, die regelmäßig ebenfalls die Anwendung der geltenden Gesetze und Einhaltung geschlossener Verträge verlangt. Vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 46; Overkamp/Overkamp, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 2 RDG Rn. 9; Deckenbrock/ Henssler, in: Deckenbrock/Henssler, RDG, § 2 Rn. 35 ff.

756 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Treuhandtätigkeit in Zusammenhang mit einer doppelnützigen Sanierungstreuhand eine rein wirtschaftliche Betätigung der Treuhandgesellschaft auf Basis des mit den Treugebern bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrags darstellt. Gegenstand der Tätigkeit der Treuhandgesellschaft ist regelmäßig das Halten und Verwalten sowie ggf. das Verwerten des Treuguts im eigenen Namen gegen Entgelt. Hierzu gehören im Rahmen der Umsetzung bzw. Überwachung der Sanierung ebenso wie bei Verhandlung einer Transaktion im Rahmen eines Verwertungsprozesses in erster Linie wirtschaftlich geprägte Fragestellungen. Die Treuhandgesellschafterin wahrt mithin in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen der Treugeber, indem durch eine gelungene Sanierung eine Wertsteigerung der Treugut-Anteile herbeigeführt wird oder durch eine „bestmögliche“ Verwertung und Erzielung eines möglichst hohen Veräußerungserlöses auch eine Partizipation der Treugeber am Verwertungserlös erreicht werden soll. Die allgemeine Notwendigkeit der Kenntnisse der Gesetze, um überhaupt einen M&A-Prozess durchführen zu können, stellt keine Rechtsdienstleistung (gegenüber den Treugebern), sondern vielmehr reine Rechtsanwendung innerhalb des übernommenen Aufgabenbereichs dar. Jedenfalls würde eine Befassung mit solchen Rechtsfragen nur eine Nebenleistung i. S. v. § 5 Abs. 1 RDG zu der eigentlichen wirtschaftlichen Hauptbetätigung als Sanierungstreuhänder darstellen. Denn wenn dem Treuhänder die vollständige Übernahme der Gesellschaftsanteile und ein selbstständiger Verkauf 198

II. Treuhandmodelle

obliegt, ist die Rechtsbesorgung bei einer solchen „Vollbetreuung“ lediglich Nebenzweck. Vgl. BGH, Urt. v. 28.9.2000 – IX ZR 279/99, BGHZ 145, 265 (Bauträgervertrag); LG Aurich, Urt. v. 17.12.2012 – 5 O 1298/11, juris (Sanierungstreuhandvertrag); Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 790.

Es entsprach schon unter Geltung des Rechtsberatungsgesetzes der Recht- 757 sprechung des BGH, dass die Tätigkeit als Treuhandgesellschafter im Rahmen von Kapitalanlagemodellen keine Rechtsbesorgung i. S. d. Art. 1 § 1 RberG darstellt, wenn der Treuhänder lediglich die Aufgabe hatte, im eigenen Namen für den Treugeber jeweils einen in dem Treuhandvertrag festgelegten Kommanditanteil zu erwerben und zu halten. Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2011 – XI ZR 415/10, ZIP 2011, 2353; BGH, Urt. v. 8.5.2006 – II ZR 123/05, ZIP 2006, 1201; Riggert/ Baumert, NZI 2012, 785, 789.

Von einer erlaubnispflichtigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten war 758 nach Ansicht des BGH erst dann auszugehen, wenn die Tätigkeit des Treuhänders den Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen für den Treugeber mit mannigfaltigem rechtlichen Beratungsbedarf zum Gegenstand hatte, insbesondere wenn der Treuhänder den Treugeber im Rahmen umfangreicher Vollmachten durch den Abschluss der zur Finanzierung der Kapitalanlage notwendigen Kreditverträge und die Bestellung der dinglichen und persönlichen Sicherheiten rechtlich verpflichten konnte sowie zur Abgabe von persönlichen Schuldanerkenntnissen und Vollstreckungsunterwerfungserklärungen im Namen des Treugebers befugt sein sollte. Vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2006 – XI ZR 265/05, ZIP 2007, 173; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, BGHZ 167, 223.

Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber des RDG an dieser Rechtsprechung 759 ausweislich der Gesetzesbegründung nicht uneingeschränkt festhalten wollte, vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 46,

unterscheidet sich die Tätigkeit des Treuhandgesellschafters wie dargestellt 760 von den Kapitalanlagefällen insofern, als der Treuhänder den Treugeber nicht umfassend durch erteilte Vollmachten im Rahmen weiterer Rechtsgeschäfte umfassend verpflichtet, sondern vielmehr auf Basis eines zwischen Treugeber und Treuhänder geschlossenen Vertrags die wirtschaftlichen Belange der Treugeber im Rahmen der Verwaltung und Verwertung des Treuguts im eigenen Namen wahrnimmt und insofern haftungsrechtlich auch für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung einsteht. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass der Treuhänder jedenfalls 761 keine fremde Rechtsangelegenheiten (der Treugeber) bearbeiten würde. Die Treuhandgesellschaft berät die Treugeber nicht in Zusammenhang mit dem Abschluss des Treuhandvertrags. In den meisten Fällen werden die Treuge-

199

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

ber vielmehr selbst durch eigene anwaltliche und/oder steuerliche Berater bei der Verhandlung des Treuhandvertrags unterstützt. Die Treuhandgesellschaft muss vielmehr auf Basis des mit den Treugebern geschlossenen Treuhandvertrags innerhalb ihres Aufgabenbereichs eigene wirtschaftliche Entscheidungen (z. B. Fassung von Gesellschafterbeschlüssen, Verkauf eines Gesellschaftsanteils als Treugut) im Rahmen der ihr gemachten rechtlichen Vorgaben (Gesetze, Satzungsregelungen, Regelungen des Treuhandvertrags) treffen. Sofern zur Umsetzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch die Treuhandgesellschafterin eine konkrete juristische Fragestellung zu beantworten sein sollte, so bedarf die Treuhandgesellschafterin selbst des Rechtsrats, es geht also nach richtiger Auffassung um eine eigene Rechtsangelegenheit der Treuhandgesellschafterin. Vgl. Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 788.

762 Um ein etwaiges Restrisiko auszuschließen, sollte der Treuhandvertrag die Befugnis der Treuhandgesellschaft enthalten, auf Kosten der Treugeber oder der Treugutgesellschaften juristischen Rat in Anspruch zu nehmen. Vgl. Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 790.

763 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die als Treuhandgesellschafterin eingesetzte Objektgesellschaft keine Rechtsdienstleistungen i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG erbringt, sondern eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde es sich jedenfalls um eigene Angelegenheit der Treuhandgesellschafterin und nicht um fremde Rechtsangelegenheiten i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG handeln. Vgl. LG Aurich, Urt. v. 17.12.2012 – 5 O 1298/11, juris (Sanierungstreuhandvertrag); Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 790.

b) Tätigkeitsverbot gemäß §§ 43a, 45 BRAO bei Interessenskonflikten? 764 Diskutiert wird darüber hinaus die Frage, ob ein Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen nach §§ 43a, 45 BRAO vorliegen kann. Vgl. Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481, 487; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158.

765 In § 43a Abs. 4 BRAO ist das allgemeine Verbot für den Rechtsanwalt normiert, widerstreitende Interessen zu vertreten. Diese allgemeine Berufspflicht ist aufgrund der Satzungskompetenz in § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e) BRAO durch § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) näher konkretisiert. 766 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise i. S. d. § 45 BRAO beruflich befasst war. § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass ein Rechtsanwalt in einem laufenden Mandat auch keine Vermögenswerte von dem Mandanten und/oder 200

II. Treuhandmodelle

dem Anspruchsgegner zum Zweck der treuhänderischen Verwaltung oder Verwahrung für beide Parteien entgegennehmen darf. Bereits vor Inkrafttreten der Ergänzung in § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA am 767 1.1.2015 wurde in der Literatur die Ansicht vertreten, dass – selbst wenn die Klippe der unzulässigen Rechtsdienstleistung (§ 2 RDG) durch Einschalten eines Rechtsanwalts als Treuhänder umschifft werden könne – eine Nichtigkeit des Treuhandvertrags nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 43a BRAO, § 3 BORA im Raum stünde. Begründet wurde dies knapp mit der Feststellung, dass ein Interessenwiderstreit bei der Vertretung der an dem Treuhandverhältnis Beteiligten immanent sei, da der Treuhänder nicht nur die Interessen einer Partei vertrete, sondern sowohl die der Treugeber auf der einen Seite als auch die der drittbegünstigten Finanzierer auf der anderen Seite. Eine zulässige Tätigkeit i. S. v. § 43a Abs. 4 BRAO käme allenfalls solange in Betracht, bis die Beteiligten gleichgelagerte Interessen verfolgten. Spätestens bei der Frage der Erlösverwendung werde das Interesse der Parteien auseinandergehen, was eine Fortsetzung der Tätigkeit unmöglich mache. Die Ergänzung in § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA war sodann Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Vgl. Römermann, AnwBl 2015, 34; Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481.

Aber auch dieses drohende Unwirksamkeitsverdikt scheint bei näherer Be- 768 trachtung mit recht oberflächlicher Begründung ohne nähere Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung des Tätigkeitsverbots vorschnell in den Raum gestellt. Vgl. Römermann, AnwBl 2015, 34: „Wer diese Bezeichnung hört, die unmittelbar den „doppelten Nutzen benennt, wird auf das Problem der widerstreitenden Interessen sofort aufmerksam.“; Römermann/Gavilá, NZI 2012, 481, 487: „Der Vertretung der an dem Treuhandverhältnis Beteiligten ist der Interessenwiderstreit grundsätzlich immanent.“

Voranzustellen ist, dass die ergänzende Klarstellung in § 3 Abs. 1 Satz 2 769 BORA, nach der dem Rechtsanwalt in einem laufenden Mandat die Entgegennahme von Vermögensgegenständen zur treuhänderischen Verwahrung für beide Parteien untersagt sein soll, nach der Begründung der Satzungsversammlung keine weitere Einschränkung des Tätigkeitsverbots nach § 43a Abs. 4 BRAO, sondern lediglich eine Klarstellung herbeiführen sollte, was angesichts der Diskussionen um die Regelung aber als gescheitert angesehen werden muss. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 BORA Rn. 8a; Römermann, AnwBl 2015, 34, 35 f.; Baumert, NJ 2014, 320, 325.

Das in § 43a Abs. 4 BRAO recht knapp formulierte Verbot für den Rechts- 770 anwalt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nach herrschender Meinung um ungeschriebene Tatbestandsmerkmale zu ergänzen, die teilweise in

201

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

§ 3 Abs. 1 Satz 1 BORA dann auch explizit aufgegriffen sind. Die verbotene Vertretung widerstreitender Interessen i. S. v. § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA setzt demnach voraus, dass x

ein Interessenwiderstreit vorliegt,

x

der Anwalt in Bezug auf diesen Interessenwiderstreit als Vertreter beider Parteien tätig wird,

x

der Interessenwiderstreit dieselbe Rechtssache betrifft und

x

der Anwalt im Rahmen seiner anwaltlichen Berufsausübung (und innerhalb eines Mandatsvertrags) tätig wird oder

x

der Anwalt in derselben Rechtssache bereits i. S. v. § 45 BRAO vorbefasst war. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 168; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 38.

771 Schwer zu fassen ist bereits der abstrakte Begriff des Interessenwiderstreits. Gebräuchlich ist etwa die Formel, dass es dem Rechtsanwalt verboten sei, ein und denselben Lebenssachverhalt einmal in diesem und ein anderes Mal in einem entgegengesetzten Interesse rechtlich zu würdigen. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 169; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 38.

772 Im Kern geht es bei dem Interessenwiderstreit damit um gegenläufige rechtliche Interessen. Divergierende wirtschaftliche Ziele der Mandanten, die in erster Linie über die Verschwiegenheitspflicht geschützt sind, können indes auch bei gleichgerichteten rechtlichen Interessen nicht gänzlich außer Acht bleiben, wenn diese die rechtlichen Interessen überlagern. Gleichwohl rechtfertigen gegenläufige wirtschaftliche Interessen nicht bereits ein Tätigkeitsverbot des Rechtsanwalts. Wie das Merkmal „in derselben Rechtssache“ verdeutlicht, muss zwischen beiden Mandanten eine rechtliche Beziehung bestehen, die dazu führt, dass in beiden Mandaten dieselben Rechtsfragen eine Rolle spielen. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 170a.

773 Ob ein Interessenwiderstreit vorliegt, ist nach zuletzt geäußerter Ansicht des Anwaltssenats des BGH in erster Linie objektiv zu bestimmen, um die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung zu gewährleisten. Vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 unter Verweis auf BT-Drucks. 12/4993, S. 27; a. A. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 172 ff.; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 39, die maßgeblich auf das subjektive Interesse des Mandanten abstellen.

202

II. Treuhandmodelle

Der 4. Strafsenat des BGH hat hinsichtlich des Vorliegens eines Interessen- 774 widerstreits dagegen maßgeblich auf das subjektive Interesse des Mandanten abgestellt, indem er betont, dass sich die anvertrauten Interessen nach dem Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrags beurteilen, der maßgeblich vom Willen der Partei gestaltet wird. Vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18, NJW 2019, 316.

Allerdings betont auch der Anwaltssenat, dass das Vorliegen eines Interes- 775 senkonflikts nicht ohne Blick auf die konkreten Umstände des Falles beurteilt werden kann. Maßgeblich ist, ob der in den anzuwendenden Rechtsvorschriften typisierte Interessenkonflikt im konkreten Fall tatsächlich auftritt. Ferner steht es dem Mandanten, ordnungsgemäße Aufklärung durch den Anwalt vorausgesetzt, frei, Weisungen zu erteilen, welche seinen wohlverstandenen Interessen aus der Sicht eines objektiven Betrachters widersprechen. Insofern nähert sich der Anwaltssenat im Ergebnis wieder der Sichtweise des 4. Strafsenats an. Vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039.

Aufgrund der mit dem Tätigkeitsverbot verbundenen Einschränkung der Be- 776 rufsfreiheit des Anwalts ist ferner anerkannt, dass ein lediglich möglicher, tatsächlich aber nicht bestehender (latenter) Interessenkonflikt nicht genügt, um ein Tätigkeitsverbot des Anwalts zu begründen. § 43a Abs. 4 BRAO gebietet eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung aller Belange unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Mandanteninteressen. Vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2020 – IX ZR 135/19, WM 2020, 841; BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039; BverfG, Beschl. v. 20.6.2006 – 1 BvR 594/06, AnwBl 2006, 580; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 39; Baumert, NJ 320, 321.

Vor diesem Hintergrund entspricht es der weit überwiegenden Meinung, dass 777 der Anwalt jedenfalls tätig werden darf, solange und soweit die Interessen der Parteien (noch) gleichgerichtet und nicht gegenläufig sind oder das Mandat auf die Wahrnehmung solcher Interessen begrenzt ist, die sie gemeinsam verfolgen (beschränktes Mandat). Vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2019 – IX ZR 89/18, ZIP 2019, 423; BGH, Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 71/16, ZIP 2017, 1968; BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZR 190/07, juris; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 170a; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 40 f.; Baumert, NJ 320, 322 f.; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 791.

Weitere Voraussetzung des Tätigkeitsverbots nach § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 778 Abs. 1 BORA ist, dass die Interessenvertretung beider Parteien dieselbe Rechtssache betrifft. Entscheidend ist die (Teil-)Identität des historischen Lebensvorgangs, der mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden

203

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

soll. Nicht entscheidend ist, ob der Streitstoff in verschiedenen Verfahren verhandelt wird oder die Ansprüche identisch sind. Dem Anwalt soll es lediglich verwehrt sein, denselben Lebenssachverhalt einmal in die eine und ein anderes Mal in die andere Richtung rechtlich zu würdigen. Fehlt es bereits an einer einheitlichen Rechtssache, ist dem Anwalt dagegen nicht verwehrt, in anderer Sache eine abweichende Rechtsansicht einzunehmen oder nacheinander für und gegen dieselbe Partei tätig zu werden. Vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 199 ff.

779 Ferner ist nach § 43a Abs. 4 BRAO erforderlich, dass der Anwalt die widerstreitenden Interessen vertritt. Der unscharfe Begriff des „Vertretens“ wird durch § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA dahingehend konkretisiert, dass der Anwalt nicht tätig werden darf, wenn er in derselben Rechtssache eine andere Partei bereits beraten oder vertreten hat. Erfasst werden soll jede rechtsbesorgende anwaltliche Berufsausübung. Von § 43a Abs. 4 BRAO untersagt wird das gleichzeitige Tätigwerden durch anwaltliche Berufsausübung für zwei Parteien in derselben Rechtssache. Entscheidend ist daher, dass die Tätigkeiten für beide Parteien dem anwaltlichen Berufsbild zugeordnet werden können (siehe hierzu noch Rn. 784 ff.). 780 Es kommt also weniger darauf an, ob es sich um eine spezifische anwaltliche Tätigkeit handelt, die insbesondere berufsrechtlich ausschließlich Anwälten vorbehalten ist. Vielmehr reicht es aus, dass der Anwalt – im Zeitpunkt des Vorliegens eines Interessenwiderstreits – eine Dienstleistung erbringt, die auch von einem Nichtanwalt erbracht werden dürfte, sofern diese Dienstleistung dem anwaltlichen Berufsbild zugeordnet werden kann. Die – in § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA zusätzlich erwähnte – nicht anwaltliche Befassung im Sinne eines „echten“ Zweitberufs wird von den speziellen Tätigkeitsverboten des § 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 BRAO erfasst und fällt nicht unter § 43a Abs. 4 BRAO. Vgl. BGH, Urt. v. 27.7.1971 – 1 StR 183/71, BGHSt 24, 191 (zu § 356 StGB); Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 186a f; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 38; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 791.

781 Daraus folgt, dass ein Anwalt nicht bereits dann widerstreitende Interessen i. S. v. § 43a Abs. 4 BRAO vertritt, wenn er in derselben Rechtssache außerhalb seiner anwaltlichen Tätigkeit in sonstiger Weise i. S. d. § 45 BRAO (zweitberuflich) beruflich befasst war. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BORA ist daher entgegen dem missverständlichen Wortlaut lediglich als Konkretisierung des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu verstehen. Denn würde man eine Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO) auch bei jedweder anderweitigen, zweitberuflichen Vorbefassung außerhalb der Anwaltstätigkeit annehmen, würde § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BORA den Anwendungsbereich des § 43a Abs. 4 BRAO erweitern, was angesichts des Rangverhältnisses von Gesetz und Satzung zur Nichtigkeit der Regelung führen würde. 204

II. Treuhandmodelle

Um § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BORA auch insofern gesetzkonform auszulegen, muss die in § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO enthaltene zeitliche Limitierung auch in die Satzungsnorm hineingelesen werden, d. h., ein Tätigkeitsverbot des Anwalts greift nicht mehr, wenn die anderweitige, zweitberufliche Befassung abgeschlossen ist. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 RDG Rn. 6 ff.; Deckenbrock, AnwBl 2011, 705, 709 f.; a. A. Offermann-Burckart, AnwBl 2005, 312, 312 f., die umgekehrt den Anwendungsbereich des § 43a Abs. 4 BRAO auf alle Fälle der beruflichen Vorbefassung erstrecken will, was insofern aber eine Überlagerung des beschränkten Tätigkeitsverbots nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO darstellen würde.

Nach Ansicht von Henssler greift der Verbotstatbestand des § 43a Abs. 4 782 BRAO erst, wenn der Anwalt sich bereits durch einen Mandatsvertrag gebunden habe. Dies bedeute freilich nicht, dass die anwaltlichen Berufspflichten nur bei Abschluss eines Mandatsvertrags gelten, namentlich umfasse die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht auch alles, was dem Anwalt im Rahmen eines Vorgesprächs anvertraut wurde und gelte über das Mandatsende hinaus. Unter Berücksichtigung einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Tätigkeitsverbots sei aber zu berücksichtigen, dass der Anwalt sich im Vorfeld des Vertragsschlusses gerade noch nicht auf eine bestimmte Interessenvertretung festgelegt habe, bei der Erteilung allgemeiner Auskünfte an seiner Unabhängigkeit und Geradlinigkeit mithin nicht gezweifelt werden könne. Erst durch den Vertragsschluss gehe der Anwalt eine vertragliche Pflichtenbindung zur Wahrung des Mandanteninteresses ein, die ihn an der gleichzeitigen Wahrnehmung eines entgegengesetzten Interesses in derselben Rechtssache hindere. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn. 188 ff.; in diese Richtung wohl auch Ganter, NJW 2014, 1771, 1775; a. A. Anwaltsgerichtshof Hamburg, Urt. v. 26.9.2018 – AGH I ZU 1/18 (I-19), NJW-RR 2019, 252, der ein irgendwie geartetes Tätigwerden i. S. d. §§ 45, 46 BRAO genügen lässt und hierbei verkennt, dass diese Fälle der anderweitigen Befassung gerade nicht unter § 43a Abs. 4 BRAO fallen, sondern eigenständige Tätigkeitsverbote normieren.

Subsumiert man nun die Fallgestaltungen der doppelnützigen Sanierungs- 783 treuhand unter die vorstehend skizzierten Tatbestandsmerkmale der Tätigkeitsverbote der §§ 43a Abs. 4, 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA, wird deutlich, dass der vorschnell unterstellte Verstoß in Wahrheit gar nicht vorliegt. Zum besseren Verständnis ist vorab zunächst auf die Entscheidung des BGH 784 vom 30.7.2015 hinzuweisen. BGH, Urt. v. 30.7.2015 – I ZR 18/14, ZIP 2016, 319.

205

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

In dieser Entscheidung stellt der BGH heraus, dass die Treuhandtätigkeit seit jeher zum Berufsbild der Rechtsanwälte gehört, auch wenn die BRAO anders als die Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (§§ 2 Abs. 3 Nr. 3, 27 Abs. 2 WPO) und das Steuerberatungsgesetz (§§ 57 Abs. 3 Nr. 3, 72 StBerG) keine ausdrückliche gesetzliche Gestattung beinhalte. Der BGH stellt ferner heraus, dass die Treuhandtätigkeit auch dann ein zulässiger Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft nach § 59c BRAO sei, wenn die Anwaltsgesellschaft lediglich die wirtschaftlichen Belange der Treugeber wahrnehme und in dieser Weise nicht rechtsberatend, sondern gewerblich tätig ist. Insofern wird in dieser Entscheidung vom BGH auch klargestellt, dass es im Bereich des anwaltlichen Berufs die spezifisch anwaltliche, auf die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten gerichtete Tätigkeit und daneben eine ebenfalls dem anwaltlichen Berufsbild zuzuordnende, nicht anwaltliche, sondern gewerbliche Tätigkeit geben kann (siehe hierzu bereits Rn. 779 f.). 785 Diese beiden Bereiche anwaltlicher Tätigkeit können das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO) tangieren, fallen jedoch nicht unter § 45 BRAO, der die Betätigung in einem „echten Zweitberuf“ außerhalb der anwaltlichen Tätigkeit umfasst. In diesem Sinne auch OLG München, Urt. v. 25.1.2019 – 25 U 623/18, MDR 2019, 639 (zur Frage des Einschlusses der Treuhandtätigkeit in die Berufshaftpflichtversicherung); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2018 – 14 U 120/17, juris (zum Sicherheiten-Treuhänder).

786 Daraus folgt, dass sich ein Tätigkeitsverbot für den als Treuhänder agierenden Anwalt weder aus § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO (anderweitige Vorbefassung) noch aus § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO (anderweitige Nachbefassung) ergeben kann, wenn er in derselben Angelegenheit zunächst als Rechtsanwalt und dann als Treuhänder oder umgekehrt tätig war, da beide Tätigkeiten dem anwaltlichen Beruf zuzurechnen sind und daher allenfalls unter das Tätigkeitsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO fallen können. 787 Bei genauerem Hinsehen wird dann klar, dass auch in den praktischen Fällen der doppelnützigen Sanierungstreuhand kein verbotenes Vertreten widerstreitender Interessen i. S. d. § 43a Abs. 4 BRAO vorliegt. 788 Ein Tätigkeitsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO scheitert bereits daran, dass der als Treuhänder tätige Rechtsanwalt keine Interessen in derselben Rechtssache vertritt. Wie bereits zum Anwendungsbereich der §§ 2, 3 RDG ausgeführt (siehe Rn. 748 ff.) vertritt der Treuhänder lediglich die wirtschaftlichen Interessen der Treugeber im Rahmen eines Treuhandverhältnisses, was keine Rechtsdienstleistung darstellt, mit der der Rechtsanwalt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt betraut wäre. Daher wird der Rechtsanwalt auch nicht „als Diener zweier Herren“ in derselben Rechtssache tätig. Vgl. Baumert, NJ 2014, 320, 324 f.; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 791; im Ergebnis auch LG Aurich, Urt. v. 17.2.2012 – 5 O 1298/11, juris.

206

II. Treuhandmodelle

Auch vertritt der Treuhänder keine widerstreitenden Interessen. Die Vertre- 789 tung setzt voraus, dass der Anwalt als Interessensvertreter beider Parteien durch eine rechtsbesorgende anwaltliche Berufsausübung tätig wird. Erforderlich wäre also zumindest, dass der als Doppeltreuhänder tätige Rechtsanwalt sowohl die Finanzierer als auch die Gesellschafter in Zusammenhang mit dem Abschluss und der Umsetzung des Treuhandvertrags rechtlich berät. Dies ist bei einem Doppeltreuhänder, der neutral „zwischen den Stühlen“ sitzt, ggf. noch einen ersten Vertragsentwurf liefert und hilft, zwischen den Beteiligten zu vermitteln, aber gerade nicht der Fall. Es ist vielmehr gängige Praxis, dass sowohl die Finanzierer als auch die Gesellschafter eigene rechtliche Berater mandatieren. Wäre die Tätigkeit als „neutraler“ Treuhänder stets mit einer Interessensvertretung verbunden, könnten – worauf Szalai/Tietze zu Recht hinweisen – auch Notare nie als Treuhänder – etwa zur Abwicklung der von ihnen beurkundeten Grundstücksgeschäfte – eingeschaltet werden, da diese nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht Vertreter einer Partei sein dürfen, sondern als unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten agieren müssen. Insofern ist es verfehlt, im Falle einer Tätigkeit außerhalb der anwaltsspezifischen Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten aus der bloßen Stellung als Rechtsanwalt sogleich eine Interessensvertretung abzuleiten. Vgl. Kähler/Neumann, NJW 2016, 1121, 1123 f.; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 38; einen Interessenkonflikt ebenfalls bezweifelnd Thole, NZI 2017, 737, 738.

Eine Einschränkung für die Tätigkeit als Treuhänder ergibt sich auch nicht 790 aus der die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO konkretisierenden Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA. Abgesehen davon, dass es zumeist schon an der Übernahme der Treuhandtätigkeit innerhalb eines laufenden Mandats fehlen wird, vgl. Baumert, NJ, 2014, 320, 323,

erfasst § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA seinem Wortlaut nach nur Treuhandtätigkeiten für zwei Parteien jeweils auf vertraglicher Grundlage. Hieran fehlt es im Gegensatz zur doppelten Treuhand aber bei der doppelnützigen Treuhand, da hier regelmäßig nur ein einziger Vertrag vorliegt, der als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist. Nach richtigem Verständnis ist die doppelnützige Treuhand (im Auftrag eines Auftraggebers) daher nicht von § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA erfasst. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 BORA Rn. 8c; Baumert, NJ, 2014, 320, 324 f.; Römermann/Praß, BeckOK BORA, § 3 Rn. 27i; Thole, NZI 2017, 737, 738; Kähler/Neumann, NJW 2016, 1121, 1123, die herausstellen, dass dem Drittbegünstigen zwar ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wird, der Treuhänder aber weiterhin nur den Weisungen des Auftraggebers (Treugeber) unterliegt.

Zwar hält Ganter das Vorliegen widerstreitender Interessen grundsätzlich 791 auch beim Vorliegen nur eines Anwaltsvertrags, der als Vertrag mit Schutz-

207

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

wirkung oder zugunsten Dritter ausgestaltet ist, grundsätzlich für möglich, weist aber darauf hin, dass durch den Abschluss eines solchen Vertrags die Interessen von Auftraggeber und Drittem harmonisiert werden. Vgl. Ganter, NJW 2014, 1771, 1775 f.

792 Dies führt letztlich zu einem weiteren Gesichtspunkt, der im Falle einer doppelnützigen Sanierungstreuhand – selbst wenn man das Vorliegen einer Rechtssache annehmen würde – gegen einen Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO spricht. 793 Denn nach absolut herrschender Meinung darf der Anwalt für mehrere Parteien tätig werden, wenn diese gleichlaufende Interessen verfolgen. Selbst wenn sich deren Interessen teilweise widersprechen, kann ein Anwalt sie gemeinsam vertreten, soweit und solange das Mandat auf die Wahrnehmung solcher Interessen begrenzt ist, die sie gemeinsam verfolgen. Da im Falle der doppelnützigen Sanierungstreuhand die Treugeber und die Drittbegünstigten – beide zumeist selbst anwaltlich vertreten – ihre Interessen selbst vertreten, ohne dass der Treuhänder die ein oder andere Seite rechtlich berät, werden die Interessen von Treugebern und Drittbegünstigten mit Abschluss des Treuhandvertrags dahingehend harmonisiert, dass – selbst wenn über das Vertragswerk hinaus gegenläufige Interessen bestehen sollten – der Treuhänder im Interesse beider Seiten nur die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag wahrzunehmen hat und insofern lediglich im Rahmen eines eingeschränkten Mandats diejenigen Interessen vertreten würde, die gleichgerichtet sind. Vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZR 190/07, juris; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37, 41; Ganter, NJW 2014, 1771, 1775 f.; Baumert, NJ, 2014, 320, 322 f.; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 791.

794 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der als doppelnütziger Sanierungstreuhänder eingeschaltete Rechtsanwalt oder die Rechtsanwaltsgesellschaft aus mehreren Gründen nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO) verstößt: Erstens wird der Treuhänder nicht in einer Rechtssache tätig, da er lediglich wirtschaftliche Interessen vertritt und – sofern er überhaupt das Recht anwendet – die Gesetze und vertraglichen Regelungen ausschließlich zur Wahrnehmung seiner eigenen Aufgaben anwendet. Zweitens vertritt der Rechtsanwalt keine der beteiligten Parteien in dem Sinne, dass er für eine Partei rechtsbesorgend anwaltlich tätig wird, sondern vertritt seine eigenen Interessen als Vertragspartei des Treuhandvertrags. Letztlich würde – selbst wenn man die beiden vorstehenden Punkte ausblenden würde – jedenfalls keine Vertretung gegenläufiger Interessen vorliegen, da die Interessen von Treugebern und Drittbegünstigten mit Abschluss des Treuhandvertrags harmonisiert werden und der Treuhänder – ggf. im Rahmen eines eingeschränkten Mandats – lediglich durch Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag die insofern gleichgerichteten Interessen vertreten würde. 208

II. Treuhandmodelle

In der Praxis wird das in der Literatur kontrovers diskutierte Problem aller- 795 dings selten einmal relevant, da regelmäßig eine Objektgesellschaft, die selbst keine Rechtsanwaltsgesellschaft ist, eingeschaltet wird, diese aber wie aufgezeigt keine Rechtsdienstleistungen erbringt, sondern lediglich wirtschaftliche Interessen vertritt. Vgl. LG Aurich, Urt. v. 17.2.2012 – 5 O 1298/11; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 790 f., die treffend von einem „Scheinproblem“ sprechen.

Schließlich wird verschiedentlich problematisiert, ob ein Verstoß gegen § 45 796 Abs. 1 Nr. 4 BRAO (nicht anwaltliche Vorbefassung) oder § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO (nicht anwaltliche Nachbefassung) vorliegen könnte, wenn auch die Treugutgesellschaft von dem Treuhänder oder der Sozietät des Treuhänders beraten wird. Vgl. Undritz, ZIP 2012, 1153, 1158.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO ist dem Rechtsanwalt eine anwaltliche Tätig- 797 keit verboten, wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seines Anwaltsberufs bereits (in einem Zweitberuf) beruflich tätig war und diese anderweitige Tätigkeit noch nicht beendet ist. § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO wiederholt das Tätigkeitsverbot in umgekehrter Reihenfolge: Der Anwalt darf in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt befasst war, nicht mehr anderweitig außerhalb seines Anwaltsberufs tätig werden. Über § 45 Abs. 3 BRAO werden diese Tätigkeitsverbote auf die Sozien des Treuhänders ausgeweitet. Der Begriff „dieselbe Angelegenheit“ ist gleichbedeutend mit der in § 45 798 Abs. 1 Nr. 1 BRAO verwendeten Formulierung „dieselbe Rechtssache“. Vgl. Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 45 BRAO Rn. 27.

Das Verbot des anwaltlichen Tätigwerdens in einer Angelegenheit, mit der der 799 Anwalt aktuell noch zweitberuflich befasst ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO), soll verhindern, dass Bindungen und Weisungsabhängigkeiten, denen der Anwalt ggf. in seinem Zweitberuf unterliegt, die unabhängige Wahrnehmung des anwaltlichen Mandats gefährden. Das umgekehrte Verbot des beruflichen Tätigwerdens in einer Angelegenheit, die der Anwalt bereits in seinem Beruf als Rechtsanwalt bearbeitet hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO), soll in erster Linie verhindern, dass der Anwalt später Informationen fruchtbar macht, die er möglicherweise nur durch seine beruflichen Privilegien (z. B. Akteneinsicht) erlangt hat. Daher unterliegt das nachanwaltliche Tätigkeitsverbot auch keiner zeitlichen Limitierung. Zum anderen soll vermieden werden, dass der Anwalt Interessen, die er zunächst im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit zugunsten seines Mandanten vertreten hat, nun im Rahmen seiner zweitberuflichen Befassung in derselben Angelegenheit zugunsten eines Dritten wahrnimmt. Gegen dieses umfassende Verbot der anderweitigen beruflichen Nachbefas- 800 sung werden im Hinblick auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Erstreckung des nicht anwaltlichen Tätigkeitsverbots auch auf die Sozien des in der Sache tätigen Anwalts (§ 45 Abs. 3 BRAO) nicht unerhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, da im Rahmen des Anwaltsmandats gewonnene Informationen bereits durch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA) geschützt sind und nicht danach differenziert wird, ob die zweitberufliche Befassung den Interessen des früheren Mandanten sogar dient. Geboten sei daher mindestens eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung, dass eine zweitberufliche Befassung jedenfalls dann zulässig sein soll, wenn diese im Interesse des früheren Mandanten erfolgt. Vgl. Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 45 BRAO Rn. 8 ff., 43.

801 Fraglich ist also, ob eine Beratung des Unternehmens, dessen Anteile als Treugut dienen, durch den designierten Treuhänder oder dessen Sozietät einer späteren Übernahme des Treuhandauftrags entgegensteht bzw. ob umgekehrt die Tätigkeit als Treuhänder einer späteren Mandatierung des Treuhänders bzw. seiner Sozien entgegensteht. 802 Das OLG Düsseldorf hat diese Frage in einem Beschluss vom 21.8.2018 mit Recht verneint. Im entschiedenen Fall hatte eine Partnerschaft von Rechtsanwälten die Emittentin von sog. Hypothekenanleihen zunächst in Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren für die einzelnen Anleihen vor der BaFin beraten und anschließend die Rolle als Sicherheiten-Treuhänderin für die drittbegünstigten Anleger übernommen. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2018 – 14 U 120/17, juris.

803 Das OLG Düsseldorf hat ausgeführt, dass die Tätigkeit als Treuhänder dem anwaltlichen Berufsbild zuzuordnen sei (siehe hierzu bereits Rn. 784 f.) und daher keine nicht anwaltliche Tätigkeit darstelle, die in den Regelungsbereich des § 45 BRAO fallen könnte. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2018 – 14 U 120/17, juris.

804 In der Praxis wird der Anwalt allerdings regelmäßig nicht selbst als Treuhänder aktiv, sondern agiert als Geschäftsführer einer Objektgesellschaft (meist eine GmbH), welche die Treugut-Anteile übernimmt. Vgl. Riggert/Baumert, NZI 2012, 785, 791, die eine gleichzeitige treuhänderische Tätigkeit und Rechtsberatung durch den gleichen Anwalt oder die gleiche Rechtsanwaltsgesellschaft daher gar nicht erst erkennen können; im Ergebnis ähnlich LG Aurich, Urt. v. 17.2.2012 – 5 O 1298/11, juris.

805 In der Rechtsprechung wird zwar teilweise vertreten, dass die Tätigkeit des Anwalts in einem Vertretungsorgan aufgrund der Bindung gegenüber Gesellschaftern oder an Entscheidungen des Kollegialorgans regelmäßig zweitberuflich erfolgt, vgl. AnwG Köln, Beschl. v. 19.2.2018 – 2 AnwG 2/15 R, AnwBl. 2018, 419 (zum Vorstand einer AG); AGH München,

210

II. Treuhandmodelle Urt. v. 27.3.2003 – BayAGH II – 1/03, BRAK-Mitt 2003, 182 (GmbH-Geschäftsführer); OLG Köln, Urt. v. 20.12.2007 – 18 U 214/06, NJW-RR 2008, 933 (geschäftsführender Bevollmächtigter einer GbR), vgl. auch Thole, NZI 2017, 737, 740,

allerdings bedarf diese Ansicht jedenfalls in der eben beschriebenen Gestaltung unter Nutzung einer Objektgesellschaft als Treuhänderin einer Einschränkung, denn es leuchtet nicht ein, dass mangels nicht anwaltlicher Zweitbefassung kein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 BRAO besteht, wenn der Anwalt die Anteile persönlich treuhänderisch übernimmt, ein solches aber eingreifen soll, wenn allein aus haftungsrechtlichen Erwägungen eine Treuhand-GmbH eingeschaltet wird, ohne dass der Anwalt hierdurch weitergehenden Bindungen unterliegt, die die anderweitige Beratung der Treugutgesellschaft beeinträchtigen könnten. Im Ergebnis ist daher auch in einer Treuhandgestaltung unter Einschaltung 806 einer Objektgesellschaft jeweils von zwei dem Anwaltsberuf zuzuordnenden Tätigkeiten auszugehen, wenn ein Anwalt formal die Geschäftsführung der Treuhand-Objektgesellschaft übernimmt und gleichzeitig persönlich oder durch seine Sozien in die Beratung der Treugutgesellschaft eingebunden ist; die Folge ist, dass der Anwendungsbereich des § 45 BRAO in diesen Konstellationen gar nicht erst eröffnet ist. Selbst wenn man in der Wahrnehmung der Treuhänderaufgaben einerseits, 807 und der Beratung der Treugutgesellschaft andererseits, einmal eine zweitberufliche und einmal eine anwaltliche Tätigkeit sehen wollte – und diese dieselbe Angelegenheit beträfen –, sprechen die besseren Argumente für eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung, dass ein Tätigkeitsverbot i. S. d. § 45 BRAO jedenfalls dann nicht besteht, wenn die Gefahr einer Interessenkollision nicht besteht. Das Anwaltsgericht Köln hat zwar in einer Entscheidung vom 19.2.2018 die 808 Auffassung vertreten, dass Schutzzweck des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO nicht der Ausschluss von Interessenskonflikten sondern der Schutz des Rechtsverkehrs im Vertrauen auf eine Rechtsberatung durch einen unbefangenen Rechtsanwalt sei. Vgl. AnwG Köln, Beschl. v. 19.2.2018 – 2 AnwG 2/15 R, AnwBl. 2018, 419.

Dieser Ansicht stehen indes die Gesetzeshistorie und die Bedeutung der Be- 809 rufsfreiheit entgegen. Die heutige Fassung des § 45 BRAO geht auf einen Gesetzentwurf der Bun- 810 desregierung aus dem Jahre 1993, BT-Drucks. 12/4993,

als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.11.1992, BverfG, Beschl. v. 4.11.1992 – 1 BvR 79/82, BverfGE 87, 287,

211

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

zurück, mit der das Bundesverfassungsgericht die frühere Entscheidungspraxis der Fachgerichte zu §§ 7 Nr. 8, 15 Nr. 2 BRAO, § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO jeweils a. F. für teilweise verfassungswidrig erachtete. Danach konnte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft u. a. dann versagt oder widerrufen werden, wenn (1) der Anwalt in seinem Zweitberuf keine „gehobene Stellung“ bekleidete, (2) der Anwalt in einem Zweitberuf kraft eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses mit einem Dienstherrn, der selbst standesrechtlich nicht gebunden ist, Dritte beriet oder (3) der Anwalt zweitberuflich eine kaufmännische Tätigkeit ausübte, die nicht rein verwaltender Natur sondern erwerbswirtschaftlich geprägt sei. In der Folge dieser Entscheidung wurden zweitberufliche Tätigkeiten von Anwälten in weit größerem Umfang möglich. 811 Als Konsequenz sah der Gesetzentwurf Tätigkeitsverbote als im Verhältnis zur Versagung oder Widerruf der Zulassung mildere Mittel vor. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Da angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts künftig in weit geringerem Maße als bisher zur Vermeidung der Gefahr von Interessenkollisionen die Versagung oder der Entzug der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Betracht kommen, bedarf es insoweit weiterer Regelungen. (…) Das Ziel ist es, mit dem gegenüber der Nichtzulassung verhältnismäßigeren Mittel von Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen einzudämmen.“ BT-Drucks. 12/4993, S. 29.

812 Der Entwurf des heutigen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO war allerdings sehr weit gefasst. Dem Anwalt sollte zeitlich unlimitiert die Mandatsübernahme verboten sein, wenn er mit einer Angelegenheit als Nichtanwalt bereits „geschäftlich, beruflich oder in sonstiger Weise“ befasst war. Auf Empfehlung des Rechtsausschusses wurden die Merkmale „geschäftlich“ und „in sonstiger Weise“ gestrichen. Zur Begründung führte der Rechtsausschuss aus: „Der Ausschuss teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf durch eine Neufassung des § 45 BRAO Rechnung zu tragen ist. Er hält jedoch den Vorschlag der Bundesregierung für zu weitgehend, wonach der Rechtsanwalt auch dann nicht tätig werden darf, wenn er mit derselben Angelegenheit (…) außerhalb seiner Anwaltstätigkeit bereits „geschäftlich“ oder „in sonstiger Weise“ befasst war. Dem Ausschuss erscheint es zur Vermeidung von Interessenkollisionen ausreichend, das Tätigkeitsverbot nur in den Fällen eingreifen zu lassen, wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit (…) bereits beruflich tätig war. Dies soll nicht gelten, wenn die berufliche Tätigkeit beendet ist.“ BT-Drucks. 12/7656, S. 49.

813 Schon diese Entstehungsgeschichte lässt erahnen, dass der Gesetzgeber mit den heute in § 45 BRAO normierten Tätigkeitsverboten insbesondere die Vermeidung von Interessenkollisionen im Blick hatte, die es im Einzelfall verfassungsrechtlich rechtfertigen, die Berufsausübung durch Statuierung eines Tätigkeitsverbots für den insofern „befangenen“ Rechtsanwalt zu beschränken. Die Sorge eines infolge Vorbefassung „befangenen“ Anwalts teilte der Rechtsausschuss

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II. Treuhandmodelle

aber bereits nicht mehr für diejenigen Konstellationen, in denen der Anwalt seine zweitberufliche Tätigkeit beendet hatte, bevor er sich derselben Angelegenheit im Rahmen eines anwaltlichen Mandats annahm. Auch die weitere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ver- 814 schiedener Fachgerichte stellt heraus, dass es regelmäßig eines Interessenkonflikts bedarf, um die Beschränkung der Berufsausübung durch ein Tätigkeitsverbot zu rechtfertigen. So hat sich das Bundesverfassungsgericht 2001 mit der Vorschrift des § 46 815 Abs. 2 Nr. 1 BRAO a. F. befasst. Nach dieser Norm, die im Wesentlichen Syndikusanwälte betraf, durfte ein Rechtsanwalt nicht tätig werden in Angelegenheiten, mit denen er bereits im Rahmen eines ständigen Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses rechtsbesorgend tätig war oder Rechtsrat erteilt hat. Im konkreten Fall ging es um Rechtsanwälte, die im Auftrag eines Mietervereins gegen festes Entgelt die Mitglieder des Mietervereins im Rahmen regelmäßiger Sprechstunden berieten und später auch einzelne Mieter als Mandanten ihrer Kanzlei vertraten. Die zuständige Rechtsanwaltskammer sah darin einen Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO a. F., da die Anwälte wie Justiziare in die Organisationsstruktur des Mietervereins eingebunden seien und damit in einem ständigen Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis stünden. Das Bundesverfassungsgericht hat herausgestellt, dass angesichts der Bedeu- 816 tung der Berufsfreiheit stets im Einzelfall geprüft werden müsse, ob Interessenkollisionen oder Berufspflichtverletzungen auftreten können. Ein Grundsatz, wonach anwaltliche und erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten grundsätzlich unvereinbar sind, komme in der BRAO nicht zum Ausdruck. Es sei daher verfehlt, aus formalen Organisationsstrukturen eine auf sachlichen Weisungen beruhende Abhängigkeit abzuleiten. Eine verfassungskonforme Auslegung des Tätigkeitsverbots gebiete es vielmehr, nur solche Konstellationen zu erfassen, in der die Weisungs- und Richtlinienkompetenz des Arbeitgebers des Zweitberufs in die später ausgeübte anwaltliche Tätigkeit hineinwirken könne und daher die (konkrete) Gefahr einer Interessenkollision begründe. Andernfalls sei kein Gemeinwohlbelang ersichtlich, der eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertige. Vgl. BverfG, Beschl. v. 5.11.2001 – 1 BvR 1523/00, NJW 2002, 503; hierzu auch Bea/Fischer, NZI 2019, 15, 17 f.

Ferner hat das Bundesverfassungsgericht die Frage aufgeworfen, ob bei einer 817 verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung der Norm überhaupt „dieselbe Angelegenheit“ vorliege, da diejenigen, denen die Anwälte vertraglich generell Rechtsrat schulden (Mieterverein) und diejenigen, welche sie in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwälte vertraten (Vereinsmitglieder) personenverschieden seien. Vgl. BverfG, Beschl. v. 5.11.2001 – 1 BvR 1523/00, NJW 2002, 503.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

818 Anknüpfend an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat sich das OLG Koblenz in einer Entscheidung vom 29.11.2006 mit folgender Konstellation befasst: Ein Mitglied einer Sozietät war Gründungsgesellschafter, Aufsichtsratsvorsitzender und – nach dem Klägervortrag – faktischer Geschäftsführer der Obergesellschaft einer Firmengruppe, welche Windparks errichten und Anleger für die später in der Rechtsform von GmbH & Co. KGs geführten Betriebsgesellschaften gewinnen wollte. Zugleich war die Obergesellschaft Generalunternehmerin für die von den Tochtergesellschaften betriebenen Windparks. Zwei der Betriebsgesellschaften mandatierten die Sozietät des Aufsichtsratsvorsitzenden mit der zivilrechtlichen Beratung betreffend den Erwerb und den Betrieb der Windkraftanlagen, insbesondere zu Fragen von Gewährleistung, Gefahrübergang und Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Abschluss und Durchführung des Generalunternehmervertrags. Das OLG Koblenz vermochte weder eine Interessenkollision i. S. v. § 43a Abs. 4 BRAO noch ein aus § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO abzuleitendes Tätigkeitsverbot erkennen. Da die Obergesellschaft als Generalunternehmerin sowie die Betriebsgesellschaften einer einheitlichen Gruppe angehörten, die das gemeinsame Ziel verfolgten, Windparks zu errichten, ergäbe sich kein zwangsläufiger Interessenkonflikt der Vertragsparteien des Generalunternehmervertrags. Ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BRAO für die Mitglieder der Sozietät des Aufsichtsratsvorsitzenden bestehe bei einer verfassungskonformen, restriktiven Auslegung des § 45 BRAO ebenfalls nicht. Bei der herausgehobenen Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden in der Firmengruppe sei nicht erkennbar, wie diese selbstständigen, nicht Weisungen unterworfenen Tätigkeiten in die anwaltliche Tätigkeit der anderen Sozietätsmitglieder hineinwirken sollen. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden und die Beratung durch dessen Sozietät im konkreten Fall dieselbe Angelegenheit beträfen. Allein die Tätigkeit im selben Geschäftsbereich genüge hierfür nicht. Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 29.11.2006 – 1 U 44/06, NZG 2007, 458.

819 Das OLG Karlsruhe hat sich in einem Urteil vom 13.5.2016 ebenfalls für eine verfassungskonform restriktive Auslegung des Tätigkeitsverbots ausgesprochen. In dem konkreten Fall hat ein Anwalt den Mandanten zunächst in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten und anschließend Beratungsleistungen betreffend eine „Outplacement-Beratung“ erbracht, welche der Prozessgegner gemäß einem geschossenen Vergleich bezahlen sollte. Das OLG Karlsruhe hat eine Interessenkollision verneint, da sowohl die anwaltliche Vertretung im Rahmen des Arbeitsgerichtsverfahrens als auch die spätere Beratung allein den Interessen des Mandanten gedient hätten. Auch liege nicht dieselbe rechtliche und wirtschaftliche Angelegenheit vor, da der Anwalt die Interessen des Klägers gegenüber verschiedenen Personen vertreten habe, namentlich im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses gegenüber dem früheren Arbeitgeber, bei der späteren Outplacement-Beratung dagegen im Verhältnis zu potenziellen neuen Arbeitgebern. Auch schade es nicht, dass der 214

II. Treuhandmodelle

Anwalt bei der Aushandlung des Vergleichs womöglich eigene Interessen im Hinblick auf die Erbringung der späteren Beratungsleistung im Auge gehabt habe. Denn das Berufsrecht fordere zum einen zwar, dass der Anwalt eigene wirtschaftliche Interessen gegenüber dem zu wahrenden Mandanteninteresse zurückstelle. Zum anderen zielten die Tätigkeitsverbote aber auf die Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen dem Mandanten und Dritten, nicht jedoch auf einen möglichen wirtschaftlichen Interessenwiderstreit zwischen dem Mandanten und seinem Anwalt. Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2016 – 9 U 19/15, NZA-RR 2016, 601.

Es zeigt sich, dass sowohl der Wille des historischen Gesetzgebers als auch 820 die vom Bundesverfassungsgericht und einer Vielzahl von Fachgerichten angewandte verfassungskonforme Auslegung der Tätigkeitsverbote dafür spricht, dass diese nur eingreifen sollen, wenn eine anderweitige Tätigkeit des Rechtsanwalts und eine gleichzeitige Mandatsübernahme – auch durch seine Sozien – die Gefahr eines Interessenkonflikts mit sich bringt. Dies gilt vor allem, da über § 45 Abs. 3 BRAO bei einer anderweitigen Befassung des Anwalts mit einer Angelegenheit auch sämtliche Kanzleimitglieder mit Tätigkeitsverboten belegt werden. Nimmt der Anwalt in beiden Berufen nur die Interessen seines Mandanten/Auftraggebers wahr, scheidet ein solcher Interessenkonflikt daher bereits aus. Vgl. Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 45 BRAO Rn. 10a ff., 44; Bea/Fischer, NZI 2019, 15, 18 f.

Fraglich ist, ob auch bereits ein Einverständnis des Mandanten die Gefahr eines 821 potenziellen Interessenkonflikts ausschließen kann, insbesondere, soweit das Tätigkeitsverbot auch die Sozien des anderweitig mit der Sache befassten Anwalts betrifft. § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA ordnet dies für Fälle des § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BORA an, d. h., ein mit dem in der Sache befassten Anwalt in einer Sozietät verbundener Anwaltskollege darf ein widerstreitendes Interesse vertreten, wenn die betroffenen Mandanten sich nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen. Der BGH hatte eine Einverständnismöglichkeit mit Urteil vom 3.11.2014 für 822 das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO verneint. In dem entschiedenen Fall war ein Anwalt als ehrenamtlicher, „von den Bänken“ unabhängiger Vorsitzender des Beschwerdeausschusses der Ärzte und Krankenkassen tätig, der in sozialgerichtlichen Verfahren durch einen als freier Mitarbeiter der Kanzlei des Vorsitzenden beschäftigten Rechtsanwalt vertreten wurde. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen hatten der Mandatsübernahme durch die Kanzlei des Vorsitzenden zugestimmt. Der BGH hielt diese Zustimmung indes für unbeachtlich und nahm wegen der Vertretung des Beschwerdeausschusses durch einen Sozius des Ausschussvorsitzenden einen Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 1,

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Abs. 3 BRAO an. Die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA, konkretisiere lediglich § 43a Abs. 4 BRAO, gelte jedoch nicht für die in § 45 BRAO normierten Tätigkeitsverbote. Vgl. BGH, Urt. v. 3.11.2014 – AnwSt (R) 4/14, NJW 2015, 567.

823 Auch diese Beurteilung begegnet nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2003 in der sog. „Sozietätswechslerentscheidung“ in § 43a Abs. 4 BRAO hineingelesen, dass das Einverständnis der betroffenen Mandanten die Vertretung widerstreitender Interessen ausschließt, wenn ein Anwalt von einer die eine Partei vertretenden Kanzlei in die die andere Partei vertretende Kanzlei wechselt. Der Kanzleiwechsler hatte in seiner alten Kanzlei keines der betreffenden Mandate bearbeitet und durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen wurde sichergestellt, dass er auch in der neuen Kanzlei nicht mit den neuralgischen Mandaten befasst wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu auszugsweise festgestellt: „Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen dient zunächst dem Schutz des individuellen Vertrauensverhältnisses zum Mandanten sowie der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts. (…) Wenn die vom Sozietätswechsel betroffenen Mandanten beider Seiten das Vertrauensverhältnis zu ihren jeweiligen Rechtsanwälten nicht als gestört ansehen und mit einer Fortführung der eigenen ebenso wie der gegnerischen Mandate einverstanden sind, können der Schutz anwaltlicher Unabhängigkeit und der Erhalt des konkreten Vertrauensverhältnisses zum Mandanten nicht als Gemeinwohlgründe angeführt werden. (…) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen dient darüber hinaus aber auch der im Interesse der Rechtspflege gebotenen Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung, also dem Ziel, dass ein Anwalt nur einer Seite dient. Gleichwohl dürfen weder Rechtsanwaltskammern noch Gerichte abstrakt und verbindlich festlegen, was den Interessen des eigenen Mandanten und damit zugleich der Rechtspflege dient. In erster Linie ist es Sache der Mandanten beider Kanzleien einzuschätzen, ob in Folge eines Sozietätswechsels eine Beeinträchtigung konkret droht. Sie sind deshalb wahrheitsgemäß und umfassend zu informieren. Daneben kann ein eigenverantwortlicher Umgang des Rechtsanwalts mit einer solchen Situation ebenso erwartet werden wie von einem Richter bei der Offenlegung von Gründen zur Selbstablehnung.“ Vgl. BverfG, Beschl. v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BverfGE 108, 150.

824 In der Folge dieser Entscheidung wurde § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA neu gefasst, der im Fall des Einverständnisses der betroffenen Mandanten die Vertretung widerstreitender Interessen durch unterschiedliche Mitglieder einer Kanzlei für zulässig erklärt. Dies gilt gemäß § 3 Abs. 3 BORA auch im Falle eines Kanzleiwechsels. 825 Die Auslegung des BGH ist nach hiesigem Dafürhalten weder regelungstechnisch zwingend noch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nachvollziehbar. 826 Denn erstens verweist § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA, der das Einverständnis für beachtlich erklärt, auf § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA, der wiederum auf § 3 Abs. 1 216

II. Treuhandmodelle

Satz 1 BORA verweist. In § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA ist aber nicht nur das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 Abs. 4 BRAO) konkretisiert, sondern es werden auch die Tätigkeitsverbote nach § 45 BRAO genannt. Insofern kann man dieser Verweiskette durchaus entnehmen, dass ein Einverständnis des Mandanten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BORA) auch im Rahmen der Erstreckung von Tätigkeitsverboten auf Sozietätskollegen des zweitberuflich mit der Sache befassten Anwalts (§ 45 Abs. 3 BRAO) beachtlich sein soll. Dass in § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA der Begriff „widerstreitende Interessen“ genannt ist, lässt nicht zwingend den Schluss zu, die Regelung beziehe sich nur auf § 43a Abs. 4 BRAO, in dem ebenfalls von „widerstreitenden Interessen“ die Rede ist. Denn der Begriff steht allgemein für Interessenkonflikt oder Interessenkollision. Um eben solche geht es aber sowohl in § 43a Abs. 4 BRAO, der Interessenkonflikte in Fällen ausschließlich anwaltlicher Tätigkeiten in derselben Sache ausschließen soll, als auch in § 45 BRAO, der abstrakt Interessenkonflikte im Falle einer anwaltlichen und zweitberuflichen Tätigkeit in derselben Angelegenheit ausschließen soll. Gerade in den Fällen des § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 BRAO, in denen es 827 im Gegensatz zu den Gestaltungen des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO nicht um die Tätigkeit des Anwalts in bestimmter öffentlicher oder amtlicher Funktion geht, sondern irgendeine zweitberufliche Befassung mit derselben Angelegenheit das Tätigkeitsverbot auslöst, vermag nicht einzuleuchten, wieso die Zustimmung des Mandanten weniger beachtlich sein soll als im Falle einer anwaltlichen Vertretung widerstreitender Interessen in derselben Rechtssache durch Anwälte derselben Kanzlei (§ 43 Abs. 4 BRAO i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BORA). Zwar wird teilweise in Zweifel gezogen, ob der Satzungsversammlung durch 828 die Satzungskompetenzen in § 59b BRAO die Befugnis eingeräumt wurde, berufsrechtliche Satzungsregelungen in Bezug auf § 45 BRAO zu treffen. Für § 43a Abs. 4 BRAO wurde eine solche Ermächtigung in § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e) BRAO normiert; diese würde allerdings in Bezug auf § 45 BRAO nicht als Ermächtigungsgrundlage greifen, wenn man die Ermächtigung zur Regelung des „Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen“ nur auf § 43a Abs. 4 BRAO bezieht. Allerdings wird die Ermächtigung zur Regelung der Tätigkeitsverbote in § 59b Abs. 2 Nr. 4 BRAO hineingelesen, der die Befugnis der Satzungsversammlung zur Regelung der besonderen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Versagung der Berufstätigkeit statuiert, womit die Fälle des § 45 BRAO gemeint sind. Vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 BORA Rn. 7 f.

Unabhängig davon wird man die Beachtlichkeit eines Einverständnisses des 829 Mandanten in den Fällen des § 45 BRAO aber im Wege der verfassungskonformen Auslegung auch direkt in § 45 BRAO hineinlesen müssen, wie es das Bundesverfassungsgericht in der „Sozietätswechslerentscheidung“ auch im Falle des § 43a Abs. 4 BRAO getan hat.

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B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen In diesem Sinne auch Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 BORA Rn. 29 ff.; Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 45 BRAO Rn. 45a f.

830 Gegen die Entscheidung des BGH wurde dementsprechend auch Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Verfahren endete wegen des Todes des Beschwerdeführers allerdings ohne Sachentscheidung. Vgl. BverfG, Beschl. v. 24.10.2017 – 1 BvR 1312/16, juris.

831 Zu erwähnen ist dennoch, dass sowohl der Verfassungsrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) als auch der Verfassungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) die Verfassungsbeschwerde in ihren Stellungnahmen als begründet ansahen. Vgl. Stellungnahme Nr. 7/2017 der Bundesrechtsanwaltskammer; Stellungnahme Nr. 68/2016 des Deutschen Anwaltvereins.

832 Die Bundesrechtsanwaltskammer führt in ihrer Stellungnahme zur verfassungskonformen Auslegung des Tätigkeitsverbots in § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BRAO aus: „Sollte allerdings eine abstrakte Interessenkollision nicht vorliegen und gleichwohl ein Tätigkeitsverbot von den Instanzgerichten angenommen werden, wäre zugleich der verfassungsrechtliche Rahmen nicht eingehalten, den das Grundrecht der Berufsfreiheit setzt. (…) Insoweit droht aber durch eine nach der Entscheidung des Beschwerdeausschusses getroffene Entscheidung keine Interessenkollision, wenn diese Entscheidung nunmehr anwaltlich vor Gericht verteidigt wird, denn der Anwalt schlägt sich nicht auf eine Seite, sondern verteidigt die von Rechts wegen getroffene Entscheidung. (…) Selbst eine abstrakte Interessenkollision ist daher ausgeschlossen. Der unabhängige Vorsitzende des Beschwerdeausschusses vertritt daher in der Vorsitzendenfunktion dieselben Interessen, die auch ein von ihm mandatierter Anwalt zu vertreten hätte. Die Interessenwahrnehmung wird nicht deshalb zu einer Vertretung gegenläufiger Interessen, weil der Anwalt in der einen Fallgestaltung als Vorsitzender des Beschwerdeausschusses und in der anderen Fallgestaltung (zusätzlich) als Anwalt tätig wird. Das begründet keine abstrakte Interessenkollision. (…) § 45 Abs. 3 BRAO ist jedenfalls im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungskonform auszulegen, wenn die Verfahrensbeteiligten in Kenntnis aller Umstände ihr Einverständnis mit der Mandatserteilung erklärt haben und der Beschwerdeführer die nachfolgenden Mandate nicht persönlich geführt hat.“ Vgl. Stellungnahme Nr. 7/2017 der Bundesrechtsanwaltskammer.

833 In ähnlicher Weise äußerte sich der Verfassungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins: „Einschränkungen der Berufsausübung sind nur statthaft, soweit sie sich durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen lassen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. (…) Nach der amtlichen Begründung soll das Vertrauen in die Rechtspflege geschützt werden, dass nicht dieselben Personen auf verschiedenen Seiten für unterschiedliche Interessen tätig werden. (…) Zu diesem Zweck ist das Tätigkeitsverbot aber nur dann erforderlich, wenn jedenfalls abstrakt die Gefahr einer

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II. Treuhandmodelle Interessenkollision bestehen kann. Andernfalls ist kein Gemeinwohlbelang ersichtlich, der eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen könnte. (…) Eine solche abstrakte Interessenkollision ist zwischen dem Beschwerdeausschuss und dem Beschwerdeführer als Rechtsanwalt ausgeschlossen. (…) Wird der Beschwerdeausschuss nicht durch Dritte vertreten, hätte der Beschwerdeführer ihn im Klageverfahren als Vorsitzender des Beschwerdeausschusses vertreten müssen. Werden er oder seine Sozietät für den Beschwerdeausschuss im Klageverfahren als Anwälte tätig, vertreten sie dasselbe gleichgerichtete Interesse. Eine Interessenkollision ist von vornherein ausgeschlossen. (…) Auch soweit der BGH und ihm folgend das Anwaltsgericht und der Anwaltsgerichtshof davon ausgegangen sind, dass sich das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 3 BRAO auf sämtliche Sozietätsmitglieder erstreckt, hat er die Bedeutung der Berufsfreiheit verkannt. (…) Eine ausnahmslose Sozietätserstreckung des Tätigkeitsverbots nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Auch hierfür gilt, dass das Verbot durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein muss und der Eingriff nicht weiter gehen darf, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. (…) Für beide Belange gilt, dass die bei abstrakter Betrachtung bestehenden Gefahren im Einzelfall aufgrund einer Einschätzung des Anwalts und der betroffenen Parteien des Prozesses ausgeschlossen sein können. (…) Es kann daher der Einschätzung der betroffenen Parteien überlassen bleiben, ob im konkreten Fall die Gefahr eines Interessenkonflikts und einer Gefährdung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts durch Bindung an den Staat auch bei Wahrnehmung des Mandats durch einen Sozius des Anwalts durchgreifen. Die Zustimmung der betroffenen Parteien rechtfertigt deshalb eine Ausnahme von der Sozietätserstreckung aus § 45 Abs. 3 BRAO. Die Regelung ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Sozietätserstreckung im Falle der Zustimmung der betroffenen Parteien nicht gilt.“ Vgl. Stellungnahme Nr. 68/2016 des Deutschen Anwaltvereins.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Tätigkeit als Treuhänder – auch als 834 Geschäftsführer einer Objektgesellschaft – sowie die gleichzeitige Beratung des Unternehmens durch die Sozietät des Treuhänders nicht gegen § 45 BRAO verstößt, da beides anwaltliche Tätigkeiten sind, sodass der Anwendungsbereich des § 45 BRAO mangels zweitberuflicher Befassung bereits nicht eröffnet ist. Selbst bei einer anderen Sichtweise wird man bei der gebotenen verfassungs- 835 konformen Auslegung des § 45 BRAO jedoch davon ausgehen müssen, dass eine Beratung der Treugutgesellschaften durch die Sozietät des Treuhänders zulässig ist, wenn sich die Beteiligten damit einverstanden erklären bzw. die Gefahr eines Interessenkonflikts nicht besteht. Von Letzterem wird in der Regel auszugehen sein, da die Beratung regelmä- 836 ßig dem Zweck der Sanierung des Unternehmens dient, wovon letztlich auch die Treugeber profitieren, insbesondere, wenn nach dem Treuhandvertrag die Möglichkeit besteht, dass die Treuhand bei erfolgreichem Abschluss der Sanierung endet und die Treugeber ihre Anteile zurückerhalten. Auch müsste im Einzelfall geprüft werden, ob die treuhänderische Verwal- 837 tung der Treugut-Anteile durch den Treuhänder aufgrund Treuhandvertrags mit den Treugebern und die sanierungsrechtliche Beratung der Geschäftsleitung der Treugutgesellschaft aufgrund Mandatsvertrags mit der Gesellschaft 219

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

überhaupt „dieselbe Angelegenheit“ betreffen. Allein die Tätigkeit im selben Geschäftsbereich genügt hierfür nicht, wie das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 29.11.2006 festgestellt hat. Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 29.11.2006 – 1 U 44/06, NZG 2007, 458.

838 Vielmehr müsste etwa festgestellt werden, dass der Gegenstand eines von dem Treuhänder-Gesellschafter zu fassenden Beschlusses und der Gegenstand der anwaltlichen Beratung der Treugutgesellschaft durch die Sozietät des Treuhänders denselben Gegenstand betreffen und hierbei eine Interessenkollision auftreten kann. 839 In der Praxis werden zudem meist Anwälte aus am Sanierungsprozess bislang nicht beteiligten Sozietäten als Treuhänder vorgeschlagen, sodass sich das Problem der gleichzeitigen Treuhandtätigkeit und Beratung der Treugutgesellschaft durch Anwälte derselben Sozietät häufig gar nicht stellt. 840 Beauftragt dagegen der Treuhänder bzw. Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft die Sozietät des Treuhänders, um die Treuhänderin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben – beispielsweise in Zusammenhang mit einem M&AProzess im Rahmen der Verwertung des Treuguts – zu beraten und zu unterstützen, handelt es sich um eine eigene Angelegenheit der Treuhänderin, sodass eine Interessenkollision ausgeschlossen ist und § 45 BRAO ebenfalls nicht zum Tragen kommt. c) Fazit 841 Es lässt sich festhalten, dass die doppelnützige Treuhand und anwaltliches Berufsrecht trotz vereinzelt gebliebener Gegenstimmen miteinander vereinbar sind. So im Ergebnis daher auch die überwiegenden Stimmen Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 3 BORA Rn. 8c; Tresselt, DB 2016, 514, 519; Undritz, BB 2016, 74, 76 f.; Szalai/Tietze, AnwBl 2015, 37; Baumert, NJ 2014, 320, 324 f.; Riggert/Baumert, NZI 2012, 785.

842 Ein verbotene Rechtsdienstleistung i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG, die zur Nichtigkeit der Treuhandvereinbarung führen könnte, übt die nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassene Treuhandgesellschaft nicht aus, da diese sich nur wirtschaftlich und nur in eigener Angelegenheit betätigt. Letzte Zweifel lassen sich dadurch beseitigen, dass die Treuhandgesellschaft berechtigt ist, sich bei Bedarf extern juristisch beraten zu lassen. 843 Ferner stellt es keinen Verstoß gegen die Verbote der Vertretung widerstreitender Interessen nach §§ 43a Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BRAO dar, wenn die Treuhandgesellschaft oder die Treugutgesellschaft durch die Sozietät des Treuhänders beraten wird, da insofern kein Interessenskonflikt vorliegt. Im Übrigen würde ein Verstoß gegen §§ 43, 45

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III. Erfolgsfaktoren und Nutzen

BRAO lediglich den anwaltlichen Beratungsvertrag betreffen, die Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung aber nicht berühren. Ein entsprechender Einheitlichkeitswille der Parteien i. S. v. § 139 BGB, wonach die Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung mit der Wirksamkeit von Beratungsverträgen, die die Treuhand- oder Treugutgesellschaft für Zwecke der Treuhandabwicklung abschließt, stehen und fallen soll, wird sich regelmäßig nicht feststellen lassen.

Im Ergebnis ist die Diskussion um die angebliche Verletzung anwaltlichen 844 Berufsrechts in Zusammenhang mit doppelnützigen Treuhandmodellen bei richtiger Gestaltung und vertragskonformem Verhalten des Treuhänders unbegründet und offenbart nur die in Anbetracht der mit Verstößen verbundenen Sanktionen bedenklichen Unschärfen des anwaltlichen Berufsrechts. III. Erfolgsfaktoren und Nutzen Eine erfolgreiche doppelnützige Sanierungstreuhand-Gestaltung hat erfah- 845 rungsgemäß verschiedene Erfolgsfaktoren: 1. Installation der Treuhand Zunächst einmal müssen die Finanzierer den Ernst der Lage und den beste- 846 henden Handlungsbedarf erkennen. In der Regel werden in Krisensituationen Finanzierersitzungen einberufen, auf denen über die aktuelle Lage und einen möglicherweise bestehenden Liquiditätsbedarf berichtet wird. Bereits an dieser Stelle, an der Finanziererbeiträge eingefordert werden, sollten die beteiligten Finanzierer sich als Begünstigte möglichst geschlossen auf die Installation einer Treuhand verständigen und dies bei den Gesellschaftern platzieren, also konsequent zur Bedingung für die weitere Begleitung und Darlehensgewährung machen. Empfehlenswert kann sein, eine entsprechende „Treuhandauflage“ auch in eine Sanierungsvereinbarung zu überführen und – je nach zeitlichen Restriktionen – festzulegen, bis wann die Vereinbarungen abgeschlossen sein sollen, sofern die Zeit bis zum Auftreten der neuen Finanzierungsbedarfe zur Installation der Treuhand nicht ausreicht. Als problematisch erweist sich dabei oft, dass gegen die Gesellschafter kein 847 Anspruch auf treuhänderische Übertragung ihrer – wenngleich in diesem Zeitpunkt in der Regel wertlosen – Anteile besteht. Daher sind die Finanzierer darauf angewiesen, die Gesellschafter mit guten Argumenten und wirtschaftlichen Erwägungen zu überzeugen. Es gibt hier durchaus überzeugende Argumente gegenüber den Treugebern, um für die Installation einer doppelnützigen Treuhand zu werben. Namentlich bietet diese in den „klassischen“ Turnaround-Situationen oftmals als letzte Alternative zu einer ansonsten drohenden Insolvenz die Chance, das Unternehmen unter der Regie des Treuhänders zu sanieren und im Erfolgsfalle die Anteile an einem sanierten Unternehmen zurückzuerhalten. Dabei ist mitunter eine Art „Insolvenzpoker“ zu beobachten, also die beider- 848 seitige Überlegung, wer im Falle einer Insolvenz wohl mehr zu verlieren hat. 221

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

Die Banken werden dabei ihre Sicherheiten in Insolvenzszenarien (übertragende Sanierung versus Insolvenzplan versus Zerschlagung) und das Ausfallrisiko bewerten, die Gesellschafter ihren Anteilswert, ihr persönliches Fortkommen sowie etwaige (Haftungs-)Risiken im Insolvenzfalle. 849 Zum Beispiel haben viele Gesellschafter persönliche Bürgschaften gegeben, ihre Altersvorsorge hängt vom Unternehmen ab, vielleicht bestehen sogar innerfamiliäre oder berufliche Abhängigkeiten oder es drohen Ansprüche wegen Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen oder Einlagenrückgewähr. 850 Im Idealfall gelingt es, die Gesellschafter von der Treuhandlösung tatsächlich zu überzeugen. Dazu gehört zunächst einmal, das Treuhandmodell möglichst frühzeitig zu thematisieren und den Gesellschaftern gerade die Besonderheit der „Doppelnützigkeit“ vor Augen zu führen, namentlich die Partizipation am Sanierungserfolg und der Erhalt eines „Hoffnungswertes“ oder „Besserungsscheines“, sollte der Bedingungsfall nicht eintreten. Zudem hat der Treuhänder auch die gesellschaftsrechtlichen Interessen der Alteigner zu wahren, unter Umständen gewährt man bei einem späteren Verkauf bestimmte Vorschlagsoder Mitspracherechte. Die Finanzierer haben gegenüber dem Treuhänder ja kein Weisungsrecht, er ist neutral, muss die vertraglich vereinbarten Interessen beider Seiten berücksichtigen und ist beiden Seiten rechenschaftspflichtig. 851 Die Gesellschafter erhalten mit der Treuhand die Chance auf ein Gelingen der Sanierung und den Werterhalt der Anteile nebst Rückkehr in die Gesellschafterstellung. Anderenfalls, also bei Eintritt des Verwertungsfalles, stehen sie nicht schlechter – oder ggf. sogar besser – als bei Nichtweiterfinanzierung und sofortiger Insolvenz. Dem Bild einer Enteignung sollte man somit das einer „Opfersymmetrie“ und eines Ausgleiches von Risiken und Chancen der in Aussicht genommenen Sanierung entgegensetzen. Dazu gehört auch ein Verhandeln „auf Augenhöhe“, weshalb die Gesellschafter ermutigt werden sollten, zur Wahrung ihrer Interessen einen spezialisierten Rechtsanwalt mit der Prüfung der Treuhandvereinbarung zu beauftragen. Gesellschafter

• Chance auf Werterhalt der Anteile und Rückkehr in Gesellschafterstellung • Partizipation am Sanierungserfolg

Banken

• Fresh Money ohne „echte“ neue Sicherheiten

• Risikoerhöhung • Chance auf spätere Kreditrückführung

• Insolvenz- und Haftungsabwehr • Entlastung, Ruhestand

Abb. 11: „Opfersymmetrie“ bei der doppelnützigen Treuhand 222

III. Erfolgsfaktoren und Nutzen

2. Handlungsfähigkeit des Treuhänders Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer Treuhandlösung ist zu- 852 nächst deren rechtswirksame Implementierung. Der Treuhandvertrag muss dem Treuhänder zudem eine qualifizierte Anteils- und Stimmenmehrheit verschaffen, um dessen Handlungsfähigkeit sicherzustellen a) Wirksamkeit der Anteilsübertragung Einer der wichtigsten Aspekte ist, dass die treuhänderisch zu übertragenden 853 Anteile auch rechtswirksam auf den Treuhänder übergehen (können). Genau genommen muss der Treuhänder hierfür selbst prüfen, ob die Treugeber tatsächlich rechtswirksame Gesellschafter sind, also sämtliche Rechtserwerbe der Vergangenheit (sog. Abtretungskette) jeweils lückenlos nachvollziehbar und rechtsbeständig sind, und ob ggf. Zustimmungserfordernisse zu beachten sind. Handelt es sich bei dem Treugut um eine GmbH oder GmbH & Co. KG 854 mittelständischen Zuschnittes, so sind nicht selten zahlreiche Zwischenerwerbe über Verkäufe, Schenkungen und Erbfälle zu verzeichnen. Ähnliches gilt in Konzernen im Hinblick auf das – früher häufig steuerlich motivierte – „Umhängen“ von Beteiligungen. Prüft der Treuhänder dies nicht, läuft er Gefahr, dass bei Eintritt des Verwer- 855 tungsfalles, wenn an einem Share Deal interessierte Investoren eine Due Diligence durchführen, festgestellt wird, dass er über die Gesellschaftsanteile gar nicht verfügt. Dann besteht in der Regel nur noch ein Anspruch (Achtung: nur gegenüber den Treugebern) auf Übertragung der Gesellschaftsanteile. Hilfsweise abgesichert wird der Treuhänder über persönliche Garantien der Treugeber (zu Garantien der Treugeber siehe Rn. 533 ff.) sachenrechtlich ändert es an der Misere zunächst nichts mehr. Hieraus kann für den Treuhänder ggf. sogar ein Haftungsfall erwachsen. Besondere Bedeutung kann hier die durch das MoMiG in Anlehnung an § 67 856 Abs. 2 AktG veränderte Vorschrift des § 16 GmbHG erlangen, wonach im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung nur derjenige als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG eingetragen ist (vgl. § 16 Abs. 1 GmbHG). Die Gesellschaft ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Eingetragenen als Gesellschafter zu behandeln. Im Falle einer Geschäftsanteilsveräußerung gilt eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung sodann als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Gegenüber Dritten bleibt – wie nach bisherigem Recht – aber grundsätzlich 857 allein der materiell Berechtigte Inhaber des Geschäftsanteils; nur er kann ihn wirksam abtreten.

223

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 5 ff.; Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 14.

858 Allerdings kann nach § 16 Abs. 3 GmbHG die Eintragung eines materiell Nichtberechtigten in die Gesellschafterliste den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils ermöglichen, es sei denn, x

die Liste ist weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten (wahren Gesellschafter) nicht zurechenbar oder

x

der Erwerber kannte die Unrichtigkeit oder ihm war diese grob fahrlässig unbekannt oder

x

der Liste ist ein Widerspruch zugeordnet.

859 Nach der Konzeption des Gutglaubenstatbestands ist ein gutgläubiger Erwerb vor Ablauf der Dreijahresfrist mithin nur möglich, wenn dem materiell Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste zuzurechnen ist (§ 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG). Nach Ablauf der Dreijahresfrist schadet dagegen nur noch positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 99 ff.; Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 36 ff.

860 Die Regelung des § 16 Abs. 3 GmbHG ermöglicht daher den Erwerb eines Geschäftsanteils vom Nichtberechtigten. Nicht geschützt ist allerdings der gute Glaube an die Existenz oder die Lastenfreiheit des Geschäftsanteils. Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 69 ff.; Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rn. 27 f.

861 Die Gesellschafterliste kann daher unter den genannten Voraussetzungen auch einen rechtswirksamen Erwerb des Treuhänders vom Nichtberechtigten ermöglichen. Allerdings verbleiben Risiken insbesondere hinsichtlich des (Nicht-)Bestehens von Lasten (Pfandrechte, Nießbrauchsrechte), die eine sorgfältige Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse unerlässlich machen. 862 Der erste Entwurf des Treuhandvertrags inklusive Anteilsteilungen und -abtretungen sollte daher nach Prüfung sämtlicher gesellschaftsrechtlich relevanter Unterlagen (Handelsregister, Gesellschafterliste, Satzungen, letzte Gesellschafterbeschlüsse, ggf. auch der Bilanzen und der Darlehensvereinbarungen etc.) idealerweise vom designierten Treuhänder selbst stammen. b) Qualifizierte Anteils- und Stimmenmehrheit 863 Der Treuhänder muss handlungsfähig sein, um die zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen sowie ggf. zur Veräußerung der Anteile notwendigen Gesellschafterbeschlüsse zügig fassen zu können. Erforderlich ist daher, dass der Treuhänder mit einer ausreichend starken Gesellschafterstellung ausgestattet wird, namentlich dass er die qualifizierte Anteils- und Stimmenmehrheit erhält. 224

III. Erfolgsfaktoren und Nutzen

Der Treuhänder sollte daher über mindestens 75 % der Anteile und Stimmen 864 verfügen, bei entsprechenden höheren Mehrheitserfordernissen in der Satzung auch über diese Mehrheit. Der Treuhänder muss von Anfang an über die Mehrheit verfügen, die er braucht, um all diejenigen Gesellschafterbeschlüsse fassen zu können, die die Sanierung und die Erfüllung der Pflichten aus der Treuhandvereinbarung erfordern. So sind satzungsändernde Maßnahmen bei Gesellschaften mit beschränkter 865 Haftung gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG nur mit einer Mehrheit von mindestens ¾ der abgegebenen Stimmen, bei Aktiengesellschaften gemäß § 179 Abs. 2 AktG nur mit einer Mehrheit von mindestens ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals möglich. Satzungsändernde Maßnahmen sind in Turnaround-Situationen häufig not- 866 wendig, z. B.: x

Kapitalmaßnahmen wie Kapitalherabsetzung und -erhöhung (sog. sanierender Kapitalschnitt),

x

Änderungen der Firma,

x

Änderungen des Unternehmensgegenstands,

x

Änderungen des Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte,

x

Änderungen satzungsmäßiger Mehrheitserfordernisse,

x

Änderungen von Veräußerungs- und Belastungsverboten, auch die Einführung oder Änderung von Abtretungsbeschränkungen oder Erwerbsrechten an Gesellschaftsanteilen,

x

Sitzverlegung,

x

Änderungen der Regeln zur Gewinnverteilung,

x

Änderungen satzungsmäßiger Regeln zur Einberufung und Abhaltung von Gesellschafterversammlungen. Vgl. zu Einzelfällen qualifizierter Satzungsänderungen Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 110 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 28 ff.

Aber auch der Verkauf des Unternehmens (Share Deal) oder wesentlicher 867 Vermögensgegenstände des Unternehmens (Asset Deal) und Beteiligungen, der Abschluss von Unternehmensverträgen (vgl. § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG) oder die Änderung von Konzernstrukturen (z. B. durch Umwandlungen, Liquidationen, Betriebsschließungen, Teilverkäufe etc.) sind in der Regel nur mit einer Mehrheit von mindestens ¾ der abgegebenen Stimmen möglich. Alle Verträge, die in wirtschaftlich bedeutsamer Weise die Grundlagen einer Gesellschaft betreffen und damit die Satzung überlagern, beseitigen oder faktisch ändern, sind wie eine Satzungsänderung zu behandeln. Vgl. nur BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159/30; BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122

225

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 176; Bei der AG ergibt sich die Notwendigkeit der Zustimmung der Hauptversammlung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens explizit aus § 179a AktG.

868 Der Gesellschaftsvertrag kann jeweils auch höhere Mehrheitserfordernisse oder sogar Einstimmigkeit, doppelte Mehrheiten (Stimmen- und Kapitalmehrheit), Zustimmung bestimmter Gesellschafter usw. oder andere zusätzliche Erfordernisse wie z. B. Vetorechte aufstellen, vgl. § 53 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 179 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG. 869 Diese Erfordernisse sollte der Treuhänder im Vorfeld jedenfalls gründlich prüfen und problemlos erfüllen können, ggf. ist die Satzung zuvor anzupassen. 870 Etwaige Verfügungsbeschränkungen über die Anteile (Vinkulierung) sonstige satzungsmäßige Vorkaufs-, Andienungs- oder Miterwerbsrechte sind daraufhin zu prüfen, ob sie dem Anteilserwerb und einer etwaigen späteren Veräußerung durch den Treuhänder entgegenstehen können. 871 Der Treuhänder sollte zudem kraft seiner Anteilsmehrheit jederzeit auch den Geschäftsführern von mittelbar zum Treugut gehörenden Tochter- und Enkelgesellschaften Weisungen erteilen und diese Geschäftsführer erforderlichenfalls auch auswechseln können. Gegebenenfalls sind wichtige Unterbeteiligungen dem Treuhänder direkt mit zu übertragen, um dessen unmittelbaren Einfluss zu sichern. 872 Mit anderen Worten: Eine Treuhand, die wegen einer fehlenden Mehrheit oder aus formalen Gründen gesellschaftsrechtlich ausgehebelt werden kann, ist im Grunde wertlos. Dann kann der Treuhänder allenfalls bestimmte Beschlüsse verhindern, kann aber nicht selbst entsprechend den Vorgaben des Treuhandvertrags agieren. 3. Wichtige „Stellschrauben“ der Treuhandvereinbarung 873 Erfolg bringt darüber hinaus nur ein Sanierungstreuhänder, der weiß, wie er im Bedingungsfall zu handeln hat und der dann rechtlich auch handeln kann. Er muss daher über einen gesellschaftsrechtlich beherrschenden Einfluss verfügen und im Streitfall mit den Alteignern auf die Unterstützung durch die Begünstigten zählen können. Diesbezüglich sind bei der Vorbereitung und Ausgestaltung einer Treuhandvereinbarung einige wichtige Punkte zu beachten. a) Nur ein Treuhänder 874 Zunächst sollte es im Regelfall nur einen Treuhänder geben, um widersprüchliche Beschlüsse und ein wechselseitiges „Ausspielen“ durch die Alteigner zu vermeiden. Gibt es dennoch mehrere Treuhänder, so sollten die vertraglichen Regelungen deckungsgleich sein und sichergestellt werden, wie die gemeinsame Willensbildung erfolgt und dass gemeinsam jedenfalls eine qualifizierte Anteils- und Stimmenmehrheit vorliegt. Der Treuhänder muss

226

III. Erfolgsfaktoren und Nutzen

das Vertrauen sowohl der Treugeber als auch der Begünstigten genießen, andernfalls besteht die Gefahr, dass die Befugnisse des Treuhänders im Rahmen der Abstimmung des Treuhandvertrags zwischen Treugebern und Begünstigten aus einem Misstrauen heraus derart eingegrenzt werden, dass der Treuhänder nicht zielgerichtet und zügig agieren kann. Vgl. Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 507.

b) Klare Formulierung des Bedingungs- und Verwertungsfalles Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Formulierung des Bedingungs- 875 und Verwertungsfalles (siehe hierzu auch Rn. 592 ff.). Hier muss es klare, eindeutige Handlungsanweisungen für den Treuhänder 876 geben, wann der Bedingungsfall eintritt, wer ihn rechtsverbindlich gegenüber allen Beteiligten feststellen darf und was der Treuhänder dann tun soll und darf. Dies gilt insbesondere bezüglich der in Treuhandvereinbarungen häufig zu findenden betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (Covenants). x

Wie und von wem werden diese ermittelt?

x

Kann der Treuhänder im Zweifelsfall einen Sachverständigen beauftragen?

x

Welche Einspruchsrechte haben die Treugeber?

x

Bestehen Heilungsmöglichkeiten zugunsten der Treugeber?

Diese Fragen sind – neben derjenigen der Angemessenheit von Kaufangebo- 877 ten im Rahmen eines vom Treuhänder initiierten M&A-Prozesses, bei dem er das Recht haben sollte, professionelle Hilfe hinzuzuziehen – praktisch die häufigsten Streitpunkte. Um etwas mehr Flexibilität zu gewinnen, kann es opportun sein, die Pflicht 878 des Treuhänders, einen Investorenprozess einzuleiten, neben dem objektiven Eintritt eines Bedingungsfalls von einer zusätzlichen Aufforderung der Begünstigten abhängig zu machen. So kann, nachdem ein Bedingungsfall etwa in Form eines Covenantbruchs eingetreten ist, mit dem „Auslösen“ des Verkaufsprozesses noch zugewartet werden, wenn der Moment für einen Verkauf ungünstig erscheint. c) „Rollenhygiene“ Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein erfahrener Treuhänder von sich 879 aus auf eine gewisse „Rollenhygiene“ achten wird. Das bedeutet, dass der Treuhänder als späterer Mitgesellschafter grundsätzlich nicht zugleich auch weiteres Organ einer der Gesellschaften, die das Treugut abbilden, sein sollte. Um sich nicht der Gefahr von Interessenkollisionen oder gar einer persönlichen Haftung auszusetzen, sollte er selbst weder Geschäftsführer noch Aufsichtsrat einer von ihm treuhänderisch gehaltenen Gesellschaft sein. Auch sollten parallele Beratungsmandate vermieden werden.

227

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

4. Vorteile und Nutzen einer doppelnützigen Sanierungstreuhand a) Erzeugen von Veränderungsbereitschaft, Vertrauen und Transparenz 880 Ein Treuhänder signalisiert Veränderung in den Macht- und Gesellschafterstrukturen. Dieses Signal ist im Rahmen einer Restrukturierung nicht zu unterschätzen, es schafft Mut und Vertrauen sowohl auf der Finanzierer- als auch – sofern dort bekannt – auf der Mitarbeiterseite. 881 Oftmals wird eine Sanierungstreuhand durch weitere Maßnahmen flankiert, z. B. die Einbeziehung erfahrener Restrukturierer, beispielsweise als Chief Restructuring Officer (CRO), und der Mandatierung einer externen Unternehmensberatung, die mit der Umsetzung bzw. Begleitung der Sanierungsmaßnahmen beauftragt wird. Durch ein abgestimmtes Agieren von Treuhänder, CRO und Unternehmensberater – ergänzt durch die Berichtspflichten des Treuhänders und etwaige, durch die Unternehmensberater zu erfüllende Reportingpflichten – sowie eine professionelle Kommunikation wird der Sanierungsprozess transparent und nachvollziehbar, ohne ggf. von vergangenen Unstimmigkeiten, die zu einem Vertrauensverlust geführt haben, negativ beeinflusst zu sein. Vgl. Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 491, 504 f.

b) Unterstützung und Messbarkeit der Sanierung (Covenants) 882 Eine Treuhand macht zudem über die regelmäßige Überwachung der vereinbarten Covenants die Erfolge einer Unternehmenssanierung messbar und hält den Erfolgsdruck aufrecht, da sie klare Konsequenzen für den Fall eines Covenant-Bruchs anordnet. Insofern hat die Treuhand eine unterstützende und disziplinierende Wirkung. c) Einheitliche und schnelle Willensbildung auf Gesellschafterebene 883 Ein für die Sanierung besonders bedeutsamer Aspekt ist die Möglichkeit einer einheitlichen und schnellen Willensbildung auf Gesellschafterebene. Dadurch wird das Management bei notwendigen operativen Maßnahmen aktiv unterstützt. Sanierungsexperten und Interim Manager lassen sich für das zu sanierende Unternehmen wesentlich leichter gewinnen und motivieren, wenn sie sich der Unterstützung von Gesellschafterseite sicher sein können. Führungskräfte können ohne misstrauische oder zerstrittene Gesellschafterstämme, ohne deren Einflussnahme auf das operative Tagesgeschäft und die Sorge vor einer Zustimmungsverweigerung oder gar persönlichen Inanspruchnahme durch die Gesellschafter deutlich schneller, freier und wirkungsvoller agieren. d) Vorteile aus Sicht des Managements 884 Aus dem Vorgenannten resultieren beachtliche Vorteile einer Treuhand aus Sicht des Managements: x

228

„Klassische“, wiederkehrende Interessenkonflikte und Friktionen bei der operativen Tagesarbeit werden vermieden,

III. Erfolgsfaktoren und Nutzen

x

der Abstimmungs-, Diskussions- und Entscheidungsaufwand im Führungs- und Gesellschafterkreis wird erheblich reduziert,

x

die Fluktuation guter Mitarbeiter und Führungskräfte wird reduziert,

x

es besteht ein berechenbarer, verlässlicher Gesellschafterkreis, der notwendige Beschlüsse mitträgt. Dadurch wird die operative Handlungsfähigkeit hergestellt und Abhängigkeiten werden durchbrochen (Auswechslung der Führungskräfte, kurze Entscheidungswege und Emanzipation vom Gesellschafter),

x

überkommene Strukturen können ungestraft hinterfragt und geändert werden,

x

dringend notwendige operative Sanierungsmaßnahmen werden schneller umgesetzt,

x

eine langfristige Nachfolge- oder Investorenlösung kann vorbereitet werden.

Die Erfahrung zeigt: Für einen erfolgreichen Turnaround bedarf es eines 885 herausragenden, handlungsfähigen und unabhängigen Managements, das die Wertvernichter des Unternehmens schnell und zuverlässig analysieren sowie eliminieren kann und darf. Hierfür benötigt es die bedingungslose Unterstützung von Gesellschafterseite, die nicht an überholten Strukturen festhalten will, sondern Veränderungen unterstützt. Genau dies wird mit einem Sanierungstreuhänder ermöglicht. e) Zugriff auf Anteile bei Eintritt des Bedingungsfalls Ein wesentlicher Vorteil der Treuhand ist die sofortige Anteilsinhaberschaft 886 und Verfügungsberechtigung über die Anteile bei Eintritt des Bedingungsfalles. Durch den dinglichen Rechtsübergang der Anteile rückt der Treuhänder unmittelbar in die Gesellschafterstellung ein und hat die Gesellschafterrechte inne. Damit muss die Übertragung der Anteile nicht erst gesondert eingefordert oder langwierig eingeklagt werden, sondern der Treuhänder kann – und dies ist in einer akuten Krisensituation wichtig – sofort handeln und rechtssicher verfügen. f) Einleitung M&A-Prozess, Verkauf „aus einer Hand“ Einer der wichtigsten Vorzüge einer Treuhand ist es, dass der Treuhänder 887 beim Eintritt bestimmter Bedingungen sofort einen M&A-Prozess zum teilweisen oder vollständigen Verkauf des Krisenunternehmens einleiten kann. Dabei kann ein Verkauf nicht mehr an obstruierenden Gesellschaftern oder Gesellschafterstämmen scheitern, der Treuhänder kann vielmehr die Mehrheit der Anteile „aus einer Hand“ verkaufen. So ist das Risiko einer zeitlichen Verzögerung, auseinandergehenden Vorstellungen auf Verkäuferseite oder der Notwendigkeit zur Zahlung von Lästigkeitsabfindungen an wider229

B. Die Treuhandschaft in Turnaround-Situationen

sprechende Minderheitsgesellschafter bei einem Squeeze-out eliminiert. Überhaupt kommen die zugunsten von Minderheitsgesellschaftern bestehenden Schutzrechte, die zu einer erheblichen Verzögerung und Verkomplizierung eines Verkaufsprozesses führen können, hier nicht zum Tragen. Ist die Treuhandvereinbarung klar und verbindlich formuliert, so bedarf es umgekehrt auch keiner ungeschriebenen – und rechtlich wohl nur schwer durchsetzbaren – Kooperations- und Treuepflichten der verbliebenen Minderheitsgesellschafter mehr. 888 Damit sind zugleich auch etwaige vorherige Streuanteilsstrukturen, die eine einheitliche Willensbildung und einen geschlossenen Verkauf erschweren oder verhindern können, beseitigt. Dies ist wichtig, weil Investoren in der Regel daran interessiert sind, die Kontrollmehrheit zu erwerben. g) Professionelle Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten 889 Mit dem Treuhänder und dem von diesem einzuleitenden Verkaufsprozess wird das Treugut professionell verwaltet und verwertet. Bei einem „Notverkauf“ aufgrund bestehender Insolvenzgefahr wird der „wahre“ Unternehmenswert selten zu erzielen sein. Durch die Implementierung einer Treuhandlösung wird der enorme Zeit- und Handlungsdruck beseitigt. Die Treuhand schafft somit für alle Beteiligten die notwendige Zeit und Prozesssicherheit, die Gesellschaft zunächst zu sanieren und ggf. anschließend mit veränderter Struktur und besseren operativen Ergebnissen in einem geordneten Verkaufsprozess zu veräußern. Damit wird für die Begünstigten sichergestellt, dass (Sicherheiten-)Werte nicht nur erhalten bleiben, sondern gesteigert werden und darüber hinaus zunächst die gegenüber den Begünstigten bestehenden Verbindlichkeiten zurückgeführt werden. Damit kann eine Treuhand erhebliche wirtschaftliche Vorteile – je nach Verlauf der Sanierung – sowohl für die Begünstigten als auch für die Treugeber mit sich bringen. Vgl. Stockhausen/Janssen, in: FS Görg, S. 502.

IV. Ablauf und Kosten 890 Der Ablauf einer Treuhandbegründung kann sehr unterschiedlich sein. Die Verhandlungen über die wirtschaftlichen und rechtlichen Eckdaten der Treuhand sollten zwar ab einem gewissen Zeitpunkt auch im Beisein des Treuhänders, grundsätzlich aber nur im Verhältnis zwischen den Begünstigten und den Treugebern stattfinden; Letztere sollten sich hierbei auch unbedingt separat anwaltlich beraten lassen. 891 Die konkrete Ausgestaltung der Treuhandvereinbarung nebst Honorarabreden hängt stark vom Einzelfall und auch von den Usancen des Treuhänders ab. So kann das Treugut unmittelbar vom Treuhänder gehalten werden, es ist aber üblich, (etwa aus Haftungs-, Publizitäts- oder berufsrechtlichen Gründen) eine eigene Gesellschaft dazwischenzuschalten, die vom Treuhänder vertreten wird. Dabei wird es sich in der Regel um eine Vorratsgesellschaft mit einem 230

IV. Ablauf und Kosten

Stammkapital von 25.000 € handeln, die der Treuhänder bereitstellt und sich ggf. von den Treugebern oder von dem das Treugut bildenden Unternehmen finanzieren lässt. Die Kosten der Vertragserstellung, -beurkundung und -abwicklung sowie der Haftpflichtversicherung trägt zumeist das das Treugut bildende Unternehmen, das dann natürlich auch Partei der Treuhandvereinbarung oder jedenfalls der Vergütungsvereinbarung sein muss. Für die Vertragsgestaltung wird mit dem Treuhänder, sofern dieser den Ver- 892 tragsentwurf erstellt, üblicherweise ein Pauschal- oder Stundenhonorar vereinbart. Für das Halten und Verwalten des Treugutes und die nach dem Treuhandvertrag zu erbringenden Tätigkeiten werden in der Regel monatliche Pauschalhonorare (Retainer) sowie ggf. eine Vergütung nach Zeitaufwand vereinbart, die teilweise auch erst ab einem bestimmten Stundenvolumen zum Tragen kommt. Nicht unüblich ist schließlich eine erfolgsbezogene Vergütungskomponente, die an eine erfolgreiche Beendigung der Treuhand durch gelungene Sanierung, abgeschlossenen Verkauf oder eine Refinanzierung des Unternehmens anknüpft. Die vertraglichen Regelungen sehen häufig vor, dass der Treuhänder im 893 Verwertungs- und im Insolvenzfall berechtigt ist, seine Vergütung, Auslagen und etwaigen Steuern vorab aus den für das Sicherungsgut erzielten Erlösen zu entnehmen (siehe hierzu auch Rn. 603). Aufgrund der mit der Implementierung einer doppelnützigen Treuhand ver- 894 bundenen Kosten wird diese in der Regel nur für größere Unternehmen ab einem Umsatz von 50 Mio. € oder mehr in Betracht kommen. Vgl. Reuther, NZI 2013, 166, 166.

231

C. Die Treuhand in der Insolvenz I. Allgemeines Die doppelnützige Treuhand kann nicht nur bei der Sanierung vor bzw. au- 895 ßerhalb der Insolvenz für alle Beteiligten von großem Vorteil sein, sondern ist bei richtiger Gestaltung auch weitgehend insolvenzfest. Dies ist außer in Fällen der doppelnützigen Sanierungstreuhand vor allem in der Gestaltung einer Sicherheiten-Treuhand relevant, da sich der Sicherheitenwert und die Verwertbarkeit gerade in der Insolvenz behaupten müssen. Für Fragen des Schicksals des Fortbestands des Treuhandvertrags und der 896 insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit ist zwischen der Insolvenz der Zielgesellschaft, des Treugebers und der des Treuhänders zu unterscheiden. Die Insolvenz des Begünstigten ist für die Werthaltigkeit der Treuhand von untergeordnetem Interesse sowie kaum praxisrelevant und soll daher hier außer Betracht bleiben. II. Insolvenz der Zielgesellschaft In der Praxis im Vergleich zur Insolvenz eines anderen Beteiligten wohl am 897 häufigsten anzutreffen ist die Insolvenz der Zielgesellschaft, wenn die operative Sanierung wider Erwarten nicht gelingt und/oder ein Notverkauf scheitert. Erstaunlicherweise ist aber gerade diese Konstellation in der Literatur bislang am wenigsten beleuchtet. 1. Fortbestehen des Treuhandverhältnisses Die Insolvenz der Zielgesellschaft als Treugut hat grundsätzlich keine recht- 898 lichen Auswirkungen auf die Treuhand: Sofern die Treuhandabrede zwischen Treuhänder und Treugebern nicht auf- 899 lösend bedingt auf das Scheitern der Sanierung abgeschlossen wurde, bleibt das Treuhandverhältnis auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Zielgesellschaft bis zu deren Vollbeendigung bestehen, die Ansprüche des Treugebers richten sich weiterhin allein nach dem Treuhandvertrag. Dem Treugeber steht kein Aussonderungsrecht zu und er ist – jedenfalls im Hinblick auf Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis – auch nicht Insolvenzgläubiger. Vgl. K. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vor § 230 Rn. 83; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 151; Singhof/Seiler, in: Singhof/ Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 611; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 172; Thole, KTS 2014, 45, 67.

Oftmals sehen Treuhandverträge für den Fall der Insolvenz der Zielgesell- 900 schaft eine vertragliche Beendigungs- und Rückabwicklungsoption vor, da der mit der Treuhand verfolgte Zweck, das Unternehmen außergerichtlich zu

233

C. Die Treuhand in der Insolvenz

sanieren, obsolet geworden ist und das Verwertungsrecht hinsichtlich des schuldnerischen Vermögens auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 InsO). Das Treugut ist daher wirtschaftlich regelmäßig nicht mehr werthaltig. 901 Es sind allerdings auch Gestaltungen denkbar, in denen die Fortführung des Treuhandverhältnisses in der Insolvenz sinnvoll sein kann, etwa wenn mehrere Konzerngesellschaften das Treugut bilden und nicht alle Gruppengesellschaften insolvent sind oder die Treugutgesellschaften über einen Sanierungsplan erhalten werden sollen. 902 Da aus Sicht der Begünstigten mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Sicherungsfall gerade eintritt, ruht in der Regel spätestens ab diesem Zeitpunkt ein etwaiges Weisungsrecht der Treugeber (siehe Rn. 553 ff.). 903 Der Treuhänder hat die aus seiner formalen Gesellschafterstellung resultierenden Stimmrechte im Insolvenzverfahren, insbesondere aus § 238a InsO bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan, eigenverantwortlich auszuüben. Nach dieser Vorschrift ist für das Stimmrecht allein die formelle Beteiligung am gezeichneten Kapital maßgeblich, etwaige Stimmbindungen, zu denen im weiteren Sinne auch die Weisungsgebundenheit gegenüber den Treugebern zu zählen ist, bleiben gemäß § 238a Abs. 1 S. 2 InsO außer Betracht. Vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 33; Thies, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 238a Rn. 28 f.

904 Der Treuhänder wäre insofern auch Empfänger eines nach der Schlussverteilung verbleibenden Überschusses (§ 199 InsO), den er nach Maßgabe der im Treuhandvertrag enthaltenen Regelungen zur Erlösauskehr zu verwenden hätte, was praktisch allerdings kaum einmal relevant werden dürfte. 2. Insolvenzanfechtung a) Anfechtung gegenüber dem Treuhänder 905 Eine Anfechtung des Treuhandvertrags sowie der Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder durch den Insolvenzverwalter der Zielgesellschaft scheidet mangels Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) in der Regel aus. Mit der Übertragung der Anteile aus dem Treugeber-Vermögen wurde der Masse der Zielgesellschaft nichts zulasten der ungesicherten Gläubiger der Zielgesellschaft entzogen. b) Anfechtung gegenüber den Treugebern 906 Gegenüber den Treugebern ist insbesondere an eine Anfechtung nach § 135 InsO zu denken, der die Tilgung und Besicherung von Gesellschafterdarlehen sowie die Besicherung von Darlehen Dritter durch einen Gesellschafter der Anfechtung unterstellt. 907 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts und damit der Anfechtungsnorm des § 135 InsO ist gemäß § 135 Abs. 4 InsO 234

II. Insolvenz der Zielgesellschaft

i. V. m. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO zunächst, dass es sich bei der Ziel- bzw. Treugutgesellschaft um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftungsmasse handelt. Erfasst sind also insbesondere Kapitalgesellschaften (GmbH, AG), aber auch die GmbH & Co. KG, weil dort ebenfalls keine natürliche Person die Rolle als (unbeschränkt) persönlich haftender Gesellschafter übernimmt. Haben etwa neben den begünstigten Finanzierern auch die Alt-Gesellschafter/ 908 Treugeber dem Unternehmen Darlehen gewährt, die während der Sanierung (teilweise) getilgt werden, kommt eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Rückführungen von Gesellschafterdarlehen, die innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag erfolgt sind, anfechtbar und in die Insolvenzmasse zu erstatten. Häufig dürfte diese Konstellation freilich nicht sein, denn erstens führt oftmals erst das Unvermögen der Alt-Gesellschafter, das Unternehmen eigenständig weiter zu finanzieren, zu einer Treuhandgestaltung. Zum anderen werden flankierend zur Sanierung häufig Kapitalbelassungs- oder Sanierungsvereinbarungen geschlossen, in denen sich die Gesellschafter verpflichten, während der Sanierung keine Gesellschaftermittel abzuziehen, während die begünstigten Finanzierer mit ihren Krediten im Risiko bleiben. Daneben ist in einer Sanierungstreuhand-Konstellation an eine Anfechtung 909 nach § 135 Abs. 2 InsO zu denken. Nach dieser Vorschrift sind Tilgungsleistungen der Gesellschaft an einen Dritten (z. B. Bank) innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag anfechtbar, wenn ein Gesellschafter für die Darlehensforderung des Dritten eine Sicherheit bestellt hatte. Als Folge einer Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte, die dem Dritten gewährte Leistung gemäß § 143 Abs. 3 InsO zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Folgen der Anfechtung treffen insofern nicht den Gläubiger als Leistungsempfänger, sondern den Gesellschafter. Unmittelbar eröffnet wären beide Tatbestände des § 135 InsO (Abs. 1 Nr. 2, 910 Abs. 2) in Treuhandfällen nur, wenn die Treugeber nicht sämtliche Anteile auf den Treuhänder übertragen haben, sondern in gewissem Umfang noch Anteile behalten. Üblich ist z. B., dass die Treugeber 6 % der Anteile aus grunderwerbsteuerli- 911 chen Gründen zunächst noch behalten und lediglich 94 % der Anteile auf den Treuhänder übertragen werden. In diesen Fällen würde die Anfechtbarkeit bei nicht geschäftsführenden Gesellschaftern auf den ersten Blick indes am Kleinbeteiligtenprivileg (§ 39 Abs. 5 InsO) scheitern, welches über § 135 Abs. 4 InsO auch im Anfechtungsrecht privilegiert. Denn Nachrang und Anfechtung treffen nur mit mehr als 10 % am Haftkapital beteiligte oder – bei geringerer Beteiligung – geschäftsführende Gesellschafter. Voraussetzung für die Privilegierung des Kleinbeteiligten ist aber, dass seit der Übertragung von Anteilen auf den Treuhänder und der damit verbundenen Verringerung der Kapitalbeteiligung des kreditgewährenden Alt-Gesellschafters mehr als ein Jahr vergangen ist.

235

C. Die Treuhand in der Insolvenz Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220; BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 73 ff., 107: Im Falle einer Verringerung der Kapitalbeteiligung unter 10 % (oder Aufgabe der Geschäftsführung durch einen bereits kleinbeteiligten Gesellschafter) bzw. vollständiger Übertragung der Gesellschafterstellung wirken Nachrang und Anfechtbarkeit nach dem Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO noch ein Jahr fort, um Umgehungen durch Abtretung der Darlehensforderung oder der Beteiligung kurz vor dem Insolvenzantrag vorzubeugen. Danach greift das Gesellschafterdarlehensrecht nicht mehr ein.

912 Haben die Treugeber dagegen ihre sämtlichen Anteile auf den Treuhänder übertragen oder ist seit der Reduzierung ihrer maßgeblichen Kapitalbeteiligung auf unter 10 % bereits mehr als ein Jahr vergangen, fehlt es hinsichtlich einer auf § 135 InsO gestützten Anfechtung in Person der Treugeber formal an der maßgeblichen Doppelrolle als Gesellschafter und Darlehensgeber/Sicherungsgeber. 913 Für die Frage, ob diese trotzdem Adressat des Gesellschafterdarlehensrechts und damit der Anfechtung nach § 135 InsO bleiben, kommt es also darauf an, ob für die Gesellschafterstellung eine formale oder eine wirtschaftliche Sichtweise ausschlaggebend ist, namentlich ob den Treugebern die direkte Gesellschafterstellung des Treuhänders wirtschaftlich zuzurechnen ist. 914 Der BGH hat zwar in einer Entscheidung aus dem Jahre 1988 angenommen, dass Adressat des Eigenkapitalersatzrechts (auch) der unmittelbare Gesellschafter ist, der die Geschäftsanteile nur treuhänderisch hält, vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168,

in dem zugrunde liegenden Fall war allerdings eine Bank, welche die Anteile als Sicherheit verwaltete, gleichzeitig Kreditgeberin und wollte mit der (eigennützigen) Sicherungstreuhand an den Geschäftsanteilen die an verbundene Unternehmen der Ziel-/Treugutgesellschaft gewährten Kredite sichern. Die Ausübung der Stimmrechte hatte sie der Sicherungsgeberin (Treugeberin) überlassen. 915 Der BGH hat eine einschränkende Auslegung des § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. in dem Sinne, dass die Bestimmung nicht anwendbar ist, wenn der Gesellschafter mit der Beteiligung keine unternehmerischen Interessen, sondern zuvörderst Sicherungsinteressen verfolgt, abgelehnt. Auch den Kreditgeber als Treuhandgesellschafter treffe die Verantwortung für eine seriöse Finanzierung der GmbH (Finanzierungs(-folge-)verantwortung), die es gebiete, das in der Krise gewährte oder stehengelassene Darlehen wie Eigenkapital zu behandeln. Kritisch Bitter, WM 2020, 1764, 1768 f.; der betont, dass der BGH in dieser Entscheidung nur das formale Zusammenfallen von Kreditgeber- und Gesellschafterstellung bewerte, anstatt konsequenterweise auch hier eine „wirtschaftliche“ Sichtweise anzulegen und zu prüfen, ob in der Übernahme der Gesellschaf-

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft terstellung ausnahmsweise keine unternehmerische Beteiligung mit Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft sondern lediglich eine reine Verfestigung einer Sicherheitenposition liege.

Im Regelfall ist der doppelnützige Sanierungstreuhänder aber weder Darle- 916 hensgeber noch erhält er irgendwelche Tilgungen. Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 68.

Richtigerweise wird man in Fällen der Darlehenstilgung gegenüber dem Treu- 917 geber diesen im Normalfall weiterhin als „mittelbaren“ Gesellschafter behandeln müssen, sodass sich die Anfechtung der Darlehenstilgung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO grundsätzlich auch weiterhin (allein) gegen den kreditgebenden Alt-Gesellschafter richtet, weil sich die Doppelrolle als Gesellschafter und Darlehensgeber wirtschaftlich in der Person des Treugebers vereint. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 243/18, ZIP 2020, 1468; BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – II ZR 173/10, ZIP 2011, 1371; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 265 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 62; Bitter, WM 2020, 1764, 1767; Thole, KTS 2014, 45, 68; Obermüller, ZInsO 2017, 134, 136; in diese Richtung auch Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 135 Rn. 20.

Bejaht man in einer Treuhand-Konstellation die Zurechnung der unmittelbaren 918 Gesellschafterstellung des Treuhänders zu dem Treugeber als mittelbarem/ wirtschaftlichem Gesellschafter, scheinen auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 135 Abs. 2 InsO auf den ersten Blick einschlägig zu sein, falls die Begünstigten innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag Tilgungen auf ihre gesicherten Forderungen erhalten haben. In diese Richtung Thole, KTS 2014, 45, 68; Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 133 Rn. 35 a. E.

Denn die Übertragung der Anteile der Treugeber auf den Treuhänder dient – 919 als Alternative zum Pfandrecht am Gesellschaftsanteil oder der unmittelbaren Anteilsübernahme durch die Kreditgeber – im Normalfall gerade auch der Sicherung der Forderungen der begünstigten Finanzierer. Und wenn man die Gesellschafterstellung des Treuhänders dem Treugeber als Darlehensgeber zurechnet, muss man dies konsequenterweise auch für den Treugeber als Sicherungsgeber tun. Bislang wenig beleuchtet wurde in beiden Fällen allerdings die Frage, ob bei 920 der doppelnützigen Sanierungstreuhand das Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 135 Abs. 4 InsO) zur Anwendung kommt (zum Sanierungsprivileg siehe Rn. 207 ff.) und hierdurch die anfechtungsrechtlichen Folgen der §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO ausgeschlossen werden. Bejahend Obermüller, ZInsO 2017, 134, 136, der das Sanierungsprivileg sogar „leicht zum Zuge“ kommen sieht.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

921 Selbstverständlich ist dies nicht. Zwar findet einerseits in der Konstellation der doppelnützigen Sanierungstreuhand ein Anteilserwerb (durch den Treuhänder) zum Zwecke der Sanierung statt, der ja im Gegensatz zum eigentlichen Sanierungsbeitrag (Sanierungskredit) gerade Anknüpfungspunkt für die Privilegierung ist (siehe oben), andererseits gewährt der Treuhänder in der Regel ja keine eigenen (Gesellschafter-)Darlehen oder Sicherheiten, welche durch die Privilegierung dem Nachrang und der Anfechtung entzogen werden könnten. 922 Die Konstellation ist deshalb so schwierig, weil bei der doppelnützigen Sanierungstreuhand mehrere Fragestellungen zusammenfallen: 923 Nach der Gesetzesbegründung wäre ein Altgesellschafter, der bereits vor der Gewährung eines Sanierungskredits mit mehr als 10 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt war und daher nicht unter das Kleinbeteiligtenprivileg (§ 39 Abs. 5 InsO) fiel, bei Aufstockung seiner Beteiligung hinsichtlich seiner in diesem Zusammenhang gewährten Finanzierungshilfe nicht durch das Sanierungsprivileg begünstigt. Privilegiert werden sollen durch § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO nur solche „Sanierungsgesellschafter“, die zuvor noch gar keine Gesellschafter oder nur Kleinbeteiligte i. S. v. § 39 Abs. 5 InsO waren und daher nicht unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fielen. Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 57.

924 Erwirbt mithin ein außenstehender Kreditgeber in der Krise der Gesellschaft Anteile an dem Unternehmen, wäre dieser auch hinsichtlich seiner Alt-Kredite privilegiert, auch wenn er keine weiteren Kredite für die Sanierung zur Verfügung stellt, wohingegen der Alt-Gesellschafter, der im gleichen zeitlichen Kontext mit der Aufstockung seiner Beteiligung weitere Kredite zum Zwecke der Sanierung zuführt, nicht begünstigt wäre. 925 Die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes kann aus sanierungsrechtlicher Perspektive durchaus in Zweifel gezogen werden, da sie aus Gesellschaftersicht eher einen Anreiz schaffen kann, frühzeitig die Liquidation (über ein Insolvenzverfahren) einzuleiten, anstatt nützliche Sanierungsversuche zu unternehmen und zum Werterhalt beizutragen. Ferner unterstellt die Regelung damit indirekt, dass Sanierungsversuche von Altgesellschaftern weniger wünschenswert sind als diejenigen von Neugesellschaftern, was an die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorherrschende Denkweise („Makel der Insolvenz“, „den Bock zum Gärtner machen“ etc.) erinnert. Kritisch auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 116a; Wittig, in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1751 f.; Thiessen, in: Bork/Schäfer, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 52; differenzierend wohl: Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 135 Rn. 26, der Altgesellschaftern das Sanierungsprivileg ausnahmsweise zuerkennen will, wenn sich mit einem Hinzuerwerb von Anteilen eine neue Kreditgewährung verbindet.

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft

Umgekehrt ist anerkannt, dass auch derjenige von dem Sanierungsprivileg be- 926 günstigt ist, der ohne selbst direkt Anteile an dem notleidenden Unternehmen zu erwerben i. V. m. einem in Sanierungsabsicht gegebenen Darlehen eine „mittelbare“ bzw. „wirtschaftliche“ Gesellschafterstellung erwirbt und dadurch zu einem dem Gesellschafter in persönlicher Hinsicht gleichgestellten Dritten wird. Vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 118; Kleindiek, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 39 Rn. 64 wohl auch Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 39 Rn. 53; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 318, der die Ausdehnung jedenfalls dann anerkennen will, wenn die vom Gesellschafter eingegangene Sanierungsbeteiligung für Rechnung des Kredit gewährenden „Hintermanns“ gehalten wird, da dann Sanierungsbeteiligung und Kreditgeberstellung wirtschaftlich in einer Person zusammenfallen.

Würde in einer Sanierungssituation also ein Treuhänder die Sanierungsbetei- 927 ligung für einen Treugeber erwerben (Erwerbstreuhand), der dann einen Sanierungskredit an die Gesellschaft ausreicht, wäre dieser Kredit von dem Sanierungsprivileg erfasst. Die erste Frage, die sich im Falle einer doppelnützigen Sanierungstreuhand 928 vor diesem Hintergrund stellt, ist, ob auch ein Darlehen eines Alt-Gesellschafters durch das Sanierungsprivileg begünstigt sein kann, der seine unmittelbare Gesellschafterstellung durch Übertragung der Anteile auf einen doppelnützigen Sanierungstreuhänder in eine mittelbare Gesellschafterstellung wandelt (Anteilserwerb [durch den Treuhänder] zum Zwecke der Sanierung) und „seinem“ Unternehmen in diesem Zusammenhang zur Unterstützung der Sanierung ein Darlehen gewährt. Sollte man dies bejahen, schließt sich hieran die Frage an, ob dies dann ebenfalls gilt, wenn der Alt-Gesellschafter seine Anteile als Sicherheit auf einen Treuhänder überträgt und, anstatt das Unternehmen selbst zu finanzieren, durch die Besicherung „nur“ erreicht, dass die begünstigten Banken das Unternehmen durch Gewährung neuer oder Fortführung bereits ausgereichter Kredite während der Sanierung weiter begleiten. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, kommt man nicht umhin, an den 929 Anfang zu springen und den Sinn und Zweck des Sonderregimes der Gesellschafterdarlehen in den Blick zu nehmen. Im alten Eigenkapitalersatzrecht wurde die Sonderbehandlung von Gesell- 930 schafterdarlehen ganz wesentlich auf die sog. „Finanzierungsverantwortung“ oder „Finanzierungsfolgeverantwortung“ der Gesellschafter gestützt. Der BGH argumentierte, dass den Gesellschafter allein durch die Tatsache der Übernahme einer Beteiligung an der Gesellschaft die Verantwortung dafür treffe, die Gesellschaft durch Finanzierungsleistungen in Zeiten der Krise am Leben zu erhalten, in denen Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen zu

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

Eigenkapital sei dann geboten, wenn die Gesellschafter die (Finanzierungs)Entscheidung getroffen hätten, die liquidationsreife Gesellschaft fortzuführen und über das satzungsmäßige Eigenkapital hinaus mit Darlehen weiterzufinanzieren, anstatt die in dieser Situation aus eigener Kraft nicht mehr überlebensfähige Gesellschaft entweder unmittelbar oder mittelbar durch Verweigerung weiterer oder den Abzug bereits gewährter Gesellschafterhilfen zu liquidieren. Vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168; BGH, Urt. v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336.

931 Weitere Voraussetzung für die Umqualifizierung eines Gesellschafterdarlehens in Eigenkapital war, dass der Gesellschafter das Darlehen in einer Krise der Gesellschaft gewährt hat oder ein in unkritischen Zeiten ausgereichtes Darlehen bei Eintritt der Krise nicht abgezogen hat. Eine Krise in diesem Sinne war anzunehmen, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig war. Eine auf Kreditunwürdigkeit beruhende Krise der Gesellschaft lag nach dieser Rechtsprechung vor, wenn diese von dritter Seite einen zur Fortführung ihres Unternehmens erforderlichen Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht mehr erhält und sie deshalb ohne die Gesellschafterleistung liquidiert werden müsste. Vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 149/16, BGHZ 221, 100; BGH, Urt. v. 23.1.2018 – II ZR 246/15, ZIP 2018, 576.

932 Nach der Umgestaltung des Rechts der Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG trägt der Gedanke der Finanzierungsfolgeverantwortung die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz allerdings nicht mehr, da diese nunmehr völlig unabhängig vom Merkmal der Krise eingreift. Der Gesetzgeber führte in der Gesetzesbegründung allerdings nur sparsam aus, dass auf das Merkmal „kapitalersetzend“ verzichtet werde und es nach dem neuen Konzept keine kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr gebe. Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 56.

933 Welcher neue Grundgedanke die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz im neuen Recht tragen sollte, blieb danach verborgen. 934 Auf der Suche nach dem Normzweck des neuen Rechts wurden und werden die verschiedensten Ansätze vertreten. Teilweise wird vertreten, der Telos habe sich im Vergleich zum alten Recht nicht verändert, lediglich würden die Krise und die Kreditunwürdigkeit nunmehr unwiderleglich vermutet. Andere meinen, der Nachrang sei das Gegenstück zur Haftungsbeschränkung, um Missbräuche der Haftungsbeschränkung zu vermeiden. Teilweise wird die Sonderbehandlung der Gesellschafterdarlehen mit der Insiderstellung der Gesellschafter begründet, die es ihnen ermögliche, ihre Darlehen in der Krise kraft ihres Wissensvorsprungs noch abzuziehen oder sich hierfür Sicherheiten zu beschaffen.

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft Vgl. zur Darstellung des Meinungsstands BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363; ausführlich bei Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 14 ff.; Rogler, Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite, S. 66 ff.

Mittlerweile scheint sich indes eine herrschende Ansicht herauszubilden, die 935 den Grund für die Sonderbehandlung der Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz „objektiviert“ in der Doppelrolle als Gesellschafter und Fremdkapitalgeber erblickt. Die Legitimation der aus dieser Doppelrolle folgenden Subordination wird daraus hergeleitet, dass hierdurch das Risikoungleichgewicht zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern ausgeglichen wird. Ohne die Subordination könnte der Gesellschafter – etwa im Falle einer UG – mit geringem Eigenkapitaleinsatz sämtliche Gewinne abschöpfen und hinsichtlich der Finanzierung der Geschäftstätigkeit bei der Hingabe von Fremdkapital im Insolvenzverfahren mit den übrigen Gläubigern um das freie Vermögen konkurrieren. Die durch die Gesellschafterstellung begründete, einseitige Gewinnchance bei gleichzeitiger Verteilung des Risikos auf sämtliche Fremdkapitalgeber würde unangemessene Risikoanreize zulasten der Gläubiger setzen, die es durch den Nachrang und die diesen Nachrang absichernde Anfechtung nach § 135 InsO zu begrenzen gelte. Vgl. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 30 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 5 ff.; Kleindiek, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 39 Rn. 23 ff.; Behme, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 39 Rn. 42 ff.; v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 6 Rn. 674; Bitter, WM 2020, 1764, 1769 f.; Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 899.

Dieser Ansicht scheint sich mittlerweile auch der IX. Zivilsenat des BGH 936 anzunähern. In einer Entscheidung vom 14.2.2019 führt der BGH zur Frage der – letztlich abgelehnten – Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO) auf die anfängliche Besicherung eines Gesellschafterdarlehens aus, dass der Nachrang der Gesellschafterforderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und der Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 InsO in Übereinstimmung mit dem früheren Recht Vorsorge dagegen treffen sollen, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abwälzt. Diesen Wertungen würde die Möglichkeit der insolvenzfesten (§ 142 InsO) Besicherung des Gesellschafterdarlehens widersprechen. Ein gesicherter Gesellschafter, der um die Erfüllung seines Rückzahlungsanspruchs nicht fürchten müsse, werde in Wahrnehmung der Geschäftsführung zur Eingehung unangemessener, wenn nicht gar unverantwortlicher, allein die ungesicherten Gläubiger treffenden geschäftlichen Wagnisse neigen. Vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 149/16, BGHZ 221, 100.

Im Kern dürfte diesem Ansatz der Grundgedanke innewohnen, dass derjenige, 937 der es kraft seines verbandsrechtlichen Einflusses in der Hand hat, die Geschicke der Gesellschaft zu lenken, und dem einseitig die Dividende zugute241

C. Die Treuhand in der Insolvenz

kommt, sich der Folgen seines Handels nicht dadurch entziehen soll, dass er das Risiko auf außenstehende Gläubiger verteilt, indem er sich entweder noch vorrangig am Vermögen der Gesellschaft besichert oder sich jedenfalls hinsichtlich seines Rückgewähranspruchs auf die gleiche Stufe mit den übrigen Gläubigern stellt und deren Befriedigungsaussichten dadurch weiter verringert. Man könnte es auch mit einem geflügelten Wort dahingehend auf den Punkt bringen, dass „Herrschaft“ und (vorrangige) „Haftung“ nicht auseinanderfallen sollen. 938 Aus dem vorstehenden wird deutlich, dass ein maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Subordination – neben der variablen Beteiligung am Gewinn – das Vorliegen eines maßgeblichen unternehmerischen Einflusses ist. So insbesondere: Behme, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 39 Rn. 47; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 250 ff.; Rogler, Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite, S. 216 ff.; Bitter, WM 2020, 1764, 1771 f.

939 In diese Richtung hat auch der BGH in einer neueren Entscheidung vom 25.6.2020, vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 243/18, ZIP 2020, 1468,

nochmals die Anforderungen an die Qualifizierung eines formal an der Gesellschaft nicht beteiligten Dritten als gesellschaftergleichen Dritten auskonturiert. In den Entscheidungsgründen führt der BGH aus, dass das Darlehen eines Dritten wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entspreche, wenn sich die Tätigkeit der Gesellschaft als eigene unternehmerische Tätigkeit des finanzierenden Dritten darstelle. Dies setze einerseits einen rechtlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und andererseits die Teilnahme des Dritten am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft voraus. 940 In der Folge wird in den Entscheidungsgründen zwar auf einen vermeintlichen Dreifachtatbestand aus Erlösbeteiligung, gesellschaftergleichen Rechten und Teilhabe an der Geschäftsführung abgestellt. Bitter hat indes zu Recht herausgearbeitet, dass die (variable) Erlösbeteiligung und die Teilhabe an der Geschäftsführung – richtigerweise der unternehmerischen Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft – nur die beiden Ausprägungen einer gesellschaftergleichen Stellung sind, welche insofern nur der Oberbegriff ist. Vgl. Bitter, WM 2020, 1764, 1771 ff.

941 Die Richtigkeit des mit dem Doppeltatbestand aus unternehmerischem Einfluss und (variabler) Erlösbeteiligung begründeten Ansatzes wird etwa auch durch die Ausgestaltung des Kleinbeteiligtenprivilegs (§ 39 Abs. 5 GmbHG) bestätigt, wonach die Kredite eines geschäftsführenden Gesellschafters stets nachrangig sind, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung. Auch hier zeigt sich, dass der Grund für die Versagung der Privilegierung eines nur kleinbeteiligten Gesellschafters darin liegt, dass dieser trotz seiner nur geringfügigen

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft

Beteiligungsquote aufgrund seiner geschäftsführenden Stellung maßgeblichen unternehmerischen Einfluss ausüben kann. So auch Bitter, WM 2020, 1764, 1771 f.

Auch die Begründung des Gesetzgebers, warum das Sanierungsprivileg (§ 39 942 Abs. 4 Satz 2 InsO) an einen Anteilserwerb und nicht an eine Sanierungsfinanzierung anknüpft, lässt erahnen, dass der Gesetzgeber in erster Linie den Wechsel der Einflussmacht in der unternehmerischen Führungsebene als Anknüpfungspunkt für die Privilegierung im Blick hatte. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses heißt es: „Mit dem neu eingeführten Sanierungsprivileg wird es einem Darlehensgeber ermöglicht, in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile und unternehmerische Kontrolle zu übernehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass seine stehengelassenen Alt-Kredite in eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert werden. Dies gilt unabhängig davon, ob er neue Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung zeichnet oder bestehende Anteile von den Alteigentümern übernimmt. Auch letzteres zumeist verbunden mit dem Austausch des Managements kann wichtiger Beitrag zu einer Sanierung sein.“ Vgl. BT-Drucks. 13/10038, S. 28.

Mit Blick auf die Ausgangsfragen bedeutet dies Folgendes: Der Treuhänder 943 erwirbt eine unmittelbare (formale) Gesellschafterstellung zum Zwecke der Sanierung, da seine Aufgabe – neben der Sicherung der Forderungen der Drittbegünstigten – ja gerade in der Begleitung und Überwachung der Umsetzung eines Sanierungskonzepts liegt. Damit liegt objektiv eine Sanierungsbeteiligung vor. Da diese vom Treuhänder eingegangene Sanierungsbeteiligung über das Band der Treuhandabrede aber dem Treugeber als wirtschaftlichem Gesellschafter zugerechnet wird, sollte dies auch für das Sanierungsprivileg selbst gelten. Dies rechtfertigt sich mit Blick auf den Schutzzweck des Gesellschafterdar- 944 lehensrechts und dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen dadurch, dass mit einer doppelnützigen Treuhand ja gerade auch der Zweck verfolgt wird, den unternehmerischen Einfluss der Treugeber-Gesellschafter zurückzuführen und die Sanierung im Interesse aller Stakeholder durch einen professionellen Gesellschafter begleiten zu lassen. Im Ergebnis sollen die Risiken für die Gläubiger durch die vorgegebenen Rahmenbedingungen der Treuhandabrede und des Sanierungskonzepts gerade verringert und die Sanierungsbegleitung verlässlicher gemacht werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, die Treugeber in einer 945 Sanierungstreuhand-Konstellation vor den anfechtungsrechtlichen Folgen des § 135 Abs. 2 InsO zu schützen, wenn diese die für die Sanierung benötigten Kredite der drittbegünstigten Banken durch Übertragung ihrer Anteile auf einen professionellen Sanierungstreuhänder besichern. Gleiches müsste dann konsequenterweise auch für die Anfechtung der Tilgung von Darlehen der Treugeber innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag (§ 135

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

Abs. 1 Nr. 2 InsO) gelten. Dies mag auf den ersten Blick befremdlich anmuten, eine Differenzierung zwischen den noch ohne Sanierungsabsicht gegebenen Alt-Darlehen und den in Sanierungsabsicht gegebenen Neu-Darlehen der Gesellschafter würde zum einen aber faktisch wieder den Blick auf das aufgegebene Merkmal des „eigenkapitalersetzenden“, in der Krise gewährten Darlehens zurückführen, und zum anderen – anders als vom Gesetzgeber gewollt – die Privilegierung an die Sanierungsfinanzierung, statt an die Sanierungsbeteiligung anknüpfen lassen. 946 Wenn man dagegen – entgegen hier vertretener Auffassung – die Zurechnung der von dem Treuhänder eingegangenen, unmittelbaren Sanierungsbeteiligung einschließlich der damit verbundenen Privilegierung zu den dahinterstehenden Treugebern nicht zulassen will, darf man dies konsequenterweise auch nicht dauerhaft für die von dem Treuhänder vermittelte wirtschaftliche Gesellschafterstellung des Treugebers im Allgemeinen tun, denn es wäre inkonsequent, hinsichtlich der objektiven Beteiligung des Treuhänders die wirtschaftliche Zurechnung zum Treugeber dauerhaft zuzulassen, dies hinsichtlich des damit verfolgten Sanierungszwecks und der – im Regelfall durch das Sanierungskonzept und das mit den finanzierenden Banken vereinbarte Finanzierungskonzept unterlegten – Sanierungseignung aber nicht zu tun. In Anknüpfung an eine rein formale Sichtweise müsste man dann die von den Treugebern gegebenen Darlehen oder die gestellte Sicherheit in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ab der Aufgabe der Gesellschafterstellung anfechtungsrechtlich noch für ein Jahr als verhaftet ansehen und die Anfechtbarkeit dann enden lassen. Ansonsten würde mit Blick auf das Gerechtigkeitsgebot ein erhebliches Störgefühl verbleiben, wenn die Treugeber, die ihre unmittelbare Gesellschafterstellung und ihren unternehmerischen Einfluss i. S. d. Sanierung auf einen Treuhänder übertragen, aufgrund einer dauerhaften wirtschaftlichen Zurechnung der unmittelbaren Beteiligung des Treuhänders noch über Jahre einem Anfechtungsrisiko ausgesetzt wären. 947 Führt die nachhaltige Sanierung der Zielgesellschaft zum Wegfall des Sanierungsprivilegs, ist auch kein Anfechtungsrisiko mehr gegeben. c) Anfechtung gegenüber den Begünstigten 948 Die sich auch unabhängig von einer Treuhandgestaltung stellenden Fragen der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters der insolventen Zielgesellschaft als Kreditnehmerin und Sicherungsgeberin sollen an dieser Stelle außer Betracht bleiben. 949 Konkret in Zusammenhang mit einer doppelnützigen Sanierungstreuhand stellt sich vor allem die Frage, ob Tilgungsleistungen (innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag) und die Bestellung von Sicherheiten (innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag) auch gegenüber den begünstigten Kreditgebern nach § 135 Abs. 1 InsO anfechtbar sein könn-

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft

ten, weil diese eine Stellung erlangen, die es rechtfertigt, sie als gesellschaftergleiche Dritte zu behandeln. Anders als bei der Frage, ob einem Dritten die unmittelbare Gesellschafter- 950 stellung des Gesellschafters zugerechnet wird, weil dieser die Beteiligung „für Rechnung“ des Hintermanns hält (z. B. Treuhänder für Treugeber), geht es hierbei um die Frage, ob die Kreditgeber – ohne selbst Gesellschafter zu sein – durch schuldrechtliche Vereinbarungen eine Stellung erlangen, die der eines Gesellschafters so stark angenähert ist, dass es gerechtfertigt ist, sie wie einen Gesellschafter zu behandeln. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2018 – 4 U 49/17, ZInsO 2018, 2191; Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 246; Behme, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 39 Rn. 77 ff.; Bitter, WM 2020, 1764, 1767 f.

Wie oben dargestellt (siehe unter Rn. 935 ff.) macht einen Gesellschafter i. S. d. 951 Gesellschafterdarlehensrechts die Kombination aus variabler Beteiligung am Unternehmenserfolg (variabler Gewinnbeteiligung) und unternehmerischen Einfluss- bzw. Mitwirkungsmöglichkeiten aus. Es ist daher bei einem außenstehenden Financier der Gesellschaft im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob dieser aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung sowohl am Unternehmenserfolg teilnimmt und darüber hinaus maßgebliche Einflussnahme- und Mitwirkungsrechte in der Gesellschaft erlangt. Nach Ansicht des OLG Frankfurt, die der BGH bestätigt hat, ist darüber 952 hinaus erforderlich, dass dem Dritten die einem Gesellschafter gleiche oder nahe kommende Stellung vertraglich eingeräumt wird. Ein bloß faktischer Einfluss auf das Unternehmen, der praktisch jedem Kreditgeber zukommt, der es in der Hand hat, den benötigten Kredit zu gewähren oder zu verweigern, genügt dagegen nicht. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2018 – 4 U 49/17, ZInsO 2018, 2191.

Eine solche Stellung der kreditgebenden Bank hatte der BGH etwa in der 953 Entscheidung zum „atypischen Pfandgläubiger“ bejaht, weil diese sich neben der durch das Pfandrecht allein begründeten Verwertungsbefugnis hinsichtlich des verpfändeten Kommanditanteils an der späteren Schuldnerin auch die weitergehenden Vermögensrechte der Gesellschafter (Gewinnbezugsrecht, Ansprüche auf Auszahlung von Abfindungsansprüchen und Liquidationserlösen sowie den Anspruch auf Kaufpreiszahlung im Falle der Veräußerung des Kommanditanteils) hat übertragen lassen. Zudem war die spätere Schuldnerin, deren Anteile an die kreditgebende Bank verpfändet waren, aufgrund einer Rahmenvereinbarung im Falle eines in der Steuerbilanz ausgewiesenen Gewinns verpflichtet, Verbindlichkeiten eines verbundenen Unternehmens gegenüber der beklagten Bank zu tilgen, für welche sie die gesamtschuldnerische Mithaftung übernommen hatte. Zahlungsansprüche der Bank gegen die 245

C. Die Treuhand in der Insolvenz

spätere Schuldnerin waren also variabel an das Entstehen eines Gewinns geknüpft. Zudem hatte sich die Bank in der gleichen Rahmenvereinbarung Zustimmungsvorbehalte zu grundlegenden gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, wie etwa Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses, der Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Einbringung des Unternehmens in andere Gesellschaften gesichert und damit über dieses „Vetorecht“ einen maßgeblichen verbandsinternen Einfluss erlangt. All diese Umstände zusammen rechtfertigten es in der Gesamtschau nach Ansicht des BGH, der beklagten Bank eine gesellschafterähnliche Stellung zuzuschreiben und sie damit als Normadressatin des § 32a Abs. 3 GmbHG a. F. zu qualifizieren. Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191.

954 Eine solche gesellschaftergleiche Stellung erlangen die begünstigten Kreditgeber bei der typischen Ausgestaltung einer doppelnützigen Sanierungstreuhand in der Regel jedoch nicht oder nicht allein aufgrund der Treuhandvereinbarung. In einer typisch ausgestalteten doppelnützigen Treuhand wird den begünstigten Finanzierern durch die Treugeber der Anspruch auf den Verwertungserlös im Falle der Verwertung des Treuguts zugewendet. Diese erhalten mithin lediglich das Befriedigungsrecht aus dem Verwertungserlös und erlangen damit wirtschaftlich nur eine Stellung, die der eines „typischen“ Pfandgläubigers entspricht. So auch BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1377 (zur Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die Kreditforderungen); Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 903.

955 Hinsichtlich der im Rahmen der fortschreitenden Sanierung wieder anfallenden Gewinne sehen die Vereinbarungen üblicherweise vor, dass diese zu thesaurieren sind, um das Eigenkapital der Zielgesellschaft wiederherzustellen und wieder zu einer angemessenen bilanziellen Eigenkapitalquote als ein Indikator für eine erfolgreich abgeschlossene Sanierung zu gelangen. Diese Rücklagen bzw. gutgeschriebenen Gewinne sind wirtschaftlich aber weiterhin den Treugebern zugeordnet und können nach erfolgreicher Sanierung und Beendigung der Treuhandvereinbarung (auch nur) von diesen aufgelöst bzw. entnommen werden. Da die begünstigten Finanzierer neben der eingeräumten Befriedigungsmöglichkeit aus einem etwaigen Verwertungserlös im Sicherungsfall in der Regel auf ihren kreditvertraglichen Darlehensrückzahlungsanspruch beschränkt bleiben, fehlt es im Normalfall bereits an dem Merkmal der variablen Beteiligung am Unternehmenserfolg, um eine gesellschaftergleiche Stellung der Kreditgeber annehmen zu können. Eine Grenze könnte erst dann überschritten sein, wenn die vertraglichen Vereinbarungen vorsehen, dass solchermaßen angefallene Gewinne ebenfalls zur variablen Tilgung der gesicherten Forderungen der begünstigten Finanzierer herangezogen werden sollen. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; zu weitgehend Bitter, WM 2020, 1764, 1772 ff., der die variable

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft Beteiligung am Unternehmenserfolg schon in der Chance erblickt, die durch die Krise des Unternehmens entwertete Kreditforderung durch waghalsige Sanierungsversuche zu retten. Hierdurch würde das Engagement der Banken im Rahmen eines Sanierungsversuchs wiederum in die Nähe eines sittenwidrigen (eigennützigen) Sanierungsversuchs (§ 826 BGB) gerückt, wenn diese sich aus dem eigennützigen Motiv, ihre Altkredite zu retten, an waghalsigen und damit aus Ex-ante-Sicht nicht erfolgversprechenden Sanierungsbemühungen auf Kosten der übrigen Gläubiger beteiligen. Genau diesem Eindruck versuchen Banken in der Praxis aber durch das Anfordern von Sanierungsgutachten, Sanierungsbestätigungen und weiteren Expertenpapieren vorzubeugen (zum sittenwidrigen Sanierungskredit siehe auch Rn. 109 ff.).

Auch vermittelt die typische doppelnützige Treuhand den drittbegünstigten 956 Finanzierern in der Regel keinen maßgeblichen verbandsinternen Einfluss im Sinne einer gesellschaftergleichen Stellung. Die von dem Treuhänder aufgrund seiner unmittelbaren Gesellschafterstellung ausgeübten Mitgliedschaftsrechte, etwa die Befugnis, Weisungen an die Geschäftsführung zu erteilen oder Geschäftsführer abzuberufen und zu bestellen, folgen aus der Verwaltungstreuhand mit den Treugebern, nicht aus der Sicherungstreuhand zugunsten der begünstigten Finanzierer. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2018 – 4 U 49/17, ZInsO 2018, 2191; OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.1997 – 11 U 233/96, WM 1997, 1846.

Der Treuhänder übt seine Tätigkeit je nach Ausgestaltung der konkreten Treu- 957 handabrede entweder weisungsfrei nach eigenem, pflichtgemäßen Ermessen aus oder unterliegt allenfalls gewissen Weisungsrechten der Treugeber (zur steuerlichen Bedeutung solcher Weisungsrechte der Treugeber vgl. Rn. 615 ff.). Den begünstigten Finanzierern stehen dagegen regelmäßig keine eigenen ver- 958 traglichen Weisungs- oder sonstigen Mitspracherechte gegenüber dem Treuhänder zu. Dass der Treuhänder neben den Interessen der Treugeber auch die Interessen der begünstigten Kreditgeber zu berücksichtigen hat, stellt insoweit lediglich ein typisches Charakteristikum der doppelnützigen Treuhand dar, vermittelt den Begünstigten aber keinen bestimmenden unternehmerischen Einfluss in der Gesellschaft. Eine rein faktische Einflussnahme auf die Tätigkeit des Treuhänders genügt dagegen nicht, um eine einem Gesellschafter angenäherte Rechtsmacht anzunehmen, Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens zu nehmen. Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2018 – 4 U 49/17, ZInsO 2018, 2191, a. A. wohl Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 903 f., der auch einen bloß faktischen Einfluss genügen lässt; insofern nicht eindeutig Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 256.

Bei einer typisch ausgestalteten doppelnützigen Sanierungstreuhand wird es 959 im Ergebnis daher regelmäßig sowohl an einer variablen Beteiligung der begünstigten Kreditgeber am Unternehmenserfolg als auch an einem vertrag-

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

lich begründeten unternehmerischen Einfluss fehlen, sodass eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO gegenüber den Kreditgebern als gesellschaftergleichen Dritten in der Regel nicht in Betracht kommt. So auch Thole, KTS 2014, 45, 67; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1377 (zur Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die Kreditforderungen).

960 Anders kann die Frage nach einen bestimmenden unternehmerischen Einfluss der beteiligten Kreditgeber dagegen zu beantworten sein, wenn diese sich zwar nicht in der Treuhandvereinbarung selbst, aber im Rahmen der flankierenden Verträge (Kreditverträge, Sanierungsvereinbarung etc.) weitgehende Rechte gesichert haben, etwa über sog. Covenants. Denn die gesellschaftergleiche Stellung muss nicht auf einer einzelnen vertraglichen Vereinbarung beruhen, sondern kann auch aus einer Gesamtschau verschiedener vertraglicher Vereinbarungen abzuleiten sein. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 143/18, ZIP 2020, 1468; BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191.

961 Da Covenants in der Praxis vielfältige Ausgestaltungen kennen, etwa in Form bestimmter Informations- oder Verhaltenspflichten oder der Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen (Financial Covenants), sind diese im Einzelfall auf die konkrete Einräumung einer gesellschafterähnlichen Stellung hin zu untersuchen. 962 Financial Covenants werden in einer Sanierungssituation regelmäßig vereinbart, um den Fortschritt der Sanierung im Vergleich zur ursprünglichen Planung des Sanierungsgutachtens zu messen und auf Abweichungen vom Sanierungspfad ggf. reagieren zu können. Dies ist zum einen von Bedeutung, da die ordentliche Kündigungsmöglichkeit eines Sanierungskredits wegen des (mindestens konkludent) vereinbarten Sanierungszwecks bei plangemäßem Verlauf der Sanierung regelmäßig ausgeschlossen ist (siehe hierzu Rn. 65 ff. und 145 f.). 963 Die Bank hat also ein berechtigtes Interesse, den Verlauf der Sanierung regelmäßig zu kontrollieren, um das mögliche Entstehen eines Kündigungsrechts überhaupt erkennen zu können. Zudem verlangen die MARisk von einer Bank, welche eine Sanierung begleitet, dass sie die Umsetzung des Sanierungskonzeptes sowie die Auswirkungen der Maßnahmen überwacht. Vgl. BaFin-Rundschreiben 09/2017 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, BTO 1.2.5 (Behandlung von Problemkrediten), Ziff. 4.

964 Zwar ist an die Nichteinhaltung der Financial Covenants in der Regel ein Kündigungsrecht des Kreditgebers geknüpft, was den unternehmerischen Spielraum des Unternehmens einengen kann. Allerdings hat die Bank hierdurch keinen Einfluss darauf, wie die Geschäftsleitung innerhalb des vereinbarten finanziellen Rahmens agiert. Die unternehmerischen Entscheidungen verbleiben weiterhin den Verantwortlichen des Unternehmens vorbehalten,

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II. Insolvenz der Zielgesellschaft

wohingegen der Kreditgeber nur seine aufsichtsrechtlichen Pflichten und sein berechtigtes Informationsinteresse absichert. Im Ergebnis sind Financial Covenants daher grundsätzlich nicht zu beanstanden und begründen keinen gesellschafterähnlichen Einfluss des Kreditgebers auf die Geschicke des Unternehmens. So auch Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 901.

Gleiches gilt für die reine vertragliche Vereinbarung von Informationspflich- 965 ten des Unternehmens, etwa im Rahmen der in einer Sanierungssituation oftmals vorzulegenden Monats- und Quartalsberichte (Reportings). Diese dienen der Bank zum einen nur dazu, ihren Informations- und Überwachungspflichten nach MARisk oder KWG nachzukommen. Zum anderen wird allein durch Informationspflichten das unternehmerische Handeln der Gesellschaft nicht eingeengt. Vgl. Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 901.

Dagegen können die Vereinbarung weitreichender Eingriffsmöglichkeiten in 966 die Geschäftstätigkeit oder auch nur die Vereinbarung weitgehender Zustimmungsvorbehalte, die die Geschäftsführung im Alltagsgeschäft über Gebühr in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken, dazu führen, dass die Grenze vom außenstehenden Kreditgeber zu einem gesellschaftergleichen Dritten überschritten wird. Hier kommt es sehr auf die Ausgestaltung und Bewertung im Einzelfall an. Eine Zustimmungspflicht zur Durchführung kapitalintensiver, im Wesentlichen aus Mitteln der Banken finanzierter Geschäfte, etwa im Projektgeschäft, wird man ggf. noch als berechtigtes Interesse an der Überwachung der Mittelverwendung und Evaluierung des Kreditausfallrisikos ansehen können. Umfangreiche Zustimmungserfordernisse auch im Rahmen des Alltagsgeschäfts oder gesellschaftsrechtlichen Grundlagengeschäften, die in keinem ausgewogenen Verhältnis zum Kreditengagement und dem Kreditausfallrisiko stehen, können wertungsmäßig dagegen zu einer Annäherung an eine Gesellschafterstellung führen. Vgl. Obermüller, ZInsO 2017, 134, 136; Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 901 f.

Gerade i. V. m. einer doppelnützigen Treuhandgestaltung, bei der ja gerade 967 ein professioneller Gesellschafter eingeschaltet wird, um die konzeptgemäße Umsetzung der Sanierung zu begleiten und der auch die (Sicherungs-)Interessen der Kreditgeber zu wahren hat, sollten diese daher darauf verzichten, sich über zu weitgehende Einflussnahmemöglichkeiten in flankierenden Vereinbarungen in eine gesellschafternahe Position zu bringen. Ist eine solche gesellschafterähnliche Stellung im Einzelfall dennoch zu bejahen, 968 genügt diese allein freilich auch noch nicht, um eine Einordnung als gesellschaftergleichen Dritten zu rechtfertigen, solange das zweite Kriterium einer variablen Beteiligung am Unternehmenserfolg nicht erfüllt ist. Vgl. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 252.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

969 Im Ergebnis dürften Anfechtungsrisiken für die begünstigten Kreditgeber in Zusammenhang mit einer doppelnützigen Treuhand bis auf wenige, extreme Ausnahmefälle daher weitgehend ausgeschlossen sein. 970 Anzumerken ist allerdings noch, dass, sollten die Begünstigten im Einzelfall doch einmal als gesellschaftergleiche Dritte anzusehen sein, dies nach Ansicht des BGH dann eine Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO gegenüber den Treugeber-Gesellschaftern als wirtschaftlichen (mittelbaren) Gesellschaftern mit Blick auf jedwede von diesen für die Darlehensforderungen der Begünstigten gestellten Sicherheiten ausschließen würde, da dann die direkte Anfechtung der Darlehenstilgung gegenüber den Begünstigten nach § 135 Abs. 1 InsO Vorrang hätte. Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – IX ZR 243/18, ZIP 2020, 1468.

III. Insolvenz des Treugebers 971 In der (Privat-)Insolvenz des Treugebers ist zu unterscheiden zwischen dem Schicksal des zwischen Treuhänder und Treugeber bestehenden Treuhandvertrags einerseits und dem Verwertungsrecht an den Gesellschaftsanteilen andererseits. 1. Schicksal des Treuhandvertrags 972 Bisweilen kontrovers diskutiert wird, ob der Treuhandvertrag zwischen Treugeber und Treuhänder mit Insolvenzeröffnung gemäß §§ 115, 116 InsO erlischt. Bedeutung hat dies vor allem für die Folgefrage der Insolvenzfestigkeit der mit der doppelnützigen Treuhand vermittelten Sicherheit und einem daraus resultierenden Befriedigungsrecht der gesicherten Begünstigten. Vgl. zum Meinungsstand etwa Weitbrecht, NZI 2017, 553, 555 f.; Thole, KTS 2014, 45, 51 ff.

973 Während eine einfache fremdnützige Verwaltungstreuhand im Zwei-PersonenVerhältnis, bei der der Treuhänder ausschließlich im Interesse des Treugebers tätig wird, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers als Geschäftsherr nach § 116 InsO mit der Folge erlischt, dass der Insolvenzverwalter des Treugebers die Herausgabe des Treuguts nach § 667 BGB an die Insolvenzmasse verlangen kann, vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129; Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 116, Rn. 21; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung, S. 172; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 135; Singhof/Seiler, in: Singhof/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, Rn. 610,

fällt die einfache eigennützige Sicherungstreuhand (z. B. Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung) im Zwei-Personen-Verhältnis nicht unter § 116 InsO, weil

250

III. Insolvenz des Treugebers

diese gerade dem Interesse des Treuhänders (Sicherungsnehmer) an der Sicherung des Risikos einer Insolvenz des Treugebers (Sicherungsgeber) dient. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12; Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 116, Rn. 24.

Die Schwierigkeit bei der doppelnützigen bzw. doppelseitigen Treuhand be- 974 steht nun wiederum darin, dass diese Elemente der Verwaltungs- und Sicherungstreuhand vereint und – entweder als dreiseitiger Vertrag oder Vertrag zugunsten Dritter – weitere Personen in die Rechtsbeziehungen einbezogen sind, sodass sich die Frage des Fortbestands der Doppeltreuhand in der Insolvenz des Treugebers nicht einfach nach den einfachen Grundsätzen für eine einzige Verwaltungs- oder Sicherungstreuhand beantworten lässt. Die Atypizität besteht zudem darin, dass der Treugeber als Sicherungsgeber im Regelfall keine eigene Verbindlichkeit gegenüber den drittbegünstigten Kreditgebern besichert, sondern diejenigen der zu sanierenden Treugutgesellschaft, und dass der Treuhänder als dinglicher Sicherungsnehmer die Sicherheit nicht eigennützig zur Sicherung eigener Forderungen hereinnimmt, sondern damit Forderungen der drittbegünstigten Kreditgeber sichert. Teile der Literatur gehen davon aus, dass – jedenfalls im praktischen Regel- 975 fall, wenn der Vertrag als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist – der Treuhandvertrag zwischen Treugeber und Treuhänder mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers nach §§ 115, 116 InsO erlischt. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 311 f.; Scholz, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 47 Rn. 43; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 389; Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 116 Rn. 24, jedenfalls dann, wenn Verwaltungstreuhandabrede und Sicherungstreuhandabrede im Treuhandvertrag nicht klar genug voneinander abgegrenzt sind.

Diese Ansicht vernachlässigt aber insbesondere mit Blick auf das im Grund- 976 satz allgemein anerkannte Absonderungsrecht (siehe hierzu noch Rn. 993 ff.) die der doppelnützigen Treuhand innewohnende Sicherungskomponente – die doppelnützige Treuhand dient in erster Linie auch der Sicherung der Forderungen der Drittbegünstigten – und zieht allein die für die reine Verwaltungstreuhand entwickelten Grundsätze heran. Vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47; Thole, KTS 2014, 45, 53, der betont, umgekehrt könne man eben genauso davon ausgehen, die Sicherungstreuhand überlagere die Verwaltungstreuhand und daher bleibe die Treuhandabrede in toto bestehen; ähnlich bereits Bitter, in: FS Ganter, S 101, 127 f., der die durch den Treuhänder vermittelte Sicherungstreuhand zwischen Treugeber und Drittbegünstigtem in den Vordergrund stellt und §§ 115, 116 InsO deswegen für unanwendbar hält.

Die Durchsetzbarkeit des Sicherungsrechts setzt aber voraus, dass dem Si- 977 cherungsnehmer aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarungen das Recht 251

C. Die Treuhand in der Insolvenz

zur Verwertung und zur Befriedigung aus dem Erlös eingeräumt wird. Die schuldrechtlichen Abreden legen ferner fest, welche Forderungen gesichert werden und wann die Verwertungsreife (Sicherungsfall) eintritt, was auch für die Frage des Verwertungsrechts in der Insolvenz des Sicherungsgebers Bedeutung erlangen kann (siehe hierzu noch Rn. 1011 ff.). 978 Würde man annehmen, eine zweiseitige Sicherungstreuhand würde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers nach §§ 115, 116 InsO erlöschen, würden insofern genau im Bewährungsfalle die schuldrechtlichen Grundlagen für das Absonderungsrecht des Sicherungsnehmers entfallen und dieser hätte kein Absonderungsrecht mehr. Der Fall läge dann nicht anders, als wäre dem Treuhänder (Sicherungsnehmer) gar kein Verwertungsrecht eingeräumt worden. Vgl. Weitbrecht, NZI 2017, 553, 558, für den von ihm als „atypische Doppeltreuhand“ bezeichneten Fall, dass dem doppelnützigen Sanierungstreuhänder vertraglich kein Verwertungsrecht eingeräumt wird; ähnlich Thole, KTS 2014, 45, 54 f., der darauf hinweist, dass die vertragliche Grundlage zur Feststellung des Sicherungsfalls und damit des Eintritts der Verwertungsreife entfiele.

979 Bei einer zweiseitigen Sicherungstreuhand, etwa im Falle einer Sicherungszession oder einer Sicherungsübereignung, wird daher ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass diese nicht nach §§ 115, 116 InsO erlischt, soll diese sich ja gerade in der Insolvenz des Treugebers und Sicherungsgebers bewähren. 980 Nichts anderes kann für die doppelnützige Sicherungstreuhand im Interesse der Drittbegünstigten gelten. Hätten diese das Treugut selbst zur Sicherung ihrer Forderungen hereingenommen, also eine zweiseitige (eigennützige) Sicherungstreuhand begründet, wäre dies nicht zweifelhaft. Hieran kann dann auch der Umstand nichts ändern, dass der Treuhänder das Treugut zur Sicherung der Drittbegünstigten hält, die über den Sicherungszweck und die dem Treuhänder gestellte dingliche Sicherheit mitgesichert sind. Die doppelnützige Sanierungstreuhand kann daher nicht anders behandelt werden als jede andere Art von Sicherheitentreuhand (Bassinvertrag), bei der die Sicherheiten nicht den Kreditgläubigern selbst bestellt werden, sondern zugunsten eines Treuhänders, welcher die Sicherheiten dann wiederum im Interesse der dritten Kreditgläubiger verwaltet. Der Treuhänder wird insofern Inhaber eines fremdnützigen Absonderungsrechts. Vgl. Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 90 Rn. 275 ff.; Brünink, in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, § 3 Rn. 10 (S. 65); Thole, KTS 2014, 45, 60; Weitbrecht, NZI 2017, 553, 557.

981 Deutlich wird dies insbesondere, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der Insolvenz des Treugebers als Sicherungsgeber nicht zwingend auch der Sicherungsfall unter der Treuhandvereinbarung und damit die Verwertungsreife ein-

252

III. Insolvenz des Treugebers

treten muss, da der Sicherungsfall üblicherweise auf einen Default oder Covenant-Bruch der zu sanierenden Treugutgesellschaft abstellt (siehe Rn. 592 ff.). Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 52.

Die Verwertungsreife tritt in der Insolvenz des Treugebers als Sicherungsge- 982 ber auch nicht automatisch kraft Gesetzes ein, denn § 41 InsO ist in dem Fall, dass der insolvente Treugeber als Sicherungsgeber nicht zugleich persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist, auf das isolierte Absonderungsrecht grundsätzlich nicht anwendbar. Andererseits wird die gesicherte Hauptforderung gegenüber der Treugutgesellschaft nicht automatisch fällig, weil § 41 InsO im Verhältnis zur nicht insolventen Treugutgesellschaft ebenfalls nicht eingreift. Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228; Bitter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 41 Rn. 13 ff.; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 41 Rn. 7 ff.; Keller, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 41 Rn. 11.

Würde man mithin von einem Erlöschen des gesamten Treuhandvertrags in 983 der Insolvenz des Treugebers (Sicherungsgebers) ausgehen, würden neben dem das Absonderungsrecht begründenden Verwertungsrecht auch die materiellrechtlichen Grundlagen erlöschen, die darüber entscheiden, wann Verwertungsreife eintritt, welche Forderungen gesichert sind und in welcher Rangfolge der Erlös zu verteilen ist (Sicherungszweck). Letztlich spricht daher entscheidend die der doppelseitigen Sanierungstreu- 984 hand innewohnende Sicherungskomponente gegen das Erlöschen der gesamten Treuhandvereinbarung und eine Herausgabepflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter des Treugebers. Diejenigen Autoren, die sich für das Erlöschen der Treuhandvereinbarung nach §§ 115, 116 InsO aussprechen, begründen dies zumeist damit, dass ein Treuhandvertrag ein Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis i. S. d. §§ 662, 675 BGB darstellt. Dies wird zwar für eine reine Verwaltungstreuhand so vertreten, berücksichtigt aber nicht, dass ein Sicherungstreuhandvertrag (z. B. Sicherungsübereignung) als Vertrag sui generis qualifiziert wird, auf den die §§ 115, 116 InsO unanwendbar sind. Vgl. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 17 ff.

Die Mehrzahl der Autoren spricht sich daher – mit unterschiedlicher Be- 985 gründung – zu Recht gegen ein Erlöschen der gesamten Treuhandabrede nach §§ 115, 116 InsO aus. Teilweise wird auf eine Schwerpunktbetrachtung des einheitlichen Vertrags 986 gestützt die Fortgeltung des Treuhandvertrags in toto angenommen, so Thole, KTS 2014, 45, 56 f.; zustimmend: Tresselt, DB 2016, 514, 518,

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

bzw. ein Erlöschen wegen der Einordnung des zwischen Treugeber und Treuhänder bestehenden Verhältnisses als Sicherungstreuhand und der daraus folgenden Unanwendbarkeit der §§ 115, 116 InsO abgelehnt. So Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 134 f.; in diese Richtung auch v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 241 ff.; Rogler, Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite, S. 169 f.

987 Andere Stimmen gehen davon aus, dass, selbst wenn die Verwaltungstreuhandkomponente zwischen Treugeber und Treuhänder nach §§ 115, 116 InsO erlöschen sollte, jedenfalls die Bindungen der Sicherungstreuhand-Komponente zwischen Treuhänder und Begünstigten auch nach Beendigung der Verwaltungstreuhand-Komponente zwischen Treugeber und Treuhänder aufrechtzuerhalten sind. Die Beendigung der Verwaltungstreuhand-Komponente führe also nicht dazu, dass der Treuhänder das Treugut an den Insolvenzverwalter des Treugebers herauszugeben hätte (§ 667 BGB), sondern der Treuhänder habe nach Eintritt des Sicherungsfalls im Rahmen der Abwicklung zunächst die Anteile zu verwerten und den Erlös an den Begünstigten auszukehren. Ein auf der Doppeltreuhand beruhendes Absonderungsrecht scheitere daher wie in anderen Fällen der Sicherungstreuhand nicht an §§ 115, 116 InsO. Vgl. Berger, ZInsO, 2016, 474, 479 f.; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2257, und zuvor bereits Bitter, in: FS Ganter, S 101, 127 f.; im Ergebnis auch Ganter, ZIP 2017, 2277, 2279; Ganter, NZI 2013, 769, 773; Rößler, DB 2013, 1607, 1609; Bork, NZI 1999, 337, 341, jedenfalls für den Fall einer dreiseitigen Treuhandvereinbarung.

988 Mit ähnlicher Begründung hat das BAG das Erlöschen einer Doppeltreuhand nach §§ 115, 116 InsO im Falle der Absicherung eines Altersteilzeitguthabens in einer Entscheidung vom 18.7.2013 abgelehnt. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber einen Treuhänder im Rahmen eines Altersteilzeit-Blockmodells beauftragt, die in der Ansparphase zugunsten der Arbeitnehmer angesparten Altersteilzeitguthaben entgegenzunehmen und im eigenen Namen Investmentkonten zu eröffnen, um hierauf Fondsanteile zugunsten der begünstigten Mitarbeiter zu erwerben und zu verwalten. Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers sollte der jeweilige Mitarbeiter, für den das Depot geführt wurde, wirtschaftlich Berechtigter sein und der Treuhänder sollte das angesparte Guthaben an den Mitarbeiter auszahlen bzw. die erworbenen Wertpapiere an den berechtigten Mitarbeiter übertragen. Das BAG ordnete die Vertragsgestaltung als Doppeltreuhand ein, bei der neben der Verwaltungstreuhand zwischen Arbeitgeber und Treuhänder eine Sicherungstreuhand zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter bestehe, die über den Treuhänder als Sicherungsnehmer im Drittinteresse vermittelt werde (§ 328 BGB). Die Insolvenz des Arbeitgebers führe zwar zum Erlöschen der zwischen Arbeitgeber und Treuhänder bestehenden Verwaltungstreuhand nach §§ 115, 116 InsO, die zu-

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III. Insolvenz des Treugebers

gunsten der Mitarbeiter begründete Sicherungstreuhand bestehe aber unabhängig davon fort, weil diese als Vertrag sui generis nicht unter §§ 115, 116 InsO falle. Den hieraus folgenden schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch (§ 667 BGB) des Mitarbeiters habe der Treuhänder durch Verwertung der Fondsanteile und Erlösauskehr an die begünstigten Mitarbeiter zu erfüllen. Vgl. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1.

Auch der BGH hat in der Entscheidung vom 24.9.2015 betont, dass die §§ 115, 989 116 InsO einer vertraglich vorgesehenen Verwertung des Vermögensgegenstands durch den Treuhänder zugunsten der Drittbegünstigten nicht entgegenstehen. Dies gelte unabhängig davon, ob die doppelnützige Treuhandgestaltung durch einen dreiseitigen Vertrag oder im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter begründet werde. Der BGH hat die Insolvenzfestigkeit im Entscheidungsfall wegen der Drittbegünstigung sogar für den Fall bekräftigt, dass dem Treuhänder in der Treuhandabrede gar kein Verwertungsrecht zugunsten der Drittbegünstigten eingeräumt wurde, denen stattdessen ein Pfandrecht an den Aktien des Treugebers bestellt wurde, sondern sich das (Sicherungs-)Interesse der Drittbegünstigten mit Blick auf die Treuhandvereinbarung in der Durchführung von Restrukturierungs- oder Sanierungsmaßnahmen unter Ausschluss des gesellschaftsrechtlichen Einflusses des Treugebers erschöpft. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23.

Nicht klar beantwortet hat der BGH indes die Frage, ob er vom Fortbestand 990 des gesamten, eine Verwaltungstreuhand und eine Sicherungstreuhand kombinierenden Vertrags ausgeht oder ähnlich wie das BAG nur die der Sicherungstreuhand zuzurechnenden Bestandteile aufrechterhalten will. In den Entscheidungsgründen heißt es insoweit: „Die vertraglichen Vereinbarungen bleiben wirksam, soweit dies zur Wahrung der Rechte der Drittbegünstigten erforderlich ist.“ Dies könnte darauf hindeuten, dass der BGH ähnlich wie das BAG den Fortbestand des Vertrags auf die drittbegünstigten Regelungen beschränken möchte, endgültige Klarheit verschafft die Entscheidung in diesem Punkt indes nicht. Rechtsdogmatisch erscheint es aber schwer begründbar, den als einheitlichen 991 Vertrag zugunsten Dritter ausgestalteten Treuhandvertrag zwischen Treuhänder und Treugeber, der zwar eine Verwaltungstreuhandkomponente und eine Sicherungstreuhandkomponente kombiniert (siehe hierzu Rn. 421 ff.) in zwei Treuhandverhältnisse aufzuspalten, von denen das eine erlöschen und das andere fortbestehen soll. Denn letztlich gibt es nur einen Vertrag zwischen zwei Vertragsparteien, an dem die Drittbegünstigten nur insofern teilhaben, als ihnen eigene (Erfüllungs-)Ansprüche zugewendet werden. Auch stellte sich die praktisch kaum sicher zu beantwortende Folgefrage, welche Vertragsregelungen der Verwaltungstreuhandkomponente und welche der Sicherungstreuhandkomponente zuzuordnen sind. Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 53 ff.

255

C. Die Treuhand in der Insolvenz

992 Unter der – insofern auch vom BGH getragenen – Prämisse, dass drittbegünstigende Treuhandverhältnisse in der Insolvenz des Treugebers nicht nach §§ 115, 116 InsO erlöschen, sprechen im Ergebnis daher die besseren Gründe für ein Fortbestehen des Treuhandvertrags im Ganzen. 2. Absonderungs- und Verwertungsrecht 993 Nach wohl nahezu einhelliger Meinung entsteht in der Insolvenz des Treugebers im Hinblick auf die gesicherten Forderungen der Kreditgeber ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§§ 50, 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO), soweit die doppelnützige Sanierungstreuhand wie im Regelfall auch als Sicherungstreuhand ausgestaltet ist. Dies entspricht der Rechtslage bei einer zweiseitigen Sicherungstreuhand wie einer Sicherungsabtretung oder Sicherungsübereignung, bei der anerkannt ist, dass dem Sicherungsnehmer, obwohl seine dingliche Eigentümerstellung ihn an und für sich zur Aussonderung (§ 47 InsO) berechtigen müsste, nur ein Absonderungsrecht zusteht, weil die Sicherungsübertragung bei wirtschaftlicher Betrachtung der Verpfändung näher stehe als einer (vorbehaltlosen) Übereignung. Die schuldrechtlichen Bindungen der Sicherungsabrede berechtigten den Sicherungsnehmer nur dann und insoweit, sich aus dem Verwertungserlös zu befriedigen, als die gesicherte Forderung besteht und die Verwertungsreife eingetreten ist; der Sicherungsnehmer ist in seiner Verfügungsmacht mithin nicht frei, sondern unterliegt der fiduziarischen Bindung der Treuhandabrede. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 125; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 9; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 47 Rn. 86; Lohmann, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 47 Rn. 21; Bitter, in: FS Ganter, S 101, 109 f.; v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 232 ff.; Weitbrecht, NZI 2017, 553, 556 f.; Thole, KTS 2014, 45, 58 f.; Budde, ZInsO 2011, 1375; Bork, NZI 1999, 337, 341; Hagebusch/Knittel, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 20 Rn. 164, die für ein Aussonderungsrecht des Treuhänders plädieren.

994 Über das grundsätzliche Einvernehmen über das Bestehen eines Absonderungsrechts in der Insolvenz des Treugebers hinaus sind jedoch noch viele Fragen in Zusammenhang mit der Verwertung des Treuguts ungeklärt. Diskutiert wird unter anderem, woran das Absonderungsrecht besteht (siehe hierzu Rn. 995 ff.), wer Inhaber des Absonderungsrechts ist (siehe hierzu Rn. 1008 ff.) und wer zur Verwertung des Treuguts berechtigt ist (siehe hierzu Rn. 1011 ff.). a) Gegenstand des Absonderungsrechts 995 In der jüngeren Literatur wurde insbesondere von Jacoby der Ansatz vertreten, dass Sicherungsgut nicht die Gesellschaftsanteile an den Treugutgesellschaften an sich seien, sondern der sich aus dem Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder ergebende Herausgabeanspruch nach §§ 675, 667 BGB, der auf Herausgabe des Treuguts bzw. Auskehr des 256

III. Insolvenz des Treugebers

Verwertungserlöses gerichtet ist und der den Drittbegünstigten sicherungshalber zugewendet wurde. Insofern würden gleichsam zwei Treuhandverhältnisse entstehen: Zwischen Treugeber und Treuhänder soll eine Verwaltungstreuhand in Bezug auf die treuhänderische Verwaltung des Treuguts selbst zustande kommen, die in der Insolvenz des Treugebers erlösche, was den Herausgabeanspruch aus § 667 BGB fällig werden lasse. Die Begünstigten dagegen sollen eine einem (eigennützigen) Sicherungs- 996 treuhänder vergleichbare Stellung erlangen, weil ihnen seitens des Treugebers der Anspruch aus § 667 BGB sicherungshalber zugewendet werde. Dies komme insbesondere in Betracht, wenn der Vertrag als dreiseitiger Vertrag geschlossen werde, gelte im Grundsatz aber ebenso bei einer Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter. So insbesondere Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 311 ff.; zustimmend Berger, ZInsO 2016, 474, 478; ähnlich Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 388f; derselbe, ZIP 2017, 2277, 2279, der im Ergebnis auch aus der Zuwendung des Anspruchs im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter gerade für den Sicherungsfall eine Gestaltung ableitet, die wiederum einer Sicherungstreuhand zwischen Treugeber und Drittbegünstigtem gleichkomme.

Im Ergebnis stelle sich die doppelnützige Treuhand daher als abgestufte Be- 997 rechtigung am Treugut dar: Auf erster Stufe stehe der Treuhänder als unmittelbarer Vollrechtsinhaber, auf zweiter Stufe stünden die Drittbegünstigten, denen der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB sicherungshalber zugewendet wurde, und auf dritter Stufe stünde der Treugeber kraft seines Anspruchs auf Rückübertragung des Anspruchs aus § 667 BGB nach Wegfall des Sicherungsinteresses. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 314.

Diese Überlegung wird den Parteiabreden im Falle der doppelnützigen Sanie- 998 rungstreuhand indes meistens nicht gerecht: An der Herausgabe des Treuguts, namentlich der Gesellschaftsanteile, haben die Drittbegünstigten im Falle der doppelnützigen Anteilstreuhand regelmäßig gar kein Interesse, dient die Konstruktion doch gerade dem Zweck, eine direkte Anteilsübernahme durch die gesicherten Kreditgeber zu vermeiden. Was Inhalt des Forderungsrechts des Dritten ist, bestimmt mithin alleine die 999 Auslegung des Vertrags (zugunsten Dritter). Vgl. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 33 f.

Bei der doppelnützigen Sanierungstreuhand werden den Drittbegünstigten 1000 zwar im Regelfall eigene Ansprüche gegen den Treuhänder eingeräumt, diese sind aber (neben ggf. weiteren Pflichten des Treuhänders gegenüber den Drittbegünstigten wie etwa Informationspflichten) in der Hauptsache typischerweise darauf gerichtet, dass der Treuhänder das Treugut nach Eintritt des

257

C. Die Treuhand in der Insolvenz

Bedingungsfalls vertragsgemäß verwertet und den Erlös an die Drittbegünstigten auskehrt. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Herausgabeanspruch i. S. d. § 667 BGB, der den Drittbegünstigten in der Insolvenz des Treuhänders dann ebenfalls zur Aussonderung berechtigten müsste (siehe hierzu noch Rn. 1149 ff.), sondern letztlich um einen auf Auskehr des Erlöses als Surrogat des Treuguts gerichteten Verschaffungsanspruch. Dessen Erfüllung wird – teilweise sogar durch explizite vertragliche Bestimmung – so behandelt, als habe der Treuhänder den Verwertungserlös zunächst an den Treugeber als materiellwirtschaftlichem (§ 39 AO) Inhaber des Treuguts herausgegeben und dieser den Betrag anschließend wieder in die Treugutgesellschaft eingelegt, damit diese hiermit ihre Kreditverbindlichkeiten tilgen kann. 1001 Die Leistungs- und Verschaffungsansprüche der Drittbegünstigten entstehen bei einem Vertrag zugunsten Dritter zwar originär in deren Person, die Drittbegünstigten sind insofern aber im Zweifelsfall nur neben dem Versprechensempfänger (Treugeber) berechtigt, die vertraglich festgelegte Leistung zu fordern (§ 335 BGB), siehe Rn. 421 ff. 1002 Die Besonderheit bei der doppelnützigen Treuhand besteht nun darin, dass sowohl Treugeber als auch Drittbegünstigte berechtigt sind, die Leistung vom Treuhänder zu fordern. Variabel ist nur die Frage, ob und an wen die Leistung zu erfolgen hat, namentlich ob der Sicherungszweck noch fortbesteht oder gar Verwertungsreife eingetreten ist oder umgekehrt die gesicherten Forderungen vollständig befriedigt wurden und/oder die Treuhandvereinbarung infolge Befristung oder Zweckfortfall beendet ist. Es gibt mithin nur einen Anspruch, der nach Fortfall des Sicherungszwecks entweder auf Rückgabe an den Treugeber (Sachverhalt A) oder nach Eintritt des Verwertungsfalls auf Verwertung und Erlösauskehr an den Drittbegünstigten (Sachverhalt B) gerichtet ist. So ausdrücklich herausgearbeitet von Bitter, ZIP 2015, 2249, 2254, 2256.

1003 Vor Eintritt eines Sachverhalts A. oder B. kann aber (wegen des Fortbestehens des Sicherungszwecks) weder der Treugeber Herausgabe an sich noch der Begünstigte Verwertung und Erlösauskehr an sich verlangen, solange der Verwertungsfall noch nicht eingetreten ist. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 390; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 131 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 158 f.

1004 Richtiger dürfte daher sein, die „Zuwendung“ des Anspruchs aus § 667 BGB in dem Sinne aufzufassen, dass den Drittbegünstigten ein Interventionsrecht bzw. dem Treuhänder eine entsprechende Einrede für den Fall an die Hand gegeben wird, dass der Insolvenzverwalter des Treugebers Herausgabe an sich verlangt, obwohl der Sicherungszweck noch fortbesteht.

258

III. Insolvenz des Treugebers So: Thole, KTS 2014, 45, 58; ähnlich Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 159 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 819 f.

Auch in der weiteren Konsequenz führte der Ansatz Jacobys zu befremdli- 1005 chen Ergebnissen: Bestünde das Treugut nicht in Gesellschaftsanteilen, sondern im Falle eines Sicherheitentreuhandvertrags z. B. in einem sicherungsübereigneten Warenlager, bei dem das an den Doppeltreuhänder gemäß §§ 929, 930 BGB sicherungsübereignete Sicherungsgut regelmäßig im unmittelbaren Besitz des Sicherungsgebers verbleibt, stünde einem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 1 InsO nach Ansicht Jacobys das vorrangige Absonderungsrecht des Begünstigten aus § 667 BGB entgegen, der insofern Herausgabe des Sicherungsgutes an sich verlangen könne. Die unmittelbare Besitzposition des Insolvenzverwalters wäre für das Verwertungsrecht ebenso unbeachtlich wie die dingliche Eigentümerstellung des Treuhänders. Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 1 InsO wäre zugunsten des Herausgabeanspruchs des Drittbegünstigten ausgehöhlt, obwohl jener im Vergleich zur direkten Besicherung ein Weniger – den abgeleiteten Anspruch aus § 667 BGB anstatt des dinglichen Sicherungseigentums – erworben hätte. Vgl. Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 316 ff.; insofern zu Recht kritisch Weitbrecht, NZI 2017, 553, 517; ähnlich Bitter, ZIP 2015, 2249, 2254.

Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe dafür, dass das Absonde- 1006 rungsrecht bei der doppelnützigen Sanierungstreuhand wie in allen anderen Fällen der Sicherungsübertragung an dem als Sicherungsgut (Treugut) zur Verfügung gestellten Gegenstand oder Recht selbst besteht, namentlich den mit dinglicher Wirkung auf den Treuhänder übertragenen Gesellschaftsanteilen. Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 58 ff.; Weitbrecht, NZI 2017, 553, 517.

Der den Begünstigten zugewendete Anspruch ist dann lediglich auf Auskehr 1007 des Erlöses nach Maßgabe der Regelungen der Treuhandvereinbarung gerichtet, nachdem die vertragsgemäße Verwertung abgeschlossen ist. b) Inhaber des Absonderungsrechts Vereinzelt wurde – vornehmlich in der älteren Literatur – diskutiert, ob das 1008 Recht zur abgesonderten Befriedigung in der Insolvenz des Treugebers dem Treuhänder oder den gesicherten Drittbegünstigten zusteht. Für ein Absonderungsrecht der Drittbegünstigten etwa LAG Hamm, Urt. v. 6.3.2013 – 6 Sa 976/12, ZIP 2013, 1294; Scholz, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 47 Rn. 43.

Die heute wohl weit überwiegende Meinung spricht das Absonderungsrecht 1009 im Anschluss an die Vergleichsverwalter-Entscheidung des BGH dem Treuhänder als Inhaber des dinglichen Sicherungsrechts zu. In dem zugrunde lie-

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

genden Fall hatte der Vergleichsverwalter eines insolventen Bauunternehmens zur Durchführung eines Bauvorhabens durch die Gemeinschuldnerin ein offenes Treuhandkonto eingerichtet. Dieses diente entsprechend der getroffenen Absprachen mit den Beteiligten dem Zweck, Zahlungen der Bauherren aufzunehmen und die berechtigten Forderungen der Subunternehmer zu bedienen. Der BGH sah den kontoführenden Vergleichsverwalter als Treuhänder im Rahmen eines mehrseitigen Treuhandverhältnisses an und sprach diesem auf die Herausgabeklage des späteren Konkursverwalters der Gemeinschuldnerin hin ein Absonderungsrecht in Höhe der gesicherten Forderungen der Subunternehmer zu. Wörtlich führte der BGH aus: „Insoweit handelt es sich bei dem zwischen dem Beklagten und der KG (Anm.: die Gemeinschuldnerin) bestehenden Treuhandverhältnis nicht um eine bloße Verwaltungstreuhand, sondern um eine Sicherungstreuhand im Interesse eines Dritten. Ein Absonderungsrecht des Treuhänders wäre nach allgemeiner Meinung nicht zweifelhaft, wenn das Guthaben der Sicherung von dessen eigenen Ansprüchen gegen den Treugeber gedient hätte. Das Gleiche muss gelten, wenn das treuhänderisch verwaltete Guthaben nicht der Sicherung von Rechten des Treuhänders, sondern von Forderungen Dritter dient.“ Vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47; ebenfalls für ein Absonderungsrecht des Treuhänders plädierend BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 389; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 47 Rn. 87; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 126; v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 236 ff.; Rogler, Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite, S. 172 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 146 f.; Thole, KTS 2014, 45, 59 f.

1010 Dass das Absonderungsrecht dem Treuhänder zusteht, folgt im Übrigen auch aus dem klaren Wortlaut des § 51 Nr. 1 InsO. Danach ist derjenige zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, dem der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet oder ein Recht übertragen hat. Es muss sich also nicht notwendigerweise um einen eigenen Anspruch des Sicherungsnehmers handeln. Dass dinglicher und persönlicher Gläubiger des Schuldners nicht identisch sein müssen, zeigt auch § 52 Satz 1 InsO, wonach absonderungsberechtigte Gläubiger nur insoweit auch Insolvenzgläubiger sind, wie ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 146 f.; Thole, KTS 2014, 45, 59 f.

c) Verwertungsbefugnis 1011 Von der Frage, wer abgesonderte Befriedigung aus dem Verwertungserlös beanspruchen kann, ist die Frage zu unterscheiden, wem das Verwertungsrecht hinsichtlich des Treuguts zusteht. Dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Treugebers kann das Verwertungsrecht auch für solche Ge-

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III. Insolvenz des Treugebers

genstände oder Forderungen zustehen, die der Schuldner zur Sicherheit übertragen hat (vgl. § 166 InsO). Ob in der Insolvenz des Treugebers der Treuhänder oder der Insolvenzver- 1012 walter über das Vermögen des Treugebers zur Verwertung der TreugutAnteile berechtigt ist, hängt zunächst davon ab, ob der Sicherungsfall mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers bereits eingetreten ist oder nicht. Knüpft der Bedingungsfall der Treuhandvereinbarung namentlich an einen Covenant-Bruch oder einen Zahlungsverzug der Treugutgesellschaft an, kann es sein, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers ein Sicherungsfall im Hinblick auf die gesicherten Forderungen der drittbegünstigten Kreditgeber gegen die Treugutgesellschaft noch gar nicht eingetreten ist. Sind die gesicherten Forderungen der drittbegünstigten Kreditgläubiger ge- 1013 gen die Treugutgesellschaft mangels Eintritt eines Sicherungsfalls noch nicht fällig, ist der Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des nur dinglich haftenden Treugebers schon mangels vertraglich eingetretener Verwertungsreife an der Verwertung des Treuguts gehindert. Denn das isolierte Absonderungsrecht gilt in der Insolvenz des Drittsicherungsgebers nicht nach § 41 Abs. 1 InsO als fällig. Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend heranzuziehen, wenn der Insolvenzschuldner nicht zugleich persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist. Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228; Bitter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 41 Rn. 14; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 41 Rn. 7; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 41 Rn. 11.

Fehlt es mithin an einem Verwertungsrecht des Treuhänders wegen fehlen- 1014 der Verwertungsreife, so steht dieses entsprechend § 173 Abs. 2 Satz 2 InsO dem Insolvenzverwalter zu, selbst wenn dieser an und für sich nicht nach §§ 165 ff. InsO zur Verwertung befugt gewesen wäre. Der BGH hat die Vorschrift des § 173 Abs. 2 Satz 2 InsO in solchen Fällen für entsprechend anwendbar gehalten, in denen der Gläubiger nach materiellem Recht nicht zur Verwertung des Sicherungsgutes berechtigt ist, weil die gesicherte Forderung noch nicht fällig ist bzw. die Verwertungsreife noch nicht eingetreten ist. In diesen Fällen mache auch eine Fristsetzung durch das Insolvenzgericht nach § 173 Abs. 2 Satz 1 InsO keinen Sinn. Vielmehr sei in diesen Fällen nur der Verwalter berechtigt und verpflichtet, das Sicherungsgut zu verwerten, wobei der Erlös aus der Verwertung des Sicherungsgutes dann entsprechend §§ 191 Abs. 1, 198 InsO zurückzubehalten und vorrangig zu hinterlegen ist, bis feststeht, ob der Sicherungsfall eintritt. Denn der Absonderungsberechtigte habe keinen Anspruch darauf, dass noch nicht fällige Forderungen vorzeitig befriedigt werden. Auch sei der Masse das Rückforderungsrisiko nicht aufzubürden.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz Vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2013 – IX ZR 176/11, ZIP 2013, 987; BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, ZIP 2005, 909 (jeweils für verpfändete Forderungen); BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 (für sicherungshalber abgetretene Forderung); allgemein in diese Richtung Jacoby, in: FS Kübler, S. 309, 317 f.

1015 Tritt mit der Insolvenz des Treugebers zugleich der Sicherungsfall ein, was etwa der Fall sein kann, wenn eine Konzernobergesellschaft zur Besicherung eigener Verbindlichkeiten die Anteile an ihren Tochtergesellschaften auf einen doppelnützigen Treuhänder übertragen hat, ist die Frage, ob der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Treugebers oder der Treuhänder als dinglicher Rechtsinhaber zur Verwertung befugt ist, dagegen nach den gesetzlichen Vorschriften der §§ 165 ff. InsO zu beantworten. 1016 Nach § 166 Abs. 1 InsO ist der Verwalter berechtigt, eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig zu verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. Die Vorschrift dient dem Zweck, die technischorganisatorische Einheit des schuldnerischen Unternehmens und damit die Voraussetzungen für eine Sanierung oder eine bestmögliche Verwertung im Rahmen eines Gesamtverkaufs des schuldnerischen Unternehmens zu erhalten. Dieses Ziel wäre gefährdet, wenn Sicherungsgläubiger die ihnen zur Sicherheit übertragenen Gegenstände herausverlangen und damit das schuldnerische Unternehmen „auseinanderreißen“ könnten. Das Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO knüpft insofern an den – auch nur mittelbaren – Besitz im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an. Dem lag die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass mit Absonderungsrechten belastete Sachen, die sich nicht im Besitz des Verwalters befinden, in der Regel für eine Fortführung des Unternehmens oder eine Gesamtveräußerung von Gegenständen ohne Bedeutung sein dürften. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 178.

1017 Nach § 166 Abs. 2 InsO ist der Verwalter ferner zur Einziehung von Forderungen berechtigt, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Dem liegt weniger der Telos des Zusammenhalts der Betriebsmittel zugrunde als vielmehr reine Zweckmäßigkeitserwägungen. Da der Verwalter über die Unterlagen des Schuldners verfüge, der absonderungsberechtigte Sicherungszessionar zum Einzug der Forderung dagegen in der Regel auf Auskunft und Unterstützung durch den Insolvenzverwalter angewiesen sein dürfte, erschien es dem Gesetzgeber zweckmäßiger, das Einzugsrecht sogleich dem Verwalter zuzuweisen. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 178.

1018 Ist der Verwalter nach den gesetzlichen Regelungen nicht zur Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung berechtigt, an denen ein Absonderungsrecht besteht, verbleibt das Verwertungsrecht beim absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 173 Abs. 1 InsO).

262

III. Insolvenz des Treugebers

Vor dieser gesetzlichen Ausgangslage besteht nach wie vor Streit darüber, wem 1019 das Verwertungsrecht bei sog. besitzlosen Rechten – zu denen auch unverbriefte Unternehmensbeteiligungen wie GmbH-Geschäftsanteile oder Kommanditanteile zählen – zusteht, dem Insolvenzverwalter oder dem Sicherungsgläubiger. Denn der Wortlaut des § 166 Abs. 1 InsO umfasst nur bewegliche Sachen, an denen Besitz bestehen kann, wohingegen § 166 Abs. 2 InsO explizit nur auf Forderungen und nicht auf sonstige Rechte abstellt. Teile der Literatur wollen § 166 InsO daher analog auf besitzlose Rechte anwenden, andere Stimmen lehnen eine Analogie dagegen ab. Für eine analoge Anwendung etwa Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 166 Rn. 35 ff.; Hölzle, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 166 Rn. 43 ff.; Scholz, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 166 Rn. 28; Sinz, in: Schmidt, InsO, § 166 Rn. 37, jedenfalls dann, wenn die sonstigen Rechte der technisch-organisatorischen Einheit des Schuldnerunternehmens zuzurechnen sind; Undritz, BB 2016, 74, 77; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2250 ff.; eine Analogie ablehnend etwa Kern, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 166 Rn. 103; Thole, KTS 2014, 45, 61; Tresselt, BB 2016, 514, 517; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 954 ff.

Der Streit beginnt schon bei der Frage, ob aufgrund eines Versehens im Gesetz- 1020 gebungsverfahren eine zur Analogie berechtigende, planwidrige Regelungslücke bezüglich des Verwertungsrechts bei besitzlosen Rechten besteht oder nicht. Von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehend etwa Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 166 Rn. 35 ff.; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2250 ff.; eine Gesetzeslücke ablehnend etwa BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1; Kern, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 166 Rn. 103.

Unter den Befürwortern einer analogen Anwendung des § 166 InsO auf be- 1021 sitzlose Rechte wie Markenrechte, Lizenzen oder unverbriefte Unternehmensbeteiligungen besteht weiter Uneinigkeit darüber, ob eine analoge Anwendung auf § 166 Abs. 1 InsO zu stützen wäre, weil auch besitzlose Rechte wie Marken und Lizenzen der technisch-organisatorischen Einheit des Schuldnerunternehmens zuzurechnen sein können, ohne die eine Fortführung oder eine Gesamtveräußerung kaum möglich wäre, oder ob eher § 166 Abs. 2 InsO analog anzuwenden wäre, weil der dort verwendete Begriff der „Forderung“ weitergehend i. S. v. „Recht“ zu lesen wäre und auch bei besitzlosen Rechten Praktikabilitätserwägungen für ein Verwertungsrecht des Verwalters sprechen können, etwa wenn der Schuldner Markenrechte oder GmbH-Anteile zwar verpfändet hat, aber ohne entsprechenden Verpfändungsvermerk weiter als Inhaber im Markenregister oder der Gesellschafterliste eingetragen ist. Für eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 1 InsO etwa Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 166 Rn. 36; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2250 ff.; die Analogie dagegen auf § 166 Abs. 2 InsO stützend: Hölzle, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 166 Rn. 43 ff.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

1022 Der Streit hat vor dem Hintergrund des BGH-Urteils vom 24.9.2015 (siehe hierzu bereits Rn. 342 ff.), BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23,

wieder an Fahrt gewonnen. In dem Entscheidungsfall hatte der Schuldner seine in einer Dauerglobalurkunde verbrieften Aktien an seine Kreditgläubiger, die zugleich als Depotbanken fungierten, verpfändet. Hierdurch blieb die Clearstream AG als Sammelbank unmittelbare Fremdbesitzerin, die Kreditgläubiger und Depotbanken wurden mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe und der Schuldner mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe. Im Nachgang übertrug der Schuldner das Eigentum an seinen verpfändeten Inhaberaktien auf einen doppelnützigen Treuhänder, der die Aktien – ohne eigenes Verwertungsrecht – für die Dauer der Sanierung verwalten und die Mitgliedschaftsrechte frei von Weisungen des Schuldners ausüben sollte. Mit der Treuhandkonstruktion bezweckten die Kreditgläubiger, dass die Sanierung frei von Einflüssen des Schuldners durchgeführt werden könne, weswegen der BGH dem Treuhandvertrag einen drittschützenden Charakter zugunsten der Kreditgläubiger beimaß. Durch die Einschaltung des Treuhänders änderten sich die Besitzverhältnisse dergestalt, dass die Sammelbank weiterhin unmittelbare Fremdbesitzerin blieb, die Kreditgläubiger als Depotbanken mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe, der Treuhänder mittelbarer Fremdbesitzer zweiter Stufe und der Schuldner mittelbarer Eigenbesitzer dritter Stufe wurden: Sammelbank (unmittelbare Fremdbesitzerin)

Kreditgläubiger / Depotbanken (mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe)

Treuhänder (mittelbarer Fremdbesitzer zweiter Stufe)

Schuldner / Verpfänder (mittelbarer Eigenbesitzer dritter Stufe)

Abb. 12: „Besitzpyramide“ in BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13 nach Tresselt, DB 2016, 514, 516 1023 Zum Leidwesen der Diskutanten musste der BGH die Frage, ob § 166 InsO auf besitzlose Rechte entsprechend anzuwenden ist, allerdings nicht entscheiden. Da bei einer Dauersammel- oder Dauerglobalurkunde Miteigentum

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III. Insolvenz des Treugebers

des Aktieninhabers an der Sammelurkunde besteht und die Sammelbank als unmittelbare Fremdbesitzerin den Besitz der depotführenden Bank (Depotbank) mittelt, die wiederum als mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe dem Aktieninhaber den Besitz mittelt, bestand wie oben dargestellt jedenfalls ein mittelbarer Eigenbesitz (dritter Stufe) des Verwalters, sodass der BGH an das Besitzmerkmal anknüpfend § 166 Abs. 1 InsO direkt anwenden konnte. Denn der mittelbare Besitz des Verwalters kann grundsätzlich genügen, um sein Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO zu begründen. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 178; BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23.

Vor diesem Hintergrund stellte der BGH zunächst fest, dass das Besitz- 1024 merkmal i. S. d. § 166 Abs. 1 InsO teleologisch nach dem Sinn und Zweck, die Einheit des schuldnerischen Unternehmens zu erhalten, auszulegen sei. Bei einer Verpfändung der Aktien direkt aus der Hand des Schuldners würde der Pfandgläubiger stets unmittelbarer Fremdbesitzer und der Verpfänder mittelbarer Eigenbesitzer, sodass eine Besitzlage entstehe, die ein Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO in der Regel ausschließe. Dass es aufgrund der besonderen Besitzlage bei der Sammelverwahrung dazu nicht komme, weil auch der Pfandgläubiger nur mittelbaren Besitz erwerbe, könne insofern nicht ausschlaggebend sein und ein Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO weder begründen noch hindern. Bei der Verpfändung einer Unternehmensbeteiligung, die grundsätzlich nur 1025 zur Befriedigung aus dem Pfandgegenstand nach Eintritt der Pfandreife berechtige, sei für das Verwertungsrecht des nur mittelbar besitzenden Verwalters vielmehr danach zu fragen, ob die verpfändeten Aktien weiterhin der wirtschaftlichen Einheit des Schuldnerunternehmens zuzurechnen seien, wovon auszugehen sei, wenn die Mitgliedschaftsrechte trotz der Verpfändung beim Schuldner verblieben seien. Dies könne es rechtfertigen, trotz nur mittelbarem Besitz ein Verwertungsrecht des Verwalters anzunehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner seine Mitgliedschaftsrechte aber – ohne eigene Weisungsbefugnis – auf den doppelnützigen Treuhänder übertragen, weswegen ein Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO letztlich scheiterte, da der Treuhandvertrag wegen seines drittschützenden Charakters auch nicht nach §§ 115, 116 InsO erloschen sei. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23; die Entscheidung jeweils aufarbeitend etwa Berger, ZInsO, 2016, 474 ff.; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953 ff.; Tresselt, DB 2016, 514 ff.; Undritz, BB 2016, 74 ff.; Bitter, ZIP 2015, 2249 ff.

Im Ergebnis hat der BGH bei der Prüfung des Verwertungsrechts nach § 166 1026 Abs. 1 InsO damit im Ausgangspunkt zwar formal an das Besitzkriterium angeknüpft, dessen Bedeutung im Nachgang aber scheinbar wieder zurückgedrängt und darauf abgestellt, ob das verpfändete Aktienpaket als „Unternehmensbeteiligung“ der technisch-organisatorischen Einheit des Schuldner-

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

vermögens zuzurechnen sei oder es sich um eine reine „Vermögensanlage“ handelte. Insofern könne nach der Wertung des § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB eine Beteiligung von mehr als 20 % jedenfalls dann für ein Verwertungsrecht des Verwalters sprechen, wenn der Schuldner bei Verfahrenseröffnung auch zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte berechtigt war. Jedoch könnten auch bei einer Beteiligungsquote von unter 20 % andere Faktoren wie eine über den Anteilsbesitz hinausgehende Verbindung zur Gesellschaft vorliegen, die eine Zurechnung zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens rechtfertigen könnten. Umgekehrt sei ein Verwertungsrecht des Verwalters dagegen in der Regel ausgeschlossen, wenn die Unternehmensbeteiligung eine reine Vermögensanlage darstelle, was außer in Fällen einer geringen Anteilsquote auch anzunehmen sein könne, wenn der Schuldner die Mitgliedschaftsrechte aus den Anteilen nicht ausüben könne. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 28 ff.; vgl. auch Bitter, ZIP 2015, 2249, 2252, der sich in Anknüpfung an eine frühere Publikation für eine 5 %-Schwelle in Anlehnung an § 33 WpHG (§ 21 WpHG a. F.) ausspricht.

1027 Nach Ansicht der Befürworter einer analogen Anwendung des § 166 Abs. 1 InsO könnten diese Überlegungen des BGH „problemlos“ auf unverbriefte Unternehmensbeteiligungen wie GmbH-Anteile und andere Arten von besitzlosen Rechten entsprechend angewendet werden. Bei sonstigen Rechten wie verpfändeten Markenrechten könne darüber hinaus danach abgegrenzt werden, ob dem Schuldner bei Verfahrenseröffnung (anstelle des Besitzes oder der Mitgliedschaftsrechte) die Nutzungsbefugnis hinsichtlich des verpfändeten Rechts verblieben war. Vgl. Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 166 Rn. 37; Bitter, ZIP 2015, 2249, 2251 f.

1028 Gegenstimmen kritisieren die so geforderte Übertragung der im Entscheidungsfall aufgestellten Grundsätze als „unscharf“ und der Rechts- bzw. Verkehrssicherheit in der Praxis abträglich. Namentlich sei es für alle Beteiligten und insbesondere den Erwerber essenziell, die Verfügungsmacht des Verwerters und damit die Rechtswirksamkeit der Verwertungshandlungen rechtssicher feststellen zu können. Der Besitz liefere hierfür ein mehr oder weniger zuverlässiges Kriterium. Die schwellenwertbezogene Betrachtung überzeuge in der Praxis dagegen nicht, da die reine Beteiligungshöhe keine Aussage über die Anlageziele (strategisch, finanziell) oder wirtschaftliche Verflechtungen erlaube und Unklarheiten aufwerfe, etwa in Bezug auf stimmrechtslose Vorzugsaktien oder indirekten Anteilsbesitz. Auch habe der BGH die 20 %Schwelle nach § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB nur als widerlegbare Beteiligungsvermutung angesehen, da bei niedrigerer Beteiligungsquote andere Faktoren wie eine über den Anteilsbesitz hinausgehende Verbindung zur Gesellschaft die Zurechnung zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens rechtfertigen könnten. Die Vielzahl der möglichen Gestaltungen bringe ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit mit sich, zumal solche anderen, eine Zurechnung

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III. Insolvenz des Treugebers

zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens rechtfertigende Faktoren oftmals nur im Innenverhältnis bestünden und für den Rechtsverkehr gar nicht erkennbar seien. Insofern sollte das Verwertungsrecht an verpfändeten Unternehmensbeteiligungen dem rechtsformneutralen System der InsO folgend stets dem Gläubiger zugesprochen werden, zumal das Verwertungsrecht des Verwalters in Fällen komplexer Konzernfinanzierungen regelmäßig ohnehin wertlos sei, wenn die Tochtergesellschaften umfangreiche Garantien und Kreditsicherheiten für die Verbindlichkeiten des insolventen Gesellschafters gestellt hätten. Ohne Mitwirkung der Kreditgläubiger durch Freigabe der Sicherheiten würde der Verwalter daher keinen Investor für die Anteile finden können. Vgl. Berger, ZInsO, 2016, 474, 476 f.; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 957 ff.; Tresselt, DB 2016, 514, 517 f.

So lassen sich für beide Ansichten Beispiele finden, bei denen ein praktisches 1029 Bedürfnis für die Zuweisung des Verwertungsrechts zum Insolvenzverwalter sprechen kann wie etwa im Falle von verpfändeten Markenrechten oder ein solches gerade zu verneinen sein kann, etwa im Falle von verpfändeten Anteilen an Tochtergesellschaften, deren wirtschaftliche Substanz aufgrund umfangreicher Garantien und Sicherungsrechte ohnehin bereits den Gläubigern zugewiesen und daher für die Masse wertlos ist. Gerade in den mittelständischen Sanierungs- und Treuhandfällen, bei denen 1030 die Gesellschafter oftmals natürliche Personen sind und die Gesellschaftsanteile nur einen Vermögensgegenstand neben diversem weiteren Privatvermögen wie z. B. Kunstgegenständen, Kontoguthaben, Immobilien etc. darstellen, ist kein praktisches Bedürfnis ersichtlich, warum die Gesellschaftsanteile zwingend zusammen mit den anderen Vermögensgegenständen einheitlich aus der Hand des Insolvenzverwalters verwertet werden müssten. Diese gehören nicht einmal mehr zur Insolvenzmasse des Treugebers i. S. v. § 35 InsO, vielmehr steht dem Schuldner nur der Rückübertragungsanspruch aus § 667 BGB zu. Der Treuhänder ist vielmehr regelmäßig bereits als Gesellschafter in der Gesellschafterliste oder als Kommanditist im Handelsregister eingetragen. Um eine Verwertung durch den Verwalter zu ermöglichen, müssten diese – im Falle von GmbH-Anteilen sogar in notarieller Form – zunächst auf den Schuldner zurückübertragen werden, damit diese wieder der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Verwalters (§ 80 InsO) unterliegen und dieser eine Verwertung vornehmen kann. Gleiches würde im Falle der direkten Übertragung der Anteile auf den Kreditgläubiger als Sicherungsnehmer gelten. Für das Verwertungsrecht bei der doppelnützigen Anteilstreuhand bedeutet 1031 dies, dass jedenfalls bei unverbrieften Unternehmensbeteiligungen wie GmbH- oder Kommanditanteilen das Verwertungsrecht in der Insolvenz des Treugebers nach Eintritt des Sicherungsfalls dem klaren Wortlaut des Gesetzes folgend dem Treuhänder zuzusprechen (§ 173 Abs. 1 InsO) ist, da es schon an einer Besitzposition des Schuldners als Anknüpfungspunkt für das Verwertungsrecht fehlt. 267

C. Die Treuhand in der Insolvenz

1032 Für eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 1 InsO auf solche unverbrieften Unternehmensbeteiligungen scheint nach derzeitiger Rechtslage nicht viel zu sprechen: 1033 Der Gesetzgeber hat in einer Vielzahl von Reformgesetzen zur Insolvenzordnung, die seit deren Inkrafttreten 1999 verabschiedet wurden, ebenso wie in dem zuletzt vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) davon abgesehen, die Verwertungsbefugnis an besitzlosen Rechten einer ausdrücklichen Regelung zuzuführen, sondern es bei den oben dargestellten Regelungen belassen. Dies spricht mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung doch eher gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe durch ein „tragisches Versehen“ im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens planwidrig einen „blinden Fleck“ bezüglich besitzloser Rechte in der Insolvenzordnung geschaffen, denn sonst hätte er seitdem ausreichend Gelegenheiten gehabt, dieses Versehen zu korrigieren (zur Gesetzgebungshistorie siehe auch Rn. 342 ff.). 1034 Hinzu kommt, dass jedenfalls die Gerichte, die sich zu der Frage einer analogen Anwendung des § 166 InsO auf besitzlose Rechte und Unternehmensbeteiligungen bislang geäußert haben, eine solche, soweit ersichtlich, durchweg abgelehnt haben. Vgl. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1, Rn. 70 ff.; LG München I, Beschl. v. 28.11.2018 – 14 T 12593/18, ZIP 2018, 2426, Rn. 45; AG Karlsruhe, Urt. v. 7.2.2008 – 12 C 490/07, ZIP 2009, 143, Rn. 10 ff.

1035 Die jüngste BGH-Rechtsprechung lässt auch nicht erkennen, dass der BGH im Anwendungsbereich des § 166 Abs. 1 InsO auf den (mittelbaren) Besitz als Anknüpfungspunkt für ein mögliches Verwertungsrecht des Verwalters verzichten will. Dazu hat er die Besitzlage in BGHZ 207, 23, viel zu ausführlich erörtert und herausgestellt, dass ein Verwertungsrecht des Verwalters ohne eine Besitzposition, die auf die Zugehörigkeit des Gegenstands zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens schließen lasse, nicht angenommen werden könne. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 30; dies ebenfalls betonend Kern, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 166 Rn. 103; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2016, 953, 954 f.; Tresselt, DB 2016, 514, 518; a. A. Bitter, ZIP 2015, 2249, 2251, der annimmt, jene Erwägung des BGH habe sich nur auf den Regelfall des § 166 Abs. 1 InsO und damit auf gewöhnliche bewegliche Sachen bezogen.

1036 Vielmehr grenzt der BGH für das Verwertungsrecht (§ 166 Abs. 1 InsO) weiterhin nach Besitzlagen ab. So begründet der unmittelbare Besitz des Schuldners regelmäßig ein Verwertungsrecht des Verwalters, umgekehrt scheidet ein Verwertungsrecht des Verwalters bei bloß mittelbarem Besitz des Schuldners aus, wenn der Sicherungsnehmer unmittelbarer Besitzer ist.

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III. Insolvenz des Treugebers Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 18 und 22 sowie bereits in BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 26 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299, wonach der mittelbare Besitz ein Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO dann nicht begründet, wenn er Absonderungsberechtigte selbst unmittelbarer Besitzer ist.

Lediglich für den Fall bloß mittelbaren Besitzes des Schuldners hat der BGH 1037 mit der Frage der Zurechnung zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens eine stärker am Normzweck ausgerichtete Betrachtung in den Vordergrund gerückt. Diese Linie hat der BGH in einer Entscheidung zum Finanzierungsleasing 1038 vom 11.1.2018 fortgeschrieben. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Schuldner (Leasinggeber) die Leasinggegenstände sicherungshalber an seine finanzierende Bank übereignet und diese sodann auf Basis von Leasingverträgen den Leasingnehmern übergeben, die insofern unmittelbare Besitzer wurden. Sowohl die absonderungsberechtigte Bank als auch der Schuldner behielten (allenfalls) mittelbaren Besitz zurück. Für die Frage des Verwertungsrechts ist zunächst die Ausgestaltung der mit- 1039 telbaren Besitzposition des Schuldners als Anknüpfungspunkt für die Zugehörigkeit einer Sache zur technisch-organisatorischen Einheit des Schuldnervermögens entscheidend, namentlich ob nach der Ausgestaltung des mittelbaren Besitzes des Schuldners an der konkreten Sache angenommen werden könne, dass die gesetzliche Vermutung einer Eingliederung der Sache in die wirtschaftliche Einheit des schuldnerischen Unternehmens zutrifft oder die Sache mit der erfolgten Überlassung an den unmittelbaren Besitzer bereits dauerhaft so aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist, dass eine weitere Nutzung durch den Schuldner gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers nicht möglich ist. Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 19 ff.

Im Finanzierungsleasing-Fall sei insofern die – vom Berufungsgericht offen- 1040 gelassene – Art der (Sicherungs-)Übereignung an die Bank entscheidend. Sei diese nach §§ 929, 930 BGB erfolgt, blieb die Schuldnerin nach der Sicherungsübereignung mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe; der Sicherungsnehmer wird zum mittelbaren Eigenbesitzer zweiter Stufe. Ob dieser mittelbare Besitz der Schuldnerin genüge, um eine hinreichende 1041 Eingliederung der Sache in den technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens annehmen zu können, hänge dann wiederum von der leasingtypischen Vertragsgestaltung ab: Erreiche der Schuldner nach den vertraglichen Regelungen der Leasingverträge eine Vollamortisation, habe der Schuldner als Leasinggeber nach Ablauf der festen Grundlaufzeit regelmäßig kein Interesse mehr, die Sache nach Ablauf der Vertragslaufzeit wieder zurückzuerhalten, sodass die grundsätzlich bestehende Rückgabepflicht des 269

C. Die Treuhand in der Insolvenz

Leasingnehmers am Ende der Grundlaufzeit in diesem Fall keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür biete, dass der mittelbare Besitz des Schuldners eine weitere Zuordnung der Sache zum technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens rechtfertigen könnte. Anders sei dies, wenn der Schuldner auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen keine Vollamortisation erreichen kann. Dann bestehe regelmäßig ein Interesse des Schuldners, die Sache am Ende der festen Grundlaufzeit zu übernehmen. In diesem Fall eröffne der mittelbare Besitz des Schuldners noch eine Zuordnungsmöglichkeit zum technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens. Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 28 ff.

1042 Erfolgte die Sicherungsübereignung an die Bank dagegen nach §§ 929, 931 BGB, indem der Schuldner seinen bestehenden Herausgabeanspruch aus dem Leasingvertrag an den Sicherungsnehmer abtrat, verliere der Schuldner seinen mittelbaren Besitz. Hierfür genüge die Abtretung des Herausgabeanspruchs, nicht notwendig sei es, dass auch die übrigen Ansprüche aus dem Besitzmittlungsverhältnis übertragen werden. Soweit der Schuldner aufgrund einer solchen Übereignung fortan über keine Besitzposition mehr verfügt habe, scheide ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 166, 170 InsO unabhängig von der Ausgestaltung der Leasingverträge aus. Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 33 f.

1043 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der BGH für die Frage des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO im Falle lediglich mittelbaren Besitzes des Schuldners weiterhin sehr dezidiert die Ausgestaltung der jeweiligen Besitzposition als möglichen Anknüpfungspunkt für ein Verwertungsrecht untersucht. Blieb beim Schuldner schon kein mittelbarer Besitz zurück oder ist dessen Besitzlage so ausgestaltet, dass die Sache nach der Art des mittelbaren Besitzes mit der erfolgten Überlassung an den unmittelbaren Besitzer dauerhaft so aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist, dass gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers keine weitere Nutzung durch den Schuldner möglich ist, scheidet ein Verwertungsrecht des Verwalters aus, weil es an einer ausreichenden besitzrechtlichen Grundlage für jenes fehle. 1044 In sonstigen Fällen, in denen weder der Schuldner (Sicherungsgeber) noch der Sicherungsnehmer, sondern ein Dritter unmittelbarer Besitzer ist (z. B. im Falle globalverbriefter Aktien die Wertpapiersammelbank, im Falle des Finanzierungsleasings der Leasingnehmer), komme es nach Ansicht des BGH im zweiten Schritt darauf an, unter welchen Voraussetzungen der verbleibende mittelbare Besitz des Schuldners ausreichende Grundlage für die gesetzgeberische Wertungsgrundlage einer Einbeziehung der Sache in den technischorganisatorischen Verbund des Schuldnervermögens ist.

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III. Insolvenz des Treugebers Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 22 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 26.

Hiernach bleibt festzuhalten, dass ohne eine Besitzposition des Schuldners ein 1045 Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO nicht angenommen werden kann – mithin auch nicht für unverbriefte Unternehmensbeteiligungen. Bilden dagegen verbriefte Unternehmensbeteiligungen das Treugut im Rah- 1046 men einer doppelnützigen Anteilstreuhand, ist für die Zuweisung des Verwertungsrechts zum Treuhänder oder dem Insolvenzverwalter im ersten Schritt ebenfalls nach der Besitzlage zu differenzieren, namentlich ob der Treuhänder selbst unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer wird: Bilden z. B. Inhaberaktien das Treugut und werden diese von dem Treugeber 1047 an den Treuhänder übergeben, sodass dieser unmittelbarer Besitzer wird, ergäbe sich das Verwertungsrecht des Treuhänders schon aus dessen unmittelbarem Besitz, der eine Verwertung des nur mittelbar besitzenden Verwalters regelmäßig ausschließt. Dies scheint auch der BGH jedenfalls für den Fall der Verpfändung aus der 1048 Hand des Verpfänders oder der Sicherungsübertragung nach § 929 BGB so zu sehen, bei denen der absonderungsberechtigte Gläubiger unmittelbaren Besitz an dem Sicherungsgut erlangt. Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018 – IX ZR 295/16, ZIP 2018, 695, Rn. 22; BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 26 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299, wonach der mittelbare Besitz ein Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 1 InsO dann nicht begründet, wenn er Absonderungsberechtigte selbst unmittelbarer Besitzer ist.

Sind die Aktien dagegen wie im Fall des BGH in einer Sammelurkunde ver- 1049 brieft und werden diese dem Treuhänder durch Einigung und Abtretung des Herausgabe- (Sammelurkunde) bzw. Umbuchungsanspruchs (Dauersammelurkunde) übereignet (zur Übertragung von in einer Sammelurkunde verbrieften Aktien sowie den sich hieraus ergebenden Besitzverhältnissen siehe Rn. 317 ff.), erwerben weder der Treugeber noch der Treuhänder unmittelbaren Besitz. Vielmehr rutscht der Treugeber in eine höhere Besitzposition, da er den Besitz dann kraft des Treuhandvertrags nur noch von dem Treuhänder als Besitzmittler gemittelt bekommt, der insofern in eine „bessere Besitzposition“ einrückt. Da nunmehr sowohl Treugeber (Sicherungsgeber) als auch Treuhänder (Si- 1050 cherungsnehmer) nur noch mittelbaren Besitz haben, kommt es im zweiten Schritt auf die Frage an, ob der mittelbare Besitz des Schuldners weiterhin die Zugehörigkeit der Unternehmensbeteiligung zur wirtschaftlichen Einheit seines Vermögens rechtfertigt. Hierfür hat der BGH wie aufgezeigt neben der Indizwirkung der Beteili- 1051 gungsquote darauf abgestellt, ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Verfah271

C. Die Treuhand in der Insolvenz

renseröffnung in der Lage war, die „Sachherrschaft“ über die Beteiligung auszuüben, weil trotz Verpfändung – oder Sicherungsabtretung – der Anteile die Mitgliedschaftsrechte bei ihm verblieben waren (siehe Rn. 1024 ff.). 1052 Im konkreten Fall hatte der BGH dies verneint, weil der Treuhänder als Vollrechtsinhaber aufgrund des Einrückens in die Gesellschafterstellung berechtigt und verpflichtet war, die Mitgliedschaftsrechte aus den TreugutAnteilen auszuüben und hierbei keinen Weisungen des Schuldners unterlag. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, Rn. 34 ff.

1053 Dass der Treuhänder Vollrechtsinhaber wird und die Mitgliedschaftsrechte aus den Treugut-Anteilen ausüben soll, ist im Falle der doppelnützigen Sanierungstreuhand typischerweise der Fall, was im ersten Schritt für ein Verwertungsrecht des Treuhänders sprechen würde (siehe Rn. 1025). 1054 Offen bleibt nach der Entscheidung des BGH allerdings, inwieweit in anderen Fällen etwaige beim Treugeber verbliebene Weisungsrechte gegenüber dem Treuhänder, die insbesondere aus steuerlichen Gründen geboten sein können (siehe Rn. 615 ff.) oder die bei dem Treugeber verbliebenen Vermögensrechte, auf die der BGH in der Entscheidung BGHZ 207, 23 nicht näher eingegangen ist, Einfluss auf das Verwertungsrecht des Verwalters haben können. Vgl. Bitter, ZIP 2015, 2249, 2257 f., der meint, der Ausschluss des Weisungsrechts und die zeitliche Streckung des Herausgabeanspruchs für die Laufzeit der Treuhandabrede könnten der Zuordnung der Anteile zum Schuldnervermögen auch bei Vorliegen einer Treuhandabrede nicht entgegenstehen, wenn das durch die Vermögensrechte geprägte „wirtschaftliche Eigentum“ beim Treugeber verbleibe und der Treuhänder – wie üblich – bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte die Interessen des Treugebers zu wahren habe.

1055 In diesem Bereich verbleibt mithin eine „Grauzone“, bei der die Frage, ob das Verwertungsrecht dem Verwalter oder dem Treuhänder zustehen soll, stark von der Ausgestaltung und Bewertung des jeweiligen Treuhandvertrags im Einzelfall abhängt. 1056 Ob der Verbleib der Vermögensrechte bei dem Treugeber insofern ein zwingendes Indiz für ein Verwertungsrecht des Verwalters sein kann, erscheint zumindest fraglich. Denn erstens ist auch die reine „Vermögensanlage“, bei der eine Zugehörigkeit zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens nach Ansicht des BGH gerade nicht vorliegen soll, in erster Linie durch die Vermögensrechte (Dividendenbezugsrecht etc.) geprägt und zweitens ist der Verkaufserlös im Falle der Verwertung des Treuguts zuerst den begünstigten Gläubigern und nicht dem Treugeber zugewiesen. 1057 Auch dass der Treuhänder bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte die „Interessen“ des Treugebers zu wahren hat, spricht nicht zwingend für die weitere Zuordnung der Treugut-Anteile zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens, gilt dies gleichermaßen doch auch für die Interessen 272

III. Insolvenz des Treugebers

der Drittbegünstigten. Diese bestehen zwar in erster Linie in einem Sicherungsinteresse, erschöpfen sich hierin aber nicht, sondern umfassen regelmäßig mindestens auch die konzeptgemäße Umsetzung der Sanierung auf Basis des Sanierungskonzepts (ohne größere Einflussmacht des Treugebers), was so in entsprechenden treuhandvertraglichen Regelungen auch regelmäßig zum Ausdruck kommt. Häufig stellen Treuhandverträge sogar ausdrücklich klar, dass selbst bei Bestehen eines Weisungsrechts der Treugeber solche Weisungen für den Treuhänder unbeachtlich sind, die die Umsetzung des Sanierungskonzepts oder das Sicherungsinteresse der Drittbegünstigten berühren können. Hierdurch wird quasi schon durch die vertraglichen Vorgaben an den Treuhänder klargestellt, dass in Zweifelsfällen die konzeptgemäße Umsetzung der Sanierung und das Sicherungsinteresse der Begünstigten Vorrang vor entgegenstehenden Interessen des Treugebers haben. Entscheidend dürfte daher sein, ob den Treugebern nach den konkreten Re- 1058 gelungen des Treuhandvertrags grundsätzlich überhaupt ein Weisungsrecht gegenüber dem Treuhänder eingeräumt wird, ob für die Zuweisung des Verwertungsrechts zum Verwalter ein bestimmtes Gewicht des Weisungsrechts erforderlich ist und inwieweit ein solches grundsätzlich zunächst in Betracht kommendes Verwertungsrecht des Verwalters „untergehen“ kann, wenn das Weisungsrecht der Treugeber mit Eintritt des Sicherungsfalls ruhen soll (siehe Rn. 557 f.). Ohne höchstrichterliche Vorgaben zu diesen Fragen verbleibt für die Frage 1059 des Verwertungsrechts bei verbrieften Unternehmensbeteiligungen im unmittelbaren Besitz eines unbeteiligten Dritten ein gewisses Konfliktpotenzial hinsichtlich der Auslegung und Bewertung des Treuhandvertrags, das die Verwertung empfindlich stören kann. Insofern sollten Verwalter und Treuhänder in diesen Fällen auf den Abschluss einer Verwertungsvereinbarung hinwirken, um eine möglichst zügige und reibungslose Veräußerung zu ermöglichen. So auch Berger, ZInsO 2016, 474, 477.

d) Zusammenfassung Ist die doppelnützige Sanierungstreuhand – wie im Regelfall – auch als Siche- 1060 rungstreuhand zugunsten der drittbegünstigten Kreditgläubiger ausgestaltet, lässt sich hinsichtlich der Durchführung der Verwertung und der Befriedigung der Kreditgläubiger in der Insolvenz des Treugebers (Sicherungsgebers) zusammenfassend Folgendes festhalten: x

In der Insolvenz des Treugebers besteht ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§§ 50, 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO) aus dem Erlös der Verwertung des Treuguts.

x

Treugut und Gegenstand des Absonderungsrechts sind die auf den Treuhänder übertragenen Gesellschaftsanteile selbst und nicht der den drittbegünstigten Kreditgläubigern im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

zugewendete Anspruch, der insofern nur ein Recht auf Verschaffung des Verwertungserlöses gegen den Treuhänder gewährt. Inhaber des Absonderungsrechts ist daher der Treuhänder, der insofern ein fremdnütziges Absonderungsrecht geltend machen kann. x

Ob in der Insolvenz des Treugebers der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Treugebers oder der Treuhänder das Treugut verwerten darf, hängt zunächst davon ab, ob mit der Insolvenz des Treugebers zugleich der Sicherungsfall unter der Treuhandvereinbarung eingetreten ist, was nicht zwingend der Fall sein muss, wenn dieser an einen Covenant-Bruch oder einen Zahlungsverzug der Treugutgesellschaft selbst anknüpft: 

Ist der Verwertungsfall nach der Treuhandvereinbarung noch nicht eingetreten, ist der Treuhänder schon materiellrechtlich mangels Verwertungsreife an der Verwertung des Treuguts gehindert. Das Verwertungsrecht steht insofern analog § 173 Abs. 2 Satz 2 InsO dem Verwalter zu, der den Erlös entsprechend §§ 191 Abs. 1, 198 InsO zurückzubehalten und vorrangig zu hinterlegen hat, bis feststeht, ob der Sicherungsfall eintritt.



Tritt mit der Insolvenz des Treugebers (Sicherungsgebers) zugleich der Sicherungsfall ein, richtet sich das Verwertungsrecht nach den gesetzlichen Regelungen (§§ 165 ff. InsO).

x

Bilden unverbriefte Unternehmensbeteiligungen (z. B. GmbH-Geschäftsanteile, Kommanditanteile) das Treugut, ist nach Eintritt des Sicherungsfalls ausschließlich der Treuhänder zur Verwertung befugt (§ 173 Abs. 1 InsO), da es an einer gesetzlichen Grundlage für ein Verwertungsrecht des Verwalters fehlt und § 166 InsO nicht analog angewendet werden kann, da trotz vielfacher Fürsprache in der Literatur bislang weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung zu erkennen gegeben haben, dass das Verwertungsrecht ohne einen wenigstens mittelbaren Besitz dem Verwalter zugewiesen werden soll.

x

Bei verbrieften Unternehmensbeteiligungen ist dagegen nach Besitzlagen zu differenzieren:

274



Ist der Treugeber bei Verfahrenseröffnung unmittelbarer Besitzer, steht das Verwertungsrecht dem Verwalter zu (§ 166 Abs. 1) InsO, ist dagegen der Treuhänder unmittelbarer Besitzer, ist dieser zur Verwertung berechtigt.



Sind dagegen weder Treugeber noch Treuhänder unmittelbare Besitzer, sondern ein Dritter, ist es Frage des Einzelfalls, ob der Schuldner eine wenigstens mittelbare Besitzposition zurückbehalten hat, auf deren Basis die weitere Zugehörigkeit der Unternehmensbeteiligung zur technisch-organisatorischen Einheit des Schuldnervermögens angenommen werden kann. Hierfür kann entsprechend § 271 Abs. 3 HGB eine Vermutung sprechen, wenn der Treugeber eine Beteiligung von mehr

III. Insolvenz des Treugebers

als 20 % innehatte und in der Lage war, die „Sachherrschaft“ über die Unternehmensbeteiligung auszuüben, weil er bei Verfahrenseröffnung in der Lage war, die Mitgliedschaftsrechte aus der Unternehmensbeteiligung auszuüben. Dagegen sprechen eine Beteiligungsquote von weniger als 20 % ohne Vorliegen besonderer Faktoren wie eine über den Anteilsbesitz hinausgehende Verbindung zur Gesellschaft oder die fehlende Einflussmacht gegen eine Zugehörigkeit zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnervermögens. Letzteres kann insbesondere der Fall sein, wenn der Treugeber seine Mitgliedschaftsrechte ohne eigene Weisungsbefugnisse auf einen Treuhänder übertragen hat. 3. Insolvenzanfechtung Das insolvenzfeste Absonderungsrecht zugunsten der Begünstigten ist wei- 1061 terhin davon abhängig, dass die im Rahmen der Implementierung der doppelnützigen Treuhand vorgenommenen Rechtshandlungen nicht durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Treugebers angefochten werden können. Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen die Abgabe des Sicherungsversprechens gegenüber den drittbegünstigten Kreditgläubigern, der Abschluss des Treuhandvertrags zwischen Treuhänder und Treugeber und die Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder in Betracht: Abgabe Sicherungsversprechen

Treugeber

1)

Abschluss Treuhandvertrag / Sicherungsvertrag

2)

Übertragung Treugut

Begünstigte

Treuhänder

Abb. 13: Möglicherweise anfechtbare Rechtshandlungen in der Insolvenz des Treugebers a) Anfechtung des Sicherungsversprechens Als erster Anknüpfungspunkt für eine mögliche Anfechtung kommt die Ab- 1062 gabe des Sicherungsversprechens durch die Treugeber gegenüber den durch die Treuhandgestaltung zu sichernden Begünstigten in Betracht. Die Beseitigung des Sicherungsversprechens verschafft der Masse des Treugebers zwar noch nicht wieder den Zugriff auf das Treuhandvermögen, kann aber die schuldrechtliche Kongruenzgrundlage für die späteren Rechtsgeschäfte beseitigen und diese damit zu inkongruenten Deckungen (§ 131 InsO) werden lassen.

275

C. Die Treuhand in der Insolvenz Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 84 f.

1063 Das Sicherungsversprechen wird entweder direkt in dem Treuhandvertrag abgegeben oder – was praktisch häufiger der Fall sein dürfte – bereits davor, wenn im Rahmen der Finanzierungsverhandlungen bzw. -dokumentation vereinbart wird, dass die Treugut-Anteile als Voraussetzung für die weitere Kreditgewährung der begünstigten Finanzierer auf einen Treuhänder zu übertragen sind. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 118 f.

aa) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) 1064 Ob mit der Verpflichtung der Treugeber, zur Sicherung der Forderungen der Kreditgeber die Treugut-Anteile auf einen Treuhänder zu übertragen, eine Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 InsO einhergehen kann, dürfte zunächst von deren rechtstechnischer Ausgestaltung abhängen. 1065 Ist die Verpflichtung zur Anteilsübertragung auf einen Treuhänder lediglich als Auflage formuliert, von deren Erfüllung die Kreditgeber die weitere Kreditgewährung abhängig machen, dürfte eine Gläubigerbenachteiligung nicht in Betracht kommen. Denn die bloße Nichterfüllung einer als Voraussetzung für die Kreditgewährung an einen Dritten formulierten Auflage beeinträchtigt das Schuldnervermögen nicht. Zwar mag die Nichterfüllung der Treuhandauflage im weiteren Verlauf dazu führen, dass die Treugutgesellschaft infolge der Verweigerung weiterer Kredite durch die Finanzierer gezwungen ist, einen Insolvenzantrag zu stellen, was zu einer Wertminderung der Treugut-Anteile im Vermögen des insolventen Treugebers/Gesellschafters führen kann. Dies ist aber ein bloßer Reflex der Nichterfüllung der Treuhandauflage, der nicht als gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung gegenüber den Kreditgläubigern angefochten werden kann, die aus dem Schuldnervermögen ja gerade nichts erlangt haben. Vielmehr dürfte bereits fraglich sein, ob tatsächlich eine Wertminderung der Beteiligung an der Treugut-Gesellschaft eingetreten ist, die ohne die in Aussicht gestellte weitere Kreditgewährung ebenfalls bereits insolvenzreif gewesen sein dürfte. In dieser Richtung auch Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 129 Rn. 46.

1066 Ist die Treuhand-Auflage dagegen derart ausgestaltet, dass die Treugeber eine rechtsverbindliche und durchsetzbare Verpflichtung (§§ 887, 894 ZPO) zur Übertragung der Treugut-Anteile auf einen Treuhänder eingegangen sind, wirkt die Treuhand-Auflage als Sicherungsversprechen gläubigerbenachteiligend i. S. v. § 129 InsO. Denn hierdurch wird ein aus dem Vermögen des Treugebers zu befriedigender Vermögensanspruch i. S. d. § 38 InsO begründet, der in der Insolvenz des Treugebers, selbst wenn er noch bedingt sein

276

III. Insolvenz des Treugebers

sollte, gemäß § 45 InsO in Geld umgerechnet und zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Vgl. Ehricke/Behme, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 38 Rn. 69 ff. sowie Bitter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 45 Rn. 6 ff.; Keller, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 45 Rn. 3.

In diesem Fall dürfte die Abgabe des Sicherungsversprechens sogar mit einer 1067 unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 InsO einhergehen, die insbesondere in Betracht kommt, wenn der Treugeber zur Stellung einer Sicherheit zuvor rechtlich nicht verpflichtet war oder fremde Verbindlichkeiten – hier: die der Treugutgesellschaft – besichert. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rn. 114; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 84 f., 155 f., der insoweit nur eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung annimmt, weil das Sicherungsversprechen lediglich die Grundlage für einen weiteren gläubigerschädigenden Verlauf – namentlich die Weggabe des Treuguts – schaffe; a. A. wohl Rogler, Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite, S. 178: „Durch den schuldrechtlichen Übertragungsanspruch, sei er im Sicherungsvertrag oder in einem separaten Sicherungsversprechen vereinbart, wird die Insolvenzmasse nicht angetastet. (…) Es besteht kein Anlass, den keinerlei masseverkürzenden Übertragungsanspruch der Insolvenzanfechtung zu unterwerfen.“

An einer Gläubigerbenachteiligung kann es aber fehlen, wenn die Treugut- 1068 Anteile bereits zuvor, etwa durch ein Pfandrecht zugunsten der Kreditgläubiger, wertausschöpfend belastet waren. Denn wenn diese bereits zuvor nicht zur Befriedigung der Gläubigergesamtheit zur Verfügung standen, kann auch ein Vertrag, mit dem einem bestimmten Gläubiger ein (nochmaliges) Zugriffsrecht eingeräumt wird, nicht gläubigerbenachteiligend wirken. Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 62; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1376.

bb) Anfechtung nach §§ 130 – 132 InsO Hinsichtlich der Anfechtbarkeit des Sicherungsversprechens ist zunächst an 1069 eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO oder – sofern die Deckungsanfechtung nicht in Betracht kommt – nach § 132 InsO zu denken. Anfechtungsgegner sind die Begünstigten als Empfänger des Sicherungsversprechens des Treugebers. Denn durch die Abgabe des Sicherungsversprechens wird eine Besicherung 1070 i. S. v. §§ 130, 131 InsO „ermöglicht“. Die Erweiterung des Tatbestands auf das Ermöglichen einer Deckung zielte zwar vor allem auf Prozesshandlungen, wie z. B. ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO) ab, umfasst aber alle vorbereitenden Rechtshandlungen, die dem Gläubiger noch keine Sicherung gewähren, diesen aber in die Lage versetzen, sich eine solche zu verschaffen.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz Vgl. BT-Drucks, 12/2443, S. 157; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130 Rn. 13; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, § 130 Rn. 38 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 84 f., 155 f.

1071 Ob sich die Anfechtung des Sicherungsversprechens nach den Vorschriften der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) oder nach § 132 InsO vollzieht, hängt davon ab, ob die Begünstigten zum Zeitpunkt der Abgabe des Sicherungsversprechens Insolvenzgläubiger des Treugebers waren, da sich die Deckungsanfechtung nur gegen Insolvenzgläubiger richtet. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Treugeber den Begünstigten für die zu sichernden Forderungen ebenfalls haftet (z. B. als Gesamtschuldner oder Bürge) oder den Begünstigten rechtlich bereits zur Abgabe des Sicherungsversprechens verpflichtet war. Andernfalls richtet sich die Anfechtung nach § 132 InsO. Vgl. BGH, Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130 Rn. 19; Rogge/Leptien, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 130 Rn. 3.

1072 Für die Abgrenzung gilt: War der Treugeber den Kreditgebern – wie zumeist – zur Abgabe des Sicherungsversprechens zuvor nicht verpflichtet und waren diese auch nicht wegen einer bestehenden Mithaftung des Treugebers bereits dessen Insolvenzgläubiger, sondern wird durch die Abgabe des Sicherungsversprechens erstmals der als Insolvenzforderung zu qualifizierende Besicherungsanspruch begründet, richtet sich die Anfechtung ausschließlich nach § 132 InsO. Umgekehrt greifen bei einer bereits begründeten Insolvenzgläubigerstellung der Kreditgläubiger vorrangig die §§ 130, 131 InsO ein, welche der Anfechtung nach § 132 InsO als lex speciales vorgehen. Vgl. Schoppmeyer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 131 Rn. 85 und § 132 Rn. 7; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 131 Rn. 19.

1073 Sind die Drittbegünstigten hiernach als Insolvenzgläubiger anzusehen, ist für die Frage, ob sich die Anfechtung nach § 130 InsO oder § 131 InsO richtet, weiterhin zu fragen, ob diese einen Anspruch auf Abgabe des Sicherungsversprechens hatten. Nach Hirschberger soll dies der Fall sein, wenn die Abgabe des Sicherungsversprechens in dem gleichen Vertrag erfolgt, der den zu sichernden Anspruch selbst entstehen lässt. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 84 f., 155 f.

1074 Diese Betrachtung dürfte indes verkürzt sein. Zwar führt das im Austausch für die Kreditzusage gegebene Sicherungsversprechen nach allgemeiner Meinung dazu, dass die spätere Sicherheitenbestellung selbst kongruent ist (siehe hierzu Rn. 1108) begründet aber vor Abgabe des Sicherungsversprechens noch keinen Anspruch hierauf. Vielmehr ist das als Gegenleistung für die Kreditgewährung gegebene Sicherungsversprechen im Zwei-Personen-Verhältnis

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III. Insolvenz des Treugebers

regelmäßig deshalb nicht anfechtbar, weil es sich bei angemessener Besicherung eines zu marktüblichen Konditionen ausgereichten Kredits regelmäßig um einen nicht gläubigerbenachteiligenden, mindestens aber bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch handelt, mit dem infolge des Austauschs gleichwertiger Leistungen auch keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 132 InsO einhergeht. Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2018 – 9 U 94/16, ZIP 2018, 2032; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rn. 151.

In der hier zu betrachtenden Konstellation der doppelnützigen Sanierungs- 1075 treuhand geben die Treugeber im Normalfall aber ein Sicherungsversprechen für bereits ausgereichte und/oder neu auszureichende Kredite an einen Dritten – hier: die Treugutgesellschaft – ab. Hierbei findet in der Regel kein Leistungsaustausch zwischen Treugeber und Kreditgeber statt, weil die Gegenleistung des Kreditgebers nicht in das Vermögen des Treugebers gelangt (zur Bedeutung dieser Frage für die Anfechtung nach § 132 InsO siehe Rn. 1078 f., für die Anfechtung nach § 134 InsO siehe Rn. 1093 ff. und für das Vorliegen eines Bargeschäfts siehe Rn. 1099 ff.). Anders könnte der Fall nur liegen, wenn der Treugeber-Gesellschafter, etwa 1076 eine Konzern-Muttergesellschaft, selbst die Kreditmittel erhält und im Gegenzug die Anteile an ihren Tochtergesellschaften als Sicherheit zugunsten der Kreditgeber auf einen doppelnützigen Treuhänder überträgt. So etwa in BGH, Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23, mit der Besonderheit, dass die Treuhand nicht der Sicherung diente und dem Treuhänder kein Verwertungsrecht zustand, weil die dingliche Sicherheit über eine parallele Verpfändung der Gesellschaftsanteile sichergestellt wurde.

Im Regelfall der doppelnützigen Sanierungstreuhand, bei der die zu sichern- 1077 den Kredite der Drittbegünstigten an die Treugutgesellschaft und nicht an den Treugeber ausgereicht werden und die Kreditgeber zuvor auch noch keine Insolvenzgläubiger des Treugebers waren, dürfte daher allein die Anfechtung nach § 132 InsO in Betracht kommen. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 InsO liegt regel- 1078 mäßig vor, da – anders als im Anwendungsbereich des § 134 InsO (siehe hierzu Rn. 1093 ff.) – die Gegenleistung der drittbegünstigten Kreditgeber nicht in das Vermögen des Treugebers gelangt und der Befreiungsanspruch gegen den begünstigten Kreditnehmer in der Regel weniger wert ist bzw. die Durchsetzbarkeit des Freistellungsanspruchs im Vergleich zur originär vorhandenen Sicherheit im Schuldnervermögen erschwert ist. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rn. 114; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 242.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

1079 Unabhängig davon, ob sich die Anfechtung nach § 132 InsO oder in Einzelfällen nach §§ 130, 131 InsO richtet, dürften die Anfechtungsrisiken in Bezug auf die Anfechtung des Sicherungsversprechens in der Praxis in den meisten Fällen aber an den Anfechtungsfristen der §§ 130 – 132 InsO scheitern, da nach diesen Vorschriften nur Rechtshandlungen angefochten werden können, die innerhalb der letzten drei Monate vor Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des versprechenden Treugebers vorgenommen wurden. Dass der Treugeber drei Monate nach Vereinbarung einer Sanierungstreuhand zur Umsetzung eines Sanierungskonzepts für „seine“ Gesellschaft insolvent wird, dürfte in der Praxis kaum einmal der Fall sein, insbesondere, wenn der Treugeber nicht auch persönlich für die Kredite der drittbegünstigten Kreditgeber haftet. So auch Thole, KTS 2014, 45, 63; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1159; Budde, ZInsO 2011, 1376, 1373; Stadler, NZI 2009, 878, 879.

cc) Anfechtung nach § 133 InsO 1080 Das Sicherungsversprechen könnte ferner der Anfechtung nach § 133 InsO unterliegen. Danach sind Rechtshandlungen des Schuldners in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar, die dieser mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat, wenn der Anfechtungsgegner diesen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kannte und wusste, dass mit der Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung einhergeht. 1081 Da das Sicherungsversprechen wie vorstehend aufgezeigt zumeist keine Deckungshandlung i. S. d. §§ 130, 131 InsO darstellt, dürften die anfechtungsrechtlichen Privilegierungen in § 133 Abs. 2 InsO, der den Anfechtungszeitraum bei Deckungshandlungen auf vier Jahre verkürzt, und § 133 Abs. 3 InsO, der die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in Fällen kongruenter Deckungen (§ 130 InsO) „entschärft“, hinsichtlich der Anfechtung des Sicherungsversprechens selten einmal eingreifen. 1082 Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz i. S. d. § 133 InsO setzt das Bewusstsein des Schuldners voraus, nicht alle seine Gläubiger in angemessener Zeit befriedigen zu können, weswegen die mit der angefochtenen Rechtshandlung verbundene Zuwendung an den Anfechtungsgegner notwendigerweise mit einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger einhergeht. Daher wird der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners spiegelbildlich zu § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn dieser seine eigene (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt. BGH, Urt. v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 133 Rn. 13 ff.; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 34 ff.

1083 Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners wird ebenfalls vermutet, wenn dieser die (drohende) Zah-

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III. Insolvenz des Treugebers

lungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung kannte und wusste, dass die Handlung die übrigen Gläubiger benachteiligte. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung wird bei gewerblich tätigen Schuldnern ihrerseits vermutet, da nach Ansicht des BGH bei gewerblich tätigen, zahlungsunfähigen Schuldnern bei lebensnaher Betrachtung mit weiteren ungedeckten Ansprüchen zu rechnen ist. BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355; BGH, Urt. v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966.

Steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Schuldner und der An- 1084 fechtungsgegner die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannten, führt dies zu einer Umkehr der Beweislast. Namentlich muss nun der Anfechtungsgegner darlegen und beweisen, dass der Schuldner dennoch ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte oder er einen solchen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz jedenfalls nicht kannte. BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235; BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 133 Rn. 25 ff.

Denn im Einzelfall kann die Rechtshandlung trotz bestehender (drohender) 1085 Zahlungsunfähigkeit von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen getragen sein, etwa wenn der Schuldner im Rahmen eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs (§ 142 InsO) für seine eigene Leistung eine angemessene Gegenleistung erhält, BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59; BGH, Beschl. v. 24.9.2009 – IX ZR 178/07, juris,

oder wenn die Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, nicht offensichtlich aussichtslosen Sanierungsversuchs ist, der darauf abzielt den Schuldner zu sanieren und damit letztlich alle Gläubiger zu befriedigen. BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235; BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59; BGH, Urt. v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137, vgl. ausführlich zu den Voraussetzungen eines anfechtungsrechtlich anerkennenswerten Sanierungsversuchs Pape/Opp, Sanierungsgutachten, Rn. 263 ff.

Vor diesem Hintergrund dürften in den Fällen, in denen eine doppelnützige 1086 Sanierungstreuhand zum Einsatz kommt, an die Feststellung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon hohe Anforderungen zu stellen sein. Ist der Gesellschafter (Treugeber) wie nicht selten in Fällen der Sanierung 1087 mittelständischer Unternehmen eine natürliche Person, die ggf. über die reine Beteiligung hinaus nicht finanzwirtschaftlich mit dem Unternehmen verflochten ist, ist schon gar nicht gesagt, dass im Zeitpunkt der Abgabe des Si-

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

cherungsversprechens oder der Übertragung des Treuguts auch dessen Zahlungsunfähigkeit droht. Des Weiteren kann, wenn der Schuldner nicht gewerblich tätig ist, auch nicht vermutet werden, dass der Anfechtungsgegner um die Benachteiligung der übrigen Gläubiger wusste, weil er mit weiteren ungedeckten Ansprüchen rechnen musste. In diesen Fällen müssen die Indizien, die für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners sprechen, vielmehr dezidiert dargelegt und festgestellt werden, ohne auf (widerlegliche) Vermutungen zurückzugreifen. 1088 Darüber hinaus könnte ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners (Treugebers) und die Kenntnis des Anfechtungsgegners (die drittbegünstigten Kreditgeber) hiervon auch deshalb ausgeschlossen sein, weil die Einrichtung der doppelnützigen Sanierungstreuhand wie der Name schon sagt Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist. So auch Thole, KTS 2014, 45, 63; im Ergebnis ebenfalls Undritz, ZIP 2012, 1153, 1159; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1376.

1089 Dies kommt insbesondere in Konzernkonstellationen in Betracht, bei der die Übertragung der Gesellschaftsanteile durch die Konzernobergesellschaft (Treugeber) regelmäßig der Sanierung der gesamten Gruppe und damit auch der Muttergesellschaft selbst dient. Vgl. zur Sanierungsfähigkeit eines Konzerns „Fragen und Antworten: Zur Erstellung und Bewertung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6 (F & A zu IDW S 6)“ (Stand: 16.5.2018), Rn. 2.10.

1090 Aber auch in der Insolvenz einer natürlichen Person als Treugeber ist zu berücksichtigen, dass die Begründung einer doppelnützigen Sanierungstreuhand aus Sicht des Treugebers den Werterhalt seiner Beteiligung und die Sicherung der Chance, am Sanierungserfolg zu partizipieren, bezweckt (siehe hierzu Rn. 846 ff.). 1091 Insbesondere wenn ohne doppelnützige Sanierungstreuhand die Insolvenz der Treugutgesellschaft drohen würde, weil die zur Fortführung notwendigen Kredite nicht gewährt werden, würde der Vermögenswert der Beteiligung für die Gläubiger des Treugebers regelmäßig verloren gehen, weil der Insolvenzverwalter der Treugutgesellschaft deren Vermögen vorrangig zur Befriedigung der – mit den Gläubigern des Gesellschafters nicht notwendigerweise identischen – Gläubiger der Tochtergesellschaft zu verwerten hat und die Gesellschafter (Treugeber) hierbei in der Regel nichts mehr erhalten (§ 199 InsO). Der Werterhalt der Beteiligung durch den angestrebten Sanierungserfolg kommt daher auch den Gläubigern des Treugebers zugute und kann dessen künftige Refinanzierungsfähigkeit sogar wieder verbessern, etwa wenn infolge der gelungenen Sanierung wieder Dividende erwirtschaftet und an den Treugeber ausgezahlt wird oder die Anteile der sanierten Gesellschaft als Sicherheit für künftige Finanzierungen genutzt werden können. Vgl. Thole, KTS 2014, 45, 63.

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III. Insolvenz des Treugebers

Im Ergebnis ist die Anfechtung des Sicherungsversprechens der Treugeber 1092 nach § 133 InsO zwar denkbar, setzt aber voraus, dass im Einzelfall Umstände festgestellt werden können, die für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon sprechen. dd) Anfechtung nach § 134 InsO Das Sicherungsversprechen könnte schließlich nach § 134 InsO anfechtbar 1093 sein. Nach dieser Vorschrift sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar, die dieser innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen hat. Entgeltlich im anfechtungsrechtlichen Sinne ist eine Rechtshandlung des Schuldners dann, wenn seiner Leistung aufgrund vertraglicher Verknüpfung eine ausgleichende Gegenleistung des Anfechtungsgegners gegenübersteht, die – anders als im Falle des § 132 InsO – nicht notwendigerweise in das Vermögen des Schuldners zu erbringen ist. Beachtenswert ist auch eine ausgleichende Gegenleistung, die der Empfänger vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbringt. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 17 ff.; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 18 ff.

Nach diesen Grundsätzen ist die Abgabe des Sicherungsversprechens gegen- 1094 über den begünstigten Kreditgebern nicht unentgeltlich, wenn diese im Gegenzug vereinbarungsgemäß der Treugutgesellschaft Kredit gewähren. Die Kreditgewährung stellt insofern die ausgleichende Gegenleistung der Kreditgeber für das vonseiten des Schuldners gegebene Sicherungsversprechen dar. BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505; OLG Brandenburg, Urt. v. 22.1.1998 – 8 U 47/97, InVo 1999, 230; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 33 ff.; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 104 ff.; Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 134 Rn. 18; Rogge/Leptien, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 134 Rn. 36.

Voraussetzung ist allerdings, dass die begünstigten Kreditgeber als Gegen- 1095 leistung die Ausreichung eines neuen (Sanierungs-)Kredits zusagen. Nicht notwendig ist, dass die Vereinbarung über die Kreditgewährung mit dem Treugeber getroffen wird, es genügt auch die Vereinbarung mit einem Dritten, etwa der kreditnehmenden Treugutgesellschaft. Entscheidend ist, dass Sicherungsversprechen und Kreditzusage vereinbarungsgemäß von Anfang an miteinander verknüpft sind. Dann ist es unschädlich, wenn die Sicherheit erst nach der Kreditgewährung gestellt wird. Vgl. BGH, Beschl. v. 6.12.2012 – IX ZR 105/12, NZI 2013, 81; BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 104 ff.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

1096 Die anfängliche Drittsicherung ist daher in der Regel unter dem Blickwinkel des § 134 InsO unanfechtbar. 1097 Anders liegt es, wenn die Kreditgeber als Gegenleistung für die Gesellschaftersicherheit keinen neuen Sanierungskredit ausreichen, sondern mit der Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder nur Altkredite unter Deckung genommen werden. Denn – anders als im Zwei-Personen-Verhältnis, in dem von der Rechtsprechung auch die reine Nachsicherung als entgeltlich anerkannt wird – stellt das Stehenlassen einer Forderung unabhängig von der Frage der Werthaltigkeit nach Ansicht des BGH bei der Bestellung von Drittsicherheiten keine ausgleichende Gegenleistung des Sicherungsnehmers dar. Vgl. BGH, Beschl. v. 6.12.2012 – IX ZR 105/12, NZI 2013, 81; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122; Kayser/ Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 33a; kritisch Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 105, denen jedenfalls insofern zuzustimmen ist, als eine Gegenleistung auch in Betracht zu ziehen sein sollte, wenn die Bank dem Kreditnehmer durch eine aktive, über die bloße Vertragserfüllung hinausgehende Entscheidung ein neues Kapitalnutzungsrecht einräumt (zur parallelen Fragestellung im Rahmen des Sanierungskredits i. S. d. §§ 138, 826 BGB siehe Rn. 128 ff.); insgesamt kritisch Fischer, ZInsO 2011, 1042 ff., der die generelle, vierjährige Anfechtbarkeit von nachträglich bestellten Drittsicherheiten als unangemessen erachtet, insbesondere wenn zum Bestellungszeitpunkt noch gar keine Krise des Hauptschuldners oder Sicherungsgebers vorlag, und dafür plädiert, dass in die Bewertung der Unentgeltlichkeit die Frage der Werthaltigkeit der Kreditforderung bzw. des internen Freistellungsanspruchs des Drittsicherungsgebers einbezogen werden müsste. Eine Sichtweise, die auch der II. Zivilsenat im Kapitalerhaltungsrecht eingenommen hat, der bei Prüfung, ob die Bestellung einer UpstreamSicherheit eine verbotene Auszahlung i. S. d. §§ 30, 31 GmbHG darstellt, allein auf die Werthaltigkeit des Freistellungsanspruch des Sicherungsgebers im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung abstellt, von der auszugehen sei, wenn der Hauptschuldner aus ex-ante-Sicht zur Kreditrückführung in der Lage ist, vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, BGHZ 214, 258.

1098 Die Abgabe des Sicherungsversprechens kann in der Insolvenz des Treugebers aber ggf. gegenüber der kreditnehmenden Treugutgesellschaft nach § 134 InsO angefochten werden, wenn diese keine ausgleichende Gegenleistung, etwa angemessene Zinsen, an den Treugeber erbringt. Denn das rein wirtschaftliche Interesse des Treugebers am Wohlergehen des (konzernangehörigen) Unternehmens genügt nicht ohne Weiteres, um eine Entgeltlichkeit anzunehmen. Dieses kann allenfalls ein Indiz für die Entgeltlichkeit sein. Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122; BGH, Urt. v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, ZIP 2006, 1362; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 106; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 33a; anders noch zum alten Recht BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291.

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III. Insolvenz des Treugebers

ee) Bargeschäft (§ 142 InsO) Greift nach oben dargestellten Grundsätzen ein Anfechtungstatbestand hin- 1099 sichtlich Anfechtung des Sicherungsversprechens gegenüber den drittbegünstigten Kreditgläubigern grundsätzlich ein, ist die Anfechtung in der Regel nicht nach § 142 InsO ausgeschlossen. Zwar kann ein Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO auch in ein Drei- oder Mehr- 1100 personenverhältnis eingebettet sein, wenn der mehrseitige Leistungsaustausch durch Parteiabrede derart miteinander verknüpft ist, dass der Schuldner für seine Leistung vereinbarungsgemäß über weitere Personen eine ausgleichende Gegenleistung erhält. Voraussetzung ist aber stets, dass die Gegenleistung tatsächlich in das Vermögen des Schuldners erbracht wird, Leistungen des Anfechtungsgegners an Dritte genügen in der Regel nicht. Vgl. Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 142 Rn. 14 und Rn. 62 f.; Kirchhof/Piekenbrock, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 142 Rn. 6 und Rn. 14.

Die Voraussetzungen eines Bargeschäfts werden daher bei der doppelnützi- 1101 gen Sanierungstreuhand in der Regel nicht vorliegen, wenn der Kreditgeber als Gegenleistung für die von dem Schuldner gestellte Sicherheit einen Kredit an die Treugutgesellschaft ausreicht, denn hierdurch wird die Aktivmasse des Treugebers/Schuldners nicht gemehrt. Anders kann der Fall in Konzernkonstellationen liegen, wenn die Muttergesellschaft als Gegenleistung für einen an sie ausgereichten Kredit die Anteile an ihren Tochtergesellschaften auf einen doppelnützigen Treuhänder überträgt. b) Anfechtung des Treuhandvertrags Als anfechtbare Rechtshandlung kommt ferner der Abschluss des Treuhand- 1102 vertrags zwischen Treugeber und Treuhänder in Betracht. Zwar erfolgen Abschluss des Treuhandvertrags und die Übertragung des Treuguts regelmäßig in ein und derselben Urkunde, anfechtungsrechtlich ist aber zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden. Bei der Prüfung, ob der Abschluss des Treuhandvertrags anfechtbar ist, muss 1103 sorgsam unterschieden werden zwischen der Anfechtbarkeit gegenüber dem Treuhänder als Vertragspartei und derjenigen gegenüber den drittbegünstigten Kreditgebern, welche an dem Vertrag zwar nicht beteiligt sind, über die Gestaltung als Vertrag zugunsten Dritter aber ein eigenes Forderungsrecht gegenüber dem Treuhänder erwerben (§ 328 BGB) und eine Sicherheit vermittelt bekommen. Anfechtungsrechtlich können der Treuhänder als Leistungsmittler, der den begünstigten Kreditgebern die Drittsicherheit vermittelt, und die gesicherten Kreditgeber als Zuwendungsempfänger betrachtet werden. Aus Darstellungsgründen soll zunächst die Anfechtbarkeit gegenüber den drittbegünstigten Kreditgebern als Zuwendungsempfänger und anschließend die Anfechtbarkeit gegenüber dem Treuhänder untersucht werden:

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

aa) Anfechtung gegenüber den Drittbegünstigten (1) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) 1104 Der Abschluss des Treuhandvertrags als Sicherungsvertrag bewirkt eine Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 InsO. Denn in Erweiterung des Sicherungsversprechens, welches bis zu seiner Erfüllung eine bloße Insolvenzforderung darstellt (siehe Rn. 1064 ff.) verknüpft der Treuhandvertrag das Treugut als dinglich haftenden Sicherungsgegenstand mit den zu sichernden Forderungen der drittbegünstigten Kreditgeber und begründet somit das fremdnützige Absonderungsrecht des Treuhänders zugunsten der gesicherten Drittbegünstigten. Ohne Abschluss des Treuhandvertrags als Sicherungsvertrag bestünde nämlich nur ein einfaches Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder und der Treugeber könnte das Treugut jederzeit wieder von dem Treuhänder herausverlangen. Vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – IX ZR 21/84, WM 1984, 1194; OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.1.1984 – 10 U 388/82, WM 1984, 1193.

1105 Durch den Abschluss des Treuhandvertrags wird den Drittbegünstigten auch unmittelbar etwas aus dem Vermögen des Treugebers zugewendet, denn diese erwerben im Regelfall ein eigenes Forderungsrecht gegen den Treuhänder (§ 328 Abs. 1 BGB). Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1971 – VIII ZR 182/69, BGHZ 55, 307.

1106 Als Folge der Anfechtung muss der aus der Treuhand Begünstigte die anfechtbar erlangte Position herausgeben, sodass das Treugut in die Masse gezogen werden kann. Vgl. BGH, Urt. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 286.

(2) Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO 1107 Die Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) des Treuhandvertrags richtet sich in der Regel gegen die gesicherten Drittbegünstigten, die aufgrund des Sicherungsversprechens einen Anspruch gegen den Treugeber auf Sicherstellung haben, sofern dieses nicht erfolgreich angefochten wurde. Denn Insolvenzgläubiger i. S. d. §§ 130, 131 InsO sind im Falle einer solchen mittelbaren Zuwendung allein die drittbegünstigten Empfänger der Sicherheit, sofern es sich für diese erkennbar um eine Leistung des Treugebers/Schuldners handelt, und nicht der Sanierungstreuhänder, der Vermögen des Treugebers übernimmt, um dieses an dessen Gläubiger zu verteilen. Vgl. BGH; Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130 Rn. 17c und Rn. 21.

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III. Insolvenz des Treugebers

Die Anfechtung des Treuhandvertrags dürfte sich im Regelfall nach § 130 InsO 1108 richten. Denn zum einen haben die Drittbegünstigten aufgrund des Sicherungsversprechens einen Anspruch gegen die Treugeber auf Abschluss eines Sicherstellungsvertrags und Bestellung der dinglichen Sicherheit. Zum anderen ist die Bestellung einer Sicherheit auch dann kongruent, wenn diese in dem ursprünglichen (Kredit-)Vertrag vereinbart wird, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, da in diesem Fall von Anfang an ein Anspruch auf Sicherheit bestand. Vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 131 Rn. 19; Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 131 Rn. 20; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 84 f., 155 f.

Wird also in den Vereinbarungen über die Bereitstellung von neuen Sanie- 1109 rungskrediten für die zu sanierende Treugutgesellschaft unter Einbeziehung der Treugeber als (Dritt-)Sicherungsgeber gleichzeitig die Einrichtung einer doppelnützigen Sanierungstreuhand zur Sicherung dieser neuen Kredite der Drittbegünstigten vereinbart, ist die spätere Errichtung der Treuhand nur noch als kongruente Deckung nach § 130 InsO anfechtbar. Werden dagegen mit der Sicherheit neben einem neu auszureichenden Sanie- 1110 rungskredit auch Altkredite unter Deckung genommen werden, ist die gesamte Besicherung inkongruent, wenn sich nicht feststellen lässt, in welchem Umfang sich die Sicherheit auf Altkredite oder den neuen Kredit bezieht. Letzteres kann aber der Fall sein, wenn die Sicherheit vorrangig nur für den neuen Kredit haftet und der Erlös auch nur für diesen ausreicht. Erst recht inkongruent ist die alleinige nachträgliche Besicherung bereits bestehender Altkredite. Vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 131 Rn. 19; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, § 131 Rn. 59 ff; Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 131 Rn. 21.

Besteht dagegen vor Abschluss des Treuhandvertrags kein Anspruch der Be- 1111 günstigten auf Sicherheitenstellung, etwa infolge der erfolgreichen Anfechtung des Sicherungsversprechens oder weil der Anspruch auf Besicherung nicht zugleich mit der zu sichernden Hauptforderung begründet wurde, dürfte wiederum allein die Anfechtung nach § 132 InsO in Betracht kommen. (3) Anfechtung nach § 133 InsO Nach allgemeinen Grundsätzen möglich bleibt die Anfechtung gegenüber 1112 den durch die Sicherheit begünstigten Kreditgebern nach § 133 InsO, die insofern als Zuwendungsempfänger sogar primär Anfechtungsgegner sind. Vgl. Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 174.

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

1113 Infolge der Reform des Anfechtungsrechts durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ vom 29.3.2017, BGBl. I 2017, S. 654,

beträgt die Anfechtungsfrist gegenüber den Drittbegünstigten als Insolvenzgläubiger des Treugebers nach § 133 Abs. 2 InsO allerdings nur noch vier Jahre, wohingegen die – grundsätzlich mögliche – Anfechtung gegenüber dem Treuhänder (siehe hierzu Rn. 1122 ff.) weiterhin der zehnjährigen Anfechtungsfrist unterliegt. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 133 Rn. 10.

1114 Hier wird es aber häufig am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehlen, wenn die durch die Treuhand vermittelte Sicherheit Bestandteil eines Sanierungsversuchs ist (siehe hierzu Rn. 1080 ff.). (4) Anfechtung nach § 134 InsO 1115 Die Begründung des Treuhandverhältnisses könnte gegenüber den Drittbegünstigten ferner nach § 134 InsO anfechtbar sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese im Falle eines Vertrags zugunsten Dritter einen eigenen Anspruch gegen den Treuhänder erwerben (§ 328 Abs. 1 BGB). Andernfalls haben die Drittbegünstigten bis zur tatsächlichen Auskehr durch den Treuhänder als Mittelsmann noch nichts erlangt, sodass eine Anfechtung nach § 134 InsO solange nicht möglich ist. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 14 ff.

1116 Die Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber den Drittbegünstigten kann aber daran scheitern, dass der Treugeber durch Abschluss des Sicherstellungsvertrags nur eine eigene, entgeltlich begründete Verpflichtung, namentlich das Sicherungsversprechen, erfüllt. Denn soweit das Sicherungsversprechen als Gegenleistung für die Zusage eines neuen Kredits der Kreditgeber an die Treugutgesellschaft abgegeben wurde, ist dieses nicht unentgeltlich, sondern begründet eine entgeltliche Verbindlichkeit des Treugebers (siehe hierzu Rn. 1093 f.). 1117 Infolgedessen ist auch der Treuhandvertrag als Sicherstellungsvertrag nicht unentgeltlich, weil der Treugeber im Gegenzug von einer Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung, befreit wird. Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.1990 – 13 U 309/89, ZIP 1991, 43; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 26; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 41 ff.; Thole, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 134 Rn. 18; Bork, NZI 1999, 337, 343; im Ergebnis auch Thole, KTS 2014, 45, 64 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 152 f.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1159 f.

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III. Insolvenz des Treugebers

bb) Anfechtung gegenüber dem Treuhänder (1) Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) Eine Gläubigerbenachteiligung geht mit dem Abschluss des Treuhandver- 1118 trags und dessen Vollzug durch Übertragung des Treuguts regelmäßig einher, weil hiermit ein Zugriffshindernis für die Gläubiger des Treugebers entsteht. Diesem steht – jedenfalls im Falle eines uneigennützigen Verwaltungstreuhandverhältnisses – zwar grundsätzlich ein Herausgabeanspruch nach §§ 665, 667 BGB gegen den Treuhänder zu, dieser stellt aber kein gleichwertiges Surrogat dar, weil Gläubiger des Treugebers das Treugut nicht direkt im Wege der Zwangsvollstreckung verhaften können und auch ein Insolvenzverwalter des Treugebers erst einen Herausgabetitel gegen den Treuhänder erwirken müsste. Vgl. BGH, Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 224/16, ZIP 2017, 1863; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rn. 140; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 286.

Erst recht entsteht daher ein Zugriffshindernis, wenn durch den Vertrag zu- 1119 gunsten Dritter ein vorrangiges Zugriffsrecht der Drittbegünstigten begründet wird. (2) Anfechtung nach §§ 130 – 132 InsO Eine Anfechtung der Begründung des Treuhandverhältnisses nach §§ 130 – 1120 132 InsO gegenüber dem Treuhänder scheidet regelmäßig aus. Hinsichtlich der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) folgt dies daraus, dass Anfechtungsgegner die Drittbegünstigten als Insolvenzgläubiger des Treugebers und Zuwendungsempfänger sind (siehe Rn. 1107 ff.). Die grundsätzlich mögliche Deckungsanfechtung im Verhältnis zu den 1121 Drittbegünstigten sperrt darüber hinaus auch eine Anfechtung nach § 132 InsO gegenüber dem Treuhänder, da sich die Subsidiarität des § 132 InsO nicht nur gegenüber dem Zuwendungsempfänger, sondern auch im Verhältnis zum Leistungsmittler durchsetzt. Vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 132 Rn. 5; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 132 Rn. 4a.

(3) Anfechtung nach § 133 InsO Nach der Rechtsprechung des BGH bleibt auch im Falle einer mittelbaren 1122 Zuwendung die Anfechtung nach § 133 InsO gegenüber dem Treuhänder als Leistungsmittler möglich. Dies ist der Fall, wenn der eingeschaltete Leistungsmittler nicht bloß die Funktion einer technischen Zahlstelle wahrnimmt,

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C. Die Treuhand in der Insolvenz

sondern im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer Gläubigerbenachteiligung des Schuldners mitwirkt. Aus dieser Mitwirkung des Leistungsmittlers i. V. m. dessen Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann auf die Kenntnis des Leistungsmittlers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden. BGH, Urt. v. 14.9.2017 – IX ZR 3/16, ZIP 2017, 2370; BGH, Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 224/16, ZIP 2017, 1863; BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 133 Rn. 21b; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 174 ff.

1123 Ein Eigeninteresse wird man nicht originär aus der Tatsache herleiten können, dass der Treuhänder aufgrund eines entgeltlichen Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit dem Treugeber tätig wird und lediglich darauf bedacht ist, seine Vertragspflichten zu erfüllen. Denn auch der bloß als Zahlstelle tätig werdenden Bank geht es regelmäßig nur um die vertragsgemäße Abwicklung des Zahlungsverkehrs, für welche sie ein bankübliches Entgelt beansprucht. Mit Blick auf die hier gegenständliche Zuwendung des Treuguts wäre für ein Eigeninteresse des Treuhänders bzw. die teilweise Eigennützigkeit des Treuhandverhältnisses vielmehr danach zu fragen, ob diesem über sein angemessenes Entgelt hinaus ein Teil des Treuguts verbleiben soll, etwa um eigene Ansprüche gegen den Treugeber zu decken. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 13.

1124 Ansonsten sind die Rechtsverhältnisse getrennt voneinander zu betrachten: Einerseits die Übernahme der Geschäftsbesorgung durch den Treuhänder gegen angemessenes Entgelt, was nicht per se der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO zu unterstellen ist, wenn die Errichtung der Treuhand in einen ernsthaften Sanierungsversuch eingebunden ist, und die durch die doppelnützige Treuhand bewirkte Sicherung der Drittbegünstigten andererseits. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 133 Rn. 163b ff.

1125 Dies schließt die Anfechtung nach § 133 InsO gegenüber dem Treuhänder freilich nicht aus, weil dieser im Rahmen der doppelnützigen Sanierungstreuhand unstreitig auch im Interesse der gesicherten Drittbegünstigten tätig wird. Liegen mithin die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 InsO im Zeitpunkt der Begründung des Treuhandverhältnisses vor, insbesondere weil Treugeber und Treuhänder über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Treugebers unterrichtet sind, weiß der Treuhänder, dass er mit der Übernahme des Treuguts mit dem Zweck, hieraus nur die Drittbegünstigten zu befriedigen, die übrigen Gläubiger des Treugebers benachteiligt. 1126 Hat der Treuhänder das Treugut zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits verwertet und den Erlös an die Drittbegünstigten ausgekehrt, kann er sich ge290

III. Insolvenz des Treugebers

genüber dem Anfechtenden nach neuerer Rechtsprechung des BGH nicht auf Entreicherung berufen, da er insofern nicht schutzwürdig sei. Vielmehr haftet der Treuhänder gesamtschuldnerisch neben den Drittbegünstigten als Zuwendungsempfängern auf Wertersatz gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB. Im Innenverhältnis sind die Drittbegünstigten nach § 426 Abs. 1 BGB allerdings allein zur Rückgewähr verpflichtet, weswegen dem Treuhänder ein Freistellungs- bzw. Gesamtschuldnerausgleichsanspruch gegen die Drittbegünstigten zusteht. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129; anders noch OLG Celle, Urt. v. 18.5.2006 – 13 U 120/03, ZIP 2006, 1878.

Freilich werden die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 InsO 1127 selten einmal vorliegen, weil die doppelnützige Treuhand regelmäßig in einen ernsthaften Sanierungsversuch eingebunden ist und der Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit hierdurch gerade verhindert werden soll (siehe Rn. 1080 ff.). (4) Anfechtung nach § 134 InsO Die Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Treuhänder scheidet dage- 1128 gen in der Regel aus, weil der fremdnützig tätige Treuhänder regelmäßig nichts für sich erlangt, sofern er sich an die Treuhandabrede hält. Denn es kann nicht isoliert auf das Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder abgestellt werden. Vielmehr ist die Anfechtbarkeit nicht anders zu beurteilen, als wenn der Treugeber das Treugut direkt den Drittbegünstigten zugewendet hätte. OLG Celle, Urt. v. 18.5.2006 – 13 U 120/03, ZIP 2006, 1878; OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.1990 – 13 U 309/89, ZIP 1991, 43; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 152 f.; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1159 f.

Nach Ansicht des BGH ist die Begründung des Treuhandverhältnisses für 1129 den Treuhänder vielmehr entgeltlich, weil dieser von vornherein einem ausgleichenden Anspruch ausgesetzt ist, namentlich entweder zur Herausgabe des Treuguts (§§ 665, 667 BGB) oder zur zweckentsprechenden Verwendung des Treuguts verpflichtet ist. BGH, Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 224/16, ZIP 2017, 1863; BGH, Urt. v. 8.12.2016 – IX ZR 257/15, ZIP 2017, 91; Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 134 Rn. 13; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 62.

c) Anfechtung der Übertragung des Treuguts Als anfechtbare Rechtshandlung kommt weiterhin die Übertragung des Treu- 1130 guts auf den Treuhänder in Betracht. Für diese gelten im Grundsatz die gleichen Regeln wie für den Abschluss des Treuhandvertrags selbst. 291

C. Die Treuhand in der Insolvenz

1131 Dies folgt daraus, dass es sich bei der Sicherungszuwendung des Treugebers an die Drittbegünstigten im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) um eine einheitliche Zuwendung handelt, die sich untergliedert in die Zuwendung des eigenen Forderungsrechts des Dritten im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts und die Erfüllung dieses Anspruchs im Deckungsverhältnis. Vor der Weiterübertragung des Treuguts durch den Treuhänder haben die Drittbegünstigten als Folge der Anfechtung den aus dem Vertrag zugunsten Dritter erlangten Anspruch, nach dessen Erfüllung das daraus Erlangte herauszugeben. Vgl. Kayser/Freudenberg, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rn. 13 und § 134 Rn. 14a; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 83; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 27 f.; Rogge/Leptien, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 134 Rn. 8 f.

1132 Anders als in Fällen der Zuwendung des Bezugsrechts aus einem Versicherungsvertrag, bei denen der Leistende mit der Prämienzahlung zum einen seiner Verpflichtung gegenüber der Versicherung nachkommt und zum anderen eine mittelbare Zuwendung an den Bezugsberechtigten erbringt, dürfte in Fällen der doppelnützigen Sanierungstreuhand auch keine Leistung mit Doppelwirkung vorliegen. Vgl. hierzu Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 281.

1133 Denn der Treuhänder hat im Rahmen des übernommenen Geschäftsbesorgungsverhältnisses keinen Anspruch gegen den Treugeber auf Übertragung des Treuguts. Den Treugeber als Auftraggeber treffen nach herrschender Meinung lediglich Obliegenheiten, aber keine echten Mitwirkungspflichten, kraft derer der Treuhänder die Übertragung verlangen könnte. Überlässt der Treugeber dem Treuhänder das Treugut nicht, wird dieser ggf. nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner eigenen Leistungspflicht frei. Vgl. Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 662 Rn. 74; Sprau, in: Palandt, BGB, § 662 Rn. 10.

1134 Die Pflichtverletzung des Treugebers läge vielmehr in der Nichterfüllung des Sicherungsversprechens gegenüber den Drittbegünstigten. 1135 Daher scheidet auch im Falle der Übertragung des Treuguts eine Anfechtung gegenüber dem Treuhänder nach § 132 InsO wegen der hiermit verbundenen unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung aufgrund der grundsätzlich möglichen Deckungsanfechtung gegenüber den Drittbegünstigten aus (siehe Rn. 1120 f.). A. A. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 154, der den Treuhänder als Anfechtungsgegner im Rahmen der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) ansieht, was aber an der fehlenden Insolvenzgläubigerstellung des Treuhänders in der Insolvenz des Treugebers scheitern muss.

1136 Infolge einer erfolgreichen Anfechtung des den Drittbegünstigten im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter zugewendeten Forderungsrechts ist der 292

IV. Insolvenz des Treuhänders

Treuhänder daher nur nach allgemeinen Vorschriften (§§ 665, 667 BGB oder ggf. § 812 BGB) zur Herausgabe des Treuguts an den Insolvenzverwalter des Treugebers verpflichtet. Denkbar bleibt wie schon beim Abschluss des Treuhandvertrags aber eine 1137 Anfechtung gegenüber dem Treuhänder nach § 133 InsO (siehe Rn. 1122 ff.). IV. Insolvenz des Treuhänders Auch in der (eher praxisfernen) Insolvenz des Doppeltreuhänders ist zwi- 1138 schen dem Schicksal des Treuhandvertrags einerseits und der dinglichen Berechtigung am Treugut andererseits zu unterscheiden. 1. Schicksal des Treuhandvertrags In der Insolvenz des Doppeltreuhänders führt die Insolvenzeröffnung nicht 1139 automatisch zum Erlöschen des Treuhandvertrags. §§ 115, 116 InsO sind in dieser Konstellation nicht anwendbar, da diese nur die umgekehrte Konstellation erfassen, sprich Verträge, bei denen der Insolvenzschuldner Auftraggeber ist. Der Treuhänder agiert jedoch als Auftragnehmer im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrags. Ob dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Treuhänders ein Wahl- 1140 recht nach § 103 InsO zusteht, ob er den Vertrag erfüllen möchte oder nicht, hängt davon ab, ob es sich im spezifischen Fall um einen gegenseitigen, von beiden Teilen noch nicht vollständig erfüllten Vertrag handelt. Für ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO wohl die überwiegende Meinung, vgl. etwa Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 369a; Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 116 Rn. 4; Marotzke, in: Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung, § 116 Rn. 21; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 157 f.; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1376; v. Rom, WM 2008, 813, 819; a. A. eher Stürner, KTS 2004, 259, 265 f., der davon ausgeht, dass der Treugeber (Sicherungsgeber) mit Hingabe der Sicherheit bereits vollständig erfüllt habe bzw. schon gar kein gegenseitiger, sondern ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag vorliegt. Dies könnte insofern aber zweifelhaft sein, wenn den Treugeber auch nach Übertragung des Treuguts (Sicherungsguts) weitere Mitwirkungs- und Informationspflichten treffen, da im Anwendungsbereich des § 103 InsO nur völlig unbedeutende vertragliche (Neben-)Pflichten außer Betracht bleiben.

Unabhängig davon, ob ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters über das Ver- 1141 mögen des Treuhänders besteht oder nicht, werden die Treugeber und die Begünstigten regelmäßig aber kein Interesse an der Fortführung des Treuhandverhältnisses mit dem insolventen Treuhänder haben. Neben der Tatsache, dass nicht mehr die Person des ausgewählten Treuhänders, auf die sich die Beteiligten geeinigt haben, sondern deren Insolvenzverwalter plötzlich die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag wahrnehmen würde, 293

C. Die Treuhand in der Insolvenz vgl. Stürner, KTS 2004, 259, 265; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 161, der aufzeigt, dass Treugeber und Drittbegünstigte infolge ihres gemeinsam Aussonderungsrechts verlangen können, dass der Insolvenzverwalter des Treuhänders das Treugut aus der Masse freigibt, da dieses haftungsrechtlich nicht zur Insolvenzmasse des Treuhänders gehört, sodass der Doppeltreuhänder weiterhin über das Treugut verfügen könne,

stellen sich auch Fragen hinsichtlich des haftungsrechtlichen Zugriffs auf das Treugut bzw. dessen Surrogate. 1142 Tritt nach der Insolvenz des Treuhänders etwa ein Verwertungsfall ein und verwertet der Insolvenzverwalter des Treuhänders infolgedessen das Treugut, geht das auf Rückübertragung des Treuguts gerichtete Aussonderungsrecht (dazu sogleich) des Treugebers unter, denn an die Stelle des Treuguts tritt der Erlös als dessen Surrogat, an dem sich die treuhänderische Zweckbindung wegen des „Surrogationsverbots“ nicht fortsetzt. Vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 31 und Rn. 357; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 112 f.; v. Rom, WM 2008, 813, 815; a. A. Hirschberger, der dem Drittbegünstigten ein Aussonderungsrecht am Erlös zuspricht, weil er das Verhältnis zwischen Treuhänder und Drittbegünstigtem als Verwaltungstreuhandverhältnis qualifiziert, das sich an dem Erlös fortsetze.

1143 Soweit dem Treugeber ein Übererlös zustünde, scheitert auch ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 48 InsO, weil es sich bei Fortsetzung des Treuhandverhältnisses und vertragsgemäßer Verwertung nicht um eine unberechtigte Veräußerung des Treuguts handeln würde. Es verbliebe mithin nur ein Anspruch auf Erlösauskehr im Rang einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das Risiko der Masseunzulänglichkeit verbliebe daher bei den Treugebern. Vgl. v. Rom, WM 2008, 813, 816.

1144 Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man das Treuhandverhältnis auch auf das Surrogat des Treuguts im Falle von dessen Veräußerung erstrecken würde. Dies liefe im Ergebnis auf die Anerkennung der Insolvenzfestigkeit der Erwerbstreuhand und eine Abkehr vom Unmittelbarkeitsprinzip hinaus, da der Treuhänder das Surrogat für den Treugeber erwirbt. Anerkannt hat der BGH dies bislang aber v. a. für Treuhandkonten, da der kontoführende Treuhänder die Ansprüche gegen die Bank für den Treugeber erwirbt, in dessen Person aber die eingezogenen Forderungen entstanden sein müssen (siehe Rn. 380 ff.); siehe ebenso Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 392 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 814.

1145 Da sich aber eine generelle Abkehr des BGH vom Unmittelbarkeitsprinzip noch nicht feststellen lässt, gehen die Risiken insoweit zulasten der Treugeber. Vgl. v. Rom, WM 2008, 813, 814 f.; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 111 ff.

294

IV. Insolvenz des Treuhänders

Soweit den Drittbegünstigten überhaupt ein Aussonderungsrecht an dem Er- 1146 lös zustehen könnte, würde ein solches im Verwertungsfalle ebenfalls untergehen. Ebenso wie bei der typisch ausgestalteten doppelnützigen Sanierungstreuhand stünde den Drittbegünstigten wohl nur noch ein auf Erlösauskehr gerichteter, schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch zu, den diese in der Insolvenz des Treuhänders nur noch zur Insolvenztabelle anmelden könnten (siehe Rn. 1001 ff.). Die Treugeber werden daher den Treuhandvertrag in der Regel mit Antrag 1147 auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treuhänders im Einvernehmen mit den Drittbegünstigten aus wichtigem Grund kündigen. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des 1148 Treuhänders dürfte regelmäßig ein außerordentliches Kündigungsrecht der Treugeber begründen. So auch Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 116 Rn. 4; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1376; v. Rom, WM 2008, 813, 820; Stürner, KTS 2004, 259, 265 f.

2. Aussonderungsrecht Für die Verwaltungstreuhand ist allgemein anerkannt, dass der Treugeber das 1149 Treugut in der Insolvenz des Treuhänders aussondern kann, da das Treugut haftungsrechtlich nicht dem Vermögen des Treuhänders, sondern dem des Treugebers zuzuordnen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Treugut – wie im Falle der Sanierungstreuhand – dem Treuhänder unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers übertragen wurde. Vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227; BGH, Urt. v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 369; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 47 Rn. 85; Scholz, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 47 Rn. 41; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 111 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 814; Stürner, KTS 2004, 259, 260 f.

Bei der doppelseitigen Treuhand besteht indes die Besonderheit, dass die 1150 Treugeber nicht nur durch die Elemente einer Verwaltungstreuhand mit dem Treuhänder, sondern durch das Sicherungsversprechen zugleich mit den Begünstigten verbunden sind. Der Treugeber kann Herausgabe des Treuguts an sich mithin nur verlangen, wenn zwischenzeitlich der Sicherungszweck entfallen ist. Vgl. Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, S. 132; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 390; v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 309 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 158; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 131 f.; v. Rom, WM 2008, 813, 815.

295

C. Die Treuhand in der Insolvenz

1151 Besteht der Sicherungszweck noch, weil die gesicherten Forderungen der Begünstigten noch nicht abgelöst wurden, kann der Treugeber nur Herausgabe an einen im Einvernehmen mit den Begünstigten bestimmten Ersatztreuhänder verlangen, was oftmals explizit im Treuhandvertrag geregelt ist. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 390; Scholz, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 47 Rn. 43; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 131 f.; v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 309 ff.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 159 ff.

1152 Um auch im – freilich unwahrscheinlichen – Fall einer Insolvenz auch des zweiten Treuhänders im Hinblick auf das Unmittelbarkeitsprinzip abgesichert zu sein, sollte das Treugut zunächst an die Treugeber rückübertragen und von diesen (unmittelbar) an den Ersatztreuhänder abgetreten werden. 1153 In der Literatur wird teilweise sogar ein eigenes Aussonderungsrecht der Begünstigten erwogen. Vgl. Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 162 f.; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 128 ff.; v. Rom, WM 2008, 813, 819 f.; Stürner, KTS 2004, 259, 262 ff.

1154 Allerdings kann ein solches in der Rechtsprechung des BGH aufgrund der bislang nur für Fälle der Treuhandkonten anerkannten Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsprinzip (siehe Rn. 380 ff.) nicht als gesichert angesehen werden. Vgl. Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 128 ff.; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1377; v. Rom, WM 2008, 813, 817 ff.; Stürner, KTS 2004, 259, 262 ff.

1155 In der Literatur werden hierzu verschiedene Hilfskonstruktionen diskutiert, beispielsweise ein kurzfristiges Hin- und Herübertragen des Treuguts zwischen Treuhänder und Begünstigten, um so die Unmittelbarkeit herzustellen, insofern kritisch Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 357; v. Rom, WM 2008, 813, 817,

oder die Abtretung des Herausgabeanspruchs durch den Treugeber an die Drittbegünstigten. So: v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 330 ff.; Stürner, KTS 2004, 259, 268 ff.; hierzu ebenfalls skeptisch v. Rom, WM 2008, 813, 818 f., der anführt, dass der abgetretene Rückgewähranspruch bei der Doppelinsolvenz von Treugeber (Sicherungsgeber) und Treuhänder vom Insolvenzverwalter des Treugebers über die Insolvenzanfechtung wieder zur Insolvenzmasse des Treugebers gezogen werden könnte, dem nach § 166 Abs. 2 InsO zudem das Verwertungsrecht an dem abgetretenen Anspruch zustünde.

1156 Am Überzeugendsten erscheint der Ansatz, dass den Drittbegünstigten zwar kein Aussonderungsrecht im Sinne eines Herausgabeanspruchs an sich zusteht, sie bis zum Fortfall des Sicherungszwecks (infolgedessen der Treuge296

IV. Insolvenz des Treuhänders

ber wieder vollumfänglich zur auf Rückübertragung gerichteten Aussonderung berechtigt wäre) aber ein Interventionsrecht haben, das sie berechtigt, in der Insolvenz des Doppeltreuhänders die Nichtzugehörigkeit des Treuguts zur Insolvenzmasse zu reklamieren, um die Verwertung des Treuguts durch den Insolvenzverwalter des Treuhänders zugunsten der von ihm verwalteten Masse des Treuhänders zu unterbinden. Vgl. Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 131 f.; v. Rom, WM 2008, 813, 819 f.; ähnlich Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 160; Thole, KTS 2014, 45, 58; Stürner, KTS 2004, 259, 262.

Folge des wegen des fortbestehenden Sicherungszwecks nicht auf Herausgabe 1157 an sich gerichteten Aussonderungsrechts des Treugebers und des Interventionsrechts des Drittbegünstigten ist dann wiederum, dass diese gemeinsam zur „Aussonderung“ berechtigt sind, als sie die Übertragung des Treuguts auf einen von ihnen gemeinschaftlich bestimmten Ersatztreuhänder verlangen können. Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 47 Rn. 390; Bitter, in: FS Ganter, S. 101, 131 f.; v. Rom, WM 2008, 813, 819 f.; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 159 ff.; im Ergebnis auch v. Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 9 Rn. 340, der für die ihm präferierte Abtretungslösung annimmt, dass die Drittbegünstigen als Zessionar des Herausgabeanspruchs hieraus ebenfalls nur die Übertragung auf einen Ersatztreuhänder verlangen können, weil der Treugeber als Zedent keinen weitergehenden Anspruch abtreten könne, als er ihm selbst zustand.

297

Stichwortverzeichnis

Absonderungsrecht – Bedeutung der gesicherten Forderung für Verwertungsrecht 1012 ff. siehe auch Verwertungsrecht – Besitzposition 1036 ff. – Gegenstand des Absonderungsrechts in Insolvenz des Treugebers 995 ff. – Inhaber des Absonderungsrechts in Insolvenz des Treugebers 1008 ff. siehe auch Verwertungsrecht – unverbriefte Unternehmensbeteiligungen 342 ff., 1019 ff. siehe auch Verwertungsrecht – Verwertungsrecht in Insolvenz des Treugebers 1011 ff. siehe auch Verwertungsrecht – Verwertungsrecht in Insolvenz des Verpfänders 342 ff. siehe auch Verpfändung Abtretung 449 ff. siehe auch Übertragung des Treuguts – aufschiebende Bedingung 519 ff. siehe auch Übertragung des Treuguts – aufschiebende Bedingung bei Kommanditanteilen 468 ff. – negative Abfindungsversicherung bei Kommanditistenwechsel 466 f. – unverbriefte Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft 474 f. – Vinkulierung 512 ff. – Vinkulierung bei Personengesellschaften 459 – von GmbH-Geschäftsanteilen 450 ff.

– von Personengesellschaftsanteilen 457 ff. Aussonderungsrecht – Insolvenz des Treuhänders 1149 ff. – Unmittelbarkeitsprinzip 379 ff. – Zwei-Komponenten-Lehre 381

Banken – Chancen, Vorteile der doppelnützigen Treuhand 880 ff. – Drittbegünstigte als gesellschaftergleicher Dritter 948 ff. siehe auch Gesellschafterstellung – Forderungsrecht aus Vertrag zugunsten Dritter 421 ff., 998 ff. siehe auch Treuhandvertrag – Handlungsoptionen, Begleitung Sanierung mit Sanierungskredit 86 ff. siehe auch Sanierungskredit – Handlungsoptionen, Kreditkündigung 61 ff. siehe auch Kreditkündigung – Handlungsoptionen, Stillhalten 72 ff. siehe auch Sanierungskredit – Interessenlage in TurnaroundSituation 30 ff. – Risiken, Anfechtung in der Insolvenz der Zielgesellschaft 948 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung – Risiken, Anfechtung in der Insolvenz des Treugebers 1062 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung – Risiken, atypische Pfandgläubigerstellung 365 ff.

299

Stichwortverzeichnis

– Risiken, Erwerb der Gesellschafterstellung 178 ff. siehe auch Gesellschafterstellung – Risiken, faktische Geschäftsführung 242 ff. siehe auch Geschäftsführung – Risiken, Haftung wegen sittenwidriger Schädigung 109 ff. siehe auch Sanierungskredit – Risiken, Nichtigkeit von Sicherheitenverträgen 90 ff. siehe auch Sanierungskredit

Covenants – (Financial) Covenants als Auslöser des Verwertungsfalls 593 ff. – Covenant-Bruch als Kündigungsgrund 64 – gesellschaftergleiche Stellung durch Covenants 961 ff. – Transparenz und Messbarkeit der Sanierung 882

Geschäftsführung – faktische Geschäftsführung durch Banken 242 ff. – Interessenlage in TurnaroundSituation 43 ff. – Vorteile der Treuhand 884 ff. Gesellschafterdarlehen siehe auch Gesellschafterstellung – Insolvenzanfechtung von Tilgung und Besicherung von Darlehen 224 ff. – Insolvenzrechtlicher Nachrang von Darlehensforderungen 199 ff. – Normzweck Gesellschafterdarlehensrecht 929 ff. siehe auch Gesellschafterstellung – Sanierungsprivileg 207 ff. – zeitliche Verstrickung bei Gesellschafterwechsel vor Insolvenz 202, 911 f.

300

Gesellschafterstellung – Anteilserwerb durch Unternehmensbeteiligungsgesellschaft 204 ff. – aytpischer Pfandgläubiger als gesellschaftergleicher Dritter 365 ff. – Drittbegünstigte als gesellschaftergleicher Dritter 948 ff. siehe auch Gesellschafterdarlehen – Erwerb durch Barkapitalerhöhung 176 ff. siehe auch Kapitalmaßnahmen – Erwerb durch Sachkapitalerhöhung 156 ff. siehe auch Kapitalmaßnahmen – Gesellschafterwechsel, Grunderwerbsteuer 666 ff. siehe auch Grunderwerbsteuer – Gesellschafterwechsel, Untergang Verlustvorträge 624 ff. siehe auch Verlustvorträge – Haftung für ausstehende Einlagen 181 ff. – Haftung für Einlagenrückgewähr 188 ff. – Insolvenzanfechtung von Tilgung und Besicherung von Darlehen 224 ff. siehe auch Gesellschafterdarlehen – Insolvenzrechtliche Gesellschafter(gleiche)-Stellung 935 ff. – Insolvenzrechtlicher Nachrang von Darlehensforderungen 199 ff. siehe auch Gesellschafterdarlehen – steuerliche Zuordnung des Treuguts 613 ff. siehe auch Verlustvorträge – Treugeber als mittelbare Gesellschafter 906 ff. siehe auch Gesellschafterdarlehen

Stichwortverzeichnis

Grunderwerbsteuer – Steuerbarkeit bei Treuhänderwechsel 671 – Steuerbarkeit der Rückübertragung des Treuguts auf den Treugeber 671 – Steuerbarkeit der Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder 671 – Übertragung des Treuguts auf einen Dritten (Investor) 671 – Vekaufsvollmacht für Treuhänder 671

Insolvenzanfechtung – Anfechtung bei gesellschafterbesichertem Drittdarlehen 909 ff. – Anfechtung der anfänglichen Besicherung von Gesellschafterdarlehen 230 ff. – Anfechtung der Tilgung von Gesellschafterdarlehen 226 f. – Anfechtung der Übertragung des Treuguts 1130 ff. – Anfechtung des Sicherungsversprechens der Treugeber gegenüber Begünstigten 1062 ff. – Anfechtung Treuhandvertrag gegenüber Begünstigten 1104 ff. – Anfechtung Treuhandvertrag gegenüber Treuhänder 1118 ff. – Anfechtung von Tilgungen gegenüber Begünstigten als gesellschaftergleichen Dritten 948 ff. – Anfechtung von Tilgungen gegenüber Treugebern als mittelbaren Gesellschaftern 906 ff. – Anfechtung von Zinszahlungen für Gesellschafterdarlehen 226 f.

Kapitalmarktrechtliche Anforderungen – Aufschub von Ad-hocMeldungen 503 ff. – Befreiung von Pflichtangebot 492 ff. – Kontrollerwerb 489 ff. siehe auch Übertragung des Treuguts – Publikationspflichten bei Emittenten von Finanzinstrumenten 495 ff. Kapitalmaßnahmen – Barkapitalerhöhung 176 ff. – Bezugsrechtsausschluss 170 ff. – Rechte der Treugeber bei Kapitalmaßnahmen 574 ff. – Sachkapitalerhöhung 156 ff. – Steuerbarkeit von Sanierungsgewinnen 673 ff. – vereinfachte Kapitalherabsetzung 159 ff. Kreditkündigung – außerordentliche Kündigung 63 f. – Kündigung von Sanierungskrediten 65 f. – Kündigung zur Unzeit 68 f. – ordentliche Kündigung 62 ff.

Management

siehe Geschäftsführung

Sanierungsgewinn – Forderungsverzicht des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft 678 ff. – Forderungsverzicht des Gesellschafters der Personengesellschaft 682 – Konfusionsgewinne 690 – Rangrücktritt 683 ff. – Sanierungsabsicht des Gesellschafters 717 ff. – Sanierungsplan, Bedeutung 729 ff.

301

Stichwortverzeichnis

– Schuldenerlass/Forderungsverzicht 675 f. – Steuerfreiheit, Sanierungsabsicht 712 ff. – Steuerfreiheit, Sanierungsbedürftigkeit 705 – Steuerfreiheit, Sanierungseignung 710 f. – Steuerfreiheit, Voraussetzungen 701 ff. – verdeckte Einlage 678 ff. Sanierungskredit – Abgrenzung von Überbrückungskredit 137 ff. – Begriff der Kreditierung/ Abgrenzung vom Stillhalten 128 ff. – eingeschränkte Kündigungsmöglichkeit 65 f. – Exkulpation durch Sanierungsprüfung 116 f. – maßgebliches Krisenstadium des Kreditnehmers 118 ff. – Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe 90 ff. – Sittenwidrigkeit von Sicherheitenverträgen 90 ff. Sanierungsprivileg – Anwendbarkeit auf mittelbaren Gesellschafter/Treugeber 920 ff. siehe auch Gesellschafterdarlehen – Anwendungsvoraussetzungen 212 ff. – Dauer der Privilegierung 219 ff. – Privilegierung der Sanierungsbeteiligung 208 Sanierungsprüfung 116 f. siehe auch Sanierungskredit Sanierungsversuch – Beteiligung der Kreditgeber durch Neukredite 86 ff. siehe auch Sanierungskredit

302

– Erhalt steuerlicher Verlustvorträge (§ 8c Abs. 1a KStG) 633 ff. siehe auch Verlustvorträge – Handlungsoptionen der Gesellschafter 55 ff. – Indiz gegen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz 1085 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung – Interessenlage der Gesellschafter 40 ff. – Interessenlage der Kreditgeber 30 ff. – Opfersymmetrie bei der doppelnützigen Treuhand 846 ff. – Rolle des Managements 43 ff. – Sanierungsprivileg der Sanierungsbeteiligung (§ 39 Abs. 4 S. 2 InsO) 207 ff. siehe auch Sanierungsprivileg – Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen 701 ff. siehe auch Sanierungsgewinnen – Vorteile der doppelnützigen Treuhand 880 ff.

Treuhand – bilanzielle Behandlung des Treuhandverhältnisses 736 ff. – doppelseitige Treuhand, doppelnützig 398 ff. – echte Treuhand, Arten 376 ff. – echte Treuhand, Begriff 375 – Ermächtigungstreuhand 392 – Erwerbstreuhand 387 f. – Sicherungstreuhand, eigennützig 396 f. – steuerliche Anerkennung des Treuhandverhältnisses 615 ff. – Surrogationsverbot 1142 ff. – Übertragungstreuhand 379 ff. – unechte Treuhand, Arten 389 ff.

Stichwortverzeichnis

– – – –

unechte Treuhand, Begriff 375 Unmittelbarkeitsprinzip 380 Vereinbarungstreuhand 388 Verwaltungstreuhand, fremdnützig 394 f. – Vollmachtstreuhand 391 – Vollrechtstreuhand 377 ff. – Zwei-Komponenten-Lehre 381 Treuhänder – Haftpflichtversicherung des Treuhänders 548 f. – kein Tätigkeitsverbot für Sozietät des Treuhänders 796 ff. – Person des Treuhänders 437 – Rollenhygiene 879 f. – Treuhandtätigkeit zum Berufsbild der Rechtsanwälte gehörend 784 ff. – Treuhandtätigkeit, Abgrenzung zur Rechtsdienstleistung 748 ff. – Treuhandtätigkeit, zur Harmonisierung widerstreitender Interessen 764 ff. – Vergütung des Treuhänders 541 ff., 891 ff. – Zweckgesellschaft (Treuhand-SPV) 437, 751 ff. Treuhandvertrag 430 ff. siehe auch Treuhand – als dreiseitiger Vertrag 414 ff. – als Vertrag zugunsten Dritter 414 ff. – Anfechtung gegenüber dem Treuhänder 1118 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung – Anfechtung gegenüber den Drittbegünstigten 1104 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung – Beendigung 606 ff. – Bestand bei Tod einer Vertragspartei 744 ff. – Bestand in der Insolvenz der Zielgesellschaft 898 ff.

– Bestand in der Insolvenz des Treugebers 972 ff. – Bestand in der Insolvenz des Treuhänders 1139 ff. – Forderungsrecht der Drittbegünstigten aus Vertrag zugunsten Dritter 421 ff., 998 ff. – Kündigung 606 ff. – Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoß 748 ff. siehe auch Treuhänder, Treuhandtätigkeit als Rechtsdienstleistung – rechtliche Einordnung 430 f.

Überbrückungskredit – Abgrenzung von Überbrückungskredit 137 ff. siehe auch Überbrückungskredit – zulässige Laufzeit 139 ff. Übertragung des Treuguts – Aktien als Treugut 473 ff. siehe auch Abtretung – Aktien in Sammelverwahrung als Treugut 485 ff. – Aktien in Sonderverwahrung als Treugut 482 ff. – Anfall/Vermeidung von Grunderwerbsteuer 666 ff. siehe auch Grunderwerbsteuer – aufschiebend bedingte Übertragung 519 ff. – Besonderheiten bei Kommanditanteilen 458 ff. siehe auch Abtretung – Dauerglobalverbriefte Aktien als Treugut 486 siehe auch Verpfändung – GmbH-Geschäftsanteile als Treugut 450 ff. siehe auch Abtretung – Inhaberaktien als Treugut 477 f. – Insolvenzanfechtung 1130 ff. siehe auch Insolvenzanfechtung

303

Stichwortverzeichnis

– kapitalmarktrechtliche Besonderheiten 487 ff. siehe auch kapitalmarktrechtliche Anforderungen – Namensaktien als Treugut 479 ff. – Personengesellschaftsanteile als Treugut 457 ff. siehe auch Abtretung – Rückübertragung des Treuguts 606 ff. siehe auch Treuhandvertrag, Beendigung – Untergang/Erhalt steuerlicher Verlustvorträge 624 ff. siehe auch Verlustvortrag – Vollmacht als Alternative 524 ff. – Zustimmungserfordernisse, gesellschaftsrechtlich 512 ff. – Zustimmungserfordernisse, Minderjährige 518

Verlustvorträge – Fortführungsgebundener Verlustvortrag 651 ff. – Sanierungsklausel, Anwendungsvoraussetzungen 632 ff. – Sanierungsklausel, Erhalt wesentlicher Betriebsstrukturen 648 ff. – Sanierungsklausel, Sanierungsbedürftigkeit 639 ff. – Sanierungsklausel, Sanierungsfähigkeit 646 f. – steuerliche Zurechnung des Treuguts 615 ff. – Untergang Verlustvortrag bei Änderung im Gesellschafterbestand 627 ff. – wirtschaftliche Betrachtungsweise 630 Verpfändung – Formerfordernisse, GmbH & Co. KG 301 ff.

304

– Funktionsweise, Aktien in Sammelverwahrung 318 – Funktionsweise, dauerglobalverbriefte Aktien 317 ff. – Funktionsweise, GmbHGeschäftsanteile 292 ff. – Funktionsweise, Inhaberaktien 308 ff. – Funktionsweise, Kommanditanteile 296 ff. – Funktionsweise, Namensaktien 313 ff. – Funktionsweise, unverkörperte Mitgliedschaft in der AG 305 f. – Gesellschaftergleiche Stellung des atypischen Pfandgläubigers 365 ff. siehe auch Gesellschafterstellung – Insolvenz des Verpfänders, Verwertungsrecht 342 ff. – Credit Bid 331 – Pfandverwertung 327 ff. Verwertungsrecht – Absonderungsgläubiger bei Doppeltreuhand 1008 ff. siehe auch Absonderungsrecht – Bedeutung der Verwertungsreife für Verwertungsrecht 1012 ff. siehe auch Absonderungsrecht – Besitzposition 1036 ff. siehe auch Absonderungsrecht – Gegenstand des Absonderungsrechts bei Doppeltreuhand 995 ff. siehe auch Absonderungsrecht – Pfandrecht an unverbrieften Unternehmensbeteiligungen 342 ff. siehe auch Absonderungsrecht – unverbriefte Unternehmensbeteiligungen 342 ff., 1019 ff. siehe auch Absonderungsrecht