Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise [1 ed.] 9783428527526, 9783428127528

Die Frage, ob und welche erbrechtlichen Konsequenzen eine Krise oder Scheidung der Ehe des Erblassers nach sich ziehen s

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Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise [1 ed.]
 9783428527526, 9783428127528

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 375

Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise Von Thorn Beisenherz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

THORN BEISENHERZ

Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 375

Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise Von Thorn Beisenherz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12752-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Natalie und Mia Lou

Vorwort Die vorliegende Dissertation ist im Wesentlichen während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Karlheinz Muscheler entstanden. Ihm gilt in zweifacher Hinsicht mein besonderer Dank: Zum einen als Doktorvater, der die Entstehung der Arbeit stets fördernd, aber nie drängend begleitet hat. Zum anderen als Chef und Wissenschaftler, für den zu arbeiten und bei dem zu lernen gleichermaßen Privileg und Vergnügen war. Herrn Prof. Dr. Peter A. Windel danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt ferner meiner Mutter Barbara Schwarze für die sachkundige, intensive und – wie gewohnt – schnelle Durchsicht des Manuskripts. Am meisten zu danken habe ich schließlich meiner Lebensgefährtin Dr. Natalie Bruch, deren Unterstützung bedingungslos und deren Urteil sicherer Grund ist. Kamen, Dezember 2007

Thorn Beisenherz

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

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2. Teil Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts gem. § 1933 S. 1 A. Einseitigkeit der Vorverlagerung und Entstehungsgeschichte des § 1933 . . I. Ursprungsfassung des § 1933 S. 1: Einseitiger Erbrechtsausschluss als Sanktion für Scheidungsschuld? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neufassung des § 1933 auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips . . . . .

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B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungleichbehandlung von Antragsteller und passivem Antragsgegner 2. Fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand des Antragstellerwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Typisierbarkeit des Antragsgegnerwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß gegen Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutsgarantie: Negative Verlaufsprognose bei einseitiger Scheidungsaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertentscheidende Grundsatznorm: Der Anreiz zum Angriff auf die Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verstoß gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen das Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbrechtsfreiheit: Der Antragsgegner als Überlebender . . . . . . . . . . b) Testierfreiheit: Der Antragsgegner als Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen die Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausscheiden verfassungskonformer Auslegung des § 1933 S. 1, 1. Alt. und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Voraussetzungen des § 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formell: Bekundung des Scheidungswillens durch die Ehegatten . . . . . . . 1. Beantragung der Scheidung, § 1933 S. 1, 1. Alt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Beantragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtshängigkeit vs. Anhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

II.

III.

bb) Direkte Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . cc) Analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . (1) Analogiefähigkeit der Regelung: § 167 ZPO als Ausnahmevorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichbarkeit und positive Feststellung einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wahrung einer Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prozessuale Mängel des Scheidungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anschlussantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antragstellung und Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmung zur Scheidung, § 1933 S. 1, 2. Alt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adressat und Form der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Anforderungen an die Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abhängigkeit der Zustimmung von der Antragstellung . . . . . . . . . . 3. Nachträgliche Beseitigung der Bekundung des Scheidungswillens . . . a) Widerruf der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücknahme des Scheidungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materiell: Das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 1. Das Scheitern der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Scheiternsvermutung des § 1566 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderlichkeit einer Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hypothetischer Übergang auf streitige Scheidung gem. § 1565 I2 .................................................... b) Der unmittelbare Beweis des Scheiterns gem. § 1565 I 2 . . . . . . . aa) Die Scheidungssperre des § 1565 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) De lege ferenda: Verschärfte Beweisanforderungen bei einseitigem Scheidungsbegehren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichteingreifen der Härteklauseln des § 1568? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderes Verhältnis zwischen formellen und materiellen Anforderungen des § 1933 S. 1 als ungeschriebene Voraussetzung für den Erbrechtsausschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Scheidungsrelevanz des Erblasserverhaltens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektives Recht auf Scheidung des Erblassers? . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3: „. . ., bis dass der Tod euch scheidet“? I. Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und der daran anknüpfenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch gem. §§ 1933 S. 3, 1586b, 1569 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Funktion und Wirkungsweise des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen eines Pflichtteilsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen einer wirksam bleibenden letztwilligen Verfügung zugunsten des Überlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des § 1933 S. 1, S. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anrechnung der letztwilligen Zuwendung im Rahmen des § 1586b I 3? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Güterrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugewinngemeinschaft: § 1371 II, 1. Hs. als Anspruchsgrundlage für den güterrechtlichen Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechnungszeitpunkt für das Endvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Ausgleichsanspruch zu Lasten des Überlebenden . . . . . . . . . . c) Der letztwillig bedachte Überlebende: Individuelle erbrechtliche Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortgesetzte Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen des § 1933 im Höferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erbrechtsunabhängige Sonderrechtsnachfolgen von Todes wegen: Eintritt in das Mietverhältnis gem. § 563 I 1 und Sonderrechtsnachfolge in Sozialleistungen gem. § 56 SGB I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Auswirkungen auf den Ersatzanspruch bei Tötung gem. § 844 II . . . . . . VII. Anwendung der Hausratsverordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Hinterbliebenenversorgung statt Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Teil Gewillkürtes Erbrecht A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einseitige letztwillige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Weg zur ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung gem. § 2077 . . 2. Die Rechtsnatur des § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ehe zwischen Erblasser und Bedachtem zum Verfügungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedenkung des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anforderungen an die Ablehnung einer Lücke gem. § 2077 III . . . . . a) Realer Fortgeltungswille zum Zeitpunkt der Errichtung . . . . . . . . . b) Fehlen eines realen Aufrechterhaltungswillens im Errichtungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Heteronome Aufrechterhaltungsgründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hypothetischer Fortgeltungswille zum Errichtungszeitpunkt oder realer nachträglicher Fortgeltungswille? . . . . . . . . . . . . . . .

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II.

(1) Divergenzen der Lösungen: Sinneswandel des Erblassers und Rückwendung zur Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachträglicher Wille und Form der Verfügung . . . . . . . . . . (3) Sonderfall Wiederheirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ansatz zur Korrektur der Wiederverheiratungsfälle: Nichtanwendung des § 2077 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Reichweite der Korrektur: Rückwirkungsfiktion und Verfügungen zwischen den Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Exkurs: „Aufrechterhaltung“ der Verfügung zugunsten des letzten Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verfügung zugunsten des „jeweiligen Ehegatten“ . . . . (b) Verfügung zugunsten des „Ehegatten“ . . . . . . . . . . . . . . 5. Analoge Anwendung des § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Letztwillige Verfügung zugunsten des Ex-Schwiegerkindes . . . . . . b) Bezugsrecht des geschiedenen Ehegatten aus einem Kapitallebensversicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . bb) Abschichtung für die Problemlösung irrelevanter rechtlicher oder tatsächlicher Umstände des Versicherungsvertrags . . . . . cc) Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem . . . . . . dd) Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer . . (1) Direkte Anwendung des § 2077 auf die Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Interesse des Versicherers an schuldbefreiender Leistung an den Ex-Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Praktische und rechtliche Vorzüge einer analogen Anwendung des § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ernennung des Ehegatten zum Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . Gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte des § 2268 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines zu § 2268 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur und Verhältnis zu § 2265 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufrechterhaltungsfähigkeit wechselbezüglicher Verfügungen bb) Aufrechterhaltungsfähigkeit der Wechselbezüglichkeit . . . . . . . b) Verhältnis zu § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufrechterhaltungswille gem. § 2268 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsamkeiten mit § 2077 III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten des Aufrechterhaltungswillens gem. § 2268 II . . . aa) Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übereinstimmender Aufrechterhaltungswille der Ehegatten? . . cc) Tendenzen und Maßstäbe bei der Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III.

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Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Vertragsmäßige Verfügungen: § 2279 i.V. m. § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Verfügungen zugunsten des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) § 2279 I oder II als Verweisquelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Modifikationen des § 2077 aufgrund bloß entsprechender Anwendbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Tatbestand des § 2077 I 1: Eingeschränkte Beachtlichkeit von Motivirrtümern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Rechtsfolge des § 2077 I 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (3) Aufrechterhaltungswille gem. § 2077 III . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens . . . . . . . . . . 189 (b) Träger des Aufrechterhaltungswillens . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Verfügungen zugunsten Dritter: § 2279 II i.V. m. § 2077 . . . . . . . . 192 aa) Beschränkung des § 2279 II auf vertragsmäßige Verfügungen 193 bb) Besonderheiten des Aufrechterhaltungswillens bei Verfügungen zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (2) Verfügungen zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (a) Typische Interessenlage: Existenz und Vertragsmäßigkeit der Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (b) Differenzierung nach Art der dem Abkömmling eingeräumten Rechtsstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Einseitige Verfügungen: § 2299 II 1 i.V. m. § 2077 . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Auswirkungen scheidungsbedingter Unwirksamkeit einzelner Verfügungen auf den Erbvertragsrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Der Eheabhängigkeitsvermutung nicht unterworfene Restverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Einseitiger Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Zweiseitiger Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (1) Scheidungsbedingte Unwirksamkeit als Nichtigkeit im Sinne des § 2298 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (2) Einschränkung der Wechselbezüglichkeit und Auslegung des § 2298 III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Der Eheabhängigkeitsvermutung im Grundsatz unterworfene Restverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

B. Die Ausnahme – Ausschluss gewillkürter erbrechtlicher Erwerbsaussichten vor Rechtskraft der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Probleme der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen im gewillkürten Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

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Inhaltsverzeichnis

II.

III.

IV.

a) Parallele zum gesetzlichen Erbrecht: Die Einseitigkeit der Vorverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament und Ehegattenerbvertrag: Das Vorverlagerungsinteresse des Überlebenden . . 2. Zwischenergebnis und Gang der weiteren Darstellung . . . . . . . . . . . . . Die Vorverlagerungskonstellationen nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtslage bei übereinstimmender Wortlautauslegung des § 2077 I 2 und des § 1933 S. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beidseitig betriebene Scheidung, § 2077 I 2, 1. und 2. Alt. . . . . . . b) Einseitig betriebene Scheidung, § 2077 I 2, 1. Alt. . . . . . . . . . . . . . aa) Der Antragsteller als Erstversterbender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Antragsgegner als Erstversterbender . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Korrekturbedürftige Drittzuwendungsfälle: Das Vorverlagerungsinteresse des überlebenden Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Korrektur innerhalb des Wortlauts: Der Überlebende als Erblasser im Sinne des § 2077 I 2? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Korrektur durch analoge Anwendung des § 2077 I 2 . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit und Reichweite der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungswidrigkeit der einseitigen Vorverlagerung im gewillkürten Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211 211 213 214 214 214 215 215 216 217 219 221 221 225 226 227 229 230 231

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

1. Teil

Einleitung Die vorliegende Arbeit behandelt mit der Frage nach den erbrechtlichen Auswirkungen von Scheidung und Ehekrise technisch betrachtet lediglich eine von vielen Schnittstellen zwischen Familien- und Erbrecht. Diese Schnittstelle weist indes die Besonderheit auf, dass in ihr erhebliche psychologische Hemmschwellen und Verdrängungsmechanismen kumulieren: Schon die Entscheidung, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Vermögensnachfolgeregelung zu treffen, verlangt vom Erblasser eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Überwindet der Ehegatte und zukünftige Erblasser diese erste Hemmschwelle, steht er vor einer zweiten Hürde: Errichtet er zu einem Zeitpunkt, zu dem die eheliche Lebensgemeinschaft (noch) intakt ist, eine letztwillige Verfügung zugunsten seines Partners, wird ihm die Möglichkeit einer Scheidung seiner Ehe entweder gar nicht in den Sinn kommen oder als allenfalls theoretisches Schlimmstfallszenario erscheinen, das praktisch keiner Regelung bedarf und in der Verfügung nicht zuletzt auch deshalb unerwähnt bleibt, um ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der Partnerschaft, das in einer entsprechenden Regelung zum Ausdruck käme, nicht ein Stück weit Realität werden zu lassen. Kommt dieser Gesichtspunkt bereits bei der einseitigen letztwilligen Verfügung zum Tragen, entfaltet er seine ganze Kraft in den Fällen des gemeinschaftlichen Testaments und des Ehegattenerbvertrages. Hier muss der Erblasser die Möglichkeit des Scheiterns seiner Ehe nicht nur sich selbst gegenüber eingestehen, sondern seinen etwaigen Wunsch zur Berücksichtigung dieser Möglichkeit seinem Partner gegenüber offenbaren. Angesichts dieser psychologischen Ausgangslage überrascht es nicht, dass die erbrechtlichen Auswirkungen von Scheidung und Ehekrise rechtsgeschäftlich häufig ungeregelt bleiben, obwohl jährlich ca. 1% aller bestehenden Ehen geschieden werden, was unter der Prämisse zukünftig gleich bleibenden Scheidungsverhaltens der Bundesbürger nichts anderes bedeutet, als dass mehr als ein Drittel aller Ehen über kurz oder lang geschieden wird.1 In der Praxis läuft dieses Zusammentreffen objektiver Regelungsbedürftigkeit und subjektiver Regelungsressentiments häufig auf die Frage hinaus, welche Lösungen das Gesetz für die Ausgangsproblematik bereithält. Nur dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.2 1

Rauscher, FamR, Rn. 24. Zu Scheidung und Erbrecht aus kautelarjuristischer Sicht vgl. Frohnmayer, Geschiedenentestament, sowie Dieterle BWNotZ 1970, 170; ders. BWNotZ 1971, 14; 2

16

1. Teil: Einleitung

Im Hinblick auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht (2. Teil) ist die Ausgangsfrage naturgemäß auf ihren zweiten Teilaspekt beschränkt. Der rechtskräftig geschiedene Ehegatte ist nicht mehr Ehegatte und scheidet damit ohne weiteres als gesetzlicher Erbe im Sinne des § 19313 aus. Die verbleibende Konstellation der Ehekrise regelt das BGB in § 1933. Dieser Vorschrift liegt ein Regelungsmodell zugrunde, das als gemischt formell-materiell bezeichnet werden kann: Einerseits reicht weder die bloße Zerrüttung der Ehe noch das Getrenntleben der Ehegatten aus, um das Erbrecht aus § 1931 auszuschließen. Das Gesetz verlangt vom Erblasser vielmehr die Entfaltung prozessualer, auf Scheidung der Ehe gerichteter Aktivität. Andererseits verharrt das Gesetz nicht auf dem formellen Standpunkt, dieser Aktivität nur dann erbrechtliche Bedeutung beizumessen, wenn sie tatsächlich zur rechtskräftigen Auflösung der Ehe geführt hat, sondern lässt bereits die Prognose, dass das eingeleitete Scheidungsverfahren ohne den Tod des Erblassers vermutlich zur Auflösung der Ehe geführt hätte, als Grundlage für den Erbrechtsausschluss des überlebenden Teils genügen. Rechtspolitisch verdient der Ansatz, die bereits zum Scheidungsverfahren verdichtete Ehekrise unter bestimmten Voraussetzungen mit rechtlichen Wirkungen auszustatten, uneingeschränkte Zustimmung. Angesichts der Tatsache, dass sich – insbesondere infolge des Verbundverfahrens in Scheidungssachen4 – immerhin ein knappes Drittel aller Scheidungsverfahren erstinstanzlich über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten hinzieht5 und gerade die Scheidungsbereitschaft älterer Ehepartner in den letzten 15 Jahren überproportional gestiegen ist6, kann der Tod eines Ehegatten während eines laufenden Scheidungsverfah-

Nieder ZEV 1994, 156; Reimann ZEV 1995, 329; Mayer ZEV 1997, 280; Busse MittRhNotK 1998, 225; Frenz ZNotP 2000, 67 u. 102. Nicht eigens behandelt werden ferner die praktisch weniger bedeutsamen erbrechtlichen Auswirkungen anderer Eheauflösungründe und der – scheidungsäquivalenten – Aufhebung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Diesbezügliche Fragen werden nur insoweit erörtert, als sie Rückschlüsse auf die Rechtslage bei Scheidung zulassen. 3 §§ ohne nähere Bestimmung entstammen dem BGB. 4 Vgl. Smid Jura 1990, 400, 401. 5 Statistisches Bundesamt, Justizgeschäftsstatistik, S. 10: Im Zeitraum zwischen 1995 und 2004 schwankte die Zahl sämtlicher nach 12 Monaten noch unerledigter Eheverfahren (Scheidungs- und andere Eheverfahren) zwischen 28 und 34%. Als „Richtpunkt“ für eine außergewöhnliche, zur Vorabentscheidung über den Scheidungsantrag berechtigende Verzögerung im Sinne des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO ist nach der Rechtsprechung gar eine Verfahrensdauer von zwei Jahren anzusetzen, vgl. BGH FamRZ 1986, 898, 899. 6 Im Zeitraum zwischen 1991 und 2004 ist die absolute Zahl der jährlichen Scheidungen von 136.317 auf 213.691, also um 56,76% gestiegen. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr geschiedenen Ehepartner sowohl bei den im Alter tendenziell stärker zur Scheidung neigenden Männern (1991: 4.947 – 2004: 10.771) als auch bei den Frauen (1991: 2.955 – 2004: 6.226) mehr als verdoppelt, Statistisches Bundesamt, Tabelle 6.14, Geschiedene Ehen nach dem Alter der Ehegatten, Deutschland.

1. Teil: Einleitung

17

rens nicht als praktisch bedeutungslose Ausnahmeerscheinung abgetan werden. Jedenfalls im Grundsatz richtig ist ferner die Erwägung, den Eintritt der Krisenwirkungen vom mutmaßlich eheauflösenden Ausgang des Scheidungsverfahrens abhängig zu machen. Denn über die Frage, ob der überlebende Partner einer zerrütteten Ehe „noch“ als verwitwet oder schon als geschieden zu behandeln ist, sollte in einem nach Folgerichtigkeit strebenden Rechtssystem nicht der zufällige Umstand entscheiden, ob der verstorbene Partner die Beendigung des bereits eingeleiteten Scheidungsverfahrens erlebt. Dass die Vorschrift des § 1933 trotz ihres rechtspolitisch überzeugenden Grundansatzes seit ihrer Neufassung durch das 1. EheRG vom 14.06.19767 zur problematischsten und streitträchtigsten Norm des gesamten gesetzlichen Erbrechts avanciert ist, liegt daran, dass sie – wie zu zeigen sein wird – diesen Grundansatz weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenseite konsequent durchführt. Die Inkonsequenzen auf der Tatbestandsseite beruhen auf der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (2. Teil A.) und werfen die Frage nach ihrer Verfassungsmäßigkeit auf (2. Teil B.), die wiederum auf die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm ausstrahlt (2. Teil C.). Nicht minder schwer wiegen die zahlreichen Wertungswidersprüche und technischen Friktionen, die sich mit Blick auf die Rechtsfolgen des § 1933 ergeben. Sie alle sind Symptome der fragwürdigen gesetzgeberischen Entscheidung, in Anbetracht der Ehekrise lediglich einzelne ausgewählte Scheidungsfolgen künstlich nachzubilden, anstatt am Kern des Problems, nämlich dem familienrechtlichen Status des Überlebenden, anzusetzen (2. Teil D.). Der dritte Teil der Arbeit behandelt die Auswirkungen von Scheidung und Ehekrise auf das gewillkürte Erbrecht ausgehend vom Grundfall der einseitigen letztwilligen Verfügung (3. Teil A. I.). Anders als im gesetzlichen Erbrecht bedarf hier auch die Konstellation der Scheidung einer eigenen Regelung, weil auch einer letztwilligen Zuwendung zugunsten eines Ehegatten nicht die Ehe, sondern die letztwillige Verfügung als solche zugrunde liegt. Ein infolge der Scheidung alternativlos zur Unwirksamkeit der Verfügung führender Automatismus scheidet angesichts dieser Ausgangslage aus. Folgerichtig hat sich der historische Gesetzgeber des BGB dazu entschieden, lediglich mit einer Eheabhängigkeitsvermutung zu operieren (3. Teil A. I. 1.): § 2077 geht in seinem ersten Absatz im Fall der Auflösung der Ehe grundsätzlich von der Unwirksamkeit der zugunsten des Ehegatten errichteten Verfügung aus, lässt aber im dritten Absatz den Beweis eines gegenteiligen Erblasserwillens zu. Diese Regelung wirft neben dem Problem der dogmatischen Einordnung des Unwirksamkeitsmechanismus (3. Teil A. I. 2.) vor allem die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Eheabhängigkeitsvermutung als widerlegt anzusehen ist (3. Teil A. I. 4.). Fraglich ist schließlich, ob § 2077 auf von der Vorschrift nicht unmittelbar er7

BGBl. I, S. 1421, gem. Art. 12 Nr. 13 in Kraft getreten am 01.07.1977.

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1. Teil: Einleitung

fasste, erbrechtliche oder erbrechtsähnliche Fallgestaltungen mit Scheidungsbezug analog angewendet werden kann (3. Teil A. I. 5.). Auch beim gemeinschaftlichen Testament (3. Teil A. II.) und beim Erbvertrag (3. Teil A. III.) kommt im Fall der Scheidung – auf unterschiedlichen technischen Wegen, mit denen Konkurrenz- und Auslegungsfragen verknüpft sind, vgl. § 2268 u. § 2279 I, II – die gesetzliche Eheabhängigkeitsvermutung zum Zuge. Die damit verbundenen Probleme stellen sich aber als komplizierter dar als bei der einseitigen letztwilligen Verfügung. Das liegt im Wesentlichen an drei Gründen: Erstens sind an den genannten Rechtsgeschäften jeweils zwei Personen beteiligt, so dass sich die Frage stellt, auf wessen Willen es für die ausnahmsweise Aufrechterhaltung der Verfügung ankommt. Zweitens erschöpft sich die Aufrechterhaltungsproblematik im Hinblick auf wechselbezügliche und vertragsmäßige Verfügungen nicht darin, ob die in ihnen getroffenen, inhaltlichen Anordnungen das Ende der Ehe überdauern. Denn bejahendenfalls stellt sich die Folgefrage, ob die Verfügungen auch in ihrer Eigenschaft als wechselbezügliche bzw. vertragsmäßige fortbestehen können und nach dem Willen des Erblassers fortbestehen sollen. Probleme ergeben sich drittens daraus, dass die Eheabhängigkeitsvermutung in den Fällen des gemeinschaftlichen Testaments und des Ehegattenerbvertrages nicht auf Verfügungen des einen Ehegatten zugunsten des anderen beschränkt ist, sondern auch Verfügungen erfasst, die die Ehegatten zugunsten Dritter, insbesondere zugunsten ihrer Kinder, getroffen haben. Insofern wird die gesetzliche Regelung den Interessen der Parteien regelmäßig nicht gerecht. Der letzte Abschnitt der Arbeit setzt sich mit den Folgen der Ehekrise auf das gewillkürte Erbrecht auseinander (3. Teil B.). In diesem Abschnitt kommt den bereits angesprochenen, eheabhängigen Drittzuwendungen besondere Bedeutung zu (3. Teil B. I.), für die das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, nur eine lückenhafte Regelung bereithält. Kurioserweise erlaubt es gerade diese systematische Fehlleistung des Gesetzgebers, den für die Folgen der Ehekrise im gewillkürten Erbrecht maßgeblichen § 2077 I 2, der § 1933 S. 1 nachgebildet ist und damit prima facie an denselben Mängeln leidet wie diese Vorschrift, zumindest in bestimmten Fällen zu korrigieren (3. Teil B. II. 2.) und damit teilweise vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu bewahren (3. Teil B. III.).

2. Teil

Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts gem. § 1933 S. 1 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten gem. § 1931 I 1 setzt eine bis zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehende Ehe voraus. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die Ehe der Beteiligten vor dem Erbfall gem. § 1564 S. 1 durch rechtskräftiges Scheidungsurteil aufgelöst worden ist. Stirbt der Erblasser dagegen vor Eintritt der Rechtskraft, wird die Ehe technisch nicht durch Scheidung aufgelöst, sondern durch seinen Tod; das bereits eingeleitete Scheidungsverfahren ist gem. § 619 ZPO als in der Hauptsache erledigt anzusehen. Nach Maßgabe des § 1931 I 1 würde es dementsprechend auch dann beim gesetzlichen Erbrecht des überlebenden Noch-Ehegatten bleiben, wenn das Scheidungsverfahren – den Tod des Erblassers hinweggedacht – zur Auflösung der Ehe und damit zum Wegfall des Ehegattenerbrechts geführt hätte. Diese formale Betrachtungsweise wird durch § 1933 S. 1 durchbrochen, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. In diesem Fall büßt der Überlebende trotz formellen Fortbestandes der Ehe bis zum Tod des Erblassers das gesetzliche Ehegattenerbrecht und infolgedessen sämtliche daran anknüpfenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten ein. Unter den Voraussetzungen des § 1933 S. 1 wird der verwitwete Überlebende in erbrechtlicher Hinsicht also materiell wie ein bereits geschiedener Ehegatte behandelt.

A. Einseitigkeit der Vorverlagerung und Entstehungsgeschichte des § 1933 Der Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts des Überlebenden setzt voraus, dass gerade der Erblasser gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. einen Scheidungsantrag gestellt oder zumindest dem vom Überlebenden gestellten Antrag zugestimmt hat, § 1933 S. 1, 2. Alt. Nimmt der Erblasser dagegen die Rolle eines passiven Antragsgegners ein, wird er vom überlebenden Antragsteller weiterhin beerbt. Damit wird die im Grundsatz wechselseitige Chance beider Ehegatten, Erbe des jeweils anderen zu werden, im Zeitraum zwischen Antragstellung und Rechtskraft des Scheidungsurteils zu Lasten des passiven Antragsgegners aufgehoben. Er kann den Antragsteller nicht mehr beerben, wohl aber von diesem beerbt werden. Angesichts dieser asymmetrisch ausgestalteten Rechtsfolgen ist

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

im Hinblick auf den Normzweck des § 1933 nicht nur nach denkbaren Erklärungen für die zeitliche Vorverlagerung des Erbrechtsausschlusses als solche zu suchen, sondern darüber hinaus nach den Gründen zu fragen, die den Gesetzgeber bewogen haben, die Vorverlagerung nur zugunsten eines prozessual aktiven Erblassers und damit u. U. nur einseitig eintreten zu lassen.

I. Ursprungsfassung des § 1933 S. 1: Einseitiger Erbrechtsausschluss als Sanktion für Scheidungsschuld? Die erste Kommission lehnte einen Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts vor Rechtskraft des Scheidungsurteils noch ausdrücklich ab. Die Erhebung der Scheidungsklage lasse nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen unheilbaren Bruch zwischen den Ehegatten schließen und scheide folglich als Anknüpfungspunkt für einen vorzeitigen Wegfall des Ehegattenerbrechts aus.8 Die zweite Kommission trat dieser Auffassung entgegen. Im Anschluss an das preußische Allgemeine Landrecht9 und das sächsische BGB von 186310 schlug das Kommissionsmitglied Börner11 folgende Regelung vor: Das Erbrecht ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Scheidung wegen Verschuldens des anderen Theiles zu verlangen berechtigt war und die Scheidungsklage erhoben hatte.

Der Antrag wurde unter Hinweis auf die zu § 1783 I 2 E I (= § 2077 I 2) angestellten Erwägungen ohne Widerspruch angenommen.12 Im Hinblick auf § 1783 E I hatte die zweite Kommission die Auffassung vertreten, „der Auflösung (der Ehe)13 müsse es gleich stehen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes wegen Verschuldung des anderen Ehegatten auf Scheidung zu klagen berechtigt und die Klage erhoben war“14. In der Denkschrift zum Entwurf wurde dieser Standpunkt wie folgt begründet: Sei „die Scheidungsklage vom Erblasser erhoben und auf ein Verschulden des überlebenden Gatten gegründet“ worden, verlangten „das Rechtsgefühl und die Rücksicht auf den mutmaßlichen Willen des verstorbenen Ehegatten, daß dem überlebenden Erbrecht und Voraus versagt bleiben“15. Der Vorschlag der zweiten Kommission wurde als § 1909 E III dem Reichtstag überwiesen, der die Regelung noch erweiterte, indem er auch die er8

Mot. Bd. V, S. 370 f. 2. Teil, 1. Titel, §§ 827, 829 ALR bei Hattenhauer, ALR. 10 § 2055. 11 Jakobs/Schubert, 1. Teil, S. 109. 12 Prot. Bd. V, S. 480. 13 Anmerkung des Verfassers. 14 Prot. Bd. V, S. 59. 15 Denkschrift, S. 379. 9

A. Einseitigkeit der Vorverlagerung

21

hobene Klage auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft für den Erbrechtsausschluss genügen ließ. Dadurch erhielt die Ursprungsfassung des § 1933 folgende Gestalt: Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung wegen Verschuldens des Ehegatten zu klagen berechtigt war und die Klage auf Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erhoben hatte.

Die erste Änderung der Norm erfolgte im Jahr 1938 durch die EheG-VO16, die einige Vorschriften des BGB an eherechtliche Neuregelungen durch das EheG (38)17 – u. a. den Wegfall der Klage auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gem. § 1575 a. F.18 und die neue Kategorie der ex-nunc wirkenden Aufhebbarkeit der Ehe anstelle der ex-tunc wirkenden Anfechtung19 – anpasste. Diese Neuerungen betrafen zwar auch § 1933. In Bezug auf die hier fraglichen, erbrechtlichen Folgen des Todes eines Ehegatten während eines schwebenden Scheidungsverfahrens blieb indes alles beim Alten. § 1933 wurde folgendermaßen gefasst: Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte, sofern im Fall der Scheidung oder Aufhebung der Ehegatte als schuldig anzusehen wäre.

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass § 1933 in seiner Ursprungsund späteren Fassung durch die EheG-VO Strafcharakter zukam. Der vorzeitige und nur zu Lasten des beklagten Überlebenden eintretende Erbrechtsausschluss sei als Sanktion seiner Scheidungsschuld aufzufassen gewesen.20 Ob der spärliche Hinweis auf das Rechtsgefühl die Annahme einer solchen Regelungsabsicht des Gesetzgebers trägt, mag dahinstehen. Sicher ist aber, dass der Strafgedanke auch auf der Grundlage des Verschuldensprinzip bei isolierter Betrachtung des Erbrechts nicht dazu geeignet war, die Rechtsfolgen des § 1933 zu erklären. Denn da auch ein unschuldiger Kläger mit Eintritt der Rechtskraft seine Erbaussicht einbüßte, würde der nur im Zeitraum zwischen Klageerhe-

16 Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreichs und im übrigen Reichsgebiet (Ehegesetz) vom 27.07.1938, in Kraft getreten am 01.08.1938, RGBl. I, S. 923, 926. 17 Vom 06.07.1938, in Kraft getreten am 01.08.1938, RGBl. I, S. 807, 822. 18 Aufgehoben gem. § 84 EheG (38). 19 Die Vorschriften über die Anfechtung der Ehe gem. §§ 1330 ff. a. F. wurden durch § 84 EheG (38) aufgehoben und durch die Regelungen zur Aufhebbarkeit der Ehe gem. §§ 33 ff. EheG (38) ersetzt. 20 Battes/Thofern JZ 1990, 1135, 1136, Anm. zu BGH JZ 1990, 1134; Vyas, S. 31; Wirtz, S. 154; Frohnmayer, S. 175; Endemann, Bd. 3, ErbR 1, § 25 III b (S. 176); MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 2. Ebenso wohl Lange, Gesetzliche Erbfolge, S. 160.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

bung und Rechtskraft einseitige Wegfall des Erbrechts zu Lasten des Beklagten eine zufällige und damit jedenfalls ungerechte Strafe bedeutet haben. Haltbar war der Erklärungsansatz der herrschenden Meinung für die einseitige Benachteiligung des scheidungsschuldigen Überlebenden schon nach der Ursprungsfassung des § 1933 nur unter Berücksichtigung der unterhaltsrechtlichen Interessenlage.21 Ein unschuldiger Kläger hätte im Fall der Scheidung gem. § 1578 a. F. u. U. einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt erworben, der mit dem Tod des alleinschuldigen Beklagten gem. § 1582 a. F. als Nachlassverbindlichkeit auf dessen Erben übergegangen wäre. Da der Unterhaltsanspruch bei vorzeitigem Tod des beklagten Erblassers während des Scheidungsverfahrens mangels rechtskräftiger Scheidung noch nicht entstanden war und nicht mehr entstehen konnte, hätte der überlebende und in spe unterhaltsberechtigte Kläger auf der Grundlage eines beiderseitigen, vorzeitigen Erbrechtsausschlusses mit leeren Händen dagestanden. Vor diesem Hintergrund leuchten die Wirkungen des § 1933 a. F. zumindest in ihrer Tendenz ein: Sowohl Vorzeitigkeit als auch Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses zu Lasten des schuldigen Beklagten konnten als Ausfluss einer bloß zeitlichen Vorverlagerung der Scheidungswirkungen aufgrund des bereits rechtshängigen Scheidungsverfahrens verstanden werden22, wenn man darüber hinwegsieht, dass dem überlebenden Kläger mit der Erhaltung des Erbrechts anstelle eines – damals noch unbekannten – vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs streng genommen die falsche Rechtsposition gewährt wurde.23 Neben dem – objektiv ausgerichteten – Vorverlagerungsgedanken kam im Hinblick auf die Ursprungsfassung des § 1933 zudem der mutmaßliche Wille des Erblassers als Rechtfertigung für den Ausschluss der Nachlassteilhabe des Überlebenden in Betracht. Denn unter den Voraussetzungen des § 1933 a. F. stand es in der Rechtsmacht des Erblassers, seinem Gatten gem. § 2335 I a. F. den Pflichtteil zu entziehen. Die Wirkungen des § 1933 a. F. konnten daher ebenso auf den Willen des Erblassers zurückgeführt werden wie die Folgen einer Enterbungs- und Pflichtteilsentziehungsverfügung, deren Errichtung demjenigen Erblasser nicht mehr abverlangt werden musste, der in Form der Erhe21

Andeutungsweise ebenso Zopfs ZEV 1995, 310, 312. Ähnlich Dieckmann FS Schwab, 473, 474: „Gedanke der ,hypothetischen Kausalität‘“. 23 Bis ins Detail ließ sich freilich auch dieser Erklärungsansatz nicht durchhalten. Denn obwohl ein begründeter Mitschuldantrag des Beklagten gem. § 1574 III a. F. im Fall der Scheidung zum Ausschluss des nachehelichen Unterhaltsanspruchs des Klägers führte, blieb das gesetzliche Erbrecht des Klägers im Fall des vorzeitigen Todes des Beklagten trotz eines solchen Antrags nach h. M. unberührt, Planck/Flad § 1933 Anm. 2c; Staudinger/Lehmann11 § 1933 Rn. 3. Die Unbeachtlichkeit des Mitschuldantrags steht der Strafzwecktheorie der h. M. aber erst recht entgegen, zumal sie die Einseitigkeit der Vorverlagerung auch für den Fall nicht plausibel erklären kann, dass es sich beim überlebenden Beklagten um den alleinschuldigen Ehegatten handelte. 22

A. Einseitigkeit der Vorverlagerung

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bung der Scheidungsklage bereits einschneidendere Maßnahmen ergriffen hatte.24 Allerdings endete auch die Überzeugungskraft dieser Erklärung an der erbrechtlichen Unbeachtlichkeit eines begründeten Mitschuldantrags des Beklagten gem. § 1574 III a. F., da der Beklagte in diesem Fall gleichermaßen zur Pflichtteilsentziehung berechtigt war und seinen darauf gerichteten Willen durch den Mitschuldantrag ebenfalls hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte.

II. Neufassung des § 1933 auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips Mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips durch das 1. EheRG schied die Scheidungsschuld nicht nur als Scheidungsgrund, sondern auch als Anknüpfungspunkt für das Scheidungsfolgenrecht aus.25 Der an der überkommenen nachehelichen Unterhaltslage orientierte Vorverlagerungsgedanke wurde damit hinfällig. Dementsprechend schlug die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum 1. EheRG vor, § 1933 ersatzlos zu streichen: Auf der Grundlage des neuen Rechts komme ein vorzeitiger Erbrechtsausschluss weder unter den allgemeinen Scheidungsvoraussetzungen noch dann in Betracht, wenn er unter den Vorbehalt besonderer Verschuldensvoraussetzungen gestellt werde. Denn ein vor Eintritt der Scheidung vom gesetzlichen Erbrecht Ausgeschlossener büße zugleich sein Pflichtteilsrecht ein und stünde daher selbst unter den strengeren Verschuldensvoraussetzungen schlechter als ein tatsächlich Geschiedener, der unabhängig von einem etwaigen Verschulden Aussicht auf nachehelichen Unterhalt in Höhe des Pflichtteils gegen die Erben des Verstorbenen habe. Das zur Erhaltung des Pflichtteils notwendige Bestehenbleiben des gesetzlichen Erbrechts im Ganzen sei hinnehmbar, da es jedem der Ehegatten frei stehe, den anderen rechtsgeschäftlich von der Erbfolge auszuschließen.26 Der Bundesrat plädierte demgegenüber dafür, § 1933 unter Anpassung an das Zerrüttungsprinzip aufrechtzuerhalten. Die vorgeschlagene Streichung der Vorschrift widerspreche dem Gebot, die Ausgestaltung der gesetzlichen Erbfolge am mutmaßlichen Willen des Erblassers auszurichten, da „spätestens im Zeitpunkt der Antragstellung (. . .) offenkundig (werde), daß das Erbrecht des überlebenden Ehegatten seine innere Rechtfertigung“ einbüße. Der vorzeitige Ausschluss des Überlebenden werde „der Interessenlage und dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten“ daher in stärkerem Maße gerecht als die Lösung des Regierungsentwurfs, die zur Errichtung überhasteter letztwilliger Verfügungen während des psychisch belastenden Scheidungsverfahrens zur Regelung eben 24

Dieckmann FS Schwab, 473 f. Battes FamRZ 1977, 433, 438; Schwab/Borth, ScheidungsR, IV, Rn. 143; Göppinger/Wax/Bäumel, UnterhaltsR, Rn. 933. 26 BT-Drucks. 7/650, S. 179. 25

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

dieses bloß vorläufigen Zustands zwinge.27 Allerdings erkannte auch der Bundesrat, dass es angesichts der berechtigten Aussicht beider Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt im Scheidungsfall nicht bei einem schlichten Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts zu Lasten des Überlebenden bewenden konnte. Dementsprechend schlug er vor, einem vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossenen Überlebenden durch einen Verweis auf die „§§ 1570 bis 1576, §§ 1581 bis 1586b“ einen nachehelichen Unterhaltsanspruch zuzubilligen28, was zur Einfügung des § 1933 S. 3 führte.29 Die Mehrheit des Rechtsausschusses machte sich die Argumentation des Bundesrates in vollem Umfang zu eigen30 und gab § 1933 S. 1, S. 3 die bis heute geltende Gestalt.31 An der Begründung zur Neufassung des § 1933 fällt auf, dass sie sich expressis verbis nur mit dem Ausschluss des Ehegattenerbrechts beschäftigt. Auf das einseitige Bestehenbleiben des Erbrechts des Antragstellers nach einem prozessual passiven Antragsgegner ging der Bundesrat nicht ein, obwohl gerade dieses Phänomen angesichts der vorverlagerungsfreundlichen Tendenz der Begründung einer ausdrücklichen Erklärung wert gewesen wäre. Sicher ist, dass die einseitige Aufrechterhaltung des Antragstellererbrechts nicht übersehen wurde: Die Minderheit des letztlich entscheidenden Rechtsausschusses wies ausdrücklich auf diese Rechtsfolge hin.32 Das legt die Vermutung nahe, dass der Bundesrat auch im Hinblick auf das Bestehenbleiben des Antragstellererbrechts nach einem passiven Antragsgegner zunächst vom mutmaßlichen Erblasserwillen als maßgeblichem Bezugspunkt ausging, aber annahm, dass nur die aktive Beteiligung am Scheidungsverfahren mit hinreichender Sicherheit den Willen des Erblassers indiziere, seinen Partner von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen. Hervorzuheben ist, dass dieser subjektive Erklärungsansatz nicht zu der weiter reichenden – isoliert betrachtet in der Tat unhaltbaren – Annahme nötigt, der Antragsgegner bringe durch schlichte Untätigkeit positiv seinen Willen zur Aufrechterhaltung des Erbrechts seines Ehegatten zum Ausdruck.33 Ausgehend von der bereits zum alten Recht vertretenen These, dass 27

BT-Drucks. 7/650, S. 274. BT-Drucks. 7/650, S. 275. 29 Anders als die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung verweist die Gesetz gewordene Fassung des § 1933 S. 3 auf sämtliche Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts. Vgl. dazu 2. Teil, B. II. 30 BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 31 Die Änderung des § 1933 durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (EheschlRG) vom 04.05.1998, in Kraft getreten am 01.07.1998, BGBl. I, S. 833, 836, betraf ausschließlich das in § 1933 S. 2 geregelte Aufhebungsverfahren, das von einem Klage- in ein Antragsverfahren umgewandelt wurde. 32 BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 33 So aber Battes FamRZ 1977, 433, 438; Bengel ZEV 1994, 360, Anm. zu BGH ZEV 1994, 358; Zopfs ZEV 1995, 309, 312; Vyas, S. 87; Wirtz, S. 157; Frohnmayer, S. 178. 28

A. Einseitigkeit der Vorverlagerung

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„die innere Einstellung des beklagten, grundsätzlich an der Ehe festhaltenden Ehegatten gegenüber dem Kläger zu verschieden (ist), als daß sie einer allgemeinen Regel unterworfen werden könnte“34, bedeutet das Fortbestehen des Antragstellererbrechts lediglich die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Status quo.35 Da ein solches Alles-so-wie-bisher im Grundsatz keiner besonderen Begründung bedarf, wird erklärlich, dass sich der Bundesrat einer ausdrücklichen Stellungnahme enthielt. Mit den dargestellten gesetzgeberischen Prämissen steht und fällt die Stichhaltigkeit zweier Einwände, die erstmalig Battes36 gegen die Neufassung des § 1933 vorgebracht hat: Dass der aus der Ehe hinausstrebende Antragsteller weiterhin als Ehegatte erbt37, während der an der Ehe festhaltende, jedenfalls untätige Antragsgegner wie ein Geschiedener behandelt wird, ist folgerichtig, wenn man der Beurteilung dieser Rechtsfolgen die – nach der gesetzgeberischen Konzeption allein maßgebliche – Perspektive und den Willen des jeweils anderen Ehegatten und Erblassers zugrunde legt. Und auch der Wertungswiderspruch, dass gerade dem vom Scheidungsantrag seines Gatten u. U. überraschten Antragsgegner diejenige rechtsgeschäftliche Aktivität zugemutet wird, die § 1933 S. 1 dem Antragsteller abnimmt, löst sich auf, wenn man mit dem Gesetzgeber fehlende Typisierbarkeit des Antragsgegnerwillens unterstellt.38 Für die folgende Prüfung der Vereinbarkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses mit dem Grundgesetz wird die Tragfähigkeit des subjektiven Begründungsansatzes damit zur Gretchenfrage.

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Lange JuS 1965, 347, 350, zur parallel gelagerten Problematik beim Erbvertrag. Die Kritik von Wirtz, S. 157, der subjektive Erklärungsansatz laufe auf eine Verletzung des Prinzips hinaus, dass bloßem Schweigen kein Erklärungswert zukommt, liegt folglich neben der Sache. Nicht die Wahrung des Prinzips ist problematisch, sondern – im Gegenteil – die Frage, ob es über die ihm immanenten Grenzen hinaus strapaziert wurde, vgl. dazu 2. Teil, B. I. 2. b). 36 FamRZ 1977, 433, 438. Ihm folgend Zopfs ZEV 1995, 309, 312. 37 Dagegen bereits Dieckmann, 49. DJT, Bd. II K 27, der umgekehrt dafür plädierte, den Antragsteller im Fall des Todes des Antragsgegners vom gesetzlichen Erbrecht auszuschließen, und zwar allein aufgrund seiner Antragstellung, also ohne Rückkopplung an die scheidungsrechtliche Lage: „Wer die Scheidung begehrt, zeigt damit – solange er seinen Antrag aufrecht erhält – daß die Ehe für ihn gescheitert ist. Wird sein Antrag gegenstandslos, weil der Partner über dem Verfahren stirbt, geschieht ihm kein Unrecht, wenn er erbrechtlich so behandelt wird, als wenn er Erfolg gehabt hätte. Die Erfolgsaussichten seines Begehrens braucht man nicht mehr zu prüfen.“ Da Dieckmann, 49. DJT, Bd. II K 27 aber auch den überlebenden Antragsgegner vom gesetzlichen Erbrecht ausschließen wollte, lief seine Lösung letztlich auf einen beiderseitigen Erbrechtsausschluss hinaus. 38 Bengel ZEV 1994, 360, Anm. zu BGH ZEV 1994, 358: „Formal (. . .) logisch.“ 35

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses Das BVerfG hat den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts während des Scheidungsverfahrens als bloß zeitliche Vorverlagerung des mit der Rechtskraft ohnehin eintretenden Erbrechtsverlusts ohne weiteres für verfassungsgemäß erklärt, sofern die Vorverlagerung aufgrund beidseitiger Scheidungsaktivität beide Ehegatten gleichermaßen trifft.39 Eine höchstrichterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des nach § 1933 S. 1, 1. Alt. möglichen einseitigen Erbrechtsausschlusses steht dagegen noch aus.40 Verfassungsrechtliche Bedenken wirft diese Rechtsfolge zunächst im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 I GG auf. Darüber hinaus kommen Verstöße gegen Art. 6 I GG und Art. 14 I 1, 2. Alt. GG in Betracht.

I. Verstoß gegen Art. 3 I GG Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt vom Gesetzgeber, in maßgeblicher Hinsicht gleiche Gegebenheiten gleich zu behandeln.41 Das Grundrecht aus Art. 3 I GG ist daher verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten“42. 1. Ungleichbehandlung von Antragsteller und passivem Antragsgegner Das Vorliegen einer Ungleichbehandlung der von § 1933 S. 1, 1. Alt. betroffenen Adressatengruppen Antragsteller und Antragsgegner liegt auf der Hand: Der Antragsgegner büßt im Falle seines Überlebens sämtliche an den Bestand der Ehe anknüpfenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten ein. Demgegenüber 39 BVerfG FamRZ 1995, 536: Offensichtlich unbedenklich. Ebenso die h. M., vgl. Zopfs ZEV 1995, 309, 311; Werner ZEV 2003, 327, Anm. zu OLG Köln ZEV 2003, 326; Wirtz, S. 159; Frohnmayer, S. 171; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 3. Die Ausführungen des Gerichts beschränken sich auf § 1933 S. 1, 2. Alt., dürften aber im Fall beidseitiger Antragstellung auch für den Erbrechtsausschluss nach der ersten Alternative gelten. 40 Offen gelassen von BVerfG FamRZ 1995, 536; BGH JZ 1990, 1134, 1135 m. Anm. Battes/Thofern; BGH ZEV 1995, 150, 153. 41 BVerfGE 3, 58, 135; BVerfGE 49, 280, 283; Sachs, GR, B 3, Rn. 12. 42 Sog. neue Formel, seit BVerfGE 55, 72, 88 st. Rechtsprechung. Die Anwendung dieses gegenüber dem bloßen Willkürverbot strengeren Prüfungsmaßstabs rechtfertigt der Umstand, dass § 1933 S. 1, 1. Alt. neben dem allgemeinen Gleichheitssatz auch die Schutzbereiche von Art. 6 I GG u. 14 I 1, 2. Alt. GG berührt.

B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses

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verbleiben dem überlebenden Antragsteller vorbehaltlich einer abweichenden letztwilligen Verfügung des prozessual passiven Antragsgegners das gesetzliche Erbrecht sowie der Voraus des Ehegatten, jedenfalls aber der im Grundsatz rechtsgeschäftlich unentziehbare Pflichtteil. Schon der Fortbestand letzterer Rechtsposition belegt, dass die dem Antragsgegner als Erblasser unbenommene Möglichkeit, seinen Ehegatten durch Testament gem. § 1938 von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, keine gleichwertige Alternative zum gesetzlichen Erbrechtsausschluss darstellt.43 Auch der nacheheliche Unterhaltsanspruch, der dem vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossenen Antragsgegner gem. § 1933 S. 3 nach Maßgabe der §§ 1569 ff. zugute kommt, ist – nunmehr vom Blickwinkel eines überlebenden Antragsgegners aus betrachtet – nicht dazu geeignet, die Ungleichbehandlung der Ehegatten auszugleichen.44 Denn der Unterhaltsanspruch des Antragsgegners setzt im Gegensatz zum Pflichtteilsanspruch als insofern maßgeblicher Vergleichsgröße gem. § 1577 Bedürftigkeit aus einem der in den §§ 1570 ff. aufgeführten Gründe voraus, so dass der überlebende Antragsgegner nicht in den Genuss einer über etwaige Versorgungsinteressen hinausgehenden, reinen Vermögensteilhabe am Nachlass kommt.45 Zudem kann der im Falle der Bedürftigkeit dem Grunde nach gegebene Unterhaltsanspruch in der Höhe hinter dem Pflichtteilsanspruch zurückbleiben, weil bei der Ermittlung des fiktiven Ehegattenpflichtteils als Haftungshöchstgrenze für den Unterhaltsanspruch güterstandsbedingte Erhöhungen des gesetzlichen Erbteils gem. § 1586b II nicht zu berücksichtigen sind. Der Vergleich zwischen Haftungshöchstgrenze und realem Pflichtteil fällt freilich nur, aber immerhin dann zu Ungunsten des Antragsgegners aus, wenn er im Güterstand der Gütertrennung mit einem oder zwei Erblasserabkömmlingen konkurriert, § 1931 IV.46 In diesem Fall betrüge die reale Pflichtteilsquote des Antragsgegners 1/4 bzw. 1/6, während sein Unterhaltsanspruch gem. §§ 1931 I, 2303 II, I S. 2 auf 1/8 des Nachlasswerts beschränkt ist.

43 So aber OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 160, 162; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 3. 44 Anders neben den in Fn. 43 Genannten Dieckmann FS Schwab, 473, 481. 45 Frohnmayer, S. 175; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 4. 46 Dass auch die Pauschalerhöhung des Ehegattenerbteils im gesetzlichen Güterstand nach § 1371 I gem. § 1586b II unberücksichtigt bleibt, spielt entgegen Frohnmayer, S. 175 im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle: Mit kleinem Pflichtteil und güterrechtlichem Zugewinnausgleich muss der überlebende Ehegatte im Güterstand der Zugewinngemeinschaft immer rechnen. Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls irrelevant ist der Umstand, dass die dem Antragssteller de lege lata zugute kommende Erbteilserhöhung gem. § 1931 IV ihrerseits rechtspolitisch verfehlt ist. Vgl. dazu Fn. 316 a. E.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

2. Fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Die Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses zu Lasten des Antragsgegners gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. knüpft tatbestandlich an den Umstand an, dass der Antragsteller eine auf Scheidung der Ehe gerichtete Verfahrenshandlung vorgenommen hat, während der Antragsgegner prozessual passiv geblieben ist. Der Gesetzgeber hielt die Ungleichbehandlung der Ehegatten aufgrund dieses Unterschiedes im prozessualen Verhalten für gerechtfertigt, weil er davon ausging, dass der vorzeitige Erbrechtsausschluss des Überlebenden von einem darauf gerichteten, mutmaßlichen Willen des Erblassers abhängig zu machen sei und dieser Wille nur aus der aktiven Mitwirkung des Erblassers am Scheidungsverfahren abgeleitet werden könne. Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. a) Gegenstand des Antragstellerwillens Kaum zu bestreiten ist freilich der Ausgangsbefund des Gesetzgebers, dass die Antragstellung des Verstorbenen rein tatsächlich betrachtet ein hinreichend sicheres Indiz für den mutmaßlichen Erblasserwillen abgibt, den Überlebenden vom gesetzlichen Erbrecht auszuschließen.47 Als „eher zufällige Momentaufnahme“ während der stressbelasteten Scheidungskrise kann dieser Wille nicht abgetan werden48, weil § 1933 S. 1, 1. Alt. neben der Antragstellung verlangt, dass die Scheidungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen. Mangels Zustimmung des Antragsgegners bedeutet dies gem. § 1566 II u. U. ein dreijähriges, regelmäßig zumindest ein einjähriges Getrenntleben der Ehegatten, § 1565 II. Zur Korrektur eines übereilten Entschlusses durch Rücknahme des Scheidungsantrags gem. §§ 608, 269 I ZPO bleibt bei früher Antragstellung folglich genügend Zeit. Im Falle später Antragstellung hat der scheidungswillige Ehegatte die Trennungszeit bereits hinter sich. In beiden Konstellationen kann von einem von den Ereignissen übermannten Antragsteller daher kaum die Rede sein. Zumindest unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dem durch die einseitige Antragstellung zum Ausdruck kommenden Willen von vornherein jegliche rechtliche Beachtlichkeit abzusprechen.49 Für den Erbrechtsausschluss des Antragsgegners kann dieser Wille aber 47 Bock MittRhNotK 1977, 205, 207; Battes FamRZ 1977, 433, 438; Bengel ZEV 1994, 360, Anm. zu BGH ZEV 1994, 358. A. A. Soergel/Stein § 1933 Rn. 3 aufgrund der wenig lebensnahen Annahme, die Ehegatten sähen u. U. „keine konditionale Beziehung zwischen der Vermögenszuordnung im Todesfall und dem Bestand der Ehe“. 48 So aber Zopfs ZEV 1995, 309, 312, der angesichts der individuellen Unterschiede verschiedener Erblasser zudem grundsätzliche Zweifel an der Typisierbarkeit des Erblasserwillens hegt. Ihm folgend Vyas, S. 86 f. 49 Bedenken könnten sich insofern allenfalls aus Art. 6 I GG ergeben. Vgl. dazu 2. Teil, B. II. 1.

B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses

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entgegen der Auffasung des Gesetzgebers bestenfalls mittelbar eine Rolle spielen. Als unmittelbarer Anknüpfungspunkt für den vorzeitigen Erbrechtswegfall taugt der mutmaßliche Erblasserwille nicht (mehr), weil mit dem Verlust des gesetzlichen Erbrechts der Verlust des Pflichtteils einhergeht, den der Erblasser, abgesehen von den Ausnahmefällen des § 2335, dessen Voraussetzungen nicht mehr mit denen des § 1933 parallel laufen50, nicht einmal durch die formgerechte Kundgabe seines wirklichen Willens auszuschließen vermag.51 An diese Wertung ist auch der Gesetzgeber gebunden, da das Pflichtteilsrecht nach herrschender Meinung Verfassungsrang genießt.52 Gedanklich kommt damit keine Begründung für einen vorzeitigen Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts ohne Rückgriff auf den Zustand der Ehe aus. Der Erbrechtsausschluss kann nur gerechtfertigt sein, wenn und weil die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund ihres Scheiterns als pflichtteilsbegründendes Verhältnis zur Disposition des Antragstellers stand. Rechtliche Relevanz als Willensindikator kommt der Antragstellung folglich äußerstenfalls im Hinblick auf den Willen des Antragstellers zu, aus dem Scheitern der Ehe auch die Konsequenz der Scheidung zu ziehen.53 Die Berücksichtigung dieses Antragstellerwillens berechtigt aber – von Bedenken in Bezug auf Art. 6 I GG zunächst abgesehen – nur dazu, die technisch bis zum Tod des Erblassers bestehende Ehe wie eine bereits geschiedene zu behandeln. Der Erbrechtsausschluss zu Lasten des Antragsgegners beruht folglich nicht auf einem unmittelbar erbrechtsrelevanten Willen des Antragstellers, sondern stellt sich als mittelbare Folge einer auf dem Willen des Antragstellers gründenden Scheidungsfiktion dar.54 Dieser Erklärungsansatz 50

Dazu näher 2. Teil, B. II. 2. So bereits das königlich-sächsische OLG Dresden, Annalen des königlich-sächsischen OLG zu Dresden, Bd. 12, 257, 260 zu § 2055 sächsisches BGB als Vorgängernorm zu § 1933 a. F. Vgl. auch Dieckmann FS Schwab, 473, 481. Ähnlich, aber weiter gehend Leipold AcP 180 (1980), 160, 196 f.; Zopfs ZEV 1995, 309, 312; Frohnmayer, S. 177; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 b) (S. 258), die den mutmaßlichen Erblasserwillen nicht nur hinsichtlich des Pflichtteils, sondern auch in Bezug auf die gesetzliche Erbfolge für irrelevant halten. Das lässt sich kaum mit der Rechtsprechung des BVerfG in Einklang bringen, der zufolge die gesetzliche Erbfolge so auszugestalten ist, „dass sie aus objektiver Sicht dem Interesse eines verständigen Erblassers entspricht“, BVerfGE 91, 346, 360. Ebenso Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rn. 300. 52 So jüngst BVerfG ZEV 2005, 301, 303 zum Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge. Die in weiten Teilen an Art. 6 I GG orientierte Begründung dürfte auf den Ehegattenpflichtteil übertragbar sein. Im Ergebnis ebenso BGHZ 98, 226, 233; BGHZ 109, 306, 313; Groß, S. 132 f.; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 14 Rn. 94. Kritisch zur Entscheidung des BVerfG Kleensang ZEV 2005, 277, 278 ff. 53 Battes/Thofern JZ 1990, 1135, Anm. zu BGH JZ 1990, 1134. 54 Im Gesetzgebungsverfahren wurden diese unterschiedlichen Erklärungsansätze vom Bundesrat und der Mehrheit des Rechtsausschusses nicht als verschiedene erkannt, vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 52: „Die beschlossene Vorschrift stellt für den Verlust des Ehegattenerbrechts und des Voraus darauf ab, daß die Ehe gescheitert ist und der Erblasser durch die Antragstellung oder die Zustimmung zum Scheidungsantrag zu erkennen gegeben hat, daß er bereit ist, hieraus die Folgerungen zu ziehen. Der Ver51

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

läuft aber selbst im Fall einer bloß einseitigen Antragstellung zwingend auf einen beiderseitigen Erbrechtsausschluss hinaus, weil die Fiktion der Scheidung die Ehe als Ganzes betrifft und damit auch die Grundlage des Antragstellererbrechts zerstört.55 b) Typisierbarkeit des Antragsgegnerwillens Auch die Annahme mangelnder Typisierbarkeit des Antragsgegnerwillens als zweite tragende Säule der gesetzgeberischen Argumentation zugunsten des einseitigen Erbrechtsausschlusses vermag nicht zu überzeugen56, weil es im Hinblick auf den Antragsgegner zu kurz greift, lediglich die prozessuale Mitwirkung am Scheidungsverfahren als Indiz für den Ausschlusswillen gelten zu lassen. Denn damit bleibt unberücksichtigt, dass der jedenfalls eintretende Wegfall der erbrechtlichen Erwerbsaussichten des Antragsgegners zu einer erheblichen Störung der ursprünglichen, durch das gegenseitige gesetzliche Erbrecht aus § 1931 geprägten Interessenlage führt. Käme es entgegen dem bisher Gesagten auf den mutmaßlichen Erblasserwillen an, müsste bereits aufgrund dieser Störung auch in der Person des Antragsgegners ein auf Ausschluss seines Gatten gerichteter Wille konstatiert werden. Denn selbst wenn isoliert betrachtet nicht klar ist, ob ein typischer Antragsgegner im Falle seines Vorversterbens den Antragsteller weiterhin bedenken will oder nicht, so will er doch im Regelfall keine Veränderung des ursprünglichen Verhältnisses zwischen der Aussicht, vom Antragsteller beerbt zu werden und der eigenen Chance, dessen Erbe zu werden.57 Da dieser Befund unabhängig von der prozessualen Aktivität des Anlust des Erbrechts und des Voraus findet seine innere Rechtfertigung also (Hervorhebung des Verfassers) in dem mutmaßlichen Erblasserwillen.“ Die Verquickung der beiden Begründungslinien hatte zur Folge, dass der unmittelbar auf den Erblasserwillen abstellende Ansatz nicht einmal im Hinblick auf den Tod des Antragstellers in reiner Form durchgeführt wurde, was nicht nur zum Ausschluss der eheabhängigen, sondern sämtlicher erbrechtlicher Erwerbsaussichten des Antragsgegners inklusive eines etwaigen gesetzlichen Verwandtenerbrechts aus § 1934 hätte führen müssen, das von § 1933 S. 1, 1. Alt. aber unberührt bleibt, Frohnmayer, S. 177. 55 So bereits die Minderheit des Rechtsausschusses im Gesetzgebungsverfahren zum 1. EheRG, vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 52. Ebenso Wirtz, S. 155; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 b) (S. 258); MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 2. 56 A. A. Soergel/Stein § 1933 Rn. 3. 57 Battes FamRZ 1977, 433, 438; Rauscher, Reformfragen, Bd. II/1, S. 129. Ebenso Zopfs ZEV 1995, 309, 312 f., der die Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses im Hinblick auf Art. 3 I GG auch unter dem Gesichspunkt mangelnder Systemkonformität rügt, da das sonstige Ehegattenerbrecht des BGB von den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Chancengleichheit beherrscht werde, was insbesondere an den §§ 2268–2271 zum Ausdruck komme. Während des Scheidungsverfahrens werden diese Grundsätze aber auch im gewillkürten Ehegattenerbrecht suspendiert, und zwar durch die § 1933 S. 1 tatbestandlich entsprechende Vorschrift des § 2077 I 2, die kraft Verweisung der §§ 2268 I, 2279 I sowohl für gemeinschaftliche Testamente als auch für Erbverträge gilt, vgl. dazu 3. Teil, B. Dem Gesetzgeber kann daher nicht der von

B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses

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tragsgegners gilt, hätte der Ausschluss des Antragstellererbrechts nicht zusätzlich von der eigenen Antragstellung bzw. Zustimmung des Antragsgegners abhängig gemacht werden dürfen, zumal deren Ausbleiben darauf beruhen kann, dass der Antragsgegner eben aufgrund der dargestellten Interessenlage die Erforderlichkeit eigener Scheidungsaktivität verkennt oder vor seinem Tod aus Zeitmangel keine Gelegenheit mehr dazu hat, auf den u. U. überraschenden Scheidungsantrag seines Gatten zu reagieren.58 Für die Ungleichbehandlung der Ehegatten bestünde daher selbst dann kein rechtfertigender Grund, wenn der mutmaßliche Erblasswille als unmittelbarer Anknüpfungspunkt für die Ausgestaltung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts während des Scheidungsverfahrens in Betracht käme.

II. Verstoß gegen Art. 6 I GG Die Regelung des § 1933 S. 1, 1. Alt. erscheint auch im Hinblick auf Art. 6 I GG verdächtig, der die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates stellt. In den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts fällt die verweltlichte, bürgerlich-rechtliche Ehe, die in den rechtlich vorgesehenen Formen geschlossen wird.59 An eine solche Ehe knüpft § 1933 S. 1, 1. Alt. an. Zwar setzt die Vorschrift voraus, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren, so dass ausschließlich beweisbar gescheiterte Ehen betroffen sind. Da Art. 6 I GG nach herrschender Meinung aber sogar über die Auflösung der Ehe hinaus Geltung beansprucht60, wird auch und erst recht die zwar gescheiterte, aber formal bis zum Tod des Erblassers bestehende Ehe vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst.61

der sachlichen Rechtfertigungstauglichkeit des gewählten Differenzierungskriteriums unabhängige, zusätzliche Vorwurf gemacht werden, das einmal gewählte Differenzierungskriterium nicht konsequent angewendet zu haben. 58 Battes FamRZ 1977, 433, 438; Wirtz, S. 150. Trotzdem hinkt der von Zopfs ZEV 1995, 309, 312 kreierte Vergleich vom „Wettlauf zum Scheidungsrichter“, dessen Gewinner auch beim Erbrecht gewinne. Denn der „Verlierer“ wird durch die frühere Antragstellung seines Ehegatten nicht daran gehindert, seinerseits einen Scheidungsantrag zu stellen und wird unter der Prämisse, dass beide Ehegatten unabhängig voneinander die Scheidung wollen, die Antragstellung des Antragsgegners also nicht bloß eine notwendig zeitverzögerte Reaktion darstellt, mit seiner Antragstellung auch kaum je in Zeitnot geraten. Denn § 1933 S. 1, 1. Alt. verlangt neben der Antragstellung, dass die Voraussetzungen der Scheidung zum Zeitpunkt des Todes des Antragstellers vorliegen, die Ehegatten also gem. § 1565 II bereits ein Jahr getrennt gelebt haben. 59 BVerfGE 31, 58, 82 f.; BVerfGE 53, 224, 245. 60 BVerfGE 53, 257, 297; BVerfGE 62, 323, 329 f.; BVerfGE 66, 84, 93; v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 68; Sachs/Schmitt-Kammler, GG, Art. 6 Rn. 44. 61 BVerfGE 55, 134, 142.

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Wirkungen entfaltet der durch Art. 6 I GG verbürgte Schutz der Ehe in dreifacher Hinsicht, nämlich als subjektives Abwehrrecht der Ehegatten gegen den Staat, als Institutsgarantie sowie als wertentscheidende Grundsatznorm.62 Im Hinblick auf § 1933 S. 1, 1. Alt. kommen Verstöße gegen die beiden zuletzt genannten Garantieebenen in Betracht. 1. Institutsgarantie: Negative Verlaufsprognose bei einseitiger Scheidungsaktivität Die Institutsgarantie sichert den Kern der das Familien- und Eherecht prägenden Vorschriften gegen gesetzgeberische Umgestaltungen, die bestimmende Merkmale des Bildes von der Familie und der Ehe beeinträchtigen, das der Verfassung zugrunde liegt.63 Zu den für die Ehe wesensbestimmenden Merkmalen gehört nach einhelliger Auffassung ihre grundsätzliche Unauflösbarkeit.64 Bereits im Hinblick auf diesen Grundsatz werden von Teilen der Literatur Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. angemeldet, weil die Vorschrift jedenfalls an den Tod des Antragstellers scheidungsrechtliche Folgen knüpft, also insofern prognostiziert, dass die Ehe durch Scheidung aufgelöst worden wäre, wenn sich das Scheidungsverfahren nicht durch den Tod des Antragstellers erledigt hätte. Ob der Gesetzgeber eine solche negative Verlaufsprognose auch dann stellen dürfe, wenn nur einer der Ehegatten die Scheidung betreibe, erscheine aber zweifelhaft, weil trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen die Chance einer Wiederversöhnung bestehe, solange der andere Ehegatte an der Ehe festhalte.65 Die dargestellte Auffassung verdient besondere Berücksichtigung, weil sie sich nicht in einer Kritik der lex lata erschöpft, sondern darüber hinaus den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zur Herstellung verfassungsmäßiger Verhältnisse verengt: Träfen die geltend gemachten Bedenken zu, könnte auch eine Neufassung des § 1933 S. 1, die das Erbrecht beider Ehegatten als Folge einer einseitigen Antragstellung entfallen ließe, nicht vor Art. 6 I GG bestehen. Die nach Art. 3 I GG jedenfalls erforderliche Herstellung erbrechtlicher Chancengleichheit liefe daher de lege ferenda auf die Alternative hinaus, gänzlich auf einen vorzeitigen Erbrechtsausschluss zu verzichten oder einen für beide Ehegatten geltenden Ausschluss erst im Falle beidseitiger Scheidungsaktivität eintreten zu lassen. 62

BVerfGE 6, 55, 72 f.; BVerfGE 62, 323, 329; BVerfGE 76, 1, 49. BVerfGE 6, 55, 72; BVerfGE 80, 81, 92. 64 BVerfGE 10, 59, 66; BVerfGE 31, 58, 82; BVerfGE 62, 323, 330; Isensee/Kirchhof/Lecheler, HStR, Bd. VI, § 133 Rn. 22; Sachs, GR, B 6, Rn. 23; v. Münch/Kunig/ Coester-Waltjen, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 10. 65 Frohnmayer, S. 176 im Anschluss an MünchKomm/Leipold 3 § 1933 Rn. 2. In der 4. Auflage fehlt die entsprechende Passage. 63

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Art. 6 I GG zwingt indes keineswegs dazu, den einseitig vom Antragsteller bekundeten Willen zur Scheidung bei der Ausgestaltung der erbrechtlichen Lage für unbeachtlich zu erklären. Denn es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum Art. 6 I GG im Hinblick auf die erbrechtliche Lage strengere Anforderungen stellen sollte als an die Voraussetzungen für die Scheidung selbst, die – abgesehen von den Ausnahmefällen des § 1568 – jeder Ehegatte einseitig durch bloßen Zeitablauf herbeiführen kann.66 Das spricht schon aus systematischen Gründen dafür, auch für den vorzeitigen Ausschluss des Ehegattenerbrechts die einseitige Antragstellung genügen zu lassen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Ehe nicht nur in verfassungsrechtlich zulässiger Weise letztlich einseitig scheidbar ausgestaltet hat67, sondern auch ausgestalten musste: Da die Ehe als auf partnerschaftlichem Konsens gründender Verbund68 eine Zwangsgemeinschaft auch gegen den Willen nur eines Ehegatten auf Dauer nicht zulässt, erkennt die herrschende Meinung zu Recht einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Scheidung an, der als negative Ausprägung der Eheschließungsfreiheit seinerseits dem Schutzbereich des Art. 6 I GG zuzuordnen ist.69 Liegen die Voraussetzungen der Scheidung zum Zeitpunkt des Erbfalls vor, so dass der Antragsteller zu Lebzeiten das subjektive, grundrechtlich geschützte Recht erworben hat, die Scheidung der Ehe aus eigener Kraft herbeizuführen, wäre es jedenfalls materiellrechtlich betrachtet willkürlich, dieses Recht allein aufgrund des zufällig vor Beendigung des Scheidungsverfahrens eingetretenen Todes des Rechtsinhabers zunichte zu machen.70 Man wende nicht ein, dass der Tod des Antragstellers dessen berechtigtes Interesse 66 Unzutreffend insofern die Bewertung von MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 3, auf der Grundlage des geltenden Scheidungsrechts sei auch ein beiderseitiger, vorzeitiger Erbrechtsausschluss „nur dann konsequent und in sich schlüssig, wenn beide Ehegatten die Scheidung (. . .) betreiben“. 67 Vgl. BVerfGE 53, 224, 245 ff., wonach nicht nur der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrütungsprinzip mit Art. 6 I GG vereinbar ist, sondern auch die unwiderlegliche Vermutung des Scheiterns der Ehe nach dreijährigem, von nur einem Ehegatten ausgehendem Getrenntleben. Vgl. auch Finger MDR 1990, 213, 215: Die Ehe ist „gegen die entschiedenen Absichten des Antragstellers/Klägers, sie scheiden oder auflösen zu lassen, praktisch nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg zu verteidigen“. 68 Dreier/Gröschner, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 40. 69 So insbesondere BGHZ 97, 304, 306 f., der die Nichtigkeit eines vor Entstehung eines Scheidungsgrundes vereinbarten Scheidungsverzichts im Anschluss an die h. M. damit rechtfertigt, dass die Ehegatten über das durch Art. 6 I GG gewährleistete Recht auf Scheidung nicht vor seiner Entstehung disponieren können. Im Ergebnis ebenso Sachs, GR, B 6, Rn. 9; v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 62; v. Münch/Kunig/Coester-Waltjen, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 20; Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Hofmann, GG, Art. 6 Rn. 14. A. A. Isensee/Kirchhof/Lecheler, HStR, Bd. VI, § 133 Rn. 74 f.; Sachs/Schmitt-Kammler, GG, Art. 6 Rn. 23. 70 Soergel/Stein § 1933 Rn. 3 u. Staudinger/Werner § 1933 Rn. 3, der zutreffend darauf hinweist, dass der Antragsteller das Verfahren kaum beschleunigen kann, vom Antragsgegner initiierte Verzögerungen dagegen möglich sind. Ähnlich AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 1: Die Abhängigkeit des Erbrechtsausschlusses von beidseitiger

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

daran entfallen lasse, wie ein Geschiedener behandelt zu werden. Denn die für den Antragsteller zur Zwangsgemeinschaft gewordene Ehe zeitigt in Form des Erb- und Pflichtteilsrechts des Antragsgegners Wirkungen, die naturgemäß über den Tod des Antragstellers hinausreichen.71 Diese Wirkungen können im Hinblick auf das Recht auf Scheidung schon deshalb nicht unberücksichtigt bleiben, weil die durch das Pflichtteilsrecht des Antragsgegners u. U. erheblich eingeschränkte Testierfreiheit des Antragstellers ihrerseits grundrechtlichen Schutz aus Art. 14 I 1, 2. Alt. GG genießt. Zwangsoptimistische Prognosen über den Ausgang des Scheidungsverfahrens unter Berufung auf den Unauflösbarkeitsgrundsatz sind folglich fehl am Platz. Die Frage, ob an den Tod des Antragstellers noch ehe- oder schon scheidungsrechtliche Folgen zu knüpfen sind, muss anhand des wahrscheinlichen Ausgangs des Verfahrens beantwortet werden. Die bloße Möglichkeit der Wiederversöhnung vermag aber die auf einer größeren Wahrscheinlichkeitsgrundlage beruhende Vermutung zugunsten der Scheidung nicht zu entkräften. Als Fazit des bisher Gesagten kann dreierlei festgehalten werden: Erstens verstößt der Umstand, dass § 1933 S. 1, 1. Alt. an eine einseitige Antragstellung überhaupt scheidungsrechtliche Folgen knüpft, für sich betrachtet nicht gegen gegen Art. 6 I GG. Zweitens liegt de lege ferenda eine Neugestaltung des § 1933 S. 1 nahe, die das Erbrecht beider Ehegatten bereits im Falle einseitiger Antragstellung vorzeitig entfallen lässt, sofern die Voraussetzungen der Scheidung zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen.72 Auf dieser Grundlage wäre die Scheidungsaktivität mache das Ehegattenerbrecht „zum Fixpunkt für das Festhalten an gescheiterten Ehen“. 71 Das subjektive Recht auf Scheidung würde mit dem Tod des Rechtsinhabers nur dann gegenstandslos, wenn es lediglich als Vehikel zur Rückgewinnung der Eheschließungsfreiheit zu verstehen wäre, vgl. BVerfGE 31, 58, 82 f.; BVerfGE 53, 224, 245; Muscheler, FamR, Rn. 408; Rauscher, FamR, Rn. 503. Diese Herleitung überzeugt aber nicht: Zum einen kann grundrechtliche Freiheit nicht als bloßes Mittel zur Erreichung staatlicherseits für förderungswürdig erachteter Zwecke aufgefasst werden. Daher verdient nicht erst die Schaffung der Voraussetzungen zur Eingehung einer neuen Ehe grundrechtlichen Schutz, sondern bereits die Möglichkeit, die bestehende Bindung zu lösen, Sachs, GR, B 6, Rn. 9. Ohne Bezugnahme auf die Tatsache, dass die erste Ehe nicht mehr vom Willen beider Ehegatten getragen wird, kann die Gegenansicht zudem nicht erklären, warum die Eingehung der zweiten Ehe intensiveren Schutz genießen soll als die Aufrechterhaltung der ersten. Ähnlich, aber nicht konsequent zwischen den Begründungsansätzen differenzierend v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 62. 72 So auch Rauscher, Reformfragen, Bd. II/1, S. 130. Bedenken gegen diese materiellrechtlich betrachtet schon aus Gründen systematischer Folgerichtigkeit nahe liegende Lösung könnten sich allenfalls aus dem Umstand ergeben, dass die Feststellung des Scheiterns der Ehe im Fall bloß einseitig betriebener Scheidung Schwierigkeiten bereiten kann, worauf bereits die Minderheit des Rechtsausschusses im Gesetzgebungsverfahren zum 1. EheRG hingewiesen hat, vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 52. Diese Schwierigkeiten beschränken sich aber auf diejenigen Fälle, in denen mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1566 II das Scheitern der Ehe positiv festgestellt wer-

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prozessuale Aktivität des anderen Ehegatten nur in ihrer Eigenschaft als materiellrechtliche Scheidungsvoraussetzung von Bedeutung. Drittens zeichnet sich als Normzweck des § 1933 S. 1 ab, das grundrechtlich geschützte Recht auf Scheidung, von dem der Antragsteller Gebrauch machen wollte, im Hinblick auf die erbrechtlichen Scheidungsfolgen vor zufälliger Entwertung zu bewahren.73 2. Wertentscheidende Grundsatznorm: Der Anreiz zum Angriff auf die Ehe Als wertentscheidende Grundsatznorm vermittelt Art. 6 I GG im Vergleich mit der Institutsgarantie einen weniger intensiven Schutz74, bezieht sich dafür aber nicht nur auf den Kernbereich der die Ehe ausgestaltenden Normen, sondern auf das gesamte die Ehe und die Familie betreffende Recht.75 Aus der Leitbildfunktion des Art. 6 I GG folgt, dass das Scheidungs- und das Scheidungsfolgenrecht eheerhaltende Elemente enthalten muss76, die Ehegatten also nicht dazu anreizen darf, aus einer bestehenden Ehe wegzustreben. Dieses Verbot ehefeindlicher Impulse muss konsequenterweise auch für die Ausgestaltung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts gelten. Die Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. sendet aber ebensolche Impulse aus: Da der Antragsgegner das Pflichtteilsrecht des Antragsstellers nicht durch letztwillige Verfügung auszuschließen vermag, bleibt ihm zur Herstellung – nunmehr negativer – erbrechtlicher Chancengleichheit lediglich die Möglichkeit, seinerseits einen Scheidungsantrag zu stellen bzw. dem seines Partners zuzustimmen. Damit ist § 1933 S. 1, 1. Alt. geeignet, auch einen solchen Antragsgegner zu ehezerstörerischen Maßnahmen zu drängen, der sich im Falle erbrechtlicher Gleichden muss. Auch im Hinblick auf diese Zweifelsfälle erscheint aber eine dem Antragsteller bzw. den nachrückenden Erbprätendenten ungünstige Beweislastregelung angemessener, als die sachlich für richtig erachteten Rechtsfolgen von vornherein auszuschließen. Im Ergebnis ebenso Battes FamRZ 1977, 433, 439; Vyas, S. 119 ff. 73 Dass § 1933 im Ganzen nicht bloß auf die Vermeidung objektiv zufälliger Ergebnisse, sondern auf den Schutz subjektiver Rechte gerichtet ist, bestätigt § 1933 S. 2: Sofern das Aufhebungsverfahren nicht von einem der Ehegatten als Grundrechtsräger, sondern von der gem. § 1316 I Nr. 1 zuständigen Verwaltungsbehörde eingeleitet worden ist, bleibt es im Fall der Erledigung des Verfahrens aufgrund des Todes eines der Ehegatten bei der formalen Betrachtungsweise einer durch Tod aufgelösten Ehe. Ein Erbrechtsausschluss des Überlebenden kommt dann nur unter den Voraussetzungen des § 1318 V in Betracht. 74 BVerfGE 80, 81, 93; Kingreen Jura 1997, 401, 404; v. Münch/Kunig/CoesterWaltjen, GG, Bd. 1, Art. 6 Rn. 35 („größerer Gestaltungsspielraum“); Sachs/SchmittKammler, GG, Art. 6 Rn. 31 („beachtlicher Gestaltungsspielraum“). 75 BVerfGE 6, 55, 72; BVerfGE 24, 119, 135; BVerfGE 31, 58, 67; BVerfGE 53, 224, 248; BVerfGE 80, 81, 93. 76 Vgl. zum Scheidungsfolgenrecht (nachehelicher Unterhalt) BVerfGE 57, 361, 387.

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stellung mit seinem Partner während des Scheidungsverfahrens um die Aufrechterhaltung seiner Ehe bemüht hätte.77 § 1933 S. 1, 1. Alt. lässt die Chance auf Wiederversöhnung der Ehegatten im Falle einseitiger Scheidungsaktivität also nicht bloß unberücksichtigt – dagegen bestehen weder de lege lata noch de lege ferenda Bedenken –, sondern vermindert sie zumindest faktisch.78 Die Schaffung dieses Anreizes zum Angriff auf die Ehe wäre verfassungsrechtlich selbst dann nicht zu rechtfertigen, wenn die subjektiv ausgerichtete Konzeption, die der Gesetzgeber der Neufassung des § 1933 zugrunde gelegt hat, tragfähig wäre. Selbst wenn das Schicksal des gesetzlichen Ehegattenerbrechts während des Scheidungsverfahrens ganz vom Willen des jeweiligen Erblassers abhängig gemacht werden könnte und nur im Hinblick auf den Antragsteller eine gesetzliche Typisierung dieses Willens möglich wäre, hätte dem Antragsgegner zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, die im Hinblick auf seine Person kraft Gesetzes eintretende Lage in vollem Umfang, also auch bezüglich des Pflichtteilsrechts des Antragstellers, auf rechtsgeschäftlichem Wege nachzubilden, ohne auf ehezerstörerische Maßnahmen angewiesen zu sein. Kurioserweise dürfte die dargestellte Auffassung ganz auf der Linie des Bundesrates liegen, der für die Neufassung des § 1933 Pate stand und an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 6 I GG wohl nur deshalb keine Bedenken hegte, weil er davon ausging, eine ausreichende rechtsgeschäftliche Alternative zu Antragstellung und Zustimmung geschaffen zu haben. Denn nach seinem Vorschlag zur Gestaltung des ebenfalls reformbedürftigen § 233579 sollte der Erblasser seinem Ehegatten auch den Pflichtteil ohne weiteres durch letztwillige Verfügung entziehen können, „wenn die Voraussetzungen für die Scheidung auf Antrag des Erblassers gegeben sind“80. Bemerkenswert ist die Begründung des 77 In der Literatur h. M., vgl. Bengel ZEV 1994, 360 f., Anm. zu BGH ZEV 1994, 358; Zopfs ZEV 1995, 309, 312; Vyas, S. 80 ff.; Wirtz, S. 148 ff.; Frohnmayer, S. 179. 78 Die rechtlichen Anforderungen an den Nachweis für das Scheitern der Ehe werden durch die Antragstellung bzw. Zustimmung des Antragsgegners allein nicht herabgesetzt, weil die – mit eigener Scheidungsaktivität des Antragsgegners in Betracht kommende – Scheiternsvermutung des § 1566 I zusätzlich eine Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 630 I ZPO voraussetzt, an der der Antragsgegner nicht mitzuwirken braucht, vgl. 2. Teil, C. II. 1. a). Fehlt die Vereinbarung, muss das Gericht daher auch im Fall beiderseitiger Scheidungsaktivität das Scheitern der Ehe positiv feststellen. Dass die gerichtliche Praxis dazu neigt, das Scheitern in diesen Fällen contra legem ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 1565 I 2 anzunehmen, kann § 1933, entgegen Frohnmayer, S. 179, nicht angelastet werden. 79 Vgl. dazu Bowitz JZ 1980, 304, 306. 80 BT-Drucks. 7/650, S. 275. Scheidungs- und Pflichtteilsentziehungsrecht sollten damit – auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips – wie bisher parallel laufen. Die Wendung „auf Antrag des Erblassers“ war allerdings missverständlich, weil die Antragstellung gerade entbehrlich sein sollte, vgl. Schnur, S. 14. Durch die Formulierung sollte lediglich zum Ausdruck kommen, dass die Voraussetzungen der Scheidung zu-

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Bundesrates für dieses weitreichende Pflichtteilsentziehungsrecht: Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Streichung des § 2335 zwinge den Erblasser dazu, die Scheidung der Ehe zu beantragen, um den Pflichtteil des Partners auszuschließen. Das sei abzulehnen, weil „ein – auch nur mittelbarer – Zwang zur Scheidung durch eine gesetzliche Regelung nicht hingenommen werden (könne)“81. Anders als bei der Neufassung des § 1933 konnte sich der Bundesrat im Rechtsausschuss mit seinem Regelungsvorschlag zu § 2335 aber nicht durchsetzen.82 Der insofern als Torso verbleibende § 1933 S. 1, 1. Alt. übt damit denjenigen Zwang zur Scheidung aus, den der Bundesrat selbst als inakzeptabel bewertet hat. Der einseitige Erbrechtsausschluss gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. verstößt daher gegen Art. 6 I GG in seiner Ausprägung als wertentscheidende Grundsatznorm.83

III. Verstoß gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG Die Regelung des § 1933 S. 1, 1. Alt. könnte schließlich gegen die Erbrechtsgarantie aus Art. 14 I 1, 2. Alt. verstoßen, die das Erbrecht als zivilrechtliches Rechtsinstitut und als individualschützendes Grundrecht gewährleistet. Aufgrund der Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses kommt im Hinblick auf das Grundrecht von vornherein nur der Antragsgegner als möglicherweise beeinträchtigter Grundrechtsträger in Frage, dieser aber sowohl in seiner Eigenschaft als – potenzieller – Erbe des Antragstellers als auch in seiner Eigenschaft als Erblasser. 1. Verstoß gegen das Grundrecht a) Erbrechtsfreiheit: Der Antragsgegner als Überlebender Die individuelle Erbrechtsgarantie des Art. 14 I 1, 2. Alt. GG gewährleistet einem Teil des Schrifttums zufolge auf Seiten des Erben als Grundrechtsträger nur schwachen Schutz. Das Recht, Erbe zu werden, bleibe bis zum Eintritt des mindest auch in der Person des Erblassers – und nicht nur in der seines Ehegatten (§ 1565 II) – erfüllt sein mussten. 81 BT-Drucks. 7/650, S. 275. 82 BT-Drucks. 7/4361, S. 53. Zum Ganzen Schnur, S. 12 ff. 83 Dieses Ergebnis sichert zugleich die Überlegungen zu Art. 3 I GG ab. Denn der Grundsatz, dass an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung tendenziell geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn der betroffene Grundrechtsträger wie hier in der Lage ist, der Ungleichbehandlung durch eigenes Verhalten zu entgehen, st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 55, 72, 89, kann keine Geltung beanspruchen, wenn eben die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit zur Herstellung gleicher Verhältnisse ihrerseits einen Verfassungsverstoß darstellt: Die Verletzung der einen Verfassungsnorm kann den Eingriff in die andere nicht rechtfertigen.

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Erbfalls bloße Hoffnung.84 Dementsprechend schütze die Erbrechtsgarantie das Recht des testamentarischen oder gesetzlichen Erben erst vom Zeitpunkt des Erbfalls an.85 Nach dieser schwerlich überzeugenden Auffassung – geschützt wäre ihr zufolge nicht der Erwerb, sondern nur das Erworbene, das bereits in den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung fällt86 – berührt die Rechtsfolge des § 1933 S. 1, 1. Alt. den Schutzbereich der Erbrechtsfreiheit des überlebenden Antragsgegners nicht, weil sich sein Ausschluss vom gesetzlichen Erbund Pflichtteilsrecht mit dem Erbfall von selbst vollzieht, der Antragsgegner eine erst nach dem Erbfall beeinträchtigungsfähige Stellung als gesetzlicher Erbe also gerade nicht erlangt.87 Der Schutzbereich des Art. 14 I 1, 2. Alt. GG ist hingegen eröffnet, wenn man davon ausgeht, dass die Vorschrift einem Ehegatten als potenziellem Erben des anderen im Grundsatz bereits vor dem Erbfall einen gegen den Staat gerichteten, negatorischen Anspruch darauf gewährt, die durch die Ehe vermittelte Aussicht auf erbrechtliche Teilhabe am Vermögen des Erblassers nicht zu beeinträchtigen.88 Dafür spricht, dass das Ehegattenerbrecht als Teil des engeren Familienerbrechts nach herrschender Meinung objektiv von der Institutsgarantie des Erbrechts erfasst wird89 und bei der Bestimmung des Schutzbereichs der subjektiven Erbrechtsgarantie zumindest davon ausgegangen werden kann, dass die institutionell verbürgten Elemente auch dem individuellen Grundrechtsträger zugute kommen.90 Auch auf der Grundlage dieser weiter reichenden Schutzbe-

84 Stöcker WM 1979, 214, 216; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 14 Rn. 93; v. Münch/Kunig/Bryde, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 45. 85 Wirtz, S. 146. Diese Auffassung kann sich nicht auf BVerfGE 91, 346, 360; BVerfGE 97, 1, 6 stützen. In beiden Entscheidungen hat das Gericht die Möglichkeit grundrechtlichen Schutzes des Erben vor dem Erbfall nicht ausgeschlossen, sondern lediglich festgestellt, dass dem Erben „jedenfalls vom Zeitpunkt des Erbfalls an“ der Schutz des Art. 14 GG zugute kommt. 86 Zu Recht ablehnend daher Isensee/Kirchhof/Leisner, HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 6. Ebenso Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 14 u. Vyas, S. 69 f., jeweils unter zutreffendem Hinweis darauf, dass aus der Möglichkeit des Erblassers, die Aussicht seiner potenziellen Erben auf erbrechtlichen Erwerb zunichte zu machen, nicht gefolgert werden kann, diese Aussicht könne auch gegenüber dem grundrechtsverpflichteten Staat nicht geschützt sein. 87 So in der Tat Wirtz, S. 146. 88 Vyas, S. 69 f. Abstrahierend ebenso Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 15: Sofern für eine Person Aussicht darauf besteht, Erbe eines anderen zu werden, hat sich der Staat „eines entziehenden Eingriffes in diese Aussicht zu enthalten“. 89 BVerfGE 93, 165, 174; BVerfG ZEV 2005, 301, 303; Neumann/Nipperdey/Scheuner/Boehmer, GR, 2. Bd., Erbrecht, S. 401, 417; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 14 Rn. 94; Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rn. 300; v. Münch/Kunig/Bryde, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 48; Sachs/Wendt, GG Art. 14 Rn. 195; MünchKomm/Leipold Einleitung Erbrecht Rn. 28. Maßgebend dürfte insofern der von Art. 6 I GG geschützte Personenkreis sein. Gegen Teilnahme des Familienerbrechts an der Institutsgarantie Dreier/Wieland, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 67.

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reichsbestimmung scheidet ein Verstoß gegen das „Grundrecht zu erben“ aber aus, weil sich der Ausschluss des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts des Antragsgegners jedenfalls isoliert betrachtet als verhältnismäßige Inhaltsbestimmung der Erbrechtsgarantie gem. Art. 14 I 2 GG darstellt. Denn es bestehen keine Bedenken gegen die gesetzgeberische Entscheidung, die Ehe als Anknüpfungspunkt für die erbrechtliche Erwerbsaussicht des Antragsgegners nach dem Antragsteller für hinfällig zu erklären, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls nur deshalb noch bestand, weil ihre Auflösung zufällig durch den Tod des Antragstellers überholt wurde.91 Diese Entscheidung ist angesichts des antragstellerischen Grundrechts auf Scheidung vielmehr zu begrüßen. b) Testierfreiheit: Der Antragsgegner als Erblasser Aus Sicht des Erblassers schützt Art. 14 I 1, 2. Alt. GG als Grundrecht nach nahezu einhelliger Auffassung die Testierfreiheit, also das Recht, jeder beliebigen Person den sachlichen Kernbestand des Erbgutes zukommen zu lassen.92 In 90 Isensee/Kirchof/Leisner, HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 8; MünchKomm/Leipold Einleitung Erbrecht Rn. 20. Kritisch zu dieser Subjektivierung der Institutsgarantie Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 12 ff. u. Vyas, S. 60 ff., die davon ausgehen, dass nach diesem Ansatz grundrechtlich nur geschützt sein könne, was institutionell zum Kernbestand gehört. Diese Auffassung überzeugt nicht, weil sie nicht hinreichend zwischen den Prüfungsebenen „Schutzbereich“ und „Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich“ differenziert: Nach der Feststellung, dass ein zum Institut der Erbrechtsgarantie gehöriges Element durch eine bestimmte gesetzliche Vorschrift berührt wird, können Grundrechtsprüfung und Prüfung eines Verstoßes gegen die Institutsgarantie unterschiedliche Wege gehen, weil der Gesetzgeber im zweiten Fall lediglich den Wesensgehalt des Instituts unangetastet lassen muss, im ersten Fall dagegen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist, BVerfGE 91, 346, 360. Für die Testierfreiheit als Paradebeispiel der Subjektivierung eines institutionell verbürgten Teils der Erbrechtsgarantie ist das ganz unstreitig: Insofern käme niemand auf die Idee, dem einzelnen in seiner Testierfreiheit eingeschränkten Grundrechtsräger die Berufung auf Art. 14 I 1, 2. Alt. GG schon deshalb zu versagen, weil die fragliche Einschränkung das Rechtsinstitut Testierfreiheit im Ganzen betrachtet nur in Randbereichen betrifft, vgl. etwa BVerfGE 99, 341, 352: Ausschluss schreib- und sprechunfähiger Personen von der Testiermöglichkeit verstößt gegen das Grundrecht auf Testierfreiheit. 91 Ebenso Zopfs ZEV 1995, 309, 311 mit Blick auf die Institutsgarantie. Ähnlich, aber zu weitgehend Wirtz, S. 147 u. Frohnmayer, S. 173, die bereits das materielle Scheitern der Ehe für ausreichend halten. Das überzeugt nicht, weil den Ehegatten nicht das Recht genommen werden darf, an einer gescheiterten Ehe inklusive ihrer Rechtswirkungen festzuhalten. 92 BVerfGE 67, 329, 341; BVerfG ZEV 2000, 399; Haas ZEV 2000, 249, 250; Pabst JuS 2001, 1145, 1146; Quebe, S. 51; Sachs, GR, B 14, Rn. 64; v. Münch/Kunig/ Bryde, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 45 („Spezialgarantie“ zur Garantie des Privateigentums); Sachs/Wendt, GG, Art. 14 Rn. 197. A. A. Stöcker WM 1979, 214, 220, der unter Berufung auf den Wortlaut des Art. 14 I 1, 2. Alt. GG die Testierfreiheit der Eigentumsgarantie zuordnet, da das „Erbrecht“ nur das Recht zu erben meinen könne. Ihm folgend Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 33.

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den Schutzbereich dieses Grundrechts des Antragsgegners greift bereits die an die Eheschließung anknüpfende, ursprüngliche Einräumung des Ehegattenpflichtteils zugunsten des Antragstellers ein, ohne dass insofern verfassungsrechtliche Bedenken bestünden.93 Im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. schlägt diese ursprünglich gerechtfertigte Einschränkung der Testierfreiheit aber in eine Verletzung des Grundrechts um, weil der Gesetzgeber trotz weitreichender Gestaltungsbefugnisse bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Erbrechts an den Gleichheitssatz gebunden ist.94 Ein Verstoß gegen die Testierfreiheit kommt daher auch dann in Betracht, wenn eine mit Blick auf den einzelnen Grundrechtsräger verhältnismäßige Einschränkung diesen Grundrechtsräger stärker belastet als einen vergleichbaren anderen. Eine solche Konstellation liegt im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. vor: Zwar hätte es dem Gesetzgeber unter Berufung auf Rechtssicherheitserwägungen frei gestanden, die Testierfreiheit beider Ehegatten als potenzielle Erblasser trotz schwebenden Scheidungsverfahrens bis zur formellen Auflösung der Ehe durch den Ehegattenpflichtteil des Überlebenden einzuschränken. Da er sich aber in Bezug auf den Antragsteller in der Rolle des Erblassers für die vorzugswürdige, materielle Sichtweise entschieden hat, die Ehe wie eine bereits geschiedene zu behandeln, bleibt auch für eine unentziehbare Nachlassteilhabe des Antragstellers nach dem Antragsgegner kein Raum mehr95, da der Unterschied im prozessualen Verhalten der Parteien keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Differenzierung bietet.96 Folglich 93 Vgl. neben den in Fn. 89 Genannten Haas ZEV 2000, 249, 253; Quebe, S. 110; AK-BGB/Däubler vor § 2303 Rn. 1; MünchKomm/Frank § 2303 Rn. 1 a; Soergel/ Dieckmann Vor § 2303 Rn. 1. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung wird zum Teil auch von Autoren angenommen, die davon ausgehen, dass das Familienerbrecht nicht am Schutz der Institutsgarantie teilnimmt, vgl. Dreier/Wieland, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 67. Einen Grundrechtsverstoß bejahend dagegen Petri ZRP 1993, 205, 206. 94 BVerfGE 67, 329, 340; BVerfGE 91, 346, 360; BVerfGE 99, 341, 352. Im Fall eines Gleichheitsverstoßes kann der verletzende Eingriff auch in einem gesetzgeberischen Unterlassen, hier in Form der Aufrechterhaltung des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts des Antragstellers, bestehen, Dreier/Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 III Rn. 54. 95 Zutreffend Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 81: „Verfassungsrechtlich ist der Zeitpunkt der Antragstellung im Scheidungsverfahren unabhängig von der Antragstellerrolle ein Einschnitt, von dem ab eine auf Art. 6 I GG gestützte Erbgarantie des Ehegatten nicht mehr anzunehmen ist.“ 96 Jedenfalls im Ergebnis ist daher der Auffassung von Vyas, S. 72, 77 zuzustimmen, die einen Verstoß gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG als Grundrecht wegen der Ungleichbehandlung der Ehegatten bejaht. Zweifelhaft erscheint aber ihre Annahme, § 1933 S. 1, 1. Alt. verletze die sog. Erbrechtsgleichheit als spezielles Gleichheitsrecht, das Art. 14 I 1, 2. Alt. GG neben seiner Funktion als Freiheitsrecht gewährleiste. Streitig ist bereits, ob ein gleichheitsrechtlicher Aspekt im Rahmen der Erbrechtsgarantie überhaupt anzuerkennen ist, ablehnend etwa Quebe, S. 95 gegen Barnstedt DNotZ 1969, 14, 18; Stöcker WM 1979, 214, 218; Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 18. Zudem passt die durch § 1933 S. 1, 1. Alt. vorgegebene Sachverhaltskonstellation nicht zur Definition der Erbrechtsgleichheit, die „als Ausdruck größtmöglicher Befriedigung aller potentiellen Erben in ihrem Bedürfnis nach Vermögensmehrung aus

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verletzt die Aufrechterhaltung des gesetzlichen Erbrechts des Antragstellers als Grundlage für dessen Pflichtteilsrecht die Testierfreiheit des Antragsgegners aus Art. 14 I 1, 2. Alt. GG.97 2. Verstoß gegen die Institutsgarantie Die erbrechtliche Institutsgarantie schützt die für das Erbrecht strukturprägenden Elemente, zu denen die herrschende Meinung neben der Privatheit des Erbrechts sowohl das Familienerbrecht inklusive des gesetzlichen Ehegattenerbrechts als auch die Testierfreiheit zählt.98 Der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Erbrechts durch den Gesetzgeber setzt die Institutsgarantie aber nur insoweit Grenzen, als die von ihr umfassten Elemente in ihrem Kernbereich bzw. Wesensgehalt unangetastet bleiben müssen.99 Ausgehend – und offenbar abgeschreckt – von diesen hohen Anforderungen an die Annahme eines Versto-

dem Nachlaß“ verstanden wird, vgl. Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 18, woraus sich bei mehreren, zum Erblasser in gleich naher Beziehung stehenden potenziellen Erben ein „Anspruch auf Gleichteilung“ ergibt, Stöcker WM 1979, 214, 218: Wo von gleich naher Beziehung der Erben zu dem Erblasser und größtmöglicher Beteiligung an dem Nachlass die Rede ist, sind mit den gleich zu behandelnden Erben offenbar die tatsächlich um ein und denselben Nachlass konkurrierenden potenziellen Erben nach ein und demselben Erblasser gemeint. Hier geht es aber nicht um die erbrechtlichen Positionen mehrerer Erben nach einem einzigen Erbfall, sondern um den Vergleich zweier sich gegenseitig ausschließender Erbfälle. Schließlich ist die Erbrechtsgleichheit nach obiger Definition nicht allgemein auf Gleichbehandlung im Erbrecht gerichtet, sondern – enger und positiv – auf eine gleichmäßige Nachlassteilhabe potenzieller Erben, also derjenigen Personen, die aufgrund ihrer Beziehung zum Erblasser berechtigte Aussicht darauf haben, dessen Erbe zu werden. Vyas selbst geht aber zutreffend davon aus, dass die Ehe im Stadium des § 1933 S. 1, 1. Alt. nicht mehr dazu geeignet ist, berechtigte Erbaussichten zu vermitteln, da der überlebende Ehegatte „bis zur Scheidung nur noch formal zur Familie des Erblassers“ gehört, S. 71. Da der grundrechtliche Status der Ehegatten als gegenseitige potenzielle Erben entfällt, scheidet auch eine – freilich nur auf Seiten des Antragsgegners denkbare – Verletzung des Grundrechts auf Erbrechtsgleichheit aus: Dem Antragsgegner wird durch den Ausschluss nur seines Erb- und Pflichtteilsrechts nicht eine ihm als Noch-Grundrechtsberechtigtem gebührende Gleichbehandlung vorenthalten, sondern lediglich dem Antragsteller als Nichtmehr-Grundrechtsberechtigtem eine zu weit reichende Rechtsstellung eingeräumt. Aus der Perspektive des Antragsgegners als Erbe ist die Ungleichbehandlung der Ehegatten daher nur an Art. 3 I GG zu messen. 97 Bengel ZEV 1994, 360, 361, Anm. zu BGH ZEV 1994, 358. 98 Zum Familienerbrecht vgl. die in Fn. 89 Genannten. Zur Testierfreiheit BVerfGE 58, 377, 398; BVerfGE 67, 329, 340 f.; BVerfGE 93, 165, 173 f.; v. Mangoldt/Klein/ Starck/Depenheuer, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 515; v. Münch/Kunig/Bryde, GG, Bd. 1, Art. 14 Rn. 47; MünchKomm/Leipold Einleitung Erbrecht Rn. 17. 99 BSG FamRZ 1974, 371, 372; MünchKomm/Leipold Einleitung Erbrecht Rn. 16a; Staudinger/Otte Einl zu §§ 1922 ff. Rn. 60. Ob der Kerngehalt eines Instituts durch die Institutsgarantie selbst oder durch Art. 19 II GG geschützt wird, ist umstritten. Für die erste Alternative Rauscher, Reformfragen, Bd. I, S. 21. Für die zweite Ansicht offenbar Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rn. 299.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

ßes hält das herrschende Schrifttum zu § 1933, sofern es sich mit der objektiven Seite der Erbrechtsgarantie befasst, den einseitigen Erbrechtsausschluss für unbedenklich: Zwar bewirke § 1933 S. 1, 1. Alt., dass das gesetzliche Ehegattenerbrecht und der Ehegattenpflichtteil entfielen. Im Grundsatz bleibe es aber dabei, dass Ehegatten untereinander erb- und pflichtteilsberechtigt seien. Die bloß zeitliche Vorverlagerung der Scheidungswirkungen berühre die institutionell geschützten Elemente daher nur in Randbereichen.100 Zu überzeugen vermag die dargestellte Auffassung schon deshalb nicht, weil sie sich nur auf die Vorzeitigkeit, nicht aber auf die Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses bezieht und damit das eigentliche Problem des § 1933 S. 1, 1. Alt. ausblendet. Eben die Einseitigkeit des Ausschlusses legt aber einen Verstoß gegen das institutionell gewährleistete Ehegattenerbrecht nahe, wenn man davon ausgeht, dass der Wesensgehalt eines verfassungsrechtlich geschützten Instituts verletzt ist, wenn sein charakteristisches Erscheinungsbild als „Ausdruck eines axiomatischen kulturellen und sozialen Wertsystems“101 bei ganzheitlicher Betrachtungsweise denaturiert wird.102 Denn unabhängig von der Frage, wie lange den Ehegatten die Aussicht auf erbrechtlichen Erwerb erhalten bleibt, dürfte es zum charakteristischen Erscheinungsbild des Rechtsinstituts Ehegattenerbrecht zählen, dass diese Aussicht, solange sie währt, eine gegenseitige ist.103 Gesetzliches Ehegattenerbrecht ist eben das gesetzliche Erbrecht der, also beider Ehegatten. Das belegt auch ein Vergleich mit anderen europäischen Rechtsordnungen, die zwar unterschiedliche Einsatzzeitpunkte für einen ehekrisenbedingten Ausschluss des Ehegattenerbrechts kennen104, diesen Ausschluss aber für beide 100

So Zopfs ZEV 1995, 309, 311. Ihm folgend Vyas, S. 58; Frohnmayer, S. 173. Neumann/Nipperdey/Scheuner/Boehmer, GR, 2. Bd., Erbrecht, S. 403. 102 So überzeugend Stern, Staatsrecht III/1, § 68 VI 5 b) x, (S. 870) gegen die sog. absolute Theorie zur Bestimmung des Wesensgehalts, die danach fragt, was nach dem Eingriff in das Institut von den zu ihm zählenden Elementen erhalten bleibt. Diese Betrachtungsweise ermöglicht die sukzessive Aushöhlung des Instituts [vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 68 VI 5 b) a, (S. 869): „ Salamitaktik“] und steht wie jede quantitative Abgrenzung vor dem kaum lösbaren Problem, ab welchem Punkt der verbleibende Rest dem Institut nicht mehr genügt. Auch die sog. relative Wesensgehaltstheorie, die Art. 19 II GG lediglich als deklaratorische Wiederholung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auffasst, vermag nicht zu überzeugen, weil sie – abgesehen von offenkundiger Redundanz – bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlzwecke entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Art. 19 II GG („In keinem Fall“) auch die völlige Preisgabe des Grundrechts/Instituts deckt, ablehnend daher auch Schmidt-Jortzig, S. 48 f. Vgl. zu beiden Theorien Sachs/Krüger/Sachs, GG, Art. 19 Rn. 41 ff. mit weiteren Nachweisen. 103 Vgl. Bengel ZEV 1994, 360, 361, Anm. zu BGH ZEV 1994, 358 u. MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 2, die von einem „Prinzip der Gegenseitigkeit“ des Ehegattenerbrechts ausgehen. Ähnlich Battes FamRZ 1977, 433, 438: Erbrechtliche Chancengleichheit als gesetzliche Wertentscheidung. 104 (1) Streng formal an die rechtskräftige Auflösung der Ehe knüpfen an: Das schweizer Recht, vgl. Art. 154 II ZGB; das tschechische Recht, vgl. § 473 I ZGB. (2) 101

B. Verfassungswidrigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses

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Ehegatten anordnen, sofern sie nicht auf das für das deutsche Recht überkommene Verschuldensprinzip abstellen.105 § 1933 S. 1, 1. Alt. verletzt Art. 14 I 1, 2. Alt. GG damit auch in seiner Ausprägung als Institutsgarantie.

IV. Ausscheiden verfassungskonformer Auslegung des § 1933 S. 1, 1. Alt. und Ergebnis Vor der Feststellung der Nichtigkeit einer Norm wegen eines Verstoßes gegen das Grundgesetz steht ihre verfassungskonforme Auslegung als normerhaltendes Prinzip106. Als Unterfall der Auslegung setzt die verfassungskonforme Auslegung zunächst voraus, dass der Wortlaut der Norm zumindest zwei Interpretationsmöglichkeiten zulässt, von denen diejenige der Vorschrift zugrunde zu legen ist, die mit den Prinzipien der Verfassung am besten harmoniert.107 Hinzu kommt, dass durch das Ergebnis dieser Operation der normative Gehalt der Vorschrift nicht grundlegend neu bestimmt werden darf108, weil eine solche Umgestaltung von Norminhalten in die Kompetenzen des Gesetzgebers eingreifen würde.109 Im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Wortlaut und Systematik der Vorschrift lassen keine Auslegungsvariante zu, die die nach den Art. 3 I, 6 I und 14 I 1, 2. Alt. GG erforderliche Gleichbehandlung der Ehegatten gewährleistet. Ein beidseitiger, vorzeitiger Erbrechtsausschluss im Falle bloß einseitiger Antragstellung lässt sich nicht konstruieren, Nach schwedischem Recht kommt der überlebende Ehegatte nicht mehr als gesetzlicher Erbe in Betracht, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls das Scheidungsverfahren – gleich von welchem Teil – anhängig gemacht war, vgl. ÄB, 3. Kapitel, § 10. (3) Das Getrenntleben der Ehegatten – aufgrund oder ohne vorherige gerichtliche Anordnung bzw. Feststellung des Getrenntlebens – lassen genügen: Das englische Recht, vgl. 18 II Matrimonial Causes Act 1973; das ungarische Recht, vgl. § 601 I ZGB. 105 So etwa das französische Recht, das im Fall des Todes des Erblassers nach einem Urteil auf Scheidung von Tisch und Bett das Erbrecht des überlebenden Teils ausschließt, wenn das Urteil „gegen ihn“, also aufgrund seines Verschuldens, ergangen ist, vgl. Art. 301 S. 2 Code civile. Ebenso das italienische Recht, vgl. Art. 151 II Codice Civile, und das österreichische Recht, vgl. den missverständlich formulierten § 759 I ABGB. Im Hinblick auf die Vorverlagerung des Erbrechtsausschlusses wegen eines begründeten Scheidungsantrags des Erblassers wiederholen sowohl das österreichische als auch das polnische Recht nahezu wörtlich § 1933 a. F., vgl. zu jenem § 759 II ABGB, zu diesem Art. 940 § 1 Zivilkodex. Allerdings ist im polnischen Recht eine befristete gerichtliche Geltendmachung des Ausschlusses erforderlich, vgl. Art. 940 § 2 Zivilkodex. 106 Sachs, GR, A 4, Rn. 59. 107 Larenz, Methodenlehre, II. Teil, 4. Kap., 2 e) (S. 339); Müller/Christensen, Methodik, Bd. 1, Rn. 100. 108 Pieroth/Schlink, GR, Rn. 86; Sachs, GR, A 4, Rn. 59. 109 BVerfGE 8, 71, 79; BVerfGE 54, 277, 299 f.; Müller/Christensen, Methodik, Bd. 1, Rn. 101; Pieroth/Schlink, GR, Rn. 86.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

ohne dem Normtext des § 1933 S. 1 Gewalt anzutun. Denn die dargestellte Rechtsfolge ergäbe sich nur, wenn das im Tatbestand der Norm zweimalig auftretende Merkmal „Erblasser“ im zweiten Fall, also im Zusammenhang mit der Antragstellung, im Sinne eines bloß potenziellen Erblassers ausgelegt würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1933 S. 1, 1. Alt. wären nach dieser Auslegung auch im Fall des Todes des passiven Antragsgegners erfüllt, weil die Voraussetzungen der Scheidung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers (tatsächlicher Vorverstorbener = Antragsgegner) vorlagen und der Erblasser (potenziell als Erblasser im Sinne des § 1931 in Betracht kommende Person = überlebender Antragsteller) die Scheidung beantragt hatte. Diese – in der Literatur für § 2077 I 2 i.V. m. § 2268 I u. § 2279 I diskutierte – Auslegung muss im vorliegenden Zusammenhang aber schon deshalb ausscheiden, weil sie § 1933 S. 1, 2. Alt. gegenstandslos machen würde. Da die Ehegatten im Hinblick auf das gesetzliche Erbrecht schon qua Status potenzielle Erblasser sind, der Scheidungsantrag also stets von einem potenziellen Erblasser gestellt würde, verbliebe nach der dargestellten Auslegung keine Fallkonstellation mehr, in der es auf die Zustimmung des Antragsgegners ankäme.110 Auch das Verbot einer eigenmächtigen Umgestaltung des Normgehalts steht der Herstellung erbrechtlicher Gleichbehandlung der Ehegatten im Falle bloß einseitiger Scheidungsaktivität de lege lata entgegen. Die Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses zu Lasten des Antragsgegners beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, der sein Regelungsmodell trotz vermehrter Kritik in Rechtsprechung und Literatur nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar auf das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft übertragen und damit neuerlich bestätigt hat, § 10 III 1 Nr. 1, Nr. 2 LPartG. Hinzu kommt, dass de lege ferenda mehrere verfassungsrechtlich zulässige Regelungsoptionen offen stehen, um die erbrechtliche Chancengleichheit der Ehegatten zu gewährleisten. Damit würde jede Auswahl einer dieser Optionen durch den Rechtsanwender der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers vorgreifen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 1933 S. 1, 1. Alt. kommt daher nicht in Betracht.111

110 Das ist im gewillkürten Ehegattenerbrecht anders, weil als potenzieller Erblasser i. S. d. § 2077 I 2 nur ein Ehegatte in Betracht kommt, der eine eheabhängige Verfügung errichtet hat. Für die zweite Alternative des § 2077 I 2 verbleibt daher ein Anwendungsbereich, wenn es in der Person des überlebenden Antragstellers an dieser Voraussetzung fehlt. Freilich scheidet eine nach der Stellung im Tatbestand differenzierende Auslegung des Merkmals „Erblasser“ aus anderen Gründen auch bei § 2077 I 2 aus, vgl. 3. Teil, B. II. 2. a). 111 Im Ergebnis wie hier Zopfs ZEV 1995, 309, 313; Vyas, S. 89; Frohnmayer, S. 180. Was Wirtz, S. 158 als verfassungskonforme Auslegung bezeichnet – Ausschluss nur im Falle beiderseitiger Scheidungsaktivität –, ist der von § 1933 S. 1, 1. Alt. nach Bereinigung um den verfassungswidrigen Teil verbleibende Rest der Norm. Dazu sogleich im Text.

C. Voraussetzungen des § 1933

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Die Vorschrift ist damit wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 I, 6 I, 14 I 1, 2. Alt. GG insofern nichtig, als sie zu Lebzeiten der Ehegatten die erbrechtliche Erwerbschance des Antragsgegners einseitig zunichte macht. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass damit ein auf § 1933 S. 1, 1. Alt. beruhender, vorzeitiger Erbrechtsausschluss nicht etwa undenkbar wird. Die Vorschrift bleibt anwendbar, sofern das erbrechtliche Chancenverhältnis zu Lebzeiten der Ehegatten – genauer: eine juristische Sekunde vor dem Erbfall – gewahrt war, also auch der in concreto von § 1933 S. 1, 1. Alt. begünstigte Erblasser und Antragsteller im Falle seines Überlebens vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen gewesen wäre. Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Antragsgegners entfällt daher gem. § 1933 S. 1, 1. Alt., sofern er seinerseits einen Scheidungsantrag gestellt oder dem des Erblassers zugestimmt hatte.

C. Voraussetzungen des § 1933 Im Folgenden sollen die einzelnen formellen und materiellen Voraussetzungen untersucht werden, die § 1933 S. 1 an einen vorzeitigen Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts stellt. Dabei ist davon auszugehen, dass § 1933 S. 1, 1. Alt. insofern nichtig ist, als er nach dem Wortlaut zu einem einseitigen Ausschluss des Erbrechts zu Lasten eines prozessual passiven Antragsgegners führen würde. Dieser Umstand lässt einzelne Voraussetzungen des § 1933 S. 1 in einem neuen Licht erscheinen.

I. Formell: Bekundung des Scheidungswillens durch die Ehegatten Der vorzeitige Erbrechtsausschluss des überlebenden Ehegatten setzt in formeller Hinsicht voraus, dass der Erblasser seinen Willen zur Scheidung durch die Stellung eines Scheidungsantrags oder durch Zustimmung zum Antrag seines Ehegatten zum Ausdruck gebracht hat. Die Verfassungswidrigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. ändert an diesen Optionen zur Äußerung des Scheidungswillens nichts. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift reicht es aber nicht aus, dass die formellen Voraussetzungen zumindest auch – und damit gegebenenfalls nur – in der Person des tatsächlich Erstverstorbenen erfüllt sind. Da ein vorzeitiger Erbrechtsausschluss des Überlebenden nur unter der Bedingung in Betracht kommt, dass auch das gesetzliche Erbrecht des tatsächlich Erstverstorbenen im Falle seines Überlebens entfallen wäre, muss auch der letztlich Überlebende seinen Willen zur Eheauflösung in den von § 1933 S. 1 zugelassenen Formen geäußert haben.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

1. Beantragung der Scheidung, § 1933 S. 1, 1. Alt. a) Zeitpunkt der Beantragung Die erste Möglichkeit zur Äußerung des Scheidungswillens besteht gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. in der Beantragung der Scheidung. Streitig ist, ab welchem Zeitpunkt die Scheidung beantragt ist. aa) Rechtshängigkeit vs. Anhängigkeit Nach herrschender Meinung ist mit der Beantragung der Scheidung die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags gemeint.112 Eine für § 1933 S. 1, 1. Alt. relevante Äußerung des Scheidungswillens liegt nach dieser Auffassung daher erst vor, wenn dem Antragsgegner die Antragsschrift gem. §§ 622 II 2, 253 I, 261 I, 262 S. 2 ZPO zugestellt worden ist. Demgegenüber will ein Teil der Literatur auf das Erfordernis der Zustellung verzichten, also bereits die Anhängigkeit des Scheidungsantrags beim Familiengericht genügen lassen.113 Die Mindermeinung kann für sich in Anspruch nehmen, dass die Anhängigkeitslösung mit dem Wortlaut des § 1933 S. 1, 1. Alt. vereinbar ist, der ausdrücklich weder eine „Antragserhebung“ noch die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags verlangt.114 Historische und systematische Auslegung sprechen aber für das vom Wortlaut der Norm ebenso gedeckte, herrschende Normverständnis: Nach der Ursprungsfassung des § 1933 kam es darauf an, ob der scheidungsberechtigte Ehegatte die Scheidungsklage erhoben hatte. Vor der Umwandlung des Scheidungsklage- in ein Scheidungsantragsverfahren durch das 1. EheRG zählte die Zustellung der Klageschrift damit unstreitig zu den Voraussetzungen für den Erbrechtsausschluss. Den Materialien zum 1. EheRG lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der im selben Gesetz beschlossenen Neufassung des § 1933 S. 1 an dieser Rechtslage etwas ändern wollte. Daher ist anzunehmen, dass der Begriff der Klageerhebung lediglich aus redaktionellen Gründen durch das Merkmal Beantragung der Scheidung ersetzt wurde, um den Wortlaut der Vorschrift der neuen Verfahrensart anzupassen.115 Dafür spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber des

112 BGH JR 1987, 327, 328 m. Anm. Gernhuber; BGH JZ 1990, 1134 f. m. Anm. Battes/Thofern; BGH ZEV 1994, 358, 359 m. Anm. Bengel; OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275; Frenz MittRhNotK 1995, 227, 228; Vyas, S. 35; Lange/ Kuchinke, ErbR, § 12, Fn. 61 (S. 258); Michalski, ErbR, Rn. 67; Schlüter, ErbR, Rn. 99; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 2; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 5; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. 113 Schumann FS Lüke, 767, 787; Brox, ErbR, Rn. 66. 114 Schumann FS Lüke 767, 788; Vyas, S. 34; Brox, ErbR, 66; Schlüter, ErbR, Rn. 99; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 5.

C. Voraussetzungen des § 1933

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1. EheRG im Hinblick auf die in § 1933 S. 2 geregelten, erbrechtlichen Wirkungen des Aufhebungsverfahren, das erst im Jahr 1998 durch das EheschlRG116 in ein Antragsverfahren umgewandelt wurde, am Begriff der Klageerhebung festhielt.117 Auch aus systematischen Gründen liegt es nahe, die Beantragung der Scheidung als Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags aufzufassen.118 Die §§ 1379 II, 1389, 1408 II 2, die wie § 1933 S. 1 voraussetzen, dass ein Antrag auf Scheidung gestellt bzw. die Scheidung beantragt ist, greifen nach herrschender Meinung erst ein, wenn der Scheidungsantrag rechtshängig geworden ist.119 In dieselbe Richtung weist § 262 S. 2 ZPO, dem zufolge auch die materiellrechtlichen Wirkungen derjenigen Vorschriften des BGB, die nicht auf die Rechtshängigkeit, sondern auf die Anstellung, Mitteilung oder gerichtliche Anmeldung der Klage abstellen, grundsätzlich erst mit der Ehebung der Klage eintreten.120 Nicht von der Hand zu weisen sind aber die von der Mindermeinung vorgebrachten teleologischen Argumente. Kaum zu bestreiten ist, dass der Scheidungswille des Antragstellers bereits durch die Antragsschrift als solche hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.121 Daher fehlt ein einleuchtender Grund dafür, den Antragsteller zwar vor dem Zufall zu schützen, die Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht mehr zu erleben, nicht aber vor dem von ihm ebenso wenig beeinflussbaren Umstand, vor der gem. § 166 II ZPO von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung des Scheidungsantrags zu sterben.122 Die Rechtsprechung lässt dieses Argument hinter die oben dargestellte historisch-systematische Auslegung zurücktreten123 und will dem Antragsteller das durch die obligatorische Amtszustellung entstehende Verzögerungsrisiko auch nicht durch – direkte oder entsprechende – Anwendung des § 167 ZPO abnehmen. 115 BGH JZ 1990, 1134 m. Anm. Battes/Thofern; BayObLG FamRZ 1990, 666 f.; OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275; Vyas, S. 34; Soergel/Stein § 1933 Rn. 4; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. Die Einführung des Antragsverfahrens diente ihrerseits vornehmlich dem psychologischen Zweck, die dem Begriff Klage innewohnende Schärfe zu vermeiden, vgl. Muscheler, FamR, Rn. 395. 116 Vgl. Fn. 31. 117 OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275; Vyas, S. 34. 118 BGH JZ 1990, 1134, 1135 m. Anm. Battes/Thofern. 119 Vgl. zu § 1379 II Soergel/Lange § 1379 Rn. 4. Zu § 1389 vgl. MünchKomm/ Koch § 1389 Rn. 6; Staudinger/Thiele § 1389 Rn. 6. Zu § 1408 II 2 BGH FamRZ 1985, 45, 47; BGH FamRZ 1987, 365, 366 m. Anm. Bosch; BGH NJW 2005, 1194, 1195; MünchKomm/Kanzleiter § 1408 Rn. 30; Soergel/Gaul § 1408 Rn. 47; Staudinger/Rehme § 1408 Rn. 90. 120 MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 5. 121 Bock MittRhNotK 1977, 205, 207; Battes/Thofern JZ 1990, 1135, Anm. zu BGH JZ 1990, 1134; Soergel/Stein § 1933 Rn. 4. 122 Groll/Groll, Erbrechtsberatung, C I, Rn. 39. 123 BGH JZ 1990, 1134 m. Anm. Battes/Thofern; BayObLG FamRZ 1990, 666 f.; OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Dieser rigorose Standpunkt wäre überzeugend, wenn die Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. entgegen der hier vertretenen Auffassung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Unter der Prämisse vollumfänglicher Wirksamkeit der Norm könnte auf die Zustellung der Antragsschrift in der Tat nicht verzichtet werden, weil der Antragsgegner unter dieser Prämisse durch eigene Antragstellung, Zustimmung oder letztwillige Verfügung auf den Scheidungsantrag seines Ehegatten reagieren müsste, um seinerseits das Erbrecht des Antragstellers auszuschließen. Da erst die Kenntnis vom Scheidungsantrag die Möglichkeit zu dieser Reaktion eröffnet, käme der Zustellung der Antragsschrift materielle Bedeutung als Entscheidungsgrundlage für späteres Verhalten des Antragsgegners zu.124 Ausgehend von der Wirksamkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. könnte die Anhängigkeitslösung daher auch nicht unter Berufung auf den Umstand gerechtfertigt werden, dass die Zustellung der Klageschrift zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift in ihrer Ursprungsfassung noch durch die Parteien selbst bewirkt wurde, der Kläger ursprünglich also nicht mit dem Verzögerungsrisiko der Amtszustellung125 belastet war.126 Denn durch die Vorverlagerung des für den Erbrechtsausschluss maßgebenden Zeitpunkts auf die Anhängigkeit des Antrags könnte die ursprüngliche Interessenlage eben nur im Hinblick auf den Antragsteller, nicht aber im Hinblick auf den Antragsgegner und damit vollständig rekonstruiert werden. Diese Vorbehalte gegen die Anhängigkeitslösung sind aufgrund der partiellen Nichtigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. gegenstandslos: Da ein Erbrechtsausschluss nach dieser Vorschrift ohnehin nur im Fall beidseitiger Scheidungsaktivität der Ehegatten in Betracht kommt, büßt die Zustellung der Antragsschrift jegliche materielle Bedeutung ein. Daher sprechen gute Gründe dafür, jedenfalls im Ergebnis schon die Anhängigkeit des Antrags für den Erbrechtsausschluss genügen zu lassen, sofern dessen weitere Voraussetzungen erfüllt sind.127 Freilich bleiben die historisch-systematischen Bedenken gegen die Anhängigkeitslösung bestehen. Daher erscheint es vorzugswürdig, in Bezug auf § 1933 S. 1, 1. Alt. 124 OLG Bamberg MDR 1949, 557, 558. Michalski, ErbR, Rn. 67. Dass die Vorbehalte gegen die Anhängigkeitslösung auf der vermeintlich gerechtigkeitswahrenden Wirkung der Zustellung beruhen, bestätigt der Umstand, dass die h. M. im Hinblick auf andere einseitig behebbare prozessuale Mängel des Antrags Milde walten lässt, vgl. dazu 2. Teil, C. I. 1. b). 125 Eingeführt durch § 2 I 1 der 4. Vereinfachungsverordnung zur ZPO im Jahr 1943, RGBl. I, S. 7. 126 So aber Schumann FS Lüke, 767, 783 f. u. 787. 127 Man wird davon ausgehen dürfen, dass BGH JZ 1990, 1134 der Anhängigkeitslösung unter der Prämisse partieller Nichtigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. weitaus weniger reserviert gegenübergestanden hätte, vgl. Battes/Thofern JZ 1990, 1135, Anm. zu BGH JZ 1990, 1134: Das eigentliche Anliegen der Entscheidung liege in dem „Bestreben, den Anwendungsbereich des § 1933 BGB möglichst eng zu halten“, um die Gefahr eines einseitigen Erbrechtsausschlusses zu minimieren. Ebenso MünchKomm/ Leipold § 1933 Rn. 5.

C. Voraussetzungen des § 1933

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mit der herrschenden Meinung an der Erforderlichkeit der Zustellung festzuhalten und zu untersuchen, ob das Interesse des Antragstellers an einer zweiten zeitlichen Vorverlagerung des Erbrechtsausschlusses im Fall seines Todes im Zeitraum zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit durch direkte oder analoge Anwendung des § 167 ZPO befriedigt werden kann.128 bb) Direkte Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO Gemäß § 167, 1. Var. ZPO129 werden die nach § 262 ZPO im Grundsatz erst mit der Klageerhebung eintretenden materiellrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht vorverlagert, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll und die Zustellung demnächst erfolgt. Die direkte Anwendung der Vorschrift setzt demnach voraus, dass die wegen Verspätung zur Fristwahrung nicht mehr genügende Zustellung zumindest nach Ablauf der Frist bewirkt wird. Jedenfalls an dieser Voraussetzung fehlt es im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt., weil ein anhängiger Scheidungsantrag nach dem Tod des Antragstellers nach allgemeiner Auffassung nicht mehr zuzustellen ist.130 Der herrschenden Meinung ist daher im Ergebnis darin zuzustimmen, dass eine direkte Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO ausscheidet.131 Bei einem Erbfall vor Zustellung eines anhängigen Scheidungsantrags können die Wirkungen des § 1933 S. 1, 1. Alt. daher bestenfalls aufgrund einer analogen Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO eintreten. Freilich hat die Frage nach der Zulässigkeit dieser Analogie de lege lata praktisch nahezu keine Bedeutung: Hatte der Überlebende der Scheidung lediglich zugestimmt, scheidet die Anwendung des § 1933 S. 1 zugunsten des Erstverstorbenen jedenfalls deshalb aus, weil die Zustimmung seines Gatten zu ihrer Wirksamkeit eines Bezugspunktes in Form eines rechtshängigen Scheidungsantrags bedarf.132 Da der Antrag des Erblassers mangels Zustellung nicht mehr rechtshängig werden kann, fehlt es auf Seiten des bloß zustimmenden Überlebenden 128 Für die zweite Variante Bock MittRhNotK 1977, 205, 207; Groll/Groll, Erbrechtsberatung, C I, Rn. 39; Jauernig/Stürner § 1933 Rn. 1; Soergel/Stein § 1933 Rn. 4. Ebenso wohl MünchKomm/Lüke, ZPO, § 270 Rn. 25 u. Fn. 31. Hilfsweise auch Schumann FS Lüke, 767, 786; Brox, ErbR, Rn. 66. 129 Vorschrift (bisher § 270 III ZPO) mit Wirkung vom 01.07.2002 neugefasst durch Art. 1 ZustRG vom 25.06.2001, BGBl. I, S. 1206, geändert durch Art. 5 IV SchuModG vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138. 130 MünchKomm/Bernreuther, ZPO, § 619 Rn. 4; Musielak/Borth, ZPO, § 619 Rn. 2; Zöller/Philippi, ZPO, § 619 Rn. 2. Ist die Zustellung in Unkenntnis vom Tod des Antragstellers trotzdem bewirkt worden, ist sie als nicht erfolgt zu betrachten, Schwab/Maurer/Borth, ScheidungsR, I, Rn. 255. 131 BGH JZ 1990, 1134, 1135 m. Anm. Battes/Thofern; BayObLG FamRZ 1990, 666, 667; OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275; Vyas, S. 35; Schlüter, ErbR, Rn. 99; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 5. 132 Vgl. zu den Anforderungen an die Zustimmung 2. Teil, C. I. 2.

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an einer wirksamen Bekundung seines Scheidungswillens und damit an der Voraussetzung beiderseitiger Scheidungsaktivität der Ehegatten. Umgekehrt hängt die Anwendung des § 1933 S. 1 zugunsten des Erstverstorbenen nicht von einer Analogie zu § 167, 1. Var. ZPO ab, wenn der Überlebende seinerseits die Scheidung beantragt hat und dieser Antrag rechtshängig geworden ist. Denn in diesem Fall kann der nicht mehr zugestellte Antrag des Erstverstorbenen in eine Zustimmung zur Scheidung umgedeutet werden.133 De lege lata spielt die analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO daher nur im Fall sich kreuzender, jeweils noch nicht rechtshängig gewordener Scheidungsanträge beider Ehegatten eine Rolle. Die folgenden Ausführungen haben indes nicht nur diese seltene Fallkonstellation im Blick, sondern beziehen sich auch auf diejenige Rechtslage de lege ferenda, die nach hier vertretener Auffassung die einzig adäquate gesetzgeberische Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit des § 1933 S. 1 darstellt: Denn sollte sich der Gesetzgeber dafür entscheiden, einen beiderseitigen Erbrechtsausschluss bereits im Falle einseitiger, begründeter Scheidungsaktivität anzuordnen, würde sich die Frage nach einer analogen Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO wieder mit ganzer Schärfe stellen. cc) Analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO Die herrschende Meinung lehnt auch eine analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO zugunsten des Antragstellers ab. Es fehle sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke des § 167, 1. Var. ZPO als auch an einer vergleichbaren Interessenlage zwischen dem von der Vorschrift geregelten und dem in Rede stehenden Sachverhalt. (1) Analogiefähigkeit der Regelung: § 167 ZPO als Ausnahmevorschrift? Gegen das Vorliegen einer Regelungslücke argumentiert die herrschende Meinung mit § 262 ZPO.134 Diese Vorschrift regele i.V. m. §§ 253 I, 261 I ZPO, sofern sich aus einer direkten Anwendung des § 167 ZPO nichts anderes ergebe, abschließend, dass die materiellrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit erst mit der Zustellung der Klageschrift/Antragsschrift einträten. Damit stützt sich die herrschende Meinung auf den Schulsatz „Singularia non sunt extendenda“.135 133

Vgl. 2. Teil, C. I. 2. a). BGH JZ 1990, 1134, 1135 m. Anm. Battes/Thofern; Vyas, S. 35; Frohnmayer, S. 161; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. Ohne ausdrückliche Erwähnung des § 262 ZPO, aber unter Qualifizierung des 270 III ZPO (= § 167 ZPO) als Ausnahmevorschrift auch OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275. 135 Ausnahmevorschriften dürfen nicht extensiv ausgelegt und nicht analog angewendet werden. Vgl. dazu Muscheler FS Kruse, 135. 134

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Unabhängig von der Frage, ob dieser Grundsatz in methodischer Hinsicht überhaupt haltbar ist136, kann das Fehlen einer Regelungslücke jedenfalls im Hinblick auf § 167 ZPO nicht auf ihn gestützt werden, weil es am Ausnahmecharakter der Vorschrift fehlt137: Erstens darf eine Ausnahmevorschrift im Sinne dieses Grundsatzes nur für bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeführt worden sein. Schon dies ist im Fall des § 167 ZPO angesichts des Merkmals „Wahrung einer Frist“ zweifelhaft. Als Frist in diesem Sinne wird jede materiellrechtliche und prozessrechtliche Frist verstanden, deren Lauf durch Klageerhebung unterbrochen wird.138 Damit hat § 167 ZPO schon bei direkter Anwendung einen über eng begrenzte Fälle hinausreichenden Anwendungsbereich. Zweitens behandelt die Vorschrift nicht lediglich atypische Einzelfälle, sondern stellt das aus Gerechtigkeitsgründen erforderliche Korrelat zu der im Jahre 1943 eingeführten Amtszustellung dar. Der Kläger soll und muss vor der für ihn nicht beeinflussbaren Verzögerungsgefahr durch die notwendige Einschaltung des Gerichts bei der Zustellung geschützt werden. Damit wird erst durch das Zusammenspiel von § 262 ZPO und § 167 ZPO die Risikoverteilung zwischen Kläger und Beklagtem vollständig wiedergegeben.139 § 167 ZPO stellt damit keine Ausnahmevorschrift im Sinne des Singularia-Grundsatzes dar. Daher ist auch eine Analogiebildung nicht von vornherein ausgeschlossen.140 (2) Vergleichbarkeit und positive Feststellung einer Regelungslücke Neben den dargestellten, grundsätzlichen Bedenken gegen eine analoge Anwendung des § 167 ZPO stützt die herrschende Meinung ihre ablehnende Auffassung darauf, dass es bei § 1933 S. 1, 1. Alt. nicht um die Wahrung einer Frist gehe und die in der Vorschrift angeordnete Wirkung der Rechtshängigkeit

136 Ablehnend etwa Larenz, Methodenlehre, II. Teil, 4. Kap., 4 a) (S. 355); Schumann FS Lüke, 767, Fn. 85; Gansen, S. 71. Kritisch auch Müller/Christensen, Methodik, Bd. 1, Rn. 373. 137 Zu den Kriterien zur Feststellung des Ausnahmecharakters einer Norm vgl. Muscheler FS Kruse, 135, 157. 138 MünchKomm/Lüke, ZPO, § 270 Rn. 21; Musielak/Wolst, ZPO, § 167 Rn. 2. 139 So insbesondere Schumann FS Lüke, 767, 779 f., der § 167 ZPO als Ausdruck des prozessualen Nichtzurechnungsgrundsatzes auffasst. In der Terminologie von Muscheler FS Kruse, 135, 156 stellt § 167 ZPO lediglich eine logische Ausnahme zu § 262 ZPO dar. Denn beide Vorschriften „bilden je für sich Bestandteile desjenigen Ganzen, das der Gesetzgeber sich als sachgerechte Regelung (. . .) vorgestellt hat.“ Ähnlich Larenz, Methodenlehre, II. Teil, 4. Kap., 4 a) (S. 355). 140 Auch in der Rechtsprechung finden sich Beispiele für eine analoge Anwendung des § 167 ZPO, vgl. BGH NJW 1974, 1285 f.; BGHZ 75, 307, 313. Im letztgenannten Fall hielt der BGH eine analoge Anwendung sogar für geboten, obwohl sich überhaupt kein durch die Amtszustellung geschaffenes Verzögerungsrisiko realisiert hatte. Zur Wahrung der Frist hätte auch der Zugang einer Willenserklärung der Partei ausgereicht. Zu Recht ablehnend Raudszus NJW 1983, 667, 668.

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in Form des Erbrechtsausschlusses des Antragsgegners den üblichen Folgen einer Fristwahrung auch nicht ähnlich sei.141 Diese Auffassung überzeugt nicht. (a) Frist Zerlegt man das Merkmal „Wahrung einer Frist“ in seine Bestandteile, ist zunächst zu konstatieren, dass § 1933 S. 1, 1. Alt. durchaus eine Fristbestimmung enthält. Eine Frist stellt einen abgegrenzten Zeitraum dar, der bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein muss.142 Im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. muss der Antragsteller vor Eintritt seines Todes die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erwirkt haben, um seinen Ehegatten vom gesetzlichen Erbrecht auszuschließen. Ein durch den Tod des Antragstellers abgegrenzter Zeitraum liegt also vor.143 Fraglich kann demnach nur sein, ob die Bestimmbarkeit dieses Zeitraums deshalb entfällt, weil der genaue Zeitpunkt, zu dem das gewisse Ereignis „Tod des Antragstellers“ eintritt, noch nicht feststeht. Im materiellen Zivilrecht steht das Fehlen eines fixen Ablaufzeitpunkts der Annahme einer Frist aber nicht entgegen. So setzen etwa auch die §§ 109 I 1, 121 I 1, 147 II Fristen, deren Ende nicht absolut bestimmt ist.144 Am Fehlen einer Frist scheitert die – direkte oder analoge – Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO daher nicht.145 (b) Wahrung einer Frist Fraglich ist dagegen, ob durch die nach § 1933 S. 1, 1. Alt. erforderliche Zustellung auch eine Frist gewahrt werden soll. Der BGH nähert sich der Auslegung des Merkmals „Wahrung einer Frist“ mit der Überlegung, dass das Versäumen einer Frist zumeist den Verlust eines Rechts zur Folge hat. Der Wahrung einer Frist diene die Zustellung folglich nur, wenn sich ihre Wirkung darauf beschränke, ein Recht zugunsten des Rechtsinhabers in seinem vor Fristablauf bestehenden Zustand zu erhalten.146 Ausgehend von dieser Definition 141 BGH JZ 1990, 1134, 1135 m. Anm. Battes/Thofern; BayObLG FamRZ 1990, 666, 667; OLG Saarbrücken FamRZ 1983, 1274, 1275; Vyas, S. 35; Schlüter, ErbR, Rn. 99; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 5. 142 RGZ 120, 355, 362; Bork, BGB-AT, Rn. 1284; MünchKomm/Grothe § 186 Rn. 4. 143 Ähnlich Bock MittRhNotK 1977, 205, 207. 144 BGH NJW 1975, 39 hat die Anwendung des § 167 ZPO auf § 121 deshalb nicht am Fehlen einer Frist, sondern daran scheitern lassen, dass die Wirkung des § 121 durch eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ausgelöst werden kann, so dass der Kläger nicht auf die Amtszustellung angewiesen war. 145 Ebenso zum inzwischen aufgehobenen § 847 I 2 OLG Köln NJW 1976, 1213, 1216 m. zust. Anm. Behr, sowie Gansen, S. 65, die aufgrund der Voraussetzung, die Rechtshängigkeit des Schmerzensgeldanspruchs bis zum Tod des Klägers herbeizuführen, eine für § 167 ZPO ausreichende Fristbestimmung annehmen. 146 BGH LM § 847, Nr. 57, Bl. 658, linke Spalte.

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lehnt die herrschende Meinung die analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO ab, weil die Zustellungswirkung des § 1933 S. 1, 1. Alt. nicht auf die Erhaltung, sondern auf den Ausschluss der erbrechtlichen Erwerbsaussicht des überlebenden Ehegatten und damit auf den Entzug eines Rechts gerichtet sei.147 Diese Argumentation greift zu kurz, weil sie die Wirkungen der Zustellung entgegen dem Wortlaut des § 167, 1. Var.148 nicht aus der Perspektive desjenigen bestimmt, der die Zustellung zu bewirken versucht. Vom Blickwinkel des antragstellenden Erblassers aus betrachtet kommt die Wirkung der Zustellung im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. der Erhaltung eines Rechts zumindest sehr nahe. Denn der Antragsteller erlangt in dem Zeitpunkt, in dem die materiellen Scheidungsvoraussetzungen vorliegen, einen gegen den Staat gerichteten Anspruch auf Mitwirkung bei der Scheidung der Ehe durch richterliches Gestaltungsurteil149 und damit auf Herbeiführung der Scheidungsfolgen. § 1933 S. 1, 1. Alt. bewahrt diesen Anspruch im Hinblick auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht vor zufälliger Entwertung, indem er die Wirkungen der rechtskräftigen Scheidung auf den Zeitpunkt des Todes des Antragstellers vorverlagert. Dieser Zweck würde ebenso erreicht, wenn sich die Rechtsfolge des § 1933 S. 1 auf die Anordnung beschränken würde, die Ehe bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in erbrechtlicher Sicht wie eine bereits geschiedene zu behandeln.150 Der Ausschluss des Erbrechts zu Lasten des Überlebenden, auf den die herrschende Meinung abstellt, ergäbe sich dann mangels Vorliegens des Merkmals „Ehegatte“ schon aus § 1931 I. Dass § 1933 S. 1 diesen Weg nicht geht, mag daran liegen, dass die Scheidung der Ehe als eigentlich anvisiertes Ziel mit dem Tod des Antragstellers gegenstandslos geworden ist, so dass es nahe liegt, die erbrechtlichen Rechtsfolgen des nicht beendeten Scheidungsverfahrens ohne den Umweg über eine ausdrückliche Scheidungsfiktion direkt in § 1933 S. 1 auszusprechen. Dadurch wird aber nur der regelungstechnische Weg abgekürzt, nicht aber wird der Ausschluss des überlebenden Ehegatten, also die bloß mittelbare gesetzliche Folge der stillschweigenden Scheidungsfiktion, die § 1933 S. 1 in der Sache anordnet151, zur Wirkung der Rechtshängigkeit.152

147 BayObLG FamRZ 1990, 666, 667; Herzog-Grün, S. 33; Vyas, S. 35; Wirtz, S. 113; Frohnmayer, S. 161. Ebenso wohl Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 167 Rn. 6 f. 148 „Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt (. . .) werden, (. . .). 149 Dölle, FamR, Bd. 1, § 40 I 1 (S. 563); Muscheler, FamR, Rn. 395. 150 So denn auch die Rechtsfolge des § 2077 I 2 für das gewillkürte Erbrecht. 151 Vgl. 2. Teil, B. I. 2. a). 152 Ebenso im Hinblick auf die Zustimmung zur Scheidung Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 31: „Selbst die weitergehenden erbrechtlichen Auswirkungen der Zustimmung zur Ehescheidung (§§ 1933, 2077 Abs. 1) sind wiederum nicht unmittelbar auf die Zustimmung zurückzuführen, sondern beruhen auf der Begründetheit des Scheidungsantrags.“ Für die vorliegende Fragestellung spielt der Unterschied zwischen Antragstellung und Zustimmung keine Rolle.

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Freilich hat die Zustellung des Scheidungsantrags im Fall des § 1933 S. 1, 1. Alt. nicht nur die Erhaltung des Rechts auf Herbeiführung der erbrechtlichen Scheidungswirkungen zur Folge, sondern führt darüber hinaus auch zu seiner Durchsetzung. Das beruht aber lediglich auf verfahrensrechtlichen Gründen. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, eine rechtshängige Ehesache aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Verfahrensgegenstandes im Fall des Todes eines Ehegatten gem. § 619 ZPO für erledigt zu erklären.153 Die bloße Erhaltung des Rechts auf Scheidung und ihrer Wirkungen, also die Möglichkeit zur Fortsetzung des Verfahrens mit einem gesetzlich näher zu bestimmenden, postmortalen Prozessstandschafter des Antragstellers, die zu einer Auflösung der Ehe durch Urteil führen würde, scheidet daher aus. Das steht einer analogen Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO aber nicht entgegen: § 1933 S. 1 korrigiert die verfahrensrechtliche Entscheidung zugunsten der automatischen Beendigung des Scheidungsrechtsstreits, weil die ratio des § 619 ZPO auf die erbrechtlichen, also bloß vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung nicht zutrifft.154 Die Vorschrift stellt auf materiellrechtlichem Weg denjenigen erbrechtlichen Zustand her, der eingetreten wäre, wenn es § 619 ZPO nicht gäbe.155 In diesem Fall würde der Tod des gem. § 78 II ZPO notwendig anwaltlich vertretenen Antragstellers vor Zustellung des Scheidungsantrags aber nicht schaden. Aufgrund der über den Tod hinausreichenden Prozessvollmacht gem. § 86 ZPO würde der Antrag wie im normalen Klageverfahren rechtshängig werden und das Prozessrechtsverhältnis von vornherein zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem – im Antrag lediglich unrichtig bezeichneten – Rechtsnachfolger bzw. Prozessstandschafter des Verstorbenen zustande gekommen.156 Dass der Antragsteller aufgrund der Geltung des § 619 ZPO dem Verzögerungsrisiko der

153 MünchKomm/Bernreuther, ZPO, § 619 Rn. 1; Musielak/Borth, ZPO, § 619 Rn. 1. Vgl. auch Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 619 Rn. 2, der zu Recht darauf hinweist, dass nach der Lehre von den Doppelwirkungen im Recht trotz der bereits eingetretenen Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen verschiedener Eheauflösungsarten durchaus ein zweiter eheauflösender Gestaltungsakt denkbar wäre. Die Erledigung gem. § 619 ZPO ist daher nicht etwa die prozessual notwendige Konsequenz der materiellen Rechtslage, sondern eine selbstständige, rechtspolitische Entscheidung. 154 Aus diesem Grund hat das OLG München NJW 1970, 1799, 1800 eine Rücknahme der Scheidungsklage aus Kostengründen trotz Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Tod eines Ehegatten während des Verfahrens gem. § 628 ZPO a. F. (= § 619 ZPO n. F.) zugelassen. 155 Ganz ähnlich zur Ursprungsfassung des § 1933 BayObLG FamRZ 1975, 514, 515: „§ 1933 BGB stellt die Erhebung einer begründeten Scheidungsklage, die wegen des Todes des Kl. nicht mehr zum Urteil führt [§ 628 ZPO (a. F. = § 619 ZPO n. F., Anm. des Verfassers)], der rechtskräftigen Aufhebung der Ehe durch Richterspruch gleich.“ 156 So für das normale Klageverfahren BGH L/M § 325 Nr. 10; OLG Saarbrücken NJW 1973, 854, 857; OLG München MDR 1991, 672, 673; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 50 Rn. 60; MünchKomm/Leipold § 1922 Rn. 124; Soergel/Stein § 1922 Rn. 122.

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Amtszustellung ausgesetzt ist, stellt demnach eine planwidrige Regelungslücke dar, die durch analoge Anwendung des § 167, 1. Var. ZPO zu schließen ist. b) Prozessuale Mängel des Scheidungsantrags Nach einhelliger Auffassung hindern wesentliche, aber heilbare Mängel des Scheidungsantrags die Anwendbarkeit des § 1933 nicht157, da zum einen auch durch einen mangelhaften Antrag der Wille des Erblassers zur Auflösung der Ehe hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt158 und zum anderen anzunehmen ist, dass der Erblasser heilbare Mängel, seinen vorzeitigen Tod hinweggedacht, behoben hätte, so dass sie einer Scheidung der Ehe nicht entgegengestanden hätten.159 Gleiches gilt für die Stellung des Antrags vor einem sachlich oder örtlich unzuständigen Gericht.160 c) Anschlussantragstellung Auch ein Anschlussantrag des Antragsgegners als scheidungsrechtliches Äquivalent zur Widerklage im normalen Klageverfahren genügt den Anforderungen des § 1933 S. 1, 1. Alt.161 Die Möglichkeit zur Stellung eines Anschlussantrags ist nach ganz herrschender Meinung nicht auf die Fälle des § 1566 I beschränkt, sondern steht dem Antragsgegner stets offen162, obwohl Haupt- und Anschlussantrag gleichermaßen auf die Auflösung der Ehe aufgrund des Lebenssachverhalts „Scheitern der Ehe“ gerichtet sind, also streitgegenständliche Identität vorliegt163, was im normalen Klageverfahren mangels Rechtsschutzinteresses des Widerklägers zur Unzulässigkeit der Widerklage führt.164 Ist das Scheidungsverfahren aufgrund der Zustellung des ersten Antra157 KG HRR 1942, Nr. 478; Dieckmann FamRZ 1979, 389, 396; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 6; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 2. 158 KG HRR 1942, Nr. 478; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. 159 KG HRR 1942, Nr. 478. 160 MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 6; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 2; Soergel/ Stein § 1933 Rn. 3; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. 161 BayObLG FamRZ 1975, 514, 515. 162 BGH FamRZ 1983, 38, 40 („Gegenantrag“); OLG Frankfurt/M. FamRZ 1982, 809, 811; Brüggemann FamRZ 1977, 1, 7; Bergerfurth FamRZ 1982, 563, 564; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, EheR, § 606 ZPO Rn. 12. Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 610 Rn. 4. A. A. Diederichsen ZZP 91 (1978), 397, 442. 163 Str., aber wohl h. M., vgl. Diederichsen ZZP 91 (1978), 397, 442; Bergerfurth/ Rogner, Ehescheidungsprozess, Rn. 840; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 26 ff. m. Nachweisen zur Gegenauffassung. 164 BGH WM 1991, 1152, 1154; MünchKomm/Patzina, ZPO, § 33 Rn. 8. Im Scheidungsverfahren bejaht die h. M. trotz streitgegenständlicher Identität zu Recht ein Rechtschutzbedürfnis des Anschlussantragstellers, weil er sowohl aus prozessualen als auch aus materiellen Gründen (vgl. etwa §§ 269 I, 614 III ZPO, §§ 1384, 1408 II 2,

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ges rechtshängig geworden, kann der Anschlussantrag gem. §§ 608, 261 II, 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, solange der Hauptantrag rechtshängig bleibt.165 Die Zustellung einer den §§ 622 II, 253 ZPO genügenden Antragsschrift ist dann nicht erforderlich, aber selbstverständlich ausreichend. Wollte Ehegatte A durch die Zustellung seines Anschlussantrags auf den in Aussicht gestellten Antrag des B reagieren, wird aber B’s Antrag tatsächlich später oder überhaupt nicht mehr zugestellt, bedarf es einer zweifachen Differenzierung: Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Antrag des A nur aufgrund der erwarteten zeitlichen Reihenfolge der Zustellungen als Anschluss-, Gegen- oder Widerantrag bezeichnet worden ist, also seinerseits als selbstständiger Hauptantrag bewertet werden kann166, so dass zwischen den Anträgen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht.167 In diesem Fall kommt dem letztlich erstversterbenden Ehegatten die Wirkung des § 1933 S. 1, 1. Alt. selbst dann zugute, wenn der zumindest anhängige Antrag des B nicht mehr zugestellt wird, § 167 ZPO analog. Wollte A sein Anschlussscheidungsbegehren dagegen von der Rechtshängigkeit des Hauptantrags abhängig machen168, kommt es darauf an, ob der Hauptantrag vor dem Erbfall – wenn auch später als der „echte“ Anschlussantrag des A – zugestellt worden ist. Ist das der Fall, sollte die Verkehrung der zeitlichen Reihenfolge von Haupt- und Anschlussantrag ebenso wenig schaden wie die Vorwegnahme der Zustimmung gem. § 1933 S. 1, 2. Alt. bei nachträglichem Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.169 Dagegen muss der Anschlussantrag ebenso wie eine vorab erklärte Zustimmung wirkungslos bleiben, wenn es zum Zeitpunkt des Erbfalls an der Rechtshängigkeit des Hauptantrags fehlt, also an derjenigen Voraussetzung, die

1587 II BGB) ein berechtigtes Interesse an einer eigenen Antragstellung hat, vgl. neben den in Fn. 162 Genannten Muscheler, FamR, Rn. 404; Bergerfurth/Rogner, Ehescheidungsprozess, Rn. 839; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 25. Das gleichfalls auf der Identität des Streitgegenstandes beruhende Prozesshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit gemäß § 261 III Nr. 1 ZPO bleibt dagegen bestehen, BGH FamRZ 1983, 38, 40. 165 OLG Frankfurt/M. FamRZ 1982, 809, 811; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 53. 166 KG HRR 1942, Nr. 478; OLG Celle FamRZ 1981, 790, 791 (jeweils im konkreten Fall bejahend); OLG Celle NJW 1963, 1555 f. (im konkreten Fall verneinend). Ebenso für eine erst nach Beendigung der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage rechtshängig gewordene „Widerklage“ RGZ 22, 419, 420. 167 Nur auf einer solchen Umdeutung des Widerklageantrags in einen Hauptklageantrag beruht die Entscheidung des KG HRR 1942, Nr. 478. Ungenau daher Vyas, S. 36, Wirtz, S. 115 u. Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5, die unter Berufung auf die genannte Entscheidung ausführen, der Widerklageantrag reiche selbst dann aus, wenn er vor dem Scheidungsantrag zugestellt werde. Diese Frage hatte das KG gerade offengelassen. 168 So nach Auslegung des Gerichts im Fall des OLG Celle NJW 1963, 1555, 1556. 169 Vgl. dazu 2. Teil, C. I. 2. d).

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der Anschlussantragsteller selbst zum Anknüpfungspunkt für die Wirksamkeit seiner eigenen Prozesshandlung erhoben hat.170 d) Antragstellung und Rechtsmittel Ist auf den Scheidungsantrag eines Ehegatten eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, findet § 1933 S. 1, 1. Alt. unabhängig vom Ausgang des Verfahrens keine Anwendung. Denn entweder wurde die Ehe geschieden, so dass schon die Voraussetzungen des § 1931 I 1 nicht mehr vorliegen, oder der Antrag wurde als unbegründet abgewiesen, und damit verbindlich festgestellt, dass es an den Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe fehlt.171 Im Gegensatz dazu ist § 1933 S. 1, 1. Alt. anwendbar, wenn zwar ein abweisendes Urteil ergangen ist, der Antragsteller aber Rechtsmittel eingelegt hat.172 In diesem Fall bekräftigt der Antragsteller durch die Einlegung des Rechtsmittels den bereits in der Antragstellung zum Ausdruck gekommenen Willen, die Scheidung der Ehe herbeizuführen. Fraglich ist, ob es dieser neuerlichen Bestätigung zwingend bedarf, § 1933 S. 1, 1. Alt. also schon mangels Vorliegens der formellen Voraussetzung „Antragstellung“ unanwendbar ist, wenn der Antragsteller nach einem abweisenden Urteil und vor Ablauf der Rechtsmittelfrist verstirbt, ohne ein Rechtsmittel eingelegt zu haben. Hierfür führt Werner173 an, § 1933 verlange auch für die Fortsetzung des Verfahrens eine förmliche Kundgabe des Willens zur Eheauflösung. Aus dem Verhalten des Antragstellers in erster Instanz könne nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen solchen Willen geschlossen werden. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Da die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erst durch die rechtskräftige Entscheidung beendet wird174, liegt zum fraglichen Zeitpunkt zwischen Urteil und Rechtskraft noch eine Äußerung des Scheidungswillens vor, die den Anforderungen des § 1933 S. 1, 1. Alt. genügt. Das abweisende Urteil ist kein dem Antragsteller zurechenbarer 170 Dasselbe Ergebnis stellt sich ein, wenn man – entgegen OLG Celle NJW 1963, 1555, 1556 – davon ausgeht, dass die Bedingungsfeindlichkeit der Antragstellung, vgl. OLG Frankfurt/M. FamRZ 1978, 432 f.; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 52, auch eine vom Hauptantrag abhängige Anschlussantragstellung ausschließt. In diesem Fall ist der jedenfalls unzulässige, weil bedingte Anschlussantrag in eine Zustimmung umzudeuten, für die die im Text dargestellten Grundsätze unmittelbar gelten. 171 Zudem beseitigt die Rechtskraft des abweisenden Urteils auch die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 261 Rn. 7; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 2, so dass auch die formelle Voraussetzung für die Anwendung des § 1933 fehlt. 172 Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 e) (S. 259); Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 5; Soergel/Stein § 1933 Rn. 5; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 6. 173 In: Staudinger § 1933 Rn. 6. 174 Zöller/Greger, ZPO, § 261 Rn. 7; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 2.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

„actus contrarius“175. Einer erneuten Bekundung des Scheidungswillens in Form der Rechtsmitteleinlegung bedarf es daher nicht. Zudem liefe eine Obliegenheit des Antragstellers, das Rechtsmittel vor seinem Tod einzulegen, um die Wirkung des § 1933 S. 1, 1. Alt. aufrechtzuerhalten, auf eine mittelbare Verkürzung der Rechtsmittelfristen hinaus.176 Demnach liegt eine § 1933 S. 1, 1. Alt. genügende Bekundung des Scheidungswillens auch dann noch vor, wenn der Antragsteller nach einem abweisenden Urteil stirbt, ohne das noch zulässige Rechtsmittel eingelegt zu haben.177 2. Zustimmung zur Scheidung, § 1933 S. 1, 2. Alt. Als zweite Möglichkeit zur Bekundung des Scheidungswillens durch den Erblasser sieht § 1933 S. 1, 2. Alt. die Zustimmung zur Scheidung vor. Mit dem Merkmal Zustimmung werden die § 1566 I, 2. Alt. BGB, § 630 II ZPO in Bezug genommen178, so dass es nahe liegt, die Auslegung des § 1933 S. 1, 2. Alt. jedenfalls im Ausgangspunkt an diesen Vorschriften auszurichten.179 a) Rechtsnatur der Zustimmung Auch im Hinblick auf die § 1566 I, 2. Alt. BGB, § 630 II ZPO besteht freilich keine Einigkeit darüber, was unter einer Zustimmung zur Scheidung zu verstehen ist. Ein Teil der Literatur hält die Zustimmung für eine rein materiellrechtliche Willenserklärung.180 Demgegenüber geht die herrschende Meinung

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Soergel/Stein § 1933 Rn. 5. Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 e) (S. 259); Soergel/Stein § 1933 Rn. 5. 177 Vyas, S. 38; Wirtz, S. 186; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 e) (S. 259); AKBGB/Derleder § 1933 Rn. 2; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 9; Soergel/Stein § 1933 Rn. 5. 178 BayObLG FamRZ 1983, 96; OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 110; LG Düsseldorf Rpfleger 1980, 187, 188; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 3. 179 Nicht zu überzeugen vermögen demgegenüber vereinzelte Versuche, im Rahmen des § 1933 abweichende Anforderungen an die Zustimmung zu stellen. So hielt das OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136 eine durch anwaltlichen Schriftsatz erklärte Zustimmung – nur im Ergebnis zu Recht – für wirksam, weil es auf die Einhaltung der Form des § 630 II 2 ZPO im Fall des § 1933 nicht ankomme, also nicht etwa deshalb, weil das Gericht die Voraussetzungen jener Vorschrift als erfüllt angesehen hätte. Die Unanwendbarkeit des § 630 II S. 2 ZPO wurde damit begründet, dass die Norm lediglich auf die tatsächliche Durchführung einer einverständlichen Scheidung gerichtet sei, woran es wegen der Erledigung des Verfahrens aufgrund des Todes eines Ehegatten fehle. Vgl. zu dieser gerade im Hinblick auf § 1933 S. 1 fragwürdigen Argumentation S. 71 f. 180 Schwab FamRZ 1976, 501, 503; Damrau FamRZ 1977, 1169 f.; Gernhuber/ Coester-Waltjen, FamR, § 27 Rn. 36; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 4. 176

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davon aus, dass die Zustimmung jedenfalls auch eine Prozesshandlung darstellt.181 Die herrschende Auffassung erscheint aus mehreren Gründen vorzugswürdig: Erstens knüpft § 1566 I an die Zustimmung dieselbe Wirkung wie an einen vom Antragsgegner gestellten Anschlussantrag. Dementsprechend liegt es nah, die Zustimmung als wesensgleiches Minus zur Antragstellung aufzufassen182, bei der es sich unstreitig – wiederum zumindest auch – um eine Prozesshandlung handelt. Zweitens ist die Zustimmung nicht selbst unmittelbare Scheidungsvoraussetzung, sondern lediglich Teil eines Nachweistatbestandes für das Scheitern der Ehe. In Verbindung mit den übrigen Voraussetzungen des § 1566 I zeitigt die Zustimmung damit entgegen der Mindermeinung183 jedenfalls auch auf prozessualer Ebene Wirkung, die darin besteht, dass das Gericht an die unwiderlegliche Vermutung des Scheiterns der Ehe gebunden ist184, also entgegen § 616 II ZPO auch keine eheerhaltenden Tatsachen ermitteln und verwerten darf.185 Drittens lassen sich die Regelungen des § 630 II ZPO besser mit der Annahme einer Prozesshandlung als mit der Annahme einer rein materiellrechtlichen Willenserklärung in Einklang bringen. Ausgehend von der ersten Prämisse stellt das von S. 1 eingeräumte Recht, die Zustimmung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung zu widerrufen, eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit prozessualer Bewirkungshandlungen dar, deren Verortung in der ZPO systematisch stimmig ist; gedacht als Modifikation des § 130 I 2 wäre die Regelung des Widerrufs im Verfahrensrecht dagegen deplaziert. Auch § 630 II 2 ZPO, dem zufolge die Zustimmung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden kann, wird zwanglos verständlich, wenn man die Zustimmung als Prozesshandlung begreift. In diesem Fall ist die von der Vorschrift bezweckte Befreiung vom Anwaltszwang186 gem. § 78 V ZPO erforderlich, um einem anwaltlich nicht vertretenen, im Scheidungsverfahren gem. § 78 II ZPO 181 BGH JZ 1990, 1134 m. Anm. Battes/Thofern; BGH ZEV 1995, 150 m. Anm. Klumpp; OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 110; OLG Zweibrücken NJW 1995, 601; LG Düsseldorf Rpfleger 1980, 187, 188; Diederichsen NJW 1977, 649, 655; Lüke AcP 178 (1978), 1, 29 f.; Frenz ZNotP 2000, 67, 68; Rolland, 1. EheRG, § 1566 Rn. 5a; Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 13; Zöller/Philippi, ZPO, § 630 Rn. 8; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 31; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 3. 182 Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 32. Vgl. auch OLG Zweibrücken NJW 1995, 601, 602: Umdeutung einer unwirksamen Antragstellung in eine Zustimmung. 183 Damrau FamRZ 1977, 1169, 1170. 184 Lüke AcP 178 (1978), 1, 29 f.; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 31. 185 Unpräzise, im Ergebnis aber wohl ebenso Bergerfurth/Rogner, Ehescheidungsprozess, Rn. 271: Der Untersuchungsgrundsatz beziehe sich „in erster Linie“ auf die Frage eines ausreichend langen Getrenntlebens. 186 BT-Drucks. 7/650, S. 214. Zur Reichweite der Befreiung vgl. 2. Teil, C. I. 2. b).

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grundsätzlich nicht postulationsfähigen Antragsgegner die Erklärung der Zustimmung zu ermöglichen. Ausgehend von der Qualifikation der Zustimmung als reine Willenserklärung fällt es dagegen schwer, einen Sinn für die Befreiung vom Anwaltszwang auszumachen, weil auch ein postulationsunfähiger Antragsgegner während der Verhandlung materiellrechtlich wirksam zustimmen und das Gericht diesen Umstand aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gem. § 616 I, II ZPO jedenfalls dann berücksichtigen könnte, wenn der Antragsteller – wie im Regelfall – nicht widerspricht.187 Widerspricht er doch, weil er aus Abneigung gegen den Antragsgegner gerade den unmittelbaren Beweis für das Scheitern der Ehe führen will, nützt dem Antragsgegner die Möglichkeit zu einer auch prozessual wirksamen Erklärung seiner Zustimmung im Ergebnis selbst dann nichts, wenn man davon ausgeht, dass seine Zustimmung als Vorbringen im Sinne des § 616 II ZPO beachtlich ist, weil der Antragsteller den unmittelbaren Beweis des Scheiterns vor Ablauf der Frist des § 1566 II stets durch Verweigerung der Mitwirkung an einer Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 630 I ZPO erzwingen kann. Eigenständige Bedeutung käme der Befreiung vom Anwaltszwang daher lediglich im Hinblick auf die Möglichkeit des Antragstellers zur zustimmungsfreien Rücknahme des Scheidungsantrags gem. §§ 608, 269 I ZPO zu, die ausscheiden würde, wenn auch die vom Antragsgegner selbst erklärte Zustimmung zur Scheidung als mündliches Verhandeln zur Hauptsache zu bewerten wäre. Dafür sprechen freilich gute Gründe. Dass die Regelung des § 630 II 2 ZPO auf dieser umstrittenen Detailfrage188 zur Antragsrücknahme beruht, wird man aber ausschließen dürfen. Die herrschende Meinung verdient daher Zustimmung. b) Adressat und Form der Zustimmung Praktisch bedeutsam wird die Rechtsnatur der Zustimmung zunächst für die Bestimmung ihres Adressaten. Als Prozesshandlung muss sie gegenüber dem Gericht erklärt werden.189 Eine außerhalb des Verfahrens gegenüber dem anderen Ehegatten erklärte Zustimmung löst daher weder die Folgen des § 1566 I noch die des § 1933 S. 1, 2. Alt. aus.190 187

Ebenso Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 4 als Anhänger der Gegenan-

sicht. 188

Vgl. dazu 2. Teil, C. I. 3. b). BGH ZEV 1995, 150 m. Anm. Klumpp; MünchKomm/Wolf § 1566 Rn. 26; RGRK/Graßhof § 1566 Rn. 25; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 36. Lediglich aus Zweckmäßigkeitserwägungen im Ergebnis ebenso Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 11. 190 A. A. Bock MittRhNotK 1977, 205, 208: Ausreichend wahlweise Zugang beim anderen Ehegatten oder beim Gericht. Ebenso für das entsprechende Problem bei § 2077 I 2 Soergel/Loritz § 2077 Rn. 7, der aber nicht hinreichend zwischen Adressat und Form der Zustimmung unterscheidet, wie die von ihm zur Bekräftigung seiner 189

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Ferner setzt die Zustimmung als Prozesshandlung die Postulationsfähigkeit des Erklärenden voraus, die den Parteien im Scheidungsverfahren gem. §§ 78 II, 606 I 1 ZPO grundsätzlich fehlt. § 630 II 2 ZPO macht von diesem Grundsatz im Hinblick auf die Zustimmung zumindest insofern eine Ausnahme, als der Antragsgegner jedenfalls in den von der Vorschrift vorgesehenen Formen die Zustimmung selbst erklären kann. Insofern ist er nach einhelliger Auffassung gem. § 78 V ZPO vom Anwaltszwang befreit. Zur höchstpersönlichen Erklärung erhebt § 630 II 2 ZPO die Zustimmung aber nicht, weil sie als Minus zur Antragstellung keinen strengeren Anforderungen unterliegen kann als diese.191 Daher genügt auch die in einem anwaltlichen Schriftsatz erklärte Zustimmung den Anforderungen des § 1933 S. 1, 2. Alt.192 Fraglich ist, ob die Zustimmung von der Partei selbst nur in den in § 630 II 2 ZPO genannten Formen erklärt werden kann.193 Gegen eine solche Beschränkung argumentiert die herrschende Meinung mit § 78 V ZPO. Da § 630 II 2 ZPO die Erklärung der Zustimmung zu Protokoll der Geschäftsstelle zulasse, sei der Antragsgegner bezüglich der Zustimmung in vollem Umfang vom Anwaltszwang befreit, so dass es auf die tatsächliche Einhaltung der in § 630 II 2 ZPO genannten Formen nicht ankomme.194 Die Zustimmung könne folglich auch außerhalb des Verfahrens durch Parteischriftsatz erklärt werden, sofern dieser nur mit dem Willen der Partei dem Gericht vorgelegt werde.195 Wäre diese Ansicht richtig, verbliebe für die zweite Alternative des § 630 II 2 ZPO kein Anwendungsbereich. Dass ein bezüglich der Zustimmung in vollem Umfang postulationsfähiger Antragsgegner diese Prozesshandlung auch in der mündlichen Verhandlung vornehmen kann, bedürfte keiner Erwähnung. Daher erscheint es vorzugswürdig, den Widerspruch zwischen § 78 V ZPO und § 630 II 2, 2. Alt. ZPO zugunsten letzterer Vorschrift aufzulösen und den AntragsgegAuffassung angeführten Urteile belegen. BayObLG FamRZ 1983, 96 f., OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136 und OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 111 haben nur zur sogleich darzustellenden Formfrage Stellung bezogen. Wie hier differenzierend Frohnmayer, S. 165 ff. 191 Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 10. 192 BayObLG FamRZ 1983, 96 f.; BayObLG NJW-RR 1996, 650, 651; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136; OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 110 f.; OLG Frankfurt/M. NJW 1997, 3099, 3100; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 c) (S. 259); Rolland, 1. EheRG, § 1566 Rn. 5a; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 37. 193 So OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 160, 161 f.; LG Düsseldorf Rpfleger 1980, 187, 188; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 c) (S. 259); RGRK/Graßhof § 1566 Rn. 25. Ebenso wohl Lüke AcP 178 (1978), 1, Fn. 134; Soergel/Stein § 1933 Rn. 6. 194 OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 111; OLG Stuttgart BWNotZ 1993, 40, 41; OLG Köln ZEV 2003, 326 m. Anm. Werner. 195 Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 38; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7. Das BVerfG FamRZ 1995, 536 hat diese Möglichkeit lediglich als eine unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstandende Auslegung des einfachen Rechts beurteilt, damit aber eine andere Auslegung nicht ausgeschlossen.

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ner im Hinblick auf die Selbstvornahme der Zustimmung auf die dort genannten Formen zu beschränken. Dass diese Lösung auf die „Alternative zwischen Höchstpersönlichkeit und Anwaltszwang“196 hinausläuft, ist kein stichhaltiges Gegenargument. Gerade weil die Wirksamkeit der Zustimmung angesichts ihrer Wiederholbarkeit und Widerruflichkeit im schwebenden Verfahren nur in den Fällen der §§ 1933, 2077 praktische Bedeutung erlangt197 und in diesen Fällen die Zustimmung die Antragstellung ersetzt, liegt es nahe, an jene zumindest ähnliche formale Anforderungen zu stellen wie an diese.198 Dies auch deshalb, weil die Zustimmungsalternative erst gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens zum 1. EheRG und ohne jede Erörterung in den Tatbestand des § 1933 S. 1 aufgenommen wurde.199 Die Anordnung einer noch über § 630 II 2 ZPO hinausreichenden Formerleichterung gegenüber der Antragstellung kann dem Gesetzgeber daher kaum unterstellt werden.200 c) Inhaltliche Anforderungen an die Zustimmung Ob der Antragsgegner inhaltlich eine Zustimmung abgeben wollte, ist nach den Grundsätzen über die Auslegung materiellrechtlicher Willenserklärungen zu ermitteln. Auf die ausdrückliche Verwendung des Begriffs „Zustimmung“ kommt es daher nicht an.201 Bloße Passivität gegenüber der Antragstellung rechtfertigt die Annahme einer Zustimmung nicht.202 Allerdings verbieten Sinn 196 Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 38. Vgl. auch Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 11. 197 Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 38. 198 Ähnlich OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 160, 161; LG Düsseldorf Rpfleger 1980, 187, 188. Widersprüchlich Staudinger/Werner § 1933 Rn. 7, der sich dieser Argumentation anschließt, die Erklärung aber auch durch Parteischriftsatz zulassen will. 199 Vgl. die unterschiedlichen Fassungen des § 1933 in BT-Drucks. 7/650, S. 274 einerseits (ohne Zustimmung) und BT-Drucks. 7/4361, S. 112 andererseits (mit Zustimmung). 200 So wohl auch LG Düsseldorf Rpfleger 1980, 187, 188. Die in der neueren Literatur und Rechtsprechung vorherrschende Tendenz, die formalen Anforderungen an die Zustimmung herabzusetzen, entspringt offenbar dem Bestreben, den durch die Antragstellung vermeintlich eintretenden Zustand der Asymmetrie möglichst kurz zu gestalten, so offen OLG Stuttgart BWNotZ 1993, 40, 41. Diese Zweckmäßigkeitserwägungen richten sich letztlich gegen die – sachlich in der Tat nicht zu erklärende – Erforderlichkeit der Zustimmung als solche, an der angesichts des insofern eindeutigen Wortlauts des § 1933 S. 1 de lege lata aber nicht zu rütteln ist. Sie können daher nur insofern überzeugen, als es um die Frage geht, ob über die erforderliche, formgerechte Äußerung der Zustimmung hinaus weitere, im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck gekommene Anforderungen an die Zustimmung bzw. die Person des Zustimmenden zu stellen sind, vgl. 2. Teil, C. III. 201 OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136; OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 111; OLG Köln ZEV 2003, 326 m. Anm. Werner; AG Mosbach FamRZ 1977, 810, 812; Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 12. 202 Für sich genommen nicht ausreichend ist daher die Äußerung, dem Scheidungsantrag nicht entgegenzutreten. So aber wohl OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136.

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und Zweck der einverständlichen Scheidung, nach dem Motiv der Zustimmung zu fragen. Insbesondere braucht der Zustimmende die Ehe nicht für gescheitert zu halten.203 „Grundsätzliche Scheidungsunwilligkeit“ steht der Annahme einer Zustimmung daher nicht entgegen, wenn der Antragsgegner zum Ausdruck bringt, dass der durch die unwiderlegliche Scheiternsvermutung des § 1566 I erreichbare Schutz der ehelichen Privatsphäre für ihn schwerer wiegt als der Wunsch zur Aufrechterhaltung der Ehe.204 Auch die Mitwirkung an einer Scheidungsfolgenvereinbarung stellt jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die Zustimmung dar, sofern die dafür erforderliche Form gewahrt ist. Wer die Folgen der Scheidung regeln will, gibt im Regelfall zu erkennen, dass er auch mit der Scheidung selbst einverstanden ist.205 d) Abhängigkeit der Zustimmung von der Antragstellung Die Zustimmung ist im Gegensatz zur Antragstellung unselbstständig. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines Bezugspunktes in Form eines rechtshängigen Scheidungsantrags.206 Eine zwingende zeitliche Reihenfolge von Antragstellung und Zustimmung folgt daraus nach zutreffender, wohl herrschender Auffassung aber nicht: Da die Vornahme einer Prozesshandlung nicht notwendig ein bereits bestehendes Prozessrechtsverhältnis voraussetzt207 und es der Prozessökonomie widerspräche, vom Antragsgegner die Wiederholung seiner vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bereits formgerecht erklärten Zustimmung zu verlangen208, wird auch die vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erklärte Zustimmung mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit wirksam, wenn die Zustimmung dem Willen des Erklärenden entsprechend dem Gericht zugeht.209

Wie hier OLG Stuttgart NJW 1979, 662; Bergerfurth FamRZ 2002, 1261, 1262, Anm. zu OLG Stuttgart FamRZ 2002, 831; Soergel/Heintzmann § 1566 Rn. 9. 203 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 27 Rn. 36; MünchKomm/Wolf § 1566 Rn. 23. 204 OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109, 111 f. A. A. Schwab/Schwab, ScheidungsR, II, Rn. 83. 205 OLG Köln ZEV 2003, 326 f. m. Anm. Werner. Ebenso wohl Wirtz, S. 117. Anders die h. M., Rolland, 1. EheRG § 1566 Rn. 5; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 28. 206 Allg. Auffassung, vgl. nur BGH JZ 1990, 1134 m. Anm. Battes/Thofern; BayObLG FamRZ 1983, 96; LG Ravensburg BWNotZ 1981, 116, 117. Ebenso Stein/ Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 4 als Anhänger der Ansicht, die die Zustimmung als rein materiellrechtliche Willenserklärung begreift. Ohne rechtshängigen Scheidungsantrag fehle es an einem hinreichend bestimmten Zustimmungsgegenstand. 207 So OLG Zweibrücken NJW 1995, 601, 602: Zustimmung vor Rechtshängigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren. 208 Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 39. 209 Wirtz, S. 115; Rauscher, FamR, Rn. 528; Erman/Schlüter § 1933 Rn. 2; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 3; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 7.

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3. Nachträgliche Beseitigung der Bekundung des Scheidungswillens Die Ehegatten haben die Möglichkeit, ihre jeweils wirksam vorgenommenen Bekundungen des Scheidungswillens nachträglich wieder zu beseitigen. Der Antragsteller kann seinen Scheidungsantrag nach Maßgabe der §§ 608, 269 I ZPO zurücknehmen, der zunächst zustimmende Antragsgegner kann seine Zustimmung gem. § 630 II 1 ZPO widerrufen. Da ein vorzeitiger Erbrechtsausschluss des letztlich überlebenden Ehegatten aufgrund der partiellen Nichtigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. in formeller Hinsicht beiderseitige Scheidungsaktivität der Ehegatten verlangt, kann folglich jede der beiden Parteien im Fall des absehbar bevorstehenden Todes der anderen dem eigenen Erbrechtsausschluss nach § 1933 S. 1 unter den im Folgenden zu prüfenden Voraussetzungen die formelle Grundlage entziehen.210 a) Widerruf der Zustimmung Gemäß § 630 II 1 ZPO kann die Zustimmung bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, ohne weiteres widerrufen werden. Sachliche Voraussetzungen bestehen für den Widerruf der Zustimmung als potenziell eheerhaltenden Umstand nicht. Die Erklärung des Widerrufs ist auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich211, das der Antragsgegner selbst dann in Gang setzen kann, wenn es lediglich den Widerruf der in erster Instanz erklärten Zustimmung ermöglichen soll.212 Dass der zustimmende Antragsgeg210 Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung von der Verfassungsmäßigkeit des einseitigen Erbrechtsausschlusses aus, steht diese taktische Möglichkeit dagegen nur dem Antragsteller gegenüber einem zustimmenden Antragsgegner offen, nicht aber umgekehrt: Die Rücknahme des Antrags führt gem. §§ 608, 269 III 1 ZPO zur Nichtanhängigkeitsfiktion und macht damit die vom Antrag abhängige Zustimmung des Antragsgegners gegenstandslos, vgl. 2. Teil, C. I. 2. d). Zu – nur im Ergebnis erfolglos gebliebenen – Versuchen von Antragstellern, auf diese Weise noch in den Genuss des Erbrechts nach dem Antragsgegner zu kommen, vgl. OLG Frankfurt/M. NJW 1997, 3099; LG Tübingen BWNotZ 1986, 22. Der Widerruf der Zustimmung lässt das durch die Antragstellung begründete Prozessrechtsverhältnis dagegen unberührt. Unter der Prämisse vollumfänglicher Wirksamkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. kann der Antragsgegner durch seinen Widerruf daher nur auf die materiellen Voraussetzungen des § 1933 S. 1 einwirken, nämlich das Eingreifen der unwiderleglichen Scheiternsvermutung gem. § 1566 I abwenden. Das schließt die Anwendung des § 1933 S. 1, 1. Alt. aber nicht schlechthin aus, sondern erhöht nur die Anforderungen an den nach § 1565 I u. §§ 1565 I, 1566 II weiterhin möglichen Nachweis des Scheiterns der Ehe. 211 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 630 Rn. 7; MünchKomm/Finger, ZPO, § 630 Rn. 11; Musielak/Borth, ZPO, § 630 Rn. 5; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 9. 212 BGH FamRZ 1984, 350, 351; OLG Stuttgart NJW 1979, 662; Rolland, 1. EheRG, § 629a ZPO Rn. 7.

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ner durch das der Scheidung stattgebende erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist, spielt aufgrund der eheerhaltenden Wirkung des Widerrufs keine Rolle: Das zum Zweck der Aufrechterhaltung der Ehe gegen den Scheidungsausspruch eingelegte Rechtsmittel des Antragsgegners ist ebenso wie ein entsprechendes Rechtsmittel des Antragstellers213 unabhängig von der sonst erforderlichen formellen Beschwer des Rechtsmittelführers zulässig.214 b) Rücknahme des Scheidungsantrags Komplizierter liegen die Dinge im Hinblick auf die Antragsrücknahme, die zunächst von ihr äußerlich ähnlichen, in den Wirkungen aber nicht gleichstehenden Verhaltensweisen des Antragstellers abgegrenzt werden muss. Der Antragsrücknahme nach einhelliger Meinung nicht gleichzuachten ist die Stellung eines Aussetzungsantrages gem. § 614 III ZPO.215 Ähnlich wie § 1567 II verfolgt die Vorschrift im Interesse der Erhaltung der Ehe den Zweck, den Eheleuten Gelegenheit zur Aussöhnung zu geben, ohne mit dem Risiko belastet zu werden, bereits erlangte Rechtspositionen wieder einzubüßen.216 Das Nichtbetreiben des Scheidungsverfahrens über einen längeren Zeitraum soll dagegen nach Ansicht des OLG Düssseldorf jedenfalls im Hinblick auf § 1933 einer Antragsrücknahme gleichzustellen sein. Die Vorschrift wolle den Antragsteller lediglich vor dem Zufall schützen, vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu sterben. Dieses Risiko verwirkliche sich nicht, wenn der Erblasser das Scheidungsverfahren über einen erheblichen Zeitraum (im konkreten Fall 25 Jahre) nicht betreibe.217 Diese Auffassung ist abzulehnen, weil keine fixen zeitlichen Grenzen zur Beantwortung der Frage aufgestellt werden können, ab wann das Nichtbetreiben des Verfahrens einer Rücknahme des Antrags gleichkommt. Der BGH hat unter Hinweis auf diesen Rechtssicherheitsaspekt daher zu Recht wiederholt entschieden, dass das bloße Nichtbetreiben des Verfahrens dessen Rechtshängigkeit unberührt lässt.218 Hat der Antragsteller die Rücknahme seines Antrags erklärt, findet § 1933 S. 1 jedenfalls dann keine Anwendung, wenn die weiteren Voraussetzungen für eine prozessual wirksame Antragsrücknahme gem. §§ 608, 269 I ZPO vorliegen. In diesem Fall ist der Antrag gem. §§ 608, 269 III 1, 1. Hs. ZPO als nicht 213 So bereits zur Rechtslage vor dem 1. EheRG RGZ 100, 208, 209; RGZ 115, 374, 375. 214 BGH FamRZ 1984, 350, 351; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 9. 215 Vyas, S. 37; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 2; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 9; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 2; Soergel/Stein § 1933 Rn. 4; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. 216 OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1107, 1108. 217 OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1107, 1108. Ihm folgend Staudinger/Werner § 1933 Rn. 5. 218 BGH FamRZ 1967, 460, 461; BGH NJW-RR 1993, 898.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

anhängig geworden anzusehen. Lediglich einer erst nach dem Tod des Antragsgegners erklärten Rücknahme219 kommt auch im Fall ihrer prozessualer Wirksamkeit nach einhelliger Meinung keine Bedeutung für § 1933 S. 1 zu.220 Das überzeugt: Der bereits eingetretene Erbrechtsausschluss sollte schon aus Rechtssicherheitsgründen nicht über die Nichtanhängigkeitsfiktion der §§ 608, 269 III 1, 1. Hs. ZPO wieder rückgängig gemacht werden können. Zudem regelt – der verfassungsrechtlich bereinigte – § 1933 S. 1 nicht nur die nach dem ersten Erbfall tatsächlich eintretende, erbechtliche Stellung des Überlebenden, sondern beschreibt auch Bestehen bzw. Nichtbestehen der potenziellen, stets gegenseitigen Erwerbschance der Ehegatten zu Lebzeiten. Da die erbrechtliche Erwerbsaussicht des Erstverstorbenen gem. § 1923 I nicht wiederhergestellt werden kann, muss der Versuch einer erst nach seinem Tod erfolgenden Einwirkung auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1933 S. 1 folgenlos bleiben. Die vom Antragsteller erklärte Antragsrücknahme ist gem. §§ 608, 269 I ZPO prozessual wirksam, wenn der Antragsgegner entweder noch nicht mündlich zur Hauptsache verhandelt hat oder der Rücknahme zustimmt. Streitig ist, ob die vom Antragsgegner persönlich abgegebene Zustimmung zur Scheidung für ein mündliches Verhandeln im Sinne der §§ 608, 269 I ZPO ausreicht, also die Zustimmungsbedürftigkeit der Rücknahme auslöst. Der BGH 221 verneint die Frage unter Berufung auf den im Scheidungsverfahren gem. § 78 II ZPO herrschenden Anwaltszwang, der ein Verhandeln des anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegners ausschließe. Diese Auffassung ist nicht zu halten: Genügt die Zustimmung im Grundsatz, d.h. im Fall ihrer Erklärung durch einen bevollmächtigen Anwalt, den Anforderungen an ein mündliches Verhandeln222, kann für die von der Partei selbst erklärte Zustimmung nichts anderes gelten, weil § 630 II 2 ZPO den Antragsgegner hinsichtlich der Zustimmung vom Anwaltszwang befreit.223 Eine einseitige, mit der prozessualen Wirkung der §§ 608, 269 III 1, 1. Hs. ZPO ausgestattete Rücknahme des Scheidungsantrags scheidet daher auch nach persönlich erklärter Scheidungszustimmung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung aus. 219 Trotz Erledigung der Hauptsache gem. § 619 ZPO möglich, vgl. OLG München NJW 1970, 1799, 1780; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, EheR, § 619 ZPO Rn. 3; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 619 Rn. 2. 220 OLG Frankfurt/M. NJW 1997, 3099, 3100; LG Tübingen BWNotZ 1986, 22; Vyas, S. 37; Frohnmayer, S. 165; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7; Soergel/Stein § 1933 Rn. 4; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 8. 221 FamRZ 2004, 1364, 1365. Ebenso OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 1226, 1227. 222 So wohl auch BGH FamRZ 2004, 1364. 223 OLG München NJW-RR 1994, 201; AG Kempten FamRZ 2003, 1117, 1118; Musielak/Borth, ZPO, § 626 Rn. 2; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 56. A. A. Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1564 Rn. 34 mit dem unklaren Argument, dass „zwischen der Zustimmung iS des § 1566 Abs. 1 einerseits und der Prozesshandlung des Verhandelns zur Hauptsache andererseits kein Gleichlauf“ bestehe.

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Umso bedeutsamer wird daher die Frage, ob auch eine mangels erforderlicher Zustimmung des Antragsgegners prozessual unwirksame Rücknahme des Antrags die Anwendung des § 1933 S. 1 auszuschließen vermag. Ausgehend von der herrschenden Meinung, die den Scheidungsantrag nicht nur als Prozesshandlung, sondern auch als materielles Einverständnis in die Scheidung begreift und dieses Einverständnis ohne Rücksicht auf die Anforderungen der §§ 608, 269 I ZPO für frei widerruflich hält, ist diese Frage zu bejahen: Scheidet der gestellte Antrag trotz prozessualer Unwirksamkeit der Rücknahme als Grundlage für einen Scheidungsausspruch aus224, taugt er auch nicht als Grundlage für den Erbrechtsausschluss. Man wende nicht ein, der Antrag stelle lediglich eine formelle Voraussetzung für den Erbrechtsausschluss dar, für die das prozessuale Wirksambleiben des Antrags ausreiche.225 Dieser Einwand geht aufgrund der anerkannten Doppelnatur der Antragstellung fehl. Richtig ist zwar, dass der Scheidungsantrag des nicht mehr Scheidungswilligen im Falle prozessualer Unwirksamkeit der Rücknahme nicht als nicht anhängig geworden zu behandeln ist, sondern als unbegründet abgewiesen werden muss. Das ändert aber nichts daran, dass die Begründetheit nicht etwa an fehlender Zerrüttung der Ehe scheitert, sondern schon mangels eines auf ihre Auflösung gerichteten Begehrens im Sinne des § 1564 I 1.226 Damit fehlt es auch im Hinblick auf § 1933 S. 1 trotz prozessual wirksam bleibender Antragstellung an einer ausreichenden Bekundung des Scheidungswillens. In Bezug auf die taktische Möglichkeit des wahrscheinlich Überlebenden, seinem Erbrechtsausschluss durch nachträgliche Be-

224 So allgemein OLG Frankfurt/M. FamRZ 1982, 809, 810; Johannsen/Henrich/ Jaeger, EheR, § 1564 Rn. 34; RGRK/Graßhof § 1564 Rn. 5; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 57. Ebenso im Hinblick auf Scheidungsanträge nach § 1566 I Lüke AcP 178 (1978) 1, 30; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 27, Fn. 60; Stein/Jonas/ Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 9; Zöller/Philippi, ZPO, § 630 Rn. 10. A. A. MünchKomm/ Wolf § 1564 Rn. 4. 225 Die Wirksamkeit des Antrags als prozesseinleitende Verfahrenshandlung bleibt nach der zugrunde gelegten h. M. von der Rücknahme des materiellen Scheidungseinverständnisses unberührt, Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1564 Rn. 34 u. § 1566 Rn. 15; Staudinger/Rauscher § 1564 Rn. 57. A. A. AG Charlottenburg FamRZ 1986, 704, 705. 226 Hat Ehegatte A einen Scheidungsantrag gestellt und Ehegatte B diesem Antrag zugestimmt, spielt es freilich keine Rolle, ob im Fall der „Rücknahme“ des Scheidungsantrags des A und dem anschließenden Tod von B die Anwendbarkeit des § 1933 im Hinblick auf A am Fehlen beiderseitiger Scheidungsaktivität oder am Fehlen der Voraussetzungen für die Scheidung scheitert. Haben dagegen beide Ehegatten Scheidungsanträge gestellt, kommt es darauf an, ob die „Rücknahme“ des A schon die Bekundung seines Scheidungswillens oder erst die Voraussetzungen für die Scheidung i. S. d. § 1933 berührt. Nach der ersten, hier vertretenen Lösung scheitert die Anwendung des § 1933 auch in diesem Fall mangels beiderseitiger Scheidungsaktivität. Nach der zweiten Lösung ist die Anwendung der Vorschrift dagegen u. U. möglich, weil beide Ehegatten scheidungsaktiv geworden sind und die Voraussetzungen der Scheidung, getragen vom Antrag des B, trotz der „Rücknahme“ des Antrags durch A vorliegen können.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

seitigung der eigenen Scheidungsaktivität zu entgehen, herrscht zwischen Antragsteller und zustimmendem Antragsgegner folglich Waffengleichheit.

II. Materiell: Das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen 1. Das Scheitern der Ehe § 1933 S. 1 verlangt in materieller Hinsicht, dass die Voraussetzungen für die Scheidung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben waren. Das setzt gem. § 1565 I 1 zunächst voraus, dass die Ehe gescheitert war, die Lebensgemeinschaft der Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls also nicht mehr bestand und zudem nicht erwartet werden konnte, dass die Ehegatten sie zukünftig wiederhergestellt hätten, § 1565 I 2. Darlegungs- und beweispflichtig für das Scheitern der Ehe sind – ebenso wie für das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 1933 S. 1 – nach allgemeinen Grundsätzen die vom Ausschluss des überlebenden Ehegatten profitierenden, nachrückenden Erbprätendenten227, denen zum Beweis des Scheiterns im Grundsatz dieselben Nachweisoptionen offen stehen wie den Ehegatten im Scheidungsverfahren: Das Scheitern der Ehe kann zum einen unmittelbar auf den Nachweis der nach § 1565 I 2 erforderlichen Negativdiagnose und -prognose gestützt werden, zum anderen auf den Nachweis der Voraussetzungen des § 1566 I u. II, bei deren Vorliegen das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet wird. Keine besonderen Probleme wirft im vorliegenden Zusammenhang die Regelung des § 1566 II auf, deren Vermutungswirkung ausschließlich von der zeitlichen Voraussetzung eines dreijährigen Getrenntlebens im Sinne des § 1567 I der Ehegatten abhängt.228

227 BayObLG FamRZ 1992, 1349, 1350; OLG Bremen FamRZ 1986, 833, 834. Ein zu ihren Gunsten erteilter Erbschein entfaltet im Streit um das Erbrecht vor dem Prozeßgericht keine präjudizielle Wirkung, BGH ZEV 1995, 150, 151 f. m. Anm. Klumpp. 228 Bestehen bleiben freilich diejenigen Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang mit § 1567 I unabhängig von § 1933 ergeben. Insofern ist insbesondere zu beachten, dass der Bewusstseinsverlust eines Ehegatten, dessen Betreuer später gem. § 607 II ZPO mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einen Scheidungsantrag stellt, nicht automatisch mit dem Beginn des Getrenntlebens im Sinne des § 1567 I gleichzusetzen ist, vgl. OLG Frankfurt/M. FamRZ 2002, 1511, 1512 f., sowie, zur entsprechenden Frage des Scheiterns der Ehe gem. § 1565 I, BGH JZ 2002, 710 f. m. Anm. Muscheler. Die Voraussetzungen, unter denen die Ehe in einem solchen Fall auf den Antrag des Kranken hin geschieden werden kann, sind streitig: Der BGH lehnt ein Scheitern der Ehe ab, sofern der Antragsgegner seiner Verantwortung aus § 1353 I 2, 2. Hs. gegenüber dem Kranken nachkommt. Dagegen Muscheler, JZ 2002, 711, 715, Anm. zu BGH JZ 2002, 710, der zu Recht auf den mutmaßlichen Willen und die objektiven Interessen des Kranken abstellt. Ihm im Wesentlichen folgend Staudinger/ Rauscher § 1565 Rn. 44.

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a) Die Scheiternsvermutung des § 1566 I aa) Erforderlichkeit einer Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO Obwohl die unwiderlegbare Scheiternsvermutung des § 1566 I nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich von den Voraussetzungen beiderseitiger Scheidungsaktivität und einjährigem Getrenntleben der Ehegatten abhängt, greift die Vermutung im laufenden Scheidungsverfahren nur ein, wenn sich die Ehegatten zudem über die in § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO geregelten Scheidungsfolgen geeinigt und über die in Nr. 3 bezeichneten Gegenstände einen vollstreckbaren Schuldtitel herbeigeführt haben, § 630 III ZPO.229 Fraglich ist, ob den nachrückenden gesetzlichen Erben des Erblassers im Streit um den Erbrechtsausschluss nach § 1933 S. 1 die unwiderlegbare Scheiternsvermutung des § 1566 I zugute kommt, wenn es zum Zeitpunkt des Erbfalls an einer Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO fehlt.230 Eine beachtliche Mindermeinung in Rechtsprechung und Literatur hält das Fehlen einer Scheidungsfolgenvereinbarung im Hinblick auf § 1933 S. 1 für unschädlich.231 § 630 ZPO betreffe lediglich das tatsächlich durch rechtskräftiges Urteil beendete, einverständliche Scheidungsverfahren. Da die Ehe im Fall des § 1933 S. 1 durch den Tod des Erblassers aufgelöst werde, bedürfe es mangels Scheidung keiner Regelung der Scheidungsfolgen mehr, so dass der Erbrechtsausschluss des überlebenden Ehegatten auch nicht am Fehlen einer darauf gerichteten Einigung scheitern könne.232 Zudem gründe die Scheiternsvermutung 229 Zwar ist § 630 III ZPO lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Die durch das schwächere „soll nicht“ gegenüber dem schärferen „darf nicht“ zugelassenen Ausnahmen, in denen auch ohne vollstreckbaren Schuldtitel über die in § 630 I Nr. 3 ZPO genannten Gegenstände geschieden werden kann, betreffen diejenigen Fälle, in denen die Einigung der Ehegatten gar keine vollstreckungsfähige Regelung beinhaltet oder die Schaffung eines Schuldtitels aus besonderen Gründen ausnahmsweise entbehrlich erscheint, vgl. zum ersten Fall OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083: Unterhaltsverzichtserklärung. Zum zweiten Fall vgl. etwa Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 8: Einräumung unwiderruflicher Abbuchungsvollmacht. 230 Ablehnend die h. M., vgl. OLG Bremen FamRZ 1986, 833, 834 f.; OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; OLG Zweibrücken NJW 2001, 236 f.; Battes FamRZ 1977, 433, 438; Frenz ZNotP 2000, 67, 68; Vyas, S. 51; Frohnmayer, S. 154 f.; Schlüter, ErbR, Rn. 99; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 3; Erman/Schlüter § 1933 Rn. 3; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 7; Soergel/Stein § 1933 Rn. 8; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 10. Unklar, aber wohl ebenso AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 5. 231 OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136 f.; Wirtz, S. 125 f.; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 a) (S. 257); Jauernig/Stürner § 1933 Rn. 1; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 8; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 8. Ebenso wohl LG Tübingen BWNotZ 1985, 22 und LG Freiburg NJW-RR 2005, 448 f., obwohl es in beiden Entscheidungen nicht um die Scheiternsvermutung des § 1566 I ging. 232 OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136, 137; Wirtz, S. 126; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 8.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

nicht auf der Einigung über Folgesachen, sondern ausschließlich auf dem Scheidungskonsens der Ehegatten. Bei den Anforderungen des § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO handele es sich nicht um materielle Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe, sondern lediglich um Sachurteilsvoraussetzungen für das in § 630 ZPO geregelte „Verfahren auf Scheidung nach § 1565 in Verbindung mit § 1566 Abs. 1“.233 Prozessuale Mängel der Antragstellung stünden der Anwendbarkeit des § 1933 S. 1 nach allgemeiner Auffassung aber nicht entgegen.234 Keines der genannten Argumente vermag zu überzeugen. Ausgehend von der heute wohl unstreitigen Prämisse, dass das Scheitern der Ehe nach der Neufassung des Scheidungsrechts den einzigen Scheidungsgrund darstellt235, kann es entgegen der Auffassung des Gesetzgebers236 und trotz des Wortlauts des § 630 I ZPO kein besonderes „Verfahren auf Scheidung nach § 1565 in Verbindung mit § 1566 Abs. 1“ geben, weil der verfahrenseinleitende Antrag auch dann, wenn er auf die §§ 1565, 1566 I gestützt wird, ebenso wie im Fall der sog. streitigen Scheidung auf die Auflösung der Ehe aufgrund ihres Scheiterns gerichtet ist.237 Dementsprechend können die Anforderungen des § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO nicht als spezielle Sachurteilsvoraussetzungen eines solchen Verfahrens verstanden werden. Die herrschende Meinung geht daher folgerichtig davon aus, dass es sich bei der Einigung über die Scheidungsfolgen um eine zusätzliche, in § 1566 I hineinzulesende Voraussetzung der unwiderlegbaren Scheiternsvermutung handelt.238 Sofern es an der Scheidungsfolgenvereinbarung fehlt, ist ein auf die §§ 1565, 1566 I gestützter Scheidungsantrag daher nicht als unzulässig, sondern – mangels Nachweis des Scheiterns – als unbegründet abzuweisen.239

233

Wirtz, S. 125; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 a) (S. 257). LG Tübingen BWNotZ 1985, 22; Wirtz, S. 125. 235 Vgl. nur Muscheler, FamR, Rn. 395, 398; Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1564 Rn. 40. 236 BT-Drucks. 7/650, S. 214. 237 OLG Hamburg FamRZ 1979, 702; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1982, 809, 811; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 630 Rn. 1; Zöller/Philippi, ZPO, § 630 Rn. 3. Die einleitende Wendung des § 630 I ZPO ist daher ebenso und aus demselben Grund missglückt wie die Überschrift „Scheidungsgründe“ zu den §§ 1564 ff., vgl. Muscheler, FamR, Rn. 398. A. A. Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 18 mit dem bemerkenswerten Argument, Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung gehorchten nicht immer den Regeln der Logik. 238 Schlosser FamRZ 1978, 319, 321 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 27 Rn. 30; MünchKomm/Finger, ZPO, § 630 Rn. 3; Musielak/Borth, ZPO, § 630 Rn. 4; MünchKomm/Wolf § 1566 Rn. 11; RGRK/Graßhoff § 1566 Rn. 8. Ebenso wohl Rauscher, FamR, Rn. 529: „Entscheidende materiellrechtliche Bedeutung“. 239 Brehm JZ 1977, 596, 597; Muscheler, FamR, Rn. 403; Zöller/Philippi, ZPO, § 630 Rn. 3; Erman/Dieckmann § 1566 Rn. 14; Staudinger/Rauscher § 1566 Rn. 62. 234

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Selbst wenn man bezüglich der Rechtsnatur der Einigung im Sinne des § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO anderer Ansicht wäre240, würde das im Ergebnis nichts an ihrer Erforderlichkeit für die Vermutungswirkung des § 1566 I im Hinblick auf den Erbrechtsausschluss ändern.241 Hätte das Fehlen der Einigung die Unzulässigkeit des Scheidungsantrags zur Folge, müsste die Anwendbarkeit des § 1933 S. 1 mangels eines den Anforderungen der Vorschrift genügenden Scheidungsbegehrens abgelehnt werden. Richtig ist zwar, dass behebbare Mängel der Antragstellung dem Ausschluss des Ehegattenerbrechts nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich nicht entgegenstehen.242 Dieser nachsichtige Standpunkt beruht aber auf der Erwägung, dass der Mangel, den vorzeitigen Tod des Erblassers hinweggedacht, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behoben worden wäre. Diese Erwägung trifft auf die von beiden Ehegatten abhängige Einigung über die Scheidungsfolgen nicht zu, deren Fehlen zwar auf dem vorzeitigen Tod des Erblassers beruhen kann, aber nicht darauf beruhen muss.243 Von einem zum Zeitpunkt des Erbfalls eben wegen des Erbfalls bloß zufällig noch nicht behobenen Mangel kann daher im Hinblick auf die Einigung keine Rede sein.244 Gleich in zweifacher Hinsicht verfehlt ist schließlich das Argument, § 630 ZPO komme nur für das tatsächlich durch rechtskräftiges Urteil beendete Scheidungsverfahren Bedeutung zu, weil es im Fall einer die Scheidung überholenden Eheauflösung durch Tod keiner Scheidungsfolgenregelung mehr bedürfe. Schon § 1933 S. 3 belegt, dass sich jedenfalls Fragen des nachehelichen Unterhalts nicht ohne weiteres mit dem vorzeitigen Tod eines Ehegatten erledigen.245 Die Argumentation der Mindermeinung überzeugt aber ebenso wenig im Hinblick auf diejenigen Einigungen, die – wie die von den Ehegatten zu treffenden Regelungen zur elterlichen Sorge gem. § 630 I Nr. 2 ZPO – mit dem Tod des Erblassers tatsächlich obsolet geworden wären: § 1933 S. 1 setzt – aus verfas-

240 So Damrau FamRZ 1977, 1169, 1174; Diederichsen NJW 1977, 649, 654; Lüke AcP 178 (1978), 1, 31; Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, § 1566 Rn. 18; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 10. 241 A. A. Vyas, S. 46 u. Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 a) (S. 257), die die Entscheidung des Streits ausschließlich von der Vorfrage nach der Rechtsnatur der Einigung abhängig machen wollen. 242 Vgl. 2. Teil, C. I. 1. b). 243 Ebenso Frohnmayer, S. 154 unter Hinweis auf die Übereilungsschutzfunktion des § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO, vgl. dazu 2. Teil, C. II. 2. 244 Das übersehen LG Tübingen BWNotZ 1985, 22 und Wirtz, S. 126. 245 Entgegen MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 10 gilt das auch für Unterhaltsvereinbarungen der Ehegatten, weil § 1585c von der Verweisung des § 1933 S. 3 miterfasst wird. Die regelmäßig bloß rechtsgeschäftliche Ausformung des Anspruchs lässt seine Rechtsnatur als gesetzlicher Unterhaltsanspruch im Sinne der §§ 1569 ff., von der die Anwendbarkeit des § 1586b abhängt, unberührt, BGH FamRZ 2004, 1546, 1547 m. Anm. Bergschneider; Bergschneider FamRZ 2003, 1049, 1050.

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sungsrechtlichen Gründen zwingend246 – eine Verlaufsprognose zu Lasten des Fortbestandes der Ehe voraus. Die Vorschrift stellt damit auf denjenigen hypothetischen Zustand ab, der eingetreten wäre, wenn der Erblasser das Ende des Scheidungsverfahrens erlebt hätte.247 Der Umstand, dass eine von den Ehegatten getroffene Einigung mit dem Tod des Erblassers gegenstandslos geworden wäre, spielt daher keine Rolle, weil dieser Umstand nichts daran ändert, dass das Fehlen der Einigung im hypothetischen Scheidungsverfahren als maßgeblicher Vergleichsgröße zur Unanwendbarkeit des § 1566 I geführt hätte.248 Auch den nachrückenden Erbprätendenten kommt die unwiderlegbare Scheiternsvermutung des § 1566 I daher nur zugute, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls eine Einigung über die in § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO genannten Gegenstände vorlag. bb) Hypothetischer Übergang auf streitige Scheidung gem. § 1565 I 2 Das Fehlen einer Scheidungsfolgenvereinbarung im Sinne des § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO schließt die Anwendbarkeit des § 1933 S. 1 nicht schlechthin aus, sondern versperrt den nachrückenden Erbprätendenten lediglich den prozessual unkomplizierten Weg, das Scheitern der Ehe als Voraussetzung für die Scheidung auf die unwiderlegbare Scheiternsvermutung des § 1566 I zu stützen. Ebenso wie die Ehegatten selbst, die ein als offene Konventionalscheidung eingeleitetes Verfahren mangels Einigung über die Scheidungsfolgen als streitiges Verfahren fortsetzen können249, haben auch die vom Ausschluss des überleben246

Vgl. 2. Teil, B. I. 2. a). OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; OLG Zweibrücken NJW 2001, 236 f.; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 6. Ebenso Anhänger der hier angegriffenen Argumentation, vgl. OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 136, 137: „mutmaßlicher Ausgang des (. . .) Scheidungsverfahrens“. 248 Anders liegen die Dinge im Hinblick auf zum Zeitpunkt des Erbfalls noch ungeklärte Scheidungsfolgesachen im Scheidungsverbund, sofern sie für § 1566 I keine Rolle spielen oder das Scheitern der Ehe auf einen anderen Nachweistatbestand gestützt wird. Zwar kann die Entscheidung von Folgesachen durch das Verbundverfahren äußerlich mit der Scheidung verquickt sein und ist in diesem Fall gem. § 629 I ZPO einheitlich über den begründeten Scheidungsantrag und die Folgesache zu entscheiden. Dadurch wird die Entscheidungsreife der Folgesache aber – anders als die Einigung gem. § 630 I ZPO im Fall des § 1566 I – nicht zur Voraussetzung der Scheidung selbst. Denn die noch ungeklärte Folgesache hätte die Scheidung im hypothetisch fortzusetzenden Scheidungsverfahren zwar verzögern, aber nicht auf Dauer ausschließen können, § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO. Die aus der bloßen Verzögerung der letztlich unausweichlichen Scheidung resultierende Zufälligkeit des Zeitpunktes des Erbfalls soll § 1933 S. 1 aber gerade eliminieren. Jenseits von § 1566 I kommt Scheidungsfolgesachen für die Anwendbarkeit des § 1933 S. 1 daher keine Bedeutung zu. Insofern zutreffend LG Freiburg NJW-RR 2005, 448 f. 249 OLG Frankfurt/M. FamRZ 1982, 809, 811; Musielak/Borth, ZPO, § 630 Rn. 4; MünchKomm/Wolf § 1566 Rn. 12. 247

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den Ehegatten profitierenden gesetzlichen Erben des Erblassers jedenfalls im Grundsatz die Möglichkeit, bei Fehlen der Scheidungsfolgenvereinbarung den unmittelbaren Beweis für das Scheitern der Ehe nach dem Grundtatbestand des § 1565 I 2 zu führen.250 Fraglich ist, ob die nachrückenden Erbprätendenten in diesem Fall nur das Scheitern der Ehe beweisen müssen, oder darüber hinaus auch die hypothetische Tatsache, dass der zunächst auf die §§ 1565 I, 1566 I gestützte Antrag auf streitige Scheidung umgestellt worden wäre.251 Der Einwand, es handele sich bei dieser zusätzlichen Voraussetzung um eine „durch nichts gebotene Komplizierung“252, trifft nicht zu. Denn immerhin ermöglichen die §§ 1565 I, 1566 I den Ehegatten die Scheidung, ohne dem Gericht einen beim unmittelbaren Scheiternsbeweis unausweichlichen Einblick in ihre Intimsphäre gewähren zu müssen.253 Es kann deshalb nicht von vornherein angenommen werden, dass derjenige, der auf Grundlage der §§ 1565 I, 1566 I geschieden werden wollte, auch mit einer streitigen Scheidung einverstanden gewesen wäre. Dementsprechend gewährleistet § 616 II ZPO im laufenden Scheidungsverfahren, dass der beiderseitige Wille der Ehegatten zum Schutz ihrer Intimssphäre durch das Gericht respektiert wird. Nichts anderes kann im Streit um den Erbrechtsausschluss gelten: Die Berufung auf Tatsachen, die das Gericht im Scheidungsverfahren trotz Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nicht hätte berücksichtigen dürfen, muss auch den nachrückenden Erbprätendenten versagt bleiben.254 Wurde das Scheidungsverfahren als offene Konventionalscheidung eingeleitet, kann der Erbrechtsausschluss daher nur dann auf den positiven Nachweis für das Scheitern der Ehe gestützt werden, wenn den nachrückenden Erben darüber hinaus der Nachweis gelingt, dass zumindest einer der Ehegatten zur streitigen Scheidung übergegangen wäre.

250 OLG Hamburg FamRZ 1979, 702; OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; OLG Stuttgart BWNotZ 1993, 40, 41; OLG Zweibrücken NJW 2001, 236, 237; Dieckmann FamRZ 1979, 389, 396; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 7; Soergel/Stein § 1933 Rn. 8; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 10. 251 So OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 7; Soergel/Stein § 1933 Rn. 8. 252 Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 a) (S. 257). Ihnen folgend Frohnmayer, S. 157 f. 253 Muscheler, FamR, Rn. 403. 254 Materiellrechtlich ebenso, prozessual aber letztlich eine Beweislastumkehr zugunsten der nachrückenden Erben annehmend Frohnmayer, S. 157 f. Das überzeugt nicht: Zählt der hypothetische Übergang zur streitigen Scheidung materiellrechtlich zu den Voraussetzungen des § 1933 S. 1, ist nicht ersichtlich, warum für diesen Umstand besondere Beweislastregeln gelten sollen, zutreffend OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

b) Der unmittelbare Beweis des Scheiterns gem. § 1565 I 2 aa) Die Scheidungssperre des § 1565 II Der unmittelbare Beweis des Scheiterns gem. § 1565 I 2 steht den nachrückenden, gesetzlichen Erben des Erblassers ohne weiteres offen, wenn die Ehegatten ihr Scheidungsbegehren von vornherein allein auf § 1565 I 2 gestützt haben. Neben das Scheitern der Ehe tritt in diesem Fall als zusätzliche Voraussetzung für die Scheidung das Nichteingreifen der in § 1565 II statuierten Scheidungssperre, der zufolge auch eine gescheiterte Ehe im Grundsatz erst nach einjährigem Getrenntleben der Eheleute geschieden werden kann. War das Trennungsjahr zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht abgelaufen, müssen die vom Ausschluss des überlebenden Ehegatten Begünstigten beweisen, dass die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller, der die Scheidung nach § 1565 I 2, II begehrte – und, wie später zu zeigen sein wird, nicht mit dem Erblasser identisch zu sein braucht255 –, aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte dargestellt hätte. bb) De lege ferenda: Verschärfte Beweisanforderungen bei einseitigem Scheidungsbegehren? Teile der Literatur vertreten die Auffassung, dass an den Beweis des Scheiterns der Ehe im Hinblick auf den Erbrechtsausschluss erhöhte Beweisanforderungen zu stellen sind, wenn nur der Erblasser einen Scheidungsantrag gestellt hat und die Scheiternsvermutung des § 1566 II nicht eingreift.256 In diesem Fall seien an den Nachweis des Scheiterns strengere Anforderungen zu stellen, weil die Gefahr einer Indoktrination des Erblassers durch dessen gesetzliche Erben bestehe.257 De lege lata sind diese Befürchtungen freilich schon deshalb gegenstandslos, weil ein vorzeitiger Erbrechtsausschluss aufgrund der partiellen Verfassungswidrigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. ohnehin nur im Falle beiderseitiger Scheidungsaktivität der Ehegatten in Betracht kommt. Selbst wenn sich der Gesetzgeber aber de lege ferenda dazu entschließen sollte, einen beiderseitigen Erbrechtsausschluss bereits an eine begründete, einseitige Antragstellung zu knüpfen, bestünde kein Anlass für eine Verschärfung der Beweisanforderungen258: Erstens unterliegt die Antragstellung gem. § 78 II ZPO dem Anwalts255

Vgl. 2. Teil, C. III. 2. So Battes FamRZ 1977, 433, 439; Baumgärtel/Laumen/Schmitz, Beweislast, Bd. 2, § 1933 Rn. 4; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 7; Soergel/Stein § 1933 Rn. 9; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 10. Offengelassen von BayObLG FamRZ 1992, 1349, 1350. Der Gesetzgeber hat die mit einer postmortalen Feststellung des Scheiterns der Ehe verbundenen Beweisschwierigkeiten bewusst in Kauf genommen, vgl. BT-Drucks. 7/ 4361, S. 52. 257 Staudinger/Werner § 1933 Rn. 10. 256

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zwang, was die Gefahr eines Erschleichens der Antragstellung aus praktischen Gründen abschwächt. Zweitens sind auffällige Umstände, wie die Kurzfristigkeit des Antrags, bereits im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 286 I 1 ZPO zu berücksichtigen.259 Drittens kommt § 1933 S. 1 regelmäßig nur zum Zuge, wenn das einjährige Getrenntleben der Ehegatten gem. § 1565 II nachgewiesen wird. Diese Voraussetzung, die im Scheidungsverfahren von den Ehegatten selbst durch übereinstimmenden Falschvortrag leicht umgangen werden kann, stellt im Streit um den Erbrechtsausschluss aufgrund der gegenläufigen Interessen der Beteiligten eine echte Hürde dar. Viertens schließlich geht es kaum an, die Ausnahme der erbschleichenden Erbprätendenten zu Lasten des regelmäßig tatsächlich scheidungswilligen Erblassers zur Regel zu erklären. De lege ferenda sollte es daher auch dann bei den gewöhnlichen Beweisanforderungen bleiben, wenn nur einer der Ehegatten die Scheidung begehrt und sein Begehren auf den unmittelbaren Beweis des Scheiterns der Ehe gestützt hat. 2. Nichteingreifen der Härteklauseln des § 1568? Gemäß § 1568 kommt eine Scheidung der Ehe trotz ihres Scheiterns nicht in Betracht, wenn die Voraussetzungen der sog. Kinderschutzklausel gem. § 1568 1. Alt. oder der sog. Ehegattenschutzklausel gem. § 1568 2. Alt. vorliegen.260 Nach dem Wortlaut des § 1933 S. 1 scheidet damit in diesen Fällen auch ein vorzeitiger Ausschluss des Ehegattenerbrechts aus, weil es an einer Voraussetzung für die Scheidung der Ehe fehlt. Bei diesem Ergebnis will es die herrschende Meinung belassen.261 Nach einer in der Literatur vertretenen Mindermeinung hindert das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1568 die Anwendbarkeit des § 1933 S. 1 dagegen nicht: Zu den Voraussetzungen der Scheidung im Sinne des § 1933 S. 1 seien nur die Voraussetzungen des Scheiterns der Ehe zu zählen, weil der mit den Härteklauseln intendierte Schutz im Fall des § 1933 S. 1 aufgrund der Eheauflösung durch Tod des Erblassers nicht mehr verwirklicht werden könne.262 Das allein maßgebliche Scheitern der Ehe bleibe vom Eingreifen der Härteklauseln aber unberührt.263 258

MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 8. Ihm folgend Frohnmayer, S. 169. Frohnmayer, S. 169. 260 Entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 1568 – die Ehe soll nicht geschieden werden – steht dem Gericht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Rechtsfolgeermessen zu, allg. Meinung, vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 27, Fn. 77; Schwab/Schwab, ScheidungsR, II, Rn. 103; Staudinger/Rauscher § 1568 Rn. 29. 261 BayObLG, nachgewiesen bei Plötz Rpfleger 1987, 356, 358; Dieckmann FamRZ 1979, 389, 396; Frenz ZNotP 2000, 67, 68; Vyas, S. 51 f.; Frohnmayer, S. 158 f.; Erman/Schlüter § 1933 Rn. 3; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 8; Soergel/Stein § 1933 Rn. 8; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 10. 262 Soergel/Loritz § 2077 Rn. 9 zu § 2077 I 2. 263 Kissel, S. 102. 259

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Bevor auf die referierten Ansichten eingegangen wird, ist klarzustellen, dass dem Streit nach hier vertretener Auffassung de lege lata ausschließlich im Hinblick auf die Kinderschutzklausel des § 1568, 1. Alt. Bedeutung zukommt. Da der vorzeitige Erbrechtsausschluss aufgrund der partiellen Nichtigkeit des § 1933 S. 1 in formeller Hinsicht stets von beiderseitiger Bekundung des Scheidungswillens der Ehegatten abhängt, schließen sich die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 und der Ehegattenschutzklausel gegenseitig aus, weil letztere verlangt, dass der Antragsgegner die Scheidung ablehnt und die zur Begründung der Härteklausel erforderlichen Umstände im Scheidungsverfahren vorbringt, § 616 III ZPO.264 Die Ehegattenschutzklausel ist daher in sämtlichen Fallkonstellationen, die zum Ausschluss des Ehegattenerbrechts führen könnten, unanwendbar.265 Denkbar ist dagegen ein Nebeneinander der Voraussetzungen des § 1933 S. 1 und der Kinderschutzklausel des § 1568, 1. Alt., die als Einwendung in jedem Scheidungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist.266 In diesen Fällen erscheint die Auffassung der Mindermeinung vorzugswürdig, den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht am Vorliegen der Voraussetzungen des § 1568 scheitern zu lassen. Denn anders als in Bezug auf die Einigungen gem. § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO lässt der Grundsatz, dass die Anwendung des § 1933 S. 1 an den hypothetischen Ausgang des Scheidungsverfahrens zu Lasten der Ehe gekoppelt ist, im Hinblick auf § 1568 eine Ausnahme zu267, weil sich die Einigungen des § 630 I ZPO einerseits und die Härteklauseln des § 1568 andererseits unterschiedlich zum subjektiven Recht auf Scheidung verhalten, das § 1933 S. 1 nach hier vertretener Auffassung schützt. Die Einigungen des § 630 I ZPO dienen nicht nur der sachlichen Regelung der in Nr. 2 u. Nr. 3 genannten Scheidungsfolgen, sondern stellen darüber hinaus ein objektives Seriösitätsindiz für den Scheidungswillen der Ehegatten dar, das die unwiderlegbare Scheiternsvermutung des § 1566 I mitträgt.268 § 630 I ZPO schützt damit jedenfalls auch den Bestand der Ehe als solcher vor übereilter Scheidungsbereitschaft der Ehegatten, indem die Vorschrift die Anforderungen an die scheidungserleichternde Vermutung des § 1566 I erhöht, ein Recht auf Scheidung aufgrund bloß übereinstimmenden Scheidungswillens also gar nicht erst entstehen lässt. Aus dieser zweiten Funktion des § 630 I ZPO folgt, dass auf die Scheidungsfolgenvereinbarung im Hinblick auf § 1933 S. 1 unabhängig davon nicht verzichtet werden kann, ob eine Vereinbarung der Ehegatten, wäre sie denn getroffen worden, mit dem Tod des Erblassers gegenstandslos geworden wäre. 264

Muscheler, FamR, Rn. 406. Bergerfurth/Rogner, Ehescheidungsprozess, Rn. 278. 266 Allg. Auffassung, vgl. Staudinger/Rauscher § 1568 Rn. 23. 267 Genau umgekehrt wertend MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 8. 268 BT-Drucks. 7/650, S. 89; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 27 Rn. 37. Ähnlich OLG Bremen FamRZ 1986, 833, 835. 265

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Die Härteklauseln des § 1568 schränken dagegen lediglich ein dem Grunde nach bestehendes Recht auf Scheidung aufgrund besonderer Umstände, gewissermaßen von außen, wieder ein269, und zwar ausschließlich zugunsten der durch § 1568 begünstigten Personen: Da an der Aufrechterhaltung einer beweisbar gescheiterten Ehe um ihrer selbst willen kein institutionelles Interesse besteht, das eine Einschränkung des Willens eines oder gar beider Ehegatten zur Eheauflösung rechtfertigen könnte, kann die Aufrechterhaltung der Ehe nach § 1568 nur Mittel zum Schutz der minderjährigen Kinder bzw. des scheidungsunwilligen Antragsgegners durch vorläufige Verhinderung der „Trennung des formalen Ehebandes“270 sein.271 Da dieses Interesse im Fall des Todes eines Ehegatten nicht mehr zu befriedigen ist, degeneriert § 1568 – anders als § 630 I ZPO – im Fall des § 1933 S. 1 zu einem funktionslosen Tatbestandsmerkmal. Daher erscheint es gerechtfertigt, die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1933 S. 1 um dieses Merkmal zu bereinigen.

III. Besonderes Verhältnis zwischen formellen und materiellen Anforderungen des § 1933 S. 1 als ungeschriebene Voraussetzung für den Erbrechtsausschluss? Nach dem Wortlaut des § 1933 S. 1 hängt der vorzeitige Erbrechtsausschluss des überlebenden Ehegatten lediglich vom objektiven Vorliegen der bereits dargestellten formellen und materiellen Voraussetzungen ab. Trotzdem wollen Teile der Literatur und wohl auch der Gesetzgeber das bloße Nebeneinander dieser Voraussetzungen nicht für den Erbrechtsausschluss des Überlebenden genügen lassen, sondern verlangen darüber hinaus, dass zwischen den isoliert betrachtet erfüllten formellen und materiellen Anforderungen des § 1933 S. 1 eine mehr oder weniger enge sachliche Verknüpfung besteht. 1. Scheidungsrelevanz des Erblasserverhaltens? Ein spezifisches Verhältnis zwischen dem formellen Merkmal der Zustimmung und den Voraussetzungen für die Scheidung verlangt Stein272: Nach seiner Auffassung soll nicht jede, sondern nur die im Rahmen einer offenen Kon269 Ähnlich Rauscher, FamR, Rn. 537 mit der zutreffenden Einschätzung, dass § 1568 in einem Scheidungsrecht, das auf das Scheitern der Ehe abstellt, einen Fremdkörper bildet. 270 Muscheler, FamR, Rn. 406. 271 Wie hier gegen die Annahme einer primär eheerhaltenden Funktion des § 1568 MünchKomm/Wolf § 1568 Rn. 2; RGRK/Graßhoff § 1568 Rn. 6. A. A. Schwab FamRZ 1984, 1171, 1174. Gegen ihn überzeugend Staudinger/Rauscher § 1568 Rn. 6 f. 272 In: Soergel § 1933 Rn. 6.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

ventionalscheidung erklärte Zustimmung geeignet sein, die Wirkungen des § 1933 S. 1, 2. Alt. auszulösen.273 Für diese Einschränkung der Zustimmungsalternative spreche, dass sich die Regelungen zur Zustimmung in § 630 II ZPO ausschließlich auf § 1566 I bezögen. Daher werfe die Frage nach Wirksamkeit und Widerruflichkeit der Zustimmung dogmatische Schwierigkeiten auf, wenn der Scheidungsantrag auf einen anderen Nachweistatbestand für das Scheitern der Ehe gestützt werde. Ausschlaggebend sei aber letztlich ein anderer Gesichtspunkt: Aus der Entstehungsgeschichte des § 1933 folge, dass der Erbrechtsausschluss des Überlebenden ein scheidungsrelevantes prozessuales Verhalten des Erblassers voraussetze. Scheidungsrelevanz komme der Zustimmung neben der stets erheblichen Antragstellung aber nur im Fall der offenen Konventionalscheidung zu274, weil – so wird man ergänzen dürfen – die Zustimmung für die Scheidbarkeit der Ehe keine Rolle spielt, wenn ihr Scheitern nicht auf den Vermutungstatbestand des § 1566 I gestützt wird. Zu überzeugen vermag Steins Auffassung nicht. Richtig ist zwar, dass § 1933 S. 1 a. F. bis zur Einfügung der Zustimmungsalternative durch das 1. EheRG einscheidungsrelevantes prozessuales Verhalten des Erblassers verlangte. Das wird insbesondere an den Fällen deutlich, in denen der Scheidungsbeklagte und spätere Erblasser anstelle der Erhebung einer Scheidungswiderklage lediglich einen begründeten Mitschuldantrag gem. § 1574 III a. F., § 52 III EheG gestellt hatte. Ein solcher Antrag, der sich nicht auf die Scheidung als solche, sondern nur auf die Scheidungsfolgen auswirkte, war nach herrschender Meinung nicht dazu geeignet, den vorzeitigen Erbrechtsausschluss des Überlebenden herbeizuführen. Für die geltende Rechtslage ergibt sich daraus aber nichts: In der Sache war die erbrechtliche Unbeachtlichkeit des Mitschuldantrags schon unter Geltung des Verschuldensprinzips verfehlt, und zwar unabhängig vom Streit über die Funktion des § 1933 a. F.275 Für eine einseitige Aufrechterhaltung des Erbrechts des Klägers aus unterhaltsrechtlichen Gründen bestand im Falle seiner Scheidungsmitschuld ebenso wenig Anlass wie für eine einseitige Bestrafung des Beklagten durch Ausschluss nur seiner Erbaussicht. Daher wäre es schon im Hinblick auf § 1933 a. F. konsequent gewesen, trotz fehlender Scheidungserheblichkeit des Mitschuldantrags den Kläger aufgrund dieses Antrags vom gesetzlichen Erbrecht auszuschließen. Allein der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich die Erhebung der Scheidungsklage verlangte, stand der 273 Entgegen Wirtz, S. 119, Fn. 175 kann von einer entsprechenden h. M. keine Rede sein. 274 Das prozessuale Verhalten des Erblassers muss nach Steins Auffassung offenbar nur abstrakt betrachtet geeignet sein, für die Scheidung einer Ehe bedeutsam zu werden. Da eine Antragstellung stets genügen soll, kann es auf konkrete Scheidungsrelevanz des Prozessverhaltens nicht ankommen, weil die Scheidung der Ehe in den Fällen der § 1565 I 2, § 1565 I 2 i.V. m. § 1566 II nicht von einer zweiten Antragstellung abhängt. 275 Vgl. 2. Teil, A. I.

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erbrechtlichen Berücksichtigung des Mitschuldantrags entgegen.276 Dieses Problem besteht im Hinblick auf die offen formulierte Zustimmungsalternative des § 1933 S. 1 n. F. gerade nicht. Auch die Regelungen, die nach der Ursprungsfassung des LPartG zum vorzeitigen Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts eines Eingetragenen Lebenspartners vorgesehen waren, sprechen gegen eine Beschränkung des § 1933 S. 1, 2. Alt. auf scheidungsrelevante Zustimmungen.277 Die ursprüngliche Konzeption zur – scheidungsäquivalenten – Aufhebung der Lebenspartnerschaft gem. § 15 LPartG a. F. kannte die „Zustimmung zur Aufhebung“ als Voraussetzung der Aufhebung noch nicht. Für die Auflösung der Lebenspartnerschaft spielte eine gleichwohl erklärte Zustimmung daher keine Rolle. Das hinderte den Gesetzgeber aber nicht daran, eine vom Erblasser erklärte Zustimmung zur Aufhebung gem. § 10 III 1 Nr. 1 LPartG in den von der Vorschrift genannten Aufhebungskonstellationen zum Anknüpfungspunkt für den Erbrechtsausschluss zu erklären. Daher kann es auch im Hinblick auf § 1933 S. 1, der bei der Schaffung des § 10 III LPartG als Vorbild diente, für die erbrechtliche Beachtlichkeit der Zustimmung kaum auf ihre Erforderlichkeit zur Eheauflösung ankommen. Schließlich nötigen auch die von Stein hilfsweise vorgebrachten dogmatischen Bedenken nicht zu einer Einschränkung der Zustimmungsalternative. Die an § 1566 I, 2. Alt. ausgerichtete Formulierung des § 1933 S. 1, 2. Alt. braucht nicht im Sinne einer Inbezugnahme des § 1566 I im Ganzen interpretiert zu werden, sondern lässt sich ebenso gut als isolierter Verweis auf das Tatbestandsmerkmal „Zustimmung zur Scheidung“ verstehen.278 Ausgehend von dieser Auslegung folgen Wirksamkeit und Widerruflichkeit einer Zustimmung im Sinne des § 1933 S. 1, 2. Alt. denselben Regeln, die für Wirksamkeit und Widerruflichkeit einer Zustimmung im Rahmen einer offenen Konventionalscheidung gelten, ohne dass es sich in concreto um eine solche Zustimmung handeln muss.279 Dieser Auslegung stehen weder Rechtssicherheitsaspekte noch schutzwürdige Interessen des Antragstellers entgegen, und zwar gerade wegen der Planck/Flad § 1933 Anm. 2 c); Staudinger/Lehmann11 § 1933 Rn. 3. Die Änderungen, die das LPartG durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 erfahren hat, machen die vorliegende Fragestellung für das LPartG selbst obsolet, weil jeder gegebene Aufhebungsgrund i. S. d. § 15 II 1 Nr. 1 u. Nr. 2 LPartG eben durch die Erklärung der Zustimmung zu einem Aufhebungsgrund i. S. d. § 15 II 1 Nr. 1 a) LPartG mutiert. Abgesehen von den Fällen des § 15 II 1 Nr. 3 LPartG, die späterer Untersuchung vorbehalten sind (2. Teil, C. III. 2.), ist eine aufhebungsrechtlich irrelevante Zustimmung zur Aufhebung daher nicht mehr denkbar. Als Argumentationsgrundlage für § 1933 bleibt die Ursprungsfassung des LPartG aber brauchbar, weil die Möglichkeiten zum Ausschluss des überlebenden Lebenspartners durch Aufhebungszustimmung von der Gesetzesänderung unberührt geblieben sind; § 10 III 1 Nr. 1 LPartG wurde nicht verändert. 278 Überzeugend Frohnmayer, S. 163. 279 So im Ergebnis wohl auch die h. M., vgl. OLG Stuttgart BWNotZ 1993, 40, 41; Wirtz, S. 121 f.; Frohnmayer, S. 163 f. Ebenso jedenfalls für Zustimmungen in den 276 277

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fehlenden Scheidungsrelevanz einer Zustimmung, die außerhalb eines Verfahrens „nach 1565 in Verbindung mit 1566 Abs. 1“ erklärt wird: Mutet das Gesetz dem Antragsteller den freien Widerruf einer grundsätzlich unwiderruflichen Bewirkungshandlung selbst dann zu, wenn er sich, wie im Fall des § 1566 I, auf die Begründetheit des Antrags auswirkt, spricht erst recht nichts gegen die Zulassung des Widerrufs, wenn er für den Antrag folgenlos bleibt.280 Damit genügt eine vom Erblasser erklärte Zustimmung den Anforderungen des § 1933 S. 1, 2. Alt. jedenfalls in den Fällen des § 1566 II281 und – wichtiger – in den Fällen, in denen das Scheitern der Ehe gem. § 1565 I 2 trotz Ablaufs des Trennungsjahres und Einigkeit der Ehegatten über die Scheidung positiv bewiesen werden muss, weil die von den Ehegatten zunächst tatsächlich angestrebte, offene Konventionalscheidung am Fehlen der Einigungen gem. § 630 I Nr. 2, Nr. 3 ZPO gescheitert wäre.282 2. Subjektives Recht auf Scheidung des Erblassers? Die soeben dargestellten Fälle einer Zustimmung des Erblassers zur Scheidung nach § 1566 II bzw. nach § 1565 I 2 nach Ablauf des Trennungsjahres weisen neben dem Umstand, dass die Zustimmung in beiden Varianten für die Scheidbarkeit der Ehe keine Rolle spielt, eine weitere Gemeinsamkeit auf: In beiden Konstellationen stand auch dem bloß zustimmenden Erblasser zu Lebzeiten zumindest ein Recht auf Scheidung zu, weil die Scheidungsvoraussetzungen in den genannten Konstellationen – dreijähriges Getrenntleben im ersten Fall, einjähriges Getrenntleben und positiver Beweis für das Scheitern der Ehe im zweiten Fall – notwendig nur im Hinblick auf beide Ehegatten erfüllt sein Fällen des § 1566 II LG Tübingen BWNotZ 1986, 22; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 7. 280 Genau entgegengesetzt argumentiert Vyas, S. 42, die der Zustimmung in den hier fraglichen Fällen mangels Eingreifens der Scheiternsvermutung des § 1566 I die prozessrechtliche Natur abspricht und deshalb bezüglich der Widerruflichkeit allein auf § 130 I 2 abstellen will, was im Ergebnis auf die Unwiderruflichkeit der Zustimmung hinausläuft. Das überzeugt nicht: Der Wortlaut des § 1933 S. 1, 2. Alt. lässt keinen Raum für eine Aufspaltung des Merkmals „Zustimmung“ in eine Prozesshandlung und eine rein materiellrechtliche Willenserklärung, für die ganz andere Wirksamkeitsvoraussetzungen gelten würden. Zudem ist der Auffassung Steins insofern zuzustimmen, als § 1933 S. 1 nach seiner Entstehungsgeschichte die Bekundung des Scheidungswillens durch den Erblasser in Form einer Prozesshandlung voraussetzt. 281 Vgl. OLG Köln ZEV 2003, 326 m. Anm. Werner; LG Tübingen BWNotZ 1986, 22; Vyas, S. 42 f.; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 7; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 7, sowie die in Fn. 282 Genannten. 282 Wirtz, S. 119; Frohnmayer, S. 164; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 II 2 b) (S. 258 f.). Eben in der Aufrechterhaltung der Möglichkeit zum hypothetischen Übergang auf streitige Scheidung im Falle bloßer Zustimmung des Antragsgegners sieht Wirtz, S. 119 das entscheidende Argument gegen die Beschränkung des § 1933 S. 1, 2. Alt. auf scheidungsrelevante Zustimmungen. Der Antragsgegner dürfe mit Blick auf Art. 6 I GG nicht zu einer eigenen Antragstellung genötigt werden.

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können. Das ist anders in den Fällen der Scheidung nach § 1565 I 2, II vor Ablauf des Trennungsjahres, in denen der eine Ehegatte – im Folgenden X – aufgrund eines in der Person des anderen liegenden Grundes Inhaber eines subjektiven Rechts auf Scheidung sein kann, während es in der Person des anderen Ehegatten – im Folgenden Y – an einem solchen Recht fehlt. Äußert gleichwohl auch Y seinen Scheidungswillen in den von § 1933 S. 1 vorgesehenen Formen, wird die erbrechtliche Beachtlichkeit dieser Willensbekundung trotz des insofern offenen Wortlauts der Vorschrift in der Literatur von keiner Seite auch nur erwogen. Angesichts der Tatsache, dass über die Relevanz der Bekundung des Scheidungswillens sogar dann gestritten wird, wenn dem Erblasser ein Recht auf Scheidung zusteht (vgl. oben 1.), dürfte dieses Schweigen dahin zu verstehen sein, dass die herrschende Meinung die Antragstellung bzw. Zustimmung des Erblassers jedenfalls dann für erbrechtlich unbeachtlich hält, wenn es in seiner Person an einem Recht auf Scheidung fehlt.283 In dieselbe Richtung weisen Stellungnahmen sowohl des historischen als auch des jüngeren Gesetzgebers. Nach dem Formulierungsvorschlag des Bundesrates zur Neufassung des § 1933 durch das 1. EheRG sollte der Erbrechtsausschluss des Überlebenden noch davon abhängen, dass „zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe auf dessen Antrag gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt hatte“284. Gerade in der Person desjenigen, der die für § 1933 erforderliche formelle Voraussetzung erfüllt, sollten also auch die materiellen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben sein. Über die spätere Streichung des Merkmals „auf dessen Antrag“ findet sich in den Materialien zum 1. EheRG kein Wort. Da sich die Vorschläge des Bundesrates im Hinblick auf § 1933 S. 1 aber auch im Rechtsausschuss auf ganzer Linie durchsetzten285, ist anzunehmen, dass das Junktim zwischen formeller und materieller Voraussetzung des § 1933 S. 1 nicht aufgrund sachlicher Vorbehalte entfernt wurde, sondern nur, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen. Denn bei Aufrechterhaltung des Merkmals „auf dessen Antrag“ wäre zumindest zweifelhaft gewesen, ob für die – im ursprünglichen Formulierungsvorschlag des Bundesrates noch nicht vorgesehene, erst im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in die Vorschrift eingefügte – Zustimmungsalternative des § 1933 S. 1 noch ein Anwendungsbereich verblieben wäre.286 283

Muscheler, Eingetragene Lebenspartnerschaft, Rn. 313. BT-Drucks. 7/650, S. 274 (Hervorhebung des Verfassers). 285 Vgl. 2. Teil, A. II. 286 Gesetzestechnisch zwingend war die Streichung des Merkmals letztlich nicht, weil mit der Formulierung „auf dessen Antrag“ nicht die Voraussetzung statuiert werden sollte, dass der Erblasser tatsächlich die Scheidung beantragt hatte, sondern nur, dass er sie mit Erfolg hätte beantragen können, vgl. Fn. 80. Diese Voraussetzung kann auch in der Person des tatsächlich nur zustimmenden Erblassers erfüllt sein. 284

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Gegen die erbrechtliche Beachtlichkeit einer § 1933 S. 1 formell genügenden Bekundung des Scheidungswillens durch einen Erblasser, dem selbst kein Recht auf Scheidung zusteht, spricht auch die Regelung des entsprechenden Problems im Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Liegt eine § 1565 I 2, II entsprechende Aufhebungskonstellation gem. § 15 II 1 Nr. 3 LPartG vor, in der lediglich dem antragstellenden Partner X ein Recht auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft zusteht, bleibt dem vom anderen Partner, Y, gleichwohl bekundeten Aufhebungswillen gem. § 10 III 1 Nr. 2 LPartG erbrechtliche Relevanz versagt: Eine etwaige Anschlussantragstellung des Y bleibt folgenlos, weil sein Antrag nicht begründet war. Und eine vom Antragsgegner Y erklärte Zustimmung zur Aufhebung ist, anders als in den Fällen, in denen beiden Partnern das Recht zur Aufhebung zusteht, vgl. § 10 III 1 Nr. 1 LPartG, als Anknüpfungspunkt für den Erbrechtsausschluss erst gar nicht vorgesehen. All diese Indizien scheinen der stillschweigenden herrschenden Meinung Recht zu geben. Zustimmung verdient sie trotzdem nicht. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung von der partiellen Verfassungswidrigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt. aus, vermag die herrschende Auffassung schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie im Ergebnis zu Lasten desjenigen Ehegatten ausschlagen kann, dem trotz fehlenden Ablaufs des Trennungsjahres zum Zeitpunkt des Erbfalls gem. § 1565 I 2, II ein Recht auf Scheidung zustand: Da ein vorzeitiger Erbrechtsausschluss zu Lasten des letztlich Überlebenden unter der genannten Prämisse nur dann in Betracht kommt, wenn die wechselseitige erbrechtliche Erwerbschance beider Ehegatten zu Lebzeiten entfallen war287, der Antragsgegner Y mangels Recht auf Scheidung die Erbaussicht des X nach herrschender Meinung aber nicht auszuschließen vermag, bleibt es ihr zufolge eben nicht nur im Fall des Todes von Y beim gesetzlichen Erbrecht des X, sondern im Fall des Todes von X auch beim gesetzlichen Erbrecht des Y. Die herrschende Meinung würde aber selbst dann nicht überzeugen, wenn man § 1933 S. 1, 1. Alt. im vollen Umfang für verfassungsmäßig hielte. Die hier fragliche Rechtsfolge, nämlich der Erbrechtsausschluss zu Lasten des allein scheidungsberechtigten X im Fall des Vorversterbens von Y, ist sachlich bereits durch den Umstand gerechtfertigt, dass X ein Scheidungsverfahren eingeleitet hat, das im Falle seiner Beendigung zur Auflösung der Ehe und damit zum Wegfall der Grundlage auch seines gesetzlichen Erbrechts geführt hätte. Schon die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1933 S. 1 zwingende Voraussetzung eigener Scheidungsaktivität des Antragsgegners Y stellt damit ein zur Begründung der Rechtsfolge überflüssiges Tatbestandsmerkmal dar. Daher geht es nicht an, die ohnehin übersteigerten Anforderungen an den Erbrechtsausschluss des X ohne Not durch die zusätzliche Voraussetzung eines subjektiven Rechts auf Scheidung in der Person des Antragsgegners Y weiter zu verschärfen. Dass 287

Vgl. 2. Teil, B. IV.

C. Voraussetzungen des § 1933

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nach hier vertretener Auffassung auch der vermeintlich „böse“ Ehegatte288 Y den vorzeitigen Erbrechtsausschluss des anderen herbeiführen kann, wenn sich der „gute“ Ehegatte X auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe mit Y berufen konnte und berufen hat, ist nicht unbillig, wie Gesetzgeber und herrschende Meinung zu glauben scheinen, sondern interessengerecht289: Ist dem X nach eigenem Vortrag aus den in der Person des Y liegenden Gründen nicht einmal die Aufrechterhaltung des bloß formalen Ehebandes zuzumuten, kann er nicht erwarten, dass dieses Band noch zur Vermittlung seines eigenen gesetzlichen Erbrechts taugt. Als Gesamtergebnis bleibt damit festzuhalten: Die in den Materialien zum 1. EheRG und im LPartG geäußerte Auffassung des Gesetzgebers, der zufolge der Erbrechtsausschluss des Überlebenden ein subjektives Recht auf Scheidung gerade in der Person des Erblassers voraussetzt, überzeugt nicht. Der Ausschluss des letztlich Überlebenden ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn einer der beiden Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls scheidungsberechtigt war und das Scheidungsverfahren eingeleitet hatte. Liegen die formellen und materiellen Anforderungen des § 1933 S. 1 isoliert betrachtet vor, ist diese Voraussetzung stets erfüllt. Denn es ist keine Fallkonstellation denkbar, in der ein Antrag gestellt ist, die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen, dem Antragsteller aber kein Recht auf Scheidung zusteht.290 Der verfehlte strengere Standpunkt des Gesetzgebers wäre für die Auslegung des § 1933 S. 1 daher nur dann bindend, wenn er – wie in § 10 III 1 Nr. 2 LPartG – im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gekommen wäre. Das ist nicht der Fall. Für den Erbrechtsausschluss kommt es daher ebenso wenig auf ein subjektives Scheidungsrecht des Erblassers an wie auf die konkrete Scheidungsrelevanz der Bekundung seines Scheidungswillens.

288 Die zur vorzeitigen Scheidung berechtigenden Gründe in der Person des Antragsgegners setzen kein Verschulden voraus, MünchKomm/Wolf § 1565 Rn. 79; Staudinger/Rauscher § 1565 Rn. 125. 289 Zu Recht kritisch daher zum Fehlen dieser Möglichkeit im Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft Krüger Rpfleger 2004, 138, 148. 290 Hat im Fall des § 1565 I 2, II lediglich der nichtscheidungsberechtigte Ehegatte Y den Scheidungsantrag gestellt, fehlt es an der materiellen Voraussetzung des § 1933 S. 1, weil dazu die die Unzumutbarkeit begründenden Umstände in der Person des anderen Ehegatten, X, verwirklicht sein müssten. Insofern sicher richtig Muscheler, FamR, Rn. 404, der aufgrund dieser Ausgangslage aber davon ausgeht, dass die Antragstellung des Y erbrechtlich auch dann folgenlos bleibt, wenn dem gleichfalls antragstellenden X ein Recht auf Scheidung gem. § 1565 II zustand, und das, obwohl eine von Y in der entsprechenden Konstellation abgegebene Zustimmung das Erbrecht des X entfallen lassen soll. Das ist fraglich, weil Antragstellung und Zustimmung des Y für die Scheidung der Ehe gleichermaßen irrelevant sind. Unter diesen Umständen kann die Zustimmung als Minus zur Antragstellung keine weiter reichenden erbrechtlichen Wirkungen erzeugen als die Antragstellung selbst.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3: „. . ., bis dass der Tod euch scheidet“? Liegen die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 vor, besteht ein Widerspruch zwischen dem formalen Fortbestand der Ehe bis zum Tod des Erblassers und der überwiegend wahrscheinlichen Prognose, dass die Ehe ohne seinen Tod durch Scheidung aufgelöst worden wäre. Theoretisch bestehen drei legislative Gestaltungsoptionen, um diese Kollisionslage aufzulösen: Man kann erstens den hypothetischen Ausgang des Scheidungsverfahrens für unbeachtlich erklären, sich also auf den formalen Standpunkt stellen, dass die Ehe tatsächlich durch den Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Man kann sich zweitens für das andere Extrem entscheiden, also aufgrund des absehbaren Ausgangs des Scheidungsverfahrens – etwa in einem neu einzufügenden § 1564 I 3 – eine Scheidungsfiktion aufstellen, der zufolge die Ehe mit allen daraus resultierenden Konsequenzen als eine juristische Sekunde vor dem Erbfall aufgelöst gilt. Drittens schließlich kann man eine mittlere Lösung wählen, die darauf hinausläuft, unter Verzicht auf eine umfassende Scheidungsfiktion lediglich den Eintritt einzelner Scheidungsfolgen anzuordnen. Ebenso wie der historische Gesetzgeber hat sich der Gesetzgeber des 1. EheRG bei der Neufassung des § 1933 für das dritte Regelungsmodell entschieden, indem er sich auf die Anordnung erb- und unterhaltsrechtlicher Scheidungsfolgen beschränkte. Diese Konzeption erscheint sowohl in sachlicher als auch in technischer Hinsicht fragwürdig: Der vorzeitige Ausschluss des Ehegattenerbrechts als nächstliegende Folge des § 1933 S. 1 kann vor dem Grundgesetz nur bestehen, wenn er gedanklich auf eine Scheidungsfiktion gestützt wird.291 Daher wäre es konsequent gewesen, den Überlebenden in vollem Umfang wie einen Geschiedenen zu behandeln. Technisch wirft die gesetzgeberische Kompromisslösung bei der Auslegung aller Vorschriften, die an den Status des Verheiratetseins im Zeitpunkt des Erbfalls anknüpfen, die Frage auf, ob die Anordnung von Scheidungsfolgenrecht in Bezug auf die jeweils in Rede stehende Norm versehentlich unterblieben oder bewusst unterlassen worden ist. Insofern lassen sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 1933 lediglich zwei abstrakte Grenzen ableiten: Erstens dürfte aus der auf Erb- und Unterhaltsrecht beschränkten Anordnung von Scheidungsfolgen der Grundsatz zu entnehmen sein, dass eine analoge Anwendung des § 1933 von vornherein ausscheidet, wenn es nicht um die vermögensrechtliche Stellung des Überlebenden geht.292 Zweitens ist der Überlebende trotz Fehlens einer entspre291

Vgl. 2. Teil, B. I. 2. a). Trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 1933 ist der Überlebende daher etwa analog § 22 S. 3 KunstUrhG zur Wahrung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Erblassers und nach Maßgabe des § 77 II 1 StGB beim Tod des Verletzten zur Antragstellung im Strafverfahren berufen. 292

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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chenden Anordnung wie ein bereits Geschiedener zu behandeln, wenn er bei wortlautgetreuer Anwendung des Gesetzes als Verwitweter vermögensrechtlich schlechter stünde als ein Geschiedener.

I. Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und der daran anknüpfenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten Im Hinblick auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht und die daran anküpfenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten des Überlebenden bestehen freilich keine Unterschiede zwischen der vom Gesetzgeber gewählten Regelung der Rechtsfolgen des § 1933 S. 1 und den Wirkungen, die sich auf der Grundlage einer Scheidungsfiktion ergeben würden. Der Überlebende ist kraft Gesetzes vom gesetzlichen Ehegattenerbrecht des § 1931 ausgeschlossen. Damit entfallen automatisch alle erbrechtlichen Erwerbsaussichten, die vom Bestand des Ehegattenerbrechts abhängen: Ein Pflichtteilsanspruch des Überlebenden gegen die Erben des Verstorbenen kommt nicht mehr in Betracht, weil der Überlebende nicht, wie § 2303 II 1, I 1 verlangt, durch Verfügung von Todes wegen, sondern kraft Gesetzes von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Der Anspruch auf den Voraus gem. § 1932 entfällt aufgrund seiner Akzessorietät zum gesetzlichen Ehegattenerbrecht, ohne dass es der ausdrücklichen Anordnung dieser Rechtsfolge in § 1933 S. 1 bedurft hätte.293 Lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, scheidet die in § 1371 I vorgesehene Lösung zur Abwicklung des Güterstandes aus, weil es aufgrund des Erbrechtsausschlusses des Überlebenden an einem pauschal zu erhöhenden gesetzlichen Erbteil fehlt. Der Überlebende kann daher nur den güterrechtlichen, d.h. konkret zu errechnenden Ausgleich des Zugewinns von den Erben des Verstorbenen verlangen. Von § 1933 S. 1 unberührt bleibt hingegen ein etwaiges gesetzliches Erbrecht aus § 1934, das dem Überlebenden nicht in seiner Eigenschaft als Ehegatte, sondern als Verwandtem zufällt.

293 Dementsprechend geht die h. M. zum § 1933 entsprechenden § 10 III LPartG davon aus, dass der vorzeitige Erbrechtsausschluss eines Eingetragenen Lebenspartners auch dessen Recht auf den Voraus erfasst, obwohl ein entsprechender Hinweis im Wortlaut des § 10 III LPartG fehlt, vgl. v. Dickhuth-Harrach FamRZ 2001, 1660, 1664; Muscheler, Eingetragene Lebenspartnerschaft, Rn. 293; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12 VIII 3 a) (S. 276).

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

II. Der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch gem. §§ 1933 S. 3, 1586b, 1569 ff. 1. Funktion und Wirkungsweise des Unterhaltsanspruchs § 1933 S. 3 erklärt den überlebenden Ehegatten, dessen gesetzliches Erbrecht nach Satz 1 der Vorschrift vorzeitig ausgeschlossen ist, trotz Fehlens einer rechtskräftigen Scheidung für berechtigt, nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b nachehelichen Unterhalt zu verlangen. Ausgehend von der Rechtsfolge des § 1933 S. 1 und vom Wortlaut des § 1933 S. 3 liegt der Grund für die Gewährung dieses vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf der Hand. Der überlebende Ehegatte, der im Hinblick auf das gesetzliche Erbrecht wie ein bereits Geschiedener behandelt wird, soll auch bezüglich der ihm günstigen Scheidungsfolge des nachehelichen Unterhalts einem Geschiedenen gleichgestellt werden. Nach der ursprünglichen Konzeption des Bundesrates, auf dessen Initiative § 1933 S. 3 durch das 1. EheRG eingefügt wurde, war der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch allerdings noch nicht auf die Herstellung gleicher rechtlicher Verhältnisse zwischen dem Überlebenden im Fall des § 1933 S. 1 und einem tatsächlich geschiedenen Überlebenden gerichtet, sondern sollte als „Ausgleich für das verlorene Erbrecht“294 fungieren. Dementsprechend verwies der Formulierungsvorschlag des Bundesrates zur Fassung des § 1933 S. 3 nicht auf sämtliche Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts, sondern billigte dem Überlebenden einen Unterhaltsanspruch „nach Maßgabe der §§ 1570 bis 1576, §§ 1581 bis 1586b“295 zu. Insbesondere die Aussparung der §§ 1577, 1578, also die Abkopplung des vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs von der Bedürftigkeit des Überlebenden und den ehelichen Lebensverhältnissen, belegt, dass dem Bundesrat bei der Schaffung des § 1933 S. 3 offenbar ein Vermögensteilhabeanspruch im unterhaltsrechtlichen Gewand vorschwebte, der dem Überlebenden wertmäßig denjenigen Nachlassanteil sichern sollte, den „er erhalten würde, wenn der Erblasser ihn auf den Pflichtteil gesetzt hätte“296. Für den Bundesrat bildete also nicht etwa die rechtliche Stellung des geschiedenen, sondern die des verwitweten Ehegatten die für § 1933 S. 3 maßgebliche Bezugsgröße. Der gedankliche Fehler dieser Konzeption ist offensichtlich: Der vorzeitige Erbrechtsausschluss gem. § 1933 S. 1 beruht auf der Erwägung, dass schon der absehbar eheauflösende Ausgang des Scheidungsverfahrens die Legitimation für eine erbrechtliche Beteiligung des Überlebenden am Vermögen des Erblassers 294 295 296

BT-Drucks. 7/650, S. 275. BT-Drucks. 7/650, S. 275. BT-Drucks. 7/650, S. 275.

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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entfallen lässt. Eben wegen der mangelnden Rechtfertigung des Ehegattenerbrechts besteht kein Anlass, den Wegfall dieser Erwerbsaussicht zu kompensieren.297 Dementsprechend wandte sich der zuletzt mit § 1933 S. 3 befasste Rechtsausschuss von der Ursprungskonzeption des Bundesrates ab. Zwar ist auch in seiner Stellungnahme noch missverständlich von einem „Ausgleich für den Verlust des Erbrechts“298 die Rede. Dass es dem Rechtsausschuss in der Sache aber gerade nicht um Kompensation ging, machen seine anschließenden Ausführungen deutlich: Im Fall des § 1933 S. 1 müsse dem Überlebenden „in gleicher Weise wie nach der Scheidung ein Unterhaltsanspruch gewährt werden“, um zu vermeiden, dass der Überlebende schlechter stehe, „als er stehen würde, wenn die Ehe schon zu Lebzeiten des Erblassers durch Scheidung (. . .) aufgelöst worden wäre“299. Die Pflichtteilsersatzfunktion, die der Bundesrat dem vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruch zugedacht hatte und durch bloß partielle Inbezugnahme der Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts umsetzen wollte, wird in der Stellungnahme des Rechtsausschusses dagegen mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr weitete dieser die Verweisung des § 1933 S. 3 auf sämtliche Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts aus. All das belegt, dass der einzige Zweck des schließlich Gesetz gewordenen § 1933 S. 3 darin besteht, die Stellung des Überlebenden im Fall des § 1933 S. 1 in unterhaltsrechtlicher Hinsicht derjenigen eines tatsächlich Geschiedenen anzugleichen. Die von Teilen der Literatur unter Berufung auf das Gesetzgebungsverfahren vertretene Auffassung, der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch diene jedenfalls auch als Erbrechtsersatz300, ist daher unzutreffend und geeignet, im Hinblick auf einzelne mit § 1933 S. 3 zusammenhängende Probleme zu argumentativen Fehlschlüssen zu verleiten.301 Ausgehend von der reinen Gleichstellungsfunktion des § 1933 S. 3 treten Wirkungsweise und Rechtsnatur des vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs dagegen deutlich hervor: Da der Überlebende im Fall des § 1933 S. 1 unterhaltsrechtlich weder besser noch schlechter stehen darf als ein bereits Geschiedener, muss der Unterhaltsanspruch, der mangels Scheidung der Ehegatten tatsächlich nur in der 297 Näher zum Verhältnis zwischen dem Erbrecht des verwitweten und der Vererblichkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs zugunsten des geschiedenen Ehegatten 2. Teil, D. II. 2. 298 BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 299 BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 300 Kahlert, S. 210; Wirtz, S. 128; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 14. 301 Vgl. dazu etwa 2. Teil, D. VII. Zumindest unpräzise ist auch die Umschreibung, § 1933 S. 3 „beruhe auf dem Gedanken, daß der überlebende Ehegatte jedenfalls nicht schlechter gestellt werden darf, als er bei rechtskräftiger Scheidung stünde“, Bock MittRhNotK 1977, 205, 209. Diese Formulierung lässt Raum für eine Besserstellung des vorzeitig vom Erbrecht ausgeschlossenen Ehegatten gegenüber dem Geschiedenen, die zwar formallogisch nicht ausgeschlossen ist, aber ebenso wenig gewollt war und sachlich gerechtfertigt ist wie eine Benachteiligung des vorzeitig Ausgeschlossenen, vgl. Fn. 304.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Person des Erben des Unterhaltsschuldners entstehen kann, doch als vor dem Erbfall in der Person des Unterhaltsschuldners entstanden gedacht und behandelt werden. Denn ein zu Lebzeiten beider Ehegatten entstandener nachehelicher Unterhaltsanspruch eines Geschiedenen hätte im Fall des Todes des Unterhaltsschuldners infolge des Übergangs auf die Erben des Verstorbenen gem. § 1586b Modifikationen erfahren, die aufgrund des Gleichstellungsgedankens auch für den unmittelbar in der Person des Erben entstehenden Anspruch aus § 1933 S. 3 – und nicht etwa erst für den Übergang dieses Anspruchs auf den Erbeserben302 – gelten müssen. Die Unterhaltsberechtigung „nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b“ ist also als Unterhaltsberechtigung nach Maßgabe der §§ 1586b, 1569 ff. zu verstehen. Daraus ergibt sich Folgendes: Erstens ist auch der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch gem. § 1586b I 1 Nachlassverbindlichkeit, und zwar Erblasser-, nicht Erbfallschuld. Zweitens kann der Überlebende auch im Fall des § 1933 S. 3 dem Grunde nach stets den angemessenen Unterhalt verlangen, weil die Beschränkungen des § 1581 gem. § 1586b I 2 wegfallen. Wie der tatsächlich vererbte Unterhaltsanspruch wird drittens auch der durch § 1933 S. 3 eröffnete Anspruch gem. § 1586b I 3, II der Höhe nach durch den güterrechtlich bereinigten, fiktiven Pflichtteil des Überlebenden begrenzt. Obwohl die Entstehung des Anspruchs aus §§ 1933 S. 3, 1586b, 1569 ff. auf einer im Erbrecht platzierten Vorschrift beruht, stellt der Anspruch schließlich kein Erbrechtssurrogat, sondern eine familienrechtliche Unterhaltsforderung dar, die gem. § 23b I 2 Nr. 6 GVG vor den Familiengerichten geltend zu machen ist und in der Zwangsvollstreckung den privilegierenden §§ 850b I Nr. 2, 850d ZPO unterfällt. Ein Unterschied zwischen der unmittelbaren und der durch § 1933 S. 3 angeordneten Anwendung der §§ 1586b, 1569 ff. besteht daher nur insofern, als der Zeitpunkt des Erbfalls im zweiten Fall an die Stelle des Scheidungszeitpunkts tritt, sofern die § 1569 ff. an diesen Zeitpunkt anknüpfen.303 Auch letzteres ergäbe sich freilich, ebenso wie alle anderen dargestellten Rechtsfolgen, ohne weiteres von selbst, wenn sich der Gesetzgeber im Hinblick auf § 1933 S. 1 für die klarere Scheidungsfiktionslösung entschieden hätte.304 302 Auch für ihn gilt § 1586b, vgl. BGH FamRZ 1985, 164, 165 zur Vorgängervorschrift des § 70 EheG. 303 Kahlert, S. 216 f. 304 Zu echten Fehlergebnissen führt die vom Gesetzgeber gewählte beschränkte Rechtsfolgenlösung in den Aufhebungskonstellationen des § 1933 S. 2: Da die Eheauflösung, deren Fehlen § 1933 S. 3 im Hinblick auf den nachehelichen Unterhalt überwinden soll, im Fall der Aufhebung der Ehe zwar notwendige, gem. § 1318 II nicht aber auch hinreichende Bedingung für den nachehelichen Unterhaltsanspruch ist, wird der nach § 1933 S. 2 vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossene Überlebende nach dem Wortlaut des Satzes 3 durch die vorbehaltlose Anwendbarkeit der § 1569 ff. grundlos besser gestellt, als er im Fall der rechtskräftigen Aufhebung stünde. Zu Recht ablehnend Dieckmann FS Schwab, 473, 489 f., mit Korrekturvorschlägen zu § 1933 S. 3, auch im Hinblick auf § 1318 V.

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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2. Auswirkungen eines Pflichtteilsverzichts Ebenso wie bei unmittelbarer Anwendung des § 1586b ist auch in der Konstellation der §§ 1933 S. 3, 1586b streitig, ob der nacheheliche Unterhaltsanspruch gegen den Erben des Unterhaltsschuldners aufgrund der betragsmäßigen Beschränkung seiner Haftung auf den fiktiven Pflichtteil gem. § 1586b I 3 entfällt, wenn der Überlebende auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.305 Die herrschende Meinung bejaht den Wegfall des Unterhaltsanspruchs unter Berufung auf den Wortlaut des § 1586b I 3.306 Da die erbrechtliche Teilhabeerwartung des überlebenden Ehegatten aufgrund des Pflichtteilsverzichts bei Fortbestand der Ehe auf Null gesunken wäre, entfalle auch der nacheheliche Unterhaltsanspruch, der sich an dieser Marke orientiere.307 Die Gegenansicht fasst § 1586b I 3 demgegenüber als abstrakte Bemessungsgrenze auf.308 Da der Unterhaltsanspruch nicht als Ersatz für das infolge der Scheidung bzw. des § 1933 S. 1 eingebüßte Erbrecht verstanden werden könne, könne der Wegfall der erbrechtlichen Teilhabeerwartung aufgrund des Pflichtteilsverzichts den Unterhaltsanspruch auch nicht ausschließen.309 Die Mindermeinung überzeugt nur hinsichtlich ihrer Prämisse: Das Erbrecht des verwitweten Ehegatten hat zum einen Versorgungs-, zum anderen eine darüber hinausreichende Vermögensteilhabefunktion. Da mit der Scheidung die Legitimation für die zweite Komponente wegfällt, kann der Übergang des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf die Erben des Unterhaltsschuldners, wie bereits erörtert, in der Tat nicht als Erbrechtsersatz aufgefasst werden.310 Unzutreffend ist aber die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs zugunsten des geschiedenen Ehegatten sei mit dem Erbrecht des verwitweten Ehegatten überhaupt nicht verknüpft.311 Denn letzteres

305 Sei es in Form eines das Pflichtteilsrecht einschließenden Erbverzichts gem. § 2346 I 2, 2. Hs., sei es in Form eines isolierten Pflichtteilsverzichts gem. § 2346 II. 306 Dieckmann NJW 1980, 2777, 2778; ders. FamRZ 1992, 633, 634; ders. FamRZ 1999, 1029; Lange/Kuchinke, ErbR, § 7, Fn. 65 (S. 177); Palandt/Brudermüller § 1586b Rn. 8; RGRK/Cuny § 1586b Rn. 8; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 16; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 9; Soergel/Stein § 1933 Rn. 13; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 14. 307 So insbesondere Dieckmann FamRZ 1999, 1029, 1030; Roessink, S. 92. 308 Grziwotz FamRZ 1991, 1258; Frenz MittRhNotK 1995, 227, 228; Reimann FS Schippel, 301, 307; Pentz FamRZ 1998, 1344, 1346; Vyas, S. 55; Rauscher, FamR, Rn. 641; Göppinger/Wax/Bäumel, UnterhaltsR, Rn. 1061, Fn. 403; Groll/Muscheler, Erbrechtsberatung, B XV, Rn. 51; Staudinger/Schotten § 2346 Rn. 66. 309 Grziwotz FamRZ 1991, 1258, 1259; Reul MittRhNotK 1997, 373, 376; Pentz FamRZ 1998, 1344, 1345; Klingelhöffer ZEV 1999, 13. Zu erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Anbetracht des Meinungsstreits Frenz ZEV 1997, 450. 310 Reul MittRhNotK 1997, 373, 376; Staudinger/Schotten § 2346 Rn. 66. 311 So aber Grziwotz FamRZ 1991, 1258; Pentz FamRZ 1998, 1344 f.; Staudinger/ Schotten § 2346 Rn. 66.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

hat eben zumindest auch die Aufgabe, die mit dem Wegfall des Anspruchs auf Familienunterhalt gem. §§ 1360 a III, 1615 I entstehende Versorgungslücke zu schließen.312 Hinsichtlich der Versorgungskomponente sind das Ehegattenerbrecht bei intakter Ehe und die Vererblichkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs bei geschiedener Ehe also funktionsidentisch.313 Beide sind Ausdruck der auch den Tod des Erblassers/Unterhaltsschuldners überdauernden Pflicht zu nachehelicher Solidarität.314 Während diese Beistandspflicht im Fall der intakten Ehe die Regel bildet, kommt der Pflicht zu nachehelicher Solidarität gem. § 1569 und damit erst recht ihrer Vererblichkeit aber lediglich Ausnahmecharakter zu.315 Um dieses Verhältnis zu wahren, deckelt das Gesetz die Haftung des Erben für den Unterhaltsanspruch: Der überlebende Geschiedene darf durch das Gesetz nicht besser gestellt werden als er im ungünstigsten Fall bei Fortbestand der Ehe bis zum Tod des Erblassers stünde. Dann wäre ihm regelmäßig der Pflichtteil verblieben, so dass § 1586b I 3 zur Bemessung der Haftungshöchstgrenze folgerichtig an dessen Höhe anknüpft.316 312 Bock MittRhNotK 1977, 205, 209; Schnur, S. 5 f.; Endemann, Bd. 3, ErbR 1, § 25 b) I (S. 172); MünchKomm/Leipold § 1931 Rn. 1; Staudinger/Werner § 1931 Rn. 2, 53. A. A. Pentz FamRZ 1998, 1344, 1345. 313 Vgl. Prot. Bd. IV, S. 526: „Allein der dem überlebenden (verwitweten, Einfügung des Verfassers) Ehegatten aus dem Nachlasse des Verstorbenen zukommende Betrag bilde, wenn auch nicht juristisch, so doch wirthschaftlich das Aequivalent für den verlorenen Unterhalt und sei wesentlich dazu bestimmt, als Quelle für den ferneren Unterhalt zu dienen. Deshalb und im Interesse einer größeren Sicherheit des geschiedenen unschuldigen Ehegatten müsse die Vererblichkeit anerkannt werden.“ 314 Auch für den nachehelichen Unterhalt wohl noch h. M., vgl. Göppinger/Wax/ Bäumel, UnterhaltsR, Rn. 935; Schwab/Borth, ScheidungsR, IV, Rn. 144 und zum Tatbestand des § 1570 BGH FamRZ 1998, 426, 427. Kritisch zu diesem Ansatz Muscheler, FamR, Rn. 411 f.; Rauscher, FamR, Rn. 557. 315 Anders war die Rechtslage unter der Geltung des Verschuldensprinzips. Da es hier allein in der Hand des unschuldigen Ehegatten lag, ob die Ehe geschieden wurde oder nicht, hatte dieser eine durch den schuldigen Ehegatten nicht ausschließbare erbrechtliche Teilhabeerwartung in Form des Pflichtteils. Insofern konnte die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs als Kompensation für die infolge der Scheidung entfallene, ohne diese aber sichere erbrechtliche (Vermögens-, nicht bloß Versorgungs-) Teilhabe verstanden werden, was auch das einseitige Bestehenbleiben des gesetzlichen Erbrechts des unschuldigen Teils im Falle des Todes des Erblassers während des Scheidungsverfahrens nach § 1933 a. F. rechtfertigte, vgl. 2. Teil, A. I. Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip wurde dieser Sichtweise die Grundlage entzogen, weil es angesichts der verschuldensunabhängigen Scheidbarkeit der Ehe keine sichere erbrechtliche Teilhabeerwartung des Ehegatten mehr gibt. Ähnlich, aber mit einer Kritik zu § 1586b, die sich letztlich nicht gegen die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs, sondern gegen das Institut des nachehelichen Unterhalts als solches richtet, Roessink FamRZ 1990, 924, 925. 316 BT-Drucks. 7/650, S. 153; Diederichsen NJW 1977, 353, 360 f. Die Tatsache, dass bei der Berechnung des Unterhalts güterrechtliche Besonderheiten gem. § 1586b II außer Betracht bleiben, ist für das vorliegende Problem ohne Belang, a. A. Grziwotz FamRZ 1991, 1258, 1259; Pentz FamRZ 1998, 1344. § 1586b II trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass der Güterstand durch die Eheauflösung beendet wird. Daraus folgt im Fall der unmittelbaren Anwendung des § 1586b, dass eine Auseinanderset-

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Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis würde auf den Kopf gestellt, wollte man der Bemessung des Unterhaltsanspruchs zugunsten des Geschiedenen lediglich den abstrakten Pflichtteil zugrunde legen. Denn im Fall des Fortbestandes der Ehe wäre der überlebende Ehegatte aufgrund des Pflichtteilsverzichts nicht in den Genuss einer erbrechtlichen Versorgungssicherung gekommen. Vor Art. 6 I GG kann eine solche Auslegung des § 1586b I 3 nicht bestehen, weil sie die Scheidung mit dem unterhaltsrechtlichen Gegenstandsloswerden des Pflichtteilsverzichts „prämiert“317. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die umgekehrte Argumentation, dem bereits aufgrund der Scheidung obsoleten Pflichtteilsverzicht dürfe in Form der „Fernwirkung“ auf den Unterhaltsanspruch nicht nachträglich wieder Bedeutung zukommen.318 Denn nicht der Pflichtteilsverzicht wird durch die Scheidung, sondern die Scheidung wird durch den Pflichtteilsverzicht – in erbrechtlicher Hinsicht – bedeutungslos.319 Auch der Umstand, dass die Vererbung des Unterhaltsanspruchs nichts an seiner Rechtsnatur ändert320, zwingt nicht dazu, den im Erbrecht wurzelnden Pflichtteilsverzicht im Rahmen des § 1586b I 3 unberücksichtigt zu lassen.321 Die Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs spielt für das vorliegende Problem keine Rolle, weil der Anspruch infolge des Verzichts nicht etwa dem Grunde nach ausgeschlossen,

zung zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits stattgefunden hat, so dass die Höhe des fiktiven Pflichtteilsanspruchs um den güterrechtlich begründeten Teil des Erb- und Pflichtteilsrechts zu bereinigen ist, BT-Drucks. 7/650, S. 154; Probst AcP 191 (1991), 138, 139; Roessink, S. 115. Der Einwand von MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 16, es sei nicht einsehbar, warum die §§ 1933 S. 3, 1586b II im Fall der Gütertrennung § 1931 IV unberücksichtigt ließen, obwohl der Überlebende anders als im gesetzlichen Güterstand auch keinen (rechnerischen) Zugewinn verlangen könne, erweist sich daher als unbegründet. Denn auch im Fall der Scheidung hätte der Ehegatte im Güterstand der Zugewinngemeinschaft Zugewinnausgleich verlangen können, während der in Gütertrennung lebende Ehegatte leer ausgegangen wäre. Zuzugeben ist allerdings, dass der in Gütertrennung lebende Ehegatte aufgrund des Ausschlusses des § 1931 IV durch § 1586b II bei der Vererbung des Unterhaltsanspruch nicht so steht, wie er im für ihn ungünstigsten Fall des Fortbestandes der Ehe stünde, sondern schlechter. Das vermag die im Text aufgestellte Regel aber nicht zu erschüttern. Denn diese Inkonsistenz beruht allein auf der Systemwidrigkeit des § 1931 IV, der den überlebenden Ehegatten erbrechtlich besser stellt, als der Güterstand der Gütertrennung rechtfertigt, vgl. Rauscher FamRZ 1997, 1121, 1123. 317 Dieckmann FamRZ 1999, 1029, 1031. 318 So aber Reimann FS Schippel, 301, 307; Pentz FamRZ 1998, 1344, 1345. 319 Zutreffend Dieckmann FamRZ 1999, 1029 f.; Palandt/Brudermüller § 1586b Rn. 8. 320 Folgerichtig BGH FamRZ 2004, 1546, 1547 m. abl. Anm. Bergschneider: Titelumschreibende Klausel gem. § 727 ZPO auf den Erben als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Unterhaltsschuldners ist möglich. 321 So aber Grziwotz FamRZ 1991, 1258; Frenz MittRhNotK 1995, 227, 228; Reul MittRhNotK 1997, 373, 376; Klingelhöffer ZEV 1999, 13; Rauscher, FamR, Rn. 641; Groll/Muscheler, Erbrechtsberatung, B XV, Rn. 51; Staudinger/Schotten § 2346 Rn. 66.

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sondern nur der Höhe nach – freilich auf Null – begrenzt ist. Seine familienrechtliche Rechtsnatur wird dadurch nicht in Frage gestellt.322 Schließlich können die Vertreter der Mindermeinung ihre Auffassung auch nicht auf die Interessenlage der Parteien stützen: Die Gefahr, dass die Ehegatten bei Abschluss des Verzichtsvertrages dessen Auswirkungen auf das Unterhaltsrecht verkennen323, dürfte sich angesichts der erforderlichen notariellen Beurkundung des Verzichts gem. § 2348 in Grenzen halten, zumal sich bei einem Pflichtteilsverzicht, der den Ehegatten schon während des Getrenntlebens vor einer in Aussicht genommenen Scheidung volle Testierfreiheit verschaffen soll, die Klärung unterhaltsrechtlicher Fragen aufdrängt. Diese Erwägung trifft zwar nicht auf die Fälle zu, in denen der Verzicht noch während intakter Ehe vereinbart wurde.324 Dann bestand zwischen den Ehegatten aber Einigkeit darüber, dass eine versorgungssichernde, erbrechtliche Teilhabe des Überlebenden am Vermögen des Erblassers ausscheiden sollte, und das, obwohl ihre Ehe noch nicht zerrüttet war. In Anbetracht dieser Ausgangslage ist nicht erkennbar, warum der Ausschluss der Vererblichkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach der Scheidung den Interessen dieser Ehegatten zuwider laufen soll.325 Der herrschenden Auffassung ist daher darin zuzustimmen, dass ein Pflichtteilsverzicht des Überlebenden im Rahmen des § 1586b I 3 berücksichtigt werden muss. 3. Auswirkungen einer wirksam bleibenden letztwilligen Verfügung zugunsten des Überlebenden Hat der Erblasser den Überlebenden durch eine letztwillige Verfügung bedacht, die trotz des absehbar eheauflösenden Ausgangs des Scheidungsverfahrens gem. § 2077 I 2, III wirksam bleibt, stellt sich die Frage, ob und wie sich das Wirksambleiben der Verfügung auf den vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruch des Überlebenden auswirkt. Die herrschende Meinung sieht die Dinge so326: Seiner systematischen Stellung nach gelte § 1933 S. 3 nur im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge. Die Vorschrift greife daher „an sich“327 nicht ein, wenn der Überlebende in den Genuss einer gewillkürten Zuwendung komme. Von diesem Grundsatz sei aber eine Ausnahme zu machen, wenn der Wert der Zuwendung hinter dem Wert des fiktiven Pflichtteils gem. § 1586b I 3 322 Frenz ZEV 2001, 115, Anm. zu BGH ZEV 2001, 113; Schindler FamRZ 2004, 1527, 1532; Kahlert, S. 182. 323 Pentz FamRZ 1998, 1344 f. 324 Insofern richtig Pentz FamRZ 1998, 1344. 325 So Groll/Muscheler, Erbrechtsberatung, B XV, Rn. 51. 326 Battes FamRZ 1977, 433, 436; Bock MittRhNotK 1977, 205, 209 f.; HerzogGrün, S. 106 f.; Wirtz, S. 181; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 16. 327 MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 16.

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zurückbleibe: Da der Überlebende aufgrund der Zuwendung nicht schlechter stehen dürfe als ein gänzlich vom Nachlass Ausgeschlossener, müsse ihm in Analogie zu den §§ 2305 bis 2307 das Wahlrecht eingeräumt werden, die Zuwendung unter Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch zu behalten oder die Zuwendung auszuschlagen und stattdessen den vollen nachehelichen Unterhalt bis zur Grenze des § 1586b I 3 zu verlangen.328 Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie geht in der Begründung und jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle auch im Ergebnis fehl. a) Anwendbarkeit des § 1933 S. 1, S. 3 Ersichtlich falsch ist zunächst die von der herrschenden Meinung aufgestellte Prämisse, § 1933 S. 1 gelte im Grundsatz nur bei Eingreifen der gesetzlichen Erbfolge. Schlösse eine wirksam bleibende Verfügung zugunsten des Überlebenden die Anwendbarkeit der Vorschrift tatsächlich aus, müsste mangels gesetzlich angeordneten Wegfalls des gesetzlichen Erbrechts auch das Pflichtteilsrecht des Überlebenden erhalten bleiben. Diese absurde Schlussfolgerung wollen auch die Anhänger der herrschenden Meinung nicht ziehen, die – von ihrem Standpunkt aus inkonsequent – ja selbst lediglich eine analoge Anwendung der §§ 2305 ff. erwägen. Das systematische Argument der herrschenden Meinung geht fehl, weil § 1933 S. 1 selbst systematisch deplaziert ist: Da die Vorschrift in der Sache keine erbrechtliche, sondern eine scheidungsrechtliche Regelung trifft, nimmt sie nicht an der Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge gegenüber dem gewillkürten Erbrecht teil. Das Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Überlebenden ändert daher am kraft Gesetzes eintretenden Ausschluss seines gesetzlichen Erbrechts gem. § 1933 S. 1 nichts. Folglich ist auch die an § 1933 S. 1 anknüpfende Regelung des § 1933 S. 3 ohne Rücksicht auf die wirksam bleibende Verfügung anwendbar. b) Anrechnung der letztwilligen Zuwendung im Rahmen des § 1586b I 3? Der Umstand, dass § 1933 S. 3 unabhängig vom Vorhandensein einer wirksamen letztwilligen Verfügung zugunsten des Überlebenden eingreift, lässt die von der herrschenden Meinung zum Schutz des Überlebenden befürwortete Analogie zu den §§ 2305 ff. in einem neuen Licht erscheinen: Da der Überlebende den vorzeitigen nachehelichen Unterhalt unter den Voraussetzungen der §§ 1569 ff. dem Grunde nach jedenfalls verlangen kann, würde sich die Anwendung der §§ 2305 ff. im Rahmen des § 1586b I 3 zu Lasten des Überlebenden auswirken, weil sein fiktiver Pflichtteil und damit die Haftungshöchstgrenze 328

Bock MittRhNotK 1977, 205, 210.

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für den Unterhaltsanspruch bei Annahme der Zuwendung um deren Wert herabzusenken wären. Ohne die §§ 2305 ff. käme dem Überlebenden die letztwillige Zuwendung dagegen neben dem – durch den ordentlichen Pflichtteil begrenzten – Unterhaltsanspruch zugute. Für eine Anrechnung des Werts der letztwilligen Zuwendung auf die Haftungshöchstgrenze für den Unterhaltsanspruch besteht entgegen der herrschenden Meinung kein Anlass.329 Richtig ist zwar, dass sich die Höhe des vererbten nachehelichen Unterhaltsanspruchs gem. § 1586b I 3 an der Höhe des Pflichtteilsanspruchs orientiert, der dem Überlebenden ohne Scheidung zugestanden hätte, und dass bei der Ermittlung dieses Anspruchs letztwillige Zuwendungen gem. §§ 2305 ff. zu berücksichtigen gewesen wären.330 Trotzdem ginge es fehl, diese Vorschriften bei der Ermittlung der Haftungshöchstgrenze für den Unterhaltsanspruch gem. § 1586b I 3 einzubeziehen: Die § 2305 ff. kommen zum Zuge, wenn und weil der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten durch letztwillige Verfügung wertmäßig weniger zuwendet, als diesem nach seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigtem gebührt.331 Im Normalfall der §§ 2305 ff. ist die Verfügung also auf Benachteiligung des Bedachten gerichtet. Ganz anders stellt sich die psychologische Situation des Erblassers in der Mehrzahl der Fälle dar, in denen eine letztwillige Verfügung zugunsten des Überlebenden trotz Scheidung bzw. absehbar ehebeendigenden Ausgangs des Scheidungsverfahrens gem. § 2077 I 1, III bzw. § 2077 I 2, III wirksam bleibt, nämlich dann, wenn die Verfügung gerade angesichts der bevorstehenden Scheidung getroffen wurde. In diesen Fällen soll die – wenn auch geringwertige – Verfügung dem geschiedenen Überlebenden als Nicht-mehr-Pflichtteilsberechtigtem zugute kommen, gemessen an dieser Rechtsstellung also begünstigend wirken.332 Für rechtsgeschäftliche Begünstigungen greift die Begrenzungsfunktion des § 1586b I 3 aber nicht ein. Anders als dem Gesetzgeber muss es dem Erblasser unbenommen bleiben, seinen geschiedenen Ehegatten besser zu stellen, als dieser im ungünstigsten Fall bei Fortbestand der Ehe stünde333, und zwar in dem Umfang, 329

Kahlert, S. 219 u. 151 ff. Battes FamRZ 1977, 433, 436; Dieckmann FamRZ 1977, 161, 171. 331 Allg. Auffassung, vgl. nur Soergel/Dieckmann § 2305 Rn. 1. 332 Das gilt auch und erst recht für die – § 2077 nicht unterfallenden – Konstellationen, in denen die begünstigende Verfügung erst nach der Scheidung errichtet wurde. Auch hier müsste bei strikter Orientierung an der fiktiven Rechtsstellung des verwitweten Überlebenden die Zuwendung auf die Haftungshöchstgrenze für den Unterhaltsanspruch angerechnet werden. 333 BT-Drucks. 7/650, S. 153. Freilich kann sich durch Auslegung der Verfügung im Ausnahmefall ergeben, dass der Erblasser die letztwillige Zuwendung gar nicht neben dem nachehelichen Unterhaltsanspruch gewähren, sondern lediglich einen Teil des Unterhaltsanspruchs durch den Wert der Zuwendung substituieren wollte. Eine solche Verfügung lässt aber die Annahme einer aufschiebenden Bedingung zu, der zufolge der Überlebende nur dann in den Genuss der letztwilligen Zuwendung kommt, wenn er in Höhe ihres Wertes gem. § 1585c auf nachehelichen Unterhalt gegen die 330

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der dem Erblasser vorschwebt. Durch die zwingende Anrechnung der Zuwendung auf die fixe Grenze des § 1586b I 3 würde dem Erblasser diese Möglichkeit versperrt.334 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten: Das Vorhandensein einer wirksam bleibenden letztwilligen Verfügung zugunsten des Überlebenden spielt weder für die Anwendbarkeit des § 1933 S. 3 noch für die Haftungshöchstgrenze des vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs eine Rolle. Die §§ 2305 ff. sind im Rahmen des § 1586b I 3 nicht anzuwenden.

III. Güterrechtliche Folgen 1. Zugewinngemeinschaft: § 1371 II, 1. Hs. als Anspruchsgrundlage für den güterrechtlichen Ausgleichsanspruch Auch bei der Abwicklung der Zugewinngemeinschaft führt die vom Gesetzgeber gewählte beschränkte Rechtsfolgenlösung zu Unbilligkeiten. Da die Ehe trotz begründeten Scheidungsbegehrens zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht als vor dem Erbfall aufgelöst gilt, folgt der – nach dem Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts des Überlebenden allein in Betracht kommende – güterrechtliche Zugewinnausgleich in den Fällen des § 1933 S. 1 nach allgemeiner Auffassung nicht den Regeln der §§ 1372 ff., sondern richtet sich nach § 1371 II, 1. Hs.335 Aus der Zuordnung zu dieser Anspruchsgrundlage ergeben sich zweifelhafte Konsequenzen, die die herrschende Meinung zum Teil korrigiert, zum Teil hinnimmt und zum Teil überhaupt nicht erörtert.

Erben verzichtet, ebenso wohl Kahlert, S. 153. Zur befriedigenden Lösung dieser Fallkonstellationen ist die Anwendung der §§ 2305 ff. also nicht erforderlich. Sie ist aber schädlich, wenn der Erblasser tatsächlich begünstigen wollte, weil er über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch gem. §§ 1933 S. 3, 1586b, § 1569 ff. nicht disponieren und damit auch die Anwendung der §§ 2305 ff. im Rahmen des § 1586b I 3 nicht nach Belieben ausschließen kann. 334 Kahlert, S. 152. Zwar besteht zwischen letztwilliger Verfügung und nachehelichem Unterhaltsanspruch insofern eine vom Erblasser unbeeinflussbare Wechselwirkung, als die Verfügung zugunsten des Überlebenden dessen Bedürftigtkeit mindern kann. Bedürftigkeit kann sich aber im Laufe der Zeit wieder einstellen. Die Anrechnung der Zuwendung auf die Haftungshöchstgrenze würde den Unterhaltsanspruch in Höhe des Werts der Zuwendung dagegen auf Dauer ausschließen. 335 BGHZ 46, 343, 350; BGH JR 1987, 327, 328 m. Anm. Gernhuber; Vyas, S. 52; Wirtz, S. 128; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 7; Erman/Schlüter § 1933 Rn. 5; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 20; Soergel/Stein § 1933 Rn. 11; Staudinger/Werner § 1933 Rn. 11. Vgl. auch die Ausführungen des Abgeordneten Seidl, Berichterstatter des Rechtsausschusses zum Gleichberechtigungsgesetz, BT-Drucks. 2/3409, S. 18. A. A. noch Bosch FamRZ 1958, 289, 297, der kurze Zeit nach Einführung des Instituts der Zugewinngemeinschaft ohne nähere Begründung davon ausging, dass „in den Fällen des § 1933 BGB (. . .) der Anspruch aus §§ 1372 ff. n. F. erhalten“ bleibe, und damit intuitiv die sachlich richtige, vom Gesetz aber nicht vorgesehene Zuordnung der Fälle des § 1933 vornahm.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

a) Berechnungszeitpunkt für das Endvermögen Anders als bei der pauschalen erbrechtlichen Lösung zur Abwicklung der Zugewinngemeinschaft nach § 1371 I kommt ein güterrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. §§ 1371 II, 1. Hs., 1378 I nur in Betracht, wenn der Zugewinn des Verstorbenen denjenigen des Überlebenden tatsächlich übersteigt. Im Rahmen der damit erforderlichen Feststellung des jeweiligen Zugewinns der Ehegatten stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Wertermittlung des Endvermögens abzustellen ist. Gemäß den §§ 1375 I 1, 1376 II, die kraft Verweisung des § 1371 II, 1. Hs. auch für den güterrechtlichen Zugewinnausgleich im Todesfall gelten, kommt es auf den Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes an. Da der Güterstand im Fall des § 1933 S. 1 mangels rechtskräftiger Scheidung bzw. Scheidungsfiktion durch den Tod des Erblasser beendet wird, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes der Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich. Bei diesem Ergebnis wollen es Teile der älteren Rechtsprechung und der Literatur bewenden lassen.336 Die herrschende Meinung befürwortet dagegen eine analoge Anwendung des § 1384337, der im Fall der Beendigung des Güterstandes durch Scheidung den Berechnungszeitpunkt für das Endvermögen auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorverlegt. Die herrschende Meinung verdient Zustimmung. Nach der in § 1384 zum Ausdruck kommenden Auffassung des Gesetzgebers sind im Fall der Güterstandsbeendigung durch Scheidung vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags an planmäßige Vermögensminderungen durch die Ehegatten zum Ausschluss bzw. zur Erhöhung des Ausgleichsanspruchs zu besorgen, denen § 1384 entgegenwirken soll. Da die Gefahr solcher Manipulationen nicht rückwirkend dadurch hinfällig wird, dass der Tod eines Ehegatten die Güterstandsbeendigung durch Scheidung „überholt“338, besteht für die Anwendung des § 1384, gemessen am Zweck der Vorschrift, auch in den Fällen der §§ 1933, 1371 II, 1. Hs. ein Bedürfnis.339 Der dagegen erhobene Einwand, Vermögensminderungen in Benachteiligungsabsicht könne bereits mit dem unmit-

336 OLG Celle FamRZ 1984, 55, 56 f.; OLG Köln FamRZ 1985, 933, 934 f.; Dölle, FamR, Bd. 1, § 61 XI 2 a) (S. 834); Schwab/Schwab, ScheidungsR, VII, Rn. 151; Krüger/Breetzke/Nowack/Breetzke, GleichberechtigungsG, § 1371 Rn. 6; RGRK/ Scheffler § 1384 Anm. 11 f. 337 BGH JR 1987, 327, 328 ff. m. zust. Anm. Gernhuber; BGH FamRZ 2004, 527, 528 m. zust. Anm. Koch; Heckelmann FamRZ 1968, 59, 67; Vyas, S. 53; Gernhuber/ Coester-Waltjen, FamR, § 37 Rn. 29; Zöller/Philippi, ZPO, § 619 Rn. 14; Palandt/Brudermüller § 1371 Rn. 12; Soergel/Lange § 1371 Rn. 23; Staudinger/Thiele § 1371 Rn. 67; Palandt/Edenhofer § 1933 Rn. 9; Soergel/Stein § 1933, Fn. 31; Staudinger/ Werner § 1933 Rn. 11. 338 Gernhuber JR 1987, 330, Anm. zu BGH JR 1987, 327. 339 BGH JR 1987, 327, 328 f. m. Anm. Gernhuber; BGH FamRZ 2004, 527, 528 m. zust. Anm. Koch; Heckelmann FamRZ 1968, 59, 67.

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telbar anwendbaren § 1375 II Nr. 3 begegnet werden340, geht fehl: Die Vorverlagerung des Berechnungszeitpunktes für das Endvermögen gem. § 1384 bedeutet standardisiertes Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber dem Verhalten der Ehegatten angesichts der mit der Stellung des Scheidungsantrags eintretenden Krisensituation. Da diese Situation auch in den Fällen des § 1933 vorliegt, ist kein Grund dafür ersichtlich, den Überlebenden in diesen Konstellationen auf die strengeren Anforderungen des § 1375 II Nr. 3 zu verweisen, der den Nachweis konkreter Benachteiligungsabsicht des Erblassers voraussetzt und daher kein gleichwertiges Äquivalent zur Anwendung des § 1384 bildet.341 Die Argumentation der Mindermeinung wendet sich dementsprechend in der Hauptsache auch nicht gegen das Vorliegen, sondern gegen die Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke342: Da der Gesetzgeber den Fall des § 1933 S. 1 gerade als Anwendungsbeispiel für den Zugewinnausgleich im Todesfall angeführt und nicht den §§ 1372 ff. unterstellt habe, sei wenig wahrscheinlich, dass § 1384 bei der Formulierung des § 1371 II, 1. Hs. übersehen worden sei. Näher liege die Vermutung, dass die Vorschrift bewusst und unter Inkaufnahme von Einbußen an Einzelfallgerechtigkeit ausgeschlossen werden sollte, um „Streitigkeiten und Beweisschwierigkeiten bei den Berechnungen“ zu vermeiden.343 Der Mindermeinung ist zuzugestehen, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 1371 II, 1. Hs. bewusst auf eine Verweisung auf § 1384 verzichtet hat. Sicher nicht zutreffend ist aber die Annahme, der Gesetzgeber habe die sachlich als richtig erkannte Vorverlagerung des Bewertungszeitpunktes nach § 1384 preisgegeben, um dafür ein Mehr an Rechtssicherheit zu erkaufen: Zum einen würde die Nichtanwendung der pauschalierenden Regel des § 1384 im Ergebnis lediglich zu einer Verlagerung der problematischen Fälle auf die erheblich streitträchtigere Vorschrift des § 1375 II Nr. 3 führen.344 Zum anderen finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 1384 bzw. zu § 1371 II, 1. Hs. keinerlei Anhaltspunkte für eine Abwägung zwischen den Maximen Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber bezeichnete § 1384 im Fall des Todes eines Ehegatten vielmehr ausdrücklich als gegenstandslos, ging also irrig davon aus, dass mit dem Unmöglichwerden der Scheidung auch der Regelungsbedarf für die Vorverlagerung des Berechnungszeitpunktes entfalle.345 Die bewusste Aussparung des § 1384 aus der Verweisungskette des § 1371 II, 1. Hs. ist damit Ausdruck der gesetzgeberischen Fehlvorstellung, die von letzte340

OLG Celle FamRZ 1984, 55, 57. BGH JR 1987, 327, 329 m. Anm. Gernhuber. 342 OLG Celle FamRZ 1984, 55 f. Sachlich ebenso, aber nicht scharf zwischen den Analogievoraussetzungen differenzierend OLG Köln FamRZ 1985, 933, 934 f. 343 OLG Köln FamRZ 1985, 933, 935. 344 So auch Anhänger der Mindermeinung, vgl. OLG Celle FamRZ 1984, 55, 57. 345 So ausdrücklich BT-Drucks. 2/3409, S. 18 zum parallelen Problem beim vorzeitigen Zugewinnausgleich gem. §§ 1385 ff. 341

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rer Vorschrift erfassten Sachverhaltskonstellationen erschöpfend geregelt zu haben. Die irrige Annahme vollständiger Regelung bedeutet aber deren planwidrige Unvollständigkeit, so dass aus dem Wortlaut des § 1371 II, 1. Hs. kein Umkehrschluss gegen die gebotene analoge Anwendung des § 1384 gezogen werden kann. Hinzuweisen bleibt auf den Umstand, dass die analoge Anwendung des § 1384 im Rahmen des § 1371 II, 1. Hs. lediglich an die Voraussetzungen, nicht aber an die Rechtsfolgen des § 1933 S. 1 anknüpft. Denn die zutreffende Argumentation der herrschenden Meinung beansprucht auch dann Geltung, wenn es im Hinblick auf die Eingangsvoraussetzung des § 1371 II, 1. Hs. gar nicht auf den vorzeitigen Erbrechtswegfall ankommt, weil der überlebende Ehegatte jedenfalls aus anderen Gründen, etwa aufgrund einer enterbenden Verfügung des Erblassers, nicht Erbe und Vermächtnisnehmer wird.346 Hier zeigt sich erneut, dass nicht der vorzeitige Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts, sondern die ihm zugrunde liegende Annahme des absehbar ehebeendigenden Ausgangs des Scheidungsverfahrens den sachlichen Kern des § 1933 S. 1 ausmacht. b) Kein Ausgleichsanspruch zu Lasten des Überlebenden Hat der überlebende Ehegatte während der Ehe den höheren Zugewinn erwirtschaftet, scheidet ein Ausgleichsanspruch der Erben des Erstverstorbenen gegen den Überlebenden nach dem Wortlaut des Gesetzes aus, weil § 1371 II, 1. Hs. einen Anspruch auf güterrechtlichen Zugewinnausgleich im Todesfall lediglich zugunsten, nicht aber zu Lasten des überlebenden Ehegatten vorsieht.347 Schon im Normalfall des § 1371 II, 1. Hs., also der Auflösung einer intakten Ehe durch den Tod des Erblassers, ist diese Privilegierung des überlebenden Ehegatten keineswegs selbstverständlich.348 Sie beruht im Wesentlichen auf der güterrechtsfremden Erwägung, den zukünftigen Unterhalt des überlebenden Ehegatten nicht durch Ausgleichsansprüche der Erben des Erstverstorbenen zu 346 BGH FamRZ 2004, 527, 528 m. zust. Anm. Koch. Anders aus prozessökonomischen Gründen OLG Celle FamRZ 1984, 55, 57: Die für die Analogiebildung erforderliche Prognose über den Ausgang des Scheidungsverfahrens stelle einen prozessual unverhältnismäßigen Aufwand dar, wenn sie nicht für § 1933, sondern lediglich für die Ermittlung des Stichtags für die Bewertung des Endvermögens relevant werde. Ähnlich Schwab/Schwab, ScheidungsR, VII, Rn. 151. Dagegen zu Recht BGH JR 1987, 327, 330 m. zust. Anm. Gernhuber, jeweils mit Hinweis darauf, dass die Schwierigkeiten, den hypothetischen Ausgang des Scheidungsverfahrens festzustellen, mit der Neuregelung des Scheidungsrechts durch das 1. EheRG erheblich abgenommen haben. 347 Zum Normalfall des § 1371 II vgl. BGH NJW 1978, 1855 f.; BGH FamRZ 1982, 249, 250; Erman/Heckelmann § 1378 Rn. 7; Soergel/Lange § 1371 Rn. 9; Staudinger/Thiele Vorbem. zu § 1371 Rn. 14 u. § 1378 Rn. 13. Zur Konstellation des § 1933 S. 1 i.V. m. § 1371 II vgl. BGH ZEV 1995, 262 f. m. Anm. Klumpp. 348 Kritisch auch Rauscher, FamR, Rn. 403: „Ungleichgewichtige Lösung“.

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gefährden.349 Diese Erwägung trifft auf den überlebenden Ehegatten im Fall des § 1933 S. 1 ersichtlich nicht zu, weil seine Versorgung nach der gesetzgeberischen Konzeption gem. §§ 1933 S. 3, 1586b, 1569 ff. durch den vorzeitigen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Verstorbenen sichergestellt werden soll. Für die ohnehin zweifelhafte, güterrechtliche Privilegierung des § 1371 II, 1. Hs. zugunsten desjenigen Überlebenden, der den höheren Zugewinn erzielt hat, besteht im Fall des § 1933 S. 1 daher erst recht kein Anlass mehr.350 Trotzdem wird man die Benachteiligung der Erben des Verstorbenen hinnehmen müssen, weil die Korrektur des Ergebnisses darauf hinausliefe, die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Zuordnung der Fälle des § 1933 zu § 1371 II, 1. Hs. endgültig preiszugeben. Denn nach herrschender Meinung ist aus § 1378 III 1 der Grundsatz abzuleiten, dass im Nachlass des Erblasserehegatten nur dann eine vererbliche Ausgleichsforderung enthalten sein kann, wenn der Erblasser die Beendigung des Güterstandes erlebt hat.351 In den Fällen des § 1933 kämen Entstehung und Übergang der Ausgleichsforderung auf die Erben des verstorbenen Ehegatten folglich nur in Betracht, wenn die Ehe wie eine bereits vor dem Erbfall geschiedene behandelt würde, was die Anwendung der §§ 1372 ff. zur Folge hätte. Eben dieser de lege lata nicht gangbare Weg empfiehlt sich de lege ferenda, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil er den nach geltender Rechtslage bestehenden Wertungswiderspruch zwischen der Versagung eines Ausgleichsanspruchs zugunsten der Erben des Verstorbenen und der von der herrschenden Meinung befürworteten analogen Anwendung des § 1384 beseitigen würde, der entgegen der Auffassung des BGH352 nicht wegzudiskutieren ist: Wer die Anwendung der scheidungsrechtlichen Regelung des § 1384 trotz Fehlens einer rechtskräftigen Scheidung mit dem zutreffenden Argument begründet, das Gesetz gestatte und gebiete ausweislich des § 1933 eine am hypothetischen Ausgang des Scheidungsverfahrens orientierte, also materielle Sichtweise353, muss zugestehen, dass die Versagung der Vererblichkeit des Ausgleichsanspruchs mit der formell fehlenden Güterstandsbeendigung zu Lebzeiten des Erblassers kaum plausibel erklärt werden kann.

349 Vgl. BT-Drucks. 2/224, S. 46 f. Auch die Angst vor Ausgleichsansprüchen erstoder gar unehelicher Kinder des Erstverstorbenen spielte eine Rolle. 350 Ebenso wohl Battes FuR 1995, 235, Anm. zu BGH ZEV 1995, 262. 351 BGHZ 72, 85, 91; BGH FamRZ 1995, 597, 598. 352 FamRZ 1995, 597, 598. 353 BGH JR 1987, 327, 328 m. Anm. Gernhuber: „Das Gesetz (. . .) mißt damit dem Umstand, daß zwischen den Eheleuten ein Scheidungsverfahren (mit Aussicht auf Erfolg) anhängig war, die ausschlaggebende Bedeutung bei.“

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

c) Der letztwillig bedachte Überlebende: Individuelle erbrechtliche Lösung? Geradezu absurde Folgen ergeben sich durch die Zuordnung der Fälle des § 1933 zu § 1371 II, 1. Hs. nach dem Wortlaut des Gesetzes schließlich dann, wenn dem überlebenden Ehegatten durch eine die Ehekrise überdauernde letztwillige Verfügung gem. § 2077 I 2, III ein Erbteil oder Vermächtnis zugewendet worden ist. Denn der Umstand, dass die pauschale erbrechtliche Lösung zur Abwicklung der Zugewinngemeinschaft gem. § 1371 I unter den Voraussetzungen des § 1933 S. 1 jedenfalls ausgeschlossen ist, ändert nichts daran, dass der überlebende Ehegatte nach dem Wortlaut des § 1371 II, 1. Hs. den güterrechtlichen Zugewinnausgleich nur verlangen kann, wenn er weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist. Die Annahme des letztwillig Zugewandten, die im Fall eines Vermächtnisses gem. § 2180 II 1 durch formlose Erklärung gegenüber dem Beschwerten, im Fall des Erbteils gar durch bloße pro herede gestio erfolgen kann354, wird damit bei wortlautgetreuer Anwendung des § 1371 II, 1. Hs. für den Überlebenden zur Falle: Sie versperrt, ebenso wie im Normalfall der Beendigung einer intakten Ehe, den Weg zum güterrechtlichen Ausgleichsanspruch, beschränkt die Nachlassteilhabe des Überlebenden aber anders als im Normalfall endgültig auf die u. U. ganz geringfügige355 letztwillige Zuwendung, weil dem Überlebenden unter den Voraussetzungen des § 1933 S. 1 keine Pflichtteils- und Pflichtteilsrestansprüche gem. §§ 2305, 2307 zur Aufstockung der Zuwendung auf den großen Pflichtteil zugute kommen, der im Normalfall der sog. individuellen erbrechtlichen Lösung356 die Untergrenze der Nachlassbeteiligung des überlebenden Ehegatten markiert. Die Gefahr, dass der Überlebende die nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der Annahme der Zuwendung verbundenen Konsequenzen über- und deshalb von einer Ausschlagung absieht, ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Denn es ist schon kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, warum der Überlebende die Zuwendung überhaupt soll ausschlagen müssen, um in den Genuss des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs zu kommen. Ließe man es bei diesem Ergebnis bewenden, stünde der überlebende Ehegatte im Fall des § 1933 S. 1 entgegen der vom Gesetzgeber aufgestellten Leitregel schlechter als ein zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits tatsächlich Geschiedener, dessen – im Zeitpunkt des

354

H.M., vgl. nur Palandt/Edenhofer § 1943 Rn. 1 f.; Soergel/Stein § 1943 Rn. 2. Die in BGHZ 42, 182, 191 f. erwogene Lösung, einen geringfügig bedachten Ehegatten einem enterbten gleichzustellen, lehnt die h. M. aus Rechtssicherheitsgründen ab, vgl. AG Tecklenburg FamRZ 1997, 1013 f.; Reinicke DB 1965, 1351, 1355; Soergel/Lange § 1371 Rn. 14: Allenfalls bei Vermächtnis mit reinem Erinnerungswert. 356 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 37 vor Rn. 7; MünchKomm/Koch § 1371 Rn. 20 u. 27. 355

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Erbfalls häufig bereits erfüllter – Ausgleichsanspruch von einer zu seinen Gunsten errichteten letztwilligen Verfügung unberührt bliebe. Dieses unbillige Ergebnis lässt sich vermeiden, indem man die Eingangsvoraussetzung des § 1371 II, 1. Hs. um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ergänzt, dass der überlebende Ehegatte gerade in dieser Eigenschaft nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden sein darf. Der Wortlaut des § 1371 II, 1. Hs. steht dieser wertenden Ergänzung nach ganz herrschender Meinung nicht entgegen, die zu Recht annimmt, dass ein überlebender Ehegatte, der durch letztwillige Verfügung vom gesetzlichen Ehegattenerbrecht ausgeschlossen ist, auch dann ohne weiteres güterrechtlichen Zugewinnausgleich verlangen kann, wenn er in seiner Eigenschaft als Verwandter des Erblassers gem. § 1934 zu dessen gesetzlichen Erben zählt.357 Eben an einer letztwilligen Zuwendung zugunsten des Ehegatten in seiner Eigenschaft als Ehegatte fehlt es in den Fällen des § 2077 III. Denn das Wirksambleiben einer letztwilligen Verfügung über Ehekrise und Scheidung hinaus verlangt, dass der Begünstigte unabhängig von seiner Ehegatteneigenschaft bedacht worden ist oder zumindest bedacht worden wäre. Auch im Fall des § 1933 S. 1 kann der überlebende Ehegatte daher güterrechtlichen Zugewinnausgleich gem. § 1371 II, 1. Hs. verlangen, ohne ein ihm letztwillig zugewandtes Erbteil oder Vermächtnis ausschlagen zu müssen. 2. Fortgesetzte Gütergemeinschaft Haben die Eheleute ehevertraglich den Güterstand der Gütergemeinschaft gewählt, ohne eine Fortsetzung der Gemeinschaft nach dem Tod des Erstversterbenden zwischen dem Überlebenden und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen zu vereinbaren, wird der erstversterbende Ehegatte gem. § 1482 S. 2 nach den allgemeinen Vorschriften beerbt. Das gilt auch im Hinblick auf den Gesamtgutsanteil des Erblassers, der gem. § 1482 S. 1 zum Nachlass gehört. Im Fall des § 1933 S. 1 bleibt dem Überlebenden einer Gütergemeinschaftsehe ohne Fortsetzungsvereinbarung daher jede Beteiligung an der Gesamtgutshälfte des Erstverstorbenen versagt. Ganz anders liegen die Dinge, wenn die Eheleute gem. § 1483 I 1 fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart haben. Da sich § 1933 S. 1 auf die Anordnung erbrechtlicher Scheidungsfolgen beschränkt, der Gesamtgutsanteil des Erstverstorbenen im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft aber gem. § 1483 I 3, 1. Hs. nicht zum Nachlass zählt, bleibt die Fortsetzungsvereinbarung – von entgegenwirkenden Aktivitäten des Erblassers zunächst abgesehen – trotz des absehbar ehe- und güterstandsbeendigenden Ausgangs des Scheidungsverfahrens wirksam. Zwar wird die Gesamtgutshälfte des Erblassers auch in diesem 357 MünchKomm/Koch § 1371 Rn. 37; RGRK/Finke § 1371 Rn. 15; Soergel/Lange § 1371 Rn. 13; Staudinger/Thiele § 1371 Rn. 58.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Fall formal nur dem Vermögen der gemeinschaftlichen Abkömmlinge zugeordnet, die kraft Gesetzes in den vakanten Anteil des Erblassers eintreten.358 Bis zur Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, die gem. §§ 1494, 1518 bis zum Tod des überlebenden Ehegatten währt, steht aber nur diesem das Recht zur Verwaltung des Gesamtgutes zu, § 1487 I, 2. Hs. Angesichts dieser weitreichenden Befugnisse im Hinblick auf das Gesamtgut stellt der Umstand, dass der Überlebende gem. §§ 1483 I 3, 2. Hs., 1933 S. 1 von einer Teilhabe am Sonder- und Vorbehaltsgut des Erblassers ausgeschlossen ist, einen wertungsmäßigen Bruch und aus Sicht der Abkömmlinge allenfalls einen schwachen Trost dar. Eine Korrektur dieses merkwürdigen Ergebnisses scheidet aus, weil die Fortsetzung der Gütergemeinschaft auch im Fall des § 1933 S. 1 nach dem Willen des Gesetzgebers offenbar eintreten soll, sofern sie nicht durch rechtsgeschäftliche Gegenmaßnahmen des Erblassers abgewendet wird. Bereits unter Geltung des Verschuldensprinzips war streitig, ob die Fortsetzung der Gütergemeinschaft im Fall einer begründeten Klageerhebung des erstversterbenden Ehegatten kraft Gesetzes ausgeschlossen wurde.359 Die damals herrschenden Meinung lehnte diese Rechtsfolge unter Hinweis auf § 1509 a. F. ab, der den Erblasser dazu berechtigte, „die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung auszuschließen, wenn er berechtigt ist, dem anderen Teil den Pflichtteil zu entziehen“. Da dem klageberechtigten Ehegatten nach der Ursprungsfassung des § 2335 immer auch das Recht zur Pflichtteilsentziehung zustand, hielt die herrschende Meinung einen ipso iure eintretenden Ausschluss der fortgesetzten Gütergemeinschaft nicht für erforderlich.360 Dieser Auffassung schloss sich der Gesetzgeber des 1. EheRG durch Einfügung des § 1509 S. 2 für den Fall einer bevorstehenden Aufhebung der Ehe ausdrücklich an: Obwohl der überlebende Ehegatte unter den Voraussetzungen des § 1509 S. 2 gem. § 1933 S. 2 kraft Gesetzes vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen ist, tritt der Ausschluss der fortgesetzten Gütergemeinschaft nicht ipso iure ein, sondern hängt von einer entsprechenden letztwilligen Verfügung des Erblassers ab. Man wird davon ausgehen müssen, dass dasselbe für die Fälle einer bevorstehenden Scheidung gelten soll, obwohl es für diese Fälle an einer § 1509 S. 2 entsprechenden Anordnung fehlt. Da im vorliegenden Zusammenhang kein sachlicher Grund für eine Verschiedenbehandlung von Aufhebung und Scheidung erkennbar ist, liegt die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber bei der Neuformulierung des § 1509 irrig davon ausging, einem Ehegat358 Mitgliederwechsel unter Wahrung der Identität der Gesamthand, vgl. Gernhuber/ Coester-Waltjen, FamR, § 39 Rn. 1; MünchKomm/Kanzleiter § 1483 Rn. 9. 359 So etwa Planck/Unzner § 1483 Anm. IV 8. 360 Vgl. Staudinger/Engelmann9 Vorbem. zu §§ 1483–1518 Anm. 5 b) mit weiteren Nachweisen.

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ten werde das Recht zur Pflichtteilsentziehung auch zukünftig unter denselben Voraussetzungen zustehen wie das Recht auf Scheidung. Ausgehend von dieser – im Gesetzgebungsverfahren diskutierten, letztlich aber abgelehnten – Ausgestaltung des § 2335361 bedurften die Fälle einer bevorstehenden Scheidung aus Sicht des Gesetzgebers keiner eigenständigen Regelung, weil sie bereits von § 1509 S. 1 erfasst worden wären. Dass § 1509 S. 1 nach der schließlich beschlossenen Verschärfung der Voraussetzungen für die Pflichtteilsentziehung die Fälle des § 1933 S. 1 tatsächlich nicht mehr erfasst, dürfte im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens übersehen worden sein.362 Diese Regelungslücke gebietet eine analoge Anwendung des § 1509 S. 2 auf die der Vorschrift entsprechenden Scheidungskonstellationen. Dem Erblasser steht daher de lege lata in den Fällen des § 1933 S. 1 nur, aber immerhin das Recht zu, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung auszuschließen.363 Rechtspolitisch überzeugend ist diese Lösung nicht. Der Sinn der ehevertraglichen Fortsetzungsvereinbarung gem. § 1483 I 1 besteht darin, die gemeinschaftlichen Abkömmlinge zugunsten des überlebenden Ehegatten bis zu dessen Tod von der Gesamtgutshälfte des Erblassers und damit vom Kernbestandteil seines Vermögens fernzuhalten.364 Die Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung entfällt in den Konstellationen des § 1933 S. 1 aber ebenso wie die Legitimation für eine gesetzliche Nachlassteilhabe des überlebenden Ehegatten.365 Das gilt insbesondere vom Standpunkt des Gesetzgebers aus, dem zufolge der vorzeitige Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts auf dem mutmaßlichen Willen des Eblassers beruht. Daher besteht kein Anlass, dem Erblasser gem. § 1509 S. 2 zum Ausschluss der fortgesetzten Gütergemeinschaft diejenige rechtsgeschäftliche Aktivität abzuverlangen, die § 1933 S. 1 im Hinblick auf das gesetz361

Vgl. dazu 2. Teil, B. II. 2. MünchKomm/Kanzleiter § 1509 Rn. 2. 363 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 39 Rn. 10; MünchKomm/Kanzleiter § 1509 Rn. 2; Soergel/Gaul § 1509 Rn. 8; Staudinger/Thiele § 1509 Rn. 6. Dem Erblasser auch dieses Recht versagend und ihn damit gänzlich rechtlos stellend dagegen Erman/Heckelmann § 1509 Rn. 2; RGRK/Finke § 1509 Rn. 4. 364 Freundlicher, in der Sache aber wie hier MünchKomm/Kanzleiter Vor § 1483 Rn. 3: Ziel der Fortsetzung sei es, „dem überlebenden Ehegatten die Auseinandersetzung mit den Abkömmlingen zu ersparen“. Ebenso Staudinger/Thiele Vorbem zu § 1483–1518 Rn. 1. 365 So schon Planck/Unzner § 1483 Anm. IV 8, mit der Erwägung, dass die fortgesetzte Gütergemeinschaft wirtschaftlich das Erbrecht des Überlebenden ersetze, und zwar in ähnlicher Weise wie ein durch Erbvertrag eingeräumtes Erbrecht, auf das die §§ 2279 I, 2077 anzuwenden wären. Diese Überlegung überzeugt, freilich nur mit der Einschränkung, dass ein Aufrechterhaltungsvorbehalt nach Maßgabe der §§ 2279 I, 2077 III für die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht in Betracht kommt, weil die Ehegatten eine scheidungsüberdauernde Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht wirksam vereinbaren können. Gerade dieser Umstand rückt die fortgesetzte Gütergemeinschaft aber wieder in die Nähe des § 1933 S. 1, dessen Folgen ebenfalls nicht durch einen abweichenden Willen des Erblassers derogiert werden können. 362

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

liche Erbrecht entbehrlich macht und machen soll.366 Damit bleibt zu konstatieren, dass die Anordnung einer Scheidungsfiktion durch § 1933 S. 1 auch im Güterstand der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu sachgerechteren Ergebnissen geführt hätte.

IV. Auswirkungen des § 1933 im Höferecht Im Hinblick auf einen im Alleineigentum des Erblassers stehenden Hof sind die höferechtlichen Wirkungen des vom BGB angeordneten Erbrechtsausschlusses zu Lasten des überlebenden Ehegatten eindeutig geregelt. Der nach § 5 Nr. 2 HöfeO grundsätzlich als Hoferbe zweiter Ordnung berufene überlebende Ehegatte scheidet gem. § 6 II Nr. 2 HöfeO unter den Voraussetzungen des § 1933 auch als gesetzlicher Hoferbe aus. Eben wegen dieses ausdrücklichen Verweises auf § 1933 im Fall der Vererbung eines Alleineigentümerhofs herrscht über den Ausschluss der gesetzlichen Hoferbenstellung des Überlebenden Streit, wenn es sich bei der zu vererbenden Hofstelle um einen sog. Ehegattenhof gem. § 1 I 1, 2. Alt. bzw. § 1 II HöfeO handelt. Denn nach dem Wortlaut des in diesem Fall maßgeblichen § 8 I HöfeO ist der überlebende Ehegatte vorbehaltlos als gesetzlicher Hoferbe berufen. Einen § 6 II Nr. 2 HöfeO entsprechenden Verweis auf § 1933 enthält die Vorschrift nicht. Systematisch liegt daher der Umkehrschluss nahe, dass die gesetzliche Hoferbenstellung des Überlebenden hinsichtlich eines Ehegattenhofes vom Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts unberührt bleiben soll.367 Die herrschende Meinung lehnt dieses argumentum e contrario ab. Aus den Gesetzesmaterialen gehe nicht hervor, dass § 6 II Nr. 2 HöfeO nur für die Vererbung eines Alleineigentümerhofes gelten solle.368 Zudem zwinge die Lückenhaftigkeit der Höfeordnung zum Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. In § 8 HöfeO sei aber gegenüber der allgemeinen Regel des § 1933 keine Ausnahme vorgesehen.369 Für eine unterschiedliche Behandlung von Alleineigentümer- und Ehegattenhof bestehe kein sachlicher Grund, so dass die Nichtanwendung des § 1933 im Rahmen des § 8 I HöfeO willkürlich anmute.370 Schließlich habe man unter Geltung der ursprünglichen Höfeordnung den Ausschluss der Hoferbfolge des Überlebenden auch ohne ausdrückliche Inbezugnahme des § 1933 bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift angenommen.371 366

Vgl. 2. Teil, A. II. So Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen, HöfeO, § 6 Rn. 31; Soergel/ Stein § 1922 Rn. 89. 368 Lüdtke-Handjery DNotZ 1978, 27, 33 f.; Wirtz, S. 199. 369 Wöhrmann/Stöcker/Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, § 8 Rn. 11. 370 Lüdtke-Handjery DNotZ 1978, 27, 34; Wöhrmann/Stöcker/Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, § 6 Rn. 57. 367

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Das offenkundige Anliegen der herrschenden Meinung, die Wirkungen des § 1933 beim Ehegattenhof denjenigen beim Alleineigentümerhof anzupassen, ist nachvollziehbar, lässt sich aber lege artis nicht konstruieren. Gegen die Anwendung des § 1933 im Rahmen der Ehegattenhoferbfolge spricht nicht nur der Wortlaut des § 8 I HöfeO, sondern auch der Umstand, dass die Anwendung des § 1933 zum vorzeitigen Wegfall der Ehegattenhofeigenschaft der Hofstelle führen würde.372 Diese Rechtsfolge soll nach dem wiederum eindeutigen Wortlaut des § 1 V 1 HöfeO aber erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils eintreten. Dass § 1933 im Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des Höferechts auch in Bezug auf § 1 V 1 HöfeO und damit gleich zweimal übersehen wurde, ist kaum wahrscheinlich, da der Regierungsentwurf des 2. ÄG-HöfeO angesichts der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Streichung des § 1933 im Gesetzgebungsverfahren zum 1. EheRG sogar höferechtliche Ersatzkonstruktionen vorsah, die aber nur für den Alleineigentümerhof gelten sollten.373 Auch die Entstehungsgeschichte des § 6 II Nr. 2 HöfeO spricht daher dagegen, die Verweisung auf § 1933 entgegen ihrer systematischen Stellung auf die Ehegattenhoferbfolge auszudehnen. Da nach alldem keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke ersichtlich sind, muss die Anordnung gleicher Wirkungen des § 1933 auf Ehegatten- und Alleineigentümerhof dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

V. Erbrechtsunabhängige Sonderrechtsnachfolgen von Todes wegen: Eintritt in das Mietverhältnis gem. § 563 I 1 und Sonderrechtsnachfolge in Sozialleistungen gem. § 56 SGB I Gemäß § 563 I 1 tritt der überlebende Ehegatte, der mit dem anderen Ehegatten und Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt, mit dessen Tod in das Mietverhältnis ein. Damit begründet § 563 eine gesetzliche Sonderrechtsnachfolge in das Mietverhältnis, die den grundsätzlichen Übergang dieses Verhältnisses auf den Erben des Mieters nach § 1922 verdrängt.374 Eine ebenfalls erbrechtsunabhängige Rechtsnachfolge von Todes wegen ordnet § 56 SGB I für 371 Bock MittRhNotK 1977, 205, 212. Ebenso wohl Lüdtke-Handjery DNotZ 1978, 27, 34. 372 So offenbar auch Wöhrmann/Stöcker/Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, § 8 Rn. 11 unter Verweis auf Rn. 10. 373 Das gestehen auch die Anhänger der Gegenansicht zu, vgl. Wöhrmann/Stöcker/ Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, § 6 Rn. 52: „Die Auswirkungen dieser damals geplanten Neuregelung erschienen im Höferecht zwar für den Ehegattenhof angemessen, nicht aber auch tragbar für einen Alleineigentümerhof, bei dem der Ehegatte im Range nach den Abkömmlingen zum gesetzlichen Hoferben berufen ist.“ 374 BT-Drucks. 14/4553, S. 60; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S. 64; Erman/Jendrek § 563 Rn. 14; MünchKomm/Häublein § 563 Rn. 18.

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bestimmte Sozialleistungsansprüche an. Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten gem. § 56 I 1 Nr. 1 SGB I erstrangig dem überlebenden Ehegatten zu, wenn er mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist.375 Da der überlebende Ehegatte in beiden Fällen unabhängig von den Regeln des Erbrechts als Sonderrechtsnachfolger des Erstverstorbenen berufen ist, bleibt seine Rechtsstellung jedenfalls vom Wegfall des gesetzlichen Erbrechts und des Voraus, also von den Rechtsfolgen, die sich aus der direkten Anwendung des § 1933 S. 1 ergeben, unberührt.376 Ein vorzeitiger Ausschluss der Sonderrechtsnachfolgen nach § 563 I 1 und § 56 I 1 Nr. 1 SGB I kommt daher nur aufgrund einer analogen Anwendung des § 1933, genauer, einer Rechtsfolgenanalogie zu § 1933 S. 1, S. 3, in Betracht. Diese Rechtsfortbildung scheidet nicht etwa schon deshalb aus, weil sich der Gesetzgeber dazu entschieden hat, den Eintritt in das Mietverhältnis und die Rechtsnachfolge in Sozialleistungen nach § 56 SGB I unabhängig von den Regeln des Erbrechts auszugestalten.377 Denn die dargestellte Rechtsfolgenanalogie bedeutet nichts anderes, als den überlebenden Ehegatten auch in von § 1933 S. 1, S. 3 nicht erfassten Regelungsbereichen wie einen zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits geschiedenen zu behandeln. Das ist eine rein familienrechtliche Konsequenz, die die Rechtsnatur der §§ 563 BGB, 56 SGB I als erbrechtsunabhängige Sonderrechtsnachfolgen unangetastet lässt. Jedenfalls im Hinblick auf § 563 I 1 kann auch die für die Analogiebildung erforderliche Regelungslücke bejaht werden, weil der Eintritt in das Mietverhältnis nach § 563 I 1, obwohl technisch gerade kein gesetzliches Vermächtnis, funktionell dem Recht auf den Voraus ähnelt. Beide dienen dem Zweck, dem Überlebenden nach dem Tod seines Gatten einschneidende Veränderungen seiner bisherigen äußeren Lebensumstände zu ersparen.378 Daher liegt es nahe, das Recht auf den Voraus und den Eintritt in das Mietverhältnis unter denselben Zur Vorgängervorschrift des § 569a a. F. vgl. Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer/ Sonnenschein7, Miete, § 569a Rn. 1. 375 Fällige Ansprüche auf einmalige Geldleistungen werden gem. § 58 SGB I nach den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften, also auch unter Berücksichtigung des § 1933, vererbt. Ansprüche auf Dienst- und Sachleistung schließt § 59 S. 1 SGB I von jeder Art von Rechtsnachfolge aus. Auch fällige Ansprüche auf – laufende oder einmalige – Geldleistungen erlöschen gem. § 59 S. 2 SGB I mit dem Tod des Berechtigten, wenn sie im Zeitpunkt seines Todes weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. 376 Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S. 64 (für § 563 I 1) u. S. 61 (für § 56 I 1 Nr. 1 SGB I). 377 So aber offenbar Wirtz, S. 195 u. 198; Soergel/Stein § 1933 Rn. 10. 378 Zu § 563 vgl. Erman/Jendrek § 563 Rn. 3; MünchKomm/Häublein § 563 Rn. 1; Staudinger/Rolfs § 563 Rn. 3. Zu § 1932 vgl. Mot. Bd. V, S. 373; Staudinger/Werner § 1932 Rn. 1.

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Voraussetzungen entfallen zu lassen. Was im Hinblick auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände recht ist, kann im Hinblick auf den ehelichen Haushalt selbst schwerlich unbillig sein.379 Trotzdem wird man im Ergebnis mit der herrschenden Meinung380 eine Analogiebildung mangels Planwidrigkeit der Regelungslücke abzulehnen haben. Denn die Neufassung des § 1933 sollte lediglich der Anpassung der Vorschrift an das Zerrüttungsprinzip dienen, ihren ursprünglichen Anwendungsbereich aber nicht erweitern.381 Im Zeitraum zwischen 1964 und 1977, in dem das Institut der Sonderrechtsnachfolge in das Mietverhältnis382 und § 1933 a. F. nebeneinander galten, wurde ein vorzeitiger Ausschluss des mietrechtlichen Eintrittsrechts aufgrund eines begründeten Scheidungsverfahrens in der Literatur indes abgelehnt383, sofern man die Frage überhaupt für erörterungswürdig hielt.384 Dementsprechend dürfte auch eine analoge Anwendung des neu gefassten § 1933 auf § 563 I 1 ausscheiden.385 In Bezug auf die Sonderrechtsnachfolge gem. § 56 I 1 Nr. 1 SGB I scheidet eine Rechtsfolgenanalogie zu § 1933 S. 1, S. 3 dagegen schon mangels Regelungslücke aus, weil die Rechtsfolgen jener Vorschrift im Unterschied zu denen

379 Unzutreffend ist daher der Einwand von Wirtz, S. 196, eine analoge Anwendung des § 1933 stehe im Widerspruch zur sozialen Zwecksetzung des § 563. Denn § 563 gewährt das Privileg des Eintritts in das Mietverhältnis eben nur, wenn und solange eine bestimmte Beziehung des Eintretenden zum Mieter besteht, Erman/Jendrek § 563 Rn. 3; MünchKomm/Häublein § 563 Rn. 1; Staudinger/Rolfs § 563 Rn. 3. Daher stellt sich im Hinblick auf § 563 I 1 die Frage, warum die Ehe, die der Gesetzgeber unter den Voraussetzungen des § 1933 S. 1 nicht mehr als Grundlage für den Voraus genügen lässt, zur Vermittlung des Eintrittsrechts ausreichen soll. 380 Vyas, S. 54; Wirtz, S. 196; Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer/Sonnenschein, Miete, § 563 Rn. 6; Schmidt-Futterer/Gather, MietR, § 563 Rn. 13; Erman/Jendrek § 563 Rn. 8; MünchKomm/Häublein § 563 Rn. 10; Staudinger/Rolfs § 563 Rn. 13; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 19. 381 Vgl. 2. Teil, A. II. 382 Eingefügt durch das zweite Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 14.7.1964, BGBl. I, S. 457. 383 Deutlich etwa Roquette, Mietrecht, § 569a Rn. 7: „(. . .) bis zur Rechtskraft bleibt das Band der Ehe bestehen. Infolgedessen kann ein Eintritt in den Mietvertrag auch dann erfolgen, wenn der Mieter erst am Tage vor Eintritt der Rechtskraft stirbt.“ 384 In den für den fraglichen Zeitraum maßgeblichen Ausgaben des Palandts (24. bis 36. Aufl.) wird eine analoge Anwendung des § 1933 auf die Fälle des § 569a weder in den Kommentierungen der einen noch in denen der anderen Vorschrift erwogen. 385 Die praktische Relevanz der Frage ist gering, weil es aufgrund des regelmäßigen einjährigen Getrenntlebens der Ehegatten im Fall des § 1933 S. 1 an der für § 563 I 1 erforderlichen Führung eines gemeinsamen Haushalts fehlt. Die wohl h. M. hält dieses Merkmal selbst dann nicht für erfüllt, wenn die Ehegatten gem. § 1567 I 2 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben, Bub/Treier/Heile, Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. II, Rn. 850; Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer/Sonnenschein, Miete, § 563 Rn. 6; Bamberger/Roth/Herrmann § 563 Rn. 11; MünchKomm/Häublein § 563 Rn. 16; Staudinger/Rolfs § 563 Rn. 16. A. A. Hinz ZMR 2002, 640, 641.

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des § 1933 nicht an der Zukunft, sondern an der Vergangenheit ausgerichtet sind. Sozialleistungen sollen, obwohl sie nur von einem Familienmitglied beansprucht werden können, den gesamten Familienunterhalt decken.386 Wären die § 56 SGB I unterfallenden Sozialleistungsansprüche ihrer – für den Rechtsübergang zwingenden – Fälligkeit entsprechend schon zu Lebzeiten des Berechtigten erfüllt worden, hätte der Ehegatte daher mittelbar an diesen Ansprüchen partizipiert. Dass die Ehe ohne den Tod des Berechtigten zukünftig durch Scheidung aufgelöst worden wäre, ändert an diesem Umstand nichts. Folglich muss dem Ehegatten auch unter den Voraussetzungen des § 1933 S. 1 die Sonderrechtsnachfolge nach § 56 I 1 Nr. 1 SGB I erhalten bleiben, um ungerechtfertigte Nachteile aufgrund der verspäteten Zahlung zu vermeiden.387

VI. Auswirkungen auf den Ersatzanspruch bei Tötung gem. § 844 II Als Ausnahme vom deliktsrechtlichen Grundsatz, dass lediglich der in seinen Rechtsgütern selbst Verletzte ersatzberechtigt ist, gewährt § 844 II im Fall der Tötung auch einem Dritten einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, wenn der Getötete zur Zeit der Verletzung zu dem Dritten in einem Verhältnis stand, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder werden konnte, und dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen ist. In diesem Fall kann der Dritte insoweit Schadensersatz in Form einer Geldrente vom Schädiger verlangen, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Unterhaltsgewährung verpflichtet gewesen wäre. Aus der Abhängigkeit des Schadensersatzanspruchs von der hypothetischen Unterhaltspflicht des Getöteten folgt, dass sich zukünftige Veränderungen des die Unterhaltspflicht begründenden Verhältnisses, die im Falle seines Weiterlebens eingetreten wären, auf den Anspruch aus § 844 II auswirken, sofern der Schädiger Umstände vorträgt, die den Eintritt solcher Veränderungen überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.388 Nach herrschender Meinung fehlt es in Bezug auf das die Unterhaltspflicht begründende Verhältnis Ehe an einer solchen überwiegend wahrscheinlichen Veränderung im Falle bloßer, noch nicht ins Werk gesetzter Scheidungsabsicht eines oder beider Ehegatten.389 War dagegen, wie in den Fällen des § 1933, zum Zeitpunkt der Tötung bereits ein Schei386

Mrozynski, SGB I, § 56 Rn. 3. Schmeling MDR 1976, 807, 808; Wirtz, S. 197 f.; Mrozynski, SGB I, § 56 Rn. 11. Vgl. auch BSGE 28, 102, 105 zu § 1288 RVO als Vorgängervorschrift zu § 56 SGB I: „Diejenigen sollen die rückständigen Leistungen erhalten, die auch zu Lebzeiten des Berechtigten daran teilgenommen hätten.“ 388 RGZ 152, 360, 363: „Der Ausdruck ,insoweit‘ umgrenzt den Ersatzanspruch nicht nur der Höhe, sondern auch der Zeit nach.“ 387

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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dungsverfahren eingeleitet, ist im Schadensersatzprozess über den hypothetischen Ausgang dieses Verfahrens und die daraus folgenden Konsequenzen für die Unterhaltspflicht des Getöteten zu befinden.390 Die ohnehin komplizierte Ermittlung dieser Konsequenzen wird durch § 1933 zusätzlich erschwert. Denn die erb- und unterhaltsrechtlichen Rechtsfolgen der Vorschrift treten nicht notwendig immer ein, wenn im Rahmen des Schadensersatzprozesses von einer Scheidung der Ehe im Fall des Weiterlebens des Getöteten auszugehen ist.391 Die Auswirkungen dieses Umstands mögen die folgend aufgeführten Fallkonstellationen verdeutlichen, die zur besseren Verständlichkeit mit der Darstellung der Rechtslage im Fall der Tötung eines bereits geschiedenen Unterhaltsschuldners eingeleitet werden. Konstellation 1: Die Tötung eines bereits geschiedenen Unterhaltsschuldners führt gem. § 1586b I zum Übergang einer etwaigen Unterhaltsverpflichtung auf die Erben. Dem Dritten ist das Recht auf nachehelichen Unterhalt daher jedenfalls dem Grunde nach nicht infolge der Tötung entzogen. Ein Anspruch aus § 844 II gegen den Schädiger besteht folglich nur insoweit, als die Erben die Erfüllung der Verbindlichkeit, insbesondere nach Maßgabe des § 1586b I 3, verweigern können.392 Konstellation 2: War zum Zeitpunkt des Todes bereits ein begründetes Scheidungsverfahren eingeleitet worden, und liegen die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 vor, hat der Überlebende/Dritte im Zeitraum zwischen Todeseintritt und dem voraussichtlichen Ende des Scheidungsverfahrens Anspruch auf Ersatz für entzogenen Trennungsunterhalt aus § 1361.393 Allerdings muss er sich nach den 389 BGH NJW 1974, 1236 (Leitsatz); MünchKomm/Wagner § 844 Rn. 42; Soergel/ Beater § 844 Rn. 19; Staudinger/Röthel § 844 Rn. 187. 390 RGZ 152, 360, 363; OLG Hamm VersR 1992, 511, 512; Göppinger/Wax/Macco, UnterhaltsR, Rn. 1439; MünchKomm/Wagner § 844 Rn. 42; Soergel/Beater § 844 Rn. 19; Staudinger/Röthel § 844 Rn. 187. 391 Das gilt sowohl auf der Grundlage des verfassungsrechtlich nicht bereinigten Wortlauts des § 1933 S. 1, 1. Alt. als auch dann, wenn man die verfassungsrechtlich gebotene Korrektur des Tatbestandes zugrunde legt. Beispiel zur Rechtslage nach dem Wortlaut: Der Getötete hatte im Scheidungsverfahren die Rolle eines passiven Antragsgegners eingenommen. Der Antrag des Überlebenden/Dritten war begründet. Beispiel zur Rechtslage nach dem verfassungsrechtlich bereinigten Wortlaut: Nur einer der Ehegatten (Getöteter oder Überlebender) hatte einen begründeten Scheidungsantrag gestellt. 392 RGZ 74, 375, 377; BGHZ 54, 377, 379; Göppinger/Wax/Macco, UnterhaltsR, Rn. 1430; Erman/Schiemann § 844 Rn. 11; Soergel/Beater § 844 Rn. 17 und wohl auch Bergschneider FamRZ 2003, 1049, 1056. Schubel AcP 198 (1998), 1, 26, 33 will diese Regel nur dann anwenden, wenn der Unterhalt vor der Tötung des Unterhaltsschuldners nicht aus Erwerbseinkommen, sondern aus Vermögenserträgen geleistet wurde. Ansonsten hafte trotz § 1586b I 1 der Schädiger vor den Erben. Ihm folgend MünchKomm/Wagner § 844 Rn. 34; Staudinger/Röthel § 844 Rn. 86. 393 Lediglich in den Fällen des § 1565 II kommt ein Ersatzanspruch für entzogenen Familienunterhalt aus § 1360 in Betracht.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Getöteten aus §§ 1933 S. 3, 1586b I, 1569 ff. anrechnen lassen, der dem Überlebenden ja unmittelbar vom Erbfall an zugute kommt. Vom Zeitpunkt der voraussichtlichen Scheidung an gilt das zur Tötung eines bereits geschiedenen Unterhaltsschuldners Gesagte entsprechend. Konstellation 3: War zum Zeitpunkt des Todes bereits ein begründetes Scheidungsverfahren eingeleitet worden, liegen die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 aber nicht vor, bleibt es in der Phase zwischen Todeseintritt und voraussichtlichem Ende des Scheidungsverfahrens zunächst beim Ersatzanspruch des Überlebenden/Dritten für entzogenen Trennungsunterhalt aus § 1361. Da dem Überlebenden mangels Anwendbarkeit des § 1933 S. 3 kein nachehelicher Unterhaltsanspruch gegen die Erben zusteht, scheidet eine Vorteilsausgleichung insofern aus. Anzurechnen ist aber der gesetzliche Erbteil, der dem Überlebenden im Falle des Weiterlebens des Getöteten nicht später, sondern gar nicht zugefallen wäre. Für die Zeit vom voraussichtlichen Eintritt der Scheidung an wird man davon ausgehen müssen, dass der Schädiger Ersatz für entzogenen nachehelichen Unterhalt schuldet; dass die Ehe zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung zumindest formal betrachtet noch intakt war, schließt nicht aus, sie im Sinne des § 844 II als Verhältnis zu bewerten, vermöge dessen der Getötete dem Dritten nachehelich unterhaltspflichtig werden konnte.394 Auch auf diesen Ersatzanspruch ist der gesetzliche Erbteil des Überlebenden im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Für die zumindest in technischer Hinsicht erheblichen Divergenzen zwischen den Lösungen der Konstellationen zwei und drei besteht kein sachlicher Grund. Sie belegen erneut, dass bei der jedenfalls erforderlichen Korrektur des Tatbestandes des § 1933 S. 1 de lege ferenda diejenige Lösung vorzuziehen ist, die in Übereinstimmung mit den §§ 1565 ff. die Rechtsfolgen jener Vorschrift schon dann eintreten lässt, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls einen begründeten Scheidungsantrag gestellt hatte. Das würde in allen Fällen des § 844 II, in denen eine Scheidung der Ehe hinreichend wahrscheinlich zu prognostizieren ist, zur Lösung der Konstellation zwei führen. Dabei bliebe es auch dann, wenn sich der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite des neu zu fassenden § 1933 für eine Scheidungsfiktion entscheiden würde. Insbesondere entbände die Fiktion einer bereits vor dem Tod des Unterhaltsschuldners rechtskräftig gewordenen Scheidung den Schädiger nicht unbilligerweise vom Ersatz des etwaig entgangenen, für den Dritten günstigen Trennungsunterhalts395 im Zeitraum zwischen dem Erbfall und dem Zeitpunkt, zu dem die Ehe voraussichtlich tatsächlich geschieden worden wäre. Denn die Fiktion der Scheidung, 394

Ebenso inzidenter RGZ 152, 360, 364 f.; MünchKomm/Wagner § 844 Rn. 42. Vgl. die Gegenüberstellung von Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt bei Muscheler, FamR, Rn. 393. 395

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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die ja erst durch die Tötung ausgelöst wird, ändert natürlich nichts daran, dass der Getötete tatsächlich noch nicht geschieden war und daher unter den Voraussetzungen des § 1361 zum Trennungsunterhalt verpflichtet gewesen wäre.

VII. Anwendung der Hausratsverordnung? Gemäß § 1 I HausratsVO regelt der Richter auf Antrag die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat, sofern hierüber anlässlich der Scheidung zwischen den Ehegatten keine Einigung erzielt werden kann. Battes396 hält den Richter auch in den Fällen des § 1933 S. 1 für befugt, zwischen den Erben des Verstorbenen und dem überlebenden Ehegatten nach Maßgabe der HausratsVO rechtsgestaltend tätig zu werden. Da mit dem vorzeitigen Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts auch das Recht auf den Voraus entfalle, sei der Überlebende insbesondere im Hinblick auf dringend benötigte Haushaltsgegenstände auf eine Zuweisung nach der HausratsVO angewiesen. Dogmatisch könne die Anwendung der HausratsVO als Analogie zu § 1933 S. 3 verstanden werden, „der den Unterhaltsanspruch an die Stelle des gesetzlichen Erbrechts und des Voraus treten“ lasse.397 Diese Auffassung ist mit der herrschenden Meinung abzulehnen398, weil sie auf der bereits als unzutreffend erkannten Annahme fußt, § 1933 S. 3 schaffe einen Ausgleich für die nach § 1933 S. 1 vorzeitig ausgeschlossenen erbrechtlichen Erwerbsaussichten.399 Ebenso wenig, wie der vorzeitige nacheheliche Unterhaltsanspruch als Ersatz für das gesetzliche Erbrecht aufzufassen ist, kommt eine Anwendung der HausratsVO als Voraussurrogat in Betracht. Ausgehend vom für § 1933 S. 3 tatsächlich entscheidenden Vergleichsmaßstab, nämlich der Rechtsstellung eines zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits Geschiedenen, scheidet die Anwendung der HausratsVO im Fall des § 1933 vielmehr aus, weil sich ein Verfahren nach der HausratsVO nach ganz herrschender Meinung mit dem Tod eines der beiden bereits geschiedenen Ehegatten in der Hauptsache erledigt, also insofern nicht mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt werden kann.400 Das überzeugt, weil die weitreichende, schuld- und sachenrechtliche Regelungen verdrängende Gestaltungsmacht des Richters auf scheidungsüberdauernden, 396

FamRZ 1977, 433, 436. Battes FamRZ 1977, 433, 436. Ihm folgend AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 7. 398 Bock MittRhNotK 1977, 205, 211; Vyas, S. 54; Wirtz, S. 130; MünchKomm/ Leipold § 1933 Rn. 19; Soergel/Stein § 1933 Rn. 12. 399 Vgl. 2. Teil, D. II. 1. 400 OLG Hamm FamRZ 1965, 220 f.; OLG Hamm OLGZ 1969, 136 f.; LG Münster NJW 1947/1948, 344, 345; Kuhnt AcP 150 (1949), 130, 157; Vlassopoulos, S. 78 f.; Staudinger/Weinreich, HausratsVO, § 1 Rn. 14. Unzutreffend ist der Einwand von Battes FamRZ 1977, 433, 436, die Entscheidung des LG Münster beruhe letztlich auf dem Verschuldensprinzip. 397

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten der früheren Ehegatten beruht401 und daher nicht über die in der HausratsVO ausdrücklich genannten Ausnahmen hinaus auf Dritte ausgedehnt werden sollte. § 1586b ändert an diesem Befund nichts.402 Zwar trifft es zu, dass der Erbe des Verstorbenen durch die Vorschrift u. U. mit einem Unterhaltsanspruch belastet wird, der ebenfalls allein in der früheren Solidargemeinschaft der Ehegatten wurzelt. Eine verallgemeinerungsfähige Regel enthält die rechtspolitisch zweifelhafte Ausnahmevorschrift des § 1586b aber sicher nicht.403 Ein Verfahren nach der HausratsVO zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des Verstorbenen kommt daher auch in den Fällen des § 1933 S. 1 nicht in Betracht.

VIII. Hinterbliebenenversorgung statt Versorgungsausgleich Nach allgemeiner Auffassung scheidet die Anwendung der Vorschriften über den Versorgungsausgleich im Fall des § 1933 S. 1 mangels rechtskräftiger Scheidung aus.404 De lege lata verdient diese Auffassung Zustimmung, weil es im Hinblick auf den Versorgungsausgleich an einer § 1933 S. 3 entsprechenden Vorschrift fehlt, die das Fehlen der Scheidung wie beim nachehelichen Unterhalt überwinden könnte. Eine Rechtsfolgenanalogie zu § 1933 S. 3 zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 1587 ff. wird zu recht von keiner Seite erwogen. Sie scheitert jedenfalls an mangelnder Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke: Das Institut des Versorgungsausgleichs wurde ebenso wie die Neufassung des § 1933 durch das 1. EheRG beschlossen und in das BGB eingefügt. Daher kann nicht angenommen werden, dass die § 1587 ff. bei der Formulierung des § 1933 S. 3 übersehen worden sind. Versorgungsrechtlich muss es dementsprechend bei der formalen Betrachtungsweise bewenden bleiben, dass die Ehe im Fall des § 1933 S. 1 durch den Tod des Erstversterbenden aufgelöst wird. Dem Überlebenden kommen daher anstelle des Versorgungsausgleichs die Hinterbliebenenversorgungsansprüche eines verwitweten Ehegatten zugute, also insbesondere die kleine bzw. große Witwen/Witwerrente gem. § 46 I, II SGB VI405 und das Witwen/Witwergeld gem. §§ 19 ff. BeamtVG. Vergleichend betrachtet wirkt sich der vorzeitige Tod des erstversterbenden Ehegatten für den überlebenden Teil versorgungsrechtlich günstig aus. Erstens käme ein Versorgungsausgleich zugunsten des überlebenden Ehegatten gem. § 1587a I nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass es sich beim überleben-

401

Kuhnt AcP 150 (1949), 130, 157. So aber Battes FamRZ 1977, 433, 436. 403 Vgl. Fn. 315. 404 Battes FamRZ 1977, 433, 435; Wirtz, S. 129; AK-BGB/Derleder § 1933 Rn. 7; MünchKomm/Leipold § 1933 Rn. 21. 405 Kreikebohm/Löns, SGB VI, § 46 Rn. 5. 402

D. Rechtsfolgen des § 1933 S. 1, S. 3

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den Teil zugleich um den Ehegatten mit den wertniedrigeren Versorgungsanwartschaften handelt. Die Witwenrente aus § 46 SGB VI kommt dagegen im Grundsatz auch dem besser versorgten Ehegatten zugute, dessen Rente allenfalls infolge einer Einkommensanrechnung gem. § 97 II SGB VI gemindert wird oder ruht, ohne dass dadurch das Rentenstammrecht berührt wird.406 Zweitens würde ein etwaig erforderlicher schuldrechtlicher Versorgungsausgleich auch zugunsten eines grundsätzlich ausgleichsberechtigten Überlebenden ausscheiden, weil die Ausgleichsrente gem. § 1587 g zugunsten des Ausgleichsberechtigten aus der Versorgung des Verpflichteten gespeist wird, die mit dem Tod des Verpflichteten endet407; lediglich der sog. verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich gem. § 3a VAHRG käme zugunsten des überlebenden Ausgleichsberechtigten in Betracht. Drittens stellt der Tod des erstversterbenden Ehegatten nach der formalen Betrachtungsweise des Gesetzes eben nicht bloß einen Anlass zur Ausgleichung von Versorgungsanwartschaften dar, die sich erst in Zukunft durch Eintritt des Versorgungsfalls in der Person des Ausgleichsberechtigten realisieren, sondern begründet selbst einen Versorgungsfall: Der Überlebende erwirbt sofort durchsetzbare Leistungsansprüche gegen den Rentenversicherungsträger. Viertens steht dem verwitweten Überlebenden gem. § 120a III Nr. 3 SGB VI im Hinblick auf Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung neuerdings die Möglichkeit offen, mit dem sog. Rentensplitting unter Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen408 eine dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich entsprechende Lage herzustellen409, sofern die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche nach dem Halbteilungsprinzip für den überlebenden Ehegatten ausnahmsweise günstiger ist als die aus der Versicherung des Verstorbenen abgeleitete Hinterbliebenenversorgung. Für das Splitting kann sich der Überlebende auch noch nach vorherigem Bezug einer Witwenrente, etwa angesichts einer bevorstehenden Wiederheirat, entscheiden.410 Für die Aufrechterhaltung der dargestellten versorgungsrechtlichen Privilegien zugunsten des überlebenden Ehegatten besteht in den Fällen des § 1933 S. 1 406 BVerfG FamRZ 1998, 811, 812; Eichler DAngVers 2002, 7, 15. Zum anrechenbaren Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen vgl. §§ 18a bis 18e SGB IV. 407 Heute h. M., BGH FamRZ 1989, 950 f.; OLG Koblenz FamRZ 1985, 497; Dörr NJW 1990, 2721, 2730. Anders für den Abfindungsanspruch nach § 1587 l Staudinger/Rehme § 1587m Rn. 6 ff. 408 (1) Eheschließung nach dem 31.12.2001 oder Bestand der Ehe am 31.12.2001 und Geburt beider Ehegatten nach dem 01.01.1962; (2) Voraussetzung des Rentensplittings lagen zu Lebzeiten beider Ehegatten noch nicht vor; (3) Am Ende der Splittingzeit gem. § 120a VI SGB VI sind 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten beim Überlebenden vorhanden. Vgl. dazu auch § 120a IV 2 SGB VI. 409 BR-Drucks. 764/00, S. 121. 410 Stahl/Stegmann DRV 2001, 295, 313; Eichler DAngVers 2002, 7, 10. Auch eine zeitliche Grenze zur Ausübung des Wahlrechts ist nicht vorgesehen.

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2. Teil: Vorzeitiger Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

kein Anlass. Konsequent wäre es daher, den Überlebenden unter den Voraussetzungen der Vorschrift auch versorgungsrechtlich einem bereits Geschiedenen gleichzustellen. Auf der Grundlage der hier vorgeschlagenen Scheidungsfiktion stünden dieser Lösung keine technischen Probleme entgegen411: Die Fiktion einer zum Zeitpunkt des Todes bereits rechtskräftigen Scheidung würde zur Unanwendbarkeit des § 619 ZPO führen, mit der Folge, dass der Scheidungsrechtsstreit im Hinblick auf den Versorgungsausgleich gem. § 1587e IV mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt werden könnte.412

411 412

Ebenso wohl Battes FamRZ 1977, 433, 435. BGH FamRZ 1984, 467, 468; BGH FamRZ 1985, 1240, 1241.

3. Teil

Gewillkürtes Erbrecht A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung I. Einseitige letztwillige Verfügung Hat der Erblasser seinen Ehegatten durch eine letztwillige Verfügung bedacht, ihn also etwa als Erben berufen oder ihm ein Vermächtnis ausgesetzt, so besteht die erbrechtliche causa für den Erwerb der entsprechenden Rechtsposition eben in der letztwilligen Verfügung. Die Existenz der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls stellt im Unterschied zum gesetzlichen Erbrecht nicht den Berufungsgrund, sondern allenfalls ein – wenn auch gewichtiges – Motiv des Erblassers für die Zuwendung dar. Nach allgemeinen Grundsätzen wäre eine Verfügung zugunsten des Ehegatten daher lediglich gem. § 2078 II wegen Motivirrtums anfechtbar, wenn sich die für die Verfügung regelmäßig maßgebliche Vorstellung des Erblassers, der Eingesetzte werde auch im Zeitpunkt des Erbfalls noch sein Ehegatte sein, aufgrund der Scheidung der Ehe als unzutreffend erweist. 1. Der Weg zur ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung gem. § 2077 Die erste Kommission zur Beratung des BGB wollte es für den Fall der Scheidung bei der bloßen Anfechtbarkeit der Verfügung belassen413, allerdings nur im Grundsatz, d.h. insofern, als sie einen Gestaltungsakt zur Geltendmachung des Motivmangels – in Form des Widerrufs durch den Erblasser bzw. der Anfechtungserklärung durch den vom Wegfall des Ehegatten profitierenden Erbprätendenten – verlangte. Auch die erste Kommission erkannte aber an, dass die Eigenschaft der bedachten Person, Ehegatte des Erblassers zu sein, regelmäßig dessen entscheidendes Motiv für die begünstigende Zuwendung bildet. Deshalb senkte sie in § 1783 E I die Anforderungen an die Anfechtbarkeit der Verfügung wegen Scheidung der Ehe gegenüber den allgemeinen Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit wegen Motivirrtums nach § 1781 E I in dreierlei Hin413 Vgl. Mot. Bd. V, S. 53: Auflösung der Ehe vor dem Tod eines Ehegatten als „Unterfall des § 1781 (E I = 2078 II)“.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

sicht ab: Erstens erklärte § 1783 I E I nicht die irrige Erwartung des Nichteintritts der Eheauflösung, sondern die Tatsache der Auflösung selbst zum Anfechtungsgrund.414 Diese Modifikation erschöpfte sich nicht in einer bloßen Vereinfachung des Normtextes. Denn ein Erblasser wird bei der Errichtung der Verfügung zugunsten seines Ehegatten kaum eine positive Vorstellung im Sinne einer psychologischen Tatsache des Inhalts bilden, dass seine Ehe nicht geschieden werden wird. Hätte man die Anfechtung von einer solchen Voraussetzung des Erblassers415 abhängig gemacht, wäre sie folglich nur unter der bis heute problematischen Prämisse in Betracht gekommen, dass das Fehlen einer Vorstellung über künftige Veränderungen bestimmter Umstände einer positiven Fehlvorstellung über diese Entwicklung gleichzustellen ist.416 Da § 1783 E I unmittelbar auf die Tatsache der Scheidung abstellte, war der Anfechtende der Last für diese Argumentation enthoben. Zweitens ließ § 1781 II E I – strenger als der letztlich Gesetz gewordene § 2078 II – die Anfechtung im Normalfall nicht schon bei Nachweis der Kausalität zwischen Voraussetzung und Zuwendung zu, sondern verlangte darüber hinaus, dass die Voraussetzung – also das fehlerhafte Motiv – in der Verfügung selbst zum Ausdruck kam.417 Im Rahmen des § 1783 E I hielt man eine entsprechende Andeutung nicht für erforderlich. Drittens nahm § 1783 III E I dem Anfechtenden die Beweislast für die Kausalität zwischen fehlerhaftem Motiv und Verfügung ab. Nach dieser Vorschrift musste vielmehr der Ehegatte als Anfechtungsgegner den Beweis führen, dass die Verfügung nach dem Willen des Erblassers auch im Fall der Scheidung gelten sollte.418 Damit waren sämtliche sachlichen Hürden für die Anfechtung abgebaut.419 Die unter diesen Umständen naheliegende Konsequenz, die Unwirksamkeit der Verfügung schon kraft Gesetzes eintreten zu lassen, wollte die erste Kommission aber nicht ziehen. Die Notwendigkeit eines Widerrufs oder einer Anfechtungserklärung sei eher hinzunehmen als eine vielleicht gegen den Willen des Erblassers eintretende ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung.420 414

Mot. Bd. V, S. 54. In Bezug auf künftige Ereignisse verlangte § 1781 I E I anstelle des Irrtums, dass der Erblasser bei der Errichtung den Nichteintritt eines späteren Ereignisses voraussetzte und die Voraussetzung sich nicht erfüllt hat. 416 Vgl. dazu Sieker AcP 201 (2001), 697; Heinz, S. 68 ff. Die Rechtsprechung behalf sich zunächst mit der Annahme sog. „unbewusster Vorstellungen“, und ging später zum weniger widersprüchlichen Begriff der selbstverständlichen Voraussetzung bzw. Vorstellung über, vgl. BGH FamRZ 1983, 898, 899; BGH NJW-RR 1987, 1412, 1413. 417 Diese Einschränkung wurde von der zweiten Kommission gestrichen, vgl. Jakobs/Schubert, 1. Teil, S. 897. 418 Mot. Bd. V, S. 54. 419 Zu kurz greift daher die häufig anzutreffende Formulierung, der erste Entwurf habe als Alternative zur ipso-iure-Unwirksamkeit die Anfechtbarkeit der Verfügung vorgesehen, vgl. etwa BGH ZEV 2003, 284, 285 m. abl. Anm. Leipold. 420 Mot. Bd. V, S. 54. 415

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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Die zweite Kommission war von dieser Argumentation zu Recht nicht überzeugt. Wer angesichts der Scheidung vom Erblasser einen Widerruf seiner Verfügung verlangt, muss das Unterlassen des Widerrufs als Indiz für dessen Willen zur Fortgeltung der Verfügung bewerten und darf dementsprechend die Voraussetzungen für die Anfechtung durch Dritte nicht auf die bloße Abgabe der Anfechtungserklärung reduzieren. Die vorgeschlagene Lösung hätte also sogar dann als widersprüchlich abgelehnt werden müssen, wenn die zweite Kommission die Befürchtungen einer Verfälschung des Erblasserwillens in der Sache geteilt hätte. Schon das war aber nicht der Fall: Auf die Bedeutung der Unterlassung des Widerrufs ging die zweite Kommission nicht ein. Offenbar maß sie einer etwaigen Untätigkeit des Erblassers keine indizielle Bedeutung zu, sondern führte sie entweder auf schlichte Trägheit oder auf sein Vertrauen auf das bisher geltende Recht zurück, das kraft Gesetzes eintretende Unwirksamkeit der Verfügung vorsah.421 Von diesem Standpunkt aus erschien es ungerechtfertigt, die Unwirksamkeit der Verfügung noch von einer besonderen Anfechtungserklärung abhängig zu machen. „Lege man den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht nach dem Wortlaute, sondern nach ihrem wahren Sinne aus, so gelange man dahin, daß die scheinbar nach dem Wortlaute der letztwilligen Verfügung bedachten Personen in Wahrheit nicht bedacht seien. Denn wenn jemand seinen Ehegatten letztwillig bedenke, so wolle er ihn in seiner Eigenschaft als Ehegatten bedenken; der nach dem Wortlaute der letztwilligen Verfügung Bedachte sei mithin als nicht bedacht anzusehen, wenn er zur Zeit des Erbfalls diese Eigenschaft verloren habe, weil die Ehe nichtig, angefochten oder aufgelöst sei.“422 Das Kommissionsmitglied Jacubezky stellte daher den Antrag, den § 1783 I 1 E I in folgender Fassung einzustellen: Eine letztwillige Verfügung, durch welche ein Ehegatte den anderen Ehegatten bedacht hat, ist in Ermangelung einer anderweitigen Bestimmung unwirksam, wenn die Ehe nichtig, wenn sie anfechtbar und angefochten oder wenn sie vor dem Tode eines der Ehegatten aufgelöst worden ist.

Die Kommissionsmehrheit nahm den Antrag inhaltlich an. Lediglich im Hinblick auf die Formulierung der Anforderungen an die ausnahmsweise Aufrechterhaltung der Verfügung bestanden Bedenken. Denn man war sich darüber einig, dass die Verfügung schon dann fortgelten sollte, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser sie auch für den eingetretenen Fall habe treffen wollen. Der Passus „in Ermangelung einer anderweitigen Bestimmung“ könne aber in einem engeren Sinne (miss-)verstanden, nämlich so ausgelegt werden, dass nur eine ausdrückliche Fortgeltungsanordnung des Erblassers in der Verfügung die Un-

421 Den Bruch mit der bisherigen Rechtslage, den die Anfechtungslösung bedeutet hätte, hielt die erste Kommission als bloßes Übergangsproblem für hinnehmbar, vgl. Mot. Bd. V, S. 54. 422 Prot. Bd. V, S. 59.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

wirksamkeitsfolge ausschließe.423 Um dieser Gefahr zu begegnen, wurde die fragliche Formulierung aus dem ersten Absatz gestrichen und der Vorschrift424 stattdessen ein dritter Absatz folgenden Inhalts angefügt: Die letztwillige Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde.

Diese in § 2077 III Gesetz gewordene Fassung lässt mit der Formulierung „getroffen haben würde“ auch einen hypothetischen Willen des Erblassers zur Aufrechterhaltung der Verfügung genügen, also einen Willen, den der Erblasser zwar tatsächlich nicht gebildet hat, aber bei Voraussicht der künftigen Scheidung vermutlich gebildet hätte. Das reicht weiter als die indikativische Formulierung „hat treffen wollen“, die die zweite Kommission noch in den Protokollen zur Klarstellung der Anforderungen an die Fortgeltung der Verfügung wählte.425 Gemeint war aber offenbar in beiden Fällen die weitere Variante.426 Das folgt zum einen daraus, dass die zweite Kommission die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Fortgeltungsanordnung durch den Erblasser ablehnte. Hätte sie ohnehin nur einen tatsächlichen Fortgeltungswillen berücksichtigen wollen, hätte es nahegelegen, an den Ausdruck dieses Willens dieselben Anforderungen zu stellen wie an testamentarische Verfügungen.427 Verständlich wird der Verzicht auf eine „ausdrückliche Bestimmung“ des Erblassers dagegen, wenn man annimmt, dass die ausnahmsweise Fortgeltung auch durch einen hypothetischen Willen gerechtfertigt werden können sollte. Denn dieses Ziel wäre unerreichbar geblieben, wenn man die denknotwendig ausgeschlossene Äußerung des real gar nicht existierenden Willens zur Voraussetzung der Fortgeltung erhoben hätte. Zum anderen hatte die zweite Kommission die Parallele zur Irrtumsanfechtung vor Augen. Diese wäre aber nicht nur in den Fällen der tatsächlichen Voraussicht der künftigen Scheidung – also mangels eines Irrtums – ausgeschieden, sondern auch bei fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Verfügung. Es liegt nah, dass die zweite Kommission diese Verknüpfung übernehmen, also zugunsten des überlebenden Ex-Ehegatten den Beweis zulassen wollte, dass der Erblasser die begünstigende Verfügung auch bei Kenntnis der Scheidung errichtet hätte. § 2077 III weicht also tatsächlich nur in redaktioneller Hinsicht von der vorgesehenen Formulierung ab.

423

Jakobs/Schubert, 1. Teil, S. 881. Zu diesem Zeitpunkt der Beratung als § 1778a ZustRedKomm. 425 Prot. Bd. V, S. 59. 426 Ebenso für das entsprechende Problem bei der Auslegung des § 1783 E I – Ausschluss der Anfechtung gem. § 1783 II E I – Zitelmann, S. 52. 427 Der Aufrechterhaltungswille selbst ist keine letztwillige Verfügung, vgl. 3. Teil, A. I. 4. a). 424

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2. Die Rechtsnatur des § 2077 Die Bestimmung der Rechtsnatur des § 2077 bereitet seit Inkrafttreten des BGB Schwierigkeiten, die durch die uneinheitliche Verwendung von Begriffen, mit denen die Vorschrift in Rechtsprechung und Literatur umschrieben wird, noch weiter verschärft werden. Insbesondere die herkömmliche, antithetische Gegenüberstellung der Begriffe Auslegungsregel/ergänzender Rechtssatz suggeriert einen Widerspruch, der tatsächlich nicht besteht. Sie trägt daher eher dazu bei, den Normcharakter des § 2077 zu verschleiern als ihn zu erhellen. Als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Rechtsnatur der Vorschrift bietet sich ihre funktionale Verwandtschaft zur Irrtumsanfechtung an. Zwar stellt das Gesetz an die Unwirksamkeitsfolge nach § 2077 I in dreifacher Hinsicht geringere Anforderungen als an eine Anfechtung nach den §§ 2078 II, 142 I: Einer Anfechtungserklärung bedarf es ebenso wenig wie eines Irrtums im Sinne einer konkreten Fehlvorstellung des Erblassers über den Fortbestand seiner Ehe. Zudem wird die Kausalität zwischen selbstverständlicher Vorstellung vom Fortbestand der Ehe und begünstigender Verfügung gem. § 2077 III zu Lasten des geschiedenen Ehegatten vermutet. Eben die Tatsache, dass § 2077 III diese Kausalität für beachtlich erklärt, belegt aber, dass die Unwirksamkeitsfolge des § 2077 I auf demselben Grund beruht wie die Nichtigkeit einer gem. §§ 2078 II, 142 I angefochtenen Verfügung, nämlich auf einem für die Verfügung ursächlichen Mangel in der Willensbildung des Erblassers.428 Tappmeier lehnt diesen subjektiven Begründungsansatz ab. Die Unwirksamkeitsfolge des § 2077 I 1, 2 beruhe nicht auf dem mutmaßlichen429 Erblasserwillen, sondern auf einer objektiven, vom Gesetz getroffenen Wertentscheidung, der zufolge für ein Erbrecht eines geschiedenen Ehegatten keine innere Berechtigung bestehe.430 Die Vorschrift wiederhole für das Testaterbrecht lediglich die Lösungen, die das gesetzliche Erbrecht in den §§ 1931, 1933 für die Fälle der (drohenden) Scheidung vorsehe. Entsprechend zum objektiven Wertgehalt, den Tappmeier hinter § 2077 I vermutet, stellt er an die Derogation der Vorschrift durch den dritten Absatz hohe Anforderungen: Nur durch einen abweichenden realen Willen des Erblassers werde die Unwirksamkeit der Verfügung ausgeschlossen.431 Nach dieser Konzeption zählt § 2077 zur Gruppe der ergänzenden oder dispositiven Rechtsnormen, also zu denjenigen Vorschriften, die „sich nicht auf den Willen des Erblassers (gründen), sondern auf den des Gesetzes“

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Krug, S. 10. Gemeint ist wohl der hypothetische Erblasserwille, weil der Begriff des mutmaßlichen Willens einen wirklich vorhandenen Willen beschreibt, vgl. Kuchinke FS Gaul, 357, Fn. 6. 430 Tappmeier, S. 177; ders., NJW 1988, 2714, 2175. 431 Tappmeier, S. 179 ff. 429

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und die nicht gelten, „solange dieser will, sondern solange dieser nichts anderes will.“432 Diese Ansicht vermag aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. Zunächst ist sie mit dem Wortlaut des § 2077 III unvereinbar, der zum Ausschluss der Unwirksamkeitsfolge ausdrücklich auch einen nur hypothetischen Willen des Erblassers ausreichen lässt. Indem Tappmeier strengere Voraussetzungen in Form eines realen Aufrechterhaltungswillens aufstellt, setzt er sich über die Entstehungsgeschichte der Vorschrift hinweg: Als dispositiver Rechtssatz im Sinne einer nur durch besonderen Geschäftsakt derogierbaren Vorschrift433 sollte § 2077 I nach dem ausdrücklichen Willen der Gesetzesverfasser nicht aufgefasst werden. Die zweite Kommission ließ die ursprüngliche Formulierung „in Ermangelung einer anderweitigen Bestimmung“ gerade deshalb durch den dritten Absatz ersetzen, um einem solchen Normverständnis entgegenzuwirken.434 Noch schwerer wiegt ein grundsätzlicher Einwand: Objektive, d.h. staatliche Wertvorstellungen haben, abgesehen von den §§ 134, 138, die hier keine Rolle spielen, im gewillkürten Erbrecht nichts zu suchen. Verfehlt ist daher der Ansatz, § 2077 I isoliert zu betrachten und damit den Fortbestand der Ehe in Anlehnung an das gesetzliche Ehegattenerbrecht zum erbrechtlichen Berufungsgrund zu stempeln.435 Auch der testamentarischen Zuwendung zugunsten eines Ehegatten liegt als causa nicht die Ehe, sondern die Verfügung als solche und damit der Wille des Erblassers zugrunde. Ein Normverständnis, das die Unwirksamkeitsfolge des § 2077 I ohne Rückkopplung an einen entsprechenden Erblasserwillen allein mit der objektiven Tatsache der Scheidung erklärt, kann vor dem Grundsatz der Testierfreiheit daher nicht bestehen. Es ist nicht Sache – und war nicht Wille – des Gesetzgebers, seine eigenen Vorstellungen über die erbrechtliche Legitimation eines Ex-Ehegatten an die Stelle derjenigen des verfügenden Erblassers zu setzen. Damit entfällt die Möglichkeit, § 2077 als Dispositivvorschrift im obigen Sinne zu begreifen, wenn man die zur Kennzeichnung dieses Normtyps aufgestellten Kriterien nicht nachträglich wieder preisgeben will.436 432

Lange JhJb 82 (1932), 1, 9. Oertmann, S. 226; Foer AcP 153 (1954), 492, 513. 434 Prot. Bd. V, S. 59. Wie hier Staudinger/Otte § 2077 Rn. 4. 435 So aber Tappmeier, S. 176 sowie Kuchinke FS Gaul, 357, 362: Die Unwirksamkeitsfolge stehe dem „übergeordneten Gedanken näher, daß das Ehegattenerbrecht mit der Auflösung der Ehe entfällt, gleichgültig, ob es auf Gesetz (vgl. § 1933 BGB) oder Verfügung von Todes wegen beruht“. Ähnlich Lessing RpflStud 1989, 10, 14 und Leipold ZEV 2003, 285, 286, Anm. zu BGH ZEV 2003, 284: Die Unwirksamkeit der Verfügung sei „gewissermaßen eine Scheidungsfolge“. Zu Recht gegen die mechanische Gleichstellung von gesetzlichem und gewillkürtem Ehegattenerbrecht schon Strohal FS Jhering, 1, 55 f. 436 Am Problem vorbei geht der Einwand Sibers Festgabe RG III, 350, 362, dem Gesetzgeber stehe es frei, die Reichweite einer Dispositivvorschrift zu definieren. In Rede steht nicht die Regelungskompetenz des Gesetzgebers, sondern die Frage, ob 433

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Die herrschende Meinung trägt der unabdingbaren Verknüpfung zwischen Unwirksamkeitsfolge und Erblasserwillen Rechnung, indem sie § 2077 als Auslegungsregel auffasst. Dabei ist ihren Anhängern durchaus bewusst, dass ein Erblasser mit einer Verfügung, in der er seinen Ehegatten uneingeschränkt und ohne weitere Zusätze einfach zum Alleinerben einsetzt, den Fall einer späteren Scheidung nicht unklar, sondern überhaupt nicht regelt, so dass es an einer mehrdeutigen Erklärung fehlt, die erläuternder Auslegung fähig wäre. § 2077 wird dementsprechend auch nicht der erläuternden, sondern der ergänzenden Testamentsauslegung zugeordnet437, die danach fragt, „was nach der Willensrichtung des Erblassers zu der Zeit, da die Verfügung von ihm getroffen wurde, als von ihm gewollt anzusehen ist, sofern er vorausschauend das spätere Ereignis bedacht haben würde“438. Nach diesem Normverständnis beruht die Unwirksamkeitsfolge des § 2077 I auf der Berücksichtigung eines Willens, den der Erblasser zwar nicht gebildet hat, bei Voraussicht der Möglichkeit einer Scheidung aber vermutlich gebildet hätte. In diese Konzeption fügt sich der dritte Absatz des § 2077 nahtlos ein: Gelingt dem Ex-Ehegatten der Nachweis, dass der Erblasser die Verfügung auch bei Voraussicht der Scheidung errichtet hätte, stellt das bloße Nichtvorhandensein einer Ausschlussregelung für den Scheidungsfall gemessen am Willen des Erblassers keine planwidrige Unvollständigkeit der Verfügung dar. In materieller Hinsicht fragt § 2077 III also nach einer ausfüllungsbedürftigen Lücke, die als entscheidende Voraussetzung der ergänzenden Auslegung die kraft Gesetzes eintretende Unwirksamkeit der Verfügung nach § 2077 I erst legitimiert. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Normgehalt des dritten Absatzes mit der Umschreibung, er erlaube die ergänzende Testamentsauslegung zur ausnahmsweisen Aufrechterhaltung der Verfügung439, unzutreffend wiedergegeben wird. Das Gegenteil ist der Fall: Nicht die Aufrechterhaltung, sondern die entgegen ihrem Wortlaut eintretende Unwirksamkeit der Verfügung stellt den im Grundsatz rechtfertigungsbedürftigen Eingriff dar.440 Dieses materielle Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht mit dem Umstand versich eine von ihm getroffene Regelung unter den Begriff der Dispositivvorschrift subsumieren lässt. Wie hier Foer AcP 153 (1954), 492, 512 f. 437 So ausdrücklich Erman/Schmidt § 2077 Rn. 1; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 4; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 3; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 4. Wenn v. Lübtow, ErbR, 1. Halbband, 1. Hauptteil, 2. Abschnitt, 5. Kap., § 6 C (S. 292 f.) von einem ergänzenden Rechtssatz spricht, bedeutet das keinen sachlichen Unterschied zu den vorgenannten Autoren. Die unterschiedliche Terminologie beruht lediglich darauf, dass v. Lübtow bereits den Begriff der ergänzenden Testamentsauslegung ablehnt und dementsprechend auch nicht von einem gesetzlich geregelten Fall dieses Instituts sprechen kann. Ebenfalls nur terminologisch abweichend BGH FamRZ 1960, 28, 29; BayObLG FamRZ 1993, 362; BayObLG DNotZ 1996, 302, 303 m. Anm. Kuchinke: Dispositive Auslegungsregel. 438 RGZ 99, 82, 85. 439 So Kuchinke FS Gaul, 357, 362. 440 Gerhards, S. 51; Flume, BGB-AT, 2. Bd., § 16 5 (S. 337).

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wechselt werden, dass die Rechtfertigung der Ausnahme in Anknüpfung an den nach der Lebenserfahrung wahrscheinlichen Erblasserwillen regelmäßig gelingt. Dieser Umstand ist nur prozessual für die Frage der Darlegungs- und Beweislast von Bedeutung.441 Dagegen bestehen keine Bedenken, § 2077 im Ganzen als gesetzlich geregelten Fall der ergänzenden Testamentsauslegung aufzufassen. Insbesondere steht das gesetzlich angeordnete Auslegungsergebnis, also die Unwirksamkeit der Verfügung, nicht im Widerspruch zum Wesen der Ergänzung im Sinne eines positiven Hinzufügens. Denn Gegenstand der Ergänzung ist eine – durch Weiter-und-zu-Ende-Denken der ursprünglichen Verfügung ermittelte – hypothetische Willenserklärung442, die aber einen negativen, also auch auf Unwirksamkeit der Verfügung gerichteten Inhalt haben kann.443 Vorbehalte gegen die Unwirksamkeitsfolge als Ergebnis der allgemeinen ergänzenden Auslegung werden daher – wenn überhaupt – nur aus konkurrenzrechtlichen Gründen angemeldet. Es müsse Sache der form- und fristgebundenen Irrtumsanfechtung bleiben, einer letztwilligen Verfügung die Wirksamkeit abzusprechen.444 Ob dieses Argument im Hinblick auf die gewöhnliche ergänzende Auslegung zutrifft, kann dahinstehen. Denn es versagt jedenfalls gegenüber § 2077, da die Vorschrift gerade den Zweck hat, die nach allgemeinen Grundsätzen erforderliche Anfechtung wegen Motivirrtums durch die ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung entbehrlich zu machen.445 Damit nähert sich die hier vertretene Auffassung dem Teil des älteren Schrifttums an, das § 2077 I als Auslegungsregel auffasste, der zufolge eine Zuwendung an den Ehegatten im Zweifel als stillschweigend durch die Scheidung bedingt anzusehen ist.446 Allerdings stellt sich die auflösende Bedingung nicht als Ergebnis erläuternder, sondern als Ergebnis ergänzender Auslegung dar.447 Dadurch ist dem Hauptargument gegen die Bedingungslösung die Grundlage entzogen: Dass der Erblasser regelmäßig nicht mit der Möglichkeit 441

Insofern zutreffend Tappmeier NJW 1988, 2714, 2175. Gerhards, S. 25; v. Lübtow, ErbR, 1. Halbband, 1. Hauptteil, 2. Abschnitt, 5. Kap., § 7 A (S. 295). 443 Im Ergebnis ebenso BayObLG NJW 1967, 729, 730; BayObLG FamRZ 2002, 911, 913; Keim NJW 2003, 3248, 3250. 444 Keuk, S. 87, Fn. 315; Gerhards, S. 32 f. 445 So auch Leipold ZEV 2003, 285, 286, Anm. zu BGH ZEV 2003, 284, der die Unwirksamkeitsfolge als Ergebnis der allgemeinen ergänzenden Auslegung ablehnt, vgl. MünchKomm/Leipold § 2084 Rn. 47. 446 v. Tuhr, BGB-AT II 2, § 80, Fn. 19 (S. 272); Dernburg, ErbR, § 44 II (S. 130); Strohal, ErbR, Bd. 1, § 25 I 2 (S. 139); Schiffner, S. 190; Planck/Flad § 2077 Anm. 1. 447 Ähnlich Krug, S. 39, der nicht von einer vom Erblasser angeordneten, sondern von der Konstruktion einer Bedingung spricht, da der Erblasser selbst die Scheidung „nicht voraussehen und damit auch in seiner Verfügung nicht berücksichtigen konnte“, S. 10. Ebenso Brox, ErbR, Rn. 219. 442

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einer Scheidung rechnen und dementsprechend keine, auch keine stillschweigenden, rechtsgeschäftlichen Vorkehrungen für diesen Fall in Form einer auflösenden Bedingung treffen wird448, kann gegen eine – im Wege ergänzender Testamentsauslegung – fingierte Bedingung nicht angeführt werden. Freilich kann die Scheidung als zukünftiges, ungewisses Ereignis nur vor dem Erbfall, also vor dem Zeitpunkt eintreten, in dem die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zu beurteilen ist, so dass es nicht zu der für bedingte Rechtsgeschäfte typischen Schwebelage kommen kann.449 Das hindert aber den Erblasser nicht daran, seine Verfügung unter den Vorbehalt des Nichteintritts der Scheidung zu stellen.450 Damit bleibt auch eine entsprechende Fiktion denkbar. Ausgeschlossen ist lediglich die Anwendung der auf den Schwebezustand abstellenden Vorschriften des Bedingungsrechts.451 Dementsprechend ist es systematisch nur konsequent, dass das Gesetz auch die Rechtsfolgen des Bedingungseintritts aus dem allgemeinen Bedingungsrecht, also aus § 158 II, ausgliedert und die ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung im Fall der Scheidung stattdessen in § 2077 I, also an der Schnittstelle zwischen den speziellen erbrechtlichen Bedingungsregelungen einerseits und den Regeln über die irrtumsbedingte Anfechtbarkeit letztwilliger Verfügungen andererseits, anordnet. 3. Voraussetzungen der Unwirksamkeit a) Ehe zwischen Erblasser und Bedachtem zum Verfügungszeitpunkt Die Unwirksamkeitsanordnung des § 2077 I 1 setzt zunächst voraus, dass der Erblasser zugunsten seines Ehegatten verfügt hat. Entscheidend ist insofern lediglich das objektive Bestehen der statusrechtlichen Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten. Ob der Erblasser seinen Ehegatten ausdrücklich in dieser Eigenschaft bedacht oder lediglich namentlich individualisiert hat, spielt dagegen nach zutreffender, ganz herrschender Auffassung keine Rolle.452 Der Wortlaut des § 2077 I 1 verlangt vom Erblasser keinen Hinweis auf die familienrechtliche Beziehung zum Bedachten. Eine solche Einschränkung wäre auch nicht sinnvoll, weil die Art der gewählten Bezeichnung, bei eigenhändigen Testamenten nicht zuletzt aufgrund irriger Vorstellungen des Erblassers über formale Anforderungen an ein wirksames Testament, häufig von Zufälligkeiten abhängen wird. Die Frage, ob der Ehegatte in materieller Hinsicht gerade aufgrund seiner 448 So Endemann, Bd. 3, ErbR 1, § 49 IV (S. 361 f.), gegen die Annahme einer stillschweigend erklärten Bedingung. 449 Endemann, Bd. 3, ErbR 1, § 49 IV (S. 362). 450 MünchKomm/Leipold § 2074 Rn. 7. 451 Staudinger/Otte § 2074 Rn. 17. Im Ergebnis ebenso Soergel/Loritz § 2074 Rn. 17. 452 MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 6; Planck/Flad § 2077 Anm. 1; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 1; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 4; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 6.

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Ehegatteneigenschaft oder unabhängig von ihr bedacht worden ist, ist erst im Rahmen des § 2077 III zu beantworten.453 Streitig ist, ob die Ehe zwischen Erblasser und Bedachtem bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestanden haben muss454 oder ob es ausreicht, dass die Verfügung aus Anlass455 oder doch zumindest in Erwartung der späteren Eheschließung456 errichtet worden ist. Angesichts des § 2077 II ist zu differenzieren: Bestand zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein Verlöbnis, wurde die Verfügung also insofern „aus Anlass der Eheschließung“ getroffen, ist § 2077 I analog anzuwenden, wenn die Beteiligten im Anschluss an das Verlöbnis vereinbarungsgemäß die Ehe miteinander eingegangen sind und diese Ehe später aufgelöst worden ist. Hier besteht ein Bedürfnis für die ipso iure eintretende Unwirksamkeit der Verfügung, weil zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Form des Verlöbnisses eine familienrechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten vorlag, die nach der in § 2077 II zum Ausdruck kommenden Auffassung des Gesetzgebers als Grundlage für die Vermutung ausreicht, dass der Zuwendungsempfänger lediglich aufgrund seiner persönlichen Nähebeziehung zum Erblasser bedacht worden ist. Als Anknüpfungspunkt für die Unwirksamkeit liegt § 2077 I indes näher als § 2077 II, weil die Unwirksamkeit eben nicht durch die – planmäßige – Auflösung des Verlöbnisses, sondern durch die – außerplanmäßge – Auflösung der Ehe ausgelöst wird.457 Abgesehen von dieser Sonderkonstellation erscheint die strengere erste Auffassung vorzugswürdig: Sofern sich die persönliche Beziehung der Beteiligten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung rechtlich noch nicht zur Ehe oder zumindest zum Verlöbnis verdichtet hat, fehlt es an der gesteigerten Wahrscheinlichkeit für eine irrtumsbedingt errichtete Verfügung, die die gegenüber bloßer Anfechtbarkeit schärfere Rechtsfolge der ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung rechtfertigt.458 453

So letztlich auch Wirtz, S. 84 f. MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 6. 455 Staudinger/Otte § 2077 Rn. 6. 456 BGH FamRZ 1961, 364, 366; Palandt/Edenhofer § 2077 Rn. 3; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 1. 457 Vgl. bereits Mot. Bd. V, S. 55 auf der Grundlage der Anfechtungslösung: „Ist dem Verlöbnisse die Ehe gefolgt, so ist das Verlöbnis nicht aufgelöst, sondern hat seinen Zweck erfüllt. Läßt der Erblasser seine letztwillige Verfügung nunmehr weiter bestehen, so wird es von den Umständen des Falles abhängen, ob nicht fortan der als Verlobter Bedachte in seiner Eigenschaft als Ehegatte als bedacht anzusehen ist. Dies wird in der Regel wohl zutreffen und dann der erste Absatz anwendbar werden.“ Für die geltende Rechtslage im Ergebnis wie im Text BayObLG FamRZ 1993, 362; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 4; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 6; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 16. Für Anwendung des § 2077 II dagegen Wirtz, S. 87 f.; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 14. 458 Wirtz, S. 87; AK-BGB/Finger § 2077 Rn. 3; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 6; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 14. Aus demselben Grund scheidet erst recht eine 454

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Bestand zwischen den Parteien aufgrund besonders schwerer Mängel bei der Eheschließung bzw. beim Eheschließungsversuch nicht einmal eine aufhebbare Ehe, sondern eine sog. Nichtehe als rechtliches nullum459, scheidet eine analoge Anwendung des § 2077 I auf Verfügungen des einen vermeintlichen Ehepartners zugunsten des anderen aus.460 Verfehlt wäre die Überlegung, die Unwirksamkeit, die im Falle nachträglicher Eheauflösung eintritt, müsse erst recht eintreten, wenn es schon nicht zu einer wirksamen Eheschließung gekommen sei. Denn § 2077 I stellt als Regel der ergänzenden Testamentsauslegung im Kern eben nicht auf die objektive, statusrechtliche Beziehung als solche ab; für das gewillkürte Erbrecht entscheidend ist vielmehr der Bruch in der persönlichen Nähebeziehung zwischen Erblasser und Bedachtem, der sich typischerweise in der Auflösung des zunächst wirksam begründeten Statusverhältnisses nach außen manifestiert. Die persönlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten laufen im Regelfall des § 2077 I also parallel. Der Umstand, dass den Scheinehegatten aufgrund der Eheeingehungsmängel das Statusverhältnis Ehe von vornherein versagt geblieben ist, sagt über ihre persönliche Beziehung zueinander dagegen nichts aus. Daher fehlt es im Fall der Nichtehe an der für eine Analogiebildung zu § 2077 I erforderlichen Vergleichbarkeit. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, der Erblasser wolle seinen als Ehegatten bedachten Lebensgefährten regelmäßig, d.h. auch im Fall einer ununterbrochen intakten persönlichen Beziehung, nur unter der Voraussetzung der statusrechtlichen Wirksamkeit der Ehe bedenken, gibt es nicht. Im Fall der Nichtehe kann die Verfügung zugunsten des Scheinehegatten daher nur unter den Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung gem. § 2078 II aus der Welt geschafft werden.461

analoge Anwendung des § 2077 I bzw. II im Hinblick auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft aus, die im Unterschied zur Ehe nicht einmal im Grundsatz auf lebzeitige Unauflösbarkeit ausgerichtet ist, sondern von den Partnern regelmäßig bewusst unter Verzicht auf rechtliche Bindungen eingegangen wird, OLG Celle ZEV 2003, 328, 329 m. zust. Anm. Leipold. Ebenso die h. M., vgl. RG JW 1927, 1202, 1203; BayObLG FamRZ 1983, 1226, 1228 f.; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 5; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 3; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 23. A. A. Meier-Scherling DRiZ 1979, 296, 299 und wohl auch Hausmann/Hohloch/Koutses, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Kap. 14, Rn. 56, die aber aus kautelarjuristischer Sicht davor warnt, sich auf eine analoge Anwendung des § 2077 zu verlassen. 459 Vgl. zu den einzelnen Sachverhaltskonstellationen Muscheler, FamR, Rn. 232; Palandt/Brudermüller Einf v § 1313 Rn. 6. 460 Für eine analoge Anwendung der Vorschrift dagegen Soergel/Loritz § 2077 Rn. 5. 461 Im Wesentlichen ebenso Staudinger/Otte 2077 Rn. 6, der eine etwaige Unwirksamkeit allerdings vorrangig auf ergänzende Auslegung stützen will.

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b) Bedenkung des Ehegatten Der Erblasser muss seinen Ehegatten durch letztwillige Verfügung „bedacht“ haben. Unter einer Bedenkung bzw. Zuwendung sind nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes grundsätzlich nur Erbeinsetzungen und Vermächtnisse zu verstehen.462 Trotzdem wollen Teile der Literatur § 2077 analog auch auf Auflagen zugunsten des Ehegatten anwenden.463 Das verdient Zustimmung, obwohl § 2077 im Katalog des § 2192, der die auf die Auflage entsprechend anzuwendenden Vorschriften für letztwillige Zuwendungen aufzählt, nicht erwähnt wird. Denn der entscheidende Unterschied zwischen Vermächtnis und Auflage besteht in der Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsstellung des Bedachten, dem nur im ersten Fall ein Anspruch auf die Leistung zusteht, zu der der Belastete vom Erblasser verpflichtet worden ist.464 § 2077 betrifft aber nicht die Frage nach der technischen Ausgestaltung der Rechtsstellung des begünstigten Ehegatten, sondern die Frage, ob der Ehegatte im Fall der Voraussicht der Eheauflösung überhaupt begünstigt worden wäre. Insofern ergeben sich aus dem dargestellten Unterschied zwischen Vermächtnis und Auflage keine wertungsmäßig relevanten Unterschiede. 4. Anforderungen an die Ablehnung einer Lücke gem. § 2077 III In materieller Hinsicht verlangt die Unwirksamkeitsanordnung des § 2077 I, verstanden als kraft Gesetzes erfolgende Testamentsergänzung, eine planwidrige Unvollständigkeit der Verfügung. Nach allgemeinen Grundsätzen müssten die vom Ausschluss des Ehegatten profitierenden Erbprätendenten daher zweierlei darlegen und beweisen; erstens, dass der Erblasser bei der Errichtung der Verfügung vom Fortbestand seiner Ehe ausging, und zweitens, dass er der Verfügung bei Voraussicht der Möglichkeit einer späteren Scheidung für den Fall ihres Eintritts eine auflösende Bedingung hinzugefügt hätte, so dass das Fehlen dieser Anordnung eine testamentarische Lücke bedeutet. § 2077 III kehrt die Beweislast bezüglich dieser Voraussetzungen um, weil sie nach allgemeiner Lebenserfahrung im Regelfall erfüllt sind.465 In prozessualer Hinsicht bildet die 462

Vgl. etwa §§ 1939, 1940, 2192, 2352. Lange/Kuchinke, ErbR, § 30 III 4 (S. 661); MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 10; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 4; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 6. 464 Vgl. §§ 1939, 2174 einerseits und § 1940 andererseits. 465 Der Erfahrungssatz, dass die Verfügung zugunsten des Ehegatten regelmäßig auf der Ehegatteneigenschaft des Bedachten beruht, ist trotz „Wandel(s) der Einstellungen zu Ehe, nicht ehelicher Lebensgemeinschaft und anderen Lebensbeziehungen“ entgegen BGH ZEV 2003, 284, 285 nicht obsolet geworden. Ebenso Loritz LMK 2003, 148, 149 f. sowie Leipold ZEV 2003, 285 f., Anm. zu BGH ZEV 2003, 284: Übermoderne Annahme. 463

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Fortgeltung der Verfügung also die Ausnahme. Daher ist aus der Perspektive des überlebenden Ex-Ehegatten nach den Anforderungen an die Ablehnung einer Lücke zu fragen. a) Realer Fortgeltungswille zum Zeitpunkt der Errichtung Gemäß § 2077 III tritt die Unwirksamkeitsfolge nach § 2077 I nicht ein, wenn der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Scheidung getroffen haben würde. Diese Formulierung stellt für die Fortgeltung der Verfügung ausschließlich auf einen hypothetischen Aufrechterhaltungswillen ab. Das entspricht dem tatsächlichen Regelfall, in dem der Erblasser bei der Errichtung seiner Verfügung nicht mit der Möglichkeit einer Scheidung rechnet und dementsprechend auch keinen auf Aufrechterhaltung der Verfügung gerichteten wirklichen Willen bildet. Der Wortlaut des § 2077 III hindert aber nach zutreffender herrschender Meinung nicht daran, auch und erst recht einen ausnahmsweise vorhandenen wirklichen Aufrechterhaltungswillen zu berücksichtigen.466 Vor dem Hintergrund der ergänzenden Testamentsauslegung ist das selbstverständlich: Sollte der Bedachte unabhängig von seiner Ehegatteneigenschaft begünstigt werden, wird dieses Ziel durch die Scheidung nicht berührt, so dass die ursprüngliche Verfügung nach wie vor ein taugliches Mittel zur Umsetzung der erblasserischen Ziele bildet und daher keiner Korrektur/Ergänzung bedarf.467 Ebenso selbstverständlich ist, dass eine Anfechtung der Verfügung gem. § 2078 II unter Ausblendung des § 2077 bei Vorhandensein eines realen Aufrechterhaltungswillens schon mangels Irrtums ausscheiden müsste. Damit kommt auch die den Anfechtungsmechanismus lediglich abkürzende ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung nicht in Betracht. Die Verfügung bleibt daher nicht nur dann wirksam, wenn der Erblasser sie auch für den Fall der Scheidung getroffen haben würde, sondern auch, wenn er sie tatsächlich für diesen Fall getroffen hat.468 Sofern der Erblasser nicht schon in der Verfügung zum Ausdruck gebracht hat, dass sie auch zugunsten seines geschiedenen Ehegatten gelten soll, können sich Anhaltspunkte für einen realen Aufrechterhaltungswillen aus dem Umstand ergeben, dass die Ehe zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits zerrüttet war.469 Allerdings reicht die Tatsache der Ehekrise allein nicht aus, um den zum Ausschluss der Unwirksamkeitsfolge erforderlichen Gegenbeweis zu führen.470 Der überlebende Ex-Ehegatte muss beweisen, dass der Erblasser die 466 BGH FamRZ 1960, 28, 29; BayObLG FamRZ 1993, 362; OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 1540, 1541; LG Berlin NJ 1950, 510. 467 Vgl. zur ergänzenden Testamentsauslegung als Methode zur Behebung einer „Ziel-Mittel-Störung“ Foerste DNotZ 1993, 84, 85; Gerhards JuS 1994, 642, 643. 468 Muscheler DNotZ 1994, 733, 737. 469 LG Berlin NJ 1950, 510; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 16. 470 OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 1540, 1541.

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Scheidung bei der Testamentserrichtung als – nicht nur theoretische – Möglichkeit berücksichtigt hat. Daran fehlt es, wenn der Erblasser mit einer Aussöhnung rechnete471, was im Falle eines non-liquet zu unterstellen ist. Fraglich ist, ob der reale Aufrechterhaltungswille in der Verfügung angedeutet sein muss. Die wohl herrschende Meinung472 hält die Einhaltung der für letztwillige Verfügungen vorgeschriebenen Form für erforderlich, offenbar weil sie den realen Fortgeltungswillen im Wege erläuternder Auslegung als Gegenstand einer gesonderten Erklärung festzustellen versucht: Neben die Erklärung „Ich setze meine Frau X als Erbin ein“ soll offenbar eine weitere Erklärung mit dem Inhalt „Das Vorgesagte gilt auch für den Fall der Scheidung“ treten, für die dann die erbrechtlichen Formvorschriften gelten.473 Das ist unzutreffend, weil es einer solchen zusätzlichen Willenserklärung zur Aufrechterhaltung der Verfügung nicht bedarf.474 Erforderlich wird die gesetzliche Testamentsergänzung nach § 2077 I ja gerade deshalb, weil schon die erste Anordnung nach erläuternder Auslegung nur als unbedingte Erbeinsetzung verstanden werden kann475; formgerecht geäußert ist der Wille zur Bedenkung auch des geschiedenen Ehegatten also bereits durch sie. Der Aufrechterhaltungswille ist keine zusätzliche letztwillige Verfügung, sondern verbietet lediglich, die Scheidung als einen zur Testamentsergänzung berechtigenden Umstand zu bewerten. Vergleicht man etwa die Regelung des § 2077 I mit der Fallgruppe des Vorversterbens des dem Erblasser nahestehenden Bedachten, in der es auf der Rechtsfolgenseite darum geht, ob die Abkömmlinge bzw. die Familie des Vorverstorbenen im Wege ergänzender Auslegung an seiner Stelle berufen sind476, so entspricht die Frage nach dem Aufrechterhaltungswillen in § 2077 III dort der Frage nach dem Umstand, ob der ursprünglich Bedachte überhaupt vorverstorben ist.477 Dieser Umstand muss sich sicher nicht aus der Verfügung ergeben. Nichts anderes gilt für den Aufrechterhaltungswillen, der deshalb auch dann nach § 2077 III berücksichtigt werden kann, wenn er sich nur anhand von außerhalb der Verfügung liegenden Umständen ermitteln lässt.478 Damit erübrigt sich die bloß verwirrende Negativumschreibung, der Aufrechterhaltungswille brauche nicht unmittelbar oder ausdrücklich zum Ausdruck gekommen zu sein. 471

Soergel/Loritz § 2077 Rn. 16; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 18. OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 1540, 1541; Herzog-Grün, S. 66; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 16; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 18. 473 So wohl BGH FamRZ 1960, 28, 29; BayObLG FamRZ 1993, 362. 474 Siber Festgabe RG III, 350, 367. 475 Zutreffend Keuk, S. 80. 476 Vgl. zu dieser Fallgruppe Palandt/Edenhofer § 2069 Rn. 8. 477 Ganz ähnlich Endemann, Bd. 3, ErbR 1, § 65 III (S. 515), der die ergänzende Unwirksamkeitsanordnung des § 2077 I – wenn sie denn eingreift – damit erklärt, dass die in ihrer Eigenschaft als Ehegatte eingesetzte Person nach der Scheidung nicht mehr als solche existiert. 478 Planck/Flad § 2077 Anm. 3; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 10. 472

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Mittelbare oder stillschweigende „Andeutung“ bedeutet ja nichts anderes als Folgerung des Aufrechterhaltungswillens aus äußeren Umständen.479 b) Fehlen eines realen Aufrechterhaltungswillens im Errichtungszeitpunkt Sofern ein realer Wille des Erblassers zur Aufrechterhaltung der Verfügung für den Scheidungsfall im Errichtungszeitpunkt fehlt, gehen die Meinungen über die Anforderungen, die an den Fortbestand der Verfügung zu stellen sind, auseinander. Im Groben sind zwei Strömungen zu unterscheiden: Nach herrschender Meinung kommt es für die Fortgeltung der Verfügung im Grundsatz allein auf einen entsprechenden – hypothetischen oder nachträglich wirklich gebildeten – Willen des Erblassers an. Eine von Battes480 repräsentierte Mindermeinung löst sich dagegen vom Erblasserwillen und lässt heteronome – deutlicher: erblasserfremde – Gründe zur Aufrechterhaltung der Verfügung zu. aa) Heteronome Aufrechterhaltungsgründe? Battes will für den Fall, dass ein realer Erblasserwille fehlt, in Anlehnung an die Spruchpraxis US-amerikanischer Gerichte den Fortbestand der Verfügung davon abhängig machen, ob sie „in die Gesamtheit der Scheidungsfolgen hineinpaßt, welche im konkreten Fall eingetreten sind“481. Als Legitimation für die Anwendung dieses objektiven Maßstabs unter Abkopplung vom Erblasserwillen soll § 2077 I herhalten: Da dem Willen des Erblassers, die erbrechtlichen Erwerbsaussichten seines geschiedenen Ehegatten auszuschließen, bereits durch die Möglichkeit des Widerrufs bzw. der Anfechtung hinreichend Rechnung getragen werde, müsse die insofern überschießende ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung auf einem anderen Grund, nämlich auf einer objektiven Wertentscheidung des Gesetzgebers beruhen.482 Mit der geltenden Rechtslage hat diese Argumentation nichts zu tun; dass sie in offenem Widerspruch zum Wortlaut des § 2077 III steht483, bedarf keiner Erwähnung. Auch ihre Prämisse ist ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien falsch. Auf die Erklärung des Widerrufs bzw. der Anfechtung wurde nur des479 Ohne Anhalt in der Verfügung allgemein als ausreichend erachtet wird dementsprechend der Umstand, dass der Erblasser während eines von ihm selbst eingeleiteten Scheidungsverfahrens zugunsten seines Noch-Ehegatten verfügt hat, vgl. neben den in Fn. 472 genannten Literaturstimmen etwa Battes JZ 1978, 733, 734. 480 JZ 1978, 733. 481 Battes JZ 1978, 733. 482 Battes JZ 1978, 733, 735. 483 Herzog-Grün, S. 101; MünchKomm/Leipold § 2077, Fn. 28; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 2.

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halb verzichtet, weil man sie angesichts des regelmäßig auf Ausschluss des ExEhegatten gerichteten Erblasserwillens für eine ungerechtfertigte Formalität hielt.484 Selbst wenn man über diese Bedenken hinwegsehen und eine hinter § 2077 I vermutete objektive Wertentscheidung unterstellen würde, könnte sie jedenfalls nicht für die Aufrechterhaltung der Verfügung fruchtbar gemacht werden. Denn der Einwand des überlebenden Geschiedenen, dass die Aufrechterhaltung der Verfügung unter Berücksichtigung der Scheidungsfolgen objektiv sinnvoll ist, bliebe im Rahmen einer Anfechtung unberücksichtigt. Ihn im Rahmen des § 2077 III zuzulassen, liefe daher darauf hinaus, aus der gegenüber der Anfechtbarkeit gerade weiter reichenden Rechtsfolge des § 2077 I eine Einschränkung der Anfechtbarkeit abzuleiten. Auch im Ergebnis kann Battes’ Ansicht nicht überzeugen. Denn sie bedeutet nicht weniger, als die vom Gesetz vorgesehenen oder von den Eheleuten vereinbarten Scheidungsfolgen für bankrott zu erklären. Die Aufrechterhaltung der Verfügung passt ja nur dann in die Scheidungsfolgen hinein, wenn man dem Richter die Feststellung gestattet, dass jene isoliert betrachtet nicht geeignet sind, das objektive Versorgungs- und Vermögensteilhabeinteresse des überlebenden Ex-Ehegatten zu befriedigen. Diese Befugnis steht dem Richter nicht zu, weil das Gesetz vermögensrechtliche Äquivalenzstörungen – wie Battes selbst zugibt485 – auf güterrechtlichem Wege und durch den Versorgungsausgleich regelt. Und dass es gerade nicht Aufgabe des Erbrechts ist, nach bzw. aufgrund der Scheidung eingetretene Versorgungslücken zu schließen, belegt § 1933 S. 3 sogar für die gesetzliche Erbfolge, hinter der – wenn überhaupt – noch am ehesten eine objektive Wertentscheidung des Gesetzgebers vermutetet werden darf: Obwohl die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geschieden ist, ist der Überlebende im Hinblick auf etwaige Versorgungslücken auf einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegen die Erben verwiesen, § 1586b. Seine Bedürftigkeit ändert am Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht nichts. Damit kann die Fortgeltung einer letztwilligen Verfügung erst recht nicht aus rein objektiven Umständen – also ohne Rückkopplung an den Erblasserwillen – abgeleitet werden.486 So weit will Battes freilich selbst nicht gehen. Auch nach seiner Konzeption ist in einem ersten Schritt der Zweck bzw. die Funktion zu ermitteln, die der Erblasser seiner Verfügung zugewiesen hat. Nur hält Battes diese Funktion, etwa die Altersversorgung des Ehegatten, für „objektivierbar“ und glaubt deshalb, die Fortgeltung der Verfügung losgelöst vom Erblasserwillen davon abhängig machen zu dürfen, ob die ursprüngliche Funktion auch nach der Scheidung noch sinnvoll erfüllt werden kann.487 Der Fehler dieses Gedankengangs 484 485 486 487

Vgl. 3. Teil, A. I. 1. Battes JZ 1978, 733, 735. Ähnlich Staudinger/Otte § 2077 Rn. 21. Battes JZ 1978, 733, 736.

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steckt in dem Begriff der objektivierbaren Funktion der Verfügung: Zwar kann ihre Funktion für Außenstehende nachvollziehbar sein und insofern objektiviert, d.h. namhaft gemacht werden. Das ändert aber nichts daran, dass der Erblasser die mit der Verfügung verfolgten Zwecke willkürlich festgesetzt hat und in Kenntnis von der späteren Scheidung regelmäßig von der Verfügung abgesehen hätte.488 Die Objektivierung im Sinne bloßer Feststellbarkeit der Funktion erlaubt es daher nicht, die Funktion vom Willen des Erblassers zu emanzipieren. Damit erweist sich die Rede von der objektivierbaren Funktion der Verfügung für die Fälle als irreführend, in denen der Erblasser nicht mit der Möglichkeit einer Scheidung rechnete. Nur unschädlich ist sie in den Fällen, in denen der Erblasser die Verfügung zumindest auch für den Fall der späteren Scheidung – etwa in Zusammenhang mit einem Verzicht des Begünstigten auf den Versorgungsausgleich – errichtet hat.489 Gewonnen ist durch die Anknüpfung an die objektivierte Funktion dann aber nichts, weil sich die Fortgeltung der Verfügung in diesen Fällen bereits unmittelbar aus dem realen Willen des Erblassers ableiten lässt. Zur Beantwortung der Frage nach der Fortgeltung der Verfügung sind erblasserfremde Motive daher nie zu berücksichtigen. bb) Hypothetischer Fortgeltungswille zum Errichtungszeitpunkt oder realer nachträglicher Fortgeltungswille? Da sich die Anknüpfung an objektive Umstände als untaugliches Kriterium erwiesen hat, um den Fortbestand der Verfügung zu rechtfertigen, kann über ihr Schicksal nur anhand des Erblasserwillens entschieden werden. Die herrschende Meinung hält in Ermangelung eines realen Willens bei Testamentserrichtung den hypothetischen Willen für maßgeblich, den der Erblasser bei Voraussicht der Möglichkeit der späteren Scheidung im Errichtungszeitpunkt gebildet hätte.490 Für diese Ansicht spricht die konjunktivische Fassung des § 2077 III, der angesichts der Scheidung rückblickend danach fragt, ob der Erblasser die Verfügung auch für diesen Fall getroffen haben würde. Zudem entspricht es dem Verständnis des § 2077 als – ergänzende – Auslegungsregel, auf den – wenn auch nur hypothetischen – Willen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, also auf den Erklärungszeitpunkt, abzustellen. Nach einer Mindermeinung soll es dagegen auf den anlässlich der Scheidung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt gebildeten, wirklichen Willen des Erblassers ankommen. Wenn sich 488

Ähnlich Tappmeier, S. 185. Staudinger/Otte § 2077 Rn. 21. 490 BGH FamRZ 1960, 28, 29; BGH ZEV 1995, 150, 152 m. Anm. Klumpp; BayObLG FamRZ 1983, 839 (nur Leitsatz); BayObLG FamRZ 1995, 1088; OLG Fankfurt/M. Rpfleger 1978, 412, 413; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 21; RGRK/ Johannsen § 2077 Rn. 4; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 17; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 20. Unklar AK-BGB/Finger § 2077 Rn. 5. 489

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angesichts der unvorhergesehenen Scheidung schon die Frage nach einer Ergänzung der Verfügung stelle, könne diese Frage sinnvoll nur nach Maßgabe des letzten, also desjenigen Willens beantwortet werden, der dem Erbfall zeitlich am nächsten liegt.491 (1) Divergenzen der Lösungen: Sinneswandel des Erblassers und Rückwendung zur Verfügung Im Ergebnis unterscheiden sich die dargestellten Ansichten in geringerem Maße, als es auf den ersten Blick scheint. Das liegt daran, dass den nach Testamentserrichtung erfolgten Willensbekundungen des Erblassers nach herrschender Meinung mittelbare Bedeutung für die Fortgeltung der Verfügung zukommt. Der nachträglich geäußerte wirkliche Wille spiele insofern eine Rolle, als er Rückschlüsse auf den hypothetischen Willen zum Zeitpunkt der Errichtung zulasse.492 Herrschende und Mindermeinung gelangen daher zum selben Ergebnis, wenn sich der nachträgliche reale Wille „als bruchlose Weiterführung der ursprünglichen Motivation darstellt“493. Damit erweist sich der vermeintliche Vorzug der Mindermeinung, auf einen wirklichen anstatt auf einen unsicheren hypothetischen Willen abstellen zu können494, als Scheinargument: Sofern der hypothetische Wille aus dem späteren realen Willen abgeleitet wird, ist jener ebenso sicher feststellbar wie dieser.495 Zugleich verlagert sich die Ausgangsproblematik – hypothetischer Wille bei oder realer Wille nach Testamentserrichtung – auf die Frage, ob ein nach Testamentserrichtung geäußerter Wille auf einem Sinneswandel des Erblassers beruht. In diesem Fall entfällt die Möglichkeit, die nachträgliche Willensäußerung als Manifestation eines entsprechenden hypothetischen Willens im Errichtungszeitpunkt zu bewerten. Ob nachträglicher realer und anfänglicher hypothetischer Wille als durch die Zäsur eines neuen Willensentschlusses getrennt erscheinen, hängt entscheidend von der Frage ab, welche Umstände der Vorstellung des Erblassers bei Testamentserrichtung implantiert werden. Lässt man den Erblasser bei Ermittlung des hypothetischen Willens auf alle bis zum Erbfall eingetretenen Ereignisse antizipiert reagieren, können hypothetischer und realer Wille nur noch dann auseinander fallen, wenn der Erblasser als erkennendes Subjekt einen bestimmten Umstand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung anders bewerten würde als zu dem Zeitpunkt, in dem der Umstand eintritt. Nivelliert man auch noch 491

Foer AcP 153 (1954) 492, 511 f.; Kuchinke FS Gaul, 357, 363; Keuk, S. 72. So schon Zitelmann, S. 52 f. 493 MünchKomm/Leipold § 2084 Rn. 49. 494 Keuk, S. 69. 495 So auch Foer AcP 153 (1954), 492, 515, freilich mit umgekehrten Vorzeichen: Das Verfahren der h. M. sei ebenso unsicher wie das der Mindermeinung. 492

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diesen Unterschied, indem man die unvorhergesehenen Ereignisse aus der Perspektive des älteren Erblassers bewertet, also die Fortentwicklung des erkennenden Subjekts selbst zu einem einzubeziehenden äußeren Umstand erklärt, können hypothetischer und realer Wille überhaupt nicht mehr divergieren.496 Damit wäre der Unterschied zur Mindermeinung vollständig eingeebnet und verkäme die nur mittelbare Berücksichtigung des realen Willens durch Rückprojektion auf den Errichtungszeitpunkt in der Tat zu einem dogmatischen Lippenbekenntnis.497 Von einer derart weit reichenden Berücksichtigung unvorhergesehener Umstände ist in § 2077 III indes nicht die Rede. Mit der Formulierung „für einen solchen Fall“ verweist die Vorschrift auf die in den ersten beiden Absätzen umschriebenen, regelmäßig zur Unwirksamkeit der Verfügung führenden Umstände. Nach dem Wortlaut dürfen daher auch nur diese der Vorstellung des Erblassers implantiert werden.498 Das führt dazu, dass ein in Anbetracht späterer Umstände gebildeter und geäußerter Wille des Erblassers bei der Ermittlung des hypothetischen Willens nach herrschender Meinung unberücksichtigt bleiben muss. Kommt es nach der Scheidung etwa zu einer Aussöhnung der geschiedenen Ehegatten, spielt der angesichts dieser neuen Situation gebildete Wille zur Aufrechterhaltung der ursprünglichen Verfügung nach herrschender Meinung keine Rolle, so dass die Verfügung gem. § 2077 I unwirksam ist.499 Der Erblasser muss daher, wenn er seinem Ex-Ehegatten das ursprünglich Zugewendete nunmehr wieder zuwenden will, eine neue, mit dem ursprünglichen Testament inhaltlich identische Verfügung errichten. Die Erforderlichkeit einer solchen

496 So offenbar Lange/Kuchinke, ErbR, § 34 III 7 a) (S. 789), die den Erblasser „aus der Haltung, Reife und Erkenntnis der späteren Jahre“ urteilen lassen wollen. Dagegen zu Recht Brox, S. 157. 497 Insofern zutreffend die Kritik von Keuk, S. 73 f. und Foer AcP 153 (1954), 492, 512: Dieses Verfahren „würde der Behauptung gleichkommen, daß jede Entschließung vermutlich schon früher gefaßt worden wäre, wenn sie nur vorausbedacht worden wäre. (. . ..) Es lässt unberücksichtigt, daß jede Willensbildung letztlich ein Akt ganz persönlicher Entscheidung ist, der nicht nur durch äußere Einflüsse, sondern besonders durch innere Einsicht motiviert wird, und daß Einsicht ihre Zeit braucht und von dem Zeitpunkt, in dem sie schließlich erhellt, auch hypothetisch nicht gelöst werden kann.“ 498 BGH FamRZ 1961, 364, 366; Dieterle BWNotZ 1970, 170, 171; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 4. Im Grundsatz ebenso v. Lübtow, ErbR, 1. Halbband, 1. Hauptteil, 2. Abschnitt, 5. Kap., § 6 C (S. 293), der die Berücksichtigung späterer Umstände nur im Wege der Analogie für möglich hält. Ohne weiteres mit dem Wortlaut zu vereinbaren ist es freilich, die konkreten Umstände der Eheauflösung zu berücksichtigen, vgl. BGH FamRZ 1961, 364, 366: Aufrechterhaltung der Verfügung eines jüdischen Erblassers gemäß § 2077 III bei einer nur „äußerlich vollzogenen Ehescheidung“ im Jahr 1939. 499 BayObLG FamRZ 1995, 1088, 1089; Tappmeier DNotZ 1987, 715, 724; Herzog-Grün, S. 103; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 1; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 22; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 17; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 20.

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neuen Verfügung bildet das Kernstück der Kritik der Mindermeinung: Der Erblasser gehe selbstverständlich davon aus, dass die ursprüngliche und mit seinem aktuellen Willen übereinstimmende Verfügung nach wie vor wirksam sei, so dass sich für ihn die Frage nach einer neuerlichen Errichtung einer inhaltsgleichen Verfügung nicht stelle. Sie trotzdem zu verlangen, bedeute daher eine unbillige Härte für „jeden Menschen mit gesundem Menschenverstande“500. Diese Härte wird durch die Berücksichtigung des realen nachträglichen Willens vermieden. Im Folgenden soll daher geprüft werden, ob eine solche Berücksichtigung dogmatisch möglich ist. (2) Nachträglicher Wille und Form der Verfügung Die herrschende Meinung lehnt die Berücksichtigung des nachträglichen Willens ab, weil sie eine Verletzung der erbrechtlichen Formvorschriften bedeute. Diesen Einwand hat insbesondere Foer501 zu entkräften versucht. Den Ausgangspunkt seiner Argumentation bildet die Annahme einer besonderen Anlage der erbrechtlichen „Im-Zweifel-Vorschriften“. Diese Vorschriften502 setzten einerseits eine mehrdeutige Verfügung voraus, ordneten die in ihnen vorgesehene Rechtsfolge anderseits aber nur für den Zweifelsfall an. Da bereits der Befund der Mehrdeutigkeit voraussetze, dass die Auslegung nach und trotz Berücksichtigung aller formgerecht geäußerten Umstände nur zu einem non-liquet führe, müssten auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände dazu geeignet sein, die in der Vorschrift vorgesehene Rechtsfolge zu derogieren; andernfalls träte diese nicht nur im Zweifel, sondern immer ein.503 Die erbrechtlichen Formanforderungen seien stets gewahrt, da die ursprüngliche Verfügung gerade aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit den durch außerhalb der Verfügung liegende Umstände ermittelten Willen decke.504 Zu den besonders veranlagten „Im-ZweifelVorschriften“ zählt Foer auch § 2077. Zwar gesteht er zu, dass die ursprünglich eindeutige Verfügung auch durch die unvorhergesehene Scheidung nicht unklar wird. Diese Abweichung von den übrigen „Im-Zweifel-Vorschriften“ korrigiere aber § 2077 selbst: Die Vorschrift erkläre die „an sich“ eindeutige Verfügung kraft Gesetzes für nachträglich mehrdeutig, um diese Mehrdeutigkeit anschließend nach Maßgabe des im Zweifel gewandelten Erblasserwillens aufzulösen, der angesichts der Scheidung nunmehr auf die Unwirksamkeit der Verfügung gerichtet sei.505

500 501 502 503 504 505

Lange JhJb 82 (1932), 1, 33. Ebenso Foer AcP 153 (1954), 492, 514. AcP 153 (1954), 492. Vgl. die Auflistung bei Foer AcP 153 (1954), 492, 495. Foer AcP 153 (1954), 492, 496. Foer AcP 153 (1954), 492, 497. Foer AcP 153 (1954), 492, 504 f.

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Richtig an diesen Ausführungen ist nur ihr unmittelbares, also auf den ursprünglich vorhandenen Aufrechterhaltungswillen bezogenes Ergebnis. Bei seiner Ermittlung können die erbrechtlichen Formvorschriften in der Tat außer Betracht bleiben. Falsch ist aber die Begründung, und zwar selbst dann, wenn man der gewagten – und zur dogmatischen Erfassung des § 2077 unnötigen506 – Konstruktion von der gesetzlich angeordneten Mehrdeutigkeit der Verfügung folgen und dementsprechend die Einbeziehung des § 2077 in den Kreis der „Im-Zweifel-Vorschriften“ billigen würde. Denn der Eintritt der Rechtsfolgen dieser Vorschriften setzt entgegen Foers Prämisse tatbestandlich nicht kumulativ Mehrdeutigkeit und Zweifel voraus. Beide Begriffe beschreiben vielmehr einund dieselbe Tatbestandsvoraussetzung: Ist die Verfügung mehrdeutig, ist das Tatbestandsmerkmal „im Zweifel“ erfüllt.507 Sowohl Mehrdeutigkeit als auch Zweifel zu verlangen, liefe dagegen darauf hinaus, das Merkmal „im Zweifel“ unzulässigerweise ein zweites Mal in den Tatbestand der entsprechenden Vorschrift hineinzulesen. Ohne den „zweiten Zweifel“ bricht Foers Argumentation zusammen: Wenn ein solches Merkmal nicht existiert, kann die Berücksichtigung nicht formgerecht geäußerter Umstände nicht damit gerechtfertigt werden, nur diese Umstände seien geeignet, das Merkmal zu entkräften. Dass die erbrechtlichen Formvorschriften bei der Ermittlung des ursprünglichen, hypothetischen Aufrechterhaltungswillens nie im Wege stehen, liegt nicht daran, dass die Formanforderungen stets gewahrt wären, sondern daran, dass der in Rede stehende hypothetische Wille keine letztwillige Verfügung darstellt und dementsprechend den §§ 2231, 2232, 2247 gar nicht unterworfen ist. Nach irrtumsrechtlicher Terminologie bedeutet die Feststellung des ursprünglichen, hypothetischen Aufrechterhaltungswillens lediglich die Verneinung der – für die Anfechtbarkeit nach § 2078 II wie für die Unwirksamkeitsanordnung des § 2077 I gleichermaßen erforderlichen – Kausalität zwischen der Fehlvorstellung des Erblassers über den Fortbestand der Ehe und seiner Verfügung. Die ursprüngliche, unbedingte und formgerechte Verfügung zugunsten des Ehegatten bleibt einfach unangetastet, weil sie nicht auf der fehlerhaften Willensbildung des Erblassers beruht. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass für den erst nachträglich gebildeten Aufrechterhaltungswillen andere Maßstäbe gelten. Denn dessen Annahme setzt definitionsgemäß voraus, dass die Verfügung ursprünglich irrtumsbedingt errichtet worden ist. Anders als bei der Ermittlung des ursprünglichen geht es beim nachträglichen Aufrechterhaltungswillen also nicht darum, ob eine fehlerhaft motivierte Verfügung vorliegt, sondern darum, ob der Erblasser eine solche Ver506 Methodisch zweifelhaft erscheint es, eine dogmatisch mögliche Bestimmung der Rechtsnatur einer Vorschrift nur deshalb zu unterlassen, um die aus dieser Zuordnung resultierenden Konsequenzen nicht ziehen zu müssen. So aber Foer AcP 153 (1954), 492, 515. Zur Rechtsnatur des § 2077 vgl. 3. Teil, A. I. 2. 507 Keuk, S. 79.

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fügung formlos bestätigen kann. Das wird zwar für eine wegen Motivirrtums gem. § 2078 II anfechtbare Verfügung von einem Teil der Literatur bejaht.508 Gerade im Hinblick auf die Anforderungen an eine Bestätigung laufen § 2078 und § 2077 aber nicht mehr parallel: Da letztere Vorschrift die irrtumsbedingt errichtete Verfügung für unwirksam und nicht nur für anfechtbar erklärt, kommt eine Bestätigung nur nach Maßgabe des § 141 I, also durch förmliche Neuvornahme in Betracht.509 Diese Konsequenz der unterschiedlichen Wirkungsweise zwischen § 2078 II und § 2077 ist zu respektieren. Denn die in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle angemessene Lösung des Gesetzgebers, die Unwirksamkeit eheabhängiger Verfügungen bei Auflösung der Ehe unabhängig von einer entsprechenden Gestaltungserklärung des Erblassers oder nachrückender Erbprätendenten eintreten zu lassen, ist eben nur um den Preis zu haben, dass es mangels eines Schwebezustands bloßer Vernichtbarkeit der Verfügung im Fall der Eheauflösung an einem bestätigungsfähigen Gegenstand fehlt. Angesichts dieses Befundes ist es nicht verwunderlich, dass die Anhänger der Mindermeinung schon die Verhängung des nachträglich schwerlich zu korrigierenden Unwirksamkeitsverdikts scheuen. Um die Konsequenz der Unwirksamkeit nach § 2077 I nicht ziehen zu müssen, reicht aber der bloße Hinweis, dass es sich bei dem hypothetischen Willen, auf dem die nach dieser Vorschrift eintretende Testamentsergänzung beruht, im Vergleich mit einem entsprechenden wirklichen Willen um ein aliud handelt, nicht aus.510 Zwar läuft der für die erläuternde Auslegung geltende Grundsatz, dass nur der im Zeitpunkt der Errichtung erklärte Wille maßgeblich sein soll, für die ergänzende Auslegung mangels Vorhandenseins eines solchen realen Willens ins Leere. Daraus folgt aber nicht, dass für die Ermittlung des hypothetischen Willens „die zeitliche Fixierung völlig offen“511 wäre. Da es sowohl bei der erläuternden als auch bei der ergänzenden Auslegung um die Feststellung des rechtlichen Inhalts der Willenserklärung geht, ist zunächst davon auszugehen, dass für die Ermittlung des hypothetischen Willens auch im Hinblick auf den relevanten Zeitpunkt derselbe Maßstab gilt wie für die Ermittlung des realen Willens. Das Abrücken vom Er508 Lindacher FamRZ 1974, 345, 348; Dernburg, ErbR, § 46 IV 4 (S. 276 f.); Lange/Kuchinke, ErbR, § 36 V 2 (S. 856 f.); MünchKomm/Leipold § 2078 Rn. 51; Staudinger/Otte § 2080 Rn. 22. Ablehnend dagegen die wohl h. M., vgl. BayObLG Rpfleger 1975, 242 (das aus einem bewussten Geltenlassen der Verfügung freilich den Schluss ableitet, dass der Erblasser ohne den Irrtum ebenso verfügt haben würde); OLG Hamm ZEV 1994, 168, 170 m. zust. Anm. Langenfeld; Bengel DNotZ 1984, 132, 134; Brox, ErbR, Rn. 241; Kipp/Coing, ErbR, § 24 VII 1 (S. 178); Strohal, ErbR, Bd. 1, § 41, Fn. 15 (S. 302); Planck/Flad §§ 2078–2083 Anm. 2 b) g). 509 v. Lübtow, ErbR, 1. Halbband, 1. Hauptteil, 2. Abschnitt, 5. Kap., § 6 C, Fn. 168 (S. 293). A. A. Lange/Kuchinke, ErbR, § 35 I 4 (S. 818) und Bosch FamRZ 1968, 218, Anm. zu KG FamRZ 1968, 217, der seinen Vorschlag – formlose Bestätigung – offenbar selbst für dogmatisch suspekt hält. 510 So aber Keuk, S. 66 ff. 511 Kuchinke FS Gaul, 357 f.

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richtungszeitpunkt ist daher nicht eine von mehreren gleichwertig nebeneinander stehenden Alternativen, sondern die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. Sinn und Zweck der ergänzenden Auslegung gebieten aber nicht, eine solche Ausnahme zuzulassen.512 Im Gegenteil: Die ergänzende Auslegung soll lediglich ein konkretes Sachverhaltsdefizit kompensieren, also einen fehlerhaft motivierten Erblasser in den Stand eines irrtumsfrei verfügenden Erblassers versetzen. Sie erlaubt daher bestenfalls die Fiktion einer Willenserklärung nach Maßgabe eines um das Sachverhaltsdefizit bereinigten Vorstellungsbildes des Erblassers. Daraus folgt, dass die darüber hinausgehende Berücksichtigung einer nachträglichen Willensänderung, also der bloßen Neubewertung des – als von Anfang an bekannt fingierten – Umstandes, die Grenzen der ergänzenden Auslegung verletzen würde. Denn auch ein von vornherein irrtumsfrei verfügender Erblasser, der die Möglichkeit einer späteren Scheidung vorhergesehen und diesen Fall in der einen oder anderen Weise formgerecht geregelt hat, kann seinem nachträglichen Anschauungswandel nur durch ein neues, formbedürftiges Testament Geltung verschaffen. Damit erweist sich der Grundsatz der herrschenden Meinung als richtig. Ein nachträglich gebildeter Aufrechterhaltungswille kann im Rahmen des § 2077 III nicht berücksichtigt werden. (3) Sonderfall Wiederheirat Der überwiegende Teil der herrschenden Meinung hält das bisher ermittelte Ergebnis im Hinblick auf eine Sonderkonstellation für korrekturbedürftig, nämlich dann, wenn die Eheleute nach der Scheidung erneut die Ehe miteinander eingegangen sind.513 Sachlich liegt der befürworteten, privilegierten Behandlung dieses Sonderfalls die nahe liegende Überlegung zugrunde, der wiederverheiratete Erblasser werde die zweite Eheschließung im Regelfall untechnisch als eine Art Heilung der Scheidung verstehen.514 Daher sei das Risiko, dass der Erblasser irrig auf den Fortbestand seiner Verfügung vertraue und dementsprechend von einem vermeintlich überflüssigen, inhaltsgleichen Neutestat absehe, im Wiederverheiratungsfall besonders groß.515 512

Brox, S. 156. BayObLG DNotZ 1996, 302, 305 m. Anm. Kuchinke; Dieterle BWNotZ 1970, 170; Tappmeier DNotZ 1987, 715, 722 f.; Herzog-Grün, S. 104; AK-BGB/Finger § 2077 Rn. 5; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 23; Palandt/Edenhofer § 2077 Rn. 7; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 6; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 17; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 20. A. A. KG FamRZ 1968, 217, 218 m. abl. Anm. Bosch; Frank, ErbR, § 7 Rn. 15; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 1; Soergel/Damrau11 § 2077 Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 7. 514 Staudinger/Otte § 2077 Rn. 20. 515 Bosch FamRZ 1968, 218, Anm. zu KG FamRZ 1968, 217; Herzog-Grün, S. 104; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 23; Palandt/Edenhofer § 2077 Rn. 7; Staudinger/ Otte § 2077 Rn. 20. Ebenso wohl BayObLG DNotZ 1996, 302, 305 m. Anm. Kuchinke. 513

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Die dogmatische Begründung für eine Privilegierung des wiederverheirateten Erblassers bereitet indes Schwierigkeiten.516 Denn nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens scheidet auch in den Wiederverheiratungsfällen eine Fortgeltung der Verfügung nach Maßgabe des § 2077 III517 aus. Dass der Erblasser regelmäßig und möglicherweise intensiver als in den Fällen einer bloßen Aussöhnung auf die Wirksamkeit seiner ursprünglichen Verfügung vertraut, ändert ja nichts daran, dass der Wille zu ihrer Aufrechterhaltung infolge der Wiederheirat – ebenso wie in den Fällen der Aussöhnung – nachträglich und formlos neu gebildet worden ist und damit im Rahmen des § 2077 III unberücksichtigt bleiben muss. Sofern man nicht offen mit diesem Grundsatz brechen will518, muss eine Korrektur der Wiederverheiratungsfälle früher, nämlich am ersten Absatz des § 2077, ansetzen. (a) Ansatz zur Korrektur der Wiederverheiratungsfälle: Nichtanwendung des § 2077 I Ein Teil der Literatur hält schon den Tatbestand des § 2077 I im Fall der Wiederheirat für nicht erfüllt.519 Die Beurteilung der Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung richte sich nicht nach dem Zeitpunkt der Scheidung, sondern nach dem Zeitpunkt des Erbfalls. Zu diesem Zeitpunkt lägen die Voraussetzungen des § 2077 I aber nicht vor, weil zwischen dem Erblasser und dem Bedachten eine wirksame Ehe bestehe. Um ein nachträgliches Wiederaufleben einer zunächst infolge der Scheidung unwirksam gewordenen Verfügung handele es sich dabei nicht.520 Die Wiederheirat führe lediglich dazu, dass der Verfügung zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt kein Unwirksamkeitsgrund mehr anhafte. Mangels Anwendbarkeit des § 2077 I komme es auf einen hypothetischen Aufrechterhaltungswillen im Sinne des § 2077 III nicht an. 516 Keine Probleme ergeben sich für die Anhänger der Mindermeinung, die Fortbestand und Unwirksamkeit der Verfügung nach objektiven Maßstäben beurteilen wollen. So gelangt etwa Tappmeier, DNotZ 1987, 715, 722, ausgehend von der Annahme, § 2077 müsse losgelöst vom mutmaßlichen Erblasserwillen als gesetzliche Wertentscheidung verstanden werden, ohne weiteres zur Wirksamkeit der Verfügung: „Heiraten die geschiedenen Ehegatten einander erneut, ist die erbrechtliche Beteiligung des alten und des neuen Ehegatten am Nachlaß nach der Wertentscheidung des Gesetzes im gesetzlichen Erbrecht wünschenswert und als gerecht gewollt.“ Zur Kritik an diesem Ansatz vgl. 3. Teil, A. I. 2. 517 Dafür aber BayObLG DNotZ 1996, 302, 305 m. Anm. Kuchinke; Herzog-Grün, S. 103 ff.; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 13; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 20. 518 So ausdrücklich Herzog-Grün, S. 103 f., unter Hinweis darauf, dass keine weitere Aushöhlung der Formvorschriften drohe, da es sich bei der Wiederheirat der Ehegatten um einen klar definierten und ohne Schwierigkeiten nachweisbaren Ausnahmefall handele. 519 Tappmeier DNotZ 1987, 715, 722 f.; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 23. 520 Keuk, S. 54; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 23.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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Im Ergebnis läuft die dargestellte Auffassung auf eine Rückwirkungsfiktion hinaus. Die Eheleute werden aufgrund ihrer Wiederheirat vom Zeitpunkt des Erbfalls aus rückschauend so behandelt, als seien sie überhaupt nicht geschieden worden. Streng genommen trifft diese Betrachtungsweise nicht zu; denn durch die Wiederheirat wird nicht die ursprüngliche Ehe wiederhergestellt, sondern eine neue Ehe geschlossen.521 Die Wiederheirat macht also die Auflösung derjenigen Ehe, die die Eigenschaft des Verfügenden als Ehegatte zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung im Sinne des § 2077 I begründet hat, nicht ungeschehen. Technisch betrachtet kann die Nichtanwendung der Vorschrift im Fall der Wiederheirat daher nicht auf das Fehlen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen, sondern nur auf eine teleologische Reduktion gestützt werden.522 Daraus folgt in materieller Hinsicht, dass die Wiederheirat nicht automatisch in allen denkbaren Zuwendungskonstellationen, die von § 2077 erfasst werden, zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führen muss. Zwar werden die wiederverheirateten Ehegatten ihre erste und zweite Ehe unabhängig von der Rechtsnatur der in Rede stehenden Verfügung wohl „immer als ,ihre Ehe‘ ganzheitlich betrachten“523. Eine an diese Bewertung anknüpfende teleologische Reduktion des § 2077 I kommt aber nur unter der zusätzlichen Voraussetzung in Betracht, dass die Rechtsnatur der fraglichen Verfügung mit der rechtlich nicht exakten, rückwirkenden Fiktion des ununterbrochenen Bestehens der Ehe vereinbar ist. (b) Reichweite der Korrektur: Rückwirkungsfiktion und Verfügungen zwischen den Ehen Keine Schwierigkeiten bereitet die rückschauende Ineinssetzung von erster und zweiter Ehe im Hinblick auf einseitige letztwillige Verfügungen. Insofern dürfen die Scheidung und der zwischen den Ehen liegende Zeitraum des Nichtverheiratetseins von Erblasser und Bedachtem vernachlässigt werden, weil die einseitige letztwillige Verfügung tatsächlich erst im Zeitpunkt des Erbfalls rechtliche Wirkungen entfaltet. Nicht zu überzeugen vermag die Fiktion einer einzigen, ununterbrochenen Ehe dagegen im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament, dessen Schicksal sich nach der § 2077 entsprechenden Sonderregelung des § 2268 I richtet. Das gilt unabhängig von der streitigen Frage, ob die Wechselbezüglichkeit solcher Verfügungen zwingend mit der Auflösung der (ersten) Ehe endet oder über deren Auflösung hinaus Bestand haben 521 BayObLG DNotZ 1996, 302, 303 f. m. Anm. Kuchinke unter Berufung auf KG FamRZ 1968, 217, 218 m. Anm. Bosch. 522 Dafür ausdrücklich auch Soergel/Loritz § 2077 Rn. 17. Ebenso wohl RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 6. 523 Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 13.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

kann.524 Ausgehend von der ersten Auffassung scheidet eine Berücksichtigung der Wiederheirat schon deshalb aus, weil sie nicht zur vollständigen Herstellung des status quo ante führen würde. Die bloß teilweise, nämlich nur inhaltliche Aufrechterhaltung der ihrer Wechselbezüglichkeit entkleideten Verfügungen wäre ein Danaergeschenk: Hatten sich etwa die Ehegatten A und B ursprünglich gegenseitig und wechselbezüglich zu Alleinerben eingesetzt, stünde es dem Ehemann A nach der Wiederheirat ohne weiteres frei, seine Verfügung zugunsten von B insgeheim zu widerrufen, ohne dass die zu seinen Gunsten errichtete Verfügung der B von diesem Widerruf berührt würde. Das steht in krassem Widerspruch zu dem Zweck, das Vertrauen der verfügenden Ehegatten auf die fortwährende Gültigkeit ihrer erbrechtlichen Regelung zu schützen. Geht man davon aus, dass die Wechselbezüglichkeit das Ende der Ehe grundsätzlich oder doch zumindest im Fall der Wiederheirat der Ehegatten überdauern kann, ergeben sich aus der rückwirkenden Fiktion einer einzigen ununterbrochenen Ehe andere Probleme. Hat einer der Ehegatten im Zeitraum zwischen den Ehen erbrechtliche Verfügungen getroffen, hinge die Wirksamkeit dieser Verfügungen gem. § 2271 I 2 von ihrer Vereinbarkeit mit dem aufgrund der Wiederheirat als von Anfang an wirksam geltenden gemeinschaftlichen Testament ab. Dasselbe würde gem. § 2289 I 2 im Fall der Konkurrenz zwischenzeitlicher Verfügungen mit erbvertraglichen, von § 2077 kraft Verweisung des § 2279 I, II erfassten Verfügungen gelten, die unstreitig trotz der Scheidung als vertragsmäßige Verfügungen fortbestehen können.525 Diese Konsequenzen der Rückwirkungsfiktion überzeugen nicht, weil der Verfügende zum Verfügungszeitpunkt aufgrund der Scheidung von der Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments gem. § 2268 I bzw. gem. §§ 2279 I, II, 2077 I von der Unwirksamkeit seiner vertragsmäßigen Verfügung ausgehen durfte. Gegen dieses Vertrauen des zwischenzeitlich Verfügenden, das sich auf die wahre Rechtslage bezieht, darf sich das etwaige, auf der Wiederheirat basierende Vertrauen seines Ehegatten auf die vermeintliche Fortgeltung der ursprünglichen erbrechtlichen Regelung jedenfalls nicht durchsetzen. Dementsprechend will ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur die rückwirkende Berücksichtigung der Wiederheirat im Hinblick auf gemeinschaftliche Testamente und – so wird man aufgrund der übereinstimmenden Interessenlage ergänzen dürfen – § 2077 unterliegende, erbvertragliche Verfügungen von vornherein nur in denjenigen Fällen zulassen, in denen der bereits zu Lebzeiten in seiner Testierfreiheit eingeschränkte Erblasser keine zwischenzeitlichen Verfügungen getroffen hat, so dass sich das Kollisionsproblem nicht stellt.526 Diese Einschränkung ist abzulehnen. Es liefe auf einen handfesten Sys-

524 525

Zu dieser Frage vgl. 3. Teil, A. II. 2. a) bb). Vgl. die Nachweise in Fn. 719.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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tembruch hinaus, wollte man die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments oder eines Erbvertrages vom Vorhandensein oder Fehlen einseitiger letztwilliger Verfügungen zwischen den Ehen abhängig machen, was Manipulationen Tür und Tor öffnen würde. Das Vorhandensein solcher Verfügungen kann je nach Interessenlage ohne weiteres verschwiegen oder nachträglich vorgetäuscht werden. Im Hinblick auf gemeinschaftliche Testamente und von § 2077 erfasste vertragsmäßige Verfügungen muss eine rückwirkende Berücksichtigung der Wiederheirat folglich stets ausscheiden.527 Damit gelten lediglich einseitige letztwillige Verfügungen im Fall der Wiederheirat zwischen Erblasser und Bedachtem aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 2077 I fort.528 (4) Exkurs: „Aufrechterhaltung“ der Verfügung zugunsten des letzten Ehegatten Hat der Erblasser eine letztwillige Verfügung ohne namentliche oder sonstige aus der Verfügung hervorgehende Individualisierung zugunsten des „Ehegatten“ getroffen, stellt sich die Frage, ob die Verfügung im Fall der Scheidung und anschließender Eheschließung zwischen dem Erblasser und einem Dritten zugunsten dieses zum Zeitpunkt des Erbfalls aktuellen Ehegatten Wirkungen entfaltet. Insofern ist zwischen zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden, denen lediglich gemein ist, dass § 2077 III als Anknüpfungspunkt für eine „Aufrechterhaltung“ der Verfügung zugunsten des letzten Ehegatten ausscheidet. (a) Verfügung zugunsten des „jeweiligen Ehegatten“ Theoretisch denkbar ist zum einen, dass der Erblasser ausdrücklich seinen „jeweiligen Ehegatten“ bedacht oder eine inhaltlich entsprechende Formulierung zur Bezeichnung des Zuwendungsempfängers gewählt hat. In dieser seltenen Konstellation kommt die Verfügung der zum Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Erblasser verheirateten Person ohne weiteres zugute, und zwar unabhängig davon, ob die Verfügung während des Bestehens einer früheren und später aufgelösten Ehe des Erblassers mit einer anderen Person errichtet wurde oder nicht.529 Die Verfügung bleibt von der Auflösung einer etwaigen früheren Ehe unberührt, weil § 2077 I 1 weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und 526 BayObLG DNotZ 1996, 302, 305 m. Anm. Kuchinke; Köster JuS 2005, 407, 411; Herzog-Grün, S. 151. 527 KG FamRZ 1968, 217, 218 m. Anm. Bosch; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 23; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 14; RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 3; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 7. 528 Für die hier vertretene Differenzierung ausdrücklich auch RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 6. Ebenso wohl MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 14. 529 Wirtz, S. 92; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 1.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Zweck der Vorschrift einschlägig ist. Denn unter den genannten Umständen bedenkt der Erblasser nicht „seinen Ehegatten“, also eine bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung individualisierte Person, sondern beschränkt sich darauf, diejenige noch unbestimmte Person zu bedenken, die zum Zeitpunkt des Erbfalls in Form der Ehegatteneigenschaft ein abstrakt definiertes Merkmal erfüllt. Gegen die Zulässigkeit einer solchen gattungsmäßigen Bestimmung des Bedachten bestehen keine Bedenken. § 2071 sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Einsetzung einer Klasse von Personen vor, deren Mitglieder im Laufe der Zeit wechseln können, so dass die von der Verfügung konkret Begünstigten erst zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur bedachten Klasse zu eben diesem Zeitpunkt ermittelbar werden. Da der Erblasser im Falle einer solchen Gestaltung seines Testaments die Möglichkeit wechselnder Ehepartner und damit der Auflösung einer etwaig zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehenden Ehe selbst berücksichtigt, fehlt es zudem an einer durch § 2077 I auszufüllenden Regelungslücke seiner Verfügung.530 (b) Verfügung zugunsten des „Ehegatten“ Der zum Zeitpunkt des Erbfalls aktuelle, spätere Ehegatte geht dagegen nach ganz herrschender Meinung leer aus, wenn der Erblasser den durch die Verfügung Begünstigten lediglich als seinen „Ehegatten“ bezeichnet hat.531 In diesem Fall scheidet der unter (a) dargestellte Lösungsweg aus. Denn allein aufgrund der Beschreibung des Bedachten als „Ehegatte“ kann nicht angenommen werden, der Erblasser habe zukünftige Eheauflösungen und Eheschließungen als möglich vorausgesehen und seine zukünftigen Ehepartner als eine Klasse von Personen mit wechselndem Mitgliederbestand bezeichnen wollen.532 Sofern eindeutige Anzeichen für die Annahme des Willens zu einer derartigen, atypischen Gestaltung fehlen, ist vielmehr davon auszugehen, dass der Begriff „Ehegatte“ ausschließlich diejenige Person kennzeichnet, die zum Zeitpunkt der Testa530 Ebenso Wirtz, S. 92, freilich in Widerspruch zu seinen Ausführungen auf S. 91, wo § 2077 I 1, III für anwendbar erklärt wird. Tatsächlich kommt in der hier fraglichen Verfügungskonstellation lediglich eine analoge Anwendung des § 2077 I 2 in Betracht. 531 Tappmeier DNotZ 1987, 713, 724; Keuk, S. 90; Herzog-Grün, S. 99 f.; AKBGB/Finger § 2077 Rn. 5; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 24; RGRK/Johannsen § 2077 Rn. 7; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 18. 532 Insofern trifft die Auffassung von AK-BGB/Finger § 2077 Rn. 5; MünchKomm/Leipold § 2071 Rn. 5; Staudinger/Otte § 2071 Rn. 2 zu, die aufgrund der individuellen Prägung der Ehe davon ausgehen, dass die Ehegatteneigenschaft nicht als abstraktes Gattungsmerkmal zur Umschreibung eines noch unbestimmten Zuwendungsempfängers i. S. d. § 2071 in Betracht kommt. Das hindert den Erblasser aber nicht daran, die Ehegatteneigenschaft nach Maßgabe des unter a) Gesagten kraft seiner Testierfreiheit rechtsgeschäftlich zu einem solchen Gattungsmerkmal zu erheben, zutreffend Wirtz, S. 92.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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mentserrichtung mit dem Erblasser verheiratet war. Das ist als Ausgangspunkt unstreitig. Eine Mindermeinung in der Literatur hält es aber für möglich, die ursprünglich zugunsten des früheren Ehegatten A errichtete Verfügung im Wege ergänzender Auslegung auf den zum Zeitpunkt des Erbfalls aktuellen Ehegatten B umzudirigieren.533 Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Technisch scheitert sie ebenso wie die nachträgliche Bestätigung der Verfügung im Fall der Wiederheirat derselben Ehegatten an dem Umstand, dass es aufgrund der ipso iure eintretenden Unwirksamkeit der zugunsten von A errichteten, einzigen Verfügung des Erblassers gem. § 2077 I 1 an einem Träger für eine Zuwendung zugunsten des neuen Ehegatten B fehlt.534 Anders als in den Fällen der Wiederheirat derselben Ehegatten kann dieses Problem im Fall der Heirat des Erblassers mit einer dritten Person nicht durch eine teleologische Reduktion des § 2077 I 1 gelöst werden, weil diese Konstruktion bestenfalls zur – hier nicht gewollten – Aufrechterhaltung der Verfügung zugunsten des alten, aber nicht zur Begünstigung des neuen Ehegatten führen könnte. Auch sachlich unterscheiden sich die Wiederverheiratungsfälle von der Konstellation der Eingehung einer neuen Ehe mit einer dritten Person. Denn in letzterer Konstellation spricht anders als im Wiederverheiratungsfall keine tatsächliche Vermutung dafür, dass dem neuen Ehegatten im Regelfall dasselbe zugewendet werden sollte wie dem früheren.535 Die ergänzende Auslegung der Verfügung zugunsten des neuen Ehegatten käme daher allenfalls bei Vorliegen entsprechender Willensbekundungen seitens des Erblassers in Betracht. Der Berücksichtigung solcher nachträglicher Willensbekundungen steht aber die Formstrenge letztwilliger Verfügungen entgegen, obwohl die vom Erblasser zur Bezeichnung des Begünstigten gewählte Formulierung „Ehegatte“ aufgrund ihrer weiten Fassung äußerlich auch eine nach Eingehung der zweiten Ehe etwaig gewollte Zuwendung zugunsten des neuen Ehegatten B deckt.536 Denn eine bloß zufällige Übereinstimmung von ursprünglich Erklärtem und nachträglich Gewolltem genügt weder der Warn-, noch der Beweissicherungsfunktion der

533 Lange JhJb 82 (1932), 1, 24 ff.; Brox, ErbR, Rn. 219 sowie Bayer, S. 241 zum entsprechenden Problem beim Lebensversicherungsvertrag, dazu näher 3. Teil, A. I. 5. b) bb). Nur im Ergebnis ebenso – ausgehend von seinem objektiven Begründungsansatz zu § 2077, vgl. 3. Teil, A. I. 4. b) aa) – Battes JZ 1978, 733, 738. 534 Vgl. 3. Teil, A. I. 4. b) bb) (2). Ebenso wohl Wirtz, S. 89. 535 RGZ 134, 277, 281 (für den Fall der Auflösung der ersten Ehe durch den Tod der namentlich bedachten ersten Ehefrau). Gegen einen entsprechenden Erfahrungssatz auch Brox, S. 151. Vgl. auch 1. Teil, 12. Titel, § 550 ALR bei Hattenhauer, ALR: Wenn eine verheiratete oder verlobte Person ihrem Ehegatten oder Verlobten etwas vermacht, so hat derjenige, welcher erst nach errichtetem Testament in eine solche Verbindung mit dem Erblasser getreten ist, auf das Vermächtnis keinen Anspruch. 536 Keuk, S. 92. A. A. Lange JhJb 82 (1932), 1, 24.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

erbrechtlichen Formvorschriften.537 Ließe man ein formloses Umdirigieren der Verfügung auf den aktuellen Ehegatten zu, entfiele der mit dem formalen Akt der Testamentserrichtung verbundene Zwang für den Erblasser, seinen neuen letzten Willen einer bewussten Prüfung zu unterziehen. Zudem ließe sich die Person des Bedachten auch nicht andeutungsweise aus der Verfügung entnehmen. Zu ihrer Ermittlung kämen ausschließlich außerhalb der Urkunde liegende Umstände in Betracht. Schließlich müsste die Auffassung, die die zufällige Übereinstimmung von ursprünglich Erklärtem und nachträglich Gewolltem genügen lässt, diese Übereinstimmung aber auch verlangt538, konsequenterweise die Geltung der Verfügung zugunsten des neuen Ehegatten ablehnen, wenn der Erblasser zur Bezeichnung des ursprünglich gemeinten Zuwendungsempfängers nicht die Formulierung „meine Ehefrau“, sondern die Worte „meine Ehefrau A“ gewählt hat. Das würde zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung rechtlich gleich zu bewertender Sachverhalte führen, weil dem individualisierenden Namenszusatz rechtliche keine Bedeutung zukommt.539 Die herrschende Meinung verdient folglich Zustimmung: Der Erblasser muss auch dann zugunsten seines neuen Ehegatten B verfügen, wenn er vor Eingehung der Ehe mit B zugunsten seines früheren Ehegatten A testiert und zu dessen Umschreibung lediglich den Blankettbegriff „mein Ehegatte“ verwendet hat. 5. Analoge Anwendung des § 2077 a) Letztwillige Verfügung zugunsten des Ex-Schwiegerkindes Ein Teil der Literatur will im Anschluss an eine Entscheidung des OLG Saarbrücken540 den Anwendungsbereich des § 2077 auf letztwillige Verfügungen erstrecken, die die Eltern des einen Ehegatten zugunsten des anderen, also zugunsten ihres Schwiegerkindes errichtet haben.541 Ebenso wie die Verfügung eines Ehegatten zugunsten des anderen stehe auch eine Verfügung der Eltern eines Ehegatten zugunsten ihres Schwiegerkindes in der Regel unter dem Vorbehalt des Fortbestandes der familienrechtlichen Beziehung zwischen Kind und Schwiegerkind, so dass ab dem Zeitpunkt, ab dem mit dem Fortbestand dieser Beziehung nicht mehr gerechnet werden könne, auch die Grundlage für eine letztwillige Verfügung im Verhältnis Erblasser/Schwiegerkind entfalle.542 537 Vgl. dazu Reimann/Bengel/Mayer/Reimann, Testament und Erbvertrag, Systematischer Teil A. Rn. 70 ff. 538 Lange JhJb 82 (1932), 1, 25. 539 Keuk, S. 92, Fn. 329. 540 FamRZ 1994, 1205. 541 Keim NJW 2003, 3248; Koch FS Schwab, 513, 520 ff.; Herzog-Grün, S. 132, MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 5. 542 OLG Saarbrücken FamRZ 1994, 1205, 1206. Zur Scheidung der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind war es nicht mehr gekommen, weil der Sohn der Erblasserin

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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Dieser Auffassung ist der BGH543 entgegengetreten. Verfügungen zugunsten von Schwiegerkindern seien Ausnahmeerscheinungen544, für die eine Vielzahl unterschiedlicher, vom Bestand der Ehe unabhängiger Motive bestimmend sein könnten. Zudem spielten bei der erbrechtlichen Zuwendung an Schwiegerkinder die bei der Zuwendung unter Ehegatten zu beachtenden Versorgungsaspekte keine Rolle. Damit fehle es an der für eine Analogiebildung erforderlichen Rechtsähnlichkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt: Eine regelmäßige, auf Unwirksamkeit der Verfügung gerichtete Willensrichtung des Erblassers, wie sie der Regelung des § 2077 für das Verhältnis der Ehegatten zugrunde liege, könne im Verhältnis Schwiegereltern und -kind nicht konstatiert werden.545 Die Anwendung des § 2077 auf dieses Verhältnis berge daher die Gefahr einer Verfälschung des Willens des Erblassers, der seine Verfügung immerhin unangetastet gelassen habe.546 Folglich müsse es im Hinblick auf die Behauptung, der Erblasser habe sein Schwiegerkind nur unter der Voraussetzung des Fortbestandes der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind bedenken wollen, bei der Irrtumsanfechtung nach Maßgabe der dort geltenden Beweislastverteilung bleiben.547 während des Scheidungsverfahrens starb. Im Verhältnis zwischen Kind und Schwiegerkind bestand daher die in den §§ 1933 S. 1, 2077 I 2 geregelte Situation. Wohl nur aufgrund der besonderen Umstände des Falles, vgl. dazu Fn. 552, ging das Gericht davon aus, dass sich die erbvertragliche Einsetzung der als „zukünftige Ehefrau“ bedachten Schwiegertochter im Fall einer rechtskäftigen Scheidung aufgrund des Wegfalls ihrer Ehegatteneigenschaft bereits nach den Regeln der erläuternden Auslegung erledigt hätte. Aus den im Verhältnis der Ehegatten zueinander geltenden Grundsätzen folgt diese Rechtsauffassung jedenfalls nicht. Denn der Regelung des § 2077 I 1 bedarf es ja gerade deshalb, weil auch die Einsetzung des nur als Ehegatte bezeichneten Partners mit der Scheidung nach allgemeinen Grundsätzen nicht ohne weiteres hinfällig würde. 543 ZEV 2003, 284 m. abl. Anm. Leipold. 544 Ebenso Litzenburger ZEV 2003, 385. 545 Zustimmend Kellermann JuS 2004, 1071, 1073. 546 Im vom BGH zu entscheidenden Fall lag der Erbfall zeitlich nach der Scheidung. Zur umgekehrten Konstellation vgl. 3. Teil, A. I. 5. a). 547 BGH ZEV 2003, 284, 285 m. abl. Anm. Leipold. Eben die Frage der Beweislastverteilung bildet den entscheidenden Unterschied zwischen der ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung nach § 2077 I und der auf einer Irrtumsanfechtung nach § 2078 II beruhenden Nichtigkeit. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen ipso-iureUnwirksamkeit nach § 2077 I und ipso-iure-Unwirksamkeit aufgrund ergänzender Auslegung, vgl. Koch FS Schwab, 513, 526. Denn ebenso wie bei der Anfechtung trägt auch bei der ergänzenden Auslegung derjenige die Beweislast, der sich auf die lückenhafte Willensbildung des Erblassers beruft. Vgl. dazu MünchKomm/Leipold § 2077, Fn. 10, der § 2077 allein aufgrund der in der Vorschrift enthaltenen Beweislastumkehr noch eigenständige Bedeutung neben der allgemeinen ergänzenden Auslegung zumisst. Inkonsequent in diesem Zusammenhang Litzenburger ZEV 2003, 385, der einerseits mit dem BGH eine Übernahme der in § 2077 enthaltenen Beweislastumkehr ablehnt, weil einer Zuwendung im Verhältnis Schwiegerelternteil und -kind häufiger als im Verhältnis der Ehegatten zueinander besondere, also statusunabhängige Motive zugrunde lägen (S. 389), andererseits aber jedenfalls bei einer Einsetzung des

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Die Reaktionen des Schrifttums auf die Entscheidung des BGH sind überwiegend kritisch ausgefallen.548 Dies insbesondere deshalb, weil der BGH versäumt hat, bei seinen Ausführungen zur – letztlich abgelehnten – Vergleichbarkeit der Interessenlage bei letztwilligen Zuwendungen eines Ehegatten zugunsten des anderern einerseits und derjenigen bei letztwilligen Zuwendungen des Schwiegerelternteils zugunsten des Schwiegerkindes andererseits auf die Grundsätze einzugehen, die der Familiensenat des BGH im Hinblick auf die Rückabwicklung lebzeitiger Zuwendungen an Schwiegerkinder im Fall der Scheidung der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind entwickelt hat.549 Nach diesen Grundsätzen stellt eine über bloße Gefälligkeiten hinausgehende, lebzeitige Zuwendung an das Schwiegerkind trotz objektiver Unentgeltlichkeit keine Schenkung dar, weil die Zuwendung dem Empfänger erkennbar nicht zur freien Verfügung stehen, sondern dem ehelichen Zusammenleben dienen solle, so dass es an der Einigung über die Unentgeltlichkeit der Leistung gem. § 516 fehle. Daher sei es gerechtfertigt, die Zuwendung an das Schwiegerkind den unbenannten, ehebedingten Zuwendungen unter Ehegatten gleichzustellen. Diese Qualifikation der lebzeitigen Zuwendung läuft im Ergebnis auf ihre – zumindest teilweise – Rückabwicklung im Scheidungsfall hinaus, und zwar primär zugunsten des Kindes des Zuwendenden, das im gesetzlichen Güterstand mangels Anwendbarkeit des § 1374 II am zuwendungsbedingt erhöhten Endvermögen seines Ehegatten partizipiert, andernfalls sekundär zugunsten des zuwendenden Schwiegerelternteils selbst nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313.550 Nach Auffassung der die Entscheidung des BGH ablehnenden Stimmen hätten diese Grundsätze, denen zufolge eine lebzeitige Zuwendung an das Schwiegerkind letztlich der Versorgung der Familie des eigenen Kindes dient, auf letztwillige Zuwendungen übertragen und dementsprechend die analoge AnSchwiegerkindes zum (Mit- oder Ersatz-)Erben davon ausgeht, dass die Verfügung nach der Lebenserfahrung vom Fortbestand der Ehe abhängt, so dass im Wege der ergänzenden Auslegung regelmäßig festgestellt werden könne, dass das geschiedene Schwiegerkind nicht Erbe werde (S. 387). 548 Vgl. Keim NJW 2003, 3248; Leipold ZEV 2003, 285, Anm. zu BGH ZEV 2003, 284; Koch FS Schwab, 513, 520 ff. Dem BGH folgend dagegen Loritz LMK 2003, 148; Kellermann JuS 2004, 1071, 1073; Palandt/Edenhofer § 2077 Rn. 1. 549 So insbesondere Keim NJW 2003, 3248, 3249; Koch FS Schwab, 513, 521 ff. Zudem bietet der BGH ZEV 2003, 284, 285 m. abl. Anm. Leipold der Gegenansicht unnötige Angriffsfläche, indem er die sachliche Berechtigung des § 2077 schon im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm in Frage stellt. Dazu besteht kein Anlass: Dass die Verfügung zugunsten eines Ehegatten regelmäßig unter dem Vorbehalt des Fortbestandes der Ehe steht, wurde im Gesetzgebungsverfahren zu keinem Zeitpunkt angezweifelt – verfehlt ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Hinweis des BGH auf die von der ersten Kommission befürwortete Anfechtungslösung, vgl. 3. Teil, A. I. 1. – und dürfte auch heute noch der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen. Insofern zutreffend Keim NJW 2003, 3248, 3249; Leipold ZEV 2003, 285, 286, Anm. zu BGH ZEV 2003, 284. 550 BGH JZ 1996, 199, 200 m. Anm. Tiedkte. Kritisch zur bloß nachrangigen Rückabwicklungsberechtigung der Schwiegereltern Koch FS Schwab, 513, 519.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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wendung des § 2077 bejaht werden müssen. Da die dargestellte Interessenlage sogar die Rückabwicklung vertraglich bindender Verfügungen im Scheidungsfall zulasse, könne ein regelmäßiger, auf Unwirksamkeit gerichteter Wille bei einer frei widerruflichen Verfügung von Todes wegen erst recht nicht verneint werden.551 Den Kritikern der Entscheidung ist zuzugestehen, dass der BGH gut daran getan hätte, die Gründe herauszuarbeiten, die ihn dazu bewogen haben, die Interessenlage des Zuwendenden im Fall einer letztwilligen Zuwendung an sein Schwiegerkind anders zu beurteilen als bei einer lebzeitigen. Neben der Sache liegt dagegen der von den Analogiebefürwortern gezogene Erst-recht-Schluss: Die – natürlich auch und gerade bei frei widerruflichen, letztwilligen Zuwendungen – fehlende Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers sagt nichts über die typische Willensrichtung des Zuwendenden aus, auf die es im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung zur analogen Anwendung des § 2077 ankommt. Entscheidend ist danach allein, ob letztwilligen Verfügungen zugunsten von Schwiegerkindern ebenso wie entsprechenden lebzeitigen Zuwendungen derart regelmäßig der Zweck zugrunde liegt, die Versorgung der Familie des eigenen Kindes zu sichern, dass im Fall der Unerreichbarkeit dieses Zwecks infolge der Scheidung der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind eine Vermutung zugunsten der Unwirksamkeit der Verfügung gerechtfertigt ist. Das ist zumindest zweifelhaft552, so dass sich die Entscheidung des BGH im Ergebnis als zutreffend erweist: Soll die Zuwendung nach dem Willen des Erblassers letztlich doch primär dem eigenen Kind zugute kommen, liegt nichts näher, als nur das eigene Kind zu bedenken, und es diesem zu überlassen, das geerbte Vermögen 551 Keim NJW 2003, 3248, 3249. Zustimmend insofern Kellermann JuS 2004, 1071, 1073, der aber im Ergebnis trotzdem der Lösung des BGH folgt. 552 Ein Gegenbeispiel liefert gerade der vom OLG Saarbrücken (Fn. 540) entschiedene Fall. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten in einem Erbvertrag ihren Sohn als Schlusserben des länger Lebenden eingesetzt. Als Ersatzerben wurden hilfsweise die Kinder des Sohnes, weiter hilfsweise die „künftige Ehefrau des Sohnes“ bestimmt. Die Schwiegertochter sollte also, wenn überhaupt, erst nach Wegfall der Familie und nach Auflösung der Ehe durch Tod des Sohnes in den Genuss der Zuwendung kommen. Versorgungsaspekte spielten bei ihrer Bedenkung damit offensichtlich keine Rolle. Die – bloß im Ergebnis zutreffende – Entscheidung des OLG, die Schwiegertochter vom Nachlass ihrer Schwiegermutter auszuschließen, beruhte denn auch nur auf der atypischen Sachverhaltskonstellation, dass die Erblasserin die zukünftige Schwiegertochter bei Testamentserrichtung noch gar nicht kannte, so dass von vornherein nur deren Eigenschaft, Ehefrau des Sohnes zu sein, als Motiv für ihre Erbeinsetzung in Betracht kam. Daher sprach alles dafür, dass der Wille der Erblasserin auf Unwirksamkeit der Verfügung gerichtet gewesen wäre, wenn sie den als sicher zu prognostizierenden Verlust dieser Eigenschaft in ihre Vorstellung aufgenommen hätte. Schon mit diesem Vorbringen wären die nachrückenden gesetzlichen Erben im Rahmen einer Irrtumsanfechtung durchgedrungen. Für eine Umkehr der Feststellungs- und Beweislast durch analoge Anwendung des § 2077 bot der Sachverhalt daher keinen Anlass. Zum selben Ergebnis gelangt Strohal FS Jhering, 1, 53 in Bezug auf einen von ihm konstruierten, der Entscheidung des OLG entsprechenden Fall.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

zur Versorgung der Familie einzusetzen; für einen Umweg über das Schwiegerkind besteht auch während der Dauer der Ehe kein Anlass.553 Dagegen sind im Fall einer lebzeitigen Zuwendung an das Schwiegerkind eine Reihe von äußeren, eher zufälligen Umständen denkbar, die den Eintritt der Bereicherung in der Person des Schwiegerkindes erklärbar machen, obwohl die Zuwendung letztlich nicht diesem persönlich, sondern der Ehegemeinschaft zugute kommen soll. So mag etwa der Schwiegervater zur Entlastung des gemeinsamen Familieneinkommens von Kind und Schwiegerkind eine nur letzteres belastende Verbindlichkeit erfüllen. Nicht zu unterschätzen ist schließlich, dass der letztwillig verfügende Erblasser seine Anordnungen insgeheim treffen kann und daher mit der Ablehnung seiner Entscheidung durch ein etwaig übergangenes Schwiegerkind – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht mehr zu leben braucht. Damit treten Affektionsinteressen, die einen lebzeitig zuwendenden Schwiegerelternteil, etwa zur Vermeidung familiärer Streitigkeiten, dazu bewegen können, nicht nur das eigene, sondern auch das Schwiegerkind finanziell zu unterstützen, bei letztwilligen Zuwendungen in den Hintergrund. Aufgrund dieser Unterschiede stellt es entgegen den Analogiebefürwortern keinen Wertungswiderspruch dar, dass der BGH die für lebzeitige Zuwendungen an Schwiegerkinder entwickelten Grundsätze nicht auf letztwillige Verfügungen übertragen hat. Gegen die Analogiebildung spricht außerdem, dass sie die § 2077 immanente zeitliche Begrenzung sprengen würde. Denn anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm, in dem zum Zeitpunkt des Erbfalls über Eintritt oder Nichteintritt des ungewissen Ereignisses Scheidung entschieden ist, kann die Auflösung der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind auch noch nach dem Erbfall erfolgen. Auch in diesen Fällen müsste aber die regelmäßige Unwirksamkeitsfolge des § 2077 I zum Zuge kommen554, weil die zufällige zeitliche Reihenfolge von Erbfall und Scheidung nichts mit dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer bestimmten Motivation des Erblassers zu tun hat.555 Bei einer Scheidung nach dem Erbfall und einer Berufung des Schwiegerkindes zum Erben liefe das auf die Konstruktion einer – wohl auflösend – bedingten Vorerbschaft und – wohl aufschiebend – bedingten Vollerbschaft des Schwiegerkindes mit konstruktiver Nacherbfolge gem. § 2104 hinaus: Das Schwiegerkind, das zum Zeitpunkt des Erbfalls noch mit dem Kind des Erblassers verheiratet 553 Eben weil es bei den hier in Rede stehenden Fallgestaltungen um unmittelbare Zuwendungen an Schwiegerkinder geht, liegt der Hinweis von Litzenburger ZEV 2003, 385, 387 auf die Ausgleichsfreiheit letztwilliger Zuwendungen im Zugewinnausgleich gem. § 1374 II neben der Sache. Denn der Vorschrift kann bestenfalls der Erfahrungssatz entnommen werden, dass ein zugunsten des eigenen Kindes verfügender Elternteil im Scheidungsfall keine mittelbare Beteiligung seines Schwiegerkindes an der Zuwendung wünscht. Über die regelmäßige Motivation eines Schwiegerelternteils, der unmittelbar sein Schwiegerkind bedenkt, sagt die Vorschrift dagegen nichts aus. 554 Ebenso offenbar Koch FS Schwab, 513, 520. 555 So schon Strohal FS Jhering, 1, 53 f.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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und zum Erben berufen ist, würde im Fall der möglicherweise erst viele Jahre später eintretenden Scheidung der Ehe aufhören, Erbe zu sein. Schon aus Rechtssicherheitsgründen erscheint es vorzugswürdig, diese komplizierte, mit den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 verbundene Konstruktion nur dann anzunehmen, wenn zumindest außerhalb der Urkunde liegende Umstände hinreichend deutlich auf einen entsprechenden hypothetischen Willen des Erblassers schließen lassen.556 Der Beweislastumkehr des § 2077 bedarf es in diesen Fallgestaltungen nicht. b) Bezugsrecht des geschiedenen Ehegatten aus einem Kapitallebensversicherungsvertrag Häufig wendet der eine Ehegatte (Versicherungsnehmer) durch Vertrag mit einem Versicherungsunternehmen (Versicherer) bei einer auf den Tod des Versicherungsnehmers genommenen Lebensversicherung den Anspruch auf die Versicherungsleistung dem anderen Ehegatten (Dritter) zu, indem der Versicherungsnehmer den Dritten gem. § 166 I VVG als Bezugsberechtigten bezeichnet. Nach dem BGB stellt diese Art von Lebensversicherung einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall dar. Nach der Auslegungsregel des § 330 ist im Zweifel anzunehmen, dass es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt. Ferner ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht sofort, sondern erst mit dem Tod des Versprechensempfängers erwirbt, §§ 331 I BGB, 166 II VVG. aa) Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung Umstritten ist die Frage, wie sich die Scheidung der Ehe zwischen Versicherungsnehmer und begünstigtem Dritten auf dessen Bezugsberechtigung auswirkt. Drei Lösungswege werden diskutiert: Eine starke Ansicht in der Literatur will § 2077 auf die Bezugsberechtigung des geschiedenen Ehegatten analog anwenden, also die Bezugsberechtigung mit der Scheidung regelmäßig – unter Vorbehalt des Gegenbeweises nach § 2077 III – gem. § 2077 I 1 ipso iure unwirksam werden lassen.557 Die Rechtsprechung geht dagegen davon aus, dass die – dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer 556 Liegen solche Umstände vor, wird man bereits die Einsetzung des Schwiegerkindes als solche als für eine ergänzende Testamentsauslegung formal ausreichende Andeutung des hypothetischen Erblasserwillens genügen lassen können, Keim NJW 2003, 3248, 3250. 557 Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004; Fuchs JuS 1989, 179, 181 f.; Finger VersR 1990, 229; Wrabetz FS v. Lübtow (1991), 239, 243 ff.; Windel, S. 449 ff.; Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 71; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 25. Im Ergebnis ebenso Robrecht DB 1967, 453, 455.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

zuzuordnende – Bezugsberechtigung als solche von der Scheidung unberührt bleibt.558 Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 01.04.1987559 misst die Rechtsprechung der Scheidung aber Bedeutung für das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem zu. Die Scheidung der Ehe könne in diesem Verhältnis zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Dann fehle es für den Erwerb des Versicherungsanspruchs bzw. des zu seiner Erfüllung Geleisteten im Regelfall an einem Behaltensgrund in der Person des Dritten, so dass dieser dem Versicherungsnehmer bzw. dessen Erben zur Herausgabe des Erlangten nach Bereicherungsrecht verpflichtet sei.560 Eine Mindermeinung in der Literatur will schließlich wie die erste Ansicht unmittelbar an der Bezugsberechtigung ansetzen, mit Blick auf einen etwaigen neuen Ehegatten des Versicherungsnehmers aber noch über die analoge Anwendung des § 2077 hinausgehen. Da die Vorschrift nur zur Unwirksamkeit der Bezugsberechtigung des geschiedenen, nicht aber zur Neubegründung einer Bezugsberechtigung zugunsten des aktuellen Ehegatten führen könne, liefe ihre Anwendung darauf hinaus, den Willen des Versicherungsnehmers zu konterkarieren. Denn dieser wolle jedenfalls nicht, dass der Versicherungsanspruch in den Nachlass falle und so dem Zugriff der Nachlassgläubiger ausgesetzt werde. Im Regelfall bezwecke der Versicherungsnehmer vielmehr die Versorgung der Witwe. Deren Begünstigung lasse sich nur im Wege einer „sach- und interessengerechten“ Auslegung der Bezugsberechtigung erreichen.561 bb) Abschichtung für die Problemlösung irrelevanter rechtlicher oder tatsächlicher Umstände des Versicherungsvertrags Bevor im Einzelnen auf die dargestellten Ansichten eingegangen wird, erscheint es sinnvoll, die Diskussion um diejenigen – im Rechtlichen oder Tatsächlichen wurzelnden – Variationen denkbarer Lebenssachverhalte zu bereinigen, die für die hier in Rede stehende Frage nach der Auswirkung einer Scheidung auf die Bezugsberechtigung eines Ehegatten keine Rolle spielen. Irrelevant ist zunächst, ob dem begünstigten Ehegatten eine widerrufliche oder

558 BGH JR 1976, 463, 464 m. zust. Anm. Gitter; BGH WM 2004, 271, 272; OLG Bremen VersR 1959, 689, 690 m. zust. Anm. Haidinger; OLG Düsseldorf VersR 1975, 918, 919; OLG Köln VersR 1983, 1181, 1182. Ebenso Schulz DB 1967, 1307; Oswald FamRZ 1971, 618, 621; ders. WM 1972, 1376; Hoffmann FamRZ 1977, 222. 559 NJW 1987, 3131. 560 BGH NJW 1987, 3131 f.; BGH ZEV 95, 150, 152; OLG Köln FamRZ 1998, 193 (im konkreten Fall war die Regelvermutung widerlegt). Der Lösung der Rechtsprechung folgen Tappmeier DNotZ 1987, 715, 726; Völkel VersR 1992, 539, 542 ff.; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S. 69; ders., FamR, Rn. 396; Herzog-Grün, S. 139 ff.; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 7; Soergel/Loritz § 2077 Rn. 22; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 29. 561 Bayer, S. 241.

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unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt ist.562 Für die Anhänger der Ansicht, die § 2077 analog anwenden will, ist das selbstverständlich, weil § 2077 gem. § 2279 I auch im Rahmen eines dem unwiderruflichen Bezugsrecht aufgrund seiner Bindungswirkung ähnlichen563 Erbvertrages gilt. Auch die vom BGH repräsentierte Gegenmeinung will ihre Lösung nicht auf die Fälle der bloß widerruflichen Bezugsberechtigung beschränken. Da der Versicherungsnehmer in diesen Fällen die unliebsam gewordene Begünstigung seines Ehegatten ohne weiteres rückgängig machen könne, komme dem Wegfall der Geschäftsgrundlage gerade bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts praktische Bedeutung zu.564 Weitgehende Einigkeit herrscht zwischen den Vertretern der widerstreitenden Ansichten zudem darüber, dass die Auswirkungen der Scheidung auf das Bezugsrecht des Ehegatten unabhängig von der Art und Weise bestimmt werden müssen, in der der Bezugsberechtigte in der Erklärung des Versicherungsnehmers bezeichnet ist.565 Da die Formulierung, die der Versicherungsnehmer zur Identifikation des Bezugsberechtigten wählt, häufig von Zufälligkeiten abhängt566, wäre es in der Tat verfehlt, die Rechtsfolgen der Scheidung von dieser Formulierung abhängig zu machen. Unerheblich ist daher, ob der Versicherungsnehmer seinen Ehegatten nur in dieser Eigenschaft, also ohne weitere Identifikationsmerkmale, oder unter Angabe seines Namens als Bezugsberechtigten bestimmt. Gesteht man das – wie bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung – zu und gesteht man weiter zu, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts – wie bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung – regelmäßig nicht an die Möglichkeit einer späteren Scheidung und damit erst recht nicht an eine weitere Eheschließung denkt, so steht das Ergebnis der erläuternden Auslegung der Bezugsrechtserklärung des 562 Der unwiderruflich Bezugsberechtigte erwirbt das Recht auf die Versicherungsleistung abweichend von § 331 I BGB, § 166 II VVG nicht erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers, sondern sofort nach Zugang der auf die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts gerichteten Erklärung des Versicherungsnehmers beim Versicherer, § 14 II Muster-ALB 1994. Die Forderung wird aber erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers fällig, vgl. Lorenz FS Farny, 335, 344. 563 Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, 1006. 564 BGH NJW 1992, 2154, 2155. 565 Die Einigkeit im Ergebnis steht freilich unter dem Vorzeichen der jeweiligen Ansicht. Dementsprechend führt die Rechtsprechung aus, dass auch der lediglich in seiner Eigenschaft als Ehegatte bezeichnete Begünstigte sein Bezugsrecht nicht mit der Scheidung einbüßt, BGH JR 1976, 463, 464 m. zust. Anm. Gitter; BGHZ 79, 295, 298; OLG Köln VersR 1983, 1181, 1182; LG Saarbrücken NJW 1983, 180 f., ebenso Oswald FamRZ 1971, 618, 620; Hoffmann FamRZ 1977, 222, 224. Für die Befürworter einer analogen Anwendung des § 2077 ist demgegenüber selbstverständlich, dass die Vorschrift wie in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich auch bei (nur) namentlicher Bezeichnung des Bezugsberechtigten eingreift, vgl. Fuchs JuS 1989, 179, 181; Finger VersR 1990, 229, 234; Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 68 u. H 71. 566 Robrecht DB 1967, 453, 454; Schulz DB 1967, 1307.

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Versicherungsnehmers im Regelfall, also bei Fehlen besonderer äußerer Umstände, fest: Unabhängig von der gewählten Formulierung ist derjenige Ehegatte unbedingt bezugsberechtigt, der zum Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung mit dem Versicherungsnehmer verheiratet war.567 Damit erweist sich die dritte dargestellte Ansicht als unhaltbar. Im Wege einer „sach- und interessengerechten“ erläuternden Auslegung lässt sich die Bezugsberechtigung der zum Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Versicherungsnehmer verheirateten Ehefrau nicht herleiten. Und für eine entsprechende ergänzende Auslegung fehlt es an einem rechtfertigenden Erfahrungssatz: Die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer die zum Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung mit ihm verheiratete Ehefrau begünstigen wollte, lässt nicht ohne weiteres568 den Schluss zu, dass er jeder künftigen Ehefrau dieselbe Rechtsstellung eingeräumt hätte.569 Damit erledigt sich der Einwand, der Versicherungsnehmer wolle den Versicherungsanspruch jedenfalls vom Nachlass sondern, von selbst. Denn er steht und fällt mit der Prämisse, dass der Wegfall der Bezugsberechtigung des alten mit der Begründung der Bezugsberechtigung des aktuellen Ehegatten einhergeht. Da diese Prämisse nicht zutrifft, stellt sich nicht die Frage nach der Alternative aktueller Ehegatte/Nachlass, sondern nach der Alternative Nachlass/geschiedener Ehegatte. Vor diese Wahl gestellt, müssten auch die Vertreter der dritten Ansicht zugunsten des Nachlasses votieren, weil der Wegfall der Bezugsberechtigung des geschiedenen Ehegatten notwendige Bedingung für die von ihnen vorgeschlagene Begünstigung des aktuellen Ehegatten ist.570 cc) Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem Von den verbleibenden zwei Lösungsvarianten zur Berücksichtigung der Scheidung erscheint der Weg über die analoge Anwendung des § 2077 vorzugswürdig.571 Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem, also zwischen den Ehegatten, erkennen auch die Anhänger der Gegen567

OLG Köln VersR 1983, 1181, 1182; Oswald FamRZ 1971, 618, 621. Ein nicht verallgemeinerungsfähiger Sachverhalt lag der Entscheidung in BGHZ 79, 295 zugrunde: Anders als im Normalfall hatte nicht der Versicherungsnehmer, sondern letztlich der Versicherer im Rahmen einer Lebensversicherung zur Hinterbliebenenversorgung durch AGB den Kreis der Bezugsberechtigten festgelegt, BGHZ 79, 295, 298 f. Das Gericht nahm daher an, dass die Bezugsrechtseinräumung zugunsten der „Ehefrau“ unter Berücksichtigung des Zwecks Hinterbliebenenversorgung nach objektiven Gesichtspunkten als Begünstigung derjenigen Ehefrau auszulegen sei, die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls mit dem Versicherungsnehmer verheiratet war. 569 Insofern zutreffend OLG Köln VersR 1983, 1181, 1182. A. A. Finger VersR 1990, 229, 235 sowie Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 68. 570 Ebenso Windel, S. 450. 571 Das Standardargument, § 2077 stelle eine analogieunfähige Ausnahmebestimmung dar, hält Windel, S. 450, Fn. 180 zu Recht nicht einmal für widerlegungsbedürftig. 568

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ansicht die funktionale Ähnlichkeit572 zwischen letztwilliger Verfügung und lebzeitiger Zuwendung durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall an.573 In beiden Fällen erwirbt der Begünstigte anlässlich des Todes des Zuwendenden, also durch oder mit seinem Tod, einen Vermögensvorteil aus dessen Vermögen.574 Und in beiden Fällen liegt die – im Rahmen des § 2077 I zur gesetzlichen Regelvermutung erhobene – Annahme nahe, dass die Zuwendung auf dem Motiv des Zuwendenden beruht, seine Ehe werde bis zu seinem Tod fortbestehen. Warum die Annahme dieses Motivs dem Willen des Versicherungsnehmers beim Vertrag zugunsten Dritter „Gewalt antun“ soll575, obwohl sie bei einer letztwilligen Verfügung dem wahren Willen des Erblassers nach Ansicht der Gesetzesverfasser gerade zur Geltung verhilft576, ist bisher nicht überzeugend begründet worden.577 Der bloße Hinweis auf die Verschiedenartigkeit der mit der Lebensversicherung verfolgten Zwecke rechtfertigt es nicht, einen gegenüber letztwilligen Zuwendungen diametral entgegengesetzten hypothetischen Willen des Zuwendenden zu unterstellen; auch letztwillige Zuwendungen können unterschiedlichen Zwecken dienen. Das hat den Gesetzgeber aber nicht daran gehindert, ihre Wirksamkeit nach Maßgabe eines allgemeinen Erfahrungssatzes vom Fortbestand der familienrechtlichen Beziehung zwischen Erblasser und Begünstigtem abhängig zu machen. Es besteht kein Anlass, beim Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall von diesem Erfahrungssatz abzuweichen, weil die unterschiedliche technische Ausgestaltung der Vermögensnachfolge – erbrechtlicher Erwerb oder Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen – für die Motivation des Zuwendenden keine Rolle spielt.578 Die isolierte Betrachtung 572

Finger VersR 1990, 229, 230; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 25. Vgl. etwa Lorenz FS Farny, 335, 353; Erman/Schmidt § 2077 Rn. 7. 574 Das gilt auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch für die Versicherungssumme, die als solche nicht im Vermögen des Erblassers/Versicherungsnehmers vorhanden war, weil der Versicherungsnehmer die Zuwendung der Versicherungssumme durch den Versicherer „mit den von ihm aufgebrachten Vermögenswerten ,erkauft‘ hat“, BGH WM 2003, 2479, 2481. Ebenso Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, Fn. 15; Progl ZErb 2004, 187, 189; Gebel ZEV 2005, 236, 238. Ähnlich Elfring ZEV 2004, 305, 307: Jedenfalls ausreichende „mittelbare Zuwendung“. 575 OLG Bremen VersR 1959, 689, 690 m. Anm. Haidinger. Zustimmend HerzogGrün, S. 138 und Völkel VersR 1992, 539, 541, der aber gleich im Anschluss die These aufstellt, es könnten „genügend Situationen auftreten, in denen eine Zuerkennung einer Bezugsberechtigung gegen das Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (Warum nicht einfach: Gegen den Willen des Versicherungsnehmers?) verstoßen würde.“ 576 Prot. Bd. V, S. 59. 577 Insofern zu Recht kritisch Tappmeier DNotZ 1987, 715, 720; Busse MittRhNotK 1998, 225, 229. 578 Vgl. bereits Planck/Flad § 2078 Anm. 5: „Die Anwendung der Vorschriften über die Anfechtung von Rechtsgeschäften unter Lebenden führt hier nicht zu befriedigenden Ergebnissen.“ Ebenso Strohal, ErbR, Bd. 1, § 41, Fn. 5 (S. 298). Anderes gilt für die formellen Voraussetzungen der jeweiligen Erwerbsart. Zu starr daher Lorenz FS Farny, 335, 353, der zwar zu Recht davon ausgeht, dass ein mit der Begünsti573

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des Verhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Drittem spricht demnach für eine Analogie zu § 2077. dd) Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer Vorbehalte gegen die analoge Anwendung des § 2077 werden denn auch in erster Linie mit Blick auf die Rechtsstellung des Versicherers vorgebracht, die teils eher technischer, teils eher wertender Natur sind. In technischer Hinsicht wird die Rechtsnatur der Bezugsrechtserklärung gegen die Analogiebildung ins Feld geführt: Als empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft unterscheide sie sich wesentlich von nicht empfangsbedürftigen letztwilligen Verfügungen. Zudem handele es sich bei der Bezugsrechtserklärung um ein einseitig gestaltendes Rechtsgeschäft, das nach allgemeinen Grundsätzen bedingungsfeindlich sei, so dass schon aus diesem Grund die Möglichkeit entfalle, die Scheidung als auflösende Bedingung der Bezugsberechtigung zu bewerten.579 Zu überzeugen vermögen diese Argumente nicht: Eine Vielzahl allgemein anerkannter Gestaltungsmöglichkeiten von Lebensversicherungsverträgen wie z. B. die gemischte Lebensversicherung580 oder die Benennung eines Ersatzbezugsberechtigten581 setzt die Bedingbarkeit der Bezugsberechtigung voraus.582 Auch der Hinweis auf die Empfangsbedürftigkeit der Bezugsrechtserklärung verfängt nicht, und das nicht einmal in erster Linie deshalb, weil § 2077 in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich über § 2279 I auch für erbvertragliche Zuwendungen gilt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Vorschrift eine Bedingungsfiktion anordnet, bei der sich Zugangsprobleme naturgemäß nicht stellen. Fraglich kann bestenfalls die Erkennbarkeit der gesetzlich angeordneten ergänzenden Auslegung für den gungserklärung abgegebenes Schenkungsversprechen nicht der Vorschrift des § 2301 unterliegt, daraus aber die Analogieunfähigkeit aller erbrechtlichen Vorschriften ableitet, die bei Eingreifen des § 2301 direkte Anwendung fänden. Vgl. demgegenüber Windel, S. 439 ff., der die Anwendbarkeit erbrechtlicher Normen vom jeweils berührten Sachproblem abhängig macht. 579 Gitter JR 1976, 464, 465, Anm. zu BGH JR 1976, 463. Das letzte Argument wird im Wesentlichen gegen die Annahme einer stillschweigenden, also rechtsgeschäftlich angeordneten Bedingung vorgebracht, trifft aber auch und gerade die analoge Anwendung des § 2077. Wer schon eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Bedingung für unzulässig hält, muss erst recht die Fiktion einer Bedingung im Wege der ergänzenden Auslegung ablehnen. Inkonsequent daher Fuchs JuS 1989, 179, 181 und Wrabetz FS v. Lübtow (1991), 239, 241 u. 243, die trotz Annahme von Bedingungsfeindlichkeit der Bezugsrechtserklärung § 2077 analog anwenden wollen. 580 Vgl. etwa BGH NJW 1992, 2154, 2155. 581 Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 35; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86 Rn. 25c. 582 Bedingbarkeit ist auch im Fall der unwiderruflichen Bezugsrechtseinräumung möglich. Die Anordnung einer Bedingung steht nicht im Widerspruch zum Wesen der Unwiderruflichkeit, BGHZ 45, 162, 167; Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 69; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, § 167 Rn. 4.

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Versicherer als Empfänger der Bezugsrechtserklärung sein. Auch sie ist zu bejahen, weil die Ergänzung der Erklärung auf einem allgemeinen, also auch dem Versicherer zugänglichen Erfahrungssatz beruht.583 Freilich birgt die analoge Anwendung des § 2077 aus Sicht des Versicherers die Gefahr, dass es entgegen diesem Erfahrungssatz gem. § 2077 III aufgrund eines wirklichen oder hypothetischen Willens des Versicherungsnehmers bei der Bezugsberechtigung des Ex-Ehegatten bleibt. Daraus folgt aber nicht, dass § 2077 mangels Berücksichtigungsfähigkeit dieser Ausnahmekonstellation im Ganzen unangewendet bleiben müsste. Denn dem BGB ist es nicht grundsätzlich fremd, die Rechtsstellung eines Erklärungsempfängers dadurch zu belasten, dass es einen von der regelmäßigen Interessenlage abweichenden, u. U. auch bloß hypothetischen Willen des Erklärenden für beachtlich erklärt. Das belegt etwa § 153: Der erforderliche Schutz des Erklärungsempfängers wird nach dieser Vorschrift nicht dadurch gewährleistet, dass der atypische Wille des Erklärenden schlicht übergangen wird, sondern dadurch, dass bei der Ermittlung dieses Willens nur solche Umstände berücksichtigt werden, die dem Erklärungsempfänger erkennbar waren.584 Diese Grundsätze können ohne weiteres auf die vorliegende Konstellation übertragen werden.585 Unzutreffend wäre der Einwand, die Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens nach dem objektiven Empfängerhorizont denaturiere den Normcharakter des § 2077 I, III als erbrechtliche Auslegungsregel, für die allein § 133 maßgeblich sei. Denn der Aufrechterhaltungswille ist – jedenfalls im Grundsatz – auch in rein erbrechtlichen Konstellationen nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln, sofern, wie beim gemeinschaftlichen Testament und beim Erbvertrag, ein schutzwürdiger Erklärungsempfänger vorhanden ist.586 Nicht zu leugnen ist allerdings, dass auch die Ermittlung des Aufrechterhaltungswillen nach dem objektiven Maßstab des § 157 die mit der analogen Anwendung des § 2077 verbundene Unsicherheit im Hinblick auf Wegfall oder Fortgeltung der Bezugsberechtigung nicht vollständig beseitigt, sondern nur minimiert. Die folgende Bewertung der Interessenlage wird aber zeigen, dass dem Versicherer zugemutet werden kann, das verbleibende Unsicherheitsrisiko zu tragen. 583 Ähnlich Windel, S. 451: Der Versicherer habe sich auf den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages eingelassen, der erkennbar der Familienversorgung diene. Diese Versorgung könne aber nicht ohne Rücksicht auf den personenstandsrechtlichen Status des Begünstigten erfolgen. 584 Heute wohl h. M., vgl. Bork, BGB-AT, Rn. 735; Flume, BGB-AT, 2. Bd., § 35 I 4 (S. 646 f.); Medicus, BGB-AT, Rn. 377; MünchKomm/Kramer § 153 Rn. 3; Palandt/Heinrichs § 153 Rn. 2; Staudinger/Bork § 153 Rn. 5, jeweils mit Unterschieden in der Terminolgie. 585 Atypische Fallgestaltungen, etwa die Bestimmung des Noch-Ehegatten zum Bezugsberechtigten während eines vom Versicherungsnehmer initiierten Scheidungsverfahrens, dürften entgegen Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, § 167 Rn. 4 bei der Beratung vor Vertragsabschluss regelmäßig zur Sprache kommen. 586 Vgl. dazu 3. Teil, A. II. 3. b) cc).

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(1) Direkte Anwendung des § 2077 auf die Bezugsberechtigung Die analoge Anwendung des § 2077 ist dem Versicherer zum einen deshalb zumutbar, weil die Vorschrift zumindest in zwei Fallkonstellationen bereits direkte Anwendung auf das Bezugsrecht des Ehegatten findet. Der erste Fall betrifft die Einräumung des Bezugsrechts in einer letztwilligen Verfügung, die gem. § 332 im Zweifel möglich ist, wenn sich der Versicherungsnehmer die Befugnis vorbehalten hat, ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des im Vertrag bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen.587 Ein solcher Vorbehalt gilt gem. § 166 I VVG bei einer Kapitallebensversicherung im Zweifel als vereinbart. Zwar geht die herrschende Meinung davon aus, dass § 332 durch § 14 IV 1 Muster-ALB 1994 (= § 13 IV 1 ALB 1986) rechtsgeschäftlich abbedungen ist588, weil dieser Klausel zufolge die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts589 dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam wird, wenn sie ihm schriftlich angezeigt wird. Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung das Anzeigeerfordernis zur Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts Bezugsrechtseinräumung erhebt590, bleibt eine testamentarische Bezugsrechtseinräumung aber möglich, sofern sie dem Anzeigeerfordernis genügt. Ist das der Fall, greift § 2077 unmittelbar ein, weil die Anzeige, also die Kundgabe der bezugsrechtseinräumenden Erklärung nichts an ihrer Rechtsnatur als letztwillige Verfügung ändert.591 Der zweite Fall betrifft die Erklärung, in 587 Über den Wortlaut hinaus erlaubt § 332 BGB i.V. m. § 166 I 1, 1. Alt. VVG bei einer Kapitallebensversicherung nach allgemeiner Ansicht nicht nur die Abänderung, sondern auch die erstmalige Einräumung eines Bezugsrechts, vgl. RGZ 140, 30, 33; MünchKomm/Gottwald § 332 Rn. 1; Soergel/Hadding § 332 Rn. 3. 588 BGHZ 81, 95, 98 f.; Schmalz-Brüggemann ZEV 1996, 84, 86; Vollkommer ZEV 2000, 10, 11; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86 Rn. 17. 589 Bei Vereinbarung eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist bereits die Vermutung des § 166 I VVG widerlegt. 590 Die Formulierung „dem Versicherer gegenüber wirksam“ spricht eher für eine nur relative Unwirksamkeit im Verhältnis Versicherer und Versicherungsnehmer, vgl. Bartholomeyczik Festgabe v. Lübtow (1970), 729, 749. Ebenso OLG Hamburg als Vorinstanz zu BGHZ 81, 95, 98 f., der den gegenteiligen Standpunkt vertritt. 591 Windel, S. 448. Dass § 2077 bei der Bezugsrechtseinräumung nach § 332 direkt anwendbar ist, gestehen auch die Anhänger der Gegenansicht zu. Sie ziehen aus dieser Tatsache aber den Umkehrschluss, dass es einer Analogie zu § 2077 in den übrigen Fällen nicht bedürfe: Wenn der Versicherungsnehmer die Anwendbarkeit der Vorschrift wolle, stehe es ihm frei, die Bezugsberechtigung über § 332 dem Erbrecht zu unterstellen, OLG Düsseldorf VersR 1975, 918, 919 im Anschluss an Haidinger VersR 1959, 691, Anm. zu OLG Bremen VersR 1959, 689; Gitter JR 1976, 464, 465, Anm. zu BGH JR 1976, 463. Das grenzt an Zynismus: Die Scheidung stellt für den Versicherungsnehmer wie für den letztwillig Verfügenden regelmäßig einen unvorhergesehenen Umstand dar. § 2077 bietet eine Möglichkeit, diesen unvorhergesehenen Umstand dem hypothetischen Willen des Verfügenden entsprechend zu berücksichtigen. Wie aber kann man ernsthaft von einer Wahlmöglichkeit in Bezug auf die Anwendbarkeit einer Vorschrift sprechen, die ihrerseits von der Prämisse lebt, dass dem „Wahlberechtigten“ die in der Vorschrift geregelte Problematik verborgen bleibt? Zu

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der der Versicherungsnehmer ohne nähere Bestimmung seine Erben als bezugsberechtigt bezeichnet. In diesem Fall sind gem. § 167 II 1 VVG im Zweifel diejenigen Personen bezugsberechtigt, die zur Zeit des Todes als Erben berufen sind. Damit erkennt das VVG die Möglichkeit einer dynamischen Verweisung auf die erbrechtliche Rechtslage an.592 Hat der Versicherungsnehmer/Erblasser testamentarisch seinen Ehegatten als Erben eingesetzt und in der Erklärung gegenüber dem Versicherer seine Erben als bezugsberechtigt bestimmt, schlägt der Verlust der Erbenstellung des Ex-Ehegatten aufgrund des § 2077 I also zugleich auf seine Bezugsberechtigung durch. (2) Interesse des Versicherers an schuldbefreiender Leistung an den Ex-Ehegatten Neben der Tatsache, dass der Versicherer das mit § 2077 verbundene Unsicherheitsrisiko in den dargestellten Fallkonstellationen ohnehin tragen muss, ist zu berücksichtigen, dass ihm aus der Anwendung der Vorschrift zumindest in rein rechtlicher Hinsicht keine Nachteile drohen. Da dem im Versicherungsfall unbedingt leistungspflichtigen Versicherer die bezugsberechtigte Person als solche gleichgültig ist, kann die ipso iure eintretende Unwirksamkeit der Bezugsberechtigung rechtlich betrachtet von vornherein nur sein Interesse daran berühren, die Versicherungssumme weiterhin schuldbefreiend an den durch die Versicherungsunterlagen als bezugsberechtigt ausgewiesenen Ex-Ehegatten auszuzahlen. Diesem Interesse wird bis zur Kenntnisnahme des Versicherers von der Scheidung zum einen durch die Schuldnerschutzvorschrift des § 407 Genüge getan, die nach allgemeiner Ansicht auf die Änderung des Bezugsrechts analoge Anwendung findet593, zum anderen durch die Möglichkeit, gem. § 808 I 1, § 12 I 1 Muster-ALB 1994 mit schuldbefreiender Wirkung auch an einen nichtberechtigten Inhaber des Versicherungsscheins zu leisten.594 Danach dürfRecht ablehnend daher Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, 1007; Finger VersR 1990, 229, 230. 592 Nach BGH NJW 1993, 2171, 2172 sollen die §§ 2066 ff. bei der Auslegung einer Drittbegünstigungsklausel beim Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall freilich unanwendbar sein. Das Gericht lehnte es daher ab, die Abkömmlinge des zunächst begünstigten, aber vorverstorbenen Sohnes der Versprechensempfängerin gem. § 2069 an dessen Stelle als begünstigt anzusehen. Der streitgegenständliche Anspruch auf ein Sparguthaben falle in den Nachlass. Ablehnend Windel, S. 451 f. Selbst wenn man der Entscheidung zustimmt, kann sie aufgrund der ausdrücklichen Inbezugnahme der erbrechtlichen Lage durch § 167 II 1 VVG jedenfalls nicht auf Lebensversicherungsverträge übertragen werden. 593 RGZ 154, 99, 109; Fuchs JuS 1989, 179 f.; Palandt/Grüneberg § 407 Rn. 2. Zur Vergleichbarkeit von Abtretung und Bezugsrechtseinräumung Heilmann VersR 1972, 997, 999 sowie Lorenz FS Farny, 335, 340: „Umschaffung der Versicherungsforderung“. 594 Insofern schadet nach h. M. bloß grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung, vgl. OLG Düsseldorf NJW 1987, 654, 655; Prölss/Martin/Kollhosser,

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ten eben wegen der insbesondere mit § 2077 III verbundenen Rechtsunsicherheit die Voraussetzungen für eine schuldbefreiende Hinterlegung gem. §§ 372 S. 2, 378 gegeben sein.595 ee) Praktische und rechtliche Vorzüge einer analogen Anwendung des § 2077 Die genannten Argumente werden von den Anhängern der Gegenansicht kaum bestritten. Sie verweisen aber darauf, dass sich das Interesse des Versicherers bei der Auszahlung der Versicherungssumme nicht darin erschöpfe, von seiner Leistungspflicht befreit zu werden, „sondern auch dahin gehe, das Vertrauen der Beteiligten auf eine richtige, auch dem materiellen Recht entsprechende Abwicklung der Versicherung zu rechtfertigen“596. Wer dieses Interesse nicht anerkenne, reduziere „die Versicherungspraxis zu sehr auf das Pekuniäre“597. Man wird schon daran zweifeln dürfen, ob „nichtpekuniäre“ Interessen, die wohl in erster Linie darauf gerichtet sind, dem Versicherer Verwaltungsaufwand und unliebsame Auseinandersetzungen mit den Bezugsrechtsprätendenten zu ersparen, geeignet sind, sich gegen das Interesse des Versicherungsnehmers an einer typischerweise seinem Willen entsprechenden Zuweisung des Versicherungsanspruchs durchzusetzen, den er durch jahrelange Prämienzahlung erkauft hat.598 Sicher ist aber, dass das Vertrauen der Beteiligten auf eine der materiellen Rechtslage entsprechende Abwicklung der Versicherung durch den vom BGH gewiesenen Lösungsweg über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis stärker erschüttert wird als durch die analoge Anwendung des § 2077599: Ob der Ex-Ehegatte die eingezogene Versicherungssumme nach § 816 II (kein Bezugsrecht des Ex-Ehegatten) oder nach § 812 I 1, 1. Alt. (kein Rechtsgrund zum Behaltendürfen) herausgeben muss, macht weder für ihn noch für die Erben des Versicherungsnehmers einen Unterschied. Der Weg über das konturlose Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage führt aber zu Unsicherheiten und Folgeproblemen. Ungeklärt bleibt etwa VVG, § 11 ALB 86 Rn. 5; Palandt/Sprau § 808 Rn. 4, offen gelassen von BGHZ 28, 368, 371. Noch nachsichtiger gegenüber dem Versicherer Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. C 320. 595 Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, 1008; Finger VersR 1990, 229, 233; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 31. 596 OLG Bremen VersR 1959, 689, 690 m. Anm. Haidinger. 597 So Wrabetz FS v. Lübtow (1991), 239, 243, der aber im Ergebnis die analoge Anwendung des § 2077 bejaht. 598 Wie hier Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, 1005; Finger VersR 1990, 229, 233: Rechtsnachteile für den Versicherer seien nicht erkennbar. Für die von der Nichtanwendung des § 2077 Betroffenen seien die Ausfälle dagegen „nachhaltig, schwer und endgültig“. 599 Finger VersR 1990, 229, 235; Wrabetz FS v. Lübtow (1991), 239, 244; Windel, S. 451.

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die Reichweite der Rückabwicklung600 sowie die Beweislastverteilung im Hinblick auf die Frage, ob der Fortbestand der Ehe Geschäftsgrundlage der Zuwendung war.601 Durch die analoge Anwendung des § 2077 würden diese Probleme vermieden. Für klarere Verhältnisse würde die Anwendung des § 2077 auch im Hinblick auf den Zugewinnausgleich sorgen. Der Wegfall der Bezugsberechtigung im Scheidungsfall hätte gem. § 168 VVG zur Folge, dass der Versicherungsanspruch stets dem Endvermögen des Versicherungsnehmers zuzuordnen und nach den allgemeinen – ohnehin komplizierten – Grundsätzen zur Bewertung von Kapitallebensversicherungen im Zugewinnausgleich602 auszugleichen wäre. Die Aufrechterhaltung der Bezugsberechtigung führt dagegen im Fall ihrer unwiderruflichen Einräumung dazu, dass die Vermögensverhältnisse der Ehegatten entgegen dem auf endgültige Abwicklung gerichteten Grundgedanken des Zugewinnausgleichs, der insbesondere durch das Stichtagsprinzip zum Ausdruck kommt, über die Scheidung hinaus miteinander verquickt bleiben603: Besteht die Bezugsberechtigung fort, ist die Vermögensposition Lebensversicherung beim Zugewinnausgleich dem Endvermögen des Bezugsberechtigten zuzuordnen und dementsprechend zunächst zu seinen Lasten auszugleichen.604 Endgül600 Vgl. BGH NJW 1987, 3131, 3132; BGH NJW 1992, 2154, 2156; BGH ZEV 1995, 150, 152; Völkel VersR 1992, 539, 544: Die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts werden durch Zumutbarkeitsaspekte modifiziert. 601 Vgl. einerseits BGH NJW 1987, 3131, 3132; OLG Köln FamRZ 1998, 193: Im Scheitern der Ehe liege unabhängig von der Art der causa regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis. Anderseits BGH ZEV 1995, 150, 152: Die Beweislast dafür, dass der Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft Geschäftsgrundlage war, trage nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf den Wegfall beruft. 602 Vgl. dazu BGH FamRZ 1995, 1270; Raube/Eitelberg FamRZ 1997, 1322. 603 Weniger problematisch ist die Rechtslage beim widerruflichen Bezugsrecht des Ehegatten: Die Ansprüche aus der Versicherung werden aufgrund der fortbestehenden Verfügungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers gem. § 166 I VVG seinem Endvermögen zugeordnet, so dass sich ein etwaiger Zugewinnausgleichsanspruch seines Ehegatten erhöht, vgl. Raube/Eitelberg FamRZ 1997, 1322, 1323; Schwab/Schwab, ScheidungsR, VII, Rn. 70. Dieser partizipiert also bereits zum Zeitpunkt der Scheidung an der Lebensversicherung, Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004, 1007. Den darüber hinausgehenden Erwerb des Anspruchs im Versicherungsfall kann der Versicherungsnehmer durch Widerruf ausschließen. Immerhin bleibt die Gefahr, dass er die Erforderlichkeit dieses Widerrufs verkennt, weil er – naheliegend, nach der Rechtsprechung aber irrig – davon ausgeht, mit der Berücksichtigung der Lebensversicherung im Zugewinnausgleich habe sich die Teilhabeerwartung seines Ex-Ehegatten an diesem Vermögensgegenstand endgültig erledigt. 604 Schon bei diesem Ausgleich stellen sich schwierige Auslegungs- und Bewertungsprobleme. Denn auch ein unwiderruflich eingeräumtes Bezugsrecht kann unter der Bedingung des Überlebens des Begünstigten stehen, § 168 VVG, vgl. AG Mölln VersR 1978, 131, 132; Lorenz FS Farny, 335, 343 f.; Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 122. Der Tatrichter muss daher den Versicherungsvertrag und die Bezugsrechtseinräumung auf das Vorhandensein einer solchen Bedingung hin untersuchen

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tig aufgelöst wird die vermögensrechtliche Rechtsbeziehung der Ex-Ehegatten dann erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Denn da die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach der Rechtsprechung auch und gerade im Fall eines unwiderruflichen Bezugsrechts eingreifen, bleibt es bei Eintritt des Versicherungsfalls beim Bereicherungsanspruch der Erben des Versicherungsnehmers aus § 812 I 1, 1. Alt. gegen den Ex-Ehegatten, der den Versicherungsanspruch bzw. das zu seiner Erfüllung Geleistete lediglich insoweit behalten darf, als der Anspruch auf Prämienzahlungen vor dem für den Zugewinnausgleich maßgeblichen Stichtag beruht.605 Steht aber zum Zeitpunkt der Scheidung ohnehin fest, dass der als bezugsberechtigt bezeichnete Ehegatte über das dargestellte Ausmaß hinaus letztlich nicht in den Genuss des Versicherungsanspruchs kommen wird, besteht kein Anlass, seine rein formale Rechtsstellung als unwiderruflich eingesetzter Bezugsberechtigter bis zum Eintritt des Versicherungsfalls und damit u. U. über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten, was den materiell berechtigten Versicherungsnehmer zu Lebzeiten mangels Verfügungsbefugnis an einer Verwertung des Anspruchs, etwa durch Verpfändung oder Sicherungszession, hindert.606 Zu unbefriedigenden Ergebnissen kann die Verlagerung der Scheidungsproblematik auf den Nebenkriegsschauplatz Valutaverhältnis schließlich dann führen, wenn der Versicherungsnehmer Ersatzbezugsberechtigte bestimmt hat. Da die Bezugsberechtigung des Ehegatten nach der Lösung des BGH von der Beendigung der Ehe unangetastet bleibt, wird die durch den Wegfall des Erstberufenen bedingte Benennung der Ersatzbezugsberechtigten607 mit dem Rechtserwerb des Ex-Ehegatten obsolet. Sofern dieser Rechtserwerb aufgrund der Scheidung rechtsgrundlos erfolgt ist, fällt der Bereicherungsanspruch auf Abtretung der Versicherungsforderung bzw. auf Herausgabe des zu ihrer Erfüllung Geleisteten in den Nachlass.608 Der eigentlich den Ersatzbezugsberechtigten zugedachte Versicherungsanspruch wird damit in der Regel endgültig fehlgeleitet609: Sollte das Valutaverhältnis zwischen Ersatzbezugsberechtigtem und Versicherungsnehmer erst nach dessen Tod zustande kommen, was jedenfalls bei

und bejahendenfalls entscheiden, mit welchem Abschlag das Bezugsrecht unter Berücksichtigung des Risikos zu bewerten ist, dass der Versicherungsanspruch letztlich weder dem Bezugsberechtigten noch seinen Erben zugute kommt. 605 BGH NJW 1992, 2154, 2155. 606 Bruck/Möller/Winter, VVG V2, Anm. H 34. 607 LG Saarbrücken NJW 1983, 180. 608 BGH ZEV 1995, 150, 152; Völkel VersR 1992, 539, 544; Muscheler WM 1994, 921, 929. 609 Unzutreffend daher Herzog-Grün, S. 141, die die analoge Anwendung des § 2077 nicht für erforderlich hält, weil die mit Erwerb der Bezugsberechtigung durch den Ex-Ehegatten eintretende, möglicherweise ungerechte Vermögenslage über die Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage korrigiert werden könne.

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Ersatzbezugsberechtigten keine Seltenheit darstellen dürfte, fehlt es für einen Anspruch des Ersatzbezugsberechtigten gegen den Nachlass schon am dazu erforderlichen Vertragsschluss. Denn die beim Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall übliche Beauftragung des Versicherers durch den Versicherungsnehmer, dem Dritten nach dem Tod des Versicherungsnehmers dessen Antrag auf Abschluss des Vertrages im Valutaverhältnis zugehen zu lassen, den der Dritte gem. §§ 151, 153 ohne Zugang der Annahmeerklärung beim Versicherungsnehmer annehmen kann610, versagt im Hinblick auf den Ersatzbezugsberechtigten, weil der Auftrag zur Weiterleitung des Vertragsangebots ebenso durch den Wegfall des Erstberufenen bedingt sein dürfte wie der Erwerb des Versicherungsanspruchs selbst. Ansprüche gegen den Nachlass bestehen aber regelmäßig auch dann nicht, wenn sich der Versicherungsnehmer – etwa aus Anlass der Scheidung – zu Lebzeiten mit dem Ersatzbezugsberechtigten darüber einigt, dass dieser den Versicherungsanspruch beim Tod des Versicherungsnehmers erhalten werde, sofern diese Vereinbarung als Schenkung zu qualifizieren ist. Denn dieses Schenkungsversprechen wird regelmäßig formnichtig sein, und zwar unabhängig davon, ob es unter der Bedingung des Überlebens des Beschenkten steht oder nicht: An der nur im ersten Fall gem. § 2301 I erforderlichen Beachtung der erbrechtlichen Formvorschriften611 wird es typischerweise ebenso fehlen wie an der im zweiten Fall gem. § 518 I erforderlichen notariellen Beurkundung. Der ansonsten beim Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall helfende Automatismus – Heilung des Formmangels im Valutaverhältnis gem. § 518 II durch Anspruchserwerb des Dritten612 – kann nicht zum Zuge kommen, weil eben nicht der Ersatzbezugsberechtigte, sondern der Ex-Ehegatte die Versicherungsforderung erwirbt. Auch aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdig, § 2077 im Scheidungsfall analog anzuwenden und damit am Bezugsrecht selbst anzusetzen. Die Ersatzbezugsberechtigten würden dann ohne weiteres in das mit dem Wegfall des Ex-Ehegatten frei gewordene Bezugsrecht einrücken. c) Ernennung des Ehegatten zum Testamentsvollstrecker In Betracht kommt schließlich eine analoge Anwendung des § 2077 auf die Ernennung des Ehegatten zum Testamentsvollstrecker gem. § 2197 I.613 Anders als bei einer Erbeinsetzung und der Zuwendung eines Vermächtnisses oder einer Auflage wird der Ehegatte durch diese Ernennung allerdings nicht „bedacht“, 610

Muscheler WM 1994, 921, 922. H.M., vgl. MünchKomm/Musielak § 2301 Rn. 4; Palandt/Edenhofer § 2301 Rn. 4; Staudinger/Kanzleiter § 2301 Rn. 14. 612 BGH WM 1976, 1130; OLG Koblenz MDR 1995, 812, 813; OLG Köln NJW-RR 1995, 1224. 613 Dafür Lange/Kuchinke, ErbR, § 35, Fn. 21 (S. 819). 611

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also selbst begünstigt. Vielmehr übt der Testamentsvollstrecker nach herrschender Meinung fremdnützig ein privates Amt aus614, das ihm vom Erblasser grundsätzlich auch unabhängig von einer persönlichen Nähebeziehung, etwa wegen besonderer Sachkunde oder persönlicher Zuverlässigkeit, eingeräumt worden sein kann.615 Für die Ernennung des Ehegatten zum Testamentsvollstrecker dürfte aber regelmäßig das durch die Ehe vermittelte Vertrauensverhältnis zum Partner ursächlich sein, das nach der Scheidung der Ehe ebenso regelmäßig endet, wenn nicht gar ins Gegenteil umschlägt. Insbesondere bei der häufigen Anordnung der Testamentsvollstreckung über die Erbteile gemeinschaftlicher, noch minderjähriger Kinder ist daher kaum davon auszugehen, dass der Erblasser bei Voraussicht der Scheidung seinem Ehegatten durch die Ernennung zum Testamentsvollstrecker dasjenige „Mehr an Vertrauen“616 entgegengebracht hätte, das sich etwa in der Entbehrlichkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung bei der Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück gem. § 2205 S. 2617 äußert, derer der Ehegatte und Elternteil in seiner Eigenschaft als bloßer gesetzlicher Vertreter der erbenden Kinder gem. §§ 1643 I, 1821 I Nr. 1 bedürfte. Dementsprechend erscheint eine analoge Anwendung des § 2077 auf die Ernennung des Ehegatten zum Testamentsvollstrecker sachgerecht, wobei zu berücksichtigen ist, dass mit der auf § 2077 beruhenden Unwirksamkeit der Ernennung des Testamentsvollstreckers nicht notwendig die Testamentsvollstreckung als solche ausscheidet. Denn eine unwirksame Ernennung des Testamentsvollstreckers kann nach den Regeln der ergänzenden Auslegung gem. § 2200 I als Ersuchen an das Nachlassgericht verstanden werden, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, sofern der Erblasser eine solche Ernennung vermutlich gewünscht haben würde.618 Das kommt in den hier fraglichen Fallkonstellationen insbesondere dann in Betracht, wenn die Testamentsvollstreckung nicht ausschließlich auf eine Stärkung der Stellung des überlebenden Ehegatten gerichtet war, sondern zumindest auch auf eine Einschränkung der Rechte der erbenden Kinder.

614 BGHZ 25, 275, 279; Palandt/Edenhofer Einf v § 2197 Rn. 2; Staudinger/Reimann Vorbem zu §§ 2197–2228 Rn. 14. 615 Zum Anforderungsprofil eines idealen Testamentsvollstreckers vgl. Hartmann, Testamentsvollstreckung, S. 14. 616 Damrau ZEV 1994, 1, 3. 617 RGZ 106, 185, 187; Damrau ZEV 1994, 1, 2; Bengel/Reimann/Reimann, Testamentsvollstreckung, 2. Kap., Rn. 188; Hartmann, Testamentsvollstreckung, S. 15. 618 BayObLG FamRZ 1988, 325 f.; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 323, 324; Staudinger/Reimann § 2200 Rn. 7.

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II. Gemeinschaftliches Testament Die §§ 2265 ff. eröffnen für Eheleute die anderen Erblassermehrheiten versagte Möglichkeit zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments.619 Für die Ehegatten folgt aus dieser Möglichkeit ein zweifaches Privileg620: Erstens genügt für die eigenhändige Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments gem. § 2267 S. 1, dass der eine Ehegatte das vom anderen in der Form des § 2247 errichtete Testament lediglich mitunterzeichnet. Zweitens können die Ehegatten ihre jeweiligen Verfügungen zueinander in das Verhältnis sog. Wechselbezüglichkeit setzen. Das führt zum einen gem. § 2270 I zur Abhängigkeit der Wirksamkeit der Verfügung des einen vom Fortbestand der zu ihr wechselbezüglichen Verfügung des anderen Ehegatten, und zum anderen zu einer gestuften Bindung des wechselbezüglich Verfügenden, der seine Verfügung zu Lebzeiten seines Ehegatten gem. § 2271 I nur unter erschwerten Bedingungen und danach überhaupt nicht mehr widerrufen kann, § 2271 II 1. Machen die Ehegatten von der Möglichkeit dieses Rechtsinstituts Gebrauch, weitet § 2268 die Rechtsfolge des § 2077 auf sämtliche in dem Testament enthaltenen Verfügungen aus: Nach der Vorschrift ist ein gemeinschaftliches Testament in den Fällen des § 2077 – vorbehaltlich eines abweichenden Willens gem. § 2268 II – seinem ganzen Inhalt nach unwirksam. 1. Entstehungsgeschichte des § 2268 Die erste Kommission zur Beratung des BGB lehnte die gemeinschaftliche Errichtung letztwilliger Verfügungen noch ohne Ausnahmen ab.621 Demgegenüber bestand in der zweiten Kommission Einigkeit darüber, dass die Möglichkeit zur Errichtung gemeinschaftlicher Testamente für Ehegatten erhalten bleiben müsse; das gemeinschaftliche Testament entspreche der (Testier-)„Gewohnheit in weiten Kreisen“622. Uneinheitlich wurde aber beurteilt, wie sich die Auflösung der Ehe auf ein gemeinschaftliches Testament auswirken sollte. Der zur Diskussion gestellte Hauptantrag des Kommissionsmitglieds Börner hielt keine besondere Vorschrift für diesen Fall bereit. Der Antrag des Kommissionsmitglieds Wilke sah dagegen folgende Regelung vor: Das gemeinschaftliche Testament verliert seine Gültigkeit, wenn die Ehe der Erblasser anders als durch den Tod aufgelöst wird.623 619 § 10 IV 1 LPartG macht von diesem Grundsatz für Eingetragene Lebenspartner eine Ausnahme. 620 Muscheler DNotZ 1994, 733, 742 f. Vergleichend mit Blick auf das Einzeltestament einerseits und den Erbvertrag andererseits Meincke DStR 1981, 523, 525 ff. 621 § 1913 E I lautete: Mehrere Personen können letztwillige Verfügungen nicht gemeinschaftlich errichten. 622 Prot. Bd. V, S. 426.

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Eine Minderheit der Kommissionsmitglieder lehnte diesen Vorschlag ab. Die Unwirksamkeit als Folge der Eheauflösung stelle nur für die im Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit stehenden Verfügungen der Ehegatten die adäquate Rechtsfolge dar. Insofern bedürfe es aber keiner besonderen Regelung, da sich die Unwirksamkeit dieser Verfügungen schon aus dem Zusammenspiel des § 1783 E I (= § 2077) mit der Vorschrift über die Wirkungen der Wechselbezüglichkeit ergebe. Im Hinblick auf die anderen, unabhängig von der Ehe und damit eher zufällig im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen gehe der Vorschlag zu weit, weil die Unwirksamkeit auch dieser Verfügungen zu einer Wiederholung des Testats zwinge, die den Eheleuten – etwa wegen nachträglich eingetretener Geisteskrankheit – nicht immer möglich sei.624 Das hauptsächliche Anliegen der Minderheit, nämlich die Beschränkung der Unwirksamkeitsfolgen auf wechselbezügliche Verfügungen, stieß bei der Kommissionsmehrheit auf Widerspruch. Diese Beschränkung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil mit der Auflösung der Ehe alle Gründe hinfällig würden, die für die Zulassung des gemeinschaftlichen Testaments sprächen. Zudem erfordere die von der Minderheit vorgeschlagene Lösung über den Unwirksamkeitsmechanismus der §§ 2077 I, 2270 I eine u. U. schwierige Abgrenzung zwischen wechselbezüglichen und nicht wechselbezüglichen Verfügungen. Durch die Anordnung der Unwirksamkeit auch für letztere werde dieses Abgrenzungsproblem vermieden und zugleich Übereinstimmung mit der Rechtslage beim Erbvertrag hergestellt; denn auch eine nicht vertraglich getroffene Verfügung trete gem. § 1960 E I (= 2299 III) im Zweifel außer Kraft, wenn der Erbvertrag durch Ausübung des Rücktrittsrechts oder durch Vertrag aufgehoben werde.625 Schließlich entspreche die Anordnung vollumfänglicher Unwirksamkeit der Regelung des preußischen Allgemeinen Landrechts.626 Aufgrund dieser Erwägungen setzte sich der Antrag Wilkes im Grundsatz durch. Man kam aber überein, die vorgeschlagene Regelung in Anlehnung an § 1783 in zweierlei Hinsicht zu modifizieren: Zum einen sollte die Unwirksamkeitsfolge auch beim gemeinschaftlichen Testament schon dann eingreifen, wenn die Ehe zwar technisch durch den Tod des Erblassers aufgelöst ist, dieser aber zum Zeitpunkt des Todes wegen Verschuldens des anderen Teils auf Scheidung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte. Zum anderen gestand die Kommissionsmehrheit zu, dass „in dem gemeinschaftlichen

623

Jakobs/Schubert, 2. Teil, S. 1679. Prot. Bd. V, S. 446 f. 625 Tatsächlich war die dargestellte Regelung noch nicht in § 1960 E I, sondern erst in dessen Nachfolgenorm im zweiten Entwurf als § 2165 II 3 enthalten, der schließlich in Form des § 2299 III Gesetz wurde, vgl. Mugdan, Bd. V, S. XLVIII u. S. XLVI. Vgl. zu diesem Argument auch 3. Teil, A. III. 1. b) aa). 626 Prot. Bd. V, S. 447. 624

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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Testamente letztwillige Verfügungen getroffen sein könnten, die außer jedem Zusammenhange mit der Ehe der Erblasser ständen und daher nach dem Willen der Erblasser auch dann bestehen sollten, wenn die Ehe vor ihrem Tode aufgelöst werde“627. Dementsprechend wurde auch die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Vorbild des § 1783 III unter den Vorbehalt eines abweichenden Willens gestellt. Die Einarbeitung dieser Änderungen gab dem ursprünglichen Antrag in Form des § 1913c E I-VorlZust folgende Gestalt: Das gemeinschaftliche Testament ist unwirksam, wenn die Ehe der Erblasser anders als durch den Tod gelöst wird. Das Gleiche gilt, wenn einer der Ehegatten zur Zeit seines Todes Scheidung wegen Verschuldens des andern Theils zu verlangen berechtigt war und die Scheidungsklage erhoben hatte. Das Testament ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass die Erblasser die darin enthaltenen Verfügungen auch für einen solchen Fall getroffen haben würden.628

Der Beschluss der zweiten Kommission wurde der Redaktionskommission überwiesen, wo er als § 1939e ZustRedkomm die in § 2268 Gesetz gewordene Fassung erhielt. Anzeichen dafür, dass die Redaktionskommission mit der Umformulierung des § 1913c E-I VorlZust die Vorschrift auch in sachlicher Hinsicht abändern wollte, sind nicht ersichtlich. Daher liegt die Annahme nahe, dass die Aufzählung der zur Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments führenden Gründe in Absatz 1 der Kommissionsvorlage nur deshalb durch den Verweis auf die Fälle des § 2077 ersetzt wurde, um § 2268 I sprachlich knapper und plakativer zu fassen. Dabei schlichen sich zwei Fehler ein. Zum einen lässt die Formulierung „in den Fällen des § 2077“ eine Auslegung zu, die sämtliche Merkmale des § 2077 umfasst, und damit auch die Voraussetzung, dass ein Ehegatte zugunsten des anderen verfügt.629 Nach dieser Auslegung bliebe ein ausschließlich zugunsten Dritter errichtetes gemeinschaftliches Testament von der Auflösung der Ehe stets unberührt. Beabsichtigt war eine derartige Einschränkung der Unwirksamkeitsfolge aber sicher nicht: Die zweite Kommission hatte an verschiedenen Stellen im Gesetzgebungsverfahren – nicht zuletzt durch § 1913 I c E-I VorlZust – deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie weder die Zulässigkeit der Errichtung630 noch die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments infolge Eheauflösung von der Person des Bedach-

627

Jakobs/Schubert, 2. Teil, S. 1680. Jakobs/Schubert, 2. Teil, S. 1685. 629 Muscheler DNotZ 1994, 733, 734 f. 630 Der Antrag, das gemeinschaftliche Ehegattentestament inhaltlich auf die Fälle zu beschränken, in denen die Erblasser einander Zuwendungen machen oder über den Nachlass des Überlebenden eine gemeinschaftliche Verfügung treffen, wurde abgelehnt, Prot. Bd. V, S. 426. 628

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

ten abhängig machen wollte. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die Verweisung auf § 2077 nur so weit reichen sollte wie derjenige Teil des § 1913c E-I VorlZust, der durch die Verweisung ersetzt wurde. Mit „den Fällen des § 2077“ sind also nur die „Ehebeseitigungskonstellationen“ des § 2077 – ursprünglich also Nichtigkeit, Auflösung und begründete Scheidungsklage – gemeint.631 Selbst auf der Grundlage dieser einschränkenden Auslegung ging die Verweisung aber noch zu weit, weil zu den in Bezug genommenen Ehebeseitigungskonstellationen nach der Ursprungsfassung des § 2077 auch die Nichtigkeit der Ehe zählte. Wäre es im Übrigen beim Regelungsvorschlag der zweiten Kommission geblieben, hätte die Aufnahme dieser Fälle in den Tatbestand des § 2268 I dazu geführt, dass die Unwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments auch im Fall der Ehenichtigkeit unter dem Aufrechterhaltungsvorbehalt des zweiten Absatzes gestanden hätte. Da die Nichtigerklärung der Ehe aber zu ihrem rückwirkenden Wegfall und damit für die Testierenden zum Verlust der Ehegatteneigenschaft führte, hätte die durch § 2268 II eröffnete Aufrechterhaltungsmöglichkeit einen Widerspruch zu § 2265 bedeutet, der nur Ehegatten die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments erlaubt. Offenbar in der Absicht, diesen Widerspruch zu vermeiden, verengte die Redaktionskommission die Reichweite des Aufrechterhaltungsvorbehalts in § 2268 II auf die Fälle der ex-nunc wirkenden Auflösung der Ehe. Dadurch wurde zwar das unmittelbare praktische Problem gelöst; erhalten blieb aber die Inkonsequenz der Redaktionskommission, die Nichtigkeitsfälle dem Anwendungsbereich des § 2268 I zu unterstellen, was die Korrektur des zweiten Absatzes erst erforderlich machte.632 Mit der Abschaffung der Kategorie der Ehenichtigkeit durch das EheschlRG633 wurde diese Fehlleistung – ebenso wie die umständliche Aufzählung der denkbaren Unwirksamkeitsgründe in § 2268 II – auch dogmatisch obsolet. Festzuhalten bleibt aber, dass die Aufnahme der Nichtigkeitsfälle in den Anwendungsbereich des § 2268 I im Widerspruch zum Regelungsvorschlag der zweiten Kommission stand. Damit beruhte die einzige Variante, in der § 2268 I wegen der schon aus § 2265 abzuleitenden Unwirksamkeit nur deklaratorische Bedeutung zukam, auf einem Redaktionsversehen.

631 Muscheler DNotZ 1994, 733, 735; Wirtz, S. 96; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 4. Stillschweigend ebenso BayObLG FamRZ 1994, 193, 195. 632 Dieses Kurieren an Symptomen blieb nicht folgenlos. So wurde aus dem Fehlen der Aufrechterhaltungsmöglichkeit für die Nichtigkeitsfälle in § 2268 II das Verbot abgeleitet, die im unwirksamen gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen in einseitige Testamente umzudeuten, Goßrau NJW 1947/1948, 365, 366; Lutter FamRZ 1959, 273, 274. Dagegen zu Recht die h. M., vgl. Kanzleiter DNotZ 1973, 133, 141; Muscheler DNotZ 1994, 733, 741; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 6; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 15. 633 Vgl. Fn. 31.

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2. Allgemeines zu § 2268 a) Rechtsnatur und Verhältnis zu § 2265 Mit der Entscheidung, die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments bei Vorliegen einer Ehebeseitigungskonstellation gem. § 2268 II unter den Vorbehalt eines abweichenden Willens der Verfügenden zu stellen, hat der Gesetzgeber die Normstruktur des § 2077 auf § 2268 übertragen. Das spricht auf den ersten Blick dafür, bezüglich der Rechtsnatur der Vorschriften Übereinstimmung anzunehmen und damit auch § 2268 als Regel der ergänzenden Testamentsauslegung zu qualifizieren. Nach diesem Verständnis beruht nicht nur die ausnahmsweise Aufrechterhaltung, sondern auch die regelmäßige Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nach § 2268 I auf dem – wirklichen oder hypothetischen – Willen der Ehegatten. Fraglich ist, ob § 2265 dieser subjektiv ausgerichteten Begründung des § 2268 I entgegensteht. Denn die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments im Fall der Eheauflösung, also bei nachträglichem Verlust der Ehegatteneigenschaft der Testatoren, kann auch als strukturbedingte – und damit willensunabhängige – Konsequenz jener Vorschrift aufgefasst werden, die nur Ehegatten die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments erlaubt.634 Diese Betrachtungsweise dürfte dem Regelungsvorschlag von Wilke zugrunde gelegen haben, der die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments noch als zwingende Rechtsfolge der vorzeitigen Eheauflösung vorsah.635 Ob dieser objektive Erklärungsansatz für § 2268 I in Anbetracht des Aufrechterhaltungsvorbehalts des § 2268 II noch tragfähig ist, hängt von Reichweite und Wirkung dieses Vorbehalts im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 I ab, da solchermaßen miteinander verknüpfte Verfügungen nur im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments getroffen werden können. Wäre nicht nur der Bestand der Ehe zum Zeitpunkt der Errichtung, sondern auch ihr Fortbestand objektive Wirksamkeitsvoraussetzung für das gemeinschaftliche Testament, müsste der in der Auflösung der Ehe liegende Mangel ohne Rücksicht auf einen entgegenstehenden Willen der Erblasser zur Unwirksamkeit dieser Verfügungen, jedenfalls aber zum Verlust ihrer Wechselbezüglichkeit führen. aa) Aufrechterhaltungsfähigkeit wechselbezüglicher Verfügungen Übereinstimmung herrscht in Rechtsprechung636 und Literatur637 zu Recht darüber, dass auch wechselbezügliche Verfügungen nach Maßgabe des § 2268 634 So Muscheler DNotZ 1994, 733, 736. Ihm folgend Reimann/Bengel/Mayer/ Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 3. 635 Vgl. 3. Teil, A. II. 1.

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II inhaltlich aufrecht erhalten werden können. Dafür spricht zunächst, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht zwischen wechselbezüglichen und einseitigen Verfügungen unterscheidet. Eine Einschränkung des Aufrechterhaltungsvorbehalts auf einseitige Verfügungen lässt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 2268 II ableiten. Zwar erfolgte die Aufnahme des Aufrechterhaltungsvorbehalts mit Blick auf diejenigen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments, „die außer jedem Zusammenhange mit der Ehe der Erblasser“638 stehen, womit wohl einseitig getroffene Verfügungen gemeint waren. Dennoch kann das Fehlen einer entsprechenden Einschränkung im Wortlaut des § 2268 II nicht als Redaktionsversehen abgetan werden. Anzunehmen ist vielmehr, dass die zweite Kommission die Aufrechterhaltungsmöglichkeit für wechselbezügliche Verfügungen bewusst in Kauf nahm, um Begründungswidersprüche zu vermeiden. Denn eine Beschränkung des § 2268 II auf einseitige Verfügungen hätte deren Abgrenzung zu wechselbezüglichen Verfügungen erforderlich gemacht; damit wäre für den zweiten Absatz diejenige Unterscheidung reaktiviert worden, die man zuvor im Hinblick auf den ersten Absatz unter Berufung auf Rechtssicherheitserwägungen für unbeachtlich erklärt hatte. Zudem orientierte sich die zweite Kommission bei der Begründung des § 2268 II ausdrücklich am Vorbild des § 1783 III (= § 2077 III), der die Aufrechterhaltung von – außerhalb eines gemeinschaftlichen Testaments getroffenen – Verfügungen des einen zugunsten des anderen Ehegatten regelt. Offenbar sollten also selbst diese aufs engste mit der Ehe verknüpften und regelmäßig wechselbezüglichen Verfügungen nicht vom Anwendungsbereich des § 2268 II ausgeschlossen werden. Daraus folgt, dass alle anderen, notwendig eheferneren wechselbezüglichen Verfügungen erst recht aufrecherhaltungsfähig sein müssen.639 bb) Aufrechterhaltungsfähigkeit der Wechselbezüglichkeit Mit der Bejahung der inhaltlichen Aufrechterhaltungsfähigkeit wechselbezüglicher Verfügungen ist noch nicht darüber entschieden, ob diese Verfügungen im Falle ihrer Aufrechterhaltung auch in ihrer Eigenschaft als wechselbezügliche bestehen bleiben können. Gegen diese Möglichkeit hat sich insbesondere Muscheler640 ausgesprochen. Nach seiner Ansicht endet die Wechselbezüglichkeit zwingend mit der Auflösung der Ehe. Eheleute sollten nicht für eine Zeit 636 BGH ZEV 2004, 423, 424 m. zust. Anm. Keim; BayObLG FamRZ 1994, 193, 195; BayObLG DNotZ 1996, 302, 305 m. Anm. Kuchinke. 637 Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 10; AKBGB/Schaper § 2268 Rn. 21; Palandt/Edenhofer § 2268 Rn. 2; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 11. 638 Jakobs/Schubert, 2. Teil, S. 1680. 639 Muscheler DNotZ 1994, 733, 740. 640 DNotZ 1994, 733, 741 ff.

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Wechselbezüglichkeit begründen können, während der sie ein gemeinschaftliches Testament gar nicht errichten dürfen.641 Lasse man die Aufrechterhaltung der Wechselbezüglichkeit trotz Auflösung der Ehe zu, werde das gemeinschaftliche Testament zur – gefährlichen, weil eigenhändiger Errichtung zugänglichen und lebzeitig widerrufbaren – Scheidungsfolgenvereinbarung denaturiert. Das stehe im Widerspruch zu den Vorbehalten, die der Gesetzgeber dem Institut des gemeinschaftlichen Testaments entgegengebracht habe.642 Gegen die Möglichkeit nachehelicher Wechselbezüglichkeit spreche zudem der Wortlaut des § 2271: Die Tatsache, dass sowohl im Zusammenhang mit dem Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen nach Absatz 1 als auch im Hinblick auf ihre mit dem Tod des Erstversterbenden eintretende Bindungswirkung nach Absatz 2 nur von Ehegatten die Rede ist, lasse den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Fortbestand der Wechselbezüglichkeit nach Eheauflösung abgelehnt und deshalb auf eine Regelung dieser Fallkonstellation verzichtet habe.643 Dieser Auffassung, der sich die herrschende Meinung des Schrifttums angeschlossen hat644, ist der BGH645 entgegengetreten. Für einen zwingenden Wegfall der Wechselbezüglichkeit infolge Eheauflösung fehle es an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt. § 2268 II lasse die Aufrechterhaltung jeder im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung mit demjenigen Inhalt zu, den sie vom jeweils Verfügenden erhalten habe. Dabei komme es nach der Konzeption der Vorschrift allein auf einen entsprechenden Willen der Testatoren an.646 Dieser Grundsatz gelte auch im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit. Da für eine Differenzierung zwischen wechselbezüglichen und einseitigen Verfügungen nach dem Wortlaut des § 2268 II kein Raum sei, könne ein auf Aufrechterhaltung der Wechselbezüglichkeit gerichteter Wille der Verfügenden mangels gesetzlicher Legitimation nicht übergangen werden.647 Im Grundsatz verdient die Ansicht des BGH Zustimmung. Fiele die Wechselbezüglichkeit tatsächlich zwingend mit der Auflösung der Ehe weg, so würde das eine Veränderung des status quo bedeuten, die, da sie auch gegen den – u. U. ausdrücklich erklärten – Willen der Beteiligten einträte, einer gesetzlichen 641 Ebenso Wirtz, S. 179: Kein Fortbestand des Privilegs nach Wegfall des Privilegierungsgrundes. 642 Muscheler DNotZ 1994, 733, 743. 643 Muscheler DNotZ 1994, 733, 743. 644 Köster JuS 2005, 407, 411; Lange/Kuchinke, ErbR, § 24 I 6 (S. 425); Leipold, ErbR, Rn. 490d ff.; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 12; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 11. 645 ZEV 2004, 423 m. Anm. Keim. Zustimmend Müller Rpfleger 2005, 493, 497 f.; Schlitt ZEV 2005, 96, 98. Im Ergebnis ebenso bereits BayObLG FamRZ 1994, 193, 196; BayObLG DNotZ 1996, 302, 306 m. Anm. Kuchinke und wohl auch Soergel/ Wolf § 2268 Rn. 3 a. E. 646 Zustimmend Keim ZEV 2004, 425, Anm. zu BGH ZEV 2004, 423. 647 BGH ZEV 2004, 423, 424 f. m. Anm. Keim.

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Anordnung bedürfte. Allein aus dem kommentarlosen Schweigen des § 2271 zum Widerruf bzw. zur Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen von Nicht-Ehegatten wird man eine solche Anordnung nicht ableiten können.648 Dagegen spricht, dass sich die Frage nach Widerruf und Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen von Nicht-Ehegatten nur in einem Ausnahmefall stellt, nämlich bei vorheriger Annahme ihrer inhaltlichen Aufrechterhaltung trotz Auflösung der Ehe. Das legt die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber die Regelung dieser Fallkonstellation nicht bewusst unterlassen, sondern schlicht vergessen hat. Wahrscheinlich erscheint diese Vermutung insbesondere in Anbetracht ihrer Alternative: Hätte der Gesetzgeber durch ein beredtes Schweigen in § 2271 seine Ablehnung gegenüber nachehelicher Wechselbezüglichkeit deutlich machen wollen, hätte er damit den gesetzestechnisch denkbar schlechtesten Weg zum Ausdruck des Gemeinten gewählt. Viel näher hätte unter diesen Umständen eine ausdrückliche Regelung gelegen, und zwar nicht in § 2271, sondern in einem zweiten Satz des § 2268 II als derjenigen Vorschrift, deren Anwendungsbereich hätte eingeschränkt werden sollen.649 Methodisch gesehen kommt ein zwingendes Ende der Wechselbezüglichkeit im Scheidungsfall daher lediglich unter den Voraussetzungen einer lückenausfüllenden Rechtsfortbildung in Betracht. An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die Vorbehalte, die der Gesetzgeber gegen gemeinschaftliche Testamente hegte, rechtfertigen die Derogation eines auf Fortbestand der Wechselbezüglichkeit gerichteten Parteiwillens nicht. Zwar trifft es zu, dass den Gesetzgeber diese Vorbehalte dazu bewogen haben, die gemeinschaftliche Errichtung von Testamenten nur für Ehegatten zuzulassen. Deren Privilegierung beruhte aber nicht auf der Überlegung, dass die im Grundsatz berechtigten Einwände gegen das gemeinschaftliche Testament aus Sachgründen gegenstandslos würden, wenn es sich bei den Testatoren um Ehegatten handelt. Ausschlaggebend waren vielmehr reine Opportunitätserwägungen: Die zweite Kommission beschränkte sich zur Rechtfertigung der Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente für Ehegatten lediglich auf den Hinweis, dass diese Art zu testieren „der Gewohnheit in weiten Kreisen“650 entspreche. Voreilig wäre es daher, aus der Auflösung der Ehe ein Wiedererstarken der gegen das gemeinschaftliche Testament sprechenden Einwände zu folgern und daraus den zwingenden Wegfall der 648

Ebenso Keim ZEV 2004, 425, Anm. zu BGH ZEV 2004, 423. A. A. Kanzleiter ZEV 2005, 181, 182, der davon ausgeht, dass § 2268 nur Aussagen über das inhaltliche Fortbestehen der Verfügungen trifft. Die Regelung von Fragen der Wechselbezüglichkeit sei dagegen ausschließlich den §§ 2270, 2271 vorbehalten. Selbst wenn man diese Auffassung als richtig unterstellt, was angesichts der weiten amtlichen Überschrift des § 2268 keineswegs zwingend ist, wäre ein gesetzgeberischer Hinweis auf die Ablehnung nachehelicher Wechselbezüglichkeit jedenfalls nicht in § 2271 zu verorten gewesen, der lediglich Rechtsfolgen der Wechselbezüglichkeit regelt, sondern in einem zweiten Satz des § 2270 III. 650 Prot. Bd. V, S. 426. 649

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Wechselbezüglichkeit abzuleiten. Betrachtet man die drei wesentlichen Argumente gegen die Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente im einzelnen, wird deutlich, dass sie dieses Institut entweder unabhängig von der Ehegatteneigenschaft der Testatoren treffen, oder, sofern sie sich auf diese Eigenschaft beziehen, jedenfalls nicht zur Annahme des zwingenden Wegfalls der Wechselbezüglichkeit als Folge der Eheauflösung nötigen. Bedenken bestanden erstens wegen der Auslegungsschwierigkeiten, die beim gemeinschaftlichen Testament daraus resultieren, dass die Willenserklärungen zweier Verfügender äußerlich durch einen einheitlichen Akt zum Ausdruck gebracht werden.651 Dieses Problem stellt sich ebenso unabhängig von der Ehegatteneigenschaft der Testierenden wie von der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen, spielt für die vorliegende Fragestellung also keine Rolle.652 Zweitens wurde das gemeinschaftliche Testament dogmatisch als „unorganische Verbindung“653 der Rechtsmaterien Testament und Erbvertrag kritisiert. Auch dieser Einwand wird nicht dadurch entkräftet, dass die Testatoren miteinander verheiratet sind. Drittens hielt man die Errichtung wechselseitiger Testamente für besonders missbrauchsanfällig. Nach den Ausführungen von Svarez zum preußischen ALR ist der Grund dafür „in den vielen Betrügereien zu suchen, welche mit solchen Testamenten gespielt werden können. Wenn z.E. der eine sein Testament heimlich revozirt, und dann lauert, ob er den anderen, oder dieser ihn überleben werde.“654 Für hinnehmbar hielt man diese Gefahr offenbar nur, wenn und solange es sich bei den Testatoren um Ehegatten handelte. Dementsprechend räumte das ALR von vornherein nur diesen die Möglichkeit zur Errichtung wechselseitiger Testamente ein655 und ließ die Wirksamkeit dieser Testamente zudem zwingend mit der Scheidung der Ehe, also demjenigen Umstand enden656, dessen Eintritt die ursprünglich akzeptable Gefahr eines Vertrauensmissbrauchs über die kritische Marke hinaus erhöht. Übertragen auf die geltende Rechtslage spricht das Missbrauchsargument eher für als gegen die Möglichkeit nachehelicher Wechselbezüglichkeit: Da wechselbezügliche Verfügungen gem. § 2268 II anders als nach dem ALR jedenfalls inhaltlich aufrecht651 Mommsen, Entwurf, S. 242 f.; Schubert, Bd. 1, S. 509; Mot. Bd. V, S. 253; RGZ 87, 33, 35. 652 Bezeichnenderweise lehnte der Erbrechtsredaktor v. Schmidt in § 166 seines Entwurfs einerseits die gemeinschaftliche Errichtung von Testamenten in „einer und derselben Urkunde“ auch für Ehegatten ab, wollte aber andererseits wechselbezügliche Verfügungen in formal getrennten Testamenten mit den Wirkungen der §§ 2270, 2271 II für jedermann zulassen, vgl. Schubert, Bd. 1, S. 36 u. S. 511. 653 Beseler, 2. Theil, 1. Bd., § 13 (S. 337). Vgl. auch Bluntschli, § 248 (S. 734): „Unglückliche Zwitternatur“. 654 Svarez, Jahrbücher, Bd. 52 (1838), S. 47. Ähnlich v. Schmidt in: Schubert, Bd. 1, S. 509. 655 1. Teil, 12. Titel, § 614 ALR bei Hattenhauer, ALR. 656 2. Teil, 1. Titel, § 489 ALR bei Hattenhauer, ALR.

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erhalten werden können und in der in Rede stehenden Konstellation definitionsgemäß aufrechterhalten werden, die Gefahr eines nachehelichen Vertrauensmissbrauchs aber unverändert fortbesteht, erscheint es kaum sinnvoll, die dem Schutz des gegenseitigen Vertrauens dienenden Wirkungen der Wechselbezüglichkeit mit der Scheidung kategorisch auch dann für hinfällig zu erklären, wenn mit hinreichender Sicherheit anzunehmen ist, dass sich die Ehegatten bei der Errichtung entgegen der Regel des § 2268 I auf die Fortgeltung der Wechselbezüglichkeit verlassen haben.657 Nicht von der Hand zu weisen ist freilich Muschelers Befürchtung, die Möglichkeit fortbestehender Wechselbezüglichkeit könne die Eheleute während des Scheidungsverfahrens dazu verleiten, das gemeinschaftliche Testament zur Scheidungsfolgenvereinbarung umzufunktionieren, die ohne den Schutz notarieller Beurkundung auskommt.658 Richtig ist auch, dass Eheleuten, die über die Scheidung hinaus bindende Verfügungen errichten wollen, das diesem Zweck sicher angemessenere – weil schon zu Lebzeiten der Ehegatten Bindung erzeugende – Institut des Erbvertrages zur Verfügung steht.659 Geltung können diese Argumente aber nur de lege ferenda beanspruchen. Denn dass die Möglichkeit zur Herstellung erbvertragsähnlicher Wirkungen durch Errichtung wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament die Gefahr der Umgehung zwingender Vorschriften des Erbvertragsrechts birgt, war dem Gesetzgeber aus der Stellungnahme der ersten Kommission bekannt660, die das Institut des gemeinschaftlichen Testaments nicht zuletzt aus diesem Grund noch kategorisch ablehnte.661 Als Grundlage für eine Rechtsfortbildung de lege lata kann diese Gefahr folglich nicht herangezogen werden.662 Zuzugestehen ist den Kritikern des BGH, dass das Gericht im Leitsatz seiner Entscheidung663 über das Ziel hinausschießt, weil es die Aufrechterhaltung der Wechselbezüglichkeit nicht nur zulässt, sondern zur zwingenden Folge der in657 Entgegen Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 12 entfällt „die ,apriorische Willensübereinstimmung‘, die der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments zu Grunde liegt“, in diesem Fall gerade nicht mit dem Scheitern der Ehe, weil deren Fortbestand der Übereinstimmung von vornherein nicht zugrunde lag. 658 Muscheler DNotZ 1994, 733, 743. Ähnlich Kanzleiter ZEV 2005, 181, 183. 659 Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 11, jeweils im Anschluss an Muscheler DNotZ 1994, 733, 743. 660 Teilweise wurde dieser Effekt sogar ausdrücklich angestrebt, vgl. Prot. Bd. V, S. 457: Die zweite Kommission hielt am Institut des gemeinschaftlichen Testaments trotz funktionaler Ähnlichkeit zum Erbvertrag mit Rücktrittsvorbehalt fest, um den Ehegatten die nach den Regeln des Erbvertrages erforderliche, ausdrückliche Vereinbarung des Rücktritts zu ersparen. 661 Mot. Bd. V, S. 255. 662 Im Ergebnis ebenso BGH ZEV 2004, 423, 424 f. m. Anm. Keim. 663 „Über § 2268 Abs. 2 BGB fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen behalten auch nach der Scheidung ihre Wechselbezüglichkeit (. . .).“

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haltlichen Fortgeltung der Verfügung erklärt.664 Das überzeugt nicht: Erkennt man die Extrempositionen vollumfängliche Unwirksamkeit der Verfügung einerseits und vollumfängliche Aufrechterhaltung der Verfügung inklusive ihrer Wechselbezüglichkeit andererseits als mögliche Folgen der Scheidung an, liegt es nahe, auch die zwischen diesen Extremen zu verortende inhaltliche Aufrechterhaltung der Verfügung unter Wegfall ihrer Wechselbezüglichkeit als Folge der Scheidung zuzulassen.665 Ausgehend vom Standpunkt des BGH, der zu Recht betont, dass die erbrechtlichen Auswirkungen der Scheidung am Willen der Ehegatten/Erblasser auszurichten sind, drängt sich diese Rechtsfolge sogar als typische auf. Denn selbst wenn anzunehmen ist, dass ein Erblasser seine ursprünglich als wechselbezügliche getroffene Verfügung trotz Scheidung der Ehe inhaltlich aufrechterhalten wollte, dürfte im Regelfall davon auszugehen sein, dass er sich die Befugnis vorbehalten hätte, seine Nachlassregelung an scheidungsbedingte Veränderungen anzupassen, ohne durch § 2271 eingeschränkt oder auf eine Anfechtung gem. § 2281 angewiesen zu sein.666 All das besagt aber nur, dass die Eheabhängigkeitsvermutung des § 2268 I entgegen der Ansicht des BGH im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit gesondert zu prüfen 664 Dafür ausdrücklich auch Müller Rpfleger 2005, 493, 497 f. Wie hier dagegen Keim ZEV 2004, 425, Anm. zu BGH ZEV 2004, 423. 665 Nicht zu halten ist die Auffassung von Müller Rpfleger 2005, 493, 497 f., eine wechselbezügliche Verfügung stelle ein wesensmäßiges aliud gegenüber einer einseitigen letztwilligen Verfügung dar, so dass eine ursprünglich wechselbezügliche Verfügung im Fall ihrer – jedenfalls möglichen – inhaltlichen Aufrechterhaltung schon aus technischen Gründen nicht auf eine einseitige Verfügung reduziert werden könne. Denn die Unterschiede zwischen wechselbezüglichen und einseitigen Verfügungen, aus denen Müller die wesensmäßige Verschiedenheit beider Verfügungstypen ableiten will, bestehen auch und in stärkerem Maße zwischen vertragsmäßigen und einseitigen Verfügungen im Erbvertrag. Insofern erkennt die h. M. aber die Möglichkeit an, vertragsmäßig getroffene Verfügungen nach der Scheidung als einseitige aufrechtzuerhalten, vgl. MünchKomm/Musielak § 2279, Fn. 13; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 16 sowie inzidenter OLG Hamm ZEV 1994, 367 m. Anm. Mayer; OLG Zweibrücken NJWRR 1998, 941, 942. A. A. soweit ersichtlich nur Schlitt ZEV 2005, 96, 98 unter Berufung auf Rechtssicherheitserwägungen. Ausgehend von der h. M. zieht Kanzleiter ZEV 2005, 181, 182 den zutreffenden Erst-recht-Schluss, dass wechselbezügliche Verfügungen jedenfalls keine weiter reichenden Bindungswirkungen erzeugen können als vertragsmäßig getroffene Verfügungen im Erbvertrag. 666 Muscheler DNotZ 1994, 733, 742; Keim ZEV 2004, 425, Anm. zu BGH ZEV 2004, 423; Kanzleiter ZEV 2005, 181, 183; Palandt/Edenhofer § 2268 Rn. 2. Jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob die inhaltliche Aufrechterhaltung der Verfügung notwendig zur Aufrechterhaltung auch der Wechselbezüglichkeit führt, geht das Argument von Schlitt ZEV 2005, 96, 98 fehl, es seien „keine Gründe ersichtlich, warum für den Fall der Ehescheidung etwas anderes gelten soll als bei einer Auflösung der Ehe durch Tod (. . .) des Erblassers“. Im Fall der Eheauflösung durch Tod steht dem Überleben – selbstverständlich – keine Abänderungsbefugnis zu, weil mit dem Tod des Erstverstorbenen eben diejenige Situation eingetreten ist, in der die Wechselbezüglichkeit nach dem Willen der Erblasser ihre einschränkende Wirkung entfalten sollte. Für die regelmäßig unvorhergesehene Auflösung der Ehe durch Scheidung ergibt sich daraus nichts.

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ist. Ihre Aufrechterhaltung geht nicht automatisch mit der inhaltlichen Fortgeltung der Verfügung einher, sondern kommt ihrerseits nur ausnahmsweise in Betracht. Im Hinblick auf diese Restmöglichkeit behält das Ausgangsargument des BGH aber seine Gültigkeit: Ist der – im Grundsatz für jeden Erblasser isoliert zu prüfende667 – Wille der Parteien entgegen der Regel des § 2268 I auf die Aufrechterhaltung der Wechselbezüglichkeit gerichtet, kann dieser Wille mangels gesetzlicher Grundlage nicht übergangen werden. Im Ergebnis ist damit festzuhalten: Wechselbezügliche Verfügungen sind nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihrer Eigenschaft als wechselbezügliche der Aufrechterhaltung nach Maßgabe des § 2268 II fähig. Damit entfällt die Möglichkeit, die im Fall der Eheauflösung regelmäßig eintretende Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments gem. § 2268 I als strukturelle Konsequenz des § 2265 aufzufassen. Auch die Rechtsfolgen jener Vorschrift beruhen ausschließlich auf dem wirklichen oder hypothetischen Willen der Verfügenden.668 Für die Rechtsnatur des § 2268 ergibt sich daraus, dass die Vorschrift – ebenso wie § 2077 – im Ganzen einen Fall der gesetzlich angeordneten, ergänzenden Testamentsauslegung darstellt.669 b) Verhältnis zu § 2077 Die Rechtsfolge des § 2268 I, nach der das gemeinschaftliche Testament in den Fällen des § 2077 seinem ganzen Inhalt nach unwirksam ist, reicht sowohl in sachlicher als auch in personaler Hinsicht weiter als die des § 2077 I. Sachlich erfasst sie nicht nur „Bedenkungen“ bzw. Zuwendungen, sondern den gesamten Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments, also ohne weiteres etwa auch die Anordnung von Auflagen gem. § 1940 oder die Ernennung eines Testamentsvollstreckers gem. § 2197. In personaler Hinsicht erstreckt § 2268 I die Eheabhängigkeitsvermutung des § 2077 I auf sämtliche im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen, also auch auf Verfügungen der Ehegatten 667 Zur irreführenden Rede vom „übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten“ vgl. 3. Teil, A. II. 3. b) bb). Will einer der Ehegatten nur die inhaltliche Aufrechterhaltung seiner Verfügung unter Wegfall der Wechselbezüglichkeit, so entfällt auch die Wechselbezüglichkeit der Verfügung des anderen, weil der in Bezug auf die Wechselbezüglichkeit nicht aufrechterhaltungswillige Teil „kein berechtigtes Interesse mehr daran hat, von einem lebzeitigen Widerruf des Aufrechterhaltungswilligen Kenntnis zu bekommen bzw. diesen nach dem eigenen Tod zu binden“, Muscheler DNotZ 1994, 733, Fn. 24. Das angeführte Zitat bezieht sich zwar auf den Fall, dass einer der Ehegatten nicht einmal die inhaltliche Aufrechterhaltung seiner wechselbezüglichen Verfügung will, gilt für die vorliegende Konstellation aber ebenso. 668 Ebenso OLG Hamm FamRZ 1992, 478; BayObLG DNotZ 1996, 302, 303 m. insofern zust. Anm. Kuchinke; Herzog-Grün, S. 146 f. A. A. konsequent Muscheler DNotZ 1994, 733, 737: Dispositiver Rechtssatz. 669 AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 3; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 2; Planck/ Greiff § 2268 Anm. 1.

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zugunsten Dritter. Insofern ist § 2268 I auch tatbestandlich weiter ausgestaltet als § 2077 I, weil die regelmäßige Unwirksamkeit solcher Drittzuwendungen nach der Entstehungsgeschichte des § 2268 trotz des insofern missverständlichen Wortlauts der Vorschrift nicht davon abhängt, dass einer der Ehegatten wie „in den Fällen des § 2077“ zugunsten des anderen verfügt hat.670 Aus den besonderen Anordnungen, die § 2268 im Hinblick auf Zuwendungen an Dritte trifft, darf indes nicht gefolgert werden, die Vorschrift beziehe sich ausschließlich auf Drittzuwendungen, während sich das Schicksal von Verfügungen zugunsten eines Ehegatten auch im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments nach der allgemeinen Regel des § 2077 richte.671 Der Wortlaut des § 2268 I enthält keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung, die zudem zu komplizierten rechtlichen Erwägungen zwingen würde, bloß um die im konkreten Fall von § 2268 erfassten Drittzuwendungen zu ermitteln: Die § 2077 unterfallenden Verfügungen zugunsten des Ehegatten müssten zunächst auf ihre Wechselbezüglichkeit und in einem weiteren Schritt daraufhin untersucht werden, ob sie gerade mit den vom begünstigten Ehegatten getroffenen Drittzuwendungen im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen, die dann bereits nach § 2270 I unwirksam würden, so dass lediglich die vom Unwirksamkeitsmechanismus der §§ 2077, 2270 I verschonten Drittzuwendungen des gemeinschaftlichen Testaments von § 2268 erfasst würden.672 Das überzeugt nicht, weil § 2268 nicht zuletzt deshalb als weitreichende, einseitige wie wechselbezügliche Verfügungen gleichermaßen umfassende Sonderregelung zu § 2077 für das gemeinschaftliche Testament geschaffen wurde, um diese Erwägungen entbehrlich zu machen.673 Die herrschende Meinung fasst § 2268 daher zu Recht als lex specialis zu § 2077 auf.674 3. Aufrechterhaltungswille gem. § 2268 II a) Gemeinsamkeiten mit § 2077 III Ebenso wie § 2077 III für das einseitige Testament lässt § 2268 II den Beweis zu, dass alle oder einzelne im gemeinschaftlichen Testament von den Ehegatten getroffenen Verfügungen entgegen der Vermutung des § 2268 I auch für den Fall der Scheidung getroffen worden sind bzw. bei Voraussicht der Scheidung getroffen worden wären. An den Aufrechterhaltungswillen gem. § 2268 II 670

Vgl. 3. Teil, A. II. 1. So aber OLG Hamm FamRZ 1992, 478 f.; Staudinger/Otte § 2077 Rn. 25. 672 Vgl. Muscheler DNotZ 1994, 733, 735 f.; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 2. 673 Vgl. 3. Teil, A. II. 1. 674 Vgl. neben den in Fn. 672 Genannten AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 2; Soergel/ Wolf § 2268 Rn. 1; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 1. 671

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

sind, vorerst abgesehen von den Besonderheiten, die sich beim gemeinschaftlichen Testament aus dem Vorhandensein zweier Erblasser und mehrerer Verfügungen ergeben, dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Aufrechterhaltungswillen nach § 2077 III: Wie im Rahmen dieser Vorschrift kommt sowohl ein realer als auch ein hypothetischer Aufrechterhaltungswille zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Betracht.675 Wie dort unterliegt der – ursprüngliche – Aufrechterhaltungswille nicht den erbrechtlichen Formvorschriften.676 Ebenso wie nach § 2077 III trägt schließlich derjenige, der aus dem gemeinschaftlichen Testament Rechte ableitet, die Beweislast für den Aufrechterhaltungswillen677 und damit für das Fehlen einer durch ergänzende Testamentsauslegung auszufüllenden Lücke. b) Besonderheiten des Aufrechterhaltungswillens gem. § 2268 II Der Umstand, dass in einem gemeinschaftlichen Testament zumindest zwei letztwillige Verfügungen zusammengefasst sind, die zudem von zwei Erblassern herrühren, lässt im Hinblick auf den Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens, seinen Träger und den zu seiner Ermittlung anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen eine Reihe von Kombinationsmöglichkeiten zu. Als Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens kommen das gemeinschaftliche Testament als solches sowie die einzelnen in ihm enthaltenen Verfügungen in Betracht. Vom Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens ist abhängig, ob er in der Person beider Ehegatten oder nur beim jeweils verfügenden Teil vorhanden sein muss. Letzterenfalls stellt sich die Frage, ob Vorhandensein bzw. Fehlen des Aufrechterhaltungswillens in der Person des Verfügenden allein nach Maßgabe des § 133 zu ermitteln oder bei der Auslegung gem. § 157 auf den Verständnishorizont des anderen Teils abzustellen ist. aa) Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens Im Hinblick auf den Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens bezieht § 2268 II eindeutig Stellung. Anders als im ersten Absatz ist dort nicht vom gemeinschaftlichen Testament als solchem, sondern von den einzelnen in ihm enthaltenen Verfügungen die Rede. Diese Unterscheidung im Wortlaut der bei675 BayObLG FamRZ 1994, 193, 195; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 8; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3. Vgl. auch 3. Teil, A. I. 4. a). 676 Ebenso wohl Planck/Greiff § 2268 Anm. 3; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 10. Vgl. auch 3. Teil, A. I. 4. a). 677 Palandt/Edenhofer § 2268 Rn. 2; RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 3. Liegt der Verfügung ein Motivbündel zugrunde, muss ausgeschlossen werden können, „daß die Erwartung des Fortbestandes der Ehe neben anderen Beweggründen sich zumindest wesentlich mitbestimmend auf die Entschließung des Erblassers ausgewirkt hat“, vgl. OLG Hamm FamRZ 1992, 478 f.

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den Absätze ist kein Zufall, sondern zwingende Folge der Funktion, die der zweite Absatz nach der Vorstellung der Gesetzesverfasser erfüllen sollte, nämlich die Aufrechterhaltung einzelner, unabhängig von der Ehe getroffener Verfügungen zu ermöglichen.678 Diese Funktion kommt im Wortlaut des § 2268 II auch durch die Verwendung des Begriffs „insoweit“ zum Ausdruck, der verdeutlicht, dass sich die Auflösung der Ehe auf die einzelnen im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen unterschiedlich auswirken kann. Damit scheidet das gemeinschaftliche Testament als solches als Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens aus, weil Fehlen bzw. Vorhandensein eines Aufrechterhaltungswillens, der sich auf diesen Gegenstand bezöge, stets nur zur vollständigen Unwirksamkeit bzw. Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments, nie aber zu der vom Gesetz als möglich vorausgesetzten Aufrechterhaltung einzelner Verfügungen führen könnte.679 Daraus folgt, dass nicht einmal bei isolierter Betrachtung eines der Erblasser bezüglich aller von ihm getroffenen Verfügungen ein einheitlicher Aufrechterhaltungswille vorzuliegen braucht; der Aufrechterhaltungswille ist vielmehr für jede einzelne Verfügung gesondert zu ermitteln. bb) Übereinstimmender Aufrechterhaltungswille der Ehegatten? Aus der Abwendung des § 2268 II vom gemeinschaftlichen Testament als Rahmen und der Hinwendung zu den darin enthaltenen Einzelverfügungen ergibt sich zugleich, dass die Fortgeltung einer Verfügung nach Maßgabe des § 2268 II in keinem Fall von einem übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen beider Ehegatten abhängt.680 Denn ob eine im gemeinschaftlichen Testament enthaltene, einzelne Verfügung auch für den Fall der Scheidung getroffen worden wäre, lässt sich sinnvoll nur in Bezug auf diejenige Person beantworten, die die in Rede stehende Verfügung tatsächlich getroffen hat.681 Trotz dieses an sich selbstverständlichen Befundes hat das BayObLG in zwei Entscheidungen die folgende, abweichende Position eingenommen: Bei der Feststellung des Aufrechterhaltungswillens komme „es nicht allein auf den Willen des Erblassers an, um dessen Verfügung es geht. Diese ist Bestandteil eines gem. Testa-

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Vgl. 3. Teil, A. II. 1. Ebenso Wirtz, S. 171 f. Unzutreffend daher MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 8: „Wille zur Weitergeltung des Testaments“. 680 Ebenfalls nur auf den Willen des Verfügenden stellen ab: v. Lübtow, ErbR, 1. Halbband, 1. Hauptteil, 2 Abschnitt, 8. Kap., § 3, 2 (S. 484); AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 18; RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 2; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3. 681 Die Redaktionskommission ersetzte den ursprünglich aktivisch formulierten Aufrechterhaltungsvorbehalt [(. . .) wenn anzunehmen ist, dass die Erblasser die darin enthaltenen Verfügungen auch für einen solchen Fall getroffen haben würden, vgl. 3. Teil, A. II. 1.165] wohl deshalb durch die Gesetz gewordene Passivformulierung, um den missverständlichen Plural „die Erblasser“ aus dem Wortlaut der Vorschrift zu eliminieren. 679

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ments, daher ist bei ihrer Auslegung zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Teils entsprochen hat“682. Zu überzeugen vermag diese Einschränkung nicht. Es ist schlechterdings kein Grund dafür erkennbar, warum die Fortgeltung der Verfügung des aufrechterhaltungswilligen Erblassers A vom Vorhandensein eines entsprechenden Willens in der Person des Erblassers B abhängen soll. Aus der Eigenschaft der in Rede stehenden Verfügung, Bestandteil eines gemeinschaftlichen Testaments zu sein, lässt sich die Erforderlichkeit eines übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillens nicht ableiten. Denn Willensübereinstimmung der Ehegatten verlangt das gemeinschaftliche Testament nur im Hinblick auf die Gemeinschaftlichkeit des Testats683, nicht aber in Bezug auf die im gemeinschaftlichen Testament getroffenen, einzelnen Verfügungen des jeweiligen Ehegatten.684 Dementsprechend hat der BGH in der Entscheidung, der die vom BayObLG übernommene Formulierung entlehnt ist, eingeräumt, dass selbst bei der Ermittlung des Inhalts einer in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung letztlich – nämlich dann, wenn sich eine Willensübereinstimmung der Ehegatten nicht feststellen lässt – auf den Willen des Verfügenden abzustellen ist.685 Auf einen übereinstimmenden Willen der Ehegatten bezüglich des bloßen Errichtungsmotivs „Fortbestand der Ehe“ kann es daher erst recht nicht ankommen.686 Zudem käme dem nicht verfügenden Ehegatten die einschränkende Voraussetzung, auf einen Aufrechterhaltungswillen auch in seiner Person abzustellen, im Ergebnis gar nicht zugute. Denn der nicht verfügende Ehegatte kann – wenn überhaupt – nur am Fortbestand, nicht aber an der Unwirksamkeit der Verfügung des anderen ein anerkennenswertes Interesse haben. Im Hinblick auf dieses Interesse 682 Übereinstimmend in BayObLG FamRZ 1994, 193, 195 (unter Berufung auf BGH FamRZ 1982, 1206, 1207); BayObLG DNotZ 1996, 302, 304 m. Anm. Kuchinke (unter Berufung auf BGH NJW 1993, 256). Obwohl es in beiden Entscheidungen um die Aufrechterhaltung wechselbezüglicher Verfügungen ging, wurde die Geltung des angeführten Zitats nicht auf solche Verfügungen beschränkt. 683 Jedenfalls nach Maßgabe der heute herrschenden subjektiven Theorie zur Ermittlung der Gemeinschaftlichkeit, vgl. dazu sowie zu den Gegenansichten Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1269 ff. 684 Vgl. Lange/Kuchinke, ErbR, § 24 I 3 (S. 421): Das gemeinschaftliche Testament ist nicht vertragliche, sondern „doppelte, wenn auch weitgehend verknüpfte einseitige Verfügung von Todes wegen“. Ebenso Werneburg DNotZ 1916, 209, 212 f.; Palandt/ Edenhofer Einf v § 2265 Rn. 1; Soergel/Wolf Vor § 2265 Rn. 3; Staudinger/Kanzleiter Vorbem zu §§ 2265 ff Rn. 12. 685 BGH NJW 1993, 256. Ebenso Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1269. 686 Mit derselben Argumentation lehnt es ein Teil der Literatur zu Recht ab, das Anfechtungsrecht des überlebenden Ehegatten wegen Motivirrtums im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen durch Berücksichtigung des Willens des Erstverstorbenen einzuschränken, vgl. MünchKomm/Leipold § 2078 Rn. 8; MünchKomm/Musielak § 2271 Rn. 36; Soergel/Wolf § 2271 Rn. 34 u. Fn. 171. A. A. OLG Hamm NJW 1972, 1088, 1090; Battes, S. 312 f.

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gibt ihm die Einschränkung des BayObLG Steine statt Brot: Denn ist nach dem Verhalten des Verfügenden vom Fehlen des Aufrechterhaltungswillens auszugehen, muss es selbst dann bei der Regel des § 2268 I bleiben, wenn dieses Auslegungsergebnis dem Willen des anderen Teils nicht entsprochen hat. Ein übereinstimmender Aufrechterhaltungswille liegt ja auch in diesem Fall nicht vor. Die aufgestellte Regel von der alleinigen Maßgeblichkeit des Willens des Verfügenden gilt genau genommen auch dann, wenn es um die Aufrechterhaltung wechselbezüglicher Verfügungen geht. Sofern von Teilen der Literatur in diesem Zusammenhang ein übereinstimmender Aufrechterhaltungswille der Ehegatten für erforderlich gehalten wird687, dürfte es sich lediglich um eine verkürzende Darstellung der Rechtsfolgen zweier isoliert zu betrachtender Errichtungsmotive handeln. Die Feststellung des Aufrechterhaltungswillens im Sinne des § 2268 II besagt nur, dass einer bestimmten – einseitigen oder wechselbezüglichen – Verfügung des Erblassers A der Fortbestand der Ehe nicht als Motiv zugrunde lag. Davon zu unterscheiden ist ein anderes, durch § 2270 I ebenfalls zur Wirksamkeitsbedingung erhobenes Errichtungsmotiv, nämlich die Abhängigkeit der wechselbezüglichen Verfügung des Erblassers A von der Fortgeltung derjenigen seiner Ehefrau B. Dieses zweite Motiv des aufrechterhaltungswilligen Erblassers A wird enttäuscht, wenn die zu seiner Verfügung wechselbezügliche Verfügung der B ihrerseits gem. § 2268 I unwirksam wird.688 In diesem Fall folgt die Unwirksamkeit der Verfügung des aufrechterhaltungswilligen A also nicht daraus, dass es im Hinblick auf dessen Verfügung an einem übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten mangelt689, sondern aus dem Unwirksamkeitsmechanismus des § 2270 I, der dadurch ausgelöst wird, dass B – wiederum isoliert betrachtet – die Aufrechterhaltung ihrer eigenen wechselbezüglichen Verfügung nicht wollte.690 Nur vom Er687 Kellermann JuS 2004, 1071, 1074; Köster JuS 2005, 407, 409; Wirtz, S. 175; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 10; Soergel/ Wolf § 2268 Rn. 3. 688 Durch Auslegung kann sich freilich ergeben, dass Erblasser A die Aufrechterhaltung seiner ansonsten wechselbezüglichen Verfügung nicht nur unabhängig vom Fortbestand der Ehe, sondern auch unabhängig von der Unwirksamkeit der wechselbezüglichen Verfügung seiner Ehefrau B wollte, sofern diese Unwirksamkeit gerade auf § 2268 I beruht. Dann handelt es sich bei der Verfügung des A in der für die Entscheidung des Falles maßgeblichen Hinsicht aber nicht mehr um eine wechselbezügliche, AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 21. Muscheler DNotZ 1994, 733, 741 hat für diese Konstellation den Begriff der „partiell einseitigen Wechselbezüglichkeit“ geprägt. 689 Dieser Wille wird im Regelfall auch gar nicht fehlen, weil die wechselbezüglichen Verfügungen des einen Ehegatten (A) für den anderen (B) normalerweise günstig sind. Aus diesem Grund schützen ja die §§ 2270, 2271 das Vertrauen des anderen Ehegatten in den Fortbestand der wechselbezüglichen Verfügungen des einen. 690 Obwohl der Tatbestand des § 2270 I die Nichtigkeit oder den Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung voraussetzt, wird die Vorschrift von der h. M. – meist stillschweigend – auf gem. § 2268 I unwirksame wechselbezügliche Verfügungen entsprechend angewendet, vgl. Muscheler DNotZ 1994, 733, 741; Nieder, Testamentsge-

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gebnis her könnte man demnach vom Erfordernis eines übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillens sprechen. Gewonnen ist damit aber nichts; vielmehr beschwört die Rede vom „übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen“ die Gefahr herauf, dass der in ihr enthaltene, stillschweigende Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 2270 I nicht als solcher erkannt und deshalb Voraussetzungen und Wirkungen des (fehlenden) Aufrechterhaltungswillens in methodisch fragwürdiger Weise vermengt werden.691 Einen übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten in einem äußerlichen Sinne, nämlich bezogen auf die Fortgeltung zumindest einer beliebigen – einseitigen oder wechselbezüglichen – Verfügung jedes Ehegatten, verlangt Schmidt692. Lasse sich ein entsprechender Wille nur in der Person eines der Ehegatten feststellen, komme im Hinblich auf dessen Verfügungen lediglich eine Umdeutung gem. § 140 in Betracht, weil § 2268 II die Aufrechterhaltung einzelner Verfügungen nur im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments ermögliche. Aus diesen Ausführungen wird man entnehmen dürfen, dass Schmidt die grundsätzlich mögliche Fortgeltung einzelner Verfügungen des Aufrechterhaltungswilligen daran scheitern lassen will, dass mit der Unwirksamkeit sämtlicher Verfügungen seines Ehegatten eine für das gemeinschaftliche Testament konstitutive Voraussetzung entfällt, nämlich das Vorhandensein zumindest einer letztwilligen Verfügung jedes Ehegatten. Gegen diese Auffassung bestehen erhebliche Bedenken. Fragwürdig ist schon der Ausgangspunkt der Argumentation, die Aufrechterhaltung der einzelnen Verfügungen verlange über den Willen im Sinne des § 2268 II hinaus das Weistaltung, Rn. 852; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 10; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 21; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3. A. A. wohl Staudinger/Kanzleiter § 2270 Rn. 37. Entsprechend zu diesem Problem stellt sich im Erbvertragsrecht die – merkwürdigerweise nur dort als streitig diskutierte – Frage, ob die scheidungsbedingte Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung § 2298 I subsumiert werden kann. Vgl. dazu 3. Teil, A. III. 3. a) bb) (1). Die dort aufgeführten Argumente zugunsten der Anwendbarkeit des § 2298 I gelten für die Anwendbarkeit des § 2270 I entsprechend. 691 Vgl. dazu Fn. 724 sowie den aus dieser Vermischung folgenden Fehlschluss von Kellermann JuS 2004, 1071, 1074, der ausführt, im Falle wechselbezüglicher Verfügungen und bloß einseitigem Aufrechterhaltungswillen stehe „die Möglichkeit der Umdeutung (§ 140) in ein Einzeltestament offen“. Das ist unzutreffend, weil mit der Feststellung der Wechselbezüglichkeit einerseits und der Unwirksamkeit der Verfügung des Aufrechterhaltungsunwilligen andererseits zwar nicht die erste (§ 2268 I), wohl aber die zweite (§ 2270 I) Wirksamkeitsbedingung für die Verfügung des anderen Ehegatten ausfällt, so dass auch dessen Verfügung zwingend unwirksam wird; für eine Umdeutung bleibt kein Raum. Eine Aufrechterhaltung seiner Verfügung ist nur unter Verletzung der aufgestellten Prämissen, nämlich dann denkbar, wenn es sich bei der in Rede stehenden Verfügung in der maßgeblichen Hinsicht gerade nicht um eine wechselbezügliche handelt, vgl. Fn. 688. Dann bedarf es aber – wohl auch nach Kellermanns Ansicht – keiner Umdeutung, weil es „bei einseitigen Verfügungen nur auf den Willen des Verfügenden ankommt“. Wie hier auch Köster JuS 2005, 407, 409. 692 In: Erman § 2268 Rn. 3.

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terbestehen der zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments erforderlichen Voraussetzungen. Denn die Frage nach der Aufrechterhaltung stellt sich ja überhaupt nur deshalb, weil mit der Auflösung der Ehe eine für die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments konstitutive Voraussetzung weggefallen ist. Zudem bedeutet Schmidts Ansicht einen mittelbaren, willkürlichen Angriff auf das Formprivileg des § 2267: Der bei der Errichtung irrelevante Umstand, ob der später aufrechterhaltungswillige Ehegatte das Testament selbst geschrieben oder nur mitunterzeichnet hat, darf auch im Rahmen des § 2268 II keine Rolle spielen, wenn die Vorschrift die ihr zugedachte Aufrechterhaltungsfunktion unabhängig von Zufälligkeiten erfüllen können soll.693 Die herrschende Meinung lässt deshalb zu Recht auch die Aufrechterhaltung von Verfügungen des bloß mitunterzeichnenden Ehegatten zu, in dessen Person die Formvoraussetzungen einer Umdeutung nicht gegeben wären.694 Die Gewährung dieses Privilegs zugunsten des Mitunterzeichnenden kann nun nicht von der zusätzlichen Voraussetzung abhängen, dass der andere Teil zumindest eine seiner Verfügungen aufrecherhalten will. Denn die Feststellung des Aufrechterhaltungswillens ist gleichbedeutend mit dem Verbot der gesetzlichen Testamentsergänzung gem. § 2268 I, so dass die in Rede stehende Verfügung des Aufrechterhaltungswilligen bleibt, was sie von Anfang an war, nämlich eine wirksame Verfügung in einem – teilweise – wirksam bleibenden gemeinschaftlichen Testament.695 Dementsprechend ist sie genauso zu behandeln wie jede andere in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügung, die nach dem Wegfall der Verfügung des anderen Ehegatten als Rest des gemeinschaftlichen Testaments verbleibt. Die Wirksamkeit einer solchen Verfügung würde aber, abgesehen von den Fällen der Wechselbezüglichkeit, auch durch den Wegfall der letzten Verfügung des anderen Ehegatten nicht beeinträchtigt. Errichten die Ehegatten A und B ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie je eine einseitige Verfügung treffen696, und beschränkt sich A darauf, das von seiner Frau B Geschriebene zu unterzeichnen, so käme wohl niemand auf die Idee, dem A das Formprivileg des § 2267 zu versagen, wenn B ihre Verfügung insgeheim widerruft. Auch auf einen übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen in dem von Schmidt gemeinten Sinn kommt es daher nicht an. 693

Muscheler DNotZ 1994, 733, 740 u. 743. Kanzleiter DNotZ 1973, 133, 141 f.; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 12; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 18; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3. A. A. MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 8 u. 15, ausgehend von der unzutreffenden These, Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens sei das gemeinschaftliche Testament im Ganzen. 695 Kanzleiter DNotZ 1973, 133, 140; Muscheler DNotZ 1994, 733, 740. 696 Das Vorhandensein wechselbezüglicher Verfügungen ist für das gemeinschaftliche Testament nach allgemeiner Ansicht nicht konstitutiv, vgl. Kipp/Coing, ErbR, § 35 I (S. 222); Strohal, ErbR, Bd. 1, § 43 IV (S. 326); Palandt/Edenhofer Einf v § 2265 Rn. 11. 694

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cc) Tendenzen und Maßstäbe bei der Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens Nach der Rechtsprechung kann ein Aufrechterhaltungswille im Sinne des § 2268 II „nur angenommen werden, wenn der Erblasser zu der Verfügung nicht durch die Erwartung des Fortbestandes der Ehe bestimmt worden ist“697. Diese Voraussetzung ist umso wahrscheinlicher erfüllt, je weiter sich die Verfügung des Erblassers von der Ehe entfernt. Als abstrakter Indikator für Nähe bzw. Abstand zwischen Verfügung und Ehe kommt zum einen die Rechtsnatur der Verfügung in Betracht: Die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung, deren Bestand von der Wirksamkeit einer entsprechenden Verfügung des Partners abhängt und die nur unter erschwerten, dem Vertrauensschutz des Partners dienenden Voraussetzungen widerrufen werden kann, ist regelmäßig Ausdruck der Gemeinschaftlichkeit der ehelichen Vermögensnachfolgeplanung, die mit dem Ende der Ehe obsolet wird. Die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung spricht daher tendenziell gegen die Annahme eines Aufrechterhaltungswillens.698 Umgekehrt liegt die Annahme eines solchen Willens bei einseitigen Verfügungen – wiederum tendenziell – nahe699, weil der Erblasser zu ihrer Errichtung nicht durch das Testierverhalten seines Partners bestimmt worden ist. Das deutet auf eheunabhängige Errichtungsmotive hin und lässt die einseitige Verfügung als eher zufälligen Bestandteil des gemeinschaftlichen Testaments erscheinen, der auch in ein Einzeltestament hätte ausgegliedert werden können und der Vermutung des § 2268 I dann von vornherein nicht unterworfen gewesen wäre. Hier zeigt sich, dass die von der Mehrheit der zweiten Kommission mit der Gleichbehandlung einseitiger und wechselbezüglicher Verfügungen gewaltsam angestrebte Vereinfachung der Rechtslage700 die sachlichen, in der Interessenlage wurzelnden Unterschiede zwischen den beiden Verfügungstypen letztlich nicht zu überwinden vermag: Die u. U. tatsächlich schwierige Abgrenzung zwischen wechselbezüglichen und nicht wechselbezüglichen Verfügungen wird nicht obsolet, sondern lediglich vom ersten in den zweiten Absatz des § 2268 verlagert.

697

OLG Hamm FamRZ 1992, 478, 479. Allg. Auffassung, vgl. BayObLG FamRZ 1994, 193, 195; OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1978, 412, 413; OLG Hamm FamRZ 1992, 478, 479; OLG Brandenburg OLG-Report Brandenburg/Dresden/Jena/Naumburg/Rostock 1995, 138; AK-BGB/ Schaper § 2268 Rn. 20; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 2; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3. In der Regel nur einen Unterfall wechselbezüglicher Verfügungen stellen gem. § 2270 II gegenseitige Verfügungen der Ehegatten dar. Hier ergibt sich das wahrscheinliche Fehlen des Aufrechterhaltungswillens abgesehen von der Wechselbezüglichkeit freilich auch – besonders deutlich – aus der Person des Bedachten, Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 10. 699 OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1978, 412, 413; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 20; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 10. 700 Vgl. 3. Teil, A. II. 1. 698

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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Gewichtige Anhaltspunkte für bzw. gegen die Annahme des Aufrechterhaltungswillens ergeben sich zum anderen naturgemäß aus der Person des Bedachten. Bei Verfügungen, die der eine Ehegatte zugunsten des anderen oder zugunsten von Personen errichtet hat, die ausschließlich mit dem anderen Ehegatten verwandt sind, ist die Vermutung, dass die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehende Ehe zumindest mitursächlich für die Zuwendung geworden ist, schwerlich zu widerlegen.701 Umgekehrt liegt die Annahme eines Aufrechterhaltungswillens im Hinblick auf Verfügungen zugunsten eigener Abkömmlinge nahe, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei nur um Verwandte des Erblassers oder um gemeinschaftliche Abkömmlinge der Ehegatten handelt.702 Wegen der Einzelheiten bezüglich dieser praktisch wichtigsten Gruppe von Drittzuwendungen wird auf die Ausführungen zur entsprechenden Konstellation beim Ehegattenerbvertrag verwiesen, an der sich die für den Aufrechterhaltungswillen maßgebliche Interessenlage deutlicher illustrieren lässt.703 Die dort ermittelten Ergebnisse gelten für einseitige und wechselbezügliche Zuwendungen zugunsten einseitiger wie gemeinschaftlicher Abkömmlinge im gemeinschaftlichen Testament entsprechend. Im Hinblick auf die Auslegungsmaßstäbe, die bei der Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens heranzuziehen sind, üben sich Rechtsprechung und Literatur in Zurückhaltung. Sofern die Frage nach der anzuwendenden Auslegungsmethode überhaupt berührt wird, begnügt man sich gewöhnlich mit einem Ver701 AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 20; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; Staudinger/ Kanzleiter § 2268 Rn. 10. Streng OLG Hamm FamRZ 1992, 478: Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben und den Neffen der Ehefrau, zugleich deren Patenkind, als Schlusserben ein. Die Ehe wurde geschieden. Beim Erbfall des Ehemanns stand zugunsten des Neffen immerhin fest, dass ihn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sehr geschätzt und seiner eigenen Verwandtschaft auch deshalb als Schlusserbe vorgezogen hatte, weil er den – zu diesem Zeitpunkt freilich erst zehnjährigen – Neffen als geeigneten Nachfolger für sein Unternehmen ansah. Aufgrund dieses Umstands ging die Vorinstanz des OLG davon aus, dass für die Schlusserbeinsetzung des Neffen ein eheunabhängiges Motiv maßgebend war und die Verfügung daher entgegen der Auslegegungsregel des § 2270 II, 2. Alt. auch nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zur Erbeinsetzung des Mannes durch die Frau stand. Das OLG lehnte die Annahme eines Aufrechterhaltungswillens im Hinblick auf die Verfügung zugunsten des Neffen dagegen ab. Insbesondere die Tatsache, dass dem Neffen als Schlusserben lediglich eine vom länger lebenden Ehegatten abhängige, nachrangige Rechtsposition eingeräumt worden sei, weise darauf hin, dass der Erblasser die Verfügung jedenfalls auch mit Rücksicht auf den Bestand der Ehe getroffen habe, OLG Hamm FamRZ 1992, 478 f. Vgl. zu letzterem Argument, das insbesondere bei der Einsetzung von gemeinschaftlichen Abkömmlingen eine Rolle spielt, 3. Teil, A. III. 1. b) bb) (2) (b). 702 BayObLG FamRZ 1994, 193, 195 f.; OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19 (zum Erbvertrag); OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1978, 412, 413; OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg/Dresden/Jena/Naumburg/Rostock 1995, 138; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 20; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 5; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 8; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 3; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 10. 703 Vgl. 3. Teil, A. III. 1. b) bb).

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

weis auf die Regeln, die bei der Ermittlung des Inhalts in gemeinschaftlichen Testamenten getroffener Verfügungen gelten.704 In Bezug auf einseitige Verfügungen läuft das auf eine Auslegung nach Maßgabe des § 133 hinaus, in Bezug auf wechselbezügliche Verfügungen auf eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. § 157. Im Grundsatz verdient diese Differenzierung Zustimmung. Im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen bedarf sie allerdings einer Einschränkung. Denn die dem Erklärungsempfänger grundsätzlich günstige Beschränkung des zur Willensermittlung verwertbaren Auslegungsmaterials auf das ihm Erkennbare würde in einen Nachteil umschlagen, wenn der Verfügende seinen Aufrechterhaltungswillen ausschließlich gegenüber Dritten zum Ausdruck gebracht hat. Da dem anderen Ehegatten als Erklärungsempfänger die Aufrechterhaltung von wechselbezüglichen Verfügungen seines Partners regelmäßig günstig ist und durch die Aufrechterhaltung keine schutzwürdigen Interessen Dritter berührt werden, besteht in diesen Fällen kein Anlass, zu Lasten des Erklärungsempfängers an der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont festzuhalten.705 Dieselbe Interessenlage besteht im Fall eines zwischen den Ehegatten abgeschlossenen Erbvertrages. Dagegen muss es zu Lasten des bedachten Ehegatten bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont bleiben, wenn nicht er, sondern ein Dritter Empfänger der Erklärung des Verfügenden ist.706

III. Erbvertrag Anders als beim gemeinschaftlichen Testament hält das BGB in den §§ 2274 ff. – zunächst abgesehen von § 2279 II – keine spezifische Vorschrift bereit, die die Auswirkungen einer Scheidung auf einen Erbvertrag regelt. Das Gesetz beschränkt sich vielmehr darauf, sowohl im Falle einseitiger Verfügungen als auch im Hinblick auf vertragsmäßige Verfügungen auf die für letztwillige Zuwendungen geltenden Vorschriften und damit auf § 2077 zu verweisen.

704 So etwa OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942; Palandt/Edenhofer § 2268 Rn. 2 u. Einf v § 2265 Rn. 12. 705 Zur Verzichtbarkeit der normativen Auslegungsmethode für den Erklärungsempfänger vgl. Brox, S. 177; Spieß JZ 1985, 593, 597. Ein Fall der falsa-demonstratioRegel liegt nicht vor, weil der wirkliche (Aufrechterhaltungs-)Wille des verfügenden Ehegatten dem anderen nicht von Anfang an bekannt, sondern nur nachträglich genehm ist. 706 Ein- oder zweiseitiger Erbvertrag zwischen dem Erblasser und einem Dritten; Bezugsrechtseinräumung zugunsten des Ehegatten gegenüber dem Lebensversicherer.

A. Der Regelfall – Rechtskräftige Scheidung

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1. Vertragsmäßige Verfügungen: § 2279 i.V. m. § 2077 a) Verfügungen zugunsten des Ehegatten aa) § 2279 I oder II als Verweisquelle? Gemäß § 2279 I sind die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorschriften entsprechend auf vertragsmäßig getroffene Zuwendungen und Auflagen anzuwenden. Zu den Vorschriften, die § 2279 I in Bezug nimmt, zählt die herrschende Meinung auch § 2077.707 Nach anderer Ansicht ergibt sich die Anwendbarkeit des § 2077 nicht schon aus dem ersten, sondern erst aus dem zweiten Absatz des § 2279, der anordnet, dass § 2077 für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten auch insoweit gilt, als ein Dritter bedacht ist. Neben der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 2077 auf erbvertragliche Zuwendungen an Dritte diene § 2279 II dem Zweck, die Anwendbarkeit des § 2077 auf einen zwischen den Ehegatten geschlossenen Erbvertrag klarzustellen. Einer solchen Klarstellung habe es bedurft, weil die Geltung der Vorschrift angesichts der von einem Erbvertrag grundsätzlich ausgehenden Bindungswirkungen nicht selbstverständlich sei.708 Der Mindermeinung ist zuzugeben, dass der äußere Anschein dafür spricht, die Verweisquelle für die Anwendbarkeit des § 2077 im zweiten Absatz des § 2279 zu verorten: Anders als im ersten Absatz wird § 2077 dort ausdrücklich erwähnt. Auch die neue amtliche Überschrift des § 2279709 scheint alle mit § 2077 zusammenhängenden Probleme dem zweiten Absatz zuzuweisen. Dennoch erweist sich die Mindermeinung bei näherer Betrachtung als unhaltbar, weil sie die Anwendbarkeit des § 2077 von der zusätzlichen Voraussetzung abhängig macht, dass der vertragsmäßig bedachte Ehegatte zugleich Vertragspartner des Erblassers ist710; die „klarstellende“ Funktion des § 2279 II liefe also in Wirklichkeit auf eine Einschränkung des § 2077 hinaus. Gegen eine solche Einschränkung sprechen zahlreiche Gründe. Die Formulierung „gilt auch insoweit“ legt die Annahme nahe, dass § 2279 die Anwendbar707 BGH FamRZ 1961, 364, 366; BayObLG NJW-RR 1997, 7, 8; OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19; OLG Hamm ZEV 1994, 367 m. Anm. Mayer; Dieterle BWNotZ 1970, 170, 171; Schlitt ZEV 2005, 96; Wirtz, S. 97; Strohal, ErbR, Bd. 1, § 45 I (S. 360); Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 517); Leipold, ErbR, Rn. 506; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2279 Rn. 13; RGRK/Kregel § 2279 Rn. 3; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 12. 708 Mümmler JurBüro 1983, 39; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 4. Im Ergebnis ebenso Schiffner, S. 191; Brox, ErbR, Rn. 219; Dernburg, ErbR, § 98 III (S. 276). Widersprüchlich Nieder, Testamentsgestaltung, Rn. 757 einerseits und Rn. 852 andererseits. 709 „Vertragsmäßige Zuwendungen und Auflagen; Anwendung von § 2077“. 710 Dafür offenbar auch Erman/Schmidt § 2279 Rn. 3, obwohl er § 2279 I als Verweisquelle anerkennt.

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keit des § 2077 als solche voraussetzt und in Absatz 2 lediglich um eine Fallgestaltung in Form der Drittzuwendungen erweitert, die der Wortlaut des § 2077 unmittelbar nicht erfasst.711 Nur bei dieser engeren Lesart des § 2279 II erhält die zusätzliche Voraussetzung, dass ein zwischen den Ehegatten geschlossener Erbvertrag vorliegt, für alle dann von der Vorschrift erfassten Fälle einen nachvollziehbaren Sinn: Bei Drittzuwendungen schafft eben erst die Ehegatteneigenschaft der Vertragspartner die Grundlage für die Vermutung, dass der Dritte ehebedingt begünstigt worden ist.712 Dieser Grundlage bedarf es bei einer Begünstigung des Ehegatten nicht, weil die Ehebezogenheit der Zuwendung in diesem Fall schon aus der Ehegatteneigenschaft des Zuwendungsempfängers folgt. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des § 2279 bestätigt. Die erste Kommission, nach deren Konzeption der Irrtum über den Fortbestand der Ehe nicht zur ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung führen, sondern gem. § 1783 E I nur zu einer vereinfachten Anfechtung wegen Motivirrtums berechtigen sollte713, verwies bezüglich der Anfechtbarkeit eines Erbvertrages wegen dieses Motivirrtums in § 1948 I E I (= § 2281) noch ausdrücklich auf die Voraussetzungen des § 1783 E I (= § 2077).714 Ob der vertragsmäßig bedachte Ehegatte zugleich Vertragspartner des Erblassers ist, sollte für die Anfechtbarkeit also keine Rolle spielen. Lediglich die Erweiterung der Anfechtungsregel des § 1783 E I auf Drittzuwendungen wurde in § 1948 II E I vom Vorhandensein eines zwischen den Ehegatten abgeschlossenen Erbvertrages abhängig gemacht. Dass in der Gesetz gewordenen Fassung dann schließlich nur noch die Erweiterung des § 2077 auf Drittzuwendungen, nicht aber die Geltung der Vorschrift in ihrem originären Anwendungsbereich ausdrückliche Erwähnung fand, beruht ersichtlich bloß auf technischen Gründen: Einerseits blieb für die ursprünglich vorgesehene, ausdrückliche Anwendbarkeitsanordnung des § 2077 im Rahmen der Anfechtungsregelung des § 2281 I nach Aufgabe der Anfechtungslösung kein Raum mehr715, andererseits bestand kein Anlass, die Anwendbarkeit des § 2077 als nunmehr gewöhnlicher Auslegungsregel im Rahmen des 711 Träfe die hier abgelehnte Ansicht zu, hätte § 2279 II dagegen folgende Fassung erhalten müssen: Die Vorschrift des § 2077 gilt für Erbverträge zwischen Ehegatten (. . .), und zwar auch insoweit, als ein Dritter bedacht ist. So in der Tat Brox, ErbR, Rn. 219. 712 Insofern zutreffend Schiffner, S. 192, der daraus aber keine Schlussfolgerung gegen die Erforderlichkeit eines Ehegattenerbvertrages für den Fall ableitet, dass der Ehegatte der Bedachte ist. 713 Vgl. 3. Teil, A. I. 1. 714 § 1948 E I lautete: Abs. 1 Der Erbeinsetzungsvertrag kann von dem Erblasser nach Maßgabe der §§ 1780–1783 angefochten werden; (. . .). Abs. 2 Die Vorschriften des § 1783 finden auf einen zwischen Ehegatten oder Verlobten geschlossenen Erbeinsetzungsvertrag auch insoweit Anwendung, als ein Dritter als Vertragserbe eingesetzt ist. 715 Vgl. Prot. Bd. V, S. 385.

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§ 2146 I E II (= § 2279 I) gegenüber den übrigen entsprechend anzuwendenden Vorschriften besonders hervorzuheben. Zu regeln blieben also nur die Drittzuwendungsfälle, so dass die Vermutung nahe liegt, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 2279 II lediglich den Zweck verfolgte, einen mit der neuen Systematik konformen Standort für § 1948 II E I zu schaffen, ohne den – auf Drittzuwendungen beschränkten – sachlichen Gehalt der Vorschrift zu verändern. Im Fall vertragsmäßiger Verfügungen zugunsten des Ehegatten findet § 2077 folglich schon aufgrund des ersten Absatzes des § 2279 Anwendung, so dass diese Verfügungen – vorbehaltlich eines abweichenden Willens des Erblassers gem. § 2077 III – unabhängig davon unwirksam werden, ob der Erbvertrag zwischen den Eheleuten oder zwischen dem Erblasser und einem Dritten geschlossen wurde. bb) Modifikationen des § 2077 aufgrund bloß entsprechender Anwendbarkeit? Da § 2279 I die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorschriften nur für entsprechend anwendbar erklärt, stellt sich die Frage, ob die §§ 2274 ff. oder das Wesen des Erbvertrages im Falle vertragsmäßiger Zuwendungen zugunsten des Ehegatten zu Modifikationen des § 2077 zwingen. (1) Tatbestand des § 2077 I 1: Eingeschränkte Beachtlichkeit von Motivirrtümern? Die gegenüber einseitigen Verfügungen typusprägende Eigenschaft vertragsmäßiger Verfügungen besteht in ihrer Bindungswirkung, die in der Person des Vertragspartners schutzwürdiges Vertrauen auf den zukünftigen Fortbestand der Verfügungen begründet. Angesichts dieser Ausgangslage halten Teile der Rechtsprechung und Literatur die nach dem Wortlaut des § 2281 auch beim Erbvertrag ohne weiteres mögliche Anfechtung wegen eines bloßen Motivirrtums nicht für interessengerecht und plädieren deshalb für eine Einschränkung der Anfechtbarkeit durch objektive Kriterien.716 Zumindest aus technischer Sicht 716 Diffus OLG Hamm Rpfleger 1978, 179 f.: Rücksichtnahme auf die Interessen des ebenfalls vertraglich verfügenden und vorverstorbenen Vertragspartners und Ehegatten. Später stellt das Gericht darauf ab, ob der Vorverstorbene mit der Anfechtung einverstanden (!) gewesen wäre und fragt dann in einem zweiten Schritt, wie sich das mangelnde Einverständnis auf den Willen des Verfügenden ausgewirkt hätte. Missverständlich daher der Leitsatz der Entscheidung. Soergel/Loritz § 2078 Rn. 2 will den Motivirrtum letztlich nur dann berücksichtigen, wenn dieser auch bei einem Rechtsgeschäft unter Lebenden zu berücksichtigen wäre (Erkennbarkeit des enttäuschten Motivs; Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften gem. § 119 II; Wegfall der Geschäftsgrundlage). Krebber DNotZ 2003, 20, 32 f. will die Anfechtung wegen Motivirrtums aus systematischen Gründen auf die Fälle des Vorhandenseins einer positiven Fehlvorstellung beschränken, um den Rücktrittsgründen der §§ 2294 f. einen eigen-

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kommt eine entsprechende Einschränkung auch und erst recht bei der Inbezugnahme des § 2077 I 1 durch § 2279 I in Betracht. Denn § 2077 regelt sachlich einen speziellen Fall eines Motivirrtums, der in Form der ipso-iure-Unwirksamkeit sogar eine schärfere Rechtsfolge als die Anfechtbarkeit der vertragsmäßigen Verfügung nach sich zieht. Zudem fehlt es für die vorgeschlagene Einschränkung der Anfechtung nach den §§ 2281, 2078 II, 2079 an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt, während im Hinblick auf den Irrtum über den Fortbestand der Ehe bei isolierter Wortlautauslegung des § 2279 I die Möglichkeit besteht, die bloß entsprechende Anwendbarkeit des § 2077 als Einfallstor für eine erbvertraglich begründete Einschränkung der Beachtlichkeit des Irrtums aufzufassen. Aus der Entstehungsgeschichte des § 2279 I folgt jedoch, dass der Gesetzgeber mit der stillschweigenden Aufnahme des § 2077 in die Reihe der lediglich entsprechend anzuwenden Vorschriften keine derartige Einschränkung im Sinn hatte. Auf der Grundlage der Anfechtungslösung sollte § 1783 E I als Vorgängervorschrift des § 2077 gem. § 1948 I E I (= § 2281) unmittelbare Anwendung auf Erbverträge finden. Und anders als bei den Anfechtungstatbeständen der §§ 1780, 2. Alt. E I (= Anfechtung wegen Betrugs), 1782 E I (= § 2079) sah der Gesetzgeber im Hinblick auf § 1783 – abgesehen von der Erweiterung der Vorschrift auf Drittzuwendungen – keinerlei Veranlassung zu erbvertraglich begründeten Modifikationen. Das ist für die vorliegende Fragestellung deshalb bemerkenswert, weil § 1783 I E I die sonst gem. § 1781 II E I für die Anfechtung wegen Motivirrtums vorgesehenen Anforderungen herabsetzte. Auf die Benennung des enttäuschten Motivs sollte es im Fall des § 1783 E I nicht ankommen. Die Übernahme dieser Privilegierung ins Erbvertragsrecht lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber den Vertragspartner des Erblassers aufgrund der offensichtlichen Bedeutung der Ehe als bestimmendes Motiv für die Zuwendung jedenfalls nicht für schutzbedürftig hielt. Eben aufgrund der Erkennbarkeit des Irrtums und seines regelmäßigen Gewichts für die erblasserische Entscheidung laufen die zur Einschränkung der Anfechtbarkeit vorgeschlagenen Voraussetzungen in Bezug auf § 2077 leer, weil sie stets erfüllt sind: Die fortwährende Ehegatteneigenschaft stellt mit Blick auf das Rechtsgeschäft „vertragsmäßige Zuwendung“ sicher eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Zuwendungsempfängers gem. § 119 II dar. Ebenso lässt sich die Auflösung der Ehe als Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Zuwendung verstehen.717 Auch die mit Blick auf die §§ 2294 f. in der Tat fragwürdige Berücksichtung sog. selbstverständlicher Vorstellungen bei einer ständigen Anwendungsbereich zu erhalten. Gegen eine Einschränkung der Anfechtbarkeit die h. M., vgl. – insbesondere zum letztgenannten Vorschlag – BGH FamRZ 1983, 898, 899; Nolting, S. 81; MünchKomm/Leipold § 2278 Rn. 8 f. 717 Vgl. Finger VersR 1990, 229, 231 zu § 2077 sowie Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1269 zu § 2268.

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Anfechtung nach §§ 2281, 2078 II wirft im Hinblick auf die §§ 2279 I, 2077 keine Probleme auf, weil die klare Begrenzung des Irrtumsgegenstandes für eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften Raum lässt. Eine Einschränkung des § 2077 kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn es – wie im Regelfall – an einer positiven Fehlvorstellung des Erblassers über den Fortbestand seiner Ehe fehlt. Im Hinblick auf den Tatbestand des § 2077 I 1 bleibt die bloß entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift also ohne Folgen. Die §§ 2279 I, 2077 I 1 setzen lediglich eine vertragsmäßige Verfügung zugunsten eines Ehegatten und die Auflösung der Ehe voraus. (2) Rechtsfolge des § 2077 I 1 Auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen laufen die unmittelbare und die durch § 2279 I eröffnete Anwendung des § 2077 parallel. Gegenstand der Unwirksamkeitsanordnung ist auch im Falle der §§ 2279 I, 2077 I nicht etwa der Erbvertrag im Ganzen, sondern allein die Verfügung zugunsten des Ehegatten. Das ergibt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut des § 2279 I, der die entsprechende Anwendung der in Bezug genommenen Normen nur für die einzelnen vertragsmäßigen Zuwendungen und Auflagen, nicht aber für den Erbvertrag als solchen anordnet, zum anderen daraus, dass sich die Annahme einer schon auf § 2279 I beruhenden Erweiterung der Unwirksamkeitsfolge über die vertragsmäßigen Zuwendungen zugunsten des Ehegatten hinaus nicht mit § 2279 II verträgt: Da nach dieser Vorschrift die Erweiterung des § 2077 auf Drittzuwendungen von der zusätzlichen Voraussetzung abhängt, dass der Erbvertrag gerade zwischen den Ehegatten abgeschlossen wurde, kann die Unwirksamkeit einer Verfügung zugunsten des Ehegatten, die gem. §§ 2279 I, 2077 auch im Falle eines zwischen dem Erblasserehegatten und einem Dritten geschlossenen Erbvertrages eintreten kann, nicht schon für sich genommen hinreichende Bedingung für die Unwirksamkeit des Erbvertrages im Ganzen sein.718 (3) Aufrechterhaltungswille gem. § 2077 III (a) Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens In Bezug auf den Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag deutlicher dar als beim gemeinschaftlichen Testament. Da nach den §§ 2279 I, 2077 I 1 im Unterschied zu § 2268 I von vornherein nur die einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen zugunsten des Ehegatten als Gegenstand der regelmäßigen Unwirksamkeitsanordnung in Betracht kommen, kann sich auch der Auf718 Schon aus diesem Grund scheidet § 2268 als Verweisungsziel des § 2279 I aus, Wirtz, S. 99 f.; Strohal, ErbR, Bd. 1, § 45, Fn. 4 (S. 361); Soergel/Wolf § 2279 Rn. 2.

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rechterhaltungswille im Sinne der §§ 2279 I, 2077 III nur auf die einzelnen Verfügungen beziehen. Anders als bei der entsprechenden Fragestellung beim gemeinschaftlichen Testament besteht im Hinblick auf vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag zudem Einigkeit darüber, dass solchermaßen getroffene Verfügungen nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihrer Eigenschaft als vertragsmäßige aufrechterhalten werden können.719 (b) Träger des Aufrechterhaltungswillens Nach dem Wortlaut der §§ 2279 I, 2077 III ist im Hinblick auf den Träger des Aufrechterhaltungswillens auf den „Erblasser“ abzustellen. Ausgehend von den einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen als Gegenstand des Aufrechterhaltungswillens läuft das auf die alleinige Maßgeblichkeit des Willens desjenigen Erblassers hinaus, der die in Rede stehende Verfügung getroffen hat.720 Demgegenüber beharren Teile der Rechtsprechung – ebenso wie bei der entsprechenden Fragestellung beim gemeinschaftlichen Testament – darauf, bezüglich des Aufrechterhaltungswillens „die allgemeinen Grundsätze für die Auslegung vertragsmäßiger Verfügungen“ anzuwenden; folglich sei „– gegebenenfalls unter Heranziehung von § 157 BGB – der übereinstimmende Wille beider Vertragsparteien zu ermitteln.“721 Diese Prüfungsanweisung gerät bei unbefangener Auslegung des § 2077 III schon mit dem Wortlaut der Vorschrift in Konflikt. Denn § 2077 III verlangt und erlaubt lediglich die Berücksichtigung des Aufrechterhaltungswillens eines „Erblassers“. Diese Eigenschaft braucht der andere Vertragspartner aber nicht aufzuweisen.722 Freilich wöge dieses Wortlautargument nicht schwer, wenn die Besonderheiten des Erbvertragsrechts die Berücksichtigung des Willens des Vertragspartners verlangen und deshalb eine – aufgrund der bloß entsprechenden Anwendbarkeit des § 2077 mögliche – Korrektur des Wortlauts rechtfertigen würden. Davon kann indes keine Rede sein. Es würde einen terminologisch verursachten Fehlschluss bedeuten, aus der Vertragsmäßigkeit der Verfügung die 719 OLG Hamm ZEV 1994, 367, 368 m. Anm. Mayer; Muscheler DNotZ 1994, 733, Fn. 27; Wirtz, S. 179; MünchKomm/Musielak § 2279, Fn. 13; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 16. 720 Ebenso BGH FamRZ 1961, 364, 366; OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19; AKBGB/Finger § 2279 Rn. 2a. 721 OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942 (Hervorhebung im Urteil) unter Berufung auf BayObLG NJW-RR 1997, 7, 8. Obwohl es in beiden Entscheidungen um einen zweiseitigen Ehegattenerbvertrag ging, wurde die Geltung des angeführten Zitats nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Dieser Rechtsprechung folgen Soergel/ Wolf § 2279 Rn. 5 und wohl auch Mayer ZEV 1994, 368, 369, Anm. zu OLG Hamm ZEV 1994, 367. 722 Schon deshalb lehnt Wirtz, S. 177 die Erforderlichkeit eines übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillens der Vertragspartner bei einseitigen Erbverträgen ab.

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Erforderlichkeit eines „übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillens“ abzuleiten. Denn bei der Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens geht es nicht um die Vertragsmäßigkeit oder den Inhalt der Verfügung, also um die für den Vertragsschluss in der Tat konstitutive Übereinstimmung im Willen der Parteien723, sondern um Vorhandensein oder Fehlen eines dieser Willensbildung zugrunde liegenden Motivs. Übereinstimmende Motive der Parteien setzt der Abschluss eines Erbvertrages aber nicht voraus. Technisch zwingend ist die Berücksichtigung des Aufrechterhaltungswillens des Vertragspartners also nicht; sie ist auch nicht aus Sachgründen geboten. Denn da auch das Vorhandensein des Aufrechterhaltungswillens in der Person des Vertragspartners nicht über das Fehlen eines entsprechenden Willens in der Person des Erblassers hinweghelfen würde, könnte die Berücksichtigung des Willens des Vertragspartners – ebenso wie die Berücksichtigung des Willens des anderen Ehegatten beim gemeinschaftlichen Testament – bestenfalls destruktive Wirkung entfalten, also lediglich zur Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung führen, die nach dem Willen des Verfügenden trotz Auflösung der Ehe fortbestehen sollte. An der Herbeiführung dieser Rechtsfolge besteht selbst dann kein anerkennenswertes Interesse des Vertragspartners, wenn dieser seinerseits vertragsmäßige Verfügungen getroffen hat und damit – in Bezug auf diese Verfügungen – ebenfalls die Stellung eines Erblassers einnimmt. Diese weitere Eigenschaft des Vertragspartners spielt gem. § 2298 I erst auf der Rechtsfolgenseite der §§ 2279 I, 2077 I, nämlich dann eine Rolle, wenn bereits feststeht, dass mit der Unwirksamkeit der fraglichen Verfügung eine Störung des erbvertraglichen Gesamtgefüges eingetreten ist. Auf der Tatbestandsseite muss die Erblassereigenschaft des Vertragspartners dagegen folgenlos bleiben. Alles andere würde auf die absurde Anerkennung eines Rechts des Vertragspartners/Erblassers hinauslaufen, die in § 2298 I vorausgesetzte Störung auszulösen. Selbst im Falle eines zweiseitigen Erbvertrages ist „Erblasser“ im Sinne der §§ 2279 I, 2077 III daher nur derjenige, der die fragliche Verfügung getroffen hat.724

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Schiffner, S. 10. Ebenso letztlich auch Wirtz, S. 178 f., der sich mit dem Ergebnis schwer tut, weil er im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament für einen übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten plädiert. Die abweichende Stellungnahme zum entsprechenden Problem beim Erbvertrag bereitet daher unweigerlich Rechtfertigungsprobleme. Diese Probleme sind hausgemacht, weil die von Wirtz für die Erbvertragsfälle zu Recht hervorgehobene Trennung zwischen den Voraussetzungen für die Unwirksamkeit der Ausgangsverfügung (§§ 2279 I, 2077 I) und deren Folgen für den Erbvertragsrest (§ 2298 I) ebenso für wechselbezügliche Verfügungen im Ehegattentestament gilt (Unwirksamkeit der Ausgangsverfügung: § 2268 I; Folge für die dazu wechselbezügliche Verfügung: § 2270 I). Dort stellt Wirtz das Ursache-Wirkungs-Gefüge aber auf den Kopf, indem er aus der Rechtsfolge des § 2270 I auf die Voraussetzungen des § 2268 II schließt. 724

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Damit erweist sich die Rede vom übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen beim Erbvertrag als ebenso verfehlt wie beim gemeinschaftlichen Testament. Die Trägerschaft des Aufrechterhaltungswillens ist als Anknüpfungspunkt zum Schutz der Interessen des Vertragspartners ungeeignet, und zwar unabhängig von der wichtigeren Vorfrage, ob überhaupt schutzwürdiges Vertrauen des Vertragspartners auf den Fortbestand der Verfügung im Fall der Scheidung der Ehe besteht. Davon ist aufgrund der gesetzlichen Ausgangslage in Form der regelmäßigen Unwirksamkeit der Verfügung nicht ohne weiteres, sondern nur dann auszugehen, wenn äußere Umstände oder das Verhalten des Verfügenden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf einen die Regel der §§ 2279 I, 2077 I derogierenden Willen des Verfügenden schließen lassen.725 b) Verfügungen zugunsten Dritter: § 2279 II i.V. m. § 2077 Gemäß §§ 2279 II, 2077 I 1 führt die Scheidung der Ehe im Falle eines Erbvertrages zwischen den Ehegatten regelmäßig auch zur Unwirksamkeit der in dem Erbvertrag getroffenen Verfügungen zugunsten Dritter. Dabei verdient der Umstand, dass die Unwirksamkeitsfolge bei Eingreifen der genannten Vorschriften unmittelbar an die Auflösung der Ehe anknüpft, besondere Beachtung. Denn die Unwirksamkeit von Drittzuwendungen kann sich auch als nur mittelbare Folge der Eheauflösung einstellen, nämlich als Reaktion auf die Unwirksamkeit einer Verfügung zugunsten eines der Ehegatten nach Maßgabe der §§ 2085, 2298 I. Eben weil sich die Eheauflösung im Rahmen dieser Vorschriften nur mittelbar auf die Wirksamkeit der Drittzuwendung auswirkt, ist deren Schicksal vorrangig anhand der §§ 2279 II, 2077 zu beurteilen. Diese Prüfungsreihenfolge wird in Rechtsprechung726 und Literatur nicht immer eingehalten.727 725

Vgl. aber 3. Teil, A. II. 3. b) cc). Vgl. etwa OLG Hamm ZEV 1994, 367: Unwirksamkeit der als Schlusserben im zweiseitigen Ehegattenerbvertrag eingesetzten Kinder gem. § 2298 I als Folge der Unwirksamkeit der Verfügung zugunsten eines der vertragschließenden Ehegatten. Zu Recht kritisch gegenüber diesem Lösungsweg die Entscheidungsanmerkung von Mayer ZEV 1994, 368 f. 727 Auf der Missachtung dieser Reihenfolge beruht die verfehlte Ansicht, § 2279 II habe (gemeint ist wohl: nur) „den einseitigen Erbvertrag im Auge, bei dem nur ein Ehegatte (. . .) als Erblasser auftritt, während sich der andere auf die Annahme der an Dritte gemachten Zuwendung beschränkt“, Dieterle BWNotZ 1970, 170, 172. Ebenso Frenz ZNotP 2000, 102, 103; Bamberger/Roth/Litzenburger § 2279 Rn. 7; RGRK/ Kregel § 2279 Rn. 4. Da der Wortlaut des § 2279 II für eine derartige Einschränkung keinerlei Anhaltspunkte bietet, wird sie offenbar aus der Rechtsfolge des § 2298 I abgeleitet. Danach hat die Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung in einem zweiseitigen Erbvertrag die Unwirksamkeit des ganzen Vertrages, also auch der Drittzuwendungen zur Folge. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, § 2279 II betreffe nur den einseitigen Erbvertrag, ist aber ersichtlich voreilig. Denn die Rechtsfolge des § 2298 I greift nur und erst dann ein, wenn die Nichtigkeit zumindest einer vertrags726

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aa) Beschränkung des § 2279 II auf vertragsmäßige Verfügungen § 2279 II erstreckt die Anwendbarkeit des § 2077 im Falle eines zwischen den Ehegatten geschlossenen Erbvertrages auf Zuwendungen an Dritte, ohne ausdrücklich Stellung zu der Frage zu beziehen, ob die Unwirksamkeitsanordnung des § 2077 I 1 für sämtliche Drittzuwendungen oder nur für die vertragsmäßig getroffenen gelten soll. Der Standort des § 2279 II im Gefolge des § 2278 und die an den ersten Absatz anknüpfende Formulierung „gilt (. . .) auch insoweit“ sprechen dafür, die Vorschrift als Erweiterung des schon aufgrund des ersten Absatzes anwendbaren § 2077 auf Drittzuwendungen zu verstehen, also lediglich als Modifikation der in Bezug genommen Vorschrift, nicht aber als Modifikation der Voraussetzungen der Inbezugnahme.728 Auch sachlich erscheint die unterschiedliche Behandlung einseitiger und vertragsmäßiger Drittzuwendungen gerechtfertigt; denn dass sich der nicht verfügende Ehegatte vom Verfügenden die Bindungswirkung der Verfügung zugunsten des Dritten versprechen lässt, indiziert die Eheabhängigkeit dieser Verfügung in stärkerem Maße als die bloß äußerliche Aufnahme einer einseitigen Verfügung zugunsten des Dritten in den Ehegattenerbvertrag.729 Geht man aufgrund dieser Argumente von einer Beschränkung des § 2279 II auf vertragsmäßige Drittzuwendungen aus730, ergibt sich freilich ein offener Wertungswiderspruch zur Rechtslage beim gemeinschaftlichen Testament. Denn der Umstand, dass auch wechselbezügliche Verfügungen tendenziell häufiger in Abhängigkeit vom Fortbestand der Ehe getroffen werden als einseitige, veranlasste den Gesetzgeber nicht dazu, letztere von der Unwirksamkeitsanordnung des § 2268 I auszunehmen. Im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments gilt damit auch für einseitige Drittzuwendungen die in der Vorschrift statuierte Eheabhängigkeitsvermutung, der entsprechende Zuwendungen in einem Ehegattenerbvertrag nach obiger Auslegung nicht unterworfen sind.731 Das mutet insbesondere deshalb merkwürdig an, weil die Mehrheit der zweiten Kommission die Erstreckung der Unwirksamkeitsfolge des § 2268 I auf einseitige Verfügunmäßigen Verfügung aufgrund einer anderen Vorschrift feststeht. Träfe die dargestellte Ansicht zu, bliebe ein ausschließlich zugunsten Dritter abgeschlossener, zweiseitiger Ehegattenerbvertrag daher mangels einer unwirksam werdenden Verfügung, die die Rechtsfolge des § 2298 I auslösen könnte, von der Scheidung der Ehe unberührt. Zu Recht ablehnend daher OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19; Lange/Kuchinke, ErbR, § 12, Fn. 287 (S. 517); Soergel/Wolf § 2279 Rn. 4. 728 Wirtz, S. 98. 729 Näher zur Gleichstellung von Vertragsmäßigkeit und Eheabhängigkeit 3. Teil, A. III. 1. b) bb) (2) (a). 730 Allg. Auffassung, vgl. OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 18; Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 518); AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 2; Erman/Schmidt § 2279 Rn. 3; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 5; Planck/Greiff § 2279 Anm. 3. 731 Auf diesen Widerspruch weist bereits Planck/Greiff § 2279 Anm. 3 hin. Ebenso Dieterle BWNotZ 1970, 170, 172.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

gen u. a. mit der Erwägung rechtfertigte, sie stelle – mit Blick auf § 1960 S. 3 E I (= § 2165 II 3 E II = § 2299 III) – Einklang mit der Rechtslage beim Erbvertrag her.732 Trotzdem besteht kein Anlass, das zu § 2279 II ermittelte Auslegungsergebnis zu revidieren. Denn der dargestellte Widerspruch wurzelt ausschließlich in dem Streit, der innerhalb der zweiten Kommission um die Reichweite der Rechtsfolgen der Eheauflösung auf das gemeinschaftliche Testament herrschte.733 Sachlich zu keiner Zeit beanstandet wurde demgegenüber § 1948 II E I, der die privilegierte Anfechtung nach § 1783 E I im Erbvertragsrecht ausdrücklich nur auf vertragsmäßige Drittzuwendungen erstreckte. Das lässt erahnen, dass die Kommissionsmehrheit mit dem Hinweis auf § 2299 III lediglich ein Zusatzargument für die von ihr aus anderen Gründen befürwortete vollständige Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nachschob, ohne den sachlichen Gehalt des Arguments einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Hätte die Kommissionsmehrheit tatsächlich entscheidendes Gewicht auf eine erbvertragskonforme Bestimmung der Reichweite des § 2268 I gelegt, hätte sie sich an § 1948 II E I orientieren und dementsprechend einseitige Verfügungen vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausschließen müssen; denn bei einseitigen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament handelt es sich zugleich nahezu stets um Drittzuwendungen, weil Verfügungen zugunsten des Ehegatten regelmäßig als wechselbezügliche getroffen werden. Die Berufung auf § 2299 III fiel dagegen gleich in mehrfacher Hinsicht oberflächlich aus: Erstens handelt es sich bei § 2299 III technisch um eine Reaktionsnorm, also um eine im Verein mit §§ 139, 2085, 2298 I zu nennende Vorschrift, die die Auswirkungen der Unwirksamkeit sämtlicher vertragsmäßiger Verfügungen auf einseitig getroffene Verfügungen regelt. Demgegenüber knüpft § 2268 I in Bezug auf das Schicksal einseitiger Verfügungen ohne Rücksicht auf eine etwaige Unwirksamkeit wechselbezüglicher Verfügungen unmittelbar an die Eheauflösung an. Zweitens hätte die – von der zweiten Kommission wohl vorausgesetzte, aber eben nicht zwingende – ipso-iure-Unwirksamkeit wechselbezüglicher Verfügungen nach § 2268 I nicht mit der auf Rechtsgeschäft beruhenden Unwirksamkeit vertragsmäßiger Verfügungen gleichgesetzt werden dürfen, die § 2299 III verlangt. Denn die in dieser Vorschrift für den Zweifelsfall vorgesehene Unwirksamkeit auch der einseitigen Verfügungen beruht nicht in erster Linie auf materiellen Erwägungen, sondern soll die Parteien bei der Vornahme des zur Unwirksamkeit führenden Rechtsgeschäfts zu einer deutlichen Stellungnahme dazu zwingen, ob sie nur die vertragsmäßigen oder auch die einseitigen Verfügungen aufheben wollen.734 Es liegt auf der Hand, 732 733 734

Prot. Bd. V, S. 447. Vgl. dazu 3. Teil, A. II. 1. Prot. Bd. V, S. 418; Staudinger/Kanzleiter § 2299 Rn. 9.

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dass diese Begründung nicht auf die kraft Gesetzes eintretende Unwirksamkeit einseitiger Verfügungen übertragen werden kann. All das belegt die mangelnde Sorgfalt, mit der die zweite Kommission bei der Begründung der §§ 2265 ff. zu Werke ging. Die unterschiedliche Behandlung einseitiger Drittzuwendungen beim gemeinschaftlichen Testament einerseits und im Erbvertragsrecht andererseits ist als Produkt dieses Mangels hinzunehmen. bb) Besonderheiten des Aufrechterhaltungswillens bei Verfügungen zugunsten Dritter (1) Grundsatz § 2279 II beschränkt sich darauf, die Geltung des § 2077 für vertragsmäßige Drittzuwendungen in einem Ehegattenerbvertrag anzuordnen. Für die Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens in Bezug auf Drittzuwendungen gelten damit im Grundsatz dieselben Regeln wie bei der Ermittlung des Aufrechterhaltungswillens in Bezug auf Zuwendungen an den Ehegatten. (2) Verfügungen zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge Trotz Fehlens eines normativen Anknüpfungspunktes für eine unterschiedliche Behandlung von Zuwendungen an den Ehegatten einerseits und Drittzuwendungen andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Eheabhängigkeitsvermutung des § 2077 I im ersten Fall auf einer stärkeren Wahrscheinlichkeitsgrundlage beruht als im zweiten. Dementsprechend besteht in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass eine Aufrechterhaltung vertragsmäßiger Drittzuwendungen jedenfalls eher in Betracht kommt als die Aufrechterhaltung von Verfügungen zugunsten des Ehegatten.735 Bei der Feststellung dieser für den Einzelfall kaum ergiebigen Tendenz braucht man es freilich nicht bewenden zu lassen. Für die praktisch wichtigste Gruppe vertragsmäßiger Drittzuwendungen, nämlich die zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge, lassen sich aus der typischen Interessenlage der Parteien konkretere Regeln ableiten.

735 Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 517); Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2279 Rn. 18; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 11. Bezeichnend die das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrende Formulierung des OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19: Die Verfügungen zugunsten der gemeinschaftlichen Kinder könnten zwar infolge der Eheauflösung unwirksam geworden sein, „jedoch nur, wenn nicht anzunehmen ist, daß der Erblasser die Erbeinsetzung auch im Fall der Scheidung getroffen hätte“.

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(a) Typische Interessenlage: Existenz und Vertragsmäßigkeit der Verfügung Zur Herausarbeitung dieser Interessenlage ist von dem Umstand auszugehen, dass den §§ 2279 II, 2077 nur vertragsmäßige Verfügungen unterfallen und über die Vertragsmäßigkeit einer Zuwendung bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung das für den Erblasser erkennbare Interesse seines Vertragspartners entscheidet.736 Drittzuwendungen, an denen typischerweise nur der Erblasser ein Interesse hat, sind der Eheabhängigkeitsvermutung der §§ 2279 II, 2077 daher schon mangels Vertragsmäßigkeit nicht unterworfen. Umgekehrt gilt die dort vorgesehene Regel in vollem Umfang für solche Drittzuwendungen, die typischerweise allein den Interessen des nicht verfügenden Ehegatten zu dienen bestimmt sind. Hier entspricht die Rechtsfolge regelmäßiger Unwirksamkeit der Reichweite der Vermutungsgrundlage, auf der sie beruht: Wenn ausschließlich der nicht verfügende Ehegatte ein Interesse an der Verfügung zugunsten des Dritten hat, ist davon auszugehen, dass nicht nur die Vertragsmäßigkeit, sondern auch die Existenz der Verfügung als solche auf der Nähebeziehung zwischen Erblasser und seinem Ehegatten basiert. Problematisch wird die in den §§ 2279 II, 2077 vorgesehene Gleichstellung von Vertragsmäßigkeit und Eheabhängigkeit der Drittzuwendung mit der Folge ihrer Unwirksamkeit dann, wenn die Interessen des Erblassers und des nicht verfügenden Ehegatten in Bezug auf die Existenz der Verfügung parallel laufen. Eben das ist bei Verfügungen zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge der Fall. Der Erblasser wird auch die aus der Ehe mit seinem Vertragspartner herrührenden Kinder und Enkel regelmäßig um ihrer selbst willen, also gerade nicht in Abhängigkeit vom Fortbestand der Ehe bedenken. Das wird besonders deutlich, wenn man die Rechtsstellung dieser Abkömmlinge mit derjenigen der einseitigen Erblasserdeszendenten vergleicht: Hat Erblasser A in einem mit seiner Frau B geschlossenen Erbvertrag seinen aus einer früheren Ehe stammenden Sohn S und seine aus der Ehe mit B herrührende Tochter T je zur Hälfte als Erben eingesetzt, ohne Angaben zur Vertragsmäßigkeit der Verfügungen zu machen, spricht im Fall der Scheidung der Ehe A/B ebenso wenig für die Unwirksamkeit der Verfügung zugunsten der T wie für die Verfügung zugunsten des S, weil die Unterscheidung zwischen einseitigen und gemeinschaftlichen Abkömmlingen aus der Perspektive des Erblassers A gegenstandslos ist. Trotzdem stünde T schlechter als S, wenn man es bei einer unmodifizierten Anwendung der §§ 2279 II, 2077 beließe. Denn eine ehebedingte Unwirksamkeit nach Maßgabe dieser Vorschriften kommt von vornherein nur in Bezug auf die zu T’s 736 H.M., BGH NJW 1961, 120; BayObLG FamRZ 1989, 1353, 1354; BayObLG Rpfleger 1993, 448; Höfer BWNotZ 1984, 113; Brox, ErbR, Rn. 150; Kipp/Coing, ErbR, § 42 IV (S. 256). A. A. Nolting, S. 47 u. 74: Ungeschriebene Auslegungsregel zugunsten der Vertragsmäßigkeit aller im Erbvertrag getroffenen Verfügungen.

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Gunsten errichtete Verfügung in Betracht, weil typisierend anzunehmen ist, dass B zum Zeitpunkt des Vertragschlusses nur an einer vertragsmäßigen Absicherung ihres eigenen Kindes gelegen war. Die Verfügung zugunsten des S ist dagegen mangels Interesse der B an einer erbvertraglichen Bindung des Erblassers als einseitige zu bewerten und damit vom Anwendungsbereich der §§ 2279 II, 2077 ausgeschlossen. Diese Erklärung für die Ungleichbehandlung einseitiger und gemeinschaftlicher Abkömmlinge liefert zugleich das entscheidende Argument gegen die Unterscheidung: Typischerweise beruht eben nicht die Errichtung der Verfügung zugunsten des gemeinschaftlichen Abkömmlings als solche, sondern lediglich die Annahme ihrer Vertragsmäßigkeit auf einer Berücksichtigung der Interessen des nicht verfügenden Ehegatten. Geltung kann die in den §§ 2279 II, 2077 enthaltene Eheabhängigkeitsvermutung dementsprechend nur in Bezug auf die Vertragsmäßigkeit der Verfügung beanspruchen.737 Im Hinblick auf die Existenz der Verfügung ist sie dagegen schon aufgrund der dargestellten Interessenlage regelmäßig widerlegt.738 Dieser Befund gilt auch und erst recht, wenn – anders als im oben gebildeten Beispiel – ein zweiseitiger Ehegattenerbvertrag vorliegt, in dem auch der andere Ehegatte (B) vertragsmäßige Verfügungen entweder ebenfalls zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge oder zugunsten des Erblassers (A) trifft. Am Ausgangspunkt zur Bewertung der Interessenlage, nämlich der regelmäßigen Unabhängigkeit der Existenz der Verfügungen des A zugunsten seiner Abkömmlinge vom Fortbestand der Ehe, ändert sich in diesen Fällen nichts. Vielmehr könnte man hier im Unterschied zur Konstellation beim einseitigen Ehegattenerbvertrag sogar an der Eheabhängigkeit der Vertragsmäßigkeit zweifeln: Während beim einseitigen Erbvertrag mangels Gegenleistung des Vertragspartners/Ehegatten nur die Rücksichtnahme auf dessen Person als Motiv des Erblassers für die Inkaufnahme der Einschränkung seiner Testierfreiheit in Betracht kommt, kann die Hinnahme dieser Einschränkung beim zweiseitigen Erbvertrag auf dem Umstand beruhen, dass der Vertragspartner zugunsten der Abkömmlinge einen entsprechenden Verzicht leistet739 bzw. vertragsmäßig zugunsten des 737 A. A. Schlitt ZEV 2005, 96, 98, der die vollumfängliche Unwirksamkeit der Verfügungen zugunsten von Abkömmlingen mit dem in sich widersprüchlichen Argument begründet, dass „jede letztwillige Verfügung zu Gunsten eines Ehepartners (Hervorhebungen des Verfassers) grundsätzlich vom Fortbestand der Ehe ausgeht“. 738 Die konkrete Interesselage der Parteien genießt gegenüber einer gesetzlichen Auslegungsregel Vorrang, Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1275. Der Einwand von Mayer ZEV 1994, 368 f., Anm. zu OLG Hamm ZEV 1994, 367, dass der isolierte Wegfall der Vertragsmäßigkeit unter inhaltlicher Aufrechterhaltung der Verfügung nicht der Regelrechtsfolge der §§ 2279 II, 2077 entspricht, verfängt daher nicht. Selbstverständlich bleibt es technisch bei der ipso-iure-Unwirksamkeit der Verfügung, wenn ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Erblasser auch die inhaltliche Fortgeltung der Verfügung vom Fortbestand der Ehe abhängig gemacht hat bzw. hätte. Einer Anfechtung bedarf es dann nicht. 739 In diesem Sinne wohl OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19.

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Erblassers (A) verfügt. Trotzdem sprechen die besseren Gründe dafür, die Eheabhängigkeitsvermutung der §§ 2279 II, 2077 im Hinblick auf die Vertragsmäßigkeit der Drittzuwendungen unangetastet zu lassen. Denn mit der Auflösung der Ehe geht die Möglichkeit einer neuen Eheschließung und damit der Entstehung einer Situation einher, die mit Blick auf den neuen Ehegatten und etwaige aus der zweiten Ehe herrührende Abkömmlinge eine Neuregelung der erbrechtlichen Verhältnisse erforderlich machen kann.740 Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass ein typischer Erblasser bei Voraussicht der Scheidung von einer vertraglichen Bindung Abstand genommen hätte. (b) Differenzierung nach Art der dem Abkömmling eingeräumten Rechtsstellung? Im Unterschied zur oben dargestellten, für alle Fallkonstellationen gleichermaßen geltenden Lösung – regelmäßige inhaltliche Aufrechterhaltung der Verfügung zugunsten des Abkömmlings unter regelmäßigem Wegfall ihrer Vertragsmäßigkeit – wollen Teile der Rechtsprechung die Auswirkungen der Scheidung auf die Verfügung und ihre Vertragsmäßigkeit von der Art der Rechtsstellung abhängig machen, die dem Abkömmling zugedacht war. In den Fällen, in denen der Abkömmling bereits zum Erben des Erstversterbenden berufen ist, sei einem allgemeinen Erfahrungssatz zufolge von einer Aufrechterhaltung der Verfügung inklusive ihrer Vertragsmäßigkeit auszugehen741. Umgekehrt zeichnet sich die Tendenz ab, regelmäßig auch die bloß inhaltliche Aufrechterhaltung der Verfügung abzulehnen, wenn dem Abkömmling lediglich eine vom überlebenden Ehegatten abhängige Rechtsstellung als Nach- oder Schlusserbe eingeräumt worden ist.742 740 Da es bei § 2077 III lediglich auf die Motivationslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt und zeitlich nach der Scheidung liegende Umstände im Rahmen der Vorschrift nicht berücksichtigt werden können [vgl. 3. Teil, A. I. 4. b) bb) (1)], ist unerheblich, ob der Erblasser nach der Scheidung tatsächlich erneut heiratet bzw. ob aus dieser Ehe tatsächlich weitere Abkömmlinge herrühren. Zu weit daher einerseits LG Tübingen BWNotZ 1986, 67, 68 (vollumfängliche Unwirksamkeit aufgrund des Vorhandenseins zweitehelicher Abkömmlinge), zu eng andererseits OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19 (vollumfängliche Aufrechterhaltung aufgrund des Fehlens zweitehelicher Abkömmlinge). Gegen letztere Entscheidung wie hier Kanzleiter ZEV 2005, 181, Fn. 21. 741 OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942. Im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19. 742 So zu verstehen wohl OLG Hamm ZEV 1994, 367 f. m. Anm. Mayer; OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942. In beiden Entscheidungen bedurfte es letztlich keiner abschließenden Stellungnahme zur Frage der inhaltlichen Aufrechterhaltung, weil die in Rede stehenden Verfügungen selbst bei Annahme ihres Fortbestandes als einseitige von den Erblassern durch nachfolgende Verfügungen widerrufen worden wären. In casu reichte daher die Feststellung aus, dass „zumindest“ der Wille der Erblasser zur Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung fehle. Die Entscheidungsgründe

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Zu überzeugen vermag diese Differenzierung nicht. Gegen die regelmäßige Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit spricht auch im Falle einer „unabhängigen“ Rechtsstellung des Abkömmlings nach dem Erstversterbenden das bereits angesprochene, häufige Bedürfnis einer Anpassung der Erbrechtslage an scheidungsbedingte Veränderungen.743 Umgekehrt spricht nichts für eine vollumfängliche Unwirksamkeit der Verfügung zugunsten des Abkömmlings, wenn ihm lediglich eine vom Überlebenden abhängige Rechtsstellung eingeräumt worden ist.744 Denn sowohl im Fall der Nach- wie auch dem der Schlusserbeinsetzung des Abkömmlings ist dieser zugleich als Ersatzerbe des Erblassers (A) für den Fall eingesetzt, dass der zunächst berufene Ehegatte (B) als (Vor-)Erbe wegfällt.745 Zwar bezieht sich die Ersatzerbeinsetzung in diesen Konstellationen in erster Linie auf den Wegfallgrund, dass der vorrangig Bedachte als Erstversterbender gem. § 1923 I nicht (Vor-)Erbe des Überlebenden werden kann. Es bestehen aber keine Bedenken, diesen und den tatsächlich vorliegenden Wegfallgrund, nämlich den Eintritt der auflösenden Bedingung gem. § 2077 I, gleich zu behandeln. Denn nach § 2097 ist anzunehmen, dass ein Ersatzerbe, der für den Fall eingesetzt ist, dass der zunächst berufene Erbe nicht Erbe sein kann, im Zweifel sogar für den Fall eingesetzt ist, dass der vorrangig Berufene nicht Erbe sein will, und umgekehrt. Noch näher liegt die Gleichstellung der Wegfallgründe, wenn der vom Erblasser bedachte und der tatsächlich vorlielassen aber den Schluss zu, dass die Gerichte bei Fehlen einer späteren Widerrufsverfügung auch gegen die bloß inhaltliche Aufrechterhaltung votiert hätten. Das ergibt sich u. a. aus der Berufung auf die Ansicht von Dieterle BWNotZ 1970, 170, 171 zur entsprechenden Konstellation beim gemeinschaftlichen Testament: „Für eine Fortgeltung (der Verfügungen zugunsten der als Schlusserben eingesetzten Kinder, Anmerkung des Verfassers) spricht nichts.“ Freilich wäre eine deutlichere Stellungnahme wünschenswert gewesen. Unklar auch MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 9 einerseits (Wegfall bloß der vertraglichen Bindung) u. Fn. 13 andererseits (Fortgeltung der Verfügung als einseitige möglich, aber nicht regelmäßige Rechtsfolge). 743 OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942 will die im Grundsatz befürwortete, regelmäßige Aufrechterhaltung von Verfügungen zugunsten von Kindern, die als Erben des Erstverstorbenen berufen sind, daher von vornherein auf die Fälle beschränken, in denen aus einer nachfolgenden Ehe des Erstverstorbenen keine weiteren Kinder hervorgegangen sind. Diese Einschränkung ist aus den in Fn. 740 genannten Gründen abzulehnen. 744 Ebenso wohl Nieder, Testamentsgestaltung, Rn. 852, freilich unter unzutreffender Berufung auf OLG Stuttgart OLGZ 1976, 17, 19. 745 Im Fall der Nacherbschaft folgt dieses Ergebnis im Zweifel aus § 2102 I. Entgegen einer früher vertretenen Auffassung findet die Vorschrift nach heute h. M. auf Vor- und Nacherbeinsetzungen in gemeinschaftlichen Testamenten Anwendung, vgl. BGH FamRZ 1987, 475 f.; Muscheler JZ 1994, 630, 631, Anm. zu OLG Hamm JZ 1994, 628; Staudinger/Avenarius § 2102 Rn. 2. Dasselbe dürfte für die entsprechende Konstellation beim Ehegattenerbvertrag gelten. Im Fall der Schlusserbschaft ergibt sich die Einsetzung als Ersatzerbe bereits durch Auslegung, vgl. OLG Hamm ZEV 1994, 367, 368 m. Anm. Mayer; Muscheler JZ 1994, 630, Anm. zu OLG Hamm JZ 1994, 628; MünchKomm/Musielak § 2269 Rn. 3; AK-BGB/Schaper § 2269 Rn. 2; Staudinger/Kanzleiter § 2269 Rn. 4.

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gende Fall zur selben Gruppe zählen, der vorrangig Bedachte also wie hier in beiden Fällen nicht Erbe werden kann. Damit erweist sich schon die Rede von der „abhängigen“ Rechtsstellung des Abkömmlings als ungenau: Als Nachoder Schlusserbe hat er eine gegenüber dem überlebenden Ehegatten zwar nachrangige, aufgrund seiner gleichzeitigen Einsetzung als Ersatzerbe aber nicht notwendig abhängige Rechtsposition inne. Man wende gegen das Ergebnis im Falle einer vorrangigen, gegenseitigen Bedenkung der Ehegatten nicht ein, die Verfügung des einen Ehegatten (A) zugunsten des gemeinschaftlichen Abkömmlings (X) stehe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zur Verfügung des anderen Ehegatten (B) zugunsten des A, so dass schon infolge der Unwirksamkeit der Verfügung (B!A) gem. §§ 2279 I, 2077 auch die Verfügung (A!X) unwirksam werden müsse.746 Diese Schlussfolgerung trifft nicht zu, weil ihre auf § 2270 II, 2. Alt. beruhende Prämisse gegenseitiger Wechselbezüglichkeit der Verfügungen falsch ist. Zwar ist die Anwendung dieser Auslegungsregel nach herrschender Meinung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei dem von A für den Fall seines Überlebens bedachten Verwandten X des B zugleich um einen eigenen Abkömmling des A handelt.747 Aufgrund der typischen Interessenlage kann § 2270 II, 2. Alt. aber nur eingeschränkte Anwendung finden. Eben weil Kinder im Regelfall um ihrer selbst willen eingesetzt werden, lässt sich § 2270 II, 2. Alt. für die vorliegende Gestaltung lediglich entnehmen, dass die Verfügung (B!A) nicht ohne die Verfügung (A!X) getroffen sein würde. Eine entsprechende Abhängigkeit der Verfügung (A!X) von der Verfügung (B!A) liegt dagegen in aller Regel nicht vor. Zwischen den Verfügungen besteht demnach ein Verhältnis sog. einseitiger Abhängigkeit748, oder genauer: Die Verfügung 746 So aber OLG Hamm ZEV 1994, 367, 368 m. Anm. Mayer, das die Übernahme der für das gemeinschaftliche Testament geltenden Regeln bzgl. wechselbezüglicher Verfügungen mit dem Erst-Recht-Schluss rechtfertigt, dass vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag gem. § 2298 I noch enger miteinander verknüpft sind als wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament. 747 RGZ 116, 148, 150; Brox, ErbR, Rn. 192; Schlüter, ErbR, Rn. 357; MünchKomm/Musielak § 2270 Rn. 11. Zweifelnd Buchholz Rpfleger 1990, 45, 49. 748 Überzeugend Buchholz Rpfleger 1990, 45, 50; Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1274 f.; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2270 Rn. 58. Anders die h. M., die aber davon ausgeht, dass jedenfalls die Verfügung (A!X) und eine etwaige, entsprechende Verfügung (B!X) nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zueinander stehen würden, weil nicht anzunehmen sei, dass der eine Ehegatte nur deshalb zugunsten des gemeinschaftlichen Kindes verfüge, weil der andere eine entsprechende Verfügung treffe, vgl. BayObLG ZEV 1996, 188, 189; Kipp/Coing, ErbR, § 35 II 1 (S. 223); MünchKomm/Musielak § 2270 Rn. 12. Ob das von der h. M. aus dieser Erwägung abgeleitete Ergebnis zutrifft – freie Widerruflichkeit der Verfügungen zugunsten des Kindes bei Fehlen sonstiger dazu wechselbezüglicher Verfügungen, obwohl es den Eltern auf die Bindung des jeweils anderen Elternteils angekommen sein dürfte, Buchholz Rpfleger 1990, 45, 50 –, kann hier dahinstehen. Richtig ist jedenfalls der Ausgangspunkt der h. M., der aber nichts anderes besagt, als dass

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(B!A) ist von der Verfügung (A!X) abhängig, ohne sie zu tragen. Die Verfügung (A!X) trägt die Verfügung (B!A), ohne von ihr abhängig zu sein.749 Der Wegfall der Verfügung (B!A) gem. §§ 2279 I, 2077 I lässt die Verfügung (A!X) folglich unberührt. Auch die – vermeintlich vollumfängliche – Wechselbezüglichkeit der Verfügung zugunsten des nachrangig eingesetzten Abkömmlings zur eigenen Einsetzung des Erblassers durch seinen Ehegatten rechtfertigt es daher nicht, diesen Abkömmling schlechter zu stellen als denjenigen, der unmittelbar als Erbe des Erstverstorbenen berufen ist. Damit kann es bei der oben aufgestellten Regel bleiben. Vertragsmäßige Zuwendungen zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge bleiben im Scheidungsfall regelmäßig als einseitige Verfügungen bestehen, ohne dass es konkreter Feststellungen über die Vorstellungen des Erblassers beim Abschluss des Erbvertrages bedürfte.750 2. Einseitige Verfügungen: § 2299 II 1 i.V. m. § 2077 Hat ein Ehegatte in einem einseitigen oder zweiseitigen Erbvertrag mit seinem Ehepartner oder mit einem Dritten einseitige Verfügungen zugunsten seines Partners getroffen, richtet sich das Schicksal dieser Verfügungen im Scheidungsfall kraft Verweisung des § 2299 II 1 unmittelbar nach § 2077 I, III. Insofern bestehen keine Besonderheiten gegenüber einer außerhalb eines Erbvertrags getroffenen, einseitigen Verfügung zugunsten des Ehegatten.751 3. Auswirkungen scheidungsbedingter Unwirksamkeit einzelner Verfügungen auf den Erbvertragsrest Steht fest, ob und welche Verfügungen der Erbvertragsparteien scheidungsbedingt unwirksam geworden sind, stellt sich die Frage, wie sich die Unwirksamkeit dieser Verfügungen auf die von der Scheidung unmittelbar nicht berührten restlichen Verfügungen des Erbvertrages auswirkt. Diese Restverfügungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zur ersten Gruppe zählen diejenigen Verfügungen, die der Eheabhängigkeitsvermutung des § 2077 I von vornherein nicht, das tatsächliche Zuwendungsmotiv der Verfügung (A!X) in der Abkömmlingseigenschaft des Zuwendungsempfängers besteht. Dabei bleibt es aber auch dann, wenn es um das Verhältnis der Verfügungen (B!A) und (A!X) geht. Dass für den von der h. M. erörterten Fall eine § 2270 II, 2. Alt. entsprechende Auslegungsregel fehlt, rechtfertigt keine Verschiedenbehandlung, weil die Auslegungsregel auch im vorliegenden Fall im beschriebenen Umfang nach der Interessenlage unangewendet bleiben muss, Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1275. 749 Die terminologische Unterscheidung zwischen tragenden und abhängigen Verfügungen wurde übernommen von Kegel FS Jahrreiss, 143. 750 Zutreffend Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 16. 751 Allg. Auffassung, vgl. nur Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 518); MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 5.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

also weder über § 2279 I, II noch über § 2299 II 1, unterliegen.752 Im Falle eines Erbvertrages zwischen den Ehegatten sind das die einseitigen Drittzuwendungen beider Teile. Im Falle eines Erbvertrages zwischen einem Ehegatten (A) und einem Dritten als Vertragspartner (VP) sind sämtliche Verfügungen des VP und alle Drittzuwendungen des A vom Anwendungsbereich des § 2077 I ausgeschlossen.753 Die zweite Gruppe setzt sich aus denjenigen Verfügungen zusammen, für die der Anwendungsbereich des § 2077 I zwar im Grundsatz eröffnet ist, die aber nach Maßgabe des § 2077 III von der Scheidung der Ehe unberührt geblieben sind. a) Der Eheabhängigkeitsvermutung nicht unterworfene Restverfügungen aa) Einseitiger Erbvertrag Im Rahmen eines einseitigen Erbvertrages zwischen den Ehegatten bleiben sowohl die einseitigen Drittzuwendungen des vertragsmäßig verfügenden Ehemanns A als auch die einseitigen Drittzuwendungen der Ehefrau B von der Scheidung der Ehe unmittelbar unberührt. Im Hinblick auf die verbleibenden einseitigen Verfügungen des A kommen die §§ 2279 I, 2085 zur Anwendung, und zwar ausnahmslos, also auch dann, wenn – wie hier unterstellt – sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen des A hinfällig geworden sein sollten; § 2299 III kann mangels Rechtsähnlichkeit zwischen vorliegendem und geregeltem Sachverhalt nicht analog angewendet werden.754 Für die Restverfügungen der B gilt § 2085 über § 2299 II 1 jedenfalls dann, wenn B eine einseitige Verfügung zu752 Solche Verfügungen sind im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments nicht denkbar, weil § 2268 I die Geltung der Eheabhängigkeitsvermutung für sämtliche dort getroffenen Verfügungen anordnet. Dementsprechend ist der für § 2085 verbleibende Anwendungsbereich beim gemeinschaftlichen Testament erheblich kleiner als beim Erbvertrag, weil es beim gemeinschaftlichen Testament nach der Regelrechtsfolge des § 2268 I schon an einer wirksam bleibenden Verfügung fehlt, über deren Schicksal § 2085 angesichts der scheidungsbedingten Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen entscheiden könnte. Denknotwendig ausgeschlossen ist eine gestaffelte Anwendung der §§ 2268 u. 2085 aber nicht. Denn gem. § 2268 II ist es möglich, dass von den Verfügungen eines der Erblasser die eine (A) scheidungsbedingt unwirksam wird, während die andere (B) unabhängig vom Fortbestand der Ehe getroffen wurde. Da § 2268 nur die Frage nach der Eheabhängigkeit einer Verfügung berührt, bleibt zu prüfen, ob die Wirksamkeit der Verfügung B entgegen der Regel des § 2085 von der Wirksamkeit der Verfügung A abhängen sollte. Selbstverständlich kann § 2085 nur nach, nicht aber innerhalb der Prüfung des § 2268 I zum Zuge kommen. Wohl nur letzteres wollte Muscheler DNotZ 1994, 733, 737 mit der Bemerkung unterstreichen, § 2085 habe „im Umkreis des § 2268 BGB nichts zu suchen“. 753 Bei der Untersuchung der Auswirkungen scheidungsbedingter Unwirksamkeit anderer Verfügungen auf die Verfügungen dieser ersten Gruppe wird im Folgenden davon ausgegangen, dass sämtliche Verfügungen des Erbvertrages, die der Eheabhängigkeitsvermutung unterliegen, gem. § 2077 I unwirksam werden. 754 Vgl. dazu 3. Teil, A. III. 1. b) aa).

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gunsten des A getroffen hat und diese Verfügung gem. §§ 2299 II 1, 2077 I unwirksam geworden ist. Fraglich ist dagegen, ob die Voraussetzungen des § 2085 im Hinblick auf die Verfügungen der B auch dann erfüllt sind, wenn von ihren Verfügungen isoliert betrachtet keine einzige scheidungsbedingt unwirksam geworden ist.755 Denn § 2085 verlangt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen und damit von einund demselben Erblasser herrührenden Verfügungen. Hier stehen aber die Auswirkungen der Unwirksamkeit der Verfügungen des einen Erblassers (A) auf die einseitigen Verfügungen des anderen (B) in Rede. Ob dieser Unterschied unter Hinweis auf die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts Erbvertrag für gegenstandslos erklärt werden kann756, erscheint zumindest zweifelhaft. Denn § 2279 I ordnet die Geltung des § 2085 eben nicht für den Erbvertrag im Ganzen, sondern nur für die in ihm enthaltenen vertragsmäßigen Verfügungen an.757 Das spricht dafür, die Anwendung des § 2085, die – ungeachtet ihrer entgegengesetzten Tendenz – immerhin den Weg zu einer automatischen Unwirksamkeit der Restverfügungen eröffnet758, auch im Rahmen eines Erbvertrages davon abhängig zu machen, dass die unwirksame und diejenige Verfügung, über deren Schicksal nach Maßgabe des § 2085 entschieden werden soll, vom selben Urheber stammen. Durch diese Auslegung würde zudem Einklang mit der Rechtslage beim gemeinschaftlichen Testament hergestellt. Diesbezüglich besteht Einigkeit darüber, dass die Unwirksamkeit einer – wechselbezüglichen oder einseitigen – Verfügung des eines Ehegatten die Unwirksamkeit einseitiger Verfügungen des anderen nicht über § 2085 auszulösen vermag, weil „zu § 2085 BGB in ihrer Beziehung zueinander nicht fähige (. . .) Testamente (. . .) verschiedener Erblasser“759 vorliegen. Für eine abweichende Betrachtung beim Erbvertrag besteht kein Anlass, da die im Erbvertrag getroffenen einseitigen Verfügungen gem. § 2299 II 1 so zu behandeln sind, als wären sie durch Testament getroffen wor755 So Bühler DNotZ 1962, 359, 368. Ihm folgend Michalski, ErbR, Rn. 292; MünchKomm/Leipold § 2085 Rn. 14; Staudinger/Kanzleiter § 2298 Rn. 10. 756 So Bühler DNotZ 1962, 359, 368. 757 Freilich wird man § 2299 III als lex specialis zu § 2085 auffassen und daraus mit Bühler DNotZ 1962, 359, 368 den Schluss ziehen dürfen, dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen vertragsmäßigen und einseitigen Verfügungen im Grundsatz von der Anwendbarkeit des § 2085 ausging. Das sagt aber – entgegen Bühlers Auffassung – nur etwas über das Verhältnis solcher Verfügungen desselben Erblassers (A) aus. Die einseitigen Verfügungen des anderen Teils (B) sollten von der Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügungen des A dagegen gerade unberührt bleiben, sofern B nicht selbst durch Vertrag mit A an der Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügungen mitwirkt, Prot. Bd. V, S. 417; Planck/Greiff § 2299 Anm. 3 c); Staudinger/Kanzleiter § 2299 Rn. 10. 758 In der Ermöglichung des Gegenbeweises liegt im vorliegenden Zusammenhang die Bedeutung des § 2085. 759 Bühler DNotZ 1962, 359, 364. Ebenso MünchKomm/Leipold § 2085 Rn. 13.

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den. Diese Anordnung gilt jedenfalls im Hinblick auf den Inhalt der einseitigen Verfügung760 und damit auch in Bezug auf die Auslegungsregel761 des § 2085. Die einseitigen Drittzuwendungen der B bleiben von der Unwirksamkeit von A’s Verfügungen daher unberührt. Im Falle eines einseitigen Erbvertrags zwischen einem der Ehegatten (A) als vertragsmäßig verfügendem Teil und einem Nichtehegatten (VP) als Vertragspartner, in dem A zumindest eine vertragsmäßige Verfügung zugunsten seiner Ehefrau (B) getroffen hat, werden einseitige wie vertragsmäßige Drittzuwendungen des A und die einseitigen Verfügungen des VP von der Scheidung nicht unmittelbar berührt. Für alle Restverfügungen des A gelten die §§ 2279 I, 2085.762 Die einseitigen Verfügungen des VP bleiben endgültig unangetastet. Wurde der Erbvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen, ist aber VP der vertragsmäßig verfügende Teil, so gelten für die einseitigen Drittverfügungen des A, die dieser neben der einseitigen Zuwendung zugunsten der B getroffen hat, die §§ 2299 II 1, 2085. Die Verfügungen des VP bleiben ausnahmslos unangetastet: Auf die vertragsmäßigen Verfügungen des anderen Teils (VP) kann die Unwirksamkeit einseitiger Verfügungen des einen Teils (A) keinen Einfluss haben.763 Die einseitigen Verfügungen des VP unterliegen nicht den §§ 2299 II 1, 2085, weil die gem. §§ 2299 II 1, 2077 unwirksam gewordene Verfügung (A!B) nicht von VP herrührt. bb) Zweiseitiger Erbvertrag Im Falle eines zweiseitigen Erbvertrages zwischen den Ehegatten unterliegen sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen beider Teile über § 2279 I bzw. II sowie die einseitigen Verfügungen der Ehegatten zugunsten des jeweils anderen gem. § 2299 II 1 der Eheabhängigkeitsvermutung des § 2077 I. Von der Scheidung unberührt bleiben nur die einseitigen Verfügungen beider Ehegatten

760 Schlüter, ErbR, Rn. 320. Streit herrscht dagegen über die Frage, ob die Erfüllung der gem. § 2275 II, III herabgesetzten Anforderungen an die persönlichen Voraussetzungen zum Abschluss eines Erbvertrages auch zur Errichtung der in ihm enthaltenen einseitigen Verfügungen ausreicht. Ablehnend etwa Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 IV 2 (S. 475), bejahend Staudinger/Kanzleiter § 2299 Rn. 5, jeweils mit weiteren Nachweisen. 761 BayObLG FamRZ 1989, 325, 326; OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 183; AKBGB/Finger § 2085 Rn. 1. 762 Das gilt auch für Verfügungen des A zugunsten des VP. A. A. offenbar Wirtz, S. 101. 763 Wirtz, S. 101. Ebenso Höfer BWNotZ 1984, 113, 114 sowie AK-BGB/Finger § 2298 Rn. 2, jeweils unter dem Vorbehalt, dass der Fortbestand der einseitigen Verfügungen nicht ausdrücklich zur Wirksamkeitsbedingung der vertragsmäßigen erhoben worden sein darf.

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zugunsten Dritter. Das Schicksal dieser Verfügungen ist nach Maßgabe der §§ 2279 I, 2085 zu beurteilen. (1) Scheidungsbedingte Unwirksamkeit als Nichtigkeit im Sinne des § 2298 I Wurde der zweiseitige Erbvertrag zwischen einem der Ehegatten (A) und einem Nichtehegatten (VP) als Vertragspartner geschlossen, bleiben Drittzuwendungen des A und sämtliche Verfügungen des VP von der Scheidung zunächst unberührt. Die mittelbaren Auswirkungen der Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung des A zugunsten der B auf diese Restverfügungen hängen von der Frage ab, ob die auf §§ 2279 I, 2077 beruhende Unwirksamkeit der Verfügung (A!B) der Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung im Sinne des § 2298 I gleichgestellt werden kann.764 In diesem Fall würden im Zweifel sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen beider Teile unwirksam, § 2298 I, III.765 Infolge der Unwirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügungen des VP würde zudem der Anwendungsbereich des § 2085 im Hinblick auf dessen einseitige Verfügungen über § 2279 I eröffnet. Eine Mindermeinung in der Literatur lehnt die Gleichstellung von scheidungsbedingter Unwirksamkeit und Nichtigkeit im Sinne des § 2298 I indes ab.766 Der unterschiedlichen Terminologie messen die Vertreter dieser Ansicht allerdings selbst keine maßgebliche Bedeutung zu.767 Entscheidend sei viel-

764 So die ganz h. M., vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 7, 9; OLG Hamm ZEV 1994, 367 m. Anm. Mayer; Dieterle BWNotZ 1970, 170, 171; Wirtz, S. 102 f.; Brox, ErbR, Rn. 154; Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 1 a) (S. 516); Michalski, ErbR, Rn. 292; Nieder, Testamentsgestaltung, Rn. 852; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2298 Rn. 8; AK-BGB/Finger § 2298 Rn. 3; Erman/Schmidt § 2298 Rn. 2; MünchKomm/Musielak § 2298 Rn. 3. 765 Entgegen der weiteren Formulierung der Rechtsfolge des § 2298 I besteht Einigkeit darüber, dass mit der „Unwirksamkeit des ganzen Vertrages“ nur die Unwirksamkeit der vertragsmäßig getroffenen Verfügungen gemeint ist, vgl. schon Planck/Greiff § 2298 Anm. 2. 766 Höfer BWNotZ 1984, 113, 114. Widersprüchlich Staudinger/Kanzleiter § 2298 Rn. 7 einerseits (Anwendbarkeit des § 2298 verneinend) und § 2279 Rn. 15 andererseits (Anwendbarkeit bejahend). 767 So ist etwa die auf § 2289 I 2 beruhende Unwirksamkeit einer späteren vertragsmäßigen Verfügung nach einhelliger Auffassung als Nichtigkeitsfall i. S. d. § 2298 I aufzufassen, vgl. Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2298 Rn. 7; Staudinger/Kanzleiter § 2298 Rn. 7. Vgl. auch Lange JuS 1965, 347, 349, der zu Recht darauf hinweist, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit letztwilligen Verfügungen die technische Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Unwirksamkeit nicht so strikt durchgehalten hat, dass allein aus der Erwähnung des einen Falls die Unanwendbarkeit der fraglichen Vorschrift bei Vorliegen des anderen deduziert werden könnte. In § 1959 I E I (= § 2298 I) war denn auch ursprünglich – eher farblos – von der Ungültigkeit einer bindenden Verfügung die Rede, vgl. Mugdan, Bd. V, S. XLVIII.

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mehr, dass die scheidungsbedingte Unwirksamkeit gem. §§ 2279 I, II, 2077 I keinen anfänglichen Mangel der Verfügung darstelle, sondern erst nachträglich eintrete. Sie sei daher ebenso zu behandeln wie das nachträgliche Gegenstandsloswerden der Verfügung infolge Vorversterbens, Erbverzichts, Erbunwürdigkeit oder Ausschlagung des Bedachten, das im Hinblick auf die Restverfügungen lediglich zur Anwendbarkeit des § 2085 führe.768 Zu überzeugen vermag diese Auffassung nicht. Denn trotz des Streits um die dogmatisch-technische Einordnung des § 2077 besteht Einigkeit darüber, dass die Vorschrift in materieller Hinsicht die Folgen einer Anfechtung wegen Motivirrtums vorwegnimmt.769 Wäre es auch technisch bei der ursprünglich vorgesehenen Anfechtungslösung geblieben, hätte die zur Anfechtung berechtigende Scheidung gem. § 142 I ohne weiteres zur anfänglichen Nichtigkeit der Verfügung und damit zur Anwendbarkeit des § 2298 I geführt. Dass sich der Gesetzgeber zur Vermeidung sachlich ungerechtfertigter Formalitäten letztlich für die kraft Gesetzes eintretende Unwirksamkeit der Verfügung im Scheidungsfall entschieden hat, kann für die Auslegung des § 2298 I nicht maßgebend sein. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift ihrerseits eine Auslegungsregel darstellt. Die Prüfung, ob ein der Nichtigkeit gleichzuachtender Fall der Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung anzunehmen ist, muss sich daher daran orientieren, ob typische Vertragsparteien dem zur Unwirksamkeit führenden Umstand ähnliches Gewicht zumessen würden wie einem Nichtigkeitsgrund. Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf den Umstand Scheidung sicher erfüllt; es liegt ja nur deshalb keine – anfechtungsbedingte – Nichtigkeit vor, weil der Gesetzgeber eben wegen der besonderen Bedeutung der Ehe als Verfügungsmotiv eine gegenüber der Anfechtbarkeit strengere Rechtsfolge in Form der ipso-iure-Unwirksamkeit an die Scheidung geknüpft hat.770 Die herrschende Meinung wendet § 2298 I daher zu Recht auf die Fälle scheidungsbedingter Unwirksamkeit analog an.771 768

Staudinger/Kanzleiter § 2298 Rn. 7. Treffend Lange/Kuchinke, ErbR, § 35 I 5 b) (S. 820): Das Gesetz „erspart (. . .) dem Erben die Anfechtungserklärung.“ 770 Jedenfalls insofern unterscheiden sich die Fälle scheidungsbedingter Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung von den Fällen nachträglicher Gegenstandslosigkeit. Dementsprechend kann hier offen bleiben, ob nur die auf §§ 2279 I, II, 2077 beruhende oder jede zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegende Störung des erbvertraglichen Gleichgewichts die Wirkungen des § 2298 I auslöst. Für die extensive Auslegung der Vorschrift Wirtz, S. 103; Brox, ErbR, Rn. 154; Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 1 a) (S. 516). 771 Selbstverständlich müsste die Anwendung des § 2298 für diejenigen sein, die für die Aufrechterhaltung wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament einen übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten verlangen, vgl. Fn. 687. Denn das bedeutet nichts anderes als eine stillschweigende Inbezugnahme des § 2270 I, der für das gemeinschaftliche Testament dieselbe Funktion übernimmt wie § 2298 I beim Erbvertrag und dem Wortlaut nach ebenfalls die Nichtigkeit 769

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(2) Einschränkung der Wechselbezüglichkeit und Auslegung des § 2298 III Den Vertragsparteien A und VP steht es frei, ihre vertragsmäßigen Verfügungen zueinander in eine andere als die von § 2298 I vermutete Beziehung gegenseitiger Wechselbezüglichkeit zu setzen. Ebenso wie beim gemeinschaftlichen Testament ist daher auch beim zweiseitigen Erbvertrag ein Verhältnis einseitiger Wechselbezüglichkeit der Verfügungen denkbar, also eine Verknüpfung dergestalt, dass die Verfügungen des VP zwar diejenigen des A tragen, aber nicht von deren Wirksamkeit abhängen sollen.772 Liegt ein solches Verhältnis der Verfügungen vor, lässt die scheidungsbedingte Unwirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügung (A!B) die vertragsmäßigen Verfügungen des VP unberührt. Konsequenterweise wird man die Herbeiführung dieser Gestaltung ebenso wie beim gemeinschaftlichen Testament auch im Erbvertragsrecht durch eine einseitige letztwillige Verfügung desjenigen für zulässig erachten müssen, der seine ursprünglich abhängige Verfügung nachträglich von der Wirksamkeit der Verfügungen des anderen Teils emanzipieren will.773 Insofern sind keine Gründe dafür ersichtlich, gemeinschaftliche Testamente und zweiseitige Erbverträge unterschiedlich zu behandeln. Insbesondere spielt die früher einsetzende Bindungswirkung vertragsmäßiger gegenüber wechselbezüglichen Verfügungen keine Rolle, weil die eigene vertragsmäßige Bindung desjenigen, der aus seiner ursprünglich abhängigen und tragenden Verfügung eine nur noch tragende macht, unangetastet bleibt.774

derjenigen Verfügung voraussetzt, die den Unwirksamkeitsmechanismus der Vorschrift auslösen soll. 772 Soergel/Wolf § 2298 Rn. 7. Möglich ist auch partiell einseitige Wechselbezüglichkeit, vgl. dazu Fn. 688. 773 Für das gemeinschaftliche Testament h. M., KG JW 1938, 680, 681; Buchholz Rpfleger 1990, 45, 46; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2270 Rn. 20; Erman/Schmidt § 2270 Rn. 1; MünchKomm/Musielak § 2270 Rn. 3; RGRK/Johannsen § 2270 Rn. 12; Staudinger/Kanzleiter § 2270 Rn. 16 f. A. A. AKBGB/Derleder § 2270 Rn. 4. Wie hier für die Anerkennung einer entsprechenden Gestaltungsmöglichkeit beim zweiseitigen Erbvertrag BayObLGZ 1999, 46, 50, das die im konkreten Fall in Rede stehende nachträgliche einseitige Verfügung des erstverstorbenen Vertragspartners zwar in einem anderen Sinne auslegt, aber eben dadurch die grundsätzliche Möglichkeit des Erstverstorbenen zum Ausdruck bringt, den Überlebenden durch letztwillige Verfügung von den vertragsmäßigen Bindungs- und Abhängigkeitswirkungen freizustellen. 774 Eine ganz andere Frage ist, ob ein Ehegatte/Vertragspartner (A) im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments/Erbvertrages die Einschränkung seiner eigenen Testierfreiheit durch eine einseitige letztwillige Verfügung überwinden kann, die dem anderen Ehegatten/Vertragspartner (B) eine günstigere Rechtsstellung einräumt, als ihm ursprünglich zugedacht war. Nur bezüglich dieser Frage will das BayObLGZ 1961, 206, 213 f. aufgrund der unterschiedlichen Zeitpunkte, in denen die erbrechtliche Bindung beim Erbvertrag einerseits und beim gemeinschaftlichen Testament andererseits eintritt, differenzieren. Eine Besserstellung der B auf Kosten der ursprünglich von A

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Ausgehend von diesem Befund liegt es nah, auch die Aufrechterhaltung verbliebener vertragsmäßiger Verfügungen nach § 2298 III allein von einem entsprechenden Willen desjenigen Erblassers abhängig zu machen, der die fragliche Verfügung getroffen hat. Denn Unterschiede zur herrschenden Auslegung des § 2298 III, der zufolge das Merkmal „anderer Wille der Vertragschließenden“ im Sinne eines übereinstimmenden Aufrechterhaltungswillens beider Vertragsparteien zu verstehen ist775, ergeben sich – wie bei § 2268 II und §§ 2279, 2077 III – ohnehin nur in einer einzigen Fallkonstellation, nämlich dann, wenn der Verfügende (VP) die Aufrechterhaltung seiner verbliebenen Verfügung wollte, der andere Teil (A) dagegen nicht. Das Fehlen eines Aufrechterhaltungswillens in der Person des A kann die Unwirksamkeit von VP’s Verfügung aber kaum rechtfertigen, wenn es im Belieben des VP steht, die Bestandsabhängigkeit seiner vertragsmäßigen Verfügung von derjenigen des A aus eigener Kraft zu beseitigen.776 Auch der Wortlaut des § 2298 III zwingt nicht zu diesem widersprüchlichen Ergebnis. Die Formulierung „Wille der Vertragschließenden“777 behält auch als zusammenfassende Beschreibung des jeweiligen Willens beider isoliert zu betrachtender Vertragsparteien, bezogen auf ihre jeweils verbliebenen Verfügungen, einen Sinn. b) Der Eheabhängigkeitsvermutung im Grundsatz unterworfene Restverfügungen Zu untersuchen bleiben die Auswirkungen der scheidungsbedingten Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung des einen Ehegatten (B) auf solche vertragsmäßigen Verfügungen des anderen (A), für die der Anwendungsbereich der §§ 2279 I, II, 2077 I zwar eröffnet ist, die aber nach Maßgabe des § 2077 III ausnahmsweise von der Scheidung unberührt geblieben sind. Geht man mit der zutreffenden herrschenden Meinung von der Anwendbarkeit des § 2298 I auf scheidungsbedingt unwirksame Verfügungen aus, muss die Rechtsfolge der

Bedachten komme im Anschluss an BGHZ 30, 261, 265 f.; KG DNotZ 1943, 276, 277 zwar im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments, nicht aber im Falle eines Erbvertrages in Betracht. Denn der – in der Begünstigung der B steckende – Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung zu Lasten der ursprünglich Begünstigten sei zu Lebzeiten beider Ehegatten im Grundsatz – wenn auch gem. § 2271 I 1 formerschwert – möglich, während der Widerruf einer vertragsmäßigen Verfügung auch zu Lebzeiten beider Ehegatten ausscheide. Auch diese Unterscheidung ablehnend Buchholz Rpfleger 1990, 45, 52. 775 BayObLG ZEV 1995, 413, 414; OLG Hamm ZEV 1994, 367 m. Anm. Mayer; MünchKomm/Musielak § 2298 Rn. 8. 776 Letztlich ebenso Wirtz, S. 184, der die Aufrechterhaltung der Verfügung technisch aber auf eine Umdeutung stützt. 777 Vgl. zur Streichung der ursprünglich vorgesehenen, entsprechenden Formulierung des § 2268 II Fn. 681.

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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Vorschrift im Grundsatz auch für solche Verfügungen offen stehen, denen die Scheidung selbst nichts anhaben konnte. Dadurch wird nicht etwa das zuvor zu den §§ 2279, 2077 ermittelte Ergebnis konterkariert. Denn die §§ 2279 I, II, 2077 einerseits und § 2298 I andererseits behandeln – ebenso wie die § 2268 und § 2270 I – unterschiedliche Errichtungsmotive, die nicht notwendig miteinander verknüpft zu sein brauchen: Aus dem Umstand, dass zwischen einer Verfügung des Erblassers A und dem Fortbestand seiner Ehe entgegen der Vermutung des Gesetzes kein Abhängigkeitszusammenhang besteht, folgt nicht ohne weiteres, dass A die Fortgeltung dieser Verfügung auch unabhängig von der Wirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügungen seiner Ehefrau B wollte. Die §§ 2279 I, II, 2077 können daher nicht nicht als leges speciales zu § 2298 I aufgefasst werden.778 Freilich kann sich auch bei einer gestaffelten Anwendung der §§ 2279 I, II, 2077 III und § 2298 aus demselben Umstand, der im Hinblick auf die vertragsmäßige Verfügung des A zur Unbeachtlichkeit der Scheidung geführt hat, über § 2298 III zugleich die Unbeachtlichkeit des Wegfalls der vertragsmäßigen Verfügung der B ergeben: Erfolgt eine Zuwendung zugunsten gemeinschaftlicher Abkömmlinge regelmäßig um ihrer selbst willen, so ist sie ebenso unabhängig von der Scheidung der Ehe wie vom Unwirksamwerden der Verfügungen des anderen Teils. Ergibt die Prüfung der §§ 2279 II, 2077 I, III, dass die ursprünglich vertragsmäßige Verfügung des A zugunsten eines gemeinschaftlichen Kindes nach der Scheidung als einseitige aufrecht zu erhalten ist, bleibt es folglich auch gem. § 2298 III bei diesem Ergebnis, also unabhängig davon, ob die entsprechende Verfügung von B scheidungsbedingt weggefallen ist. Wollte A trotz Scheidung der Ehe auch die Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit, so entfällt diese dagegen im Zweifel analog § 2298 I, wenn die Verfügung von B infolge der Scheidung vollumfänglich unwirksam geworden ist oder zumindest ihre Vertragsmäßigkeit eingebüßt hat.

B. Die Ausnahme – Ausschluss gewillkürter erbrechtlicher Erwerbsaussichten vor Rechtskraft der Scheidung I. Grundlagen Entsprechend zum vorzeitigen Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts gem. § 1933 S. 1 verlagert § 2077 I 2 die grundsätzlich erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils eintretende Unwirksamkeit letztwilliger Ver778 So aber offenbar Mayer ZEV 1994, 368, 369, Anm. zu OLG Hamm ZEV 1994, 367, der „bei der Beurteilung der scheidungsbedingten Nichtigkeit von erbvertraglichen Verfügungen allein auf §§ 2279 II, 2077“ abstellen will.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

fügungen, die ein Ehegatte zugunsten des anderen errichtet hat, unter bestimmten Voraussetzungen auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers vor. Dasselbe gilt kraft gesetzlicher Verweisung für gemeinschaftliche Testamente im Ganzen und für diejenigen vertragsmäßig getroffenen Verfügungen in Erbverträgen, die im Falle der rechtskräftigen Scheidung der Eheabhängigkeitsvermutung der §§ 2279 I, II, 2077 I 1 unterworfen wären: Da § 2268 I unterschiedslos alle „Fälle des § 2077“ in Bezug nimmt und § 2279 I noch weiter pauschalierend auf die „für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorschriften“ verweist, findet § 2077 I 2 in beiden Konstellationen Anwendung. Für einseitige Verfügungen zugunsten eines Ehegatten, die in einem Erbvertrag getroffen wurden, gilt § 2077 I 2 über § 2299 II 1 unmittelbar. Ebenso wie in den Fällen, in denen die Scheidung rechtskräftig geworden ist, steht auch der vorzeitige Ausschluss erbrechtlicher Erwerbsaussichten, die auf letztwilligem Rechtsgeschäft beruhen, gem. §§ 2077 III, 2268 II unter dem Vorbehalt eines abweichenden Willens des Verfügenden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2077 I 2 stimmen wörtlich mit denjenigen des § 1933 S. 1 überein. Beide Vorschriften kommen zum Zuge, „wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte“. Auf der Rechtsfolgenseite, also im Hinblick auf die technische Umsetzung der Vorverlagerung, laufen gesetzliches und gewillkürtes Erbrecht dagegen nicht vollständig parallel: Liegen die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 vor, ordnet die Vorschrift den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts des Überlebenden selbst an. Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Rechtsfolge des § 2077 I 2 – vom Vorverlagerungskonzept ausgehend konsequent – darauf, die während der Scheidungskrise durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten aufgelöste Ehe zu einer bereits vor seinem Tod aufgelösten Ehe zu erklären. Dadurch eröffnet § 2077 I 2 den Anwendungsbereich des ersten Satzes der Vorschrift. Abgesehen von den Fällen des § 2268 I, der ohnehin nicht auf § 2077 im Ganzen, sondern nur auf die in ihm enthaltenen Ehebeseitigungskonstellationen verweist, beruht das Eingreifen der Eheabhängigkeitsvermutung also auch in den Vorverlagerungsfällen letztlich auf § 2077 I 1.779

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Wirtz, S. 135.

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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1. Probleme der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen im gewillkürten Erbrecht a) Parallele zum gesetzlichen Erbrecht: Die Einseitigkeit der Vorverlagerung Da § 2077 I 2 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1933 S. 1 kopiert, kommt es nach dem Wortlaut jener Vorschrift auch im gewillkürten Erbrecht zu einer einseitigen Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungswirkungen, wenn der erstversterbende Ehegatte als Gegner des vom anderen Ehegatten gestellten Scheidungsantrags weder seinerseits einen entsprechenden Antrag gestellt noch dem des Antragstellers zugestimmt hat, § 2077 I 2, 1. Alt. Dieses Problem stellt sich für einseitige letztwillige Verfügungen, gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge gleichermaßen. Hervorzuheben ist, dass mit dem hier verwendeten Begriff der „einseitigen Vorverlagerung“ auch im gewillkürten Erbrecht lediglich das Ergebnis eines Vergleichs zweier sich gegenseitig ausschließender Sachverhaltskonstellationen gemeint ist, nämlich der Gegenüberstellung der Rechtslage im Falle des Erstversterbens des Antragstellers einerseits und des Erstversterbens des Antragsgegners andererseits. In Bezug auf ein- und dasselbe Rechtsinstitut – letztwillige Verfügung; gemeinschaftliches Testament; Erbvertrag – und ein- und denselben konkreten Erbfall kann die Vorverlagerungswirkung dagegen entweder nur für beide Ehegatten oder gar nicht eintreten. Dieser Befund verdient im Hinblick auf gemeinschaftliche Testamente und Ehegattenerbverträge besondere Erwähnung, weil er sich in diesem Zusammenhang praktisch auswirkt und, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, dort keineswegs selbstverständlich ist. b) Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament und Ehegattenerbvertrag: Das Vorverlagerungsinteresse des Überlebenden In Bezug auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht und einseitige letztwillige Verfügungen hat lediglich der erstversterbende Ehegatte ein Interesse an der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen. Das liegt daran, dass sowohl § 1933 S. 1 als auch § 2077 I 2 in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich ausschließlich den vorzeitigen Wegfall solcher erbrechtlicher Erwerbsaussichten betreffen, die einem Ehegatten nach dem Tod des anderen eingeräumt sind. Die Vorverlagerungsproblematik beschränkt sich daher in beiden Konstellationen auf die Frage, ob die ursprüngliche Erwerbsaussicht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen sein soll oder nicht. Auf die Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungswirkungen in Bezug auf erbrechtliche Erwerbsaussichten nach dem Überlebenden kommt es nicht an, weil mit dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten die einzige Person weggefallen ist, deren Erwerbsaussichten

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

durch die Scheidung hätten tangiert werden können. Das ist beim gemeinschaftlichen Testament und beim Ehegattenerbvertrag anders: Da die Eheabhängigkeitsvermutung – jeweils neben den Verfügungen zugunsten des Ehegatten – im ersten Fall gem. § 2268 I sämtliche, im zweiten Fall gem. § 2279 II zumindest vertragsmäßig getroffene Zuwendungen zugunsten Dritter erfasst, wird die Vorverlagerungsfrage in diesen Konstellationen im Hinblick auf die Vermögensnachfolge nach dem Überlebenden nicht notwendig mit dem Tod des Erstverstorbenen gegenstandslos.780 Aus dem Vorgesagten folgt, dass in den genannten Konstellationen theoretisch eine einseitige Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungswirkungen auch in Bezug auf einen konkreten Erbfall denkbar wäre, also dergestalt, dass die Eheabhängigkeitsvermutung zwar zugunsten des verstorbenen Antragstellers, nicht aber zugunsten des überlebenden Antragsgegners im Hinblick auf dessen Drittzuwendungen eingreift. Zu einer „Einseitigkeit der Vorverlagerung“ in diesem Sinne zwingt das geltende Recht aber nicht. Zumindest für gemeinschaftliche Testamente ist dieser Befund eindeutig: Auch wenn die Voraussetzungen des § 2077 I 2 nur in der Person des erstverstorbenen Ehegatten erfüllt sind, liegt ein Fall des § 2077 im Sinne des § 2268 I vor, so dass das gemeinschaftliche Testament im Zweifel seinem ganzen Inhalt nach unwirksam wird. Die vorverlagerte Eheabhängigkeitsvermutung kommt damit auch dem überlebenden Ehegatten zugute, und zwar auch dann, wenn es sich bei ihm um einen prozessual passiven Antragsgegner handelt. Dasselbe wird man auch im Falle eines zweiseitigen Ehegattenerbvertrages annehmen dürfen.781 Allerdings ergibt sich das Ergebnis dort nicht aus einer speziellen Vorschrift des Erbvertragsrechts, sondern – weniger deutlich – aus der Regelungstechnik des § 2077 I 2, der nur auf der Tatbestands-, nicht aber auf der Rechtsfolgenseite asymmetrisch ausgestaltet ist. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in der Person eines Ehegatten führt nach dem Wortlaut der Norm nicht unmittelbar zur Unwirksamkeit seiner eheabhängigen Verfügungen, sondern zur Fiktion der Eheauflösung. Freilich ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber der Zwischenschaltung dieser Fiktion sachliche Bedeutung zugemessen hat. Trotzdem sprechen gute Gründe dafür, die Rechtsfolge des § 2077 I 2 beim Wort zu nehmen, die Ehe also mit der Konsequenz als bereits vor dem Tod des vorverstorbenen Antragstellers aufgelöst anzusehen, dass der Weg zur Anwendung des § 2077 I 1 auch für die Verfügungen des überlebenden Antragsgegners frei wird.782 Diese Lösung stellt mit Blick auf eheabhängige Dritt780

Planck/Greiff § 2268 Anm. 2 c); MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7. A. A. ausdrücklich Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4: Die Rechtsfolgen der §§ 2279, 2077 treffen immer nur die vertragsmäßigen Verfügungen des Antragstellers. 782 Die zeitliche Reihenfolge des Versterbens der Ehegatten spielt im Rahmen des § 2077 I 1 keine Rolle, OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942. Die Vorschrift kommt daher auch dem überlebenden Ehegatten zugute, wenn er eine der Eheabhän781

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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zuwendungen zum einen Einklang mit der Rechtslage beim gemeinschaftlichen Testament her und vermeidet zum anderen, das Problem der einseitigen Vorverlagerung ohne Not weiter zu verschärfen. Sie wird den folgenden Ausführungen daher – zunächst als Arbeitshypothese – zugrunde gelegt. 2. Zwischenergebnis und Gang der weiteren Darstellung Das bisher Gesagte hat gezeigt, dass in den Fällen des gemeinschaftlichen Testaments und Ehegattenerbvertrages auch der überlebende Ehegatte ein Interesse an der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen haben kann. Zudem ist davon auszugehen, dass dieses Interesse des Überlebenden aufgrund der Rechtsfolgeanordnungen der § 2268 I u. § 2077 I 2 jedenfalls dann befriedigt wird, wenn der Tatbestand des § 2077 I 2 in der Person des erstverstorbenen Ehegatten erfüllt ist. Im Umfeld des Stichworts „Vorverlagerungsinteresse des Überlebenden/eheabhängige Drittzuwendungen“ zeichnen sich daher – unabhängig von der prozessualen Rolle des Überlebenden – immer dann Schwierigkeiten ab, wenn es an dieser Voraussetzung fehlt. Neben diesen rechtsinstitutsspezifischen Problemen der Vorverlagerung stellt sich für alle Formen gewillkürter erbrechtlicher Zuwendungen entsprechend zum gesetzlichen Ehegattenerbrecht die Frage, ob die nach dem Wortlaut des § 2077 I 2 zu Lasten des Antragsgegners angeordnete Einseitigkeit der Vorverlagerung im oben dargestellten Sinn korrigiert werden muss und kann. Um diese Problemkreise nicht zu vermengen, zugleich aber einer möglichst einheitlichen Lösung zuzuführen, folgt die anschließende Darstellung der geltenden Rechtslage einer dreistufigen Prüfung: Auf der ersten Ebene werden diejenigen Ergebnisse ermittelt, die sich für die jeweilige Vorverlagerungskonstellation nach dem Wortlaut des § 2077 I 2 ergeben, und zwar unter der schon aus systematischen Gründen nahe liegenden Prämisse, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale der Vorschrift im selben Sinne auszulegen sind wie die übereinstimmend formulierten Voraussetzungen des § 1933 S. 1. Das gilt prima facie auch für die Auslegung des Merkmals „Erblasser“, das im Zusammenhang mit § 1933 S. 1 unstreitig allein den erstversterbenden Ehegatten bezeichnet.783 Eben in Bezug auf dieses Merkmal ist auf der zweiten Ebene mit Blick auf die Drittzuwendungsfälle zu erörtern, ob der „Gleichlauf der Ausschlusstatbestände“784 zu durchbrechen ist, ob also im Zusammenhang mit den §§ 2268, gigkeitsvermutung unterliegende Verfügung getroffen hat. Zur Auslegung des Merkmals „Erblasser“ i. S. d. § 2077 I 2 vgl. 3. Teil, B. II. 2. a). 783 So auch die h. M. zu § 2077 I 2 i.V. m. § 2268 und § 2279, vgl. BayObLG FamRZ 1990, 322, 323; OLG Hamm FamRZ 1965, 78, 79; Schlüter, ErbR, Rn. 282; RGRK/Kregel § 2279 Rn. 3; Soergel/Wolf § 2279 Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 13. 784 Wirtz, S. 107.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

2279 II auch der überlebende Ehegatte nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen als „Erblasser“ im Sinne des § 2077 I 2 aufgefasst werden kann. Verneinendenfalls stellt sich auf der dritten Stufe für beide Problemkreise die Frage nach Zulässigkeit, Reichweite und Wirkung einer analogen Anwendung des § 2077 I 2.

II. Die Vorverlagerungskonstellationen nach geltendem Recht 1. Die Rechtslage bei übereinstimmender Wortlautauslegung des § 2077 I 2 und des § 1933 S. 1 a) Beidseitig betriebene Scheidung, § 2077 I 2, 1. und 2. Alt. Haben beide Ehegatten in Form von Antragstellung oder Zustimmung zur Scheidung ihren Willen zur Eheauflösung deutlich gemacht, bereitet § 2077 I 2 in Bezug auf einseitige letztwillige Verfügungen und gemeinschaftliche Testamente keine Probleme. Die einseitige letztwillige Verfügung des Erstverstorbenen zugunsten des Überlebenden wird gem. § 2077 I 2, 1 unwirksam, die Verfügung des Überlebenden zugunsten des Erstverstorbenen gem. § 1923 I bzw. gem. § 2160 gegenstandslos. Ein gemeinschaftliches Testament wird, da ein Fall des § 2077 I 2 jedenfalls in Bezug auf den Erstverstorbenen vorliegt, gem. § 2268 I seinem ganzen Inhalt nach unwirksam. Die Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung kommt daher auch dem Überlebenden im Hinblick auf dessen Drittzuwendungen zugute. Erste Schwierigkeiten ergeben sich bei übereinstimmender Wortlauslegung der § 2077 I 1 und § 1933 S. 1 trotz beidseitiger Scheidungsaktivität im Falle eines einseitigen Ehegattenerbvertrages, wenn der vertragsmäßig verfügende Ehegatte B seinen Partner A überlebt. Die §§ 2279 II, 2077 I 2 greifen nicht zugunsten des B ein, weil der Überlebende nach der aufgestellten Prämisse nicht als Erblasser im Sinne letzterer Vorschrift in Betracht kommt.785 B bleibt damit an seine vertragsmäßigen Drittzuwendungen gebunden, obwohl diese im Falle seines Vorversterbens ohne weiteres unwirksam geworden wären. Hier zeigt sich die Drittzuwendungsproblematik in reiner Form, also unabhängig von der prozessualen Rolle des Überlebenden. Im Falle eines zweiseitigen Ehegattenerbvertrages kommt die Eheabhängigkeitsvermutung dem überlebenden Ehegatten B dagegen ebenso zugute wie dem erstverstorbenen A. Das gilt freilich nur auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung, dass die Eheauflösungsfiktion als Rechtsfolge des § 2077 I 2 für beide Ehegatten eingreift, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift in der Person eines Ehegatten erfüllt sind. Lehnt man diese Prämisse ab, 785

Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 13.

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ist die Anwendbarkeit der §§ 2279 I, II, 2077 I 2 auch in der vorliegenden Konstellation auf den erstverstorbenen A beschränkt. Die Unwirksamkeit der nach dem Tod von A nunmehr allein relevanten vertragsmäßigen Drittzuwendungen des B folgt dann erst aus § 2298 I. Der Unterschied zwischen diesen Lösungswegen wird deutlich, wenn die Eheabhängigkeitsvermutung im Hinblick auf die Verfügungen des A ausnahmsweise gem. § 2077 III widerlegt ist. In diesem Fall müsste es nach herrschender Auffassung auch bei der Bindung des B bleiben, weil es an der Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung des A mangelt, die die Unwirksamkeit von B’s Drittzuwendungen gem. § 2298 I auslösen könnte. Dieses Ergebnis leuchtet nicht ein, weil die Verfügungen des B im Falle seines Vorversterbens ohne Rücksicht auf einen etwaigen Aufrechterhaltungswillen des A gem. §§ 2279 II, 2077 I 2, 1 unwirksam geworden wären. b) Einseitig betriebene Scheidung, § 2077 I 2, 1. Alt. aa) Der Antragsteller als Erstversterbender Hat lediglich der Antragsteller die Scheidung betrieben und ist er zugleich der erstverstorbene Teil, ergibt sich für beide Ehegatten in keiner denkbaren Vorverlagerungskonstellation ein Unterschied zur Rechtslage bei beidseitig betriebener Scheidung. Im Hinblick auf den Antragsteller überrascht dieses Ergebnis nicht. Dass es auch für den Antragsgegner gilt, ist dagegen für diejenigen Konstellationen bemerkenswert, in denen ihm trotz fehlender Antragstellung und Zustimmung zur Scheidung die Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung zugute kommt. Das ist hinsichtlich der Drittzuwendungen im gemeinschaftlichen Testament und, nach der oben aufgestellten Arbeitshypothese, in Bezug auf vertragsmäßig getroffene Drittzuwendungen im zweiseitigen Ehegattenerbvertrag der Fall, weil die Voraussetzungen des § 2077 I 2, 1. Alt. in beiden Konstellationen jedenfalls in der Person des Antragstellers erfüllt sind.786 Im Falle eines einseitigen Ehegattenerbvertrages bleiben vertragsmäßig getroffene Drittzuwendungen des Überlebenden dagegen ebenso wie in der entsprechenden Konstellation bei beidseitig betriebener Scheidung wirksam und bindend. Anders als dort kann der Überlebende gegen die Übergehung seines 786 Für das gemeinschaftliche Testament unstreitig, vgl. Lange/Kuchinke, ErbR, § 24 I 6 (S. 424); Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 14; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 8. Im Fall des zweiseitigen Ehegattenerbvertrages soll sich die Unwirksamkeit der vertragsmäßigen Drittzuwendungen des überlebenden Antragsgegners nach h. M. dagegen erst aus § 2298 I ergeben, Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4; Soergel/Wolf § 2279 Rn. 6. Vgl. auch Wirtz, S. 140; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 8, deren Ausführungen sich zwar auf den vorzeitigen Tod des Antragsgegners beziehen, für die vorliegende Konstellation aber erst recht Geltung beanspruchen.

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Vorverlagerungsinteresses aber nicht den Einwand ins Feld führen, dass dieses Interesse im Falle seines Vorversterbens befriedigt worden wäre. Denn auch als Erstversterbender hätte der passive Antragsgegner das Wirksambleiben seiner vertragsmäßigen Drittzuwendungen – und das Wirksambleiben der tatsächlich gegenstandslos gewordenen Verfügungen zugunsten seines Noch-Ehegatten – nach dem Wortlaut des § 2077 I 2 hinnehmen müssen.787 Anders als im Vergleichsfall wird die Drittzuwendungsproblematik in der vorliegenden Konstellation also vollständig vom Problemkreis „Einseitigkeit der Vorverlagerung“ überlagert. bb) Der Antragsgegner als Erstversterbender Stirbt im Fall der einseitig betriebenen Scheidung der Antragsgegner als erster, wirkt sich die durch die Antragstellung dokumentierte Ehekrise nach dem Wortlaut des § 2077 I 2, 1. Alt. auf die erbrechtliche Rechtslage nicht aus, weil die Voraussetzungen der Vorschrift weder in der Person des Erstverstorbenen noch in der Person seines Ehegatten erfüllt sind: Der erstverstorbene Antragsgegner ist als Erblasser prozessual passiv geblieben, der Überlebende scheidet bei übereinstimmender Auslegung der § 1933 S. 1 u. § 2077 I 2 auch im Sinne letzterer Vorschrift als Erblasser aus. Abgesehen von den gegenstandslos werdenden Verfügungen des Antragstellers zugunsten des verstorbenen Antragsgegners bleiben die der Eheabhängigkeitsvermutung potenziell unterliegenden Verfügungen beider Ehegatten also unberührt.788 Bei wertender Betrachtung ist damit zu konstatieren: Die Verfügungen des Antragsgegners bleiben wirksam, obwohl sie im Falle der Rechtskraft der Scheidung ohne sein Zutun unwirksam geworden wären. Und die – nach dem Tod des Antragsgegners verbleibenden – potenziell eheabhängigen Drittzuwendungen des Antragstellers789 bleiben wirksam, obwohl ihm im Falle seines Vorversterbens die vorverlagerte Eheabhängigkeitsvermutung ohne weiteres zugute 787 Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4. Diese Rechtsfolge befürwortend AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 5; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7. 788 Bei diesem Ergebnis will es die h. M. belassen. Vgl. zur einseitigen letztwilligen Verfügung Frank, ErbR, § 7 Rn. 15; Bamberger/Roth/Litzenburger § 2077 Rn. 4; MünchKomm/Leipold § 2077 Rn. 8. Zum gemeinschaftlichen Testament Muscheler DNotZ 1994, 733, Fn. 4; Herzog-Grün, S. 149; Dernburg, ErbR, § 91 II, Fn. 2 (S. 256); Strohal, ErbR, Bd. 1, § 43, Fn. 23 (S. 324); Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 14; Bamberger/Roth/Litzenburger § 2268 Rn. 4; Palandt/Edenhofer § 2268 Rn. 3; Soergel/Wolf § 2268 Rn. 4; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 8. Zum Erbvertrag BayObLG FamRZ 1990, 322, 323; OLG Hamm FamRZ 1965, 78, 79; Lange JuS 1965, 347 349 f.; Herzog-Grün, S. 156 f.; Bamberger/Roth/ Litzenburger § 2279 Rn. 5; Palandt/Edenhofer § 2279 Rn. 2; Soergel/Wolf § 2279 Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 13. 789 Drittzuwendungen im gemeinschaftlichen Testament sowie vertragsmäßig getroffene Verfügungen zugunsten Dritter im ein- und zweiseitigen Ehegattenerbvertrag.

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gekommen wäre. Besonders deutlich tritt die Fragwürdigkeit dieses Ergebnisses in Anbetracht von wechselbezüglichen Drittzuwendungen des Antragstellers im gemeinschaftlichen Testament zutage. Hier entscheidet die zufällige zeitliche Reihenfolge der Erbfälle darüber, ob die Verfügungen des Antragstellers durch Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung (Tod des Antragstellers) gem. §§ 2268 I, 2077 I 2, 1. Alt. unwirksam oder mit dem Erlöschen der Widerrufsmöglichkeit (Tod des Antragsgegners) gem. § 2271 II 1, 1. Hs. bindend werden. 2. Korrekturbedürftige Drittzuwendungsfälle: Das Vorverlagerungsinteresse des überlebenden Antragstellers Die ermittelten Lösungen zeigen, dass bei übereinstimmender Wortlautauslegung der §§ 1933 S. 1, 2077 I 2 auch das Vorverlagerungsinteresse eines überlebenden Antragstellerehegatten unbefriedigt bleiben kann. Diese Rechtsfolge tritt namentlich in vier Konstellationen ein: (1) Beidseitig betriebene Scheidung; einseitiger Ehegattenerbvertrag; Antragsteller hat vertragsmäßige Verfügungen zugunsten Dritter getroffen. (2) Einseitig betriebene Scheidung; gemeinschaftliches Testament; Antragsteller hat einseitige oder wechselbezügliche Verfügungen zugunsten Dritter getroffen. (3) Einseitig betriebene Scheidung; einseitiger Ehegattenerbvertrag; Antragsteller hat vertragsmäßige Verfügungen zugunsten Dritter getroffen. (4) Einseitig betriebene Scheidung; zweiseitiger Ehegattenerbvertrag; Antragsteller hat vertragsmäßige Verfügungen zugunsten Dritter getroffen. Allen diesen Fällen ist gemein, dass die Voraussetzungen des § 2077 I 2 auch in der Person des erstverstorbenen Antragsgegners nicht erfüllt sind, so dass der überlebende Antragsteller selbst nach der oben aufgestellten, vorverlagerungsfreundlichen Arbeitshypothese nicht in den Genuss der Rechtsfolgen der §§ 2077 I 2, 2268 I kommt: Entweder fehlt es in der Person des Antragsgegners an einer auf Scheidung gerichteten prozessualen Mitwirkungshandlung (Fälle 2, 3 u. 4), oder er scheidet trotz Vorversterbens deshalb als Erblasser im Sinne der §§ 2274 ff. und damit auch im Sinne des § 2077 I 2 aus, weil er nicht Urheber einer potenziell eheabhängigen – also im Scheidungsfall gem. §§ 2279 I, II, 2077 I 1, III grundsätzlich unwirksamen – Verfügung ist (Fälle 1 u. 3).790 Die Korrekturbedürftigkeit dieser Resultate liegt auf der Hand. Sie sind nicht nur sachlich wenig überzeugend – ein Makel, der bei Vorliegen eines entsprechenden Regelungswillens des Gesetzgebers hingenommen werden müsste –,

790 Dass als Erblasser i. S. d. § 2077 I 2 jedenfalls nur ein Ehegatte in Betracht kommt, der zumindest eine potenziell eheabhängige Verfügung i. S. d. § 2279 I, II getroffen hat, ist unstreitig. Eine ganz andere Frage ist, ob diese Urheberschaft, wenn sie denn vorliegt, auch hinreichende Bedingung für die Erblassereigenschaft i. S. d. § 2077 I 2 ist oder ob das Merkmal zusätzlich voraussetzt, dass es sich bei dem fraglichen Ehegatten um den erstverstorbenen Teil handelt. Vgl. dazu 3. Teil, B. II. 2. a).

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sondern verletzen zudem das durch Art. 3 I GG bewehrte Gebot gesetzlicher Systemkonformität, das vom Gesetzgeber ein Mindestmaß an Folgerichtigkeit von einfachgesetzlichen Wertungen verlangt.791 Ein Regelungsmodell, das ein berechtigtes Interesse an der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen im Grundsatz anerkennt, also zur Vermeidung von Zufallsergebnissen auf die formale Auflösung der Ehe vor dem Erbfall verzichtet, wenn und weil ein Ehegatte alles seinerseits Erforderliche zur Auflösung der gescheiterten Ehe getan hat, muss die Vorverlagerung auch dann zulassen, wenn es sich bei diesem Ehegatten um den letztlich überlebenden Teil handelt.792 Denn die zeitliche Reihenfolge der Erbfälle der Ehegatten vor Rechtskraft der Scheidung hängt ebenso vom Zufall ab wie der Umstand, ob der antragstellende Ehegatte die Rechtskraft des Scheidungsurteils erlebt.793 Die stets verbleibende Möglichkeit des überlebenden Antragstellers, seine eheabhängigen Drittzuwendungen anzufechten oder – im Fall der einseitigen Drittzuwendung im gemeinschaftlichen Testament – zu widerrufen794, stellt sicher keinen ausreichenden Ersatz für das Nichteingreifen der Eheabhängigkeitsvermutung dar.795 Sowohl Anfechtung als auch Widerruf verlangen vom Überlebenden Aktivität, zudem setzt die Anfechtung die Wahrung von Fristen, der Widerruf das Vorliegen von Testierfähigkeit voraus.796 Im Rahmen einer Anfechtung nach § 2078 II bliebe schließlich unklar, wer die Beweislast für Vorliegen und Kausalität des Irrtums über den Fortbestand der Ehe tragen soll. Die Aufrechterhaltung der für den Überlebenden ungünstigen Beweislastregel des § 2078 II würde zu einem offenen Wertungswiderspruch zum Regel-AusnahmeVerhältnis der §§ 2268 II, 2279 II i.V. m. 2077 III führen. Umgekehrt würde die allgemeine Irrtumsanfechtung bei Übertragung dieses Regel-Ausnahme-Verhält791 Wendt NVwZ 1988, 778, 783; Isensee/Kirchhof/Kirchhof, HStR, Bd. V, § 124 Rn. 222 ff.; v. Münch/Kunig/Gubelt, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 30; Sachs/Osterloh, GG, Art. 3 Rn. 98. 792 Ausdrücklich ebenso für ein- und zweiseitige Ehegattenerbverträge MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7 f.: Das Weiterbestehen der Bindung des überlebenden Antragstellers „ist (. . .) nicht zu rechtfertigen“. Trotz Ablehnung einer Korrektur des nach dem Wortlaut des § 2077 I 2 eintretenden Ergebnisses in der Interessenbewertung wie hier Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 13: Die Unwirksamkeit des Erbvertrages sei „an sich wünschenswert“. 793 AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 4; Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4; Planck/Greiff § 2279 Anm. 3. 794 Darauf verweist die h. M., vgl. BayObLG FamRZ 1990, 322, 323; Herzog-Grün, S. 156; Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 517); Reimann/Bengel/Mayer/ Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2279 Rn. 17; Jauernig/Stürner § 2279 Rn. 3; Soergel/Wolf § 2279 Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter § 2279 Rn. 13. 795 Ebenso Wirtz, S. 134 zum gemeinschaftlichen Testament; MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 9 zum Erbvertrag. 796 Der Scheidungsantrag kann dagegen gem. § 607 II ZPO vom gesetzlichen Vertreter eines geschäfts- und testierunfähigen Erblasserehegatten gestellt werden, vgl. dazu Fn. 228.

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nisses auf § 2078 II zu derjenigen sinnentleerten Formalität degenerieren, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 2077 gerade vermeiden wollte. Dem Verweis auf die Anfechtungsmöglichkeit stehen damit nicht nur praktische, sondern auch grundsätzliche Bedenken entgegen: Wer ipso-iure-Unwirksamkeit und Anfechtung in der vorliegenden Situation für gleichwertige Alternativen hält, erklärt § 2077 zugleich insgesamt für gegenstandslos. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob der Wortlaut des § 2077 I 2 nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eine Interpretation zulässt, die eine Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung auch zugunsten eines überlebenden Antragstellers erlaubt. Verneinendenfalls stellt sich die Frage nach Zulässigkeit und Auswirkungen einer analogen bzw. entsprechenden Anwendung des § 2077 I 2 auf eheabhängige Drittzuwendungen eines überlebenden Antragstellers. a) Korrektur innerhalb des Wortlauts: Der Überlebende als Erblasser im Sinne des § 2077 I 2? Von Teilen der Literatur ist erwogen worden, im Falle des gemeinschaftlichen Testaments und des zweiseitigen Ehegattenerbvertrages auch den letztlich überlebenden Teil als Erblasser im Sinne des § 2077 I 2 aufzufassen.797 Dieser Auslegung liegt die Überlegung zugrunde, dass in den genannten Konstellationen auch der überlebende Ehegatte eheabhängige Verfügungen getroffen hat, also zumindest potenziell798 die Rolle eines Erblasser einnimmt.799 797 Planck/Greiff § 2268 Anm. 2 a); RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 3. Letztlich ablehnend Lange JuS 1965, 347, 349 f.; Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 8. 798 Lange JuS 1965, 347, 349. Nichts anderes als die Berücksichtigung der potenziellen Erblassereigenschaft bedeutet es, wenn Battes FamRZ 1977, 433, 438 die Vorverlagerungswirkungen des § 2077 I 2 ihrerseits vom Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden auf den Zeitpunkt der Antragstellung vorverlegt. Denn zu diesem Zeitpunkt existieren mangels Erbfalls überhaupt nur potenzielle Erblasser. 799 So in Bezug auf Erbverträge insbesondere Wirtz, S. 136 u. 140, der von der (potenziellen) Erblassereigenschaft des Überlebenden i. S. d. §§ 2274 ff. ohne weiteres auf die Erblassereigenschaft i. S. d. § 2077 I 2 schließt. Die h. M., nach der auch im Falle eines zweiseitigen Erbvertrages nur der erstversterbende Ehegatte als Erblasser in Betracht kommt, vgl. Fn. 783, beruhe auf einer fehlerhaften Interpretation der Entscheidung des OLG Hamm FamRZ 1965, 78. In Abgrenzung zur abgelehnten Auffassung der h. M. führt Wirtz aus, dass „der Überlebende (. . .) in Ansehung ,seiner‘ bindenden Verfügungen ebenfalls ,Erblasser‘ (sei), allerdings eben nur er und nur in Bezug auf diese.“ Die Entscheidung des OLG Hamm, bei der es „vorrangig um die Abgrenzung zum gemeinschaftlichen Testament“ gegangen sei, besage nichts anderes. Diese Stellungnahme ist mehr als unklar: Erstens werden in der besagten Entscheidung Fragen zum gemeinschaftlichen Testament mit keinem Wort erwähnt. Zweitens hat die h. M. das Urteil durchaus zutreffend interpretiert. Träfe hingegen Wirtz’ Verständnis der Entscheidungsgründe zu, hätte das Gericht nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, zu dem es tatsächlich gekommen ist: Da die Voraussetzungen der Scheidung gegeben waren und auch der überlebende und klagende Ehemann vertragsmäßige Verfügungen getroffen hatte, hätten diese Verfügungen nach Wirtz’ Auffassung

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Allein mit dieser Überlegung können die Hürden, die der Wortlaut des § 2077 I 2 aufstellt, indes nicht genommen werden, weil die Vorschrift neben der Antragstellung bzw. Zustimmung des Erblassers verlangt, dass „zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers“ bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Zumindest bei dieser erstmaligen Verwendung des Begriffs Erblasser kann mit dem Merkmal nur der tatsächlich Vorversterbende, in der vorliegenden Konstellation also der Antragsgegner, gemeint sein. Die Berücksichtigung eines bloß potenziellen Erblassers als Antragsteller liefe also darauf hinaus, ein- und denselben Begriff an verschiedenen Stellen innerhalb desselben Tatbestandes unterschiedlich auszulegen. Gerade im vorliegenden Zusammenhang vermag dieses systematisch ohnehin bedenkliche Ergebnis nicht zu überzeugen. Denn dass das Merkmal Erblasser überhaupt ein zweites Mal im Tatbestand des § 2077 I 2 auftaucht, und zwar an der Stelle, an der es bei isolierter Betrachtung auch im Sinne eines nur potenziellen Erblassers verstanden werden könnte, dürfte ausschließlich auf einer sprachlichen Akzentverschiebung im Zusammenhang mit dem Übergang vom Schuld- zum Zerrüttungsprinzip beruhen: Vor der Einführung des Zerrüttungsprinzips durch das 1. EheRG setzte § 2077 I 2 voraus, dass „der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung (. . .) zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte (. . .)“. Für die besondere, auf der Grundlage des Schuldprinzips noch folgerichtige Betonung des Rechts des Erblassers, auf Scheidung der Ehe zu klagen, bestand nach der Einführung des Zerrüttungsprinzips kein Anlass mehr, weil das Recht auf Scheidung nach Maßgabe der §§ 1565 ff. n. F. im Regelfall von beiden Ehegatten erworben wird. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die ursprünglich personenbezogen formulierte, materielle Voraussetzung des § 1933 S. 1 lediglich aus sprachlichen Gründen durch die neutrale Formulierung ersetzt wurde, dass „zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren“. Bloß grammatisch zwang diese Formulierung wiederum dazu, den Begriff „Erblasser“ im Zusammenhang gem. §§ 2279 I, II, 2077 I 2 unwirksam werden müssen. Das wiederum hätte jedenfalls über § 2298 I zur Unwirksamkeit der Verfügung der Ehefrau zugunsten des Ehemannes führen müssen, was das OLG ausdrücklich ablehnt. Zu weit geraten ist freilich die Aussage des Gerichts, Erblasser i. S. d. § 2077 I sei (nur) der verstorbene Ehegatte, OLG Hamm FamRZ 1965, 78 f. Dies aber nur deshalb, weil die Aussage bestenfalls für § 2077 I 2, nicht aber für § 2077 I 1 Geltung beanspruchen kann, zutreffend OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 941, 942. Drittens verwundert, dass Wirtz den eigenen Ansatz im Hinblick auf gemeinschaftliche Testamente nicht durchhält, obwohl hier definitionsgemäß beide Ehegatten potenzielle Erblasser, also Urheber eheabhängiger Verfügungen, sind: Während im Fall des zweiseitigen Ehegattenerbvertrages die Verfügungen des überlebenden Antragstellers schon „nach dem Wortlaut der §§ 2077 Abs. 1 Satz 2, 2279 Abs. 1 und 2 BGB (. . .) unwirksam“ (S. 140) werden sollen, scheitere die Unwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments in der entsprechenden Situation „strenggenommen (. . .) an dem hier sehr eindeutigen Wortlaut der §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB“ (Fn. 248), was Wirtz im Ergebnis zu einer Korrektur des Normtextes veranlasst.

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mit der Antragstellung ein zweites Mal zu verwenden. An der nach der alten Rechtslage erforderlichen Identität von tatsächlich vorversterbendem und klagendem/antragstellendem Erblasser sollte sich durch die Mehrfachnennung des Merkmals in der Neufassung des § 2077 I 2 daher offenbar nichts ändern.800 Damit spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift dagegen, das Merkmal Erblasser zunächst im Sinne des tatsächlich erstverstorbenen Antragsgegners und später im Sinne eines bloß potenziellen Erblassers/Antragstellers auszulegen. Eine Lösung der Drittzuwendungsproblematik innerhalb der Grenzen des Wortlauts des § 2077 I 2 scheidet daher aus. b) Korrektur durch analoge Anwendung des § 2077 I 2 aa) Zulässigkeit und Reichweite der Analogie Die herrschende Meinung lehnt eine analoge Anwendung des § 2077 I 2 für sämtliche Konstellationen ab, in denen der Antragsteller den passiven Antragsgegner überlebt.801 Zur Begründung dieser Auffassung verweist das jüngere Schrifttum insbesondere auf die Neufassung der Vorschrift durch das 1. EheRG. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis des Meinungsstreits an einer Formulierung des § 2077 I 2 festgehalten, die nahe lege, die Vorverlagerungswirkung nur im Fall des Vorversterbens des Antragstellers eintreten zu lassen. Eine Korrektur des Wortlauts scheide daher zumindest mangels Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke802 aus.803 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen, weil sie nicht zwischen den Verfügungen des Antragstellers und denen des Antragsgegners differenziert, obwohl gerade die Materialien zum 1. EheRG diese Untscheidung nahe legen: Entgegen dem Vorschlag der Bundesregierung entschied sich der Gesetzgeber dafür, § 2077 I 2 – ebenso wie § 1933 S. 1 – auch unter der Geltung des Zerrüttungsprinzips im Grundsatz aufrechtzuerhalten, um dem typischen Willen der Ehegatten während der Scheidungskrise weiterhin kraft Gesetzes Rechnung tragen zu können. Allerdings ging der Gesetzgeber davon aus, dass ein auf Unwirksamkeit der eheabhängigen Verfügungen bzw. auf Wegfall des gesetzlichen 800 Bezeichnenderweise ist es im Hinblick auf die Aufhebung der Ehe, die in den Fällen des § 1316 I Nr. 2 nur von einem der Ehegatten verlangt werden kann, auch in der Neufassung der §§ 1933 S. 2, 2077 I 3 bei der Betonung des Auflösungsrechts des Erblassers geblieben. Im Tatbestand dieser Vorschriften taucht das Merkmal „Erblasser“ denn auch nur einmal auf. 801 Vgl. die in Fn. 788 Genannten. 802 Dass die nach dem Wortlaut geltende Rechtslage den Interessen des Antragstellers nicht gerecht wird, erkennen auch die Analogiegegner an, vgl. BayObLG FamRZ 1990, 322, 323; Herzog-Grün, S. 156; Reimann/Bengel/Mayer/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2268 Rn. 14. A. A. Soergel/Wolf § 2279 Rn. 6. 803 Staudinger/Kanzleiter § 2268 Rn. 8.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Erbrechts gerichteter Wille eines Ehegatten mit hinreichender – also typisierungsfähiger – Wahrscheinlichkeit nur aus dessen Antragstellung bzw. Zustimmung gefolgert werden könne.804 Für die Frage nach der Analogiefähigkeit des § 2077 I 2 ergibt sich aus diesen gesetzgeberischen Prämissen zweierlei: Zum einen steht fest, dass die Einseitigkeit der Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungswirkungen zu Lasten des Antragsgegners auch nach dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Diese Entscheidung ist de lege lata zu respektieren, und zwar unabhängig davon, ob sie bzw. die ihr zugrunde liegenden Erwägungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten oder nicht. Für eine Analogiebildung fehlt es insofern in der Tat jedenfalls an einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.805 Ebenso sicher ist aber, dass in Bezug auf eheabhängige Drittzuwendungen eines überlebenden Antragstellers nach den Materialien zum 1. EheRG von einem Analogieverbot zu § 2077 I 2 keine Rede sein kann. Denn insofern verfehlt die Vorschrift das vom Gesetzgeber selbst anvisierte Regelungsziel, weil die fraglichen Verfügungen nach dem Wortlaut der Norm wirksam bleiben, obwohl der Urheber dieser Verfügungen in Form der Antragstellung eben dasjenige Verhalten an den Tag gelegt hat, das nach der Konzeption des Gesetzgebers als hinreichende Vermutungsgrundlage für einen auf Unwirksamkeit gerichteten Willen zu bewerten ist.806 Im Hinblick auf eheabhängige Drittzuwendungen ist § 2077 I 2, gemessen am eigenen Regelungszweck, also unvollständig. Dass diese Unvollständigkeit auf einem gesetzgeberischen Versehen beruht, also eine planwidrige Lücke des Gesetzes darstellt, ist angesichts der Materialien zum 1. EheRG mit Händen zu greifen. Im Gesetzgebungsverfahren drehte sich alles um die Frage, ob und wie eine Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen mit dem neu eingeführten Zerrüttungsprinzip in Einklang zu bringen sei. Dabei beschränkte sich die Diskussion auf den vorzeitigen Aus-

804

BT-Drucks. 7/650, S. 274 f.; BT-Drucks. 7/4361, S. 52. Abzulehnen ist daher zum einen die Auffassung von Staudinger/Otte § 2077 Rn. 13, der für einseitige letztwillige Verfügungen des erstversterbenden, passiven Antragsgegners eine analoge Anwendung des § 2077 I 2 vorschlägt, zum zweiten auch die Ansicht, der zufolge gemeinschaftliche Testamente analog §§ 2268 I, 2077 I 2 bei Vorliegen der materiellen Scheidungsvoraussetzungen stets, d.h. ohne Rücksicht auf das Vorhandensein eheabhängiger Drittzuwendungen des überlebenden Antragstellers, schon aufgrund seiner Antragstellung unwirksam werden sollen, vgl. Köster JuS 2005, 407, 408; Wirtz, S. 134; Schlüter, ErbR, Rn. 329; AK-BGB/Schaper § 2268 Rn. 15; Erman/Schmidt § 2268 Rn. 4; MünchKomm/Musielak § 2268 Rn. 13; RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 3. 806 Ebenso AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 4; Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4; Planck/ Greiff § 2279 Anm. 3. Einer weiteren „eindeutigen Entschließung“ des überlebenden Antragstellers zugunsten der Unwirksamkeit in Form einer Anfechtung bedarf es daher entgegen Lange/Kuchinke, ErbR, § 25 VIII 2 b) (S. 517) nicht. 805

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schluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts gem. § 1933 S. 1.807 Die Entscheidung, diese Vorschrift zumindest im Grundsatz aufrechtzuerhalten, wurde anschließend auf die §§ 2077, 2268, 2279 übertragen, ohne die einzelnen Vorverlagerungskonstellationen des gewillkürten Erbrechts einer selbstständigen Prüfung zu unterziehen. In Anbetracht dieser Vorgehensweise überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber über das Vorverlagerungsinteresse eines überlebenden Ehegatten kein Wort verlor. Da sich dieses – in der Literatur zugegebenermaßen bekannte808 – Problem ausschließlich im Zusammenhang mit eheabhängigen Drittzuwendungen, also im Rahmen der §§ 2268 I, 2279 II, stellt, ist anzunehmen, dass es bei der ganz auf § 1933 S. 1 fokussierten Diskussion übersehen wurde.809 Gesteht man das zu, bestand aus Sicht des Gesetzgebers kein Anlass, den Wortlaut des § 2077 I 2 in Bezug auf das Vorverlagerungsinteresse eines überlebenden Antragstellers zu modifizieren. Aus der „Unterlassung“ dieser Modifikation kann daher nicht auf mangelnde Planwidrigkeit der oben festgestellten Regelungslücke geschlossen werden. Ein Teil der Literatur lehnt die hier in Bezug auf eheabhängige Drittzuwendungen des überlebenden Antragstellers befürwortete Analogie zu § 2077 I 2 freilich auch aus systematischen Gründen ab. Aus der übereinstimmend gefassten Formulierung der §§ 1933 S. 1 u. 2077 I 2 folge, dass auch die Anwendung der §§ 2268, 2279 „Gestaltungen voraussetzt, in denen dem überlebenden Gatten ein gesetzliches Erbrecht gegenüber dem verstorbenen nicht zukommt“810. Eine solche Gestaltung liegt in den in Rede stehenden Vorverlagerungskonstellationen nicht vor, weil das gesetzliche Erbecht des überlebenden Antragstellers von § 1933 S. 1 unberührt bleibt. Dieses systematische Argument vermag nur teilweise zu überzeugen. Die übereinstimmende Handhabung der §§ 1933 S. 1, 2077 I 2 einerseits und der §§ 2268, 2279 andererseits verdient sicher in denjenigen Fallgestaltungen des gemeinschaftlichen Testaments und Erbvertrags Zustimmung, in denen es – wie in den §§ 1933 S. 1, 2077 I 2 – ausschließlich um erbrechtliche Erwerbsaussichten des einen Ehegatten nach dem anderen geht. Insofern besteht kein Widerspruch zur hier vertretenen Analogielösung, die das Vorhandensein zumin807 Eine eigenständige Begründung zu den §§ 2077, 2268, 2279 enthalten die Gesetzgebungsmaterialien aus der 7. Legislaturperiode nicht. Der Rechtsausschuss beschränkte sich insofern darauf, auf die Erwägungen zur Aufrechterhaltung des § 1933 zu verweisen, vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 808 Vgl. bereits Planck/Greiff § 2268 Anm. 2 c). 809 Sowohl im Ausgangsvorschlag der Bundesregierung (BT-Drucks. 7/650, S. 179) als auch in den Stellungnahmen des Bundesrates (BT-Drucks. 7/650, S. 274) und des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 7/4361, S. 52) ist immer nur vom Verhältnis der Ehegatten zueinander die Rede. 810 Strohal, ErbR, Bd. 1, § 43, Fn. 23 (S. 324) zum gemeinschaftlichen Testament. Ihm folgend und den Gedankengang auf Erbverträge übertragend Lange JuS 1965, 347, 349 f.

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dest einer eheabhängigen Drittzuwendung des überlebenden Antragstellers voraussetzt. Liegt eine solche Verfügung aber vor, führt die an den Gestaltungen der §§ 1933 S. 1, 2077 I 2 ausgerichtete Anwendung bzw. Nichtanwendung der §§ 2268 I, 2279 II nicht zu systematischer Folgerichtigkeit, sondern zu einer Gleichbehandlung von Ungleichem. Die äußerlich übereinstimmende Handhabung der beiden Vorschriftenblöcke würde durch den oben dargestellten Wertungswiderspruch innerhalb der §§ 2268 I, 2279 II erkauft.811 Im Hinblick auf die Analogiefähigkeit des § 2077 I 2 ist daher zu differenzieren: Zwar darf ein erstverstorbener, passiver Antragsgegner nicht wie ein Antragsteller, wohl aber kann ein überlebender Antragsteller wie ein Erstverstorbener behandelt werden, sofern er zumindest eine grundsätzlich eheabhängige Drittzuwendung getroffen hat812, und zwar ohne dass es dabei auf die Rechtsnatur dieser Zuwendung ankäme. Auch das Vorhandensein bloß einseitiger Verfügungen zugunsten Dritter im gemeinschaftlichen Testament gebietet die analoge Anwendung des § 2077 I 2 mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Dass der überlebende Antragsteller diese Verfügungen ohne Rücksicht auf den Tod des Erstverstorbenen ohne weiteres widerrufen kann, spielt keine Rolle, weil § 2077 insgesamt nicht auf die Bindung, sondern auf die typischerweise fehlerhafte Motivation des Verfügenden abstellt.813 Zur Analogiebildung reicht es daher aus, dass der überlebende Antragsteller eine Verfügung zugunsten eines Dritten getroffen hat, die nach Maßgabe der §§ 2268 I, 2279 II als auf dem Irrtum über den Fortbestand der Ehe beruhend zu bewerten ist. Freilich steht die hier befürwortete Analogiebildung zugunsten des überlebenden Antragstellers noch unter einem Vorbehalt: Sollte sich erweisen, dass die Einseitigkeit der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen zu Lasten des passiven Antragsgegners gem. § 2077 I 2, 1. Alt. gegen das Grundgesetz verstößt, scheidet eine Analogiebildung zugunsten des Antragstellers aus, sofern auch sie zur Ungleichbehandlung der Ehegatten führen würde. Denn wenn dem Antragsteller das Privileg der Vorverlagerung wegen Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. im Fall bloß einseitiger Scheidungsaktivität selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen der Norm versagt bleibt, kann es ihm erst recht nicht im Wege einer Analogie eingeräumt werden. 811 Die Divergenz zwischen § 1933 S. 1 und der analogen Anwendung des § 2268 I für den Fall des gemeinschaftlichen Testaments wie hier ausdrücklich hinnehmend RGRK/Johannsen § 2268 Rn. 3: Unwirksamkeit der wechselbezüglichen Verfügungen „unbeschadet des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten“. 812 MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7 f.; Planck/Greiff § 2279 Anm. 3. 813 Konsequenterweise lehnte der Bundesrat den Vorschlag der Bundesregierung ab, die Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung auf vertragsmäßige Verfügungen zu beschränken. Eine an den Grad der erbrechtlichen Bindung anknüpfende Verschiedenbehandlung von einseitigen und gemeinschaftlichen Testamenten einerseits und Erbvertägen andererseits sei aufgrund der übereinstimmenden Interessenlage – sprich: Irrtumslage – nicht zu rechtfertigen, BT-Drucks. 7/650, S. 274.

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bb) Ergebnisse Im Hinblick auf eheabhängige Drittzuwendungen des überlebenden Antragstellers im gemeinschaftlichen Testament und im zweiseitigen Ehegattenerbvertrag steht der oben formulierte Vorbehalt der Analogiebildung keinesfalls entgegen. Denn in diesen Fällen führt gerade die Berücksichtigung des Vorverlagerungsinteresses des überlebenden Antragstellers im Ergebnis zu einer Gleichbehandlung der Ehegatten: Ist in den Fällen des gemeinschaftlichen Testaments der Tatbestand des § 2077 I 2 in Anbetracht der Drittzuwendungen des Antragstellers als erfüllt anzusehen (Konstellation 2), greift die Eheabhängigkeitsvermutung des § 2268 I auch im Hinblick auf die Verfügungen des Antragsgegners zugunsten des Antragstellers und/oder Dritter ein, weil „ein Fall des § 2077“ vorliegt. Entsprechendes gilt in den Fällen des zweiseitigen Ehegattenerbvertrages (Konstellation 4): Nach der oben aufgestellten Arbeitshypothese814 führt bereits die einseitige Erfüllung des Tatbestandes des § 2077 I 2 in der Person des Antragstellers auf der Rechtsfolgenseite der Norm zu einer Gleichstellung der Ehegatten. Folgt man dieser Auffassung nicht, werden die vertragsmäßigen Verfügungen des Antragsgegners zugunsten des Antragstellers und/oder Dritter jedenfalls gem. § 2298 I unwirksam815, wenn es in der Person des Antragstellers in Bezug auf dessen vertragsmäßige Drittzuwendungen an einem Aufrechterhaltungswillen im Sinne der §§ 2279 II, 2077 III fehlt. In beiden Konstellationen stellt sich die Unwirksamkeit der Verfügungen des Antragsgegners als reflexartige Folge der analogen Anwendung des § 2077 I 2 zugunsten des überlebenden Antragstellers dar. Die gesetzgeberische Prämisse, den typischen Willen eines passiven Antragsgegners nicht ermitteln zu können, bleibt dabei unberührt, weil die Analogiebildung ausschließlich am Vorverlagerungsinteresse des überlebenden Antragstellers ausgerichtet ist. Die insofern erforderliche Tatbestandskorrektur des § 2077 I 2 löst auf Seiten des Antragsgegners dann lediglich diejenigen Rechtsfolgen aus, die auch bei unmittelbarer Anwendung der Vorschrift, also im Fall des tatsächlichen Vorversterbens des Antragstellers, eingetreten wären. Die Analogiebildung ist ferner im Hinblick auf eheabhängige Drittzuwendungen des überlebenden Antragstellers im einseitigen Ehegattenerbvertrag unbedenklich, sofern beide Ehegatten die Scheidung betrieben haben (Konstellation 1). Hier fehlt es von vornherein an einer Ungleichbehandlung der Ehegatten, da dem erstverstorbenen Antragsgegner das Privileg der Vorverlagerung ebenfalls zugute gekommen wäre, wenn er als verfügender Teil einen entsprechenden Erbvertrag mit seinem Gatten geschlossen hätte. Dagegen bleibt es beim oben 814

Vgl. 3. Teil, B. I. 1. b). AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 5; Erman/Schmidt § 2279 Rn. 4; MünchKomm/ Musielak § 2279 Rn. 8; Planck/Greiff § 2279 Anm. 3. 815

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formulierten Vorbehalt, sofern lediglich der Antragsteller die Scheidung betrieben hat (Konstellation 3). Denn die Vorverlagerung zugunsten des überlebenden Antragstellers bliebe für einen entsprechenden einseitigen Erbvertrag des Antragsgegners ohne Konsequenzen. Die Lösung dieser Fallkonstellation hängt damit von der Verfassungsmäßigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. ab.

III. Verfassungswidrigkeit der einseitigen Vorverlagerung im gewillkürten Erbrecht Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass das Problem der bloß einseitigen Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungsfolgen zu Lasten des erstverstorbenen, passiven Antragsgegners gem. § 2077 I 2, 1. Alt. im Hinblick auf gemeinschaftliche Testamente und zweiseitige Ehegattenerbverträge im Rahmen des geltenden Rechts befriedigend gelöst werden kann, sofern der überlebende Antragsteller eheabhängige Drittzuwendungen getroffen hat. In allen anderen Fallkonstellationen stellt sich die Frage, ob das einseitige Wirksambleiben grundsätzlich eheabhängiger Verfügungen, die der erstverstorbene, passive Antragsgegner zugunsten des Antragstellers und/oder Dritter errichtet hat, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage ähnliche verfassungsrechtliche Probleme aufwirft wie die Einseitigkeit des vorzeitigen Ausschlusses des gesetzlichen Ehegattenerbrechts. Die folgende Darstellung orientiert sich daher an den Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit des § 1933 S. 1, 1. Alt.816 Allerdings unterscheiden sich § 1933 S. 1 und § 2077 I 2 – isoliert oder in Verbindung mit §§ 2268 I, 2279 I, II – in zweierlei Hinsicht. Erstens handelt es sich bei § 2077 im Ganzen um eine – ergänzende – Auslegungsregel.817 Das vorzeitige Unwirksamwerden einer eheabhängigen Verfügung zugunsten des Ehegatten oder eines Dritten knüpft daher anders als der vorzeitige Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts nicht unmittelbar an den Umstand des absehbar eheauflösenden Endes des Scheidungsverfahrens an, sondern an die – vom Gesetzgeber typisierend unterstellte – Bewertung dieses Umstandes durch den Erblasser. Daraus folgt, dass die Eheauflösungsprognose, die als solche auch im gewillkürten Erbrecht immer nur für beide Ehegatten unabhängig von ihrer Parteirolle im Scheidungsverfahren gelten kann, zumindest nicht denknotwendig dieselben Wirkungen auf Verfügungen eines Antragstellers und diejenigen eines passiven Antragsgegners zeitigen muss. Da es auf den jeweiligen Erblasserwillen ankommt, sind Differenzierungen anders als bei § 1933 S. 1 nicht schon aus formallogischen Gründen ausgeschlossen.

816 817

Vgl. daher zunächst dazu 2. Teil, B. Zur Rechtsnatur des § 2077 vgl. 3. Teil, A. I. 2.

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Der zweite Unterschied zwischen den Vorschriften besteht darin, dass die Einseitigkeit der Vorverlagerung gem. § 1933 S. 1, 1. Alt. stets eine Verletzung konkreter, ursprünglich gegenseitiger erbrechtlicher Erwerbschancen der Ehegatten bedeutet, die vor Einleitung des Scheidungsverfahrens im Fall des Todes des jeweils anderen zumindest Aussicht auf eine erbrechtliche Minimalteilhabe am Nachlass in Form des Ehegattenpflichtteils haben. In den von § 2077 I 2 erfassten Fallkonstellationen stehen sich dagegen nicht notwendig solchermaßen miteinander korrespondierende, erbrechtliche Erwerbsaussichten der Ehegatten gegenüber. Denkbar ist, dass der Antragsteller im konkreten Fall überhaupt keine oder jedenfalls keine rechtlich mit den Verfügungen des Antragsgegners verknüpften eheabhängigen Verfügungen getroffen hat. In diesen Fällen818 stellt sich die für den mutmaßlichen Willen des Antragsgegners maßgebliche Interessenlage weniger eindeutig dar als bei § 1933 S. 1. Trotzdem vermag die an Vorhandensein bzw. Fehlen eigener Scheidungsaktivität des Erblassers anknüpfende Differenzierung des § 2077 I 2, 1. Alt. auch in diesen Fällen letztlich nicht zu überzeugen. 1. Verstoß gegen Art. 3 I GG Die Ungleichbehandlung von Antragsteller und passivem Antragsgegner beruht auch im gewillkürten Erbrecht auf der gesetzgeberischen Vorstellung, ein auf Unwirksamkeit der Verfügung gerichteter Wille des Erblassers komme nur durch eigene Antragstellung bzw. Zustimmung zur Scheidung zum Ausdruck, so dass es im Falle des Todes eines prozessual passiven Antragsgegners während des Scheidungsverfahrens bei der Wirksamkeit seiner einseitigen, wechselbezüglichen und vertragsmäßigen Verfügungen bleiben müsse.819 Diese Überlegung ist zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Ehegatten nach § 2077 I 2, 1. Alt. ungeeignet, weil die Prämisse mangelnder Ermittelbarkeit des Antragsgegnerwillens auch im Rahmen dieser Vorschrift fehlgeht. Im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen des Antragsgegners im gemeinschaftlichen Testament und vertragsmäßige Verfügungen im zweiseitigen Ehegattenerbvertrag liegt dieser Befund auf der Hand. Denn nach den §§ 2270 I, 2298 I besteht zwischen den genannten Verfügungen des Antragsgegners (B) und entsprechenden, jeweils ausschließlich zu seinen Gunsten errichteten Verfügungen des Antragstellers (A) ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis, 818 Namentlich: (1) Einseitige letztwillige Verfügung des Antragsgegners zugunsten des Antragstellers; (2) Vertragsmäßige Verfügung des Antragsgegners zugunsten des Antragstellers im einseitigen Erbvertrag; (3) Vertragsmäßige Verfügung des Antragsgegners zugunsten Dritter im einseitigen Ehegattenerbvertrag; (4) Vertragsmäßige Verfügung des Antragsgegners zugunsten des Antragstellers im zweiseitigen, mit einem Dritten abgeschlossenen Erbvertrag. 819 Vgl. 2. Teil, A. II. Zustimmend MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7.

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

demzufolge die Nichtigkeit der Verfügung des A ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Verfügungen des B führt. Diese Folge tritt nach zustimmungswürdiger herrschender Meinung auch dann ein, wenn die den Unwirksamkeitsmechanismus auslösende Verfügung des A nicht im technischen Sinne nichtig, sondern gem. §§ 2268 I, 2077 I 2 bzw. gem. §§ 2279 I, II, 2077 I 2 unwirksam ist.820 Nach den Auslegungsregeln der §§ 2270 I, 2298 I rechtfertigt also bereits der Umstand, dass B aufgrund der Ehekrise nicht mehr in den Genuss der ihn begünstigenden Verfügung des A kommt, die Annahme, dass B aufgrund dieser Störung der ursprünglich im gemeinschaftlichen Testament oder Ehegattenerbvertrag vorgesehenen, erbrechtlichen Regelungen der Ehegatten seinerseits nicht an seinen wechselbezüglichen bzw. vertragsmäßigen Verfügungen festhalten will. Die für den mutmaßlichen Willen des B entscheidende Störung liegt aber bereits ab dem Zeitpunkt vor, zu dem der Scheidungsantrag des A gestellt ist und die Voraussetzungen für die Scheidung vorliegen. Denn schon zu diesem Zeitpunkt steht fest, dass die den B begünstigende Verfügung des A unabhängig davon, welcher Ehegatte zuerst verstirbt, keine Wirksamkeit mehr entfalten wird: Im Fall des vorzeitigen Todes des A wird die Verfügung gem. §§ 2268 I, 2077 I 2 als Teil des gemeinschaftlichen Testaments bzw. gem. §§ 2279 I, 2077 I 2 unwirksam; im Fall des Vorversterbens des B wird sie gem. § 1923 I bzw. § 2160 gegenstandslos.821 Folglich besteht auch in den Fällen, in denen letztlich B als Antragsgegner vorverstirbt, kein rechtfertigender Grund dafür, die in den §§ 2270 I, 2298 I enthaltene Wertung zu durchbrechen. Eine solche Durchbrechung ordnet § 2077 I 2 aber an, indem die Vorschrift in Bezug auf den Antragsgegner B die Annahme eines auf Unwirksamkeit seiner Verfügungen gerichteten Willens trotz Eintritts einer für §§ 2270 I, 2298 I hinreichenden Störung von der zusätzlichen Voraussetzung eigener Scheidungsaktivität abhängig macht. Im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament und vertragsmäßige Verfügungen im zweiseitigen Ehegattenerbvertrag verstößt die Einseitigkeit der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungsfolgen gem. §§ 2268 I, 2077 I 2, 1. Alt. bzw. gem. §§ 2279 I, II, 2077 I 2, 1. Alt. daher schon wegen eines offenen Mangels an systematischer Folgerichtigkeit gegen Art. 3 I GG.822 Die Prämisse mangelnder Ermittelbarkeit des Antragsgegnerwillens vermag aber auch in denjenigen Konstellationen nicht zu überzeugen, in denen es im Unterschied zu den dargestellten Fällen des gemeinschaftlichen Testaments und des zweiseitigen Ehegattenerbvertrags an rechtlich miteinander korrespondierenden erbrechtlichen Erwerbsaussichten der Ehegatten fehlt.823 Denn nach § 2077 820

Vgl. Fn. 690 u. 3. Teil, A. III. 3. a) bb). Battes FamRZ 1977, 433, 438; Wirtz, S. 156. 822 Ebenso wohl Lange/Kuchinke, ErbR, § 24 I 6 (S. 425): „Ungleichbehandlung der am Verfahren Beteiligten nur noch schwer begründbar“. 823 Vgl. dazu Fn. 818. 821

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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I 1 rechtfertigt jedenfalls der objektive Umstand der Scheidung die Annahme eines auf Unwirksamkeit seiner eheabhängigen Verfügungen gerichteten Willens des Erblassers. Ob der Erblasser die Scheidung selbst initiiert oder auch nur sein Einverständnis mit der Eheauflösung zum Ausdruck gebracht hat, ist für § 2077 I 1 unerheblich. Die Entfaltung scheidungsrechtlicher Aktivität spielt lediglich als Voraussetzung für das Tatbestandsmerkmal „Auflösung der Ehe“ eine Rolle, dessen Folgen dem Erblasser auch dann zugute kommen, wenn die Erfüllung des Merkmals ausschließlich auf der Initiative seines Gatten beruht. Treten die Rechtsfolgen des § 2077 I 1 aber auch zugunsten eines prozessual passiven Erblassers ein, ist kein Grund dafür ersichtlich, warum Antragstellung bzw. Zustimmung im Rahmen des § 2077 I 2 zu ausschlaggebenden Willensindikatoren avancieren sollen824: Wer zutreffend unterstellt, dass ein Erblasser im Errichtungszeitpunkt das Unwirksamwerden seiner eheabhängigen Verfügungen im Scheidungsfall letztlich auch dann will, wenn er sich bis zum Eintritt der Scheidung um die Aufrechterhaltung seiner Ehe bemüht oder ihre Auflösung jedenfalls nicht forciert, muss einen entsprechenden Willen bei sonst gleichen Voraussetzungen für den Fall unterstellen, dass die als sicher zu prognostizierende und als Vermutungsgrundlage hinreichende Scheidung zufällig durch den eigenen, vorzeitigen Tod des Erblassers vereitelt wird.825 Für einen typischen, d.h. vernünftigen Erblasser kann dieser Zufall keinen bewertungserheblichen Unterschied begründen. Auch im Hinblick auf diejenigen eheabhängigen Verfügungen des Antragsgegners, die mit etwaig vorhandenen, entsprechenden Verfügungen des Antragstellers nicht in dem durch §§ 2270 I, 2298 I gekennzeichneten Verhältnis stehen, hätte dem passiven Antragsgegner das Privileg der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungsfolgen daher nicht einseitig vorenthalten werden dürfen. Die Ungleichbehandlung von Antragsteller und passivem Antragsgegner gem. § 2077 I 2, 1. Alt. verstößt daher unabhängig von der Rechtsnatur der jeweils in Rede stehenden Verfügung des Antragsgegners gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG. 2. Verstoß gegen Art. 6 I GG Im Hinblick auf Art. 6 I GG ergeben sich zwischen § 1933 S. 1, 1. Alt. und § 2077 I 2, 1. Alt. in Bezug auf wechselbezügliche und vertragsmäßige Verfügungen des Antragsgegners im Grundsatz keine Unterschiede.826 Da nach der zu Art. 3 I GG festgestellten Interessenlage auch der Wille eines im Scheidungsverfahren zunächst passiv bleibenden Antragsgegners im Regelfall auf die 824

A. A. ohne Begründung MünchKomm/Musielak § 2279 Rn. 7. Im Ergebnis ebenso Herzog-Grün, S. 114 ff.; Lange/Kuchinke, ErbR, § 35 I 5 a) (S. 819); Staudinger/Otte § 2077 Rn. 13. Unklar AK-BGB/Finger § 2279 Rn. 4 einerseits und Rn. 5 andererseits. 826 Vgl. 2. Teil, B. II. 2. 825

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Unwirksamkeit seiner eheabhängigen Verfügungen gerichtet ist, ist die Versagung der vorzeitigen ipso-iure-Unwirksamkeit dazu geeignet, den Antragsgegner zur Vornahme ehefeindlicher Maßnahmen anzureizen, die erforderlich sind, um die typischerweise gewollte Unwirksamkeit seiner Verfügungen herbeizuführen. Freilich ist der Antragsgegner insofern nicht auf die scheidungsrechtlichen Optionen eigener Antragstellung bzw. Zustimmung zur Scheidung beschränkt. Im Fall des gemeinschaftlichen Testaments kann der Antragsgegner seine wechselbezüglichen Verfügungen gem. §§ 2271 I 1, 2296 widerrufen, im Fall des Erbvertrags kommt die Ausübung eines etwaig gem. § 2293 vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder doch zumindest die Anfechtung des Erbvertrags wegen Motivirrtums gem. §§ 2281 I, 2078 II in Betracht. An der ehefeindlichen Tendenz des § 2077 I 2, 1. Alt. ändern diese rechtsgeschäftlichen Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners aber nichts. Erstens hängen alle diese Möglichkeiten gem. §§ 2271 I 1, 2296 II 2, 2282 III von kostenträchtiger notarieller Beurkundung ab, während die Zustimmung zur Scheidung gem. § 630 II 2 ZPO kostenlos zu Protokoll der Geschäftsstelle des Familiengerichts erklärt werden kann. Hinsichtlich der Anfechtung des Erbvertrages ist zweitens zu bedenken, dass die Beweislastverteilung des § 2078 II für den Antragsgegner ein Prozessrisiko birgt, das sich durch die Erklärung der Zustimmung vermeiden lässt. Drittens dürfte es im Hinblick auf Art. 6 I GG letztlich gar keinen Unterschied machen, ob der Antragsgegner der Scheidung zustimmt oder die Unwirksamkeit seiner eheabhängigen Verfügungen durch die genannten rechtsgeschäftlichen Maßnahmen herbeiführt. Da alle diese Maßnahmen gem. §§ 2271 I 1, 2296 II 1, 143 II dem Antragstellerehegatten gegenüber vorgenommen werden müssen, sind auch sie geeignet, die zwischen den Ehegatten bestehende Scheidungskrise weiter zu verschärfen.827 Dagegen ist der Antragsgegner im Hinblick auf einseitige letztwillige Verfügungen nicht auf ehezerstörerische Maßnahmen angewiesen. Solche Verfügungen kann er nach Maßgabe der §§ 2253 ff. durch Widerruf aus der Welt schaffen, ohne den Antragsteller von diesem Widerruf in Kenntnis zu setzen. Insofern ist § 2077 I 2, 1. Alt. in Bezug auf Art. 6 I GG verfassungsrechtlich unbedenklich. 3. Verstoß gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG Schließlich verletzt die Vorenthaltung der Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungswirkungen zu Lasten des passiven Antragsgegners gem. § 2077 I 2 im Hinblick auf wechselbezügliche und vertragsmäßige eheabhängige Verfügungen die durch Art. 14 I 1, 2. Alt. GG gewährleistete Testierfreiheit des An827

Wirtz, S. 150.

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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tragsgegners. Dieser Verstoß folgt – ebenso wie der entsprechende Verstoß des § 1933 S. 1, 2. Alt. gegen Art. 14 I 1, 2. Alt. GG828 – akzessorisch aus der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Da dem Antragsgegner das Privileg der ipso-iure-Unwirksamkeit seiner eheabhängigen Verfügungen nicht hätte versagt werden dürfen, das den Erblasser im Fall vertragsmäßiger Verfügungen von einer Anfechtung gem. §§ 2281 I, 2078 II und im Fall wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom formgebundenen Widerruf nach §§ 2271 I 1, 2296 entbindet, stellt die Aufrechterhaltung dieser die Testierfreiheit einschränkenden Hürden829 einen nicht mehr gerechtfertigten Eingriff in das Recht des Antragsgegners dar, jeder beliebigen Person den sachlichen Kernbestand des Erbgutes zukommen zu lassen.

IV. Ergebnis und Zusammenfassung Soweit § 2077 I 2, 1. Alt. zur Ungleichbehandlung von Antragsteller und scheidungsprozessual passivem Antragsgegner führt, verletzt die Vorschrift unabhängig von der Rechtsnatur der vom Antragsgegner getroffenen Verfügungen dessen Grundrecht aus Art. 3 I GG. Im Hinblick auf wechselbezügliche und vertragsmäßige, eheabhängige Verfügungen des Antragsgegners verstößt die Vorschrift ferner im selben Umfang gegen das Grundrecht des Antragsgegners auf Testierfreiheit aus Art. 14 I 1, 2. Alt. GG sowie gegen Art. 6 I GG in seiner objektiv-rechtlichen Ausformung als wertentscheidende Grundsatznorm. Eine verfassungskonforme Auslegung lässt der Wortlaut des § 2077 I 2, 1. Alt. nur in sehr begrenztem Umfang, nämlich nach der oben aufgestellten Arbeitshypothese zu, der zufolge dem passiven Antragsgegner als Überlebendem die Vorverlagerung erbrechtlicher Scheidungsfolgen zumindest in den Fällen des zweiseitigen Ehegattenerbvertrages unmittelbar gem. § 2077 I 1 statt über § 2298 I zugute kommt.830 Im Übrigen, also mit Blick auf den passiven Antragsgegner in der Rolle des Erstversterbenden, scheidet eine verfassungskonforme Auslegung des § 2077 I 2, 1. Alt. aus, sofern eine Gleichbehandlung der Ehegatten im Sinne einer beiderseitigen Vorverlagerung der Eheabhängigkeitsvermutung nicht auf das Vorverlagerungsinteresse des überlebenden Antragstellers gestützt werden kann. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist § 2077 I 2, 1. Alt. nichtig, so dass eine Vorverlagerung weder beim vorzeitigen Tod des passiven Antragsgegners noch beim vorzeitigen Tod des Antragstellers in Betracht kommt.

828 829 830

Vgl. 2. Teil, B. III. 1. b). BayObLG DNotZ 1996, 302, 306 m. Anm. Kuchinke. Vgl. 3. Teil, B. I. 1. b).

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3. Teil: Gewillkürtes Erbrecht

Im Einzelnen ergeben sich folgende Konsequenzen: 1. Eine einseitige letztwillige Verfügung, die der allein scheidungsaktive Antragsteller zugunsten des Antragsgegners getroffen hat, bleibt aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. wirksam, wenn der Antragsteller vor Rechtskraft des Scheidungsverfahrens stirbt. 2. Ein gemeinschaftliches Testament, in dem der allein scheidungsaktive Antragsteller ausschließlich zugunsten des Antragsgegners verfügt hat, bleibt aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. wirksam, wenn der Antragsteller vor Rechtskraft des Scheidungsverfahrens stirbt. 3. Ein gemeinschaftliches Testament, in dem der allein scheidungsaktive Antragsteller zumindest eine Zuwendung zugunsten Dritter getroffen hat, wird im Fall des Todes eines der Ehegatten vor Rechtskraft der Scheidung – gemäß oder analog §§ 2268 I, 2077 I 2, 1. Alt. – unter dem Vorbehalt des § 2268 II seinem ganzen Inhalt nach unwirksam. 4. Eine vertragsmäßige Verfügung, die der allein scheidungsaktive Antragsteller in einem zweiseitigen Ehegattenerbvertrag zugunsten des Antragsgegners getroffen hat, bleibt aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. wirksam, wenn der Antragsteller vor Rechtskraft des Scheidungsverfahrens stirbt und keine Verfügungen zugunsten Dritter im Sinne des § 2279 II getroffen hat. 5. Vertragsmäßige Verfügungen, die die Ehegatten in einem zweiseitigen Ehegattenerbvertrag getroffen haben, werden – gemäß oder analog §§ 2279 I, II, 2077 I 2, 1. Alt. – unter dem Vorbehalt des § 2077 III unwirksam, wenn einer der Ehegatten vor Rechtskraft des Scheidungsurteils stirbt und der allein scheidungsaktive Antragsteller zumindest eine Verfügung zugunsten Dritter im Sinne des § 2279 II getroffen hat. 6. Vertragsmäßige Verfügungen, die der allein scheidungsaktive Antragsteller in einem einseitigen Ehegattenerbvertrag zugunsten des Antragsgegners oder zugunsten Dritter getroffen hat, bleiben aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. wirksam, wenn der Antragsteller vor Rechtskraft des Scheidungsverfahrens stirbt. 7. Eine vertragsmäßige Verfügung, die der allein scheidungsaktive Antragsteller in einem ein- oder zweiseitigen Erbvertrag mit einem Dritten zugunsten des Antragsgegners getroffen hat, bleibt aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 2077 I 2, 1. Alt. wirksam, wenn der Antragsteller vor Rechtskraft des Scheidungsverfahrens stirbt. 8. Eine analoge Anwendung der §§ 2279 II, 2077 I 2 zugunsten des allein scheidungsaktiven, überlebenden Antragstellers im Hinblick auf dessen ehe-

B. Ausnahme: Vorzeitiger Ausschluss gewillkürter Erwerbsaussichten

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abhängigen Drittzuwendungen im einseitigen Ehegattenerbvertrag kommt nicht in Betracht. Rechtspolitisch überzeugend sind diese Ergebnisse sicher nicht. In den Fällen 1, 2, 4, 6, 7 und 8 kann die von Art. 3 I GG verlangte Gleichbehandlung von Antragsteller und passivem Antragsgegner de lege lata nur dadurch erreicht werden, dass dem Antragsteller das Privileg der Vorverlagerung aus § 2077 I 2, 1. Alt. versagt wird. An dieser Stelle muss die jedenfalls erforderliche, gesetzgeberische Korrektur der Vorschrift ansetzen. Denn da der scheidungswillige Antragsteller, seinen vorzeitigen Tod hinweggedacht, die Scheidung und damit die Voraussetzungen des § 2077 I 1 einseitig hätte erzwingen können, erscheint es de lege ferenda auch im Hinblick auf das gewillkürte Erbrecht sachgerecht, die erforderliche Gleichbehandlung der Ehegatten durch eine „Gleichstellung nach unten“ herbeizuführen, also eine beiderseitige Vorverlagerung der erbrechtlichen Scheidungsfolgen unabhängig von der prozessualen Rolle des erstversterbenden Ehegatten schon bei bloß einseitiger, begründeter Scheidungsaktivität eintreten zu lassen. Diese Lösung ergäbe sich von selbst, wenn sich der Gesetzgeber dazu durchringen würde, unter den genannten Voraussetzungen systematisch konsequent eine Fiktion der Scheidung anzuordnen. Divergenzen zwischen der Rechtslage beim gesetzlichen und gewillkürten Erbrecht, die – jedenfalls nach hier vertretener Auffassung – in Bezug auf gemeinschaftliche Testamente und zweiseitige Ehegattenerbverträge bestehen, weil letztere bereits de lege lata unter bestimmten Voraussetzungen auch im Fall bloß einseitiger Scheidungsaktivität vorzeitig unwirksam werden können831, würden durch eine solche umfassende Fiktion ausgeschlossen. § 2077 I 2 könnte, ebenso wie § 1933 S. 1, als entbehrlich gestrichen werden.

831 Vgl. 3. Teil, B. II. 2. b) aa). Im Ergebnis ebenso Wirtz, S. 160, 162; RGRK/ Johannsen § 2268 Rn. 3.

Anhang Geschiedene Ehen nach dem Alter der Ehegatten, 1991–2004, Deutschland

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Sachverzeichnis Abkömmlinge 101 ff., 183, 195 ff. – einseitige 196 f. Alleineigentümerhof 104 f. Altersversorgung 130 Amtszustellung 47 f., 51 ff. Fn. 140, 144 Andeutung 116, 128 f., 144, 149 Fn. 556 Anfechtbarkeit 115, 116 Fn. 419, 123 f., 130, 135 f., 186 ff., 206 Antragstellung 46 ff. – und Anhängigkeit 46 ff. – Anschlussantrag 55 ff. – prozessuale Mängel 55 – und Rechtshängigkeit 46 ff. – und Rechtsmittel 57 f. – Rücknahme 65 ff. Anwaltszwang 59 ff., 66, 74 f. Auflage 126, 161 Aufrechterhaltungswille – Auslegungsmaßstab 183 – und vertragsmäßige Drittzuwendungen 195 ff. – Gegenstand 176 f., 189 f. – und gemeinschaftliches Testament 175 ff. – nachträglicher 132 ff. – realer 127 ff. – Träger 177 ff., 190 ff. – übereinstimmender 177 ff., 190 ff. Ausgleichsfreiheit letztwilliger Zuwendungen 148 Fn. 553. Auslegung – ergänzende 121 ff., 125, 127 f., 131, 136 f., 143, 152, 155, 162, 167, 174, 176, 226 – erläuternde 62, 121 f., 128, 136, 145 Fn. 542, 151 f.

Auslegungsregel 119, 121 f., 131, 149, 155, 186, 196 Fn. 736, 197 Fn. 738, 200, 204, 206, 226, 228 Ausschlagung 100, 206 Aussetzungsantrag 65 Bedingungslösung 122 Benachteiligungsabsicht 96 f. Beschwer 65 Bestätigung 136, 143 Beweislast 35 Fn. 72, 68, 122, 127 f., 159, 176, 218, 230 Beweislastumkehr 73 Fn. 254, 116, 126, 145 Fn. 547, 147 Fn. 552, 149 Bezugsrecht 149 ff. – unwiderrufliches 150 ff. – widerrufliches 150 ff. Deckungsverhältnis 149, 154 ff. Deliktsrecht 108 dispositive Rechtsnorm 119 ff., 174 Fn. 668 Drittzuwendung 175, 185 ff., 189, 192 ff., 202 ff., 213 ff., 222 Eheabhängigkeitsvermutung 17 f., 173 f., 193, 195 ff., 202, 204, 208, 210, 212, 214 ff., 218 f., 224 Fn. 813, 225, 231 Eheaufhebung 21, 35 Fn. 73, 47, 88 Fn. 304, 102 Ehebeseitigungskonstellation 166 f., 210 Ehegattenhof 104 f. Ehegattenschutzklausel 75 f. Ehenichtigkeit 117, 166 EheRG 23, 46 f., 62, 78, 81, 83 f., 86, 102, 105, 112, 220 ff.

Sachverzeichnis Eheschließungsfreiheit 33, 34 Fn. 71 Ehewohnung 111 Eingetragene Lebenspartnerschaft – Aufhebung der 16 Fn. 2, 79, 82 – und Voraus 85 Fn. 293 – und vorzeitiger Erbrechtsausschluss 44, 79, 82 f. Einkommensanrechnung 113 einseitige Verfügung im Erbvertrag 201 Einseitigkeit des Erbrechtsausschlusses – im gesetzlichen Erbrecht 19 ff. – im gewillkürten Erbrecht 211 ff. Empfängerhorizont 155, 184 Entstehungsgeschichte – des § 1933 19 ff. – des § 2077 115 ff. – des § 2268 163 ff. Erbfallschuld 88 Erblasserschuld 88 Erblasserwille – mutmaßlicher 22 f., 25, 28 – nachträglicher 134 ff. – hypothetischer 118 ff., 127, 129, 131 ff., 138, 149, 153, 155, 156 Fn. 591, 167, 174, 176 Erbrechtsersatz 86 ff., 89 Erbrechtsfreiheit 37 ff. Erbrechtsgleichheit 40 f. Fn. 96 Erbunwürdigkeit 206 Erbvertrag 184 ff. Ersatzanspruch bei Tötung 108 Ersatzbezugsberechtigte 154, 160 f. Ersatzerbe 199 f. Erwerbseinkommen 109 Fn. 392 falsa-demonstratio 184 Fn. 705 Familienerbrecht 38, 40 f. Fn. 93 Formanforderungen 134 ff., 144 Formerleichterung 62 Formprivileg 163, 181 Geldrente 108 gemeinschaftliches Testament 163 ff.

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Gesamtgutsanteil 101 f. Getrenntleben 16, 28, 33 Fn. 67, 43 Fn. 104, 59 Fn. 185, 68 f., 74 f., 80, 92, 107 Fn. 385 Gleichlauf der Ausschlusstatbestände 213 Grundrecht auf Scheidung 33 f., 76 f., 80 ff. Gütergemeinschaft – fortgesetzte 101 ff. – ohne Fortsetzungsvereinbarung 101 Güterrecht 95 ff. Gütertrennung 27, 90 f. Fn. 316 Härteklausel 75 ff. Haftungshöchstgrenze 27, 90, 94 f. Fn. 332, Fn. 334 Halbteilungsprinzip 113 Haushalt ehelicher 105 ff., 107 Fn. 385 Haushaltsgegenstände 111 Hausratsverordnung 111 f. heteronome Aufrechterhaltungsgründe 129 ff. Hinterbliebenenversorgung 112 ff., 152 Fn. 568 Hinterlegung 158 Höchstpersönlichkeit 54, 61 f. Höfeordnung 104 f. Hoferbe 104 Im-Zweifel-Vorschriften 134 f. Inhalts- und Schrankenbestimmung 39 f. Institutsgarantie – der Ehe 32 ff., 76 f. – des Erbrechts 41 ff. – Subjektivierung 39 Fn. 90. Intimsphäre 63, 73 ipso-iure-Unwirksamkeit 115 ff., 124, 129, 145 Fn. 547, 186, 188, 194, 197 Fn. 738, 206, 219, 230 f. Kapitallebensversicherung 149 ff. Kausalität 22 Fn. 22, 116, 118 f., 135, 218

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Sachverzeichnis

Kinderschutzklausel 75 f. konstruktive Nacherbschaft 148 Konventionalscheidung 72 f., 77 ff., 80 Lebensgemeinschaft – eheliche 15, 68, 159 Fn. 601 – nichteheliche 125 Fn. 458, 126 Fn. 465 lebzeitige Zuwendung 146 Mehrdeutigkeit, nachträgliche 134 f. Mietverhältnis 105 ff. Mitschuldantrag 22 Fn. 23, 23, 78 mittelbare Zuwendung 153 Fn. 574 Motivirrtum 115 f., 118 f., 122, 127, 136, 178 Fn. 686, 186 ff., 206, 224, 230 mündliche Verhandlung 56, 59 f., 61, 64, 66 nacheheliche Solidarität 31, 90, 111 f. Nacherbe 198 ff. Nachlassverbindlichkeit 88 negative Verlaufsprognose 32 ff. Nichtanhängigkeitsfiktion 64 Fn. 210, 66 f. Nichtehe 125 Nichtigkeit gem. § 2298 BGB 205 f. Pflichtteil – Ausschluss 23, 27, 29, 38, 85 – fiktiver 89, 92 f. – großer 100 – kleiner 27 Fn. 46 – und Verfassung 29, 34, 36 f., 38, 41 Pflichtteilsentziehung 22 f., 27, 36 f., 102 f. Pflichtteilsersatzfunktion 87 Pflichtteilsrestanspruch 93 f., 100 Pflichtteilsverzicht 89 ff. planmäßige Vermögensminderung 96 positive Fehlvorstellung 116, 119, 187 Fn. 716, 189

postmortale Prozessstandschaft 54 Postulationsfähigkeit 61 potenzieller Erbe 38, 41 Fn. 96 potenzieller Erblasser 44, 219 ff. preußisches Allgemeines Landrecht 20, 143 Fn. 535, 171 pro herede gestio 100 Prozesshandlung 57, 59 ff., 63, 66 f. Fn. 223, 80 Fn. 280 Rechtsfolgenanalogie 106 f., 112 Rechtsnatur – des § 2077 119 ff. – des § 2268 167 ff. Rechtsvergleich 42 f. Fn. 104 f. Rentenstammrecht 113 Rentenversicherung 113 Rentensplitting 113 Rückwirkungsfiktion 139 ff. Sachurteilsvoraussetzung 70 Schadensersatz bei Tötung 108 ff. Scheidungsbegehren 56, 67, 70, 74 Scheidungsfiktion 29, 53, 84 f., 88, 96, 104, 110, 114, 210, 212 Scheidungsfolgenvereinbarung 69 ff., 76 Scheidungsgrund 23, 70 Scheidungsklage 20, 23, 46, 78, 165 f. Scheidungsrelevanz des Erblasserverhaltens 77 ff. Scheidungsschuld 20 – Sanktion für 20 ff. Scheidungssperre 74 Scheidungsverbund 16, 72 Fn. 248 Scheidungsverhalten 15 Scheidungsverzicht 33 Fn. 69 Scheitern der Ehe 68 ff. Scheiternsvermutung 69 ff. Schenkung 161 Schlusserbe 198 ff. schuldbefreiende Leistung 157 f. Schwebelage 123

Sachverzeichnis Schwiegerkind 144 ff. Seriösitätsindiz 76 Sondergut 102 Sonderrechtsnachfolge – in das Mietverhältnis 105 ff. – in Sozialleistungen 105 ff. Sozialleistungsansprüche 105 ff. Status 17, 41, 44, 84, 155 Streitgegenstand 55 Fn. 164 Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge 93 Systemkonformität 30 Fn. 57, 218, 228 Testamentsvollstrecker 161 f. Testierfreiheit 34, 39 ff., 92, 120, 140, 197, 231 f. Trennungsunterhalt 109 ff. Übereilungsschutz 71 Fn. 243, 76 Umdeutung 56 Fn. 167, 59 Fn. 182, 180, 208 Fn. 776 Unauflösbarkeit der Ehe 32 ff., 125 Fn. 458 Ungleichbehandlung 26 ff., 227 ff. Unterhalt – angemessener 88 – vorzeitiger nachehelicher 22, 24, 27, 86 ff. unzumutbare Härte 63, 74, 83 Valutaverhältnis 150, 152 ff., 158, 160 f. verfassungskonforme Auslegung 43 ff., 231 Verfassungswidrigkeit – des § 1933 S. 1 1. Alt. BGB 26 ff. – des § 2077 I 2 1. Alt. BGB 226 ff. Vermächtnis 100 f., 106, 115, 126, 161 Vermögenserträge 109 Fn. 392 Vermögensteilhabe 27, 86, 89, 130 Verschuldensprinzip 14 ff., 23, 33 Fn. 67, 43, 78, 90 Fn. 315, 102, 111 Fn. 400, 165, 220

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Versicherungsnehmer 149 ff. Versorgungsanwartschaft 113 Versorgungsausgleich 112 ff., 131 – öffentlich-rechtlicher 113 – schuldrechtlicher 113 – verlängerter schuldrechtlicher 113 Versorgungsfall 113 Versorgungsfunktion 89 ff., 130 vertragsmäßige Verfügung 140, 185 ff. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall 149, 153, 161 Verwandtenerbrecht 85, 101 Voraus 20 f., 27, 85, 106, 111 Vorbehaltsgut 102 Vorerbe 199 f. Vorerbschaft 148 Vorteilsausgleichung 110 Vorverlagerungsinteresse des Überlebenden 211 ff. Vorverlagerungskonstellationen 214 ff. Wechselbezüglichkeit 139 f., 163 f., 167 ff., 179 f., 181 ff., 184, 193 f., 200 f., 203, 217, 227 f., 230 f. – Aufrechterhaltung 168 ff. – Einschränkung 207 f. – einseitige 200, 207 – nacheheliche 168 ff. – partiell einseitige 179 Fn. 688 Wegfall der Geschäftsgrundlage 103, 146, 150 f., 158 ff., 187 Fn. 716, 188 wertentscheidende Grundsatznorm 35 ff., 231 Wesensgehalt 41 f. Widerklage 55 ff., 78 Wiederheirat 113, 137 ff. Witwengeld 112 Witwenrente 112 f. Zerrüttungsprinzip 23, 220, 222 Zugewinngemeinschaft 95 ff. – Berechnungszeitpunkt 96 ff.

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Sachverzeichnis

– Endvermögen 96 ff. – güterrechtlicher Ausgleich 95 ff. – individuelle erbrechtliche Lösung 100 f. – und Lebensversicherung 159 f. – pauschale erbrechtlichte Lösung 85, 96 – Privilegierung des überlebenden Ehegatten 98 f. – Vererblichkeit 99

Zustimmung zur Scheidung – Abhängigkeit 63 – Adressat 60 ff. – Form 60 ff. – inhaltliche Anforderungen 62 f. – Rechtsnatur 58 ff. – Widerruf 64 f. Zwangsgemeinschaft 33 f. Zwangsvollstreckung 88